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w#nc.or\c.W'.
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LEHRBUCH
DER
PHARMAKOGNOSIE DES PFLANZENREICHES
NATURGESCHICHTE
DER WICHTIGEREN
ARZNEISTOFFE VEGETABILISCHEN URSPRUNGES
BI R UM.
VERLAG VON RUDOLPH GAERTNER.
AMEJ/ANQ’SCHE SOnTIMJSNTS-BUCHIIANULllNG.
1867.
WILLIAMS & NORGATE.
14 HENRIETTA-STREET, COVENT GARDEN.
V5
PARIS.
HAAR & STEINERT.
9 RUE JACOB
I
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DEM
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APOTHEKER - VE REINE
DER SCHWEIZ •
ZUM DANKE FÜR VIELFACHE ANREGUNG
GEWIDMET
VON
SEINEM LANGJÄHRIGEN PRÄSIDENTEN.
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Vorwort.
Die Zahl der in diesem Lehrbuche behandelten Gegenstände ist eine
beschränkte, indem sowohl veraltete als auch noch nicht allgemeiner ein-
geführte Drogen weggelassen wurden, um die Aufmerksamkeit desto mehr
den wichtigeren zuzuwenden. Da jedoch ein absoluter Werthmesser für die-
selben nicht denkbar ist, so gaben mitunter auch Erw'ägungen anderer Art
den Ausschlag Gei der Aufnahme oder Ausschliessung dieses oder jenes
Stoffes. Die Beschreibung der wenigen Waaren, welche an sich gar nicht
eigentlich Arzneistoffe sind, oder trotz untergeordneter Bedeutung hier
eine Stelle erhalten haben, wird — so hoffe ich, den inneren Grund ihrer
Einfügung leicht hervortreten lassen und sollte er auch nur in naher lehr-
reicher Beziehung zu unzweifelhaft sehr wichtigen Stoffen liegen. Umge-
kehrt ist manches weggeblieben, was vielleicht doch nach dem Gefühle
Vieler Berücksichtigung verdient hätte. In zweifelhaften Fällen hat die
Betrachtung geleitet, ob der fragliche Stoff allgemeineres Interesse dar-
biete oder nicht. Der Mangel z. B. an chemisch oder geschichtlich oder
botanisch gehaltreichen Momenten entschied gegen die Aufnahme. Aber
auch höchst wichtige Dinge blieben ausgeschlossen, wenn der Schwerpunkt
ihrer Bedeutung weit ausserhalb der Pharmakognosie gesucht werden muss,
wie z. B. Zucker, Kaffee, Thee, welche in der chemischen Technik, im Welt-
handel, im Haushalte eine uuverhältnissmässig grössere Rolle spielen, als
in der Pharmacie oder Medicin, daher füglich den wissenschaftlichen Ver-
tretern jener Fächer überlassen bleiben mögen. Auf der Grenze liegt der
Gacao; dass er in unsern Kreis herübergezogen wurde, möge unentschuldigt
bleiben.
Diese Erörterungen liiliren darauf, die Pharmakognosie überhaupt etwas
bestimmter abzugrenzen. Sie ist ja keine für sich abgeschlossene Wissen-
schaft, ist es ganz besonders nicht in unserer Zeit der gegenseitigen Durch-
VI
Vorwort.
dringung und des Zusammenwirkens aller Naturwissenschaften. Vielmehr
kaun die Pharmakognosie nicht anders gefasst werden, denn als eine
gleichzeitige Anwendung verschiedener wissenschaftlicher
Disciplineu zum Zwecke einer allseitigen Kenutuiss der Arzneistoffe.
Welche Zweige der Naturgeschichte zunächst herbeizuziehen sind, springt
in die Augen; zur Vervollständigung des Bildes einer Droge gehören aber
auch noch die hervorragendsten Züge ihrer Geschichte und der Handels-
verhältnisse. Die Besprechung der arzneilichen Leistung hingegen ist Auf-
gabe der Pharmakodynamik und Toxikologie mit nothwendiger Ausnahme
vereinzelter bezüglicher Andeutungen, welche z. B. durch das Vorkommen
mehrerer Sorten einer Waare geboten werden. Es kann uns nicht irre
machen, dass wir in England und Frankreich diese Fächer häufig noch
ungetrennt von unserer Pharmakognosie als „Materia medica“ behan-
delt sehen.
Mit nicht geringerem und nicht grösserem Rechte beansprucht die Pharma-
kognosie eine Selbstständigkeit als z. B. die Geographie, welche zu ihren
Zwecken und auf ihre Weise in noch weit ausgedehnterem Masse sammelt,
bearbeitet und erweitert, was andere Wissenszweige ihr zuführen. Die
Pharmakognosie findet leicht ihre Grenzen da gesteckt, wo eine einzelne
andere Disciplin eben so gut und besser eintreten kann. Sie hat
beispielsweise nicht nöthig, die Mehrzahl der ätherischen und fetten Oele
in ihren Bereich zu ziehen, indem die Chemie allein die meisten dieser
Substanzen vollkommen ausreichend zu behandeln vermag. Allerdings
dürfen dieselben bei der pliarmakognostischen Schilderung der Drogen nicht
mit Stillschweigen übergangen werden, aber die erschöpfende Darstellung
ist nur von der Chemie zu erwarten. Wenige Ausnahmen von dieser Regel
(Camphora, Oleum Rosae u. s. f.) drängen sich durch das Ueberwiegen
pharmakognostischer Momente trotz der scheinbaren Inconsequenz auf.
Um so mehr aber darf und soll die deutsche Pharmakognosie sich nach
dem eben ausgesprochenen Grundsätze beschränken, als wir in dem Lehr-
buche der Pharmacie von Ludwig und Hallier (Maiuz 1865, 1866)
eine ganz vorzügliche chemische Bearbeitung aller hierher gehöriger Dinge
besitzen, daher auch nach dieser Seite hin eine vollkommene Arbeitstheilung
durchgeführt ist.
Doppelt schwierig wird nach diesen Erklärungen die zweckmässige
Anordnung des Stoffes, und wohl berechtigte Einwendungen gegen das
Fachwerk jedes eigentlich pliarmakognostischen Lehrgebäudes sind leicht
genug zu begründen. Die möglichste Einfachheit und Anspruchslosigkeit
des Systems hat mir unter diesen Umständen am besten geschienen. Wer
aber grundsätzlich damit nicht einverstanden ist, findet in der Uebersichts-
Vorwort.
VII
täte! II die Möglichkeit gegeben, z. B. beim Unterrichte den Lehrstoff
ohne Schwierigkeit in ganz anderer Eintheilung abznhandeln.
Die Grundzüge der Methode, welche im übrigen in dem vorliegenden
Buche eingehalten wurde, um von den verschiedenen Gesichtspunkten aus
allmälig dem idealen Bilde jedes einzelnen Gegenstandes näher zu rücken,
folgen mit Noth Wendigkeit aus den obigen Andeutungen und wurden vor
dem Drucke Berg, dem hoch verdienten Meister des Faches, vorgelegt,
auf den ich mich so vielfach stütze. Ich kann mir nicht versagen, anzu-
führen, dass Derselbe mir noch am 15. Juni 1866, wenige Monate vor
seinem allzufrühen Hinschiede, seine Billigung in ermuthigender Weise aus-
sprach und mich in der Ueberzeugung von der Zweckmässigkeit des Planes
an sich bestärkte.
In Betreff der Ausführung bemerke ich, dass das Buch im ganzen nur
wenige Quellenangaben enthält. Wer bedenkt, wie vollständig die Jahres-
berichte der Chemie alle betreffenden Ergebnisse der naturwissenschaft-
lichen Forschung aufnehmen, wie übersichtlich Wiggersim Cannstatt’schen
Jahresberichte alle Fortschritte der gesummten Pharmacie ordnet, wird es
gut heissen, dass hiermit einfach auf diese Fundgruben verwiesen wird.
Um jedoch das Nachschlageu der grossen Sammelwerke oder der verschie-
denen Fachzeitschriften zu erleichtern, wurde häufig statt weiterer Citate
die Jahreszahl einer Untersuchung oder des Referates genannt, worin
zugleich auch bisweilen statt aller Kritik ein Wink über den relativen Werth
der angeführten Resultate erblickt werden mag. — Unschwer wird der
Kenner der Literatur da und dort Ergebnisse eigener Forschung des Verfassers
niedergelegt finden.
Die wenig zahlreichen für das Verstäudniss wiinschenswerthen chemi-
schen Formeln sind den neueren Anschauungen entsprechend geschrieben.
Der angehende Fachgenosse kann sich der Bekanntschaft mit denselben
nicht mehr entziehen und dem Freunde der jetzt noch üblicheren früheren
Ausdrucksweise kann es nicht schwer fallen, sich diese einfachen Formeln
zurecht zu legen.
Zur Beschreibung der mikroskopischen Verhältnisse dienten Schnitte,
die ich selbst angefertigt habe und noch auf bewahre; nur für einige China-
rinden wurden auch Präparate von der geschickten Hand Rodig’s in
Hamburg benutzt. Nach den glänzenden Leistuugen Berg’s und seiner
wenigen Vorgänger, nach den trefflichen mikrochemischen Arbeiten Vogls
und anderer bedarf die Anwendung des Mikroskops zu unsern Zwecken so
wenig der Rechtfertigung wie die der Teleskope in der Astronomie,
freilich kann man Rhabarber, Sarsaparilla, Opium, Gummi ohne Mikroskop
beurtheilen, wenn es darauf ankömmt, sich mit möglichst wenigen Hülfs-
VIII
Vorwort.
mittein zu behelfen. Das aber ist gewiss nicht die Aufgabe, welche die
Wissenschaft stellt.
Die zahlreichen Grössenangaben in Mikromillimetern (Tausendsteln
eines Millimeters) wolle mau nicht missverstehen. Nur deshalb sind diese
unter gleichen Umständen ausgeführten Messungen von Werth, weil sie für
sehr viele Anschauungen den kürzesten und bestimmtesten Ausdruck
gewähren. Einfach darum handelt es sich, nicht um absolute Masse, welche,
ganz abgesehen von den Schwierigkeiten der Mikrometrie, schon deshalb
nicht leicht zu gewinnen sind, weil die in den meisten Fällen unerlässliche
Durchtränkung der Objekte mit Wasser oder Glycerin ihr Volum sehr
beeinflusst.
Meinen hiesigen Freunden, den Herren Professoren Fisch er, Valentin
und Sprenger bin ich für manigfache Belehrungen, welche ich bei dieser
Arbeit sorgsam zu verwerthen strebte, dankbar verpflichtet, ebenso für
freundlichste Unterstützung den Herren Apothekern Daniel Haubur.y in
London, Jos. Dittrich inPrag, A. Oberdörffer in Hamburg und Kindt
in Bremen. Dem Buche den Schmuck des Titelbildchens mitzugeben, wurde
mir durch die Gefälligkeit des Herrn Dr. Weddel 1 in Poitiers ermöglicht.
Der Verfasser.
Berichtigungen.
Seite
34
Zeile
Anmerkung 1 ;
ZU
lesen:
huic statt hinc
67
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von oben
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Engurieh
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Phänsäure
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blaue
183
19
„ oben :
nach 1781 einzuschalten: hauptsächlich
418
9
y> •
nach Mutis einzuschalten: 1772
IX
Inhalts -Uebersicht.
Erste Classe:
Pflanzenstoffe ohne organische Structur
pag.
1. Gummiarten
Gummi arabicum 1
, senegalenso 6
Tragacautha 7
2. Gummi gemengt mit Zucker
Manna IS
3. Gummi gemengt mit Harz
Gutti 19
4. Gummi gemengt mit Harz und äthe-
rischem Oele
Asa foetida 20
Galbanum 25
Ammoniacum 28
Olibanum 31
Myrrha 34
5. Milchsäfte im engeren Sinne
Lactucarium (auglicnm et gertn.) 37
Scammonium 247
Opium 40
Euphorbium 57
6. Harze
Colophouium 74
Sandaraca . 60
Benzoe 61
Mastix 64
Rcsina Guajaci 67
7. Harze gemengt mit ätherischem Oele
Terebinthina Veneta 70
„ communis 72
Elemi 77
Balsamnm Copaivao 80
8. Balsame im engeren Sinne
Styrax liquidus 84
Balsamurn peruvianum 88
» tolutanum 92
9. Aetherische Oele und Campher
Oleum Cajeput 93
P«g-
Oleum Rosae1) 95
.Caraphora 97
10. Extracte
Süsse
Succus Liquiritiae 103
Bittere
Aloe 105
Lactucarium gallicum 39
Adstringirende •
Gambir 114
Catechu 116
Kino 118
Extr. Ratanhiae 206
Zweite Classe:
Stoffe von zeiligem, aber erst durch das
Mikroskop erkennbarem Bau.
Lycopodium 121
Glandulae Lupuli 123
Kamala .125
4 Amylum Marantae 709
Dritte Classe:
Unmittelbar als Pflanzengewebe kenntliche
Stoffe,
Erste Reihe.
Pflanzen oder Pflanz entheile mit
ge-
fässlosem Gewebe.
Secale cornutum
Fnngus Laricis
Lichen islandicus
Lichen parietinus
Carrageen
Paleae Cibotii (Pougawar Djambi)
. . .142
0 die übrigen äth. Oele bei ihren Stammpilauzen nachssuschlagen.
X
Inlialts-Uebersicht.
P«K-
P»K-
Zweite Reiho:
von Gefassen durchzogene Gewebe
f Gebilde ohne morphologische
Bedeutung.
Gallae halepenses 145
, chinenses 149
•(••(• Halb oder ganz unterirdische
Axe n
(Wurzeln nach dem gewöhnlichen Sprach-
gebrauche)
I. Mit isolirten , zu einem sehr unter-
brochenen Kreise geordneten Gefäss-
bündeln in gleichartigem Parenchym ,
ohne Kernscheide. (Gefässkrypto-
gamen)
Rhizoma Filicis 151
„ Polypodii 154
II. Gelassbündel auf dem Querschnitte
zerstreut oder zu einer Zone zusam-
mengestellt, aber nicht strahlig. Grenze
der Rinde und des centralen Thciles
durch eine Kernscheide bezeichnet.
(Monokotylen)
A. Wurzeln und Wurzelstöclce.
1. n ich t a r o mat is che :
Rhiz. Gramiuis 155
„ Caricis 157
„ Veratri 159
Rad. Sarsaparillae 169
„ Chinae 169
Rh. Iridis 171
2. aromatische:
Rh. Zingiberis 172
„ Curcumae 174 »
„ Zedoariae 176
„ Galangae 177
„ Calami 179
B. Knollen.
Tuber Colchici 180
„ Salep 183
C. Ziviebeln.
Bulbus Scillae') 185
III. Gefässbüudel auf das Innere be-
schränkt, nicht in der Rinde vorkom-
mend, kreisförmig oder strahlig an-
georduct, durch eine mehr oder weni-
ger deutliche, oft etwas dunklere Cam-
biumzone von der Rinde abgegrenzt,
lu der letztem oft strahlenförmige
Basttheile. (Dikotylen)
A. Geschmack indifferent
Rad. Altbaeae 188
B. Geschmack vorwaltend süss
oder süsslich
Rad. Rubiae 1 91
„ Liquiritiae 194 u. 199
C. Geschmack vorwaltend ad-
stringirend
Rhiz. Bistortae 202
Rad Ratanliiae 203
D. Geschmack bitterlich oder
bitter
1. Wurzelbildungen ohne Milchsaft
Rad. Rhei 209
„ Rhapontici 221
Rhiz. Rhei Monachorum 223
Rad. Lapathi 224
„ Bardanae 226
„ Ipecacuauhae 228
„ Caincae 230
„ Gentianae 233
„ Calumbo 236
2. Wurzeln mit eigenon Milchsaft-
gefüssen
Rad. Cichorii 240
„ Taraxaci 241
„ Scammoniae 244
„ Jalapae 248
„ orizabens. (Stipites Jalapae) 254
„ Turpethi 256
E. Geschmack kratzend, kein
A m y 1 u m
Rad. Saponariae 259
, Senegac 262
F. Geschmack sehr scharf bren-
nend, höchst gefährlich
Rad. Belladonuae 267
Rhiz. Ilellebori 270 u. 274
Tuber Aconiti 281
G.
Geschmack aromatisc li
1. amylumfreio Wurzelbildungen
Rad. Enulae 287
, Pyrethri 289 u. 291
Rh. Arnicae 292
Rad. Carlinae 294
2.
araylumhaltige
Rh. Valeriauae. .
„ Serpcntariac
Rad. Sassafras . .
, Pitnpinellao
295
297
299
301
i) strenge genommen zu den Blättern gehörig.
Inhalts-Uebersicht.
XI
P«g-
Rad. Levistici 303
„ Angelicae 305
„ Sumbnl 307
Rh. Imperatoriae 310
fff Oberirdische Pflanzentheile.
I. Stengel.
Stipes Dulcamarae 313
II. Hölzer.
Lign. Jnniperi 315
„ Sassafras 299
„ Santali 316
„ Quassiae 319 u. 321
, Guajaci . . 326
III. Rinden.
A. Kork.
Suber querciuum 334
B. Adstringirende Rinden
Cort. Ulrai 337
, Quercus 338
„ Granati ..340
C. Bittere Rinden
Cort. Chinae 343
„ Strychni 427
„ Frangulae 429
„ Quassiae 319
„ Angosturao 431
I). Aromatische Rinden
Cort. Cascarillae ,..435
n Cort. Cinnamomi 439 u. 446
„ Sassafras 299
E. Brennend scharfe Rinden
Cort. Mezerei 447
IV. Blätter und Kräuter.
A. mit Fruchthäufchen verse-
hene (Blätter der Farne)
Folia Capilli 449
» Scolopendrii 450
B. ausschliesslich frisch in Ge-
brauch gezogene
Hba. Taraxaci 243
, Chelidonii 451
„ Cochleariae 452
Fol. Laurocerasi 454
C. Blätter und Kräuter von in-
differentem oder doch nicht
bedeutendem Geschmack, ohne
Geruch
Fol. Althacae
» Malvae
Hba. Jaceae
„ Fumariae
pag-
D. vor waltend adstringirender
Geschmack
Fol. Uvae ursi 459
, Toxicodendri 461
E. Geschmack bitter
Fol. Sennae 463
Hba. Millefolii 474
„ Absinthii 475
„ Cardui benedicti 478
„ Centaurii 480
Fol. Trifolii fibrini 482
„ Digitalis 483
Hba. Gratiolac 486
Fol. Stramonii 488
„ Hyoscyami 489
„ Belladonnae 490
F. G es chm ack sch arf o de r wider-
lich salzig bitterlich
Fol. Nicotianae 491
Hba. Lobeliae ' 496
„ Conii 497
Fol. Aconiti 499
G. Kräuter und Blätter der La-
biaten, von aromatischem, oft
bitterlichem, seltener indif-
ferentem Geschmacke. Blätter
gegenständig.
Fol Menthac .-.500 n. 502
„ Salviae 505
„ Rosmarini 506
„ Thymi 508
Hba. Serpylli 510
„ Hyssopi 511
Fol. Melissas 513
Hba. Galeopsidis 514
, Marrubii 515
H. Kräuter und Blätter von aro-
matischem Gerüche und Ge-
schmacke
Snmmitates Sabinae 517
Hba. Matico 520
„ Cannabis 521
„ Chenopodii ambrosioidis .525
* Fol. Lauri 526
„ Aurantii 526
„ Juglandis 527
, Bucco 528
„ Rutae 530
Hba. Meliloti 532
V. Blütlien.
A. Blüthont heile
Crocus 533
Fl. Verbasci. 536
. Rhoeados 538
, Rosae 539.540
B. Vollständige Blüthen
Fl. Chamomillac 541
» Chamomill. rom . .543
XII
Inhalts - Uebersicht.
P»g.
Fl. Millefolii 474
„ Cinae 544
„ Arnicae 548
, Sambuci 550
„ Lavandulae 55 L
, Malvae 553
„ Tiliae 554
Caryophylli 556
Kosso 562
VI. Früchte.
A. Fr uch t schal en
Cort. Citri 565
„ Anrantiorum 567
„ Granati 568
B. Fruchtmus
Tamarindi 570
C. Früchte und Fruchtstände
1. von öligem oder von süssem Ge-
schmacke
Fr. Cannabis 574
Caricac 576
Fr. Sambuci 580
Jujubae 581
Siliqua dulcis 582
2. von bitterem Geschmacke
Fr. Cocculi 587
„ Papaveris 589
„ Colocyuthidis . . . . *. 593
Aurantia immatura 597
Fr. Rharnni catharticao 600
Fr. Sabadillae 602
3. von breunend scharfem Geschmacke
Fr. Capsici 603
4. aromatische Früchte und Frucht-
stände
Fr. Juniperi 606
Vanilla 607
Cardamomum 611
Cubebae 612
Piper nigrurn 615
P»g.
Piper longum 619
Strobili Lupuli 620
Fr. Lauri 623
„ Petrosclini 623
, Carvi 625
„ Anisi 627
, Phellandrii 628
„ Foeniculi 631
, Conii 633
, Coriaudri 636
„ Anisi stellati 638
VII. Samen.
A. von süsslichem, öligem, mil-
dem oder etwas adstringiren d
bitterlichem Geschmacke, oder
Schleim gebend
S. Quercus 642
„ Papaveris 643
, Cacao 645
, Lini 655
, Cydoniac 659
„ Foeni graeci 662
Amygdalae dulces 664
B. von entschieden bitterem Ge-
schmacke
Amygdalae amarae 669
S. Colchici 673
„ Strychni 675
„ Ignatii 678
, Stramonii 680
, Uyoscyami 682
C. von scharfem oder kratzendem
Gesch macke
S. Sinapis albae 684
„ „ nigrae 687
„ Ricini 692
, Tiglii 696
D. aromatische Samen
S. Paradisi 699
Piper albuin 700
S. Myristieae (und Macis) ..702. 706
Uebersiclit der behandelten Drogen nach natürlichen Pflanzenfamilien.
XIII
Uebersicht der behandelten Drogen nach natür-
lichen Pflanzenfamilien.
Thallophyta.
Secale cornntum 129
Fuugus Laricis 136
Lichenes.
Lichen islandicns 137
„ parietinns 139
Algnc.
Carrageen 140
Cryptogamae vasculosae.
Lycopodiaceac
Lycopodinm 121
Filiccs
Rhizoma Filic.is 151
„ Polypodii 154
Folia Capilli 449
„ Scolopeudrii 450
Paleae Cibotii (Pengawar.) 142
pag.
Smilaceae
Rad. Sarsaparillae 160
„ Chinae 169
Irideae
Rhiz. Iridis 171
Crocus 533
Orchideae
Tub. Salcp 183
Vanilla 607
Zingiberaccae ( Amomeae )
Rh. Ziugiberis 172
, Curcumae 174
, Zedoariae 176
, Galangae 177
Cardamomum 611
Sem. Paradisi 699
Cannaceae (Marantaceae )
Amylum Marantae 709
A roideae
Rhiz. Calami 179
C. Dicotyledones.
Phauerog'amae. L Apetalae.
° Jriperaceae
A. Gymnospermae. Piper nigrum
Coniferae
, album
Lignum Jnniperi
, longum
Frtict. Juniperi
Cubebae
Summitates Sabinae
Herba Matico
Sandaraca
Cupuli/erae
Cort. Quercus
Terebintbina veneta ... ,
» communis
Sem. Quercus
Colophonium und Resina Pini .
-.74. 75
Gallae balepenscs
B. Monoeotyledones.
Ulmaceae
Cort. Ulmi
Rhiz. Grarainis
Moreac
Cyperaceae
Rhiz . Caricis
Cannabinae
Melantliaceae
Rhiz. Voratri
Fructus Cannabis ....
Fruct. Sabadillae . .
T uh. Colcliici . .
Glandulae Lupuli
Sem. Colchici
Balsamifluac
J-jiLiaccae
Aloe
Chenopodcae
Asphodeleae
Bulbus Scillae . . .
Ilba. Cbenopodii ambrosioidis
Polygoneae
209
XIV
Uebersicht der behandelten Drogen nnrh natürlichen Vflauzcnfamilieii.
paff-
Rad. Rhapontici .... 221
Rhiz. Rbei Monachor 223
Rad. Lapathi .224
Rhiz. Bistortae 202
Laurineae
Camphora 97
Cort. Ciunamomi zeylanici 439
» , chinensis.. 446
Fol. Lauri 526
Fruct. Lauri 622
Rad Sassafras 299
Santalaceae
Lign. Sautali 316
Daphnoidcac
Cort. Mezerei 447
Aristolochicae
Rhiz. Serpeutariae 297
II. Gamopetalae.
Valerianeae
Rhiz. Valerianae 295
Compositae
Rad. Enulae 287
Fl. Chamomillae rom 543
Rad. Pyrethr. rom 289
„ „ germau 291
Fl. Chamomillae vulg 541
Hba. Millefolii 474
Hba. Absinthii 475
Fl. Ciuae 544
Fl. Arnicae 548
Rhiz. Arnicae 292
Rad. Bardanae 226
Rad. Carlinae 294
Hba. Cardui benedicti 478
Rad. Cichorii 240
Lactucarium 37
Rad. Taraxaci 241
Lobeliaceae
Hba. Lobeliae 496
Eubiaceae
Rad. Rubiae 191
, Ipecacuanhae 228
, Caincae 230
Cort. Chinae 343 — 426
Gambir 1 1 4
Lonicereae
Fl. Sambuci 550
Fr. Sambuci 580
Oleaccae
Mauna 13
Loganiaceae
Cort. Strychni 427
Sem. Strychni 675
„ Ignatii 678
Gentianeae
Rad. Gentianae 233
Folia Trifolii fibr 482
Hba. Centnurii 480
pag.
babiatae
Flor. Lavandulae 551
Folia Menthae piperitae 500
» , crispae 502
„ Salviae 505
, Rosmarini 506
, Thymi 508
Hba. Serpylli 510
, Hyssopi 511
Fol. Melissac 513
Hba. Galeopsidis 514
„ Marrubii 5 ] 5
Convolvulaceae
Rad. Scammoniae 244
Tuh. Jalapae 248
Rad. orizabeusis 254
„ Turpethi 256
Solanaceae
Fol. Nicotianae 491
, Stramonii 488
Sem Stramonii 680
Hba. Hyoscyami 489
Semen , 682
Stipes Dulcamarae 313
Fruct. Capsici 603
Rad. Belladonnae 267
Fol 490
Sceoplwlariaceac
Fl. Verbasci 536
Fol. Digitalis . . 483
Hba. Gratiolae 486
Styraceae
Benzoe 61
Ericaceac
Fol. Uvae ursi 459
III. Dialypetalae.
Umbelliferac
Fr. Petroselini 623
, Carvi 625
R. Pimpinellae 301
Fr. Anisi 627
, Phellandrii 628
, Focniculi 631
R. Levistici 303
, Angelicae 305
„ Sumbul 807
Rhiz. Imporatoriae 310
Asa foetida 20
Galbanum 25
Ammoniacum 28
Hba. Conii 497
Fr. Couii 633
„ Coriandri 636
Me i) ispermacae
R. Calumbo 236
Fr. Cocculi 687
Myristiceae
Sem. Myristicae ?02
Macis 706
Uebcrsieht der behandelten Drogen nach natürlichen Pflanzenfainilien.
XV
pag-
Maynoliaccac
Fr. Anisi stcllati
638
Ranunculaceae
Rh. Hellebori nigri
274
» , viridis
270
Tub. Aconiti
281
Folia „
499
Papaveraceae
Hba. Cbelidonii . . .
451
Fruct. Papaveris
589
Sem.
643
Opium
40
Fl. Rboeados
538
Hba. Fumariae
458
Cruciferae
Hba. Cochleariae
. .% 452
Sem. Sinapis albae
684
| » , nigrae
Violarieae
Hba. Jaceae
Cucurbitaceae
Fr. Colocynthidis
Caryophylleae
R. Saponariae
, „ levanticae . . .
261
Malvaccae
R. Altliaeae
Fol. „ 1
, Malvae )
Fl. Malvae sylvestr. )
„ „ arborcac J
Biittneviaceae
Sem. Cacao
Tiliaceae
Fl. Tiliae
Clusiaceae
Gutti
Aurantiaceae
Cort. Citri fructus
Fol. Anrantii
Aurantia immatura
Cort. Aurantiorum
Polygaleae
R. Seneuae
, Ratanhiae ooq
Rhamneae
Jujubae
Fr. Rhamni catb
Cort. Frangulae
Euphorbiaceae
Euphorbium
Sem. Ricini gqo
» Tielii car.
Cort. Cascarillae ....
K'amala
Jutjlundeac
Fol. Juglandis . . .
Terebintliaceae
Mastix
Fol. Toxicodendri
Burseraceae
Olibanum
Myrrha
Elemi
Simarubeae
Lignmn Quassiac surinamense
» » jamaicense .
Diosmcae
Cort. Angostnrae
Fol. ßucco
Rutaceae
Fol. Rutae
Zygdjphylleae
Lign. Guajaci
Lineae
Sem. Lini
Myrtaceae
01. Cajeputi
Fr. Amomi
Caryophylli
Cort. Granati rad
, , fruct
Pomaceae
Sem. Cydoniae
Rosaceae
01. Rosae
Fl. Rosae centifol
» » gall
„ Kosso
Amygdaleae
Amvgdalae dulces
,, amarae
Fol. Laurocerasi
Papilionaceae
Sem. Foeni graeci
Hba. Meliloti
Rad. Liquiritiae hisp
» » rossic
Tragacantha
Kino
Lign. Santali
Bals. peruvianum
» tolutanum . . .
Caesalpinieae
Tamarindi
Bals. Copaivae
Siliqna dnlcis
Folia Sennae
Mimoseae
Gummi arabicum
„ senegaleuse
Catechu
pag.
64
461
31
34
77
.319
.321
.431
.528
.530
326
655
. 93
561
556
340
568
659
95
539
540
562
664
669
454
662
532
194
199
7
118
316
88
92
570
SO
582
463
1
6
116
XVI
Uebersicht nach praktischen Merkmalen.
UcJ) ersieht nach praktischen Merkmalen.
Erster Kreis: nicht aus Zellen bestehende Stoffe.
I. Flüssigkeiten.
A. vollkommen flüchtige
farblos oder gelblich in der Kälte krystallinisch Oleum Rosae.
grünlich, nicht erstarrend Oleum Oajepnt.
B. nur teilweise flüchtige oder gar nicht ohne Zerset-
zung destillirbare
gelb oft etwas dickflüssig Buhamnn i Copaivac.
schwarzbraun ziemlich dünnflüssig Baisamum peruvianum.
II. Sehr dickflüssige zähe Stoffe.
A. klar oder opalisirend, ohne krystallinischen Absatz . Terebintliina veneta.
B. krystallhaltig trübe
weiss oder gelblich, Gernch an Macis und Anis erinnernd Elemi.
gelblich; Terpenthingernch Terebintliina communis.
grau oder schwarzbraun; Benzoegeruch .Styrax liquidus.
III. Feste Stoffe.
A. formlose gleichartige Massen
1) ohne Geruch und Geschmack, farblose eckige
rissige Stücke Gummi arabicum.
2) vonsüsssem Geschmackc Succus Liquiritiae.
3) von adstringirendem Geschmackc
spröde braune Massen Catechu.
dunkel braunrothe eckige Körner Kino.
4) von bittterem Geschraacke
a. grau gelblich, innen weisslich, narkotisch riechend . . Lactucarium.
b. braunroth, von eigentümlichem Gerüche
homogene geflossene Masse, in Weingeist, aber nur
zum Theil in Wasser löslich Aloe (lucxda).
mehr oder weniger aus Körnern gebildete Masse mit
Hohlräumen, weder in Wasser noch in Weingeist
ganz löslich Myrrha.
extractartig , Feuchtigkeit anziehend, in Wasser und
Weingeist löslich Lactucarium gallicnm.
5) von kratzendem Gosch macke, ohne erheblichen
Geruch
von gelbrothcr Farbe Gntti.
braungrün Retina Guajaci.
B . unverbundene birn- oder mandelförmige (gerundete) Körner
1) wenig oder gar nicht gefärbt
a. in Wasser langsam löslich, etwas rissig im Innern . . .Gummi, seneyalense.
b. in kochendem Alcohol vollständig löslich
kugelige, im Munde erweichende Körner Mastix.
verlängerte Formen, im Munde nicht erweichend . . Sandaraca.
c. weder in Wasser noch in Alcohol ganz löslich Olibanum.
2) bräunlich gelblich oder röthlich
a. in Weingeist lösliches balsamisches Harz Benzoe (siche unten E.2).
Uebersiclit nach praktischen Merkmalen.
XVII
b. in Weingeist und in Wasser nur zum Tlieil lösliche
Gummiharze
stinkend, an der Luft roth anlaufend Asa foetida.
nicht eben unangenehm riechend, balsamisch, innen
weisslich, aussen grau gelblich Ammoniacum.
balsamisch, gelblich bräunlich, oft schmierig, sich
mit Salzsäure schön roth färbend Galbanum.
rothbraun, innen oft weiss, nicht unangenehm bitter Myrrha (siehe unten III. A.)
C. Körner, Mandeln oder Thränen, verklebt oder in dichte
Massen eingesprengt
in Weingeist löslich Benzoe, (siehe unten E. 2)
in Weingeist und in Wasser nur zum Theil lösliche
'* Gummiharze (siehe oben B.2)
D. Characteristische Formen
meist zweihörnige Stücke mit Pflanzenresten Euphorbium.
geschichtete bandförmige, wurmartig gedrehte oder flach
muschelige Stücke Tragacantha.
E. Krystallisirte oder zum Theil krystallinische Stoffe
1) unmittelbar kenntliches Kry stall gef iige
aromatische farblose Masse Camphora.
süsse, weissliche Masse Manna ( canellata ).
2) mikrokrystallinisches (nur unter dem Mikroskop
sichtbares) Gefüge
a) süsse schmierige Masse Manna {communis).
b) adstringirendo Würfel Gambir.
c) bittere Stoffe
von aromatischem aber eigenthümlichem Gerüche,
in kaltem Wasser wenig veränderlich Aloe ( hepatica ).
von narkotischem Gerüche, in kaltem Wasser er-
weichend Opium.
d. balsamische Stoffe
weissliche Körner oder Mandeln in gelblich grauer
bis bräunlicher Masse, erst gegen 80 — 90° C.
schmelzend, bei 40 — 50° nicht erweichend. .Benzoe.
homogene braun gelbliche Masse, bei GO — 65°
schmelzend und schon bei 30° erweichend . .Baisamum tolutanum.
weiss oder schwach gelblich, homogen, nach Ma-
cis und Anis riechend Elemi (siehe oben II.)
Zweiter Kreis : Drogen von zeitigem aber erst durch das
Mikroskop erkennbarem Baue.
geschmack- und farblos
geschmacklos, hellgelb
» roth . . .
balsamisch, braun. . . .
Amylum Marantae.
Ly copodium.
Kamala.
Glandulae Lupuli.
Dritter Kreis: unmittelbar als Pflanzengewebe kenntliche
Drogen.
Erste Reihe. Pflanzen oder Pflanzentheile mit gefässlosem Gewebe.
I. haarförmige Gebilde PalSr Cibotii.
graulich, grünlich oder bräunlich, bitter Liche{ ülandicus.
Lichen parietinus.
XYTTI
Uebersicht nach praktischen Merkmalen.
III derb cvlindrisclie, hornartige schwärzliche innen
weissliche Gebilde _ Secale cornutum.
IV. kopfförmiger oder kalbconiscker Pilz, korkig
mürbe, farblos oder schwach bräunlich gelb Fungus Lamcis.
Zweite Reihe: Pflanzentheile aus Gewebe, welches von Gefässen
durchzogen ist.
f Gebilde ohne morphologische Bedeutung.
Kugelige höckerige sehr feste nussartige Gebilde Gallae halepenses.
Blaseu mit hornartigen Auftreibungen Gallae chmenses.
j-f Gebilde von leicht erkennbarer morphologischer Bedeutung.
Erste Abtheilung:
■Wurzeln (Radices),
unterirdische einfache oder verzweigte Axen, welchen Blätter, Blattrestc oder Knospen fehlen.
I. Grenze der Rinde und des centralen Theilcs durch eine Kern-
scheide1) bezeichnet
lange dünne ganz einfache Wurzeln (mit oder ohne Wurzel-
ö, , v Bad Sarsapanllae.
dicke, stellenweise knollige oder abgeplattete Wurzeln. . .Rad. (Tuber) Chmae.
rübenförmige zu zwei (oder mehr) verwachsene Wurzeln. . Tuber Acomti , s.u. II. A.
II. Grenze der Rinde und des Holzkörpers durch eine Cambium;
schicht von meist dunklerer Färbung eingenommen, gewöhnlich
sind auch Baststrahlen bemerklich.
A. Gestalt der Wurzel knollig, konisch, jedenfalls sehr
vsrkiirzt
1) weiss aderig schwammig nach Moschus riechend. . .R. Sumbul.
2) gelb, innen weiss, aber roth geadert R. Rhei.
3) missfarbig, graulich oder bräunlich
kleine oben quer verbundene rübenförmige Knollen. . Tuber Aconit i.
bis faustgrosse, höchst unregelmässige Stücke Tuber Ja lapae.
4) schön gelbe Querscheiben R- Calumbo.
B. Wurzeln verlängert conisch, schlank cylindrisch oder
hin- und hergebogen, einfach oder ästig
1) Farbe entschieden gelb
a. rein gelb , dünne Schnitte mit Kalilauge befeuchtet
werden carminroth
ästige holzige Wurzeln mit braunem Korke, (im
Kleinhandel meist geschnitten) R- Lapathx.
einfache vorherrschend cylindrische und meist ge- _ .
schälte Wurzeln • • Rhaponttc.
b. gelb mit grau oder bräunlich, durch Kali nicht roth
werdend _ _ . . .. •
von süssem Geschmacke *■ Liqutntiae.
von bitterem Geschmacke en ,anae-
2) Farbe roth
sehr ästige knorrige und holzige Wurzel von adstrin-
girendem Geschmacke, braunroth oder violcttroth . R. Ratanhiae.
schwache brüchige Wurzeln, süsslich oder bitterlich,
wenig zusammenziehend, roth bis gelbroth M
brüchige aussen braunrothe innen schön hellgelbe^
Wurzeln, nicht strablig “
l) vergl. pg. 1G4.
Ucbersirht nach praktischen Merkmalen.
XIX
3) Wurzeln von wcisscr Farbe, wenigstens im
Innern
faserige schleimige W R- Althaeae.
derb hornartig, süsslich bitterlich und kratzend . . . .R. Saponariae levanticae.
4) Wurzeln von unbestimmter Färbung: grau-
lich, bräunlich, missfarbig, nicht entschieden gelb
oder roth
a. von arom atischem Geschmacke
* einfache, nicht oder wenig verästelte Wurzeln,
nicht Amylum enthaltend
cylindrisch bis 2 Millimeter dick, meist von
Blatt- und Stengelresten gekrönt R. Pyrethri rjcrmanici.
cylindrisch, bis 2 Centimeter dick, sehr fest . .R. Pyrethri romani.
etwas kantig, der Länge nach netzig aufgerissen
und zerklüftet, oft um die Axe gedreht R. Carlinae.
** ästige amylumhaltige Wurzeln mit dunklem
Harzpunkten in der Rinde
a) Geschmack heissend, Geruch unangenehm
bockartig R • Pimpinellae.
ß) Geschmack scharf aromatisch, Geruch nicht
unangenehm balsamisch
Balsamräume (Harzpunkte) weiter als die
Gefäss«, Nebcnwurzeln klein und zahl-
reich R. Anyelicae.
Balsamräume nicht weiter als die Gefässe,
Holz gelb Ri Levistici.
*** ästige amylumfreie Wurzel, meist auch in horn-
artigen graulichen Querscheiben R. Enulae.
b. nicht aromatische Wurzeln
* amylumhaltige
a) dicke sehr grobfaserige zähe unregel-
mässige seltener deutlich strahlige Stücke
von brauner Farbe R. orizabensis
(R. Jalapae levis).
ß) vorwaltend cylindrische Wurzeln von
'einfach strahligem Querschnitte
geringelt, einfach, nur bis 5 Millim. dick R. Ipecacuanhae.
meist geschält und gespalten, missfarbig
hell graugelblich , sehr brüchig , gefähr-
lich scharf R . Belladonnae.
Y) cylindrische oder beinahe möhren-
förmige Wurzeln mit sekundären Holz-
körpern1) im Centrum oder in der Rinde
. sehr ästige, sehr holzige Wurzel, oft hin-
und hergebogen, aussen braun bis roth-
braun, oft mit Hohlkehlen, auf dem
Querschnitte sehr fein strahlig, ohne
Harz , secundäre Holzkörper in der
^‘Ul^e Caincae.
• einfache oder wenig ästige Wurzeln, von
weniger dichtem, sehr grob porösem
Holzkörper, worin secundäre Büudel
abgegrenzt sind.
Holzbündel auch in der Rindo. . .R. Turpethi.
Holzkörper auf das Centrum be-
schränkt R. Scammoniae.
) Pg- 231.
XX
Uebersicht nach praktischen Merkmalen.
a mylumfreie nicht aromatische Wurzeln
a) von sftsslich- bitterlichem Geschmacke und
conccutrisch geschichteter dicker Kinde,
höchstens 15 Millim. stark R. Taraxaci.
ß) bitterlich, von strahlig-blätterigern Bau, innen
markig, oft über 20 Millim. dick ...... .R. Bardanae.
y ) bitter, strahlig, hell gelblich, sehr derb
holzig li. C'ichorii.
o) sehr bitter, aussen rothbraun, innen gelb-
bräinnlicli, biegsam R. Gentianae (s. obeuB.l.)
c) bitterlich, sehr widerlich kratzend; schwache
ästige gedrehte Wurzel mit sehr dickem
röthlichem Wurzelkopfe R. Senegae.
C. Sehr grosse knorrige braunrothe Wurzel mit miss-
farbigem leichtem Holze, von angenehmem Anis- oder
1'enchel Geruche. (Im Kleinhandel fast nur geschnitten) R. Sassafras (siehe bei den
Hölzern und bei d. Rin-
D. Knorrige braunrothe Wurzel, mit dickem Wurzel- den III. B.)
köpfe und langen ziemlich einfachen Wurzelästen,
ohne Aroma, von stark adstriugirendem Geschmacke . .R.Ratanhiae (s.obcnB. 2.)
Zweite Abtheilung:
'Wiix* vielst ticke (Ehizomata),
halb oder ganz unterirdische Axen mit Ansätzen, Narben oder Resten von Blättern, oft auch
von Nebeuwurzeln.
I. Gefässhündel zerstreut, weder strahlig, noch zu einem ge-
schlossenen Ringe geordnet.
laug gestreckt, ohne Schuppen, höchstens 4 bis 7 Millim.
dick Rh. Polypodii.
kurz zusammengeschoben, dicker, mit braunen Schüppchen,
sofern die Rinde nicht weggeschält ist Rh. Filicis.
11
Gclassbüudel von einer Kernscheide1) umschlossen.
A. sehr lang gestreckte, 2 bis 3 Millim. dicke Rhizome
(im Kleinhandel nur geschnitten)
strohgelb, hohl , ohne Amylurn Sh. Graminis.
graulich bis bräunlich, derb holzig, amylumhaltig Rh. Caricis.
B. dickere, gestreckte, mehr oder weniger plattgedriickte
Rhizome
1) von sehr geringem feinem Wohlgeruche und
unbedeutendem Geschmacke, innen weiss, mehlig,
derb Rh ■ Iridis.
2) sehr aromatisch, von brennendem Geschmacke
auf der oberen Seite mit zickzackförmigen Blatt-
narben, unterseits mit ebenso gestellten Narben
der Nebenwnrzeln, nicht verästeltes, fast cylindri-
aches Rhizom, brüchig Uh- Calami.
stark platt gedrückt, mit gerundeten Aesten,
ohne Nebenwurzelnarben . . . • • - Uh. Zingiberis.
C. Knollen oder stellenweise etwas knollig verdickte
cylindrische Rhizome von sehr aromatischem Gerüche
und Geschmacke
gelb, hornartig, meist ganze Knollen • ■ -Uh. ( urcumae.
brnunroth, holzig, gestreckt, nur stellenweise verdickt Rh. Galangae.
graulich, Querscheiben oder Längsviertcl von Knollen Rh. Zedoanae.
l) vgl. pg. 164.
Uebersicht nach praktischen Merkmalen.
XXI
D. stumpf conischer schwärzlicher Wurzelstock, mit
zahlreichen strohartigen Nebenwurzeln oder auch nur mit
den Narben derselben Rh. Veratri.
III. Gefässbiindel kreisförmig gestellt, durch Cambium vou der
Rinde abgegrenzt, in welcher keine Gefässe Vorkommen. Im
Centrum des Wurzelstockes, nicht in den Nebenwurzeln , ein
Mark.
A. nicht aromatische Rhizome.
1) von adstringirendem Ges ch macke
innen röthlich , c-o förmig gekrümmt Rh. Bistortae.
innen gelb , etwas platt gedrückt, nnterseits mit Nar-
ben zahlreicher Nebenwurzeln; von bitterlichem
Beigeschmäcke Rh. Rhci Monachorum.
2) Geschmack bitter, etwas scharf. Cylindrische,
auf- und absteigende, verzweigte und bewurzelte Rhi-
zome von dunkel graubrauner bis schwärzlicher Farbe.
Querschnitt der Nebenwurzeln nicht ein strahligcs oder
lappig getheiltes Gefässbündel zeigend
oft von lederartigen fussförmig getheilten Blättern
begleitet Rh. Hellebori nigri.
Blätter papierartig, scharf gesägt. Rhizom sehr bitter Rh. Hellebori viridis.
B. Rhizome von aromatischem Gerüche und Geschmacke
1) dünn, bogenförmig gekrümmt, holzig, bewurzelt,
amylumfrei Rh. Arnicae.
2) starkes stellenweise etwas knollig aufgetriebe-
nes verzweigtes Rhizom meist ohne Nebenwurzeln, amy-
lumhaltig Rh. Imperatoriae.
3) Rhizom sehr kurz zusaramengeschoben, äus-
serst dicht mit Nebenwurzeln und oberseits mit Narben
von Stengeln und Blättern besetzt. Holz gelb, excentrisch Rh. Serpentariac.
4) W nrzelstock aufrecht, bewurzelt, fast immer ganz
einfach, im Innern hohl, mit Querscheidewänden . . . .Rh. Valerianae.
Dritte Abtheilung:
Zwiebeln und Knollen
(vergl. auch Wurzeln II. A)
I. blätterige Zwiebel, oder fleischig -hornartige Stücke
der iunern Zwiebelschalen von rother oder weisser Farbe,
amylumfrei Bulbus Scillae.
II. hornartig spröde durchscheinende eiförmige
oder auch handförmige Knollen reich an (aufgequolle-
nem) Amylum Tuber Salep.
III. mehliger herzförmiger Knollen oder nierenför-
mige Querscheiben desselben Tuber Colchici.
Vierte Abtheiluig.
Stengel
kurzgeschnitten, chlorophyllhaltig, hohl stipes Dulcamarae.
Fünfte Abtheilung:
T , Hölzer
I. ohne bedeutende Färbung
ohne Geschmack oder sehr schwach aromatisch L. Juniperi.
s«hr bitt°f Quassiae.
II, missfarbig, braunröthlich, angenehm aromatisch L. Sassafras.
III. grünlich, bräunlich, gelblich, nicht spaltbar L. Guajaci.
IV1 schön roth, geschmacklos L. Santali.
XXII
Uebcrsicht nach praktischen Merkmalen.
Sechste Abtheilung:
Binden.
I. reiner Kork Suber quercinum.
II. sehr langfaserige zähe Rinden
vorherrschend schleimig, braunröthlich Cortex ütmi.
adstringirend, bräunlich, Aussenrinde weisslich bis dunkel-
C. Quercus.
gefährlich brennend, innen glänzend gri'mlichgelb, bandartig
aufgcrollt C. Mezerei.
III. mehr oder weniger brüchige kurzfaserige Rinden
A. kürzere oder längere Röhren
1) aromatische
geschälte lange Röhren von brauner Farbe C. Cinnamomi.
bedeckte kurze grauliche Röhren G. Cascarillae.
2) nicht aromatisch
widerlich bitter; wässeriger Auszug von gelber Farbe,
nach Zusatz von Kali schön carminroth, durch
Eisonchlorid nicht verändert C. Frnmjulae.
rein bitter; kalter wässeriger Auszug kaum gefärbt, durch
Eisenchlorid grün gefällt. Rinde beim Erhitzen im
Glasrohr die Grahe’schc Reaction (pg. 410) ge-
bend. Baströhren dick, kurz, fast ohne Höhlung1) G. Chinae fuscus.
B. offene rinnenförmige Stücke
1) graulich, stellenweise schwarzblau angelaufen,
höchstens 2 Millim. dick, spröde, sehr bitter C. Quassiae surinainensis
2) schwärzlich braun, bis lOMillinj. dick, zähe, sehr
bitter G. Quassiae jamaicensis.
3) gelbbräunlich
a. kalter wässeriger Auszug durch Eisenchlorid grün-
lich gefällt oder gefärbt G. Chinae fuscus (siehe
oben A. 2))
b. Verhalten zu Eisenchlorid ebenso; die Grahe’sche
Reaction tritt aber nicht ein, Gewebe im Innern mit
dichtem Steinzellenring, ohne verholzte Baströhren,
oft von schön rothgelbem Korke bedeckt. Geschmack
gefährlich bitter (Rinde nicht mehr im Handel) — . C Strychni.
c. kalter wässeriger Auszug durch Eisenchlorid roth-
braun gefällt. Rinde bitter und etwas aromatisch,
auf der Innenfläche abblätternd, im Gewebe Oel-
zellen C. Angosturae.
d. kalter wässeriger Auszug durch Eisenchlorid blau ge-
fällt. Geschmack stark adstringirend, Querschnitt
mehr fein gefeldert als strahlig. Rindenstückc klein,
verbogen, oft mit fest anhaftenden Ilolzspäncn . ... C. Granati.
4) rein gelbe oder ein wenig in das rothe spie-
lende, etwas faserige Rinden, von rein bitterem nicht
aromatischem Geschuiacke C.iCVwiflC (s. bei A. 2obcn.)
5) braunrothe, sehr aromatische schwammig - korkige
Rinde, deren wässeriger Auszug durch Eisenchlorid
nicht verändert wird C. Sassafras.
C. Fast oder völlig flache dickere oder dünnere, oft sehr
breite Rinden, mit oder ohne Kork, von gelber, gclbrother
oder dunkclrothcr Farbe. Goschmack roin bitter. Anato-
mischer Bau und chemisches Verhalten wio oben bei A.2) G. Chinae (vorzüglich C h.
Calis aya und Ch. rubra.
1) cf. Seite 389.
Ucbcrsicht nach praktischen Merkmalen.
XXIII
Siebente Abtheilung:
Blätter.
I. Frisch iu Gebrauch gezogene Folia Laurocerasi.
II. Unterseits mit Fruchthäufclien versehene
zart gefiederte F. Capilli.
ungetheilte F. Scolopendrii.
119. nadelförmige Blättchen
bis 0,030ra lang F. Rosmarini.
bis 0,01 2ra lang F. Thymi.
IV. lederige, nur wenig eingerollte oder ganz flache Blätter
A. geruchlose, von adstringirendem Geschmncke F. Uvae ursi.
B. von bitterlichem Geschmacke F. Sennae.
C. aromatische
gesägte oder gekerbto F. Rucco.
ganzrandige, mit welligem Rande F. Lauri.
ganzrandige, mit geflügeltem Blattstiele F. Aurnntii.
V. krautige runzelig zusaminengeschrumpfte Blätter
A. einfache
1) ganzrandige höchstens gegen 0,20"' lange F. Relladunnae.
2) ganzrandige mehr als fusslange F. Nicotianac.
3) gelappte oder gobuch tote
a. schleimige wenig oder nicht behaarte F. Mahne.
b. schleimige dicht filzige F. Althaeae.
c. von widerlichem salzig bitterlichem Ge-**
schmacke
in den Blattstiel verschmälert, kahl F. Strninonii.
die meisten Blätter sitzend, stengelumfassend,
zottig F. Hyoscyami.
4) gesägto oder gekerbte
a. von bi tte rem Geschmacke , Aroma fehlend oder
zurücktretend
filzig behaart, lang gestielt, bis fusslang F. Digitalis.
filzig behaart, länger oder kürzer gestielt, von
kreisförmigem Umrisse, Durchmesser nur
0,04m F. Marruhii.
spinne webig- zottig, oft von gelben stacheligen
Bliithenköpfchen begleitet F. Card ui benedicti (siehe
unten Kränter IV. B)
b. von vorwalteud aromatischem Gerüche und Ge-
schmacke, höchstens ein wenig bitterlich
graulich bis weissfilzig, grob geadert F. Sahiae.
grünlich, fein aderuetzig, von Pfeffcrmünzgeruch F. Menthae piper itae.
» „ „ » Krausemünzgeruch F. Menthae crispae.
» n v „ schwachem feinem
Wohlgcruche, Blatt eiherzförmig F. Melissae.
B. zusammengesetzte Blätter
1) drei t heilige von adstringirendem Geschmacke F. Toxicodendri.
2) d reitheilige von bitterem Geschmacke F. Trifolii fibrini
3) breit bandförmig, in lineale Zipfel zerschlitzt . . F. Aconit i.
4) geli ederte B lütter
a. mit 5 bis 9 ganz räudigen sehr ansehulichou Ab-
aehnUUn F. Juylandis.
b. dreifach oder mehrfach fio.dortheilig, Ab-
schnitte sehr zahlreich, klein
sehr bitter und sehr aromatisch, Abschnitto
kahl, lederartig, drüsig punktirt F. Rutae.
XXIV
Ucbersicht nach praktischen Merkmalen.
** sehr bitter und aromatisch, scidcnhaarig, düuuF. Ab&inthii
*** widerlich narkotisch , kahl F. Conii
’"** bitterlich, fast geruchlos F. Millefolü
(s. Kräuter
VII.)
Achte Abtheilung :
Kräuter.
Von Stengeln, Blüthen oder Früchten begleitete Blätter; in die vorige Abtheilung gehörig,
wenn die Blätter allein vorliegen.
I. Frisch in Gebrauch gezogene
Ilba. Chelidonii.
II. Cochlearine.
II. Mehr oder weniger cylimlrische oder schuppige Blätter.
_ , ... , ,, . i II. Rosmarini (s. Blätter III.)
A. am Stengel gegenständig und entfernt J Thymi „
B. gegenständig, sich deckend, den Stengel dicht einhüllend,
damit ohne Gliederung verwachsen II. Sabinae.
III. Blätter sehr schmal, eingerollt, beinahe
riunig Fl. Ilyssopi (s. unt. IV. A.3)
IV. Flach ausgebreitete dünne eingeschrumpfte Blätter.
A. gegenständig, einfach
1) stumpf, höchstens 0,010m lang und oft eben so breit.
Blüthen purpurn oder weisslich II. Serpylli.
2) stumpf eiförmig oder fast kreisrund. Blüthen-
quirle iveiss, kugelig, sehr dichtgedrängt II. Marrubii (siehe oben
Blätter V. A. 4)
3) spitz eiförmige bis lanzettliche Blätter
a. rein und stark bitter, ohne Aroma, gegen 0,02m
breit
Trugdolden von rothen Blüthen FL. Cßiitauru.
Langgestielte weissliche gelb gefleckte Einzel-
blüthen H Gvo-tiolüß .
b. fast gcruch- und geschmacklose, lanzettliche
bis 0,015m breite oder borstliche Blätter. Schön
gelbe Lippenbliithen mit stechendem Kelche II. Galeopsidis.
c. angenehm aromatische Kräuter
* schmal lanzettliche, 5 Millirn. breite eingerollte,
fast rinnige Blätter , Blüthen blau, ährenartig
geordnet II • Hyssopi.
** breit eiförmige Blätter
von weissen Blüthen begleitet II. MeltSSae j (s. Blätter
von blassviolett-röthl. Blüthen begleitet . .11. Ment/iae I V. A. i,
B. zerstreute einfache oder fingerig getheilte nicht ge-
II. Jaceae.
flederte Blätter.
1) mit leierförmig fiederspaltigen Nebenblättchen
von der Grösse des Hauptblattes. Blüthen violett ‘
gelb
2) Blatt fingerig 3 bis 9theilig, rauh, narkotisch, mit
holzigen Stengeln, missfarbig, oft verklebt nud zer'
knittert. Blüthen unscheinbar Cannabis.
3) Blätter einfach
a. aromatisch ... ,
schön grün, kahl, Blüthen unansehnlich und grün II. Chcnopodn ambi .
dunkelgraugrün, uuterscits filzig, von sehr lan-
gen cylindrischen Frucht- oder Blüthcnähren
begleitet MatlC0-
b. von sehr scharf kratzendem Gcschmacke, ohne
Aroma, Fruchtkapsel bauchig. (Im Handel in ta-
felförmige Pakete gepresst) 11 Lobehae.
Uebersicht nach praktischen Merkmalen.
XXV
c. von rein bitterem Geschmacke, zottig, spinne-
webig, stechend sägezähnig. Blütben gelb, stachelig II. Cardul benedich.
V. kleine gedreite Blättchen, kaum 4 Millim. lang, immer von
{reihen Bliitheuträubchen begleitet, sehr angenehm
riechend H- Mehlotl‘
VI. in lineale Zipfel zerschlitztes handförmiges
sprödes Blatt H. Acomti (s. Blatt, v. B.)
VII. gefiederte Blätter
A. von Bliithenköpfchen der Compositen begleitet
schwach aromatisch, bitterlich, Blüthen ansehnlich, weiss II. Millefolii .
sehr aromatisch, stark bitter, Blüthen unansehnlich,
bräunlich , Blätter seidenhaarig II Absinthü.
B. von zarten breit sackartig gespornten röthlichen Blüthen
und glatten kugeligen 2 Millim. messenden grünen Frücht-
chen begleitet . ; H. Fumariae.
C. von weissen Blüthendolden oder wellig gerippten
3 Millim. grossen Früchtchen begleitet. Beim Befeuchten
mit Kalilauge stark narkotisch riechend H. Conii.
Neunte Abtheilung:
Bliitlien.
I. Blüthentheile
A. ßöthliche Blumenblätter Flores Rosae centi/oliae.
B. Dunkelrothe etwas steife Blumenblätter von Rosengeruch Fl. Rosae gallicae.
C. Dunkelrothe sehr weiche, fettig anzufühlende Blumen-
blätter ohne Aroma Fl. Rhoeados.
D. Fünflappige schön gelbe Blumenkronen FL Verbasci.
E. Rothe fadenförmige sehr aromatische Narben (und gelbe
Griffel) Crocus.
II. Nicht aufgeblühte Blüthen
A. ohne Kelch Fl. Rosae gallicae { s.ob.I.)
B. vollständige sehr kleine grünlichgelbe Blüthenköpfchen. .Fl. Cinae (s. unten IV. A.)
C. vollständige braune sehr aromatische vierzähnige Blüthen-
knospen -. Caryophylli.
III. vollständige und entwickelte Einzelnblütlien
von blauer Farbe, aromatisch Fl, Lavandulae.
von blauer Farbe, schleimig, ohne Aroma Fl. Malvae sylvestris.
von violettschwarzer Farbe, schleimig, ohne Aroma Fl. Malvae arboreae.
IV. Bliithenstände.
A. Köpfchen von Compositen.
1) gelblichgrünlich bis bräunlich, nur 3 Millim.
lang, geschlossen, widerlich aromatisch Fl. Ginne.
2) Blüthen des Randes (Strahl enblüthen. Zungen-
blüthen) weiss
Köpfchen in ganzen Trngdöldchen, Randblüthen nur 5 Fl. Millefolii (s. Kräuter
VII.)
Köpfchen einzeln, Bliithenboden kahl, hohl Fl. Chamomillae.
Köpfchen einzeln, Bliithenboden mit Spreublättchen
besetzt, nicht hohl Fl. Chamomillae roman.
3) Sämmtliche Blüthen gelbroth, mit gelblichem
_ Haarkelch (Pappus) Fl. Arnicae.
B. Doldige Blüthenstände.
I rugdolde höchstens 9 blüthig ; Stiel meif^ mit einem
grossen Deckblatte verwachsen Fl. Tiliae.
Sehr reichbliithige wiederholt gabeligo ausgobreiteto
r Rok J.r"ic!?.1<!c. Fl. Sambuci.
0. Sehr reichbluthige grosse Rispe Fl. Kosso.
XXVI
Ucbcrsicht nach praktischen Merkmalen.
Zehnte Abtheilung:
ITViielite.
I. Tlieile voll Früchten (mit Ausschluss der Samen)
A. Fruchtschalen
aromatische , in Spiralbändern C. Citri.
aromatische , in spitz elliptischen Stücken C. Aurantiorum.
adstringirende , ohne Aroma C. Granati.
B. Fruchtmus (Pulpa) von schwarzer Farbe und saurem
Geschmacke Tamarindi.
II. Einzelfrüchte
A. Früchtchen von Umbelliferen , bisweilen in ihre beiden
Hälften getrennt
1) kugelig aromatisch Fr. Coriandri.
2) eiförmig länglich, höchstens 4 Millim. lang
a. sehr fein behaart, angenehm süss aromatisch, gegen
4 Millim. hoch (lang) Fr. Anisi.
b. kahl, mit welligen Rippen, bis 3 Millim. hoch. . . .Fr. Conii.
c. kahl zweiknöpfig, 2 Mülim. hoch Fr. Fetroselini.
3) 5 bis 8 Millimeter lang, Fruchthälften sehr
schlank
a. Fruchthälften fast immer getrennt, sichelförmig,
1 Millim. dick, grau bräunlich, mit je 4 grossen
Oelgängen Fr. Carvi.
b. Fruchthälften nicht gekrümmt, über 1 Millim.
dick, weniger leicht auseinander fallend
* aussen braunschwärzlich, Fugenfläche weiss,
schwach gefurcht. Geschmack widerlich. . . .Fr. Phellandrii.
"* gelblichgrünlich bis bräunlich, 8 bis 12 Millim.
lang, sehr angenehm süss aromatisch Fr. Foeniculi.
B. Einfache annähernd kugelförmige Früchtchen, nicht
über 15 Millim. gross
1) gestielt, 5 Millim. gross, aromatisch Cubebae.
2) ungestielt, oder Stiel leicht abfallend
a. einsamige Früchtchen
* aromatische, heissend scharfe, runzelige.-. . . .Piper nigrum.
** aromatische, bitterliche, etwas längliche Fr.
bis 15 Millim. lang Fr. Lauri.
*** nicht aromatische bittere Fr., 1 Centim. gross Fr. Cocculi.
*"** nicht aromatisch, ölig, nur 5 Millim. messend Fr. Cannabis.
b. m e hrsamige Früchte
* weich, runzelig, schwärzlich oder dunkelblau
ekelhaft bitter, Kelch unterständig Fr. Rhamni catharticae.
süsslich ohne Aroma, Kelch oberständig . . .Fr. Sambuci.
süsslich aromatisch, zugleich oft säuerlich. .Fr.Juniperi (s.unt, III.A.)
** trockene harte Früchte
Frucht oberstäudig, bis über 1 Centim. gross,
aromatisch bitter Aurantia vnmatura.
F rucht unterständig, von der Kelchnarbe ge-
krönt, 4Millim. gross, aromatisch, anNel-
ken und Pfeffer erinnernd. Fruchtgehäuse
zerbrechlich, oft einsamig Fr. Amomi.
C. Einfache kugelig-eiförmige Kapselfrucht, 3 bis 6 Centi-
meter gross, von der 8 bis 20strahligcn Narbe gekrönt.
Fruchtgehäuse dünn, mürbe, zerbrechlich Fr. Papaveris.
D. Kugelige 6 bis 10 Centim. flösse geschälte Fr., Mark
weiss, schwammig, äusserst bitter Fr. Colocyntliidis.
E. Dreikantige oder gerundet - dreikantige geschnäbelte
Frucht mit strohartigem geschmacklosem Gehäuse und
zahlreichen höckerigen aromatischen Samen Fr. Cardamomi.
r
Uebersicht nach praktischen Merkmalen.
XXVII
F. Eiförmige weiche lederige oder fleischige Früchte, roth
oder rothbraun
einsamig, süss, mit Steinkern, 3 Centim. lang Tr. Jujubae.
vielsamig, brennend scharf, bis 10 Centim. lang Fr. Capsici.
G. Früchte von 2 bis 3 Decim. Länge
flache mürbe Gliederhülse, Fleisch süss, Samen gegen
1 Centimeter breit Siligua dulcis.
stengelig, weich, zähe, zahllose schwarze Samen von
\ Millimeter Grösse, lieblich riechend Vanilla.
III. Sammelfrüchte
A. Fleischige
1) beerenartige scheinbare Einzelfrncht, schwarzblau,
am Grunde mit 6 kleinen braunen Schuppen. Drei knö-
cherne aufrechte Samen Fr. Jumpen.
2) bimförmige (im Handel gewöhnlich zu dicken platten
Scheiben gedrückte) lederige Frucht, sehr zahlreiche
kleine Samen einschliessend Caricac.
B. Trockene mehrtheilige Sammelfrüchte
1) dreitheilig (oft getrennt); 3 vielsamige, aufrechte,
aufspringende papierartige Schläuche mit braunen oder
braunschwarzen Samen (siehe bei Samen E.5.) Fr. Sabadillae.
2) achtstrahlig; 8 einsamige horizontale oder aufstre-
bende holzige Schläuche von aromatischem Gerüche und
Geschmacke Fr. Anisi stellati.
3) Früchtchen äusserst zahlreich, sehr klein
a. in eine gemeinschaftliche Spindeleingesenkt, dicht
gedrängt; Fruchtstand cylindrisch, heissend aro-
matisch Piper longum.
b. in den Winkeln zahlreicher sehr ansehnlicher papier-
dünnerDeckblätter von grünlich gelberFarbe; Frucht-
stand einen lockern schwach aromatischen Zapfen
darstellend Strobili Lupuli.
Eilfte Abtheilung:
Samen.
I. Samenkerne ohne Schale
A. amylumhaltigo
aromatische, von länglich runder Form Semen Myristicae.
adstringirend-süssliche, von halbeiförmiger Gestalt . . .S. Quercus.
B. amylumfreie
von ölig-süsslichem Geschmacke Amygdalae dulces.
ölig, sehr bitter Amygdalae amarae.
II. Vollständige Samen
A. klein, annähernd kugelig, nicht in die Länge gezogen
1) brennend aromatisch
weisslich, fast genau kugelig, fein gerippt (geschält) .Piper album.
braun, kantig-höckerig, glänzend S. Paradisi.
2) scharf ohne Aroma
gelb über 2 Millim. im Durchmesser S. Sinapis albae.
31 i • *?Dn’ l m< gr°S/ ■ Sinapis nigrae.
3) bitter, braun, matt, fein runzelig, ohne Aroma S. Colchici.
B. verkehrt-eiförmig, flach, scharfrandig, ölig-schleimig . S. Lini.
C. nierenförmig, netzig überstrickt
oder blauschwarz, milde ölig, kaum
2 graugelblich , ölig und bitter, 1 Millim. gross . S. Hyoscyami.
3) schwarz, ölig und bitter, 4 Millim. erreichend .S. Stramonii
XXVIII
Uebersicht nach praktischen Merkmalen.
D. scheibenförmig, 2% Centim. im Durchmesser, mit strah-
lig gerichteten angedrückten und glänzenden Haaren . . . S. Strychni.
E. unregelmässig kantig oder abgeplattet länglich
1) he llgelblich bis graulich, widerlich ölig-
schleimig, 3mm lang S. Foenigraeci.
2) braun, milde schleimig, zu 8 bis 14 verklebt, bis
1 Centim. lang S. Cydoniae.
3) braungrau, gerundet kantig, abgerieben, sehr hart,
sehr gefährlich bitter, bis 0,025m lang S. Ianatii.
4) glänzend rothbraun, höckerig, aromatisch. . . . S. Paradisi (s. oben Al)
5) bräunlich bis braunschwarz, runzelig, bis 7mm
lang, spitzig, am andern Ende schräg abgeflacht, höchst
widerlich bitter (meist noch im schlauchförmigen
mehrsamigen Fruchtgehäuse, siehe Früchte III. B.). . . . S. Sabadiltae.
F. Samen in zerbrechlicher leicht und vollständig trenn-
barer Schale von länglich eiförmiger Gestalt oder et-
was abgeplattet
1) ohne Eiweiss, Kern braun, sehr leicht zerbröckelnd,
angenehm oder etwas bitterlich schmeckend S. Cacao.
2) mit blattartigcn Kotyledonen in sehr ansehnlichem
Eiweisse von öligem kratzendem Geschmacke
a. ungefähr 10 Millim. lang, braun, matt S. Tiglii.
b. ungefähr 1 5 Mill. lang , braunschwarz , weiss mar-
morirt, am Nabel mit einer weissen Wulst S. Ricini.
G. Samen in zerbrechlicher oder sehr harter löcheriger
Schale von spitz eiförmiger Gestalt, scharfrandig. Kern
weiss, ohne Eiweiss, hornartig, amylumfrei, milde ölig
und süss Ämygdalae dulc. (siehe
oben I.B.)
Zwölfte Abtheilung:
Stimenliiillen (Arillus).
Glockenförmig, aber blattaitig zerschlitzt, gelbröthlich, aro-
matisch fettig Macis.
*
r
Erste Classe.
Pflanzenstoffe ohne organische Strnctnr.
Gummi arabicum.
Gummi Acaciae v. Mimosae. Arabisches Gummi. Kordofan- Gummi.
Gomme arabique. Arabic gum.
1. Acacia nilotica Delile. — Mimoseae.
Syn. A. arabica Willdenow.
Mimosa arabica Lamarck.
2. Acacia Seyal Delile.
3. Acacia tortilis Hayne.
4. Acacia Ehreubei'giaua Hayne.
Diese uud uoch mehrere andere Gummibäume sind über Nordafrika vom
Senegal durch Sudan bis Aegypten und über das Gebiet des Rothen Meeres
verbreitet.
Die erste Art, ein hoher Baum mit unregelmässigem knorrigem Ast-
werke, der oft bei niederem Wüchse der langen weisslichen Stacheln wegen x)
ein undurchdringliches Gestrüppe bildet, ist der im ganzen Nilthale wohl
bekannte Sant, Sont oder Schont. Sein dauerhaftes Holz dient zu vielen
technischen Zwecken. Der Sant liebt sandigen Boden und bildet jetzt in
Aegypten nur noch hier und da kleine Wäldchen, tritt aber kolossal auf in
den vegetationsreicheren Ländern Kordofan und Sennaar und ganze Wälder
bildend in Abyssinien.
Die drei anderen Arten sind durch weite ästige Kronen ausgezeichnet,
welche besonders bei der hochstämmigen A. tortilis einen Schirm darstellt
Dieser Baum, und nicht die zweitgenanute Art (Talch arabisch) wird eigent-
leh in Aegypten unter der Bezeichnung Sejaleh, Sijaleh öder Seyäl ver-
standen Sie scheint am Rothen Meere auf der diesseitigen Küste nicht über
Suakim hinauszugehen, aber wieder mit A. Seyal in Arabien (bei Loheia und
und Acacitu °Ut ' kopt,9ch = Dorn- Griechisch ikautha, damit zusammenhängend : Traganth
Flückiger, Pharmakognosie.
2
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
anderswo) aufzutreten. In den Felsenthälem des mittleren Nilgebietes ist A.
tortilis der höchste Waldbaum, scheint aber nicht westwärts über die Ba-
hiuda-Steppe hinaus verbreitet zu sein.
A. Ehrenbergiana , Seghah am obern Nil, bleibt immer strauchig 3 bis
4m hoch.
A. Seyal findet sich am Senegal so gut wie am Nil.
A. guvimiferci Willdenow, der Talhah-Baum, ist bei Khartum, aber
auch in Marocco häufig und liefert kein werthvolles Gummi. Doch wird
es in nicht unerheblicher Menge in Mogador als berberisches oder marok-
kanisches Gummi verschifft.
Die Acacieu sind durch doppelt gefiederte Blätter1) mit paarigen Fie-
dern ausgezeichnet. Die letztem tragen, wenigstens bei den hier in Betracht
gezogenen Arten, 8 bis 13 Paar kleiner länglich linealer Fiederblättchen.
Die starren, weissen, über 0,04 m langen Dornen überragen oft das Blatt,
eben so die einzeln oder zu mehrern auf schlanken Stielchen aus den Win-
keln hervortretenden und zu zierlichen gelben kugeligen Köpfchen zusam-
mengedrängten Blüthen.
Ueber die Entstehung des Gummis in den Mimoseen liegen Beobach-
tungen wie die Mohl’schen über Traganth noch nicht vor. In der Rinde
jüngerer Zweige aus Herbarien traf Berg2) die Markstrahlen unverändert,
aber freilich auch im übrigen Rindenpareuchym keine Gummibilduug. Es
lässt sich daher mit vollem Recht vermuthen, dass das Auftreten des Gummis
auch hier auf dem bei Gummi Senegal erörterten Vorgänge beruhe.
Es scheint, dass das Gummi in der Regel freiwillig reichlich genug
austritt, um Einschnitte in die Stämme überflüssig zu machen. Man schlägt,
wenigstens in Kordofan nach Hartmann’s3) Berichten, die Klumpen mit
der sudanischen Holzaxt los und sammelt sie in Körbe. Das am höchsten
geschätzte kordofanisclie Produkt der Provinz Dejara geht nördlich aus
Bara und Obed (el Obeid) nach Dabbeh am Nil und von da zu Wasser
stromabwärts. Geringer ist das Gummi aus Senuaar am Blauen Nil, von
der wüsten Hochebene Takka am Atbara und Mareb und der Hochsteppe
der Bischarin (Besari) zwischen dem Unterlaufe des Blauen Flusses und
dem Rothen Meere. Es schlägt den Strom weg über Khartum ein oder wird
in Suakin (Savakim) am Rothen Meere verschifft, daher das schlechteste
Gummi in Aegypten als Samagh (Gummi) Savakumi bekannt ist. Besseres
liefert das südlichste Gebiet des Rothen Meeres von Massua oder Arkiko
an, die ganze Samkara-Kiiste bis gegen Berbera, die voller Gummisträucher
ist (Münz in ger). Dieses und das abyssinische Produkt gelangt über Mas-
sua und Dscliiddah (im arabischen Küstenstriche Hidsclnaz) nach Aegypten,
wo es daher als Samagh Hidschazi bezeichnet wird. Aber auch Zeila und
0 Bei manchen Arten, namentlich in Australien, verkümmert das Blatt 7,n einem soge-
nannten Phyllodium.
2) Bei seiner Abbildung von Acacia Seyal.
3) Reise des Frhrn. von Barnim 1859 — 18G0. Berliu 18G3. S.29. und Anhang S.30.
Gummi arabicum.
3
Berbera ausserhalb der Meerenge am Busen von Aden liefern noch Gummi
nach Dschidda, das als berberisches oder Gummi von Dschidda (Gedda)
bekannt ist. Wohl der grössere Theil des Produktes aus dem äussersten
Nordosten Afrikas schlägt aber wie Myrrhe und Weihrauch den Seeweg
über Ostindien ein, um Europa zu erreichen.
Arabien selbst erzeugt keine namhafte Menge Gummi.
Alexandrien ist hiernach der Hauptplatz für ostafrikanisches Gummi;
auf dem Nil allein gingen z. B. 1860 durch Assuan 60,000 Kantar zu
44,4 Kilogr. 1).
Es ist wohl begreiflich, dass das Gummi je nach Herkunft in Form
und Farbe wechseln muss, doch sind diese Unterschiede noch nicht auf
die einzelnen Stammpflanzen zurückgeführt. Im allgemeinen bietet es im
Gegensätze zu Traganth wenig eigenthümliche Formen.
Das allein zum officinellen Gebrauche zulässige Gummi aus Kordofan
bildet weit überwiegend länglich runde oder kugelige bis nussgrosse, seltener
wurmförmige Stücke , von etwas abgerieben rundlicher oder mehr kantiger
Oberfläche. Sie sind von zahlreichen Rissen durchsetzt, brechen leicht und
vollkommen glasartig; das Iuuere ist oft weniger rissig, doch finden sich
grössere Stückchen selten frei von Risschen. Bei 100° erweitern und ver-
längern sich dieselben, so dass das Gummi äusserst bröckelig w'ird. In
leinster borm vollkommen klar und farblos, bietet das Kordofan-Gummi in
geringerer Sortirung braunröthliche oder gelbliche Färbung. Weit mehr
dunkel rothbraune Körner mischen sich dem staubigen Suakin-Guinmi bei.
— An sich farblose rissige Stücke zeigen sich durch Interferenz der Licht-
strahlen irisirend.
Die von Roussin2) beobachteten Farbenerscheinungen des Gummis im
polansirten Lichte sind durchaus nichts diesem Stoffe eigentümliches,
sondern rühren einfach von starken, infolge des Eintrocknens im Innern der
Masse eintretenden Spannungen her. Lässt man filtrirte Gummilösung auf
dem Objektglase freiwillig eintrocknen, so beobachtet man unter dem Pola-
risationsmikroskop dieselben Doppelbrechungen. Sie sind daher nur auf
die schon vonBrewster z. B. an Gallerte und Hausenblase wahrgenom-
menen Verhältnisse zurückzuführen 3).
Das specifische Gewicht des Gummis, zwischen 1,35 und 1,60 schwan-
kend, ist der eingeschlossenen Luftblasen wegen nicht leicht mit Genauig-
keit zu bestimmen.
Das Gummi lost sich bei gewöhnlicher Temperatur, ohne Aenderung der-
selben und sehr langsam im gleichen Gewichte Wasser zu einer opalisiren-
den dicken kleberigen, immer entschieden sauer reagirenden Flüssigkeit von
0 v. Krem er in dem bei Herba Cannabis angeführten Werke
) Jou™- de Pharm. 37. S. 401 (1860).
3) vergl. Valentin, Pflanzen- und Thiergewebe im pol. Lichte. Lpzg. 1861. S. 172.
1*
4
I. Pflanzenstoft'e ohne organische Structur.
In der Wärme erfolgt die Lösung nur wenig rascher und das Wasser
nimmt selbst bei 100° nicht viel mehr Gummi auf. Bei 100°C. getrockne-
tes Gummi von möglichster Reinheit gibt mit 2 Th. Wasser einen Schleim
von 1,149 spec. Gew. bei 15° C., verglichen mit Wasser von derselben Tem-
peratur.
Die Gummilösung mischt sich mit Glycerin und lässt sich ohne Aus-
scheidung des Gummis bis zur Gallertconsistenz eindampfen. Auf festes
Gummi dagegen wirkt concentrirtes Glycerin nur wenig.
In andern Flüssigkeiten ist das Gummi nicht oder nur wenig löslich, so-
bald nicht das Wasser bedeutend vorwaltet. So vermögen 100 Theile ver-
dünnten Weingeistes, der 22 Volum-Procente Alcohol enthält, 57 Theile
Gummi zu lösen, bei 40 pC. Alcoholgehalt aber nur noch 10 Theile, bei
50 pC. 4 Theile. Ein wässeriger Weingeist von 60 Vol.-Proc. nimmt schon
kein Gummi mehr auf, sondern entzieht demselben je nach der Sorte nur
noch eine kleine Menge (ungefähr Vs bis VspC.) Harz , Farbstoff, Trauben-
zucker, Chlorcalcium und andere Salze.
Die wässerige Lösung des Gummis dreht die Polarisationsebene des
Lichtes um ungefähr 4° nach links, wird aber bei sehr langem Stehen unter
Zuckerbildung stark sauer und rotivt dann nach Fermond, nicht nach
Mau mene, im entgegengesetzten Sinne. Alkalisches Kupfertartrat wird
auch beim Kochen durch Gummilösung nicht reducirt, wenn das Gummi
nicht etwa eine erheblichere Menge (durch Weingeist ausziehbaren) Zucker
enthielt.
Wässerige neutrale Bleizuckerlösuug fällt den Gummischleim nicht, wohl
aber wird durch Bleiessig noch in höchst verdünnter Gummilösung eine
Verbindung von bestimmter Zusammensetzung niedergeschlagen.
Lösliche Silicate , Borate und Eisenoxydsalze, beim Kochen auch ange-
säuerte Albuminlösung trüben die Gummilösung oder verdicken sie zur Gal-
lerte. Keine Veränderung bewirken Silbersalze, Quecksilberchlorid, Jodlö-
sung. Oxalsaures Ammoniak fällt daraus den Kalkgehalt. Wässeriges
Kupferoxydammoniak löst das Gummi auf.
Das Gummi zieht nicht begierig Feuchtigkeit an, in einer mit Wasser-
dampfgesättigten Atmosphäre nehmen dünne Splitter in 8 Tagen um 6,8 pC.
zu. Bei 100° C. verlieren kleine lufttrockene Stückchen 12 bis 16 pC, Gibt
man dem Gummi, von seinem Kalkgehalte abgesehen, die Formel
£12 H22 011 + 3H2 O,
so würde der Austritt der 3 Molecüle Wasser einer Gewichtsabnahme von
13,6 pC. entsprechen; ich finde bei sorgfältigst ausgesuchten farblosen
Stücken 13,14pC. Schon bei längerem vollständigem Austrocknen in einer
Temperatur, welche 100° C. durchaus nicht übersteigt, uimmt das Gummi
einen leichten Röstgeschmack an. In höherer Temperatur, bis etwa 150 C.,
wo noch 1 Molecül H2 -0 weggeht, Misst es seine Löslichkeit ein.
Wird arabisches Gummi in kaltem Wasser gelöst und mit etwas Salz-
säure augesäuert, so entsteht durch Alkohol eine Pallung von Arabin odei
Gummi arabicum.
Arabin säure. Diese Substanz löst sich nach völliger Beseitigung der
Salzsäure in Wasser zu einer durch Alkohol nicht mehr fällbaren Flüssig-
keit, welche alle Eigenschaften einer Säure besitzt. Einmal getrocknet, quillt
sie in reinem Wasser nur noch auf, löst sich aber durchaus und selbst beim
Kochen nicht wieder, bis wässerige Alkalien zugesetzt werden, welche nun
einen dem gewöhnlichen Gummischleime gleiche Auflösung bilden.
Neubauer, der (1854 — 1857) diese Thatsachen ermittelt hat, zeigte,
dass das arabische Gummi wesentlich nichts anderes ist, als ein saures
Kalksalz der Arabinsäure.
Die letztere entspricht bei 100° C. der Formel G12H22G1! und verliert
bei der Vereinigung mit Basen H2 G. Jedoch verbinden sich vorzugsweise
mehrere Aequivalente Arabinsäure mit 1 Aeq. Basis. Ein derartiges Kalksalz
etwa von der Zusammensetzung:
G12 H20 Ca2 Ön-F 6(G12 H22 Gu)
würde 1 ,63 pC. Calcium enthalten, entsprechend 3,4 pC. Kalkcarbonat. Neu-
bauer, so wie Heckmeijer haben ähnliche Salze dargestellt.
Nun liefern in der That die ausgesuchtesten farblosen Stücke arabischen
Gummis immer ungefähr 2,7 bis gegen 4pC. einer grossentheils aus Kalk-
carbonat bestehenden Asche, worin indessen auch Kali und Magnesia uicht
fehlen. Dagegen scheint Phosphorsäure niemals vorzukommen; Gummilö-
sung wird desshalb auch durch Ammoniakzusatz nicht getrübt.
Es unterliegt daher keinem Zweifel, dass das natürliche Gummi wirk-
lich ein Arabinsäure-Salz mit weit vorwiegender Säure ist, oder vermuthlich
ein Gemenge solcher Salze des Calciums, Kaliums und Magnesiums. Nur der
Gegenwart der Basen verdankt das Gummi seine Löslichkeit; dieselben
stammen wohl ohne Zweifel von der Zellwand her, aus welcher der Gummi
hervorgegangen sein mag. Die Cellulose selbst vermag vielleicht schon als
schwache Säure zu fungiren.
Unerklärt bleibt hierbei, warum nichtlösliche, sondern nur aufquellende
Gummiarten und Pflanzenschleime , die doch auch nicht frei von minera-
lischen Stoffen sind, ein so abweichendes Verhalten zum Wasser darbieten.
Als Typus derartiger Gummisorten wird das sogenannte Bassora-
Gummi Guibourt’s betrachtet, dessen Abstammung ganz ungewiss ist.
Nach M a r ti ny ist dieses Basra-Gummi (auch Gummi von Tor, oder Pseudo-
Traganth geheissen) einer geringeren bräunlichen Tragantlisorte zu ver-
gleichen und ebenfalls stärkmehlhaltig. Doch zeichnet sich das Bassora-Gummi
durch Klarheit, zitzenförmige Gestalt und schwach aromatischen Geschmack
aus. Wigand zeigte, dass es eben so gut wie Traganth aus geschichteten
A ei dickungsschichten von Zellwänden besteht, welche Amylum einscldiessen.
Es scheint verschieden zu sein von dem oftmals damit zusammengewor-
fenen Kutira-Gummi1) dem sogenannten sauren Traganth aus Ostindien.
Ei zeifällt in Wasser zu stark aufquellenden Flocken, welche sich auch beim
’) Ketira ist der persische Name des Traganths.
6
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Kochen nicht lösen und kein Amylum enthalten. Die stark saure Reaktion,
welche dieses Gummi zeigt, erinnert an Arabin.
Sogenanntes geflossenes ostindisches Gummi, welches sich in neuester
Zeit im Handel findet, besteht aus nussgrossen glänzenden klaren Stücken,
welche entweder farblos oder bräunlich ausselien und zu grösseren Klumpen
verklebt sind. In Wasser zergehen sie zu einer wenig klebenden, nicht sauren
Gallerte, worin das Mikroskop nur sehr vereinzelte Stärkekörner ohne Zell-
fragmente zeigt.
In unserem Handel nehmen alle diese letztgenannten Gummisorten,
denen sich noch sehr viele andere von zum Theil ebenso ungewisser Herkunft
anreihen Hessen, keine Stelle ein. Ludwig1) hat nicht weniger als 15 Ar-
ten genauer charakterisirt.
Das Gummi, auch die adstringirenden Früchte und Rinden der Acacien
waren schon im Alterthum gebräuchlich. Auch die wohlriechenden Blüthen
der A. nilotica dienten zu Salben. Yon jeher war Aegypten das Hauptland,
wenn nicht gerade für die Produktion, doch für den Bezug des Gummis,
darauf deuten die antiken Bezeichnungen des Gummis als G. acanthinum
(nach der Stadt Akanthos, welche von Acacienhainen umgeben war), G.
alexandrinum, G. thebaicum.
Erst Serapion, vermuthlich im XIH. Jahrhundert, sprach von ara-
bischem Gummi, das aber wohl auch damals nicht oder nur zum kleinsten
Theile aus Arabien stammte.
Gummi senegalense.
Gummi Senegal. Senegal-Gummi. Gomme du Senegal.
1. Acacia Verek Guillemin und Perrottet. — Mmoseae.
2. Acacia Adansonii Guill. und Perr.
Diese westafrikanischen Acacien gleichen den bei Gummi arabicum er-
wähnten Arten ; namentlich die erstere bildet in der frauzösichen Colonie
und den anstossenden Gegenden am Senegal ganze Wälder. Ausser den
beiden obigen Bäumen wird aber uoch eine ganze Reihe anderer genannt,
welche eine Menge verschiedener Gummisorteu liefern, wovon seit einigen
Jahrzehnten im Ganzen jährlich etwa 2 bis über 3 Millionen Kilogr. ausge-
führt werden. Das Produkt Senegambiens dürfte somit der Quantität nach
dem ostafrikanischen nahe kommen.
Was die Entstehung des Senegal -Gummis betrifft, so verdanken wir
Wigand2) den Nachweis, dass sie mit derjenigen des Kirschgummis über-
einstimmend auf einer Verflüssigung der peripherischen Schichten des Horu-
bastproseuchyms beruht. Der allmälige Uebergaug des Gewebes in Gummi
1) Archiv der Pharm. LXXXII. (1855) S. 88 u. 153.
2) In der bei Tragacantha angeführten Arbeit.
Gummi Senegal ense. — Tragacantha.
7
lässt sich an Rindenstücken verfolgen, welche man in der Haudelswaaare
trifft, ist aber so vollständig, dass das einmal ausgestossene Gummi selbst
weder Amylum noch Ge websfragmente einhüllt.
Das meiste Senegal-Gummi scheint von A. Verek zu stammen und bil-
det runzelige eiförmige, kugelige oder auch wurmförmige, bis etwa 0,06 m
grosse, im Innern oft hohle Stücke. Yom arabischen Gummi sind sie ver-
schieden durch geringere Zerklüftung und glanzloses Aussehen. Der Mangel
an Risschen bedingt auch, dass diese Sorte seltener irisiit. Obwohl das Se
negal-Gummi der besten Sorte sich etwas langsamer als das arabische löst,
so verhält es sich doch chemisch vollkommen dem letzteien gleich und löst
sich vollständig im Wasser auf.
Das Gummi der A. Adansonii, Gonake genannt, schildert Soubeiran
als roth und bitter schmeckend, dasjenige von A. Senegal Willdenow (A.
albida Delile) als kleinen Grus oder thränenförmige Stückchen von grüner,
gelber oder rother Farbe und ebenfalls bitterem Geschmacke.
Aus Galam, am Zusammenflüsse des Faleme mit dem Senegal, und aus
Bondu, etwas südlich von ersterem Landstriche, gehen noch andere Sorten
stromabwärts. Diese Sorten vom oberen Gebiete des Senegal werden als
Gomme du haut du fleuve unterschieden von denjenigen des unteren Fluss-
gebietes, welche ihres besseren Aussehens wegen als Gomme du bas du
fleuve vorgezogen werden. Was ich als Galam besitze, besteht aus schönen
wurmförmigen leicht löslichen und geschmacklosen Stücken.
Das Senegal-Gummi ist erst seit Anfang des XVII. Jahrhunderts im euro-
päischen Handel bekannt. Eine eigene Compagnie de la gomme, welche 1 7 84
das Privilegium des Gummihandels erhalten hatte, ging in der französischen
Revolution alsbald unter. Eine spätere Compagnie du Galam scheint auch
das Schicksal aller derartiger französischer Unternehmungen getheilt zu
haben. Neuerdings (1865) wird das Senegal-Gummi wieder von Bordeaux
aus faktisch monopolisirt.
Tragacantha.
Gummi Tragacantha, Traganth. Gomme adraganthe. Tragacanth.
1. Asträgalus creticus Lamarek. — Papilionaceae.
2. A. veiuis Olivier.
3. A. Parnassi Var. Cyllenea Boissier und Heldreich.
Die erstere Art ist einheimisch auf den Gebirgen Griechenlands und
Kreta’s bis 5000 F. Meereshöhe, die zweite in Kleinasien, Armenien, Nord-
persien1). Die zuletzt genannte Art bewohnt in grosser Menge alle Berge
des nördlichen Peloponnes, wo Traganth meist auf den Bergen Phteri und
Boidias (Panachaikon im Alterthum) bei Vostizza und Patras gesammelt
1) Traganth (Ketira) in Persien nur zwischen Ispahan und Kaschnn. Polak, in dem hei
Manna angeführten Werke II. S. 287.
8
I. Pflanzenstoffe ohne organische Struetur.
wird. Astragalus gummifer Labillardiere liefert wahrscheinlich keinen
verkäuflichen Traganth, wohl aber vermuthlich noch andere der vielleicht
10 bis 13 Arten, welche ausserdem in Kleinasien Vorkommen.
Die Tragauthpflanzen sind kleine bis etwa l"1 hohe und sehr ästige
Sträucher mit holzigen zusammengeschobeuen Stämmchen und Aesten. Die
Spindeln der uupaarigen Fiederblättchen überdauern dieselben und wachsen
zu derben bis 0,03 m langen holzigen und sehr spitzen Stacheln aus, welche
die Aeste dicht besetzen und erst sehr allmälig absterben.
Der schönste Traganth wird über Smyrna ausgeführt und stammt aus
dem Innern Kleinasiens , vorzüglich aus der Gegend von Kaisarieh , der
Hauptstadt des alten Kappadociens, aus Angura im westlichen Galatia, dann
aus den Landschaften bei Jalobatsch, Buldur und Isbarta, im Norden des
Busens von Adalia, dem jetzigen Bezirke Hamid (früher z. Th. Pisidien).
Nach den Berichten von Maltass (1855) erhält man den am höchsten
geschätzten Blättertraganth besonders bei Jalobatsch und Kaisarieh durch
Einschnitte, welche im Juli und August der Länge nach in die unteren Stamm-
theile gemacht werden, nachdem ihr Grund von Erde befreit ist. Schon nach
3 bis 4 Tagen kann der schichtenweise herausquellende und rasch erhär-
tende Schleim gesammelt werden. Er fällt bei trockener windstiller Witte-
rung am schönsten aus.
Eine geringere Sorte liefern einfache Stiche , welche vielleicht eben nur
da angebracht werden, wo Längschnitte nicht leicht zu ziehen sind. Frei-
willig ausgetretener Traganth bildet wie es scheint die unansehnlichste Waare.
Ueberhaupt sieht dieselbe äuserst verschieden aus und wird an den See-
plätzen erst sortirt.
Kützing (1851), H. von Mo hl (1857), am überzeugendsten und aus-
führlichsten aber W igand1) (1862) haben gezeigt, dass der Traganth ähn-
lich wie die verwandten Gummi- und Schleimarten überhaupt durch eine Um-
bildung der Zellmembran entsteht. Schon Kützing machte auf unverkenn-
bare Reste der Zellen und auf die ursprünglich darin abgelagerten Stärke-
körnchen aufmerksam, welche im Traganth noch erhalten sind.
Nach Mohl wird von dieser Umwandlung in Schleim das Parenchym
des Markes in seinen centralen Theileu betroffen, so wie die mittleren Schich-
ten der Markstrahlen. Die ursprüngliche Zellwand wird mit vielen sehr
dünnen Schichten ausgekleidet, welche allmälig mehr und mehr mit einan-
der verschmelzen und zuletzt als structurlose Masse die Ueberbleibsel der
früheren Zelleu und ihres Inhaltes einhüllen und nun im W asser ausseror-
dentlich aufzuquellen vermögen.
Durch Behandlung dünner Schnitte des Stammes mit Jodzink lässt sich
der Fortschritt der Veränderung leicht verfolgen, da die Zellmembran, nicht
aber der Traganth, dadurch violett gefärbt wird.
1) In der ausgezeichneten Arbeit über Deorganisation der Pflanzenzelle, in Pringsheim
Jahrbuch für wissenschaftl.
Botanik III.
Tragacantha.
9
Nicht alle Markstrahlen einer bestimmten Strecke des Stammes erliegen
gleichzeitig der Umwandlung, so dass wohl das Durchbrechen des Traganths
am gleichen Stammstücke mehrere Jahre hindurch auhalten kann. Das
Mark dagegen wird wohl ein für allemal an einer Stelle die Metamorphose
durchmachen und dann für immer geschwunden sein.
Mohl hat die Traganthbilduug bei 30 Astragalus-Arten aus der Abthei-
lung Tragacanthae verfolgt, auch bei einigen aus der Abtheilung Incani; bei
vier Arten der ersteren war keine Spur der Tragauth-Metamorphose aufzu-
finden.
Bei seinem Besuche Kretas (zwischen 1700 und 1702) hatte bereits
Tour ne fort die ersten genaueren Beobachtungen über das Austreten des
Traganths auf dem Ida angestellt und wenigstens den Sitz der Bildung rich-
tig angegeben. Auch Pierre Be Ion hatte um 1550 schon im Norden
Kleinasiens (Bithynien) die Einsammlung der Droge mit angesehen und be-
schrieben. Durch Wigand sind Mohl’s Ansichten sehr erweitert und in
allgemeiner Fassung auch auf die eigentlichen Gummiarten, die Harze und
Gummiharze übertragen worden. Eben so gut, ja zum Theil noch weit besser
als bei Traganth lassen sich bei allen diesen Ausscheidungen Einschlüsse auf-
finden, welche den Uebergang der Zellmembranen in die genannten Produkte
darbieten. Nirgends aber ist auch nur die Wahrscheinlichkeit nachgewiesen,
dass Gummi oder Harz durch die Zellwände hindurch gehen kann , im Ge-
gentheil hat Hofmeister direkt die Undurchdringlichkeit derselben z. B.
für Gummilösung bewiesen.
Alle diese Produkte siud daher mit Wigand im wahren Sinne des Wor-
tes nicht einer exosmotischeu Absonderung (Secretion) des Gewebes zuzu-
schreiben, sondern der Umbildung der Cellulose selbst. Die frühere Vorstel-
lung besonderer Gummi- oder Harzgänge, in welche sich solche „Secrete“
ergössen, ist daher beseitigt. In den Traganthsträuchern ist eine ganze Ge-
websform mit einem Theile ihres Inhaltes der Rückbildung in Schleim fähig,
während z. B. bei Radix AJthaeae und bei Salep, auch bei Cortex Ciunamomi
nur gewisse einzelne, oft etwas grössere, aber im übrigen gar nicht ausge-
zeichneten Zellen in der Weise dieser Metamorphose anheim fallen, dass nur
die Yerdickungschichten sich verflüssigen , die Zellwände aber vorerst we-
nigstens unangetastet bleiben. Scheinbare Schleimgänge oder Gummigänge
entstehen da, wo diese Metamorphose sich auf grössere Zellenpartieen und
die Zellenwände selbst erstreckt, ohue jedoch geradezu ganze Gewebsele-
meute, wie im falle des Traganths, zu umfassen. Beispiele hierfür bieten
Gortex hhamni Fraugulae, einigermassen auch Semen Foenigraeci, die
Kirschbäume.
Bei vielen Samen hingegen ist es wieder eine bestimmte Gewebsform,
die Oberhaut nämlich, deren sämmtliche Zellen den Schleim liefern. Die
Verdickungsschichten nehmen Wasser auf, schwellen an und sprengen die
piimäie Wand, sofern dieselbe nicht ebenfalls löslich oder doch quellbar ge-
worden ist. So bei Semen Oydoniae, Lini, Psyllii, Sinapis albae u. s. f.
10
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
In noch andern Fällen hingegen scheint die ganze Zellwand von vornher-
ein in ihren Eigenschaften sich mehr dem Schleime (Bassoriu) als der eigent-
lichen Cellulose zu nähern. So bei Carrageen , bei der Mittelschicht des
Lichen islandicus, im Parenchym der Wurzel von Symphytum officinale.
Ueber den Austritt des Traganths fehlen neuere sorgfältige Untersu-
chungen. Nach älteren Berichten soll die Hitze denselben begünstigen, wo-
gegen Labillardiere (1768 — 1787) auf dem Libanon wolkige Nächte
und starken Thau nothwendig fand.
Ohne Zweifel ist die Beschaffenheit der Atmosphäre von grossem Ein-
flüsse auf die Ausstossung des Traganths. Nach der Auflockerung der Mark-
strablen muss beim Eintritte grosser Hitze durch Wasserentziehuug ein Ein-
schrumpfeu, vielleicht auch eine Drehung der Holzstränge stattfinden, wo-
durch eine Zerfaserung der Stämme entsteht, wie wir sie au Herbarien-Exem-
plaren von Traganthpflanzeu wahrnehmen. Hierauf folgender Regen dringt,
namentlich wenn etwa die Rinde auch zerrissen, angestochen oder ange-
schnitten ist, leicht ein, sättigt die in der Schleimbildung begriffenen Ge-
webe, schwellt sie an und treibt sie durch den eigenen gegenseitigen Druck
aus den den Markstrahlen entsprechenden Spalten heraus.
Hierdurch erklären sich auch die eigenthümlichen Formen des Traganths.
Die ausgezeichnetste derselben, welche der am höchsten geschätzte Blät-
ter-Traganth Kleinasiens (Smyrna) darbietet, besteht aus flachen halb-
mondförmigen Stücken, welche in grosser Zahl aneinander , zum Theil
auch übereinander gereiht sind. Sie liegen entweder alle in derselben Ebene
oder sind zum Theil zu derselben etwas geneigt.
Die Form derselben wird leicht verständlich, wenn man auuimmt, dass
aus den Vertikal-Spalten oder Einschnitten der Ausfluss des zähen Schleimes
in ihrer unteren Hälfte reichlicher erfolgt. Die etwas grössere Geschwindig-
keit, welche die Masse dadurch hier erlangt, muss die Curven bedingen,
welche die schönsten bis 0,05 m laugen Stücke des Blätter- Traganths in
hohem Grade cliarakterisiren. Bisweilen zeigt sich auch an fast farblosen
durchscheinenden und gleichmässigen Stücken eine feine Längsstreifung,
welche oft durch Luftblasen bedingt ist, die beim Aufquellen der Blätter
zum Vorschein kommen. Die dünne und fast gerbstofffreie Rinde der Astra-
galus-Arten lässt diese schönste Sorte fast farblos austreten. Die hornartige
Masse ist sehr dicht, ohne Risse und nicht irisirend.
Denselben Charakter bietet im Grunde auch die geringere Waare dar
welche als syrischer Traganth bezeichnet wird. Seine Schichten sind
aber nicht getrennt, sondern zu mehr kugeligen, knolligen, traubcnförmigeu
oder stalaktitenartigen Massen von bräunlicher oder gelblicher Färbung und
beschränkter Durchsichtigkeit zusamracngeflosseu. Sehr oft haften noch
Rindenstückchen an. Vielleicht sind diese Massen freiwillig ausgetreten.
Griechenland erzeugt mehr faden- oder wurmförmigen Traganth, ira- j
nacantha vermicularis (Vermicelli). Er besteht eigentlich nur aus schma-
len Streifen von derselben Bildung wie die Blättersorte, . eiten sind cy m
Tragacantha.
11
drische Stücke vorhanden, dagegen die fast bandartigen Streifen häufig in
zierlichster Weise geknäuelt oder mehr traubenähnlich oder knollenförmig
zusammengeflossen. Manche Stücke sind aber so ungefärbt und durch-
sichtig, wie die des schönsten Blättertraganths, während sich dieser Faden-
oder Morea-S orte auch oft gelblich bis fast braunröthlicb gefärbte Klümp-
chen beimischen.
In sehr unförmlichen grossen grauen bis dunkelbraunen Knollen erscheint
der sogenannte Traganton, die unreinste Sorte, welche aber durch ihre
Schichtung und den Stärkegehalt auch noch das gemeinschaftliche Gepräge
des Traganths zeigt.
Zum Tragauth gehört ferner das sogenannte Bassora- Gummi (siehe
Seite 5).
Der Traganth ist zähe schneidbar und lässt sich selbst nach dem Trock-
nen nur schwierig pulvern.
Unter dem Mikroskop zeigen die verschiedenen Traganthsorten bei Be-
feuchtung mit Wasser sehr verdickte geschichtete Zellen, in deren kleiner
Höhlung Sehr häufig noch Gruppen kugeliger oder halbkugeliger Stärke-
körner von etwa 15 bis 20 Mikromillimeter Durchmesser stecken. Durch
längere Einwirkung von mehr Wasser quellen die Zellen stark auf, so dass
zuletzt nur da und dort einzelne Streifen der Wand, sowie die Stärkekörn-
chen sichtbar bleiben. Die letzteren sind in den geringsten Sorten, nament-
lich im Traganton am häufigsten. Je weiter die Metamorphose fortgeschrit-
ten , desto reiner ist das Produkt,
Die Betrachtung des Traganths im polarisirten Lichte gewährt keine
weiteren Aufschlüsse, da es sich hierbei nicht um Spannungen, sondern
gerade um Auflockerung der Zellmembranen handelt.
Bei der Traganthbildung scheint wohl das Amylum, soweit es nicht er-
halten bleibt, die gleiche Veränderung zu erleiden, wie die Zellwände. Rührt
man gepulverten Blätter -Traganth rasch mit viel Wasser an und filtrirt
nach Kurzem, so zeigt Jod im klar ablaufenden Filtrate kein Amylum oder
Dextrin an, während der auf dem Filtrum gebliebene Schleim sich stark bläut.
In alkalischem Kupfertartrat erzeugt das Filtrat bei sehr gelinder Er-
Wärmung eine Reduktion, so dass also wohl eine geringe Menge von Zucker
vorhanden zu sein scheint. Ludwig fand durch direktes Ausziehen mit
Weingeist im wurmförmigen Traganth, nicht im blätterigen, Spuren von
Zucker. Im Filtrate, das vollkommeu klar vom Traganthsclileime abläuft,
ei zeugt einei Bleizucker sowohl als absoluter Alkohol einen Niederschlag
von wirklich aufgelöstem Gummi, der ansehnlichere Theil des Traganths
a ei ei t a s nicht sehr trüber, schliipferiger, doch nicht klebender Schleim
^,Ura<i ’ er nach dem trocknen sehr stark bindet. Noch mit dem
Un. ac l0n Gewichte Wasser bildet der Traganth einen dicken Schleim,
?? C l°r’, Wie c^c Lösung des arabischen Gummis, Lakmuspapier röthet.
Aber erst nach sehr langem Stehen verflüssigt sich der Schleim vollständig,
mcem er den Geruch der Buttersäure annimmt und die Zelleureste und
12
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Stärkekörner absetzt. Kochen mit wässrigen Alkalien, auch mit verdünn-
ten Säuren führt rasch die gänzliche Verflüssigung herbei.
Der von kaltem Wasser gelöste Theil des Traganths besteht, abgesehen
von einer geringen Menge Zucker (und Dextrin ?) aus Gummi, das wegen
seiner Fällbarkeit durch Bleizucker vom arabischen Gummi unterschieden
werden muss. Das übrige dagegen kommt mit dem Bassorin überein,
ist aber auch als Traganthin oder Adraganthin bezeichnet worden.
Da das Gummi, wenigstens das Arabin, durch ein plus von H2<L vom
Bassorin GIJH20O10 abweicht, so ist erklärlich, dass die Analyse des gan-
zen Traganths nicht constante Zahlen geben kann. Denn aus der Entste-
hung desselben folgt von selbst, dass er ein der Hauptsache nach wechseln-
des Gemisch von Bassorin und Gummi sein muss. Je weiter die Metamor-
phose fortschreitet, desto mehr dürfte wohl das letztere zunehmen. Nach
Guerin-Varry und nach Bucliolz soll dasselbe sogar mehr als die
Hälfte ausinachen können. Bei der Unmöglichkeit, die Gränze zwischen
eigentlicher Lösung und blosser Aufquellung zu ziehen , ist aber bis jetzt
eine genauere Trennung von Gummi und Bassorin unausführbar. Das letz-
tere ist nicht unlöslich , sondern nur schwer löslich. Schüttelt man Stücke
des reinsten Traganths mit dem tausendfachen Gewichte Wasser tagelang,
so lösen sie sich vollständig zu einer klar wenn auch langsam filtrirbaren
Flüssigkeit, während die nicht umgewandelten Zellreste als leichte gar nicht
ins Gewicht fallende Flöckchen Zurückbleiben. Es kommt also sehr auf das
Verhältniss des Lösungsmittels an. — Schmidt fand in ausgesuchtem Tra-
ganth 1,75 pC. Asche, Guerin-Varry 2,5, Löwenthal und Haus-
mann (nach Abzug von Sand) 3,19 pC., worin über die Hälfte kohlensau-
rer Kalk, auch gegen 3 pC. Phosphorsäure.
Ausgesuchte Stücke des schönsten Blätter- Traganths, die ich während
4 Tagen einer mit 'Wasserdampf gesättigten Atmosphäre bei -+- 5° aus-
setzte, nahmen nur 4,5 Feuchtigkeit auf. Dieselbe Waare, lufttrocken ge-
nommen und bei 100° C. vollkommen ausgetrocknet, verlor 14,67 pC.
Blätter- Traganth, zuvor bei 100° C. getrocknet, verbrannte langsam
unter Beibehaltung seiner Form und liess 3,16 pC. Asche.
Während reinster Traganth geschmacklos ist, zeigen ' sich unreinere
Stücke etwas bitterlich. Der Bitterstoff nebst einer Spur Zucker lässt sich,
beide jedoch in äusserst geringen Mengen, durch kochenden Weingeist aus-
zieh en.
Die Bekanntschaft mit dem Traganth geht bis in das höchste Alterthum
zurück. Theo ph rast us nennt schon im III. Jahrhundert v. Chr. Kreta,
den Peloponnes und Nordpersien (Medien) als Vaterland. Iü Deutschland
begegnen wir der Droge im zwölften Jahrhundert z. B. unter dem Namen
Draganti. _
Manna.
13
Manna.
Manna. Manne.
Fräxinus Ornus L. — Oleaceae.
Syn. Ornus europaea Persoon.
Die Mannaesche ist ein kleines im nördlichen und östlichen Gebiete des
Mittelmeeres einheimisches Bäumchen, das aber auch in Mitteleuropa als
Zierbaum gezogen und hier sogar noch stärker, bis 30 Fuss hoch wird.
Durch die zahlreichen überhängenden gel blich weissen Blüthen- Rispen ge-
währt derselbe im Frühjahr einen sehr schönen Anblick.
Nicht das wildwachsende Bäumchen, sondern nur gewisse, fast aus-
schliesslich in Calabrien und Sicilien durch Pfropfen erzielte und cultivirte
Abarten derselben ( Fräxinus rotundifolici Lamarck, Ornus rotundifolia
Persoon) liefern die Manna. Diese letzteren sind z. B. in Griechenland, wo
Fräxinus Ornus technisch benutzt wird, ganz unbekannt.
Die ausgedehntesten Manna-Pflanzungen finden sich längs der Ostküste
der drei calabrischen Provinzen, vorzüglich bei Cariati, Campana, Stron-
goli, dann besonders bei Gerace (zwischen Castelvetere und Cap Sparti-
vento), endlich auf Sicilien bei Capace, Cinesi, Fabarotta. Unter- Italien
und Sicilien scheinen die Einführung der Manna- Cultur der arabischen
Herrschaft im Mittelalter zu verdanken.
Die Mannaesche wird in den Pflanzungen mehr buschartig gehalten,
doch liefern erst kräftigere, ungefähr 8 Jahre alte und bis 20 Fuss hohe
Stämmchen etwa 10 bis 12 Jahre hindurch eine lohnende Ausbeute, indem
man immer wieder im Vorjahr unberührte Stellen oder Seiten der Stämm-
chen in Angriff nimmt. An denselben werden während der Sommer- und
Herbstmonate nach dem Aufhören des Blatttriebes in Menge Schnitte in
die Rinde gemacht, aus welchen sich ziemlich reichlich und nicht eben
sehr langsam der klare, zähe und süsse Saft ergiesst und entweder am
Bäumchen selbst gesteht oder sich , über eingeschobene Eschenblätter oder
Grashalme herabträufelnd, am Grunde auf hingelegten Blättern (oft von
Opuntia) ansammelt. Aeltere Stämmchen, so wie die unteren Regionen der
jüngeren geben einen unreineren, trotz des Nachtrocknens immer mehr oder
weniger schmierig bleibenden Saft und nur die oberen Wunden jüngerer
Stämme liefern ein reines klares, zu fast farblosen kantigen Stalaktiten von
krystallinisckem Gefüge erstarrendes Produkt.
Die Menge und mehr noch die Beschaffenheit der Manna ist demnach
sehr durch den Betrieb der Cultur bedingt, aber auch in hohem Grade von
der Gunst der Witterung abhängig. Beständige trockene Wärme befördert
nothwendig die regelmässige Erhärtung der am höchsten geschätzten, schon
ani Bäumchen erstarrenden- reinen Stücke, vermuthlich aber überhaupt die
leichhchere Bildung der Manna selbst.
Es steht ausser Zweifel, dass die wild wachsende Mannaesche wie viele
andere Pflanzen, auch freiwillig in geringer Menge Manna heraustropfen
14
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
lässt, namentlich wenn die vermuthlich gerade deshalb diese Esche liebende
Ci ca da Omi L, (Tettigonia Orni Fabricius) die Blätter und die zarten
Zweige derselben mit dem Säugrüssel ansticht oder vermittelst des Lege-
stachels ihre Eier hineinseukt. Die Körnchen der auf diese Weise ausge-
flossenen Manna sind aber nicht Gegenstand des Grosshandels.
Bei der beschriebenen Manna-Cultur spielt jene Cicade durchaus keine
Rolle, sondern die vermehrte Bildung des süssen Saftes ist wahrscheinlich
im Sinne von Wi g a n d’s i) Ansichten die F olge einer Umbildung der Cellulose.
Jedoch ist hier der Vorgang noch vollständig unaufgeklärt, und als ein-
ziger höchst zweifelhafter Anhaltspunkt liegt nur das vielleicht bloss zufäl-
lige, höchst spärliche Vorkommen von Stärke in der Manna vor. Nach
Analogie der z. B. bei Tragacantha erörterten Erscheinungen dürfte freilich
auch für Manna ein ähnlicher Ursprung anzunehmen sein.
Der Handel liefert hauptsächlich zwei Sorten : l)Stengelige Manna,
Manna in Stücken, Manna longa , s. canneliata. Bei langsamem aber
reichlichem und gleichmässigem Austreten des Saftes aus den oberen oder
überhaupt aus jüngeren Stammtheilen entsteht diese Sorte , wenn ruhige
warme Witterung zugleich das Eintrocknen befördert und kein Wind Schmutz
herbeiführt. Der Saft erstarrt alsdann durch und durch krystallinisch in
unregelmässig concentrischeu sehr locker aufeinander folgenden Schichten
von schwach gelblicher Färbung. In Folge des allmälig nachlassenden Aus-
flusses entsteht eine sehr unebene oft fast kantige oder flach rinneuförmige
Oberfläche , während die Innenseite der Stücke die flache Rundung nebst
etwaigen kleineren Eindrücken oder Erhöhungen des Stammes wiedergibt
und deutlich die Wege des zuerst ausgetretenen Saftes erkennen lässt. Die
Masse dieser Stücke ist sehr locker, trocken, leicht brüchig und besonders
in den zahlreichen Höhlungen mit Krystallsäulchen erfüllt. In schönster
Waare erscheint diese Sorte als fast dreikantige oder bisweilen riuueuför-
mige bis über 0,15 ra lauge und 3 — 4 Centimeter breite, von Rindenstückeu
freie, nur auf der Innenseite etwas gelbliche Stengel, aber keineswegs eigent-
liche Röhren bildend. Was sich nicht leicht und in grösseren Stücken von
den Stämmen wegnehmen lässt, wird abgekratzt und gibt die Manna can-
neliata in fragmentis. _ .
In etwa 6 Theilen Wasser von gewöhnlicher Temperatur, in weniger
heissem , löst sich die stengelige Masse zu einer klaren neutralen Flüssig-
keit von rein süssem Gesclimacke. Sie enthält neben dem Maunit nur ge-
ringe Mengen Zucker und Gummi.
D In Pringshcim, Jahrbuch für Wissenschaft!. Botanik III. (1862) S.164. In dem
verschwindend kleinen unlöslichen Antheile stengeligcr Manna finde ich so gut wie keine
Amylumkörner, im Rückstände gewöhnlicher Sorte da und dort allerdings einzelne sehr grosse
Körner, deren Abstammung aber doch erst noch zu erforschen wäre, In beiden Sorten aber
verhältnissmässig in grosser Menge nur wenige Mikromillim. grosse Körnchen, welchen Jod eine
gelbe Farbe ertheilt (Hefezellen? Proteinstoffe?), so wie P.lzfäden von schwach violett
Färbung.
Manna.
15
2) Weiche Manna, M. in Klumpen, Manna communis s. pinguis ,
gemeine oder fette Manna, Aeltere Stämme , überhaupt die älteren unteren
Theile auch jüngerer Bäumchen liefern nicht mehr den reinen fast aus-
schliesslich Mannit enthaltenden, sondern einen mit mehr oder weniger be-
deutenden Mengen von Gummi und gährungsfähigem Zucker gemischten
Saft, welcher ausserdem noch verschiedene Unreinigkeiten einschliessen
kann. Die ungünstigere Witterung des Spätsommers und Herbstes befördert
in hohem Grade diese Veränderung in der Zusammensetzung des Saftes,
wodurch derselbe die Fähigkeit, zu einer wenig gefärbten trockenen zer-
reiblichen und ganz krystallinischen Masse zu gestehen, verliert. Nur ein-
zelne kleinere oder grössere Körner oder Klumpen der letzteren erscheinen
alsdann eingebettet in der im übrigen weichen schmierigen und missfarbi-
gen Manna, die nun auch einen schleimigen kratzenden Beigeschmack zeigt.
Das Verhältniss der einzelnen Gemengtheile dieser weichen Manna
wechselt sehr in den verschiedenen Sorten dieser Art , wovon die besseren
als Manna grauulosa, Manna calabriua, M. in sortis, M. Capace oder Ge-
race, M. vulgaris bezeichnet zu werden pflegen. Herrschen Zucker und
Gummi noch mehr vor und gesellen sich beträchtliche Mengen von Unrei-
nigkeiten bei, so heisst die Waare Manna crassa, M. spissa, M. sordida oder
vorzugsweise Manna pinguis.
Vorwaltender Bestandtheil , wenigstens der besseren Mannasorten ist
der Mannazucker oder Mannit GßHuG6, der auch, obwohl bei weitem spar-
samer in vielen andern Pflanzen1) vorkommt und künstlich durch direkte
Reduktion des gewöhnlichen Zuckers vermittelst Natrium-Amalgams oder
indirect bei der Gährung desselben entsteht. Er ist isomer mit Dulcit (Me-
lampyiin. Evonymin.). Der Mannit krystallisirt in glänzenden Prismen oder
Tafeln des rhombischen Systems, schmilzt bei 165° und kann in sehr klei-
ner Menge bei grosser Vorsicht unzersetzt sublimirt werden. Er löst sich
bei gewöhnlicher Temperatur in 6 1h. Wasser, schwieriger in wässerigem
und sehr wenig in absolutem Weingeist, nicht in Aether. Die Lösung dreht
die Polarisationsebene nicht und erleidet durch Kochen mit verdünnten
Säuren oder Alkalien oder mit alkalischem Kupfertartrat keine Veränderung.
Berthelot hat gezeigt, dass der Mannit gährungsfähig ist, wenn auch
nicht so leicht wie die zu den Kohlehydraten gehörigen Zuckerarten. Mit
feuchtem Platinmohr gemengt, erhitzt sich der Mannit sehr’ stark und liefert
unkrystallisirbare Mannitsäure G6Hl2Q7 und Mannitose, einen dem Trau-
benzucker höchst ähnlichen und damit vermutlich isomeren, jedoch optisch
unwirksamen Zucker, der noch nicht krystallisirt erhalten wurde.
Mit Salpetersäure gibt der reine Mannit weder Weinsäure noch Schleim-
saure, sondern Zucker- und Kleesäure neben etwas Traubensäure. Bei der
i ockenen Destillation werden Acrolein, Ameisensäure u.s.f. erhalten.
U Iu der gleichen Familie z. B.
in den unreifen Oliven.
in den Blättern von Phillyrea, Syringa, Ligustrum,
sowie
16
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Das gesammte chemische Verhalten des Mannits weist demselben eine
Stelle in der Classe der Alkohole an; er ist am nächsten mit dem Glycerin
vergleichbar.
Der Mannitgehalt der besten Manna schwankt zwischen ungefähr 60
bis über 80 pC.
Wird eine Mannalösung mit alkalischem Kupfertartrat versetzt, so tritt
schon in der Kälte sehr bald Reduction von Kupferoxydulhydrat ein, ver-
anlasst durch die Gegenwart eines eigentlichen Zuckers, welcher nach Back-
haus gewöhnlicher Rechts-Traubenzucker ist. Er kann bis 16pCt. betra-
gen und kömmt schon iu der frischen Manna vor, am reichlichsten in den
schmierigen Sorten, aber immer auch iu den besten stengeligen.
Bleizucker schlägt aus Maunalösung die Bleiverbindung eines darin vor-
handenen schleim- oder gummiartigen Stoffes nieder, welcher auch durch
Fällung mit Weingeist erhalten werden kann. Backhaus, wie früher
L euch tw eis s, fand diesen Schleim (in der Verbindung mit 3PbO) der
Formel O12 H1GÖ10 entsprechend, also von gewöhnlichem Gummi abwei-
chend und dem Leiusamenschleime nahe kommend. Dieser btoff gibt bei
der Behandlung mit Salpetersäure Schleimsäure, welche sich daher unter
den Oxydationsprodukten der Manna oder des unreinen Mannits findet.
Die Menge dieses Schleimes oder Gummis scheint immer nur wenige
Procente zu betragen. Nicht bedeutender ist die Summe der Aschenbestand-
theile in der Manna. Aether nimmt aus wässeriger Mannalösuug eine sehr
geringe Menge rothbraunen widrig riechenden und kratzend schmeckenden
Harzes auf, begleitet von Spuren einer Säure, welche Silbersalze reducirt
und leicht zu verharzen scheint.
Der Wassergehalt der geringeren Mannasorten beläuft sich leicht auf
10 bis 15 pC.
Die grünliche Färbung einzelner Mannaproben wurde von Kupfergehalt
abgeleitet, bis Gmelin sie wegen der Fluoresceuz ihrer Lösungen dem Aes-
culin zuschrieb. Sie ist bedingt durch einen dem letzteren sehr ähnlichen
Körper F raxin (Fraxiniu, Paviin) £16HlsGlu, welcher der Rinde der
Mannaesche, sowie auch derjenigen der gewöhnlichen Esche augehört und,
neben Aesculin, auch in Aesculus Hippocastauum und Pavia rubra Lam.
enthalten ist. Das Fraxin krystallisirt in weissen schwach gelblichen Pris-
men von schwach herbem und bitterem Geschmacke, die sich in heissem
Wasser und Weingeist leicht lösen. Verdünnte Säuren spalten es iu Fraxe-
tin G10HHO5 und G,!H1206 (Zucker).
Die Gegenwart einer kleinen Menge dieses Fraxins verräth sich durch
das allerdings nur schwach bläuliche Schillern der Manna-Auflösuug, na-
mentlich bei den geringsten Sorten. Lässt mau aus einer concentrirten u
lösung in der Kälte den meisten Mannit anschiesseu und richtet nun ver-
mittelst einer gewöhnlichen Sammellinse einen Lichtkegel unter die Ober-
fläche der Flüssigkeit, so zeigt sich die Fluoresceuz am deutlichsten. - eu-
gelige Manna pflegt frei von t raxin zu sein.
Manna.
17
Die (richtiger das) Manna der Bibel ist, wie schon Ritter (Erdkunde
XIV. S. 665 — 695) in anziehender Weise erörtert und neuerdings wieder
Tischendor f1) überzeugend bestätigt hat, die durch Stiche einer Schild-
laus, Coccus manniparus Ehrenberg, hervorgerufene Ausschwitzung der
zarten Zweige des Tarfa Strauches, Tamarix gallica Var. mannifera Ehren-
berg. Der etwa 20 Fuss hohe Strauch kommt auch anderwärts im Oriente
vor2), gibt aber nur in der Sinaitischen Wüste Manna und zwar auch hier
gerade nur an der von den Israeliten auf dem Auszuge aus Aegypten berühr-
ten Stelle. Die glänzend weissen honigdicken Tropfen dieser eigenthümlich
angenehm riechenden Tamarisken-Manna träufeln in der Sonnenwärme des
Juni und Juli von den obersten Zweigen herunter, werden von den Leuten
des St. Katharinaklosters am Sinai in lederne Schläuche gesammelt und
seit Jahrhunderten theils genossen, theils den Sinaipilgern theuer verkauft,
da die ganze Ernte im günstigsten Jahre nur 500 bis 600 Pfund beträgt.
Auf Brot schmeckt diese Manna trefflich. Sie enthält, von vielem Wasser
abgesehen, nach Berthelot 55 pC. Rohrzucker, 25 pC. Invertzucker,
20 pC. Dextrin und Umwandlungsprodukte desselben, welche letzteren wohl
auch hiei auf einen den oben erwähnten Ansichten Wigan d s entsprechen-
den Vorgang deuten.
Manche ganz anderen Familien als den Oleaceen angehörige Pflanzen
sondern, zumal in wärmeren Gegenden, ebenfalls süsse Säfte aus, welche
da und dort wenigstens als Zuspeise genossen werden oder zum Arznei
gebrauche dienen. So z. B. die strauchige Legumiuose, Alhaqi Maurorum
Tournefort (Hedysarum Alliagi L.) in Aegypten, Syrien, Arabien, Nordost-
Persien bis Buchara. Die grünlich gelben Brote, welche aus dieser Manna
ge oimt werden, riechen nach Senna, schmecken süss und wirken leicht ab-
führend. In Persien, wo dieses Produkt Terengebin (Feuchthonig) heisst,
ersetzt es unsere Manna und wird sogar Kameelen verfüttert3).
In Mesopotamien (Diarbekir), Kurdistan und Persien schwitzen Zwer<*-
eichen , besonders Quercvs mfectoria (vergl. bei Gallae halepenses), Q
mannifera Kotschy, Q. Aegi/ops, Q. coccifera L., eine angenehm süsse
oimge Manna aus, welche für den Küchengebrauch gesammelt wird. Ihre
Zusammensetzung entspricht der Tamarisken-Manna.
In sehr reichlicher Menge geben einige auf dem australischen Continente
sowie auf Tasmama häufige Eucalyptus- Arten, besonderst, dvmosa Cun-
etwf 1832 be"°nt? Smith, die sogenannte, seit
Stli Vü m Lerp'MaaUa’ we,che gewissen Zeiten die
Blläu n fl 1 fr6’’ Myrtar ganZ bedeckt und d»rch den Stich von
lattlausen (Psylla) hervorgerufen wird. Sie sieht der Eschenmanna sehr
’) Aus dem heiligen Lande. Lpzg. 18G2. S VI u 54
lÄf* h',r b” “h“ » -I“ Kcrrnnn
?,rr”‘Art” vctei- p«ui- **». *•» ^
Pliickiger, Pharmakognosie.
18
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
ähnlich, schmeckt weniger süss und gibt mit Wasser gekocht eine trübe
schleimige Auflösung, in welcher nach Hanbury durch Jod eine tiefblaue
Färbung hervorgerufen wird. Au Aether tritt sie etwas Wachs ab. Die
Lerp-Manna enthält nicht Manuit, sondern Berthelot zufolge einen eigen-
thümlichen rechts rotirenden Zucker Melitose G12 H22 0 11 -f- H2 O (bei
100°), der alkalisches Kupfertartrat nicht verändert. Mit Bierhefe in Be-
rührung erleidet die Melitose die Weingährung, aber nur zur Hälfte, indem
hierbei ein nicht gährungsfähiger Zucker, das syrupartige Eucalyn G6H120G
frei wird. Auch verdünnte Schwefelsäure zerlegt die Melitose in gleiche
Theile Traubenzucker und Eucalyn. — Die Manua der einzelnen Eucalvp-
tus-Arten scheint jedoch nicht übereinstimmend zu sein.
Auch Coniferen schwitzen ganz eigenthümliche Zuckersäfte aus. So in
bedeutender Menge die kalifornische Pinus Lambertiana Douglas den
hauptsächlich aus Pinit 012H24G10 bestehenden Fichtenzucker. In gerin-
gerer Menge liefern kleinasiatische Cedern die Cedern- Manna. In der sehr
seltenen ’) sogenannten Manna von Briarnjon (Departement des Hautes Alpes),
welche an Lar ix decid.ua , der gemeinen Lärche, entsteht, hat Berthelot
gleichfalls einen besonderen nur schwierig gährenden Zucker G12 H22 0"
(bei 110°), die Melezitose, nachgewiesen. Im Ural sondert derselbe
Baum das sogenannte Orenburgische Gummi aus, das möglicherweise eine
ähnliche Zusammensetzung besitzt.
Endlich führen auch süss schmeckende Auswüchse verschiedener Art
oder ganz andere Gebilde den Namen Manna. So die Trehala1 2) oder Tri-
cala, eine den Galläpfeln nicht ganz unähnliche Auftreibung, welche in der
syrisch-mesopotamischen Wüste durch den Stich vou Rüsselkäfern, beson-
ders von Larinus subrugosus Chevrolat (Coleoptere) auf einem Echinops
entsteht. Berthelot hat auch hier einen eigenthiimlichen Zucker Treha-
lose G12H22Ö11 (bei 100°) gefunden, den er später identisch mit Mycose
(vgl. bei Secale cornutum) erklärte. In noch grösserer Menge, bis über
66 pC., enthält jedoch die Trehala Stärke, auch 4,6 pC. Gummi uud die
Cocons der Käfer.
Im Neugriechischen heissen die als Naschwerk beliebten Wurzel-
knöllchen vou Cyperus escidentus L., welche im Wüstenboden Aegyptens
trefflich gedeihen, auch Manna. Nach dem oben über die Tamariskeu-
oder Tarfa- Manna angeführten ist es nicht wahrscheinlich, dass diese
Knollen die biblische Manna sind. Dasselbe gilt auch von den merkwürdigen
kleinen Manna-Flechten, Lecanora esculenta Eversmann uud L. affinis
Ev. (Parmelia Acharius), welche in den W iisten und Steppen Nordafrikas,
Südrusslands uud Hochasiens oft massenhaft vorkommeu und vom Winde
1) Mit Mühe vermochte sich Hanhury an Ort und Stelle Proben davon zu verschaffen.
Pharm. Journ und Transact. VI. p. 248.
2) Abgebildet in Büchners N. Repertor. VIII. S. 585 (1859), sowie m Moquiu-
Tandon, Zoolog, midie. (1860) p. 138.
Gutti.
19
weithin getragen werden. Sie sind erdig, quellen ixn Wasser auf und
schmecken dann fade, etwas an Pilze erinnernd. Kalkoxalat und eine theil-
weise lösliche Form der Cellulose (vergl. bei Lichen islandicus) scheinen
die Hauptbestandtheile dieser Flechten1) zu sein, welche ein geringes
Nahrungsmittel abgeben.
Gutti.
Gummi-resina Gutti. Cambogia. Gummigutt. Gommme-gutte. Gamboge.
Garcinia Morella Desrousseaux. — Clusiaceae.
Syn. G. elliptica Wallich.
G. Gutta Wight.
Hebradendron gambogioides Graham.
Yon diesem bis öOFuss hohen Baume, der in Siam, in den Wäldern
Ceylons, auch wohl in Vorderindien einheimisch ist und in einer Varietät
(ß. pedicellata) mit gestielten männlichen Blüthen auf Singapore cultivirt
wird, leitet Hanbury (1864) das Gutti ab und löst endlich, wie es
scheint mit zureichenden Gründen, die früheren Zweifel über die Stamm-
pflanze dieser Droge.
Clusius erhielt 1603 durch den Holländer Garet zuerst dieses Pro-
dukt als Flechtenmittel unter dem Namen Ghittajemon aus China und
beschrieb es 1605, worauf es bald Eingang in den Arzneischatz fand.
Ueber die Gewinnung des Gutti in Hinterindien liegen ungenügende
Berichte von König aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts vor, die der-
selbe in Indien von einem Missionär aus Cochinchina erhalten hatte. Hier-
nach würde der beim Brechen der Zweige reichlich austretende Milchsaft
auf Blättern oder Cocosschalen aufgefangen und in irdenen Schalen ein-
getrocknet. Nach Walker und Graham werden auf Ceylon vielmehr
grosse Streifen der Stammrinde abgeschält und der Saft am Baume selbst
erhärten gelassen. Laut den neuesten Erkundigungen von Schomburgk
(1861) wird in Cambodscha der in Folge von Einschnitten ausfliessende
Saft in Bambusrohren aufgefangen und diese nach dem Trocknen zerschlagen.
Hiermit stimmt nun auch die Form der jetzt vorzugsweise zu uns gelan-
genden Waare überein, deren bis armsdicke walzenförmige Stücke gewöhnlich
Längsstreifen zeigen, welche sehr wohl von jeuen Röhren herrühren mögen.
Bisweilen sind sie in Blätter eingerollt und zu mehreren verklebt. Auch
kömmt wenigstens diese beste Sorte nach allen Berichten aus den östlichen
Ländern der hinterindischen Halbinsel, nach einigen aus Gebirgswäldern
der Ost-Küste des Golfes von Siam unweit Schantibun (Tschentabon). Eine
geringere Sorte soll auch, wie die Benzoe, aus Laos stammen. Die Haupt-
ausfuhrplätze sind Singapore, Penang und Canton.
berichUMO w," WwtStei“’S Iiertcljahl'SSch,ift X- S- 86’ oder Wiggers’ Jahres-
beucht 1860 S. 45, auch Journ. de Pharm. Yol. 37, p. 413 und Ausland 1864 S. 886, 959.
20
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Das walzenförmige Gutti ist sehr dicht und vollkommen gleichförmig,
von schön rothgelber, auf der bestäubten Oberfläche fast etwas grünlich-
gelber Farbe und bricht gehr leicht und grossmuschelig glänzend. Selbst
kleine Splitter sind kaum durchscheinend. Es ist ein Gemenge von Harz
mit wenig Gummi, das indessen doch hinreicht, um sofort bei der
geringsten Benetzung das erstere in klebrige gelbe Emulsion zu bringen.
Das Harz löst sich in Weingeist sehr leicht mit schön gelbrother Farbe
zur klaren Flüssigkeit, welche zwar nicht oder nur schwach sauer reagirt,
aber mit Ammoniak und fixen Alkalien dunklere klare Lösungen, mit Blei-
essig eine reichliche Fällung gibt. Eiseuchlorid färbt die Lösung der
„ Cambogiasäure“ tief braunschwarz. Die Formel dieser Harzsäure
steht noch nicht fest. Beim Schmelzen des gereinigten Guttiharzes mit
Kali erhielten Hlasiwetz u. Barth (1866) neben Fettsäuren nnd eigen-
thümlichen Säuren auch ungefähr 1 pC. Phloroglucin (siehe bei Kiuo). In
dem vou Weingeist nicht gelösten Gummi zeigt das Mikroskop nur ganz
unbestimmbare Andeutungen von Pflanzentheilen und keine Stärkekörner.
Geringere Guttisorten in Klumpen oder Kuchen, welche indessen bei uns
seltener gehalten werden, enthalten verschiedene fremde Beimengungen,
worunter nach C h r i s t i s o n auch gewöhnlich etwas A mylum . Doch kömmt
auch die geringste Waare oft in Walzenform vor und zeigt sich porös, von
schmutzig gelber Farbe.
Gutti schmeckt brennend scharf und äussert schon bei wenigen Grammen
sehr gefährliche Wirkungen von kaum geringerer Intensität als die des
Crotonöles. Vergiftungsfälle, welche durch die berüchtigten Morisonpillen
veranlasst werden, dürften meist auf Rechnung des Gutti zu schreiben sein.
Ob verschiedene, nur in Indien und China, zum Theil auch als Farb-
stoff verwertete Gutti-Sorten von andern Bäumen abstammen und abwei-
chende Eigenschaften zeigen, ist noch nicht genügend ermittelt.
Asa foetida.
Gummi-resiua Asa foetida. Asant. Stinkasant. Teufelsdreck. Ase fetide.
Asafoetida.
Scorodosma1) foetidum Bunge. — Umbelliferae-Peucedaneae.
Syn. Ferula Assa foetida L.
Diese bis über 2 hohe mächtige, schön gelb blühende Dolde wächst
gruppenweise und in den wenigen Wochen der Dauer ihres steif aufrechten
Stengels auf unabsehbaren Strecken förmliche Wäldchen bildend, in den
Steppen zwischen dem persischen Meerbusen und dem Aralsee und zwar
1) Skorodon Knoblauch, osmc Geruch.
Asa foetida.
21
ausschliesslich auf kieselsandigem1) Boden mit wasserdichtem, salzreichem
Untergründe. Im Südwesten Persiens, im Berglande der Bachtijari2) (Pro-
vinz Luristan), sowie in der Gegend des alten Persepolis erreicht Scoro-
dosma nicht ganz das nördliche Gestade des persischen Busens und hält
sich hier mehr an Hochregionen von ungefähr 1000™ über Meer, während
die centralpersischen und aralo-caspischen Hauptstandorte mehr im Norden
sich sehr bedeutend senken und z B. am Nordostufer des Caspimeeres
tiefer liegen als der Meeresspiegel. Zwischen Caspi- und Aral-See, in der
Hochsteppe Ust-iirt, fehlt Scorodosma, findet sich aber von den persischen
feiidwestprovinzen Luristan und Farsistan an, durch gauz Persien bis gegen
das untere und mittlere Gebiet des Ssyr-Darja (Jaxartes) und von hier süd-
ostwärts über Samarkand hinaus noch au den Abdachungen des Pamir
(westlich vom Belut-Tag). In Chorassan (bei Turschiz), Herat uud Chiwa
scheint die Pflanze am massenhaftesten vorhanden zu sein. Wo der Kiesel-
boden in die vegetationsarme Lehmwüste übergeht, fehlt Scorodosma und
ist durch andere verwandte Umbelliferen, vorzüglich Ferula persica Willd.,
ersetzt. Den Ssyr-Darja überschreitet das Scorodosma nicht.
Die fleischige, stark beschopfte Wurzel, einfach von der Gestalt und
Grösse einer Rübe oder schenkeldick und sparrige Aeste aussendend, ent-
wickelt sich während einer Reihe von Jahren und treibt alljährlich einen
blaugrünen, flaumigen Blätterbüschel, aber zuletzt erst, um Buchara z. B.
gegen Ende März, den blühbareu, wenig beblätterten Stengel. Schon in
der Mitte des April erreichen die behaarten Früchtchen ihre Reife j die
Stengelblätter und die grossen wiederholt dreitheiligen Wurzelblätter werden
schlaff und im Mai stirbt die ganze Pflanze vollständig ab. Der welke
Stengel erhält sich noch einige Zeit und rings herum gehen bald wieder
neue Blätterbüschel auf. Die Blätter werden von den Schafen sehr gerne
gefressen, ertheilen aber der Milch den unerträglichen Asantgestank. Doch
werden die zarteren Theile der Pflanze z. B. von den Afghanen als Lecker-
bissen genossen.
Die bräunlichgelbe bis violette Wurzel der Asantpflanze ist sehr fleischig
und von zahlreichen Milchgefässen durchzogen, welche zu starken in mehrere
Kreise geordneten Bündeln zusammengestellt3) uud besonders im Frühjahr
sehr saftreich sind. Auch die übrigen Theile der Pflanze enthalten 'die-
selben Saftgefässe, wenigstens finden sich an den Doldenstielen auch erhär-
tende Tröpfchen von gelbrother Farbe und fürchterlichem Asantgeruche.
Es scheint demnach das ätherische Oel in der Pflanze schon fertig gebildet
vorzukommen und nicht erst wie andere schwefelhaltige Oele in Folge von
2 ^tfrRf°°tida iD K'U“Pen fiudet Sich häl,fiS auch kohlensaurer Kalk in Menge,
heim s f. Wissenschaft!. Botanik III. S. 147) vermutket, in das Mark
22
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Zersetzungen aufzutreten. Grössere braune Harz -Klumpen pflegt der
ansehnlich aus dem Boden hervorragende Wurzelschopf zu bergen. Der ekel-
hafte in der Nähe kaum erträgliche Geruch erhält sich auch nach dem
Absterben noch lange in der Wurzel. Die Pflanze führt im aralo-caspischen
Gebiete den Namen stinkendes Rohr (Keurök-Kurai), bei den Persern
Anguzeh, woraus unser Asa entstanden zu sein scheint,1) sowie auch das
chinesische Awei.
Nach Kämpfer s älteren Berichten wird zur Zeit des Abblühens der
Stengel und Wurzelschopf der etwa 4 jährigen Pflanze weggeschnitten, aber
der Wurzelkopf zum Schutze vor der Sonne wieder mit Blättern und Erde
gedeckt, nachdem er innerhalb der Hülle blos gelegt worden. Erst nach
Monatsfrist wird nun der Wurzelkopf angeschnitten, wieder bedeckt und
am zweitfolgenden Tage das ausgetretene erhärtende Gummiharz gesam-
melt, worauf in gleichen Zwischenräumen von derselben Wurzel noch
zweimal Querscheiben abgeschnitten werden. Nach dieser dreimaligen Aus-
beutung lässt man die Wurzel 1 0 Tage ruhen und schneidet sie alsdann
wieder wie angegeben dreimal an. Diesen beiden Operationen folgen in
gleichen Abständen noch zwei weitere von je 3 Schnitten.
Mit diesen auf Luristan bezüglichen Angaben stimmen ungefähr die
neuesten Berichte Bellew’s2) (1863) sowie Co ok e’s3) aus Afghanistan
überein, welche aber eine andere gleichfalls Asant gebende Umbellifere,
N arthex Asa foetida Falconer betreffen. Hiernach werden im April und
Mai um Herat und Furrah auch jüngere noch stengellose Wurzeln bearbei-
tet, nachdem rings um dieselben eine kleine Grube gemacht ist. Die ge-
waltige Wurzel, welche weit über den Boden hervorzurageu scheint,4) wird
in Zwischenräumen von 3 — 4 Tagen an mehreren Stellen angeschnitten,
worauf der Saft während 7 bis 15 Tagen unaufhörlich ausfliesst und theils
an den oberen Theilen zu Körnern erstarrt, theils sich rings um die Wurzel
in der Grube massig ansammelt. In der Zwischenzeit während dieser Be-
handlung der Wurzel wird dieselbe durch Blätter, Zweige oder Gras vor
dem allzu raschen Vertrocknen geschützt. Je nach ihrer Grösse wechselt
die Ausbeute bei einer einzelnen Wurzel von wenigen Unzen bis zu ein paar
Pfunden. Nach Coolce wird immer an Ort uud Stelle Gerstenmehl oder
Gyps zugesetzt und nur das feinste Produkt, das aus dem Centrum des
Blattbüschels junger Wurzeln gewonnen wird, unverfälscht und zu weit
höherem Preise zu Markte gebracht. Nach dem nordwestlichen Indien ge-
D Polak, in der bei Manna angeführten Schrift II. S. 282. Andere leiten, nicht viel
einleuchtender, von Laser ab und dieses wieder von Silphion, Silphi, Sirphi, Sirpe, woraus
lac serpicium und zuletzt laserpitium. Vergl. Schroff in Büchners N. Repertor. XI.
S. 145 über Silphium.
2) Wittsteins Viertcljahrsschrift. XIII S. 233.
3) Pharm. Journ. uud Transact. V. p. 583. (1864). t
4) wie sich aus der bildlichen Darstellung der Asautgewiuuung im Pereira scheu Ma-
nual of Materia medica von F arre (London 1865 p. 373) ergibt.
Asa foetida.
23
langt aus diesen Gegenden jährlich für 2200 Pfd. Sterling Asa foetida, die
hier meist zu Küchenzwecken dient.
B orszczow hat im Aralgebiete die Gewinnung der Droge nicht ge-
sehen. Aus Persien geht der Asant theils (wie bei Flores Chinae erwähnt) über
das Caspi-Meer nach Astrachan zur grossen Messe von Nischnei-Nowgorod,
oder über Bombay nach Europa, theils auch durch das Rothe Meer nach
Aegypten. Der Betrag der letzteren Ausfuhr über Dschedda erreicht etwa
4000 Francs jährlich.
Der weisse Milchsaft des Scorodosma nimmt an der Luft sehr bald eine
oberflächliche zart rothe , dann rothviolette, später in braun übergehende
Farbe an, welche sich in der käuflichen Waare nach dem Trocknen nur
bis zu geringer Tiefe fortgeschritten zeigt, so dass der wachsglänzende Kern
wöiss bleibt.
Die beste Sorte, Asa foetida in granis , erscheint weniger häufig im
Handel und besteht aus sehr ungleichen meist gelblichen oder braunen, ganz
unregelmässig abgerundeten, bis etwa 0,03 ra grossen Körnern oder mehr
abgeplatteten Stücken, welche je nach dem Grade ihrer Weichheit etwas
zusammeukleben oder nicht. Im Innern sind sie wie Wachs schneidbar, in
nur wenig höherer Temperatur erweichend und klebend, in der Kälte spröde
und ein Pulver liefernd, das mit Wasser leicht eine Emulsion giebt. Die
reinsten Körner zeigen sich unter dem Mikroskop vollkommen gleichmässig
aus feinen Tröpfchen gebildet und hinterlassen beim Verbrenuen nur sein-
wenig Asche.
Die gewöhnlichere Sorte, Asa foetida amygdaloides , s. in massa, ent-
hält in einer mehr körnigen Grundmasse einzelne grössere oder kleinere der
vorigen Sorte entsprechende Stücke eingebettet, begleitet von mancherlei
fremden Beimengungen, welche oft die Hälfte des Gewichtes betragen. Sie
bestehen aus Erde, kohlensaurem Kalk, krystallisirtem Gyps und verschie-
denartigen Pflanzentheilen1). Die Farbe der ganzen Masse wechselt sehr
von schmutzigem Grau bis dunkel violettbraun. Oft sind die Mandeln oder
Körner etwas heller, bisweilen fehlen sie auch fast. Im Innern ist die Masse
sowohl als die der Körner oder Mandeln milchweiss, an der Luft sehr bald
schon röthhcli anlaufend, dann braun bleibend. Das Auftreten der rothen
Färbung wird nicht durch Wasser, wohl aber durch Chlor beschleunigt,
während Salzsäure und noch besser Salpetersäure eine stellenweise prächtig
malachitgrüne Färbung hervorrufeu. Wird Asa foetida mit Vitriolöl ange-
rieben, der Brei verdünnt und die wenig gefärbte Lösung neutralisirt, °so
nimmt sie eine schöne Fluorescenz an, wie dies bei gleicher Behandlung
bei manchen organischen Stoffen der Fall ist.
Der höchst unangenehme Geruch des Stinkasants erinnert an Knob-
lauch. Der Geschmack ist sehr widerlich, scharf bitter und aromatisch,
R Es dürfte doch wohl schwer fallen, hier den Beweis zu führen, dass ein
Gewebes in Gummiharz vorliege, wie Wigand annimmt.
Uebergang des
24
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
lange anhaltend. Meist zeigt sich die zweite Sorte in Geruch und Ge-
schmack kräftiger als die Körner. Der Geruch der letzteren erinnert bei
vorsichtigem Schmelzen bisweilen etwas an Benzoe.
Der Asant besteht aus Harz, Gummi und ätherischem Oele in wechseln-
der Menge, welche das Verhalten der Droge zu den Lösungsmitteln bedingt.
Auch die in den Umbelliferen vielverbreitete Aepfelsäure fehlt nicht und
das wässerige Destillat hält Essig- und Ameisensäure. Zucker lässt sich in
dem Gummiharze nicht nachweiseu. Nur das ätherische Oel der Asa ist
näher untersucht. Es beträgt etwa 3 bis gegen 5 pC., das Harz meist über
die Hälfte der Waare.
Seines Schwefelgehaltes wegen muss das Asa-foetida-Oel aus Glasge-
fässen destillirt werden. Es ist hellgelb, vou höchst widrigem sehr durch-
dringendem und lange haftendem Asantgeruche , ohne Reaction rflif
Lakmus, schmeckt erst milde, dann kratzend und wirkt äusserlick nicht
scharf wie das Senföl. In Wasser ist das Asa-Oel etwas löslich. Es nimmt
an der Luft saure Reaktion au; verändert seinen Geruch und gibt, wie
übrigens auch schon das Gummiharz selbst, Schwefelwasserstoff aus. Frisch
ist das Oel sauerstofffrei; es beginnt bei 135 — 140° zu sieden, aber unter
fortwährender Entwickelung von Schwefelwasserstoff, so dass selbst Hla-
siwetz die Darstellung eines Oeles von bestimmter Zusammensetzung
nicht gelang; der Schwefelgehalt wechselte von 20 bis 25,4 pC. Es scheint
ein Gemenge von Schwefelverbindungen eines Radikals G^H11 zu sein,
dessen Beziehungen etwa zum Allyl G3H5 (vergl. bei Senföl unter Semen
Siuapis nigrae) noch weiterer Aufklärung bedürfen, welcher der unerträg-
liche Geruch des rohen Oeles sehr im Wege steht. Das Asa-Oel liefert bei
Behandlung mit Oxydationsmitteln ausser Oxalsäure die Säuren der Fett-
säurereihe bis zur Baldriansäure; Kalium bildet mit dem Oele unter Gas-
entwickelung Schwefelkalium, nach dessen Zersetzung durch Essigsäure
das rückständige Oel nun Zimmtgeruch besitzt.
Das Harz der Asa besteht grossentheils aus der (1866) vou Hlasiwetz
und Barth entdeckten Ferulas äure G10 Hlü O4, welche in irisirenden
rhombischen Nadeln krystallisirt und sich in kochendem Wasser löst. Mit
Kali geschmolzen liefert sie Oxalsäure, Kohlensäure, Fettsäuren und auch
Protocateckusäure. Von der Ferulasäure ist die oben erwähnte I luoreseuz
der schwefelsauren Asa -foetida- Lösung bedingt. Das Harz selbst gibt in
gleicher Weise ausserdem auch Resorcin wie Galbanum (S. 28), wenn es
zuvor durch AVeiugeist und Wasser vom Gummi befreit war. So gerei-
nigtes Harz gibt beim Schmelzen für sich grün, blau, roth bis violett ge-
färbte Oele. Bei der unter Radix Sumbul angegebenen Behandlung gewinnt
man aus dem Harze etwa 0,28 pC. Umbelliferou.
Es bleibt noch zu untersuchen, ob zwischen den Produkten von Scoro-
dosma und von Narthex ein chemischer Unterschied besteht.
Der Asant ist vermuthlich im Orient seit sehr langer Zeit gebräuchlich
und war auch den arabischen Aerzten des XIII. Jahrhunderts, nicht aber
Asa foetida.
25
den alten Griechen und Römern bekannt. Nach Borszczow wenigstens
ist es durchaus zweifelhaft, dass das Silphion oder Laser der Alten unserer
Asa entsprach. Die europäischen Berichte des XYI. und XVII. Jahrhun-
derts über die Pflanze und ihr Produkt sind mangelhaft bis auf Kämpfer,
den deutschen Reisenden, welcher 1684 in Südwestpersien die Gewinnung
des Gummiharzes sah und die Pflanze als Asa foetida Disgunensis
beschrieb. Linne nahm sie später als Ferula Assa foetida auf. Nach
Borszczow2), welcher 1857 und 1858 die aralo- caspischen Länder
durchzog und interessante Nachforschungen über die Asa foetida anstellte,
lässt sich aus Kämpfers Nachforschungen und Angaben mit Bestimmt-
heit die Identität seiner Pflanze mit Scorodosma foetidum erweisen. Die
Pflanze wurde erst 1841 durch Lehmann östlich von Samarkand wieder
aufgefunden, 1846 von Bunge veröffentlicht und 1858 und 1859 von
dem Letzteren selbst in Persien beobachtet.
Inzwischen hatte Falconer 1838 in Kaschmir eine riesige nach Stink-
asant riechende Umbellifere gefunden, 1846 als N arthex Asa foetida be-
schrieben und mit Kämpfer ’s Asautpflanze identisch erklärt. Schon der
blattlose Stengel unterscheidet jedoch Falconer’s Pflanze hinlänglich von
Scorodosma. Aber es ist sehr wohl möglich, dass Narthex in der That,
wie oben nachBellew undCooke angeführt, diejenige Asa foetida ganz
oder zum Theil liefert, welche aus Afghanistan und dem Pandschab nach
Indien geht. Schon Ritter hatte angegeben, dass Asa foetida aus Sind
(am unteren Indus) mit Ochsenkaravanen nach Marwar (oder Joudpoor) in
Radschputana gehe, auch westlich von Sind bei Kelat in Balutschistan
vorkomme. Beides dürfte sich auf Narthex beziehen, wie überhaupt noch
andere Umbelliteren der iranisch - turanischen Steppen denselben oder doch
ähnlichen stinkenden Milchsaft führen.
Die Früchte der Ferula teterrima Ivarelin & Kirilow , einer noch
wenig bekannten weit nördlicher in der Dsungarei vorkommenden Umbelli-
feie, sollen ebenfalls sehr stark wie Scorodosma riechen.
Galbänum
Gummi- resina Galbanum. Mutterharz. Gomrne - resine galbanum.
Galbanum.
Ferula erubesceus Boissier. - Umbelliferae-Peucedaneae.
Syn. I . gummosa Boissier et F. rubricanlis Boiss.
Das häufigere Vorkommen dieser etwa mannshohen kräftigen Doldeu-
pflanze, deren Kenntniss übrigens noch sehr viel zu wünschen übrig lässt,
scheint sich auf den nördlichen und mittleren Strich Persiens zu beschräu-
D Disful, Fluss und Stadt nördlich von der Euphrat-Tigris- (Schatt-el-Arab) Mündung.
J le pliaimaceutisch wichtigen Ferulaceen der aralo-caspischeu Wüste. Petersbg. 1860.
26
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
ken. Sie wird angegeben an den Abhängen des Eiwend (unweit der Gränze
Kurdistans bei Hamadan), bei Chaf am Nordostrande der grossen Salz-
wüste von Ckorassan, in den Bergen bei Subzawar (Ssäbsewar) südlich
von Herat. Ganz isolirt, aber in Menge, tritt sie ferner am Demawend bis
8000 Fuss hoch auf, stellenweise auch im Nordgebiete Persiens.
In ihrem Habitus nähert sich diese Pflanze mehr dem Scorodosma als
Dorema, ist aber schwächer als beide, der Stengel am Grunde zolldick,
die sehr grossen vierfach gefiederten Blätter mit grossen aufgeblasenen
Scheiden versehen, auf welche sich die obersten Blätter beschränken. Die
kleinen Fiederlappen der Blätter herablaufend und gewirapert; Blattschei-
den, Stengel und Früchte zuletzt rosenroth angelaufen.
Das Gummiharz dieser Ümbellifere tritt an) untern Theile des Stengels
und an den Blattscheiden in grossen gelben Tropfen aus. Es wird nach
Buhse am Demawend, nach Borszczow’s immerhin nicht auf eigener
Anschauung beruhenden Augaben jedoch nur bei Hamadan (dem alten
Ekbätana) für die Ausfuhr gesammelt, Nach dem Letzteren ist dieses
Galbanum- Gummiharz bernsteingelb, von stark aromatischem Gerüche,
schwach bitterem Geschmacke und zwischen den Fingern erweichend. —
Da auch Buhse nicht Augenzeuge der Einsammlung der Droge war , so
bedürfen alle diese Nachrichten noch sehr der Bestätigung.
Eine andere stark nach Galbanum riechende , etwa 1 Meter hohe Um-
bellifere, Ferula Schair, entdeckte Borszczow in der lehmigeu Salz-
wüste unweit Fort Per offski (Ak - Metschid) am Ssyr-Darja, östlich vom
Aralsee. Die Pflanze heisst hier Schair, was in der Kirgisen-Sprache Harz
bedeutet. Der Entdecker hat von derselben in seinem bei Asa foetida er-
wähnten Werke eine sehr schöne Abbildung gegeben. Die Wachsthums-
verhältnisse der Sckai'r-Dolde scheinen mit denen des Scorodosma überein-
zustimmen. Freiwillig ausgetretenes Gummiharz bemerkte Borszczow
au der Pflanze nicht, wohl aber beim Anschneiden des Stengels zähen
aromatisch bittern Milchsaft vom Gerüche des Galbanum.
Es bleibt demnach dahingestellt, ob diese nicht weiter beobachtete
Dolde vielleicht irgendwo auch unsere Droge liefert.
Das persische Mutterharz gelaugt seltener zu uns, häufiger auf dem
schon bei Asa foetida augedeuteteu Wege nach Russland. Silier in Dor-
pat 1) beschreibt davon eine Sorte in meist nur erbsengrossen oder kleine-
reu Körnern uud eine in Klumpen von sehr verschiedener Beschaffenheit.
Die hell- bis dunkelgelbcu Körner backen etwas zusammen, namentlich
sehr leicht beim Kneten zwischen den Fingern. Die gewöhnlich stark ver-
unreinigten Massen der zweiten Sorte sind nach Silier von gelbbräuulicher,
olivengrüner bis grüulichbrauuer Färbung, oft durchsetzt von zahlreichen
gelblichen Stückchen. Frische sehr kleberige uud fast teigartige Waare
riecht ungemein scharf uud durchdi'iugend, ältere bedeutend schwächer.
1) Lehrl). d. Pharmacie (1850) II. 641.
Galbanum.
27
Nach Wiggers1) soll das persische Produkt niemals grünlich aus-
sehen, im Gerüche aber an Stinkasant erinnern.
Das bei uns gewöhnlich vorkommende Galbanum besteht aus mehr oder
weniger verklebten kleinen unregelmässigen, höchstens 0,0 10m grossen
Körnern von bräunlich gelber, ein wenig ins grünliche fallender, selbst
innen nur schmutzig weisslicher Färbung. Der schwäche Stich in s grün-
liche unterscheidet sie namentlich von den wenigstens im Innern milch-
weissen Körnern des Ammoniaks, welches sich durchaus nicht grünlich zeigt.
Eine geringere Sorte in weichen Massen scheint vollkommen der obi-
gen Schilderung Siller’s zu entsprechen. In einer solchen finde ich Um-
belliferen-Früchte, welche in jedem Thälchen nur einen Oelgang besitzen,
also jedenfalls nicht einer Ferula angehören. Nach Wiggers käme diese
bei uns gebräuchlichere Waare, deren Verschiedenheit von der in Russland
verwendeten nicht einleuchtet, aus Mittel- Afrika 2 *) (?) über Triest und Mar-
seille. Die englische Pharmacopoeia lässt ihre ebenfalls grünliche Sorte aus
Indien und der Levante eingeführt werden, andere aus Arabien.
Der eigentliümliche Geruch des Galbanums ist sehr stark aromatisch,
weit weniger widerlich als der des Ammoniaks und nicht der Asa ähnlich.
Ebenso ist die Bitterkeit des Galbanums nicht so scharf und unangenehm,
zugleich an Terpenthin erinnernd.
Mit Wasser gibt das Galbanum leicht eine weisse Emulsion ; es ist reich
an ätherischem Oele, wovon Mössmer (1861) aus einer festen, aber nicht
näher characterisirten Waare etwa 7 pG. erhielt und dasselbe rechts roti-
rend, mit Terpenthinöl gleich zusammengesetzt und zunächst verwandt
befand.
Das Harz ist sehr weich; es beträgt meist über die Hälfte und löst sich
nach Mössmer in Kalkmilch und Aether. Bei 100° längere Zeit hindurch
mit Salzsäure erhitzt, gibt es ohne Bildung von Zucker nach Sommer
etwa 0,8 pC. Umbelliferon (vgl. bei Radix Sumbul) und bei der trocke-
nen Destillation für sich ausser Umbelliferon auch ein aromatisches pracht-
voll blau gefärbtes Oel G20H30G, welches constaut bei 289° siedet. Das-
selbe wird durch Natrium entfärbt und zu farblosem schwach riechendem
Oele G2uH30 von 254° Siedepunkt reducirt. Wahrscheinlich steht jenes
blaue Oel in Beziehung zu dem Azulen oder Coerulein der Flores Charno-
millae (vergl. diese). Nach Hlasiwetz wäre eine Spaltung des Gal-
banumharzes G26H3805 unter Austritt von 2H20 in jenes blaue Oel —
£20H30G und Umbelliferon = GG Iil O2 nicht unwahrscheinlich. Die For-
mel des Harzes würde verlangen: C 72,5 pC., H 8,8. Gefunden wurde:
C 71,9 bis 72 und H 8 bis 8,2.
Durch Schmelzen des Galbanumharzes mit Kali erhielten Hlasiwetz
0 Vermuthlich früheren Angaben Ludewig’s folgend.
2) ^as ma£ die „Asa foetida“ sein, welche aus Timbuktu nach Marocco ausgeführt wird,
wie Barth, Reisen in Afrika V. 37 Note angibt?
28
I. Püanzenstoffu ohne organische Structur.
u. Barth Krystalle von Resorciu (ungefähr G pC.) neben Oxalsäure
und flüchtigen Fettsäuren. Die Formel des Resorcius GßHßG2 ist zugleich
die des Brenzcatechins und des Hydrochinons (vergl. bei Garnbir und bei
Folia Uvae ursi) und homolog mit der des Orcins.
Das Gummi des Galbanums ist nicht näher untersucht. Im harzig-
schleimigen Rückstände nach dem Abdestilliren des mit Terpenthinöl iso-
meren Kohlenwasserstoffes fand Mössmer flüchtige Fettsäuren.
Salpetersäure liefert mit dem Harze des Galbanums Camphresin- und
Styphninsäure.
Durch kalte, mässig concentrirte Salpetersäure oder besser durch Salz-
säure wird mit Weingeist befeuchtetes Galbauum nach kurzem prachtvoll
violett gefärbt, Asa und Ammoniak nicht. Jedoch tritt diese ausgezeich-
nete Reaction nur bei der schönsten Köruersorte ein , bei der massigen
nicht, daher wohl zu vermuthen ist, dass dieselbe verschiedenen Ursprun-
ges ist. Die durch Salzsäure hervorgerufene Farbe hält sich einige Tage.
Ohne Zweifel sind diese Reactionen von Resorcin abzuleiten.
Die weingeistige Auflösung des Galbanumharzes reagirt sauer; wird
sie vorsichtig mit Ammoniak neutralisirt, so fluorescirt sie; weiterer Zusatz
von Ammoniak veranlasst aber die Ausfällung des Harzes. — Das letztere
für sich gibt die Salzsäure-Reaetion am reinsten.
Zucker in Galbauum nachzuweisen gelang mir nicht. Wird der wässe-
rige Auszug mit Bleiessig gefällt, so schmeckt das von Blei befreite Fil-
trat nach dem Eindampfen nicht süss und vermag nicht Kupferoxyd zu re-
duciren.
Die Chalbane der Alten lässt sich nicht zuverlässig mit unserem Gal-
banum identificiren ; die Benennung stammt aus dem Hebräischen, wo
chalob Milch bedeutet, zusammenhängend mit halab im Arabischen, 'gala
im Griechischen, ebenfalls für Milch.
Ammouiacum.
Gummi - resina Ammouiacum. Ammoniak - Gummiharz. Gomine - resiue
ammoniaque. Ammoniac.
Dorema Ainmöuiaeüni Don. — Umbelliferae- Peucedaneae.
Syn. Diserneston gummiferum Jaubert und Spach.
Die Ainmoniakpflauze ist eine starke, nur wenig niedrigere Dolde als
Scorodosma und ebenso ausschliesslich sandigen1) Standorten derselben
Gegenden angehörig. Doch stellt sich der Yerbreitungsbezirk der erstereu
wenigstens ostwärts etwas beschränkter heraus. Die Westgräuze derselben
verläuft vom Ostufer des Aralsees ungefähr iu die südöstliche Nachbarschaft
von Isfahau , wo z. B. zwischen der merkwürdigen Stadt Jezdechast und
*) Aomios, Saud.
Ammoniacuin.
29
Aminabcad ganze Dorema- Wäldchen getroffen werden (Polak). Die Süd-
gränze scheint hier zugleich ihren äussersten Punkt zu erreichen und geht
von hier durch die grosse Salzwiiste in gerader Richtung nach Herat. In
grosser Menge und immer von Scorodosma begleitet, tritt Dorema dann be-
sonders in den ungeheuren Wüsten westlich vom Aral auf, besonders
zwischen den Flussbetten des Dschang-Darja und Kuwan. Im Gegensätze
zu Scorodosma überschreitet jedoch die Ammoniakpflanze den unteren Lauf
des Ssyr-Darja (des alten Jaxartes) und verbreitet sich nordöstlich nach
dem südlichsten Sibirien, in die Kirgisen-Wüsten um die Seen von Balchasch
und Alakul, oder selbst in die chinesische Dsungarei, während sie dem Ge-
biete zwischen dem oberen Ssyr-Darja und dem oberen Oxus (Amu-Darja)
zu fehlen scheint. Zwischen Caspi- und Aral- See findet sich Dorema so
wenig wie Scorodosma. In die ostpersischen Hochebenen und Gebirge ge-
gen die Gränze von Herat erhebt sich Dorema wenigstens so hoch , wenn
nicht höher als Scorodosma. Die kleinen einfachen kopfigen und weiss-
lichen Dolden des Dorema sind kurz gestielt und ohne alle Deckblätter an
nicht sehr langen einfachen ruthenförmigen Aesten zerstreut oder fast ge-
knäuelt zu einer lockeren endständigen traubenartigen Rispe geordnet. Die-
ser Bliithenstand unterscheidet sich demnach sehr von den grossen lang-
gestielten und zusammengesetzten Dolden des Scorodosma. Der ganze nur
Blattschuppen tragende Stengel und der Blüthenstand, auch die Unterseite
der grossen bodenständigen Blätter sind reichlich mit weissen Sternhaaren
bestreut.
Der starke Stengel ist aufrecht1), obwohl nach Borszczow’s schönen
Abbildungen zu schliessen, bisweilen wenigstens etwas hiu und her gebogen.
Aus dem Wurzelkopfe entwickelt sich jedes Frühjahr ein Büschel drei-
theilig fiederspaltiger Blätter, welche allmälig einen dichten Schopf ihrer
abgestorbenen Theile zurücklassen.
Die graue oder schwärzliche rübenförmige schwammige Wurzel ist ent-
wedei oben mit einigen wenigen starken Aesten versehen oder theilt sich
an der Spitze in dünnere Aeste. Sie scheint durchschnittlich schwächer
zu sein als die Wurzel des Scorodosma, zeigt aber dieselben Vegetations-
Verhältnisse und ist gleichfalls bis nach dem Abschlüsse der Stengel- und
luchtbildung sehr reich an Milchsaft. Aber auch der Stengel und seine
Aeste strotzen nach Borszczo w von Milchsaft, welcher freiwillig , oder
nach anderen Angaben auch wohl in Folge des Stiches von Insekten sehr
reichlich anstatt und zu weissen Körnern erstarrt, die in verschiedener
Grosse von wenigen Millimetern an bis zum Umfange einer Nuss, die feinste
b°rte der Droge, Ammoniacum in granis , darstellen.
Aus der Untersuchung eines zwei Fuss langen in einer Wiener Samm-
hiug vorhandenen Stengels der Ammoniakpflanze schliesst Vogl, dass
jedenfalls dieser vorzugsweise das Gummiharz liefere. Die Harzgänge sind
L Daher der Gattungsname: A<$pu die Lanze.
30
I, Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
auch hier aus der Desorganisation ganzer Zellstränge der verschiedenen
Gewebe hervorgegangen, hauptsächlich aus den Gefässbündeln des Markes,
von wo die Umbildung nach aussen hin fortzuschreiten scheint.
Im Wurzelschopfe oder au dem über den Boden herausragenden Tkeile
der W urzel sammelt sich, ebenfalls wie es scheint nur freiwillig, das Gum-
miharz in Klumpen, Ammoniacum amygdaloides s. A. in massa an.
Yon einer Bearbeitung der Wurzel in ähnlicher Weise wie bei der Ge-
winnung des Stinkasants ist nichts bekannt ; vermuthlich würde sich eine
solche wegen der geringen Grösse hier nicht lohnen. Das Ammoniak
scheint in der Gegend von Jezdechast gesammelt zu werden, nach British
Pharmacop. auch im Pandschab1), nach Borszczow nur in Persien.
Die etwas durchscheinenden Körner des Ammoniaks sind von weisser,
aussen bräunlicher, niemals röthlicher oder grünlicher Farbe, wachsglän-
zend und wenigstens in der Kälte spröde und lose oder etwas zusammen-
geklebt. Schon zwischen den Fingern lassen sie sich erweichen und durch
Wasser leicht zur Emulsion anreiben. Der Geruch des Ammoniaks ist
eigenthiimlich, bei weitem nicht so unangenehm wie der des Asants, der
Geschmack bitter und etwas scharf, widerlich aromatisch. Frisch soll das
Gummiharz süsslich riechen 2). Grössere weissliche Körner oder Mandeln
finden sich mit kleineren durch eine oft sehr zurücktretende gleiche Grund-
masse zu den äusserlich etwas braunen Klumpen oder Kuchen der zweiten
Sorte dicht verbunden. Stengelreste, Früchte von Dorema und fremdartige
Pflanzenreste pflegen durchschnittlich in nur geringer Menge beigemischt
zu sein. Die Blätter der Pflanze dienen frisch als Schaffutter.
Das Ammoniak ist ein Gemenge von ätherischem Oele mit Harz und
Gummi in wechselnden Yerhältnissen. Die grössere oder geringere Weich-
heit der Waare ist, wie bei allen ähnlichen Gemischen, zum Theil auch
durch Wassergehalt bedingt.
Das ätherische Oel bis etwa 4 pC. betragend, ist farblos und frei von
Schwefel , jedoch ebenso wenig näher untersucht als das Gummi und Harz,
welches letztere gewöhnlich ungefähr 70 pC. der Waare ausmacht.
Im Gegensätze zu den meisten anderen Umbelliferen liefert das (gerei-
nigte) Harz des Ammoniaks nach Sommer kein Umbelliferou . hingegen
in der S. 27 erwähnten Weise etwas Resorcin.
Die Geschichte des Ammoniaks ist eben so wenig sicher herzustellen
wie die der Asa foetida, da in keiner Weise ermittelt, überhaupt gar nicht
wahrscheinlich ist, dass das Amoniakon des Dioskorides aus der Oase
Siwah (westsüdwestlich von Cairo), wo im Alterthum Jupiter A m m o n verehrt
wurde, mit dem Produkte von Dorema Ammoniacum identificirt werden
1) Bei Bumiau westlich von Kabul nach Percira’s Manual of mnt. mcd. Ausgabe von
F arre (Lond. 1865).
2) weshalb bei den Kirgisen die Stammpflanze Bal-Kurai, Honigrohr, heisst. In Persien
Oscliak oder Weschak.
Olibanum.
31
darf. Dieses letztere ist bis jetzt wenigstens nicht in Afrika aufgefunden,
sondern wahrscheinlich auf die erwähnten iranisch-turanischen Steppen
beschränkt. Hier wurde es erst durch Wright bei Jezdechast entdeckt
und von Don 1829 beschrieben.
Andere später in Persien beobachtete Dorema-Arten scheinen weniger
verbreitet zu sein und kein Gummiharz in den Handel zu liefern. So z. B.
D. glabrum Fischer & Meyer und D. A.ucheri Boissier, welche mehr im
Westen einheimisch sind, auch noch in Armenien, wo D. Ammoniacum
ganz fehlt. D. paniculatum Karelin & Kirilow in der Dsungarei hält
B orszczow für nicht verschieden von dem letzteren.
Olibanum.
Gummi -resina Olibanum. Thus. Weihrauch. Encens. Incence.
1. Boswellia papyrifera Hochstetter. — Burseraceae.
Syn, Amyris papyrifera Delile
Ploesslea floribunda Endlicher
Boswellia floribunda Royle.
2. Boswellia sacra nov. spec.
Boswellia papyrifera gehört dem Nordosten Afrikas an und ist schon
seit Her odot nachgewiesen längs der Somaliküste vom Cap Guardafui an bis
in einigen Abstand von Berbera und durch das Flussgebiet des Blauen Nils
(Fatsokl) mit Mimosen ganze Wälder bildend bis Kordofan. Bei Chartum
und weiter abwärts scheint der Baum zu fehlen.
Ein zweiter Weihrauchbaum, der hier als Boswellia sacra einge-
führt werden möge, findet sich in ungeheurer Menge in dem uralten Weih-
rauchlande, einem beschränkten Saume (Sahil arabisch) der mittleren Süd-
ostküste Arabiens, heutzutage meist Mahrah , in der Bibel Scheba genannt.
Dieser schmale, durch Fruchtbarkeit höchst ausgezeichnete Landstrich
zwischen Cap (Ras) Nus und Cap Schedscher (Seger, Sajar, Schär, Dsched-
scher) erhebt sich gegen das Innere allmälig zu vegetationsreichen Hügeln
und steigt endlich durch ein nur von Weihrauchbäumen bestandenes sonst
kahles bis 5000 Fuss hohes Kalkgebirge (Nedschdi) zu der grossen centralen
Wüste Arabiens hinan. Morbat, al Ahmar, Thafar1) und weiterhin Dunkot
sind als Hauptplätze dieser Weihrauchproduktion zu bezeichnen und bis in
das höchste Alterthum zu verfolgen.
Durch Russegger, Hochstetter, Schimper und Yaughan ist
Ohwe la papyrifeia. hinreichend bekannt geworden, da der massenhaft
au re en e aum sich höchst phantastisch und eigentümlich darstellt.
9nV rUfen onanUSdickeU’ °ben etwa nur 1 Fuss starken und höchstens
nss o en Stamme streckt er lange ruthenförmige Zweige aus, welche
0 Dhofar auf der englischen Admiralitätskarte, Sephftr oder Zafar im Alterthum.
32
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
im December blühen und im April reife Früchte, aber wenig zahlreiche
Blätter nur vom Juni bis October tragen. Vom Stamme lässt sich die
braune, geöltem Papier ähnliche Aussenrinde in äusserst dünnen festen
Blättern leicht abziehen.
Nach einer Vermuthung Henkel ’s1) wäre der Weihrauchbaum von
der Somaliküste nicht identisch mit B. papyrifera. Hanbury besitzt, zu-
folge gütiger Privatmittheilung (Juni 1864), von dort drei verschiedene
Boswellia- Arten, wovon eine den unten zu erwähnenden Matti- Weihrauch
liefert.
Von Boswellia sacra liegt nur eine dürftige Abbildung und Beschrei-
bung 2 3) Carter s vor, welcher bei Gelegenheit der englischen Küstenauf-
nahme den Baum Ende Mai 1846 mit Blättern, Bliithen und Früch-
ten bei Rakheote an dem oben genannten Cap Schedscher traf. Die Ge-
stalt der unpaarigen, etwas krausen ") stumpf eiförmigen Fiederblättchen,
7 bis 1 3 an der Zahl, scheint mir offenbar von denen der B. papyrifera,
welche entschieden lanzettlich und viel länger sind, abzuweichen. Vielleicht
ist auch der Bliithenstand der B. sacra einfacher und die bimförmige Frucht
von halber Grösse einer Olive, mehr gedrungen. Das gleichzeitige Vorkom-
men von Blättern, Blüthen und Früchten dürfte auch sehr ins Gewicht fallen.
In der uralten Cultur der Länder zwischen dem persischen Busen, dem
rothen und mittelländischen Meere mit Einschluss Aegyptens war Weih-
rauch das am allgemeinsten und frühesten gebrauchte Genussmittel aus der
Klasse des Rauchwerkes.
W ährend im hohen Alterthum der Weihrauch aus Mahrah durch Kameel-
karavanen, deren Richtung Sprenger4) festgestellt hat, ganz zu Lande
nach den phönikisch-hebräischen Gegenden, besonders nach Gaza, bezogen
wurde und später, vermischt mit dem ostafrikanischen Produkte, seinen Weg
durch das Rothe Meer über Suez nach dem Abendlande nahm , schlägt er
jetzt, wie auch die Myrrhe, durch ausschliessliche Vermittelung der Englän-
der fast immer den Weg über Bombay ein. Die afrikanische Waare wird
zum Theil aus Berbera und Zeila erst uach Aden oder Makalla geschafft.
Die Somaliküste liefert jetzt jährlich nur für ungefähr 300,000 Francs Weih-
rauch nordwestwärts durch das Rothe Meer über Dschidda5).
Der meiste Weihrauch stammt heutzutage nach Hanbury ’s Ermitte-
lungen von der Somaliküste und gelangt über Indien nach Europa. Daher
wurde hier seit der Festsetzung dieser Bezugsrichtung von einem indi-
1) Tn Büchner s Repertor. XIII. 10. (1864). — Vcrgl. auch Vaughan in Cannstatt’ s
(Wiggers) Jahresbericht 1852. S. 83.
2) Die Abbildung genau wiedergegeben in der Schweiz. Wochenschrift für Pharm. 18G4.
No. 20. — Auch Wittsteins Vierteljahrsschrift XIII., S. 526, doch ohne die Abbildung.
3) Als kraus, kurz und breit hatte auch Cruttendcn (1837) schon die Blätter des bei
Dhofar gefundenen Weihrauchbäumes bezeichnet.
4) Ausland 1866. S. 350.
■r’) v. Krem er, in dem bei Herba Cannabis angeführten Werke.
Olibanum.
33
sclien Weihrauch gesprochen, über dessen Herkunft sich dann ein völli-
ges Missverständnis einschlich, als Colebrooke 1809 bei Nagpur mitten
in Vorderindien die Boswellia serrata auffand. Diese vom Ganges-Gebiet
bis zur Coromandelküste verbreitete und den ächten Weihrauchbäumen nahe
verwandte Art gibt ebenfalls ein aromatisches Harz oder Gummiharz, das
in jenen Gegenden den Weihrauch ersetzt, aber niemals in grösserer Menge
in den europäischen Handel gelangt ist. Trotzdem wurde bis in die neueste
Zeit B. serrata als Quelle eines angeblich aus Indien nach Europa kom-
menden Weihrauches betrachtet.
In Folge von Einschnitten in den Stamm des Weihrauchbaumes fliesst
der milch weisse Q Saft sehr reichlich aus und wird nach dem Eintrocknen
theils als beste Sorte vom Baume selbst gesammelt, theils weniger rein vom
Boden aufgelesen. Hierauf sind wohl je nach der Auswahl die fünf Sorten
der somalisch -arabischen Waare hauptsächlich zurückzuführen, welche
Vaughan aufgezählt hat. Ob die von demselben hervorgehobeue Thatsache,
dass der arabische Weihrauch aus Malirah in Bombay am höchsten bezahlt
werde, in einer bedeutenderen Verschiedenheit des Produktes der B. sacra
ihren Grund habe, ist vorerst nicht ersichtlich.
. NtUh H a u b u ry ’s Beurtheiluug der von Vaughan erhaltenen Proben
ist wenigstens die eine, Luban-Matti genannt und von der Somaliküste stam-
mend, durch Citronengeruch2) sehr ausgezeichnet, worin eine Bestätigung
der Angabe hegt, dass Nordostafrika verschiedene Weihrauchbäume berge.
Darunter mag auch wohl B. sacra sein.
Die schönste Sorte des in unserm Handel vorkommenden Weihrauchs
bildet sehr unregelmässige lose, bis einige Centimeter grosse Körner oder
mehr m die Lange geflossene Stalaktiten, abwechselnd mit kleinen kuge-
ligen. bim- oder keulenförmigen oder traubenartigen Stücken. Oft sind sie
von ansehnlichen Spalten durchsetzt und tragen auch da und dort noch
anhangende Rinde oder Lappen des braunen Papierkorkes, der die Boswellia
auszeichnet. Nach Wigand3) gibt es auch dickwandiges, Harz ein-
schhessendes Rindengewebe, welches unverkennbare üebergänge in die
homogene Gummiharzmasse darbietet oder unregelmässig von letzterer
wUeiss 'U7m 1St -5S*“be des Weihrauches schwankt zwischen gelblich-
durchsrh C- J T 7haCrWeiSS‘ KklUere weuiS gefarbte Körner sind trübe
durchscheinend die Splitter ziemlich durchsichtig; grösseren fehlt auch
abgesehen von der weisslicken Bestäubung, die Dichtigkeit gl m
l hB T"*“”1 ',achs8'to"‘l- Geringere Sorten
In f ““umeiihängeiid und mitPflanzenresteu verunreinigt.
In Wasser zerfallt der Weihrauch hei nur wenig erhöhter Temperatur
»ad du d*L“ d*S B“chi'ch<l ,,b"”b «rabische lubin
3! fnChr h - T0111101 fttUd das 01ibanumül «ach Citronen riechend
3) In der bei Tragacantha erwähnten Abhandlung p. 146.
Vluckiger Pharmakognosie.
34
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
leicht und gibt eine neutrale trübe Flüssigkeit, worin das Mikroskop grosse
Oeltropfen zeigt. Schon im Munde wird er knetbar und schmeckt dabei
nicht uuaugeuehm aromatisch, kaum merklich bitterlich und schleimig.
Deutlicher tritt der angenehme Geruch beim Schmelzen des Weihrauches
auf, welches nur unter theilweiser Zersetzung vor sich geht. Das specifi-
sche Gewicht ist ungefähr 1,2.
Das Harz scheint durchschnittlich mehr als die Hälfte auszumachen.
Die weingeistige Lösung reagirt schwach sauer, trübt sich aber bleibend
mit Kalilauge. Das ätherische Oel, uach Eraconnot 8pC., nach Sten-
liouse 4pC. betragend und bei 162° C. kochend, ist vermuthlich grössten-
theils ein mit Terpenthiuöl isomerer Kohlenwasserstoff.
Das Gummi scheint zum Theil als Bassorin vorhanden zu sein. Beim
Verbrennen bleiben 3 pC. Asche zurück.
Mit Weingeist und Salzsäure oder Salpetersäure befeuchtet, zeigt der
Weihrauch keine auffallende Veränderung.
Myrrha.
Gummi- resina Myrrha. Myrrhe. Myrrhe. Myrrh.
Balsainodeudrou Ehrenbergianum Berg. — Burseraceae.
Diese unzweifelhaft, wenn auch vielleicht nicht ausschliesslich unsere
Myrrhe liefernde Art ist von E hrenberg 1825 im südarabischen Küsten-
striche (el Tehameh) am Rothen Meere, unweit Dschison (Gison. Dizon),
der Insel Farsau Kebir gegenüber, sowie auf den nahen Bergen Djara und
Kara aufgefunden worden.
Vor der Eh renberg’schen Reise (1820—1826) galt Balsamophloeos
KatafBerg, die frühere Amyris Kataf Forskol’s, als Stammpflanze, scheint
aber keine Myrrhe zu liefern.
Als Myrrhenpflanze hatte Nees von Ehrenberg eine ebenfalls durch
diesen in der arabischen Wüste gesammelte Art erhalten und in der be-
kannten Düsseldorfer Sammlung officineller Pflanzen (Tafel 357) als IJal-
samodendron Myrrha Nees abgebildet. Erst Berg hat (1862) den Nach-
weis geliefert, dass im Ehre nberg’schen Herbarium zwei ähnliche Arteu
vorhanden sind, wovon gerade die durch N ees beschriebene und abgebildete
nicht als Myrrhe liefernd bezeichnet ist. Die andere von Berg entdeckte,
in seiner Darstellung und Beschreibung officineller Gewächse vortrefflich
charakterisirte und nach Ehrenberg benannte Art hingegen trägt von des
letztem Hand eine Bemerkung1), welche zur Annahme berechtigt, dass in
derselben die wahre Stammpflanze der Myrrhe anzuerkennen ist.
Wenn neuerdings Hartmann2) sowie Schweinfurtli3) den ächten
1) „ex hinc simillima arbore ad Gison ipse Myrrliam effluentem legi.‘ (Berg.)
2) Reisen des Frhrn. v. Barnim.
3) Flora 1865. No. 81 p. 493 und Petermanu's Mittlieiluugen IX. S. 384.
Myrrha.
35
Myrrhenbauin auch in Abyssinien, letzterer Botaniker z. B. in den gramti-
schen und basaltischen Bischarin-Bergen unweit der Küste zwischen Suakin
und Cap Edineb (Elba oder Olba), gefunden haben wollen, so bezieht sich
dieses Vorkommen wohl auf Bahamodendron Güeademe Kuuth (Amyris
Opobalsamum Forskol), dessen Harzsaft der früher so hochberühmte Mekka-
Balsam ist. Bisher war diese Art nur aus Arabien bekannt1).
Balsamodendron Ehrenbergianum ist ein ästiges Bäumchen mit büsche-
ligen gedreiten und feinbehaarten ganzrandigen Blättern. B. Myrrha unter-
scheidet sich durch stachelige Zweige , kahle , ungestielte und gesägte
Blättchen.
Schweinfurth schildert seinen Myrrhenbaum zur Zeit des Blatt-
wechsels einer entlaubten Birke oder Trauerweide ähnlich, die duften-
den Ruthenzweige von köstlichem Harze strotzend, die zarte Rinde ab-
blätternd.
Nach Bergs Untersuchung lässt sich das Vorkommen der Balsam-
gänge, wenigstens in B. Ehrenbergianum völlig mit dem der entsprechenden
Gange m älteren Stämmen von Pistacia Lentiscus (vergl. bei Mastix) ver-
gleichen. Wie hier der Mastix, so scheint auch die Myrrhe nur dem Bast-
parenchym anzugehöreu.
Nach Ehreuberg fliesst die Myrrhe freiwillig als dicklicher blassgelber
Satt aus und nimmt erst beim Trocknen röthliche oder braune Färbung an.
Ub das Austreten des Gummiharzes irgendwo auch durch Einschnitte be-
iordert werde, ist nicht bekannt.
Aus dem westlichen Südarabien geht die Myrrhe grösstentheils über
Bombay nach Europa, nur ein sehr geringer Theil heutzutage noch über
Dschidda und Suez. Da nach Vaughan die Myrrhe auch auf der grossen
Messe zu Berbera an der Somali-Küste erscheint und von da nach dem
tie schon sT t* Weiter Dach Bombay) geht, so muss auch,
e schon Strabo und Dioskorides erwähnten, das gegenüberliegende
Nordostafrika gleichfalls etwas von dieser Droge liefern" obgleich uns
genaue16 Aufschlüsse von hier noch mehr als aus Arabien abgehen. Mög-
ÄhaSÄ16 PflaDZen dUe %rrhe “
Das Aussehen der MyiThe ist wenig gleichmässig. Sie bildet uimestaltete
löcherig MaS8' V{7v mehr als f-"StgroSse
bm™ tademX qrt , ' “ “ ’Wankt zwische" 8<™ich, röthlich und
oft wei Mer .ff entweder gleichförmig oder aussen dunkler, innen
BrU st fe TT u W6iSS Seflee^t oder geadert sind. Der
" l • ’ g mend’ eher klemkörnig als glatt und grossmuschelig- die
Splitter wenig durchscheinend. Wasser löst den grössten Theifzu ein r
ungefärbten Tropfen bestehenden Emulsion auf worin
ooter dem Mikroskop schön gelbe Körnchen des Harzes sichtbar werden
1} VergL Ubei' dieselbe Bor8 iü Zeitung XX. (1862) S. 153. 162.
8*
36
I. Pflanzenstoife ohne organische Structur.
Weingeist lässt eckige nicht krystalliuische Stückchen zurück und löst das
Harz. Hierbei kommen auch braune Stückchen der Borke des Myrrhen-
bäumchens zum Vorschein, welche nach Wigand einzelne Gewebspartieeu
in unverkennbarer Metamorphose darbieten, so dass auch hier die Ent-
stehung des balsamischen Gummiharzes auf einer Umbildung und Verflüs-
sigung der Zellwand beruht wie bei Tragantli. Ich finde im Parenchym nur
zahlreiche kleine Balsamgänge, welche ganz an die entsprechenden Gebilde
in den Wurzeln der Compositen oder Umbelliferen erinnern. Der Geruch
der Myrrhe ist eigenthümlich, schwach aromatisch und nicht unangenehm.
Sie schmeckt bitterlich und anhaltend kratzend. Beim Kauen klebt sie ver-
möge ihres bedeutenden Gehaltes an Gummi stark au den Zähnen. Das-
selbe beträgt in der That 40 bis 60 pC. der Droge, das Harz gegen die
Hälfte oder weniger. Das Gummi ist zum Theil durch Bleizuckerlösung
fällbar, also vom arabischen Gummi verschieden. Mit Weingeist und etwas
Salpetersäure oder Salzsäure befeuchtet nimmt das Harz langsam eine trüb
violette Färbung au, ähnlich, doch lauge nicht so schön wie das Galbauum-
Harz. Doch scheint nach vorläufiger Mittheilung vonHlasiwetz u. Barth
(1864) die Myrrhe beim Schmelzen mit Kali in der bei Galbanuin augedeu-
teten Art nicht Resorcin , sondern einen andern krystallisirbaren Körper zu
liefern. Das Harz ist zum Theil löslich in Alkalien, auch in Schwefelkohlen-
stoff. Nur die von letzterem gelöste Hälfte gibt die Reactiou mit Salpeter-
säure (Hager). In Chloroform und Weingeist löst sich das Harz ganz;
durch Eisenchlorid wird die letztere Lösung nur wenig dunkler gefärbt.
Die farbigen Reactionen mit Salzsäure und Salpetersäure kommen auch
dem ätherischen Oele zu, wovon die Myrrhe 2 bis bis 3 pC. liefert. Dieses
Myrrhol scheint nach Ruickoldt der Formel Glu H14 G zu entsprechen,
wonach es mit Thymol (vergl. bei Folia Thymi) und Carvol isomer wäre.
Die chemischen Eigenschaften des Myrrhols sind aber sehr abweichend.
Es zieht Sauerstoff an, wird dunkler, verdickt sich und enthält schliesslich
Ameisensäure. Daher gibt auch ältere Myrrhe ein saures Destillat.
Nach Gladstone (1863) zeigt das Myrrhenöl 1,018 spec. Gewicht
und eine ganz auffallende Linksdrehung der Rotatiousebeue (136°).
Beim Erwärmen der Myrrhe mit Kalilauge entwickelt sich Ammoniak.
Ob in der Myrrhe auch ein eigener Bitterstoff vorkömmt, ist noch zu
ermitteln. Zucker ist wenigstens iu irgend erheblicher Menge nicht uaeli-
zuweisen.
Die Myrrhe ist seit den ältesten Zeiten neben Weihrauch als Räucheruugs-
mittel und Medicament in Anwendung gewesen. Der Name scheint aus
dem Hebräischen zu stammen und findet sich schon im alten Testament.1)
Dunkel ist, was im ersten Jahrhundert nach Christus der berühmte Periplus
(Umschiffung) des Rothen Meeres über die hier Stakte genannte Myrrhe
1) Exodus XXX, 28. -- Hohelied V, 5 u. 13.
Lactucarinm.
37
berichtet und Doch unklarer die Beschreibung der acht Sorten Myrrhe,
welche Dioskorides gegeben.
Der Myrrhe beigemischt finden sich oft Stücke arabischen Gummis,
welche den Geruch und Geschmack der ersteren angenommen haben.
Als Bdellium bezeichnet man Stücke eines ebenfalls hier und da unter
der Myrrhe vorkommenden Gummiharzes, das dunkler ist, schärfer
bitter schmeckt als Myrrhe und sich von derselben bei aller Aehnlichkeit
doch leicht dadurch unterscheidet, dass weder die weingeistige Lösung
noch die Substanz selbst mit Salpetersäure oder Salzsäure die rothviolette
Farbe gibt. Auch tritt die als aus Afrika stammend bezeichnete Sorte des
Bdellium an Wasser nur etwa lOpC. ab, da das Gummi in der Form von
Bassorin vorhanden ist.
Man leitet das Bdellium ah von Balsamodendron africanum Arnott
(Heudelotia africana Guillemin u. Perrottet), welcher Strauch aber Sene-
gambien angehört, oder von B. Mu.kul Hooker, in Sindh (am untern Indus)
und dem benachbarten Balutschistau. Wie sich Bdellium aus so entlegenen
Ländern unserer Myrrhe beimischen könnte, ist aber schwer einzusehen.
Schon in der alten Welt spielte Bdella oder Bdellion aus Indien und
Gedrosia (Südpersien) eiue Rolle neben der Myrrhe. Seine Geschichte ist
noch dunkler als die der letztem.
Lactucarium. ,
Lactuca virosa L. — Compositae-Cichoriaceae.
Der Giftlattich ist an felsigen Stellen und in Hecken des westlichen und
südlichen Europas durch Frankreich bis nach dem südlichen England zu
Hause, doch bei weitem nicht allgemein verbreitet. In Deutschland ist sein
Vorkommen auf wenige Punkte des südlichen und mittleren Rheingebietes
beschränkt, in der Schweiz auf das Wallis und den südwestlichen Jura.
Dem Norden, auch schon Südsibirien, scheint der Giftlattich zu fehlen.
Die mannshohen einjährigen Stengel sind mit zahlreichen zerstreuten,
scharf gezähnten Blättern besetzt, welche der Pflanze auch dadurch ein
besonderes Aussehen verleihen, dass sie, vom Stengel fast wagerecht
abstehend, mit der breiten eiförmigen Fläche etwas um ihre Axe gedreht
sind und am Grand den Stengel mit tief herzförmiger Basis umfassen Die
zahlreichen kleinen gelben Blüthenköpfchen bilden eine sehr verzweigte
Rispe.
Alle grünen Theile der Pflanze, auch derBlüthenboden, sind von einem
Gefasststem durchzogen, welches bei der Verwundung, zumal während
der Bluthezeit, augenblicklich weisseu Milchsaft1) hervorquellen lässt. Der
anfangs derb markige, später hohle Stengel verdankt seine Festigkeit einem
zwar schmalen, aber völlig geschlossenen Kreise von etwa 30 kurz radialen
L Daher auch der Name der Pflanze: lac, die Milch.
38
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Holzbündeln. Vor jedem derselben steht eiu Cambialstrang, der durch Aus-
läufer mit den benachbarten verbunden ist und gewöhnlich auch ein Bast-
bündel enthält. Au der Gränze zwischen dieser Cambium- und Bastzone und der
Mittelrinde streicht das System der Milchsaftgefässe ’), auf dein Querschnitte
einen einfachen oder doppelten Kreis dünnwandiger Röhren darbietend,
dereu Höhlung dunkelbraune Klumpen des geronnenen Saftes zeigt. Auf
dem Längsschnitte erweisen sie sich in ganz ähnlicher Art verzweigt und
quer verbunden, wie die Milchsaftgefässe von Taraxacum. Die ansehnlich-
sten dieser Röhren, von 35 Mikromillimeter Durchmesser, entsprechen in
Lactuca ihrer Stellung nach ziemlich regelmässig den Gefässbnndeln. Von
dem weitmaschigen Markgewebe ist jeder der letzteren ebenfalls durch einen
Strang oder Bogen von Cambium abgegränzt, in dessen Peripherie sich ein-
zelne schwächere Milchgefässe auch vorfinden. Das System derselben ist
also ein doppeltes, einerseits dem Marke, anderseits der Rinde angehörig,
beide durch das saftfreie Holz geschieden. Die Milchsaftgefässe der Rinde
sind von nur 4 bis 6 Reihen nach aussen an Grösse rasch abnehmender Pa-
reuchymzellen der Mittelrinde und diese selbst von einer nicht sehr dick-
wandigen Oberhaut bedeckt, so dass leicht ersichtlich ist, wie der geringste
Schnitt oder Stich gerade die reichsten Milchsaftschläuche treffen kann.
An der Luft erhärten die Tropfen des Milchsaftes bald zu dunkel gelb-
braunen innen weisslicken Klümpchen, welche in grösserer Menge von kul-
tivirtem Giftlattich gesammelt, zu Kugeln von etwa 0,()4m Durchmesser ver-
einigt und vor dem völligen Trocknen in acht ungefähr gleiche Theile zer-
schnitten werden. In derartigen Kugelsegmenten, oder auch in weniger
regelmässigen, ziemlich harten zerreiblichen Stücken von graubrauner, nur
im Innern noch weisslicker Farbe pflegt das Lactucarium germanicum
im Handel vorzukommen.
Es besitzt in hohem Grade den eigenthümlicken narkotischen Geruch
der Pflanze und schmeckt äusserst bitter. Mit Ausnahme einzelner gelber
Harzklümpchen lassen sich im Lactucarium durch das Mikroskop besondere
Bestandtheile nicht unterscheiden ; im polarisirten Lichte verräth sich aber
die krystalliniscke Beschaffenheit der Masse durch die Doppelbrechung,
welche viele Tlieilchen darbieten. Es ist ein Gemenge sehr verschiedener
organischer Stoffe, denen sich bis zu 8 pC. (auf Trockensubstanz bezogen)
anorganische beigesellen, weshalb es auch von keinem Lösungsmittel voll-
ständig aufgenommen wird und in der Wärme nur erweicht, nicht schmilzt.
Unter Zusatz von Gummi kann es in Emulsion gebracht werden. Durch
Weingeist, Aether oder ätherische Gele lässt sich dem Lactucarium bis zur
Hälfte seines Gewichtes Lactuceriu oder Lactucon G16H2,i0 entziehen
und in schmelzbaren Krystallen erhalten. Dasselbe ist völlig indifferent und
seine chemischen Funktionen noch nicht erforscht. Weingeist nimmt ferner
1) sehr schön dargestellt in Haustein, die Milchsaftgefässe und verwandten Organe der
Rinde. Berlin 1864. S. 68. Taf. VIII. 1—5 und Taf. IX. 13—15.
Lactucarium.
39
etwa 0,3 pC. eines lcrystallisirbaren Bitterstoffes L a ctu c i n ö11 H1203 H-H* 2 0
auf; welcher, obwohl alkalisches Kupfertartrat reducirend, keine gepaarte
Zuckerverbindung ist. Beides gilt auch von der nach Ludwig eigen-
thümlichen ebenfalls krystallisirenden und bitter schmeckenden Lactuca-
säure. In geringer Menge findet sich endlich das, wie es scheint, aus
Lactucin entstandene amorphe Lactucopicrin 044Hl,4ö21, nach Kro-
mayer ebenfalls sehr bitter und in Wasser löslicli. Die Lactucasäure dürfte
ein Derivat des Lactucopicrins sein, vielleicht alle 3 Stoffe von Lactucerin
abstammen. Von den allgemeiner verbreiteten Stoffen enthält das Lactu-
carium auch Harz, gegen 7 pC. Eiweiss, Gummi, Oxalsäure, Citron- und
Aepfelsäure, Bernsteinsäure, Zucker, Mannit (2pC. nach Ludwig), Aspa-
ragin, dann Kali, Kalk- und Magnesiasalze der Salpetersäure und Phosphor-
säure. Die Asche beträgt bis 10 pC. Bei der Destillation mit Wasser geht
ein ätherisches Oel vom Gerüche des Lactucariums in sehr geringer Menge
über; es soll bisweilen Schwefel absetzen.
DemLactucin kömmt einTheil der schlafmachenden übrigens ungefähr-
lichen Wirkungen des Lactucariums zu, welche dasselbe sehr lange zu
behalten vermag. Das Lactucarium anylicuui in dunkleren unregel-
mässigen und spröderen, sonst dem deutschen Produkte gleichen Klumpen,
steht ümal höher im Preise, ohne dass entsprechende Unterschiede nach-
gewiesen wären.
Nicht nur Lactuca virosa, sondern auch die nahe verwandten Arten
L. Scariola L. und die durch Kultur vielleicht daraus hervorgegangene
L. satioa enthalten denselben bittern Saft, obwohl weniger reichlich. Das
englische Lactucarium soll ohne Unterschied aus der letzteren sowohl als
aus L. virosa gewonnen werden. Eine Kulturform ist auch vermuthlich die
bis 3 m hohe Lactuca altissima^) welche Au b er gier in Clermont-Ferrand
im Grossen baut und auf Lactucarium benutzt.
In Frankreich wird sonst Lactuca sativa bevorzugt und hauptsächlich
aus ihren Stengeln durch Pressen und Eindampfen des Saftes ein dunkel-
braunes hygroskopisches Extract gewonnen, das meist als Thridax,2)
auch Lactucarium cjallicum s. parisiense geht. Die Hauptmasse dieses
noch mehr gemengten Präparates besteht aus Gummi, Zucker und Salzen,
während die wirksamen Stoffe des Milchsaftes in relativ viel geringerer
Menge vorhanden sind. Eine Prüfung dieser Droge ist noch weit weniger
ausführbar, daher leicht Verfälschungen derselben Vorkommen. Ein Gehalt
von 20 pC. Traubenzucker, den Magnes-Lahens z. B. gefunden, dürfte
wohl kaum ursprünglich vorhanden sein.
Samen und Saft des Giftlattichs wurden schon von den Alten gebraucht
und letzterer bereits mit dem Opium verglichen. In allgemeinere Anwen-
dung kam das Lactucarium jedoch, wenigstens in Deutschland, erst im
vorigen Jahrhundert.
D angeblich aus dem Caucasus stammend.
2) Der griechische Name der Pflanze schon im III. Jahrh. v. Chr. bei Theophrast.
40
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Opium.
Laudamm). Meconium.
Unter den bei Fructus Papaveris genannten Gegenden der Mohncultur
kömmt in rein pbrarmakognostischer Hinsicht nur Kleinasien in Betracht, indem
gegenwärtig die Pliarmacopöen das dortige, am gewöhnlichsten in Smyrna
oder Konstantinopel verschiffte Opium allein vorschreiben.
Die Opi um -Bereitung findet durch ganz Kleinasien, besonders in den
höher gelegenen Landstrichen, meist durch kleine Bauern statt, da die Pflanze
eine sehr sorgfältige Pflege und reichlich gedüngten Boden bedarf. Die
Aussaat geschieht nach den Herbstregen bis zum November. Frühjahrs-
fröste, anhaltend regenloser Sommer, auch die Heuschrecken können ganze
Felder vernichten.
Dei kleinasiatische Mohn entspricht der Varietät oc) Papaver nic/rum
DC.;1) seine fast ganz kugeligen Früchte werden nicht grösser als anderswo.
Man verwundet sie wenige Tage nach dem Abfallen der Blumenblätter
mittelst eines Messers so, dass das Fruchtgehäuse nicht ganz durchschnitten
wird. Das Messer wird zu diesem Zwecke bis auf die Spitze mit Bindfaden
umwickelt und nur in der unteren Hälfte der Kapsel mehrmals rund um
dieselbe herumgeführt, jede Frucht aber nur einmal angeschnitten. Ein
einziger oder ein paar ringsuralaufende Schnitte genügen vollkommen.
Längsschnitte, so wie überhaupt mehrmalige Behandlung der gleichen
Frucht lohnt sich nicht, wie Bourlier als Augenzeuge (1858) berichtet.
Werden die Schnitte des Nachmittags gemacht, so kann der Saft schon am
folgenden Morgen abgeschabt und auf Blätter gestrichen werden. Er fällt
am reinsten in windstillen, trockenen Nächten aus. Nach dieser Behandlung
der Früchte reifen sie immer noch ihre Samen, welche jedoch zur Aussaat
nicht brauchbar sein sollen. Schliesslich dient das Kraut als Viehfutter.
Eine Kapsel vermag ungefähr 2 Centigr. Opium zu liefern.
Die mit Hülfe hölzerner Keulen zu kleinen Broten vereinigten Klümpchen
(Thränen) des etwas erhärteten und an der Luft getrockneten Mohnsaftes
werden in Blätter der gleichen Pflanze geschlagen, in kleine baumwollene
Säcke verpackt und versiegelt. Maulthiere bringen je zwei mit diesen Säcken
gefüllte Körbe nach Smyrna oder im Norden an Küstenplätze desMarmara-
Meeres oder des Schwarzen Meeres. In Smyrna und Konstantinopel erst
scheint hauptsächlich die Verfälschung des Opiums, vorzüglich durch Zusatz
geringer Traganth- oder Gummisorten vorgenommeu zu werden und eben so
die Verpackung mit Rumex-Früchten. Das erstere setzt eine nachträgliche
') Nach Guibonrt (Journ. de Pharm. 41. p. 7) gehört aller Mohn Kleinasieus, Aegyptcus,
Persiens und Indiens im Gegenthcil der Var. ß) album au. Maltass (1853) gibt dem klein-
asiatischen Mohn ganz, bestimmt fast ganz runde, nur wenig längliche Früchte und weisse
oder purpurne Blumen, so wie schwarze, gelbe, braune oder — weisse Samen.
Opium.
41
Umformung der Brote voraus, wobei also auch neue Mohnblätter zur Haud
sein müssten.
Nach einigen Angaben soll auch schon von den Producenten selbst das
Opium mit Traubensaft und Mehl verfälscht werden, was aber schwerlich in
grösserem Umfange möglich ist, da z. B. nach Maltass (1854) in Smyrna
die Waare von öffentlichen Opmm-Kennern einer im Ganzen sehr richtigen
Prüfung unterzogen wird, bevor man definitiv handelt. Dem zu uns gelan-
genden Opium pflegt auch Stärke zu fehlen.
Afjun (Opium) — Kara (schwarz) — Hissar (Schloss) und Uschack im
alten Phrygieu, jetzt Kermian, so wie etwas südlich davon Isbarta und Bul-
dur1) liegen im Centrum der bedeutendsten Opium-Produktion: doch scheinen
in letzter Zeit der nördliche Theil Klein-Asiens, nämlich die Gegenden von
Amasia und Angora (Engurieh), so wie der äusserste Nordwesten, Haupt-
sitze dieser Kultur zu werden und erzeugen bereits (1 864) jährlich bis etwa
400,000 Kilogr. Namentlich zeichnet sich seit kurzem besonders Geiwa
(Geive, Gueve) am Unterlaufe des ins Schwarze Meer mündenden Sa-
karia (Saugarius) aus und liefert eine ganz vorzügliche Sorte über Iskimid
(Nikomedia) am Marmara-Meer nach Konstantinopel. Ebenso Lidscha in
der Nähe von Geiwa. Die Ausfuhr Smyrna’s beträgt durchschnittlich eben-
falls über 400,000 Kilogr. und wurde z. B. 1858 auf ungefähr 6 Millionen
Francs gewerthet. In der unmittelbaren Nähe Smyrna’s wird so gut wie
kein Opium erzeugt.
Das klein asiatische oder Smyrnaische Opium, von welchem ein be-
sonderes konstantinopolitanisches durchaus nicht zu unterscheiden ist, bildet
runde mehr oder weniger abgeplattete oder etwas kantige ungleiche Kuchen
von ungefähr 300 bis 700 Gramm Gewicht. Die Mohnblätter, welche be-
sonders die kleineren sorgfältiger bereiteten Brote umhüllen , sind gewöhn-
lich mit lose haftenden Ampferfrüchten (Rumex) bestreut. Wo die Hülle
abgescheuert ist, erscheint die braune Farbe des Opiums, welches sich be-
sonders im Innern grösserer Brote sehr häufig noch feucht und kleberig
zeigt. Völlig ausgetrocknete Brote hingegen springen unter dem Hammer.
Aut dem grobkörnig unregelmässigen Bruche sind Andeutungen von Schich-
tung gewöhnlich nicht zu verkennen und da und dort treten aus der porösen
übrigens gleichartigen Masse einzelne etwas hellere fast durchscheinende
Körner oder Linsen, sogenannte Thränen, heraus.
I rem de Körper sind in guter Waare nicht ohne weiteres sichtbar; das
Miluoskop dagegen zeigt unmittelbar die nicht eben sehr charakteristischen
kleinen Bruchstücke der Mohnkapsel, welche nach der bei Fructus Papa-
veris gegebenen Beschreibung unschwer kenntlich siud, wenn man etwas
trockenes Opium abschabt und unter Benzol betrachtet. Meist erweisen
sich diese Stückchen als ausschliesslich der Fruchtoberhaut angehörig, so
dass sie wohl nicht von absichtlicher Beimengung herrühren.
t) schon bei Tragacantha (S. 8) genannt.
42
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Nach W iggers1) wird in der europäischen Türkei ein schlechtes Opium
in Salonik (Makedonien) dargestellt, unter türkischem Opium wird jedoch
das klein asiatische verstanden.
\on jeher wird auch ein ägyptisches Opium aufgeführt, wie denn
früher das Opium überhaupt mit Bezug auf die oberägyptische Stadt
Theben (unweit des heutigen Karnak und Luksor) als Opium thebaicum
bezeichnet zu werden pflegte.
Der Ruf des ägyptischen Opiums datirt aus dem späteren Alterthum
oder aus dem Mittelalter; wenigstens war es den alten Einwohnern des Lan-
des nach Unger unbekannt.
Gegenwärtig findet sich im Handel noch bisweilen ein ägyptisches
Opium in sehr harten, ziemlich flachen und ungefähr 0,05 bis 0,10 ra im
Durchmesser erreichenden Kuchen, bis etwa 170 Gramm schwer, welche
in eiu dünnes fein geadertes Blatt von lebhaft grüner Farbe gewickelt sind.
Dasselbe mag wohl, wie Allen und auch Bentley vermuthet, von Plata-
nus orientalis stammen. Auf dem Bruche erscheinen solche Brote klein-
porig, dunkel leberfarbig, stellenweise durch eingesprengte Quarzsplitterchen,
auch durch Gummi, glänzend. Da und dort komraeu auch rothgelbe Pünkt-
chen (Harz?) vor. Das Mikroskop zeigt in den mir vorliegenden Broten
zahlreiche Stärkekörner. Diese fehlen einer anderen, angeblich ebenfalls
ägyptischen Sorte in grösseren Broten, welche ich von Merck erhalten
habe. Sie siud in Mohublätter gehüllt, aber nicht mit Ampferfrüchten be-
streut, auf dem Bruche matter als gutes Opium aus Smyrna. Der Morpliin-
gehalt beträgt G pC.
Wie von Krem er2) anführt, sind gegenwärtig in Ober-Aegypten bei
Esneh, Kenneh (Gegend der alten Thebais) Siut 10,000 Feddan3) Landes
mit Mohn bestellt, woraus im März Opium, im April Samen gewonnen wird.
Nach HartmaDn4) wird jedoch diese Kultur von der Regierung und nur
für den Bedarf des Sanitätsdienstes betrieben. Noch 1833 führte Aegypten
etwa 1 8,000 Kilogr. Opium aus, heut zu Tage aber so gut wie keines mehr.
Gastinel, Direktor des Versuchsgartens in Cairo und viceköniglicher Apo-
theken-Inspektor, hat (18G5) gezeigt, dass die Opium-Gewinnung in Aegyp-
ten ein recht gutes Produkt mit 10 bis 12 pC. Morphin liefern könnte, dass
aber an der schlechten Beschaffenheit desselben gegenwärtig die allzu reich-
liche Bewässerung der Pflanze und das zu frühe Anschneideu der Frucht
schuld ist, wodurch der Gehalt, ganz abgesehen von der üblichen Verfäl-
schung, auf 3 bis 4 pC. fällt.
Stafford Allen hat 1861 die Opiumbereitung etwa 400 Meilen (?)
oberhalb Cairo bei Gheuch (?) am Nil mit augesehen. Mau baut dort weiss-
blumigen Mohn, um dessen Kapsel ein zweimal ringsumlaufeuder Horizontal-
1) Jahresb. 1863. 43 u. 1864. 92.
2) in dem bei Herba Cannabis erwähnten Werke.
3) 5 Feddan=2 Hectaren.
4) naturgesckichtl. medicin. Skizze d. Nilländer. Berlin 1866. S. 358.
Opium.
43
schnitt geführt wird. Nach 4- bis ömaligem Abkratzen ist die Frucht
erschöpft. Die spärliche Ausbeute reicht kaum für den inländischen Be-
darf hin.
Auch von anderer Seite1) wird bestätigt, dass die Ausfuhr ägyptischen
Opiums aufgehört hat und die jetzt so genannte Sorte nichts anderes ist als
in Smyrna oder Konstantinopel hergerichtetes anderweitiges Produkt, welches
niemals mit Ampferfrüchten oder mit Samen bestreut ist.
Persien, vermuthlich die eigentliche Heimat des verderblichen Opium-
genusses, baut gegenwärtig Mohn vorzüglich in den mittleren Provinzen.
Yon Yezd und Ispahan ist die Ausfuhr von Opium nach Indien und auch
nach dem Abendlande nicht unbedeutend. Das stärkste Opium (Teriak in
Persien und Turkestan) liefert die Gegend von Disful und Schuschter öst-
lich vom unteren Tigris; auch dasjenige aus Sari und Barfurusch, Proviuz
Masenderän am Caspi-See, ist sehr gut, wogegen in Kaschan Stärke zu-
gesetzt wird2). Sehr viel Opium scheint ferner in Turkestan um Chokand
erzeugt zu werden.
Das persische Opium gelangt auch, ungefähr seit 1856 häufiger, wie-
wohl wenig regelmässig, vermuthlich über Trapezunt nach Konstantinopel,
wo es nach Merck3) in die gewöhnliche Form des kleiuasiatischen Opiums
umgearbeitet, aber mit Zusätzen versehen wird. Unverändert soll es von
hier zum Theil auch nach China gehen. In einer Probe solchen vermuthlich
umgearbeiteten persischen Opiums in Kugelform ohne alle Hülle finde ich
etwas Arnylum.
In ursprünglicher Form gelangt persisches Opium nach Merck nur
ganz ausnahmsweise auf andere Plätze. Es bildet entweder 0, 1 5m lange,
gegen 0,010'” dicke Stängelchen oder oft sehr weiche etwa 0,03 m grosse
Kugeln, in weisses oder auf der Aussenseite rothes Papier eingewickelt,
welches bei den Cylindern in der Mitte durch Baumwollgarn festgehalten
wird. Auf dem rothen Papier finden sich oft chinesische (nicht persische)
Charaktere in Golddruck.
Dieses persische Produkt in Stangen und Kugeln ist von reiner Leber-
farbe, vollkommen homogen, an der Luft rasch erweichend und fast zer-
fliessend. Unter dem Mikroskop zeigt es sich ausgezeichnet krystallinisch
und so weit meine Proben reichen, frei von Stärke, überhaupt ohne auffal-
lende Beimengungen. Dieselben sollen meist in Aprikosensaft bestehen,
indessen durchaus nicht immer in betrügerischer Absicht gemacht werden.
So gab schon Kämpfer (1712) an, dass eiu eigenes Präparat aus Opium
und Honig, gewürzt mit Cardarnomen, Macis, Muskatnuss und Zimint,
üblich sei. In weichen Laiben persischen Opiums fand Re veil (1860) ein-
mal 31,6 pG. Traubenzucker; er hält es für wahrscheinlich, dass man in
Persien oft auch Brot in den Mohnsaft knete.
!) Wiggers, Jahresb. 1864. 91.
2) Polak, in dem S. 17 citirten Werke II. 248.
3) briefliche Angabe 1863.
44
I. Pflanzenstoffe ohne organische Strnctur.
Auch Kandahar in Afghanistan scheint etwas Opium auszuführen. Ein
arabisches Opium gibt es nicht mehr; es wird in Arabien im Gegen-
theil welches aus Indien eingeführt.
Tu Algerien ist schon seit 1828 auf die Anregung des Generals La-
marque zum Theil ganz vortreffliches Opium aus weissblühendem und
weissamigem Mohn gewonnen worden, aber immerhin noch nicht in einer
zur Ausfuhr genügenden Menge.
In neuester Zeit (1865) traf Gerhard Rohlfs1) auch in der nördlichen
Sahara, in der Oase Tuat, starke Opiumkultur.
Durch vielfache Versuche in Griechenland, Italien, Frankreich, in der
Schweiz, in Deutschland, England, selbst in Schweden ist hinlänglich er-
wiesen, dass auch in diesen Ländern ein nicht minder gutes, ja sehr oft ein
gehaltreicheres Opium erzielt werden kann als im Orient.
Am meisten hat man sich in den verschiedensten Gegenden Frankreichs
vom Departement des Landes an bis zum Kanal mit Opiumgewinnung be-
fasst, wozu schon 1553 Pierre Belon nach seiner Heimkehr aus Klein-
asien geratheu hatte. Trotzdem dass Guibourt2) dieses Geschäft aufs
wärmste empfohlen und sogar in einem Opium aus dem Norden (Puche-
villers, Departement de la Somme) den höchsten bis jetzt irgend beobach-
teten Morphingehalt (22,88 pC., auf getrocknete Substanz bezogen) nach-
gewiesen hat, scheinen doch auch in Frankreich grössere Mengen noch
nicht dargestellt worden zu sein 3). Mit grosser Ausdauer jedoch betreibt
seit 1844 der schon S. 39 genannte Aubergier in Clermont die Opium-
gewinnung. Zu der Pariser Ausstellung 1855 lieferte derselbe ein Produkt
von beinahe 15 pC. Morphingehalt aus rothblühendem Mohn in kleinen
Kuchen von ungefähr 48 Gramm.
Obwohl das iu verschiedenen Ländern Afrikas und Europas gewonnene
Opium sich mit dem kleinasiatischen übereinstimmend zeigt, so wird eine
schwunghaftere Erzeugung desselben, wenigstens in Europa, vermuthlich
immer an der grösseren Höhe des Arbeitslohnes scheitern. ')
Für den Arzneibedarf Europas fallen diese Länder daher nicht in die
Wagschale und eben so wenig Ostindien, wo die allergrössten Mengen
Opium dargestellt werden, aber nicht einmal auf den englischen Markt ge-
langen. British Pharmacopoeia (1864) kennt nur kleinasiatisches.
Die Opiumproduktion Indiens ist gegenwärtig durch das ganze
mittlere Gangesgebiet, ungefähr von Murschidabad (genauer Hazaribagh)
bis Schahabad und Agra in Nord westen und Gorakpur im Norden verbrei-
tet, am ausgedehntesten iu den dicht bevölkerten ebenen Provinzen Behar
B Petermann, Geogr. Mitthlgn. 1805. 414.
2) Journ. de Pbarra. ct de Chim. 41. (1802) p. 184, 201.
3) Dass wirklich 1857 im genannten Departement für 1,900,000 Francs Opium gewonnen
worden, wie Journ. de Pharm, d Anvers XVI. 477 angibt, wird von Guibourt nicht crw&hnt.
4) gegentheilige Hoffnungen suchte ueulich wieder Odoph in Luaraeil (Dtipart. Hantc-
Saöne) zu begründen.
Opium.
45
(Bahar) und Benares. In zweiter Linie, und zwar in neuester Zeit mit
sehr bedeutender Zunahme steht das weite gebirgige Tafelland von Malwa,
besonders die Holkar-Länder am Nordabhange des Windhja. Schon im
XVI. Jahrhundert und wohl noch früher wurde in Malwa Opium gebaut und
1861 — 1862 überflügelte dieser Landstrich in Betreff der Quantität sogar
ganz Bengalen. Was ausserhalb dieser Bezirke, in der Präsidentschaft
Bombay, im Pandschab, in Radschputana (Mewar) und auf Ceylon noch ge-
wonnen wird, ist nicht von Belang.
Die wenigstens 1200 englische Quadratmeilen umfassenden Opium-
bezirke Bengalens sind von der englischen Verwaltung in die Agentschaften
Behar und Benares mit den Hauptfaktoreieu Patna und Ghazipur und zahl-
reichen Unterfaktoreien eingetheilt. Behar liefert dreimal so viel wie Be-
nares. In beiden Bezirken wird ausschliesslich die bei Fruct. Papaveris be-
zeichnete Varietät ß) des Mohns angebaut').
Wie iu Kleinasien ist auch in Indien ein gut gedüngter und bewässerter
Boden für das Gedeihen des Mohns unerlässlich und derselbe durch
Insekten, übermässigen Regen, Hagel oder gar durch die lästige Orobanche
indica oft bedroht. Iu Behar wird er Anfangs November gesäet und im Fe-
bruar oder März (März oder April iu Malwa) angeschnitten , wenn die Blu-
men abgefallen oder abgestreift sind, die Kapsel aber noch nicht reif ist.
Hierzu bedient man sich eines besonderen Instrumentes aus Eisenblech,
Naschtarl 2) genannt, das aus spatelförmigen, aber vorn tief gekerbten und
geschärften Klingen gebildet ist , welche man zu 3 , 4 oder seltener 5 pa-
rallel durch Bindfaden getrennt aufeinander bindet. Jede Kapsel wird nun
dreimal oder, wenn sie sehr gross ist, sogar bis sechsmal geritzt, indem
man jenes Lanzetteubündel an der herabgebogenen Frucht 4 bis 6 Mal senk-
recht von unten nach oben herauf führt. Doch scheint man in manchen
Bezirken Bengalens nur Querschnitte zu machen, wie in Klein-Asien. Be-
merkenswerth ist aber, dass dort die Kapsel nicht nur mit dem weit zweck-
massigeren Naschtar, sondern auch mehrmals angeschnitten wird. Damit
zusammenhängend wird der Durchschnittsertrag einer bengalischen Kapsel
weit höher, bis zu 8 Centigr., angegeben. Die Spitzen des Naschtar besitzen,
wie es scheint, nur eben die Länge, die zum Anschneiden des Frucht-
gehäuses erforderlich ist, aber das Durchschneiden nicht leicht zulässt.
Die Verwundung geschieht in den heissesten Nachmittagsstunden,
wo der ausfliessende anfangs weissliclie Milchsaft sich bald mit einem
dunkelen Häutchen überzieht, das den Verlust, nicht aber das Nach-
flicssen während der Nacht hindert. Am folgenden Morgen werden die
Thräueu mit einem von Zeit zu Zeit reichlich geölten kellenartigen Schabe-
eisen (Situah) gesammelt und von demselben auf flache irdene Schalen ge-
l Eatwell, Ann. d. Ch. u. Pli. 84. 389 - nach Royle „schwarzer“ Mohn (?)
) abgebildet im W i gge r s’schen Jahresberichte 1852. 63 und Annalen der Chem
Pharm. 84 S. 390—403. Naschtar heisst ein scharfes Messer, vorzüglich das Rasirmesser.
u.
46
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
strichen, dann öfter durchgearbeitet und endlich in die Faktoreien gebracht.
Hier formt man daraus in ziemlich umständlicher Weise') Kugeln von etwa
2 Kilogr. Schweie, indem man das Opium noch weich in eine schalen-
aitige Umhüllung drückt, die zuvor in einer messingenen Hohlkugel be-
reitet wird. Diese Schale erhält man vermittelst der Blumenblätter des
Mohns (poppy leaves), welche vor der Opiumernte abgestreift und durch
schwaches Erwärmen zu vielen miteinander verklebt werden. Die kleinen
so dargestellten Kuchen werden sortirt, je nachdem sie für die innere oder
äussere Wand der Schale oder für deren Masse besser passen. Ihre Festig-
keit verdanken sie einem Brei „Lewa“* 2), wozu man geringes Opium und
„Passewa“ sowie das Waschwasser der Opiumgefässe nimmt. Der benga-
lische Mohnsatt scheint nämlich flüssiger zu sein als der kleinasiatische;
in den flachen Gefässeu, welche den ersteren zunächst aufnehroen, sammelt
sich eine anfangs röthliche, daun tief dunkelbraune saure Flüssigkeit an,
welche Passewa3) heisst und sorgfältig zu dem angegebenen Zwecke ge-
sammelt wird, für die Neuerung, statt der Tabaksblätter Mohnblumen mit
Lewa zu verarbeiten, wurde f lemming von der Compagnie mit ungefähr
120,000 Francs belohnt.
Die fertigen Opiumkugeln (cakes) rollt man in poppy trash, zerkleinerten
Stengeln, Kapseln und Stengelblättern des Mohns und trocknet sie erst in
irdenen Sclmsselchen an Luft und Sonne, dann auf Hürden in eigenen
Trockenräumen. Tritt Gähruug ein, so werden die betreffenden Kugeln oder
Brote aufs Neue in Arbeit genommen. Im Juli ist die Opiumbereitung be-
endet, die Kugeln erfordern aber immer noch gute Aufsicht und werden erst
im Oktober zu je 40 mit poppy trash in Kisten mit ebenso vielen Fächern
verpackt. Die Schale wird zuletzt sehr hart. Mit grösserer Sorgfalt bereitet
man in Patna auch quadratische, uugefähr 1 Kilogr. wiegende und ganz ein-
fach in geöltes Papier gewickelte Kuchen, die nur für den inländischen Ge-
brauch dienen und reicher au Morphin zu sein scheinen. Malwa liefert auch
flache kreisrunde Laibe von vorzüglicher Güte.
Das indische Opium in Kugeln,” welche Form allein ausgeführt wird, ist
im Innern noch ziemlich weich, da die schliesslich sehr feste schaleuartige
Umhüllung , welche oft 1 Centimeter dick angebracht wird , die Masse vor
Verdunstung noch weit vollständiger schützt, als die kleinasiatische Ver-
packung. Der rohe Milchsaft, welcher mit einem Wassergehalte von minde-
stens 32 bis 36 pC. in die Manufakturen abgeliefert wird, gelangt daraus
immerhin noch mit einem Gehalte von durchschnittlich 25 bis 30 pC.4) in
0 sehr genau beschrieben von Eatwell, Ann. der Chem. u. Phann. 84. S. 385—409.
2) „Iewa = plttster that which is sprcad on the outside of a new put.“ Shakcspear,
diction. engl, and hindi. Das Wort bedeutet also wohl die letzte Lehmschicht, womit Töpfe
überzogen werden.
3) vielleicht zusammenhängend mit dem Hindi -Worte pasana= abschöpfen, abgiessen.
4) Diese Angabe dürfte denn doch viel zu hoch gegriffen sein. Guibourt wenigstens
fand im indischen Opium nur 8,5 bis lOpC. Wasser.
Opium.
47
den Handel. Die oft nicht unbeträchtliche Menge Leinöl, welche, wie oben
erwähnt, wenigstens in Malwa, beim Abkratzen des Opiums in dasselbe ge-
langt, trägt gleichfalls dazu bei, die fertige Waare im Innern weich zu er-
halten. Namentlich verräth sich, nach Wiggers, bei den in Bombay vor-
kommenden Sorten aus Malwa und dem Pandschab, ein bedeutender Oel-
gehalt schon beim Drücken auf Papier.
Iu Kugeln aus Patna fiude ich dagegen unter dem Mikroskop kein Oel.
Das indische Opium zeigt im allgemeinen das Aussehen und den Geruch
der kleinasiatischen Sorten.
In Malwa ist die Gewinnung des Opiums (1802) frei, aber indirekt durch
Ausfuhrbewilligungen beschränkt, iu Bengalen dagegen Monopol der Regie-
rung, früher der Compagnie. Die Licenzen, welche dazu ermächtigen, sind
au die Bedingung gekuiipft, den Ertrag nur an die Faktoreien der Regierung
zu verkaufen. Die früher durch Hindostau viel weiter verbreitete Opium-
cultur ist deshalb auch von der euglischeu Verwaltung seit 1797 auf Beliar
und Benares eingeschränkt worden ‘). Das von derselben bereitete Opium
wird endlich in Calcutta an die Grosshändler versteigert.
Nicht nur das sämmtliche in Indien erzeugte Opium , sondern auch eia
guter Theil des vorderasiatischen geht nach China. Ursrpünglich scheint
dasselbe diesem Lande durchaus fremd gewesen zu sein, wie denn auch der
chinesichen Sprache so gut wie dem Sanskrit ein eigener Ausdruck dafür
fehlt. Erstere bildete nach dem arabischen Afjun die Bezeichnung a-pien
oder o-fu-jung 2). Die chinesische Naturwissenschaft schildert auch das
Opium als Produkt ludiens und Persiens. Die Araber, welche seit Beginn
des IX. Jahrhunderts (vergl. die geschichtlichen Bemerkungen bei Cortex
Cinnamoni zeylauici) die Südkreise des chinesischen Reiches besuchten,
brachten schon frühe Opium dorthin. Später, wenigstens bis ins sechs-
zehute Jahrhundert nahmen die Chinesen selbst welches als Rückfracht auf
ihien Dschunken aus Indien mit3). Doch diente das Opium bis gegen das
XVII. Jahrhundert immer nur als Heilmittel gegen die Ruhr. Als es aber
im Westen begann die Rolle eines Genussmittels zu spielen, hob sich auch,
seit 1717, die bis dahin nur etwa jährlich 200 Kisten zu 140 Pfund betra-
gende Ausfuhr Indiens nach China. Die Portugiesen , welche beinahe
ausschliesslich diesen Geschäftszweig betrieben, setzten schon i. J 1717
und in den nächstfolgenden Jahren 1000 Kisten mit bedeutendem Gewinn
m Macao, dem damals allein zugänglichen Hafen Chinas, ab. Das oft
wiederholte Einfuhrverbot der chinesischen Regierung, welche das üebel
D Ritter, Asien IV. 2. 783.
. 2) °"S Zl,nachst folgende grösstentheils nach Neumann, Ostasiatische Geschichte vom
ersten chmes. Kriege bis zu den Verträgen in Peking. Lpzg. 1861. S. 8 und 318. - Die
Angaben der No vara stimmen mehrfach nicht ganz damit überein.
i- ASleD II1- 853 U' 781‘ — tn diesem letztem Bande, 2. Abthlg S 773
bis 800 findet sich eine vielseitige anregende Schilderung des Opiums überhaupt. °
48
!• Pflanzenstoffe ohne organische Struetur.
richtig erkannte '), hatte nur vermehrte Nachfrage und die Einrichtung des
Schmuggels zur Folge, was dann die Aufmerksamkeit der englisch-ostiu-
dischen Compagnie herausforderte und sie veraulasste, die Opium-Cultur
iu Bengalen an die Hand zu nehmen und 1773 zu monopolisiren. Ihr erster
Versuch der direkten Einfuhr in China mit einem kleinen Posten scheint
1773 stattgefunden zu haben1 2). 1 778 folgten schon 2800Kistenzu 140 Pfund,
welche jedoch nicht ganz Absatz fauden, 1829 über 5000, 1835 über
9600 Kisten und seit 1820 ausserdem noch jährlich über 4000 Kisten aus
Malwa.
Gegen Ende des XVIII. Jahrhunderts verbreitete sich die Unsitte des
„Opiumtrinkens“ wie die Pest von den Südprovinzen aus über das ganze
ungeheure Reich der Mitte und iu gleichem Masse die gewinnreiche Ausfuhr
des Giftes aus Indien. Von 1798 an, wo die Compagnie bereits 4170
Kisten an Mann brachte, gestaltete sich das Geschäft ganz regelmässig und
wie bekannt trotz aller Massregelu der chinesischen Regierung mit wissen-
der Zunahme, so dass die Gesammtmenge der bengalischen Lieferungen
nach China von 1798 bis 1855 auf 1,197,000 Kisten3) verauschlagt wird.
Im letzten Jahre erscheint Bombay mit 12500 Kisten, Malwa mit 16500,
Bengalen mit 29000, zusammen aus Indien 67000 Kisten4), nicht gerech-
net was ausserdem von Smyrna und Konstautiuopel nach China verschifft
wurde. Die j ährliche indische Ausfuhr nach China betrug zwischen 1852
und 1862 von 70000 bis 71000 Kisten im Verkaufswerthe von 153 Mill.
bis 275 Mill. Francs! Der jährliche Reingewinn belief sich 1858 auf
100 Mill. Francs. China bezahlte 1858 über 160 Mill. für Opium an den
englischen Handel, theils allerdings iu Seide und Thee. 1862 setzte die
iudische Regierung die Opium-Lieferungen aus Malwa (inclusive Bombay?)
auf 40000, diejenigen aus Bengalen auf 50000 Kisten jährlich fest.
Nicht nur dem auswärtigen Drucke der englischen Spekulation erlag
zuletzt die chinesische Regierung5), sondern sie konnte sogar den Anbau
des Mohns im eigenen Lande nicht hindern ; im Gegeutheil empfahlen (1853)
die revolutionären Taipings denselben aus volkswirtschaftlichen Gründen
öffentlich mit der Bemerkung, dass er heimlich bisher schon stark betrieben
1) ein merkwürdiger kaiserlicher Erlass vom Jahre 1801 (abgedruckt bei Reich. Nahrungs-
und Genussmittelkunde. Güttgn. 1860. II. 2. 273.) schildert dasselbe sehr wTarm.
2) So nach den Berichten der Novara, auders nach Ritter IV. 797.
3) ausser den Kisten von 40 Kugeln (Ballen) zu 2 Kilogr. scheinen auch wohl solche von
nur 80 Pfund vorzukommen, daher die Gewichtsberechuungen nicht immer richtig sind, die
in statistischen Angaben flguriren. Mau scheint bisweilen Kugeln und Pfunde verwechselt zu
haben, so z. B. Novara II. 114 u. 115, wo das übliche Gewicht der aus Bengalen nach Singa-
pore kommenden Kisten zu 40 Pfunden angegeben wird.
4) Ausland 1862, S. 839.
5) Erlass des chines. Kaisers vom Jahre 1840: „...ich kauu die Einfuhr des Giftes nicht
„hindern. . ., aber nichts wird mich bewegen, aus dem Laster und dem Elende meines Volkes
Gewinn zu ziehen.“ Novara II. 118. — Jetzt geschieht letzteres iu Form eines ansehnlichen
Eingangszolles.
Opium.
49
worden. Das in Jünnan im Süden, auch in den Provinzen der Südostküste so
wie am mittleren Kiang (Yangtsekiang) gewonnene chinesische Opium,
jetzt schon jährlich auf 20,000 bis 30,000 Kisten veranschlagt, hat bereits
die Aufmerksamkeit des indischen Finanzministeriums auf sich gezogen.
Doch wird es vorläufig amtlich für sehr gering erklärt '). Sogar im äusser-
sten Nordwesten des Reiches, am Iliflusse unweit der sibirischen Grenze
scheint Opium von Tartaren gebaut zu werden 2).
Die Chinesen bereiten daraus in ganz kunstgerechter Weise zum Theil
durch gelindes Rösten, nochmaliges Auflösen und Wiedereinkocheu ein
steifes Extract, Tschandu genannt. Diese Arbeit wird durch gut bezahlte
Leute mit sehr grosser Genauigkeit ausgeführt, um ja den kostbaren Roh-
stoff nicht zu gefährden. Sie gibt nur die Hälfte bis gegen drei Viertel
rauchbares Tschandu von gehöriger Zähigkeit. In Singapore wird es ge-
radezu mit Silber aufgewogen. Davon wird ein Stückchen von der Grösse
einer Erbse auf die eigenthümlich geformte Pfeife genommen und von Zeit
zu Zeit durch Annäherung an die Flamme eines Lämpchens die sehr man-
gelhafte Verbrennung unterhalten. Was halb verkohlt zurückbleibt, wird
unter dem Namen Tye oder Tiuco an weniger bemittelte Raucher verkauft,
und was auch hier noch der Verbrennung entgeht (Samscliing), geniesst
schliesslich die ärmste Klasse der Opiumfreunde. Wenige Gramme Tschandu
genügen zu einer starken Narkose.
Das ganze Verfahren beim Opiumrauchen, die Einrichtung der dazu
dienenden Anstalten (Papan Meras) und die Wirkungen des Genusses finden
sich in höchst geistreicher Weise geschildert von Cooke: The seven sisters
of sleep 3).
Im Rauche des Opiums hat Reveil Cyanammonium und Dech armes
(1861) Morphin nachgewiesen, was wohl begreiflich erscheint, wenn mau
bedenkt, dass sich das Alkoloid bei grosser Vorsicht auf kurze Entfernungen
siiblimiren lässt. Aber auch direkt in Pillenform oder als Latwerge
dient im Orient, sogar auch in Amerika, das Opium in ungeheurer Menge
als Berauschungsmittel.
Das Opium riecht eigenthümlich narkotisch und schmeckt rein und
scharf bitter, brennend, aber nicht kratzend. Das durchschnittliche speci-
fische Gewicht beträgt ungefähr 1,3. Ueber ein Drittel des Opiums besteht,
wie unten gezeigt ist, aus eigentlnimlichen Stoffen, welche in reinem Zu-
stande meist gut krystallisiren und zum Theil schon in der Droge selbst
sic in dieser Form vorfinden. Alle Opiumsorten erweisen sich in der
a jei etiac itung durch das Mikroskop mehr oder weniger krystal-
huisch, wenn man trockene Stückchen mit Benzol zerreibt. In Betreff der
2 A"S,a"d 18®2, S‘ 889‘ — Nach c°ol<c (S. 161) ist cs keineswegs so gering
Pet^rZ fr o f,°rt °piUmfel(,0r auf der Karte des Iligebietes in
1 etermanns Geogr. Mittheiluugen 1866, Heft Ili
3) London 1862 (?) S. 132—198.
Fleckiger , Pharmakognosie. .
50
I. Pflanzenstoffe oline organische Structur.
Formen zeigeu sich Verschiedenheiten; Nadeln und kurze ganz uuausgebil-
dete Kryställchen enthält das kleinasiatische Opium meist in nicht sehr
grosser Menge, während das indische und mehr noch das persische in Stan-
gen und Kugeln nicht nur durch und durch krystallinisch erscheinen, sondern
auch verschiedene Formen darbieten, welche sich bei Anwendung des Pola-
risationsmikroskops sehr schön ausnehmeu. In der persischen Sorte lasseu
sich neben Nadeln und Prismen auch rhombische oder vielleicht rectanguläre
Tafelu und wetzsteinartige Krystalle unterscheiden. Letztere gehören viel-
leicht der Meconsäure oder ihrem Morphinsalze an , die Tafeln dem Codein
oder Thebain, die Nadeln vielleicht dem Narcotin. Jedoch sind die Formen
zu wenig ausgebildet, um sichere Schlüsse zu gestatten; auch vermögen die
reinen Opium-Stoffe unter wenig veränderten Umständen sehr abweichende
Formen, die oft wenig charakteristisch sind, auzuuehmeu. Daran schei-
tert das Bestreben, durch Ausziehen des Opiums mit Wasser oder Wein-
geist und Eindampfen Krystalle zu gewinnen, welche sich mit den reinen
Stoffen vergleichen Hessen. Einen immerhin sehr interessanten derartigen
Versuch haben Deane und Brady1) gemacht.
Der Mohnsaft ist wie alle derartigen milchigen Flüssigkeiten ein Gemisch
sehr verschiedenartiger Stoffe, die allerdings hier in höchster Zahl uud Ab-
wechslung vereinigt sind. Wahrscheinlich beeinflussen auch äussere Bedin-
gungen die Zusammensetzung des Opiums in der Weise, dass einzelne
Bestaudtheile manchen Sorten fehlen oder in geringerer Menge darin vor-
handen sind.
Noch aUzu wenig erforscht sind diejenigen allgemeiner verbreite-
ten Stoffe, welche den grössten Theil des Opiums ausmachen. In erster
Linie, vom Wasser abgesehen, scheint darin ein bassoriuartiges Gummi
(Pektin?) vorzukommen, oft zugleich mit löslichem Gummi und Albumin.
Dass letzteres bisweilen vorherrsche, wie aus Analysen von Biltz (1829)
hervorgeheu würde, erheischt wohl noch Bestätigung. Die Gesammtlieit
dieser Körper (mit Einschluss unvermeidlicher Kapselstücke) dürfte durch-
schnittlich wohl die Hälfte des Opiums übersteigen. Gelöst findet sich neben
diesen Stoffen im Mohnsafte noch Zucker, wovon z. B. im französischen
Opium 6,5 bis 8 pC. Vorkommen und zwar, wie es scheint, immer Trauben-
zucker. Bei ausländischer Waare ist es freilich nicht ausgemacht, wie weit
derselbe als Zusatz zu betrachten ist. Die Salze der anorganischen Basen,
hauptsächlich des Kalkes, der Magnesia und des Kalis gehören theils all-
gemeiner verbreiteten, theils eigeuthümlichen Säuren an. Von ersteren sind
Phosphorsäure, Schwefelsäure und Salzsäure zu nennen. Gutes kleiuasiati-
sches Opium, bei 100° getrocknet, gibt an Asckenbestaudtheileu im Ganzen
1) Pharm. Jonrn. und Transact. VI. p. 234 u. VII. p. 183 (1864 — 1865) mit 4 schönen
Tafeln Abbildungen der Krystallauschüsse aus Extr. uud Tiuct. opii, so wie der reinen Stoffe
selbst. -- Wird der Saft des in unseru Gegenden gezogenen Mohns durch geringen Glycerin-
zusatz vor raschem Eintrockueu geschützt, so schiesseu dariu auch Krystalle au.
Opium.
51
8 pC. Bei weitem reicher daran sind die Mohnkapseln (vergl. bei Fructus
Papaveris). Auch der grösste Theil, wenn nicht die ganze Menge der orga-
nischen Salze ist in dem immer sauer reagireuden Safte gelöst.
Die wässerige Flüssigkeit hält in Emulsion einige ebenfalls noch nicht
genau genug gekannte Stoffe, welche mit Kautschuk, Harz, Wachs oder
Fett verglichen werden. Ihre Menge darf auf ungefähr 10 pC. angesetzt
werden. Sie bleiben mit Bassorin, Albumin, unlöslichen Erdsalzen im Rück-
stände, wenn das Opium mit Wasser behandelt wird. Ueber den Farbstoff
und eine äusserst kleine Menge eines pfefferartig riechenden flüchtigen Kör-
pers fehlen genügende Kenntnisse vollends. Fällt man den ersteren durch
Bleiessig aus dem wässrigen Opium-Auszuge , so färbt sich letzterer doch
wieder an der Luft. Stärkmehl fehlt dem Mohnsafte, ebenso die Gerbsäure.
Das Vorkommen dieser leicht nachweisbaren Stoffe gibt oft schon einen An-
halt zur Beurtheilung der Reinheit des käuflichen Opiums.
Der Wassergehalt desselben ist, wie aus der Bereituugsweise hervor-
geht, ein sehr wechselnder. Gutes kleinasiatisches Opium gibt bei 100°
leicht noch 9 bis 14 pC. ab, wenn es sich durch und durch ziemlich
tiocken anfühlt. Im Innern grösserer Laibe bleibt es lange weich und kann
bis 24 pC. Wasser zurückhalten. Trägt man diesem Umstande nicht Rech-
nung, so werden natürlich analytische Resultate nicht vergleichbar.
Da die wirksamen Stoffe, wenigstens das Morphin, sich durch Wasser
allein schon vollständig ausziehen lassen, so ist die Gewichtsbestimmung
ihrer Gesammtheit von praktischer Wichtigkeit. Dieses Extract beträgt
(auf 100 C. bezogen) bei gutem klein asiatischem Opium immer 55 bis
66 pC., meist über 60 pC.
Die eigentümlichen Bestandtheile des Opiums sind theils
indifferent, theils saurer oder basischer Natur.
Schon im XVII. und XVIII. Jahrhundert wurden derartige Stoffe be-
meikt und als Magisterium opii bezeichnet. Vergebens suchte Bucholz
1802 aus dem Extracte ein Salz durch Krystallisation zu gewinnen. Beim
ei dünnen des syrupdicken wässrigen Auszuges bemerkte dagegen 1803
eiosne, Apotheker in Paris, Krystalle (das nachmalige Narkotin), die
er rem darstellte und den gleichen Körper glaubte er auch durch Fällung der
Mutterlauge mit Alkali zu erhalten (Morphin). Einem nicht wieder abzu-
sc eideuden Gehalte an letzterem schrieb er es zu , dass dieses nach der
zweiten Methode dargestellte .Opiumsalz“ Veilchensyrup grün färbte. Und
doch gelang es ihm nicht, dem zuerst erhaltenen durch Fällung aus saurer
Losung ebenfalls dieselbe Wirkung auf Pflanzenfarbstoff zu ertheilen. Das
auf die eine oder andere Weise dargestellte Opiumsalz fand Der osne von
gleicher physiologischer Wirkung, wie grössere Mengen Opium.
o scharfsinnig auch diese Beobachtungen waren, so blieb doch dem
potheker Sertürner zu Eimbeck (gestorben 1841 zu Hameln in Han-
mirjen O Deut^ng1V0JehalteQ- ^hon seit 1805 hatte er sich ebenfalls
dem Opium beschäftigt, und fasste nun 1816 (December) seine Erfah-
52
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
rungeu in dem Satze zusammen1) dass er die Wissenschaft bereichert habe
„nicht nur mit der Kenntniss einer merkwürdigen neuen Pflanzensäure
(Meconsäure — bereits 1806 von ihm bekannt gemacht als Opiumsäure),
„sondern auch mit der Entdeckung einer neuen alkalischen salzfähigeu
„Grundlage, dem Morphium, einer der sonderbarsten Substanzen, welche
„sich dem Ammoniak zunächst anzuschliessen scheint.“ Mit aller
Bestimmtheit erkannte Sertürner demnach die basische Natur und die
organische Zusammensetzung des Morphins und stellte eine Reihe seiner
krystallisirten Salze dar. Auch die Giftigkeit des Körpers setzte er durch
Versuche an sich selbst und an Anderen ausser Zweifel. Endlich wies Ser-
türner auch, wiewohl zunächst ungenau2), den Unterschied zwischen seinem
Morphin und dem sogenannten Opiumsalze (Narcotin) von Derosne nach.
Es ist möglich, dass letzterer gleichzeitig mit Sertürner oder noch früher
Morphin in Händen gehabt hat und das Gleiche wurde auch später für Se-
guin in Anspruch genommen, welcher merkwürdigerweise eine Unter-
suchung des Opiums von 1804 erst 1 8 1 4 3) veröffentlichte.
Unbestrittenes Eigenthum Sertürner’s ist aber die höchst folgenreiche
Erkenntniss alkalischer Körper im Pflauzenreiclie. Das Morphin eröffnete
die unabsehbare Reihe der Alkaloide und das Opium selbst ist dadurch eine
reiche, immer noch nicht erschöpfte Fundgrube interessanter Stoffe geworden.
Die Reaktion des Morphins auf Pflanzenfarben und die Eigeutkümlich-
keit (des Hydrats), in kurzen Säulen (des zweigliedrigen Systems) zu kry-
stallisiren, hob schon Sertürner hervor. Seine Lösungen in Säuren und
Alkalien zeigen Molecularrotation nach links. Das Alkaloid gehört zu den
Aminbasen, indem sich darin Wasserstoff durch Alcoholradicale ersetzen
lässt.
Während das Morphin im Opium an Meconsäure gebunden ist und sich
deshalb leicht in Wasser löst, ist das Narcotin (oder Opi an) in freiem
Zustande vorhanden und kann leicht durch kochenden Weingeist, durch
Aether, Chloroform und ätherische Oele ausgezogen werden. Es löst sich
in 20 Th. des ersteren, in 40 kochendem Aether, in 3 Chloroform. Bei
seinen zweifelhaften oder doch schwach alkalischen Eigenschaften, die sich
z. B. auf Pflanzenfarben gar nicht äussern, vermag selbst die freie Säure
des Opiums das Narcotin nicht zu lösen. Seine meist amorphen, sauer
reagirenden bitteren Salze sind leicht zersetzbar; es krystallisirt aus kochen-
dem Weingeist in Nadeln und besitzt Rotationsvermögen nach links. Durch
Zersetzung vermittelst Schwefelsäure liefert das Narcotin die unzweifelhafte
Base Cotaruin neben Opiansäure uud weiteren Derivaten der letzteren.
Merkwürdigerweise ist das Narcotin auch in Tuber Aconiti (vgl. dieses)
aufgefunden worden; dass es verschiedene homologe Arten desselben gebe,
1) iu Gilbert s Annalen der Physik. Lpzg. 1817. 55. S. 57.
2) besser Robiquot. Gilberts Auualcn 57. S. 177 (1817).
3) Annalcs de Ckiraio 92. p. 225.
Opium.
53
ist von Matthiessen und Foster mit grösster Wahrscheinlichkeit wider,
legt worden.
Die Entdeckung einer weiteren Base, des Codeins, folgte erst 1832
durch Robiqu et. Es krystallisirt mit und ohne Krystallwasser, löst sich
in 17 Theilen kochenden Wassers zu einer stark alkalischen Flüssigkeit,
welche nach links rotirt. Dieses Alkaloid sättigt die Säuren vollkommen
und reagirt stark alkalisch.
Ebenfalls 1832 fand Pelletier das Narcei'n, welches, obwohl in
wässeriger Lösung nicht alkalisch reagirend, doch mit Säuren krystallisirbare,
freilich zum Theil nicht sehr beständige Verbindungen gibt. Seine Mole-
kularrotation nach links ist bedeutend schwächer, als bei Narcotiu. Das
Narcei'n schmeckt schwach bitter, mehr styptisch, und löst sich sehr leicht
in kochendem Wasser.
Unvollständig bekannt und überhaupt nur drei Male gefunden, ist das
1835 von Pelletier und Thiboumery dargestellte Pseudomorphin.
Es scheint eine schwache Base zu sein.
Im gleichen Jahre fand der zuletzt genannte Chemiker das Thebain,
auch Paramorphin genannt, eine entschiedene Base von mehr scharfem
und metallischem als bitterem Geschmacke.
Von zweifelhafter chemischer Fuuktion ist das zuerst 1838 von E. Merck
in bengalischem, später auch von Riegel in türkischem Opium bemerkte
Porphyroxin, ausgezeichnet durch die rothe Färbung, welche seine an-
fangs farblosen Lösungen in Mineralsäuren beim Kochen annehmen.
Bestimmt alkalischer Natur ist das Papaverin, 1848 von G. Merck
aufgefunden. Die Base selbst und ihre Salze sind schwer löslich, von ge-
ringem Rotationsvermögen. — Ganz andere Eigenschaften zeigt das bei
Fructus Papaveris erwähnte Papaverin von Deschamps.
1851 wies Hinterberger im Opianin eine bestimmte alkalisch
reagirende bitter schmeckende Base nach, die für sich selbst in kochendem
Weingeist sehr wenig löslich ist und sich in salpetersäurehaltiger Schwefel-
säure blutroth löst. Von Gerhardt und von Weltzien wurde das
Opianin für identisch mit Narcotin erklärt; der hohe Sauerstoffgehalt spricht
jedenfalls gegen die Basicität.
Nur einmal aus Opiumrückständen von der Tinkturbereitung erhielt
Wittstein 18G0 das Metamorphin von schwach heissendem nicht
bitterem Geschmacke, bemerkens werth durch seine leichte Löslichkeit in
kaustischen und kohlensauren Alkalien, so dass es aus den Salzen aar nicht
gefällt werden kann.
Ein neues Alkaloid ermittelten 18641) T.undH. Smith; durch Schwe-
felsäure wird es tief blau, ein Splitter Kalisalpeter ruft schön blaue Fär-
bung hervor.
p. 240.
*) Pharm. Joum. und Transact. VI
54
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Das (bei Fructus Papaveris erwähnte) Papaverosin müsste sich auch
im Opium finden, wenn sich seine Existenz bestätigt.
1865 endlich hat Hesse im Opium auch das Rhoeadin (s. bei Flores
Rhoeados) angegeben, das vielleicht in Beziehung zu Porphyroxin steht.
Unter den eigenthümliclien nicht basischen Bestandteilen des Opiums
ist wie oben angedeutet die merkwürdige M ec on säure (Opi um säure)
€‘H40‘ schon 1805 von Sertürner entdeckt worden. Sie ist durch die
rothe Farbe ausgezeichnet, welche sie und ihre Salze auch bei grosser Ver-
dünnung den Eisenoxydlösungen ertheileu. In 4 Theilen kochenden Wassers
löst sich die Säure, aber es tritt alsbald GO2 aus und statt der glimmer-
artigen Krystallschuppen der Meconsäure schiessen aus der (am besten mit
Salzsäure gekochten) Flüssigkeit beim Erkalten harte körnige Krystalle von
Comensäure GKH4Q5 an.
Aus mehr als zwanzig verschiedenen Opiumproben haben T. und
H. Smith1) eine zweite, wie es scheint eigentümliche Säure, die The-
bolactinsäure, gewonneu und 1862 nebst ihrem Kupfer- und Morphin-
salz in London ausgestellt.
Als unzweifelhaft indifferenter Bestandtheil des Opiums ist das
Meconin (oder Opianyl) Gl0H10O4, 1832 von Dublanc aufgefunden,
zu nennen. Es krystallisirt in sechsseitigen, unter Wasser bei 77° C.
schmelzbaren Säulen, welche sich bei 100° in etwa 20 Theilen Wasser zu
einer bitter schmeckenden Flüssigkeit lösen. Künstlich lässt es sich auch
durch Erwärmen des Narcotius mit Salpetersäure erhalten. Durch Chlor
wird das Meconin zu Mechloinsäure oxydirt.
Die bis jetzt feststehenden Formeln der Opium- Alkaloide zeigen un-
verkennbare Beziehungen unter sich, wie aus folgender Uebersicht hervor-
geht:
G
H
N
0
* f Morphin
17
19
1
3
unzweifelhafte Basen: | ^oc^in
18
21
1
3
Thebain
19
21
1
3
[ Papaverin
20
21
1
4
, ^ 1 Narcotin
22
23
1
7
schwache Basen: ; Nareeto
23
29
1
9
nicht sicher: Opianin
33
37
1
11
nicht analysirt * Metamorphiu, Porphy
roxiu,
Pseudomorphin.
Die eigeuthümlichen Stoffe des Mohnsaftes sind in sehr verschiedener
Menge vorhanden. In erster Linie steht das Morphin, wovon Guibourt
in dem schon erwähnten Opium des Departement de la Somme (bei
100° C. getrocknet) nicht weniger als 22,88 pC. gefunden hat, welche Zahl
als Maximum dasteht. Doch fand Guibourt auf genau gleiche Weise
!) Pharm. Jonrn. und Transact. VII. p. 50.
Opium.
55
auch in einem kleinasiatischen 21,46 pC., Biltz in deutschem Opium bis
20 pC. Indessen fällt der Morphingehalt oft bis unter 1 2 pO. Erweist er
sich geringer als 10 pC., so muss, wenigstens bei kleinasiatischer Waare,
eine Fälschung angenommen werden. Als Mittelzahl für gutes officinelles
kleinasiatisches (oder auch französisches) Opium ist daher 12 bis 15 pC.
zu betrachten. Die englische Pharmacopöe begnügt sich mit 6 bis 8 pC.
Gehalt, Pharmacopoea -Germaniae verlangt mindestens 10 pC. von ge-
trockneter Waare.
Aermer an Morphin erscheint durchschnittlich das ostindische Opium.
Guibourt, so wie De Vrij, auch Haines, fanden nur 5 bis 9 pC. Ob
daran nur die Eigenthümlichkeit der Darstellung des Opiums Schuld ist,
bleibt noch dahingestellt. Es ist denkbar, dass ein Theil des Morphins
im „Passewa“ (siehe oben S. 46) verloren geht, da diese Flüssigkeit oft
lange herumsteht und durch Gährung oder den Sauerstoff der Luft ver-
ändert wird. Fast scheint es, dass Opium aus Malwa und dem Pandschab,
wo vielleicht anders verfahren wird als in Bengalen, durchschnittlich mehr
Morphin enthält als das vom Ganges, wie denn überhaupt das Produkt der
Berggegenden in Indien bevorzugt wird. Leider fehlen noch genügende
Vergleichungen in dieser Hinsicht, namentlich auch genauere Untersuchung
des Passewa. Zusatz von Wasser soll dasselbe trüben. Persisches Opium
kömmt trotz des sehr gewöhnlichen Zusatzes von Zucker doch auch mit
llpC. bis 13,4pO. Morphin vor, freilich aber auch oft sehr arm daran.
Keinem ächten Opium fehlt das Morphin. Das Codein ist in klein-
asiatischem, französischem und indischem Opium nur zu Vs bis %pC.
gefunden worden. Das Patua- Opium scheint bisweilen verhältnissmässig
reich daran zu sein; Christison’s Angabe von 8pC. Codei'n in solchem
steht aber ganz vereinzelt da und hat keine Bestätigung gefunden. Etwas
mehr, ungefähr 1 pC. nach Merck, beträgt das auch in französischem
Produkte schon nachgewiesene Thebain. In kleinasiatischem fanden T. u.
H. femith nur 1 V2 p- Mille, dagegen 1 pC. Papaverin.
Auf weit beträchtlichere Mengen beläuft sich der Gehalt an Narcotin.
Kleinasiatisches Opium, nur ausnahmsweise ärmer an Morphin als an
Narcotin,1) liefert 6 bis gegen 10 pC., sehr häufig 4pC. des letzteren. Aus
Opiumtinctur setzt sich dasselbe bisweilen vorzugsweise ab. Auf irgend
einem Versehen beruhen ohne Zweifel die 33 pC. Narcotin. welche Biltz
(1829) in einem bei Erfurt erzielten Opium angab.
In französischem Opium aus Papaver somniferum Var. a) nigrum
(Pavot-oeillette) ist mehrmals die Abwesenheit des Narcotius und auch des
Thebains dargethan worden.
In indischem Opium hingegen scheint es ganz regelmässig reichlicher
vorzukommen, als das Morphin, indessen doch nicht viel 6pC. zu über-
U S ü p u t (Journ. de Pharm, et de Ch. 39. p. 165) erwähnt eines
mit 7,7 Narcotin neben nur 2,5 Morphin.
Smyrnaischen Opiums
56
I. Pflanzonstoffe ohne organische Strnctur.
steigen. Eatwell (1850), Opiumprüfer des Benares-Distriktes, fand in
frischem, ganz unverändertem indischem Mohnsafte, den er noch am gleichen
Tage untersuchte, 0,55 pC. Morphin neben 1,63 pC. Narcotin. Einen weit
geringeren Unterschied weisen die Analysen auf, welche 1845 bis 1849 in
dei Opium- Agentur Benares ausgeführt wurden. Als Durchschnitt berechnet
sich (auf getrocknetes Opium bezogen) 6,7 pC. Narcotin und 3,5 Morphin.
— Auch in zwei, Proben persischen Opiums hat Reveil (1860) mehr
Narcotin als Morphin getroffen.
Von Narcein erhielt Couerbe 1 p. Mille, T. u. H. Smith ’/s p. Mille,
Schindler 0,71 pC., Mul der dagegen 6 bis 13 pC. (?!) Ohne Zweifel
hatte der Letztere nicht das wahre Narcein dargestellt.
Nimmt man im Opium einen Durchschnittsgehalt von 15pC. Morphin
an und setzt es als drittelsaures Meconat1) voraus, so würden 3,4 pC. Mecon-
säure schon zur Sättigung genügen.
Wittstein erhielt etwas über 3 pC. derselben, T.u.H. Smith2) 4pC.
Die von den übrigen muthmasslich auch als Salze vorhandenen Basen,
namentlich von dem Thebain und Papaverin beanspruchte Säuremenge ist
demnach verschwindend klein und zum Theil vielleicht auf Rechnung der
Thebomilchsäure zu setzen. Von dieser fanden die zuletzt genannten
Chemiker 1 V) pC.
Die Angaben über die Menge des Meconius wechseln von Vio P- Mille
(Smith), 3 p. Mille (Schindler) bis 1,3 pC. (Mulder)
Die Werthbestimmung des Opiums muss daher auf die Abscheidung
des Morphins ausgehen, wozu eine Menge von Vorschlägen gemacht worden
sind. Sie beruhen darauf, das Morphiusalz entweder mit Wasser oder mit
verdünntem Weingeist auszuziehen und mit Alkali die Base zu fällen.
Ueberschuss des Fällungsmittels wirkt nicht nur lösend, sondern auch bei
längerer Berührung durch Begünstigung der Sauerstoffaufnahme zersetzend
auf das Morphin. Eine Schwierigkeit liegt hierbei darin, dass das letztere
doch nur nach mehreren Stunden vollständig fällt. Das so herauskrystaili-
sirte Morphin muss durch Chloroform von Narcotin und durch Umkrystal-
lisireu aus kochendem 90 pC. Alkohol von den Meconateu des Kalkes, der
Magnesia und des Kalis befreit werden. Der Kalkgehalt lässt sich auch
zuvor durch Oxalsäure beseitigen.
Aus den Untersuchungen Claude Bernard’s3) (1864) folgt, dass
die schlafmachende Wirkung des Opiums im höchsten Grade dem
Narcein zukömmt, in Mächtigkeit und Qualität derselben weichen sowohl
Morphin als Codein von ersterem ab. Als Gift nimmt das Thebain den
ersten, das Codein den zweiten Rang ein, hierauf folgen Papaverin, Narcein,
1) Wohl mag ein süurureiches Morphiuincconat vorhanden sein, vielleicht aber auch Sulfat
neben freier Meconsäurc. Einen Theil der letztem erhält tuon bei der Darstellung der Alka-
loide auch als krystalliui.sches Kalium-, Calcium- und Magnesiumsalz.
2) Pharm. Journ. and Transact. VH'. p. 1811.
3) Journ. de Pharm, et de Chiin. 46. p. 241 —252 u. 298.
Euphorbium.
57
Morphin, Narcotin. In anderer Hinsicht befolgt der Wirkungswerth der
Alkaloide wieder eine andere Ordnung. Als krampferregend scheint nach
A 1 b e r s das Morphin obenan zu stehen. Nach demselben sind auch Porphyr-
oxin, Meconsäure und Meconin physiologisch wirksam. Es ergibt sich
hieraus, wie sehr verschieden die Gesammtwirkung des Opiums von der-
jenigen seiner einzelnen Stoffe sein muss.
Die Bekanntschaft mit den medicinischen Eigenschaften des Mohns
geht in das höchste Alterthum zurück. Schon Theophrast (im Anfänge
des III. Jahrhunderts vor Chr.), dann auch Dioskorides, Plinius,
Galen (I. und II. Jahrhundert nach Chr.) beschreiben die Gewinnung des
Mohnsaftes Mekönion, Opös oder allgemeiner Opion (07:0; = Saft, Milch-
saft), woraus Araber und Perser Afjuu bildeten, welcher Klang in Indien
und China1) Eingang gefunden hat, wo das Opium wenigstens als Genuss-
mittel nicht ursprünglich im Gebrauche stand. Die Einführung desselben
dürfte in den erstereu Gegenden mit der Ausbreitung des Islam Zusammen-
hängen und durch das mohammedanische Verbot des Weintriukens begün-
stigtworden sein. Wohl mag sich die Mohnkultur von Persien her in Indien
zunächst in Malwa festgesetzt haben2) und zu dem Einzuge mohamme-
danischer Herrscher in der Mitte des XIII. Jahrhunderts in Beziehung stehen.
Garcia d’Orta kannte in der Mitte des XVI. Jahrhunderts Opium aus
Malwa, dessen Genuss in Indien und Persien damals schon allgemein -
gebräuchlich war. Der Portugiese erwähnte auch ägyptisches Opium aus
Thebae und arabisches, das seine Landsleute in Aden kauften.
Euphorbium.
Eiipliörbia resinifera Berg. — Euphorbiaceae.
Mehrere westafrikanische Euphorbien zeichnen sich durch kantige flei-
schige am Grunde verholzende Stengel aus, wTelche in kurzen regelmässigen
Abständen an den Kauten ein wenig erhöhte zahlreiche Polster tragen , aus
denen sich je ein kurzes auseinander fahrendes Stachelpaar, aber niemals
ein eigentliches Blatt entwickelt. Zwischen zwei Stachelhöckercheu findet
sich immer eine kleine scharf umschriebene Vertiefung, aus welcher zu
oberst au den blühbaren Aesten der oft sehr stark verzweigten Pflanze der
kuiz gestielte, wenn nicht sitzende unscheinbare Blüthenstand hervorgeht.
Die unteren Vertiefungen des altern Stengels dagegen treiben Aeste. Die
durch Schacht2) bei seinem Aufenthalte auf Madeira genau untersuchte
ihuphorbia canariensis L. zeigt im höchsten Grade diesen völlig an Cactus
erinnernden Habitus, der auch vielen andern Arten der tropischen und sub-
tropischen Länder zukömmt. Aus der ausserordentlich weithin verzweigten
L Selbst bei den heutigen Griechen heisst der Mohn ’Acpiwvt.
2) Ritter, Asien IV. j). 781. 786.
8) Madeira und Tenerife mit ihrer Vegetation. Berlin 1859. S. 127 (Flabitusbild).
58
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Pfahlwurzel der E. canariensis erhebt sich ein anfangs ganz einfacher Säulen-
schaft, der nach einigen Jahren aus den Achseln der Stachelhöcker ganz
regellos armsdicke Aeste aussendet, welche sich in geringer Entfernung
senkrecht bis 5 111 hoch anfrichten, so dass eine einzige Pflanze ein starres
undurchdringliches , bis 20 Fuss im Durchmesser erreichendes blaugrünes
Buschwerk bilden kann und ein Hauptstamm nicht mehr zu erkennen ist.
Die Rinde und auch die Peripherie des Markes ist von zahlreichen ästi-
gen und dickwandigen Milch saftgefässen durchzogen, welche bei der gering-
sten Verwundung in Menge dicken scharfen weissen Saft austreten lasseu
oder sogar ausspritzen. Ein Einschnitt kann in 5 Minuten eine Theetasse
davon liefern. Der Saft trocknet leicht zu einer weisslichen spröden ') Masse
ein, welche auf Teneriffa von den Eingebornen übermässig gefürchtet und,
wie es scheint, gar nicht gesammelt wird. Euphorbia canariensis gibt auf
Teneriffa und Lanzarote, wo sie sich hoch in das Gebirge erhebt, hauptsäch-
lich Feuerungsmaterial ab.
Das officinelle Euphorbium wird aus Sale und Mogador ausgeführt und
im marokkanischen Atlas in geringer Menge gesammelt, indem man die
Pflanze anschneidet und den herabträufelnden Saft an derselben eintrocknen
lässt. Nach älteren Berichten von Jackson soll jede Pflanze nur je alle
4 Jahre reichliche Ausbeute gewähren und die Arbeit sehr gefährlich sein.
Das käufliche Euphorbium enthält in reichlicher Menge Reste der Stamm-
pflanze, worin Berg eine von Euphorbia canariensis verschiedene Art er-
kannt und alsE. resinifera beschrieben hat. Sie zeichnet sich, im Gegensätze
zu der erstem , so weit jene Bruchstücke urtheilen lassen , hauptsächlich
dadurch aus, dass die Blüthenstände nicht sitzend oder nur kurz gestielt
sind, sondern von einem bis 0,015 m langen Stielchen getragen werden.
Dasselbe endigt meist dreitheilig gabelig in 3 fast sitzenden Bliithenküllen
(Kelchkätzchen), seltener sind deren bis 7 vorhanden. Sie zeigen den ge-
wöhnlichen Bau der Euphorbien-Bliithe. Die etwa 5 Millim. -hohe fein run-
zelige graugelbliche Fruchtkapsel besteht aus 3 auseinander fahrenden zwei-
klappig aufspringenden derben Fächern. Jedes enthält einen kugeligen
3 Millim. grossen Samen, der mit hellgraulichen Schülfern besetzt ist und
einen feinen dunklem Nabelstreifen zeigt. Während die Blatt- oder Stachel-
polster der Euphorbia canariensis sehr stark gewölbt aus den Steugelkanten
hervortreten, sind die rothbraunen oder grau angelaufenen Polster der
E. resinifera zwischen den Stacheln selbst am Scheitel der Axe, wo sie sehr
genähert stehen, beinahe flach und nicht gewölbt.
Ohne Zweifel ist das Aussehen der E. resinifera mit dem der E. cana-
riensis übereinstimmend. Die Stengel- oder Aststücke der erstereu, die sich
in der käuflichen Waare vorfinden, bieten trocken einen rhombischen Quer-
!) Die auf Gran Canaria häufige Euphorbia balsamifera, eine huschige aber blättertragende
Art, ergiesst eben so reichlich einen weniger dicken süsslichen, durchaus nicht scharfen Milch-
saft, der nur zum zähen Firniss, nie zu zerroiblichcr Masse eintrocknet.
Euphorbium.
59
schnitt von ungefähr 0,02 m Diagonale dar; die Seiten sind jedoch immer
sehr stark, beinahe bis auf die rautenförmig gestellten Gefässbündel ein-
gesunken. Die Aeste der E. canariensis hingegen werden nach Schacht
armsdick. Die Milchsaftschläuche der E. resinifera sind sehr einfach, un-
gefähr 70 Mikromill. dick, mit sehr starken Wänden versehen.
Der über die Pflanze herabträufelnde Saft erhärtet an derselben, indem
er ihre verschiedenen Theile überzieht. Beim Abreissen des Euphorbiums
werden dann sehr unregelmässige 1 bis 3 Centimeter grosse oder kleinere
Stücke erhalten, deren Formen den zweistacheligen Blattpolstern, den
Bliithengabeln, oder den dreiknöpflgen Früchten entsprechen. Seltener fin-
den sich auch kleinere ganz reine Stücke des erhärteten Saftes, dagegen ist
die Droge ausserdem immer von zahlreichen bald grün berindeten, bald
mit gelblichem Korke bedeckten Resten der Euphorbia , so wie auch von
Trümmern anderer Pflanzen begleitet.
Das Euphorbium bildet eine matt hell gelbliche zerreibliche Masse, deren
dünne Splitter unter dem Mikroskop, selbst im polarisirten Lichte keine
besondere Struktur oder Gemengtheile wahrnehmen lassen, namentlich kein
Amylum, welches doch z. B. der Milch unserer einheimischen Euphorbien
nicht fehlt. Erst bei grösseren Mengen oder beim Ei*wärmen wird der an
Weihrauch erinnernde Geruch des Euphorbiums deutlich.
Es schmeckt sehr anhaltend und gefährlich brennend scharf; der Staub
bewirkt heftiges Niesen, Entzündung und Blasen.
An Wasser gibt das Euphorbium nur wenig durch Weingeist fällbares
Gummi ab und bildet keine Emulsion.
Alkohol nimmt daraus 40 bis 60 pC. eines hell gelbbraunen spröden
Harzes, vermuthlich Träger der Wirkung, auf. Das Harz besitzt nur
schwach saure Eigenschaften, die weingeistige Lösung wird durch Alkalien
bleibend getrübt, von Eisenchlorid wenig verdunkelt. Es ist ein Gemenge
mehrerer Harze, deren eines, das Gammaharz von Rose, nur in siedendem
Alkohol, nicht in Alkalien löslich ist und sich in unkrystallinischen fast
geschmacklosen Flocken ausscheidet. Zwei andere Harze dagegen lösen
sich in Alkalien und sind von scharfem Geschmacke. Ob Krystallwarzen,
welche Dragendorff und Alberti (1864) in alter Tinctura Euphorbii
beobachteten, mit jenem Rose’schen Harze übereinstimmen, ist noch nicht
erwiesen.
13 bis 19 pC. des Euphorbiums bestehen aus einem nicht näher unter-
suchten wachsartigen Stoffe und ebenso viel betragen ungefähr die äpfel-
sauren Salze, vorzüglich Kalkmalat, wovon Braconnot schon 1809 über
20 pC. nachgewiesen hat.
Zucker fehlt in dem wässerigen Auszuge. Kleinere sorgfältig ausge-
lesene von Pflanzentheilen ganz freie Stücke gaben mir 9,2 pC. zerfliess-
licher Asche, worin neben Kalisalzen Phosphate vorhanden waren. Das
Euphorbium verbrennt nur schwer vollständig und stösst einen scharfen
Rauch aus.
60
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structnr.
Es war schon den Alten bekannt; Dioskorides
dessen Gewinnung.
beschrieb bereits
Sandaräca.
Resina Sandaraca. Sandarak. Sandaraque.
Callxtris quadrivalvis Ventenat. — Coniferae-Cwpressineae.
Syn. Thuja articulata Vahl.
Dieses strauchartige bis etwa 20 Fuss hohe vom Grunde an sparrig
ästige Bäumchen ist eines der gewöhnlichen Nutzhölzer Algeriens, des At-
las und der übrigen nordwest-afrikanischen Gebirge, kömmt aber, zu uns
verpflanzt, im Freien nicht fort. Das Sandarakharz fliesst theils freiwillig
theds häufiger in Folge von Einschnitten aus der Stammrinde und erstarrt
wie es scheint, sehr rasch zu schwach gelblichen bis fast bräunlichen durch-
sichtigen Tropfen von bald mehr kugeliger oder bimförmiger, bald mehr
verlängerter stalaktitischer Gestalt. Ausgesuchte fast cylindrische Stücke
erreichen bis 0,03 : m Länge bei etwa 0,005 m Dicke, fliessen aber häufig zu-
sammen und breiten sich platt aus. In den schönsten Sorten sind dieselben
vollkommen klar und durchsichtig, nur schwach weingelb gefärbt. Der San-
aiak ist sein spi öde, bricht scharfkantig muschelig und glasglänzend,
daher die käufliche Waare pulverig bestäubt ist. Das speeifische Gewicht der
leinsteu Stücke ergibt sich zu 1,066, sie erweichen erst über 100° und
schmelzen unter Aul blähen bei 135° C, wobei sich ein aromatischer nicht
eben feiner Geruch entwickelt. Stärker erhitzt verbrennt der Sandarak an
der Luft rasch und vollständig. Im Munde zerkaut er sich ohne Erweichung
sandig und schmeckt schwach bitterlich aromatisch.
Dei Sandarak löst sich leicht in heissem absolutem Alkohol, weniger
leicht und nur theilweise in ätherischen Oelen und Benzol. Man hat durch
successive Behandlung der alkoholischen Lösung mit Kali, Wasser, Salz-
sfiiue das Harz in drei Antheile zerlegt, welche zu Lösungsmitteln etwas
verschiedenes Verhalten zeigen, sonst aber noch nicht näher untersucht sind.
Dieses Harz scheint schon beim Ausfliessen wohl nur von sehr wenig
ätherischem Oele begleitet zu sein ; im käuflichen Sandarak kommen nur
Spuren davon vor.
Der Sandarakbaum hiess bei den Alten kleiner phönikischer Kedros
(Dioskorides), das Harz daher Kedria, bei den Arabern Sandarüs oder auch
Kiträn. Es diente den Aegyptern zum Eiubalsamircn. Aristoteles, im
IV. Jahi hundert vor Ohr., später auch Dioskorides und Andere, be-
schrieben jedoch unter dem Namen Sandaräclie unzweifelhaft das natürliche
rothe Schwefelarsen, Realgar.
Das heutige Sandarakharz scheint fast nur in Mogador verschifft zu
werden.
Benzoe.
61
Benzoe.
Benzoi'num. Resina Benzoe. Benzoeharz. Benjoin. Benzoin.
Styrax Benzoin Dryander. — Styraceae.
Syn. Benzoin officinale Hayne.
Der ächte Benzoebaum ist von mittlerer Grösse mit mannsdickem
Stamme und hübscher Krone , welche dadurch eine sehr eigenthümliche
Färbung erhält, dass die ansehnlichen lang zugespitzten Blätter unterseits
mit kurzen angedrückteu weissen Sternhaaren dicht besetzt sind. Die
starken Nerven und das feine Adernetz tragen rostfarbene Schülfern, wäh-
rend die dunkelgrüne kahle Oberseite schwach glänzt. Auch die Blattstiele
und Blüthenrispen erscheinen weisslich bis bräunlich filzig, letztere durch
gehäufte und zierlich gebüschelte Haare; die Blüthen selbst aussen glänzend
weiss, innen ebenfalls bräunlich.
Der Baum wächst hauptsächlich auf der hinterindischen Halbinsel,
sowohl in Cochinchina oder Annam, als auch tief im Innern Siams, im Berg-
lande der Lauas oder Laos im oberen Stromgebiete des Salain und Mekhong
(Cambodscha). Auch Sumatra, wie es scheint die Batta-Länder des Innern,
liefert etwas Benzoe, nicht aber Java und Borneo, wo der Baum ebenfalls
vorkömmt. •
Durch Einschnitte in den gefällten Baum erhält man ungefähr von
seinem fünften bis gegen das zwanzigste Jahr das sehr langsam und in ge-
ringer Menge ausfliessende und nur allmälig erhärtende Benzoeharz. Ob es
in ätherischem Oele gelöst als Balsam austritt und durch Abdunstung oder
etwa durch Oxydation des ersteren fest wird, findet sich nicht angegeben.
Doch erwähnt Sthomburgk1), dass das auf natürlichem Wege aus-
schwitzende Harz stärker rieche, als das aus Einschnitten gewonnene, und
Hlasiwetz2) hat in überraschender Weise auf synthetischem Wege That-
sachen ermittelt, welche zur Ueberzeugung führen, dass Styrax Benzoin
Bittermandelöl und daraus einen Theil des Benzoeharzes erzeugen müsse.
Jüngere Bäume sollen ein nur wenig gefärbtes Harz liefern, das vorzugs-
weise zu einzelnen Körnern (Thränen oder Mandeln) oder grösseren ab-
geplatteten Stücken erstarrt, während das Produkt älterer Bäume mehr
bräunliche Massen bildet, in denen eingesprengte hellere Mandeln zurück-
treten. Man unterscheidet demnach im Handel:
1) Benzoe in losen Stücken, Benzoe in la er ymis. Häufiger als die
kleinen fast röthlichen durchsichtigen Tropfen oder Thränen sind flache bis
über 20 Quadrat-Centimeter grosse, aussen braungelbe, innen milchweisse
wachsartige doch spröde Stücke. Sie sindbis 0,010™ dick und auf der
einen Seite häufig mit kleinen anhaftenden Kork- oder Holzstückchen ver-
*) Büchners Repertorium XI. (1861) S. 202.
2) Ann. der Chem. u. Ph. CXXXIX. S. 89.
62
I. Pflanzenstoffe ohne organische Slructur.
sehen. Auch durch die Andeutung von Schichtung itn Inneren und durch
die gerundeten Ränder charakterisiren sie sich als geflossene, vermuthlich
an dicken sanft gerundeten Stämmen erstarrte Massen. Diese schönste wie
es scheint aus Siam stammende Sorte ist vollkommen homogen, erweicht
beim Kauen und schmilzt schon bei 75° C zur klaren wasserhellen Flüssig-
keit, welche beim Erkalten nicht krystallinisch erstarrt.
2) Mandelbenzoe, Benzoe amygdoloides. Die mehr gerundeten hellen
mit der Zeit nachdunkeluden, bis etwa 0,030 m grossen opalartigen
Körner breccienartig von einer mehr oder weniger graulichen bis schwach
bräunlichen Masse dicht eiugeschlossen. Das relative Verlkiltniss beider
Antheile schwankt. Der Schmelzpunkt der letzteren scheint durchschnittlich
etwas höher, bei 95° C, zu liegen, als der der Mandeln (85° C.).
3) ßlockbeuzoe, Benzoe communis. Weniger zahlreiche und
kleinere Körner, eingebettet in einer bräunlichen bis fast gelbröthlichen,
oft von Höhlungen durchsetzten Masse, welche durch allerlei Pflanzen-
trümmer verunreinigt ist und in grossen Blöcken über Calcutta in den
Handel gelangt. Die Pflanzenreste werden ohne Zweifel dem Harze durch
eine Art von Schmelzung eiuverleibt.
4) Seit etwa 10 Jahren wird, anfangs unter dem Namen Penang- Ben-
zoe, später als Sumatra-Benzoe, eine Sorte eingeführt, die entweder
mit der vorigen Aehnlichkeit hafr, oder aber mehr aus ansehnlichen schmutzig
gelblichen innen weissen Körnern besteht, wrelche durch eine etwas blasige
lichtbraune Masse verkittet sind. Ihr Geruch erinnert, doch nicht eben sehr
auffallend an Storax.
Die Benzoe riecht besonders beim Erwärmen eigenthümlich und sehr
angenehm und schmeckt kratzend aromatisch. Stärker erhitzt, gibt sie
stechende, erstickende Dämpfe aus und liefert eine etwas schwer verbrenn-
liche Kohle, welche aber schliesslich keine Asche hiuterlässt.
Die Hauptmasse der Benzoe besteht aus in Weingeist und in Kali völlig
löslichen Harzen von schwach sauren Eigenschaften, welche sich zu Lösungs-
mitteln etwas verschieden verhalten, daher als Alphaharz, Betaharz u. s. f.
bezeichnet wurden, aber im Wesentlichen übereinzustimmen scheinen. Beim
Schmelzen der Benzoe in der bei Aloe erwähnten Weise wird der geringere
Theil derselben angegriffen und liefert nach Hlasiwitz u. Barth uuter
anderem Protocatechusäure (über 5 pC.), Paraoxybenzoesäure und Breuz-
catechin (vergl. bei Gambir). Bei der trockenen Destillation der Benzoe wird
neben nicht genauer untersuchten Breuzprodukten hauptsächlich Benzoe-
säure erhalten. Dieselbe ist aber schon in wechselnder Menge, zu 14
bis 18 pG. oder darüber, fertig gebildet in der Droge vorhanden, wie die
mikroskopische Betrachtung etwas grösserer dünner Splitter derselben unter
Terpenthinöl sogleich zeigt. Mau nimmt diese Kry stalle ebenso gut wahr
in der Masse, welche die helleren Mandeln verbindet, als in diesen letzteren
selbst oder in den losen flachen Stücken.
Die Benzoesäure G7H6Os ist in heissem Wasser ziemlich reichlich
Benzoe.
63
löslich, doch ist das umhüllende Harz der Einwirkung des Wassers hinderlich.
Vollständig wird die Säure erst durch Alkalien, am zweckmässigsteu durch
Kalkhydrat ausgezogen. Die meisten Pharmacopöen verlangen aber nicht
die reine Säure, sondern die durch Sublimation gewonnene, welcher empy-
reumatische Produkte anhängen. Durch wiederholte Behandlung des Harzes
liefert dieses Verfahren auch bis 14 pC. Säure. Sie ist nicht vorzugsweise
in den Mandeln enthalten, und nach manchen Angaben scheint sogar die
erstgenannte nur aus losen Stücken bestehende Sorte nicht einmal die
säurepeichste zu sein.
Das vielleicht ursprünglich vorlmudene Bittermandelöl fehlt der käuf-
lichen Benzoe, wie überhaupt ätherisches Oel.
Der weingeistigen Lösung von Benzoe ertheilt Eisenchlorid eine tief
dunkelbraune etwas grünliche Färbuug, welche der wässerige Auszug des
gepulverten Harzes nicht annimmt. Die Reaction rührt daher nicht von Gerb-
stoff her. In kalter concentrirter Schwefelsäure löst sich die Benzoe mit
prächtiger Carminfarbe; Wasser scheidet aus der Lösung Krystalle von
Benzoesäure ab.
Kolbe u. Lautemann entdeckten (1860) in Benzoe der Sorten 4 u. 1
neben der Benzoesäure eine davon verschiedene Säure, welche sie (1861)
als Zimmtsäure pH8G2 erkannten. Aschoff fand (1861) in einer
Sumatra-Benzoe ausschliesslich nur die letztere (11,2 pC.), in einer Penang-
Sorte, sowie in siamesischer Mandelbenzoe und in losen Stücken derselben
Herkunft ausschliesslich nur Benzoesäure. In einer Probe der letzteren Waare,
welche ich, wie Aschoff, dem Hause Gehe u. Comp, in Dresden ver-
danke, finde ich Zimmtsäure, doch nur in einzelnen Stücken. Zerreibt man
dergleichen mit wenigstens gleich viel Bleihyperoxyd und kocht anhaltend
mit viel Wasser, so entwickelt sich deutlich der Geruch des durch Oxy-
dation der Zimmtsäure entstehenden Bittermandelöles CTH';-G. Schärfer
lässt sich letzteres uachweisen, wenn aus der weingeistigen Lösung der zu
prüfenden Benzoe alles Harz durch Wasser gefällt und die Auflösung der
Säuren zuletzt unter Zusatz von übermangansaurem Kali gekocht wird.
Möchte auch das Vorkommen der Zimmtsäure in Benzoe der zuerst
von Wiggers1) geäusserten und später von Henkel2) allerdings mit
guten Gründen unterstützten Vermutlmng Raum geben, dass diejenigen
Sorten, welche sie enthalten, eher einem andern Baume, wie z. B. dem
Rasamala angehören könnten, so spricht doch das gleichzeitige Vorkommen
) C anstatt s .Jahresbericht 1861. 84. - Die beschränkte Verbreitung des Liquidambar
rogiannm und che nicht eben reichliche Menge seines Harzes oder Balsams (vergl. unter
stemme ^ Cmi ^ knnabmo' d“S V°n ih“ zimn>ts&urehaltige Benzoe ab-
2) Zeitschr. d. österr. Apoth.-Vereins 1865. - Wenn Garcia d’Orta anführte dass di,
ti ‘“?e“ dCD StJraX llq"ldus Baqamalha nennen, so konnte darunter immer noch unser Styrax
sTyf:: sr tz r t- t gibt der3eibe aucb - S
J iquiaa et Algalia. Diese Verwirrung ist kaum mehr zu lösen.
64
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
der beiden Säuren in einigen Fällen, sowie in andern das Fehlen derZimmt-
säure bei Sorten, die sie manchmal wieder darbieten, eben nur dafür, dass
eiu und dasselbe Harz unter Umständen, die freilich noch nicht erklärt
sind, von der einen oder der anderen oder von beiden Säuren zugleich
begleitet sein kann. In einer Penang-Sorte hat Henkel auch ätherisches
Oel (Styrol?) und Styracin nachgewiesen, welche im Piasamala-Balsam
oder Harze neben Zimmtsäure gleichfalls vorhanden sein sollen. Mir gelang
der Nachweis von Styracin nicht, wohl aber erhielt ich bei der Destillation
von 250 Gramm Penang-Benzoe wenige Tropfen sehr angenehm, doch nicht
ganz nach Styrax liquidus riechenden Oeles.
Für den medicinischen Gebrauch ist z i rn m tsäureh altige Waare auszu-
schliessen, was um so leichter durchzuführen ist, als die billigeren Sorten
2 u. 3 reich au Benzoesäure zu sein pflegen.
Die Benzoe wurde erst im XV. Jahrhundert, seit der Entdeckung des
Seeweges nach Iudien, in Europa bekannt und im folgenden Jahrhundert
von spanischen und portugiesischen Aerzten gebraucht.
Schon Ros eil o um 1557 und Libavius um 1595 unterwarfen die
Benzoe der trockenen Destillation, aber erst B. de Vigenere bemerkte
gegen Ende desselben Jahrhunderts hierbei die krystallisirte Benzoesäure.
Turquet de Mayerne aus Genf (1573 — 1655) lehrte dieselbe durch
Erhitzung der mit Saud gemischten Benzoe in eine übergestülpte Tüte subli-
miren, Hagendorn zog sie 1671 zuerst mit (Weingeist und) Wasser aus.
Mastix.
Mastiche. Resina Mastix. Mastix. Mastic. Mastich.
Pistacia Leutiscus L. — Terebinthaceae.
0
Die Mastix-Pistacie ist als kleines ästiges bis 5 hohes Bäumchen oder
als kräftiger Strauch au den Küsten des Mittelmeeres und des Oceaus von
Portugal und Algerien bis Cypern verbreitet; in Griechenland z. B. in
grosser Menge bis 300 m in der untern und mittlern immergrünen Region
und hier oft zu einem ziemlich ansehnlichen Baume erstarkend. Auch auf
Capri im Golf von Neapel bildet der Mastix-Strauch eiuen Hauptbestand-
teil des immergrünen Buschwerkes.
Die lederigen lebhaft glänzenden Blätter tragen au der starken gemein-
schaftlichen kantig geflügelten Spindel drei bis sieben (meistens vier oder
fünf) Paare lanzettlicher bis eiförmiger Fiederblättchen. Die Spielart y.-c/ua
De Caud. unterscheidet sich namentlich ein wenig durch vorherrschend
eiförmige, gegen 0,02 m in der Breite und 0,03 111 in der Länge erreichende
vorn gerundete und kurz bespitzte Blattabsclmitte.
Nur diese baumartige übrigens kaum abweichende Spielart, nicht der
Strauch, ist es, welche zum Zwecke der Mastix-Gewinnung schon seit Pli'
nius Zeit ausschliesslich in den Mastixdörfern (Mastichöchora) des nörd-
Mastix.
65
liehen Theiles der Insel Chios, unweit der kleinasiatisclien Küste gebaut
wird. Die Türken nennen dieselbe auch Sakkis-Ada, die Mastix-Insel, ihr
Siidkap heisst Mastiko. Die Mastix-Pistacien des griechischen Festlandes
geben wenig Harz oder dasselbe ist zu hart oder zu wTeich; doch haben auf
Amorgos und Antiparos angestellte Yersuche gezeigt, dass auch andere
Inseln als Chios ein gleiches Produkt recht wohl liefern können. Die letztere
nimmt für ihre jährlich über 50000 Ctr. betragende, aber allerdings oft
auch bedeutend geringere Ernte leicht ungefähr 1% Million Francs ein.
Der Harzsaft des Mastix-Baumes hat, im Gegensätze zu Styrax liquidus,
seinen Sitz in eigenen Gängen, welche der Innenrinde allein angehören.
Bei den jüngsten Zweigen ist dieselbe durch einen schmalen aber fest zu-
sammenhängenden Kreis ansehnlicher Steinzellen von der Mittelrinde ab-
gegrenzt. Einen nicht minder dichten Kreis stellt auf dem Querschnitte die
vorherrschend aus dünnen verdickten Röhren gebildete Bastschicht dar.
An einzelnen Stellen, etwa 10 bis 15 an der Zahl, jedoch buchtet sich dieser
Bastkreis stark aus und in diesen kreisförmigen oder quer elliptischen
Lücken findet sich je ein Harzgang, umgeben von zartem, bald mehr bald
weniger dickem Parenchym, das durch die geringe Grösse seiner Zellen mit
dem übrigen dickwandigen groben Rindengewebe kontrastiv.
In der Rinde der gemeinschaftlichen Blattspindel kommen nur 5 bis 7,
im Blattstielchen des Fiederblättchens nur 1 bis 3 Harzgänge, immer in der-
selben Weise hinter einem vortretenden Bastbogen in zarteres Parenchym
eingebettet vor. Auch im starken Mittelnerv der Blättchen ist die gleiche
Bildung von Harzgängen wenigstens augedeutet.
In jüngeren Zweigen und in den Blattstielen treten somit die Harzgänge als
ansehnliche, zu einem weitläufigen Kreise geordnete Lücken der Bastschicht
aui. In der Stammrinde selbst hingegen weicht die Bastschicht durch reich-
liche Entwickelung krystallführenden Bastparenchyms zu mehrfachen con-
centrischen Lagen auseinander, welche von schmalen geschlängelten Mark-
strahlen durchschnitten werden. In den parenchymatischen Zonen zwischen
den Gruppen der Baströhren oder noch ganz von solchen umschlossen,
erscheint auch m älterer Rinde jenes zartere Gewebe der Harzgänge, dessen
kleine tafelförmige Zellen in Beziehung zu den Gängen dieselbe tangentiale
Anordnung zeigen^ wie etwa bei den Balsamgängen der Compositen- oder
der Umbelhferen-Wurzeln, auch bei Myrrha.
In der altern Mastix-Rinde findet man neben ausgebildeten Harzräumen
auch S teilen jenes zarten Parenchyms, welche noch keinen grösseren Raum
im Innern umschhessen. Dieses Yerhältniss scheint doch wohl darauf hiu-
. ivveisen dass die Harzgauge auf Kosten des zarten Bastgewebes entstehen.
nicht imS rT 16r’ da“* dlC, Harzbllduug in keiuem anderen Gewebe auch
X V n ’ " 1Ch dIe Sadie verfolSeu kann, auftritt, wodurch
allerdings Unger s Ansicht1) unterstützt wird, dass das Harz hier nicht ein
’). ÜDger u> Kot8cäy. Die Insel Cypern, Wien 1865, p. 424.
Pliickiger Pharmakognosie.
66
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Umwandlungsprodukt der Zellenwände selbst sei, sondern durch bestimmte
Zellen abgesondert und in die Harzgänge ergossen werde. — Anders ver-
hält sich die Balsambildung in Liquidambar orientale (vergl. bei Styrax
liquid us).
Die Borkenbildung scheint bei dem Mastixbaume nicht sehr tief zu grei-
fen, wenigstens findet sich der Steinzellenring in der Rinde der Stämmcheu
von einigen Centimetern Durchmesser1) noch erhalten. Immerhin werden
die Harzgänge durch das Abwerfen der Borkenschuppen der Aussenrinde
so nahe gerückt, das eine geringe Verwundung derselben genügt, um das
Ausfliesseu des Harzsaftes herbeizuführen.
Auf Chios2) ritzt man die Stämmchen von der Wurzel bis an die Aeste.
Aus den senkrechten, in grosser Zahl nahe bei einander gezogenen Ein-
schnitten fliesst der klare aromatische Saft nach wenigen Stunden vollstän-
dig aus und erstarrt bald zu fast kugeligen oder ein wenig in die Länge
gezogenen Körnern, welche indessen doch erst nach 15 bis 20 Tagen in
kleinen mit Papier oder Baumwollzeug ausgelegten Körbchen gesammelt
werden können. Au den Zweigen schwitzen auch von selbst Thräneu
(f)ax.pua) von vorzüglicher Reinheit aus. Das herabträufelnde Harz (-Yj-rra)
wird von Steinplatten, die unter die Bäume gelegt werden, aufgehoben.
Was dazwischen auf die Erde selbst fällt, gibt die geringste Sorte (<pXou^a).
Die Eiusammlung nimmt zwei Monate in Anspruch , ein Baum liefert bis
8 — 10 Pfund Mastix. Gegen Frost sind die Bäume empfindlich, selbst auf
Chios erfroren sie z. B. 1850 sämmtlich.
Die strauchartige Mastix-Pi stacie gibt kein Harz. Dennoch finde ich in
Aesten derselben (von Capri) die Harzgänge wenigstens der Anlage nach,
aber weit kleiner, auch vor. Die Mastix-Erzeugung ist daher wohl nur des-
halb auf Chios beschränkt, weil man anderswo das Bäumchen nicht gehörig
erstarken lässt.
Die schönstenSorten des Mastix sind nur ungefähr 1 Centimetermessende
kugelige vollkommen durchsichtige Körner oder etwas verlängerte dün-
nere walzen- oder bimförmige Stücke. Vollkommen frisch zeigen sie, ver-
muthlich von dem Chlorophyll der Rinde her, einen schwachen Stich ins
grünliche, der sich mit der Zeit verliert und völliger Farblosigkeit oder
einem gelblichen Tone Platz macht.
Geringere Waare ist von vornherein mehr trübe gelblich und mit Pflau-
zentrümmern und Staub verunreinigt; die Stücke sind weniger regelmässig
und grösser.
Das specifisehe Gewicht ausgesuchter Körner ist unbedeutend höher als
das des Wassers. Sie erweichen bei 99° und schmelzen erst bei 108° C.
Gewöhnlicher Mastix erweicht schon bei 93° und schmilzt bei 103°. Den-
noch wird er schliesslich bei langsamem Kauen schon im Munde knetbar.
1) wovon ich Querscheiben ans Chios selbst Herrn Oberdörffer in Hamburg verdanke.
2) v. Held reich. Nutzpflanzen Griechenlands, Athen 1862. S. 60.
Resina Guajaci.
67
Die Körner sind spröde und bieten muschelige glänzende Bruchflächen
dar. Erst beim Erwärmen entwickelt sich ein balsamischer Geruch, bedingt
durch eine nur äusserst geringe Menge ätherischen Oeles. Den Blättern
fehlt ätherisches Oel ganz ; in ihrem Parenchym finden sich keine Oelräume.
Der grössere Theil des Mastix bis 90 pC. löst sich in kaltem Weingeist
auf, der Rückstand (Masticin) ist nach Johnston ärmer an Sauerstoff
und indifferent, während dem ersteren Antheile (Mastixsäure) saure
Eigenschaften zukommen.
Im Orient dient der Mastix als Kaumittel1), auch iu geringer Menge
gelöst als Zusatz zu einem besonders in Griechenland sehr beliebten Brannt-
wein Raki oder Mastichi, womit häufig schlechtes Trinkwasser verbessert
wird. Zum Kauen dienen aber auch die ähnlichen Harze anderer Pistacia-
Arten, in Persien z. B. unter dem Namen Sakkis die bernsteinähnlicheu
schon bei 40° C. knetbaren Körner von P. mutica, noch andere in Afgha-
nistan und Balutschistan. Die Gegend vonAngura (Eugurich, ün Westen des
alten Galatia) im Innern Kleinasiens liefert auch eine Art Mastix.
Ob von Pistacien oder vielleicht von einer Boswellia (vergl. bei Oliba-
num) der sogenannte Mastix von Bombay stammt, ist nicht ermittelt.
Unter dieser Bezeichnung kommen kleine Körner vor, welche ihrer vor-
herrschend gelbbräunlichen Farbe wegen kaum der geringsten Sorte des
chiotischeu Mastix ähnlich sehen , beim Schmelzen unangenehm terpeuthin-
artig riechen und sich in warmem Weingeist lösen.
Dem im Alterthum wohlbekannten Mastix begegnen wir z. B. als ^gra-
nomastice“ auch im NIL Jahrhundert, im deutschen Mittelalter in dem bei
Sem. Hyoscyami erwähnten Arzneibuche. Pierre Belon aus Mans schil-
derte uach eigener Anschauung (1546-1549) die grosse Sorgfalt, womit
. “Ch,“te” lUe Mastix-Terebintlie pflegen, und erwähnte schon, dass dieselbe
in budhaukreich und Italien nicht Mastix gebe.
Resina Guajaci.
Guajacum. Guajakharz. Resine de gai'ac. Guaiac resin.
Z' Öberhaul>t die älteren Schichten des Gnajakholzes sind
(wie bei Liguurn Guajaci erwähnt) mit reichlichen Harzablagerungen yer-
austeete» und' 0*r “ ** ™* dem Stamme
streten und zu Kornern erstarren können. Doch sollen solche Körner bis
zu Nussgrosse von Guajacum sanctum abstammen. Im Handel trifft man
fast ausschliesslich nur das Harz in Massen, welche entweder vermittelst
tr» Holze ausgekocht und abgeschöpft oder “
bohlt " ", LTelSe «ew™ue“ werden, dass man der Länge nach durch-
thmlend ZI r“; **"* “ «rmt und das ans-
jmelzende Haiz m talebassen auffangt. Resina Guajaci in granis besteht
’’ D*h” *1"1 d,r B*"“: wil de» Zähucn knir.cli.,,.
5*
68 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
aus unregelmässig kugeligen, 1 — 3 Ceutimeter grossen, trübe grünlichbrauu
bestäubten Stücken, welche im Innern oft sehr hell und gleichartig aus-
sehen, aber meist durch Riudenstückcheu verunreinigt zu sein pflegen.
Von mehr oder weniger zahlreich beigemeugten Holz- und Rindenstück-
chen abgesehen, erscheint das Guajakharz gewöhnlich als spröde, dunkel-
grüne bis braunschwarze, gleichförmige oder etwas rissige Masse. Kleine
Splitter sind vollkommen durchsichtig, glänzend und von bräunlicher oder
grünlicher Färbung, das frische Pulver trübe bräunlich grau. Das Harz be-
sitzt ein specifisches Gewicht von über 1,2* und schmilzt bei 85° C. , wobei
es eigentümlich , etwas an Benzoe erinnernd, riecht. Es schmeckt scharf .
kratzend und klebt an den Zähnen.
Aceton, Aether, Alkalien, Amylalkohol, Chloroform, Kreosot, Weingeist
lösen das Harz leicht mit brauner Farbe auf, nicht aber, oder doch nur sehr
schwierig wird es angegriffen von fetten und ätherischen Oeleu und von
Benzol.
Durch die allerverschiedensten oxydireudeu Einflüsse, nach einiger Zeit
auch schon durch die Atmosphäre, wird das Harz prächtig blau oder grün
gefärbt, aufs schönste z. B., wenn es gepulvert mit Eisenchloridlösuug und
hierauf mit Weingeist besprengt wird. Reducireude Agentien aller Art, auch
Erhitzung bewirken Entfärbung. Mit der weingeistigen Harzlösung kann
diese abwechselnde Bläuung und Entfärbung vielmals wiederholt werden,
zuletzt aber verliert die Tiuctur diese Fähigkeit.
Die Zusammensetzung des Guajakharzes gibtHadelich (1862) folgen-
dermaassen an:
Guajakonsäure 70,3
Guajakharzsäure 10,5
Guajak-Beta-Harz 9,8
Gummi 3,7
Aschenbestandtheile 0,8
Guajak- (Guajacyl-) Säure, Farbstoff
(Guajakgelb), Unreinigkeiten .... 4,9
100,0
Wird die Mutterlauge von der Darstellung des guajakharzsauren Kalis
mit Salzsäure zersetzt und der Niederschlag mit Wasser gewaschen, so
entzieht Aether der Masse die von Hadelich entdeckte Guajakonsäure
von der Formel O38H40GU° (bei 100°). Sie ist amorph, hellbräunlich, unter
100° C. schmelzend, ohne saure Reaktion, mit Alkalien, unter Austreibung
der Kohlensäure zu uukrystallisirbareu, in Wasser und Weingeist leicht lös-
lichen Salzen zusammentretend. Die Säure löst sich nicht in Wasser, Benzol
und Schwefelkohlenstoff, wohl aber in Aether, Chloroform, Essigsäure und
Weingeist. Durch Oxydationsmittel wird sie vorübergehend gebläut.
Die 1859 von Hlasiwetz entdeckte Guajakharzsäure G2oH2r’04
kann dem rohen Harze durch weiugeistiges Kali oder auch durch Aetzkalk
entzogen werden. Mit ersteigern verbunden bildet sie ein krystallisirendes
Resina Guajaci.
69
Salz, mit Kalk eineu amorphen Niederschlag; von beiden lässt sich die
hauptsächlich aus Guajakonsäure - Salz bestehende Flüssigkeit gut ab-
giesseu. Die Guajakharzsäure selbst krystallisirt aus Weingeist oder Essig-
säure und löst sich auch in Aether. Benzol. Chloroform und Schwefelkohlen-
stoff, nicht in Ammoniak und Wasser. Die Krystalle schmelzen unter 80° C.
und lassen sich unzersetzt verflüchtigen , wenn rasch destillirt wird. Oxy-
dationsmittel färben diese Säure nicht blau.
Beim Ausziehen der Guajakonsäure bleibt als in Aether unlöslicher
Rückstand das Gua jak-Betakarz zurück. Es löst sich in Weingeist,
Essigsäure und Alkalien. Aether, Benzol, Chloroform, Schwefelkohlenstoff
fallen es in braunen Flocken , deren Zusammensetzung nicht sehr von der
der Guajakonsäure abzuweichen scheint.
Die Guajaksäure G12H1606, schon 1841 von Thierry aus Guajak-
holz oder aus dem Harze dargestellt, krystallisirt in farblosen Nadeln.
Hadelich konnte aus 20000 Th. Harz erst 1 Th. dieser Säure erhalten.
Der schon von Pelletier bemerkte Farbstoff, Hadelich’s G ua jak-
gelb, krystallisirt in blassgelben quadratischen Oktaedern von bitterem
Geschmacke. Das Guajakgelb ist eben so wenig eine gepaarte Zuckerver-
binduug, wie die obigen Bestandtheile des Harzes. Kosmann will nach
dem Kochen des durch Alkohol ausgezogenen Harzes mit verdünnter
Schwefelsäure Zucker gefunden haben.
Von besonderem Interesse sind die Zersetzungsprodukte des Guajak-
harzes. Unterwirft man es aus eiserner Retorte der trockenen Destillation
und rectificirt, so geht zuerst bei 118° Guajacen (oder Guajol) GA H8 0,
eine indifferente brennend aromatische farblose Flüssigkeit über, die durch
Austiitt von 2 G 0“ (Kohlensäure) aus der Guajaksäure entsteht.
Bei etwa 205-210° folgt hierauf das Guajakol (Pyrojaksäure.
Guajacyhge Säure. Guajacylhydrür) nach Hl asi wetz ein Gemenge von
Z H: 0 (Alphaguajakol) mit G8 H10 G2 (Betaguajakol 1), eine farblose
dickliche aromatische Flüssigkeit, die durch kaustische Alkalien grün, durch
alkalische Erden blau gefärbt wird und sich chemisch der Nelkeusäure
(siehe bei Caryophylli) ähnlich verhält.
Zuletzt sublimiren perlglänzende erst bei 180° schmelzende Krystalle
des geruchlosen Pyroguajacins G38 H44 O6 , welches (neben Guajakol)
auch bei der trockenen Destillation der Guajakharzsäure erhalten ‘ wird.
Das I yroguajacm färbt sich mit Eisenchlorid grün, mit Schwefelsäure beim
Erwärmen blau. Die ähnlichen Reaktionen der weingeistigen Lösung des
lohen Harzes durften hiermit Zusammenhängen (Hl asi wetz).
Sehr schöne farbige Reaktionen zeigen auch zwei neue Säuren , welche
• ^S1v,etZ , L iroh (1864) uebeu Spuren flachtieer Fettsäuren in ge-
ringei Menge durch Schmelzen des gereinigten Harzes mit Kalihydrat er-
halten haben. Die eine ist mit Protocatechusäure isomer.
1} Di0SC letZteiC Vcrbiudnng lasst Rich anch aus d™ Kreosot des Buchenholzes abscheiden
70
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Seit dem Anfänge- unseres Jahrzehnts hat das Haus Gehe & Co. in
Dresden zu Parfümerie-Zwecken eine Resinct Giuijuci Peruviana <ivo-
matica in Aufnahme gebracht, deren Abstammung nicht ermittelt ist.
Yom ächten Guajakharze ist diese Waare durch gelblich bräunliche, in
dünnen Splittern rein weingelbe Farbe verschieden. Weder durch längeres
Verweilen an der Luft, noch durch Eisenchlorid, Salpetersäure, Jodwasser
oder Chlorwasser nimmt das aromatische Harz jemals grüne oder blaue
Färbung an. Es löst sich fast ganz in Weingeist zu einer schwach gelb-
lichen Flüssigkeit von saurer Reaktion, welche jedoch von Alkalien bleibend
gefällt wird. Beim Kochen nimmt kaustisches Kali den grössten Theil auf.
Der starke an Raute und Anis erinnernde Geruch rührt von einer geringen
Menge ätherischen Oeles her.
Das Guajakharz scheint erst viel später als das Holz in medicinischen
Gebrauch gezogen worden zu sein.
TereMntliina veneta.
Terebinthinalaricina. Venetianischer Terpenthin oder Terbentin. Lärchen-
terpenthin. Lerget in Südtirol, Lörtsch in der deutschen Schweiz.1) Tere-
benthine deBrianQon ou de Venise ou du meleze. Turpentine ofVenice.
Larix (lecidua Miller. — Goniferae-Abietineae.
Syn.: Pinus Larix L.
Larix europaea DC.
Die meisten Coniferen aus den Abtheilungen der Abietineen und Cupres-
sineen enthalten in fast allen ihren Theilen ätherisches Oel von der Zusammen-
setzung ü10H1B, worin in sehr wechselnder Menge Harz gelöst ist. Auf
dieses dickflüssige Gemenge, das beim Anbohren2) oder Anschneiden der
Stämme mancher Arten der gemässigten Zonen reichlich heraussickert,
hat man den Namen Terpenthin übertragen, worunter ursprünglich das
entsprechende Produkt von Pistacia Terebinthus L., der jetzt aus dem
Handel verschwundene chiotisejie oder cyprische Terpenthin verstanden
wurde. Die Terpeuthine fallen somit unter den Begriff der Balsame, wie
ihn die neuere Chemie auffasst; indessen pflegt blos der durch Wohlgeruch,
höchste und beständige Klarheit ausgezeichnete Terpenthin der Abies
balsamea Miller, die in Cauada, Neu-Schottland und den nördlichen Unions-
staaten einheimisch ist, als (Canada-) Balsam bezeichnet zu werden.
Statt dieses in Amerika viel gebrauchten, auch in der englischen Pharma-
copoeia 1864 allein aufgenommeneu schön grünlich gelben canadischen
Terpenthins, dient in Europa meist derjenige der Lärchentanne, welcher in
den südlichen Alpen, hauptsächlich um Meran, Botzen, Trient, auch bei Bri-
anQon (Dauphine) und in Piemont (Waideuser Tliäler), sehrweuig in Wallis,
1) Latsche heisst auch in Oberbaiem die Krummfölrro, Pinus Pumilio.
2) Daher das Wort Terebinthus von Xtpito, ich bohre au.
Terebinthina vcneta.
71
gewonnen wird. Am Nordabhange der Alpen, wenigstens der tirolischen,
fehlt diese Industrie trotz ausgedehnter Lärchenwaldungen.
Im Gegensätze zu andern Coniferen (vergl. unter Terebinthina communis)
ist es hier das Kernholz und nicht die Rinde, welches den Terpentliin liefert.
Mau treibt nämlich im Frühjahr etwa einen Fuss über dem Boden ein enges
Bohrloch bis in das Centrum des Stammes, pfropft es zu und schöpft nur
einmal im Herbste des gleichen und der folgenden Jahre den angesammelten
Balsam mit eisernen Löffeln heraus. Wird nur ein Loch gebohrt und in
der Zwischenzeit verstopft gelassen, so fliesst ihm doch aus dem ganzen
Stamm der Terpenthin zu, der Baum leidet nicht und gibt auch unbeschadet
der Güte seines Holzes lange Jahre hindurch jeweilen etwa Kilogr.
Terpenthin. Bringt man mehr und weitere Bohrlöcher an, wie das früher
geschah und wohl noch jetzt in den französischen und piemontesischen
Alpen üblich zu sein scheint, so erhält man allerdings reichlichere Aus-
beute, bis zu 4 Kilogr. jährlich, die aber dem Baume schadet und nach etwa
40 Jahren, nach andern schon nach 6 bis 10 Jahren ganz aufhören kann,
namentlich wenn die Löcher offen bleiben. Mo hl1) hat diese Tcrpenthiu-
gewinnuug in Südtirol selbst beobachtet und gezeigt, dass beim Durch-
sägen eines frischen Lärchenstammes der Balsam sich am reichlichsten aus
dem Kernholze, weniger, obwohl etwas rascher, aus dem Splinte ergiesst.
Die Rinde enthält nur wenige Balsamgänge, was vielleicht mit dem diesem
Baume eigen thiünlichen Abwerfen der Nadeln zusammenhäugt. Sitz der
Bildung des ätherischen Oeles und des Harzes scheint demnach das junge
Holz (Splint) zu sein, aber das Gemenge derselben sammelt sich am reich-
lichsten im Kernholze an.
Dass man bei der Gewinnung dieses Terpenthins die Bohrlöcher ver-
schlossen hält, dürfte von der Schonung des Holzes und der grossem
Bequemlichkeit abgesehen, auch darin seineu Grund haben, dass hierdurch
noch vollständiger das Auskrystallisiren der Abietinsäure und damit die
grössere Trübung des Produktes gehindert wird, indem der Handel dasselbe
fast völlig klar verlangt.
Der venetianische Terpenthin ist bei gewöhnlicher Temperatur noch
eben etwas flüssig, so dass er fadenziehend langsam vom Spatel abläuft.
Obwohl er niemals krystallinisch-körnig und undurchsichtig erstarrt, ist er
doch gewöhnlich, besonders in frischem Zustande, nicht vollständig klar,
sondern ein wenig trübe und von schwach bräunlichgelblicher Farbe. Der
nicht eben sehr angenehme Geruch erinnert zunächst an Muskatnuss,
der bitter aromatische Geschmack ist vermuthlich dem Pinipicriu zuzu-
schreiben, einem (1853) von Kawalier in der Rinde und den Nadeln von
Pinus sylvestris und Thuja occidentalis aufgefimdenen Glykoside.
In gewöhnlichem Weingeist löst sich der Terpenthin zu einer klaren
’) Botan. Zeitung XVII (1859) S. 329..3S7. - Vergl. auch Wigand in der bei Traga-
cantha angeführten Abhandlung p. I 64.
•2 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Lakmus röthenden Flüssigkeit, auch heisses Wasser, das damit geschüttelt
wird, nimmt schwach saure Reaktion an, von Ameisensäure und wahr-
scheinlich auch von Bernsteinsäure herrührend. Er gibt bei der Destillation
bis ungefähr V4 seines Gewichtes von ätherischem Oele,1) das noch nicht
genauer untersucht ist, aber ohne Zweifel einer der verschiedenen Modifi-
cationen des Terpenthinöles angehört. Die zurückbleibende Harzmasse ist
nach Maly nicht verschieden vorn Harze anderer Terpenthinarten. jedoch
ist auffallend, dass der Lärchenterpeuthin nicht die Neigung hat, durch
Auskrystallisiren der Abietinsäure (vergl. bei Terebinthina communis)
krümelig zu werden. Au der Luft verdickt er sich nur langsam, etwas
rascher in dünnen Schichten zum klaren Firnisse, mit Magnesia erhärtet er
nicht. Er dreht die Polarisationsebene des Lichtes nach rechts, das daraus
abdestillirte Terpenthinöl aber rotirt nach links.
Terebmtliina communis.
Gemeiner Terpenthin. Terebenthine commune, Terebeuthiue de sapius.
Turpentine.
Eine Menge Abietineen lassen beim Verwunden ihrer Rinde oder beim
Anbohren der Stämme Terpenthin ausfliessen, welcher selbst bei langem
Stehen immer trübe bleibt, zum Theil sogar krümelig oder kryställinisch
erstarrt. Je nach der Herkunft tragen diese Sorten verschiedene Namen
und zeigen in ihrer Consistenz, in Farbe und Geruch unter sich ziemliche
Abweichungen. Mangel an Klarheit und meist auch weniger angenehmer
Geruch unterscheiden sie von den feinen venetianischen und canadischen
Terpen thinen (vergl. Terebinthina veneta).
Das Vorkommen der gemeinen Terpenthine scheint mehr auf die Rinde
und den Splint beschränkt zu sein , doch treten sie auch durch Infiltration
bei manchen Arten reichlich in das Holz über; sie bestehen aus Harz und
Terpenthinöl in sehr wechselndem Verhältnisse. Ihr trübes Aussehen ist
durch Wassergehalt bedingt, nach dessen Beseitigung Klärung eintritt.
Umgekehrt fliessen manche dieser Harzsäfte der Nadelhölzer vollkommen
klar aus und trüben sich erst an der Luft durch Wasseraufnahme. Ihi-
ätherisches Oel, das Terpenthinöl . etwa Vu, bis V3 betragend, entspricht
immer der Formel Glü Hlü, zeigt jedoch je nach der Abstammung manche
physikalische Verschiedenheiten. Eine und dieselbe Pflanze kann sogar
aus verschiedenen Organen Oel von abweichenden Eigenschaften liefern.
Oetherische Oele von gleicher Zusammensetzung sind in der ganzen phane-
rogamischen Pflanzenwelt ausserordentlich verbreitet und zeigen zum Theil
sehr verschiedenes Verhalten , das bei den zahlreichen Modifikationen des
Terpenthinöls weniger weit auseinander geht. Der Siedepunkt z. B,
schwankt zwischen 152° C und 172° bei den Coniferen-Oelen , während er
1) eine Probe von richtiger Consistenz, wie oben erwähnt, lieferte mir 14,8 pC. Oel.
Terebinthina communis.
73
sich bei dem gleich zusammengesetzten Bergamottöl auf 190°, bei Copaivaöl
über 245°. erhebt. Das specifische Gewicht hält sich zwischen 0,856 und
O, 87 bei Mitteltemperatur, grössere Verschiedenheiten treten aber im opti-
schen Verhalten ein, indem die einen Modifikationen des Terpenthinöls die
Polarisationsebene nach links drehen, die anderen nach rechts. Dieses Ro-
tationsvermögen stimmt oft nicht überein mit dem des Terpenthins ’). aus
welchem das Oel dargestellt ist, erleidet übrigens durch die Destillations-
wärme Aenderungen. Die grössten Verschiedenheiten aber kommen in Be-
treff' des Geruches vor. Das Oel mancher Abietineen , z. B. der Abies pec-
tinata oder der Pinus Pumilio Hänke (P. Mughus Scopoli) riecht sehr
lieblich nach Citronen und Melisse, während die gewöhnlichen Sorten des
Terpenthinöls, welche meist von der französischen Seestrandskiefer P. Pi-
nasteioder den nordamerikanischen Arten P. australis P. Taeda,
P. Strobus stammen, widrig riechen. Solchen Oeleu verdanken auch die ge-
meinen Terpenthine ihren unangenehmen Geruch.
Es ergibt sich aus diesen Thatsachen und besonders aus den scharf-
sinnigen Versuchen Berthelot’s, dass der Begriff Terpenthinöl eine an-
sehnliche Zahl verschiedener den Coniferen eigenthiimlicher Kohlenwasser-
stoffe eiuschliesst, welchen allerdings die empirische Formel O10 H16
zukömmt, obwohl sie wahrscheinlich Gemische verschiedener isomerer und
polymerer Moleküle sind , deren Trennung durch ihre grosse Aehnlichkeit
sehr erschwert ist. Aehnlich verhält es sich mit den nicht minder zahl-
reichen Oelen der Aurantiaceeu. Unter den Produkten der trockenen De-
stillation des Colophoniums befindet sich auch ein bei 160° C. siedender
Kohlenwasserstoff vom Gerüche und der Zusammensetzung des Terpenthin-
öles, jedoch ohne Einfluss auf die Polarisationsebene
Betrachtet man dünne Schichten trüber krümeliger Terpenthine unter
dem Mikroskop, zumal in polarisirtem Lichte, so findet man, dass sie
grösstentheils aus kleinen zum Theil krummen wetzsteinartigen sehr eigen-
thiimlichen Kryställchen bestehen. Maly hat (1864) darin eine zwei-
basische Säure Abietin säure G44 Hfi4 Q5 erkannt, welche krystalli-
siit ) erhalten wird, wenn man das ätherische Oel aus dem Terpenthin
mit Wasser wegkocht, das geruchlose Harz in heissem Weingeist löst und
mit Wasser fällt; ihre Salze sind amorph. Obwohl für sich erst bei etwa
165 C. ohne Veränderung vollständig schmelzend, verflüssigen sich doch
die Krystalle der Abietinsäure schon , wenn der Terpenthin im Wasserbade
ei wärmt wird, indem er sich selbst bei sehr geringem Oelgehalte vollkom-
i men klärt und nun klar bleibt, wenn auch alles Oel verjagt ist. Hierbei
hat daher die Säure ihr Krystallisatiousvennögen wenigstens vorübergehend
L wen die Harnsäuren des Terpenthins ebenfalls die Polarisationsebene zu drehen ver-
mögen. Sylv.nsaure und Pimarsänre z. B. drehen nach links (Sie wert)
fcÄ’Ä*
74
T. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
eingebiisst, ähnlich wie das Aloin in der durchsichtigen Aloe amorph ist.
Wird einem solchen entwässerten Terpenthin wieder Wasser zugesetzt, so
trübt er sich aufs neue, jedoch ohne sogleich wieder Abietinsäurekrystalle
zu zeigen.
Wird der rohe Terpenthin mit Wasser der Destillation unterworfen , so
geht das Terpenthinöl bis auf einen kleinen Rest über, während das Harz
zurückbleibt und geringen Mengen von Oel und Wasser noch eine weiche
Consistenz verdankt und die sogenannte Terebinthina cocta darstellt.
Wenn durch Erhitzen das Oel und Wasser vollständig verjagt sind, so
heisst das schon bei 80° C. erweichende, bei 100° vollständig klar schmel-
zende gelbe, oder bei stärkerem Erhitzen bis etwa 150° C. ohne weitern
Gewichtsverlust etwas dunkler ausfallende Harz Colophonium. Noch
weiter erhitzt nimmt es unter allmäliger Zersetzung röthliche bis braune
Farbe an, nach dem Erkalten ist es vollkommen homogen, durchsichtig,
amorph und sehr spröde, von etwa 1,07 specif. Gewichte. Es bedarf bei
15 — 20° C. 8 Theile Weingeist von 71 Volumprocenten und 52 Theile
dergleichen von 45 Yol. Proc. zur Lösung. In Wasser ist das Colophonium
unlöslich, nimmt aber, in verdünntem Weingeist gelöst, 3,82. pC. Wasser
auf und geht in krystallisirte Abietiusäure über. Das gebundene Wasser
entspricht einem Molekül H2 G , tritt als Constitutionswasser, nicht nur
als Krystallwasser ein und kann deshalb nicht wieder verjagt werden.
Das Colophonium G44 He2 O4 ist daher nach M a 1 y des Anhydrid der Abie-
tinsäure und gibt leicht über 80 pC. der letztem , so dass in der That das
Colophonium der Hauptsache nach nur aus jenem Anhydrid besteht und
zwar vermuthlich bei allen Abietineen ,') auch bei Larix. Die Natur der
übrigen 10 bis 20 pC., welche aus dem Colophonium nicht als Abietin-
säure erhalten werden, bleibt demnach noch zu erforschen; vielleicht rührt
der Ausfall nur von nicht vollständig durchzuführender Hydratation des
Anhydrids her.
Die lebende Pflanze enthält nur das Anhydrid, denn der frische Harz-
saft ist klar und nach dem Verjagen des Oeles amorph ; er verliert aber an
der Luft Oel, nimmt dagegen Wasser auf und erstarrt zu krystallisirter
Säure, wie sich das bei einzelnen Harztropfen noch an den Stämmen selbst,
namentlich mit Hülfe des Mikroskops gut verfolgen lässt. Das amorphe
Colophonium behält selbst in feuchter Atmosphäre vollkommen seine Durch
sichtigkeit und ist wie es scheint nur dann im Stande reichlich oder völlig
in Abietinsäure überzugehen , wenn die Aufnahme des fehlenden Moleküls
Wasser durch Gegenwart von ätherischem Oele in der Natur oder künst-
lich durch Weingeist vermittelt wird. Beim Kochen mit alkalischen Lö-
sungen gibt das Colophonium schmierige Salze der Abietinsäure, sogenannte
Harzseifen, welche technisch als Zusatz zu den gewöhnlichen Seifen ver
werthet werden. Die Sylvinsäure Sie Werts hält Maly iür ein Zer
1) yergl. in Betreff analoger Verhältnisse auch hei Balsam. Copaivac und bei Elomi.
Terebinthina communis.
75
setzungsprodukt seiner Abietinsiiure , die Pimar säure, Pinin saure und
Sylvinsäure früherer Untersuchungen für unreine Abietinsäure.1)
Der heraussickernde Harzsaft verändert sich im Freien gleichzeitig durch
Uebergang in Abietinsäure , durch Oxydation und durch mehr oder weniger
vollständige Verdunstung des Oeles. Hieraus, so wie durch die etwaige
weitere Behandlung, wie Coliren, Destillation zur mehr oder weniger voll-
ständigen Gewinnung des Terpenthinöles oder einfaches Schmelzen, erklärt
sich das sehr verschiedene Aussehen des käuflichen Rohproduktes, der
Resina Pini s. communis. Dieselbe bildet bald mehr oder weniger trübe
dunkle, bald durchscheinende geflossene Massen wie z. B. die Pix burgun-
dica , oder besitzt bei etwas hellerer Farbe und ziemlicher Sprödigkeit
körnige mikrokrystallinische Textur, wie der Galipot der Franzosen,
das unveränderte, an den Stämmen selbst krystallinisch erstarrte fast öl-
freie Harz.
An der Luft erleidet das Terpenthinöl , wie überhaupt die ätherischen
Oele Veränderungen, welche man als „Verharzung“ bezeichnet. Die hier-
bei in geringer Menge auftretende Ameisensäure charakterisirt den Vorgang
im allgemeinen als eine Oxydation, jedoch sind die Hauptprodukte noch
nicht genauer bekannt und namentlich hat sich noch keines derselben als
i identisch mit einem natürlichen Harze erwiesen. Die gewöhnliche An-
nahme, dass die Harze aus den ätherischen Oelen entständen, ist daher
j keineswegs gerechtfertigt oder jedenfalls ist ein derartiger Process nur dem
Pflanzenorgauismus selbst Vorbehalten, scheint sich aber in weniger ein-
facher Weise zu machen, als die Annahme einer Verharzung vermuthen
lässt. Im vorliegenden Falle wenigstens fehlt eine augenscheinliche Be-
ziehung zwischen der Formel des Terpenthinöls und derjenigen der Abietin-
I säure oder ihres Anhydrids. Auch ist auffallend, dass das letztere hier in
der Pflanze selbst das Wasser nicht aufnimmt, das es sich ausserhalb der-
selben so leicht aneignet. Es wäre möglich, dass der Vorgang im Organis-
mus gerade umgekehrt verliefe , dass nämlich die ätherischen Oele aus der
: Spaltung complicirterer Verbindungen hervorgiugen , während die Harz-
j bildung auf einer rückschreitenden Metamorphose der Zellwand beruht.
Sollten daher durch „Verharzung“ ätherischer Oele wirklich Harze ent-
stehen, so müssten denselben, wie eine verschiedene physiologische Bedeu-
tung, so auch abweichende Eigenschaften zukommen. Nach diesen von
Wigand2) höchst lehrreich entwickelten Ansichten hat man sich auch
die Vermischung ätherischer Oele mit Harzen zu Balsamen nicht als eine
Secretion der letztem in eigene Gänge zu denken , sondern als viel wahr-
scheinlicher anzunehmen, dass die Oele erst durch Umbildung der Zell
!) Im nördlichen Schweden wild ein besonderes Fichtenharz Spännkoda oder Tuggkoda
gekaut. Es gibt an kocheudes Wasser eine krystallisirbare Säure ab, welche nach Berlins
Angaben sehr von der Abietinsänrc abweicht.
2) in der unter Tragacantha erwähnten Abhandlung pg. 164 — 170.
7(5
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
wände, die sie schon frühzeitig eiusch Hessen, frei werden und sich den
aus andern Geweben selbst hervorgegangenen Harzen beimischen.
Das relative Verhältnis des Harzes zum Terpcnthiuöl, die verschiedene
Behandlung bei der Gewinnung, etwaige Verunreinigungen, der Wasser-
gehalt bedingen die Mannigfaltigkeit der Consistenz und der Farbe der ge-
meinen Terpenthinsorten weit mehr als die Abstammung von den verschie-
denen Nadelhölzern. Der Geruch hängt vom Terpenthinöl ab, das von Art
zu Art verschieden ist, während das Harz bei allen Coniferen oder doch bei
den Abietineen der Hauptsache nach identisch zu sein scheint. Die Eigen-
schaften der verschiedenen gemeinen Terpenthine sind demnach so schwan-
kend und zeigen so viele Uebergänge, dass die Handelssorten nicht sicher
auf die Stammpflanze zurückgeführt werden können.
Die ursprüngliche Bildung der Harzkanäle in der Riude und die nach-
herige Verbreitung des Harzsaftes in Kernholz, Splint und Rinde zeigen
grosse Verschiedenheiten bei den einzelnen Coniferen. welche von Mo hl1)
ausführlich untersucht worden sind. Nach diesen besonderen Verhältnissen
richtet sich auch empirisch die Art des Anbohrens , welche die Praxis für
die verschiedenen Bäume eingeschlagen hat. Dem Holze der Abies pecti-
nata z. B. fehlen die Harzkanäle ganz, bei Pinus sylvestris sind sie dort be-
deutender als in der Rinde.
Hauptproduktionsgegendeh des Terpenthins, des Fichtenharzes, des Co-
lophoniums und des Terpen thiuöles sind gegenwärtig erstens das Depar-
tement des Landes, zwischen Bordeaux und Bayonue, wo die im ganzen
Mittelmeergebiete einheimische Pinus Pinaster Solander (P. maritima La-
marck) grosse Wälder bildet. 100 Stämme derselben lieferten (1861)
359 Kilogr. Terpenthin, welcher 17 pC. Oel durch Destillation gab. Ein-
zelne Bäume sollen 96 Jahre hindurch ausgebeutet worden sein. — In
zweiter Linie, oder demnächst wohl wieder in erster, steht Virginien: hier
werden besonders benutzt: P. australis Michaux (P. palustris Miller),
welche von Florida bis Nordcaroliua geht, P. Taeda L. (Florida bis Vir-
ginien) und die von Virginien bis Canada gedeihende, auch bei uns einge-
bürgerte Weymouths- Kiefer P. Strobus L.
In Oesterreich stammen jene Produkte2) wohl meist von der ausser-
ordentlich harzreichen Schwarzkiefer P. laricio Poiret (P. nigricans Link),
im Schwarzwalde und dem übrigen Deutschland von der weit weniger
reicheu Abies excelsa DG, der Rothtanue, von P. sijlvestris L, auch von
Abies pectinata DC, der Weisstanne.
Der Terpenthin der letzteren , Terebinthina argentoratensis, Strass-
burger Terpenthin, steht an Klarheit dem venetianischen nahe und riecht
sehr fein nach Citronen. Er kann nur im mittleren Alter des Baumes ge-
1) fn der bei Terebinthina venctn angeführten Abhandlung.
2) i,„ Betrage von jährlich (1802) etwa 250000 Ctr., welche jedoch für den österreichischen
Bedarf nicht ausreichen.
Elemi.
77
vvonnen werden, da die zu sogenannten Harzbeuleu erweiterten Harzkanäle
der Rinde nicht sehr frühe auftreteu und zuletzt in die Borke, nicht in das
Holz übergehen und verschwinden.
Ausser den genannten werden aber noch zahlreiche andere Couifereu
iu ähnlicher Weise beuutzt.
Die Harzsäfte und ihre Bestandteile waren schon den Alten bekannt,
namentlich, wie es scheint, der Lärclienterpenthiu. Dioscorides sowie
Pliuius beschrieben eine rohe Behandlung des Terpentins, Marcus
Graecus im VIII. Jahrhundert bestimmter die eigentliche Destillation
des Terpentinöles, der aqua ardens — wie es auch noch später, z. B. bei
Libavius (1595) hiess.
Elemi.
Resina Elemi. Elemi. Elemi.
Unter diesem Namen verstanden die Alten ein scharfes Pflanzensekret
aus Aethiopieu. Fs wurde mit Scammonium und mit Ammoniacum, also
I zwei nach unseren Begriffen sehr verschiedenen Dingen verglichen, so dass
die Natur des alten Elemi nicht mehr festzustellen ist. Man leitete es später
ab von dem äthiopischen wilden Oelbaume, welcher aber auch bald als die
wilde dornige Form des Olivenbaumes aufgefasst, bald für eine Elaeagnus-
Art erklärt wurde.
Im XVI. Jahrhundert übertrug man merkwürdigerweise die völlig zweifel-
hafte Benennung Elemi auf Harze oder erhärtete Balsame, welche aus
Amerika kamen. Pisou. Marcgraf (1636 — 1641) ermittelten in Brasilien
! die Abstammung eines solchen sogenannten falschen Elemi, das dort Icica
heisse. Hiernach benannten sie den Baum Icicariba; er ist jetzt als Icica
Icicariba DC. den Burseraceen zugetheilt und findet sich iu der Provinz
| Rio. Dieses Icica-Harz wird als unreine gelblichgrünliche weiche oder bei
i längerer Aufbewahrung spröde trübe Masse von bitterlich -aromatischem,
I an Macis erinnernden Geschmacke beschrieben, scheint aber jetzt nicht
mehr im Handel vorzukommen.
Sehr ähnlich oder etwas gelbröthlich und nicht minder durchdringend
liechend wird das westindische oder Yukatau-Elemi geschildert und gleich-
falls von Burseraceen abgeleitet.
Einem Baume derselben Familie, vermuthlich einem (Janavium , muss
auch das jetzt seit einigen Jahren am gewöhnlichsten in unserem Handel
erscheinende Elemi aus Manila zugeschrieben werden.
Ueber die Gewinnung dieser Sorte ist nichts bekannt; sie stellt einen
trüben, zähen, gelblichweissen, dicken Balsam vor, der ziemlich stark mit
Pflanzenresten vermischt ist und nach und nach etwas erhärtet. Er riecht
und schmeckt sehr stark aromatisch, an Macis und Fenchel erinnernd und
ist nur wenig bitter. In kaltem Weingeist zerfällt das Manila -Elemi zu
einem krystallinischen Absätze und einer trüben Flüssigkeit von saurer
78
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Reaction. Befeuchtet man ein wenig dieses Elemi mit Benzol, so zergeht
es und erweist sich unter dem Mikroskop als grösstentheils aus Krystall-
nadeln und Prismen bestehend, welche sehr gut ausgebildet sind uud seltener
die rundlichen Formen der Abietinsäure (vergl. bei Terebinthina communis)
zeigen. Die Krystalle lassen sich leicht durch kalten Weingeist, worin sie
sich nicht lösen, abscheiden. Längere Zeit bis 100° erwärmt, wird das Ma-
nila-Elemi spröde, etwas durchscheinend, verliert aber nicht die krystalli-
nische Structur.
Als mexicanisclies Elemi liegt mir eine spröde, festeSortein grossen
graugelblichen, nicht grünlichen, rauhen Stücken vor, welche entweder
flache oder gewölbte Platten oder aber mehr Stalaktiten bildet, die offenbar
au einem starken Stamme heruntergeflosseu sein müssen. Sie brechen
grossmuschelig mit wachsglänzender, schwachgelblicher Bruchfläche, die
an den Kanten trübe durchscheint. Wo aber die Flächen längere Zeit der
Luft ausgesetzt sind, wird das Harz milchweiss und fast mehlig. Dieser
Staub besteht dann aus äusserst feinen büscheligeu Krystallnädelcheu,
welche im polarisirten Lichte unter Terpenthinöl die prachtvollsten Farben
zeigen. — Geruch uud Geschmack dieser Sorte entsprechen dem Manila-
Elemi, sind aber weit schwächer, vielleicht nur zufällig wegen der Abdunstung
des ätherischen Oeles. In gelindester Wärme erweicht auch diese spröde
Sorte leicht.
Unter dem Namen Elemi sind somit, wie aus dem Obigen erhellt, mit
richtigem Gefühle terpenthinartige Balsame von Burseraceen der verschie-
densten Länder zusammengefasst worden, mag nun auch das ursprüngliche
Elemi etwas ganz anderes gewesen sein. Höchst bemerkenswerth sind
unsere modernen Elemibalsame oder Elemiharze durch ihr ausgezeichnetes
Krystallisationsvermögen. Sie bestehen, vom ätherischen Oele abgesehen,
aus weichem amorphem und in kaltem Weingeiste leicht lösüchem Harze
von saurer Natur und einem, schon vermittelst des Mikroskops wahrnehm-
baren krystallisirten Antheile, der leicht aus kochendem Alkohol in Nadeln
anschiesst. B au p wollte aus dem letzteru bei 1 74° C . schmelzendes Axn y r in
uud erst bei 200° sich verflüssigendes Elemin isolirt haben. Nach den
ausgedehnten Untersuchungen von Rose, Hess, Marchaud (1839) wäre
das krystallisirte nicht saure Harz der Formel G'10 H66 0 entsprechend
zusammengesetzt. Rose hat gezeigt, dass bei raschem Abdampfen der
weingeistigen Lösung der Krystalle zum Theil nur amorphe Massen von
geringerem Kohlen stoffgehalte wiedergewonnen werden, während die beiden
übrigen Bestandtheile im Yerhältniss von II2 G (Wasser) zunehmen.
Es liegt also hier vermuthlich dieselbe Beziehung zu Gruude, wie bei
dem Uebergange des Colophoniums in Abietinsäure (vergl. bei Terebinthina
communis so wie bei Baisamum Copaivae), und es ist wohl möglich, dass
eine neue Untersuchung des krystallisirbaren Elemiharzes dessen Iudentität
mit Abietinsäure ergeben würde.
Allerdings wäre nach Rose beim Elemi der Vorgang umgekehrt, indem
Elemi.
79
hier gerade der Verlust der Krystallisirbarkeit mit Wasseraufnahme ver-
bunden sein soll. Die zahlreichen Analysen dieses Chemikers bieten jedoch
höchst sonderbare Abweichungen, zum Theil auch Zahlen, welche nahezu
mit den von Maly für Abietiusäure gefundenen stimmen.
Auffallend bleibt die obige von drei Chemikern bekräftigte Formel des
krystallisirten Elemiharzes; durch ihren hohen Kohleustoffgehalt und die
geringe Menge Sauerstoff erscheint sie vorerst mit der Abietinsäure unver-
einbar.
Noch andere Formeln für Krystalle des Icicaharzes aus Cayenne,
Brean und Icican genannt, hat Scribe ermittelt. Sie lassen vermuthen,
dass diese Körper sich von Colophouium vielleicht durch ein minus von
H2 0 unterscheiden.
Wie viel bei allen diesen Widersprüchen auf Rechnung etwaiger Ver-
schiedenheit der Waare von so ungleicher Herkunft zu setzen ist, lässt sich
nicht beurtheilen, da nähere Angaben über die zur Untersuchung verwen-
deten Sorten oft fehlen.
Es ist demnach eine vergleichende Wiederaufnahme des Gegenstandes
sehr wünschenswerth, gauz besonders auch im Hinblicke auf die folgenden
1 Angaben über das Arbolharz.
Die Menge des ätherischen Oeles der Elemibalsame wechselt sehr je
: nach dem Alter und wohl auch nach ihrer Abkunft. Stenhouse erhielt
! 3,5, Deville 13 pC. Es bietet aber übereinstimmend die grösste Aehn-
lichkeit mit Terpenthiuöl dar, siedet bei 166 — 174° C., rotirt stark links
und scheint völlig frei von Sauerstoff der Formel G10H16 zu entsprechen.
Die an dem Elemiöle von Mannkopf wahrgenommenen schwach gifti-
gen Wirkungen dürften wohl schwerlich eigentlich specifischer Art sein.
Um 1820 oder schon früher gelangte, zuerst durch Perrottet aus Ma-
i nila das dort zum Kalfatern dienende Harz oder der Balsam des sogenann-
ten Pechbaumes, Arbol a brea, nach Europa. Vermuthlich ist derselbe eine
Canarium-Art, und aus den älteren Beschreibungen dieses Arbol-a-brea-
: Harzes lässt sich entnehmen, dass es unser heutiges Elemi aus Manila war;
denn die gelegentliche schwarze Färbung des ersteren rührte vom An-
brennen der Stämme (Schwelen) her. Baup hat das Arbolharz seit 1825
untersucht und darin vier verschiedene krystallisirende , durch ungleiche
Schmelzbarkeit, so wie durch grössere oder geringere Löslichkeit in Wein-
j Seist abweichende Verbindungen gefunden, welche er Amyrin, Brei'n,
Brei d in und Bryoidin nannte. Das erstere wäre identisch mit dem
Amyrin des Elemi.
Eine von Henry und Plisson ausgeführte Analyse des Brems weist
demselben die Formel der Abietinsäure an, während die Resultate von Du-
’ mas ganz mit der oben mitgetheilten Zusammensetzung des von Rose,
Hess und Marchand untersuchten krystallisirten Elemiharzes überein-
stimmen.
Baup hatte sein Arbolharz durch Vermittelung von DeCandollevon
80
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Pater Llanos iu Manila erhalten. Eine Probe des Harzes, aus Baup’s
Nachlasse1) finde ich mikroskopisch mit dem heutigen Manila-Elemi über-
einstimmend bis auf eingemeugte Stückchen Kohle, welche das Harz schwarz-
grau erscheinen lassen. Der Geruch ist noch kräftig muskatartig, obwohl
die Masse völlig trocken und zerreiblich ist.
Baisamum Copaivae.
Copaiva-Balsam. Baume de copahu. Copaiva.
1. Copaifera rnultijuga Hayne. — Caesalpiniaceae.
2. €. Langsdorftu Desfontaines.
3. C. coriacea Martius.
4. C. Jacquini Desf.
Syn. : C. officinalis L.
Die Copaivabäume sind in etwa 20 Arten von Brasilien, Paraguay und
Bolivia bis Costa Rica und Westindien verbreitet. Sie stelleu meist statt-
liche Bäume mit reich belaubter Krone und schönen weissen vielblüthigen
Rispen dar; die nicht sehr grossen lederigen und eiufach iu gerader Zahl
bis zehnpaarig gefiederten Blätter erscheinen von zahlreichen Oeldrüscheu
punktirt.
Die erste Art gehört den Nordprovinzen Brasiliens, Alto Amazonas und
Gran Para, d. h. dem unteren Gebiete des Amazonenstromes und des Rio
negro an; die zweitgenannte den Provinzen Sau Paulo und Miuas Geraes im
Westen und Norden der Hauptstadt. In denselben Gegenden bis Bahia findet
sich C. coriacea, während C. Jacquini sich auf den Norden Südamerika s,
vorzüglich Venezuela, zu beschränken scheint, doch auch nach Westiudieu
geht und schon auf Trinidad vorkömmt.
Aber noch andere Arten liefern ebenfalls, wiewohl in geringerer Menge Bal-
sam, der zum Theil iu den entlegensten Gegenden Bolivia’s und Paraguay ’s
nur technisch als Firniss gebraucht wird.
Nach Berg bieten wenigstens die Zweige der Copaivabäume an der
Grenze der Mittel- und der Iunenrinde einen weitläufigen Kreis tangential
gedehnter Balsamgänge dar. Doch deuten alle Berichte über die Gewinnung
des Balsams im Grossen darauf, dass das Holz der Stämme Hauptsitz des-
selben ist, und im Holze einer nicht näher bestimmten Copaifera finde ich viele
der nicht sehr grossen Gefässe mit erhärtetem Harze. So gibt z. B. auch
Schomburgk an, dass im unteren Theile des Stammes halbrunde Oeffnuu-
gen bis in das Kernholz getrieben werden. Der Harzsaft ergiesst sich oft iu
grosser Menge, so dass er nach Martius in wenigen Stunden pfundweise
aus einem einzigen Stamme erhalten werden kann. Welche Verschieden-
heiten in dieser Hinsicht, sowie überhaupt in Betreff der Eigenschaften des
Balsams von Art zu Art vorkommeu, ist nicht ermittelt.
1) welche ich der Güte des Herrn Apotheker Roux in Nyou verdanke.
Baisamum Copaivae.
81
Para sowie Maranham (Beiern) sind die Hauptausfuhrhäfen des Copaiva-
Balsams, dann Carthagena, Maracaibo und Sabanilla am caribischen Meere.
Weniger wird aus Rio Janeiro und von den Antillen ausgeführt. Auf den
letzteren scheinen die Bäume nicht wild vorzukommen.
Der Copaivabalsam ist eine klare Auflösung eines Harzes von zum
Theil stark saurer und eines zweiten von indifferenter Natur in sehr wech-
selnder Menge ätherischen Oeles. Aromatische Säuren fehlen, so dass sich
der Copaivabalsam zunächst den Terpenthinen der Coniferen anreiht,
worunter auch einige Vorkommen (vergl. bei Terebinthina veneta), die sich
durch geringe oder ganz mangelnde Krystallisationsfähigkeit ihrer Harz-
säuren — wenn sie überhaupt vorhanden sind — auszeicliuen und daher
vorzugsweise klar bleiben.
Die Consistenz des Copaivabalsams wechselt bedeutend je nach dem
Verhältnisse seiner Bestandteile. Da das specifische Gewicht des äthe-
rischen Oeles bei gewöhnlicher Temperatur 0,88 bis 0,91 beträgt und das-
selbe oft bei weitem vorwaltet, in älterer Waare dagegen oft durch Ab-
dunstung oder Verharzung bis gegen 30 pC. vermindert ist, so schwankt
auch das specifische Gewicht des Balsams zwischen 0,94 und 0,98 oder
überschreitet sogar bisweilen noch diese Zahlen.
Die Ansicht Pro cter’s, dass nur ältere Bäume Balsame liefern, die reich
an Harzsäure sind, bedarf noch des Beweises.
Die Farbe des Balsams ist hell gelblich; an der Luft wird er nur wenig
dunkler. Der Geruch ist eigenthümlich aromatisch, nicht eben angenehm*
der Geschmack sehr scharf kratzend und bitterlich.
_ Das ätherische Oel, je nach Alter und Herkunft der Waare 30 bis 60
ja 80 pC. betragend, lässt sich nur durch mehrmalige Destillation gewin-
nen. Es besitzt die Zusammensetzung der Ternentliinöle und ih™ „11 <tp-
82 pC. Oel gab, fehlte nach Pos
während Fehling die Krystalle
aus Para, welche
stückiger , Pharmakognosie.
os seit ein Harz von saurer Natur gänzlich,
le eines freiwilligen Absatzes aus derselben
G
82
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Sorte sauer, der Formel G20H28G3 eutspreclieud fand und als Oxycopai-
vasäure bezeichnete. Dieselben schmolzen bei 120° und gingen durch
Aufnahme von H20 in eine unter 100° erweichende amorphe Masse über,
ähnlich wie in dem von Rose bei Elemi (vgl. bei diesem) beobachteten
Vorgänge.
Die Copaivasäure schmeckt bitter, reagirt sauer und bildet mit Blei und
Silber unlösliche krystallinische mit Alkalien amorphe, leicht lösliche Salze.
Die Zusammensetzung der letzteren und die der Säure selbst zeigt völlige
Uebereinstimmung mit Abietinsäure (vergl. bei Terebinthiua communis).
Beide Säuren dürften demnach wohl identisch sein, obwohl bisher der
Copaivasäure die Formel G20H30O- gegeben wurde.
Von der Menge dieser Harzsäure hängt es ab, ob sich der Gopaiva-
balsam klar mit wässerigen Alkalien mischt oder nicht. Ist die Copaivasäure
reichlich vorhanden, so lösen sich dieSalze, auch das des Ammoniaks, völlig
im ätherischen Oele, wenn nicht das Alkali allzusehr vorwaltet. Bei der
Mischung des Ammoniaks mit 3 bis 7 Theilen Balsam tritt eine merkliche
Temperaturerhöhung ein.
. Copaivabalsam, der sich mit Alkalien klar mischt, darf deshalb nnt
einigem Grund als rein betrachtet werden, nicht aber umgekehrt. Der
Balsam aus Para, der jetzt sehr häufig auf den Markt gelangt, gibt regel-
mässig ein trübes Gemisch. Säurereiche Sorten verbinden sich mit den
alkalischen Erden zu allmälig ganz erhärtenden Massen, sofern eine geringe
Menge Wasser zugegen ist. Auf 8 bis 16 Theile des Balsams genügt z. B.
1 Th. etwas befeuchteter Magnesia, um nach einiger Zeit bei gewöhnlicher
Temperatur oder rascher beim Erwärmen eine steife oder harte Verbindung
zu Stande zu bringen. Energischer verbinden sich Kalk und Baryt mit der
Der Copaivabalsam löst sich erst im mehrfachen Gewichte gewöhnlichen,
in weniger stärkeren Weingeistes und mischt sich in jedem Verhältnisse mit
Aceton, Schwefelkohlenstoff und mit absolutem Alkohol. Er nimmt auch
fette und ätherische Oele auf; erstere verrathen sich in einem verfälschten
Balsam dadurch, dass derselbe sich mit wenig absolutem Alkohol nicht
mehr klar mischt. Doch lässt sich in dieser Weise das im Alkohol so leicht
lösliche Ricinusöl nicht finden. Mau muss zu diesem Ende erst das äthe-
rische Oel durch sehr anhaltendes Kochen entfernen, worauf sich der
Rückstand bei etwas beträchtlichem Gehalte an tettem Oele auch nach dem
Erkalten Schmierig zeigt und auf Papier Fettflecken gibt Bei
Mengen verseift man und erhält nach dem Aussalzen und Wiederauflösen
der Seife die Fettsäuren (Ricinölsäure) als auischwimmende Schicht, wenn
mit Salzsäure übersättigt wird. .
Die Beimengung ätherischer Oele ist schwierig und fast nur durch den
Geruch zu erkennen, der sich beim vorsichtigen Erwärmen leichter unter-
scheiden lässt Dabei ist zu berücksichtigen, dass westindischer Copaiva-
ba^sam^efbst terpenthinartig riechen soll. In Amerika scheint das Oel von
Baisamum Copaivae.
83
Radix Sassafras (vergl. diese) in grossem Massstabe zur Verfälschung des
Balsams zu dienen. Bei langsamer Destillation müsste sich das Sassafrasöl
in den ersten Antheilen finden, da es schon weit unterhalb 200° C. zu sieden
beginnt. Wasser, das mit einem durch ätherische Oele verfälschten Balsam
geschüttelt wird, nimmt in sehr geringer Menge vorzugsweise erstere auf.
Lässt man einen Tropfen Copaivabalsam auf reines Wasser fallen, so
erscheinen sogleich farbige Ringe und der Tropfen breitet sich zu einer
scharf umschriebenen Scheibe aus. Ein Tropfen Ricinusöl zerfliesst zu
einer Scheibe, welche nicht scharf abgeschnitten ist, sondern sich mit einem
breiten Netzwerke umgibt. Ein Gemenge von Ricinusöl und Copaivabalsam,
worin % des ersteren, weicht unter denselben Umständen vou den beschrie-
benen Figuren ab. Andere fette und ätherische Oele geben noch weniger
ähnliche Figuren. T o m 1 ins on hat (1 864) auf diese Cohäsiouserscheiuungen
zur ungefähren Beurtheilung, namentlich auch des Copaivabalsams, auf-
merksam gemacht.
Wie in Südamerika Copaivabalsam als natürlicher Firniss verwerthet
wird,1) so dient in ganz Indien ein ähnlicher Balsam, Holzöl (Wood-oil)
genannt, welcher jedoch vou gewaltigen Bäumen aus der Familie derDipte-
rocarpeen 2) abstammt und durch Anbohren und Anschwelen der Stämme
in ganz erstaunlicher Menge, mehrere Jahre hindurch zu 300 bis 400 Pfund
von einem einzigen, erhalten werden kann. Man nennt als Hauptquelle
dieses Holzöles oder Gurjun- Balsams Dipterocarpus incahus Roxburgh
V. turbmatus Gärtner, D. alatus Roxb., D. costcitus Roxb., D. laevis 3j
D. tnnervis Blume und noch andere auf den Inseln und dem Festlande
Indiens verbreitete Arten.
S®lt etwa 25 Jahren in Europa bekannt, ist dieser dem Copaivabalsam
höchst ähnliche Harzsaft unter dem Namen Baisamum Capivi in neuester
Zeit auf dem Londoner Markte vorgekommen. Er unterscheidet sich vom
Copaivabalsam durch trübes, besonders nach dem Verdünnen mit Benzol
grünlich schillerndes Aussehen, etwas dunklere Farbe, höheres specifisches
Gewicht und stark bittern Geschmack. Ganz besonders aber charakterisirt
2? dm'Ch d6U ümstand’ dass er ^ch bei 110°
bis oO C. vorübergehend gallertartig verdickt. Mit wässerigen Alkalien
ischt ei sich nicht oder doch gewöhnlich nicht klar; aber es scheinen auch
ie bei Copaivabalsam lösliche und unlösliche Sorten zu existiren
Das ätherische Oel, welches 20 bis gegen 70 pC. betragen kann ist mit
dem des Copaivabalsams übereinstimmend. Das Harz des Holzöles ist theils
a86r)TtTaHiOShCh, UDd iU Fl0ckeu durch Salzsäure fällbar. Werner
( 63) ertheüt dieser krystalhnischen G u rj u n s ä u r e die Formel G41H«8Os
E-pnngt in die Augen, dass sie in nächster Beziehung zur AbietLäTre
0 nach Wed de 11 in Histoire nat. d. Quinquinas p. 5
3 Tr r Th °ryf°balan0pS Sehört- Siehe bei Camphora.
) nach andern l.efert dieser Riesenbaum keinen Balsam.
6*
g4r I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
(vergl. bei Terebinthina communis) stehen dürfte. Die 1‘ ormel G44 H'4 0
3 H2 0 lässt die Gurjuusäure als Hydrat der Abietinsäure erscheinen und
passt zu den analytischen Daten Werners. Die Auffindung einer nicht
allzugrossen Beimischung von Dipterocarpus-Balsam in Copaivabalsam, ei
wenig Säure enthält, ist nicht wohl möglich. Die medicinischen Eigen-
schaften des letzteren scheinen aber auch dem Gurjuubalsam zuzukommen.
Für sich löst sich der Gurjuubalsam nicht klar in Benzol, selbst wenn er
durch langes Stehen völlig geklärt ist.
Die ersten Nachrichten über einen Copaivabaum, vermuthhch C. bijuga
Willdeuow u. Hoffmannsegg, und dessen Balsam rühren von der brasilia-
nischen Reise Piso’s u. Marcgraf’s (1648) her.
Styrax liquidus.
Baisamum Styrax. Storax liquidus seu liquida. Storax, flüssiger. Styrax
liquide. Liquid storax.
Liquidämbar orientale Miller. — Balsamifluae.
Syn.: L. imberbe1) Aiton.
Platanus orientalis Pococke.
Dieser stattliche 20 bis 30 oder besonders an feuchten Stellen über
40 Fuss hohe, der Platane ähnliche Baum ist auf den südlichen Theil Kle
asiens und Nordsyrien beschränkt. Er bildet dichte schöne Wälder in den
Küstenlandschaften der Meerbusen von Kos udc l Mermendscheh (Marmo-
rizza) den Inseln Rhodos und Kos gegenüber. So besonders in der Nahe
des alten Halikarnassos, jetzt Budrun, dann bei Melasso, Giova Mughla,
auch am Abflüsse des Orontes (Nahr-el-Asy) unweit Antiochia in Syriern
EMge wenige Bäume trafen Unger u. Kotschy auch 186 noch au
Cvpern Nach einer Notiz von Martins2) scheint der Storaxbaum auch
wohl noch in Kaschmir vorzukommen (?)• Die Rinde wird ähnlich wie be
der Platane durch fortwährende Borkenbilduug abgestossen und erreich
, 1 Ptwo 0 01 ra Dicke Erst in den absterbenden durch Korkbaudei
Geweben de,- Rinde älterer Stämme tritt
i Balsam massenhaft auf, sowohl in den sehr zahlreichen dickwandigen
Baströhren als auch hn Parenchym der Inuenrinde mit Einschluss der Mar -
strahlen An Aesten oder jüngeren Stämmen finden sich nur vereinze
Balsam- oder Harzzellen in der Mittelrinde. Der Storax verdankt sonnt
nach Unger seinen Ursprung einer rückschreitenden Metamorphose ver
i i n<rer 7p11pu uud wird nicht in eigenen Orgaueu gebildet.
SCh'm“L G wi g 1 ««-ige,, Storax beschäftigen sich in Kleinasien
T t Tnrkmanen welche im Juni und Juli, wie cs scl.emt, haupt-
sächlteT^dÜM dünneren ’noch fester am Baume haftenden Riudeustiicke ,m
Styrax liquidus.
85
Gegensätze zu der schon völlig abgestorbenen Borke ablösen und daraus
mit Hülfe warmen Wassers den Balsam ausschmelzen, wohl nicht auskochen,
wie angegeben wird.* 1) Volles Sieden müsste zu erheblichen Verlust an
Styrol herbeiführen und zu viel Zimmtsäure in Lösung bringen. Von dem
Balsam werden die Rindenstücke in Pferdehaarsäcke abgeschöpft, gepresst
und dieses Produkt mit dem ersteren in Fässer oder Schläuche aus Ziegen-
fell gegossen. Die Rinde, wohl meist die gepresste, wird in der Sonne
getrocknet und dient mit der nicht gepressten Borke in der griechischen
Kirche unter dem Namen Christholz neben Weihrauch zum Räuchern.
Diese theils korkartig brüchigen, theils mehr zähen, bastreichen Press-
riickstände sehen ziemlich der officinellen Ulmenrinde (Cortex Ulmi interior)
ähnlich und gelangten früher auch unter dem Namen Cortex Thymiamatis
zu uns, jetzt aber seltener mehr. Sie riechen immer noch, besonders in der
Wärme, sehr angenehm und bedecken sich oft mit filzig efflorescirendem
Styracin, das sich durch Benzol leicht rein ausziehen lässt.
Der genannte Bezirk des südwestlichen Kleinasiens liefert jährlich bei
800 Centner Storax, der meist über Kos (Stanchio), Syra und Smyrna
nach Triest geht. Ein kleiner Theil gelangt auch durch das Rothe Meer
nach Bombay und nimmt dort, wie schon Garcia d’Orta in der Mitte des
XVI. Jahrhunderts angab, den Namen Rossamalha, Rose Mallus an, der aber
eigentlich dem analogen Produkte des majestätischen indischen Rasamala-
Baumes, Altingia excelsa Noronha (Liquidambar Altingianum Blume),
zukömmt, welcher hauptsächlich in Bantam und den Preanger Regentschaften
in Westjava wächst. Sein wohlriechendes Harz, das sich in den Höhlungen
abgestorbener Bäume findet,2) ist nicht Gegenstand des europäischen Handels.
Der kleinasiatische Storax ist zähe, dickflüssig, in Wasser untersinkend,
von graulicher etwas grünbräunlicher Farbe und undurchsichtig. Durch
sehr langes Stehen, rascher durch Erwärmung, wird er klar und dunkel-
braun, indem das Wasser verdunstet und die gewöhnlich nur geringen
festen Unreinigkeiten sich absetzen. Nur in sehr dünnen Schichten und
erst nach langer Zeit trocknet der Storax eiuigermassen ein, bleibt aber
immer kleberig. In Terpenthinöl und Benzol löst er sich schon deshalb
nicht klar, weil ein Theil der Bestandtheile in wässeriger Lösung im Balsam
vorhanden ist. Weingeist gibt eine klare dunkelbraune Lösung, indem nur
| die beigemengteu Pflanzenreste und andere Unreinigkeiten Zurückbleiben.
Die englische Pharmacopöe lässt ihn so reinigen (Styrax praeparatus)
Unter dem Mikroskop sieht man im gewöhnlichen trüben Balsam kleine
bräunliche Körnchen oder zähe Tröpfchen in einer diclceu, zähen, farblosen
| und klaren Flüssigkeit, sowie da und dort grosse helle Tropfen. Von Pflanzen-
D noch weniger wahrscheinlich klingt der Bericht, dass zuerst die Rinde für sich allein
gepresst, nachher erst mit Wasser behandelt und wieder gepresst würde.
I S 27 Uneh" hU’ Java(1852)Sl 819-— Zollinger, Syst. Verzeichnis etc. (Zürich 1854)
86
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
resten sind bisweilen verdickte Baströhren kenntlich. Im polarisirten Lichte
zeigen sich zahlreiche sehr kleine Krystallbruchstücke und nur wenige
grössere Tafeln. Setzt man aber dünne Schichten des Balsams auf dem
Objektträger an eine massig warme Stelle, so schiessen sehr bald am Rande
der klaren Flüssigkeit federige oder spiessige Krystalle (Styracin) an, in
jenen grossen scharf umschriebenen Tropfen dagegen rechtwinkelige Tafeln
und kurze Prismen (Zimmtsäure). Bei stärkerer Erwärmung vereinigt sich
alles bis auf die fremdartigen Theile zu einer klaren, tief dunkelbraunen,
dicken Flüssigkeit, welche beim Erkalten nicht oder doch erst nach langer
Zeit krystallisirt.
DerStorax besitzt einen sehr angenehmen, eigenthiimlichen •Geruch und
schmeckt scharf aromatisch kratzend. Hauptbestandtheil desselben ist ein
1839 zuerst von Simon dargestellter Kohlenwasserstoff von der Formel
G8H8, welcher darin in einer flüssigen und in einer festen Modifikation
enthalten ist. Die erstere, das Styrol, Cinnamen oder Cinnamol,
bei 146° C. siedend, von 0,924 specifischem Gewichte, kann schon mittelst
Wasser aus dem Balsam abdestillirt werden, dessen Geruch und brennenden
Geschmack es auch besitzt. Wird es längere Zeit bei 100° C., oder kürzer,
im geschlossenen Rohre, bei 200° C. erhalten, so verwandelt es sich ohne
weiteres in die feste, stark lichtbrechende Modifikation Metastyrol,
welches nun in Aether und Weingeist nicht mehr löslich ist wie das Styrol,
sich pulverisiren lässt und 1,054 specifisches Gewicht zeigt. Durch längeres
Erhitzen geht es jedoch wieder in die flüssige Form über. Das Styrol
absorbirt Sauerstoff unter Bildung einer noch nicht bestimmten Säure. Das
merkwürdige Verhalten dieses den ätherischen Oelen ähnlichen Körpers
erklärt die sehr verschiedene Ausbeute, die wohl nicht dem ganzen ursprüng- j
liehen Gehalte des Balsams an Styrol entspricht, da nach den höchsten
Angaben nur 5 pC. davon erhalten wurden. Kovalevsky tand 1,6 bis
2,8 pC. Metastyrol. Dasselbe entsteht vielleicht erst bei der Darstellung
der Handelswaare oder bei der Destillation des Styrols.
Die übrigen Stoffe des Storax, die Zimmtsäure und das Styracin,
gehören dem Radikal G9H70 (Cinnamyl) an. Die erstere Gy H8 O2 lässt
sich dem Balsam leicht durch Auskochen mit Wasser, vollständiger unter
Zusatz von Soda und Kalk entziehen, wobei das Styrol abdestillirt; man
gewinnt 6 bis 12 pC., ja nach Löwe bis 23,5 pC. krystallisirter Zimmt-
säure. Sie löst sich reichlich in Aether, Weingeist und heissem, wenig in
kaltem Wasser, ist fast geruchlos, schmeckt aber kratzend. In der Glüh-
hitze wird aus derselben unter Austritt von Kohlensäure Styrol erhalten,
welches daher zur Zimmtsäure in der gleichen Beziehung steht, wie das
Benzol zur Benzoesäure.
n . G9H70 n . ..
Das 1827 von Bonastre entdeckte Styracin ^ Zimmtsäure- .
Zimmtäther, wird von Aether oder Weingeist gelöst, nachdem Styrol und
Zimmtsäure, wie angegeben, aus dem Balsam abgeschieden sind, da es in
i • ■
Styrax liquidus. 87
l
Wasser unlöslich und erst in überhitztem Wasserdampf\$ücktig ist. Das
Styracin krystallisirt in Büscheln und schmilzt bei 38° C. (Zimmtsäure erst
bei 1 29° C.), erstarrt aber oft nicht oder erst nach langer Zeit m^dnifjcv,
krystalhnisch oder beharrt überhaupt in ölartig flüssiger Form. Es ist in
reinstem Zustande geruch- und geschmacklos. Durch concentrirtes Kali
zersetzt sich das Styracin in Zimmtsäuresalz und Styron G°H10O (Zirnrnt-
alkohol, Styracon oder Styracol), das im unveränderten Storax nicht vor-
kömmt. Harz ist nur in geringer Menge vorhanden.
Der flüssige Storax enthält demnach die Zimmtsäure zum Theil in
Wasser, grösstentheils aber wohl nebst dem Styracin in Styrol gelöst.
Durch Verdunstung des Wassers und eines Theiles des Styrols wird die
Krystallisation der Säure und des Styracins eingeleitet, aber für das letztere
wieder gehindert, wenn die Erwärmung bis zu seinem Schmelzpunkte steigt.
Da dies bei der Gewinnung des Balsams der Fall sein muss, so ist das Sty-
racin in der Handelswaare nicht auskrystallisirt , sondern nur ein Theil der
Zimmtsäure.
Durch Oxydationsmittel, wie Salpetersäure, Bleihyperoxyd, Chromsäure,
wird dem Styrol und den Cinnamylverbindungen leicht G oder G2 und
Wasserstoff in Form von Kohlensäure und Wasser entzogen, wobei dann
Benzoesäure, Bittermandelöl und Blausäure auftreten, die sich schon reich-
lich entwickeln, wenn z. B. der rohe Balsam mit chromsaurem Kali und
Schwefelsäure gekocht wird.
Neben dem beschriebenen Balsam kömmt auch unter dem Namen Sto-
rax cälämitus ein schmieriges oder ziemlich trockenes Gemenge von flüs-
sigem Storax mit zerkleinerter Rinde desselben Baumes (Cortex Thymia-
matis) oder einfach mit Sägespänen im Handel vor, das besonders in Triest
dargestellt wird. Es besitzt in geringerem Grade den Wohlgeruch des rei-
nen Balsams und ist oft von Krystallisationen des Styracins erfüllt. Früher
kam als Storax calamitus ein in Röhren ') aus Schilf- oder Palmblättern ver-
packter Balsam in Körnern oder geflossenen Stücken vor , der besonders
beim Erwärmen sehr lieblich roch, doch immer sehr selten war. Er scheint
wohl ohne Zweifel durch Verwundung der Rinde von Styrax officinalis L.
(Fam. Styraceae) gewonnen worden zu sein, ist aber längst aus dem Handel
verschwunden, hauptsächlich wohl deshalb, weil heutzutage die holzarmen
Länder Südeuropas (Provence, Italien, Dalmatien, Griechenland, Cypern)
und des Orientes, wo dieser zierliche Strauch oder kleine Baum einheimisch
ist, ihn selten mehr gehörig bis zu dem erst spät eiutretenden Beginne der
Harzabsonderung erstarken lassen. An schenkeldicken Bäumchen im Ama-
nusgebirge unweit Alexandrette (Iskenderum) westlich von Aleppo sali aber
Kotschy in neuester Zeit Harzausfluss, wie er im Alterthum häufiger ge-
wesen zu sein scheint.
) calamut = Halm, Rohr. — Man findet aber häufiger die Bezeichnung Storax calamitcs
oder calaraita.
88
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Hanbury’s gründlichen Nachforschungen ( 1 »57. 1 863), so wie der
Reise ünger’s und Kotschy’s nach Cypern (18G5) verdanken wir erst
die Feststellung der Herkunft des Storaxbalsams. Schon Guillemin hatte
darüber allerdings das Richtige angenommen.
Liquiclambar styraciflua L., einer der grössten Bäume feuchter Wäl-
der der mittleren und südlichen Staaten Nordamerikas, etwa vom 40° nördl.
Br. an, bis Mexico und Centralamerika, läst einen an der Luft erhärtenden
wohlriechenden Balsam hervorquellen (etwa 3 Pfd. jährlich) , welcher aber
selbst in Amerika nur wenig gebraucht wird x). Er scheint Benzoesäure und
Zimmtsäure zu enthalten.
Unter dem Styrax der Alten, z. B. bei Plinius und Dioskorides, ist
daher nur das feste Produkt des Styrax officiualis zu verstehen, welchen
charakteristischen, dem Quittenbaum ähnlichen* 2), filzig behaarten Baum
sie auch unverkennbar beschrieben. Niemand hat eine feste oder doch
erhärtende Ausschwitzung von Liquidambar orientale beobachtet. Erst
Aetius im YI. und Paulus Aegineta im VII. Jahrhundert berichten von
flüssigem Storax. Was sich in älteren Sammlungen noch als Styrax in gra-
nis oder in massa von festem Storax vorfindet, ist entweder nur Gemenge
von flüssigem Balsam mit viel Rindenpulver oder gehört überhaupt nicht
hierher.
Balsamum peruvianum.
Baisamum indicum nigrum. Perubalsam. Baume du Perou. Balsam of Peru.
Myröxylon Sonsonatense Klotzsch. — Papilionaceae-Sophoreae.
Syn. : Myrospermum Sonsonatense Pereira.
Myrospermum Pereirae Royle.
Der oben genannte Baum, vielleicht aber noch andere verwandte Arten,
worunter namentlich auch M. peruiferum Mutis, liefern den heutigen Peru-
balsam. Er scheint zwar jetzt ausschliesslich auf dem schmalen vulka-
nischen Küstenstriche des centralamerikanischen Staates San Salvador ge-
wonnen zu werden , welcher zwischen den Häfen Acahutla und Libertad be-
griffen und unter dem Namen Balsamküste bekannt genug ist. Hier gibt
allein M. Sonsonatense Balsam, während mehrere andere Arten, welche
aber dem nördlichen Theile Südamerikas angehören, wenigstens keinen
Balsam zu Markte bringen.
Es sind ansehnliche, unpaarig gefiederte Blätter tragende Bäume mit
sehr harzreicher Rinde und einsamigeu, durch flache lederartige Flügelränder
höchst eigenthümlich aussehenden Hülsen, wovou 1853 kleine Mengen zu
Parfümerie-Zwecken aus Carthagena nach Liverpool gelangten. Der Same
wird grösstentheils von zwei grossen rinneuförmigen Hohlräumeu um-
*) Parrish, Practical Pharmacy. Philadelphia 1859. p. 353.
2) daher auch jetzt noch in Griechenland Agria Kydonii, wilder Quittcubaum, genanut.
Balsamum peruvianum.
89
schlossen, deren terpenthinartiger wenig gefärbter Inhalt als Balsam von
San Salvador oder Sansonate durch Auspressen erhalten wird. Er riecht
nach Melilotus und setzt mit der Zeit neutrale Krystalle von Myroxocarpin
ab. Dergleichen (oder vielleicht ein dem Cumarin verwandter Körper?)
finden sich auch schon in länger aufbewahrten Früchten, sowohl in den
Balsambehältern als auch im Samen selbst angeschossen. Auch die Blüthen
der Myroxylonbäume sind wohlriechend und die Blättchen mit zahlreichen
Oelräumen versehen. — Freiwillig tritt aus M. Sonsonatense allerdings
nach dem 6. — 8. Altersjahre nicht selten, aber immer nur in geringer Menge
ein bitterliches, durchaus nicht aromatisches Gummiharz von blassgelblicher,
zuletzt grünlicher Farbe aus, welches nach Attfield nur eine Spur äthe-
rischen Oeles, 17 pC. Gummi und 77 pC. sauren unkrystallisirbaren Har-
zes enthält, woraus keine Zimmtsäure erhalten wurde. Eben so sehr ver-
schieden vom käuflichen Balsam zeigte sich das Harz, welches Attfield
(1864) durch Aether aus den in London vorhandenen Stammstücken aus-
zog. Am meisten dieses röthbräunlichen Harzes lieferte das Kernholz, we-
niger der Splint und die Rinde ; allein der Geruch erwies sich ganz von dem
der Handelswaare abweichend und Zimmtsäure fehlte. Auch bei vorsichti-
gem Erhitzern liess sich aus Holz oder Rinde kein Perubalsam ausschmelzen.
Die neuesten Erkundigungen über die Gewinnung des Balsams hat
Hanbury 1863 von Dorat, einem Bewohner Sansonates’, unweit der
Balsamküste, eingezogen. Yon den daselbst in Menge vorkommenden, zum
Theil angepflanzten Balsambäumen werden in zahlreichen kleinen Dörfern
gegenwärtig über 8000 ausgebeutet, was regelmässig nach den Sommer-
regen vom November bis Mai stattfindet. Die Indianer beginnen damit,
durch Axt- oder Hammerschläge die Rinde des Stammes weich zu klopfen,
wobei einzelne Seiten jedoch für das folgende Jahr verschont bleiben. Nach
5 oder 6 Tagen werden die bearbeiteten Stellen durch Fackeln angebrannt
und nach weiteren 11 Tagen entblösst, wenn nicht die Fetzen der Rinde
von selbst abfallen. In wenigen Tagen beginnt nun der hellgelbliche, nach
andeieu etwas grünliche Balsam auszuschwitzen, worauf sogleich die
Blossen mit den ersten besten Zeuglappen bedeckt werden, um denselben
aufzufangen. Die gesättigten Lappen erwärmt man in einem irdenen Topfe
mit Wasser, wodurch der Balsam dunkler wird und sich beim Erkalten im
Grunde des Topfes absetzt. Durch Auspressen der Lappen vermittelst einer
höchst primitiven Vorrichtung wird noch viel Balsam gewonnen. Nach
kurzem Absitzen giesst man das Produkt in flaschenförmige Fruchtschalen
(Tecomates) meist von Crescentia cucurbitina L. , aus der Familie der Ges-
neriaceen. Ott dienen auch thönerne aus Europa herübergekommene Krüge
zur Versendung.
Ein Baum ist bei dieser Behandlung im Stande, dreissig Jahre hindurch
Basam zu geben, oder selbst länger, wenn ihm eine Ruhezeit von 5 bis
i Jahren gegönnt wird. 100 Bäume gewähren eine jährliche Ausbeute von
90
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
ungefähr 17 Arrobas, was etwa 250 Kilogr. entsprechen dürfte. Im Ganzen
sollen aber jährlich über 12000 Kilogr. ausgeführt werden.
In früherer Zeit wurden Einschnitte in die Stämme gemacht und der
zuerst austretende Balsam angezündet. Es scheint demnach, dass ein reich-
licherer Erguss desselben erst nach dem Schwelen eintritt, ähnlich wie
dies auch bei den Dipterocarpus-Arten (siehe S. 83) der Fall ist.
Yor der Invasion der Europäer fällten die Indianer und nachher auch
die Spanier bisweilen die Bäume und kochten den Balsam direkt aus, wobei
ohne Zweifel, nach den oben erwähnten Versuchen Attfields, ein ver-
schiedenes Produkt erhalten werden musste. Das Fällen wurde durch die
Spanier verboten; das Schwelen ist aber jedenfalls nach dem Zeugnisse
von De Laet schon seit Anfang des XVII. Jahrhunderts im Gebrauche.
Von der Balsamküste ging der Balsam zur Zeit der spanischen Herr-
schaft mit anderen Erzeugnissen zunächst ausschliesslich nach Callao und
erhielt daher den Namen Peru-Balsam.
In Europa wird der Balsam nöthigenfalls noch durch Zusammengiessen
und einfaches Absitzenlassen geklärt. Er ist dann eine Flüssigkeit vom
Aussehen der Melasse, klar, braunroth bis tief dunkelbraun, in dünneren
Schichten vollkommen durchsichtig. Trotz des bedeutenden specifischen
Gewichts von 1,15 bis 1,16 ist der Balsam ziemlich dünnflüssig, nicht kle-
bend und hält sich an der Luft Jahre lang unverändert und ohne Krystalle
abzusetzen.
Er reagirt sauer; 100 Theile gewöhnlichen guten Balsams sättigen 6 bis
8 Theile krystallisirten kohlensauren Natrons. In verdünnter alkoholischer
Lösung färbt der Balsam sich durch Aetzlauge grünlich.
Wasser nimmt beim Schütteln mit dem Balsam durch ein wenig Zimmt-
säure saure Reaction an, löst aber sonst fast gar nichts. Mit Amylalkohol,
Aceton und Chloroform, auch mit absolutem Alkohol mischt sich der Bal-
sam völlig oder fast klar. Verdünnter Alkohol, Aether, fette und ätherische
Oele lösen den Balsam nur zum Theil unter Abscheidung von Harz. Käuf-
liches Benzol färbt sich auch beim Erwärmen damit nur sein wenig und
eignet sich daher am besten zur Auffindung betrügerischer Zusätze, iudem
fette und flüchtige Oele, sowie Copaiva-Balsam und Terpenthiu sich klar
und reichlich in Benzol lösen.
Die Lösung des Balsams in Aceton zeigt kaum eineSpur von Drehungs-
vermögen für das polarisirte Licht. Der eigenthüm liehe, sehr angenehme
Geruch des Balsams erinnert an Benzoe uud Vanille. Er schmeckt aber
sehr scharf kratzend und bitterlich.
Der Perubalsam ist nicht ohne Zersetzung destillirbar uud enthält
kein ätherisches Oel. Die gelblichbraune Oelschicht, welche sich über den-
selben bei der Digestion mit Aetzlauge und Aether oder Schwefelkohlenstoff
erhebt, das sogenannte Per ub alsam-Oel, das etwa die Hälfte des Bal-
sams ausmacht, ist kein einfacher Körper, besteht aber grössteutheils aus
Balsaraum peruvianum.
91
Cinnamein In r6inGm Zustande ist dasselbe eine farblose,
schwach aromatische scharf schmeckende Flüssigkeit von 1,098 specifischem
I
I
I
Gewicht, welche für sich nicht ohne Zersetzung flüchtig ist, aber von über-
hitztem Wasserdampfe mit fortgerissen wird. Das Cinnamein löst sich in
Aether und Weingeist und wird bei langer Berührung mit der Luft sauer
und iibelrichend. Sehr concentrirte Kalilauge zerlegt in der Kälte das Cin-
namein in Benzalkohol G7H 8 G (sogenanntes Peru vin) und Zimmtsäure
G9H802, so dass ersteres als Zimmtsäure-Benzäther (Benzyl- Cinnamat)
aufzufassen ist. Das Cinnamein scheint bisweilen auch in einer krystalli-
sirten Modification (Metacinnamein Scharling’s) auftreten zu können,
setzt aber auch oft Krystalle von Zimmtsäure — Zimmtäther (Cinnamyl-
Cinnamat. Metacinnamein Fremy’s,) ab, identisch mit dem Styracin im
Styrax liquidus.
Bei der Behandlung des Perubalsams mit Aetzlauge bilden die iu ge-
ringer Menge frei vorhandene Zimmtsäure so wie die Harze mit dem
Akali verbunden die untere Schicht.
Die Harze scheinen nach Fremy als Hydrate des Cinnameins betrachtet
werden zu können, durch dessen Oxydation auch die Zimmtsäure entstanden
sein dürfte. Es wäre hiernach erklärlich, dass das oben geschilderte von
den Indianern ausgeübte Verfahren zur Gewinnung des Balsams von wesent-
lichem Einfluss auf die chemische Beschaffenheit desselben sein muss.
Unverändert dem Baume entnommen würde der Balsam vielleicht nahezu
reines Cinnamein sein.
Durch trockene Destillation der Harze des Perubalsams erhält man
Benzoesäure, Styrol (Cinnamol. Vergl. bei Styrax liquidus) und wahrschein-
lich ätherartige Verbindungen der ersteren. Auch fanden Wöhler und
Fr er ich s nach dem innerlichen Gebrauche von Penibalsara im Harne
Hippursäure wie nach dem Genüsse von Benzoesäure.
Die Färbung des Balsams ist wohl grösstentheils der Schwelung zuzu-
schreiben, welche er erleidet. — Rebling hat darin auch 1 pC. Zucker (?)
getroffen.
Feste oder doch terpenthinartige und alhnälig erhärtende, zum Thel frei-
willig ausfliessende Balsame von Myrospermum-Arten, welche früher als
Baisamum indicum album, B. Peruvian. siccum, Opobalsamum siccura be-
kannt waren, kommen jetzt, mit Ausnahme des Tolubalsams nicht mehr
im Grosshandel vor.
Aus den Berichten Dorats folgt, dass der Balsam schon vor der
spanischen Eroberung von den Indianern gewonnen und auch als Tribut
an die Häuptlinge abgeliefert wurde. Die spanischen Schriftsteller der fol-
genden Jahrhunderte rühmen immer den Balsam derselben Küste und päpst-
liche Bullen aus der Mitte des XVI. Jahrhunderts1) verordueten dessen Ver-
wendung zum Chrisma der katholischen Kirche.
L Buchucr’s Repertor. X. S. 302 (1861).
92
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Balsamum tolutanum.
Resina tolutana. Tolubalsam. Baume de Tolu. Balsam of Tolu.
Myröxylou toluiferum Humboldt, Bonpland u. Kunth. — Papilionaceae-
Sophoreae.
Syn.: Myrospermum toluiferum Richard.
Diese botanisch nicht hinreichend bekannte Art, welche den bei Balsam
peruvianum erwähnten Balsambäumen ähnlich ist, gehört den Bergen der
Nordküste Südamerikas, vorzüglich dem unteren Gebiete des Magdalena-
stromes an. Der Balsam wird besonders in der Gegend von Turbaco, dann
bei Mercedes und Plato, längs des Flusses bis Mompax, auch wohl bei
Tolu, südwestlich von Carthagena, gewonnen. Jedoch liefern vermuthlich
auch andere Bäume mehr, möglicherweise sogar M. peruiferum, diesen Bal-
sam. Er üiesst aus Bohrlöchern ziemlich dickflüssig aus und wird nach
Weir (1864) ohne weiteres in Calebassen aufgefangen und flussabwärts
verschifft. Ganz im Gegensätze zum käuflichen Perubalsam ist der von
Tolu ausgezeichnet durch die grosse Neigung, allmälig aus der Terpenthin-
consistenz in durch und durch krystallinischen harten Zustand überzugehen.
Er erinnert hierdurch an das Elemi.
Frisch ist der Tobubalsam braungelb, in dünnen Schichten, von unbe-
deutenden Unreinigkeiten abgesehen, vollkommen durchsichtig, ohne. Kry-
stalle, und kann sich auch einige Jahre so halten. In letzter Zeit gelangten
Proben dieses zähflüssigen Balsams zu uns , gewöhnlicher aber findet inan
im Handel die erhärtete Waare, deren krystallinische Struktur sich unter
dem Mikroskop, zumal im polarisirteu Licht, aufs deutlichste zeigt. Schmilzt
man solche Rrystallmassen vorsichtig, so erstarren sie formlos. Specifisches
Gewicht des krystallinischen Balsams ungefähr 1,2; er erweicht schon bei
ungefähr 30° C. und schmilzt bei 60 — 65° C.
Fest erhalten wir den Balsam in krystallinisch glänzenden, zu blass-
gelblichem Pulver zerreiblichen Stücken von bräunlicher, etwas ins Rötli-
liche spielender Färbung und feinerem Gerüche als der Perubalsam, dessen
Schärfe ersterem fehlt. Tolubalsam schmeckt nur wenig kratzend , aroma-
tisch, kaum säuerlich, obwohl die Lösung in Weingeist sauer reagirt. Er löst
sich auch leicht und vollständig in Aceton, gewöhnlichem Weingeist, Chloro-
form, Aetzlauge, weniger in Aether, kaum in flüchtigen Oelen, nicht in Benzol
noch in Schwefelkohlenstoff. Auch der noch etwas flüssige nicht krystal-
üsirte Balsam wird von letzterem kaum angegriffen. Hierin liegt das Mittel
zur Entdeckung einer Reihe etwaiger Verfälschungen. Colophonium z. B.
löst sich in Schwefelkohlenstoff, Aether und flüchtigen Oelen leicht.
Die Lösungen des Tolubalsams setzen beim Verdunsten keine Krystalle
ab. Wird der Balsam mit viel Wasser destillirt. so geht etwa 1 pC. Tolen.
@io H«, eine für sich bei 160— 170° siedende Flüssigkeit über, welche
begierig Sauerstoff aufzunehmen im Stande ist. Obwohl die Oxydations-
Oleum Cajeput.
93
Produkte noch uicht verglichen sind, so vermuthet doch Scharling im
Tolen den Hauptbestandtheil des ursprünglichen Tolusaftes, woraus all-
mälig die Harze sowie die Zimmtsäure und Benzoesäure entständen, welche
im festen Balsam vorhanden sind. Digerirt man denselben mit wässerigem
Kali, so verbinden sich die Harze und die Säuren damit und das Tolen
schwimmt an der Oberfläche. Der Rückstand von der Destillation des Tolen
gibt bei der trockenen Destillation unter starker Entwickelung von Kohlen-
oxyd und Kohlensäure Krystalle von Benzoe- und Zimmtsäure und eine
I Flüssigkeit, welche grösstentheils aus Toluol (Benzoen, Dracyl), 07H8,
Phenylsäure (Carbolsäure) und aus Aethern der Benzoesäure besteht.
Die Harze des Tolubalsams, welche wohl die Hauptmasse der krystal-
i linischen Droge ausmachen , sind noch nicht befriedigend isolirt worden.
Ein in Kali löslicher Autheil, das Betaharz, würde nach Scharling
der Formel G18H20-O5 entsprechen. Mit Salpetersäure gibt nach E. Ko pp
das rohe Toluharz ein Drittel seines Gewichtes Benzoesäure und andere
Verbindungen des gleichen Radikals. Fremy hält die Harze des Peru-
i und Tolubalsams für identisch mit denen der Benzoe; eine Beziehung
I derselben zu dem Myroxocarpin (siehe bei Bals. peruvian.) ist einstweilen
nicht ersichtlich.
Cinnamei'n und Styracin fehlen dem Tolubalsam ganz, so dass seine
! Zusammensetzung sich mehr von derjenigen des Perubajsams unterscheidet,
i als sich auf Rechnung der von dem letzteren erlittenen Schwelung setzen
lässt. Es wäre aber offenbar von grossem Interesse, die unveränderten
Harzsäfte dieser Balsambäume vergleichen zu können.
Die in der Mitte des XVI. Jahrhunderts von Mouardes beschriebene
Resiua Carthaginensis dürfte wohl unser jetziger fester Tolubalsam ge-
wesen sein.
Oleum Cajeput.
Oleum Cajuputi. Cajeputöl. Essence de cajeput. Oil of cajuput.
1) Melaleuca minor Smith. — Myrtaceae.
Syn: M. Cajaputi Roxburgk.
M. trinervis Hamilton.
2) M. Leucademlron L.
Diese immergrünen Bäume und Sträucher gehören in grosser Zahl
hauptsächlich den Molukken an und zeichnen sich durch hellgrüne spitz
lanzettliche etwas durchscheinend drüsige Blätter aus, welche am Grunde
last parallel zur Axe gedreht sind. Durch die dichten weissen Blüthenähren
am Ende der schlanken Zweige und die oben weissliche, zu unterst am
otamine schwarze Borke erhalten die Bäume ein sehr zierliches Aussehen1).
R worauf sich auch ihre verschiedenen Namen beziehen , sowohl das raalaische kaiu
oss und putie Holz, als das griechische pA«? schwarz, XeuxÖ? glänzend weiss.
94
I. Pflanzenatoffe ohne organische Structur.
Die Blätter der ersten Art sind nur wenig über 0,0 1 m breit, die des
zweiten ohnehin kräftigeren ja bis 50 — 60 Fuss hohen Baumes beträchtlich
breiter.
In sehr einfacher Weise wird aus den Zweigen, vorzüglich auf der Insel
Buru (holländisch Boeroe) in der Residente Amboina , westlich von der
gleichnamigen kleineren Insel, das ätherische Oel destillirt und in kupfernen
oder gläsernen Flaschen ansgeführt. Bei der Destillation scheinen auch
flüchtige Säuren mit iiberzugeheu, welche bei Anwendung kupferner
Blasen dem Produkte schon von Anfang an eine grüne Farbe mitzu-
theilen vermögen.
Für sich ist das Oel nicht grün, sondern gelblich, bräunlich oder farb-
los. Ich besitze eine solche authentische Probe von Z ollinger aus Ambon
selbst. Doch scheint bisweilen auch wohl ein grünliches Oel vorzukommen,
dessen Farbe nicht durch Kupfer allein bedingt ist und bei der Rektifikation
nicht verschwindet. Ob es in anderer Weise absichtlich gefärbt ist, oder
von anderen Pflanzen abstammt, ist nicht festgestellt.
Alles zu uns gelangende Cajuputöl jedoch verdankt einem sehr geringen
Kupfergehalte seine Farbe. Ein Tropfen verdünnter Salzsäure genügt, um
dieselbe aufzuheben. Wird nun etwas Weingeist und Blutlaugensalzlösung
zugegeben, so entsteht ein sehr unbedeutender sich langsam absetzender
Niederschlag von rothern Ferrocyankupfer.
Das Oel riecht eigeuthümlich, an Campher, Rosmarin und Minze erin-
nernd, doch nicht eben unangenehm. Spec. Gewicht 0,926. Es erstarrt
selbst bei —25° C. nicht und destillirt zu 2/3 zwischen 175— 178° ab.
Diesen farblosen Autheil fand Sch midi ( 1860) nach der Formel
Q io jj ig ~j_ h 2 G zusammengesetzt. Durch concentrirte Schwefelsäure kann
diesem flüssigen Caj eputenhydrat die Hälfte seines Wassers entzogen
werden, während es nach längerem Schütteln mit verdünnter Schwefelsäure
Krystalle von GIÜ H1B -+- 3 H2 0 absetzt. Wiederholt über wasserfreie
Phosphorsäure rektificirt, liefert jener bei 175° kochende Autheil zuletzt
C ajeputen G10H16, eine unter 165 0 siedende Flüssigkeit von Hyaciuthen-
Geruch und 0,850 spec. Gewicht, die sich au der Luft nicht verän-
dert, während das Cajeputenhydrat selbst leicht sauer wird und sich mit
Alkalien verbindet. Neben dem Cajeputeu entstehen auch isomere Kohlen-
wasserstoffe von höherem specifischem Gewichte und höherem Siedepunkte,
Isocajeputen und Paracajeputcn, letzteres blau fluorescireud und rasch ver-
harzend. Schmidl hat auch zum Theü krystallisirende Verbindungen des
Caieputens mit Chor-, Brom- und Jodwasserstoff erhalten. Mit Salpeter-
säure liefert das rohe Oel nach Schwanert hauptsächlich Camphresiu-
säure keine Camphersäure (vergl. bei Camphora). Es löst sich ruhig in
Jod und vermag keine oder nur eine höchst geringe Drehung der Rotation s-
ebene des polarisirten Lichtes zu bewirken, wodurch es sich sehr von Ter-
penthinöl und manchen anderen Oelen unterscheidet.
Oleum Rosae.
95
Es scheinen noch andere Melaleuca- Arten gleiches Oel zuenthalten.
Das Cajeputöl wurde bei uns zuerst 1717 durch Maximilian Locher
bekannt; es hiess damals auch Wittneben’sches Oel, nach M. v. Witt-
ueben, einem Prediger aus Wolfenbüttel, welcher dessen Darstellung
zuerst lehrte. Doch scheint derselbe vielmehr Cardamomen- als Melaleuca-
Blätter verarbeitet zu haben. — In der chinesischen und malai sehen Medicin
steht das Cajeput-Oel schon seit langem in hohem Ansehen.
Oleum Rosae.
Oleum Rosarum. Rosenöl. Essence de roses. Otto or attar of roses.
1) Rosa moschata Miller. — Rosaceae.
2) Rosa damascena Miller.
Syn. : R. bifera Persoon.
Diese und wohl noch andere im Oriente einheimische und viel kultivirte
Arten dienen zur Gewinnung des Rosenöles. Die Moschusrose ist ursprüng-
lich in den Thälern von Nepal am Himalaja zu Hause, aber schon seit Jahr-
hunderten westwärts gewandert und jetzt in den wärmeren Mittelmeer-
ländern verwildert. In unseren Gärten wird sie nicht häufig gezogen. Im
Vaterlande erklimmt diese Art hohe Bäume und lässt ihre kleinen weissen
selten röthlichen Blumen in reicheu Trauben herabhängen. Ihr Wohlgeruch
1 erinnert schwach an Moschus; sie sind einfach oder gefüllt.
Die Damascener-Rose, deren Heimath nicht mehr genauer zu bestimmen
i ist, unterscheidet sich durch mehr längliche Blüthenknospen und kräftiger
duftende Blumen von Rosa, gallica, welche oft auch als Damascener-Rose
bezeichnet wird. Rosa damascena findet sich in der Cultur in einer Menge
meist nicht ganz gefüllter Spielarten, welche jährlich mehr als einmal blühen.
Von der geringen Produktion Südfrankreichs abgesehen, ist als einer
der Hauptsitze der Destillation von Rosenöl bekannt die Stadt Ghazipur am
1 Ganges (zwischen Benares und Patna), in deren Nähe hunderte von Mor-
gen (acres) mit regelmässigen Reihen purpurn blühender Rosenbüsche be-
setzt sind. Das dort mitgewonnene Rosenwasser ist in Indien so allgemein
im Gebrauche, wie bei uns das Kölnische Wasser.
. ,Die ehemals berühmte Rosenzucht von Srinagar, der Hauptstadt Kasch-
mir s, scheint jetzt im Verfall zu sein. Auch Schiraz in Südpersien, seiner
Rosen wegen sonst hoch gefeiert, liefert kein Rosenöl1), sondern höchstens
Rosenwasser, und bezieht das erstere aus Indien.
Medmet-Fajum, südwestlich von Kairo, deckt den grossen Bedarf Ae-
gyptens an Rosenöl, Rosenessig und Rosenwasser. Auch Tunis lieferte diese
Präparate.
Für den europäischen Handel sind jedoch die genannten Produktions-
1 ) Brugsch’ Reise d- Preu3S- Gesandtschaft nach Persien. Leipzig 18G3. II. S. 181.
96
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
gegenden ohne alle Bedeutung, so dass es z. B. selbst Haubury (1859)
in London nicht möglich war, eine Probe indischen Rosenöles aufzutreibeu.
Es sind die Südabhänge des Balkan gegen die obere Maritza, wo unge-
fähr 150 Ortschaften in grossartigstem Massstabe die Roseucultur betreiben;
vorzüglich die Gegenden von Kezaulyk, Eski-Sagra, .Jeni-Sagra, Karlowa,
Csirpau und Philippopel. Die Blüthezeit fällt hier ziemlich vollständig in
den Mai und Juni, so dass es schwer hält, alle Blumen zu benutzen. Die j
Destillation geschieht aus kupfernen Blasen von massiger Grösse. Kezau-
lyk lieferte 1857 allein 199,000 Midkäl1) Oel von 600,000 Francs Werth; j
der ganze Bezirk jährlich etwa 300,000 bis 600,000 Midkäl. Frost und
Raupen können die Ernte in Grösse und Güte sehr herabdrücken.
Das Rosenöl wird in Blechflaschen nach Konstantinopel gebracht und
in vergoldete Gläser von deutschem Fabrikate umgefüllt, dabei aber regel-
mässig verfälscht. Hierzu dient entweder Walrath oder weit häufiger ein
ätherisches, rosenähnlich riechendes Oel, türkisch Idris Yaghi genannt,
welches über Aegypten und Dschidda (Hafen von Mekka) in sehr grosser
Menge aus Bombay bezogen wird. Nach Haubury stammt dieses in Indien
Roschi-, Rosia-, Rusa-Oel, in London Ingwer-Oel, Geranium- oder Gras-Oel
genannte Destillat von verschiedenen indischen Gramineen aus dem Genus
Andropogon. Schmarda traf (1861) bei Galle auf Ceylon Pflanzungen
solcher aromatischer Gräser (Lemon-grass und Citronoil-grass) und in
Kaschmir wurden dieselben gleich mit den Rosen destillirt. In neuester
Zeit hat dasIdris-Oel (fälschlich türkisches Geranium-Oel) seinen Weg auch
nach den Rosendörfern am Balkan gefunden, so dass selbst von dort kaum
mehr unverfälschte Waare auf den Markt geht. Anderweitige Angaben,
dass Idris Yaghi von Pelargonium Radula Aiton, P. rosewn Willdenow,
P. capitatum Aiton und noch andern Geraniaceen gewonnen werde, wider-
legte Haubury durch die Beobachtung, dass dieses in Frankreich und
Algerien zu Parfümerie-Zwecken allerdings viel bereitete Oel sich im Pieist
höher stellt, als das Idris-Oel, rechts rotirt und verschieden vom Roschi-
Oel aus Bombay riecht, welches die Rotationsebene des polarisirteu Lichtes
nicht dreht und auch von Jod wenig angegriffen wird.
Das Geranium oder Pelargonium-Oel führt auch den Namen Palmarosa-
Oel und riecht sehr angenehm an Rosen erinnernd. ^
Das Rosenöl besteht aus wechselnden Mengen eines bis -f- 35° C. festen,
in sechsseitigen Blättchen krystallisirten Kohlenwasserstoffes und eines
flüssigen, sauerstoffhaltigen Antheiles. ln einer, wie es scheint, unver-
fälschten, vom Fabrikanten Herman in Kezaulyk selbst empfangenen
Probe, welche bei 18,5° C. schmolz, fand Haubury 6,7 pC. des in kaltem
Weingeist (0,838 sp. G.) unlöslichen, festen Stearopteus; in einem in Eng-
land von Allen u. Haubury selbst dargestellten, bei 33°C. schmelzenden
Oele dagegen 68 pC. Stearopteu. Auch die südfranzösischen Proben aus
l) 1 Midkäl = 4.794 Gramm.
Campliora.
97
Cannes und Grasse zeigten, der englischen ähnlicher als der türkischen,
wenigstens 35 pC. Stearopten. Ein deutsches Oel, von Zeller dargestellt,
schmolz sogar erst bei 3 7,5°. — Der Einfluss des Klimas ist daher offenbar
sehr bedeutend.
Das Stearopten scheint nicht der Formel der Camphene oder Terebene
zu entsprechen, sondern die Zusammensetzung G16H32 zu besitzen. Es
siedet bei 280 — 300° C. (Blanchet) und behält den Rosengeruch auch
bei dreimaliger Sublimation über geglühte Holzkohle oder bei Digestion der
Lösung mit Thierkohle.
Noch weniger genau untersucht ist der sauerstoffhaltige Bestandteil;
er scheint saure Eigenschaften zu besitzen und ein wenig links zu rotiren.
Reines Rosenöl soll sich nach Guibourt bei gewöhnlicher Temperatur in
einer Joddampf Atmosphäre nicht verändern, Idris-Oel und Geraniurn-Oel
werden braun. Rosenöl zeigt ein specifisches Gewicht von 0,87 oder
selbst 0,89.
Die Ausbeute beträgt selbst in Indien nur Hundertstel eines Promille.
100,000 Blumen sollen nur etwa 10 Gramm Oel geben. In der Gegend von
Philippopel soll etwa V3 pro Mille gewonnen werden.
So wichtig auch im Alterthum die Rolle der Rosen war, so wurde doch
damals nur ein fettes Oel (oleum coctum) mit Hülfe derselben dargestellt.
In Indien jedoch dürfte die Kenntniss des ätherischen Rosenöles älter sein.
Es wird wenigstens schon im Anfänge des XVII. Jahrhunderts von Kaschmir
erwähnt.1) Im Orient führt es den arabischen Namen Atar (Wohlgcruch)
und daiaus verdorben auch Atir, Uttir, Otir, Itr. Der englische Spracli-
genius hat schliesslich „Otto of Roses“ als Bezeichnung für Rosenöl davon
abgeleitet!
Camphora.
Campher. Laurmeencampher. Japanischer oder chinesischer Campher.
Camphre. Camphor.
Campliora officinarum C. G. Nees. - Laurineae.
Syn. : Laurus Camphora L.
Cinnamomum Camphora Fr. Nees.
Persea Camphora Sprengel.
,,, . Der Campherbaum ist von Cochincliina und den südöstlichen Provinzen
Ohmas (Kung-tung oder Guan-dun und Fukian) an bis nördlich vom Amur
unc c uich Japan sehr weit verbreitet, in grösster Menge wächst er vielleicht
in. Kustenlande zwischen Schanghai und Amoy, welche letztere Stadt auch
der Hauptstapelplatz für den Campherhandel ist, indem auch die Berge der
gegenüberliegenden Insel Thaiwan oder Formosa mit dem Campherbaum
') Martius iu Buchuor’s Repcrtor. VIII. S. 387
Flückiger, Pharmakognosie.
98
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
bedeckt sind und jährlich 400,000 Kilogr. Campher liefern. In diesen
Gegenden bildet der schöne hohe Baum dichte Wälder und wird auch im
Grossen angebaut. — Er gedeiht sehr gut in allen tropischen und sub-
tropischen Ländern, sogar in ganz Italien, schon bei Genua (Villa Pallaviciui)
und zeichnet sich durch Zartheit der Belaubung vor den übrigen meist
steifblätterigeu Laurineen aus.
Alle Theile des Baumes enthalten ein ätherisches Oel, das ohne Zweifel
Anfangs nach der Formel G10Hli; zusammengesetzt ist, aber leicht Sauer-
stoff aufnimmt und besonders in den älteren Theilen des Baumes in gewöhn-
lichen Campher Gl0Hl6G übergeht. Jenes Campheröl ist nicht eigentlich
Gegenstand des Handels, gelaugt aber doch bisweilen zu uns und ist vou
Martius u. Riecker (1838), sowie von Lallemand (1859) untersucht
worden. Nimmt man an, dass der Campherbildung noch Zwischenprodukte
vorausgehen, so würde die von den ersteren Chemikern für rektificirtes
Campheröl gefundene Zusammensetzung 2 (G10 H1(')0 sehr wohl einem
solchen unvollständigen Oxydationsprodukte entsprechen, das noch flüssig
oder halbflüssig wäre. Dieselbe Formel würde aber auch auf ein Gemenge
von Campher und Campheröl passen, wenn gerade gleiche Aequivalente
beider durch die Rektifikation erhalten würden. So wenig das nun auch
für alle Fälle wahrscheinlich ist, so ist doch eine genaue Trennung des
Oeles vom Campher unausführbar. Der grössere Theil desselben bleibt
zurück, ein anderer Antheil aber verdampft mit. Setzt man das rohe Oel
der Kälte aus, so beginnt die Krystallisation des Camphers schon bei etwa
-j- 6° C. Es ist daher am wahrscheinlichsten, dass das Oel ein Gemenge
von Campher mit einem dem Citronöl am nächsten stehenden Kohlen-
wasserstoffe O10H16 ist. Es hinterlässt bei freiwilligem Verdunsten zuletzt
auch ein wenig schmieriges Harz.
Beim Spalten des Holzes finden sich im Campherbaume sehr reine
tropfenförmige oder krystallisirte Ablagerungen des Camphers; er scheint
aber auch aus den Blättern und jüngeren Zweigen erhalten zu werden.
Man kocht zu diesem Zwecke die zerkleinerten Pflanzentheile mit viel
Wasser in Kesseln aus, wobei der Campher sich sehr reichlich mit den
Dämpfen verflüchtigt, obwohl er für sich erst bei 204° C. kocht. Er subli-
mirt in den Helm , welcher oftmals in einfachster Art aus einem irdenen
mit Reisig ausgelegten Topfe oder gar nur aus einem hölzernen gewölbten
oder konischen Deckel besteht. Ob nicht gleichzeitig bei zweckmässigerer
Einrichtung Campheröl gewonnen oder ob dasselbe immer eigens, vielleicht
nur aus Blättern, destillirt wird, findet sich nicht angegeben. Debeaux1)
erzählt nach Macartney, dass auch wohl die beim Auskochen auf-
schwimmenden Campherköruer mit Thon und Kalk gemischt sublimirt
würden. In roherer Weise wird angeblich z. B. auf Thaiwan einfach die
gekochte Masse colirt. Wie durch dieses Verfahren eine erhebliche Ausbeute
1) Essai sur la Pliarm. et la raat. medic. des Chinois. Paris, Baillifcre, 18G6. p. 23.
Camphora.
99
zu erzielen ist, lässt sich nicht gut einsehen. Auch Japan liefert Campher
in den europäischen Handel.
Der nach Europa gelangende Rohcampher besteht aus schon ziemlich
reinen Körnern, die nur etwas graulich oder röthlich aussehen, aber bei der
Auflösung in Weingeist nur wenig Unreinigkeiten, oft z. B. etwas Gyps zu
hinterlassen pflegen. Aus Japan kömmt der Rohcampher über Batavia in
grosse durch Stroh- und Rohrgeflecht geschützte Röhren verpackt nach
Europa (Röhrencampher), aus China dagegen über Canton in mit Blei aus-
geschlagenen Kisten (Kistencampher). Die grauliche chinesische Waare ist
weniger rein.
In Europa wird der Rohcampher mit etwas Kohle oder mit Sand und
Aetzkalk gemischt umsublimirt und in grossen 1 bis 2V2 Kilogr schweren
concav-convexen Kuchen, welche in der Mitte ein der Kolbeuöffuung ent-
sprechendes grosses Loch zeigen, als raffinirter Campher in den Handel
gebracht. Zur Sublimation nämlich dienen eigene, sehr flache gläserne
Kolben ohne Vorlage, welche im Sand- oder Aschenbade äusserst langsam
erhitzt werden. Nach dem Erkalten werden sie zerschlagen Der Roh-
campher reagirt nicht sauer, so dass der Zusatz von Kalk wohl nur Spuren
von Harz oder empyreumatischeu Oelen zurückhält und vor Zersetzung
schützt. In England und Holland, sowie in Hamburg und Paris wird der
Campher in grösster Menge raffinirt, was der leichten Entzündlichkeit und
des hohen Preises der Waare wegen mit grosser Sorgfalt geschieht Auch
muss die passende Temperatur durch den heissen Sand oder die Asche genau
emgehalten werden, damit sich dichte Kuchen oder Brote, nicht nur lockere
““‘'^ns Diin stad
»Ä fr? md durchsichtig’ “hervon sehr zahlreichen
Rissen durchsetzt und daher trotz der Zähigkeit brüchig. Bei freiwilliger
ausseist langsamer Verdampfung in gewöhnlicher Temperatur sublimirt der
gerbge^Härte^^ glänzenden hexagonalen Tafeln oder Säulchen von nur
geringer Halte Erst nach der Befeuchtung mit Weingeist lässt sich der
Campher zerreiben. Er schmilzt bei 175°C. und kocht bei 204° C»hne
Zei setzung, verdampft aber schon bei gewöhnlicher Temperatur ziemlich
dem ies ^fcUvashn t U“d Ms etwa gege" + 6°c- gleich
aus so dass er bei 10 oder 12° nu“ 0.9^^*’’“' de‘m‘ ” raSC,Mr
u Losung oder in geschmolzenem Zustande dreht der Campher wie
7*
100
I. Pflanzenstoffe ohne organische Struetur.
auch das Oainpheröl die Polarisationsebene des Lichtes stark nach rechts,
während die meisten übrigen Laurineen optisch fast oder ganz unwirksame
Oele enthalten. Geschmack und Geruch des Camphers sind ziemlich eigen-
thümlich brennend gewürzhaft. Durch Mischung mit mancheu Harzen und
Gummiharzen oder mit Moschus wird der Geruch verdeckt. Luft und Licht
verändern den Campher nicht; er verbrennt leicht und vollständig.
Dur’ch Behandlung mit verschiedenen Ageutien liefert er eine Menge
interessanter Produkte, z . B. durch Glühhitze, Chlorzink oder wasserfreie
Phosphorsäure, das Cymen, (Oymol oder Campheu) CniH'', welches in
vielen ätherischen Oelen enthalten oder daraus zu gewiuuen ist. Kräftigen
Oxydationsmitteln entzieht der Campher sowohl als auch das Campheröl
Sauerstoff und geht sehr allmälig zunächst in krystallisirte Camphersäure
G10 H16 Ol (ungefähr vom Gewichte des Camphers) und weiter in
terpenthinartige oder körnig- krystalliuisclie Camphresiusäure G10H1,O'
(etwa halb so viel wie der angewandte Campher) über, indem gleichzeitig
Wasser und Kohlensäure austreten. Viele ätherische Oele, Harze und
Gummiharze geben ebenfalls bei gleicher Behandlung dieselben Säuren.
Mehrere ätherische Oele, z. B. das der Artemisia Absinthium und des
Pulegium micrauthum und P. vulgare (Labiaten), sind bei sehr abweichenden
Eigenschaften gleich zusammengesetzt wie der Campher. Ebenso das bei
der Spaltung des Ericolins auftretende Ericiuol (siehe Folia uvae ursi).
Hingegen enthält das Oel vou Chrysanthemum Parthcnium Persoon
(Matricaria Parthenium L. — Pyrethrum Parthcnium Smith) bis zu V4
seines Gewichtes von einem dem Lauriueeucampher vollkommen gleichenden
Körper mit dem eiuzigen Unterschiede, dass ersterer die Polarisationsebene
um gleich viel nach links dreht wie der gemeine Campher nach rechts
rotirt. C h a u.t a r d ( 1 8 6 3) spricht deshalb den Gedanken aus, den Partheuium-
Campher fabrikmässig darzustelleu.1) Sehr viele andere ätherische Oele
vermögen in geringerer Menge ähnliche Campherarten abzusetzeu oder
durch indirekte oder direkte Oxydation zu liefern. Sie unterscheiden sich
aber gewöhnlich durch abweichendes Rotationsvermögen oder andere
physikalische Merkmale vom gemeinen Campher. Doch stellte L al 1 e m a n d
vermittelst Oxydation des sogenannten Spik-Oeles von Lavaudula Spica Chaix
einen auch optisch vollkommen mit dem Lauriueen-Campher identischen
Campher dar (vergl. bei Flores Lavandulae).
Dn/obalanops Camphora Colebrooke , ein majestätischer, über 150
Fuss hoher Baum aus der Familie der Dipterocarpeeu , einheimisch im
Innern der holländischen Residentien, zwischen 0° und 3° nördlicher Breite
auf der Nordwestküste Sumatras, vou Ayer Baugis bis Baros und Smgkel
(Batta-Länder), spärlicher im nördlichen Borneo, lässt nach dem Anbohreu,
D Die frische Pflanze gab ihm im Grossen etwa 0,3 pC. Oel, das im günstigsten Falle nur
>/4 Campher absetzt. Journ. de Pharm. 44 p. IC. 22. - Der Laurineen- Campher hat also wohl
vorerst die Konkurrenz nicht zu fürchten.
Camphora.
101
oder im Alter auch freiwillig in geringer Menge und sehr langsam einen
röthlichen, kleberigen Balsam herausickern. Weniger rein kann derselbe
auch durch Auskochen gewonnen und als ölige Schicht vom Wasser
abgeschöpft werden. Er besteht neben aufgelöstem Harze und Campher
hauptsächlich aus dem Born een, einem mit Terpenthinöl und wohl auch
mit dem reinen Campheröl isomeren und gleichfalls rechts rotirenden
ätherischen Oele. In ähnlicher Weise, wie das Oel von Camphora offici-
narum, geht auch das Borneen, sowohl künstlich als in der Natur, in einen
besonderen Campher, den Baros-, Borneo- oder Sumatra- Campher, auch
Borne ol genannt, über. Er entspricht aber der Formel O1OH180.
Nur einzelne ältere Stämme des Dryobalanops enthalten besonders in
ihrem oberen Theile, öfter, wie es scheint, im Innern als unmittelbar unter
der Rinde, in geringer Menge den Campher. Ein Baum soll, bei allerdings
sehr rohem Betriebe, höchstens ein halbes, nach weniger zuverlässigen
Berichten bis 11 Kilogr. liefern. Ein guter Theil der geringen Ausbeute
dient im Lande selbst zu Beerdigungsfeierlichkeiten der Fürsten und zu
anderen religiösen Zwecken, so dass von je her nur sehr wenig Campher zur
Ausfuhr gelangte1), der begierig und, wie es scheint, schon seit alter Zeit von
China und Japan aufgekauft und über hundert mal theurer bezahlt wird 2) als
Laurineen-Campher. Dem europäischen Handel ist daher dieser übertrieben
kostbare Campher zu allen Zeiten ferne geblieben. Er ist etwas härter,
weniger flüchtig, erst bei 198 flüssig, aber von feinerem Gerüche als der
gemeine Campher und soll auch milder schmecken und wirken. Es scheint,
dass diese imbestimmten Merkmale für die Liebhaber zur sicheren Unter-
scheidung des Baros -Camphers vollkommen ausreichen. Das bei der
Destillation desselben oder seines Balsams zurückbleibende feste Harz ist
ganz dem Colophonium ähnlich, doch ohne saure Eigenschaften.
In chemischer Hinsicht steht der Baros -Campher zum gemeinen in
gleicher Beziehung, wie der Alkohol zum Aldehyd und lässt sich auch
wirklich durch Salpetersäure in gewöhnlichen Campher überführen, dessen
meiste physikalische Eigenschaften er nahezu theilt. Umgekehrt lässt sich
auch aus gemeinem Campher Borneol darstellen, wie Berthelot gezeigt
hat. Manche Oele, z. B. das des Coriauders, des Wurmsamens, das Cajeputöl
u. s f. besitzen die gleiche Zusammensetzung. Aus Krappwurzel entsteht
bei der Gahruug em gleich zusammengesetzter Campher, der sich nur durch
entgegengesetztes Rotationsvermögen, nach links, unterscheidet, so dass
Auflösungen von gleich viel Dryobalanops- und Krapp-Campher gemischt,
die Polarisations.ebene nicht mehr drehen. Das rohe Baldrianöl (vergl.
R uzoma N alerianae) gibt gleichfalls Borneol, wenn man es mit Kali behandelt
- lLbC“,i,M,ch' -* Sl"rs - 1830
II K-, Der.Plpkl1' Seit 1783 immcr mit etwa 15000 Francs., nach Mac Cnlloch (18361
2 6r‘ CaUt0n m,t 57 GuIden’ Das 0el (^r Balsam) hingegen nur 2 Gulden die Flasche
102
I. PflanzenstofFe ohne organische Structur.
enthält also Borneen oder Borneol fertig gebildet. Bei demselben Verfahren
endlich erhielt Berthelot auch aus Bernstein (dessen Zusammensetzung
mitderdesLaurineen-Camphers übereinstimmt) einen mit Borneol isomeren,
nur weniger nach rechts rotirendeu Campher.
Der Campher ist den alten Griechen und Römern, deren Beziehungen
nicht über Ceylon hinausreichten , unbekannt geblieben. Doch scheint es
fast, als hätte er eher das Abendland erreicht, als selbst in China allge-
meinere Beachtung gefunden. Aiitios aus Amyda in Kleinasien soll um
540 nach Chr. bereits den Campher gekannt haben, während er (d. h. ver-
muthlich wohl der Baros- Campher) nach Neumann1) erst im Jahre 630
nach Chr. in China eingeführt wurde. Die von Scherz er angegebenen
dortigen Bezeichnungen des Camphers Tschang näu oder Ping pien, was
„Eiszapfenflocken“ bedeuten soll, sprechen wohl allerdings eher für aus-
ländische Herkunft, während der Sanskritname Kapura die Wurzel unseres
Wortes Campher, so wie des arabischen Kafur, Kanfur2) zu sein scheint.
In China hat vielleicht die anfängliche Einfuhr des Baros -Camphers den
Anstoss zur Gewinnung des eigenen gegeben. Die arabischen Aerzte
des Mittelalters, dann auch Simon Seth um 1070, so wie die deutsche
Aebtissin Hildegard („Ganphora“) um 1150 erwähnen den Campher,
der zur Zeit des Paracelsus schon allgemein gebraucht wurde, üeber
seine Natur blieb man in Europa noch lange im Unklaren, obwohl bereits
vor 1572 der Dichter Luis de Camoens ihm den richtigen Ursprung
zugeschrieben. Noch A gr i c ol a in der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts
hielt ihn für ein sublimirtes Erdharz. Libavius behandelte gegen Ende
desselben Jahrhunderts schon die „Caphura“ (Campher) mit Scheidewasser
und erhielt so Camphersaure.
Lange Zeit hindurch bildete Campher einen Hauptgegenstand des merk-
würdigen holländischen Monopol -Verkehrs auf Desima in Japan. Die
Holländer brachten besonders zwischen 1701 und 1715, dann wieder
1734 bis 1736 Baros-Campher dorthin und nahmen gemeinen Campher
zurück. D e Vrie s e3) hat über Dryobalauops einevortreffliche Monographie
geschrieben.
U Ostasiatische Geschichte. Leipzig 1861. S. 482.
2) Damit hängt wohl auch der räthselhafte Name Fansur ganz einfach zusammen,
welchen Marco Polo am Ende des XIII. Jahrhunderts dem Lande beilegte, wo der beste
Campher vorkomme, der für gleiches Gewicht Gold vorkauft werde. „Quivi nasce la canfora
fansuri, che vale piü di ogni altra, e si vondo a pcso d'oro.“ S. 158 in der bei Radix Rhci
erwähnten Ausgabe. — Wohl mit Rocht deutet man Fansur als jenen sumatranischcn Küsten-
strich bei Baros. Vergl. auch Poschei, Gesch. der Erdkunde. München 1865. S. 107. —
Sumatranischen und hinteriudischcn Campher erwähnte auch Nicolo Conti im XV. Jahr-
hundert.
3) Memoire sur lc camphricr de Sumatra et de Borneo. Leide 1857. 23 S. in Quart, mit
Abbldg. — Vergl. auch Martins, Ann. der Pharm. 1838, und Lallemand, Annales de
Chim. et de Phys. LVIL (1859).
Succus Liquiritiae.
103
Succus Liquiritiae.
Succus Glycyrrhizae crudus. Süssholzsaft. Lakriz. Jus ou suc de
reglisse. Refined liquorice. Liquorice juice.
Das unter Radix Liquiritiae hispauicae et rossicae beschriebene Süss-
holz wird an Ort und Stelle geschnitten, mit Wasser ausgekocht, gepresst
und der Saft eingedampft. Hat derselbe die gehörige Concentration erreicht,
so formt man daraus, oft unter Zusatz von Stärke oder anderen mehligen
Substanzen, Stangen, welche schliesslich in warmer Luft getrocknet werden.
Die Bereitung dieses Süssholzsaftes geschieht in sehr grossem Maass-
stabe in Spanien , Südfrankreich , Sicilien , Calabrien , Griechenland , auch
im Innern Südrusslands bei Astrachan und Kasan. Den Stangen pflegt von
den meisten Fabrikanten eine Marke aufgedrückt zu werden. Beigepackte
Lorber- oder in Russland Eichenblätter verhindern das Zusammenkleben
der bei guter Bereitung und trockener Lagerung festen brüchigen Waare.
Je nach der Reinheit, der Form und der Marke giebt es eine Menge ver-
schiedener Sorten, welche auch in Betreff der Süssigkeit alle möglichen Ab-
stufungen bis zu kratzendem empyreumati schein Beigeschmäcke darbieten.
Die Stangen sind vou schwarzer Farbe und scharfkantigem Bruche, die
grossmuscheligen glänzenden Flächen im Innern oft etwas blasig. In der
Wärme erweicht der Süssholzsaft, verbrennt schwer vollständig und hinter-
lässt (bei 100° C. getrocknet), z. B. bei einer ganz vorzüglichen, mir eben
vorliegenden calabresischen Sorte, gestempelt Duca di Corigliano, 5,5 pC.
einer von Schwermetallen freien Asche.
Der Geschmack auch des feinsten Süssholzsaftes ist bei Weitem weniger
angenehm als der eines im Kleinen selbst bereiteten Extractes der Wurzel;
ja Neese nennt z. B. den wässerigen Auszug eines von ihm sonst als ganz
vorzüglich erachteten russischen Fabrikats rhabarberähnlich, mehr bitter
als süss. Es ergibt sich hieraus, dass der Saft bei der fabrikmässigen
Bearbeitung bedeutende Veränderungen erleidet, auch wenn von Zusätzen
abgesehen wird.
Diese Einflüsse der Luft und der hohen Temperatur treffen zunächst die
in der Wurzel reichlich vorhandene Stärke, welche sich in reinen Sorten
der Handelswaare nur zum allergeringsten Theil im Rückstände findet, wenn
der Saft mit kaltem Wasser vollkommen ausgewaschen wird. Doch bleiben
die nicht gelösten Stoffe in der Form der Stangen zurück. Allein im Aus-
züge wird durch Jodwasser noch Amylum angezeigt, wenn das Waschwasser
nur wenig mehr gefärbt abläuft.
Manchen Sorten wird gegen das Ende des Einkochens erst Stärkemehl
zugesetzt; nicht selten finden sich ganz unveränderte weisse Knöllchen des-
selben, wenn man eine Anzahl derartiger Stangen zerbricht.
Nicht genauer bekannt sind die etwaigen Veränderungen der übrigen
Stoffe, welohe aus der Wurzel in den Saft übergehen.
104
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Das im kalten Wasser nur wenig lösliche Glycyrrhizin bleibt bei
der Auslaugung des Süssholzsaftes, wo zur Darstellung des officinellen Prä-
parates nur geringere Mengen kalten Wassers aufgegosseu werden, zum
grossen Theil im Rückstände und kann nachträglich durch Alkalien in
Lösung gebracht werden, womit sich das Glycyrrhizin leicht verbindet.
Mit Ammoniak z. B. färbt sich der durch Wasser ganz vollständig erschöpfte
Rückstand des käuflichen Süssholzsaftes aufs Neue und tritt an das erstere
Glycyrrhizin und Farbstoff ab.
Den Maassstab zur Beurtheilung der Waare gibt somit nächst dem
Geschmacke derselben die Bestimmung des in kaltem Wasser löslichen
Antheiles, wozu nach Rump’s Anregung (1855) auch noch das von ver-
dünntem Ammoniak weiter zu lösende Glycyrrhizin mitgerechnet werden
kann. Der Betrag dieses letzteren Postens, der indessen ohne Erlaubniss
der Pharmakopoen nicht zulässig ist, wechselt eben so sehr wie die Ausbeute
an Extract. Aber die beiden Werthe stehen nicht in direkter Beziehung zu
einander. Ramdohr fand z. B. in fünf Sorten 59 bis 63 pC. in Wasser
löslicher Stoffe, während Ammoniak aus dem Rückstände noch fernere
8 bis 20 pC. aufzunehmen vermochte.
In russischem Süssholzsafte fand Neese sogar 40 bis 50 pC. nur in
Ammoniak und nicht in reinem Wasser löslicher Bestandtheile. Diese
Mengen sind indessen bei Weitem nicht als reines Glycyrrhizin auzu-
sprechen, sondern, nach Neese, nur zu etwa Vs bis l/q. Reicher an dem-
selben ist der durch Säuren im rein wässerigen Auszuge entstehende Nieder-
schlag. Doch ist die Reindarstellung des so erhaltenen Glycyrrhizins nicht
leicht mit Sicherheit ausführbar und noch weniger bekannt die Natur der
mit demselben zugleich in ammouiakalische Lösung übergehenden übrigen
Stoffe. Neese denkt sich das Glycyrrhizin mit aus dem Wasser aufgenom-
menen Kalke zu einer unlöslichen Verbindung vereinigt, welche durch Am-
moniak leicht zersetzt werde.
Die oben erwähnte lufttrockene und vollkommen spröde Sorte Corigliano
verlor bei anhaltendem Trocknen im Wasserbade 11,3 pC. Feuchtigkeit.
Der Gehalt des käuflichen Saftes an in kaltem Wasser löslichen Be-
standtheilen (Extract) beträgt im besten Falle 80 pC. , geht aber auch öfter
bis 60 pC. herunter. Der von Neese untersuchte Saft aus Astrachan und
Kasan gab nur 50 bis 56 pC. an Wasser, aber das Uebrige bis auf nur 1,3
bis 2,6 pC. an verdünntes Ammoniak ab.
Meine Probe Corigliano, bei 100° getrocknet, trat an kaltes Wasser,
bis dasselbe vollkommen farblos ablief, 71,2 pC. und hierauf an verdünntes
Ammoniak noch weitere 4,6 pC. ab. Aber nur 73 der letzteren Menge
stellte sich (durch Fällung mit Essigsäure) als Glycyrrhizin heraus, ln der
rein wässerigen Auflösung sind neben einem Theile des Glycyrrhizins
Traubenzucker (bis 15 pC. Neese), dann Gummi, Farbstoff und die Stärke
oder die Umwaudluugsprodukte der letzteren enthalten.
Im Rückstände des vollständig mit kaltem Wasser und Ammoniak er-
Aloe.
105
schöpften Saftes zeigt das Mikroskop in nur geringer Menge unveränderte
Stärke, wenige dunklere Körnchen, vielleicht Harz oder veränderter Gerb-
stoff und vereinzelte Pflanzentrümmer, sofern nicht Zusätze stattgefuuden
haben. Bisweilen finden sich auch Kupferspäne vor, da noch nicht überall
bei der Darstellung des Süssholzsaftes kupferne Gefässe vermieden werden.
Der Zusatz grösserer Mengen von Stärke oder stärkehaltiger Pulver ist
durchaus nicht wegen der Wasseranziehung des eingetrockueten Saftes ge-
boten. Es lässt sich ein solcher vollkommen rein und haltbar herstellen,
obwohl das im Kleinen aus der Wurzel bereitete Extract immer sehr hygro-
skopisch ist1), wahrscheinlich weil ihm das Pektin fehlt, welches bei der
fabrikmässigen Bearbeitung der Wurzel mit ausgepresst wird und den käuf-
lichen Süssholzsaft luftbeständig macht.
Hager (1861) hat es wahrscheinlich gemacht, dass auch Verfälschun-
gen des Süssholzsaftes mit Dextrin Vorkommen, welche sich bei grösseren
Mengen durch hellere Farbe und geringere Siissigkeit des wässerigen Aus.
zuges verrathen. Kleinere Zusätze von Dextrin dürften sich jedoch der
Auffindung entziehen, da die im Süssholze vorhandene Stärke selbst zur
Bildung von Dextrin Veranlassung geben könnte.
Der Gebrauch, den Süssholzsaft in feste Form zu bringen, scheint sein-
alt zu sein; er wurde schon zur Zeit von Dioskorides geübt.
Aloe.
Succus Aloes inspissatus. Aloe. Aloes. Aloe.
1. Aloe socotrina Lamarck.
2. A. vulgaris Lamarck.
3. A. purpurascens Haworth.
4. A. spicata Tkunberg.
5. A. mitraeformis Lam.
6. A. perfoliata Thbg.
7. A. africana Haw.
Syn. : Pachydendron africanum Haw.
8. A. ferox Miller.
Syn. : Pachydendron ferox Haw.
9. A. Lingua Miller.
Syn.: Gasteria Lingua Miller.
Die hier in Betracht kommenden, der Familie Asphodeleae angehörigen
Aloe- Arten sind hauptsächlich im Gebiete des rothen Meeres und längs der
Ost- und Südküste Afrikas einheimisch, durch Kultur aber jetzt auch nach
Westindien (Barbadoes. Curaqao. Jamaica) verbreitet. Die von No. 3 au
genannten, ganz besonders A. perfoliata, wachseu in sehr grosser Menge
vorzüglich auf den trockenen heissen Bergen des Caplandes. A. socotrina,
D Vcrgl. Wo 1 1 w c b c r , Arch. der Pharm. CX. u. CXI. oder in Wiggcrs-Cannstatt’s
Jahrb. 1862. S. 201.
106
I. Pflanzenstoffe ohne organische Struetur.
obwohl auch am Cap angegeben, gehört mehr den steilen Bergen der Insel
Socötöra und dem benachbarten Arabien an. A. vulgaris findet sich mehr
in Nordafrica und Ostindien, wo sie nach einigen Angaben ursprünglich ein-
heimisch wäre. Sie gedeiht auch noch auf Malta und Sicilien neben der in
Italien schon seit dem XVII. Jahrhundert eingeführten und dort gewöhnlich
als Aloe bezeichneten Agave americana. In Griechenland scheint Aloe heut-
zutage zu fehlen.
ln systematischer und geographischer Hinsicht lässt übrigens die Kennt-
niss dieser Gattung noch viel zu wünschen übrig.
Ihre zahlreichen Species sind starke lilienartige strauchige oder krautige
Pflanzen mit sehr grossen saftigen, etwas rinneuförmigen und stachelig ge-
zähnten Blättern. Der Stock (Caulom) ist oft stammartig mehr als manns-
hoch verlängert und verholzt, bei A. socotriua im Alter auch wiederholt
gabeltheilig, bei anderen, z. B. bei A. spicata und A. vulgaris ganz einfach
und niedriger. Noch anderen, wie der unter Nr. 9 angeführten, fehlt der
Stengel ganz.
Die dicken, oft weit über einen Fuss langen, im einzelnen bei den ver-
schiedenen Arten etwas abweichend gestellten und gezähnten Blätter be-
sitzen eine sehr starke Cuticula und eine dickwandige Epidermis. Das
schliipferige Innere wird von einem sehr schlaffen grosszeiligen ungefärbten
Marke gebildet, welches zehnmal die Breite der chlorophyllhaltigeu ziemlich
kleinzelligen Parenchymschicht Übertritt, die das Mark von der Oberhaut
trennt. Bei einem der grössten Blätter von A. vulgaris z. B. misst diese
Chlorophyll führende Rindenschicht im frischem Zustande nur 1 mm, während
das Mark 0,0 10 m dick ist. Die Rinde enthält an der Grenze des Markes
zahlreiche schwache Gefässbündel, welche auf dem Querschnitte in geringen
gleichmässigen Abständen geordnet, das Mark einfassen. Der innere fast
keilartig in das letztere eindringende Theil eines jeden Gefässbündelchens
besteht aus zartem engem etwas axial verlängertem Gewebe, welches 2 oder
3 gerade abrollbare Spiralgefässe einschliesst. Vor diesem Gefässtrange
innerhalb der Rinde breitet sich ein lockeres mehrreihiges Gewebe von sehr
weiten dünnwandigen Zellen aus, welches sich an eine auf dem Querschnitte
bogenförmig stark convex nach innen gekrümmte Zellenreihe anlegt. Die-
selbe ist aus kleinern prismatischen, tangential etwas gedehnten und gerade
abgescliuittenen nicht sehr langen Zellen gebaut, welche ihrerLage nach dem
Baste entsprechen, aber nur wenig in die Augen fallen. Sie sind ganz ein-
fach über und neben einander gestellt und erinnern daher in keiner Weise
etwa an die besondern Gefässysteme der milchenden Pflanzen.
Die Bastzellen, bei hier gezogener A. socotriua z. B. im Sommer unter-
sucht, sind mit schön gelbem klarem zähem Inhalte erfüllt, welcher leicht
in deutlichen Tafeln anschiesst, wenn ein mit Glycerin befeuchteter Quer-
schnitt, oder besser ein Längsschnitt, einige Tage liegen bleibt. Die übrige
Rinde strotzt von Chlorophyllkörneru und zeigt zwischen den Zellen Gar-
ben von Kalkoxalat- Nadeln. Dergleichen finden sich auch obwohl spar-
Aloe.
107
lieber im Marke, worin ausserdem das Mikroskop nur äusserst weuige un-
gefärbte Klümpchen festen Inhalts zeigt. Das völiigdurchsichtige Markgewebe
ist vielmehr ganz erfüllt von einem fadenziehenden färb- und geschmack-
losen Schleime, welcher nach einiger Verdünnung mit Wasser von Blei-
zuckerlösung gefällt wird, aber beim Kochen selbst nach dem Ansäuern mit
Salpetersäure nicht gerinnt. In alkalischem Kupfertartrat vermag er beim
Erhitzen eine geringe Reduktion zu bewirken. Dieser Inhalt des Markes be-
steht daher vorwiegend aus Schleim, nicht aus Eiweiss. An der Luft färbt
er sich nicht. Die Zellstränge in der Umgebung der Gefässe hingegen ent-
halten, reichlich in A. socotrina und A. spicata, weniger in A. vulgaris und
A. arboresceus, farblosen Saft, welcher an der Luft, zumal bei der Berüh-
rung mit Eisen alsbald eine sehr schöne tief violette Farbe annimmt. Dass
die Gefässbündel Sitz dieses Chromogens sind, lässt sich gut erkennen,
wenn ein zarter Schnitt durch ein frisches Aloeblatt rasch Ammoniak-
dämpfen ausgesetzt wird. Züsatz von Salzsäure verhindert die Färbung
des Saftes.
Die Rinde des Blattes ist von einem dünnen angenehm säuerlichen Safte
durchdrungen, welcher nach Verletzung der Oberhaut herausquillt.
Vermuthlich ist der Gehalt an bitteren Stoffen in den Blättern nicht zu
jeder Jahreszeit gleich; Haaxman z. B. erwähnt auch in der That, dass
auf Curaqao das Maximum durch den U ebergang der grünen Farbe der
Blätter in die braune angezeigt werde. Bei uns gezogene Blätter schmecken
nicht sehr bitter.
Aus dem Bau und Inhalte des Aloeblattes , der bei den einzelnen Arten
nicht abzuweichen scheint, ergibt sich somit , dass dessen eigenthümliche
Bestandtkeile ihren Sitz in den Gefässträngen haben. Der gelbe Stoff jener
Bastbogen, welche die Gefässbündel umspannen, ist das Aloin, begleitet
ohne Zweifel von Harz und den übrigen besonderen Stoffen der käuflichen
Aloe. Diesen Gewebetheilen allein kömmt der specifische Geschmack und
fast safranartige Geruch zu, welcher letztere auch beim Anschneiden frischer
in unseren Gewächshäusern gezogener Blätter hervortritt. In quantitativer
Hinsicht können nach diesen Verhältnissen die eigenthümlichen Stoffe nur
einen geringen Theil vom Gewichte der Blätter ausmachen, der allerdings
duich unvermeidliche Beimengung von Markschleim vermehrt wird.
Hiernach ist es unzweifelhaft, dass es zur Gewinnung der officinellen
Aloe am zweckmässigsten sein muss, die Rinde des Blattes von dem weit
überwiegenden aber werthlosen Marke abzuschälen und erstere allein aus-
zupressen oder auszukochen, was ohne Schwierigkeiten, freilich mit einigem
Aufwande von Arbeitskraft ausführbar ist. Diese allein rationelle Methode
wird auch in der That nach Dunsterville im jetzigen Hauptproduktions-
lande der Aloe, in der Cap-Colonie befolgt.
freilich wird nach anderen Berichten in verschiedenen Ländern die
Aloe auf weniger vollkommene Weise gewonnen.. So z. B. auf Cura<?ao wo
man nach Haaxman die Blätter einfach auf Rinnen lege und den Saft
108
I. Pflanzenstoffe ohne organische Sfructur.
freiwillig aussickern lasse. Unmöglich können aber bei diesem Verfahren
andere Bastzellen ihren bittern Saft abgeben, als eben nur die beim Ab-
schneiden des Blattes getroffenen. Sofern hier nicht ein Druck zur Mitwir-
kung gelangt, oder etwa der Blattrinde Schnittwunden beigebracht werden,
ist ein lohnendes Ergebniss nicht zu begreifen. Dennoch belehrt uns neuer-
dings wieder der so höchst competente Ou dem ans1), dass in der That
auf Curagao durchaus nur in jener höchst einfachen Weise ohne Druck und
Auskochen verfahren wird. Die grösste Ausbeute muss erhalten werden,
wenn man die zerschnittenen und zercpietschten Blätter presst oder auskocht,
Hierbei mischt sich aber in überwiegender Menge der Saft des Markes und
des Rindenparenchyms bei, dessen Wassergehalt nur durch längeres Ab-
dampfen zu entfernen ist, was nothwendig Veränderungen des bittern Saftes
zur Folge hat. Nach manchen Angaben scheidet sich beim Kochen des
Saftes viel Eiweiss ab, was bei hier zu Lande gezogenen Blättern nicht der
ball ist. Wenn das Mark mit verarbeitet wird, so muss das darin reichlich
vorhandene Gummi (oder Schleim) in die Aloe übergehen; merkwürdiger-
weise aber lässt sich in der Handelsware kein solches nach weisen. Dagegen
gibt wenigstens^ die Leberaloe beim Schmelzen mit Kali Ammoniak aus,
das vielleicht von Eiweiss herrührt. Sollten die Blätter in ihrem Vaterlande
weniger Schleim und mehr Eiweiss bilden?
Die Verschiedenheit der käuflichen Aloesorten scheint mehr in der Be-
handlung des Saftes selbst ihren Grund zu haben als in der Gewinnuugs-
weise oder in der Herkunft desselben von verschiedenen Arten. Die Sorten
dieser Droge lassen sich auf zwei Reihen zurückführen, nämlich auf dunklere
von undurchsichtigem bräunlichem leberähnlichem oder schwärzlichem
Aussehen: Aloe hepatica , und hellere, in dünneren Splittern durchsichtige
mehr röthlich-gelbliche : Aloe lucida. Der eigenthümliche, etwas an Myrrhe
und Safran erinnernde Geruch ist bei beiden Reihen im wesentlichen derselbe.
Trocken ist die Aloe spröde , ein geringer Wassergehalt bewahrt ihr
aber das Vermögen, allmälig etwas zusammenzufliessen oder zusammen-
zubacken. Eine solche Probe z. B. gab bei anhaltendem Austrockneu im
Wasserbade 7,4 pC. Wasser ab.
Bisweilen gelangt auch der unveränderte oder nur wenig eingedickte,
flüssige Saft nach Europa, wo durch völliges Eindampfen und Austrocknen
daraus eine helle Aloe gewannen wird. Perei ra hat (1852) gezeigt, dass
solcher Saft, der aus Arabien stammte, sich bei ruhigem Stehen in eine
untere undurchsichtige feinkörnige Schicht und in eine weniger betragende
durchsichtige dunklere flüssige trennt. Als Grund der Undurchsichtigkeit
der erstereu erkannte er zahlreich darin angeschossene mikroskopische
Krystalle von Aloin. Die obere durchsichtige Schicht lieferte ihm beim
Eindampfen helle Aloe, welche ganz mit der sogenannten socotrinischeu
übereinstimmte. Pereira hat daraus den Schluss gezogen, dass das Aus-
U Handloiding tot de Pharmacognosio. 1865. p. 816.
Aloe.
109
sehen der Aloe hauptsächlich durch den Zustand des Aloins bedingt sei,
in welchem dasselbe darin vorkömmt. Erhält dasselbe durch freiwilliges
oder überhaupt sehr langsames Verdunsten des Saftes Zeit zu krystallisiren,
so wird die Aloe undurchsichtig und leberfarbig. Bei raschem Eindampfen
hingegen findet das Aloin nicht Gelegenheit anzuschiessen und sich aus-
zuscheiden, sondern bleibt amorph und mischt sich der übrigen Aloemasse
völlig gleichmässig bei, so dass nun Aloe lucida entsteht. Je nach der Art
des Eintrocknens wird man also aus einem und demselben Safte die eine
oder die andere Sorte erhalten können, vielleicht auch schon durch Abgiessen
einer helleren Schicht von der unteren, worin die Ausscheidung des Aloins
begonnen oder vollzogen ist. Diese Ansicht wird dadurch bestätigt, dass
in der That das Mikroskop in den meisten Sorten der Aloe hepatica Krystalle
zeigt, wenn man etwas davon abschabt und auf dem Objektträger mit wenig
Wasser befeuchtet. Aloe lucida zerfällt hierbei in Tropfen oder Kügelchen
und zeigt niemals Krystalle. Vergleicht man ferner düune Splitter im
polarisirten Lichte, so erscheinen diejenigen der Leberaloe doppelt brechend
mit den schönen Farben, welche krystallinische Beschaffenheit andeuten,
während die Splitter der Aloe lucida davon nichts zeigen, sondern wie
andere amorphe Körper dunkel bleiben.
Wird Aloe hepatica in wenig heissem WTasser gelöst und nach dem
Erkalten die klare Lösung sehr rasch eingedampft, so erhält man allerdings
zum Theil durchscheinende Aloe, aber immerhin auch Krystallisationeu von
Aloin. Absolut krystallfreie Aloe hingegen scheint nicht in die mikro-
krystallinische Form übergeführt werden zu können. Eine Probe flüssigen,
vollkommen klaren Aloesaftes vom Cap, den ich ziemlich frisch Herrn
Oberdör ff er in Hamburg verdankte, gab mir weder bei raschem, noch
bei äusserst langsamem Verdunsten Spuren von Krystallisation.
Es scheint demnach erwiesen, dass wirklich die krystallinische oder
amorphe Beschaffenheit des Aloins von grösstem Einflüsse auf das Aussehen
der Waare ist. Jedoch ist die Undurchsichtigkeit und eigentümliche
Färbung der Leber- Aloe nicht allein davon abhängig, dass in dieser Sorte
krystallinisches Aloin vorzukommen pflegt, denn in einzelnen Proben des-
selben findet man es nicht oder in nur sehr geringer Menge in dieser Form
und umgekehrt finden sich auch in durchsichtiger Aloe nach Farre öfter
einzelne dunkle mikrokrystallinische Autheile. Welche fernere Umstände
aber bei der Gewinnung der Aloe noch von Einfluss auf das Aussehen des
Produktes sind, ist noch nicht ermittelt. Die verschiedenen Arten der
Stammpflanzen scheinen hierbei nicht von besonderer Bedeutung zu sein.
Die Aloe lucida wird in grösster Menge in der Herrenhuter Kolonie
Bethelsdorp an der Algoa-Bai (Caplaud) gewonnen und sowohl unter dem
Namen vite capensis wie auch als Aloe socotrina in den Handel gebracht.
Hauptsächlich die oben unter Nummer 4, 7, 8, 9 genannten, aber auch
noch einige andere Arten, liefern diese Sorte, indem die Blätter geschält
werden und der ausgepresste Saft nach dem Absitzen in eisernen Kesseln
110
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
unter Umrühren eingekocht wird. Trocken bildet er eine stark glasglänzende,
ganz gleichförmige, in kleinen Splittern durchsichtige Masse von fast
schwarzei färbe im auffallenden Lichte. Sie bricht sehr leicht in gross-
muschelige, scharfkantige Stücke oder in kleine, rötbliche bis hell gelbbraune
Splitter. Bei geringem Wassergehalt fliessen nach längerer Zeit die Stücke
in den Kisten, worin sie versandt werden, zusammen, vollständig aus-
getrocknet aber erweicht die Aloe nicht bei 1 00° C. und schmilzt über-
haupt nicht mehr ohne Zersetzung. Das feine Pulver ist von trüb hellgelber
Farbe. Feine Splitter, die mau unter dem Mikroskop mit wenig Wasser
befeuchtet, zergehen emulsionartig zu grösseren oder kleineren Tropfen,
ohne alle Krystalle. Werden kleine Stücke der Aloe lucida tagelang bei
1 00° erhalten, so uehmen sie keine krystallinische Structur an.
Die Insel Socötöra, welche früher ausschliesslich die Aloe lucida
oder socotrina erzeugte, liefert gegenwärtig (ihres ungesunden Klimas
wegen?) keine oder nur wenig Aloe mehr;1) meist geht die von Malindi,
Zanzibar oder vom Cap unter ihrem Namen. — Was ich vom Hause
Gehe u. Co. in Dresden als zuverlässig von Socotora stammende Probe
besitze, ist jedoch dunkel leberfarbig, in feinsten Splittern nur eben noch
durchscheinend und erweist sich unter dem Mikroskop als grösstentheils
krystallinisch. Diese übrigens sehr unreine Probe gehört daher zu Aloe
hepatica, obgleich nach den meisten Angaben das Produkt vom Caplande
und dasjenige von Socotora übereinstimmen sollen. Nach anderen käme
der ersteren ein Stich ins grünliche zu, während die socotorinische mehr
ins röthliche fiele, übrigens sehr verschieden, oft noch sehr weich nach
England gelangen soll. British Pharmacopoeia (1864), welche immer
noch Socotora als Bezugsquelle der socotrinischen Sorte nennt, verlangt
von ihr ebenfalls mikrokrystallmisclie Structur. Der ostafrikauiscbe Küsten-
strich zwischen Zanzibar und Malindi (Meliuda) erzeugt eine durchscheinende
Aloe, welche mit der Sorte vom Cap oder von Socotora verglichen wird.
Nach anderen scheint sie aber auch leberfarbig und weich vorzukommen.
Früher, wo die ostafrikanische Aloe durch das Rothe Meer nach Smyrna
und von da erst nach Europa gelangte, hiess sie daher auch wohl
türkische Aloe.
Seit 1837 haben die Holländer begonnen, die Blätter der schon vorher
auf Curatjao angesiedelten Aloe vulgaris zu verarbeiten. Dieselben sollen,
höchst einfach über einander geschichtet, den Saft ausfliessen lassen, welcher
dann bis zu einem gewissen Grade oder ganz vollständig über dem Feuer
eingedampft, theils zuletzt freiwilliger Verdunstung überlassen und in Kürbis-
schalen gegossen wird. Da das Eisen den Saft dunkel färbt, so wurden
sehr bald kupferne verzinnte Kessel augewendet. Aus diesen Aenderungen
1) Socotora führte z. B. 1833 nach Wellsted nur 2 Tonnen Aloe aus. Nach Hunt
(1840) wird auf der Insel nur ganz gelegentlich etwas höchst einfach ausgedrückter Saft noch
flüssig zufällig anlegenden Schiffen mitgegehen und ihnen die Sorge freiwilliger Verdun-
stung desselben überlassen.
Aloe.
111
in der Darstellung erklärt sich das verschiedene Aussehen der 0 u r a c a o -
Aloe, welche die einen leberartig bis schwarz, die anderen „ capartig“
erhielten. Die Insel erzeugte 1851 gegen 200 Ctr., 1853 keine 120 mehr,
1858 etwas über 130, so dass diese Sorte keine bleibende Stelle im Handel
behauptet. Neuerdings scheint sich die jährliche Ausbeute indessen wieder
bisweilen auf 400 Ctr. zu belaufen. Ou dem ans findet die Curacao-Sorte
von allen anderen durch eigenthümlichen („an Negersclnveiss erinnernden“)
Geruch ausgezeichnet.
Aloe hepatica wird in grösster Menge auf Barbadoes aus Aloe vulgaris
gewonnen und zwar wie behauptet wird , ohne Schälung und Pressung der
Blätter. Sie wird in sehr grossen Kürbisschalen hauptsächlich nach England
gebracht, wo sie besonders beliebt ist.
Sie bildet trockene schwärzliche matt fettgläuzende, leicht in kleine
eckige Stücke springende Massen, die im Innern oft noch etwas blasig sind
Nur die kleinsten Körnchen sind gelblichbraun, das feine Pulver aber mehr
braungrau. Befeuchtet man dasselbe mit wenigWasser, so zeigt das Mikros-
kop keine Tropfen, sondern lauter eckige Fragmente, während am Bande
des Gesichtsfeldes sehr bald deutliche kurze hellgelbe Krystallprismen au-
schiessen. Kleine Stückchen der Leberaloe zerfallen bei solcher Behandlung
fast ganz in mikroskopische Kryställchen. Wird ein kleines Stückchen in
sehr weuig lieissem Wasser gelöst, so bleibt nach anhaltendem Erwärmen
beim Erkalten eine unkrystallinische Masse zurück, welche aber immerhin
weit dunkler aussieht als gleich behandelte Aloe vom Cap. Es gelingt nicht,
Leberaloe in Aloe lucida überzuführen.
Eine etwas verschiedene Aloe hepatica wird aus Südarabien über Bom-
bay in Kisten, Häuten oder Fässern ausgeführt, daher auch als indische
oder Bombay- Aloe bezeichnet. Sie ist von mehr bräunlichschwarzer,
oft auch von ziemlich hell leberbrauner Farbe, in grosse eckige Stücke
brechend. Manche aussen schwärzliche Proben bleiben im Innern schön
leberfarben, während andere nicht nur eine dunkle Rinde besitzen, sondern
durch und durch schwarz sind. Die rein leberfarbenen Stücke zerfallen mehr
in drusenförmige Krystallaggregate als in einzelne Krystalle. Vielleicht steht
die Farbenveränderung, das Nachdunkeln, im Zusammenhänge mit einer
olekularanderung. Das Pulver ist braun bis braungelb oder fast oramre
weder hellgelb wiedas der Cap-Aloe, noch grau wie bei derjenigen von
Barbadoes Die meisten Proben zeigen unter dem Mikroskop in' ausgezeich-
netem Grade das Zerfallen in Krystalle und gewähren auch schon dem un-
bewaffneten Auge wenigstens stellenweise ein fast krystallinisches Aussehen
tw I , f ;lllUgegen’ und zwar oft gerade von sehr charakteristi-
scher Leberfarbe, erweisen sich als ganz amorph. Von dieser arabischen
ntlr°rdie r M0CCl:a’ Aden und Maskat ausgeführte Sorte wohl
i i h “e11.r schwärzliche Farbe und geringere Reinheit verschieden
■ ,Sie <j a ei' ei. 1 Aanzentheile und Erde einschliesst. Meist ist sie aus-
gezeichnet krystalhmsch. Sie scheint aus dem Innern Arabiens zu stammen.
112
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
Alle Aloesorten besitzen nahezu denselben eigentümlichen Geruch und
bitteru unangenehmen Geschmack. Ersterer ist oft nicht unangenehm und
stärker au Safran erinnernd ausgeprägt bei den hellen durchscheinenden
Sorten. Reine Aloe löst sich bis auf unbedeutende Flocken leicht und
klar in Weingeist, iu Wasser aber nur beim Erwärmen vollständig, die
Leberaloe pflegt etwas mehr Rückstand zu geben. Die opalisirende gelbe
Lösung iu wenig heissem Wasser trübt sich beim Zusatz von mehr Wasser
durch Ausscheidung gelblicher harziger Tropfen. Beim Erkalten der coucen-
trirten oder verdünnten wässerigen Auflösung gehen dieselben zu einem
braunen schmierigen Absätze, dem sogenannten Al o e ha r z e , zusammen. Die
klare Auflösung reagirt schwach sauer und wird durch Alkalien dunkelbräun-
lich, durch Eisenchlorid schwarz gefärbt und von Bleizucker gelbgrau gefällt.
Kaltes Wasser löst ungefähr die Hälfte der Aloe zu einer sauer reagireuden
Flüssigkeit auf, welche dasselbe Verhalten zeigt. Durch Weingeist wild sie
nicht gefällt, enthält also kein Gummi.
Krystallinische Aloe wird etwas langsamer gelöst als die durchsichtigen
amorphen Sorten, welche sogleich in wenig kaltem Wasser emulsionartig
zu zergehen beginnen. Die klare Lösung der Aloe in Kali oder Ammoniak
wird durch Säuren, aber nicht durch Wasser gefällt.
Der interessanteste Bestaudtheil ist das 1851 von T. und H. Smith
zuerst aus Barbadoes- Aloe dargestellte Al oin 034H3G014-f- H20, welches
die Hauptmasse der Leberaloe auszumachen, in den andern Sorten aber
theils amorph, theils chemisch verändert vorzukommeu scheint. Es krystalli-
sirt iu kleinen hellgelben Prismen oder rhombischen Blättchen, welche sich im
polarisirten Lichte als doppelt brechend erweisen. Feine Splitter der durch-
sichtigen Aloesorteu zerspringen oft iu kleine Tafeln von fast krystallinischem
Ansehen, bleiben aber im polarisirtem Lichte dunkel, während Bruchstücke
der krystallinischen Sorten Doppelbrechung zeigen.
Das Aloin schmeckt äusserst bitter und wirkt nach Stenhouse pur-
girend, nach Robiquet nur, wenn es iu die amorphe Modification über-
geführt wird. Es löst sich leicht in warmem Wasser und noch besser in
Weingeist, die Lösungeu verändern sich beim Kochen rasch und benehmen
dem Aloin zunächst die Krystallisirbarkeit, jedoch lässt es sich nach Czurn-
pelick auch aus allen amorphen Aloesorteu wieder krystallisirt herstelleu.
Freilich ist das manchen Chemikern nicht geglückt und gelingt wenigstens
im Kleinen nicht. Verdünnte Schwefelsäure spaltet nach Rochleder das
Aloin in Zucker und Rottierin (vergl. Kamala).
Man unterschied früher den im kalten Wasser unlöslichen Autheil der
Aloe als Aloeharz , den löslichen (das officinelle Extractum Aloes) als Aloe-
bitter oder Aloetin. Nach Kosmann (1863) käme beiden Theilen unge-
fähr dieselbe Zusammensetzung zu und jeder wäre durch verdünnte Schwefel-
säure spaltbar in Zucker und harzartige Säuren. Der lösliche Theil soll
hierbei die A 1 o e r e s i u s ä u r e und die A 1 o e r e t i u s ä u r e , beide krystallisir-
bar, liefern und ausserdem das indifferente Aloeretin. Der iu \N asser
Aloe.
113
unlösliche Antheil der Cap-Aloe dagegen gab die Aloeresinsäure. Alle
drei Säuren würden in sehr einfacher Beziehung zu einander stehen.
Was den Zucker betrifft, so ist indessen nicht zu übersehen, dass die
Aloe schon etwas desselben fertig gebildet enthält. Die unveränderte flüssige
Aloe, welche man von den Aloinkrystallen abgiesst, reducirt schon in der
Kälte alkolisches Kupfertartrat, ebenso der kalte wässerige Auszug der käuf-
lichen Aloe oder das durch Dialyse gewonnene Diffusat derselben.
Bei der Destillation mit Wasser gibt die Aloe ein geschmackloses, aber
nach der Droge riechendes Produkt.
Durch Behandlung mit verschiedenen Agentien liefert die Aloe eine Menge
merkwürdiger Stoffe. So nach Rochleder und Czumpelick (1861)
beim Kochen mit Natronlauge zolllange farblose Krystalle, welche Paracumar-
säure zu sein scheinen, neben geringen Mengen wohlriechenden ätherischen
Oeles, flüchtiger Fettsäure und einer flüchtigen Base; beim Kochen mit ver-
dünnter Schwefelsäure Paracumarsäure, woraus durch Schmelzen mit festem
Aetzkali so gut wie direkt aus Aloe nach H 1 a s i w e tz (1865) Paraoxybenzoe-
säure (die auch aus Benzoe ebenso gewonnen werden kann) entsteht, in
letzterem Falle neben Orcin. Durch Destillation mitAetzkalk erhielt Robi-
quet das Aloisol, ein farbloses oder gelbliches nach Amylalkohol und
Bittermandelöl riechendes Oel, welches bei —20° noch flüssig bleibt. Rem-
bold gewann aus Aloe 1 pC. dieser Flüssigkeit, welche sich als ein Ge-
menge von Xylylalcohol mit Aceton und Kohlenwasserstoffen erwies. Sal-
petersäure gibt mit Aloe oder Aloin erst Aloetinsäure G7H2(N202)03
dann Chrysamminsäure G7H2 (N202) ö4 und schliesslich Pikrinsäure
neben Oxalsäure. Die beiden ersten siud durch prächtige Farben auch in
ihren Salzen ausgezeichnet und deshalb schon in der Färberei benutzt worden
(Aloepurpur). Chlor erzeugt in wässeriger Aloelösung verschiedene Sub-
stitutionsprodukte und zuletzt Chloranil G6 CI4 02.
Dass sich der Aloe bisweilen wenigstens auch Proteinstoffe der Pflanze
eimischeu, geht daraus hervor, dass die erstere beim Erhitzen mit kausti-
schem Alkah Ammoniak ausgibt.
Bei stärkerem Erhitzen bläht sich die Aloe stark auf und lässt eine
eichte schwer verbrennliche Kohle, welche von anorganischen Bestand-
teilen fast frei ist. Gewöhnliche Cap-Aloe z. B., bei 100° C getrocknet
hinterlässt nur 1,1 pC. Asche. ' S 0cknet’
. ,Die Way Sch0n der alteü Welt bekaüQt> ^s Wort scheint vom sy
O ,enQ Alwai abzustammen- Alexander der Grosse soll Griechen nach
Socotoragesandthaben, um die Aloe-Produktion zu heben1), Dioscorides
Die h|-T kTteU m.ehrere S°rten’ S0 wie auch Verfärbungen der Aloe.
Die arabischen Aerzte des IX. Jahrhunderts, auch Edrisi im XII Jahr-
die A'06 V0“ S0“tora * a.S die a^che
7) Heu gl in in Petermanns geogr. Mitthlgn. IV. S. 149.
Flückiger, Pharmakognosie.
aus
Wird von anderen bezweifelt.
8
114
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structnr.
Die Aloe der Bibel jedoch ist keineswegs unsere Droge, sondern ver-
muthlich das äusserst harzreiche lieblich riechende Holz von Aquilaria
Agullocha Roxburgh, eiuem grossen Baume im Gebirge von Cochinchina,
Assam, Silbet und Laos. Das Holz, Lignnm Aloes, s>. Agallochi, ist noch
jetzt besonders in China1) sehr hoch geschätzt. Auf eben dasselbe bezieht ■
sich z. B. auch die Aloe, welche der Veuetiauer Nicolo Conti (vergl. bei
Piper nigrum) im XV. Jahrhundert in Aunam in Hinteriudieu traf.
Gambir.
Catechu pallidum. Extractum Uncariae. Gutta Gambir. Katagamba. Terra
japonica. Gambir-Catechu. Gambir-Extract. Cachou clair. Gambir.
Pale catechu.
Uncäria2) Gambir Roxburgh. — Rubiaceae-Cinchoneae.
Syn: Nauclea Gambir Hunter.
Die Gambirpflauze ist ein mit Hülfe der zuletzt in kurze hakenförmige
Rauken umgewandelteu Bliitheustiele hoch kletternder Strauch der indischen
Inselwelt. Er findet sich auf Ceylon (sehr häufig bei Colombo, Deltotte,
Dumbera) aber vorzüglich auf Sumatra, an der Küste von Malacca und den
benachbarten Inseln, z. B. Pulo Pinang, Battarn, Lingga, Da er mit dem
schlechtesten Boden vorlieb nimmt und seine Blätter zur Düngung der
Pflanzungen von Chavica (Piper) Betle werthvoll sind, so wird der Strauch
auch viel und mit leichter Mühe angebaut, so ganz besonders um Rhio auf
der Insel Biutang südöstlich von Singapore, wo es etwa GO, 000 Pflanzungen
der Uncaria gibt.
Ihre zahlreichen abstehenden gedrungenen Aeste tragen gegenständige
* lederige und glänzend dunkelgrüne spitzeiförmige Blätter mit uugetheiltem
Rande. Aus den Blattwinkeln brechen kurze, einzelne gegliederte und mit
4 sehr kleinen Deckblättchen versehene Blüthenstiele hervor, an deren
Ende die zahlreichen schön rotheu Blümchen zu einem kugeligen Köpfchen
gedrängt stehen. Bei Singapore lässt man den Gambirstrauch nicht klet-
tern und ins Holz schiessen, sondern zwingt ihn durch Zurückbiegung, sich \
seitlich mehr zu entwickeln und möglichst viele Blätter zu treiben.
Drei bis vier Male im Jahre werden die letzteren so wie die jüngeren Triebe :
gebrochen, in eisernen Kesseln ausgekocht und der klar abgegosseue Saft
eingedampft, bis er beim Erkalten eine gewisse körnig-gallertartige Kon-
sistenz zeigt, worauf er nach dem Abkühlen in würfelförmige, meist unge- \
fahr 0,03 grosse Stücke geschnitten wird, welche man im Schatten trock-
net. Diese leichten zcrreiblieheu Würfel sind äusserlich matt rothbraun,
von körniger Oberfläche oder von Eindrücken eines Gewebes gezeichnet,
im Innern von hell gelblicher Färbung. Die besseren der zahlreichen Sorten
1) üanbury , Chinese raat. mcdica. London 18G2. pag. 35.
2) Uucus der Haken.
Gambir.
115
dieses Extractes bilden lose Stücke und erweisen sich unter dem Mikroskop
durch und durch als aus kurzen, in polarisirtem Lichte lebhaft farbigen
Krystalluädelchen bestehend. Geringeren Sorten, zu deren Gewinnung die
ganze Pflanze genommeu wird und deren Stücke mehr zusaramenbacken,
soll auch Sago zugesetzt werden. In sehr wenig heissem Wasser, nicht in
kaltem, lösst sich das Gambir völlig zu einer bräunlichen etwas trüben uud
dicklichen, nur wenig oder gar nicht Lakmus röthenden Flüssigkeit vou
adstriugirendem und zuletzt süssem Geschmacke auf. Sie gibt mit Salzen
des Eisenoxyds unter Reduction desselben zu Oxydul einen sehr reichlichen
grünen, in braun übergehenden Niederschlag und vermag in alkalischen
Kupferlösungen ein rotlies Pulver auszuscheiden, das jedoch nicht Oxydul zu
sein scheint. Die Krystalle, welche fast ausschliesslich das Gambir bilden, kön-
nen leicht rein erhalten werden, wenn das letztere zuvor mit kaltem Wasser
erschöpft wird. Der Rückstand gibt aus 3 bis 4 Theilen heissem Wasser
krystallisirt farblose feine weiche Nadeln von gewässertem Catechin (Ca-
techusäure, Deutocatechusäure), die über Yitriolöl getrocknet nach Kraut
und van D elden der Formel 012H1205 -+- 2H20 entsprechen1). Durch
geeignete Behandlung mit Säuren erleidet das (entwässerte) Catechin keine
tiefere Spaltung, sondern verliert einfach H2G und geht in braunes amor-
phes Catechuretin über. Wässerige Catechinlösung fällt weder die Leim-
auflösung, noch Brech Weinstein oder die Alkaloide, hingegen geschieht
wenigstens das erstere, nachdem das Catechin sehr anhaltend mit Wasser
gekocht worden. Dem Gambir entzieht kaltes Wasser einen leimfällenden
eisengrünenden Gerbstoff, die noch nicht genauer gekannte, weil schwer vou
Catechin zu trennende Catecliu gerb säure, in welcher Neubauer
0855) ein Zersetzungsprodrukt des Catechins vermuthet. Dieser Gerbstoff
ist ebenso wenig eine gepaarte Zuckerverbindung wie das Catechin selbst.
Bei der trockenen Destillation des Gambir liefert das Catechin (wie übrigens
neu« ^ianclie andere Stoffe) Brenzcatechin (Pliänsäure, Pyrocatecliin )
G H^O . Sehr schönes Gambir in in regelmässigen Würfeln gab mir beim
Verbrennen, das nur langsam vollständig erfolgt, 2,6 pC. Asche, welche
vorwiegend aus Magnesia- und Kalk -Carbonat bestand. — Bestätigt sich
das Vorkommen des Chinovins (vergl. unter Cort. Chinae) in den Nauclea-
(Uucana-) Arten ), so müsste sich dasselbe auch im Gambir finden.
Das Gambir scheint in Indien schon seit langer Zeit in mannigfaltigen
Formen dargestellt zu werden, da es mit den Blättern von Chavica (Pi-
per L.)Betle Miquel und den Früchten der Areca Catechu im ausgedehn-
testen Masse gekaut wird (Betelhappen oder Betelkauen). Unter dem Namen
Latta Gamba ist auch das Gambir neben dem schon früher bekannten
Catechu seit dem XVII. Jahrhundert nach Europa gelaugt und zu Anfang
es vorigen Jahrhunderts m den Arzneischatz eingeführt worden; es findet
2 ITv H?aretVie“ H18 °8 wasserfreien Zustande.
) de Vrij. Pharm. Journ. u. Tr. VI. pag. 19.
8*
116
I. Pflanzenstoffe ohne organische Strnctur.
jedoch jetzt eine ungleich grossartigere Verwendung in der Gerberei und
Färberei. Singapore, der Hauptplatz für Gambir, verschiffte davon z. B.
ira Jahre 1863 nicht weniger als 272,000 Pikuls (1 Pikul = 61,5 Kilogr.),
wovon England über die Hälfte nahm.
Uncaria acida Roxburgh (Nauclea Hunter), den gleichen Gegenden
angehörig, wie U. Gambir und derselben sehr ähulich, besitzt grössere, bis
0,1 5 m lange scharf zugespitzte und derb geaderte Blätter, welche wie es
scheint in ganz gleicher Weise zu Gambir verarbeitet werden können.
Catechu.
Catechu nigrum. Terra japonica1) Extractum s. succus Catechu. Catechu.
Pegu-Catechu. Kutsch. Cachou. Terre du Japon. Black Catechu. Cutch.
Acacia Catechu Willdenow. — Mimoteae.
Syn.: Mimosa Catechu L. fil.
Die Catechu-Acacie, ein hoher oder oft etwas verkrüppelter Baum mit
mächtiger, sehr reichblätteriger Krone und rothbrauner, herbe schmeckender
Rinde, wächst in vielen Gegenden Indiens, besonders auf den Gebirgen von
Coromandel, auf Ceylon, in Bengalen, in Pegu (Hinterindien), von wo jetzt
das Catechu hauptsächlich ausgeführt wird.
Zur Darstellung der Droge dient, mit Ausschluss des wenig gefärbten
Splintes, das harte dunkelbraune bis schwärzliche Kernholz, welches klein
geschnitten ausgekocht wird.2) Das eingedampfte Extract wird auf Blättern
völlig ausgetrocknet und in sehr grossen , centuerschweren Klumpen oder
Blöcken, in Matten eingeschlagen, in den Handel gebracht, welche von oft
sehr zahlreichen Blättern durchsetzte dichte schwere Massen darstellen
oder stengelige Schichtung, oft mit Hohlräumen, darbieten.
Die Substanz selbst bricht grossmuschelig glänzend, scharfkantig oder
etwas körnig und zeigt sehr dunkel schwarzbraune, stellenweise rötliliche
oder leberartige, selbst in diinnsteu Splittern nicht durchscheinende Farbe.
Entweder kommen kleinere Blasen vor oder die Masse ist völlig gleichartig
dicht, in keinem Falle aber deutlich krystallinisch. Selbst das polarisirte
Licht verräth keine solche Structur.
In warmem Wasser zergeht das Catechu allmälig, aber erst beim Kochen
wird der grösste Theil zu einer etwas trüben im durchfallenden Lichte
nicht sehr tief brauurothen Flüssigkeit von sehr schwach saurer Reaktion
und adstringirendem, dann süsslichem Geschmacke gelöst.
Auch Weingeist löst den grössten Theil. Eisenchlorid fällt die Auf-
lösungen, besonders die weingeistige dunkel brauugrüu; verdünnte Säuren
1) gewöhnlicher wird jetzt unter Terra japonica das Gambir verstanden.
2) daher die hindostanische Bezeichnung cat-chu = Baumsaft, woraus auch wohl cassu
cutch, wie das Catechu noch heisst.
Catecliu.
117
erzeugen in der wässerigen Lösung einen weit geringeren Niederschlag, als
dies bei Kino der Fall ist.
Im ungelösten Rückstände des Catechus zeigt das Mikroskop zahlreiche
Pflanzenreste, auch Krystalle von Kalk oxalat, aber keine Stärkekörner,
sondern nur wenige braungefärbte Körner, vermuthlich Chlorophyll.
Das Catechu gibt an Aether neben einer geringen Menge chlorophyll-
artiger Substanz ziemlich reines Catechin oder Catechusäure (vergl.
bei Gambir) ab, während in der Mutterlauge, die sich mehr und mehr
röthlichbraun färbt, eine die filtrirte Lehnlösung fällende Substanz enthalten
ist. Man vermuthete darin früher eine eigene Gerbsäure, Catechu-
gerbsäure, aus welcher sich das Catechin in ähnücher Weise bilden
sollte, wie die Gallussäure aus dem Galläpfelgerbstoffe. Neubauer (1855)
zeigte jedoch , dass sich weder durch Aether eine Gerbsäure dem Catechu
entziehen noch durch Säuren aus dessen wässeriger Lösung fällen lässt und
dass, entgegen der bisherigen Vorstellung, gerade umgekehrt, das farblose
Catechin sich durch sehr lange anhaltendes Kochen seiner Auflösung in
eine leimfällende Substanz verwandelt, welche ungefähr das Aussehen des
Catechu besitzt.
Die Zusammensetzung des Catechu stimmt also im wesentlichen über-
ein mit derjenigen des Gambir, aber mit dem Unterschiede, dass in letzterem
das Catechin bei weitem vorwaltet und in krystallisirter Form vorhanden
ist. Wahrscheinlich ist das im frischen Safte der Acacia Catechu auch der
Fall, aber durch die grössere Hitze, welcher dasselbe beim Einkochen aus-
gesetzt wird, büsst das Catechin die krystallinische Form ein und geht auch
zum Theil in den als Catechugerbsäure bezeichneten Stoff über.
Ohne Zweifel hängt die Amorphie des Catechins auch mit dem Verluste
des Krystall wassers zusammen; wenigstens gibt das vermittelst Aether der
Droge entzogene Catechin erst bei Behandlung mit Wasser Krystalle und
anderseits verwandelt sich das käufliche Catechu bei der Digestion mit
wenig Wasser in eine nach dem Erkalten durch und durch krystallisirte
Masse vom Aussehen des Gambir, wenn sie durch das Mikroskop betrachtet
wird. Nach Kraut u. van Delden verbindet sich in der That das Catechin
in mehreren Verhältnissen mit (Krystall-) Wasser.
Zucker fehlt im Catechu. Die Angabe von Sacc, dass daraus durch
Erwärmen mit verdünnter Schwefelsäure 37 pC. Zucker erhalten würden,
scheint sich lediglich auf das Catechuretin (vergl. bei Gambir) zu beziehen.
Wie bei Kino erwähnt, ist aber das Catechu im Stande, reichlich Phloro-
glucin zu liefern.
Mit dem Catechu stimmt nicht nur das Gambir überein, sondern auch
mehrere andere Extracte verschiedener Pflanzen. Zunächst scheinen noch
einige der Acacia Catechu nahestehende Arten ein gleiches oder sehr ähn-
liches Produkt zu liefern. Ferner die prachtvolle Areca- Palme, Areca
Catechu L., deren Früchte reich an Catechin sind und unter dem Namen
Betelnüsse einen sehr grossartigen Handelsartikel Indiens, vorzüglich au
118
I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur.
der Südspitze Vorderindiens (Travancore) , bilden.1) So unentbehrlich
sie den Ostasiaten beim Betelhappen sind, so gelangen weder diese Areca-
nüsse, noch ein Präparat derselben auf den europäischen Markt. Nach
Pereira ist ein daraus bereitetes Extract (Cassu) krystallinisch wie Gainbir.
Diese und zahlreiche andere catechinhaltige Extracte, welche als Genuss-
mittel und Farbstoffe in Indien von jeher viel benutzt werden, scheinen
zuerst durch die Portugiesen nach Europa gelangt zu sein. Um die Mitte
des XVI. Jahrhunderts wird Catechu zuerst von Garcia d’Orta bestimmter
erwähnt. Im XVII. Jahrhundert gelangte schon das jetzt bei uns fast aus-
schliesslich gebrauchte Produkt aus Pegu nach Europa, bisweilen allerdings
auf kurze Zeit (z. B. 1816 und 1835) durch Gambir oder andere Catechu-
sorten verdrängt.
Kino.
Pterocärpus Marsupium Martius. — Papilionaceae-Dalbergieae.
Hoher schlanker Baum mit aussen brauner, innen rother faseriger Rinde
von adstringirendem Geschmacke, welcher in den Wäldern der Malabar-
Küste, so wie in den Circar-Bergeu (mittlere Ostküste Vorderindiens), auch
auf Ceylon und in Hinterindien wächst. •
In Folge von Einschnitten fliesst aus der Rinde ein schön dunkelrother
aromatischer Saft2), welcher eingetrocknet und von der Malabarküste in
den Handel gebracht, das jetzt am meisten verbreitete Kino darstellt. Es
heisst auch wohl sonderbarerweise Amboina-Kino.
Die Waare besteht aus kleinen dunkel schwarzrothen eckigen Stückchen,
welche leicht in glänzende scharfkantige rothbraune vollkommen durchsich-
tige und unter dem Mikroskop amorphe Splitter zerspringen. In kaltem W asser
sinken sie unter und lösen sich nur zum geringeren Theil zu einer trübe brauu-
rothen nicht sauren Flüssigkeit von zusammenziehendem zugleich etwas
süsslichem Geschmacke; der Rückstand klebt etwas zusammen. Weingeist
und kochendes Wasser bewirken fast vollständige Auflösung von äusserst
gesättigt rubinrother Farbe und saurer Reaktion. Beim Erkalten der Lö-
sung in heissem Wasser erfolgt Trübung, auch die w'eingeistige Tiuctur ge-
steht bisweilen durch Ausscheidung eines vermuthlich pektinartigen Stoffes.
Schon der kalte wässerige Auszug, noch weit reichlicher die Auflösun-
gen des Kino werden durch Metallsalze stark gefällt. Eisenchlorid gibt
einen schmutziggrünen Niederschlag, verdünnte Mineralsäure und Alkalien
erzeugen keine wesentliche Farbenveränderung, erstere aber eine reichliche
hell braunröthliche Füllung vou Kinogerbsäure. Die beschriebene Kino-
sorte bei 100° getrocknet, gibt nur 1,3 pG. Asche; Zucker ist in der Waare
nicht nachzuweisen.
*) vorgl. darübor Ausland 1864 und daraus in Büchners Repertor. XIII. S. 310 — 320.
2) er gelangt neuerdings auch ganz frisch und unverändert in den englischen Handel.
Kino.
119
Die Kinogerbsäure, auf oben erwähnte Weise dargestellt, ist keine reine
Substanz; sie gibt bei der trockenen Destillation wie überhaupt die eisen-
grünenden Gerbstoffe keine Pyrogallsäure , sondern Brenzcatechin (vergl.
S. 1 1 5). Das durch Säuren niedergeschlagene Gemenge enthält vielleicht
auch Catechugerbsäure.
Die Kinolösungen nehmen nach Ger ding Sauerstoff auf und scheiden
Kinoroth (Kinosäure) ab, welches nach Hennig aus einem ursprüng-
lich ungefärbten Stoffe entsteht, wie' denn auch der frische Saft des Baumes
nur schwach röthlich sein soll.
Aether nimmt aus Kino kleine Mengen Brenzcatechin auf, welche E iss-
feldt erst bei der Darstellung des käuflichen Kino entstanden glaubt. Die
Quelle dieses Brenzcatechins kann wol keine andere sein, als Catechin, das
im Kino vorhanden sein muss.
Merkwürdigerweise ist aber das Catechin, das im Gambir so ausgezeich-
net krystallisirt enthalten ist, im Kino amorph, vielleicht nur in Folge der
höheren Temperatur, welcher der Saft beim Eindampfen ausgesetzt wird.
Das Catechin gibt, wie Hlasiwetz (1865) gezeigt hat, beim Schmel-
zen mit Kalihydrat Protocatechusäure und Phloroglucin O6Hfi0ä, einen in
Aether löslichen, gut krystallireuden und sublimirbaren Zucker, dessen Lö-
sung isich mit Eisenchlorid tief violett färbt. Im Kino hat nun derselbe
Chemiker bei gleicher Behandlung eine ergiebige Quelle des Phloroglucins
erkannt. Das Kino muss demnach in ansehnlicher Menge Catechin enthalten.
Das Kino wurde zuerst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts aus Sene-
gambien nach Europa gebracht, stammt jedoch hier von Drepanocarpus
senegalensis Nees (Pterocarpus eriuaceus Lamarck), einer dem malabarischen
Kinobaume verwandten Art. Dieses ursprüngliche afrikanische Kino ist
läugst aus dem Handel verschwunden und der Name auf zahlreiche andere
freiwillig ausfliessende und erhärtende, oder aber durch Einschnitte oder
durch Auskochen gewonnene ähnliche Produkte übertragen worden. Das
oben beschriebene malabarische ist jetzt fast ausschliesslich im Handel.
Früher fand sich auch in grösseren, weniger brüchigen, etwas blasigen
und mehr braunen als röthlicheu Massen das Kino von Jamaica, das
Extract des Holzes von Coccoloba uvifera L., welcher ansehnliche Baum
aus der Familie der Polygoneae in Westindien und dem benachbarten Fest-
lande Südamerikas zu Hause ist. Die chemischen Eigenschaften dieses
amerikanischen Kino sind nicht ermittelt. Ich finde es ebenfalls amorph.
Mit dem Pterocarpus-Kino ist das beug ali che oder Butea-Kino nicht
zu verwechseln. Es stammt von Butea frondosa Roxburgh (Erythrina
raonosperma Lamarck), einem kleinen ostindischen Baume aus der Familie
der Papilionaceae-P haseoleae. Dieses Butea-Kino besitze ich aus der Ditt-
r ich sehen Sammlung in Prag in kleinen schwach glänzenden Tropfen von
schwarzer Farbe, denen noch Kork- und Blattstückchen anhafteu. An
kochendes Wasser treten diese Körner oder Thränen keinen gefärbten Stoff
ab, quellen aber auf. Mit Kalilauge verwandeln sie sich sofort in eine schön
120
I. Pfliinzeustoftc ohne organische Structur.
carminrothe Gallerte, die sicli mit Wasser zu einer flockigen Lösung ver-
dünnen lässt. Feine Splitter des Butea-Kiuo färben sich mit Eisenvitriol
nicht blau, sondern grün.
Die bei Manna erwähnte australische Eucalyptus resimfera liefert
ebenfalls in sehr grosser Menge einen als Kino bezeichnten Saft, der früher
gelegentlich auch nach Europa gebracht wurde. Er scheint wohl nur ein
mit Farbstoff gemengtes Gummi zu sein, wie das Butea-Kino.
Die sogenannte Kinogerbsäure verhält sich, wenigstens zu Blei- und
Eisensalzen , nicht anders als die Gerbsäure der Ratanhia, daher ein Zu-
satz von Kino zu dem theueren Extracte jener Wurzel (siehe hei Radix Ra-
tanhiae) nicht auszumitteln ist. Das Extract. Ratanhiae gibt an kaltes Was-
ser nur sehr wenig ab und lässt sich hierdurch am einfachsten unterschei-
den. Es ist auch bei weitem weniger dunkel schwarzroth, mehr braunroth
und matt.
Lycopodium.
121
Zweite Classe.
Stoffe yon zeitigem, aber erst durch das Mikroskop
erkenn barem Hau.
Lycopodium.
Semen Lycopotlii. Sporae Lycopodii. Bärlappsamen. Hexenmehl. Streu-
pulver. Trockenpulver. Zäpfchenmehl. Blitzpulver. Lycopode.
Lycopodium clavatum L. — Lycopodiaceae.
Der Bärlapp wächst häufig auf Haiden und Gebirgen (bis zu 6000 Fuss
ansteigend) im mittleren und nördlichen Europa (bis Island), Nordamerika
und Asien, doch nur stellenweise in grosser Menge. — Das nahe verwandte
Lycopodium annötinum geht bis Grinnell-Land im höchsten Norden (80° N.
Bi.). Das Lycopodium wird hauptsächlich in Russland, Deutschland und
der Schweiz (Eminenthai. Entlebuch) gesammelt.
Es ist der staubförmige Inhalt der in den F ruchtästen den Deckblättern an
der innern Seite aufgewachsenen nierenförmigen in 2 Klappen aufspringen-
den Kapseln (Sporangien) und wird im Juli und August durch Absieben ge-
wonnen; durch häufiges Fehlschlagen fallen aber die Ernten von Jahr zu
Jahr der Menge nach sehr verschieden aus.
Eine Weiterentwickelung des Lycopodiums ist noch nicht völlig nach-
gewiesen; es scheint, als bilde sich daraus, wie aus den Sporen der Farne
ein or eim. Anderseits stimmt hingegen die Form des Lycopodiums mehr
mit den Antheridien der Selaginellen überein, welche den Lycopodien so
nahe stehen aber zweierlei Sporen tragen, (wovon die kleineren die Anthe-
ridien enthalten) während Lycopodium nur einerlei hat.
Feines sehr bewegliches geruch- und geschmackloses Pulver von blass-
ge ber Farbe, auf Wasser schwimmend, aber nach dem Kochen darin unter-
Abreibe» wird es locker, nimmt allmälig eine
grauliche Farbe an und lässt sich jetzt mit Wasser mischen. Es ist wenig
S1SC h UQd verliert bei 100° nur 4 pC. Feuchtigkeit. Langsam er
Bh h rb^enQ.t ,eS ruh,g ; ln die Flamme geblasen aber mit Explosion, wie dies
überhaupt mit besonderer Struktur versehene pulverförmige Körper“
122
II. Stoffe von zeitigem, erst durch das Mikroskop erkennbarem Bau.
Die starken Hüllen des Lycopodiums veranlassen
blitzähnliches Zerplatzen.
jedoch ein sehr heftiges
Unter dem Mikroskop erscheint das Lycopodium als durchweg gleich
grosse Körner von 3 5 Mikromillimeter Durchmesser, von 4 Flächen begränzt
c eren eine (che Basis) stark gewölbt ist, während die 3 andern flacheren in
einem scharfen Ecke Zusammentreffen, von welchem drei gefurchte Kanten
nicht ganz bis zur Basis herabgehen. Diese tetraedrischen Körner sind durch
Verdickung der äusseren Membran mit linienförmigen Erhöhungen (Leisten)
überstrickt, welche durch ihre Kreuzungen weite 5 oder 6 seitige ziemlich
regelmässig Maschen bilden. An den Durchschuittspuukten entstehen kleine
i lölmngen, welche den Körnern bei schwächerer Vergrösserung ein gewim-
pertes Aussehen geben.
Untei diesem Netzwerke liegt eine gelbe zusammenhängende dünne
aber sehr feste Hülle. Ein besonderer Inhalt der Körner des Lycopodiums
lasst sich nicht erkennen; beim Zerreiben treten Oeltropfen aus. Die gelbe
Hülle besitzt eine bedeutende Widerstandskraft, indem sie weder durch
kochendes Wasser, noch durch Kalilauge gesprengt wird. Concentrirte
Schwefelsäure wirkt in der Kälte selbst nach mehreren Tagen nicht ein,
durchdringt aber die Körner sofort und macht sie vollkommen durchsichtig.
Concentrirte Salzsäure bewirkt rascher eine Zertrümmerung der Körner.
Weder Jodziuk noch Schwefelsäure und Jod färben das Lycopodium blau;
kocht man es zerrieben anhaltend mit \\ asser oder digerirt man es mit ver-
dünnte! Salzsäure oder mit Chlorcalcium, so geben die Filtrate mit Jod
keine blaue Färbung. Das Lycopodium enthält demnach kein Amylnm.
dagegen nach Bucholz und nach Rebling 1V2— 3 pC. Zucker und 6 pC.
fettes Oel. Das als Hauptbestandtheil aufgeführte „Pollenin“ ist nicht hin-
länglich charakterisirt und von Cellulose unterschieden worden. Durch
trockene Destillation des Lycopodiums mit oder ohne Alkali erhielt Sten-
house flüchtige Basen und Muspratt Essigsäure. — Die Asche ist nicht
alkalisch und enthält, wie auch das Kraut der Pflanze, Thonerde, so wie
1 pC. Phosphorsäure. Die Form des Lycopodiums ist so eigenthümlich, dass
es durch das Mikroskop, von jedem anderen Körper bestimmt zu unter
scheiden ist. Nur die dem Lycopodium clavatum, auch in der Grösse, nahe
stehenden Arten des Bärlapps können ein ähnliches Produkt liefern, das
aber ohne Bedenken gleich verwendet werden darf. Höchstens die Körner des
Lycopodium complanatuni L. stimmen ganz mit deneu des L. clavatum
überein; die der andern können trotz der gleichen Grundgestalt doch unter-
schieden werden. So sind die von L. annötinum L. etwas kleiner oder
gleich gross, aber mit weiteren rundlichen Maschenräumen versehen ; die von
L. inuudatum L. bis 50 Mikromillimeter gross und nur undeutlich tetrac-
drisch, mehr rund; die Körner von L. Selago L. meist noch grösser, doch
sehr ungleich, von 35 bis 65 Mikromillimeter und von wellenförmiger, nicht
netzartiger Oberfläche. Die Körner des L. alpinum. fast deneu des L. clava-
tum ähnlich, sind nur weniger deutlich tetraedrisek. — Aber nur L. com
Glandulae Lupuli.
123
planatum und L. annotinum sind so gross, dass sie eine lohnende Ausbeute
geben können; die übrigen genannten Arten sind klein und dürften schwer-
lich irgendwo auf „Lycopodium“ benutzt werden. Bei Lycopodium Selago
ist es nicht wohl denkbar, weil diese Art eine besondere Fruchtähre nicht
besitzt und daher immer nur einige wenige Kapseln gleichzeitig zur Reife
gelangen.
Jede Beimischung fremdartiger Dinge lässt sich durch das Mikroskop
sicher auffinden; ausserdem würden Amylum und Dextrin mit Hülfe der
bekannten Reactionen zu erkennen sein, anorganische Beimengungen (Gyps,
Magnesia, Schwefel, Kalk) dadurch, dass sie in Chloroform zu Boden sinken,
während das Lycopodium sich auf die Oberfläche erhebt, oder durch die
Einäscherung. Gute käufliche Waare hinterlässt ungefähr 4 pC. Asche. Der
Blüthenstaub (Pollen) phanerogamiscker Pflanzen sieht auf den ersten Blick
dem Lycopodium sehr ähnlich, fühlt sich aber rauh an, zeigt oft Geruch und
hat immer einen ganz abweichenden Bau je nach seiner Abstammung, der
ihn unter dem Mikroskop stets von Lycopodium unterscheiden lässt. So be-
steht der leicht zu beschaffende Blüthenstaub von Pinus sylvestris aus zwei
dunkeln Kugeln, welche durch eine hellere Ellipse verbunden sind, der von
Corylus Avellana bietet unter der dünnen äusseren Membran gleichsam
einen dreistahligen gelben Kern dar.
Das Vorkommen und die Einsammlung des Lycopodiums bringen übri-
gens unvermeidlich eine sehr geringe Beimengung von Erde und Pflanzen-
fragmenten mit sich.
Als Hausmittel war das Lycopodium wohl schon sehr lange im Gebrauche,
bevor es im Mittelalter in allgemeinere Aufnahme kam.
Glandulae Lupuli.
Lupulin. Hopfenmehl. Hopfendrüsen. Hopfenstaub. Lupuline. Hop glands
or grains. Lupulinic grain.
Abstammung bei Strobili Lupuli.
Die gelben glänzenden Drüsen , welche in den weiblichen Blüthen- oder
Fruchtständen des Hopfens, wie bei Strobili Lupuli angegeben, Vorkommen
und daraus durch Absieben gewonnen werden.
Das Hoptenmehl bildet, in Masse gesehen, ein braungelbes, nur Anfangs
| klebendes I ulver, das von Wasser erst allmälig benetzt, von Aether und
Weingeist sogleich, nicht aber von Kali und concentrirter Schwefelsäure
durchdrungen wird.
Es besteht aus lauter einzelnen, ziemlich gleichartigen eiförmigen, 140
bis 240 Mikromillimeter messenden Säckchen, welche eine trübe dunkel-
brauue oder rothgelbe dicke Flüssigkeit einschliessen. Die dünne Membran
der Säckchen oder Drüsen ist aus zarten eckigen tafelförmigen Zellen zu-
sammengesetzt, wird aber gleichsam durch einen Aequator quer in zwei
Halbkugeln (vielmehr Kugelschalen) getheilt. Die eine, häufig etwas
24 II. Stofle von zelligem, erst durch das Mikroskop erkennbarem Bau.
einen 7 .11 ‘ eme derbere Membran, deren einzelne Zellen
, ,..L ,n6rn enthalten, wahrend das Gewebe der anderen, gewöhnlich
nehr länglichen Halbkugel zarter, etwas gestreckt und inhaltslos ist. Sie
tult daher leicht zusammen, biegt oder stülpt sich ein, wenn der Inhalt der
ruse selbst fester wird und ein geringeres Volumen annimmt. Die Drüsen
Jieten demnach trotz ihres einfachen Baues einen sehr verschiedenen An-
blick dar, je nachdem sie dem Beobachter ihre Pole oder den Aequator zu-
kehren und je nachdem die Membran der zarteren Hemisphäre straff oder
eingefallen ist. Es entstehen hierdurch bald fast vollkommen regelmässige
Kugelgestalten, bald mehr linsen- oder dick scheibenförmige, bald endlich
erblickt man eine gestielte Halbkugel oder Kugelschale. Oft sieht man den
nhalt der Druse zu einer frei in der Höhlung liegenden dunkleren Masse
zusammengezogen. Die Umrisse der Zellen, welche die Drüsenwaud bilden,
treten erst deutlich hervor, wenn man das Hopfenmehl durch Aether voll-
kommen auszieht und dann erst in Wasser aufweicht. Der gelbe Farbstoff,
vermuthlich Quercitrin, hängt der zarteren Halbkugel hartnäckiger an als
der derbereD. Der Anheftungspunkt der nur leicht an der Unterlage haf-
tenden Drüse findet sich im Pole der letzteren Hälfte, ohne eigentlichen
Stiel. Der Inhalt lässt sich in feinen Tröpfchen heraustreiben, wenn die
Drüse durch Erwärmung (in Glycerin) gesprengt wird; Krystalle kommen
dabei nicht zum Vorschein.
Das Hopfenmehl riecht nicht unangenehm aromatisch , betäubend und
schmeckt bitter aromatisch. Es hält nur etwa gegen 2 pC. hygroskopisches
Wasser zurück.
Die chemischen Bestandtheile der Hopfendrüsen sind sehr manigfaltig.
Träger des Geruchs ist das ätherische Oel , wovon die Strobili (nicht die
Drüsen allein) nach Wagner 0,8 pC., nach Payen u. Chevallier 2 pC.
liefern. Es ist nach Ersterem isomer mit Terpenthinöl , nach Personne
noch gemengt mit Valerol O12H20O2, welches in Valeriansäure übergeht,
die sich in den Drüsen in der That (zu 1 pC.) findet.
Winklers Hopfen- oder Lupulinsäure ist vielleicht damit iden-
tisch. Den bitteren Bestandteil der Hopfendrüsen hatte man als Lupulin
oder Lupulit bezeichnet; aber erst Lermer hat ihn (1863) isolirt und als
Hopfeubittersäure bezeichnet. Sie krystallisirt in grossen spröden
rhombischen Prismen und besitzt in hohem Grade den specifischen ange-
nehm bitteren Geschmack des Bieres, worin sie aber nur in sehr geringer
Menge enthalten ist, indem sie sich in Wasser fast gar nicht löst, sehr leicht
aber in den meisten anderen Lösungsmitteln. Die Zusammensetzung der
Hopfenbittersäure O32H5007 scheint sie dem Absinthiin zu nähern; sie ist
nur in geringer Menge im Lupulin enthalten; noch weniger beträgt ein an-
derer krystallisirbarer Stoff, den Lermer für ein Alkaloid hält.
Die Hauptmasse des Inhaltes der Drüsen besteht aus Wachs (palmitin-
saurem Myricyl nach Lermer) und Harzen, wovon eines krystallisirt und
sich mit Basen verbindet.
Kamala
125
Das ätherische Oel verharzt sehr leicht und das Lupulin verliert da-
durch sein Aroma, daher es sorgfältig und nicht allzu lange aufzubewah-
ren ist.
Die Drüsen sind immer von zufälligen Unreinigkeiten (Staub) und klei-
nen wenig charakteristischen Bruchstücken der Organe begleitet, denen sie
auhaften. Der Aschengehalt des guten käuflichen Hopfenmehles steigt da-
durch bis auf etwa 40 pC. an. — Eigentliche Verfälschungen sind wegeu
der eigentümlichen Gestalt der Dräschen leicht zu finden.
Die Hopfendrüsen für sich wurden 1813 durch Planche als Heilmittel
eingeführt.
Kamala.
Kamela. Glandulae Rottlerae. Wurus. Waras.
Rottlera1) tinctoria Roxburgh. — Euphorbiaceae.
Kleiner bis gegen 20 Fuss hoher Baum, der hauptsächlich in ganz
Vorderindien, von Birma bis zum Indus und von Ceylon bis in die heissen
Thäler des Himalaya zu Hause ist, sich aber auch in Süd-Arabien, auf der
gegenüberliegenden Somaliküste, sowie in Abyssinien, ferner auf den Philip-
pinen, in China und Nordost-Australien findet.
Die dreiköpfige Frucht der Euphorbiaceen ist bei manchen Arten dieser
zahlreichen Familie nicht nackt, sondern oft dicht mit Stachelu, Sternhaaren
oder leicht abwischbaren Dräschen besetzt, was namentlich auch bei den
Rottlera- Arten der Fall ist. Die meisten derselben (ausgezeichnet z. B. die
Rottlera Zippelii Hassk.) tragen nur grünliche oder graue, flockig-pulverige
Sternhaare, bisweilen mit kleinen Wärzchen; bei Rottlera tinctoria jedoch,
abei auch bei der in Ost-Java und auf Sumatra (Padang) vorkommenden
Rottlera affinis Hasskarl sind die Sternhaare klein , wenig zahlreich und
ganz zurücktretend gegen die zinnoberrothen Dräschen, welche die bei der
erstgenannten Art kirschgrossen, bei der zweiten höchstens 0,0 80m messenden
Früchte dicht bedecken. In Indien (z. B. in Bustar, in den Circars) werden
zur Zeit der Fruchtreife im Februar und März die Dräschen von R. tinctoria
abgebürstet und ohne Weiteres, hauptsächlich unter dem Namen Kamala
in den Handel gebracht.
Die Kamala ist ein leichtes , lockeres , schon für das unbewaffnete Auge
nicht ganz gleichförmiges Pulver, dessen Hauptmasse aus durchsichtigen
scharlachrothen Körnchen besteht; ihre lebhafte Farbe wird durch mehr
oder weniger zahlreich beigemengte gelblichgraue Haare und kleine Pflanzen-
Bruchstucke oder durch Staub und Sand gedämpft. Aus dem gleichen
Grunde erscheint die Kamala auch wohl weniger leicht beweglich als etwa
das Lycopodium. Sie ist fast ganz geruch- und geschmacklos2) und wird
l)
2)
Rottier, Dänischer Missionar
obwohl die Früchte selbst sehr
und Naturforscher zu Ende des vorigen Jahrhunderts,
unangenehm riechen und schmecken sollen.
126 II. Stoffe von zeitigem, erst durch das Mikroskop erkennbarem Rau.
auch von kochendem Wasser kaum angegriffen. Dagegen gibt sie an
Chloroform, Benzin, Aether und Alkohol, sowie an alkalische Lösungen
prächtig rothes Harz ab. Schwefelsäure und Salpetersäure sind in der Kälte
ohne Einwirkung, auch Terpeuthiuöl färbt sich damit erst in der Wärme.
k iir sich erwärmt gibt sie einen nur höchst geringen aromatischen Geruch
aus. In Terpenthinöl siukt die Kamala unter, schwimmt aber wenigstens
Aufaugs grösstentheils auf Wasser, indem schwerere Unreinigkeiten sich
absetzen. In der Lichtflamme blitzt Kamala, doch nicht so heftig wie Lyco-
podium, dessen Hülle sehr viel fester ist.
Die mikroskopische Struktur der Kamala ist sehr einfach; die Drüsen
bestehen aus 50 bis 100 Mikromillimeter messenden, auf einer Seite etwas
abgeplatteten und unmerklich vertieften, sehr wenig regelmässigen Kugeln
von welliger Oberfläche, die in ihrer zarten, schwach gelblichen Membran
eiue strukturlose gelbe Masse einschliessen , in welche zahlreiche keulen-
förmige, ganz einfache Zellen mit durchsichtigem, homogenem, rothem
Inhalte eingebettet sind. Dieselben erscheinen strahlenförmig um den
dunkeln Mittelpunkt der etwas abgeflachten Seite gruppirt, so dass auf dem
eben dem Beschauer zugewendeten Theile der Oberfläche leicht 9 bis 30
Zellcheu gezählt werden können, wonach jede einzelne Kamala-Drüse etwa
40 bis 60 derselben enthält. Aeusserst selteu erblickt man im Mittelpunkte
der Grundfläche noch eine kurze Stielzelle. Werden die Drüsen mit W ein-
geist und Kali erschöpft und unter dem Deckgläschen zerdrückt, so zer-
fallen sie in die einzelnen Zellchen, welche hierbei nur wenig aufquellen,
während die Hüllmembran vollständig aufgelockert wird und sich als ein-
faches, zusammenhängendes Häutchen darstellt. Nach dieser Behandlung
färben sich die Zellchen, nicht aber die faltige Membran durch längere
Berührung mit conceutrirter Schwefelsäure und Jodwasser, mehr oder
weniger braun bis blau. Die Wandungen der ersteren entsprechen also der
Cellulose, die gemeinschaftliche Hülle mehr deu Oberhautgebilden. Diese
letztere ist durch ihren einfachen Bau verschieden z. B. von der aus kleinen
Tafelzellen zusainmeugefügten Hülle der Hopfendrüsen (vergl. Glandulae
Lupuli). Vogl *) vermuthet, dass eine Zelle der Fruchtoberhaut zuerst eine
Tochterzelle entwickele, welche durch weitere Theilung zur Stielzelle und
zur eigentlichen Mutterzelle der kleinen, keulenförmigen Harzzellchen der
Kamala werde. Anfangs erscheint der Inhalt der letzteren nicht verschieden
von der Masse, in welche sie eingebettet sind und geht wohl allmälig erst
durch Metamorphose des Zellstoffes in Harz über.
Immer sind diese Drüsen der Kamala von farblosen oder bräunlichen,
oft luftführenden, sehr dickwandigen Sternhaaren begleitet, welche in ihrer
Form keine Eigenthümlicbkeit darbieten, vielmehr an die entsprechenden
Organe anderer Pflanzen erinnern, z. B. au die Haare von Verbascnm oder
Althaea. Doch sind die einzelnen, büschelig zusammeugestellteu Haare der
0 Wiener Akadem. 1864.
Kamala.
127
Kamala nicht ästig, sondern nur schlängelig oder sichel- und hakenförmig
gekrümmt, 2 bis 3 mal so gross als die Drüseu selbst. Nach Digestion in
alkoholischem Aetzkali färben sich ihre Wände durch Jod blau; manch-
mal führen sie einen rothbräuulicheu Inhalt, nach Yogi identisch mit dem
von der Hüllmembran der Harzzellen umschlossenen, nicht mit dem in den
letzteren selbst enthaltenen. Sowohl die Dräschen als auch die Stern-
haare sind hier nach der gewöhnlichen Handelswaare geschildert, welche
allgemein nur der Rottlera tinctoria zugeschriebeu wird. In jeder Hinsicht
damit übereinstimmend1) finde ich aber auch den Ueberzug der Früchte
der schon erwähnten Rottlera affinis ß) sumatrana , welche ich an einem
von Teijssman 1857 bei Palerabang auf Sumatra gesammelten Exem-
plare besitze.
Dass ausserdem noch kleine Bruchstücke der Stamm pflanze sowie ganz
fremdartige Dinge von unbestimmter Gestalt staubförmig, wenn nicht gröber,
unvermeidlich der käuflichen Kamala in geringer Menge beigemischt sein
müssen, ist begreiflich. Das Mikroskop lässt dieselben leicht erkennen und
ihrer Menge nach schätzen. Unverhältnissmässig starke Beimengung von
Saud gibt sich auch durch zu bedeutenden Glührückstand zu erkennen.
Während nämlich reine Kamala nach Anderson nur gegen 4 pC. Asche
liefert, lässt die jetzt vorkommende Handelswaare bisweilen 17 bis 30 pC.
Asche, ja es ist .neulich eine äusserlich immer noch gar nicht verdächtige
Waare erschienen, welche 54 pC. Asche (Quarz und Eisenoxyd) zurückliess.
Durch Sieben sind diese Unreinigkeiten nicht zu entfernen , ziemlich voll-
ständig duich rasches Abschlämmen, aber am zweckmässigsten dürfte es
sein, die Droge in Form einer Tinctur, nicht in Substanz anzuweuden.
Die Kamala ist wenig hygroskopisch und gibt nur etwa 3V2 pC. Wasser
ab; sie enthält Spuren von ätherischem Oele, Citronsäure, Oxalsäure und
Protein stoffen. Alkoholisches Eisenchlorid, worin sie sich dunkel färbt
zeigt etwas Gerbstoff an. Neben ungefähr 7 pC. Cellulose besteht die reine
Kamala zu etwa 7+ hauptsächlich aus Harzen, welche Anderson durch
lkohol ausgezogen hat. Aether entzieht zuvor einen eigenthiimlicheu
auch m heissem Alkohol löslichen Farbstoff, das Rottierin. Es ist nur
in sehr geringer Menge vorhanden, hängt aber den Harzen hartnäckig an.
Durch seine Zusammensetzung (G11 H10-O3) scheint es sich als Glied Einer
homologen Reihe dem Purpurin des Krapps und der Chrysophausäure
auzuschhessen Die Darstellung des in gelben Krystallen anschiessenden
nut prächtig rother Farbe m Alkalien löslichen Rottlerins gelingt nicht leicht.
Eines der von Anderson getrennten Harze scheint grosse Aehnlichkeit
Kam!ln Dn°USSmA r?L K°SS0) ZU besitzeü- Nach Leube sind die
Kamala-Harze in Alkalien mit schön rother Farbe löslich und nicht gepaarte
uckerverbindungen. Die von letzterem gefundene Zusammensetzung der-
iSt ’cU;,\Z°,Ilinger (Act S0C‘ Scient ^o-Neerlaudic.
) ttuigoiauen. Vcrgl. Schweiz. Zeitschrift f. Phaimacie 1859.S. 264.
128 II. Stoffe von zeitigem, erst durch das Mikroskop erkennbarem Bau.
selben stimmt nicht mit Anderson’s Resultaten. — Auch die Wurzel des
Baumes soll rotheu Farbstoff enthalten.
Der Name Kamala ist in Bengalen üblich, in Aden heisst die Substanz
Waras oder Wurus,1) in Indien sonst noch Kapila oder Kapilapodi (loh-
farbiger Blumeustaub), in Ceutralindien (Bustar) auch Schendri. Mit Alaun,
Soda und Sesamöl diente sie schon längst in Indien zur Herstellung einer
glänzenden rothen Farbe auf Seide, nicht aber auf Baumwolle oder Wolle;
bei den Arabern auch innerlich gegen Leprose und äusserlich gegen Pusteln.
Etwa von 1848 an wurden englische Aerzte in Indien auf die Wirk-
samkeit der Kamalagegen Bandwurm aufmerksam, namentlich Mackinnon,
Anderson, Corbyn, Gordon. 1851 wurde sie als Farbmaterial durch
die Londoner Ausstellung in England selbst bekannt, auch ihre Einführung
als „Drachenblut“ schon versucht, dann 1853 von Hanbury pharma-
koguostisch beschrieben und verbreitet.
*) zusammenhängend mit dem dortigen Namen des Safrans: Wars.
Secale cornutum.
129
Dritte Classe.
Unmittelbar als Pflanzengewebe kenntliche Stoffe.
Erste Reihe.
Pflanzen oder Pflanzentlieile mit gefässlosem Gewebe.
Secale cornutum.
Mater secalis. Clavis secalinus. Secale clavatum. Mutterkorn. Wolfszalm.
Hahnsporn. Ergot. Seigle ergote. Ble cornu. Ergot of rye.
Clavieeps purpurea Tulasne — Pyrenomycetes.
Das Mutterkorn wird ausschliesslich vom Roggen, Secale cereale L
gesammelt m dessen Aehren es vorzüglich in nassen Sommern entsteht.’
Dasselbe Pilzgebilde kömmt ausserdem, oft etwas verschieden geformt und
meistens kleiner, auch vor auf Arrhenatherum, Calamagrostis, Dactylis, Lo-
n+T1013yi+^m’ Tr!tiCUm’ Aveua’ Brachypodium, Alopecurus, Poa, Glyce-
s,;’ ffi l10xaut lun;- Am;nopIlila uud andern Gramineen1), während andere
specifisch verschiedene aber sehr nahe verwandte Organismen sich auf Phrag-
Sotr au?p 1 Ma’ SnW-6 CyperaCeeü uud aaf Schpus entwickeln. -
Sogar auf Palmen soll ein Mutterkorn Vorkommen.
Das Mutterkorn des Roggens ist bis 0,040 m lang und bis 0 006 m dick
stumpf dreikantig prismatisch, meist bogenförmig gekrümmt auf jeder Seite
i“„Ts:r;ftv " e inge— Läu“ ^ ££££
und Von dichtem ^ l6r etwas elastisch, ist es trocken spröde
f. , . , , Bi uche, doch schwer zu pulvern. An der Spitze sitzt
t noch cm Mernes weissliches leicht abfallendes Anhängsel, das Mätzchen-
1 iS‘,TSt.rS abger“"‘let -'-1 I die’
jyewlettechwatze schwach bereifte Oberfläche. Das weissliche Innere
«1”!' “'■'‘»»e ■»* halbmondfarmig ^ D„ Mat.
D1.S der Araber) wM bi, o 09 "l at T T“ P/“'0 teu.x Huk. -
meist vierseitg und von srli ’ i •• f' ^ ®pi,allS gekrümmt, an der inneren Seite gefurcht,
■O wirksam ^ L*ll*»>*”* ** dieser Pilz d.pp.li
scheint, z. ß. a,lc], ;,q , f A,u’ ° w°kl er von gleicher Zusammensetzung zu sein
*M - häufig “VslS ""d 8 ^ Auf „er MnU.rpfi,.,,
Plückiger, Pharmakoguosie.
130
III. Pflanzen oder Pflanzentheile mit gefässlosem Gewebe.
ist häufig durch tiefe beim Trocknen entstandene oder doch erweitertet,) uer risse
* blos gelegt. Von Wasser wird das Gewebe nicht durchdrungen, selbst die
feinsten Schnitte quellen nur wenig auf.
Am ausgebildeten Mutterkorne lassen sich, von jenem Mützchen abge-
sehen, keinerlei Organe unterscheiden. Es besteht aus einem ganz gleich-
förmigen sehr dicht verfilzten Gewebe kurz fadenförmiger etwas dickwan-
diger Zellen, welche unregelmässig gelagert, aber so innig verwachsen sind,
dass es nur durch anhaltendes Kochen feiner Schnitte mit Kali und durch
abwechselnde Behandlung mit Säuren und Acther gelingt, einzelne Zellen
zur Anschauung zu bringen. Sonst erscheinen die ihrer vielfach und dicht
verschlungenen Anordnung wegen meist quer durchschnittenen kurzen und
weit offenen Zellen auch in den dünnsten Scheibchen wie ein ruudlich-polyed-
risches Parenchym, in welchem die einzelnen Umrisse sich; der Beobach-
tung leicht entziehen. Dieses Pseudoparenchym des Mutterkornes bietet
daher einen von den locker verfilzten weit längeren Fadenzellen (Hyphae)
anderer Pilze sehr abweichenden Anblick dar. Es wird auch nach längerer
Zeit durch Jod in Jodkaliumlösung nicht blau gefärbt, selbst daun nicht,
wenn man das Gewebe zuvor mit Schwefelsäure behandelt oder in geschlosse-
ner Röhre tagelang mit Aetzkali und absolutem Alkohol auf 100° C. erhält.
Nur wenige der äussersten Zellenreihen sind violett gefärbt, sonst aber vom
übrigen farblosen Gewebe nicht oder nur durch etwas grössere Wanddicke
als besondere Rinde unterschieden. Als alleinigen Inhalt derselben erblickt
man äusserst zahlreiche Tropfen fetten Oeles, aber weder Amylum noch
Krystalle. Es ist bemerkenswert!!, wie dieses fast inhaltslose nicht eigent-
lich sehr verdickte Parenchym ein so dichtes festes Gewebe erzeugt.
Das Mutterkorn riecht eigentümlich ranzig und dumpf; es schmeckt
unangenehm fade oder ranzig. Besonders in gepulvertem Zustande verdirbt
es durch Sauerstoffaufnahme des Oeles rasch und wird leicht von Milben
aus der Gattung Trombidium zerfressen. Es soll daher scharf getrocknet
in geringem Vorräte gepulvert in gut verschlossenen f laschen aufbewahrt
und alljährlich erneuert werden. 8
Ueber das Mutterkorn wurden seit langem vielerlei Vermuthungen auf-
gestellt; aber erst Tulasne verdanken wir Klarheit über seine Eutwicke-
lungsgeschichte , und dieser schönen Untersuchung (Annales des Sciences
nat. Botanique T. XX. Paris 1853) ist das Folgende grosseutheils ent-
nommen.
Die Mutterkornbildung befällt oft in einer Aehre nur einzelne wenige,
oft aber über 20 Fruchtknoten zugleich. Im ersten Falle werden die übri-
gen an ihrer gesunden Ausbildung nicht gehindert; sind aber zu viele
Fruchtknoten ergriffen, so verkümmert die ganze Aehre. Mehr vereinzelte
Mutterkörner werden gewöhnlich grösser, am grössten wohl auf Roggen,
der da und dort in anderem Getreide aufgeht.
Als erstes Symptom der Muttorkornbildung erscheint der sogenannte
Roggen-Honigthau, ein zäher gelblicher Schleim von intensiv süssem Ge-
Secale cornutum.
131
schmacke und dem eigenthümlichen unangenehmen Gerüche, den so viele
Pilze besitzen. Ziemlich grosse Tropfen dieses Schleimes zeigen sich da
und dort auf den Aehren in der Nähe der erkrankten Fruchtknoten und
ziehen Ameisen und verschiedene Käfer, namentlich die rothgelbe Rhago-
ni/cha melanura F abric. (Telephorus, Malachius oder Cantharis melauura),
nicht aber Bienen, in auffallender Weise an. Deshalb wollte jenem Käfer
auch wohl ein Antheil an der Mutterkornbildung zugeschrieben werden;
aber er stellt sich eben so gut auf vielen Pflanzen ein, welche niemals
Mutterkorn tragen, und manche andere Pilze sondern gleichfalls süssen
Schleim aus, durch dessen Verschleppung die Insekten höchstens zur Ver-
breitung dieser Organismen beitragen.
Der Roggen-Honigthau enthält weder Oeltropfen noch Amylum, scheidet
aber nach dem Verdünnen mit kaltem Wasser sehr bald und sehr reichlich
Kupferoxydul aus alkalischem Kupfertartrat aus. Ueber concentrirter Schwe-
felsäure getrocknet erstarrt der süsse Schleim krystallinisch. Er ist das
Produkt des chemisch und anatomisch veränderten (erkrankten) Frucht-
knotens, welcher in der That um diese Zeit völlig aufgelockert ist und sein
Amylum verliert. Nach einigen Tagen trocknen die Honigthautropfen auf
den Spelzen zur unkrystallinischen krümeligen Masse ein und verschwinden
sehr bald.
. Em schwammiges weisses Filzgewebe (Mycelium) überzieht und durch-
dnngt mit seinen zarten Fäden oder Hyphen grossentheils den zarten
ruchtknoten, indem es durch seine Buchten und Falten eine Menge Hohl-
kehlen (Spermogonien) bildet, welche sich nach aussen öffnen. Aus der
ganzen Zellenschicht (Hymenium, Spermatophorum), welche diese Höh-
lungen und die Aussenfläche überzieht, erheben sich längliche radial ab-
stehende parallele Zellen (Sterigmata, Basidia), welche in ungeheurer Zahl
kleme zusammenklebende, höchstens 4 Mikromillim. messende längüche
Körnchen (Spermatien, Stylosporen) abschnüren, wodurch die Blüthentheiie
des Roggens weiss bestäubt werden. Auch der Honigthau enthält die Sper-
matien m grosser Menge, lässt sie aber erst beim Verdünnen mit Wasser
als milchige Trübung fallen und deutlicher wahrnehmen.
Dieser erste Anfang des Mutterkorns, nämlich das Spermogonium , ist
den Nlch K" f selbststä^dig.er Pilz Sphacelia segetum betrachtet wor-
den Nach Kuhn entwickeln sich die Spermatien zu Keimkörnchen (Goni-
'“P“e Sc“ge »T«*™»
nahml'dÄ? d”eJdri,ngt d<* Fruchtknoten mit Aus-
namentl ch d F .hmder‘ seine weitere Ausbildung, indem
FrSSe Eiche“ ZerStört whd- lra Grunde <les
m i ,Ve n u , f a,m’ Wle es scheint d“«* Anschwellung und all
m g Querthe.lung der Fadenzellen der Sphacelia, ein festerer alen
^S^Tvon“r<,wl,i*T K7’ welcl,er sich ia dem Moas“ ***
i Sphacelia abschhesst, als das ursprünglich lockere
9*
132 III. Pflanzen oder Pflanzentheile mit gefässlosem Gewebe.
Gewebe der letzteren nach Beendigung ihrer Verrichtungen vertrocknet und
einschrumpft. Dadurch werden die nur noch an der Behaarung und den
Griffelrudimenten kenntlichen Ueberbleibsel des Fruchtknotens so wie die
noch nicht zu Grunde gegangenen Gewebstheile der Sphacelia aus den
Spelzen herausgeschoben und bekleiden als sogenanntes Mätzchen die
Spitze des jetzt aus der Aehre weit hervorragenden fertigen Mutterkornes.
Au der Handelswaare ist das Mätzchen in der Regel abgestosseu. Nur
äusserst selten kömmt es vor, dass das Mutterkorn von einem ausgebildeten
Samen gekröut ist.
Der Fruchtknoten des Roggens hat also bei dem geschilderten Vorgänge
keine Umbildung erfahren, sondern er wurde in den allermeisten Fällen
einfach zerstört. Weder in äusserer Gestalt noch im anatomischen Bau
zeigt das Mutterkorn irgend eine Uebereinstimmung mit einem Fruchtknoten
oder Samen, obwohl allerdings seine Entwickelung in den Zeitraum zwi-
schen Bläthe und beginnender Fruchtreife des Roggens fällt. Es lassen sich
am Mutterkorn keinerlei Organe unterscheiden; dennoch war es fär einen
selbständigen Pilz Sclerotium Clavus DC. oder Spermoedia Glavus Fries
erklärt worden.
Eine weitere Entwickelung desselben während seines Verweilens in der
Aehre ist noch nicht beobachtet worden, wohl aber im Herbste des gleichen
oder meist erst im Frähling des folgenden Jahres, wenn das Sclerotium
nach dem Ausfallen gäustigen Boden findet, den man ihm auch känstlich
durch Aussaat in feuchten, etwa noch mit feucht erhaltenem Moose bedeckten
Sande bieten kann. Schon eine wasserreiche Atmosphäre allein kann genägen.
Au Stellen des Mutterkornes, welche wenig von Erde bedeckt sind oder
äber dieselbe hervorragen, lösen sich dann nach einigen Monaten1) einzelne
Läppchen der violetten Oberfläche ab, sblagen sich zuräck und lassen oft
über 30 kleine weisse Köpfchen nach und nach hervortreten. Diese ver-
grössern sich langsam, während das benachbarte Gewebe an der Oberfläche
allmälig etwas seinen Halt verliert und körnig wird , indem die Zellen sich
entleeren und strecken. Doch behalten sie im Innern des Mutterkornes noch
während dieser Zeit ihre Oeltropfen unverändert. Die Köpfchen nehmen
eine graugelbliche zuletzt schmutzig purpurne Färbung au und erheben sich
nach einigen Wochen endlich auf dünnen geschlängelten blass violettrothen
glänzenden Stielchen gegen das Licht. Selten sitzen 2 Köpfchen auf einem
Stiele, öfter verwachsen 2 Stiele und 2 Köpfchen ganz. Die Länge der Stiel-
chen scheint durch die Entfernung des Fruchtlagers (des Mutterkornes) vom
Tageslichte bedingt und erreicht oft 0,040'" bei einer Dicke von ungefähr
1 ,nm. Sie bestehen aus parallelen sehr dicht verfilzten dünnen Zellenfäden.
1) Von mir selbst im August gesammeltes Mutterkorn, das Mitte September in einen mit
Gartenerde gefüllten Topf gelegt oder gesteckt und ohne Pflege den Winter über im Freien ge-
lassen wurde, zeigte die Claviceps-Köpfcken am 20. März ; ein anderes Mal erst am 20. April
und gleichzeitig erschienen auch die Köpfchen einer Probo von derselben Ernte, die erst im
Februar ausgosäet worden war. Starker Frost sekoint wohl die Entwickelung etwas zu verspäten.
Secale cornutum.
133
•Dieser Weiter ent Wickelung oder Fruchtbildung ist das Mutterkorn nur
so lange fähig als es frisch ist, d. h. höchstens bis zur nächsten Bliithezeit
des Roggens. Innerhalb dieser Zeit aber sind selbst zerfressene oder zer-
brochene Körner entwickelungsfähig, was wohl am besten zeigt, dass das
Sclerotium völlig homogen, ohne organische Gliederung ist. Gleichzeitig
mit den Köpfchen treten am Mutterkorne bisweilen auch strahlenförmig um
dieselben geordnete farblose Schimmelfäden auf, welche einem anderen
Pilze angehörend, mitunter die Claviceps überwuchern.
Wo das Stiel eben in das kugelige oder etwas abgeplattete Köpfchen
eintritt, ist letzteres vertieft, mit ringförmigem Rande den Stiel umschliesseud.
Bald zeigen sich an der Oberfläche der 1 bis 3 mm grossen Köpfchen eine
Menge feiner bräunlicher Wärzchen, in welche die Oeffnungen kleiner Höh-
lungen (Sporenbehälter, Conceptaculum , Perithecium) münden. Auf dem
Querschnitte erscheinen sie in strahlenförmiger Anordnung rings in der
Peripherie des Köpfchens steckend. Jede Höhlung enthält eine grosse Menge
nur 3 bis 5 Mikromillimeter dicker äusserst zarter bis 100 Mikromillimeter
langer Schläuche (Thecae, Asci) welche je 8 Sporen einschliessen. Es sind
dies einfache fadenförmige mit homogener fester Masse erfüllte Zellchen.
Noch im Innern des Peritheciums öffnet sich das dickere Ende des
Sporen Schlauches, die Sporen treten zu einem Bündel vereinigt aus und
werden langsam aus der Oeffnung des Peritheciums herausgeschoben, nicht
wie bei anderen Pilzen mit grosser Kraft herausgeschleudert. Durch ihre
etwas kleberige Beschaffenheit bleiben die Sporen auch nachher noch ver-
einigt und bilden da wo sie hinfallen seidenartige weisse Flocken; ihre Zahl
mag bei 20 bis 30 aus einem einzigen Mutterkorne entstandenen Köpfchen
leicht eine Million übersteigen. Die Köpfchen selbst sterben 2—3 Wochen nach
ihrem Hervorbrechen wieder ab; im ihrem Gewebe und in deu Stielchen
findet sich kein fettes Oel mehr vor.
Somit stellen die beschriebenen aus dem Mutterkorne hervorgehenden
Köpfchen wahre Pilzfrüchte dar, welche schon früher alsSphaeria, Cordiceps,
Goidyliceps, Kentrosporium oder Claviceps purpurea beschrieben, doch
erst von Tulas ne als letztes Eutwickeluugstadium des Mutterkornes er-
kannt wurden.
Die drei verschiedenen Formen dieses Gebildes, die Sphacelia, das offi-
ciuelle Mutterkorn (Sclerotium) und die fruchttragenden Köpfchen sind also
nur aufeinander folgende Zustände eines und desselben zweijährigen Pilzes
welche zweckmässiger Weise unter dem Namen Claviceps purpurea Tulasne
zusammengefasst werden. Der mittlere Zustand stellt das sogenannte bei
einer grossen Anzahl der verschiedensten Pilze vorkommende Dauermyce-
biuii oder Sclerotium, einen besonderen Ruhezustand dieser Pflanzen dar.
i ac i c e ai) ) ist jedoch die Sphacelia, welche in unserem Falle dem
er corne vorausgeht, eine Eigenthümlichkeit, welche sich bei den anderen
P Morphol. und Physiol. der Pilze, Flechten
und Myxomyccten. Leipzig 1866. pg. 38.
134
III. Pflanzen oder Pflanzentheile mit gefässlosem Gewebe.
Sclerotien nicht findet. Diese alle entstehen nämlich nur aus einfachen fädi-
gen oder flockigen Mycelien.
Der direkte Nachweis, dass aus den in Roggenähren ausgesäeten Sporen
des Fruchtköpfchens die Sphacelia entsteht, ist von Kühn beigebracht
worden. Schon oben wurde erwähnt, dass dieselbe auch aus den Spermatien
entsteht; es ist somit eine zweifache Bildung des Mutterkornes innerhalb
der gleichen Formenreihe möglich, ein auch sonst bei Pilzen’ beobachteter
Vorgang.
Der Umstand, dass sich das Mutterkorn nicht während seines Verweilens
in der Aehre weiter ausbildet, hatte Bonorden hauptsächlich zur Annahme
veranlasst, es diene das Sclerotium, wenn es in der Erde die Köpfchen der
Claviceps treibt, dieser Fruchtbildung nur zur zufälligen Unterlage. Dagegen
muss aber erinnert werden, dass die Entwickelung des Mutterkornes immer
dieselbe bleibt, aber nur wenu es höchstens einjährig ist und dass ferner der
organische Zusammenhang der Zellen des Claviceps-Stieles mit dem Gewebe
des Mutterkornes sich leicht erweisen lässt. Der violette Farbstoff der peripheri-
schen Schicht des letzteren geht in das Stielchen über und fiudet sich in ganzen
Zellenreihen desselben, nicht aber im Fruchtköpfchen selbst abgelagert. Das
Mutterkorn einiger Gramineen , namentlich von Pliragmites communis und
von Molinia coer,ulea, entwickelt ganz ähnliche, doch immer von Claviceps
pupurea bestimmt specifisch verschiedene Früchte, nämlich die der Clavi-
ceps microcephalaTulasne. Wieder andere, die von Claviceps nigricans, ent-
stehen auf Scirpeen, und es sind überhaupt schon gegen 20 verschiedene
Claviceps-Arten bekannt, was ebenfalls für den geuetischen Zusammenhang
zwischen dem Sclerotium und der Claviceps des Roggens spricht.
Die chemische Beschaffenheit des Mutterkornes ist vielfach untersucht
worden, sehr ausführlich besonders von Wiggers schon 1830. Es liefert
1/i bis Vs seines Gewichtes an fettem nicht trocknendem schwach gelblichem
Oele, worin eine flüchtige Fettsäure an Glycerin gebunden enthalten zu sein
scheint. Mit Unrecht wurden diesem Fette die giftigen Eigenschaften
des Mutterkornes zugeschrieben. Das Mutterkorn des Walzens z. B. in Süd-
Frankreich scheint an Fett ärmer, daher reicher au dem sogenannten Er-
go tin zu sein. Man hatte unter diesem Namen schon früher einen nicht
gehörig isolirten, doch vielleicht eigenthiimlichen Stoff verstanden, dann
das wässerige mit Alkohol behandelte Extract , zu dessen Darstellung die
üblichste Vorschrift von Apotheker Bonjean in Chambery herrührt. Das-
selbe enthält neben nicht näher gekannten Substanzen die allgemeiner ver-
breiteten Pflanzenstofle, Gummi, Zucker, Gerbstoff, Farbstoff, Salze (Chlorcal-
cium, Chlorkalium und Phosphate). Das Mutterkorn liefert 3 bis 4 pC. Asche,
fast nur aus Phosphaten, ohne Carbouate und fast ohne Sulfate bestehend ;
sein Gehalt au Protei'nstoffen ist so gross, dass es etwa 3 pC. Stickstoff gibt.
Durch Behandlung des Mutterkornes oder seines alkoholischen Extractes
mit Alkalien erhält man als Zersetzungsprodukte Ammoniak und Ammoniak-
basen, nach Ludwig und Stall 1 Methylamin, nach anderen Trimethylamin.
Secale cornutum.
135
W i n c k 1 er hatte in letzteren eine besondere Base vermuthet und als S e c a 1 i n
bezeichnet. — Nach Wen zell enthält jedoch das Mutterkorn in der That
zwei eigenthürnliche, durch Kalilauge nicht zersetzbare Alkaloide, welche er
durch Fällung mit Quecksilberchlorid und Phosphormolybdänsäure darge-
stellt und Ecbolin und Ergotin genannt hat. Sie schmecken bitterlich,
lösen sich in Wasser, reagiren alkalisch, wurden aber nicht fest, sondern
nur als bräunliche Firnisse erhalten, welche nur amorphe zerfliessliche Salze
bilden. Das erstere Alkaloid scheint in hohem Grade die Wirkung des Mutter-
kornes zu besitzen.
Die beiden Alkaloide von Wen zell sind nach ihm an eine eigen thiim-
liclie flüchtige Säure, Ergotsäure, gebunden und der durch Alkohol
im wässerigen Extracte erzeugte Niederschlag würde gerade diese Ver-
bindungen enthalten. Nach Wenzell wäre ferner ein Trimethylaminsalz
(Phosphat) schon im wässerigen Auszuge des Mutterkornes vorhanden. —
Die Krystalle, welche in dem officinellen Extracte nach längerer Zeit reich-
lich auschiessen, habe ich als saures Natron- und Ammoniak-Phosphat mit
wenig Sulfat erkannt. Stärkemehl fehlt dein Mutterkorne zu allen Zeiten
gänzlich. Es enthält einen angenehm süss schmeckenden eigenthümliclien
Zucker, Mycose, G12H26013, den schon Wiggers beobachtet hatte. Mit-
scherlich erhielt davon nur 1 p. Mille. Die Mycose steht dem Bohrzucker
sehr nahe, mehr noch der Trelialose1), reducirt Kupferoxyd erst nach sehr
langem Kochen , krystallisirt aber in rhombischen Oktaedern. Der Haupt-
sache nach ist daher der im ersten Stadium des Pilzes durch die Sphacelia
ausgeschiedene Zucker , der sogenannte Roggeuhonigthau, jedenfalls nicht
Mycose. Statt der letzteren erhielt übrigens Mitscherlich, sowie auch
Fiedler und Ludwig, bisweilen Mannit aus dem Mutterkorne, zu anderen
Zeiten aber keines von beiden. Stickel fand die M)rcose auch neben Bassorin
in dem ehemals officinellen Fungus Sambuci (Exidia Auricula Judae Fries).
Aus Fungus Laricis (Polyporus officinalis) erhielt ich dieselbe nicht.
Den rothen Farbstoff der oberflächlichen Zellschicht gibt das Mutter-
korn sehr leicht an Weingeist ab, der mit etwas Ammoniak oder einer Mineral-
saure (nicht Essigsäure) versetzt ist. Die schöne rothe Färbung der Flüssig-
keit kanu zur Erkennung auch kleiner Mengen des Mutterkornes z. B. in
Getreidemehl dienen. Zum gleichen Zwecke lässt sich auch das oben er-
wähnte Verhalten zu Kalilauge verwenden, welche den charakteristischen Ge-
ruch nach Heringslake erzeugt. Ferner ist das Ausziehen des fetten Oeles ver-
mittelst Schwefelkohlenstoff zu empfehlen, indem gutes Getreide nur weuige
Procente Fett liefern kann.
Schon früher, z. B. in Frankreich im VI. und XI. Jahrhundert, wurde
das Mutterkorn als eine sehr schädliche Beimengung des Getreides erkannt.
Eigentümlich gefährliche Wirkungen äussert es im Mehle doch erst, wenn
es in sehr grosser Menge, bis zu x/e — '/s darin verkömmt, was bei der heu-
x) Vergl. diese am Schlüsse
von Manna. — Die Mycose verliert bei 130° zwei Mol. Wasser.
136
III. Pflanzen oder Pflanzentheile mit gefässlosem Gewebe.
tigen verbesserten Landwirtschaft seltener der Fall ist. Die Mutterkorn-
vergiftung ist als Ergotismus-Epidemie (Antonsfeuer, Ignis sacer im Mittel-
alter) bisweilen furchtbar verheerend aufgetreteu, so z. ß. 922 in Spanien
und Frankreich, wo ihr nicht weniger als 40,000 Menschen erlagen. Haupt-
sächlich in Frankreich (Sologue, Lothringen), Hessen, Schlesien, Böhmen,
Russland, Finnland, Schweden hat der Ergotismus1) furchtbar gewüthet.
Die geburtsfördernde und blutstillende Eigenschaft des Mutterkornes
scheint wohl zuerst die Volksmedicin in Deutschland benutzt zu haben. 1573
erwähnte es Lonicer als Heilmittel gegen Hysterie, Camerarius empfahl
es 1688 in der Geburtshülfe. Später in Vergessenheit gerathen, kam es
gegenEnde des vorigen Jahrhunderts, um 1747 durch Ratlilaw inHolland
und besonders 1807 durch Stearns in New-York aufs neue empfohlen, in
allgemeine Aufnahme.
Die Chinesen sollen es nach Stanis las Julien schon in ältester Zeit
als Heilmittel gekannt haben.
Fungus Laricis.
Agaricus albus. Agaricum. Boletus Laricis. Lärchenschwamm. Agaric
blanc. Bolet du meleze. Larcli fungus.
Polyporus ofticinalis Fries. — Hymenomycetes.
Syn.: Boletus Laricis L.
Boletus purgans Persoon.
Grosser, seitlich an den Stämmen der gewöhnlichen Lärchentanne La-
rix decidua Miller sowohl, als an ihrer nordischen Varietät ß. rossicci
(Syn.: Larix sibirica Ledebour. Pinus Ledebourii Endlicher) anwachseuder
Hutpilz. An der ersteren findet er sich vorzüglich in den südlichen Alpen 2).
Von der durch ganz Nordrussland, Sibirien und den Altai bis Kamtschatka
verbreiteten L. rossica wird derselbe besonders in den ausgedehnten dich-
ten Wäldern des Dorfes Sqjena, Kreis Pinega, westlich von Archangel ge-
sammelt. Nach Marquis sind alle Bäume, welche dort diesen Pilz tragen,
kernfaul. An derselben Stelle, wo im Frühjahr ein Exemplar weggeschnitten
wird, entsteht bis zum Herbste schon wieder ein gleich grosses. Von der
entblössten Stelle lassen sich schwärzliche Kanäle ins Iunere des Holzes
verfolgen, so dass es scheint als veranlasse das cindriugende Pilzmycelium
die Erkrankung des Baumes. Der Pilz wird kopfgross und grösser, ja nach
Marquis bis 14 Pfund schwer, und ist durch breite wellenförmige Zonen,
welche das allmälige, vermuthlieh nicht immer gleich rasche Uebercinauder-
wachsen verschiedener Schichten audeuten, etwas uueben, doch immer von
voller schwellender Form, meist etwas länglich rund, aber sehr verschieden
1) Heusinger, Studien über den Ergotismus. Marburg 1856 — Auszug inHuscmann
Toxikologie. Berlin 1862. S. 364.
2) Im Wallis schon im XVI. Jahrhundert von Simm ler angegeben.
Liehen islandicus.
137
gestaltet. Die nach unten gerichtete Seite zeigt unzählige Löcher, die Poren
des Hymeniums. Wie bei den Pilzen überhaupt , besteht das Gewebe aus
sehr kleinen fadenförmigen dicht verfilzten Zellen. Die grossen runden
Poren sind von gelben radial geordneten Zellen (unfruchtbaren Basidien)
umsäumt und enthalten iu der Regel, wenigstens iu der Handelswaare, keine
entwickelte Fortpflanzungsorgane. Der Pilz ist zähe, korkig, doch brüchig,
aber nicht leicht zu pulverisiren ; seine holzige Aussenfläche wird oft von den
Sammlern abgeschält.
Geruch unbestimmt dumpf, fris’ch sehr schwach pilzartig; Geschmack
siisslich, dann widerlich bitter. Ein Bohrkäfer, Anobium festivum Panzer,
zerfrisst häufig den Lärchenschwamm.
Chem. Bestandtheile : ungefähr 30 pC. (nach Schoonbroodt über
60 pC.) Harz, das aus einem (Laricin1) geuannteu) bitteren und einem
geschmacklosen Antheile zu bestehen scheint und drastisch wirkt. Schoon-
broodt erhielt daraus durch Aether einen krystallisirten stickstoflfeien
Körper, Agaricin. Alkohol löst das Harz mit rother Farbe. Ferner Fu-
marsäure, vermuthlich auch Aepfel- und Citronsäure, welche früher für
eigenthümliclie (Bolet- und Schwammsäure Braconnot’s) Säuren gehalten
wurden. Der nach völliger Erschöpfung des Gewebes dieses und anderer
Pilze zurückbleibende Zellstoff war vonBraconnot unter demNamenFun-
gin als eigenthümlich bezeichnet worden; es wird durch Schwefelsäure und
Jod nicht gebläut und weicht dadurch von gewöhnlicher Cellulose ab.
Die Griechen erhielten den Lärchenschwamm Agarikon aus Agaria im
Lande der Sarmaten. Im Mittelalter gelangte viel davon aus Mittelasien oder
Kleinasien (Galatia, Gilicia) über Aleppo und Venedig nach Europa, vermuth-
lich aber eine andere vielleicht an Cedern wachsende Art, da Larix decidua
auf Centraleuropa beschränkt ist, auch den Pyrenäen und Spanien fehlt.
Lichen islandicus.
Isländisches Moos. Isländische Flechte. Lichen ou rnousse d’Islande.
Iceland moss.
Cetraria Islantlica Ach. — Lichenes.
Syn.: Physcia Islanclica DC.
Im hohen Norden, z. B. in Südgrönland, Sibirien, Skandinavien und Island
ausserordentlich häufig und zwar in der Ebene; in gemässigten Ländern
.f ta i®n’ ^Pamea > auch Virginien auf Gebirgen, namentlich auch in den
pen ferner in den antarktischen Gegenden. Im Norden als Nahrungs-
mittel langst benutzt, wurde diese Flechte 1673 von Olaus Borrichius
683 von Hjarne als Arzneimittel erwähnt, aber erst seit 1737 nach
Lin ne s Empfehlung in allgemeinen medicinischen Gebrauch gezogen.
wig ™DeiLtf?UZ ClieSCR V0U MartiUS auf6°stellt611 Bitterstoffes ist indessen nach Lnd-
138
III. Pflanzen oder Pflanzentheile mit gefäsBlosem Gewebe.
Blattartige handgrosse , immer aufrecht auf dem Boden haftende , nicht
bewurzelte Hechte. Laub aufrecht, manigfach gelappt, zerschlitzt, gefaltet,
kraus oder rinnenförmig zusammengerollt, mit glatter, stellenweise durch
kleinere Vertiefungen unterbrochener Oberfläche. Der Rand mit weitläufig
auseinander gestellten dicken kurzen Wimpern besetzt, welche häufig in
eine oder mehrere kleine sackartige Höhlungen (Spermogouien) enden,
worin eine sehr grosse Zahl stabförmiger einfacher Zellen (Spermatien) von
nur 6 Mikromillim. Länge in klarem Schleime enthalten sind und durch
den Druck des Deckgläschens herausgetrieben werden können.
Man sammelt die ganze Flechte. Ihre Farbe ist olivengrün, braun; auf
dei Rückseite ist sie heller weiss oder grau und reichlich mit etwas vertief-
ten hellen Flecken besetzt.
karbe und Theilung des Laubes (Thallus) wechseln übrigens sehr, wo-
nach man bis 10 Varietäten unterscheidet. Selten zeigen sich vorn au den
Enden der Lappen die braunen Früchte, so dass man dieselben, wenigstens
an der in den Alpen gesammelten Waare, vergebens suchen würde.
Auf dem Querschnitte sieht man bei starker Vergrösserung in der Mitte
eine Luft enthaltende breite lockere Schicht langer dickwandiger ästiger
Zellen, welche weite Hohlräume einschliessen. Diese Mittelschicht birgt
nicht sehr zahlreiche grosse hohle, durch Chlorophyll gefärbte Brutkörner
(Gonidieu), welche durch concentrirte Schwefelsäure oder durch Kochen
mit Kali ihre Form nicht verlieren. Sie nehmen aber intensiv violette Farbe
an, wenn sie in der bei Semen Lini angegebenen Weise mit Aetzkali be-
handelt und dann mit Jod in Jodkaliumlösung 24 Stunden in Berührung
gelassen werden. Das Gewebe zu beiden Seiten dieser Mittelschicht besteht
aus sehr kleinen fadenförmigen Zellen, welche sehr dicht und ohne Zwischen-
räume verfilzt sind und einen besonderen Inhalt nicht wahrnehmen lassen.
Dieses ausserordentlich dichte zähe Gewebe geht allmälig nach den beiden
Seiten in eine schmale Rindenschicht über, welche aus so enge verbundenen
Zellen besteht, dass ihre Umrisse im einzelnen nicht zu erkennen sind.
Die Rindenschicht beider Seiten zeigt sich deutlich bei der Einwirkung von
Reagentien. Beim Benetzen mit concentrirter Schwefelsäure oder Salzsäure
z. B. löst sie sich als zusammenhängende Membran vom übrigen Gewebe
ab und rollt sich bandartig rückwärs auf. In älteren Exemplaren zeigt die
Rindenschicht im Innern oft eine Reihe ziemlich grosser Lücken.
Dünne Schnitte der Flechte werden durch Jodwasser stellenweise röth-
lich oder schwach bläulich gefärbt, deutlicher blau erst nach Behandlung
mit Schwefelsäure. Die Färbung verbreitet sich gleichmässig über das
innere Gewebe, ohne dass sich Stärkekörner bemerken lassen. Die Rinden-
schicht färbt sich mit Jod nur braun. Die weisseu Flecke der Aussenfläche
des Laubes zerfallen durch den Druck unter dem Mikroskop Lu sehr kleine
runde helle Körner, welche durch Jod nicht gefärbt werden, und in dicke
ästige Zellen, gleich denen der Mittelschicht.
Die Flechte besitzt keinen Geruch und schmeckt bitter schleimig. Sie
Lichen parietinus.
139
nimmt begierig Wasser auf; getrocknet verdichtet sie davon bis Vs ihres
Gewichtes und die käufliche Waare enthält über 10 pC. hygroskopisches
Wasser. Kochendes Wasser entzieht der Flechte hauptsächlich einen stärke-
mehlartigen Stoff, Lichenin oder Flechtenstärke genannt; dieselbe
ist vollkommen strukturlos, die -Abkochung gelatinirt beim Erkalten, färbt
sich aber mit Jod nicht immer. Die Zellen selbst erleiden beim Kochen
keine bedeutende Ausdehnung, sondern mehr nur eine Auflockerung, und
es wird zunächst die Rinde abgesprengt. Das Lichenin wird durch Jod nur
röthlich oder blass blau gefärbt, was sich recht gut zeigt, wenn zarte
Schnitte der ausgekochten Flechte einige Stunden in Jodwasser gelegt wer-
den , oder oft noch besser , wenn der in ihrer verdünnten Abkochung durch
Weingeist erhaltene Niederschlag gesammelt und noch feucht in heissem
Wasser gelöst wird. Jodwasser erzeugt in dieser Lösung nach dem Er-
kalten intensiv blau violette Färbung; doch gelingt der Versuch nicht immer.
Immerhin ist die Bläuung weder so dauerhaft noch so stark wie bei
Amylum, dessen procentische Zusammensetzung das Lichenin nach Mul der
und nach Knop u. Schnedermann besitzt. Es ist als lösliche Modifi-
kation der Cellulose zu betrachten, welche in sehr geringer Menge die
Zellen auskleidet, während der gelatinirende Körper vielleicht eine Gummi-
oder Bassorinart ist, welche auf Jod nur wegen der geringen Beimengung
jener löslichen Cellulose reagirt und deshalb immer nur eine geringe Fär-
bung gibt. Das Chlorophyll der Gonidien ist in Salzsäure nicht löslich,
daher von Knop u. Schnedermann als Thallochlor unterschieden
worden; es ist nur in äusserst geringer Menge vorhanden.
Der bittere Bestandtheil der Cetraria ist die in Nadeln krystallisirende,
in kaltem W asser fast unlösliche Cetrarsäure (oder C e t r a r i n) O18 H16 O8,
die mit Alkalien gelbe leicht lösliche sehr bitter schmeckende Salze bildet.’
h einer enthält die F lechte Gummi, Zucker, Fett (zum Theil in rhombischen Ta-
feln als Lichenstearinsäure krystallisirend). Die früher für eigenthürn-
lich gehaltene, 1826 vonPfaff in Lichen islandicus gefundene Flechtensäure
hat sich als F umarsäure erwiesen (vergl. bei Herba Fumariae). Auch Oxalsäure
gibt Braconnot in Cetraria an. — Die Asche, etwa 1—2 pC. betragend,
besteht zu % aus Kieselsäure, hauptsächlich an Kali und Kalk gebunden. ’
Lichen parietinus.
Wandflechte. Lichen des murs.
J ai meliä p ai*i et i na Acliarius. — Ijic/igtigs,
Syn. : Lichen parietinus L.
Physcia parictina Korber.
... Aü IIolzwänden und an Rinden freistehender Bäume und Sträucher
aberall häufig und fast über die ganze Erde verbreitet. Das Laub flach
lederartig, der Unterlage anliegend, oft grössere Flächen bedeckend, 0 03
bis 0,09"' Durchmesser erreichend. Die rundlichen Lappen kraus und in
140
III. Pflanzen oder Pflanzentheile mit gefässlosem Gewebe.
verschiedenster Weise zertlieilt. Die Oberfläche schön röthlicli gelb mit
zahlreichen rothgelben sohüsselförmigen sitzenden Früchten (Apothecien),
während die weissliche Unterfläche schwarze Würzelchen trägt.
Geruchlos; Geschmack nur schwach bitterlich, mehr schleimig. Das
Gewebe ist ähnlich, nur dichter als das der Cetraria Islandica. Die obere
hindenschickt enthält bräunliche Körner (Farbstoff), das mittlere und untere
Gewebe grosse Chlorophyllkörner. Der wulstige Rand der Früchte fasst
eine oberflächlich gelegene Schlauchschicht (Hymenium) ein, welche aus
senkrecht auf die Fläche der Frucht gestellten Schläuchen (Thecae) und
unfruchtbaren Fadenenden (Paraphysen) besteht. Die sehr kleinen Sporen,
meist zu 8 in einem Schlauche, sind farblos, oval. Durch die in der mitt-
leren Zone stark verdickte Membran wird der Inhalt in 2 an beiden Enden
der Spore hängende, nur durch einen schmalen Kanal verbundene Portionen
getheilt.
Das Gewebe unter dem Hymenium, die Schläuche uud die Paraphysen
werden durch Jod blau, das übrige Gewebe nur braun gefärbt.
Ausser den bei Cetraria genannten Bestaudtheilen enthält die Wand-
flechte eine Spur ätherischen Oeles, Zucker und Chrysophansäure
G14H'°G4 (oder nach Andern GlüH803), nur durch H2 mehr von Alizarin
(siehe Rad. Rubiae) verschieden und höchst wahrscheinlich identisch mit
dem Rhein der Rhabarber uud mit dem Rumiciu (siehe Rad. Lapathi).
Auch die Sennesblätter enthalten, nach C. Martins, vermuthlich dieselbe
Säure. Die Abkochung der Parmelia parietina gelatinirt nicht , gibt aber
mit Jodwasser eine tiefblaue Färbung, welche wegeu schwach alkalischer
Reaktion der Abkochung bald verschwindet, aber durch erneuten Zusatz
von Jod wieder hervorgerufeu wird.
Aus Parinelia parietina, welche an Sandsteinfelsen gesammelt, aber
erst nach Jahresfrist verarbeitet wurde, erhielt Stein nicht Chrysophan-
säure, sondern einen neuen bitteren krystallisirten Stoff von rother Farbe,
das Chrysopikrin G^’H11^4.
Carrageen.
Caragaheen. Alga Caragaheen. F ucus crispus. Knorpeltang. Irländisches Moos.
Perlmoos. Mousse marine perlee. Mousse d’Irlaude. Goemon. Carrageen.
-
1) Chondrus crispus Lyngbyo. — Algae, Florideae.
Syn.: Chondrus polymorplius Lamouroux.
Fuchs crispus L.
Sphaerococcus Agardh.
2) Mastoearpus inamillosus Kützing.
Syn.: Sphaerococcus Agardh; Gigartina Good. u. Woodw.
Chondrus Grev.
Der Kuorpeltang wächst auf Steinen an deu uordatlantischeu Küsten
bis zu den Azoren; er wird namentlich an den Gestaden von Cläre uud
Carrageen.
141
Antrim (West- und Nordostküste Irlands), auch in Schottland und Massa-
chusetts gesammelt, indem der Wellenschlag ihn ans Ufer treibt.
Man nimmt die ganzen Algen, welche im frischen Zustande gallertartig
und schön gelblich bis violettroth oder grünlich gefärbt sind, durch das
Trocknen aber hornartig durchscheinend werden und nur noch eine gelb-
liche Färbung behalten. Das Laub entsteht aus einer kleinen am Gestein
befestigten Scheibe und ist nach oben wiederholt getheilt, an den Spitzen
zweispaltig und gewimpert. Sehr häufig hängen, namentlich am unteren
Ende, Polypen (Flnstra pilosa.) an.
Die erstgenannte Alge macht die Hauptmasse des käuflichen Carrageen
■ aus und besitzt ein ganz flaches oder am Bande wellig krauses, in breiteren
oder schmäleren Lappen wiederholt gabelig gfetheiltes Laub, aus dem bei
fertilen Exemplaren die nicht sehr zahlreichen halbkugeligen, warzenförmigen
Früchte nur sehr wenig hervorragen, indem sie theils im Innern, theils in
der Riudenschicht stecken. Auf der Unterfläche entsprechen denselben
(bei der trockenen Alge) kleine Vertiefungen. Die Früchte enthalten zahl-
reiche kleine, in Tochterzellen grösserer Zellen eingeschlossene Sporen;
doch tragen nicht alle Exemplare Früchte. — Nach der ausserordentlich
vielgestaltigen Zertheilung des Laubes lassen sich mehrere Spielarten des
Chondrus crispus unterscheiden.
Die zweitgenannte, ebenfalls sehr variirende Alge kömmt immer mit
Chondrus crispus zusammen vor und besitzt ein schmäleres, unterwärts
mehr rinnenförmiges Laub, aus welchem beiderseits sehr zahlreiche oft
gestielte Früchtchen .hervortreten. Gewöhnheb findet sich im Carrageen
auch in geringer Menge Furcellctria fastigiata Lamour. (Fucus fastigiatus
Huds. j Fucus lumbricalis Lyngbye) , Cercimium rubrum Ag. und Chon-
drus canaliculatus Grev. (Sphaerococcus Ag.) nebst noch andern Algen.
In kaltem Wasser quillt das Carrageen zu seinem ursprünglichen
Umfange auf und nimmt deutlichen Seegeruch an. Das 20- bis 30fache
Gewicht Wasser damit gekocht, erstarrt beim Erkalten zu einer bitterlichen
Gallerte.
Auf dem Querschnitte des Chondrus crispus lassen sich die einzelnen
Zellen vorzüglich bei schiefer Beleuchtung gut unterscheiden; die dicken
Wandungen stossen in einer feinen Linie an einander, sind vollkommen
homogen und nicht geschichtet. Die runden Höhlungen sind mit körnigem
eingeschrumpftem Inhalte (Schleim) erfüllt, im Innern sehr gross eiförmig
nach beiden Seiten, zuletzt sehr rasch, an Grösse abnehmend, so dass die
aussersten Zellen nur sehr klein sind und durch ihre dichte radiale Anord-
nung eine Art bei der mikroskopischen Präparation leicht trennbarer Rinde
bilden , welcher noch eine sehr zarte Cuticula aufgelagert ist. Der tangen-
c e Schnitt durch die Rinde lässt die äusserst kleinen Zellhöhlungen nur
a s feme Punkte erscheinen. Nach dem Auskochen dünner Schnitte mit
alkoholischer Kahlösung erscheint das Gewebe vielmehr aus langen ein-
gesc nur en Zellenfäden bestehend als aus einzelnen kugeligen Zellen.
142
III. Pflanzen oder Pflanzentheile mit gefässlosem Gewebe.
Geschmack fade schleimig. Die chemischen Bestandteile sind die gewöhn-
lich in den Meeresalgen vorkommenden, namentlich Schleim. Nach Blon-
de au1) soll sich aus dem Decoct durch Alkohol ein Schleim fällen lassen,
welcher getrocknet nicht weniger als 21 pC. (?) Stickstoff enthält.
Stärkekörner fehlen der Alge; die inneren Zellen werden durch Jod-
wasser violett gefärbt, ähnlich wie das Gewebe des Lichen islandicus.
Werden dünne Schnitte der Alge in der bei Semen Liui augegebeuenWei.se
mit alkoholischer Kalilauge behandelt und nach dem Abwaschen 24 Stunden
lang mit Jod in Jodkaliumlösung in Berührung gelassen, so färbt sich der
gesammte Zellinhalt, nicht die Wandungen, aufs tiefste blau. Beim Abdunsten
des Jods geht das Blau durch Violett in Gelb über. Die Aschenbestandtheile
sind die gewöhnlichen der Seepflanzen.
Als geringes Nahrungsmittel in seiner Heimat längst in Gebrauch,
wurde der Knorpeltang seit 1831 vou England aus in den Arzueischatz
eingeführt und gelangte seit 1833 auch in Deutschland zu einiger Bedeutung.
*
Paleae Cibotii.
Pili Cibotii. Pengawar Djarnbi. Paku Kidang. Farnhaar.
Die Farne sind fast alle mehr oder weniger mit braunen oder gelben
trockenen Schuppen (Paleae) versehen , welche bald mehr blattartig, bald
mehr haarförmig entwickelt sind. Letzteres ist namentlich bei den Farueu
der Tropen länder der Fall, dercu Wurzelstöcke, Blatt- und Stammbasen bei
manchen Arten ganz dicht durch dergleichen Spreuhaare verhüllt sind.
Schon im Mittelalter war ihre hämostatische Wirkung bekannt; aus
Mittelasien gelangten damals solche behaarte Wurzelstöcke unter dem Namen
Frutex tartareus in den europäischen Handel und gaben zu vielen aber-
gläubischen Fabeln Anlass. Bisweilen wurde der Wurzelstock so gewählt
oder so zugestutzt, dass er in passender Anordnung 3 bis 5 der bei den
grossen tropischen Farnen sehr starken holzigen Blattstiele trug, welche
nun Beine und Schwanz eines Thieres vorstellteu, dessen Leib durch den
länglichen Wurzelstock gebildet war. Fehlte es au einem geeigneten natür-
lichen Beine, so wurde mit einem Bainbustäbchen der Phantasie uach-
geholfen. So zugerichtet hiess das Heilmittel in früherer Zeit Agnus scy-
thicus , und ein solches langbehaartes Lamm zeigt eine Abbildung des
„Herbarium Blackwellianum,“ Nürnberg 1760. Cent. IV, Tab. 360. In
Indien hat sich der Gebrauch dieses blutstillenden Mittels in dieser abson-
derlichen Form bis auf unsere Zeit erhalten; ein zur Herstellung dieses
„Lammes“ vorzüglich geeigneter Farn wächst im Reiche Djarnbi, auf der
Ostseite Sumatras, von wo arabische Kaufleute das „Lamm“ immernoch
1) Journ de Pharm, et de Chim. August 1865. pg. 160.
Paleae Cibotii.
143
z. B. auf alle Märkte Javas bringen, so dass es dort ganz einfach den
malaischen Namen Pengawar (d. h. Heilmittel) Djambi (aus Djambi)
führt und zum Preise von 2 — 3 holländischen Gulden verkauft wird. Dieser
sumatranische »Farn, der auf Java fehlt, ist das Linne’sche Polypodium
Baromez (Aspidium Willdenow), welches in neuerer Zeit zu Cibotium
gezählt und in mehrere Arten : C. Baromez Kunze, C. glaucescens Kze.,
C. Cumingii Hasskarl, C. Assamicum Hassk. , C. Djambianum Hassk.,
getrennt wird. Nach anderen wären diese 5 Arten nur Formen eines und
desselben Farn, der auch auf Borneo, den Philippinen, in Cochinchina,
China , sogar im Innern Hochasieus vorkömmt. Sein niederliegender, nur
zum Theil unterirdischer Stamm wird höchstens fusslang, treibt zahlreiche,
sehr starke, 1 — 2m hohe Blätter und viele Nebenwurzeln und ist dicht in
schöne goldgelbe, nicht verfilzte, 0,02“ bis 0,03“ lange Haare eingehüllt.
Ganz ähnliche, doch wie es scheint immer dunklere Haare bekleiden
auch den untersten Theil des bis 3m hohen Stammes und der Blattstielreste
einiger baumartiger Farne Javas, besonders der Alsophila lurida BL,
Chnoophora tomentosa BL, Balantium chrysotrichum Hassk. Die Eingebornen
belegen bäum- und strauchartige Farne der höheren Bergregion, deren
Büsche dem javanischen Reh (Cervus s. Stylocerus Muntjak Horsf. —
Kidang der Eingebornen) zum Aufenthalt dienen, mit dem Namen Paku
und wenden unter dem Namen Paku-Kidang die Haare der genannten
Farne gleich an wie die des Pengawar, welches in seiner charakteristischen
Form allein nur aus Djambi kömmt. Die Haare au und für sich sind gleich
beschaffen und von gleicher Wirkung und sehr viele andere tropische Farne
können dieselbe Droge auch liefern, wie es bereits z. B. von Cibotium
Schiedeanum Schlechtend. in Mexico, Lophosoria affinis Presl. in Süd-
amerika und einigen anderen in Centralamerika angegeben wird. Wo diese
Farnhaare in grosser Menge und von besonderer Feiuheit und Weichheit
zu haben sind, werden sie auch zweckmässig als Ausfüllung von Kissen
und Matrazen verwerthet. So unter dem Namen Pulu diejenigen von
Cibotium glaucum Hook. u. Arnott, C. Chamissoi Kaulf., C.Menziesii Hook,
auf den Gebirgen der Sandwich-Inseln, die in grosser Menge nach Cali-
fornien und Australien gehen. Ebenso werden die Haare von Cibotium
Siempay Teijsman auf Sumatra, die von Dicksonia Culcita auf den Azoren,
Madeira, Westindien, Neu -Granada u. s. f. benutzt. Es ist nicht möglich’
alle diese verschiedenen nur wenig abweichenden Spreuhaare zu unter-
scheiden, daher denn auch die Holländer seit 1837 mit Recht die am leich-
testen zu beschaffenden Haare des Paku Kidang statt des Pengawar aus
Djambi wieder in den europäischen Arzneischatz eingeführt haben.
Das Paku Kidang des holländischen Handels besteht aus glänzenden,
zusammengeballten, nicht eigentlich verfilzten bis 0,05"' langen Haaren von
ic it hellgelber bis dunkelbrauner Farbe, denen mehr oder weniger Reste
der Blattbasen oder des Rhizoms beigemengt sind. Die Haare selbst sind
144
III. Pflanzen oder Pflanzentheile mit gefässlosem Gewebe.
einfache sehr dünnwandige, daher häufig bandartig zusammengefallene
Röhren, welche an einzelnen ziemlich weit auseinander liegenden Stellen
schwach oder, bei den dicksten Haaren, gar nicht aufgetrieben sind und ganz
allmälig in eine dunkle lange stumpfliche Spitze auslaufen, welche gewöhn-
lich abgebrochen ist. An den aufgetriebenen Stellen (Knoten) sind die Röh-
ren durch eine zarte Querwand geschlossen und aussen durch eine schmale
sehr unregelmässig gezähnte und zerschlitzte Scheide bezeichnet. Die Breite
der stärksten Haare erreicht 20 — 30 Mikromillimeter, die Querscheidewände
stehen 40 — 50 Mikrom. auseinander, bei dünneren Haaren jedoch
60—80 Mikromillimeter. Ein besonderer Inhalt, ausser Luftblasen und
wenigen Oeltröpfchen ist nicht wahrzunehmen. Von der weit beträchtlicheren
Grösse und der Färbung abgesehen, stimmen diese Gebilde daher im wesent-
lichen mit der Haarbekleidung vieler Phanerogamen wohl überein, wie z. R.
mit dem Filze der Stengel vonCnicus benedictus oder von Marrubium u.s. f.
Die dunkleren, verholzten und ohne Zweifel älteren Haare des Paku Kidang
zeigen häufig ihrer Länge nach dunkelbraune Nerven und einige kurze zahn-
artige einfache Aestchen, in welche sich die dunkeln Nerven fortsetzen, wäh-
rend die Quertheiluug zurückbleibt. Sehr häufig sind mehrere dieser gezahnten
Haare der Länge nach wie verwachsen und deuten so den Uebergang in die
gewöhnlichen mehr blattartig entwickelten Spreuschuppen unserer Farne an.
Solche zusammengesetzte Haare namentlich fallen picht zusammen, wie die
dünnwandigen weiten, soliden bleiben starr. Sie lassen sich schon durch die
Loupe wahrnehmen. Die Elasticität und Weichheit der Waare hängt daher
von der Menge der einfachen Röhren ab. Im ächten Pengawar trifft, man
keine der spröden verholzten Zahnhaare, sondern nur, obwohl nicht in
grosser Menge, im Paku Kidang , und das durch Feinheit und Weichheit
höchst ausgezeichnete Pulu besteht gleichfalls nur aus den einfachen ganz
dünnwandigen Haaren, deren Scheidewände bis 100 Mikrom. ausein-
ander stehen. Ueberhaupt sind alle diese Farnhaare bei nur etwas
grösserer Dicke schon spröde und zerbrechlich , nicht so elastisch wie thie-
rische Haare oder z. B. Baumwolle.
Das Paku Kidang verliert bei 100° C. etwa 12 pC. hygroskopischer
Feuchtigkeit. Es schwimmt anfangs auf Wasser, saugt aber bald so Adel ein,
dass es untersiukt, indem sich die Röhren durch Capillarität, auch wohl
durch Endosmose leicht füllen. Ganz besonders dem Blute entziehen die Farn-
haare sehr kräftigWasser, veranlassen dadurch schnelleCoagulation desSerums
und Verstopfung der blutenden Gefässöffnungen. Die zu gleichem Zwecke
bisher auch angewandten Mittel, z. B. Bovist (Fungus chirurgorum, von Lyco-
perdonBovista) und Badeschwamm werden von den Farnhaaren an Schnellig-
keit und Vollständigkeit der Wirkung, nach Vincke, bei weitem übertroffen,
so dass schon 0,3 Gr. (5 Gran) für eine bedeutende Blutung genügen1).
1) Das von Vincke angegebene bedeutende Aufqucllen dos Pengawar oder Paku-Kidang
konnte ich weder in Wasser noch in Höhnereiweiss bemerken.
Gallae lialepenses.
145
Diese eigen thiimliche blutstillende Wirkung wird sieb um so kräftiger
äussern müssen, je weniger die Haare des Pengawar oder des Paku-Kidang
verbolzt sind und je mehr Röhrenöffnungen dem Blute dargeboten werden,
daher die Haare vor der Anwendung zu zerreiben sind.
Die chemischen Bestandtheile scheinen demnach hierbei nicht in Be-
tracht zu kommen. Nach van Bemmelen enthalten diese Farnhaare Gerb-
stoff, Harz, Wachs, Quellsäure und Humussäure, wonach sie als degene-
rirende vermodernde Cellulose aufzufassen sind. Zucker und ätherisches
Oel fehlen nach demselben. Das Mikroskop indessen zeigt darin Oeltröpfchen
und beim Erwärmen des Paku-Kidang im Wasserbade bemerkt man sehr
deutlich den lieblichen Geruch eines ätherischen Oeles, der au weisses
Santelholz erinnert.
Zweite Reihe.
Von Gefässen durchzogene Gewebe.
Gebilde ohne morphologische Bedeutung.
Gallae lialepenses.
Gallae turcicae. Levantische, türkische oder aleppische Gallen oder Gall-
äpfel. Noix de galle. Galle d’Alep. Galls. Nutgalls. Levant galls.
Quercus iuf ectoria Olivier. — Amentaceae.
Diese meist strauchartige Eichenart wächst im östlichen Gebiete des
Mittelmeeres, durch Griechenland, Kleinasien und Mesopotamien bis Persien
(Urmia-See). Wie manche andere Pflanzen von gewissen Insekten gestochen
werden und in Folge dessen eigenthümliche Auswüchse, sogenannte Gal-
len bilden1), so geschieht dieses vorzüglich häufig bei der genannten Färber-
oder Galläpfeleiche und wohl auch bei einigen verwandten Arten durch die
a wespe, Cynips Gallae tinctoriae Olivier (Cynips Quercus infectoriae
Nees). Das Weibchen dieser Schlupfwespe besitzt am Hinterleibe einen
am Grunde spiraligen, an der Spitze gezähnten Legestachel, womit es die
Kinde junger Zweige oder die Knospen anbohrt und ein oder mehrere Eier
hinein legt. Der unbedeutende Stich ruft allmälig eine verhältnissmässig
flr a“S®hnllche Anschwellung hervor, in deren hohlem Centrum die nach
bis 6 Monaten ausschlüpfende Larve ihre Entwickelung durchläuft
Die vollkommen ausgebildete Wespe bohrt sich aus ihrer Kammer sehr
D Eichen-Mauna siehe S. 17.
Flücklger , Pharmakognosie. , n
146
Gebilde ohne morphologische Bedeutung.
sauber eineu gewöhnlich geraden eylindrischen Ausgang mit etwas ver-
engtem 3mm weitem Flugloche und verlässt den inzwischen erhärteten Gall-
apfel, wenn sie nicht in demselben zu Grunde geht, was sehr häufig der
Fall ist. Auf die chemische Beschaffenheit der Galleu ist das Zurückbleiben
der Wespe oder das Ausfliegen derselben ohne Einfluss; man gibt zwar
häufig den nicht durchbohrten den Vorzug. Selten findet sich in diesen das
Insekt in vorgerückterer Entwickelung, zunächst am Flugloche vor, ge-
wöhnlicher nur in unkenntlichen Kesten.
Die allein officinellen kleinasiatischen Galläpfel erreichen einen Durch-
messer von höchstens 0;025m. Sie sind kugelig oder bimförmig und kurz
gestielt, etwas glänzend. Die obere Hälfte ist mit spitzigen Höckern und
Falten sehr unregelmässig und weitläufig besetzt, die untere häufiger glatt.
Das Flugloch befindet sich nicht auf dem Gipfel, sondern immer in der Mit-
telzone oder näher gegen den Stiel zu gerückt. Bis zum Ausschlüpfen der
Wespe sind die Gallen meist durch Chlorophyll dunkler oder heller grau-
grünlich, etwas schwerer, später werden sie leichter und nehmen eine stroh-
gelbe oder gelblichrothe Farbe an, -wonach man im Handel grüne (oder
schwarze) und weisse unterscheidet. Die letzteren sind fast immer mit dem
Flugloche versehen, die ersteren seltener. Grünliche und weissliche kom-
men aber auch gemischt vor.
Die (kleinasiatischen) Galleu sind hart und spröde, unter dem Hammer
springend , ihr Bruch bald dicht wachsartig glänzend , bald namentlich ge-
gen den Kern locker körnig uud wie strahlig krystallinisch oder ganz zer-
klüftet; die Farbe des Innern- weisslich bis dunkelbraun. Die bis 0,007 1,1
weite Höhlung, welche der Wespe zum Aufenthalt diente, ist mit einer dün-
nen harten Schale ausgekleidet. Oftmals ist aussen rings um diese
Kammer (doch mit Ausnahme einer dem Flugloche entgegengesetzten
Stelle) im Zellgewebe noch ein Hohlraum entstanden , der dieselbe isolirt.
Gewöhnlich ist dieser Kern etwas dunkler. Ist das Insekt noch unentwickelt
zu Grunde gegangen, so enthält die Kammer, sowie das Flugloch, wenn es
bereits angelegt war, ein sehr lockeres stärkemehlreiches Zellgewebe oder pul-
verige Trümmer desselben. War das Insekt gar nicht zur Entwickelung
gelangt, so bleibt die Kammer mit diesem Gewebe ausgefüllt. Das Zellge- ;
webe der Gallen ist in der mittleren Schicht aus grossen kugeligen Zellen
mit ziemlich dicken porösen Wänden gebildet, welche uach der Peripherie j
zu bedeutend kleiner werden. Die äussersten Reihen besitzen nur noch ein
sehr enges Lumen bei verhältnissmässig dicken Wandungen , so dass sie j
den Steiuzelleu ähnlich sehen und durch ihre grössere Festigkeit eine Art
Rinde bilden. Da und dort im ganzen Gewebe finden sich auch vereinzelte
Gefässbündel , welche durch den Stiel in die Gallen eintreten. Gegen den
Kern zu geht das Parenchym allmülig in radial gedehnte weite und dünn-
wandige Zellen über, deren Wände zarte Spiralstreifen zeigen. Die harte
Schale der Kammer ist aus grossen radial gestreckten schwach gelblichen
oder farblosen Steinzellen mit sehr zierlich geschichteten porösen Wänden
Gallae halepenses.
147
zusammengesetzt. Auf der Innenseite dieser dünnen Steinschale finden
sich, auch nach dem Ausfliegen der Gallwespe, noch mehr oder weniger
ansehnliche Reste des sehr engen Stärkemehl führenden Gewebes vor, welches
ursprünglich die Kammer eingenommen hatte und durch das Insekt zerstör
worden war.
Die Parenchymzellen ausserhalb der Schale schliessen Farbstoff und
Gerbstoff ein, letzteren in glashelleu scharfkantigen Stücken, welche sich
langsam in Wasser, rasch in Weingeist auflösen. Feine mit Glycerin
getränkte Schnitte zeigen sich nach längerer Zeit ganz wie bei Gallae
chinenses erwähnt, mit zierlichen Krystallen besäet, welche vermuthlicb
krystallisirte Gerbsäure sind, obwohl bisher von derselben eine Krystallform
nicht bekannt war. - Die Steinzellen und die benachbarten radial gestreckten
gestreiften Zellen sind reich an Kalkoxalat-Krystaflen, (bis 40 Mikromill.)
grossen deutlichen Quadrat-Oktaedern oder Combiuationen derselben mit
dem Prisma. Sie gehören ohne Zweifel der Verbindung Ca2 Ö, G2GH -f- 3 H2 0
an, welche man auch künstlich durch langsame Krystallisation gewinnt.
In der Mehrzahl der Fälle, wo im Pflanzengewebe Kalkoxalat auskrvstal-
hsn-t, scheint es die im monoklinischen System auftretende Verbindung mit
1 Aeq. H2G zu sein. Das Gewebe der Galläpfel innerhalb der Steinzellen-
schale enthalt Amylum in dicht gedrängten grossen (20 bis 40 Mikrom )
Yorhemcheiid kugeligen Körnern; ausserdem einzelne gesättigt braunrothe
(30 bis 40 Mikrom. messende), kugelige Harzklumpen. Das Amylum, das
nur m der Höhlung (Kammer) und dem Flugloche abgelagert ist,' nicht im
ubiigen Gallapfel, durfte wohl für die Ernährung der Wespe vonWichtig-
keit sein; die grössten Körner (40 Mikrom.) sind sternförmig oder kreuz-
hTkf wgerlSSen "? Tf be“ a"Cb <laS im Fll,gIoclle zn Gr"“(le Segangene
Lek T, T S° We“ entwicke“ ^t, so enthält die Kammer
lockeres gelbliches Pulver, das ausschliesslich aus Steinzellen der Kammer-
wandung besteht, vermuthlicb von der Stelle, wo das Flugloch -eljulirt
wurde. Ist das Insekt noch in der Kammer selbst geblieben, so erfüllt dieses
v "e TmvTm ™ F!"gl°Cb- ürsPritaSlich »Iso enthält die Kammer
viel Amylum, das, wie es scheint, von der Wespe aufgezehrt, zum Theil in
enZris0t 0? d0Pf‘ WVi "V dCm <l3S "-h das* Flugloch
' Ü ist Ob dieses mit Amylum oder Steinzelleu erfüllt ist würde dem-
Sc“ ThSchts abbrichf16 ^ ^ ™
Den zusammenziehenden, herben Geschmack verdanken die GaUänfel
2SÄS lär/rtMe’ d“ GaG"agerbsäntÄ
Jedochlt nach W 51 T TyP“S ™er zaUreicl,e“ chemischen Familie.
Art und , r l Tagnebdlef r vPa^hologische“ Gerbstoff einzig in seiner
harnen Ä 1 h Ver“h,fCura 6al1“. »»ob in den chinesischen, voi-
Manzenve h T Gerbs‘°ff,! °<Ier G«bsäureu, welche in normalen
«h d ngr rlC°mme“’ die -Physiologischen“ Gerbstoffe, sind ver
schieden zusammengesetzt. Das eigentliche Tannin allein ist eine gepalrte
10*
148
Gebilde ohne morphologische Bedeutung.
Zuckerverbindung, nicht die Stoffe der zweiten Gruppe, welchen dagegen
ausschliesslich das Vermögen zukömmt, mit Leim eine haltbare Verbindung,
wahres Leder, zu bilden. Die besten Galläpfel (der oben beschriebenen
Sorte) geben 60 bis 70 pC. Gerbsäure; der Gehalt schwankt bedeutend.
Ein pektinartiger Stoff, den die Galläpfel neben der Gerbsäure enthalten,
veranlasst, nach Robiquet, die eigenthümliche Gährung, welche den
Gerbstoff in Gallussäure und Zucker zerlegt. — Fertig gebildete Gallus-
säure, freien Zucker, Harz, Gummi, Proteiustoffe und ätherisches Oel ent-
halten die Galläpfel in geringer Menge. — Die Gallussäure lässt sich durch
das Mikroskop nicht uachweisen.
Die im deutschen Handel verbreitetsten Galläpfel sind die oben beschrie-
benen aus der Gegend von Aleppo;1) etwas grösser und schwerer sind
die von Mösul (am Tigris), den ersteren ähnlich, nur feiu bestäubt. —
Ein Hauptstapelplatz ist auch Diarbekr, wohin sehr viel Gallen aus den
benachbarten kurdischen Gebirgen, nördlich vom oberen Tigris, gelangen.
Sori an- Galläpfel heissen die kleinsten aus den aleppischen heraus-
gelesenen Exemplare. — Geringere Sorten, welche sich meist an ihrer
leichteren, schwammigen Beschaffenheit erkennen lassen, werden auch um
Bassora und Smyrna, so wie in Syrien (Tarabulus, Tripolis) gesammelt. —
Die vorderasiatischen Galläpfel wurden schon im Alterthum benutzt.
Auch auf den verschiedenen europäischen Eichenarten entstehen durch
den Stich anderer Gallwespen (z. B. Cynips Hayneana, Cynips Quercus
folii, C. Quercus Cerris etc.) Auswüchse, welche aber von den vorder-
asiatischen sehr abweicheu. Sie sind meistens viel kleiner, leichter, nicht
mit stacheligen Höckern oder Falten besetzt, weit ärmer an Gerbsäure,
daher für den pharmaceutischen Gebrauch nicht zulässig. Es ist merk
würdig, dass jedem Insekte eine besondere Galläpfelart entspricht. —
Als ungarische Knoppern unterscheidet man die höchst unregelmässig
gestalteten, gleichsam geflügelten Auswüchse, welche durch Cynips Quercus
calycis am jungen Fruchtbecher (Cupula) oder au der Frucht selbst, auf
Quercus pedunculata und sessiliflora hervorgerufen werden.
Orientalische Knoppern oder Valonea, Velani, Velaneda2)
dagegen sind die unveränderten Fruchtbecher von Quercus Vallonea
Kotschy in Kleinasien (Taurus). Auch Quercus Aegilops L., Q. graeca Kotschy
und andere Arten Griecheulauds und Kleiuasiens liefern Valouen ; oft gehen
auch die Früchte selbst mit. DieValonen bilden einen Hauptgegenstand
der Ausfuhr Smyrnas: sehr viele kommen aus der Ebene von Troja, aus
Mi ty lene und Chios.
Der Gerbstoffgehalt der Knoppern ist weit geringer (ungefähr 30 pC.)
als bei den officinelleu Galläpfeln, iudessen für die Technik von Werth;
besonders finden die in den Handel gebrachten Extractc der ersteren
1) von wo jährlich etwa 600,000 Kilogr. ausgeführt werden.
2) Vom griechischen B&Xocvo?, Eiche); Baiamut bei den Türken.
Gallae chinenses.
149
Verwendung als Gerb- und Färbematerial. Die Gerbsäure derValonen ist
nach Stenliouse nicht Gallusgerbsäure.
Ein bedeutendes Surrogat der Galläpfel bilden auch die Myrobalani,
die gerbstoffreichen, ehemals officinellen Früchte mehrerer Terminalia-
Arten aus der Familie der Combretaceae, welche in Ostindien zu Hause sind.
Gallae cliinenses.
Chinesische oder Japanische Galläpfel. Galles de Chine ou du Japon.
Chinese Galls.
1. Rlius semialata Murray, und Var. (3. Osbeckii.
2. Rlius japonica Siebold.
Syn. Rhus javanica L. — Terebinthaceae.
Die chinesischen Gallen sind blasige Auftreibungen, welche an den
Blattstielen der genannten in China und Japan so wie in Nepal und Java (?)
einheimischen Bäume1) durch den Stich einer Blattlaus, Aphw cliinensis
Doubleday, hervorgerufen werden. Die besten kommen nach Debeaux2)
aus Schansi und Kuangtong, so wie aus Japan. Es sind leichte ganz hohle
Blasen, bis etwa 0,07ra lang und 0,04m breit, aber von ausserordentlich
wechselnder unregelmässiger Gestalt; im einfachsten Falle verkehrt eiförmig,
am verschmälerten Grunde noch auf einem Stückchen des Blattstieles, neben
Resten benachbarter Blasen sitzend und am oberen breiten Ende ein paar
kurze runde Höcker tragend. Selten aber ist die Gestalt so einfach, sondern
gewöhnlich in die bizarrsten Formen verzerrt, bald durch zahlreiche höcke-
rige oder hornartige Wucherungen, bald durch Verästung, Abplattung oder
Einschnürung, so dass sich eine allgemein zutreffende Beschreibung nicht
geben lässt. Im Ganzen aber ist das Gebilde sehr charakteristisch; gegen
die Basis zu gestreift, übrigens ganz mit einem dichten kurzen grauen Filze
bedeckt, der stellenweise abgerieben ist und die gelbliche oder braunröth-
liche Farbe der Wand selbst durchblicken lässt. Diese ist ziemlich gleich-
mässig 0,001 bis 0,002m dick, durchscheinend, hornartig, doch spröde;
die Innenfläehe ziemlich glatt, etwas heller als die Aussenseite. Der Bruch
glatt glänzend.
Die chinesischen Galläpfel enthalten eine bedeutende Menge der schwärz-
lichen bis 0,001 1,1 langen Blattläuse und daneben grössere aus kurzen dün-
nen, locker verfilzten Fädchen bestehende weisse Knäuelchen, ohne Zweifel
Produkte der Insekten, deren Lebensweise übrigens nicht genauer bekanut
ist. Nur ein kleiner Theil der Blasenhöhlung wird von diesem Inhalte ein-
genommen.
Das Gewebe besteht in seiner Mittelschicht aus grossen zartwandigen
0 uiclit aber an Distyliuni racemosum (Hainamelideae), wie auch angegeben wurde.
2) in der bei Carapher angeführten Schrift S. 116.
150
Gebilde ohne morphologische Bedeutung.
kubischen Zellen , welche nach beiden Seiten allmälig an Grösse abnehmen
und sich in tangentialer Richtung strecken. In der Nähe der Innenfläche
zeigen sich kleine Gefässbündel und grössere Lücken (Milchsaftschläuche).
Die 3 oder 4 Reihen flacher tangential gestreckter tafelförmiger Zellen der
Aussenseite sind von einer aus kleinen kubischen Zellen gebildeten Ober-
haut bedeckt; sehr viele dieser Oberhautzellen verlängern sich zu einfachen
steifen zugespitzten, bisweilen etwas gekrümmten Haaren. Diese sind es,
welche den sammetartigen Filz ausmachen.
Die meisten Zellen enthalten färb- und formenlose Massen von Gerb-
säuie, deren Umrisse sich besser unter Glycerin als unter Wasser von den
zarten Zellwänden abheben. Daneben kommen auch grünliche Körnchen
vielleicht durch Chlorophyll gefärbte Gerbsäure (?) — vor, welche nach
längerer Aufbewahrung feiner mit Glycerin getränkter Schnitte in schönen
grünlichgelben rhomboederartigen Formen oder in Prismen krystallisiren.
Auch kleine bis 10 Mikromillim. messende rundliche Stärkekörnchen finden
sich besonders nach beiden Seiten hin im Gewebe reichlich vor. In den
grossen der Innenseite benachbarten Lücken liegen grosse helle Klumpen —
vermuthlich eingetrockneter Milchsaft.
Der Gehalt an Gerbsäure scheint durchschnittlich bei diesen Gallen
noch höher zu sein als bei den besten aleppischen Galläpfeln. Brande
fand (1817) 75 pC. davon, Büchner 77, Guibourt 65, Bley 69, Feh-
ling 70. Daneben enthalten sie auch kleine Mengen von Gallussäure, Fett
und Harz. Freier Zucker ist noch nicht nachgewiesen worden und nach
Wittstein fehlt diesen Gallen auch der Pektinkörper, welcher in den
Eichengalläpfeln (vergl. Gallae halepenses) die Gallnssäuregährung veran-
lasst. Diese tritt bei Anwendung chinesischer Gallen erst ein, wenn ihnen
aleppische oder Hefe zugesetzt werden. Die Gerbsäure beider Sorten aber
ist, nach Wittstein, identisch; nach Stenhouse dagegen wäre die Gerb
säure der chinesischen Gallen der Eichengerbsäure gleich.
Neben den chinesischen Galläpfeln kommen auch japanische in den
Handel, welche mit ersteren übereinstimmen. Dass sie etwas dichter filzig
zu sein und mehr geflügelte Blattläuse (Männchen) zu enthalten pflegen,
dürfte Zufall sein; jedoch sind sie billiger zu haben als die chinesischen.
Trotz des durchschnittlich höheren und wie es scheint auch gleichruässige-
ren Gehaltes sind beide Sorten sonderbarerweise weniger geschätzt als die
vorderasiatischen.
Die chinesischen Galläpfel waren in China unter dem Namen Wu-pei-tsze
als Heilmittel und Färbmaterial von Alters her bekaunt, und Kämpfer
(1684) scheint sie schon gesehen zu haben; doch wurden sie in Europa
erst durch Geoffroy1) (1724) allgemeiner, zunächst nur als Merkwürdig-
keit näher bekannt. Pereira machte 1844 wieder darauf aufmerksam und
seitdem gelangen sie erst reichlicher in den europäischen Handel.
') treffend als „Orcilles des Indes“ bezeichnet.
Khizoma Filicis.
151
ff Halb oder ganz unterirdische Axen.
(Wurzeln im weitesten Sinne.)
I. Gefässkryptogamen.
Rliizoma Filicis.
Radix filicis maris. Rhizoma filicis mundatum. Farnwurzel. Wurmfarn-
wurzel. Johanniswurzel. Racine de fougere male. Fern root.
Polystichum Filix mas Roth. — Filices.
Syn.: Polypodimn Filix mas L.
Nephrodium F. m. Michaux.
Aspidium F. m. Swartz.
Der Wurmfarn kömmt gesellschaftlich in Menge durch fast ganz Europa1),
Nordasien, Nordamerika und Kaukasien vor, besonders in schattigen stei-
nigen Wäldern und Gebüschen, auf jedem Gesteine, von der Ebene bis zu
6000 Fuss über Meer. Er findet sich noch in Island und New-Foundland,
scheint aber in den Vereinigten Staaten mehr durch die nahe verwandten
Aspidium marginale Swartz und A. Goldieanum Hooker vertreten zu sein. Der
Stamm (Rhizoma) liegt horizontal etwas aufsteigeud, nur wenig tief im
Boden und erreicht eine Länge von etwa 0,20 bis über 0,30m bei einem
Gesammtdurchmesser von 0,06"’. Er besteht aus dem eigentlichen Stamme
oder Wurzelstocke von ungefähr 0,02 Dicke, welcher nach allen Seiten
Blätter (Wedel) treibt, und den am Ursprünge 0,005m bis 0,010 dicken und
bis 0,03 langen fleischigen Resten (Wedelbasen) dieser Blätter, die den
Stamm selbst dicht einhüllen und sich von der Unterseite und den Neben-
seiten bogenförmig nach oben erheben. Es ist eine Eigenthümlichkeit dieser
Blätter , dass ihre unterirdische Basis sich nach dem Absterben des eigent-
lichen Blattes noch längere Zeit hindurch erhält. Diese kantigen Blattstiel-
reste sind mit einem dichten Filze von blattartigen hellbraunen Spreu-
schuppen (Paleae) überzogen und zwischen ihnen dringen, namentlich gegen
die hintere Hälfte des Wurzelstockes sehr zahlreich, lange verästelte 0,001
dicke Neben wurzeln (Wurzelfasern) an den Seiten und der Unterfläche hervor.
Vorn, wo er sich über den Boden erhebt, trägt der Wurzelstock in der
Eudknospe einige (nach Art der jungen Farnblätter überhaupt) spiralig von
den Spitzen zur Basis sowohl im ganzen als in den einzelnen Lappen ein-
gerollte junge Blätter , weiter rückwärts die eben in voller Entwickelung
stehenden, hierauf die erwähnten noch lebensthätigen Reste der vorjährigen
Blatter und zuletzt abgestorbene Blattbasen am hinteren , durch Ein-
schrumpfung aufwärts gekrümmten Ende des Rhizoms, das hierin dem Maasse
abstirbt, wie es sich nach vorn weiter entwickelt.
büi den Arzneigebrauch wird nur die vordere noch kräftig vegetirende
Hälfte des Ganzen genommen und von allen abgestorbenen Theilen, sowie
U doch weniger im Süden; in Griechenland z. B. seltener.
152
Wurzeln der Gefässkryptogamen.
von Spreuschuppen, Wurzeln und Rinde befreit. Da das Rhizom jährlich
etwa 12 Blätter zu treiben pflegt, so kann jede einzelne Pflanze in dieser
Weise ausser dem eigentlichen Stamme höchstens 20— 24 Blattbasen liefern.
Die geschälte Droge ist hellgrün, verliert aber selbst bei sorgfältigstem
Schutze vor Luft und Licht, namentlich gepulvert bald ihre Farbe und geht
in braun über, so dass sie jedes Jahr zu erneuern ist. Wird der ganze
Wurzelstock aufbewahrt, so bleibt das Innere jahrelang unverändert grün.
Die beste Zeit zur Einsammlung ist nach alleü Erfahrungen der Spätsommer.
Auf dem Querschnitt zeigt der Stock, je nach der Anzahl der gerade an
dieser Stelle durchschnittenen Blattbasen eine 3— 5 strahlige Form. Unter
der sehr schwachen diiunen schwärzlichen Rinde wird das Zellge-
webe des Stammes von sehr vereinzelten kleineren Gefässbündeln durch-
setzt, im Innern dagegen stehen ungefähr 10 grössere, durch ihre weisse
Farbe scharf unterschiedene Gefässbündel zu einem ununterbrochenen Kreise
geordnet. Auch auf dem Querschnitte der einzelnen Blattbasen findet sich
ein Kreis von ungefähr 1 0 Gefässbündeln. Auf dem Bruch erscheint das Ge-
webe körnig porös, von wachsartiger Konsistenz.
Das Gewebe, sowohl des Stockes als der Blattstielbasen, hat denselben
Bau und Inhalt wie das des Rliizoma Polypodii , nur in grössereu Verhält-
nissen. Doch unterscheidet sich die Rinde des Rhizoma Filicis dadurch,
dass sie aus 6 — 8 Reihen sehr dickwandiger, doch nicht korkartiger Zellen
besteht, auch sind die Parenchym-Zellen hier mehr rund als polyedrisch
und auf dem Längsschnitt weniger verlängert. Die Stärkekörner sind nach
Grösse und Form sehr verschieden, erreichen aber höchstens 14 Mikro-
millimeter Durchmesser. Weit spärlicher liegen zwischen den Zellen grössere
glänzende durchsichtige Harzklümpchen von grüner Farbe.
Sie erscheinen als Ueberzug eigener luftführender drüsenartiger gestielter
Secretionsorgane, welche nach Schacht frei in die grösseren Intercellular-
räume des jüngeren Gewebes l^ueinragen. In der Regel enthält jeder Raum
nur eine Drüse, welche als Tochterzelle aus einer der kugeligen Wandzelten
des Intercellularraumes hervorgeht und nach ihrer völligen Ausbildung und
nach dem Auftreten des Amylums im benachbarten Parenchym das Harz
durch ihre Membran absoudert. Aehnliche Drüsen, doch ohne Harz, finden
sich auch zwischen den Spreuschuppen unter dem Vegetationskegel des
Wurzelstockes. Reichlich kommt diese Harzabsonderung nur in den jün-
geren Gewebstheilen vor, was mit der Erfahrung übereinstimmt, dass nur
die jüngere Droge wirksam ist. Diese Drüsen fehlen den Hhizonieu von
Asplenium Filix femina und Pteris aquilina und dürften demnach an der
wurm treibenden Wirkung Theil haben. Bei längerer Aufbewahrung (in Gly-
cerin) erstarrt das Harz krystallinisch (Filixsäure?).
Geschmack schwach siisslich adstringirend , dann widerlich kratzend.
Die zahlreichen chemischen Untersuchungen der Wurmfarn wurzel, nament-
lich die von Bock und von Luck, haben einen eigenthüinlichen Stoff als
Träger der wurmtreibenden Wirkung nicht uachgewiesen , sondern ausser
Kliizoma Filicis.
153
den allgemeinem verbreiteten Pflanzenbestandtlieilen fettes Oel (5 — 6 pC.)
von grüner Farbe, Spuren von ätherischem Oel, Harz, Gei'bstoff (Luck’s
Tannaspidsäure, Pteritannsäure), krystallisirbaren Zucker (nach Bock ver-
muthlich Rohrzucker). Das officinelle Aetherextrakt , wovon man ungefähr
8 pC. erhält, setzt eine farblose körnig-krystallinische Substanz ab , welche
Luck als Fil ixsäure bezeichnet und näher untersucht hat, während der
grüne flüssige Theil des Extraktes hauptsächlich aus Filixolin, einem
Glyceride besteht, woraus Luck durch Verseifung eine flüchtige (Filosmyl-
säure) und eine nicht flüchtige (Filixolinsäure) eigentümliche Fettsäure
dargestellt hat. Der Wurmfarn scheint sich vor allen anderen Farnen durch
bedeutenden Gehalt an Fett, Harz und ätherischem Oele auszuzeichnen. —
Das von Pavesi für den wirksamen Bestandtheil erklärte Aspidin dürfte
im wesentlichen Filixsäure sein.
Der nicht geschälte Wurzelstock, bei 100° getrocknet, gibt nach Bock
2 pC., nach Spies 3 pC. Asche, vorzüglich aus phosphorsaurem, kohlen-
saurem und schwefelsaurem Kalk, Kali und Kieselerde bestehend.
Verwechslungen des Wurmfarns mit verwandten Pflanzen, besonders
mit Aspidium spinulosum Döll oder mit Asplenium Filix femiua Bernhardi
und besonders mit Aspidium Oreopteris Swartz liegen wegen der einiger-
masseu ähnlichen Blätter nahe; auch die Wurzelstöcke dieser und anderer
Farn zeigen einige Aehnlichkeit mit dem von Filix mas, unterscheiden sich
aber praktisch dadurch, dass sie sowohl in den Blattstielbasen als auch im
eigentlichen Stamme sehr viel schwächer, dagegen meist mit stärkerer Rinde
versehen sind und nach dem Schälen keine irgend lohnende Ausbeute an
verwendbarer Waare zu gewähren vermögen. Ganz abgesehen von der
Sicherheit, mit welcher der ächte Wurzelstock nach der obigen Beschreibung
zu eikennen ist, wird also die Einsammlung anderer in Wirklichkeit von
selbst unterbleiben.
Die Wirkung des tarnrhizoms auf den Bandwurm war schon den Alten
bekannt, gerieth aber ziemlich allgemein in Vergessenheit, bis er sich in
neuerer Zeit wieder (neben Gutti, Jalape, Seammonium u. s. w.) als Haupt-
bestandtheil berühmter geheim gehaltener Bandwurmmittel herausstellte.
So verlieh Friedrich der Grosse dem Apotheker Daniel Matth ieu (aus Neu-
cbatel) m Berlin für ein solches Titel und Jahrgehalt. Grosses Aufsehen
machte namentlich auch die Methode einer Chirurgen- Wittwe Nuffler zu
Murten (Schweiz), deren Geheimniss an den Wundarzt Pouteau zu Lvon
aberging, welcher dafür, 1775 nach einer Untersuchung durch Lassone,
Macquer, de la Motte, A. L. de Jussien und Carburi, von Louis XVI.
die Summe von 80,000 Livres erhielt1).
\nn!])a l Aterexlract anstatt des voluminösen Pulvers wurde von dem Genfer
Apotheker Pe schier 1826 eingeführt.
Dlcl' m,t 4v- 4,a' «•**•« »•»«<«
154
Wurzeln der Gefässkryptogamen.
Seit 1851 gelangte aus Port Natal und vom Cap unter dem Namen
Radix Uncomocomo und Rad. Pannae ein unserem Rhizoma Filicis
maris sehr ähnlicher und gleich , nur weit kräftiger wirkender Wurzelstock
über Hamburg und London nach Deutschland.
Diese Pannabestehtvorherrschend aus dem eigentlichen Stamme mit oder
ohne Blattbasen. Ersterer ist doppelt so stark wie bei Filix mas, weit dichter,
auf dem Querschnitte bis 1 3 zum Theil sehr starke Gefässbündel und viele
schwarze Punkte (Harzbehälter) darbietend, welche auch in den Blattbasen
reichlich vorhanden sind und mit feinen rothbraunen Spreuschüppchen
sammtartig besetzt. Das im frischem Zustande ebenfalls grüne Parenchym
ist an der Handelswaare hellbräunlich. Auf dem Längsschnitte sind die Zellen
der Rinde dickwandig langgestreckt, die langen charakteristischen Harz-
gänge sind mit dunkelbraunem festem Harze erfüllt und das innere Paren-
chym enthält zahlreiche grosse grünlich gelbe Klumpen. Die Stammpflanze
dieses unserem Wurmfarn am nächsten stehenden Wurzelstockes ist Aspi-
clium athamanticum Kunze.
Rhizoma Polypodii.
Radix Polypodii. Rad. Filiculae dulcis. Engelsüss. Polypode de chene.
Fougere douce.
Polypodium vulgare L. — Filices.
Der gemeine Tüpfelfarn wächst häufig in Bergwäldern der gemässigteren
Länder der nördlichen Hemisphäre. Er ist verbreitet von Nordafrika au
durch Europa bis Island und Hammerfest, in Asien von Armenien bis Japan
und in der Mandschurei, auch jenseits an der amerikanischen Westküste bis
Mexico, sogar auf den Sandwich-Inseln. Der südlichen Halbkugel scheint
er mit Ausnahme des Caplandes zu fehlen.
Der Wurzelstock (ausdauernde Stengel) kriecht horizontal auf Baum-
strünkeu, Felsen und Mauern, nicht in der Erde, in gerader Richtung vor-
wärts, krümmt sich aber stellenweise etwas wellenförmig nach oben und
erreicht eine Länge von etwa 0,20 bei einer Dicke von 0,007™. Er ist
walzlich, jedoch von oben her etwas platt gedrückt und trägt auf der oberen
Seite zweizeilig weitläufig auseinander gestellte, nur etwa 0,003™ hohe
schüsselförmige Ueberreste der Blattstiele '). Nach unten und den Seiten
geht ein Filz von laugen ästigen haardünnen braun behaarten W urzelu aus,
welche entfernt werden, so dass blos das fleischige Rhizom selbst gesam-
melt wird, an "welchem nur noch wenige Wurzeln und gelbe Spreublättchen
(Paleae) sitzen bleiben. Es ist heller oder dunkler braun, der Länge nach
fein gefurcht, auf dem Querschnitt dicht, wachsglänzend, vou grünlicher,
später brauner Farbe; im Innern bisweilen hohl. Das ganze Gewebe be-
steht, im Querschnitt, aus weiten rundlich polyedrischen Zellen mit dicken
l) Daker der Name: 7to Xü; viel, roüStov Füsschen.
Rhizoma Graminis.
155
häufig porösen Wandungen; die äussersten Zellen sind braun und etwas
kleiner, aber ohne Aehnlichkeit mit eigentlicher Korkbildung. Etwas inner-
halb dieser nur aus 2 — 3 Zellenreihen gebildeten Rinde stehen in einen
weitläufigen Kreis geordnet ungefähr 12 Gefässbündel , worin gelbbraune
Klümpchen (Harz und Gerbstoff) abgelagert sind. Das übrige Gewebe ent-
hält Amylum in sehr wechselnder Menge, Oeltröpfchen und kleine gelbliche
Körnchen. Auf dem Längsschnitt erscheinen die Parenchymzellen etwas
gestreckt polyedrisch, zwischen den Wandungen bisweilen mit sehr kleinen
Krystallen von oxalsaurem Kalk. Die Gefässbündel zeigen in einer Scheide
von verholzten braunen Zellen langgestrecktes Prosenchym, das ungefähr
1 2 grössere mit Querspalten versehene Gefässe (Treppen gefässe) einsehliesst.
Geschmack unangenehm süss, allmälig bitterlich kratzend, wie ranzig.
Geruch ölig-ranzig. Bestandtheile : fettes Oel, Harz, Gerbstoff, Aepfelsäure,
Zucker (5 pC. nach Rebling). Der bald mit Mannit, bald mit Glycyrrhizin
verglichene Zucker ist ein Gemenge von unkrystallisirbarem Zucker und
von Rohrzucker, woraus letzterer erst nach längerer Zeit anschiesst. Das
(gegohrene) Decoct lieferte Desfosses Mannit.
Die Wurzel war schon bei den Alten als Arzneimitel in Gebrauch.
Kraut und Wurzel von „Polipodion“ wurde im XIII. Jahrhundert (in dem
bei Semen Hyoscyami erwähnten Arzneibuche) als Wundmittel empfohlen
— ob unser Polypodium vulgare? Dem Rhizoma Polypodii ähnliche Rhi-
zome dienen unter dem Namen Rad. Calahualae in Peru und Chile, nicht
mehr bei uns, zu gleichem Zwecke. Sie sind bedeutend stärker, bis 0,01 m
dick und führen grosse Amylumkörner. Verschiedene Farne, namentlich
Polypodium Calaguala Kze, Goniophlebium attenuatum Presl., Acrostichum
Huacsaro Ruiz, werden als Stammpflanzen genannt.
Die Wurzelstöcke anderer Farne, deren Geschmack weniger durch Fett
und Gerbstoffgehalt beeinträchtigt ist, eignen sich zu Nahrungsmitteln, wie
z. B. der von Pteris aquilina L. auf Gomera und Palma (Canarien) zu
Brot verbacken und der von Pteris esculenta Förster auf Neu-Seeland ge-
röstet genossen wird. Der erstere enthält kein Fett.
II. Monokotylen.
A. Wurzeln und Wurzelstöcke.
I. nicht-aromatische.
Gras wurzel.
Rliizoma Graminis.
Rad. Graminis. Stolones Graminis. Queckenwurzel.
Chiendent. Grammont.
Agropyrum repens Beauvais. — Gramineae.
Syn.: Triticum repens L.
Die Quecke ist ein auf Aeckern und in Hecken der Niederungen und der
Gebirge sehr verbe, totes Unkraut. Sie findet sich in ganz Europa, doch
156
Wurzelbildnngen der Monokotylen.
seltener im Süden, in Nordasien bis südlich vom Caspisee (Dernaweud
9000 tuss hoch), in Nordamerika, in Patagonien und Feuerland. Sie treibt
eineu weithin verzweigten, dicht unter der Oberfläche kriechenden Wurzel-
stock, der aus etwa 0,050™ laugen, 0,003“ bis 0,004™ dicken Gliedern
besteht und nur an den (nicht verdickten) Knoten haardicke Nebenwurzeln
und vertrocknete Blattscheiden trägt. Der Wurzelstock soll im Herbste
ausgegraben werden und kömmt von Nebenwurzeln und Blattresten befreit
immer zerschnitten in den Handel. Getrocknet ist er glänzend , stroh-
artig, gelb bis grau, vielkantig, mit einer Höhlung, deren Durchmesser
der Hälfte des gesummten Querschnittes gleichkömmt. Man unterscheidet
auf dem letzteren eine dünne Aussenrinde, ein breites lockeres Gewebe
(Mittelrinde), einen geschlossenen schmalen Holzring und das hohle Mark.
Die Aussenrinde besteht aus gelben dickwandigen, etwas tangential ge-
streckten (sog. Epiblema-) Zellen, das darauf folgende Gewebe der Mittelrinde
aus rundlich polyedrischen färb- und inhaltslosen Zellen, die in der Mitte ziem-
lich gross sind. Vereinzelte kleine Bastbündel, etwa 20 an der Zahl, sind im
äussersten Theile der Mittelrinde zu einem weitläufigen Kreise geordnet.
Ein ununterbrochener Ring kleinerer, nach den Seiten und nach innen
schichtenweise sehr verdickter poröser, gelblicher Zellen scheidet das Holz
von der Mittelrinde, welcher diese eigentümlichen Zellen ihre dünne Wand
zukehren. Innerhalb dieses bei vielen Monokotylen vorkommenden Iunen-
rinden-Ringes (Kern scheide) finden sich ungefähr 20 kleine Gefässbün-
del , aus je 2 oder 3 grossen Tüpfelgefässen bestehend , welche von einer
nach innen bogenförmig convex abgegreuzteu Gruppe sehr zahlreicher
Holzzellen umgeben sind. Zwischen diesem Kreise von Gefössbündeln und
der Kernscheide liegt ein schmaler ununterbrochener Kreis desselben ver-
holzten Parenchyms. Die einzelnen Gefässbündel sind durch schmale Strei-
fen des Markparenchyms getrennt, welches aus gleichen Zellen besteht wie
die Mittelrinde.
Auf dem Längsschnitt erscheinen alle Zellen bedeutend in die Länge
gestreckt, auch die der Mittelrinde und des Markes. Chemische Bestand-
teile der Queckenwurzel nur die allgemein verbreiteten, jedoch weder
Amylurn noch Harz. Sie schmeckt schwach süsslieh ; ihr Zucker ist nach 1
Berzelius und Völcker Mannit, welcher nicht zu allen Zeiten in dem
Wurzelstock vorzukommen scheint, da Stenhouse nur unkrystallisirbaren
Zucker, aber Krystalle von oxalsaurem Kali daraus enthielt. Nach Reb-
ling beträgt der Zuckergehalt nicht weniger als 22 pC. Pektin ist noch
nicht darin nachgewiesen. — Je nach dem Standorte der Pflanze scheinen
übrigens ihre Bestandteile, namentlich der Zucker, der Menge nach bedeu-
tend zu schwanken. Der Nahrungswerth der Queckenwurzel war schon den
Alten bekannt. In Südeuropa dienen auch die ganz ähnlichen Wurzelstöcke
anderer Agropyrum-Arten (A. acutum R. u. S. , A.' puugeus R. u. b.,
A. junceum Beauv.) und besonders die zum Theil oberirdischen Ausläufer
von Cynodon Dactylon Richard (Panicum Dactylon L., Digitaria sto-
Rhizoma Graminis.
157
louifera Schräder), welches schöne Gras in Südeuropa, Cypern, Aegypten,
Nubien, Persien, Caucasien, aber auch da und dort in Deutschland, Oester-
reich, Südengland und der südlichen Schweiz vorkommt, und jetzt auch
schon in Nord-Peru in grosser Menge verwildert ist. Seine Rhizome, gros
cbiendent der Franzosen, Rhizoma Graminis italici , sind bei weitem der-
ber als die von Agropyrum. Auf dem Querschnitte der ersteren beträgt die
Breite der Rinde nur etwa Vi0 des Gesammtdurchmessers, das hohle Mark
etwa V't- Dagegen ist das schwach gelbliche Holz stark entwickelt und zu
einem nach aussen geschlossenen Kreise mit etwa 30 Gefässbündeln zusam-
mengedrängt, welcher nach innen noch 2 oder 3 weitläufige, durch Parenchym
auseinander gehaltene Gefässbün deikreise einschliesst. Die Gefässbündel
bestehen aus je 2 bis 3 grossen zierlichen Tüpfel- oder Ringgefässen und lang-
gestrecktem Holzprosenchym, das Parenchym der Rinde und des Markes, so
weit letzteres noch vorhanden, aus grossen rechteckigen axial gestreckten
Zellen mit ziemlich dicken porösen Wänden. Jedes Gefässbündel schliesst
an seiner Peripherie einen dünnen Strang Cambialgewebe ein. Dem Holz-
kreise fehlt eine besondere Kernscheide.
Auch durch ihren sehr grossen Amylumgehalt unterscheiden sich die
Rhizome von Cynodon sehr von der Quecke und nähern sich mehr dem
Rhizoma Caricis. Die Stärkekörner in Cynodon sind entweder einzelne,
biru- oder eiförmige und bis 25 Mikromillimeter lange oder zu 2 bis 3 ver-
wachsene zusammengesetzte Gestalten. Unmöglich kann neben diesem be-
deuteuden Amylumgehalte der Zucker dieser Wurzelstöcke sehr ins Gewicht
fallen. Sie scheinen auch Asparagin (Semmola’s Cynodin) zu enthalten.
Rhizoma Caricis.
Radix Caricis arenariae. Sandsegge. Rothe Quecke. Deutsche Sarsaparilla.
Laiche. Chiendent rouge. Sea sedge.
Carex arenaria L. — Cyperaceae.
Die Sandsegge wächst hauptsächlich auf den Dünen der Nord- und
Ostsee auch noch in England, Finnland und Island, und dient häufig zur
Küstenbefestigung. _ Au der ganzen deutschen Meeresküste ist sie sehr ver-
breitet, aber auch in trockenem Sande bis in das Innere Norddeutschlands
q 7 N°fC? UUd 7ordwestcn Westfalens, bei Magdeburg, Wittenberg’
Sachs®n fast nur bei Dresden , dann in der Niederlausitz. Sie besitzt
derT) osoT* nnT(v7geUVei'ZWeigtea’ im Sande kriechenden Wurzelstock,
bewurz. ltP 7 t,05°- flsemauder liegende, nur wenig verdickte, spärlich
ItZ w 1 r ZG- S ’ an denen trockene llailtige Blattscheiden und haar-
elffr SUZ?j DerWurzelst°ck wird in langen Bündeln in den
< o( nackt, er ist hell graugelblich, etwas längsrunzelig, 0,003ra dick-
d e schwarzbraunen glänzenden Blattscheiden vorn faserig zerrissen und
p mehrfach bis auf den Grund zerschlitzt, umfassen aber' den Knoten und
158
Wurzelbildungen der Monokotylen.
erreichen an den dicken Stücken die Länge der Glieder des Stockes, so
dass derselbe oft ganz von den Scheiden eiugehüllt ist, wo sie nicht abge-
scheuert sind.
Der Querschnitt zeigt eine bräunlichgelbe lockere inhaltslose Ausseu-
rinde, eine breite schwammige lückige Mittelrinde und einen starken, von
zahlreichen weiten Gefässen durchbrochenen Holzkern, der ein sehr un-
regelmässiges Mark einscliliesst. In der Mittelriude sind grössere Partien
des Gewebes ohne Inhalt, sehr zusammengefallen oder ganz geschwunden
und dadurch sehr grosse, durch schmale radiale Streifen zusammengefalle-
nen Gewebes getrennte Lücken entstanden. Nach innen folgen 5 — 6 Reihen
braungelber verdickter poröser Zellen , welche durch eine Keruscheide von
ebenfalls braungelben etwas grösseren weiteren und radial gestreckteu, nach
innen mehr verdickten Zellen vom weissen Holzkörper getrennt sind. Der-
selbe zeigt 30 — 40 scharf umschriebene Gefässbiindel, isolirt durch arnylum-
reiclies lockeres Parenchym. Nur die äussersten bilden einen ziemlich
geschlossenen Ring, die übrigen zwei unterbrochene wenig regelmässige
Kreise. Jedes Gefässbündel enthält 3 bis 7, meist 5 weite Treppen-
oder Spiralgefässe und in der Mitte einen Strang dünnwandigen Caiubium-
gewebes.
Der Wurzelstock riecht wegen eines geringen Gehaltes an ätherischem
Oel schwach gewürzhaft, doch nur in frischem Zustande. Geschmack
schwach süsslich, bitterlich, etwas reizend. Der Kern, sowohl das Prosen- ■
chym der Gefässbündel als das Markparenchym, strotzen von ^leinen
Araylumkörnern. In den weiten Gefässen liegen da und dort grosse tief-
gelbe Harzklumpen. Auf dem Längsschnitte bemerkt man zwischen den
langgestreckten Zellen wenige kleine Gruppen undeutlicher Krystalle. Gerb- .
stofif fehlt.
Die Wurzelstöcke anderer Carex-Arten sind ähnlich gebaut wie die der
C. arenaria , aber bei weitem nicht so lang und stark und nicht mit einer I
so lückigen Mittelrinde versehen. In Süddeutschland, wo C. arenaria fehlt,
werden die Rhizome der sehr häufigen Car ex hirta L. und C. mtermedia
Good (C. disticha Hudson) bisweilen gesammelt. Die innere Hälfte der
Mittelrinde ist bei den letzteren sehr lückig, aber diese Lücken tragen ein
ganz anderes Gepräge, sind rundlich und nicht radial gestreckt, auch weni-
ger umfangreich. Das Parenchym waltet immer noch vor und erhält ein
ähnliches fast rosenkranzähnliches Aussehen wie in Rhizoma Calami. Bei
C. hirta L. fehleu der sehr amylnmreichen Mittelriude die Lücken über-
haupt, die Zwischenglieder des Wurzelstockes, nicht blos dessen Knoten,
tragen dünne Wurzeln und die Blattscheideu sind ganz zerfetzt, nicht
regelmässig geschlitzt.
' Die Seggen wurzel wurde von Gleditsch gegen die Mitte des vorigen
Jahrhunderts als blutreinigendes diuretisches Mittel eingeführt und nament-
lich in den preussischeu Feldspitäleru als wohlfeiler Ersatz der Sarsaparilla
gebraucht.
Rhizoma Veratri albi.
159
Rhizoma Veratri albi.
Radix Hellebori albi. Weisse Nieswurzel. Germeinwurzel. Germer.
Racine d’ellebore blanc. Racine de varaire. White ellebore.
Veratrum album L. — Melanthaceae.
In der Bergregion des mittleren und südlichen Europas, in den Pyre-
näen, der Auvergne, in der Schweiz und Oesterreich, auch in Südsibirien,
au feuchten Stellen Ost-Finnlands, nicht in Griechenland. Der 0,05 bis
0,08™ lange senkrechte, seltener schief oder gar horizontal gerichtete, nach
unten vermodernde und etwas zugespitzte Knollstock ist einfach oder
manchmal nach oben gabelspaltig (zweiköpfig), ringsum mit 0,20m langen,
0,002 bis 0,003"’ dicken, spärlich befaserten fleischigen Nebenwurzeln be-
setzt. Nach oben endet er in einen dicht gedrängten Schopf von Blatt-
scheiden und Blättern, wovon die äussersten braun und ganz zerfasert sind,
während die innersten noch nicht entwickelten eine Keimknospe bergen.
Die Entwickelung dieses Wurzelstockes schreitet also in senkrechter Linie
fort; bei Colchicum dagegen in derselben Ebene.
Die Sammler pflegen die Nebenwurzeln und den Schopf möglichst zu
entfernen, so dass der Wurzelstock im Handel als schwarzbrauner, durch
die zahlreichen weissen Narben sehr höckeriger, oben kurz beschopfter
Kegel erscheint. Er ist ausserdem schwach geringelt und der Länge nach
gerunzelt; häufig wird er in letzterer Richtung gespalten.
Querschnitt: In einem Abstande von 0,002—0,004™ von der dünnen
braunen Aussenrinde umschliesst eine feine braune, vielfach gezackte Linie
(Kernscheide) das Holz, welches nur in der Mitte ein kleines Mark frei lässt
Das untere Ende ist abgestorben und löcherig. Die Zone zwischen Aussen-
rmde und Kernscheide, die Mittelrinde, ist rein weiss bis auf einzelne durch
I Harz oder Farbstoff ausgezeichnete Zellen und die vom Holzkörper ab-
; gehende Nebenwurzeln. Diese so wie der ganze Holzkern mit dem Marke
' ?md f,TgeMch’ das HoIz wie gesprenkelt von kurzen dünnen etwas hel-
leren Gefässbundeln, welche in allen Richtungen wurmförmig ganz unregel-
renflg TlaU,fcn‘ DaS Parencllym des ganzen Stockes ist mit Stärke er-
ful ; auch zahlreiche zu Bündeln (Raphiden) vereinigte Krystallnadeln von
Kalkoxalat finden sich vor.
Die gewöhnlich weggeworfenen Nebenwurzeln sind nur bis zur Mitte
des Stockes lebensthätig und vollsaftig; die untersten runzelig und bis auf
den Holzkern abgestorben. Auch die oberen fallen beim Trocknen sehr
zusammen bleiben aber schön strohgelb. Sie zeigen denselben zierlichen
Bau und Inhalt wie die Sarsapariüwurzel, doch mit dem Unterschiede, dass
[ “n n ?enT ide biS auf eiue sehr kleine spaltenartige Höhlung
zhch verholzt sind. Die Kernscheidezellen des Rhizoms dagegen sind
D e !! Tn S 1V6rdickt Uüd p0rös’ mehr uach ^t von Steinzeiten
D 6 Weisse Nieswurzel ist geruchlos, aber von sehr anhaltend scharfem
*
IGO
Wurzelbildungen der Monokotylen.
bitterem Gescbmacke, beim Pulvern gefährliches Niesen erregend. Nur
im frischen Zustande besitzt sie Knoblauchgeruch , ohne Zweifel wegen
eines flüchtigen Oeles (Fettsäure?). Pelletier u. Caventou fauden 1819
in Veratrum dasVeratriu (vergl. bei Fruct. Sabadillae) auf, Simon später
ein zweites Alkaloid, das Jervin,1) dessen Sulfat sich durch geringe
Löslichkeit unterscheidet. Das Veratrin wird indessen nicht aus Yeratrum
album gewonnen, sondern aus Sabadilla.
Das Rhizom, namentlich der Kern, schmeckt schwächer als die davon
ausgehenden Nebenwurzeln. Der Sitz des Veratrins ist hier nach Schroff
in der Rinde; der Holzkern wirkungslos. 60 Tlieile der Nebenwurzeln sind
in ihrer Wirkung gleich 1 Theil reinem Veratrin; das Rhizom wirkt schwächer
und in etwas andererWeise, so dass es durchaus nicht gleichgültig ist, ob
der Knollstock mit oder ohne Wurzel(fasern) genommen wird.
Der Veratrum-Knollen war schon im Alterthum unter dem Namen weisse
Nieswurzel, Helleborus albus, bekannt.
Der Knollstock des Veratrum nigrum L., das mehr im Süden wächst,
ist bedeutend schwächer in Gestalt und Wirkung, obwohl sonst dem von
V. album ähnlich; er riecht frisch nach Orchisknollen und schmeckt wenig
bitter. Seine Rinde ist sehr dünn. In Nordamerika dient als Rad. Hellebor i
albi das ganze Wurzelsystem des dortigen Veratrum viride Aiton, das
hinsichtlich seines Baues völlig mit unserer Droge übereinstimmt.
Radix Sarsaparillae.
Rad. Salsaparillae , Sassaparillae s. Zarzaparillae. Zarza. Stechwiudeu-
wurzel. Salsepareille. Sarsaparilla.
Die Smilax- Arten, Stechwinden, sind strauchige, oft hoch klimmende
Schlingpflanzen mit starkem, knotigem, hin- und hergebogenem, holzigem
Stengel, welcher mit kurzen, starken Stacheln besetzt ist. Auf dieses Wachs-
thum bezieht sich der Handelsname der Droge: Zarza heisst spanisch, Salsa ,
portugiesisch, eine stachlige Schlingpflanze, eigentlich der Brombeerstrauch;
Parra, Diminutiv Parilla, die Rebe. — Der knorrige Wurzelstock scheint
etwa fusslang zu werden, in gerader Richtung, bisweilen etwas auf- und
absteigend, fortzuwachsen; er besteht fast nur aus dicht au einander
gereihten Knoten , welche nach oben die zahlreichen starken Stengel aus-
seuden , während von den Seiten und besonders vou unten sehr zahlreich^ !
fleischige, häufig gegen 2m lange Nebenwurzeln abgehen.2) Diese letzteren,
nicht der Wurzelstock, sind die officinelle Sarsaparillwurzel.
Die Sarsaparill liefernden Smilax-Arten sind durch etwa 30 Breitengrade
1) Jerva, spanischer Name der Pflanze. >
'■*) Nicht alle Smilax-Arten zeigen diesen Bau des Wurzelstockes; vergl. Tuber (Rad.)
Chiuao. — Virey u. Martiny haben übrigens in mexicanischer Sarsaparilla ähnliche Knollen
gefunden, wie die der Rad. Chinae.
Kadix Sarsaparillae.
161
über das ausgedehnte Gebiet der nördlichen Hälfte Südamerikas (mit Aus-
nahme der Westküste, wie es scheint), durch das Festland Centralamerikas
bis in die südlicheren Küstenländer Mexicos an beiden Oceanen einheimisch.
Ihr Standort im dichtesten Walde tropischer Flussufer und Sümpfe, ihre
stacheligen verworrenen Stengel und das ausserordentlich starke Wurzel-
system erschweren das Sammeln und Trocknen der Wurzel so sehr, dass
ihr hoher Preis begreiflich ist.
Die Verbreitungsbezirke der fast 300 verschiedenen Smilaxarten sind
noch nicht ausgeiuittelt und eben so wenig weiss man zuverlässig, welche
davon in Wirklichkeit Sarsaparillwurzel liefern, so dass die Handelssorten
derselben bis jetzt noch nicht mit Sicherheit auf ihre Stammpflauzen zurück-
geführt sind. Nur Smilax nie die a Schlechtendal (bei Tuxpan, Mizautla,
Papantla, Nautla im klassischen Lande der Vanille) an der Ostküste
Mexicos, wild, nach Schiede und nach Berg, allgemein für die Stamm-
pflanze der Vera-Cruz-Sarsaparilla gehalten , liefert aber vielleicht doch
nicht ausschliesslich diese Sorte, da Mexico allein über 20 Arten Smilax
Smilax syphilitica Humb., Bpld. u. Kth., sowie Smilax officinalis Kth.
werden als Stammpflanzen der Sorte von Caracas (La Guayra) angegeben;
Sm. papyracea Duhamel, Sm. cordato-ovata Richard und Sm. pseudo-
sypMlitica H. B. u. Kth., im Gebiete des Amazonenstromes, sollen die
Para-Sorte liefern. Manche andere Arten werden noch ohne irgend befrie-
digenden Nachweis genannt und scheinen zum Theil sogar botanisch nicht
gehörig sicher zu stehen. Smilax Sarsaparilla L. , eine zweifelhafte Art
m iiginia, liefert keine officinelle Wurzel, ebensowenig Smilax aspera L.,
im ganzen Gebiete des Mittelmeeres, die einzige europäische Smilax.
Der Handel liefert entweder das ganze Wurzelsystem mit den stacheligen
Stengelstumpfen oder die eigentlichen Wurzeln allein. Diese sind einfach
nur ausserst selten einzelne gabelästig, und pflegen in der Mitte etwas
dicker (höchstens in trockenem Zustande 0,007m. selten sn^r n nno^ ™
besitzt.
Fliickiger, Pharmakognosie.
aus 2 oder 3 Reihen in der Richtung der
n
162
Wurzelbildungen der Monokotylen.
Axe langgestreckter, einseitig nach aussen verdickter Zellen. Die Ver-
dickung ist geschichtet, von kleinen Kanälen (Poren) durchbrochen, in der
äussersten Zellenreihe am stärksten abgelagert und überall von tief gelb-
brauner Farbe.
Sehr viel breiter als diese Aussenrinde ist die darauf folgende Mittel-
riude (von Schleiden als Iuuenrinde bezeichnet), welche durch die Kern-
scheide scharf vom Holze getrennt ist. Diese Ker n sc beide (Berg's Iuueu-
rinde) ist eine geschlossene Röhre, gebildet aus einer Reihe axial gestreckter,
schief abgeschnittener Zellen, welche gleichen Bau und gleiche Farbe zei-
gen, wie diejenigen der Aussenrinde, jedoch meist nur nach innen und den
Seiten, nicht nach aussen mehr oder weniger starke Verdickuugs-
schichten zeigen. Ihre Hohlräume (Lumina) erscheinen daher auf dem
Querschnitte rundlich oder eckig, bald quadratisch, bald mehr länglich.
Die Kernscheide umschliesst die zu einem Holzringe geordneten
Gefässbündel, welche gegen die Kernscheide durch Cambiumstränge von
dünnwandigem Proseuchym auseinander gehalten werden. Jedes Gefäss-
bündel zeigt in dickwandigem eckigem Holzparenchym eine kurze, radial
gestellte Reihe von 6 bis 10 grossen Spiroi'den, welche nach der Kern-
scheide hin an Grösse abnehmen und öfters in zwei Reihen aufgelöst sind,
zwischen welchen ein Cambiumstrang auftritt.
Innerhalb dieses breiten Holzringes steckt das Mark. Es sendet nicht
Markstrahlen aus , sondern dringt nur in einzelnen Zellenreihen etwas zwi-
schen die Gefässbündel ein, ohne ihren Kreis zu durchbrechen. Das Gewebe
des Markes ist gleich gebaut wie das der Mittelrinde, nämlich aus grossen,
in der Richtung der Axe nur wenig gestreckten eckigen oder eiförmigen
Zellen mit dünnen getüpfelten (porösen) Wänden, welche dreiseitige Gänge
(Intercellularräume) zwischen sich leer lassen. Die Zellen dieses Paren-
chyms sind drei- bis fünfmal weiter als die der Aussenrinde und der Kern-
scheide. Mittelrinde und Mark sind ganz mit Stärkemehl erfüllt, welchem
sich da und dort Krystallbündel (Raphiden) von Kalkoxalat auch Harzklum-
pen beimischen. Harz und Amylum kommeu auch in wechselnder Menge
im Holzprosenchym vor; sehr grosse schön rothbraune Harzklumpen erfül-
len oft die Spiroiden. In manchen unansehnlichen Sorten ist das Harz viel .
reichlicher enthalten.
Das Amylum besteht aus höchstens 20 Mikromillim. messenden Kugeln
oder Halbkugeln von ziemlich gleicher Grösse; häufiger sind ihrer 3 bis 4
wie in Tuber Colcliici vereinigt. — Bisweilen zeigt die Mittelriude und das
Mark eine schwache Färbung von zartem rosa. Oft findet sich das Amy- j
lum, ohne Zweifel durch das Trocknen am Feuer, formlos zusammengeballt, j
wodurch das Gewebe verkleistert wird und hornartige Beschaffenheit an-
nimmt.
Die Sarsaparillwurzelu charakterisiren sich schon gleich bei dem Aus-
tritte aus dem Wurzelstocke durch die Kernscheide, indem eine solche den
(oberirdischen) Stengeln, auch au ihrem Ursprünge, fehlt. Dagegen waltet
Radix Sarsaparillae.
163
in den letzteren das Holz bei weitem vor und die Rinde ist nur schwach
entwickelt. Kalkoxalat findet sich in den Stengeln sowohl in Nadeln, als
auch häufig in grossen quadratischen Oktaedern.
Anhaltspunkte zur Unterscheidung der Handelssorten der Sarsa-
parillwurzel liegen zunächst in ihrer äusseren Erscheinung. Das Braun der
Aussenrinde kann mehr ins Röthliche oder Grauliche spielen , durch Ab-
waschen blosgelegt sein oder durch noch anhängende Erde verdeckt, be-
sonders aber auch durch das Räuchern verändert sein, welches bei meh-
reren Sorten vorgenommen wird, theils oben um eine beliebte dunklere
Färbung zu erzielen, theils um die Wurzel vor Insekten zu schützen und
rasch der verderblichen Feuchtigkeit der Flussgegenden zu entziehen.
Vollsaftige Wurzeln erhalten durch Einschrumpfen beim Trocknen mehr
oder weniger Längsfurchen, namentlich wohl, wenn sie gerade in dem Zeit-
punkte ihres Wachsthums gesammelt werden, wo sie am wenigsten Stärke
enthalten. Im ungünstigsten Falle trifft man alsdann statt der mehlreichen
vollen Mittelrinde ein geringes gänzlich zusammengefallenes schwammiges
Gewebe, arm an Amylum, aber manchmal reich an Harz. An vielen Steffen
solcher „mageren“ strohigen Wurzeln lösen sich ganze Streifen der Rinde
ab und entblössen den Holzkern.
Auch die Art der Zurüstung ist bei verschiedenen Sorten abweichend;
geht der Wurzelstock mit, so können
A. die Wurzeln entweder in ihrer natürlichen Lage belassen, höchstens
zu wenigen zusammengelegt und mit einigen stärkeren Wurzeln leicht
umwickelt werden, oder sie werden
B. nach zwei Seiten horizontal aufgebogen und zurückgeschlagen so
dass sie den Wurzelstock frei in der Mitte tragen, oder endlich
C. die Wurzeln werden ganz vertikal nach oben umgeschlagen und kom-
men so auf die Seite und in die Richtung der Stengelstumpfe zu lie-
gen , indem sie den Wurzelstock samrnt den bisweilen gar zu zahl-
reichen und zu langen werthlosen Stengeln umhüllen.
Wird aber der Wurzelstock abgeschnitten, so finden sich die Wurzeln
■ dergestalt umgebogen, in Bündel zusammengelegt und in der Mitte
mit besonders starken vollen Wurzeln mehr oder weniger fest um-
schnürt, dass an beiden Seiten nicht die dünnen Enden der Wurzeln
hervorragen, sondern die Biegungen, oder endlich, man legt
• ie einzelnen Wurzeln ungebogen in sehr grosse (bis lOKilogr wie-
gende etwa 1'" lange, bis 0,30™ dicke Garben zusammen, umwickelt
sie sehr kunstvoll ganz fest mit Lianen und schneidet sie oben und
unten gerade ab. Diese besonders charakteristische Form ist im
Grosshandel als Puppe“ bekannt. - Noch mehr als bei der vorigen
w!Tf 1Sm eu+S?xrelraUm fÜr Betrug’ iudem sich iu die Mitte un-
bemerkt schlechte Waare unterbringen lässt.
Fallest Bü"“ ,werdeu «"Mi«*. ™ dies bei mehreren Drogen der
ball ist, zu grosseren Ballen in Häute (Seronen, Suronen) eingenäht
11 *
164
Wurzelbildungen der Monokotylen.
Ein fernerer Unterschied liegt im Verhältniss des Holzriuges zum Mark.
Bald ist nämlich der Durchmesser des letzteren ungefähr gleich der Breite
des Holzringes, bald aber bedeutend grösser. Mau glaubte gefunden zu
haben, dass die aus dem Norden des angegebenen Verbreitungsbezirkes
kommenden Sarsaparillwurzelu das erstere Verhältuiss darböteu, dagegen
das Mark der aus dem Süden stammenden Sorten bis 8 mal dicker sei als
der Holzring. Ist auch die Entwickelung des letzteren für einzelne Sorten
charakteristisch, so scheiut denn doch dieses Verhältniss iu der Natur nicht
geographisch abgegrenzt zu seiu.
Das wichtigste Merkmal zur Unterscheidung der Sarsaparillsorten gibt
die Kernscheide ab. Iu einer meisterhaften Untersuchung, welche als erstes
Beispiel konsequenter Benutzung des Mikroskops zur Erforschung eiuer
Droge bahnbrechend da steht, hat Schleiden (1847) gezeigt, dass in den
langgestreckten Zellen dieser Kernscheide die Verdickuugsschicht eutweder
vorzugsweise auf der inneren , dem Marke zugekehrten Wand und den Sei-
ten abgelagert ist, oder aber die vier Zellwände gleichmässig in dünner Lage
auskleidet, und dass der Querschnitt dieser Zellen eutweder quadratisch
oder länglich viereckig ist. Im letzteren Falle ist die Form eutweder in der
Richtung von innen nach aussen (radial) gestreckt, oder nach den Seiten
(tangential). Durch gegenseitigen Druck, den diese fest verbundenen Zellen
auf einander ausüben, sind manche zu dreiseitigen Prismen gepresst, so dass
sie einen mehr oder weniger regelmässig keilförmigen dreiseitigen Quer-
schnitt darbieten. Unabhängig vom äusseren Umrisse der Zelle kann ihre
Höhlung, auf dem Querschnitte, rundlich oder mehr eckig erscheinen.
Diese Eigenthümlichkeiten im Bau der Kernscheidezellen treten aber
nicht in voller Schärfe und Regelmässigkeit auf; es finden sich in einem
und demselben Kreise immer auch abweichende Zellen vor. Es ist daher
der durchschnittliche Typus , die Gestalt der Mehrzahl dieser Zelleu , als
Gesammteiudruck massgebend aufzufassen.
In dieser Weise sind aber die Hauptsorteu der Sarsaparilla durch die
Kernscheide bestimmt aus einander zu halten, namentlich wenn auch noch
die relative Breite des Holzringes mit berücksichtigt wird.
Die Kernscheide selbst ist übrigens keine Eigenthümlichkeit der barsa- ;
parille, sondern kömmt bei den unterirdischen Theileu vieler Monokotylen ’) ;
in ähnlicher Weise vor (vergl. Rhizoma Caricis , Graminis, Veratri, Tuber j
Colchici; — höchst ausgezeichnet auch in Rad. Rusci aculeati und Rhiz.9
Vetiveriae; abweichend aber bei den Scitamiueen ). Wie der Bau ihrer ;
Zellen von Art zu Art innerhalb derselben Gattung wechselt, zeigen die
Rhizome von Cyperus. Die früher officinelle Rad. Cyperi rotundi hat (im
Querschnitt) radial gestreckte, bis auf eine kleine Höhlung verdickte Iveru-
scheidezelleu, Rad. Cyperi lougi gleichfalls etwas radial gestreckte, aber wenig
1) selbst bei Dikotylen, vergl. z. B. Rhizoma Ueilebori viridis, Rhiz. AcUeae spicaUe,
Tuber Aconiti.
Radix Sarsaparillae.
165
verdickte, weit offene; die der Rad. Cyperi esculenti endlich sind (nach
Berg) dünnwandig und tangential gestreckt.
Bei den Sarsaparill gebenden Smilax-Arten ist nun freilich bis jetzt
nicht nachgewiesen, wie in jeder einzelnen Species die Kernscheide be-
schaffen ist; einzig und allein Berg hat Gelegenheit gehabt, lebende Smilax
medica zu untersuchen und ihre Kernscheide mit der Sarsaparilla von Vera-
Cruz übereinstimmend gefunden.
Wenn aber auch in der über Vera-Cruz angeführten Wurzel die Zellen
der Kernscheide anders gebaut sind , als in der über Manzanillo oder aus
Honduras verschifften Sorte , so ist damit noch nicht bewiesen , dass jede
Sorte nur einer einzigen Smilax angehöre; es ist immer noch möglich, ja
wahrscheinlich, dass mehreren Arten zugleich derselbe Bau der Kernscheide
zukomme.
Je nach der Herkunft, je nach den Ausfuhrhäfen, deren Namen die
Sarsaparilla annimmt, je nach anderen äusseren Merkmalen hat man über
1 2 verschiedene Sorten aufgestellt, zum Theil aber wieder auf wenige Typen
zurückgeführt. Mit Zugrundelegung der augeführten positiven anatomischen
Merkmale lassen sich die wichtigsten Sorten folgendermassen ordnen :
I. Zellen der Kernsc beide im Querschnitt meistens annähernd quadra-
tisch, nicht radial gestreckt, Höhlung weit, Wände wenig verdickt,
a. Wände der Kernscheide-Zellen ringsum, auch nach aussen
ziemlich gleich dick, oft etwas schief. Höhlung im Querschnitt
rundlich.
1. Sarsaparilla aus Honduras.
Scheint sowohl aus dem Staate Honduras über Truxillo, als auch aus
der britischen Kolonie Honduras über Balize und von den Südküsten Gua-
temalas und Nicaraguas (Hafen von Realejo) ausgeführt zu werden.
Verpackung verschieden, wie oben unter A, B und C angegeben.
Diese Sorte zeigt meistens volle („fette“) mehlige oder etwas hornartige,
nicht tief gefurchte, rein gewaschene Wurzeln von gelblich grauer bis dun-
kelbrauner, nicht röthlicher, übrigens sehr schwankender Farbe der Aussen-
rinde. Holzring etwas schmäler als der Durchmesser des Markes; Mittel-
rinde bedeutend breiter als der Holzring, sofern die Wurzeln voll sind.
Auch die nach aussen gekehrten Wände der Kernscheidezellen sind hier
meiklich verdickt, während sie bei den anderen Sorten dünner sind als die
übrigen Wände. Abstammung nicht ermittelt.
2. Sarsa von J amaica des englischen Handels.
British Pharmacopoeia von 1864 führte einzig und allein diese Sorte
auf und leitet sie (mit welchem Rechte?) von Smilax officinalis Humb. u.
Bonpland ab. Die Wurzel werde über Jamaica aus Ceutral-Amerika ein-
gefuhrt; sie sei von der Dicke eines Gänsekieles, röthlich braun, meist
mein eie, tuss lang, in etwa 18 Zoll lange Bündel zusammengebogen, mit
Neben wurzeln bedeckt.
Eine dieser Beschreibung entsprechende Wurzel habe ich 'theils vom
166
Wurzelbildungen der Monokotylen.
Hause Fried r. Jobst, theils von Prof. Henkel erhalten. Sie ist höchst
ausgezeichnet dadurch, dass sie in der That sehr reichlich mit bis 0,100'" lan-
gen verästelten dünnen Nebenwurzeln besetzt ist, welche bei allen übrigen
Sarsaparill-Sorten nur sehr selten und kürzer Vorkommen. Die Farbe mei-
ner Proben ist mehr graulich als röthlich, die Dicke übersteigt nicht 3mm,
wovon 2 auf den Holzkörper kommen. Die Rinde sehr zusammengefal-
len, tief und scharfkantig längsfurchig. Diese äusserlich schon so leicht
kenntliche, der „rothbärtigen“ (red bearded) Sarsaparilla der Engländer
entsprechende Sorte gehört in Bezug auf die Kernscheide zu der Hon-
duras-Sorte, indem die betreffenden Zellen im Querschnitte fast quadratisch,
mit weiter meist rundlicher Höhlung versehen und ringsum gleichmässig,
aber nicht stark verdickt sind. Die sehr zusammengefallene Mittelrinde
ist arm an Stärke und letztere meist nur im Marke noch unversehrt, in
der Rinde oft formlos. Das Holzprosenchym bald wenig, bald sehr stark
verdickt, ohne Harzgehalt. Es ergibt sich hieraus, dass die von Berg als
Sarsaparilla rubra seu Jamaicensis beschriebene und abgebildete Sorte
ganz verschieden ist.
b. Kernscheidezellen im Querschnitt quadratisch oder ein wenig bald in
radialer, bald in tangentialer Richtung gestreckt, häufig aber auch
dreiseitig. Wände ein wenig mehr, hauptsächlich auf der innern
Seite verdickt, Höhlung mehr eckig, noch weiter als bei der Hon-
duras-Sorte.
3. Sarsaparilla von Caracas oder La Guayra.
Aus Venezuela; Verpackung wie oben unter A beschrieben. Diese Sorte
ist ausgezeichnet durch ihre hell bräunliche ins röthliche spielende Aussen-
rinde. Mittelrinde mehlig, 3 oder 4 mal breiter als der Holzriug, welcher
schmäler ist als das Mark. Die Spiroiden ziemlich enge. Diese Wurzeln
sind durchschnittlich etwas tiefer furchig als die Honduras-Sorte und mit
stärkerer Mittelrinde versehen.
Schöne röthliche Caracas Sarsaparille ist besonders in Italien unter
dem Namen Fioretta oder Fiorettina beliebt, im deutschen Handel aber
seltener.
II. Die überwiegende Zahl der Kernscheidezellen im Querschnitte ra-
dial gestreckt, andere quadratisch oder oft keilförmig,
a. Kernscheidezelleu nach innen meistens merklich verdickt,
Höhlung meist ziemlich weit.
4. S arsapar illa vo n Para, Brasilien, Marauhäo oder Lis-
sabon (Sarsap. lisbonensis).
Aus dem Stromgebiete des Amazonas über Para ( Belem ) Maranham
(Maranhäo) oder auch über Bahia, früher immer erst über Lissabon aus-
geführt. ln Santarem, am Einflüsse des Tapajos iu den Amazouenstrom,
wird die am ersteren gesammelte Sarsaparilla höher geschätzt und in an-
sehnlicher Menge angebracht. Verpackung iu den oben unter E erwähnten
höchst eigen thüm liehen Puppen. Die Aussenriqde dieser Sorte hat durch
Kadix Sarsaparillae.
167
anhängende Erde, hauptsächlich aber durch Räucherung eine dunklere
graue Färbung erhalten; nur an abgescheuerten Stellen erscheint die ur-
sprüngliche röthliche Farbe. Holzring halb so breit als das Mark, oder noch
schwächer, Mittelrinde 3 mal breiter als das Holz. Die Wurzel ist etwas
gefurcht und trägt, weil sie nicht gewaschen ist, noch reichlich (mikro-
skopische) Haare.
Stammpflanze vermuthlich Sm. cordato-ovata ; beigemischt ist eine an-
dere strohige tiefer gefurchte Wurzel, angeblich von Sm. syphilitica, deren
Kernscheidezellen und Aussenrinde mit der nächstfolgenden Sorte über-
einstimmen.
b. Kernscheidezellen fast ausnahmslos radial gestreckt, nach innen
stark verdickt. Höhlung meist sehr enge, oft keilförmig.
5. Ost-mexicanisclie Sarsapar illa, Vera-Cruz Sar-
saparilla oder S. della Conta.
Aus den mexicanischen Küstenländern am Golf über Tampico, Tuxpan
und Vera-Cruz ausgeführt.
Tief gefurchte, strohige, meistens fast hornartige, selten mehlige Wur-
zeln von rothbrauner oder graubrauner Farbe , welche aber grösstentheils
durch anhängenden Lehm verdeckt ist. Grosse Strecken sind von der sehr
zerbrechlichen Rinde ringsum bis auf den Holzkörper entblösst, Zellen der
Aussenrinde sehr stark verdickt. Mittelrinde durch Verkleisterung in Folge
des Räucherns hornartig oder ganz zusammeugefallen und ohne Amylum.
Holzring meist breiter als das Mark, Spiroiden sehr gross. Im Parenchym
sehr oft das violette Mycelium eines nicht bestimmbaren Pilzes. Verpackung
die unter C oben aufgeführte ; gewöhnlich ist diese Sorte mit starken Wur-
zelstöcken und langen Stengelresten besetzt, zum Theil verschimmelt, durch
anhängende Erde und Steine verunreinigt — mit einem Worte, wie Schlei-
den treffend bemerkt, „nachlässig gesammelt und spitzbübisch verpackt“.
Diese unansehnlichen ostmexikanischen Wurzeln sind gewöhnlich reich
an Harz.
Stammpflanze Smilax medica.
III. Die meisten Zellen der Kernscheide tangential gestreckt oder
quadratisch, nach innen und an den beiden innern Ecken stark verdickt,
Höhlung weit, öfters stumpf keilförmig (trapezoi'disch).
6. Dieser Typus der Kernscheide tritt ziemlich charakteristisch1)
auf in einer vermuthlich von der Westküste Mexicos stammenden Sorte,
welche nach ihrem Verschiffungsplatze im Territorium Colima als Sarsa-
parilla von . Manzanillo bezeichnet wird. Sie sieht der besten Vera-Cruz-
Wurzel ähnlich, röthlichbraun , breitfurchig. Aussenriudezellen stark ver-
*) Noch weiter ausgebildet zeigt die Wurzel von Ruscus aculoatus diesen Typus der Kern-
schetde. Hier sind die Kernscheidezellen an der inneren Wand und auf den Seiten sohr
stark verdickt.
168
Wurzelbildungen der Monokotylen.
dickt, Mittelrinde mehlig oder hornartig, doppelt so breit als der Holzring,
welcher zwar breit aber doch meist schmäler als das Mark ist. Grosse Spi-
roiden, auch im Marke selbst.
Die Sarsaparillwurzel bietet keinen besonderen Geruch dar, schmeckt
aber erst schleimig, dann kratzend.
Chemische Bestandtheile : ausser den bereits erwähnten und einer Spur
ätherischen Oeles hauptsächlich 1 bis 2 pC. eines eigentümlichen scharf
kratzend schmeckenden krystallisirten Körpers, den Palotta 1824 ent-
deckte und als Pariglin beschrieb. Fast gleichzeitig stellte Folchi sein
S m i 1 a c i n aus derselben W urzel dar, später Batkaeine Parillinsäure,
Thubeuf das Salseparin. Poggiale hat es wahrscheinlich gemacht,
dass alle diese Körper identisch sind; vermutlich auch noch das von
Re in sch aus Tuber Cliinae erhaltene Smilachin. — Nach Petersen
wäre die Zusammensetzung dieses Pariglins O15H2605.
0. Gmelin zeigte 1859, dass es durch Salzsäure in Zucker und einen
gallertförmigen Stoff zerfällt; das genauere des Vorganges ist noch nicht
ermittelt, die Spaltung aber von Walz bestätigt. Das Pariglin löst sich
leicht in heissem Wasser und Weingeist, die Lösungen schäumen stark
beim Schütteln, wie die des Saponins. Das Pariglin scheint der Wurzel
hauptsächlich den Geschmack zu verleihen und in der Rinde am reich
lichsten vorzukommen ; es soll Träger der Wirkung dieser Droge sein.
In vielen Sarsaparillwurzeln über wiegt die Stärke bei weitem, in an-
deren dagegen tritt sie zurück, vielleicht nur weil die Wurzeln einem be-
stimmten Stadium der Vegetation entnommen sind, wobei aber auffällt, dass
die ostmexikanischen Sorten z. B. regelmässig arm an Stärke zu sein pfle-
gen. Das Pariglin nun muss demnach in letzteren Sorten relativ reichlicher
enthalten sein als in den stärkereichen. Der allgemeine Gebrauch jedoch
zieht gerade die wenig gefurchten, mehlreichsten vollsten Sorten von Hon-
duras, Para, Caracas vor und die Pharmacopöen schliessen die ostmexika-
nischen (Vera-Cruz) aus, welche, vielleicht zum Theil auch wegen ihres
Harzgehaltes, kräftiger schmecken.
Diese gesetzlichen Vorschriften müssen daher bis auf weiteres einge-
halten werden , und um eine solche Sorte auszuwählen , wie die Pharmaco-
pöen sie wollen, ist ohne Zweifel eine Berücksichtigung des anatomischen
Baues vorerst überflüssig. Die Untersuchung desselben wird aber dann
ihre volle Bedeutung erlangen, wenn die hier augedeuteten noch offenen
Fragen über Abstammung und Bau der Sarsaparillsorteu im Einzelnen,
über ihre Wirkung und die des Pariglins, über dessen Vorkommen in quan-
titativer Hinsicht, ihre Lösung gefunden haben werden.
So wie man aber Anfangs die schönen „feinen“ Loxa-Rinden für die
beste China hielt und jetzt, nach unserer heutigen berichtigten Erkenntuiss
verwirft, so könnte es auch möglich sein, dass sich einst als die wirksamsten
Sarsaparillsorten gerade die unscheinbaren ostmexikanischen herausstellten.
Jedenfalls scheint diese Vermuthuug auch ihre Anhänger zu haben, insofern
Radix Chinae.
169
als Vera-Cruz allein z. B. 1860 über 1700 Centner Sarsaparilla exportirte,
Tampico 1858 fiir etwa 90,000 Francs.
Die Sarsaparilla wurde zuerst gegen 1530 durch die Spanier nach Eu-
ropa gebracht und zwar die Honduras-Sorte, später gelangten die Sorten
von Para (Lissabon) und Caracas in Ruf, kommen jetzt aber häufig so ge-
ring vor, dass gegenwärtig unbedingt Honduras als die am meisten ge-
schätzte und verbreitete zu betrachten ist.
Verwechselungen und Verfälschungen dieser Droge sind durch ihren
so sehr charakteristischen Bau ausgeschlossen. — Rhizoma Caricis arena-
riae, das leicht zu unterscheiden ist, führt bisweilen den unzweckmässigen
Namen Sarsaparilla germanica.
In China dienen Smilax lanceaefolia Roxbgh. und Sin. ovalifolia
Roxbgh., welche z. B. bei Hongkong sehr häufig sind.
Radix Cliinae.
Tuber Chinae. Radix Chinae nodosae, ponderosae s. orientalis. Chinawurzel.
Pockenwurzel. Chinaknollen. Squine. Racine de Chine. China root.
Smilax China L. — Smilaceae.
Die Smilax- Arten zeigen ein sehr stark enwickeltes Wurzelsystem; bald
ist der V urzelstock weniger ansehnlich, dafür aber, wie bei den Sarsaparilla
liefernden Alten, mit sehr zahlreichen und sehr langen Nebenwurzeln ver-
sehen, bald aber treten letztere zurück und das Rhizom treibt ausläufer-
artige Zweige, welche stellenweise zu bedeutenden Knollen verdickt sind.
Letzteres ist der Fall bei Smilax China, welche in Cochinchina, China1)
und Japan ausserordentlich häufig wächst, nach einer Angabe auch um das
Kaspische Meer. (?)
An den holzigen hin und her gebogenen, bis 0,005 m dicken Ausläufern
entstehen m kurzen Zwischenräumen runde fleischige Knöllchen, welche zu
bedeutender Grösse auswachsen, oft kurze dicke Aeste und auch ihrerseits
wieder sowohl Ausläufer als dünne Nebenwurzeln aussenden, aber keine
Blattnarben zeigen. In der käuflichen Waare finden sich nur die langen
on Ausläufern und Nebenwurzeln befreiten ausgebildeten Knollen ; selten
die kleineren kugeligen, welche noch mit einander durch die Ausläufer ver-
te W Vr ? a"lgefMelt sM' Na* letztem zu urtheilen, scheint
det Wachsthum dem der Kartoffeln zu gleichen. Jene Knollen sind bis
oder AbJcbnV b‘S °’° j dlck’ mcist etwas abgeplattet, durch Verästung
h ef A rrg, STe HSCkel' ausserordentlich unregelmässig ge°
“neLtT, , brT?lbe etwaS “s Röthlidw spielende glänzende Rinde
ltd deT a nZe,gt d,e ZaHreiche“ Narb® der Ausläufer. Die Knollen
”“d schwer’ so dass grössere Exemplare über 20« Gramm wiegen.
‘) Provinz On.n.i (Hon,,,?) gros„t M„g(, UAch 4ills|i,.
170
Wurzelbildungen der Monokotylen.
Querschnitt dicht körnig, von röthlicher Farbe, von sehr zahlreichen
helleren Gefässbftndeln namentlich in der Mitte durchsetzt. Eine nicht
immer deutliche nur wenig dunklere Zone trennt die schmale Rinde vom
Holzkörper. Dieselbe besteht aus braunrothen tangential gestreckten, von
aussen nach innen an Grösse zunehmenden Zellen, mit porösen dicken Wan-
dungen und zahlreichen Krystall-Bündelu von Kalkoxalat nebst rothbraunen
Klumpen von Harz oder Farbstoff.
Ohne Kernscheide ’) folgt sogleich auf die Rinde das damit bedeutend
kontrastirende Innenparenchym, sehr grosse dünnwandige poröse, fast wür-
felige Zellen, welche von Amylum vollgestopft sind, nur hier und da Farb-
stoff und Krystallbündel enthalten. Das Amylum gehört zu den grössten
Sorten (bis 50 Mikrom.), ist kugelig, aber durch gegenseitigen Druck manig-
fach abgeplattet und eckig. Wie das des Colchicum - Knollens zeigt es eine
strahlenförmige Höhlung. Sehr häufig aber sind die Körner geplatzt, wie
zusammengeflossen, als ob der Knollen — vielleicht des Trocknens wegen —
gebrüht worden wäre. Die ganz zerstreuten Gefässbündel enthalten 2 grössere
Treppen- oder Netzgefässe, einen Strang zarten dünnwandigen Parenchyms
und zierliche1 2) Holzzellen mit sehr deutlichen Ablagerungsschichten und
linienförmigen Poren.
Einen Geruch bietet der Chiuaknollen nicht; Geschmack indifferent,
dann ein wenig kratzend, nicht unangenehm. Chemische Bestandtheile: wie
Rad. Sarsaparillae. Sehr häufig leidet die Chinawurzel von Insekten.
Noch andere Smilax-Arten (Sm. glabra und zeylanica in Ostindien, Sm.
Pseudo-China in Nord-Amerika von New-Jersey bis Cuba, Smilax tamnoi'des
in den Südstaaten Nordamerikas u. s. f.) besitzen ähnliche Knollen, die sich
durch geringere Schwere vom ächten officinelleu zu unterscheiden scheinen.
Was jetzt im Handel vorkömmt, ist immer übereinstimmend der beschrie-
bene Knollen.
Der Portugiese Vincenz Gilius von Tristan brachte diese Droge 1525
als Mittel gegen Lustseuche nach Europa, wo sie seit 1535 durch die guten
Wirkungen an dem von der Gicht leidenden Kaiser Karl V. zu grosser Be-
rühmtheit gelangte. Im Oriente, ganz besonders bei den Chinesen3) und
auch bei den Persern steht sie jetzt noch in sehr hohem Ansehen und heisst
hier ihrer Herkunft wegen einfach Tschini. Turkomanen und Mogulen ge-
messen die Knollen auch als Leckerbissen (Polak).
Der Hafen von Singapore spedirte im Jahre 1862 über 260,000 Kilogr.,
1863 nur 97,000 Kilogr. Chinawurzel (Novara).
1) Den Ausläufern fehlt gleichfalls die Kernscheide, so dass sie nicht den Bau der Rad.
Sarsaparillae, sondern vielmehr den der Sarsaparillsteugel zeigen; sie sind daher wahrschein-
lich nicht Wurzelfasern, sondern Verzweigungen des Wurzelstockes.
2) Das Gewebe des China-Knollens bietet überhaupt für die mikroskopische Untersuchung
eine Menge lehrreicher und schöner Beispiele, zumal auch im polarisirten Lichte.
3) Dcbeaux, in der bei Compiler angef. Schrift
Rhizoma Iridis.
171
Rhizoma Iridis.
Rad. Iridis s. Ireos florentinae. Veilchenwurzel. Racine d’Iris ou de Violette.
Orris root.
1. Iris florentina L.
2. Iris pallida L. — Irideae.
Diese beiden schönen Arten wachsen an trockenen steinigen Standorten
in Oberitalien, Südtirol, Krain, Istrien, Dalmatien, Cypern, und werden
in der Gegend von Florenz, auch in Frankreich (Gard und Ain) angebaut.
Sie treiben starke bis 0,1 5 m lange und 0,04 m breite unterirdische
Wurzelstöcke, welche horizontal fortwachsen und sich oft gabelig verzweigen,
indem auf beiden Seiten des abgeblühten Stengels an seinem Grunde neue
Glieder entstehen. Jeder derartige Jahrestrieb, deren die Waare 4 — 5 auf-
weist, enwickelt sich in der Mitte seines Wachsthums kräftiger und zeigt
demnach an beiden Enden eine schwache Einschnürung. Der ganze Stock
ist etwas hin- und hergebogen und merklich plattgedrücht, auf der oberen
etwas gewölbten »Seite durch die Blattnarben geringelt und durch vertiefte
Punkte — Austrittsstellen der Gefässbündel in das Blatt — bezeichnet.
Auf der unteren Seite entspringen zahlreiche spiralig geordnete starke Wurzel-
fasern, welche beim Schälen des Stockes erhöhte, durch die Reste der
Aussenrinde bräunlich umschriebene Narben zurücklassen. Der frische
Wurzelstock ist fleischig, von widerlichem Gerüche und scharfem bitterem
Geschmacke; er wird von dreijährigen Pflanzen im Herbste ausgegraben,
rasch geschält und getrocknet, wobei die Wachsthumsverhältnisse auch durch
Einschrumpfung undeutlich , der Geruch lieblich veilchenai'tig und der Ge-
schmack milder werden. Querschnitt: Die weisse höchstens 0,002 m breite
Rinde wird durch eine feine braune Cambiumlinie von dem etwas gelblichen
Holzkörper getrennt, was aber nur auf der untern Seite recht deutlich hervor-
tritt. Dei Holzkörper allein ist von zahlreichen kleinen Gefässbündeln in
weitläufigen sehr unregelmässigen Kreisen durchsetzt und zeigt hier und da
kleine glänzende Krystalle. Das Gewebe besteht gleichmässig aus grossen
dickwandigen kugeligen Zellen, dadurch ausgezeichnet, dass ihre Wände
von zahlreichen und grossen Poren durchlöchert sind. Neben ziemlich (bis
35 Mikrom. langen) grossen ovalen sehr zahlreichen Amylumkörnern
findet man auch bis 72 Milli m. lange Kalkoxalat- Prismen mit diagonalem
Doma. Die Gefässe sind verliältuissmässig klein und von sehr verschie-
be11^1 ichtung. Im Handel wird zwischen einer grösseren feiner
riechenden Sorte, der Livornesischen, und der etwas geringeren Vero-
nesischen ein Unterschied gemacht. Ob derselbe von der Kultur oder von
spezifischer Verschledenheit der beiden Stammpflanzen abhängt, bleibt
noch genauer zu erweisen. Nach Berg liefert Iris pallida allein die Livorne-
Der liebliche Geruch rührt von einer sehr geringen Menge ätherischen
Oe es beG welches zum Theil als Campher O8H1K02 krystallisirt; ausser-
172
Wurzelbildungen der Monokotylen.
dem enthält der geschälte Wurzelstock viel Gummi und wenig Gerbstoff.
Man hat darauf zu achten, dass die für Kinder beim Zahnen bestimmte
mundirte Waare nicht mit fremdartigen Stoffen (Kreide, Bleiweiss) ein-
gerieben ist. — In grosser Menge werden aus dem Holzkörper der Iris die
l" ontanellkügelchen, Pois d’Iris, pois ä cauteres, gedrechselt.
Der innen röthliche kurz zusammengeschobene, nicht in die Länge
entwickelte Wurzelstock von Iris Pseud-Acorus L. kann nicht mit I. floren-
tina verwechselt werden.
Den Alten war die Veilchenwurzel wohl bekannt, Dioskorides und
schon Theophrastos erwähnten, dass ihr Geruch sich in wärmeren Län-
dern und beim Trocknen kräftiger entwickele. Die beste kam aus Illyrien
und Macedonien, geringere aus Nordafrika.
2. Aromatische Wurzelstöcke.
Rhizom a Zingiberis.
Rad. Zingiberis. Ingwer. Ingber. Gingembre. Ginger.
Zingiber officinale Roscoe. — Zingiber aceae.
Syn.: Amomum Zingiber L.
Vermuthlich iu Südasieu einheimisch1); durch Kultur seit alter Zeit
jetzt daselbst so wie auch in den übrigen Tropenländern (Westiudien, Süd-
amerika, Westküste Afrikas) in verschiedenen Spielarteu weit verbreitet.
Das unterirdische Wachsthum dieser Pflanze ist ähnlich, wie bei Cur-
cuma longa und C. Zedoaria; während aber von letzterer nur der ursprüng-
liche zuerst entwickelte Knollstock (Hauptwurzelstock oder Centralknollen)
Gegenstand des Handels ist und von Curcuma longa noch dessen Verzwei-
gungen (Nebenwurzelstöcke oder Seitenknollen) mitgenommen werden, so
dienen von Zingiber nur die letzteren. Sie entwickeln sich nach dem Ab-
sterben des Hauptwurzelstockes als horizontale, über 0,10"’ lange, etwas
abgeplattete , oft gabelige Aeste , welche ihrerseits wieder einseitig oder
zweizeilig fast handförmig verästelt oder wenigstens mit entsprechenden
höckerartigen breiten Trieben, seltener auch mit Wurzelfasern, besetzt sind.
Die breiteren Stellen sind kuolleuartig angeschwollen; die Aeste tragen
noch die Stengelnarben oder Knospen au der Spitze und ringsum Blatt-
scheidenreste, die aber häufig abgestossen sind. Diese sehr charakteristisch
gestalteten Rhizome sind mit runzeligem grauem lockerem Korke bedeckt,
welcher sehr häufig abgescheuert oder bei manchen Sorten absichtlich weg-
geschält ist und daun die dunklere oder durch Zubereitung weissliche längs
gestreifte Mittelrinde zu Tage treten lässt.
Der Ingwer ist nicht sehr dicht, er bricht leicht und sehr uneben, indem
1) vielleicht ursprünglich in China, wo eine Gegend Gingi als Heimat angegeben wird
(Ainslie).
Rliizoma Zingiberis.
173
die Gefässbündel nicht glatt abbrechen, sondern als zähe Fasern oft weit
herausragen. Der Querschnitt zeigt eine nur 0,001 m breite braune horn-
artige Rinde, die durch eine feine Linie vom weisslichen mehligen Kerne
abgegrenzt ist. Zahlreiche Gefässbündel und Harzzellen sind unregelmässig
im ganzen Gewebe zerstreut. Der Kork besteht aus einer äusseren locke-
ren Lage und einer inneren mit regelmässigen tafelförmigen Zellen, auf
welche eine eigenthiimliche Mittelrinde aus engen kurz prosen chymati-
schen Zellen folgt, deren auf dem Querschnitte geschlängelte und stellen-
weise verdickte Wände ihr das Aussehen des Hornbastes (siehe bei Lignum
Quassiae) geben. Dieses sehr zarte verfilzte Gewebe bildet die gestreifte
Oberfläche des geschälten Ingwers und ist der Hauptsitz des Harzes uud
ätherischen Oeles, welche hier eigene grosse Räume erfüllen. Die innere
Schicht der Rinde besteht aus dem gewöhnlichen grosszeiligen Parenchym,
wie bei Curcuma und Zedoaria, das mit Stärke erfüllt ist und auch zahl-
reiche Harzklümpchen und Oeltropfen enthält. Das Amylum gleicht dem
der Zedoaria, ist aber mehr kugelig und misst höchstens 40 Mikrom.
Nur bei wenigen Sorten ist es durch Brühen in Kleister übergegangen und
ertheilt der Waare eine hornartige Cousistenz. Der Gefässbündelkreis,
welcher Rinde und Mark trennt, ist schmal und hat den Bau des Krei-
ses in Rhiz. Curcumae; die schmalen Prosenchymstränge, welche die Ge-
fässbündel verbinden, sind gleich beschaffen wie die eigenthiimliche Rinden-
schicht unter der Korklage. Der Kern (Mark) stimmt nach Form und Inhalt
mit dem Rindenparenchym.
Geruch angenehm aromatisch, Geschmack besonders in der Rinde feurig
gewürzhaft. Das nach Morin grünlich blaue, nach Andern röthlichgelbe,
erst bei 246 C. siedende Oel, wovon das Rhizom ungefähr 1 pC. gibt, ent-
spricht nach Pa p o u s ek’s Analysen der Formel 2 G10 H16+3 (G10 H16-h H20)
und besitzt in hohem Grade den specifischen Geruch und Geschmack des
Ingwers. Die Zusammensetzung erinnert an die des Kamillenöls (siehe Flo-
res Chamomillae). Je nach der Zubereitung und der grösseren oder gerin-
geren Yerästung erhält man verschiedene Sorten Ingwer ; vielleicht liefern
auch mehrere Zingiber-Arten dieses Gewürz. Entweder lässt man a) die
Rhizome unverändert, nachdem sie abgebrüht worden (schwarzer Ingwer,
Barbadoes-Sorte), b) oder man schält sie nur an den flachen Stellen (Ben-
galische Sorte), c) oder sie werden vollständig geschält, was in frischem
Zustande sehr leicht geschieht, und d) vermittelst Chlor uud schwefliger
Saure gebleicht, oder ihnen wenigstens durch Einlegen in Kalkwasser eine
weisse Oberfläche ertheilt (weisser Ingwer, Jamaica-Sorte), e) endlich
kommt auch zu Küchenzwecken in Zucker eingekochter Ingwer, CondÜum
Zingiberis , besonders aus China, Jamaica, Barbadoes, nach Europa. —
anc e > oite schciuen auch in den Formen a und c gleichzeitig vorzukom-
men, wie namentlich die Bengalische. Die am wenigsten holzigen kräftig
schmeckenden daher wohl die ungeschälten Sorten sind vorzuziehen. Eine
sehr schöne volle Sorte liefert auch Cochinchina.
174
Wurzelbildungen der Monokotylen.
Bei Griechen und Römern war der Ingwer schon diätetisch und arz-
neilich im Gebrauche. Der Name Ziugiber ist indischen Ursprunges und
soll „horngestaltet“ bedeuten (?) Ingeber findet sich in Deutschland schon
um 1150 von der heiligen Hildegard beschrieben. Im Mittelalter war
Columbo auf der Malabarküste (nicht auf Ceylon) wegen des besten Ingwers
so berühmt, dass er z. B. im Florentiner Zolltarif von 1442 als colombino
bezeichnet wurde1), ebenso führte Pegolotti (nach 1335) zwei Sorten
Ingwer, nämlich Belledi und Colombino auf2). Der Yeuetianer Nicolo
Conti beschrieb im XY. Jahrhundert die Pflanze ziemlich kenntlich als
mit Alant ähnlichen Blättern versehen und nannte drei Sorteu ihrer Wur-
zeln, nämlich Belledi, Gebeli und Neli3).
England führte 1862 gegen 19,000 Ctr. Ingwer ein. Jamaica allein
lieferte im Jahre 1797 gegen 36,000 Ctr., in neuester Zeit weit weniger,
1857 z. B. nur etwa so viele Pfunde. Der Ingwer nimmt im Gewürzhandel
der heutigen Zeit eine hervorragende Stelle ein; der Gesammtwerth der
jährlichen Production desselben erreicht vermuthlich 23/4 Millionen Francs.
Rhizoma Curcmnae.
Radix Curcumae longa et rotunda. Terra merita. Gilbwurzel. Kurkuma.
Curcuma. Turmeric.
Curcuma longa L. — Zingiberaceae.
Syn.: Amomum Curcuma Murray.
Die Curcuma ist in Südasien zu Hause und wird dort, auf dem Fest-
lande und den Inseln, häufig angebaut, seltener in Südamerika. Die unter-
sten Stengelglieder verdicken sich im ersten Jahre zu einem länglich runden
Knollen ( Centralknolleu oder Hauptwurzelstock), welcher später seitlich
mehr gestreckte Aeste (Lateralknollen , Nebenwurzelstöcke) treibt. Dieses
ganze Rhizom ist durch Narben abgestorbener Blätter geringelt und mit
zahlreichen langen dünnen Wurzeln besetzt, welche sich entweder in feine
Spitzen verzweigen oder zu farblosen spindelförmigen stärkereichen Knöll-
chen anschwellen. Die Seitenknollen sind ohne Zweifel im Staude, sich
vom Hauptknollen zu trennen und selbstständig weiter zu entwickeln.
Die Centralknollen geben die Curcuma rotunda, ihre Aeste die Curcuma
longa des Handels. Die ungefärbten Knöllchen werden nur auf Stärke
benutzt und nicht in den Handel gebracht. Die runde Curcuma ist
meist bimförmig, bis 0,04 ™ Querdurchmesser erreichend; am obereu
stumpfem Ende lässt sich noch die Stengelnarbe bemerken. Ringsum lau-
fen mehr oder weniger deutliche Ringe, Reste der Blattscheiden, in einem
Abstande von etwa 0,005"'. Jede von zwei Ringen abgegrenzte Zone (uuter-
1) Peschel, Gesell, d. Erdkunde (1865) S. 162.
2) Kunstmann, Kenutniss Indiens im XV. Jalirli. München 1863. S. 4.
3) Ibid. S. 37. 46.
Rhizoma Curcumae.
175
irdisches unentwickeltes Stengelglied) ist durch wenig hervortretende
Korkleistchen schief gestreift und diese Streifung richtet sich von Zone zu
Zone abwechselnd links und rechts. Die äussere Gestalt des Knollens ist
mehr oder weniger unregelmässig durch die grossen Narben seiner Aeste,
von denen öfter noch einer stehen geblieben. Aus den Internodien oder an
den Blattscheiden selbst dringen die zahlreichen dünnen faserigen Wurzeln
hervor, meist kurz abgeschnitten und von Rinde entblösst. Die lange Cur-
cuma (die Lateralknollen) ist bis 0,06 “ lang und 0,01 5 m dick, oft wieder
verästelt, weniger bewurzelt, undeutlich geringelt und gestreift, mehr längs-
runzelig.
Das Curcumarhizom ist sehr dicht, in Wasser sofort untersinkend,
hornartig spröde, aussen graulich, aber gelb bestäubt. Der Querschnitt
körnig, vom gelbrothen Aussehen des Safrans Q, oder des Gutti, wachsglän-
zend. Durch eine hellgelbe feine Linie, gleichsam eine Kernscheide, wird
die Rinde, 1/s bis 7<t so breit wie der Durchmesser des Innern, abgegrenzt,
lässt sich aber nicht ablösen. Die Aussenrinde ist von 8 bis 10 Reihen
tafelförmiger Korkzellen gebildet, das Parenchym der Mittelrinde aus
grossen, rundlich polyedrischen Zellen. Die hellere Treunungslinie besteht
aus einem zusammenhängenden Kreise von Gefässbündeln , welche durch
dünne Stränge von zartem Holzprosenchym verbunden sind; eine eigent-
liche Kernscheide fehlt also. Das von diesem Holzringe eingeschlossene
Mark ist der Mittelrinde gleich, wird wie diese von zerstreuten Gefässbündeln
durchsetzt und enthält in seinen meisten Zellen Amylum in formlosen ecki-
gen oder rundlichen Klumpen , welche so weit desorganisirt sind , dass sie
im polarisirten Lichte nicht mehr das gewöhnliche Verhalten (kreuzförmige
Schattirung) des Amylums zeigen, wohl aber durch Jod blau werden.
Das Amylum ist durch Brühen in diese Kleisterballen verwaudelt; selbst
die innersten Theile grösserer Knollen enthalten kein unverändertes Amy-
lum mehr. Das Brühen verhindert das Auswachsen der Knollen. Neben
dem Amylum kömmt in einzelnen Zellen auch Harz in dunkel gelbrothen
Klümpchen vor; das ganze Gewebe ist von gelbem Farbstoffe durch-
drungen und enthält zahlreiche Tropfen ätherischen Oeles. Geruch aro-
matisch, Geschmack feurig gewürzhaft. Das ätherische Oel und der Farb-
stoff sind noch nicht näher untersucht. Letzterer, als Cure umin unter-
schieden, ist unkrystallisirbar , in Masse dunkelbraun, im durchfallenden
Lichte dunkelroth, wenig in Wasser löslich und im Sonnenlichte nicht
beständig. Seine Formel steht noch nicht fest. Alkalien verändern das
Gelb des mit Curcumin gefärbten Papieres in braunroth, ebenso reagiren
' aU7 *f?rkWÜrdlger Weise die Borsäm'e, Eisenoxydsalze, Zirkonerde, Zinn-
uud Molybdänsäure.
Durch die Kultur entstehen verschiedene Handelssorten der Curcuma
und wahrscheinlich werden auch noch andere Curcuma - Arten — man
B Daher der Name Clllxuma, womit im Persischen der Safran bezeichnet wird.
176
Wurzelbildungen der Monokotylen.
nennt z. B. Curcuma viridiflora Roxburgk auf Sumatra und Ambon —
angebaut. Wegen besonderen Reichtlmms an Farbe ist die chinesische
Wurzel sehr geschätzt; sie hat grosse und viele Centralknollen, während
andere Sorten, wie die bengalische und die von Madras, vorherrschend aus
Lateralknollen bestehen. Bei einigen Sorten, z. B. der javanischen, werden
die Centralknolleu auch wohl quer, die Seitenknollen der Länge nach ge-
spalten in den Handel gebracht.
Die Intensität des Geschmackes uud der Reichthum au Farbe entschei-
den über den Werth der im übrigen nicht sehr abweichenden Sorten.
Die Curcuma ist neben der Verwendung in der Färberei in ihrem Vater-
laude als Gewürz und Arznei seit dem höchsten Alterthum sehr beliebt.
Auch die englische Küche hat sie als Hauptingrediens des bekannten Curry-
powder adoptirt. — Die Einfuhr Englands erreichte 18G4 fast 20,000 Ctr.
Rliizoma Zedoariae.
Rad. Zedoariae. Zittwerwurzel. Zedoaire. Zedoary root.
Curcuma Zedoaria Roscoe. — Zingiberaceae.
Syn.: Curcuma Zerumbet Roxbgh.
Amomum Zerumbet Koenig.
Wild und angebaut iu Südasien, auch auf Madagascar. Die Wurzel-
bildung dieser Pflanze kömmt mit der von Curcuma longa (siehe Rhiz. Cur-
cuiuae) überein, jedoch scheinen von Zedoaria nur Centralknollen (Knoll-
stöcke, Hauptwurzelstöcke) in den Handel zu kommen, vielleicht weil die
Einsammluug schon vor der Bildung von Lateralkuollen geschieht. Immer
sind sie entweder der Länge nach kalbirt oder in Viertel geschnitten oder
aber in verschieden grosse Querscheiben von höchstens 0,040"' Durch-
messer und gegen 0,01 0m Dicke, daher man unterschied Zedoaria iu discis
und Zedoaria longa oder rotunda1), wenn kleinere Knollen ganz Vorlagen.
Der bimförmige Knollen erreicht 0,050 m Länge; sein äussere Bau stimmt
mit Rhiz. Curcumae überein, zeigt jedoch nur spiralig gestellte Wurzel-
reste ohne Aeste (Lateralkuollen). Die Streifung meist verwischt, weil die
Korkleistchen gewöhnlich abgescheuert sind. Farbe graulich weiss, nicht
gelb. Querschnitt grau im Innern , wenig verschieden oder etwas dunkler
in der bis 0,005 m breiten, oft etwas über das Mark erhöhten Rinde, welche
ausserdem durch eine feine helle Linie abgegrenzt ist. Der frische Kuollen
scheint im Innern etwas rötklick zu sein. Der anatomische Bau der Zedoaria
stimmt im Allgemeinen auch mit dem der Curcuma überein, zeigt aber doch
folgende Unterschiede. Die Rinde hängt nur locker mit dem Kern zusammen;
besonders beim Aufweicheu des Knollens lässt sie sich leicht vollständig
ablöseu. Der Holzring, welcher das Mark eiuschliesst, besteht wie bei Cur-
cuma aus Gefässen und Prosenchymzellen, welche aber bei Zedoaria sehr
1) Zarnubum lougurn et rotundum der alteren PUarmacie.
Rhizoma Galangae.
177
viel stärker, dickwandiger und von zahlreichen Poren durchsetzt sind. Zer-
streute Gefässbiiudel häufig im Mark , spärlicher in der Rinde. Das
Amylum, welches beide Gewebe erfüllt, bildet länglich runde Scheiben mit
einer stumpfen etwas zugeschärften Spitze, in welcher gewöhnlich ein Nabel
bemerkbar ist, während sich am entgegengesetzten Ende des Kornes deut-
liche Schichtung zeigt. Diese Amylumkörner (bis 70 Mikrom. messend)
gehören nächst denen der Kartoffeln zu den allergrössten. Es scheint nicht,
dass sie durch kochendes Wasser bedeutend verändert sind; jedenfalls
zeigen sie im polarisirteu Lichte ganz die normale kreuzförmige Schattirung;
nur sind, wegen der flachen Scheibengestalt dieser eigenthümlichen Körner'
nicht alle vier Kreuzesarme zugleich sichtbar, sondern nur einer oder zwei
auf der einen Scheibenfläche. Farbstoff fehlt der Zedoaria; Harz und äthe-
risches Oel eifüllen einzelne Räume. Der Zedoariaknollen ist weniger dicht,
sein Geruch und Geschmack milder als bei Curcuma, mehr kampkerartfe
und bitter. ' 6
Rhiz. Zedoariae wurde im Mittelalter durch die Araber1) in Europa ein-
geführt und mit noch anderen ähnlichen Wurzelstöcken oder Knollen ver-
wandter Arten aus der zahlreichen Familie der Scitamineae früher mehr
angewandt als jetzt. In Deutschland war die Droge („Zituar“ oder „Zit-
war1) schon um 1150 der Aebtissin Hildegard von Ruprechtsberge bei
Ringen wohl bekannt.
Rliizoma Galangae.
Rad. Galangae minoris. Galgant. Galanga. Galaugle.
Dieser aus China2) kommende Wurzelstock wird von Alpinia clxinen-
^ Roscoe, Familie der Scitamineae, abgeleitet, ohne dass man aber dar-
über hinlängliche Gewissheit hat. Die allgemeine Übereinstimmung dieses
Rhizoms mit denen von Curcuma, Zedoaria undZingiber spricht dafür dass
Galanga derselben Familie angehöre. Sie bildet cyliudrische knieförmig
gezogene ästige langsstreifige Rhizome von 0,070 m Länge und 0 020*"
^DuSTfin’1 ih/e braunrothe Farbe holzige Beschaffen-
ständen von 0 010 ™U 10 -6 8nranSte Blattuarbeu ist das Rhizom, oft in Ab-
ständen von 0,010 , geringelt; es sendet ziemlich zahlreiche starke W*
rafraimtte“C , T1" T ™d iSt Stelleuweise auch knollig angeschwohen
D,o Galanga «t nicht sehr dicht, aber zähe, von holzig faserigem Bruche'
Auf dem Querschnitte fällt die bedeutende Entwickelung der Rinde auf- der
Durchmesser des Kerns erreicht oft nicht einmal die Brite der Rinde Kn
2 e “ hX^T kf GeTObe' 'Ve,Cle “>'f e™* -bl-
Harzpunkte zeigen1 ^ gCS“Umte °eßSSbtadel ““d « braunrothe
2! p“M. AraTbiSGhen. Djudwar stammt ™cli der Name Zedoaria.
) Provinz Tschansi, nach Ainslie.
lliickiger, Pharmakognosie.
12
178
Wurzelbildungen der Monokotylen.
Der Kork bedeckt in dünner Lage das Riudeuparenchyra und besteht nicht
aus den gewöhnlichen tafelförmigen Korkzellen, wie beiRhiz. Curcumae und
Zingiberis, sondern aus engem tief braunem Gewebe mit geschlängelten Wän-
den. Die Gefässbündel, welche 4 — 1 5 grössere Spiroi'den nebst einem Strange
zarteren Proseuchyms, in einem Kreise poröser Holzzellen enthalten, stehen
dichter im Kern, sind aber hier kleiner als in der Rinde. Die dunkle Tren-
nungslinie zwischen Kern und Rinde besteht aus zartem Prosencliym, das
auf dem Querschnitt wenige Reihen häufig tangential gestreckter enger
Zellen mit dunkelbraunen, dicken, geschlängelten Wänden zeigt. Dieser
Kreis verbindet die äussersten Gefässbündel des Kerns in ähnlicher Weise,
wie es bei Rhiz. Curcumae und Rhiz. Zingiberis der Fall ist. Kein Gefäss-
büudel des Kerns ragt über diesen scharf gezogenen Kreis heraus und die
der Rinde stehen alle weit davon ab , so dass eine Lage ganz gleichartigen
Rindenparenchyms sich zunächst demselben auschliesst. — Durch das ganze
Gewebe sind hellgelbe Tropfen ätherischen Oeles, dunkelbraune Harzklum-
pen und besonders Stärke verbreitet. Ersteres füllt namentlich grosse Lücken
der Aussenrinde. Das Amylum ist sehr ausgezeichnet durch seine höchst
unregelmässigen Formen, meist keulen- oder flaschenförmige deutlich ge-
schichtete, bis 35 Mikrom. lauge Körner, an ihrem breiteren Ende den
Nabel tragend.
Geruch aromatisch, Geschmack brennend gewürzhaft. Das ätherische
Oel besitzt die Zusammensetzung des Cajeputöles 0luH16H1 2Q. — Bran-
des hat mit Aether aus der Galanga einen eigenthümlichen Körper, der
näherer Untersuchung werth wäre, das Kämpfer id1), dargestellt. Es kry-
stallisirt, nimmt mit Schwefelsäure eine blaugrüne Farbe an, löst sich iu
Alkalien, nicht in Wasser. Zusammensetzung nicht hinlänglich festgestellt.
Unter dem Namen Rad. Galangae majoris kam früher, aber längst
nicht mehr, das der oben beschriebenen Galanga ganz ähnlich gebaute
Rhizom von Alpinia Galanga Swartz aus Java iu den Handel. Diese
grössere Galanga, wie sie sich noch im Sammlungen findet, ist viel stärker,
jedoch leichter, innen bedeutend heller, aussen fast violett. Der Quer-
schnitt zeigt sehr grosse Gefässbündel, aber nur wenige kleine Harzpunkte.
Das Amylum ist gleich wie bei der gewöhnlichen Galanga, das Parenchym
grosszeiliger, so dass an der verschiedenen Abstammung beider Rhizome
nicht zu zweifeln ist. Alpinia Galanga soll nach Scherzer2) au der süd-
lichsten Westküste Vorderindiens (Travancore), sowie bei 1 schittagoug öst-
lich von den Gauges-Mündungen gebaut werden und jährlich mehrere Hun-
dert Centner „Galgantwurzel“ nach London liefern (?).
Die Galanga scheint den Alten nicht bekannt gewesen , sondern durch .
die Araber nach Europa gekommen zu sein. Bei ihnen hiess sie Chauleu-
gian (Avicenna); der Name Galanga stammt wohl aus der malaiisckeu
1) Kämpferia Galanga L. wurde damals für die Stammpflanze der Galanga gehalten.
2) Reise der Novara. Statistisch -commercieller Theil I., S. 255.
ßhizoraa Calami.
179
Sprache , welche die auf Java kultivirte Alpiuia Galanga sowohl als das
käufliche Rhizom Laukwas nenut. Im Sanskrit heisst erstere Sugandha.
In Deutschland wurde sie schon um 1150 von der heiligen Hildegard
erwähnt.
Rhizoma Calami.
Rad. Calami aromatici. Kalmus. Acore odorant ou vrai, Roseau aromatique.
Sweet flag root.
Acorus Calamus1) L. — Aroideae.
Der Kalmus ist eine vorzüglich den Küstenländern des Schwarzen
Meeres angehörende Sumpfpflanze, die aber auch in Mittelasien bis zum
Altai und bis Japan wächst, so wie jetzt verwildert im grössten Theile
Europas, bis nach England, Skandinavien, Nordrussland und Nordamerika
verbreitet ist.
Der bis 0,20 lange, etwas platt gedrückte, hin- und hergebogene
Wurzelstock kriecht horizontal fort; er ist durch ringsumlaufende Narben
dei Blattscheiden etwas knotig gegliedert, auf den Seiten mit grösseren
Stengelnaiben, uuterseits mit kleinen vertieften, erhöht gerundeten Narben
dei Wuizelfasern besetzt, welche beim Einsammeln entfernt werden. Die
Blattnarben sind unterseits weniger entwickelt, bilden aber auf der oberen
Seite des Wurzelstockes schmale hellbraune Dreiecke , deren Spitze regel-
mässig abwechselnd nach links und nach rechts gekehrt ist, und welche
etwas breitere, dunkel rötlilichbraune Stengelglieder zwischen sich frei
lassen. Kleine Punkte auf deu Blattnarben bezeichnen die Austrittsstelle
der Gefässbündel. Auch die Wurzelfasern entspringen auf der Unterseite
des Wurzelstockes in gesetzmässiger Anordnung, indem ihre Narben eine
Zickzacklinie bilden, deren Regelmässigkeit allerdings bisweilen durch
etwas abweichende Entwickelung einzelner Stengelglieder, sowie durch Ein-
schrumpfung beim Trocknen gestört ist. Immerhin lässt sich auch an dem
geschälten Wurzelstocke stellenweise diese charakteristische Narbenlinie
noch erkennen. Der frische Wurzelstock ist braunröthlich oder grünlich
innen wmss oder röthlich, durch viele Luftlücken schwammig, daher nach
dem Trocknen zusammengefallen und längsrunzlig, bis etwa 0,020m breit.
Der Querschnitt ziemlich gleichmässig; eine feine Linie (Kernscheide)
trennt die Rinde von einem etwas helleren Marke, dessen Durchmesser die
doppelte oder dreifache Breite der Rinde erreicht.
Das ganze Gewebe ist von vielen Luftlücken durchbrochen ; daneben
erkennt man in der Rinde einzelne, im Marke, besonders an der Trenuungs-
ime, sehr zahlreiche Gefässbündel, welche beim Befeuchten des scharfen
Querschnittes deutlicher hervortreten. Die harz- und gerbstoffhaltige Rinde
belegt. LlnDL bat mit dem Gattuuesnamea Calamus die schlingenden Rotang-Palmen
12*
180
Wurzelbildungen der Monokotylen.
ist von kleinen, etwas radial gestreckten Epiblema-Zellen, an den von Blatt-
narben freien Stellen von Kork, bedeckt und bestellt aus kugeligen mit
kleinen (4 — GMikrom.) Stärkekörnern erfüllten Zellen, welche nur an der
Peripherie ein dichtes Gewebe bilden, nach innen sehr grosse Luftlückeu
frei lassen. Einzelne Zellen enthalten grosse blassgelbliche Tropfen äthe-
rischen Oeles. Die Trennungslinie zwischen Rinde und Mark besteht aus
dünnwandigen prosenchymatischen (Cambial-) Zellen. Einen Strang dieses
Gewebes schliessen auch die Gefässbündel innerhalb eines Kreises von
etwa 20 Spiroiden ein. Das Mark hat denselben Bau wie die Rinde.
Der Kalmus besitzt einen eigentümlichen aromatisch - bitterlichen
Geschmack. Er enthält getrocknet ungefähr 1 pC. ätherischen Oeles,
Gemisch eines sauerstoffhaltigen und eines Oeles von der Formel Ol0Hlf>.
Dasselbe hat seinen Sitz mehr in der Rinde, daher der noch viel geübte
Handelsgebrauch, den Wurzelstock zu schälen (Racl. Calami mundata)
unzweckmässig ist.
Der Kalmus war schon in der altiudischcn Mediciu (Susrutas), auch bei
den Griechen, Römern und Arabern gebräuchlich. Jedoch ist es nicht sicher,
dass Calamus aromaticus odoratus der ersteren unser Acorus Calamus war,
sondern wahrscheinlich, dass z. B. Dioskorides und Plinius unter
jenem Namen wohlriechende Wurzelstöcke indischer Andropogon -Arten
(Gramineen) kannten1). Später bezeichnete man auch als Calamus verus
die bittere Chirata (vergl. unter Herba Ceutaurii). Nach dem Zeuguisse
von Cordus fehlte übrigens Acorus Calamus bis gegen Ende des XYI. Jaln-
handerts gänzlich in Mittel- und Westeuropa. Clusius hatte diese Pflanze
aus Konstantin opel 1574 durch den österreichischen Gesandten beim Sul-
tan empfangen und kultivirte sie zuerst in Wien , von wo aus sie an die
botanischen Gärten abgegeben wurde und sich bald überall akklimatisirte.
Jedoch galt die Wurzel noch 1725 als ausländische Droge und kam zum
Theil, wie es scheint, aus Indien.
Der geschälte Kalmuswurzelstock sieht einigermassen der Rad. Bella-
donnae oder Altliaeae ähnlich aus; auch das Rhizom von Iris Pseud-Acorus
wird als Verwechslung genannt. Der höchst eigeutliümliehe Bau der Kalmus-
wurzel, verbunden mit ihrem specifischeu Gerüche und Geschmacke, genügen
aber immer, auch bei der geschälten Waare, zur sicheren Unterscheidung.
B. Knollen.
Tuber Coleliici.
Bulbus s. corrnus s. radix Colchici. Zeitlosenzwiebel oder Wurzel. Bulbe
de Colchique. Meadow saffron, root.
Colchicum autumnale L. — Melanthaeeae.
Die Herbstzeitlose wächst im mittleren und südlichen Europa (doch
z. B. nicht in Griechenland), auch in den süd- und ostkaukasischen Ländern
1) oder des im centralen uud südlichen China sehr h&ufigen Acorus gramineus Aiton?
Tuber Colchici.
181
Imeretien und Mingrelien , dem alten Kolchis. Sie kömmt noch in Eng-
land vor, fehlt aber dem höheren Norden, z. B. Island, oder reift ihre Samen
nicht mehr. Die Pflanze bewohnt bewässerte Wiesen der Ebenen und der
niedrigeren Gebirge.
Der Stengel erhebt sich aus braunen zerschlitzten mehrfach concentrisch
über einander liegenden Hüllen , welche ziemlich tief in der Erde die unter-
irdischen Theile der Pflanze bis auf die zahlreichen , dicht neben einander
am Grunde senkrecht austretenden, ganz einfachen weissen Wurzelzasern
umschliessen. Innerhalb dieser Hüllen, den Ueberresten des Scheidentkeiles
vorjähriger Blätter, findet sich — im Beginn des Herbstes — der eiförmige
Knollen (I.), welcher oben eine vertiefte gestutzte Narbe zeigt, wo noch im
Sommer der fruchttragende, jetzt abgestorbene Stengel gestanden.
Nach aussen ist der Knollen stark bauchig aufgetrieben, auf der flachen
inneren Seite hingegen der Länge nach von einer breiten seichten Rinne
durchzogen, aus deren Grunde sich der kurze jetzt blühende Stengel (II.)
als entwickelte Seitenknospe erhebt, indem er nur an einer kleinen runden
Stelle mit dem Knollen zusammenhängt. Die Längsfurche von I. ist also
durch die zwei scheidenförmigen Niederblätter und die zur Blüthezeit
noch eingeschlossenen unentwickelten Laubblätter ausgefüllt, aus denen die
1 — 4 seitenständigen Bliithen hervorragen.
Etwas über dem untersten Blattwinkel von II. ist bereits das Knöspchen
(III.) zur nächstjährigen Blüthe angelegt.
Nachdem II. verblüht hat, verlängern sicherst im folgenden Frühling
seine beiden jetzt lebhaft gelb gefärbten oberen Stengelglieder und schieben
die Bhätter und Fruchtstengel über den Boden empor. Mit der Fortentwick-
lung dieser Theile hält die Verkümmerung von I. Schritt. Im Anfänge des
ommers schon wird das unterste Internodium zwischen dem ersten und
zweiten Laubblatt von II. fleischig verdickt, füllt sich mit Stärkemehl an und
verliert die gelbe Farbe; sehr bald erreicht und überholt es die Grösse des
absterbenden Knollens I. Gegen den Herbst bildet sich daran die Längs-
forche u. s. f. aus und schliesslich liegt genau wieder der Knollen I. , aber
in zweiter Generation vor, nachdem die erste Generation I. völlig abgegan-
gen. Es scheint sich dieser ganze 2jährige Lebenslauf der Zeitlose ohne
Ortsveränderung zu vollziehen.
Der unterirdische Theil der Pflanze besteht daher im Spätsommer
I. aus dem voriges Jahr abgeblühten Knollen,
II. dem blühenden Stengel,
III. dem nur eben in der Anlage vorhandenen Knöspchen des im
folgenden Jahre blühenden Stengels.
Im Anfänge des Sommers dagegen ist I. welk; II. in der Verdickung be-
gntten doch noch ohne die Längsrinne, daher eine rundlich ovalen Quer-
schnitt zeigend, der sich vom Querschnitte des vollkommen entwickelten
er stknollens unterscheidet, indem dieser wegen der Längsriune nieren-
formig ausfällt.
182
Wurzelbildungen der Monokotylen.
Wie erwähnt, ist der Knollen nur ein verdicktes Stengelglied, deshalb in
seiner Textur durch und durch homogen , derb , wodurch er sich von den
Zwiebeln unterscheidet (vergl. Bulbus Scillae),
Zum officinellen Gebrauche wird der ein Gewicht von 20 bis 40 Gramm l)
erreichende Knollen I. im Spätsommer gesammelt und von den übrigen
Theilen befreit, bisweilen lässt man auch die Hüllen. Soll er getrocknet
werden, so wird er häufig in Querscheiben geschnitten, die unter der
sehr dünnen braunen Aussenrinde eine nur 0,001 m davon abstehende zarte
bräunliche Linie (Kernscheide, Innenrinde) zeigen, innerhalb welcher ein
mehliges weisses Parenchym mit zahlreichen zerstreuten Gefässbündeln liegt.
Auch in der Mittelrinde kommen einzelne Gefässbündel vor.
Hie Aussenrinde sowie die Kernscheide besteht aus etwas tangential
gestreckten Zellen mit dicken bräunlichen Wandungen ; das übrige Gewebe
ist aus grossen dünnwandigen kugelig-polyedrischen Zellen gebildet, welche
von Stärkemehl strotzen und durch Gefässbündel mit weiten Spiral- und
Ringgefässen unterbrochen sind. Die (höchstens 10 — löMikrom. erreichen-
den) Stärkekörner sind rund, oder durch Vereinigung zu Gruppen von 2 bis
4 Körnern eckig oder flach gestutzt und dadurch ausgezeichnet, dass sie im
Innern sternförmig ausgehöhlt sind.
Der frische Knollen I. riecht widrig rettigartig (flüchtige Fettsäure?) und
schmeckt erst süsslich, dann scharf bitter und kratzend und zwar am stärk-
sten, wenn eben die Blüthe II. sich zu entfalten beginnt. Durch das Trocknen
geht die Schärfe fast völlig verloren, so dass namentlich nach dem Zerschnei-
den der mehlige geruchlose getrocknete Knollen nur noch bitter schmeckt.
Die Versuche von Schroff haben dargethan, dass die Wirkung der
Knollen je nach dem Vegetationsstadium, dem sie entnommen werden, ver-
schieden, aber zur Bliithezeit am kräftigsten ist. Hiermit stimmt auch die
Verschiedenheit im Gehalte an Colchiciu (siehe bei Sem. Colchici). In diesem
Zeitpunkte allein soll der Knollen sogleich frisch, nicht getrocknet, zu den
flüssigen Arzneiformen verwendet werdeu. Der Frühjahrsknollen ist wir-
kungslos. — Nach Copland und Coindet wirken auch die Blüthen
sehr kräftig; sie verlieren beim Trocknen 86 pC. und enthalten nach R ei th-
n er dieselben Bestandteile wie die Knollen. Neben Zucker, Harz, Gummi,
Gerbstoff und Fett enthält der Colchicumknollen Colchiciu, doch in gerin-
gerer Menge als die Samen (vergl. Semen Colchici).
Schon Dioskorides warnte vor der giftigen Wurzel des Kolchikön,
das in Messenien und Kolchis wachse. Durch das ganze Mittelalter hiu-
durch waren diese gefährlichen Wirkungen wohl bekannt und z. B. noch von
Tragus (f 1554) hervorgehoben. Erst Störck zog 1763 die Knollen in
arzneiliche Anwendung.
Unter dem Namen Hermodactyli kommen heutzutage nur noch als
Antiquität in Sammlungen etwas abgeplattete herzförmige, von allen Hüllen
1) Durch Kultur bis 250 Gramm. — ob aber auch wirksam?
Tuber Salep.
183
befreite Knollen vor, welche sonst ganz den Bau und das Aussehen unseres
Colchicumknollens zeigen, aber doppelt so grosse Amylumkörner enthalten.
Erstere stammen, nach Planch on, von Colchicum variegatum L. aus Süd-
Europa und Kleinasien. Indessen scheinen unter dem Namen Hermodactyli
bei den Alten und im Mittelalter die Knollen mehrerer Colchicum- Arten und
sogar noch anderer Pflanzen gebraucht und verwechselt worden zu sein.
Tuber Salep.
Radix Salep s. Saleb. Tuberidium Orchidis. Salepknollen. Salepwurzel.
Bulbe de Salep. Salep.
Die einheimischen Orchideen bilden entweder Wurzelstöcke oder neben
wenig zahlreichen Wurzelfasern paarig an der Stengelbasis stehende ganz
einfache Knollen, welche — nach Ir misch — durch Verdickung der früh-
zeitig entwickelten ersten Nebenwurzel eines oft gestielten seitlichen Knösp-
chens entstehen. Zur Blüthezeit besitzt die Pflanze alsdann zwei Knollen,
einen derben vollsaftigen, der an seiner Spitze das Knöspchen zeigt, woraus
sich nächstes Jahr der neue Stengel entwickelt, und einen verwelkten Knol-
len. Letzterer geht dadurch zu Grunde, dass auf seine Kosten hauptsäch-
lich die Ernährung des jetzt blühenden Stengels, den er trägt, erfolgt ist.
Diese Art der Knollenbildung findet sich bei den einheimischen Orchideen
aus der Abtheilung der Ophrydeen, wobei noch der Unterschied zu bemer-
ken ist, dass bei einigen die Knollen kugelig, ungetheilt, bei anderen aber
etwas plattgedrückt und bandförmig getheilt oder gelappt sind. Die Knollen
werden nach der Blüthezeit ausgegraben , die verwelkten beseitigt und nur
die vollsaftigen als Salep gesammelt. Nach dem Waschen werden sie durch
Abreiben mit Tüchern von der braunen lockeren Aussenrinde befreit, an
Fäden aufgereiht und gebrüht. Erst durch dieses Verfahren wird es mög-
lich, sie in kurzer Zeit vollständig zu trocknen, was gewöhnlich in gelinder
künstlicher Wärme geschieht. Die vorher weissen saftigen Wurzeln erlan-
gen dadurch eine gelbliche oder grauliche Farbe und infolge der Kleister-
bildung, welcher die Stärke unterliegt, und durch den Gummigehalt eine
hornartige Beschaffenheit. Der bitterliche Geschmack und der unangenehme
eigentümliche Geruch der frischen Knollen verlieren sich durch das Trock-
nen ebenfalls.
Alle Orchideenknollen können als Salep benutzt werden, am häufigsten
dienen , wie es scheint, die der folgenden in Mitteleuropa viel verbreiteten
Arten:
A. mit ungeteilten Knollen
Orchis Morio L. Auch in England.
0. rnascula L. Bis in die Caucasusländer und Nordpersien , auch
in ganz England und Schottland.
0. militaris L. Auch in England und im Altai.
0. ustulata L.
Auacaraptis pyramidalis Rieh.
184
Wurzelbildungen der Monokotylen.
B. mit abgeplatteten geteilten Knollen
0. maculata L. Bis zum Caucasus und Altai.
0. latifolia L. Auch im Altai.
Gymnadenia conopsea R. Brown.
In neuerer Zeit werden diese Knollen häufig in Mitteldeutschland (Tau-
nus , Westerwald , Rhön , Odenwald) und Frankreich gesammelt, in Grie-
chenland auch die von 0. papilionacea L.; seltener jedoch von den unter B
genannten Arten, weil diese handförmigen Knollen eine unansehnliche graue
Farbe anzunehmen pflegen und ihrer geringeren Grösse wegen weniger aus-
geben. Die ungeteilten länglich runden Knollen erreichen getrocknet
höchstens eine Länge von etwa 0,03 m bei einem Gewichte von etwa
2 Gramm, bleiben aber meistens bedeutend unter diesen Grössen. Sie sind
hart und spröde, gelblich grau, durch Einschrumpfung höchst unregelmässig
bald rundlich, bald eckig gestaltet, zeigen oben noch che Narbe des Knösp-
chens, sonst aber keinerlei Spur von Blattorganen, unten eiue mehr oder
weniger stumpfe Spitze. — Durch die Kultur werden die Knollen weit
grösser. Der frische uugebriihte Knollen bietet auf dem Querschnitte einige
Reihen dünnwandiger brauner stärkereicher Rindenzellen , worauf ein Pa-
renchym aus farblosen etwas gestreckten Zellen folgt, welche gleichfalls
Amylum (länglich runde Körner, bei Orchis mascula und 0. latifolia z. B.
bis 25 Mikrom. messend) und vereinzelte -Bündel von Krystallnadeln ent-
halten. In diesem Parenchym liegen sehr viel grössere rundlich polyedri-
sche, mit Schleim (Gummi) erfüllte Lücken , die mit einer äusserst zarten
Zellschicht ausgekleidet sind. Sie besteht nämlich aus sehr kleinen viel-
eckigen inhaltslosen Zellen, welche nur an einzelnen Stellen bei passender
Beleuchtung gut sichtbar werden. Die wenigen Gefässbündel sind ganz un-
regelmässig einzeln zerstreut. In den getrockneten gebrühten Knollen finden
sich die Amylumkörner zusammengeflossen und die Zellwände entstellt
Geruch und Geschmack des trockenen Salep indifferent fade, nur wenig
mehr an den frischen Kuollen erinnernd. Hauptbestandtheil ist, neben
27 pC. Stärkmehl, das Gummi oder Bassorin (48 pC. nach Drageudorff),
woran die Knollen so reich sind, dass 1 Theil Saleppulver mit dem 40 bis
50 fachen Gewichte kochenden Wassers eiue steife Gallerte bildet, die sich
mit Magnesia oder Borax noch mehr verdickt und durch Jod und Schwefel-
säure blau gefärbt wird. — Kaltes Wasser entzieht das Gummi nicht. Der
Zucker beträgt nur 1 pC., das Eiweiss etwa 5 pC. Der Geruch der frischen
Knollen wird von einer sehr geringen Menge ätherischen Oeles bedingt. Bei
110° getrocknete Salepknollen geben nach Drageudorff 2 pC. Asche, vor-
wiegend aus Phosphaten und Chlorüreu von Kalium uud Calcium bestehend.
Dioskorides erwähnte Orchis-Knollen, hauptsächlich diejenigen von
Orchis papilionacea L. Der Salep kam früher nur aus dem Orient, beson-
ders aus Persien, in viel grösseren Kuollen, welche übrigens nicht andere
Eigenschaften haben als der erst seit der Mitte des vorigeu Jahrhunderts
in Aufnahme gekommene europäische Salep. ln Kaschmir soll eine Eulo-
Bulbus Scillae.
185
pliia Salep liefern; in Vorderindien Habenaria pectinata Don den berühmten
Misri (Zucker-) Salep.
Verwechselungen der Salepknollen mit denen von Colchicum autumnale
sind schon in Deutschland vorgekommen, indem diese an und für sich sehr
verschiedenen Knollen denen des Salep ähnlich präparirt waren (Metten-
heimer). Der süssliche, dann bittere und scharfe Geschmack des Colchi-
cumknollens genügt aber zur Unterscheidung von dem faden Salep; auch
gibt das Colchicumdecoct keine Gallerte.
Etwas bitterlich und scharf schmeckt der sonst sehr schleimige
Badshah (Königs-) Salep, der in Bombay vorkömmt und auch einmal
nach London gelangte. Es besteht aber aus einer unverkennbaren Zwiebel
mit deutlichen Blattschuppen. Die Abstammung dieser Droge ist noch
unbekannt (Hanbury).
C. Zwiebeln.
Bulbus Scillae.
Radix Scillae s. Squillae. Radix Scillae albae et rubrae. Meerzwiebel.
Scille. Squille. Ognon marin. Squames de Scille. Squill.
Scilla1) maritima L. — Liliaceae.
Syn.: Urginea2) Scilla Steinheil.
Squilla maritima Steinheil.
Die Meerzwiebel wächst sehr häufig und oft in grosser Menge an
sonnigen Küsten des Mittelmeeres und in den benachbarten pontischen und
atlantischen (bis in die Bretagne und Normandie) Uferländern, wie es scheint
auch am Gap. Sie ist jedoch nicht auf die unmittelbare Nähe des Meeres
beschränkt uud steigt sogar, z. B. in Griechenland , auf Cypern und durch
den grössten Theil Portugals im Innern bis gegen 1700 Fuss hoch hinan.
Malta, Calabrien und Spanien liefern fast ausschliesslich die officinelle
Zwiebel. Sie ist aufrecht, eiförmig, kopfgross und erreicht bis 4 Pfund Ge-
wicht. Entweder ist sie ganz in den Boden eingesenkt oder ragt daraus
et was hervor. Die zahlreichen scheidenartig umfassenden Schalen schliessen
in ilnei Axe den Blüthenstengel und die Stengelkuospe ein; am Grunde
tritt der kurze feste ziemlich stark bewurzelte Zwiebelstock heraus. Die
aussersten Zwiebelschalen sind braun röthlich, nervig gestreift, trocken-
umtig, che Innern saftig und fleischig, die innersten sehr weich. Die Scha-
len des Innern sind entweder farblos oder rothbraun gefärbt, und zwar ist
dreser Farbenunterschied wie es scheint so beständig, dass z. B. Portugal
und Malta nur che weisszwiebelige Varietät, Frankreich und Calabrien fast
nui die rothe besitzen, während in Griechenland beide, in Spanien, Cypern
leinasien vorzugsweise nur die weisse Zwiebel vorkömmt. Anderweitige
V0Q lch sielte, wegen der leicht trennbaren Schalen, oder von -jy.uXov
) von ärgere, zusammendrücken, mit Bezug auf die Gestalt der Samen.
Haut,
186
Wurzelbildungen der Monokotylen.
Unterschiede bieten die beiden Varietäten der Meerzwiebel nicht dar, ja es
gibt sogar rothe Exemplare, deren mittlere Schalen weiss sind, und bei
längerer Aufbewahrung der weissen Zwiebel, wobei sie eine grosse Le-
bensdauer zeigt, röthen sich oftmals die Spitzen der ungefärbten kleinen
Blattschuppen, welche sich nach kurzem selbst aus durchschnittenen Zwie-
beln zu entwickeln beginnen. Die Veränderlichkeit im Aussehen der Zwie-
belschalen ist demnach in chemischen Veränderungen des Zellsaftes be-
gründet, welche weder nach ihren Bedingungen noch in ihrem Verlaufe
erkannt sind, und es ist auch nicht ausgemacht, wie beständig über-
haupt die Färbung ist.
Zum officinellen Gebrauche wird die Meerzwiebel im Herbste gesam-
melt und von den äussersten trockenen Schalen, so wie von den innersten
und den Stengel- und Wurzelorganen befreit. Die allein brauchbaren mitt-
leren fleischigen Schalen werden in Längsstreifen geschnitten und an der
Sonne getrocknet. In manchen dem Meere näher gelegenen Ländern bringt
man sehr zweckmässiger Weise die ganze Zwiebel frisch in den Handel,
so dass z. B. die österreichische Militär- Pharmakopoe sie nur in dieser
Form aufgenommen hat. Die Meerzwiebel besitzt wie die meisten derarti-
gen Gebilde eine grosse Lebenskraft, so dass sie bei trockener Aufbewah-
rung noch über ein Jahr lang fortvegetirt und sehr auf Kosten ihrer Schärfe
Triebe erzeugt, selbst wenn sie durchschnitten ist.
Der zwiebelartige Geruch , der vermuthlich von einer geringen Menge
Knoblauchöl herrührt, verschwindet beim Trocknen der in obiger Weise
zubereiteten Waare. Dieselbe stellt gelblich weisse hornartig durchschei-
nende oder bei der rothen Varietät rothbraune, etwa 0,003m dicke Stücke
vor, welche querstreifig und zerbrechlich sind, so lange sie trocken auf-
bewahrt werden. Letzteres ist sehr nothwendig, da die Meerzwiebel
begierig Wasser anzieht. Eine in gewöhnlicher Weise, doch ohne ganz be-
sondere Sorgfalt in hölzernen Kasten aufbewahrte (weisse) Waare z. B.
gibt bei 100° C. 14 pC. Feuchtigkeit ab. Das Pulver besonders backt sehr
leicht zusammen.
Die Zwiebelschaleu schmecken schleimig und ekelhaft bitter mit Aus-
nahme der innersten, welche nur einen faden und siisslichen Geschmack be-
sitzen und daher mit Recht verworfen werden. Bei der rothbraunen Abart
scheint die Bitterkeit schärfer und der Zellinhalt reichlicher vorhanden zu
sein als bei der weissen, daher ersterer der Vorzug gebührt, obwohl der
Handelsgebrauch sie in unseren Gegenden wenigstens ausgeschlossen hat
und wenige Pharmakopoen sie bestimmt fordern. Im Frühjahr waltet übri-
gens der Zuckergehalt der Meerzwiebel so sehr vor, dass sie z. B. in Griechen-
land alsdann auf Branntwein verarbeitet wird. In alkoholischen oder
wässerigen Extracten rother und weisser Scilla schiessen Krystalle des
Zuckers an.
Das Gewebe der officinellen Meerzwiebelschalen ist aus grossen kugelig-
eckigen, dünnwandigen, etwas axial gestreckten Zellen gebildet, welche
Bulbus Scillae.
187
neben wenigen’Oeltröpfchen kleine rundliche und eckige Körnchen (Schleim
und Eiweissstoffe) aber kein Amylum enthalten. Weite Spiral- und Ring-
gefässe durchziehen unregelmässig dieses Parenchym. Ueberall in demselben
sind zahlreiche Krystalle abgelagert, entweder in Büscheln vereinigte feine
Nadeln im Innern der Zellen (Raphiden) oder zwischen denselben einzelne
oder auch concentrisch gestellte quadratische Prismen, welche durch ein
sehr spitzes Oktaeder immer ausserordentlich lang zugeschärft, jedoch sehr
brüchig sind. Manche sind über y2 Millim. lang, bis etwa 20 Mikrom. dick
und zeigen im polarisirten Lichte die prächtigsten Farben. Isolirt man die
Krystalle, löst sie in verdünnter Salzsäure und fügt essigsaures Natron zu,
so erhällt man einen krystallinischen weissen Niederschlag. Die Nadeln sind
demnach Kalkoxalat. Schüttelt man feinere Schnitte der Zwiebel mit Wasser,
so setzen sich die Krystalle reichlich genug ab, um schon dem unbewaffneten
Auge sichtbar zu werden. Trotzdem ist ihre Menge dem Gewichte nach
unbedeutend. Directe Bestimmung der Oxalsäure (durch Titriren mit
Chamaeleon) ergab nur 3,07 pC. Oxalat Ga2 O, G203-(- 3 H2Ö für weisse
bei 100° C. getrocknete Waare, welche mir überhaupt nur 4 pC. Asche lieferte.
Jene ausserordentlich spitzigen zerbrechlichen Nadeln des Kalkoxalates
sind es auch, welche auf der Haut eingerieben Jucken, Brennen, Ery-
them, selbst kleine Bläschen hervorrufen J). Diese mechanischen Wirkungen,
die von der Zwiebel selbst längst bekannt sind, wollte man früher einem
eigenthümlichen scharfen und flüchtigen Stoffe zuschreiben; Schroff hat
ihre wahre Ursache erkannt.
Gerbstoff fehlt wenigstens den mittleren Schalen , da feine Schnitte der-
selben von Eisensalzen nicht gefärbt werden. Gummi und Zucker (22 pC.
des letzteren, Rebling) sind der Menge nach Hauptbestandtheile der Meer-
zwiebel, deren besonderer Bitterstoff, das Scillitin, merkwürdige Eigen-
schaften zu besitzen scheint, aber immer noch nicht befriedigend gekannt
ist. Tilloy fand das Scillitin harzartig, giftig, vermuthet aber daneben
noch einen (anderen) Bitterstoff. Nach Marais wäre das Scillitin ein
giftiges unkrystallisirbares Alkaloid, nach M and et hingegen unschäd-
lich, von diuretischer Wirkung, während ein zweiter Stoff, das Skulein,
giftig sei.
Auch Schroff, dem wir (1865) eine werthvolle Monographie der Meer-
zwiebel vei danken, schliesst aus seinen physiologischen Versuchen auf die
Gegenwart eines nicht flüchtigen scharfen Stoffes (Skulein?) neben Scillitin,
das ganz besonders in den äussersten Schalen der rothbraunen Zwiebel
seineu Sitz habe, in den innersten Schalen aber fehle. Im Scillitin vermuthet
Schroff ein Glykosid.
Die Meerzwiebel ist eines der ältesten, vor Jahrtausendeu schon von den
’) Die Blätter der überall cultivirten Ampelopsis hederacea Michaux (Canadische Rebe
strotzen ebenfalls von solchen Krystallnadeln und erregen beim Kauen dasselbe Gefühl, nur
ist es hier nicht mit Bitterkeit vorbundeu, da die Blätter angenehm säuerlich schmecken.
188
Wurzelbildungen der Dikotylen.
ägyptischen Priestern angewendeten Arzneimittel. Plinius kannte bereits
die beiden Varietäten und gab der weissen den Vorzug. J. Bauliin hob
1 ich tig hervor, dass sich die weisse und die rothe Meerzwiebel nur durch die
Färbung unterscheiden, während spätere Beobachter Merkmale wahrge-
nommen haben wollten, welche die beiden Spielarten weiter von einander
entfernen würden. Längere Zeit hindurch war auch der Irrthum verbreitet,
dass die jüngeren inneren und kräftigeren Schalen weiss, die äusseren ab-
sterbenden, weniger wirksamen roth gefärbt seien und von der gleichen
Pflanze kämen, während die rothbrauue Varietät mit wenigen Ausnahmen
in Wirklichkeit durch und durch roth gefärbt ist.
Von jeher kannte mau auch eine kleine mildere nur halb so grosse
Meerzwiebel, die bei den Alten Pankratium hiess und vermuthlich Pancra-
tium maritimum L. (Squilla Pancratium Steinheil) war. Sie soll reich
an Stärkemehl sein, dagegen beim Einreiben in die Haut kem Jucken und
Brennen bewirken.
III. Dikotylen.
A. Wurzelbildungen ohne erheblichen Geschmack.
Radix Althaeae.
Radix Altheae. Eibischwurzel. Racine de Guimauve. Marshmallow root.
Althaea officinalis L. — Malvaceae.
Der Eibisch findet sich an feuchten Stellen durch Mitteleuropa sehr zer-
streut bis zur Ostsee, auch in England, scheint jedoch mehr in Südeuropa
einheimisch zu sein, wohl auch im Oriente. Buhse z. B. fand ihn in Per-
sien, wo er einen eigenen Namen führt, Ledebour in den südsibirisch-
dsungariscken Steppen. Er zieht Meeresküsten und salzige Standorte
vor, wie z. B. die griechischen Küsten, Salzsümpfe bei Zaragoza in Spa-
nien, die Nähe von Salinen in Frankreich (Lons-le-Saulnier) und Deutsch-
land (Dürkheim).
Zum officinellen Gebrauche dienen wohl nur die zweijährigen Wurzeln
der cultivirten Pflanze, welche z. B. vou Nürnberg und von Schweinfurt in
grosser Menge in den Handel gebracht werden. Der Eibisch gedeiht bis
Throndhjem in Norwegen und hat sich auch schon in Nordamerika und
Australien angesiedelt.
Die perennirende Wurzel wird fusslaug, oben bis 0,030"' dick, geht
ziemlich gerade, bisweilen um ihre Axe gedreht abwärts und theilt sich be-
sonders nach unten in eiuige starke Nebenwurzeln. Die hell graugelbliche
Oberfläche ist nach dem Trocknen längsrunzelig, mit nicht sehr zahlreichen
feinen Querrissehen und vielen Narben abgestorbener Zasern und Neben-
wurzelu versehen. Im Alter wird die W urzel holzig, so dass sie nur brauch-
bar ist, so lange sie ihre fleischige zarte, auch nach dem Trocknen weiche
Textur besitzt. Gewöhnlich wird die dünne gelblichgraue Korkschicht mit
Radix Altliaeae.
189
eiuem Theil der Mittelrinde abgeschält und die kleinen Wurzelzasern be-
seitigt, so dass die Handelswaare aus einfachen ziemlich geraden, bis un-
gefähr 0,20m langen und bis 0,1 5ra dicken weisslicken Stücken zu bestehen
pflegt, die von wenigen starken Längsfurchen durchzogen und mit bräun-
lichen Narben besetzt sind. Sehr häufig liefert auch schon der Grosshandel
die Wurzel in kleine Würfelchen geschuitteu. — Der Farbe soll bisweilen
in nicht zu billigender Weise durch Kalk oder Kalkmilch nachgeholfen wer-
den. Gut beschaffene Wurzel ist innen rein weiss, ihr Kern bricht uneben
körnig, die ungefähr 2, nach dem Aufweichen 3 Millimeter dicke Rinde
dagegen ist sehr zähe und bricht langfaserig. Dieselbe wird grösstentheils
von der strakligen und nach innen sehr deutlich gefelderten Bastschicht
eingenommen, welche durch eine feine bräunliche Kreislinie scharf von dem
besonders an der Peripherie regelmässig strakligen Holzkerne getrennt ist.
Das Centrum wird nicht von Mark, sondern von zerstreuten Gefässträngen
gebildet. Der Durchmesser des Kernes beträgt 5 bis 6 mal mehr als die
Dicke der Rinde.
Etwa 10 Reihen ansehnlicher dünnwandiger gelblicher, fast kubischer
Tafelzellen von gewöhnlicher Form bilden die Korkschicht, welche all-
mälig in die grösseren, nur wenig tangential gedehnten Zellen der schmalen,
da und dort etwas gelb gefärbten Mittelrinde übergehen. Einzelne zu weit-
läufigen Kreisen geordnete aber sehr zerstreute Gruppen schwach gelblicher
Baströhren bezeichnen die Innenrinde, welche vorwiegend aus kugelig-
eiförmigem, vom Mittelrindengewebe wenig abweichendem Bastparenchym
gebaut und von ein- oder zweireihigen Markstrahlen durchschnitten ist,
dereu mehr eckiges Gewebe sich allmälig in die Mittelrinde verliert. In der
Nähe des Cambiums sind die Baströhrenstränge zahlreicher und bedingen
durch ihre regelmässigere Anordnung zwischen den Markstrahlen und dem
Bastparenchym das gefelderte Aussehen der Innenrinde. Die Röhren, deren
je 3 bis 30 zu sehr langen Bündeln verwachsen die ganze Wurzel durch-
ziehen, unterscheiden sich durch ihre ästige Gestalt und weite Höhluno-
von der sonst ähnlichen Baumwolle. Die einzelne Faser der Altkaea
erreicht einen Durchmesser von 15 Mikromillim. bei einer Wanddicke
von höchstens 3 Mikrom. und läuft ganz allmälig in eine abgerundete
bpitze aus. Die Wände sind von sehr feinen, spiralig verlaufenden Poren
durchsetzt und biegsam, so dass in den Bastbündeln der Querschnitt der
einzelnen Faser durch gegenseitigen Druck eckig erscheint. Im polarisirten
Lichte nimmt die Althaeafaser den lebhaften Glanz, aber nicht die Farben
der Baumwolle an.
Die Cambialzone enthält gegen 10 Reihen zarter inhaltsloser, tangential
Kern d W e?' Df ™rherrsdiend a*s kugeligem Gewebe bestehende
ziemlich* +ZeiS,t C c mul f5ort zw‘sclieii den schmalen regelmässig und
ich genähert verlaufenden Markstrahlen bis über 70 Mikromillim. weite
lupfel- oder Treppengefässe von gelber Farbe, die besonderem Centrum
rnes und in älteren Wurzeln von einigen weiten spitzendigen , aber
190
Wurzelbildungen der Dikotylen.
kurzen Holzzellen begleitet werden. Diese schwachen Holzbündel sind un-
deutlich radial geordnet und enthalten jeweileu 1 bis 3 , im Centrum auch
mehr Gefässe.
Als Hauptinhalt des gesammten pareuchymatischen Gewebes stellt sich
Stärke heraus. Sie erscheint in ziemlich ungleichen bis gegen 30Mikromill.
grossen eiförmigen oder annähernd kugeligen, nicht deutlich geschichteten
Körnern mit bogenförmig , linien - oder sternförmig aufgerisseuer Höhlung.
Statt des Stärkemehles enthalten einzelne nicht sehr zahlreiche Zellen be-
sonders in der Mittelrinde, aber auch im Holzparenchym bis ungefähr 35 Mi-
kromillimeter erreichende Krystallrosetteu von Kalkoxalat.
Hier und da kommen einzelne , manchmal etwas grössere leere Zellen
vor, welche auch unter Terpenthinöl betrachtet keinen Inhalt darbieteu.
Es lässt sich kaum entscheiden, ob hier vorzugsweise der Sitz des Schleims
zu suchen ist, oder ob sie nur durch die mikroskopische Präparation ihren
luhalt verloren haben. In Form und Grösse weichen diese leeren Räume
nicht wesentlich von den benachbarten Parenchymzellen ab. Da das ganze
Gewebe in Wasser bedeutend aufquillt, so ist es wohl wahrscheinlicher,
dass der Pflanzenschleim gleichmässig durch das Gewebe verbreitet ist.
Die Eibisch wurzel besitzt einen eigenthümlichen, wenn auch nur sehr
schwachen Geruch und faden schleimigen Geschmack.
Der Eibischschleim scheint nach den allerdings nicht genau über-
einstimmenden Analysen von Schmidt und von Mul der der Formel
G12H-°Ö1Ü zu entsprechen, welche durch einen Mindergehalt von 1 Mol.
Wasser (H20) vom arabischen Gummi abweicht, dessen allgemeine Eigen-
schaften der Schleim zeigt. Er beträgt über 35 pC., die Stärke eben so viel.
Neben Schleim enthält die Wurzel auch Pektin (11 pC. Büchner) und
Zucker (lOpC. Rebling), sowie etwa 1 pC. fettes Oel und 8pG. phosphor-
sauren Kalk. Der Zucker ist nach W ittstock Rohrzucker. Gerbstoff findet
sich höchstens in der Aussenrinde in sehr geringer Menge vor. Bacon in
Caen erhielt 1826 aus der Wurzel Krystalle eines von ihm für eigen thürn-
lich gehaltenen und Althäin (Altheine) genannten Stoffes, den Plisson
1827 als identisch erkannte mit dem schon 1805 von Vauquelin u. Ro-
b i q u e t aus Spargel dargestellten A s p a r a g i n , G4 Hs N 2 Ö ! -f- H2 0, welches
sich seitdem als ein sehr verbreiteter Pflanzenbestandtheil herausgestellt hat
(vergl. z. B. Cynodon Dactylon unter Rhizoma Gramiuis, Rad. Liquiritiae).
Gorup-Besanez hat es auch in der Wurzel von Scorzonera hispanica L.
getroffen. Die Eibischwurzel gibt nicht mehr als etwa 0,8 bis 2 pC. Aspa-
ragin, das fast geschmacklos ist und ohne bedeutende physiologische Wir-
kung zu sein scheint. Es krystallisirt in grossen Prismen oder Oktaedern
des rhombischen Systems, welche für sich und in Lösung vollkommen halt-
bar sind, aber leicht Zersetzung erleiden, wenn die Auflösung noch durch
gewisse andere Bestandtheile der Wurzel verunreinigt ist, welche als Ferment
wirken. Ahch Saft von Wickenkeimen, Hefe oder faulender Käse führen
dieselben Zersetzungen herbei, deren Endprodukt bernsteinsaures Ammoniak
Radix Rubiae.
191
ist, indem die Elemente des Wassers und durch die Gährung entwickelter
freier Wasserstoff eintreten:
G4H8N2-03 + H2-G-f-H2 = 2 NH3, 04HÖ&4
(krystallisirtes Asparagin) (bernsteinsaures Ammoniak).
Durch den Einfluss von Säuren oder Basen , auch schon durch anhaltendes
Kochen der wässerigen Lösung zerfällt das (krystallisirte) Asparagin in
asparagsaures Ammoniak (NH3, G4H7NG-4), dessen Elemente es geradeauf
enthält.
Diese Zersetzungen, namentlich die erstere, erleidet das Asparagin
schon in der ziemlich hygroskopischen Wurzel selbst, wenn dieselbe allzu
lange und nicht sehr trocken aufbewahrt wird. Das Asparagin ist zuletzt
ganz verschwunden, und die Wurzel gibt jetzt ein gelb gefärbtes, zum Theil
durch Buttersäure übel riechendes Decoct. Ohne Zweifel spielt ein Protein-
körper hierbei die Rolle des Fermentes. Scheidet man denselben ab und
bringt ihn mit Kreide und Zucker zusammen, so entsteht nach Larocque
Milchsäure und Buttersäure.
Der frühzeitigen Anwendung als Heilmittel (’A.XÖo?) in Griechen-
land verdankt die Pflanze ihren Namen. Zu ihrer grösseren Verbreitung in
Deutschland trug die Verordnung Karls des Grossen bei, wonach sie in den
kaiserlichen Gärten angebaut werden sollte. Sie heisst hier, im Capitulare
de villis, Ibischa (vom alten griechischen Namen 'fßtcr/.o c) oder Bismalva,
sonst auch im Gegensätze zu den eigentlichen Malven Mismalva.
Die Wurzeln anderer Althaea- Arten stimmen in chemischer Hinsicht
mit der officinellen nahezu überein. So die von Büchner untersuchte und
etwas weniger schleimig befundene Wurzel von A. taurinensis DC. (oder
A. narbonensis Pourr.?) aus Südeuropa, welche aber nicht in den Handel
zu gelangen scheint.
B. Vorwaltend süsslich oder süss schmeckende
W urzelbildungen.
Radix Rubiae.
Krapp wurzel. Färberröthe. Garauce. Madder.
Rubia tinctorum L. — Rubiaceae.
Die Färberröthe ist im Ostgebiete des Mittelmeeres, auch in Kaukasien
einheimisch, wird aber in Süd- und Mitteleuropa sehr viel angebaut im
grössten Maasstabe z. B. bei Avignon, im Eisass, in Holland.
Die etwas knorrige kurze cylindrische Hauptwurzel theilt sich in zahl-
reiche Aeste und treibt auch vierkantig-rundliche gegliederte Ausläufer ; die
Handelswaare besteht hauptsächlich aus den Wurzelästen 3-4 jähriger
flanzen, welche etwa fusslang und durchschnittlich ungefähr 0,005 m dick
weuen. le sind unregelmässig hin- und hergebogen, mit nur spärlichen
Wurzelzasern besetzt und ziemlich tief längsrunzelig, von matter graurother
192
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Oberfläche. Die dünne Korkschicht blättert leicht ab und entblösst dann
die schmale sehr zusam inengefallene dunkelrothe Rinde, welche einen weit
mächtigeren porösen aber nicht strahligen rothen Holzkörper einschliesst,
worin bisweilen Jahresringe zu unterscheiden sind. Nur die Ausläufer be-
sitzen ein bedeutendes tief duukelrothes Mark, dessen Querschnitt eine oft
sehr spitzwinklige Raute bildet; in der Wurzel ist das Mark enger, meist
hohl und in ihren Aesten gar nicht vorhanden. Nach dem Aufweichen
nimmt die Rinde im Querschnitte eine dem Holzkörper nahe kommende
Breite von etwa 0,001 m an und zeigt in der inneren Hälfte undeutlich
strahligen Bau.
Die anatomische Beschaffenheit der Wurzel ist sehr einfach. Der Kork
besteht aus wenigen Schichten ansehnlicher, fast kubischer oder ein wenig
flacher Zellen; die Mittelrinde aus weitem dünnwandigem tangential ge-
strecktem Parenchym, welches unmerklich in das etwas engere Gewebe der
Iunenrinde übergeht. Markstrahlen, Bast und Cambium sind nicht scharf
ausgeprägt, doch sind die Zellen der beiden letzteren Gewebe oft etwas
dickwandig und im Längsschnitte mehr axial gestreckt. Das Holz besteht
gleiclnnässig, ohne Markstrahlen , aus porösem, nur wenig verholztem Pro-
senchym und weiten Tüpfelgefässen. Das Mark, wo es vorhanden, zeigt
grosse dünnwandige kugelig-eckige Zellen. Rinde und Mark sind im frischen
Zustande mit einer wässerigen tief rothgelben Flüssigkeit erfüllt, welche
durch Wasser, nicht aber durch Terpenthinöl, rasch weggeführt wird. Das
Holz dagegen ist von einer hellgelben Flüssigkeit durchdrungen, welche erst
beim Trocknen der Wurzel die schön rothe Farbe ertheilt. An der Grenze
des Holzkörpers zeigt schon die frische Wurzel auf dem Querschnitte oft
rosenrothe Färbung; Alkalien färben prachtvoll purpurn.
Einzelne Zellen der Iunenrinde sind mit senkrecht zur Axe gestellteu
Garben von Krystallnadelu (Kalkoxalat) gefüllt, sonst ist ein fester Inhalt
ausser den rothbraunen Körnchen des eingetrockueten Farbstoffes nicht be-
merklich.
Wegen des Mangels an Baströhren und derberen Holzbüudeln bricht
die Wurzel kurz und ziemlich glatt ab. — Sie schmeckt schwach süsslich,
zugleich (besonders im frischen Zustande deutlich) kratzend bitterlich.
Eine weit bedeutendere Rolle als in der Medicin spielt die Wurzel in
der Färberei, vorzüglich zu Türkischroth auf Baumwolle. Der gemahlenen,
durch Abschlägen zum Theil vom Korke befreiten Wurzel, welche in unge-
heuren Mengen in den Handel gelangt, kömmt der Name Krapp zu; die
beste Sorte, aus der Levante, heisst Alizari oder Lizari ’).
Die grossartige Bedeutung des Krapps für die lechnik hat ausgezeich-
nete Untersuchungen desselben vou Chemikern wie Schuuck, Colin,
Robiquet, Runge, Strecker, Rochleder u. A. veranlasst. Eine
gute Zahl von Bestandteilen des Krapps oder vou Zersetzungsprodukten
1) 'Piniol, griechischer Name der Färberröthe.
Radix Rubiae.
193
derselben sind durch diese Arbeiten bekannt geworden , deren Hauptergeb-
nis, von manchen noch ungelösten Widersprüchen abgesehen, in folgen-
dem besteht.
Der Hauptfarbstoff des Krapps, das Alizarin, ist in der Wurzel nicht
schon fertig gebildet, sondern mit Zucker gepaart vorzüglich als Ru bi an
(sonst auch als Rubery thrinsäure, zum Theil auch wohl als Xanthin
bezeichnet) vorhanden.
Das Rubian , wovon die (frische) Wurzel ungefähr 2 pC. liefert '), ist
eine braungelbe gummiähnliche, in Wasser sehr leicht lösliche Masse
von geringem Färbungsvermögen und von sehr bitterem Geschmack©. Die
Spaltung in Zucker und Alizarin oder andere, zum Theil erst sekundär
auftretende Produkte, erleidet das Rubian durch stärkere Säuren , durch
Chlor, durch Emulsin (nicht durch Hefe), ganz besonders aber durch
das Erythrozym, einen der Färberröthe eigenthümliehen Protein-
stoft. Die Farben Veränderung, welche die Wurzel schon beim Trocknen
erleidet, beruht auf der durch das Erythrozym eingeleiteten Zersetzung
(Gähruug) des Rubians, welche sich genauer in einem nicht gekochten
Krappauszuge verfolgen lässt. Die süss und zugleich bitter schmeckende
rothbraune Flüssigkeit nämlich wird schon nach wenigen Stunden dick,
gallertartig und verliert ihre Farbe und Bitterkeit. Die Gallerte zeigt, na-
mentlich bei einiger Concentration , rothgelbe Flocken von AlizariVund
anderen gelben krystallisirbaren Körpern (Rubiacin, Rubiafin, Rubiacinsäure,
Rubiadin, Rubiagin) in geringer Menge, ferner amorphe Harze (Rubiretin.
und Verantin2), Pectin und ein halbflüssiges gelblichbraunes Fett, das Ru-
biadipin, welches sich in Alkalieu mit blutrother Farbe löst. Aus der von
der Gallerte getrennten Flüssigkeit fällt Schwefelsäure noch mehr Alizarin
und Purpurin; erstere enthält überdies den freigewordenen Zucker3).
Das Rubian scheint aber nicht das einzige Glykosid des Krapps zu sein
welches F arbstoffe als Paarlinge enthält. Auch die in gelben Nadeln krystalli-
sn-ende Ruberythrinsäure (Rochleder’s), das Rubihydran und Ru-
B aber doch ohne Zweifel weit mehr enthält.
im Mittelalter, woher das moderne französische Garance.
gewinnen bekanntlich daraus sehr viel Weiugeist. Bei der Gähning
auf (rrtwr* 1 n \
13
194
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Austritt von Ameisensäure grün färbt. — Die Aschenbestandtlieile der
trockenen Wurzel betragen etwa 5 pC.
Das Alizarin, der für die Praxis fast allein werthvolle Krappstoff,
kann nur zu etwa 2 — 3 pC., am besten vermittelst schwefliger Säure in
reinem Zustande aus (Avignon-) Krapp gewonnen worden. Es krystallisirt
in dunkelgelben, durchaus nicht rothen Prismen O1ÜH<J03 -h 2 H20, welche
bei 100° undurchsichtig werden , ohne weitere Veränderung ihr Krystall-
wasser verlieren und prächtig dunkelrothe Farbe annehmen. Mit Basen
vereinigt sich das Alizarin („Lizarinsäure“) zu Verbindungen von prächtig
rother, oft ins blaue spielender Farbe, worauf die Verwendung des Krapps
als Farbstoff beruht. Es wurde 1826 durch Colin und Robiquet ent-
deckt. Stenhouse zeigte (1865), dass das Alizarin sehr reiu durch Subli-
mation des Morindins erhalten wird, welches in der Wurzel der indischen
Rubiacee Morinda citrifolia L. vorkömmt. Ueberlässt man Krapp der Gäh-
rung, so geht das Alizarin , wie es scheint unter Austritt von Kohlensäure,
in Purpurin G!’Hö03, über, welches sich von ersterem durch Löslichkeit
in heisser Alaunlösung und durch die reiu rothe, niemals blaue tarbe sei-
ner alkalischen Lösungen sehr unterscheidet. Man erhält etwa 1 pC. Pur-
purin. Concentrirte Schwefelsäure zerstört die Farbstoffe des Krapps nicht,
sondern nur seine werthlosen Bestandtheile. So behandelter Krapp ist da-
her relativ reicher an Farbstoff und wird als „Garancine" viel in den
Handel gebracht.
Die Wurzel von Rubia peregrina L. in Süd -Europa ist von der
oben beschriebenen wenig verschieden. Noch andere Arten derselben Gat-
tung dienen in Amerika und Indien zum Färben, in Bengalen namentlich
die Stengel der Rubia Munjista Roxbgk., welche den Ausläufern unserer
Färberröthe gleichen. Diese sogenannte Radix Mun) istae enthält nach
Stenhouse neben Purpurin das Munjistin, GsH603, einen dem Alizarin
und Purpurin nahe stehenden, aber in heissem V asser löslichen Faibstoff.
Unsere Handelswaare, namentlich der Krapp selbst, muss durch trockene
Aufbewahrung sorgfältig vor allzu weit gehender Gährung geschützt wer-
den, wodurch die Anfangs entstandenen Farbstoffe schliesslich wieder zti
stört werden.
Die Färberröthe war schon den Griechen vermuthlich als Erythroda-
num, den Römern als Rubia bekannt; in Mitteleuropa und Südfrankreich
fand ihr Anbau im grossen schon im XVI. oder im XV. Jahrhundert statt.
Radix Liquiritiae hispanicae.
Radix Glycyrrhizae glabrae. Süssholz, spanisches oder deutsches. Laknz-
wurzel. Reglisse. Bois doux. Liquorice root.
Glycyrrhiza glabra L. — Papihonaceae.
Syn.: Liquiritia officinalis Mönch.
Das gewöhnliche Süssholz ist eine mannshohe Staude, die in Südeuropa
von Spanien bis Ungarn und Südrussland , auch in Persien (Ainslie,
Radix Liquiritiae hispanicae.
195
Bu kse) einheimisch ist. In Griechenland z. B. findet sie sich häufig in der
Nähe der Küste, doch nicht eben im feuchten Grunde, in grosser Menge
vorzüglich zwischen Korinth und Patras1). In Italien besitzt namentlich
Calabrien viel Süssholz, in Frankreich die Departements Indre et Loire,
Gard, Herault, die Gegend von Bayonne, auch die Touraine, in Spanien
Sevilla, Saragossa, Valencia, Alicante und Tortosa. Es wird sehr häufig
im grossen angebaut, sogar in Deutschland (Znaym in Mähren, Franken)
und England (Yorkshire, Northampton, Mitcham in Surrey), obwohl es
gegen die Kälte empfindlich ist.
Das ausdauernde Wurzelsystem dieser Pflanze ist sehr entwickelt. Der
starke, gerade in die Erde dringende Hauptstamm ersetzt alljährlich die ab-
gestorbenen, nur am Grunde eigentlich verholzten Stengel, treibt aber auch
abwärts marklose Neben wurzeln und gerade oder schief aufwärts oder nach
den Seiten zahlreiche, meist ziemlich einfache, bis fingerdicke und meist
horizontal weithin kriechende Ausläufer. Beide Formen der Verzweigung
finden sich oft, in entgegengesetzter Richtung wachsend, dicht neben ein-
ander von der Hauptwurzel abgehend. Die Ausläufer sind durch ein eckiges
Mark und durch mehr oder weniger entfernte, abwechselnd hervorbrechende
Stengelknospen ausgezeichnet.
In unseren Gegenden ist das Süssholz von Tortosa (Catalonien) am
meisten geschätzt. Es kömmt in mehrere Fuss langen Bündeln von durch-
schnittlich 0,005™ bis 0,015™ dicken Ausläufern oder Nebenwurzeln vor,
enen die Hauptwurzeln seltener beigegeben zu sein pflegen. Diese Sorte
besteht aus meist geraden oder nur wenig hin und her gebogenen Stücken,
welche selten da und dort einen vereinzelten Ast tragen und bei bedeuten-
der Lange fast die gleiche Stärke bewahren.
heäeld £ °bTfläC+he n°Ch ,mit dei' äussersten graugelblichen Korklage
P •• ’ .®rsclJemt .sie ziemlich glatt, etwas querrissig und längsrunzelig.
Grosstentheils aber ist dieses Periderma abgescheuert und die inneren
mehr rothbraunen, tief längsfurchigen Korkschichten treten dann hervor’
Alter vermehren auch zahlreiche Korkwarzen die Unebenheit der Ober-
fläche noch sehr, besonders an der Hauptwurzel.
D®1 Querschnitt der stärkeren Ausläufer bietet eine bis 0 003™ dicke
bräunliche oder blass gelbliche Rinde dar, welche deutliche Bastkeile erken
“ 'z zr rf eine febe Cambi"miiuie di™h -»
In T et7? ‘!fCimaI dickere“ Holze schinden ist.
“icbte ™ seien Xefcfen
trtoZ zo^n rtlf Ien *'“*“*? “d auch oft durch wellige concen.
genräet Die rvf ■ S S * dert; se te“er S1IK| einige wenige Jahresringe ans-
gepid t. Die Gefassoflhungen zeigen sich besonders in den äusseren Hnl7
bundeinziemlich weit. Die Mitte wird durch ein
l) v. Hejdre ich, Nutzpflanzen Griechenlands. 1862.
18*
19G
Wurzelbildungeu der Dikotylen.
Mark von rundlichem oder drei- bis fünfeckigem Umrisse eingenommen. Der
Durchmesser desselben ist verschwindend klein oder bis etwa 2 Millimeter dick.
Holz und Rinde, mit Ausnahme des Markes, wo dasselbe vorkömmt, brechen
langfaserig und schneiden sich zähe, fast hornartig.
Das Süssholz aus Alicante ist nicht wesentlich verschieden, obwohl im
ganzen von etwas geringerem Aussehen, bisweilen von weniger lebhaft
gelbem Querschnitte und öfter von holzigen Hauptwurzeln begleitet. Ein-
zelne Stücke sind aber nicht von der Tortosa- Sorte zu unterscheiden und
eben so wenig das nur in geringer Menge auf den Markt gelangende deutsche
Produkt. — Der Grosshandel liefert alle diese Sorten immer ungeschält.
Der Kork ist aus den gewöhnlichen braunen Tafelzellen in etwa 10
oder mehr Reihen gebildet. Die äussersten jedoch sind weit aufgelockert
und in der Verwitterung begriffen, die innersten, noch lebensthätigen, enger,
macuhmal gewölbt und ungefärbt. Die Mittelrinde bleibt auf 2 bis 4 Reihen
tangential gestreckter, aber in keiner Weise ausgezeichneter Zellen be-
schränkt, das ganze übrige, bei weitem vorherrschende Rindengewebe ge-
hört der Bastschicht au. Von den mit 3 bis 7 Reihen aus dem Holze in
die Rinde übertretenden, gegen die Peripherie aber erweiterten Markstrahlen
abgesehen, besteht der Bast aus drei verschiedenen Gewebsformeu. Die
grösste Ausdehnung besitzt das ziemlich weitmaschige Parenchym, dessen
Zellen jedoch an Grösse von denen der Markstrahlen übertroffen werden.
Das Prosenchym des Bastes tritt in zwei Formen auf, nämlich erstens in
sehr laugen biegsamen, bis 15 Mikromül. dicken Köhren oder vielmehr
Fasern , indem ihnen oft ein deutliches Lumen abgeht. Die schön gelben
Wände zeigen bisweilen sehr feine , spiralförmig aufsteigende Streifen oder
Kanäle. Diese weichen Bastfasern sind in verschiedener, oft sehr be-
trächtlicher Anzahl zu Bündeln vereinigt, welche um so mehr einen unregel-
mässigen rundlichen oder radial verlängerten Querschnitt darbieten, als sie
nicht genau vertical verlaufen, sondern ii?sauften Biegungen aufsteigen und,
wie tangentiale Längsschnitte dartlmu, häufig durch Abzweigungen unter
sich verbunden sind. In Folge gegenseitigen Druckes fallen die Querschnitte
der einzelnen Bastfasern häufiger eckig als rundlich aus. In jedem von
zwei Markstrahleu eingefassten Baststrahle lassen sich zwei Radialreihen
vou Bastbündeln verfolgen, die manchmal ziemlich genau paarweise geord-
net, häufiger aber in ungleichen Abständen auftreteu. Wo nämlich der
Horizontalschnitt einen Seitenzweig trifft, wird noch ein drittes Bündel
zwischen zwei benachbarten Bastgruppen erscheinen, so dass ein Baststrahl
mitunter drei Radialreihen derselben aufzuweisen hat. Umgekehrt ver-
schmelzen sich bisweilen zwei Bündel, namentlich treten oft die beiden
äussersten eines Baststrahles dicht unter der Korkschicht bogen- oder sichel-
förmig zusammen.
Die pareuchymatischeu Zellen des Bastes (wie übrigens auch die Mark-
strahlen) zeigen nach dem Auswaschen des Stärkemehles zarte, undeutlich
spiralige Ablagerungen oder Streilen und Löcher auf ihrer Inneuvaud.
Radix Liqniritiae hispanicae.
197
Damit hängt vielleicht zusammen, dass diese Wände oft so verdickt, mit
benachbarten Zellwandungen verwachsen und so verbogen sind, dass die
einzelne Zelle fast gar nicht mehr zu unterscheiden ist. Durch Schwinden
der Querwände erhält dieses Gewebe schliesslich prosenchymatische Form
und stellt sich als die zweite Art des Bastprosenchyms, als Hornbast dar,
wie er bei vielen Rinden vorkömmt. Der Hornbast des spanischen Siiss-
holzes zieht sich sehr unregelmässig als knorpeliges Adernetz zwischen dein
Parenchym und den Faserbündeln durch, indem seine zahlreichen geschlän-
gelten Adern oder Bänder die verschiedenen Bastbündel bald der Quere
nach (tangential, doch selten und mehr nur im Alter bogenförmig), bald in
radialer Richtung verbinden. Gewöhnlich sind auch die Hornbastadern
schwächer gelb gefärbt als die Faserstränge und jedenfalls ertheilt Jod in
Jodkalium den letzteren immer eine tiefer braunrothe Färbung.
in den innersten Schichten der Baststrahlen ist der Hornbast in jüngeren
Stücken noch nicht ausgebildet oder geht allraälig in die Gambiumzone über.
Das Holz enthält sehr zahlreiche, im Maximum etwa 180 Mikromill. weite
Tüpfelgefässe von sehr verschiedenem Durchmesser, welche bald einzeln,
bald zu 2 oder 3 die Breite einer Holzlamelle (Holzstrahl oder Holzbündel)
einnehmen und schön gelb gefärbte Wände besitzen. Starke oft zersprengte
Querwände theilen die laugen Gefässe in zahlreiche kürzere, sackförmige
Stücke ab. 'Das Holzprosenchym sieht im Querschnitte den Bastbündeln
sehr ähnlich und begleitet in cylindrischeu oder bogenförmigen Strängen die
Gefässe. Das Lumen ber Holzzellen ist sehr beschränkt, ihre Wände nur
sehr fein porös und die spitzen Enden dicht in einander gekeilt. Die Aus-
füllung zwischen den Gefässen und dem Holzprosenchym übernimmt ein
würfelzeiliges Gewebe, das dem Bastparenchym gleicht.
Das Mark mit seinen ansehnlichen, kugelig-eiförmigen Zellen ist, wo es
vorkömmt, scharf vom Holzringe abgegränzt.
Fast das gesammte Parenchym der Süssholzwurzel strotzt von Amylum
in kleinen, höchstens 10 bis 15 Mikromill. erreichenden eiförmigen Körnchen.
Ganze Stockwerke des Parenchyms, welches die Bastbündel begleitet,
enthalten in ihren Zellen je einen Krystall von Kalkoxalat; ebenso die Zellen
des Holzparenchyms. Die Kryst-alle kommen in Form und Grösse mit denen
von Cortex Strychni überein, die ansehnlichsten trifft man vereinzelt im
Marke. In den Gefässen finden sich nur selten braungelbe Harzklumpen
ausgeschieden.
Frisch besitzt das Siissholz einen sehr geringen unangenehmen Geruch
und leicht kratzenden Beigeschmack. Nach dem Trocknen ist es fast, ohne
Geruch und von ziemlich rein süssem, etwas schleimigem Geschmacke.
In dem kalten wässerigen Auszuge bewirkt Alkohol eine geringe Fällung
von Gummi (Pektin?); beim Kochen gerinnt ein Eiweisstoff. Auch Gerb-
stoff ist in der Aussenrinde in unbedeutender Menge vorhanden. Den schön
gelben Farbstoff, der besonders die Gefässwände durchdringt, nimmt Kali
sehr gut, mit intensiver, anfangs grünlicher, zuletzt rein gelber, nicht
198
Wurzelbildungen der Dikotylen.
rother Färbung auf. Der Geschmack der Wurzel ist durch Zucker und
Glycyrrhizin bedingt. Der erstere, vermuthlich Traubenzucker, wird im
kalten wässerigen Auszuge durch die schon in der Kälte erfolgende Reduk-
tion des zugesetzten alkalischen Kupfertartrats angezeigt. Vielleicht aber
entsteht dieser Zucker beim Trocknen erst aus dem Glycyrrhizin, denn
frische, sehr süss schmeckende Wurzel gibt mit kaltem Wasser eine in der
Kälte gar nicht und bei anhaltendem Kochen nicht einmal reichlich Kupfer-
oxydulhydrat ausscheideude Flüssigkeit.
Schon frühe erkannte man neben dem Zucker einen eigenthümlichen
süssen Stoff, Glycyrrhizin (Süssholzzucker), der durch den geringsten
Zusatz von Säure oder Weinsteinlösung, auch durch Bleizucker, aus dem
nur sehr schwach sauer reagirenden Auszuge gefällt wird. Die hellgelben
Flocken gehen nach kurzem zu einer zähen braunen Masse zusammen, die
nach der Reinigung als amorphes, gelblich weisses Pulver von stark
bittersüssem Geschmacke und saurer Reaktion erscheint. Es gibt mit
heissem Wasser eine beim Erkalten gelatinireude gelbliche Lösung, welche
alkalisches Kupfertartrat nicht reducirt, nicht gährungsfähig ist und die
Polarisationsebene nicht dreht. Als wahrscheinlichste Formel des Glycyr-
rhizins ergibt sich nach A. Vogel’s Analysen und nach den Versuchen von
Gorup - B esanez G24H3G09. Der letztere spaltete es (1861) durch
Kochen mit verdünnter Salzsäure, wobei sich ein eigenthiimlicher, etwas
aromatischer Geruch entwickelt, in bitteres, harzartiges und amorphes Gly-
c y r r e ti n und unkrystallisirbaren Zucker, welcher wie Traubenzucker reagirt.
Alkalien lösen das Glycyrrhizin leicht mit rothgelber Farbe, wobei ein
eigenthümlicher Geruch auftritt. Vielleicht ist es in der Wurzel zum Theil
mit Ammoniak verbunden enthalten , indem ihr wässeriger Auszug durch
schwaches Erwärmen mit verdünnter Kalilauge schon etwas Ammoniak
ausgibt. Die starken gelben Wände der Gefässe und der prosenchyma-
tischen Zellen scheinen der Hauptsitz des Glycyrrhizins (und Farbstoffes?)
zu sein, doch sieht man schon im Parenchym frischer Wurzel das Amylum
in gelbem Zellsafte liegen. Robiquet hat aus dem Süssholze auch Aspa-
ragin gewonnen, das jedoch erst von Plisson richtig erkannt wurde.
Der erstere fand ferner Aepfelsäure.
Das Süssholz war im Alterthum sowohl in Indien (Susrutas) als im
Abendlande wohl bekannt., doch scheint die Droge der Griechen eher der
Glycyrrhiza glandulifera Waldstein u. Kitaibel angehört zu haben, welche
Art ungefähr in demselben Verbreitungsbezirke wie Gl. glabra vorkömmt,
namentlich auch auf Creta sowie in Nordpersien unkrautartig wächst. Die
Griechen nannten die Pflanze bereits FXuxuppiCa (I Vr/.ocpua der Neu-
griechen), Süsswurzel, ebenso die Römer, z. B. Celsus, Radix dulcis.
Das deutsche Mittelalter kannte sie schon sehr frühe, so z. B. die
heilige Hildegard, Aebtissin von Rupertsberge bei Bingen (1098 bis
1197). Auch eines der bei Semen Hyoscyami erwähnten deutschen Arznei-
bücher aus dem XIII. Jahrhundert, von Tegernsee in Baiern, empfiehlt
Radix Liquiritiae rossicae.
199
„liquiricii“ zu einer Brustlatwerge. — Liquiritia, so wie das deutsche La-
kriz sind aus dem griechischen Namen verdorben. In einem lateinischen
Manu scripte ') der Stiftsbibliothek in St. Gallen aus dem X. oder IX. Jahr-
hundert finden wir z. B. die Uebergangsform Gliquiricia.
Radix Liquiritiae rossicae.
Radix Glycyrrhizae echinatae. Russisches Süssholz. Reglisse de Russie.
Russian liquorice.
Glycyrrhiza echinata L. — Papilionaceae.
Das stachelfrüchtige Süssholz gleicht bis auf die spitzigeren Blätter und
die bauchigen nur 1- oder 2 sämigen Hülsen dem gewöhnlichen und gehört
auch ungefähr dem nämlichen Verbreitungsbezirke an , der sich jedoch für
erstere Art durch das ganze südliche Sibirien, bis jenseits des Baikalsees und
südlich vom Caspischen See* 2) erstreckt. Sie wächst viel in den südösterrei-
chischen Ländern, auch im Innern Griechenlands häufig wild.
Das Wurzelsystem dieser Art scheint jedoch ziemlich verschieden und
vorherrschend auf eine mehr oder weniger ästige Pfahlwurzel beschränkt
zu sein. Sie soll hauptsächlich auf den Inseln des Wolga -Deltas ausge-
pflügt, roh über Astrachan nach Moskau und Petersburg gebracht und hier
erst geschält werden. Im deutschen Handel erscheint sie immer geschält
in Form hellgelber, meist ganz einfacher wenig gebogener bis 0,20 m langer
spindelförmiger Stücke. Der bis zu 0,04 m und mehr verdickte Wurzelkopf
zeigt die Ansätze mehrerer Stengel.
Der Kork des russischen Süssholzes besitzt, wie die wenigen noch vor-
handenen Reste zeigen, dieselbe Färbung "Wie bei Glycyrrhiza glabra. Die
Breite der Rinde beträgt selbst bei den dicksten Stücken nicht über 0,004 m,
der Durchmesser des Holzes daher häufig das 6 — lOfache. Der letztere ist
sehr deutlich strahlig, durch fast gelbrothe Farbe mit dem helleren Baste etwas
kontrastirend, dessen geschlängelte Keile bis an die Oberfläche dringen und
hier als zähe unter sich netzartig verbundene Fasern erscheinen. Durch
Schwinden des umgebenden Parenchyms erhält die Oberfläche der geschäl-
ten Wurzel auch häufig stellenweise ein grubiges gelockertes Ansehen.
Ebenso fehlen im Innern oft die Markstrahlen, so dass das zerklüftete Holz
sich leicht in seine einzelnen Strahlen oder Lamellen trennt. Jahresringe
sind trotz der bedeutenden Entwickelung des Holzes nicht wahrzunehmeu.
In grösseren Stücken ist das Mark sehr gering , in dünneren öeckig und
scharf begräuzt. Die ganze Wurzel ist hiernach weit leichter und lockerer
als das spanische Süssholz, bricht faseriger, schneidet sich leichter, nicht
zähe horuartig.
Diesen Eigenthümlichkeiten liegen entsprechende Abweichungen im
anatomischen Bau zu Grunde, welcher im Ganzen jedoch immerhin so an-
*) Liber medicinalis. No. 105. P. 182.
2) 'wahrscheinlich bis in dio nordchinesischen Provinzen.
200
Wurzelbildungen der Dikotylen.
gelegt ist wie bei Gl. glabra. Die Zellen der Markstrahlen dehnen sich bei
Gl. echinata mehr aus, und es setzen auch in den äusseren Holzschichten
häufig sekundäre Markstrahlen ein, welche eben die grössere Spaltbarkeit
oder sogar Zerklüftung des Holzes und Bastes bedingen. Die Gefässe er-
reichen wohl auch mitunter eine etwas bedeutendere Dicke, der Hauptunter-
schied liegt aber darin, dass das Prosenchym, die eigentlichen Holzzellen,
nicht nur mehr oder weniger zahlreiche Stränge bildet, sondern bei den
stärkeren W urzelu in den Holzstrahlen ganz vorherrscht und das Parenchym
sowohl als die Gefässe zurückdrängt. Die Wände der Holzzellen sind hier
nicht nur fein porös, sondern getüpfelt und zum Theil sehr dick.
Im Baste erweitern sich die ohnehin zahlreicheren Markstrahlen mehr
und weichen wellenförmig von der radialen Richtung ab. Dadurch wird
die zweireihige Anordnung der Faserbündel in den Baststrahlen sehr ge-
stört. Das Hornbastprosenchym bildet sich hier ebenfalls mehr aus und
stellt sehr häufig starke coucentrische Bogen dar, welche ihre convexe Seite
nach aussen wenden. Mit grosser Regelmässigkeit und nur durch einreihige
Parencliymstreifen getrennt folgen diese Hornbastbogen im innersten Theile
der Bastkeile bei dünnen Stücken unmittelbar nach dem Cambium dicht
aufeinander. In älteren Wurzeln, wo sich alle Gewebe erweitern, dehnen
sich die Bogen auch in die Breite aus und werden durch sekundäre Mark-
strahlen vollends in mehr vereinzelte Stränge aufgelöst. Jüngere Wurzeln,
die nicht stärker sind als die dicksten Wurzeläste des spauischen Siiss-
holzes, zeigen die Hornbastbogen deutlich; aber den dünneren Exemplaren
der letzteren Sorte fehlen sie ganz, und eine Auflockerung der Markstrahlen
findet sich , wenigstens in der käuflichen Wurzel der Gl. glabra niemals.
Hierin liegen die Hauptunterschiede beider Sorten , wenn man von der
grösseren Dicke der russischen absieht.
Im russischen Siissholze ist das Amylum weit spärlicher vorhanden,
namentlich wo die Markstrahlen in der Auflösung begriffen sind, finden
sich nur wenige und sehr kleine Körner. Umgekehrt verhält sich das Kalk-
oxalat, das hier, sowohl im Parenchym des Holzes und des Bastes, als auch
besonders in den Markstrahlen der Rinde in beträchtlicher Menge und oft-
mals mit grossem Formenreich thum auftritt. Sehr grosse scharf ausgebil-
dete monoklinische Oktaeder sind nicht selten.
Der Geschmack des russischen Süssholzes ist von dem des spanischen
nicht verschieden, wie überhaupt die chemische Beschaffenheit beider Sorten
übereinstimmt. Der ausschliessliche Vorzug, welcher trotz des höheren
Preises der ersteren z. B. in Norddeutschland (Pharm. Borussica 1863)
eingeräumt wird, ist wohl nur durch das bessere Aussehen der Waare be-
gründet und ein etwaiger Mehrgehalt an Glycyrrhizin oder Zucker darin
nicht festgestellt1). Russland, das diese Sorte allein liefert, verbraucht auch
gar keine andere.
1) Neese, in der sogleich anzuführendou Arbeit, behauptet, die russische Wurzel sei viel
reicher an Glycyrrhizin.
Radix Liquiritiae rossicae.
201
Das russische Süssholz wird ganz allgemein von Glycyrrhiza echinata
abgeleitet. Es ist aber sehr auffallend, dass die Wurzel dieser botanisch so
ausgezeichneten Art, die bei uns besser gedeiht, wenigstens häufiger Früchte
ansetzt, als Gl. glabra, von jener Droge sehr abweicht. Eine unter meinen
Augen seit etwa 5 Jahren cultivirte Pflanze z. B. gab eine vielköpfige, oben
bis über 0,050 111 dicke sehr ästige Wurzel, bedeckt mit einem äusseren
leicht abblätternden grau gelblichen Korkhäutchen und einer inneren mehr
rothbrauneu Korkschicht. Die Rinde ist selbst bei den dickeren Aesten nur
2 Millim. dick und durch breite Markstrahlen und schmalere Bastkeile
strahlig. Die letzteren reichen nicht ganz zur Peripherie, so dass sich etwa
6 — 8 Reihen tangential gestreckter dickwandiger Zellen als Mittelrinde
unterscheiden lassen. In den Bastkeileu sind die Faserbiiudel meist zwei-
reihig, der Hornbast weuiger entwickelt, doch in der Nähe des Cambium
ziemlich deutlich bogenförmig. Das Holz trägt ungefähr das Gepräge der
russischen Wurzel, jedoch ist das Prosenchym aus noch stärkeren Zellen
zusammengesetzt, so dass meine Wurzel bei weitem fester, holziger und
schwer zu schneiden ist, obwohl die Holzstrahlen oft schmäler sind als die
Markstrahlen. Das Holzparenchym bildet fast tangentiale Reihen, die Ge-
fässe sind klein und wenig zahlreich.
Der Inhalt der Gewebe entspricht dem des russischen Süssholzes, doch
ist die Stärke reichlich und in Körnern von 12 bis 20 Mikromill. vorhanden.
Auffallender Weise aber ist meine Wurzel im Innern von ganz weisser
karbe, die an der Luft einen Stich ins rosenfarbene aber nicht ins gelbe
annimmt. Kali färbt das Gewebe nicht. Jedoch gibt es da und dort rniss-
faibige dunkle Stellen, an welchen das Mikroskop reichliche Ausscheidun-
gen von braungelbem Harze in den Gefässen zeigt, die durch Kali tief blut-
roth gefärbt werden.
Diese kultivirte Wurzel schmeckte frisch und getrocknet unangenehm,
fast bitterlich kratzend, mit kaum wahrnehmbarem siisslichem Nachge-
schmäcke. Der Saft einiger Querscheiben reducirte alkalisches Kupfertar-
trat selbst nicht in der Wärme, während gleich viel käufliches russisches
k/Ussholz mit kaltem Wasser eine schon ohne alle Erwärmung reducirende
Losung gibt. Es fehlt also der hier gezogenen Wurzel der Zucker und das
Glycyrrhizin , sofern nicht vielleicht etwas des letzteren in jenen lokalen
Harzabsonderungen steckt. Der Gerbstoffgehalt ist nicht vermehrt Berg
hat in Berlin gewachsene Wurzel ebenfalls kaum gelb, sehr holzig und von
kratzendem, nicht süssem Geschmacke gefunden. Wiggers hatte dieselbe
Beobachtung gemacht und glaubt deshalb die Abstammung des russischen
kiiss mlzes von der angeführten Art bezweifeln zu müssen. Von anderen
' ' ^ W! “2er That au gegeben, dass um Astrachan z. B. (neben Gly-
jrrhiza glanduhfera ? ) auch schon die südsibirischc Glycyrrhiza as-
Xll.l^86 10 Ki°W- ArC,‘- d' 1>harm- CXIL S- 249, auch Wittstein’s Viorteljahresschrift
202
Wurzelbildungen der Dikotylen.
perrima L. fil. vorkomme, welche gleichfalls eine süsse Wurzel besitze.
Sollte diese vielleicht in den Handel gelangen ? Da die russische Pflanze
wie es scheint feuchte Standorte liebt, so dürfte sich hierdurch das abwei-
chende Verhalten ihrer Wurzel in unseren Gegenden erklären, wenn wir
wirklich die gleiche Art kultiviren. Es bliebe aber auffallend , dass Glycyr-
rhiza glabra von denselben Einflüssen nicht gleich betroffen wird. Eine neben
der beschriebenen Gl. echinata hier gewachsene eben so alte Staude der erste-
ren Art gab mir (im August) eine vom gewöhnlichen spanischen Süssholze
nicht verschiedene Wurzel von gelber Farbe und ausgezeichneter Süssigkeit.
C. Geschmack vorwaltend adstringirend.
Rhizoma Bistortae.
Rad. Bistortae. Natterwurzel. Kuöterichwurzel. Bistorte. Couleuvrine.
Polygonum Bistorta L. — Polygoneae.
Auf fetten Wiesen der ganzen nördlichen Halbkugel bis China und Kam-
tschatka, namentlich auch in der mittleren Bergregion unserer Gegenden
ziemlich häufiges Futterkrant.
Es treibt einen starken vieljährigen, bis 0,08ra langen Wurzelstock,
welcher gewöhnlich mit seinem mittleren Theile horizontal im Boden liegt,
während das vordere, aufwärts gebogene Ende sich in den Stengel ver-
schmälert und das hintere absterbende (gleichsam abgebissene) Ende sich
mehr senkrecht abwärts in die Erde krümmt. Diese doppelte Biegung (bis
torta) findet sich jedoch, zum Theil durch Steine und andere Hindernisse
bedingt, auf welche der Wurzelstock trifft, in den mannigfachsten Abände-
rungen vor. Immer aber bleibt der Wurzelstock wurmförmig gekrümmt,
rundlich plattgedrückt (der längere Querdurchmesser bis 0,025m), durch
zahlreiche, ringsum laufende Blattnarben in sehr kurzen Abständen dicht
geringelt und mit dünnen Nebenwurzelu oder ihren vertieften Narben reich-
lich besetzt. Oft ist die obere Seite des Wurzelstockes flach oder der Länge
nach rinnenförniig vertieft, die entgegengesetzte mehr gewölbt.
Zwischen den etwas dunkleren Blattnarben ist der Wurzelstock glatt,
glänzend braunroth, auf dem Querschnitt schön fleischroth. Letzterer ist je
nach der Stelle, wo er gemacht wird, kreisförmig oder platt elliptisch; in
einem Abstande von 0,00 lm bis 0,002m folgt den Contouren der Rinde ein
dichter Ring eiuzelner hellerer, oft dunkler begrenzter Holzbündel. Das
ganze übrige Gewebe ist dicht körnig, aber nicht holzig. Die Rinde besteht
aus einer braunen Korklage, auf welche etwas tangential gedehnte eckige,
zum Theil braune Zellen folgen, die allmälig in der Mittelrinde grösser,
mehr kugelig werden. Die Holzbündel enthalten sehr zahlreiche kleine
punktirte Gefässe und einen dicken Cambiumstrang ; sie sind der Länge
nach in einander verflochten. Das Mark gleicht der Mtttelriude. Das Pa-
renchym zeigt in der Rinde zahlreiche brauurothe, mit Farbstoff (und Gerb-
stoff) gefüllte Zellen und grosse Oxalatdrusen; der Hauptinhalt aber besteht
Radix Ratanhiae.
203
aus Stärke in eiförmigen oder fast scheibenförmigen Körnern von etwa
20 MikromiU. Länge. Die Krystallrosetten sind durchschnittlich viermal
grösser und wurden schon von Scheele 1785 erkannt.
Geschmack des Wurzelstockes rein adstringirend; er enthält nach
Uloth1) eisenbläuenden und etwas eisengrünenden Gerbstoff, nach Sten-
house Schleim und eine eigenthiimliche Gerbsäure neben Gallusgerbsäure.
In Island und in Nordasien wird er bisweilen genossen. Bistorta hat einige ent-
fernte Aehnlichkeit mit dem Wurzelstocke der Potentilla Tormentilla Sibth.
Bistorta wird bei uns wenig mehr gebraucht; nach Debeaux ist dies
in China noch der Fall.
Radix Ratanhiae.
Badix Ratanhae. Ratanhiawurzel. Peruanische oder Payta-Ratanhia.
Racine de Ratanhia. Rhatany.
Krameria2) triandra Ruiz et Pavon. — Krameriaceae.
Kleiner, sparrig verzweigter Strauch mit sehr starken, 2 bis 3 Fuss
langen niederliegenden unteren Aesten, während die oberen sich kaum
fusshoch erheben. Er liebt sandige unfruchtbare Abhänge der brasiliani-
schen und besonders der peruanischen Cordilleren, wo er oft in sehr grosser
Menge vorkömmt und durch seine schön rothen Blüthen ein Schmuck der
Gegend ist.
Die Wurzel wird hauptsächlich im Westen und Nordosten von Lima
gesammelt, z. B. bei Caxatambo, Huanuco, Tanna, Jauja, Huarochiri,
Canta , aber auch , wenigstens zu Zeiten , weiter südöstlich im Hochlande
des Titicaca-Sees und ohne Zweifel auch bedeutend weiter nördlich, da
gegenwärtig neben Callao besonders Payta der Ausfuhrhafen 3) der Ratanhia
zu sein scheint.
Es ist somit der centrale Strich des ungeheuren von den Chinabäumen
bewohnten Bogens, welcher uns die Ratanhia liefert und zwar die mittlere
Höhenregion desselben, etwa 3000 bis 8000 Fuss über dem Meere.
Die Wui zel erreicht im Yerhältniss zum Strauche selbst sehr bedeutende
Grösse und besteht aus einem kurzen dicken, oft mehr als faustgrossen und
bisweilen sehr knorrigen Hauptstamme, welcher sich im Boden noch mehr
vei zweigt als über der Erde. Manchmal ist die Hauptwurzel unförmlich
knollenartig verkürzt und verdickt. Die Wurzeläste gehen, oft mehrere Fuss
lang und bis über 0,01 dick, nach allen Seiten ab, sehr häufig auch hori-
zontal. Das spanische Wort Ratanhia , eine horizontal in der Erde krie-
chende ) Wurzel, ist indessen durch die im Handel gewöhnlich vorkommende
B Arni. d. Chem. u. Pharm. CXI. p. 218.
Wien nii™01"' österre'c^'sc^or und Botaniker, Verfasser eines Tentamen botanienm.
3) Nach Martius fuhrt auch Valparaiso Ratanhia aus. Ob aus Chili selbst’
) ratear kriechen.
204
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Droge keineswegs immer gerechtfertigt, da dieselbe vorherrschend ein im
ganzen senkrechtes oder höchstens gespreiztes Wurzelsystem darstellt.
Die Wurzeläste sind hin- und hergebogen , oft nur wenig verzweigt und
kamen früher häufig allein vor, während jetzt mehr und mehr der fast
werthlose, derb holzige Wurzelstamm mit allzu ansehnlichen holzigen
Stengelresten und oft ziemlich kurz abgerissenen Wurzelästen geboten
wird und die weit werthvolleren laugen ausgewachsenen Wurzeläste selte-
ner mehr unversehrt erhalten sind. Ganz aus dem Handel verschwunden
ist die Rinde, welche noch 1830 — 1840 für sich allein reichlich zu haben
war.
Die höchstens 0,004'" dicke schuppige und sehr holperige Rinde des
oft etwas um seine Axe gedrehten Wurzelstammes ist sehr dunkel roth-
braun, die der Aeste bedeutend heller, auf Papier abfärbend und schön
roth, nicht leicht viel über 0,00 lm dick und beim Aufweichen nur wenig
aufquellend. Die äusserst lockere, tief rissige, au den Aesten vorherr-
schend glatte Korklage häufig abgescheuert, so dass stellenweise die noch
sehr lebhaft braunrothen inneren Rindenschichten oder selbst das blass
röthliche oder braungelbliche, übrigens nicht eben fest mit der Rinde zu-
sammenhängende Holz zu Tage tritt. Die Rinde bricht zäh, faserig, doch
ziemlich kurz. Das Holz ist dicht und fest, ohne Mark, mit feinen, zu
concentrischen Kreisen (unächten Jahresringen) geordneten Gefässen und
noch weit dünneren, etwas dunkleren Markstrahlen versehen; die Cambium-
zone nicht deutlich ausgeprägt.
Die Aussenrinde ist gebildet aus sehr zahlreichen Lagen zarter tafelförmi-
ger Korkzellen, mit schlaffen besonders nach aussen stark gewölbten Wänden.
Die änsseren Korkschichteu strotzen von rothbraunem Farbstoffe, während
die inneren noch lebensthätigen und durch tangentiale Quertbeilung in
steter Vermehrung begriffenen Korkzellen grauliche oder ungefärbte zer-
knitterte Wände zeigen und zum Theil grosse Amylumkörner führen. Der
allmälige Uebergang der Korkbilduug in die Mittelrinde lässt sich hier sehr
gut verfolgen. Sekundäre Korkstreifen in der Mittel- oder Innenriude.
d. h. eine wahre Borkenbildung fehlt gänzlich; die Schuppen der Aussen-
rinde bestehen rein aus verwittertem Korke. Die Mittelrinde beschränkt
sich auf nur wenige Reihen grosser vorherrschend tangential gestreckter Zel-
len mit gelben porösen Wänden, welche allmälig in die Markstrahlen der
viel breiteren Innenrinde übergehen. Au der Grenze der letzteren und der
Mittelrinde, oft sehr weit gegen den Kork vorgeschoben, finden sich zahl-
reiche verdickte gelbliche Baströhren von etwa 20 Mikromill. Dicke eiuge-
streut, welche mehr nach innen zu grösseren von Parenchym unterbroche-
nen Gruppen zusammengedrängt regelmässige Baststrahlen darstellen. Die
Röhren sind entweder cylindrisch, fast ohne Lumen, oder es ist ein solches
noch vorhanden und die alsdann wenig verdickten Wände sind durch
gegenseitigen Druck etwas verbogen. Im Läugsschnitte erscheinen diese
Baströhrengruppen als sehr lange anastomosirende von zartem Proseuchvm
Radix Ratanliiae.
205
begleitete Biiudel, daher auch ihre Stellung im Querschnitte je nach der
Höhe wechselt.
Die Markstrahlen, welche die Baststrahlen auseinander halten, sind aus
1 bis 3 Reihen ansehnlicher, mehr tangential als radial gestreckter oder in
den innersten Reihen quadratischer Zellen gebildet; weit schmäler und nur
einreihig sind dagegen die Markstrahlen im Holzkörper, wo sie höchstens
5 —6 Mikromill. Breite zeigen. Derselbe wird durch eine schmale wenig in
die Augen fallende Schicht zarter Carabialzellen von der Rinde getrennt.
Die sehr stark verdickten zahlreichen Tiipfelgefässe stehen in undeutlichen
Reihen und erreichen eine bedeutende Länge bei einem mittleren Durch-
messer von nur 30 — 40 Mikromill. Sie sind aufs dichteste umgeben von
sehr laugen stark verdickten porösen Holzzellen und schmalen einreihigen
Pareuchymzonen. Im centralen Theile des Holzkörpers der Wurzeläste
finden sich bisweilen sämmtliche Gefässe, die Höhlungen des Holzgewebes,
so wie die Markstrahlen von tief dunkelbraunrothem Harze oder Farbstoffe
erfüllt.
Das Rindeuparenchym bis zu den innersten Korklagen ist von dunkel-
braunrothem Farbstoffe gesättigt und enthält daueben in sehr grosser
Menge1) einzelne oder weniger häufig zu 3 verwachsene Amylumkörner
von vorherrschend kugeliger Gestalt und bis etwa 15 oder 20 Mikromill.
Durchmesser, kleinere führen die Markstrahlen des Holzes und des Holz-
parenchym. In den Baststrahlen bemerkt man im Bastprosenchym in der
Nähe der Baströhren da und dort dunklere Punkte, welche sich bei stär-
kerer Yergrösseruug vorzüglich auf dem Längsschnitte als kleine lange
Prismen, oft Zwillingskry stalle mit einspringendem Winkel erweisen. Sie
lösen sich leicht iu Salzsäure, nicht iu Essigsäure, sind daher ohne Zweifel
Kalkoxalat. — Man gewinnt erst eine Einsicht in den Bau dieser stark
gefärbten Gewebe, wenn man feine Schnitte mit Ammoniak auszieht.
Der Geschmack der Rinde der Ratanhiawurzel ist rein abstringirend
mit einem kaum merkbaren siisslichen Nachgeschmäcke. Das Holz ist fast
ganz geschmacklos.
Wittstein hat in der vom Holze abgeschälten getrockneten Rinde
gegen 20 pC. Ratanhiagerbsäure gefunden, welche der Catechu-
gerbsäure nahe verwandt zu sein scheint und bei der trockenen Destil-
lation Brenzcatechin gibt (Eisfeldt). Sie wird als rothes amorphes
Pulver erhalten und erzeugt mit Brechweinstein keinen, mit Eisen-
chlorid einen dunkelgrünlichen Niederschlag. Verdünnte Säuren zer-
setzen diese Ratanhiagerbsäure in Zucker und in im Wasser fast unlös-
liches Ratankiaroth G12H1203, welches auch schon in der Wurzelrinde
vorhanden ist. Ausserdem fand Wittstein Wachs, Gummi und Zucker
in geringer Menge, aber keine Gallussäure, welche Pesehier angegeben
natte. Die von letzterem als der Ratanhia eigenthümlich beschriebene
—
0 jedenfalls bei weitem mehr als >/a pC., wie Vogel (1820) in der Rinde angegeben !
206
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Kramersäure existirt nach Wittstein nicht, sondern ist vielleicht Tyrosin-
schwefelsäure, oder wie Städeler sowohl als Hlasiwetz vermutheu,
Sulfophloraminsäure , ein Abkömmliug des in manchen Wurzelriuden vor-
kommenden Phlorrhizins, das freilich in der Ratanhia nicht nachgewiesen ist.
Ein in Südamerika dargestelltes rothbraunes , trockenes Extractum
Ratanhiae, über dessen Bereitung genauere Berichte fehlen, kömmt in
spröden Stücken in den Handel. Es löst sich nur in warmem Wasser
ziemlich vollständig und besteht grösstentheils aus Ratanhiagerbsäure und
Ratanhiaroth. Daneben fand Wittstein (1854) merkwürdigerweise in
diesem amerikanischen Extracte, nicht aber in der Wurzel selbst, Tyrosin
09Hn N O3, jenes interessante Zersetzungsprodukt eiweissartiger Stoffe, das
im Thierreiche fertig gebildet vorkömmt, z. B. in der Cochenille, in krank-
hafter Leber und Milz, im Pflanzenreiche aber noch nicht nachgewiesen war.
Nach Städeler und Rüge besitzt der Körper im Ratauhia-Extracte aber
einen höheren Kohlenstoffgehalt, entsprechend der Formel O10H,3NG3
und ist homolog, nicht identisch mit dem Tyrosin und daher als Ratanhin
bezeichnet worden. Rüge erhielt aus dem Extracte höchstens 1,26 pC.
desselben. Wittstein erinnert, dass der Stickstoffgehalt seines Körpers
(7,64 pC.) besser mit dem des Tyrosins (7,73) als mit dem des Ratanhins
(7,18) stimmt und ebenso das Verhalten zu Reagentien. — Die Splitter des
Extractes bieten unter dem Mikroskop keine krystallisirten Formen dar und
Amylum lässt sich auch durch Jod darin nicht nachweisen. Das ameri-
kanische Extract enthält jedenfalls wegen unsorgfältiger Bereitung die
Bestandtheile der Wurzel in sehr verändertem Zustande; schon das Vor-
kommen des Tyrosins deutet darauf. Mit Recht verlangen daher die Phar-
macopöen selbstbereitetes Extract, um so mehr, als es sich nicht leicht von
Kino (siehe dieses) unterscheiden lässt.
Ruiz, der auch um die Cinchonen hochverdiente spanische Botaniker,
bemerkte 1784, dass die Frauen in Huanuco und Lima sich seit undenk-
lichen Zeiten einer Wurzel als Zahnerhaltungsmittel (raiz para los dientes)
bedienten, welche er als von der 1779 durch ihn entdeckten Krameria
triandra abstammend erkannte. Nach Spanien zurückgekehrt, verschaffte
Ruiz derselben von 1796 an daselbst Eingang und sie wurde von hier aus
seit 1808 auch allmälig in Frankreich und England und endlich durch
F. J obst und v. Klein (Abhandlung über die Ratanhia. Aus dem Hollän-
dischen, Englischen und Französischen übersetzt. Wien 1818) in Deutsch-
land eingeführt.
Von den übrigen 22 oder 23 verschiedenen Krameria -Arten, welche
alle Amerika angehören, liefern mehrere ähnliche, in einzelnen Gegenden
gleich der Ratanhia benutzte Wurzeln, z. B. in Brasilien Krameria argentea
Martius, in Nordamerika K. lanceolata Torrey. Mehrere derselben gelangten
auchschon massenhaft nachEuropa. So besonders die sogenannte Savanilla-
Ratanhia , welche seit einigen Jahren aus Columbia (Neu -Granada) über
Sabanilla ausgeführt wird. Mettenheimer hatte bereits 1852 auf dieselbe
Radix Ratanhiae.
207
aufmerksam gemacht und schon früher war sie vom Codex gallicus als
antillische Ratanhia aufgenommen und von Krameria Ixina L.
abgeleitet worden. Hanbury hat 1865 festgestellt, dass die Savanilla-
Sorte von derselben Pflanze Var. ß) granatensis Triana bei Giron oder
Jiron in einem Seitenthal des Magdalenenstromes, westlich von Pamplona
gesammelt wird. Der 4 bis 6 Fuss hohe Strauch wächst dort auf dürrem
hartem und kiesigem Boden in sehr grosser Menge, sonst aber findet sich
Krameria Ixina auch auf den Antillen (Guadeloupe, Martinique), in Vene-
zuela und in den Provinzen Cearä und Pernambuco des nordöstlichen Bra-
siliens. — Diese Savanilla-Sorte verdrängt mehr und mehr die ursprüngliche
Peruanische oder Payta.
Bei der Ratanhia aus S a v a n i 1 1 a oder N e u - G r a n a d a ist zunächst der
gewöhnlich kurz abgeschnittene Stamm im Verhältnisse zur Wurzel weit stär-
ker als bei der peruanischen Ratanhia. Mässige Wurzeln der ersteren besitzen
oft gegen 0,04ra dicke Stengelstumpfe, welche gewöhnlich sofort in zahlreiche
ungefähr gleich starke, am Ursprünge oft 0,0 lra dicke Wurzeläste übergehen.
Ein eigentlicher Wurzelstamm oder eine Hauptwurzel lässt sich seltener
oder doch weniger scharf unterscheiden als in der wahren Ratanhia und
knollige Verdickung der Wurzel kömmt gar nicht vor. Die Wurzeläste der
Savanilla-Sorte sind, obwohl weniger gebogen und meist etwas kürzer,
doch von derselben Gestalt und Stärke wie bei der peruanischen, aber mehr
längsfurchig und da und dort auch mit vereinzelten bis auf das Holz gehenden
Querrissen versehen.
Sehi ausgezeichnet ist die Savanilla durch ihre mattere, allerdings
unbestimmte, aber doch in Masse unverkennbar ins violette fallende Fär-
bung. Im Querschnitte zeigt sich ihre oft gegen 0,002m oder nach dem
Aufweichen selbst 0,003m dicke Rinde verhältnissmässig weit stärker, da
der Durchmesser des Holzkernes , selbst in den dicksten Wurzelästen die
Breite der Rinde nur um das 3- bis 4fache übersteigt und in den dünnen
Aesten häufig nur um das doppelte. Näher am Ursprünge der Wurzeläste
gewinnt dann allerdings der Holzkern eine weit bedeutendere Dicke. In
der peruanischen Sorte tritt die Rinde immer weit mehr zurück, ihre Breite
verhalt sich m den mittelstarken Wurzelästen zum Durchmesser des Holzes
wie 1 zu 6 oder zu 8. Die Rinde der Savanilla-Sorte haftet weit fester
am Holze.
le nur wenig in die Augen fallenden Unterschiede im anatomischen
aue der Savanilla -Ratanhia liegen hauptsächlich darin, dass die Kork-
schicht aus engeren dichter gedrängten und mehr mit Farbstoff gefüllten
Zehen gebaut, daher weit derber und widerstandsfähiger ist und z. B.
urc i den Fingernagel ungleich schwieriger angegriffen wird. Die Mittel-
nnde ist breiter und besteht aus denselben grossporigen weiten tangential
gestreckten Zellen, wovon aber immer etwa 10 oder mehr Lagen vorhanden
sind welche ganz allmälig in die Markstrahlen übergehen. Ihre Quer-
wände sind auffallend radial gestellt. Die Baströhren sind mehr vereinzelt
208
% Wuvzelbildungeu der Dikotylen.
oder doch mir zu kleineren Gruppen vereinigt, welche aber in schmalen,
ziemlich regelmässigen radialen Reihen stehen. Die Markstrahlen im Holz-
körper siud breiter (bis über 15 Mikromill.), obwohl auch nur einreihig und
mit Amylum und Farbstoff gefüllt. Das Holz wird hierdurch deutlicher
strahlig als in der peruanischen Wurzel und seine Gefässe sind dicker, bis
über 50 Mikromill. im Durchmesser.
Der Inhalt der einzelnen Gewebe ist derselbe wie bei der peruanischen
Ratanhia , auch das Kalkoxalat fehlt nicht an derselben Stelle und ist hier
vielleicht etwas reichlicher vorhanden. Der Geschmack ist gleich, wie
denn auch die chemische Untersuchung von Wittstein dieselben Bestand-
theile, obwohl in etwas verschiedenen Mengenverhältnissen, ergeben hat.
Ein Unterschied liegt jedoch darin, dass die peruanische Wurzel sich nur
graugrünlich färbt, wenn man feine Schnitte derselben mit Eiseuvitriol-
lösuug tränkt, während die Savanilla-Sorte sich dunkel schwarz färbt, so
dass hier eisenbläuender Gerbstoff vorwaltet. Es ist nicht bekannt, dass
die Wirkung der Savanilla- Ratanhia eine andere sei als die der Peru-Sorte.
Wenn das in derThat nicht, der Fall ist, so würde erstere wegen der bedeu-
tenderen Entwickelung ihrer Rinde den Vorzug Verdienern Die Pharma-
copöen schliessen sie aber vorläufig noch aus, obwohl die peruanische Sorte
sehr häufig nicht in guter Auswahl zu uns gelaugt.
Eine andere Ratanhia-Sorte, von Krameria secundiftora DG., ist 1854
durch Berliner Drogisten aus Mexico, Texas und Arkansas in Europa ein-
geführt und von Berg 1856 (wie übrigens auch die beiden oben be-
schriebenen) gründlich anatomisch untersucht worden. Sie weicht darin
sehr ab, dass ihre Mittelrinde schon früh durch bogenförmig eindriugende
sekundäre Korkbänder als Borke abgeschnitten und abgestossen wird.1)
Statt der Baströhren enthält sie kurze, nicht stark verdickte Saftschläuche
(ähnlich wie manche Chinarinden). Der Holzkörper ist kaum so dick oder
dünner als die Rinde, welche adstringireud , zugleich aber auch bitter
schmeckt, daher diese Sorte nicht zulässig sein würde. Sie hat sich übrigens
niemals eine Stelle auf dem Markte gemacht und ist jetzt (1865) selbst von
dem betreffenden Hause nicht mehr zu erlangen.
Von Gehe & C°. in Dresden habe ich eine Brasilianische Ra-
tanhia erhalten, welche der Savanilla-Sorte sehr ähnlich sieht, doch eine
etwas dunklere, nicht violette Färbung zeigt. Die mir vorliegende Probe
besteht aus einfachen Wurzelästen, welche etwas weniger gebogen, reichlicher
mit nicht ringsum laufenden tiefen Querrissen und schwachen Läugsruuzeln
oder auch mitHöckerclien besetzt sind. Nur die dünnsten Stücke zeigen sich
glatt. Die Dicke des Holzkörpers ist gleich der Breite der Rinde oder höch-
stens drei- bis viermal stärker. Der anatomische Bau stimmt mit dem der
Savanilla überein, höchstens fallen die sehr grossen, tangential gestreckten
Zellen der Mittelriude auf, welche im Querschnitte bis 150 Mikromill. laug
1) Abgebildet von Berg, Botau. Zeitung 1856. lab. XIV.
Eadix Rhei.
209
und in radialer Richtung 80 breit sind und gewaltige , meist kugelige oder
halbkugelige Stärkeköruer, oft von mehr als 40 Mikromill. Durchmesser
einschliessen. Dieses sehr grossmaschige Gewebe stösst unmittelbar an die
sehi deiben Korkzellen und kontrastirt sehr mit der weit kleiozelligeren
Innenriude. Dieselbe enthält stark verdickte, auf dem Längsschnitte starke
Biegungen zeigende Baströhren, welche nicht leicht über 30 Mikromill. dick
werden. Ob der gänzliche Mangel an Krystallen hier ein beständiges Merkmal
ist, bedarf noch weiterer Prüfung. In dem vielleicht ein wenig gröber po-
rösen Holze sind die Markstrahlen weniger deutlich ausgeprägt und seltener
gefärbt als in der Savanilla-Ratanhia.
Diese von dem genaunten Hause 1865 aus Para eingeführte Sorte
scheint von keiner bekannten Krameria-Art abgeleitet werden zu können.
D. Bitterliche Wurzelbildungen.
1. ohne Milchsaft.
Radix Rhei.
Radix Rhabarbari. Rhabarberwurzel. Rhubarbe. Rhubarb.
Die Pflanzen, welche die seit langem bei uns gebräuchliche Rhabarber
liefern, sind nicht bekannt; es kann jedoch keinem Zweifel unterliegen dass
sie der Gattung Rheum, Familie der Polygoneen, angehören, welche „n-
sern grossen Ampfern gleichen und sich von ihnen hauptsächlich durch
’l0p<igen Oicht pinseligen) Narben und die 9
(nicht 6 wie bei Rumex) Staubgefässe unterscheiden. Die in den Gärten
häufig gezogenen Rheum-Arten aus dem Himalaya und dem centralen Asien
welche aber nicht unsere Rhabarber liefern, sind mannshohe starke Kram
ter mit aufrechtem armblätterigem Stengel, zahlreichen sehr grossen buschi-
gen Wurzelblättern und ästiger fleischiger Wurzel
der MRteR GMn bW Rheum-Arte" «<*ören *n Hochländern in
dei Mitte Chinas an; aber nur von der einen Sorte, der nordwärts durch
Sibmen nach Russland ausgeführten, ist die Herkunft bewiesen Diese dfe
barber U(T^a 6 ' 5 m..0 skowitische oder russ i s c^h^Rha-
firbei (Ta-huang ) der Chinesen) wird in dem wilden Alpenlande Tan
nicht auf die hochliegenden (12000 Fuss Ritte t) C P i ^ !! jeAT°tcl1
der Schnees-ebiro-p Tn», + i i , uss Klttei) Gegenden m der Nähe
d. h. gross und gelb.
Plückiger, Pharmakognosie.
14
210
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Hwaugho und iu Suitschuan (Sze-tschuen) am oberen Kiang wächst Rha-
barber, also in einem sehr grossen Theile des centralen Chinas. Mittelpunkt
und Hauptstapelplatz des Geschäftes ist die Stadt Si-ning, Provinz Kansu
oder Gansu, in der Gabel der beiden Quellflüsse des Gelben (Hwaugho-)
Stromes, südlich von der grossen Wüste und dem Westende der chinesi-
schen Mauer. Marco Polo (1272 — 1295) war der erste Europäer , der
als Augenzeuge über dieses Rhabarberland berichtete; kein mit den erfor-
derlichen Kenntnissen ausgerüsteter Reisender ist seither in jene Gegenden
vorgedrungen und die dürftigen Angaben *) des berühmten Venetianers sind
bis jetzt noch nicht durch genaue Berichte über die Rhabarberpflauze von
Sining ersetzt. — Vor ihm hatte 1253 der nur bis in das Karakorum-Ge-
birge gelaugte R.u b r u q uis* 2) zuerst von der Heimat der Rhabarber mangel-
hafte Kunde nach dem Occident gebracht. Weiter zurück, d. h. vielleicht bis
zum Jahr 1000, reichen die Berichte des „Pun-tsau“, eines alten chinesischen
Kräuterbuches, woraus Farre3) Auszüge mitgetheilt hat, welchen zufolge
die oben genannten 5 chinesischen Provinzen Rhabarber liefern, am besten
Suitschuan und Scliensi. Eine geringe Sorte, nur zu lokalem Gebrauche er-
zeugt ausserdem Kiang-su , die zwischen den beiden Hauptströmen Chinas
gelegene Provinz; diese Sorte heisst Tu-ta-kwaug. Auf die Breite von Sui-
tschuan (ungefähr 28 — 32 ° nördl. ) weist auch die neuliche Angabe des
Hauses Gehe & C omp. in Dresden4) hin, wonach die beste Rhabarber aus
dem engen Gebirgsthale Tschin-tschu (Chin-chu) in Tibet, 2000 Werst süd-
lich von Kjachta, stammen soll5).
Die Rhabarber wird schon beim Einsamrneln grösstentheils geschält
und erleidet später noch weitere Zurüstung, so dass wir auch über die
äussere Beschaffenheit der Wurzel wenig wissen. Nach den Dimensionen
einzelner Stücke der Handelswaare zu schliessen, muss sie aber sehr gross,
im wesentlichen wohl eine einfache oder wenige starke Aeste tragende
Pfahlwurzel von rübenförmiger oder rundlich kuolliger Gestalt sein, welche
vermuthlich nur von 6 — 8jährigen Pflanzen gewonnen werden kann.
Die Gestalt der zu uns gelangenden Wurzel ist sehr verschiedenartig,
bald kugelig, bald cylindrisch, kegelförmig, plauconvex, oder eckig, je nach
der Sortirung und Bearbeitung (dem „Mundiren“) , welche sie, zum Tlieil
D sic lauten bei Pasiui, I viaggi di Marc o Polo. Venezia 1847. pag. 49 u. 186: -La
„graude provincia . ...e detta Tangut. Per tutte le sue montague se trova il rabarbaro in
„graude abbondanza, e quivi lo coniperano i inercatanti che lo portano a venderc per tutto il
„mondo“. „Sngui e cittä graude e nobilissima Quivi si trovano ricchissimi negoziauti . . . .
„Nelle montague viciue nascono si abbondanti il rabarbaro e il gengiovo '
2) Wilhelm von Ruysbroek, ein brabantischer Franziskauer, von Ludwig dem Heiligen
zu politischen Zwecken nach der Dsungarei und Mongolei gesandt.
3) Ph. Journ. and Transact. VII- pag. 876.
4) Marktbericht 1 864.
5) Auch nannte schon Edrisi in der Mitte des XII. .lahrli. Tibet als Vaterland der Rha-
barber, was neuerdings wieder durch R. von Schlagiutweit (gütige mündliche Mittheilung)
bestätigt wird.
Radix Rhei.
211
auch noch in Europa, erfahren hat. Gute gewöhnliche AVaare pflegt unge-
fähr 0,10,n in der Längsrichtung zu erreichen, ausgezeichnete Stücke etwa
das Doppelte.
Die vorherrschende Farbe des äussern ist gelb, bei nicht zu starker
Schälung mit kleinern oder grossem dunklern Resten der Rinde. Aus
der gelben Färbung der Aussenfläche treten weisse körnig-krystallinische
Felder hervor, welche parallel mit der Axe von glänzenden gelben bis dun-
kelbraunrothen Adern oder Streifen durchzogen werden. Diese Zeichnung
bietet nur in den äussern Schichten der AVurzel einige Regelmässigkeit;
die weisse Grundmasse bildet das Gefässbündelsystem und Parenchym,
die rothgelben Streifen die Markstrahlen, welche sonderbarerweise , und
für die Rhabarber sehr bezeichnend im Innern der AVurzel weit un-
bestimmter verlaufen. Ihre Gefässbiindel liegen in einem schlaffen dünn-
wandigen durchaus nicht verholzten Parenchym , das auf unregelmässige
AVeise von den äusserst zahlreichen schmalen Markstrahlen durchschnitten
wird. Eine Gesetzmässigkeit in der Richtung derselben ist nur im äusser-
sten Basttheile der AVurzel, namentlich in ihrer radialen Anordnung, auf
dem Querschnitte wahrnehmbar. Im Innern aber, oder wo die AVurzel (wie
bei der moskowitischen) tief geschält ist, schon aussen bietet sie ein wenig
regelmässiges Gewirre rother zierlich geschlängelter Adern in der weissen
Grundmasse, welche Zeichnung mit dem technischen Ausdrucke „inarmo-
rirt belegt wird. In der weissen Grundmasse findet man die grossen Ge-
fässe als Poren schon durch die Loupe auf dem Bruche. Im Marke sind
auf dem Querschnitte mehr nur rothe und weisse Puukte, als Streifen oder
Strahlen zu unterscheiden; das Mark selbst ist aber nicht scharf abge-
grenzt. Die Struktur der Rhabarber lässt sich ihrer körnigen Beschaffen-
heit wegen besser auf dem frischen Bruche als auf der Schnittfläche über-
sehen. Möglichst regelmässig cylindrische Stücke der „chinesischen“ Sorte,
welche weniger tief mundirt ist, zeigen auf dem Querbruche dicht unter der
Aussenfläche einen schmalen zusammenhängenden gelblich schwarzen Cam-
biumring, der indessen gewöhnlich nicht im ganzen Umfange erhalten ist.
Die rothen Markstrahlen durchsetzen ziemlich regelmässig diesen Ring bis
auf eine Tiefe von etwa 0,01 m wo sie sich iu einer schmalen Zone von
der Beschaffenheit des Markes verlieren. Innerhalb dieser Zone nun tritt
erst das eigentliche „marmorirte“ Gewebe auf, das für die central-asiatische
Rhabarber so höchst characteristisch ist. Die weisse Grundmasse herrscht
nämlich m diesem Gewebe vor und bildet, im Querschnitte, einen helleren
ing, der aber aus lauter einzelnen kleinen, häufig etwa 0,01 m messenden,
übrigens bald grösseren bald kleineren Kreisen oder Ellipsen zusammen-
gesetzt ist. Jeder dieser Kreise oder Masern ist für sich , wenn auch nicht
scharf abgegrenzt und stellt ein besonderes anatomisches System dar. Vom
Mittelpunkte jedes^ Systems aus laufen feine rothe Adern, deren Anzahl oft
die P S°'!1Wank ’ lYiemhch geb°gener, häufig geschlängelter Linie gegen
die Peripherie,- m deren Nähe, sie sich verlieren und zwar meistens noch
14*
212
Wurzelbildungen der Dikotylen.
innerhalb der Maser oder des weissen „Systems“, oft aber auch erst ausser-
halb in dem mehr gleichmässigen Markparenchym, Dicht um das Centrum
der Maser oder in einigem Abstande von demselben zieht sich ein dunkler
Kreis, der sich von dem weissen Felde scharf abhebt und ganz das Aus-
sehen des Cambiums in der Wurzelperipherie besitzt. Die rothen Adern
sind durchaus von gleichem Bau und Inhalte wie die Markstrahlen; zwischen
ihnen liegen strahlenförmige Gefässbündel, ausgezeichnet durch die Eigen-
tümlichkeit, dass ihre grossen Netz- oder Ringgefässe ausserhalb des Cam-
biums, also nur an der Peripherie des Masersystems, liegen. Innerhalb des
Cambiums folgt kleinzelliges tangential gestrecktes Parenchym in radialer
Anordnung, (die benachbarten Markstrahlenzellen hingegen zeigen mehr
radiale Streckung) welches allmälig in rundliche ein wenig verdickte Bast-
zellen übergeht. Die Spitze des Gefässbündels, im Centrum der Maser, ent-
hält oftmals Bast von eigentümlich gekrümmtem und gewundenem Quer-
schnitte, wie er als „Hornbast“ unterschieden wird. Mit diesem Ringe
von Masersystemen kontrastirt das von demselben eingeschlossene Mark,
welches meist ziemlich gleichmässig aus kleineren rothen und weissen Par-
tien zusammengesetzt ist und nur auf dem Längsschnitte einige Regelmässig-
keit im Verlaufe der Markstrahlen in grossen Curven wahrnehmen lässt,
welche ihre convexe Seite der etwas vertieften Stengelnarbe zukehren und
gegen dieselbe hin allmälig eine stärkere Krümmung erhalten. Als zu
diesem Marke gehörig muss die schmale Zone betrachtet werden, welche
ausserhalb des Maserriuges liegt, so dass also dieser nach aussen und nach
innen von demselben Gewebe umgeben ist. Er nimmt die Stelle des Holz-
bündelkreises anderer dikotyler Wurzeln ein, z. B. der verwandten Rad.
Lapathi oder des Rhizoma Rhei Monachorum (vergl. diese).
Auch auf dem Längsschnitte , oder besser auf dem Längsbruche zeigen
sich die Masersysteme zwischen dem breiten centraleu Marke und der äus-
seren schmalen Markzone als zusammenhängendes eigenartiges Gewebe
deutlich. Ihr Bau ist aber auf der Längsansicht im einzelnen weuiger klar
und der Verlauf des ganzen öfter dadurch gestört, dass sich einzelne Ma-
sern vom ganzen Strange nach aussen seitlich in Wurzeläste abzweigen;
auch nach innen gehen häufig Masern ab. Die grosse Unregelmässig-
keit ihres Baues ist aber gerade, was die Rhabarber sehr auszeichnet. Der
eben geschilderte Bau lässt sich nicht immer mit aller Bestimmtheit ver-
folgen und die Aussenfläche wechselt in ihrer Zeiclmuug schon mit dem
Grade der Schälung. Ist nur die Aussenriude entfernt (wie bei der Cautou-
Rhabarber), so treten die weissen Streifen oft mit ziemlicher Regelmässig-
keit mit den schmalen rothgelben Markstrahleu wechselnd zu Tage. Nur
wenig tiefer aber biegen sich erstere der Läuge nach und verflechten sich
zu einem Netzwerke mit rhombischeu oder ovalen Maschen. Die Mark-
strahlen erscheinen alsdann in den Maschen als kurze glänzende, parallel
zur Axe gerichtete Strichelchen, getrennt durch schmale weisse Streif-
chen. Die spitzen Winkel der rautenförmigen Maschen liegen ebenfalls im
Radix Rhei.
213
Sinne der Axe nach oben und nach unten, nicht in der horizontalen Ebene.
Das Flechtwerk erscheint auch sehr deutlich in der dunkeln Cambiumschicht,
wo diese biosgelegt ist.
Die Masersysteme treten bisweilen, durch Abzweigung vom Hauptstrange,
schon in den äussersten Schichten zu Tage; regelmässiger kreisförmig und
weit zahlreicher aber erst, wenn die Wurzel bis auf die eigentliche Maser-
schicht geschält, mundirt ist, was bei der moskowitischen Sorte stattfindet.
Auf dem Querschnitte bemerkt man immer, dass im Innern die Ver-
hältnisse weniger klar sind; die Masern drängen sich oft mit in den Kern
zwischen die anastomosirenden Gefässbündel ein.
Der Bau der einzelnen Gewebe in der Rhabarber ist einfacher als ihre
Anordnung. Das weisse Parenchym besteht aus grossen dünnwandigen,
kugeligen oder eiförmigen Zellen, welche mit Amylura und Krystallrosetten
von Kalkoxalat gefüllt sind.
Die Amylumkörner sind ziemlich regelmässig kugelig oder durch gegen-
seitigen Druck etwas kantig, mit sternförmig aufgerissener Centralhöhle.
Ihr Durchmesser geht bis etwa 20 Mikromill. Wie bei andern Pflanzen-
organen wird auch in der Rhabarber der Stärkegehalt je nach dem Vege-
tationsstadium schwanken; daher die abweichenden Angaben über denselben.
Die Krystalldrusen bestehen aus sehr zahlreichen, concentrisch-strahlig
zu einer stacheligen Kugel von höchstens 140 Mikromill. Durchmesser ver-
einigten Krystallen. Die herausragenden Spitzen der einzelnen Krystalle
sind häufig abgerundet; wohl ausgebildete isolirte einzelne Gestalten kommen
nicht vor. Der Gehalt an Oxalat scheint bedeutend zu schwanken. Gute
Canton-Rhabarber, bei 100° getrocknet, gab 7,3 pC. Kalkoxalat1). Dieses
im Pflanzenreiche so ungemein verbreitete Salz wurde gerade in der Rha-
barber zuerst erkannt. Model hatte es 1774 für Gyps erklärt, Scheele
aber 1784 seine wahre Natur („calx saccharata“) ermittelt, indem er die
Identität seiner Säure mit der durch Salpetersäure aus Zucker erhaltenen
und der in Oxalis vorkommenden nachwies. — Das Oxalat der Rhabarber
ist vermuthlich Ca24>, 02 03-f-3H24>.
Die Gefässbündel bestehen aus sehr grossen (Durchm. bis 140Mikrom )
rUmmteQiRiDggefäSSei]’ ^ °der TrePPengefässen, umgeben von
Rhnbn h duDUWandl^m zartem Prosenchym; eigentliches Holz fehlt der
Rhabarber ganz. Selbst die dicksten Stränge von Gefässbündeln , welche
bisweilen aus dem Bruche herausragen, besitzen kein Holz
zarter'6 nindhch ^ ^ ^ Breite geWÖhnlich nur 2 oder 3 Reihen
R. , . ’ ” d ch kubiscbcr oder etwas verlängerter Zellen; in vertikaler
def R^d ,St die Mächti&keit der deinen Strahlen sehr verschie-
tZ JS T T e r 6 ZeUenreihen über einander gestellt, bald aber
bis hrn ^ ifarkstrahlen enthalten ausschliesslich die hellgelben
bis braunrothen Stoffe, welche der Rhabarber ihre Farbe verleihen. TheUs
*) Auf
moino Veranlassung durch Vock bestimmt.
214
Wurzelbildungen der Dikotylen.
ist dieser gefärbte Inhalt in festen splitterigen Klumpen abgelagert, theils
aber auch in halbflüssiger Form. Einzelne grössere, vollkommen klare
Tropfen finden sich schon aus den Markstrahlen ausgetreten, wenn man
zarte Schnitte in Terpenthinöl betrachtet. Wasser greift den Inhalt der
Markstrahlen an und veranlasst ein Zerfallen desselben in sehr kleine
Tröpfchen (Körnchen?), die in lebhafter Strömung herausgeführt werden.
Verdunstet diese trübe Flüssigkeit sehr langsam unter dem Deck-
gläschen, so zeigen sich da und dort etwas deutlicher krystallinische, doch
immerhin nicht gut ausgebildete Splitter, im polarisirten Lichte doppelt
brechend.
Kali löst den gefärbten Inhalt der Markstrahlen mit prächtig violett-
rother Farbe.
Gute Canton-Rhabarber, bei 100° getrocknet, gab mir 13,87 pC. Asche,
welche überwiegend aus Kalkcarbonat (82 pC. der Asche) und Kalicarbonat
neben wenig Thonerde (1 pC. der Asche) und Magnesia bestand. — Eine
andere Probe gab 12,9 pC. Asche, während die direkte Bestimmung der
Oxalsäure (durch Chamaeleon titrirt) 7,33 pC. Oxalat, Ca2 LI, G203, 3H-0,
herausstellte. An Oxalsäure war also weniger als die Hälfte des Kalkes ge-
bunden, da jene Menge Oxalat nur 5 pC. Carbonat entspricht.
Die Eigenthümlichkeit im Baue der Rhabarber liegt nach dem obigen
hauptsächlich im abnormen Verlaufe der Markstrahlen, welcher nur
in der Rinde, nicht aber im Innern Regelmässigkeit zeigt, ferner in dem
merkwürdigen Maserringe und endlich in dem Mangel eigentlicher ver-
dickter Holzzellen und Baströhren.
Geruch und Geschmack der Rhabarber sind, wie bekannt, sehr eigen-
thümlich. Das Knirschen beim Kauen wird durch das Kalkoxalat und die
Stärke bedingt. In dem gelbrothen Inhalte der Markstrahlen hat man
schon lange den oder die wirksamen Bestandtheile der W7urzel vermuthet.
Schräder versuchte bereits 1807 die Darstellung eines Rhabarber-
bitters; später wurden nach verschiedenen Methoden und unter mancher-
lei Namen dergleichen offenbar nicht hinlänglich rein erhaltene Stoffe
abgeschieden und beschrieben, so von Trommsdorff der Rhab arber-
stoff, von Büchner u. Herberger das Rhabarberin, von Horne-
mann das Rheumin, von Brandes ein Rhabarbergelb oder Rhein,
später die Rhabarbersäure.
Erst durch Schlossberger u. Döpping wurde 1841 in diesen
Gemengen wenigstens eine genauer festgestellte chemische Verbindung,
nämlich die Chr ysophau säure Gl4HU) O4 (oder GluH803?) erkannt,
welche Rochleder u. Heidt in der Wandflechte, Parinelia parietiua,
gefunden hatten (vergl. auch Rad. Lapathi). Sie bildet deu gelben nicht
deutlich krystallinischen, zum Tlieil noch flüssigen Inhalt der Markstrahlen,
ist aber fähig, in goldgelben Nadeln zu krystallisircu. Nach Schroff’s
Beobachtungen an kultivirten Rheum- Wurzeln scheint die Chrysophansäure
ursprünglich in flüssigem Zustande in der frischeu Rhabarber vorzukommen.
Radix Rhei.
215
Sie löst sich in Aether und Weingeist, nicht aber in Wasser; aus der Rha-
barber jedoch wird sie von letzterem, wie es scheint, durch Vermittelung der
Harze aufgenommen. Alkalien lösen die Chrysophansäure mit prächtig
dunkelrother Farbe; sie lässt sich mit kalihaltigem Weingeist oder mit
Benzin am besten ausziehen. Obwohl von grosser Beständigkeit, ist die
Chrysophansäure doch eine schwache Säure; durch Desoxydation wird sie
entfärbt. — Durch das früher von einzelnen Pharmacopöen vorgeschriebene
Rösten der Rhabarber (Rad. Rhei tosta) muss die Chrysophansäure theils
sublimirt, theils zerstört werden. Bei der Fällung alkoholischer Lösungen
des Rhabarberextraktes mit Aether erhielten Schlossberger u. Döpping
neben der Chrysophansäure noch drei harzartige, nicht genauer uutei’suchte
Körper Aporetin, Phaeoretin und Ery throretin 1). Das letztere
wird durch Alkalien roth gefärbt, wie die Crysophansäure ; das Aporetin
scheint ähnliche Oxydationsprodukte zu geben wie die Aloe, auch die Chry-
sophansäure in naher Beziehung zum Aloin zu stehen. Die früher aus der
Rhabarber dargestellten Körper sind hiernach ohne Zweifel Gemenge
der Chrysophansäure mit den harzartigen Stoffen gewesen und dergleichen
Gemenge setzen sich auch in den officinellen Rhabarbertinkturen ab. Nach
Schroff ist die Chrysophansäure der purgireud wirkende Bestaudtheil der
Rhabarber. Wegen der leichteren Löslichkeit der in der Wurzel enthaltenen
Säure wirkt diese besser als die isolirte Chrysophansäure.
Harze und Chrysophansäure, der farbige Inhalt der Markstrahlen,
scheinen nach Schroffs Beobachtung an kultivirten Rheum-Arten in der
frischen Wurzel weit weniger intensiv gefärbt zu sein; das tiefere Gelbroth
der Rhabarber dürfte demnach zum Theil durch Oxydation bedingt sein
(oder durch Ammoniakaufuahme?). Die Rhabarber enthält ferner beträcht-
liche Mengen von Zucker, Gummi und Pectin, etwas Gerbsäure und Gallus-
säure, so wie eine Spur ätherischen Oeles. Aepfelsäure konnten Schloss-
berger u. Döpping nicht finden.
Warren de la Rue u. Müller erhielten neben der Chrysophansäure
noch einen ähnlichen, in langen rothgelben oder rothen monoklinischen
Prismen krystallisirten Körper, das Emodin.2)
Krön - Rhabarber.
Rad. Rhei optimi. — Rad. Rhei Moscowitici. Moskowitische oder russische
Rhabarber ; in Russland chinesische, auch bucharische Rhabarber.
Diese Sorte entspricht der obigen Beschreibung insofern, als sie sich
speciell dadurch auszeichnet, dass Rinde und Cambium abgeschält und
dadurch entweder der Kreis der Masersysteme oder das zwischen demselben
und dem Cambium liegende Gewebe blosgelegt sind. Dieses Muudiren
geschieht theils an der russisch- chinesischen Grenze, theils in Europa von
B Au Apothema, Absatz erinnernd. schwärzlich braun. ’Kpuüpdc roth.
2) Nach Rheum Emodi Wallich (Rh. australe Don).
216
Wurzelbildungen der Dikotylen.
deu Grosshändlern. Die genannten Schichten sind von weniger derber
Textur als die Rinde, daher eine so tief geschälte Rhabarber etwas locke-
rer, leichter und reichlicher gelb bestäubt auszufallen pflegt.
Die meisten Stücke haben durch das Schälen ein sehr reines kantiges
Ansehen gewonnen, indem dunklere Stellen, z.B. beim Austritte der Wurzel-
äste, ganz entfernt sind. Ausserdem ist diese Sorte gewöhnlich mit weiten
tiefen Bohrlöchern versehen, so dass auch das Innere der Wurzel der Prüfung
zugänglich ist. Es vereinigt also diese Sorte alle Kennzeichen sorgfältiger
Auswahl und Behandlung und muss als die beste anerkannt werden.
Aus hiernach zu erörternden Gründen ist sie unverhältnissmässig theuer
und in neuerer Zeit auch je länger je seltener geworden. Nach Berg ist
sogar die jetzt unter diesem Namen noch vorkommende Sorte abweichend
durch kleine vorherrschend rothe Stücke mit geringem oder ganz fehlendem
Stärkegehalte.
Es ist nach Ritter wahrscheinlich, dass die Rhabarber schon im
Alterthum aus Tangut nach dem Abendlande gelangte. Er bezieht dar-
auf die Angabe von Ammianus Marcellinus, welcher einer Wurzel er-
wähnte, die am Rha- Flusse (Wolga) wachsen sollte, wohl eher nur über
denselben eingeführt wurde; dann die Rhacoma- Wurzel, die nachPlinius
aus den Hochländern im Gebiete des Schwarzen Meeres (Pontus) gebracht
werde, daher auch Radix pontica oder Rha ponticum hiess und endlich
auch das Rha barbarum. Andere halten diese Wurzel, auch das Rha,
Rhaeon oder Rheion des Dioskorides für unsere Radix Rhapontici und glau-
ben, die wahre Rhabarber sei erst im X. Jahrhundert durch die Araber im
Abendlande bekannt geworden. Hierfür spräche auch der Umstand , dass
Dioskorides der Rha-Wurzel nur adstringirende, nicht purgirende Wirkung
zuschreibt.
Nach Ritter aber deutet die doppelte Benennung Rha barbarum und
Rha ponticum nur auf die beiden Handelsstrassen, welche im Alterthum
die chinesischen Produkte nach Westen einschlugen, nämlich entweder
durch das Indusland und das Rothe Meer nach Alexandria oder zweitens
durch die wüsten Steppen Hochasiens über Jarkand, Kaschgar, das Gebiet
des Oxus (Amu-Darja-Flusses) und das Caspische Meer nach dem Schwar-
zen Meere.
Von den Berbern am Eingänge des Rothen Meeres oder einer Nieder-
lassung derselben am Indus habe die Rha-Wurzel auf ihrer südlichen Reise
den Beinamen „barbarum“ erhalten, auf der nördlichen Karawanenstrasse
nach dem Schwarzen-Meere (Pontus) dagegen hiess sie Rha ponticum1).
Der Bezug der Rhabarber auf der südlichen Handelsstrasse scheint später
ganz aufgehört2) zu haben und die nördliche Handelsbewegung wandte sich
1) Neumann hält diese Ableitungen des Wortes Rhabarber nicht für richtig.
2) noch um das Jahr 700 finden wir Rheubarbarus bei Benedictus Crispus, Erz-
bischof von Mailand wenigstens besungen.
Radix Rhei.
217
vom Schwarzen Meere ab, noch mehr nordwärts durch Sibirien über To-
bolsk nach Moskau, von wo jedenfalls seit Anfang des XVI. Jahrhunderts,
vermuthlich aber schon viel früher, die Rhabarber in den europäischen Han-
del gelaugte. Sie nahm jetzt ihren Weg von Tangut ebenfalls durch die
Steppen der hohen Gobi aber gerade nordwärts, wo z. B. um 1719 Urga
am Nordrande dieser Wüste als Hauptumsatzplatz für Rhabarber genannt
wird. Von jeher erscheinen bucharische Kaufleute als Vermittler des Ge-
schäftes; niemals besorgten die Producenten selbst die Ausfuhr der Wurzel.
Durch die Grenzbereinigung von 1728 wurde vertragsmässig zwischen
Russland und China eine sorgfältig bewachte Zollinie festgestellt, wodurch
der früher uubeschränkte internationale Verkehr auf der ganzen ungeheu-
ren Linie nur den Regierungskaravanen und nur an zwei Punkten, Kjachta,
südöstlich vom Baikal-See, und Zuruchaitu , südlich von Nertschinsk, ge-
stattet wurde. Der letztere Platz ist ohne Bedeutung geblieben , Kjachta
hingegen und der ihm gegenüber liegende chinesische Posten Maimaitschin
(allgemeine chinesische Bezeichnung für geschlossene Handelsplätze) wur-
den dadurch die ausschliesslichen Stapelorte der Rhabarber.
Diese Wurzel hatte die russische Regierung schon 1687 und 1697 un-
ter besondere Aufsicht genommen und monopolisirte sie seit 1704 vollstän-
dig. Die von der Krone ausgerüsteten Karavanen allein brachten von
Kjachta auch die Rhabarber nach Moskau, bis 1762 der Karavaneuhandel
vorübergehend frei gegeben wurde. Erst seit dieser Zeit wurde die Aus-
fuhr der Rhabarber bedeutend, obwohl die 1736 angeordnete amtliche Kon-
trolle derselben fortdauerte. Diese wurde für die von der Krone gekaufte
Wurzel an der Grenze selbst, für die übrige zu Kjachta in einem eigenen
Rhabarberhofe, Brake oder Kaufhause, gemäss besonderer Iustruktion des
russischen Kriegsministeriums, zu dessen Ressort der Rhabarberhandel ge-
hörte, durch einen von der Regierung auf sechs Jahre ernannten Apotheker
gehandhabt und hatte zum Zwecke, alle unansehnlichen, verdorbenen oder
gar fremdartigen Stücke zu beseitigen, die ausgewählten vollends zu schä-
len, zu säubern und anzubohren oder entzwei zu brechen. Hierauf wurde
die sehr hygroskopische1) Waare sorgfältig getrocknet, da sie äusserst leicht
schimmelte, kunstvoll in Kisten verpackt, diese in Leinwand eingenäht und
mit Harz und Häuten vollends wasserdicht gemacht. Es wurden jeweilen
nur Quantitäten von 40000 Pfund, einmal jährlich im Winter, über den
Baikal und Irkutsk nach Moskau abgefertigt, von wo sie in streng chrono-
logischer Reihenfolge nach Petersburg gingen und an die Krön -Apotheken
abgegeben, zum Theil auch an Drogisten verkauft wurden.
0 Naclx Ca lau s Angabe so hygroskopisch, dass sie drei Tage vor Regenwetter feucht
und weich werde! Gute Rhabarber, als Pulver mit nicht besonderer Sorgfalt aufgehoben,
ergab mir nach vollständigem Trocknen bei 100° C. nur 9,65 pC. Verlust und zog, U Tage
lang frei der feuchtesten Herbstluft ausgesetzt, genau so viel Feuchtigkeit wieder an. Also er-
scheint die Rhabarber durchaus nicht mehr hygroskopisch als andere Pflanzenpulver, sondern
eher weniger.
218
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Wir verdanken diese Berichte hauptsächlich einem solchen für die Rha-
barber- Untersuchungen angestellten Apotheker Oalau (1842), welcher
längere Zeit in Kjachta lebte. Staatsrath v. Schröders1) gab 1864 eine
aktenmassige Darstelhmg des Ganges dieser merkwürdigen handelspoliti-
schen M assregpln der russischen Regierung. Cal au hatte sich alle Mühe
um die Rhabarberpflanze selbst und um genauere Nachrichten darüber ge-
geben. Erstere zu erlangen war ihm infolge chinesischer Verbote unmög-
lich, wie schon dem 1791 — 1798 zum gleichen Zwecke von der Regierung
ausgesandten Sievers, welcher Rhabarberpflanzen in Menge traf und mit-
nahm, aber nicht die wahren. Bis auf den heutigen Tag ist die Rheum-Art,
welche die ächte Rhabarber liefert, uns unbekannt. Die bucharischen
Kaufleute, welche allein kontraktmässig der russischen Behörde Rhabarber
nach Kjachta lieferten, bestätigten Calau ganz die oben angegebenen Be-
richte über die Herkunft der Rhabarber, wie sie auch Pallas 1770 in
Erfahrung gebracht hatte. Die Wurzel werde im Sommer gesammelt,
schon ziemlich stark beschnitten, an Fäden gereiht in der Sonne getrocknet
und im Herbste nach Siniug gebracht, das immer noch, also seit Jahrhun-
derten Mittelpunkt dieser Produktion war.
So lange China seine Häfen verschlossen hielt, kam, bis 1781, nur
über Russland Rhabarber nach Europa. Es konnte aber bei den Unan-
nehmlichkeiten der russischen Kontrolle und dem ausserordentlich lang-
wierigen Landtransport nicht ausbleiben, dass die Chinesen ihrer Waare
doch allmälig einen leichteren Absatzweg zu eröffnen lernten, namentlich
da Russland seine Ansprüche mit übertriebener Strenge durchsetzte, und
sogar 1860 noch auf einmal den Chinesen 6000 Pfund Rhabarber als zu
klein verbrennen liess. Schon seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts
bahnte sich zunächst die in Kjachta verworfene, bald aber auch andere, gut
beschaffene Wurzel den Weg nach den einzigen damals offenen Häfen Chi-
nas, Canton und Macao. Dass in neuerer Zeit China noch mehr Häfen dem
Auslande erschloss, musste bedeutend auf den Verkehr in Kjachta drücken,
und als seit 1852 der grosse Aufstand im Innern China s wüthete, hörte
dort aller Handel auf. Russland liess deshalb 1855 grosse Erleichterungen
eiutreten, nur nicht in der Rhabarberbrake, zog 1860 die Zollstätte nach
Irkutsk zurück und erklärte Kjachta zum „Freihafen“, indem durch den
Vertrag mit China vom November 1860 alle Verkehrsbeschränkuugen von
Seiten dieses Reiches fallen mussten. Aber die Massregelu der russischen
Regierung unterdrückten den Rhabarberhandel gänzlich. Die Chinesen
Hessen der Wurzel nicht mehr die erforderliche Zeit zur vollen Ausbildung,
um der vermehrten Nachfrage zu genügen, während die Russen ihre An-
sprüche mit der äussersten Strenge festhielten. So wurde denn seit 1860
gar keine Rhabarber mehr nach Kjachta geliefert, weder an die Krone, noch
an Privatleute, und 1863 folgte die Aufhebung der Brake, so dass fortan
!) Wiggers Jahresb. 1864, S. 36 — 41, aus Pb. Zeitscbr. f. Russld.
Radix Rhei.
219
die Kron-Rhabarber der Geschichte angehört und nur noch in Sammlungen
vorkömmt. Russland wird daher jetzt die Canton-Waare zulassen müssen.
Trotz der Zollschranken hat sich immer auch eine geringere Menge Rha-
barber auf freiem Wege Eingang nach Russland, nicht nach dem übrigen
Europa, zu verschaffen gewusst. So namentlich durch die Gegenden süd-
östlich vom Aralsee, aus Taschkend und Buchara über Chiwa, vielleicht
auf dem früher erwähnten uralten Landwege. Es ist nicht erwiesen, dass
diese Waare mit der über Kjachta gehenden identisch ist, welchei die
Taschkend- Sorte wenigstens gleicht, nur weniger ansehnlich ist, wäh-
rend die Bucharische Rhabarber schwammig, leichter und dunkler
als die Kron-Rhabarber geschildert wird und nach Fero bestimmt eine
eigene Sorte ist.
Canton - Rhabarber.
Rad. Rhei cliinensis. Chinesische, ostindische Rhabarber.
Die aus chinesischen Häfen ausgeführte Waare, welche früher auch je
nach den Vermittlern dieses Seetransports als holländische, dänische
oder englische Rhabarber bezeichnet wurde, jetzt allgemein chine-
sische heisst, obwohl der nordwärts zu Lande ausgeführten eben so gut
diese Benennung zukäme. Sie wird iu Kisten von je 130 Pfund verpackt, die
mit Blech ausgeschlagen sind. Diese Sorte entspricht der allgemeinen Charak-
teristik der Rhabarber mit der Einschränkung, dass an ihr eine weit gehende
Beschneidung und ein ausgiebiges Anbohren vermieden ist, so dass sie mehr die
natürliche Gestalt der Wurzel, doch immerhin nur mit Resten der dunkeln
Aussenrinde, behalten hat, daher weniger eckig ist. Das Cambium und die
Bastschicht (Innenrinde) sind meist erhalten, daher diese Sorte im Allgemeinen
etwas härter und weniger bestäubt zu sein pflegt als die Kron-Rhabarber. Das
Bohrloch ist, wenn vorhanden, nur eben zum Durchziehen eines starken
Bindfadens behufs des Trocknens weit genug, übrigens oft schwärzlich.
Je nach dem geringeren oder stärkeren Schälen unterscheidet man hier,
ungenau genug, ganz, dreiviertel und halb mundirte Waare. Ihre Gestalt
ist bald kugelig, eiförmig, bald cylindrisch, plan convex, konisch oder platt,
die Qualität (Färbung) sehr wechselnd. Häufig sind Stücke von gutem
Aussehen innen schwarz und hohl (kernfaul).
Bau und Inhalt der Canton -Rhabarber stimmen nach dem Urtheile der
Meisten mit dem der Kron-Rhabarber überein , wenn man der offenbar weit
sorgsameren Auswahl und Behandlung der letzteren Rechnung trägt. Dass
das weisse Netzwerk an der Oberfläche der Canton-Sorte weniger Treppen-
gelasse enthält als die Moskowitische , erklärt sich aus der verschiedenen
Natur der entblössten Gewebe. Bei ersterer ist es die dem Baste entspre-
chende Inneurinde, welche freilich nur kurze, nicht verdickte, undeutlich
poröse Prosenchymzellen und nicht eigentliche Baströhren enthält. Im
Innern aber besitzt das weisse Gewebe beider Sorten dieselben Gefässbündel
220
Wurzelbildungen der Dikotylen.
mit weiten, schon durch die Loupe sichtbaren Treppengefässen. Die durch-
schnittlich mehr ins Rothe ziehende Farbe der Krön -Rhabarber, welche
bei der Vergleichung des Pulvers beider Sorten hervortritt, dürfte wohl
auch nur von der geringem Auswahl und Sorgfalt abzuleiten sein , welche
auf die Cauton-Sorte verwendet wird.
Berg dagegen hält die hervorgehobenen Unterschiede dieser beiden
Sorten, namentlich auch den (nach seiner, von Anderen nicht bestätigten
Erfahrung) geringen Stärkegehalt der Moskowitischen und ihre tiefer ge|J>-
rothe Färbung für wesentliche Merkmale und glaubt, dieselben gehören
nicht derselben Pflanze an. Es ist indessen nicht zu übersehen, dass
Berg eine Krön- Rhabarber vorlag, welche er von der früher gewohnten
abweichend fand.
Cal au berichtet, dass von Sining aus Rhabarber nicht nur nach
Kjachta , sondern auch südlich nach Canton und Macao, so wie nach Pe-
king versandt werde, was von Göbel bestätigt ist und für den gleichen
Ursprung beider Sorten spricht. — Zur Sommerszeit bringen, nach Neu-
mann1), die Küstenbewohner um Schanghai grosse Massen Eis nach dem
Binnenlande und tauschen dafür Rhabarber und Thee ein.
Jedenfalls ist ein absolut höherer Werth der Kronrhabarber nicht nach-
gewiesen und die beste Canton- Waare derselben gleich zu achten. Der
von jeher sehr viel höhere Preis der dureh Sibirien ausgeführten hat sei-
nen Grund in den oben erwähnten Umständlichkeiten in Kjachta und der
ungeheuren Landreise.
Diesen Verhältnissen entsprechend , ist bereits seit kurzem durch die
Macht der freien Handelsbewegung die Kronrhabarber zu rein historischer
Bedeutuug herabgedrückt worden.
An Vermuthungen über die Stammpflanze der Rhabarber hat es nicht
gefehlt. Kein urtheilsfähiger Reisender hat der Einsammlung der Wurzel
beigewohnt und alle Rheum-Arten, die man sich aus Sibirien und dem mitt-
leren Hochasien verschaffen konnte, haben bei uns Wurzeln getrieben, welche
mit der Rhabarber nicht übereinstimraten (Vergl. Rad. Rhapontici). So
namentlich Rheum palmatuni L., Rh. undulatum L., Rh. compactum L.,
die der Reihe noch als Stammpflanzen galten. Die beiden ersteren gingen
aus Samen auf, welche die russische Regierung, schon um die Mitte des
vorigen Jahrhunderts, von bucharischen Händlern als Samen der ächten
Pflanze erhalten hatte. Aber alle auf Geheiss der Regierung z. B. 1752,
1777, 1791, 1795, 1811 in Südsibirien bei Kolywan, Krasnojarsk u. s. w.
unternommenen Culturversuche ergaben keine ächte Rhabarber.
Zu Anfang dieses Jahrhuuderts fanden die englischen Botaniker auch
im Himälaya und in Tübet mehrere Rheum-Arten, denen man ebenfalls un-
sere Droge zuschrieb.
Grosses Aufsehen machte besonders (seit 1826) Rheum australe Don
R Ostasiatische Geschichte S. 62 (Lpzg. 1861).
Radix Rhapontici.
221
(Rh. Emodi1) Wallich), worin man die wahre Rhabarberpflanze erkennen
wollte. Aber auch diese liefert nicht die officinelle Wurzel.
Eine Himalaya-Rhabarber, wovon Pereira ein einziges Mal (1844)
auf dem englischen Markte einen kleinen Posten traf, zeigte sich wenig der
ächten ähnlich.
Verfälschungen und Verwechslungen der Rhabarber sind nicht leicht
möglich, wenn der frische Bruch der Wurzel untersucht wird. Der unregel-
mässige Bau und die Masern unterscheiden sie auch von den sonst nicht
ganz unähnlichen in Europa gewachsenen Wurzeln der uns bis jetzt be-
kannten Rheum-Arten (siehe Rad. Rhei europaei). Dagegen finden sich
häufig in den geringeren Sorten asiatischer Rhabarber Stücke, welche im
Innern hohl und augefault sind ; sehr oft werden sie auch von kleinen
Käferchen, Sinodendron pusillum Kirb. (Lucanidae, Schröter.) angefressen.
Radix Rhapontici.
Rad. Rhei sibirici. Rhapontik. Rhapontic.
Rhenm Rhaponticum L. — Polygoneae.
Syn.: Rheum undulatum und Rh. sibiricum Pallas (non Linne).
Diese dem Linne’schen Rheum undulatum ähnliche Art wächst in den
Gebirgen des oberen Jenissei, im Altai, im südlichen Ural, an der Wolga-
Mündung, in den südkaspischen Gebirgen, in Chorassan, am Schwarzen
Meere und wird häufig gebaut. Ihre fleischige Wurzel ist vielköpfig, schwä-
cher als die Rhabarber und kömmt nur geschält in den Handel als meistens
cylindrische, oft gekrümmte, bis 0,10“ lange und 0,02“ dicke Stücke von
rhabarberähnlichem, doch matteren Aussehen. Sie tragen der Länge nach
breite und tiefe durch Einschrumpfung entstandene Runzeln.
Auf dem Querschnitt nimmt man wie bei der Canton-Rhabarber einen
feinen dunkelen Cambiumring wahr und dieselbe weisse von zahlreichen
sehr schmalen Markstrahlen durchzogene Grundmasse. In der Rhapontik
aber vei laufen die Markstrahlen vollkommen regelmässig und lassen sich
ununterbrochen bis in das Centrum verfolgen, ohne durch Masern gestört
zu sein. Dagegen zeigen sich auf dem Querschnitte wenigstens 2 nicht sehr
deutliche weitläufige Kreise von Gefässen, von welchen eine grössere An-
zahl im Centrum zusammengestellt ist. Ausserdem sind die Gefässbündel
sehr zerstreut und enthalten kein eigentliches Holz. Die einreihigen Mark-
stiahlen erscheinen auf der Aussenfläche, im tangentialen Längsschnitte,
m kurzen Adern oder mehr nur punktförmig; das weisse Gewebe herrscht
meistens vor und bildet nicht das zierliche Netzwerk wie in der Rhabar-
er, indem die Gefässbündel parallel laufen, nicht anastomosiren. Die
Rhapontik ist mehr schwammig als körnig, etwas biegsam.
L Emodus hiess bei Ptolemaeus ein Theil des Himilaya.
222
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Von diesen Unterschieden abgesehen, gleicht der Bau und Inhalt der
Rhapontik ganz dem der Rhabarber, deren Geruch und Geschmack sie
auch, jedoch in geringerem Masse besitzt. Die chemischen Bestand-
theile scheinen dieselben, nur in auderen Verhältnissen zu sein; Pektin,
Zucker und Gerbstoff walten vor. Das in dieser Wurzel von Hornemann
angegebeue Rhaponticin ist ohne Zweifel Chrysophansäure verunreinigt
durch die auch in der Rhabarber enthaltenen harzartigen Bestandtheile.
Es ist, wie bei Rad. Rhei erwähnt, nicht sicher ermittelt, ob die Alten
unter den Namen Rha ponticum unsere heutige Rhabarber oder nur die
Wurzel des Rheum Rhaponticum gekannt haben. Jedenfalls wurde in
Deutschland im XVI. Jahrhundert die ächte Rhabarber bestimmt als Rha
barbarum vom Rha ponticum unterschieden.
Das letztere ist einer geringen Rhabarber gleich zu achten ; seit aber
durch den Fortschritt der Handelsbeziehungen die ächte Rhabarber billiger
geworden ist, hat auch die Rhapontik und andere Surrogate ihre Bedeutung
fast ganz verloren. In Persien dient sie noch heutzutage viel statt der chi-
nesischen Rhabarber.
Anhang: Radix Rhei europaei.
Seitdem Rheum-Arten nach Europa gelaugten, in denen man anfangs
die Stammpflanzen der Rhabarber vermuthete, hat man sich in Europa
da und dort mit dem Anbau derselben und des Rheum Rhaponticum
befasst. So kultivirte Apotheker Hayward seit 1777 bei Banbury in
Oxfordshire in grösserem Massstabe Rheum Rhaponticum und zog daraus
eine der oben beschriebenen asiatischen Rhapontik ähnliche Wurzel. Diese
Kultur wrird noch jetzt fortgesetzt; die Londoner Ausstellung von 1862
hatte schön präparirte der russischen Rhabarber äusserlich ähnliche Wurzel
von dort aufzu weisen.
Weit allgemeiner aber wird diese Pflanze, wenn auch nicht im grossen,
ihrer sehr angenehmen säuerlich-süss schmeckenden starken saftigen Blatt-
stiele wegen gebaut, welche wie Obst zubereitet und genossen werden. Sie
enthalten in sehr ansehnlicher Menge saures äpfelsaures , citronsaures und
oxalsaures Kali, so wie Zucker, welcher sie auch zur Darstellung einer Art
Obstwein geeignet macht.
Aehnliche Kulturversuche sind auch mit Rheum australe Don, Rh.
compactum L., Rh. hybridum Murray (Bastard von Rh. Rhaponticum L.
und Rh. palmatum) Rh. palmatum L., Rh. undulatum L. angestellt wor-
den. Immer aber hat man nur Wurzeln vom Charakter der Rad. Rhapou-
tici erhalten, die sich, wie dort angegeben, bestimmt von der Rhabarber
unterscheiden, wenn es auch gelingt, ihnen für den ersteu Blick das An-
sehen letzterer zu gebeu. Zeigen sie auch bisweilen äusserlich einige der
oben ausführlich beschriebenen „Maseru“ au der Austrittsstelle der Wutzel-
äste, so fehlt doch ein eigentlicher ausgebildeter Maserriug im Innern, und
diese Masern zeigen sich dadurch verschieden, dass sie innerhalb des Cam-
Rliizoma Rhei Monachorum.
223
biums Gefässe enthalten. — Schroff hat zwar einen solchen, völlig über-
einstimmend mit Rad. Rhei moscowit. , einmal an knltivirter Wurzel von
Rheum palmatum wahrgenommen, so dass Wiggers darin eine Stamm-
pflanze der ächten Rhabarber vermuthet, die aber nur in ihrer Heimat die
gewohnte Handelswaare zu entwickeln vermöge.
Mit besonderer Vorliebe wird in Oesterreichs Gebirgsländern schon seit
1775 diese Pseudo -Rhabarber -Kultur betrieben; die österreichische Phar-
macopöe von 1812 (später aber nicht mehr) hatte sogar eine Rad. Rhei
austriaci neben der asiatischen aufgenommen.
In Mähren (Austerlitz und Auspitz) wird jetzt noch Rheum compactum
gebaut, in Ungarn (Ilmitz, Kremnitz, Frauenkirchen) Rheum Rhaponticum,
das hier eine weit dunklere, vorherrschend rothe, mehr rhabarberähnliche
Wurzel liefert als die englische. Einen neuen Aufschwung nahm in Schle-
sien durch den Apotheker Johauny in Bielitz diese Kultur, als 1840 der
österreichische Gewerbeverein einen Preis darauf setzte. Hier wurde Rheum
australe Don vorgeschrieben, welche Johanny in so grossem Masstabe
baute, dass er 40 Centner Wurzeln erhielt, welche porös, sehr locker, von
schwachem Rhabarber-Gerüche waren, sich im Geschmacke aber mehr der
Rhabarber näherten.
Auch in Norwegen, kommen die genannten Rkeurn-Arten noch bis 70°
N. Br. gut fort, werden aber mehr der Blattstiele wegen gezogen.
Frankreich dagegen erzeugt immer noch ansehnliche Mengen der so-
genannten Rad. Rhei gallici, äusserlich achter Rhabarber oft sehr ähnlich,
vorzüglich in der Gegend von Paris, im Dept. du Morbihan und in der Pro-
vence, meist von Rheum Rhaponticum.
Die Bedeutung aller dieser europäischen Rhabarber-Kulturen ist jedoch
nui lokal. Ihre Produkte finden hauptsächlich in der Veterinärmedicin Ver-
wendung und sind von den Pharmakopoen nicht zugelassen.
Rliizoma Rhei Monachorum.
Radix seu caudex Rhei Monachorum. Mönchsrhabarber. Rhubarbe des
moines. Fausse Rhubarbe. Faux Rhapontic.
Rum ex alpiuus L. — Polygoneae.
gasreichen gedüngten Stellen der Alpen, besonders in der Nähe der
Ställe, auch im Kaukasus, iu Menge wachsend.
Der graubraune fleischige vielköpfige und verzweigte Wurzelstock ist etwas
? a AgnoImC d’ an der Spitze mit röthlichen Blattscheiden besetzt, in starke
bis 0,025 breite und kaum halb so dicke, bis 0,30m lange Aeste getheilt,
welche auf der oberen Seite durch feine Zasern und durch die Reste der
Blattscheideu oder ihrer dunkelbraunen Gefässbündel dicht geringelt und
fast filzig sind Auf der unteren Seite treten diese ringförmigen Leistchen
neben zahlreichen tiefen Längsfurchen und Runzeln weniger hervor ; aussei-
224
Wurzelbil düngen der Dikotylen.
dem ist die Unterseite des Wurzelstockes und seiner Aeste mit unregel-
mässig gestellten, bis 0,005“ dicken, längsstreifigen hellbraunen Wurzeln
oder gewöhnlich nur noch mit ihren Narben besetzt.
Die Aeste des Rhizoms kriechen in wellenförmigem Verlaufe etwas auf
und abwärts gebogen , ziemlich horizontal fort. Die käufliche Waare be-
steht fast nur aus den von Nebenwurzeln und Blattstielen befreiten Aesteu
des Wurzelstockes. Der schön gelbe, flach elliptische Querschnitt zeigt in
geringem Abstande von der schmutzig schwärzlichgrauen Aussenrinde einen
schmalen geschlossenen Ring dunkler Gefässbündel , von denen das breite
Mark ganz frei ist.
Inhalt und Form der Gewebe stimmt im wesentlichen, von der ganz
verschiedenen äusseren Erscheinung abgesehen, mit Rad. Lapathi übereiu;
doch sind die Baströhren des Rumex alpiuus kleiner, aber zu grösseren,
oft bogenförmigen Gruppen vereinigt, welche durch lange Keile von Bast-
prosenchym von den weit abstehenden Holzbündeln getrennt sind. Seltener
treten vereinzelte Baströhren in der Rinde auf.
Die Krystallrosetten sind sehr gross (bis 60 Mikromill.), das Amylum
etwas kleiner als in Rad. Lapathi. Geschmack ähnlich, doch schärfer als
bei der ebengenannten; Bestaudtheile dieselben.
Im Mittelalter, wo die Schwierigkeit der Handelsverbindungen das
Bestreben hervorrief, für theuere ausländische Arzneistoffe einheimischen
Ersatz zu suchen , verfiel man mit richtigem Instinkt auch auf Rumex alpi-
nus als Surrogat der Rhabarber. Die Kultur desselben fand häufig in Kloster-
gärten statt. Heutzutage dient das Rhizom nur noch in der Veteriuärpraxis.
Dem beschriebenen Wurzelsystem gleicht das des südeuropäischen, in
Gärten auch bei uns gepflanzten Rumex Patientia L. ; vielleicht ursprüng-
lich die eigentliche „ Mönchsrhabarber“.
Radix Lapathi.
Radix Lapathi acuti s. Oxylapathi. Grindwurzel. Rhubarbe sauvage.
Rumex obtusifolius L. — Polygoneae.
Diese durch Europa, Nordasien, den Himalaya, Westafrika (Camerun)
und den östlichen Theil Nordamerikas in der Ebene und im Gebirge ver-
breitete Wiesenpflanze, die jetzt auch in Cuba und Brasilien augesiedelt ist,
besitzt eine starke vielköpfige ästige Wurzel. Die holzigen Aeste sind hin
und her gebogen, bisweilen um ihre Axe gedreht und können bis 0,30 ra
Länge und 0,030 IU Durchmesser am Ursprünge erreichen. Sie siud längs-
runzelig, graubraun, glattbrüchig, nur spärlich mit Nebenwurzeln oder ihren
Narben besetzt und gelangen gewöhnlich geschnitten, die dickeren auch
der Länge nach gespalten in den Handel.
Der Querschnitt zeigt gelbliche, in der Rinde etwas lebhaftere Färbung.
Die Rinde, 0,001“ bis 0,002“ breit, ist durch eine dunklere Cambium-
Radix Lapathi.
225
linie vom Holzkörper geschieden. Die strahlenförmigen Gefässbündel stehen
in einem dichten von breiten Markstrahlen durchsetzten Ringe und den Holz-
bündeln entsprechend dringen in die Rinde dunklere keilförmige Baststrah-
len ein. Das Mark ist bald mehr bald weniger entwickelt. — 4 bis 5 Rei-
hen kleiner eckiger tief brauner Korkzellen bedecken die Rinde, welche aus
grossen kugeligen Parenchymzelleu besteht und von etwas helleren Mark-
strahlen durchschnitten wird. Ziemlich zahlreiche schön gelbe einzelne oder
zu kleinen Gruppen vereinigte Baströhren sind unregelmässig eingestreut; sie
besitzen ein bis 30 Mikromillim. weites eckiges Lumen bei einer Länge von
Vs Millim. im Maximum. Das gelbliche Holzprosenchym umschliesst zahl-
reiche grosse vereinzelte radial geordnete Treppengefässe. Das Mark gleicht
dem Rindenparenchym. Beide enthalten die gewöhnlichen Kalkoxalat-
drusen und Araylum in unregelmässig eiförmigen durchschnittlich 20 Mi-
krom. langen Körnern. Im Holze liegen da und dort grosse braungelbe
Klumpen, im ganzen Gewebe sind überdies braune Körnchen verbreitet.
Geschmack unangenehm bitter und adstringirend; ausser den schon
genannten Stoffen enthält die Wurzel Gerbsäure, Gummi, Zucker, Harz,
Spuren ätherischen Oeles und einen als Lapathin von Büchner und
Herberger, als Rumicin von Riegel, beschriebenen Körper, der nach
Thann nichts anderes als die auch in der Rhabarber nachgewiesene C liry-
sophansäure ist, wie schon Geiger vermuthet hatte. Ihr verdankt die
Wurzel die goldgelbe Farbe, welche durch Alkalien sofort in prachtvolles
violettroth übergeht.
Auch die Wurzeln anderer verwandter Rumex-Arten werden häufig als
Rad. Lapathi gegeben. So vorzüglich diejenige des eben so häufigen Ru-
mex crispus- L. , welche der eben beschriebenen ganz gleicht. Nur im
Baste zeigt sich der Unterschied, dass bei letzterer die Röhren etwas stär-
ker, mehr verdickt zu sein pflegen und nur einzeln blos in der Aussenrinde
Vorkommen; vielleicht sind auch ihre Stärkekörner durchschnittlich ein
wenig grösser.
Die Wurzeln von Rumex nemorosus Meyer, R. conglomeratus Murray
und andere werden gleichfalls als Rad. Lapathi gesammelt und kommen
ohne Zweifel mit ihr in den Eigenschaften überein. — Linne’s Rumex acu-
tus, früher als Stammpflanze der Rad. Lapathi acuti angeführt, ist eine un-
genügend definirte, jetzt aufgegebene Art.
Mau trifft die Rad. Lapathi häufig sehr missfarbig und oft wird sie mit
anderen Wurzeln (Rad. Ononidis, Rad. Bardanae) verwechselt, von denen
sie sich durch die obigen Merkmale, besonders auch durch die Benetzung
mit Kali unterscheiden lässt.
Fliickiger, Pharmakognosie.
15
226
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Radix Bardänae.
Klettenwurzel. Bardane.
1. Lappa minor DC. — Compositae- Cynareae.
Syn.: Arctium minus Schkuhr.
2. Lappa major Gärtner.
Syn. : Lappa officinalis Allione.
(Arctium Lappa a) L. umfasste l und 2).
3. Lappa tomentosa Lamarck.
Syn. : Arctium Bardäna Willd.
Arctium Lappa ß) L.
Grosse zweijährige Kräuter, durch ganz Europa (in Griechenland z. B.
indessen schon selten), Nordasien und Nordamerika in der Ebene und der
Bergregiou weit verbreitet, gewöhnlich in der Nähe von Wohnungen oder
Wegen. Im Norden und in den Gebirgen Mitteleuropas scheint wohl die
dritte Art die häufigste zu sein , die zweite im Ganzen die seltenste. Doch
wird letztere auch noch im mittleren Finnland getroffen.
Die im frischen Zustande fleischige Wurzel aller drei Arten ist über-
einstimmend (höchstens von der ersten etwas kleiner) , eine ziemlich ein-
fache spindelförmige, bis 0,50m lange, oben bis über 0,02m dicke und mit
0,00 lm starken Nebenwurzeln spärlich besetzte Pfahlwurzel. Sie zeigt oft
eine Drehung um die Axe und theilt sich besonders an der Spitze bisweilen
in 2 — 3 Aeste. Die längsrunzelige Oberfläche hell grau braun, wo sie nicht
von dem dunkleren leicht schuppig abfallenden Korke bedeckt ist. Das
Holz besitzt einen Stich ins gelbliche, das übrige Gewebe ist rein weiss,
namentlich das flockige markige Centrum. Der Bruch holzig; auf dem
Querschnitte nimmt die von deutlichen Baststrahlen durchsetzte Rinde
eine Breite von nur etwa 0,00 lm ein und wird durch eine dunkle Cambium-
linie scharf vom Holzkerne getrennt, dessen breite strahlige oder gebogene
Gefässbündel unmittelbar innerhalb des Cambiums die grössten und zahl-
reichsten Gefässöffnungen in dichtem durch ziemlich schmale Markstrahlen
unterbrochenem Kreise zeigen. Nur einzelne Holzstrahlen reichen (in
jüngerer Wurzel) bis ins Centrum, wo einige grössere Gefässe gruppirt
sind. Die Gestalt der Gefässbündel ist sehr verchieden , entweder sind sie
einfach oder nehmen gegen aussen eine sehr bedeutende Breite an und
theilen sich mehrmals, indem secundäre Markstrahlen in das Holz eindrin-
gen, oder weichen weit auseinander. Wähi'end in der Nähe des Cambiums
die Gefässe dicht gedrängt stehen , sendet jedes Bündel nur eine einzige
Reihe von Gefässen ins Centrum, das somit grösstentheils aus lockerem
weissen Markparenchym besteht und von einem fast geschlossenen Holz-
ringe eingefasst wird, dessen Breite sehr schwankt, aber gewöhnlich nicht
die Breite der Rinde erreicht. Das Aussehen des Querschnittes kann daher
je nach dem Alter des Stückes innerhalb der obigen Charakteristik bedeu-
tend verschieden ausfallen.
Radix Bardanae.
227
Vor jedem Gefässbündel dringt ein kurzer Bastkeil in die Rinde ein und
umschliesst eine kleinere oft bogenförmige Gruppe schwach gelblicher kur-
zer Baströhren, welche nach Vogl1) in der Frühliugswurzel durch Sieb-
röhren (vergl. bei Fructus Papaveris) ersetzt sind.
Die Rinde ist von mehreren Reihen fast kubischer brauner Korkzellen
bedeckt, auf welche das weitmaschige etwas tangential gestreckte lückige
Parenchym der Mittelrinde folgt, innerhalb dessen bisweilen sekundäre
Korkbildung (Borke) vorkömmt. Dieses Rindengewebe verliert sich allmälig
in die breite etwas dunklere Cambiumzone, welche den Holzkern umgibt
und von den aus mehr radial gestreckten porösen oder spiralig gestreiften
Zellen bestehenden Markstrahlen durchschnitten wird. Häufig fehlt das
Cambium und die Rinde hängt nur noch lose mit dem Holze zusammen.
Die Gefässe sind punktirt und von sehr verschiedenem Durchmesser; das
Holz besteht aus nicht stark verdicktem weitem Prosenchym von der Gestalt
der Baströhren, nur etwas stärker, und aus Parenchym. Dasselbe so wie
die Mittelrinde und Markstrahlen enthalten Inulin in ähnlichen Klumpen
wie die Rad. Enulae, doch trifft man in der käuflichen Bardana sehr viele
Wurzeln, worin sich kein Inulin wahrnehmen lässt. Vogl beobachtete in
den Siebröhren auch Amylurn. In einzelnen Gefässbfindeln liegen ferner
gelbe Harzklumpen.
Im zweiten Jahre wird das Centrum der Wurzel schwammig oder ganz
hohl und grossentheils auch das Gewebe der Markstrahlen bis in die Mit-
telrinde zerstört, so dass schliesslich nur noch schneeweisse schwammige
Reste der Rinde und lamellenartige Holzstrahlen übrig bleiben, welche
kaum mein- mit einander verbunden sind und ein sehr lockeres weisses
markartiges Gewebe (falsches Mark) einschliessen. Die Wurzel ist deshalb
nicht eist im zweiten Jahre, sondern im Herbste des ersten zu sammeln,
wo alle Gewebe noch lebensthätig sind.
Fiisch schmeckt die Wurzel etwas scharf; getrocknet nur fade, sehr
schwach schleimig süsslich, fast salzig, aber nicht unangenehm, so dass sie
auch wohl gegessen wird2). Kali färbt sie gelblich mit einem Stich ins
grunhche, aber nicht rothviolett, wie die Rad. Läpathi, womit sie verwech-
selt") werden kann, da beide fast nur geschnitten im Handel vorzukommen
pflegen.
Die Klettenwurzel enthält etwas Gerbstoff und Zucker. Das Inulin
scheint m sehr veränderlicher Menge vorzukommen. Fettes Oel fehlt
Bei den Römern war die Klette als Lappa, bei den Griechen unter dem
in amen Apanne äusserlich und innerlich gebraucht. Bardana hängt viel-
eicht mit dem letzteren Worte zusammen. Das mittelalterliche Parduna
wird ohne hinreichenden Nachweis auch auf Lappa bezogen.
B Bot- Zeitung XXIV (1866), S. 196.
2) Lappa edulis in Japan dient als Gemüse.
15*
228
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Radix Ipecacuanhae.
Radix Ipecacuauliae annulata s. grisea. Brechwurzel. Raciue d’Ipecacuauha
annelee. Ipecacuan.
Cephaölis Ipecacuanha Willdenow. — Rubiaceae.
Syn.: Cephaelis emetica Persoon.
Callicocca Ipecacuanha Brotero.
Die lialbstrauchige Pflanze wächst vorzüglich an feuchten Waldstellen
der brasilianischen Thäler zwischen 8 und 20 S. Breite, daun auch auf
den Bergen von San Lucar in Neu-Granada, sowie in Peru. Die meiste Ipe-
cacuanha1) liefert die Gegend zwischen Cuyaba, Villa Bella und Diarnau-
tino, Provinz Matto Grosso, im Quellgebiete des Paraguay, unweit der boli-
vianischen Grenze. Die Abgelegenheit dieser Gegend 2) mag wohl der Haupt-
grund des hohen Preises der Wurzel sein. Sie wird dort zur Blüthezeit, im
Januar bis März, gesammelt. Die kleinsten im Boden zurückgebliebenen
Wurzelfaseru vermögen wieder neue Stämmchen zu treiben. Der lange
holzige Theil des vierkantig-rundlichen Stammes kriecht in geringer Tiefe
in der Erde und sendet einige ziemlich einfache etwa 0,1 5m lange, meist
wurmförmig gekrümmte Wurzeln senkrecht aus, welche allein die officinelle
Ipecacuanha ausmachen. Sie sind am Ursprünge dünner und laufen in
eine Spitze aus, so dass ihre grösste Dicke, bis etwa 0,005m, in der Mitte
ihres Verlaufes liegt. Diese Wurzeln sind mit nur wenigen Zasern besetzt,
aber ausgezeichnet durch ihre geringelte Rinde, die oft bis auf den Holz
körper eingeschnürt ist. Fast überall nämlich erhebt sich die Rinde zu
rundlichen, höckerigen, in kurzen Abständen von etwa 0,00 lm auf einander
folgenden schmalen Wülsten, welche entweder einmal rings herumlaufen oder
die Peripherie nur zur Hälfte umspannen. Jedenfalls bilden sie nicht einen
geschlossenen Kreis, sondern eine kurze, in verschmälerte Enden aus-
gehende Spirale. Die schmalen Thälchen zwischen den Wülsten sowohl als
diese selbst sind durch feine, sehr zahlreiche Längsrunzeln dicht gestreift.
Durch Einweichen in Wasser und rasches Trocknen schnüren sich einzelne
Ringstücke der Rinde rosenkranzartig vom Holzkörper ab. Derselbe ist
nicht ganz glatt cylindrisch, sondern der Länge nach häufig etwas zerklüftet.
— Durch das Befeuchten erhält die graue, in ihrer Färbung übrigens etwas
variirende Oberfläche der Rinde einen Stich ins Braune. Die Dicke des
gelblich weissen, marklosen Holzkörpers beträgt nur 0,00 1 also gewöhnlich
V4 oder y5 des Querschnittes. Die weisslich graue Rinde ist sehr hart,
horuartig, im Wasser wenig aufquelleud, von einer äusserst dünnen Kork-
lage bedeckt. Alle Gewebe sind sehr engmaschig und nicht von strahhger
Anordnung. Die Wurzel bricht kurz uud körnig, nicht faserig, der Holz-
1) jährlich gegen 30,000 Arrohas zu ungefähr 14,7 Kilogr.
2) Waarentransporte nach Rio de Janeiro dauern 5 Monate.
Radix Ipecacuanhae.
229
körper etwas zäher. Die Rinde lässt sich leicht vollständig abtrennen und
wiegt 75 bis 80 pC. der ganzen Wurzel.
Der braune Kork ist aus nur wenigen Reihen sehr dünner, tafelförmiger,
verhältnissmässig dickwandiger Zellen gebildet, das ganze Rindengewebe
gleichförmig aus weitem, kugelig eckigem, zartem Parenchym, das nur
allmälig an der Grenze des Holzkörpers, in der Cambialzoue etwas enger
und im Sinne der Axe gestreckt ist. Bast und Markstrahlen sind nicht zu
unterscheiden, das Cambium bleibt sehr schmal.
Der Querschnitt des Holzkörpers bietet ein ziemlich gleichförmiges,
etwas dickwandiges Gewebe mit Zellen von sehr ungleichen eckig rund-
lichen, meist etwas radial gedehnten Oeffnungen dar, welche nur im Centrum
dichter stehen , aber niemals Mark einschliessen. Selten nimmt man einen
einzelnen Markstrahl wahr , dessen übrigens gleich gestaltete Zellen poröse
Wände zeigen. Im Längsschnitte erweist sich das Holz als kurzes, poröses,
da und dort etwas spiralig oder netzig gestreiftes Prosenchym von höchstens
löMikrom. Durchmesser, ohne alle Spiralgefässe. Stellenweise weicht
dieses Holzprosenchym im Längsschnitte von seinem geraden Verlaufe ab,
wölbt sich nach aussen und tritt als kurzer Keil in die Rinde ein. Diese
Keile oder unentwickelten kleinen Aeste des Holzkörpers pflegen aus etwas
verkürzten Zellen zu bestehen ; sie kommen deutlich zum Vorschein, wenn die
Wurzel aufgeweicht und von der Rinde befreit wird. Rinde und Holz ent-
halten sehr reichlich Stärke, kugelig-eckige, höchstens lOMikrom. messende
einzelne Körner oder aus mehreren dergleichen zusammengesetzte Gestalten.
Die Zellen der Rinde, besonders in ihrem inneren Theile, schliessen bis-
weilen Bündel von Krystallprismen ein.
Die Ipecacuanha -Wurzel riecht dumpf und schmeckt widerlich bitter.
Eigenthümliche Stoffe der Ipecacuanha sind , neben einer Spur ekelhaft
riechenden, ätherischen Oeles, das Emetin und die Ipecacuanhasäure.
Ersteres, ein giftiges, sehr heftiges Brechen erregendes Alkaloid von deutlich
alkalischer Reaktion, scheint der allein wirksame Stoff zu sein. Das Emetin
wurde 1817 von Pelletier u. Magendie entdeckt; es ist bitter, geruchlos,
nicht reinweiss, für sich und in seinen Salzen amorph; nur Reich scheint
Krystalle der Salzsäure -Verbindung erhalten zu haben. Derselbe fand es
durch kochende Salzsäure nicht spaltbar. Die Wurzel liefert weniger als
1 pC. des reinen Alkaloids; vielfach vorkommende höhere Angaben beziehen
sich auf unreines Emetin. Dasselbe scheint hauptsächlich der Rinde anzu-
gehören. Nach der Formel von Reich: G2uH3oN205 unterscheidet es sich
durch Mehrgehalt von 3 Molecülen H20 (Elemente des Wassers) vom
Chinin.
Die Ipecacuanhasäure, von Pelletier für Gallussäure gehalten,
von Willi gk als eigen thümlich erkannt, ist röthlich-braun , amorph, sehr
hygroskopisch, bitter schmeckend, der Caffeegerbsäure und Chinasäure
nahestehend; Reich zeigte, dass sie ein Glycosid ist. — Ausserdem ent-
halt die Wurzel geringe Mengen Harz und Fett, Eiweiss, gährungsfähigen
230
Wurzelbildungen der Dikotylen.
krystallisirbaren Zucker (4V2 pC. Reich), dann Gummi, viel Pectin; in
der Rinde gegen 30 und im Holze über 7 pC. Amylum (Reich).
Die Ipecacuanha wurde 1648 durch Piso u. Marcgraf genauer in
Europa bekannt; der französische Arzt Le Gras brachte sie 1672 zuerst nach
Paris. Von 1686 an wurde sie durch Helvetius, Arzt in Rheims, weiter
bekannt, nachdem er das Geheimniss dieses seines Specificums gegen Ruhr
für 1 000 Louisd’ors an Ludwig XIV. verkauft hatte. Die Abstammung stellten
erst 1801 Gomezu, Brotero fest. In Brasilien heisst die seit langer
Zeit von den Eingebornen angewandte Wurzel Poaya oder Qipö, seltener
Ipecacuanha, was nach Martius in der Tupi-Sprache Brechen erregendes
Unkraut bedeutet, während St. Hilaire — weniger einleuchtend — von
ipe (Rinde), coa (Pflanze), cua (wohlriechend), nha (strahlig) ableitet.
Wohlgeruch und strahlige Beschaffenheit passen aber nicht auf die Pflanze
und die Wurzel.
Südamerika lieferte übrigens früher mehrere verschiedene, zum Theil
mit der beschriebenen Ipecacuanha vermischte und verwechselte, obwohl
sehr leicht zu erkennende Brechwurzeln , während jetzt ausschliesslich die
obige sich im Handel vorfindet. Die bekanntesten dieser u nächten Wur-
zeln sind:
1) Die Rad. Ipecacuanhae nigra s. striata von Psychotria emetica
L. fil. (Ronabea Richard), Familie der Rubiaceae, in Peru undNeu-Granada.
— Sie ist weit stärker als die graue Ipecacuanha und von • schwärzlich
brauner Oberfläche; im Uebrigen derselben ähnlich.
2) Rad. Ipecacuanhae alba , amylacea , farinosa s. undulata
von Richardsonia scabra St. Hilaire, Rubiaceae, in Brasilien und Mexico.
Sie istweisslich, mit deutlichem Cambium und sehr grossen bis 35Mikrom.
messenden Stärkekörnern versehen. Das Holz enthält grosse Gefässe und
auch Markstrahlen.
3) Rad. Ipecacuanha alba lignosa von Jonidium Ipecacuanha
Ventenat, Violarieae, in Brasilien bis Venezuela. — Die Rinde ist nur dünn,
der Holzkörper vorwaltend.
Auch China besitzt eine Brechwurzel, nach Debeaux1) vermuthlieh
von Psychotria elliptica Ker.
Radix Ca'incae.
Radix Cahincae s. Cainanae. Caiucawurzel. Racine de cai'nca, Cainca root.
Cliiococca2) racemosa Jacquin (non Humb. et Bonpl.) Rubiaceae.
Auf den Antillen und Trinidad, sowie in den benachbarten Küsten-
ländern Floridas, Mexicos und Südamerikas, überhaupt zwischen 33° nörd-
licher und 30° südlicher Breite einheimischer Strauch, von welchem sowohl
1) in dem bei Camphora angcführteu Schriftchen S. 07.
2) Schnccfrucht — weil die Frucht weise ist.
Radix Caincae.
231
die untersten Stammstücke als der kurze Wurzelkopf und seine Aeste die
käufliche Cainca ausmachen. Die Wurzeläste sind bis zu 0,02m dick, ziemlich
gleichförmig walzenrund aber sehr häufig wurmförmig gekrümmt, von
bräunlicher Oberfläche, wo der matt grauliche oder schwärzliche Kork
abgescheuert ist. Entweder ist die Oberfläche ziemlich glatt, nur durch
querlaufende Korkleistchen und Wärzchen oder feine Risschen geringelt
oder es machen sich auch zugleich bald feinere Längsstreifen, bald stärkere
Schwielen oder Sehnen bemerklich. Diese Schwielen sind besonders an
der Hauptwurzel und dem unteren Stammtheile stark entwickelt und treten
oft, tiefe Hohlkehlen einschliessend, so sehr hervor, dass die Droge schliesslich
gleichsam ein Tauwerk oder Netzwerk lose verbundener, sehr ungleich
dicker einzelner Stränge darstellt. Auf dem Querschnitte der einfachen
Wurzeläste nimmt man einen sehr starken weisslichen Holzkern wahr, der
von äusserst feinen Markstrahlen durchschnitten wird. Die sehr zahlreichen
Gefässe sind nicht zu deutlich abgegrenzten Ringen (Jahresschichten)
zusammengestellt; doch zeigt das Holz im Ganzen abwechselnd ein wenig
hellere und dunklere Zonen. Die bis 0,003m dicke braune Rinde sitzt fest
am Holzkörper, dessen Durchmesser immer weit (5 — 8 mal) beträchtlicher
ist. Die Wurzeläste besitzen kein Mark, wohl aber die stärkere Hauptwurzel
und mehr noch die Stämme. Die letzteren sind nicht cylindrisch , sondern
rundlich vierkantig; zwischen den Kanten liegen mehr oder weniger tiefe
Hohlkehlen, so dass der Querschnitt in der Regel aus 4 Lappen besteht,
welche oft ein ungleichmässiges Wachsthum zeigen. Die Stammstücke sind
ausserdem noch an den gegenständigen etwas aufgetriebenen Austrittsstellen
der Zweige kenntlich. Auf dem Querschnitte der Stämme und der Haupt-
wurzel, weniger häufig bei den Wurzelästen, zeigen sich die schon beschrie-
benen Schwielen oder Sehnen als selbständige, dem Hauptkerne gleich
gebildete, nur kleinere Holzkörper, welche bald vollständig in die Rinde
eingebettet, bald aber aus derselben ganz oder halb ausgetreten sind. Bis-
weilen kommen diese sekundären Holzkörper sehr zahlreich und von der
unbedeutendsten Grösse an bis zu einem Durchmesser von über 0,010ra
vor. Wenn der Hauptkern selbst noch, wie dies bisweilen geschieht, durch
tiefe Einbuchtungen beinahe in 4 Stränge zerklüftet und von jenen sekun-
dären Holzkörpern in grösserer Zahl umgeben, oft fest umschlungen ist,
so erhält die Cainca im höchsten Grade ihr bezeichnendes fast tauartiges
Aussehen. Ihre sekundären Holzkörper pflegen äusserlich weit auffallender
zu sein, als bei der Rad- Turpethi, wenn sie auch nicht die regelmässige
Entwickelung erreichen, wie in manchen andern tropischen Schlingpflanzen
(Lianen) z. B. aus der Familie der Sapindaceen.
Das Holz ist aus nicht sehr langen fein getüpfelten, ziemlich gleich-
massig etwa 70 bis 100 Mikromil], weiten Gefässen gebildet, umgeben von
sehr langen porösen dickwandigen Prosenchymzellen ; die Markstrahlen ent-
halten nur 1 oder 2 Reihen länglich kubischer mit Amylum oder sehr fein-
körnigem Oxalat (?) gefüllter Zellen und dringen uicht tief in die Rinde
232
Wurzelbildungen der Dikotylen.
ein. Diese zeigt, besonders in dünnen Wurzelästen, zunächst um den Holz-
körper ein etwas im Sinne der Axe gestrecktes Gewebe mit dicken horn-
artigen gelbbraunen Wänden (Hornbast), deren Querschnitt manigfache
Biegungen und oft eine nur geringe Höhlung darbietet. An der Grenze
zwischen dieser Innenrinde und dem, im Querschnitt, mehr tangential ge-
dehnten Gewebe der Mittelrinde , dessen Zellwände ebenfalls aus- und ein-
wärts gekrümmt sind, kommen sehr vereinzelte schön gelbe Steinzellen
vor, welche auch in älterer Rinde immer nur kleinere Gruppen bilden.
Selten finden sich auch einzelne kurze Baströhren und Krystallrosetten.
Vom Korke sind meist nur wenige Reihen der äusseren tafelförmigen brau-
nen Zellen erhalten , gewöhnlicher blos die inneren mehr kubischen farb-
losen. Die ganze Rinde ist reich an Stärke in kugeligen Körnern von un-
gleicher Grösse (bis etwa 15 Mikrom. Durchmesser) ; bisweilen sind dieselben
kleisterartig aufgequollen.
Der Bau der sekundären Holzkörper weicht nicht von dem des centralen
Holzkernes ab.
Die Rinde, nicht aber das Holz, schmeckt anhaltend kratzend bitter;
die frische Wurzel soll einen ziemlich starken Geruch nach Castoreiun be-
sitzen, der an der Handelswaare nicht mehr wahrzunehmen ist.
Brandes hatte aus derCainca einen krystallisirbaren leichter in Wein-
geist als in Wasser löslichen Stoff Ca in ein dargestellt und für ein Alkaloid
gehalten, während Francis , Pelletier und Caventou (1830) dem-
selben (schwach) saure Eigenschaften und daher den Namen Cai'ncasäure
beilegten. Sie wurde (1852) von Röchle der und Hlasiwetz als Gly-
cosid erkannt und in der Wurzel neben ihr auch Caffeegerbsäure aufgefun-
den. Beide kommen hauptsächlich in der Rinde , fast gar nicht im Holze
vor. Das Caincin (Cai'ncasäure) spaltet sich durch Alkalien und verdünnte
Mineralsäuren in ein Kohlehydrat (unkrystallisirbaren Zucker) und Cai'n-
cetin £30H46G-4, welches mit Sapogenin homolog ist. Aehnlich wie bei
dem Saponin (vergl. Radix Saponariae) ist aber auch beim Ca'fncin die voll-
ständige Spaltung nur schwierig zu erreichen und es treten zuvor
Zwischenprodukte auf, welche noch einen Theil des Kohlehydrates ein-
schliessen. Ein solches ist die zuerst von Rochleder und Hlasiwetz
erhaltene Chioc occasäure G,i(iHoG09, welche durch Behandlung mit
Salzsäure-Gas Caiucetin und Zucker liefert. Wahrscheinlich ist sie iden-
tisch mit Chinovin (siehe dieses unter Cortex Chiuae). Das Caincin besitzt
den scharf kratzenden Geschmack der WurzeMude.
Der oben beschriebenen Cainca ähnlich sind die Wurzeln zweier bra-
silianischer Arten desselben Geschlechtes, der Ckiococca anguifuga Mar-
tius (Ch. racemosa Humb. u. Bonpld. — ) in der Provinz Minas Geraes
und Bahia 4) und der Ch. densifolia Mart, in Urwäldern der Küsteugebirge
*) nach De Candolle wächst Ch. anguifuga Mart, aber auch in Guyana, Peru, Trinidad,
Cumana und sogar in Cuba.
Radix Gentianae.
233
der Provinz Bahia. Diese beiden Wurzeln sind, nach M a r ti u s , gleich ; nach
der (unvollkommenen) Abbildung, welche Derselbe (1824) von ersterer
gegeben, scheint sie der antillischen Cainca ähnlich zu sein. Auch die
Wirkung soll gleich oder heftiger sein. Berg fand die brasilianischen
Wurzeln mehr bräunlich-röthlich, häufiger querrissig aber ohne Längs-
leisten. — Die gleichfalls in Minas Geraes wachsende Chiococca scan-
dens Riedel, wurde von Einigen für identisch mit Ch. racemosa Jacq. ge-
halten, ihre Wurzel soll nie in die Tiefe gehen.
Die Caincawurzeln, besonders die der Ch. anguifuga, wurden von den
Eingeborenen der Provinz Bahia gegen den Biss einer dort Cainana ge-
nannten Schlange angewandt. Von Marti us und von Langsdorff
machten die Wurzel seit 1825 in Europa bekannt. Die nach Deutschland
gelangende scheint jetzt immer die antillische zu sein.
Radix Gentianae.
Radix Gentianae rubrae. Enzianwurzel. Racine de Gentiane. Gentian.
Gentiana lutea L. — Gentianeae.
Diese stattliche ausdauernde Pflanze gehört der mittleren Region der
Gebirge Mittel- und auch Südeuropas an. Sie findet sich in Portugal , in
Arragonien, in den Pyrenäen, den Cevennen, in der Auvergne, im Jura,
den Yogesen, im Schwarzwalde, durch die Alpenkette bis nach Bosnien,
nicht in Griechenland.
Auf den deutschen Mittelgebirgen kömmt sie noch vor in der Schwäbi-
schen Alp, bei Würzburg, stellenweise in Thüringen, aber nicht weiter
nach Norden, auch nicht in England.
Die Wurzel ist mehrköpfig, wenig ästig, oft gegen 4 Fuss lang und
(trocken) oben etwa 0,02“ dick, frisch gelblich grau, trocken von roth-
brauner, innen gelber Farbe ’).
Die im frischen Zustande innen hellere, fleischige und volle cylindrische
Wurzel erhält durch das Trocknen tiefe, sehr unregelmässige Längsrunzeln;
oben ist sie fein schwarzbraun geringelt. Sie ist sehr hygroskopisch, daher
zähe und biegsam, nur unmittelbar nach dem Trocknen brüchig. Eine
Probe gewöhnlicher käuflicher Wurzel nahm in feuchter Luft noch 4 pC.
Wasser auf und gab dann (kleingeschnitten) im Wasserbade vollständig ge-
trocknet 18 pC. ab. An der Luft wurden rasch wieder 16 pC. absorbirt.
Im Handel findet sie sich fast immer gespalten vor.
Auf dem Querschnitte trennt eine dunkle Cambiumzone die schwam-
mige, etwa 0,002 breite, durch das Aufweichen indessen zu doppelter
Breite anschwellende Rinde von einem lockeren Kreise kurzer, durch breite
) Die Bezeichnung Rad. Gentianae rubrae hatte sie mehr nur im Gegensätze zu der
iruhcr sogenannten Rad. Gentianae albae (Laserpitium latifolium) und der Rad. Gentianae
nujrae (Peucedanura Cervaria) erhalten.
234
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Markstrahlen aus einander gehaltener schmaler Holzstrahlen, welche bis
gegen das Centrum zu laufen, so dass ein scharf abgegrenztes Mark fehlt. —
Durch das abwechselnde dunklere und hellere Gewebe der Bast- und Mark-
strahlen erscheint die Innenrinde quer gestrichelt oder fast marmorirt; es
beruht diese Zeichnung nicht sowohl auf stärkerer Färbung des einen oder
anderen Gewebes, als vielmehr auf dichterem oder weniger dichtem Zu-
sammenfallen. Beim Aufweichen in Wasser geht sie verloren.
Die schwache Korkschicht ist aus rundlich- tafelförmigen bräunlichen
Zellen gebildet, worauf mehrere Lagen sehr stark tangential gestreckter
dickwandiger grosser Zellen folgen, welche allmälig in die kugelige Form
übergehen und nach innen an Grösse sehr abnehmen.
Die Baststrahlen sind nur durch etwas engeres, noch mehr verdicktes
Gewebe angedeutet und enthalten keine Baströhren.
Das Gewebe des Kernes gleicht dem der Mittel- und Innenrinde. Die
hell gelbwandigen Netz- oder Ringgefässe sind lang, aber nur von mässiger
Dicke und von wenig gestrecktem, nicht verholztem, sehr zart spiralig ge-
streiftem Prosenchym umgeben.
Die Enzianwurzel ist frei von Amylum ; ihr Prosenchym, namentlich die
äusseren Rindenschichten und das Centrum enthält in nicht sehr reichlicher
Menge halbfeste, in Alkohol und Aether lösliche Fetttropfen, die auf den
ersten Blick dem Stärkemehl gleichen, aber durch Jod höchstens etwas
gelblich gefärbt werden. Auch die im Herbste nach dem Absterben der
oberirdischen Theile gesammelte Wurzel erweist sich frei von Amy-
lum. Der Bruch der (trockenen) Wurzel ist glatt; sie schneidet sich wachs-
artig.
Geruch schwach eigenthümlich ; ihren sehr stark bitteren Geschmack
verdankt die Wurzel dem Gentiopikrin. Nachdem schon frühere Chemi-
ker, wie Henry u. Caventou, Trommsdorff, Leconte, Dulk, den
Bitterstoff der Gentiana in weniger reinem Zustande bald als Gentianin,
bald als Gentisin beschrieben hatten, stellte (1862) Kromayer denselben
rein dar. Sein Gentiopikrin, O20H30O18, krystallisirt in farblosen, in Wasser
leicht löslichen Nadeln. Durch organische Säuren oder verdünnte Mineral-
Säuren, nicht aber durch Hefe, spaltet es sich in Zucker und amorphes gelb-
braunes bitteres Gentiogenin. — Kaustisches Kali lost das Gentio-
pikrin mit gelber Farbe.
Frische Wurzeln lieferten wenig über 1 p. Mille reinen Gentiopikrins ;
aus trockener Wurzel liess es sich nicht krystallisirt gewinnen.
Die geschmacklose Gentiansäure (auch Gentisinsäure, Gentia-
nin oder Gentisin), G14Hlo0-5, ist in Wasser1) und Aether unlöslich und
krystallisirt in gelben Nadeln. Trockene Wurzel gibt deren 1 bis 2 p. Mille.
Die Verbindungen mit Alkalien krystallisiren in goldgelben Nadeln, obwohl
die sauren Eigenschaften der Gentiansäure nur schwach ausgeprägt sind;
1) Dennoch ist der kalte wässerige Auszug der Wurzel schön gelb; Kali färbt ihn dunkler.
Radix Gentianae.
235
sie Lässt sich sublimiren und wird durch kochende verdünnte Säuren nicht
zersetzt.
Die Enzianwurzel enthält ferner in reichlicher Menge (nach Rebling
nur 6 pC.) eine wie es scheint unkrystallisirbare Zuckerart. — Crawfnrd
und Wittstein fanden, dass ein alkoholisches vergohrenes Enzianextract
nach Monaten die Bitterkeit verloren und (durch Spaltung des Gentio-
pikrins?) krystallisirten Traubenzucker abgesetzt hatte.
Ein heiss bereiteter wässeriger Auszug der Wurzel erstarrt beim Erkalten
wegen ihres reichlichen Gehaltes an Pektin zur Gallerte.
Vorzüglich in den Alpen und im Jura wird durch Gährung aus der
Wurzel ein Branntwein dargestellt, der vermuthlich durch die gleichzeitige
Entstehung sogenannter Fermentöle einen höchst eigenthümlichen , nicht
eben angenehmen Geruch annimmt. In Folge dieser Verwerthung ist Gen-
tiana lutea in manchen Gebirgsgenden zumal der Schweiz nahezu aus-
gerottet. — Die Wurzel und dieser Branntwein sollen auch wohl schon
gefährliche Wirkungen gezeigt haben — vermuthlich nur wegen V erwechse-
lung (mit Veratrum album?) oder in Folge ungeeigneter Zusätze.
Häufig wird auch die Wurzel der weiter nach Norden gehenden Gen-
tiana purpurea L. gesammelt, besonders in den westlichen Gebirgen Nor-
wegens (wo sie sonderbarerweise „Süsswurzel“ heisst!), auch in Schottland
und in den Schweizer Alpen („spitzer Enzian“), in Schlesien, in Oberitalien,
in den Pyrenäen.
Diese Wurzel ist nur Va bis V* so stark wie die vorhergehende, sonst
aber weder äusserlich, noch durch den inneren Bau davon abweichend, so
dass sie ohne Bedenken statt der Gentiana lutea gebraucht wird, welche sie
an Bitterkeit wohl noch übertrifft. Sie enthält gleichfalls in den äusseren
Rindenschichten und im Centrum Oeltropfen, aber keine Stärke.
Ungefähr dasselbe gilt von Gentiana punctata L., welche auf den süd-
deutschen Gebirgen, den Sudeten, im Riesen gebirge, Böhmerwalde, ziemlich
selten in der Schweiz, einheimisch ist.
Die ebenso benutzte und gleichfalls sehr ähnliche Wurzel der in den
Alpen Baierns und Oesterreichs, in den Karpathen, in Siebenbürgen, im
Böhmerwalde vorkommenden, aber der Schweiz fehlenden Gentiana pan-
nonica Scopoli wird (nach Berg) länger als die der G. lutea, bleibt hin-
gegen immer schlanker, ihr Gewebe dichter, nicht schwammig. Nach Wi-
gand ist G. pannonica ferner nicht geringelt.
In beiden letztgenannten Wurzeln hat Schnizlein Oeltropfen (wie in
der G. lutea), aber keine Stärke gefunden.
Die Alten benutzten eine Enzianwurzel, vermuthlich aber nicht die der
G. lutea.
236
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Radix Calumbo.
Radix Colombo, s. Columbo, s. Calumbae. Kalurnbowurzel. Racine de
Colombo. Calumbo root.
Jateorrhiza1) Calumba Miers. — Menispermeae.
Syn.: Menispermum Calumba Roxburgh.
Cocculus palmatus Wallich (nee De Cand.)
. findender Strauch mit krautigen jährlich absterbenden Stengeln, ein-
heimisch in den Urwäldern des mittleren von Portugal kolonisirten Striches
der afrikanischen Ostküste, bei Oibo (San Joäo de Ibo) und Mosambik, im
Ueberflusse auch in der Gegend von Schupanga am untern Zambesi. Die
Calumbopflanze findet sich ferner kultivirt auf den Inseln des indi-
schen Oceans (Mauritius, Seychellen) und auf der Malabarküste. Der in
Ostafrika einheimische Name des Strauches, Calumbo oder Colombo, steht
in keiner Beziehung zu der gleichnamigen Hauptstadt Ceylons. Erst in
der neuesten Zeit2) wurde vorgeschlagen, die Pflanze nach Ceylon überzu-
siedeln.
Vom kurzen Wurzelkopfe gehen mehrere ausdauernde fusslange gebo-
gene etwas gegliederte , fast knollenförmig verdickte Nebenwurzeln ab,
welche nur wenige kleinere Aeste tragen. Diese fleischigen Nebenwurzeln’
in gewöhnlich etwa 0,01 dicke Querscheiben, seltener der Länge nach
zerschnitten, bilden die käufliche Waare. Der zuweilen bis 0,08“ errei-
chende Durchmesser der meist mehr elliptischen als kreisrunden Schei-
ben lässt auf sehr bedeutende Dimensionen des ganzen Wurzelsystems
schliessen.
Eine ansehnliche sehr unregelmässig runzelige Schicht gelblich braunen
oft fast grünlichen Korkes bedeckt die durchschnittlich etwa 0,005 ra breite
Rinde, welche durch eine sehr feine aber scharf ausgeprägte dunkelbraune
Cambiumlinie vom marklosen3) Holzkörper getrennt ist, der das ganze In-
nere einnimmt.
Die tiefgelben nicht eben sehr zahlreichen Gefässe sind besonders in
der Nähe des Cambiums zu schmalen, nur 1 oder 2reihigen Holzstrahlen
geordnet , welchen in der Rinde mehr oder weniger deutliche linienförmige
dunklere Baststrahlen entsprechen. Das Centrum enthält mehr vereinzelte
Gefässgruppen in einem lockeren Füllgewebe, daher sie aus dem zusammen-
gesunkenen Holzkcrne meist grobfaserig herausragen. Die äussere Hälfte
des Holzkörpers dagegen lässt in grösseren Scheiben 2 bis 6 gleich breite
Jahresringe unterscheiden.
Die peripherischen Theile der Rinde und die Gefässbündel sind haupt-
!) Iatcrios heilend, also Heilwurzel.
2) Pharm. Journ. and Trausact. VII. 523 (1866).
3) In der käuflichen Wurzel findet man keine Stücke mit achtem Marke. In den Düssel-
dorfer Abbildungen (von Necs), Bd. III, tab. 104 ist ein solches nach Hookcr dargcstellt.
Radix Calumbo.
237
sächlich Sitz des gelben Farbstoffes , welcher sich auch sehr häufig gleich-
rnässig, obwohl etwas schwächer, über das ganze Parenchym verbreitet.
Mitunter aber ist dasselbe rein weiss.
Die Wurzel ist, obgleich nicht holzig, sondern vorherrschend mehlig,
doch von ziemlich derber Textur, aber keineswegs von bedeutendem speci-
fischem Gewicht.
Sehr zahlreiche höchst regelmässig geschichtete Lagen zartwandiger
gelber Tafelzellen bilden die Aussenrinde (Kork), auf welche das einförmige
schlaffe grosszellige Gewebe der Mittel- und der Innenrinde folgt. Die Zel-
len der ersteren sind etwas tangential gedehnt, die der letzteren mehr ku-
bisch und radial geordnet, ohne aber eigentliche Markstrahlen darzustellen,
Die Innenrinde ist ungefähr gleich breit wie die Mittelrinde, in deren äussere
Hälfte sich dicht unter dem Korke grosse kubische oder längliche hochgelbe
Steinzellen eingestreut finden. Sie sind mit nicht sehr verdickten grobpo-
rösen Wandungen versehen , erreichen eine Grösse von durchschnittlich
etwa 150 Mikromill. und bilden vereinzelt oder zu kleineren Gruppen ver-
einigt einen sehr weitläufigen Kreis, welcher erst nach der Entfernung des
Amylums deutlich hervortritt. *
Die Innenriude wird von lockeren schmalen, nur etwa 200 Mikromill.
breiten kurz prosenchymatischen Baststrahlen durchsetzt, worin grössere
eigentliche Baströhren fehlen. Eine schmale bräunlich gelbe Cambiumzone
trennt die Rinde vom Holzkörper, welcher vorwiegend aus demselben viel-
leicht etwas mehr straffen Gewebe besteht wie die Innenrinde.
Zu eigentlichen, obwohl immerhin nur schmalen Holzstrahlen vereinigte
Gefässbiindel finden sich nur in der Nähe des Cambiums ; mehr nach dem
Centrum zu treten nur zerstreute Gruppen von immer nur wenigen Gefässen
auf. Dieselben sind schön hochgelb, mit netz- oder tüpfelförmigen starken
Verdickungsschichten ausgekleidet, von höchstens 200 bis 300 Mikromill.
Durchmesser. Selten bestehen die Holzstrahlen aus mehr als zwei radialen
Reihen dieser Gefässe, die nur von wenigen nicht stark verdickten gelben
Holzzellen umgeben sind. Im Längsschnitte zeigen sich che Holzstrahlen
oder Holzstränge mehr krummläufig als regelmässig vertikal gestellt, wie
schon das unbewaffnete Auge besonders im Centrum des Holzkernes wahr-
nimmt. Die Wurzel besitzt daher einen vorwiegend körnigen, nur im Holz-
theile undeutlich kurzfaserigen Bruch.
Das sämmtliche Parenchym der Wurzel (ausgenommen die Korkschicht)
strotzt von grossen Stärkekörnern, deutlich geschichteten und vorwiegend
kugeligen oder eiförmigen nicht eben charakteristischen und wenig gleich-
förmigen Gestalten, welche im Maximum oft 70—90 Mikromill. erreichen, also
mit dem Amylum des Rhizoma Zedoariae und des Tuber Jalapae nächst
dem der Kartoffel zu den grössten Formen der Stärke gehören.
Jene gelben Steinzellen in den äussersten Schichten der Mittelrinde
schliessen zahlreiche sehr gut ausgebildete Krystalle von Kalkoxalat ein,
welche sehr häufig bis 30 Mikromül., mitunter auch das doppelte erreichen!
238
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Es sind immer einzelne gut ausgebildete Krystalle, nicht Drusen, des mono-
klinischen (klinorhombiscken) Systems, also vermutblich von der Zusam-
mensetzung Ca20, G203H-H20. Am häufigsten kommen rhomboedrische
Formen (Hendyoeder) vor, bisweilen zu kleinen Prismen verlängert, seltener
zu klinorhombiscken Tafeln verkürzt. Sehr selten sind hemitropische For-
men mit einspringendem Winkel. Weniger reichlich ist dieses Oxalat im
Holze abgelagert, und den übrigen Geweben fehlt es ganz. Die hier vor-
kommenden Formen zeichnen sich demnach durch grosse Einfachheit aus,
wenn sie mit anderweitigen Vorkommnissen desselben Oxalates, z. B. in
der falschen Angostura (vgl. Cort. Strychni) verglichen werden.
Die Wurzel schmeckt rein und sehr stark bitter. Wasser färbt sich da-
mit sogleich hellgelb. Der bittere Geschmack ist durch drei verschiedene
Substanzen: das Columbiu, das Berberin und die Columbosäure
bedingt.
Das Columbiu oder Columbo bitter, ein sehr indifferenter aber wie
es scheint etwas giftiger Bitterstoff, krystallisirt in farblosen rhombischen
Prismen, welche sich in kochendem Aetker und Alkohol lösen. Es wurde
von Wittstock 1830 entdeckt; nach Inj deck er fände es sich krystalli-
sirt in der Innenrinde abgelagert. Seiner Schwerlöslichkeit wegen wird es
sich kaum in den Decocten der Wurzel finden, sondern vorzugsweise das
Berberin. Letzteres, 1837 von Büchner aus der Wurzelrinde (etwa
1,3 pC.) von Berberis vulgaris reiner dargestellt, krystallisirt in gelben
Nadeln, gibt mit kochendem Wasser und Alkohol gelbe nicht alkalisch rea-
girende Lösungen. Dennoch ist es durch seinen Stickstoffgehalt uud die
Fähigkeit, sich mit Säuren zu meist krystallisirbaren gelben Salzen zu ver-
binden, als Pflanzenbase ckarakterisirt. Es scheint auf den Organismus
nicht energisch zu wirken. — Auch andere Berberideen, z. B. Podophyl-
lum peltatum L. und Jeffersonia (Podophyllum) diphylla Persoon in
Nordamerika, enthalten in ihren Wurzeln Berberiu.
Bödecker hat 1848 gezeigt, dass der Farbstoff der gelben Zellwände
in der Calumbowurzel Berberin ist und seither hat es sich noch in anderen
Menispermeen gefunden, z. B. im Colomboholz aus Ceylon von Pereivia
medica Lindley (Syn. : Coscinium fenestratum Colebr. , Meuispermum fene-
stratum Gaertn.), vermuthlich auch in der Rinde von Anamirta Coccultts ,
so wie in der Wurzel von Menispermum canadense Liun. und in einem
gelben Farbholze aus Assam, Wudunpar genannt. Stenhouse fand es
in einem anderen gelben Farbholze aus Abeocouta auf der Küste von
Sierra Leone (Yoruba) in Westafrika, das von Coelocline polycarpa
De Cand. (Unona polycarpa Bennett) aus der Familie der Anonaceae
abgeleitet wird.
Der erste Entdecker des Berberins ist Hütten Schmidt. Das von
demselben schon 1824 ans den Geoffroya-Rindeu von den Caesalpiuieeu
Geoffroya (Andira) jamaicensis Murray und G. surinamcnsis Bondt uud
Murray dargestellte und bereits als Base erkauute Jamaiciu (und Suriuamin)
Radix Calumbo.
239
hat sich durch Gastell’s Untersuchung (1865) als identisch mit Berberin
erwiesen.
1826 hatten Chevallier und Pelletan einen gelben bitteren krystal-
lisirten Stoff aus der Rinde von Xanthoxylon caribcieum Lamarck. (Xan-
thoxyleae-Rutaceae) unter dem Namen Xanthopicrit dargestellt, 1829 Sta-
ples das Xanthoxylin aus Xanthoxylon fraxineum Willd. Auch diese
beiden Stoffe sind schliesslich als Berberin erkannt worden.
Am weitesten verbreitet scheint das Berberin in der Familie der Ranun-
culaceae. Hier hat man es z. B. sehr reichlich gefunden in den Wurzeln
von Hydrastis canadensis L. (Anemoneae) und Xanthorrhiza apiifolia
L’Heritier (Paeonieae) in Nordamerika, in derjenigen von Coptis Teeta
Wallich (Helleboreae) aus Ostindien und China und Coptis trifolia Salis-
bury in Nordamerika. Aus C. Teeta erhielt Perrins nicht weniger als
8YspC. Berberin, aus der von Hydrastis 4pC. und die gelbe Rinde des noch
unbekannten Pachnelo-Baumes aus Bogota (Neu-Granada) ergab ebenfalls
7 pC. Demnach ist dieses Alkaloid sehr weit und ungemein reichlich
verbreitet.
Aus der Calumbowurzel hat B ödecker (1849) ferner die amorphe
gelbliche, firnissartige, in kaltem Wasser unlösliche Columbosäure dar-
gestellt. Er vermuthet, dass das Berberin in jener Wurzel an diese Säure
gebunden vorhanden sei. Sie schmeckt etwas weniger bitter als das Columbin.
Bödecker hat auf den Zusammenhang der drei bitteren Substanzen
in der Calumbowurzel aufmerksam gemacht. Denkt man sich zu dem
Columbin G42H44G’4 ein Atom NH3 hinzutretend, so enthält das vereinigte
Molekül Berberin G2OH17N04, Columbosäure G22H2407*) plus Wasser
(H6 03).
Es dürften demnach die beiden letztgenannten Bitterstoffe erst während
der Vegetation durch Einwirkung von Ammoniak aus dem Columbin ent-
stehen, welche Reaktion indessen künstlich noch nicht gelungen ist.
Für diese Bildungsweise würde auch sprechen, dass Berberin in den älteren
verdickten Zellen vorzugsweise seinen Sitz hat.
Von allgemeiner verbreiteten Stoffen enthält die Wurzel auch Pektin,
Gummi, Salpeter und gibt etwa 6 pC. Asche. — Gerbsäure fehlt. Sehr
häufig wird die Wurzel von Insekten zerfressen.
Die Calumbowurzel wurde zuerst durch Re di (1675) als giftwidrig in
Europa bekannt, später aber mit Radix Lopez , von Toddalia aculeata
Pers. (Xanthoxyleae) verwechselt. — Die Stammpflanze fand im dritten
Viertel des vorigen Jahrhunderts Philibert Commerson auf Ile de France
(Mauritius). Den Eingebomen des Zambesi-Deltas dient die Wurzel als Beize
für gewisse Farben.
lln )f.D°,mB_erJ>e™ Sol)°n wir hier die Formel von Perrins «von Hlasiwetz und erlauben
uns, für die Columbosäure eine von der Bödecker’schon abweichende zu wählen. Die obige
ormel dieser Saure verlangt in Procenten 66 Kohlenstoff und 6 Wasserstoff; Bödecker
hatte gefunden 66,6 und 6,2, was freilich mit seiner Formel stimmt.
240
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Radix Calumbo wurde schon mit der ihr einigermassen ähnlichen, doch
mehr fahlgelben oder orangefarbenen Wurzel der Frasera carolinemis
Walter (Syn.: Fr. Walteri Michaux), einer nordamerikanischen Gentianee,
verwechselt. Dieselbe schmeckt weniger bitter als die Calumbo, zugleich
etwas süsslich ; durch Gerbstoffgehalt und gänzlichen Mangel des Amylums
stimmt diese sogenannte amerikanische Calumbowurzel mit unserer
Radix Gentianae, nicht aber mit achter Calumbo, wohl überein und lässt
sich daher schon mit Hülfe von Jodwasser und Eisenlösung unterscheiden.
2. Milchsaft führende Wurzeln.
Radix Cichorii.
Wegwartwurzel Chicoree. Succory root.
Cichorium Intybus L. — Compositae-Cichoriaceae.
Zweijährige oder ausdauernde sehr gemeine Pflanze trockener, unbe-
bauter Stellen, von Japan und China durch Persien, Kaukasien, Griechen-
land über ganz Europa bis hoch nach Norwegen verbreitet, auch in Nord-
amerika eingebürgert.
Ihre Wurzel sieht der Radix Taraxaci äusserlich in Gestalt und Grösse
ganz ähnlich, ist jedoch auch nach dem Trocknen strohgelb, mehr holzig,
meistens etwas ästiger und namentlich reichlicher bezasert, häufig um die
Axe gedreht. Gewöhnlich sind auch die Wurzelköpfe mehr verlängert, nicht
so dick, wie bei Taraxacum, daher Radix Cichorii seltener kegelförmig
aussieht.
Desto grössere Abweichung von Taraxacum zeigt die Anordnung der
Gewebe auf dem Querschnitte der Radix Cichorii ; sie hält die Mitte zwischen
den Wurzeln von Taraxacum und Bardana. Yon ersterer unterscheidet sie
sich durch deutlich strahligen Bau und die etwas schmälere Rinde, deren
Breite gewöhnlich dem Durchmesser des gelben Holzkernes gleichkömmt
oder etwas nachsteht. Die Rinde ist nicht concentrisch geschichtet wie bei
Taraxacum, sondern von schmalen, aber sehr langen Baststrahlen regelmässig
bis in die auch hier nur wenig entwickelte Mittelrinde durchsetzt. In diesen
Baststrahlen liegen die Milchsaftgefässe , weniger zahlreich, aber gleich-
gestaltet wie in Radix Taraxaci.
Yon Radix Bardanae, mit welcher sie durch den strahligen Bau des
Holzkörpers sehr wohl übereinstimmt, unterscheidet sich Cichorium durch
weit längere schmale Baststrahlen, welche nicht verdickte eigentliche Bast-
röhren enthalten und nicht bogenförmig vor den Holzbündelu liegen wie
bei älterer Bardana, sondern immer schmal keil- oder flammenförmig. Das
Holz ist gelb und bildet einen breiten, festen Ring, der von schmalen, nur
1- oder 2reihigen, porösen, primären und sekundären Markstrahlen durch-
schnitten ist. Die grossen Gefässe dieses Ringes sind von ziemlich dick-
wandigem Holz-Prosenchym umgeben, welches im Centrum lockerem,
Radix Taraxaci.
241
dünnerem Gewebe mit weniger zahlreichen grossen Gefässen Platz macht.
Die lockere Mittelrinde entspricht ganz der von Bardana und erhält eben-
falls schon sehr früh durch grosse Lücken ein schwammiges Aussehen. Die
Markstrahlen und die Mittelrinde enthalten hauptsächlich Inulin, aber selten
in grosser Menge, häufig fehlt es. Die Aussenrinde wird von einer dünnen
hellgelben Korklage gebildet.
Die Wurzel schmeckt unangenehm und viel bitterer als Radix Taraxaci,
ihr Infusum wirkt sogar etwas betäubend , obwohl sie an Milchsaft weniger
reich zu sein scheint. Derselbe erstarrt beim Trocknen zu nur wenig gelb-
lich gefärbten weisslichen Tropfen.
Häufig wird Cichorium Intybus im grossen augebaut, um diese Wurzel
als Surrogat oder Verfälschung des Kaffee’s zu benutzen, wozu sie sich im
Grunde durch gar nichts empfiehlt. Sie ist stärker als die wildgewachsene
Wurzel, fleischig und mit verhältuissmässig breiterer Rinde versehen.
Bibra hat die wild gewachsene (b) und die cultivirte Wurzel (a), im Herbste
gesammelt und getrocknet, untersucht. In beiden finden sich nur Spuren
von Gerbstoff und ätherischem Oele, wenig Eiweiss, Fett1), Harz und or-
ganische Säuren, dagegen
in a. in b.
Inulin .... 19,12 pC. 10,90 pC.
Zucker . . . 22,08 „ 37,81 „
Die Asche (von a) enthält nach Bauer 29 pC. Phosphorsäure; nach An-
derson, Graham, Stenhouse, Campbell nur 6 bis 16 pC. , dagegen
25 bis 55 pC. Kali. Die Gesammtmenge der Asche bestimmte Anderson
zu 3,6 bis 6,7 pC.
Die Anwendung der Cichorium-Wurzel scheint wohl von Flandern oder
Holland ausgegangen zu sein. Das zweifelhafte Verdienst, sie als Kaffee-
surrogat in Aufnahme gebracht zu haben, gebührt (ungefähr um 1763)
C. G. Förster und dem Major v. Heine zu Braunschweig. Hier so wie bei
Beilin begannen diese beiden zuerst den Anbau und die Zubereitung der
Wurzel im grossen. England verbraucht gegenwärtig jährlich etwa % Mil-
lion Centner Cichorien neben '/2 Million Centner Kaffee.
Radix Taraxaci.
Löwenzahnwurzel. Pissenlit. Dent de lion. Dandelion root.
Taraxacum 2) officinale Weber. — Compositae-Cichoriaceae.
Syn. : Leontodou Taraxacum L.
Taraxacum Dens leonis Desf.
Ueber die ganze nördliche Halbkugel, von Nordafrika, Cypern, Westasien
(im cilicischen Taurus bis 7000 Fuss), Persien, China, bis Island und La-
brador ungemein häufiges Acker- und Wiesenkraut mit ausdauernder spindel-
R höchstens 1/2 PW während Kaffee 3 — 5 pC. Fett enthält.
2) Tdraxis Störung, Unruhe und ak^omai heilen.
Plückigcr, Pharmakognosie. i r*
242
Wurzelbildungen der Dikotylen.
förmiger einfacher oder ein wenig ästiger Wurzel. Die Pflanze selbst wechselt
je nach dem Standorte in ihrem Aussehen bedeutend und steigt von unse-
ren Niederungen bis in die höchsten Alpen. Die im frischen Zustande flei-
schige vollsaftige und milchende, gegen 0,20m, seltener bis 0,4Üm lange
Wurzel fällt beim Trocknen sehr zusammen, ihre ursprünglich hell gelblich-
braune Farbe geht in etwas dunkleres braungrau über und die Rinde
schrumpft zu dicken, oft spiralig verlaufenden Längsrunzeln ein. Nur an
dem breit kegelförmigen Wurzelkopfe zeigen sich auch stärkere Querrunzeln.
Die trockene Wurzel ist höchstens gegen 0,015ra dick; ihre Aeste selten
stark entwickelt, schwächere nicht sehr lauge Zasern kommen häufiger vor;
in der Regel ist die Wurzel eine einfache oder wenig verzweigte Pfahlwurzel.
An dem Querschnitte fällt (uach dem Aufweichen) vor allem die Dicke
der Rinde auf; ihre Breite kömmt mindestens dem Durchmesser des Holz-
kernes gleich oder übertrifft ihn bedeutend. Letzterer bildet einen gelblichen,
sehr porösen, aber nicht strahligeu Kreis ohne Mark, dessen mässig grosse
Gefässe bisweilen gelbes Harz enthalten.
Eine ziemlich breite, aber nicht besonders ausgezeichnete Cambiumzone
trennt den Kern von der Rinde, welche 12 bis 30 scharf unterschiedene
concentrische Zonen oder Schichten zeigt. Sie sind entweder auf grösseren
Strecken ganz zusammenhängend oder stellenweise unterbrochen, so dass
bisweilen diese Stellen eine den Markstrahlen entsprechende radiale An-
ordnung darbieten. Die coucentrischen Zonen der Rinde bestehen aus ab-
wechselnden dunkleren und aus hellen , etwa viermal breiteren Schichten,
deren äusserste allein die nur schwach entwickelte Mittelrinde darstellt,
welche von einer schwachen Korklage bedeckt ist.
Die Mittelrinde enthält gegen 20 Reihen kugeliger oder eiförmiger
grösserer tangential gestreckter Zellen, welche allmälig in das etwas engere
Gewebe der Innenrinde übergehen. Dieses besteht aus ziemlich gleich-
mässigen , im Querschnitte nur wenig tangential gestreckten oder rundlich
eckigen, aber im Sinne der Axe verlängerten und fast keilförmig in einander
greifenden Zellen, so dass sie besonders auf dem radialen Längsschnitte,
weniger im Querschnitte, eine vollkommen regelmässige Anordnung zeigen.
Von den Mittelrindenzellen sind sie durch ihre längliche ovale Streckung
unterschieden. Auf je ungefähr 6 bis 10 Reihen dieser Zellen folgt eine
der schmalen Zonen von nur 2 bis 6 Reihen ähnlicher, doch weit engeren
Zellen, welche zum Tlieil den Milchsaft führen, den die frische Wurzel im
Frühjahr bei jeder Verletzung ergiesst, zum Theil aber Inulin enthalten.
Der Milchsaft erfüllt lauge dünne, sehr reich verzweigte Schläuche von etwa
13 Mikromill. Weite, die sich im gauzeu senkrecht, aber seitlich vielfach
anastomosirend durch das Gewebe dieser Zonen erstrecken Q. Die Schläuche
1) Vorgl. Haustein, Milchsaftgefasse und verwandte Organe der Rinde. Berl. 1864.
S. 72. 73. u. Tab. IX. und die vortreffliche Abhandlung von Vogl in den Sitzungsberichten
d. Wiener Akademie 1863. VI. S. 668.
Radix Taraxäci.
243
Senden ihre Aeste nur nach den Seiten, nicht radial nach innen oder nach
aussen; doch bleiben die Aeste meist kurz, entweder blind, oder biegen
sich um ein nahes Zellenende herum und schlagen alsbald wieder selbst-
ständig die vertikale Richtung ein. Die Milchsaftschläuche besitzen eine
sehr zarte Hülle aus einem Zellstoffe, der nach Yogi in der Umwandlung
zu Pektose begriffen ist, was jedoch Nägeli1) bestreitet.
In den inneren Milchsaftzonen sind die Schläuche auch von kurzen
Siebröhren begleitet. In der trockenen Wurzel zeigen erstere feinkörnigen
bräunlichen Inhalt, den erhärteten Milchsaft, der durch Wasser nicht wieder
aufgeweicht werden kann und auch dem Weingeist widersteht.
Der trübe Milchsaft und der grössere Inulingehalt der benachbarten
Zellen bedingen die dunklere Färbung dieser Zonen. Das dazwischen lie-
gende viel breitere Gewebe ist sehr viel weitmaschiger und ohne festen In-
halt, daher es so bedeutend zusaramenfällt. — Einzelne Milchsaftschläuche
finden sich auch in der Mittelrinde. Der Holzkern besteht vorherrschend
aus grossen, nicht deutlich strahlig gestellten Treppen- oder Netzgefässen,
umgeben von spärlichem , nur sehr wenig verdicktem weitem Parenchym
ohne Milchsaftschläuche.
Die Wurzel kömmt im Kleinhandel nur geschnitten vor, ist aber an ihrer
weissen hornartigen breiten und coucentrisch geschichteten Rinde und dem
schwachen gelblichen Holzkern immer leicht kenntlich. Ihr siisslicher und
bitterer Geschmack ist von sehr verschiedener Intensität, je nach der Boden-
beschaffenheit und der Jahreszeit.
Im Frühjahr ist die ganze Pflanze reich an Milchsaft, im Herbste fehlt
er und es tritt jetzt erst in der Wurzel reichlicher Inulin auf, welches vor
dem Blühen fehlte. Der Zucker dagegen scheint zur Zeit der kräftigsten
Entwickelung der Pflanze in grösster Menge erzeugt zu werden und gegen
den Herbst abzunehmen , so dass vor und nach der Blütliezeit der bittere
Geschmack um so reiner und kräftiger hervortritt.
Fetter Kulturboden begünstigt die Zuckerbildung; auf magerem Boden
gewachsene Pflanzen schmecken bitterer. Auch das Trocknen der Wurzel
scheint die Bitterkeit zu vermindern. Die frische mit dem Kraute beim
Beginne der Bliithezeit verarbeitete Wurzel, wie manche Pharmakopoen sie
verlangen, muss demnach notliwendig ein anderes Extract liefern als die
im Spätjahr ohne das Kraut genommene (und getrocknete) Wurzel. Die
betreffenden gesetzlichen Vorschriften sind daher genau einzuhalten.
Vergleichende Versuche Frickhinger’s über die den verschiedenen
Vegetationsperioden entsprechenden Wurzeln verdienen weitere Ausführung.
Derselbe fand in der Wurzel auch Spuren von Gerbstoff und Manuit,
Smith Pektin, oder, nach Vogl, vielmehr Pektose, welche durch Umbil-
dung der Cellulose in den Zwischenzellenräumen entsteht.
Der frische Milchsaft des Löwenzahns ist sehr bitter, neutral und weiss,
X) Nägeli u. Schweudener. Das Mikroskop. Leipzig 1867. S. 510.
16 *
244
Wurzelbildungen der Dikotylen.
nimmt aber bald saure Reactiou und röthlich braune Färbung au, indem er
zu bröckeligen Massen gerinnt, die Kromayer als Leontodonium !)
bezeichnet und daraus durch heisses Wasser den Bitterstoff, Taraxaciu,
erhalten hat. Dasselbe schmeckte höchst bitter und zeigte die Eigenschaften
des schon früher von Pol ex auch aus Milchsaft dargestellteu Taraxacins.
Kromayer gelang es aber nicht, dasselbe krystallisirt zu erhalten. Der
Milchsaft ist der Hauptsache nach eine Emulsion von Harz und einem
wachsartigen Stoffe, welchen Kromayer krystalliuisch , der empirischen
Formel G8H16G entsprechend zusammengesetzt befunden und, au das
Lactucerin erinnernd, Taraxacerin benannt hat.
Der Bitterstoff ist auch direkt aus der Wurzel selbst in äusserst geringer
Menge zu erhalten.
In den Blättern und Stengeln, nicht in deu Wurzeln und Blüthen des
Löwenzahns hatMarme (1864) den der Milchsäuregährung fähigen, Kupfer-
tartrat nicht reducireuden Iuosit, G'2H24G12, nachgewieseu , der in den
Papilionaceen so wie in thierischen Muskeln verbreitet ist. Die Gegenwart
eines anderen reducireuden Zuckers verräth sich bei der Behandlung der
Milchsaftschläuche mit alkalischem Kupfertartrat (Yogi).
Im Extracte des Löwenzahns schiesst bisweilen körniger milchsaurer
Kalk an, wahrscheinlich, nach Ludwig’s Yermuthung, erst aus dem
Zucker durch langsame Gähruug entstanden, wie auch ohne Zweifel der
von Frickhinger beobachtete Mannit. Nach demselben ist die Wurzel
auch reich an unorganischen Bestandteilen; sie gab im Frühjahr 7,8 pC.
Asche, im Herbste 5,5 pC.
Bei Theophrasthiess die Pflanze Aphake (Phake, Sommerfleck), doch
steht die Identität nicht fest; später bei Fuchsius Hedypnois (ruhiger
Atliem — wegen der Wirkung des „Leontodoniums“). Auch die arabischen
Aerzte des früheren Mittelalters benutzten dieselbe.
Radix Scainmomae.
Scammonia- Wurzel. Racine de scammonee. Scammony root.
Convolvulus Scammonia L. — Convolvulaceae.
Die Scammonia- Winde sieht mit Ausnahme ihrer etwas grösseren grüu-
lich-gelbeu Blume unserem Convolvulus arvensis ähnlich. Sie wächst in
Hecken oder an Felsen windend in Rumelien und der Krim , im Kaukasus,
um Trapezunt, durch ganz Kleiuasieu (am Busen von Adalia z. B. von der
Küste an in das Taurus-Gebirge bis 5000 Fuss über Meer) und Syrien
(Gegend von Marasch, nördlich von Aleppo. — Amanus- Kette) bis nach
Mesopotamien, auch auf Cypern, Rhodus, Kos und Kreta. Besanders häufig
1) schon im XVI. Jahrhundert dem Lactucarium analog als einschläferndes Mittel em-
pfohlen.
Radix Scammoniae.
245
findet sich die Pflanze auch in der näheren und weiteren Umgebung
Smyrna’s.
Die meist ziemlich einfach möhrenförmige mehrstengelige Wurzel er-
reicht bis 1 m Länge, zu oberst au dem starken Wurzelkopfe gegen 0,10 m
Dicke und entsendet gewöhnlich nur aus dem uutersten Theile einige Neben-
wurzeln. Meist jedoch scheint die Wurzel weit unter der angegebenen
Stärke zu bleiben und zeigt sich mehr walzenförmig; der Standort ist ohne
Zweifel vom grössten Einflüsse auf ihren Umfang und Gehalt.
Die milchsaftreiche Rinde ist im Verhältnisse zum Holzkörper nur wenig
entwickelt und schrumpft beim Trocknen selbst an grösseren Stücken auf
ein paar Millimeter ein. Sie schmiegt sich hierbei den sanften Vorsprüngen
des im Querschnitte übrigens ungefähr kreisförmigen Holzes enge an, so
dass die hellbraune Oberfläche der Wurzel der Länge nach von gestreckten
glatten Runzeln durchzogen ist, denen sich seltener untergeordnete Quer-
höckerchen beigesellen. Der Querschnitt durch die Rinde der Hauptwurzel
bietet ziemlich verworren ineinander greifende Keile dunkleren Bastes und
hellerer gegen die Peripherie breit in die sehr schmale Mittelrinde ver-
schwimmender Markstrahlen dar. Zahlreiche grössere braungelbe Harzzel-
len unterbrechen ohne Regelmässigkeit einzeln oder in tangentialer Rich-
tung zu mehreren an einander gereiht das Gewebe der Innenrinde.
Der hell bräunlich graue sehr faserige und grossporige Holzcylinder ist
aus zahlreichen einzelnen Strängen gebildet, welche von schmalen weissen
oder zum Theil braun gefärbten Parenchymstreifen umschrieben sind. Die
ersteren nehmen nur gegen die Peripherie einen regelmässigeren Verlauf
an und treten als breite Markstrahlen in die Rinde ein. Sekundäre nur ein-
reihige Markstrahlen, welche die Holzbündel geradlinig durchschneiden,
treten gewöhnlich nicht in die Rinde über. In ihrem Verlaufe durch die
Länge der oft gedrehten Wurzel sind die einzelnen Holzstränge manigfach
gekrümmt, ihr Bild auf dem Querschnitte daher sehr veränderlich.
Der Holzkörper der Wurzeläste erscheint fast strahlig und etwas
gelappt, sein ansehnliches Mark nimmt gewöhnlich nicht genau das Cen-
trum ein.
Die Mittelriude beschränkt sich auf wenige Reihen schlaffer Zellen , oft
zum Theil gefüllt mit kleinen Rosetten oder vereinzelten rhomboederähn-
lichen Krystallen von Kalkoxalat, zum Theil mit kleinen Stärkekörnchen.
In älteren Wurzeln finden sich da und dort auch wenig auffallende meist
nur mässig verdickte Steinzellen. Die Mittelrinde pflegt aber schon frühe
der Verkorkung anheim zu fallen.
Die Innenrinde ist vorherrschend aus grosszelligem etwas axial verlän-
gertem Bastparenchym gebildet, welches von dünnen Hornbaststrängen
durchzogen wird. Auch dünnwandige Steinzelleu finden sich hier und da ein-
gestreut. Die Harzzellen gehören ebenfalls dem Parenchym der Innenrinde
an und sind beträchtlich weiter als die Zellen des übrigen Gewebes. Ihr
höchst einfacher Bau stimmt mit dem der Harzzellen der anderen Convolvu-
246
Wurzelbildungen der Dikotylen.
laceen (vergl. z. B, Rad. Turpethi) überein. In der käuflichen Wurzel ent-
halten die Harz- oder Milchsaftzellen schön gelbes festes Harz. In dünnen
Wurzelästen erweisen sich diese Saftzellen als ganz einfache kurze Sieb-
röliren, nicht unähnlich denen von Fructus Papaveris, mit halbflüssigem
grau bräunlichem Inhalte. Das übrige Bastparenchym führt entweder kleine
Amylumkörnchen oder rhomboederartige Oxalatkrystalle in sehr grosser
Menge.
Die grossen netzförmigen oder getüpfelten Gefässe des Holzes sind von
schief abgeschnittenen, stark verdickten und grossporigen liolzzellen in
grosser Zahl begleitet und bisweilen gleichfalls von tief gelbem Harze erfüllt.
In älteren W urzeln , wo die einzelnen Holzsysteme reichlicher von Paren
chyrn umgeben sind, enthält dasselbe auch Harzzellen, zeigt überhaupt den
Bau des Rindengewebes und strotzt meist von Amylum und ansehnlichen
einzelnen Oxalatkrystallen, nicht Rosetten.
So sehr hiernach der Bau und Inhalt der Scammonia-Wurzel im allge-
meinen mit demjenigen der übrigen drastischen Convolvulaceen -Wurzeln
übereinstimmt, so unterscheidet sie sich doch bestimmt durch die Anord-
nung ihrer Gewebe. Die Orizaba- Wurzel (vergl. Radix Orizabensis) pflegt
vorherrschend bei weitem grössere unregelmässige aber unverkennbar con-
centrisch-strahlig gebaute Stücke aufzuweiseu, deren Holzkörper nicht aus
einzelnen selbstständigen Strängen, sondern aus zusammengehörigen durch
Markstrahlen getrennten kurzen Keilen gebildet ist.
Auch die Turbithwurzel (vergl. Radix Turpethi), welche derjenigen von
Scammonia am ähnlichsten sieht, besitzt einen centralen strahligen Holz-
cyliuder, neben welchem allerdings sekundäre Holzstränge ziemlich selbst-
ständig anftreten. Sie sind aber immerhin concentrisch mit unverkennbarer
Beziehung zum Hauptkerne geordnet. Was jedoch die Turbithwurzel am
meisten kennzeichnet, sind die auch in der Rinde vorhandenen Holzstränge,
welche bei Scammonia fehlen. Einzelne Stücke der Turbithwurzel, wo die
Holzstränge in der Rinde sehr wenig ausgebildet sind, können der Scammo-
nia sehr nahe kommen.
Tuber Jalapae endlich ist schon durch die äussere Form hinlänglich
von Scammonia verschieden. Die Gewebe beider Wurzeln stimmen im ein-
zelnen wohl überein, aber die zonenweise Abwechselung von Harzzellen
und harz- oder milchsaftfreiem Parenchym findet sich im Kerne der Scam-
moniawurzel nicht, wogegen der Jalape eigentliches Holz abgeht.
Yon geringerem Belauge ist der grössere Reichthum der Scammonia an
Kalkoxalat, welches liier vorwiegeud in ansehnlichen einzelnen etwa 20 Mi-
kromill. grossen Krystalleu und weniger häufig in Drusen (Rosetten) abge-
lagert ist, wie in der Jalape und der Orizabawurzel. Die Stärkekörner der
Scammonia, höchstens etwa 10 bis 20 Mikromill. erreichend, bleiben ob-
wohl gleich gestaltet oder ähnlich zusammengesetzt, au Grösse sehr hinter
denjenigen der verwandten Wurzelu zurück.
Die Zellen, welche den Harz- oder Milchsaft führen, zeigen in der Scam-
Radix Scainuioniae.
247
moniawurzel denselben Bau wie in den erwähnten Wurzeln , kommen aber
weniger häufig vor1) und bleiben durchschnittlich nur halb so weit wie etwa
iu der Jalape. Demgemäss ist auch der Geschmack und Geruch der ersteren
höchst unbedeutend.
Der getrocknete Milchsaft der Scammonia, welcher vor der Blüthezeit am
reichlichsten vorhanden ist, wird seit dem Alterthum unter dem Namen
Scammönium ( Gummi- resina s. resina Scaminonium) vorzüglich aus
Smyrna und Aleppo in den Handel gebracht. Man gräbt2) zur Blüthezeit
die Erde rings um die etwa vierjährigen Wurzeln weg, schneidet diese in
schiefer Richtung an oder durch und schiebt in die Wunden flache Muscheln
ein, auf denen der Saft bis zu ziemlicher Dicke getrocknet, hierauf zu
grösseren Massen vereinigt und vollends ausgetrocknet wird. Dieses rohe
Verfahren ist seit undenklichen Zeiten üblich. Eine W urzel soll hierbei
höchstens etwa 8 Gramm, meist weit weniger trockenes Produkt geben,
wächst aber bei nicht allzu arger Misshandlung wieder fort. Dasselbe sieht
bräunlich gelb bis dunkelbraun oder fast schwarzgrün aus und ist mehr
oder weniger durchscheinend, häufig etwas blasig, auf der Oberfläche meist
graulich bestäubt. Es gibt ein hellgrauliches kratzend schmeckendes Pul-
ver; der Geruch beim Reiben erinnert an den des rohen Jalapenharzes. Mit
sehr wenig Wasser gibt das Scammönium eine Emulsion oder doch eine
kleberige fadenziehende Masse, verhält sich also in dieser Hinsicht wie der
Inhalt der Milchsaftzellen der käuflichen Jalape.
Das Scammonia-Harz , abgesehen von etwa 10 pC. Gummi, flüchtigen
Fettsäuren und anderen Stoffen, welche es im rohen Milchsäfte begleiten,
hat sich durch die Untersuchung von Spirgatis (1860) als identisch er-
wiesen mit dem Harze der Radix Orizabensis (vergl. diese), dem sogenann-
ten Jalapin (besser Orizabiu). Auch die Löslichkeitsverhältnisse des S c am-
monin s sind die gleichen, während das eben so zusammengesetzte Tur-
pethin sich z. B. in Aether nicht löst (vergl. bei Rad. Turpethi). Frühere
Untersuchungen hatten unklare Resultate ergeben, vermuthlich weil sie mit
unreineren Sorten des käuflichen Scammoniurns ausgeführt worden waren.
Von jeher, schon zur Zeit von Dioskorides, wird dasselbe nämlich
auf die manigfaltigste W?eise verfälscht, entweder indem man die schon
durch Anschneiden des Milchsaftes grösstentheils beraubte Wurzel noch
auskocht und so ein harzarmes Extract erhält, oder indem man reinerem
Milchsäfte Mehl, Kreide, Gyps u. s. f. beimischt. Der Handel bietet daher
Scammoniumsorten, welche an Aether bisweilen nur 25 pC. , statt 80 bis
90 pC. des reinen Harzes abgeben.
Dieser Unfug veranlasste 1859 endlich den in Kleinasien ansässigen
Engländer Clark eine zweckmässigere und ehrlichere Gewinnung des Har-
zes anzuregen. Er sandte getrocknete Whirzeln an W' i 1 1 i a m s o n in London,
J) M arquart fand in einer zn Bonn gezogenen Wurzel nur 4 pC. Harz.
') I/auij.a, das Gegrabene. Datier auch das arabische Sukmuuia für Scammönium.
248
Wurzelbildungen der Dikotylen.
nach dessen Anleitung das Haus MacAndrew&Son sich ein Verfahren
patentiren liess, um das Harz in der für Resina Jalapac allgemein üblichen
Weise darzustellen. Dieses Patent-Scammonium unterscheidet sich daher
vom besten käuflichen Scammonium durch die Abwesenheit des wirkungs-
losen, in Weingeist unlöslichen Antheiles des Milchsaftes, weshalb es sich
nicht in Emulsion bringen aber gänzlich in Aether auflösen lässt. Es zeigt
auch einen weniger unangenehmen Geruch.
British Pharm acopoeia (1864) hat sich nicht damit begnügt (neben
käuflichem Scammonium !) das reine Harz aufzunehmen , soudern auch die
Wurzel selbst, aus Syrien, vorgeschrieben, um die Darstellung des erstereu
in der Pharmacie einzubürgern. — Pharm. Germaniae (1865) folgt ganz
diesem Vorgänge und es ist zu hoffen, dass der Anstoss genüge, um regel-
mässige Zufuhren der Wurzel, vielleicht auch den Anbau der Pflanze im
grossen, in Gang zu bringen. Vermuthlich wird sich die Kultur sogar in
Südeuropa wohl lohnen.
Das Scammonium gehört zu den ältesten Arzneistoffen, allein die Schil-
derung von Dioskorides deutet auf eine andere Stammpflanze, vielleicht
Convolvulus sagittaefolius Sibthorp hin.
Tuber Jalapae.
Radix s. caudex Jalapae ponderosae v. tuberosae. Jalapenknolleu. Jalapa-
wurzel. Jalap. Vrai Jalap. Jalap tubereux. Jalap.
Ipomoea1) Purga Hayne. — Convolvulaceae.
Syn.: Convolvulus Purga Wenderoth.
Ipomoea Schiedeana Zuccarini (non Hamilt.).
Exogonium Purga Bentharu.
Ipomoea Jalapa Nuttal.
Convolvulus offieinalis Pelletan.
Die Wurzeln vieler exotischer Convolvulaceen verdicken sich zu aus-
dauernden Knollen, die entweder heftig purgirenden Milchsaft führen oder
geniessbar sind , wie die bekannten Bataten von Convolvulus Batatas L.
(Batatas edulis Choisy). Von ersteren wurden bald nach der Entdeckung
Amerikas, besonders aus Mexico, mehrere verschiedene Arten in den euro-
päischen Arzneigebrauch eingeführt; jetzt sind allein die Knollen der oben
genannten Winde 2) noch officinell.
Die Heimat der Jalapenwiude ist das zerrissene Bergland der ost-
mexikanischen Cordillere, welches den östlichen Abhang der gewaltigen
1) Ipomoea von Ips , ipös , — Name eines Wurmes — Anspielung auf den windenden
Stamm der Jalape.
2) Wohl zu unterscheiden von Batatas Jalapa Choisy (Syn.: Convolvulus Jalapa L.,
Ipom. Jalapa Pursli, Convolv. Mechoacan Vand.), welche früher als Stammpflanze unserer
Jalapa galt, vermuthlich aber Bad. Mechoacannae liefert. Sic wächst nicht nur in Mexico,
sondern auch in Brasilien, Florida, Carolina, Georgia.
Tuber Jalapae
249
Vulkankette vom Cofre de Perote zum Pik von Orizaba bildet. In den
feuchten, schattigen Wäldern der Höhenregion von 5000 bis 6000 Fuss,
der Tierra templada, wächst die Winde theils hoch an Bäumen empor-
kletterud, theils kultivirt, hauptsächlich bei Huachinango, Cordoba, Hua-
tusco, kaum mehr bei Xalapa, nicht in tieferen Regionen. Die Pflanze selbst
wurde erst 1829 durch Schiede bei Chiconquiaco1) uuweit San Salvador
am Cofre de Perote aufgefunden.
Die Wurzeln werden das ganze Jahr hindurch, hauptsächlich aber nach
der Regenzeit im Mai, gesammelt und über Vera-Cruz in den Handel gebracht,
welcher Hafen davon z. B. 1856 etwas über 1000 Ctr., 1860 über 1200 Ctr.,
imWerthe von etwa xf \ Million Franken, ausführte. Der Export von Tam-
pico erreichte 1858 nur den Werth von 70,000 Franken.
Das Wurzelsystem besteht in seiner Grundform aus einem ganz einfachen
kugeligen, etwa faustgrossen Knollen ohne Spuren von Blattorganen.
Nach oben treibt er mehrere Stengel, nach unten ist er plötzlich in eine
schwanzartige, lange, ziemlich dünne, hin- und hergebogene, gewöhnlich
etwas ästige Wurzel zusammengezogen oder endigt in .zwei solcher Wur-
zeln. Die Stengel kriechen oft als Ausläufer weit fort und sind mit kleineren
sitzenden Knollen besetzt, welche mehr länglich und oft eingeschnürt, sonst
aber dem Hauptknollen gleich gebildet sind. Aus demselben entspringen
bisweilen auch verlängerte Wurzeläste, welche sich ihrerseits wieder zu
bewurzelten Knollen verdicken können, an welchen neue Ausläufer ent-
stehen. Die käufliche Jalape bietet demnach sehr verschiedenartige, höchst
unregelmässige Stücke dar, theils eiförmige oder verlängerte grössere Knollen,
theils dickere Ausläufer, theils kleine Knöllchen. Das ganze reichlich mit
klebrigem Milchsäfte erfüllte fleischige Wurzelsystem muss über anhaltendem
Feuer getrocknet werden, was bei den grösseren Knollen durch mehr oder
weniger tief geführte Einschnitte befördert wird. Früher wurden sie öfter
in Querscheiben geschnitten. Die kleinen Knollen bleiben ganz und unter-
scheiden sich gewöhnlich durch breite, kurze, verästelte Längsleisten, die
durch tiefe, sehr schmale Längsfurchen getrennt werden. Bei den grösseren
Knollen verlaufen die Furchen und Leisten sehr unregelmässig, fast netz-
artig und sind mit Kork ziemlich reichlich bedeckt, der in den Furchen
durch das von der Hitze ausgetriebene Hai’z dunkelbraune, auf den Längs-
leisten graugelbliche, matte Färbung zeigt, während die (vielleicht einer
andern Art angehörenden) kleineren Knollen eine mehr glänzende, schwärzlich-
braune Aussenfläche darbieten. — Eine Querstreifung findet sich seltener
angedeutet.
Im Innern lassen die Gewebe selbst der grössten Knollen nur Andeu-
tungen von strahlenförmiger Anordnung wahrnehmen. Der Querschnitt,
von ziemlich gleichförmiger graulicher bis bräunlicher Färbung, zeigt in
einem Abstande von nur 0,00 lm bis 0,002m unter der Oberfläche und
') Chiconquiera nach anderen.
250
Wurzelbildungen der Dikotylen.
parallel mit derselben wellenförmig verlaufend eine einfache oder doppelte
dunkle, feine Cambiumliuie. Die ausserhalb derselben liegende Rinde
zeichnet sich durch eine grosse Menge dunkler, oft in der Nähe derCambium-
linie beinahe zu regelmässigen Kreisen geordneter Harzpunkte aus und
besitzt überhaupt meistens eine dunklere Färbung.
Aehnliche Zonen von nur etwa 3 — 4 Reihen dunkler Harzzellen folgen
nach innen, immer mit der Rinde gleichlaufend. Sie sind durch 1 Millirn.
breite Zonen helleren Parenchyms auseinander gehalten, in welchen noch
(sekundäre) einreihige, weitläufige Kreise von Harzpunkten oder ganz ver-
einzelte Harzzellen auftreten. Gegen das Centrum zu nimmt der Harzreich-
thum sehr ab und damit auch die deutliche Entwicklung der Kreise.
Gefässbündel kommen nur spärlich und ganz unregelmässig einge-
streut vor.
Harzärmere Wurzeläste oder Knollen enthalten im Innern ganz verein-
zelte und nur in der Rinde zahlreiche Harzgänge; bieten also einen mehr
einförmigen als durch concentrische Zonen bezeiclmeten Querschnitt dar.
Die mit sehr regelmässigen concentrischen Harzringen versehenen Knollen
lassen sich , nach dem Einweichen , in tangentialer Richtung leicht in die
einzelnen schalenartigeu Schichten spalten, an deren Peripherie die Harz-
gänge liegen. Demnach würden die einzelnen Lagen des Knollens Jahres-
schichten entsprechen, wobei aber auffällt, dass in den äussersten das Harz
am reichlichsten abgelagert ist. — Bei dem sehr harzreichen Guajakholze
sind die äusseren Holzlageu (Splint) frei von Harz.
Die Jalape ist sehr dicht und schwer; faustgrosse Stücke von 100—200
Gramm sind nicht selten. Der Bruch ist gleichmässig hornartig oder im
Innern mehlig; bei harzreichen Stücken fast muschelig, aber nicht holzig
oder faserig.
Die Korkschicht besteht aus etwa 12 Lagen gewöhnlicher tafelförmiger
Korkzellen, deren äussere Hälfte dunkelbraune, die innere farblose Wan-
dungen besitzt. Zahlreiche braun gefärbte Klümpchen oder Körnchen finden
sich da gegen zwischen dem Korke und der anstossenden äussersten Parenchym-
schicht der Rinde abgelagert, zugleich mit kleinen (20- 30 Mikromill.
messenden) Krystallrosetten von ähnlichem Bau wie etwa in der Rhabarber,
nur mehr abgerundet. Diese Krystalle sind wenig zahlreich und fehlen im
Innern. Das Parenchym der Rinde besteht sehr gleichförmig aus grossen,
etwas dickwandigen, tangential gedehnten Zellen, die gegen den Kork hin
kleiner sind. Markstrahlen fehlen. Die sehr zahlreichen Harzgänge erinnern
bisweilen durch ihre Gruppirung eiuigermasseu an Bastkeile; sie erscheinen
auf dem Querschnitte als runde, von zarten gelblichen W änden eingefasste
Hohlräume, deren Durchmesser (Vio bis Vs Millimeter) weit beträchtlicher
ist als der der anstossenden Parenchymzollen , welche hier keine besondere
Anordnung oder Form besitzen.
An die letzte Reihe der Harzzellen in der Rinde stösst das Cambium,
zarte, prosenchymatiselie, verworrene Zellen, deren etwas gelbliche Wände
Tuber Jalapae.
251
auf dem Querschnitte sehr unregelmässige , schlängelige Biegungen zeigen.
Etwa 3 — 6 Reihen derselben sind in einander verfilzt, und bisweilen findet
sich eine zweite schmalere derartige Cambialzone noch vor, von der ersteren
durch einige Reihen mehr parenchymatischer Zellen getrennt.
Das innerhalb der Cambiumzone folgende Gewebe bietet im Gegensätze
zur Rinde eine deutlich ausgesprochene radiale Anordnung und geringe
radiale Streckung der Parenchymzellen dar, obwohl keine bestimmten Mark-
strahlen. Ein Streifen dieses Gewebes von der ungefähren Breite der Rinde
ist frei von Harzzellen und nach innen wieder durch eine etwas lockere
bast- oder cambiumartige Schicht abgegrenzt, an welche nun erst wieder
ein Kreis von Harzzellen anstösst, worin auch da und dort Gefässbiiudel
Vorkommen.
Alle weiteren Harzzonen sind ähnlich gebaut, mit einem schmalen
vorliegenden Prosenchymgürtel.
Die höchstens gegen Vio Millim. starken Netz- oder Tüpfelgefässe sind
von spärlichem, dünnem, gelblichem, nicht verholztem Prosenchym umgeben
und gewöhnlich von krummem, wurmförmigem Verlaufe. Diese Gefäss-
biindel kommen nur ganz vereinzelt, nirgends in strahlenförmiger Anord-
nung vor.
Das ganze Parenchym , sowohl in der Rinde als im Innern, strotzt von
sehr grossen (bis gegen 60 Mikromill. messenden), geschichteten, vor-
herrschend kugeligen Amylumkörnern , die sehr häufig zu 2 — 5 vereinigt
zusammengesetzte Körper darstellen und zu den allergrössten Stärkearten
gehören. Durch die beim Trocknen sehr lange auf die saftreiche Wurzel
einwirkende Hitze erleidet die Stärke der äusseren Schichten mehr oder
weniger bedeutende Veränderungen oder gänzliche Verkleisterung, welche
mit dem ausgetretenen Harze die hornartige Beschaffenheit der Wurzel
bedingt. Häufig trifft man daher auch in der Jalape Stärkekörner , die nur
noch eine leere aufgerissene Kugelschale darstellen. Kleinere Knollen
scheinen wohl ohne künstliche Wärme getrocknet zu werden, da sie häufig
ganz unverändertes Amylum enthalten.
Die Anlage der Harzgänge lässt sich auf dem Längsschnitte deutlich
erkennen. Sie durchziehen parallel mit der Axe die betreffenden Schichten
der Knollen, doch in ihrem Verlaufe häufig durch bogige Krümmungen von
der Senkrechten abweichend, wie auf dem tangentialen Längsschnitte am
besten zu erkennen ist. Die Harzgänge sind nicht sowohl eigentliche Gänge,
wie etwa die Behälter des ätherischen Oeles und Balsams in denWurzelu
der Umbelliferen (Angelica. Levisticum) und Compositen (Arnica. Anacyclus.
Enula), sondern nur senkrecht auf einander gestellte einzelne Zellen von
kubischer oder kugeliger Form mit dünnen, oft etwas eingefallenen, schwach
gelblichen \\ änden , umgeben von gewöhnlichem, nur wenig gestrecktem
Parenchym oder von der erwähnten mehr prosenchymatischen Zone. Häufig
aber sind die zarten Querwände der Zellenreihe stellenweise verschwunden,
so dass dann allerdings die übrig gebliebenen Seitenwände einen grösseren
252
Wurzelbildungen der Dikotylen.
gangartigen Raum darstellen. Oft sind diese Zellenreilien sehr lang, oft
aus nur 10- — 20 Zellen gebildet, aber niemals verzweigt, wie etwa die
Milchsaftgefässe von Taraxacurn oder Lactuca. Der fast farblose Milchsaft
ist in den Zellen der getrockneten Knollen noch in halbflüssiger Form ent-
halten; befeuchtet man einen zarten Schnitt, so wird die dunkle Harzmasse
heller, rundet sich zu einem grossen gelblichen, trüben Tropfen ab, der sehr
bald austritt, mit dem Inhalte benachbarter Zellen zusammenfliesst und sich
endlich über den ganzen Schnitt verbreitet, so dass die harzführenden
Zellenreihen völlig entleert und jetzt sehr deutlich erkannt werden. Wasser,
Glycerin, Chlorcalciumlösung, Schwefelsäure, Kalilauge wirken gleich auf
das Harz und stellen die Emulsion, den ursprünglichen Milchsaft, wieder
hei. Alkohol und ätherische Oele lösen das Harz und heben die Emulsion auf.
In andern Milchsaft führenden Wurzeln lässt sich derselbe nach dem
Eintrocknen durch Zusatz von Wasser nicht wieder emulgiren. 'So z. B. in
Rad. Taraxaci.
Der schwache Geruch der Jalape erinnert an Rauch; sie schmeckt erst
fade, dann kratzend.
Die hervorragenden Bestandteile der Jalape, Stärke (bis 18 pC.),
unkrystallisirbarer Zucker (bis 19 pC., Guibourt), Gummi, Farbstoff
und Harz, scheinen in ihrer Menge bedeutenden Schwankungen unter-
worfen zu sein. Der Harzgehalt wird bisweilen scheiubar dadurch erhöht,
dass das Amylum durch Insektenfrass vermindert ist. Das Harz beträgt
10 bis 17 pC. und erscheint unabhängig vom Alter der Knollen; nach
Marquart gab in Bonn gezogene Wurzel 12 pC. Harz, nach Widnmann
eine iu München cultivirte sogar 22 pC.
Das Harz ist ausgezeichnet durch seine grosseLöslichkeit in Weingeist,
Essigsäure und Essigäther. 1 Theil verdünnten Weingeistes von 70 Yol.
pC. löst bei gewöhnlicher Temperatur schon 1 Th. des Jalapenharzes, von
anderen Harzen weit weniger. Auch in allen übrigen Beziehungen unter-
scheidet sich das Jalapen harz so sehr von den Harzen, dass es im Grunde
dieser Klasse von Verbindungen nicht beigezählt werden darf. Aether, auch
Chloroform, entzieht dem durch Weingeist dargestellteu rohen Harze 5 bis
7 pC. eines oft mit Jalapin identificirten, doch noch nicht näher untersuchten
Harzes, das nach längerer Zeit krystallisirt (Sandrock's „Gammaharz“).
Der nicht gelöste Theil wurde von W. Mayer mit dem Namen Convol-
vuliu ‘) belegt und nach der Formel G31H50O1G zusammengesetzt befunden.
Es ist vollkommen gereinigt farblos, dem arabischen Gummi ähnlich, löst
sich sehr leicht in den fixen Alkalien und wird durch Zusatz von Säuren
nicht wieder gefällt, indem es sich durch Wasseraufnahme in die in Wasser
lösliche amorphe Convolv ulinsäure verwandelt. Convolvulin sowohl
als Convolvuliusäure zerfallen durch mässiges Erwärmen mit verdünnten
D früher Rhodeoretin; zweckmässig wäre es gewesen, diesem Körper den ursprünglichen
Namen Büchners n, Herberger’s, Jalapin, zu lassen.
Tuber Jalapae.
253
Säuren oder auch mit Emulsin in das krystallisirbare Co nvolvulinol
G-cH50O-7 und Zucker. Jenes geht in Berührung mit wässerigen Alkalien
in die krystallisirbare, wenig in Wasser lösliche Convolvulinolsäure
02ßHlsQ6 über. Die mit der Sebacylsäure isomere Ipomsäure G1ÜH18-G'4
wird durch Behandlung des Convolvulins (und auch des Jalapins) oder
seiner Abkömmlinge mit Salpetersäure neben Oxalsäure erhalten. — Das
Convolvulin schmilzt (nach vollständigem Trocknen) bei 150° C., ein ge-
ringer Wassergehalt macht es jedoch schon unter 100° schmelzbar. Es ist
unlöslich in Terpenthinöl und Ammoniak, löst sich (nach dem Reinigen
durch Aether) ohne Färbung und ohne Gasentwickelung in kalter verdünn-
ter Salpetersäure. Chloroform darf ihm (nach Hager) nur 5 — 7 pC. in
der Wärme entziehen. Dieses Verhalten des Jalapenharzes ermöglicht seine
Prüfung und sichere Erkennung. — Das Convolvulin besitzt in hohem Grade
die purgirende Wirkung der Jalape, nicht aber das Convolvulinol.
Die beschriebene Jalapenwurzel oder andere ähnliche und gleich wir-
kende Wurzeln verwandter Pflanzen wurden gegen Ende des XVI. Jahr-
hunderts durch die Eingeborenen Mexicos deu Spaniern bekannt und 1570
zuerst von Monardes beschrieben. Solche Wurzeln von mehr weisslicher
Farbe führten wegen ihres häufigen Vorkommens in Michoacan (oder
Valladolid), einer der westlichen Provinzen des mittleren Mexico, den Na-
men Radix Mechoacannae , so dass dann unsere etwas später bekannt
gewordene Jalapa auch wohl Mechoacanna nigra, bei Bauhin (1620)
Bryonia mechoacanna nigricans, hiess und endlich auch umgekehrt die
Mechoacanna als Jalapa alba bezeichnet wurde (vergl. bei Rad. orizabensis).
Hierdurch und durch die damalige Herbeiziehung noch anderer ähnlicher
Wurzeln wird es unmöglich, unsere Jalapa in früherer Zeit bestimmt zu ver-
folgen. Sicher war sie bald nach dem Jahre 1600, nach Caspar Bauhin
seit 1609 in Frankreich und Deutschland verbreitet und 1634 ihr Harz
allgemein im Gebrauche. Ihrer Wirkung wegen hiess sie auch wohl Rha-
barbarum nigrum.
Verwechselungen der Jalape sind nur möglich mit Wurzeln der ver-
wandten Convolvulaceen , welche im allgemeinen, auch in chemischer Hin-
sicht, bedeutende Aehnlichkeit mit ihr besitzen und in der That unter der
käuflichen Jalape bisweilen Vorkommen. So wird aus Tampico neuerdings
eine an Harz sehr arme leichte und holzige Jalape von unbekannter Ab-
stammung ausgeführt. Sie ist lang, birnenförmig und sehr stark zusammen-
gefallen, zum Jh eil sogar hohl. Guibourt hat auch eine finger- oder hand-
förmige Wurzel beschrieben. Die bereits erwähnte Mechoacanna scheint
schon frühe in mehreren Sorten nach Europa gebracht worden, aber schon
m Mexico selbst manigfach verwechselt worden zu sein. So ganz beson-
ders mit der Wurzel von Asclepias Contrayerva ’) , auch mit der soge-
nannten Radix Matalistae oder Metalistae. Diese wird von Mirabilis
■ :) Guibourt, J. de Pli. (1866) IV. p. 98.
254
Wurzelbildungen der Dikotylen.
longiflora L. oder auch von Mirabilis Jalapa L., Familie der Nyctagineen,
abgeleitet, deren bei uns gezogene (einjährige) Wurzeln mit der Jalape keine
Aehnlichkeit, namentlich keinen Harzgehalt besitzen. Ihre Stärke ist weit
kleiner, das Kalkoxalat in grosser Menge, aber in Nadeln krystallisirt vor-
handen. In Europa endlich giug häufig die Wurzel von Bryonia-Arten als
Mechoacanna oder weisse Jalape.
Wie die ächte Jalape werden in Brasilien als „Batata purgante“ die
noch grösseren, stark bewurzelten Knollen der in Minas Geraes, Goyaz und
S. Paulo einheimischen Ipomoea operculata Martius (Syn. : Convolvulus
operculatus Gomez, Piptostegia Gomezii et Pisonis Mart.) angewandt. Sie
sind locker, aussen hell graubräunlich, innen gelb oder grünlichgelb ge-
streift., von ähnlichem Gerüche und Geschmacke und gleicher Wirkung wie
die mexikanische Jalape. Ihr Harz, nach Peckolt 12pC. betragend, zeigt
ähnliches Verhalten wie das Jalapenharz , im einzelnen aber doch Ab-
weichungen. Das brasilianische Harz scheint in Weingeist und Kali weit
weniger löslich zu sein und an Aether nur 11 pC. abzugeben. Es ist dem-
nach wohl eher homolog als identisch mit dem Couvolvulin.
Betrügerischer Weise werden auch Jalapenknollen in den Handel ge-
bracht, denen das Harz zum Theil entzogen ist, was schon durch das Mi-
kroskop ersichtlich ist. — Knollen, welche weniger als 1 0 pC. Harz liefern,
sind nach dem Vorgänge der Preussischen Pharmakopoe zu verwerfen.
Radix orizabensis.
Radix Jalapae fibrosae, s. levis, s. fusiformis. Stipites Jalapae. Jalapen-
stengel. Spindelige Jalape. Orizabawurzel. Jalap fusiforme ou leger.
Jalap stalk or wood.
Ipomoea orizabensis Le Danois. — Convolvulaceae.
Syn.: Convolvulus orizabensis Pelletan.
Ipomoea mestillauica Clioisy?
Ipomoea batatoides Bentham?
Diese, übrigens botanisch nicht hinreichend gekannte Winde gehört der-
selben ostmexikanischen Gebirgslandschaft an, wie Ipomoea Purga, in deren
Gesellschaft sie bis in die Gegend von Orizaba vorzukommen pflegt. Sie
besitzt eine bis 2 Fuss lange spindelförmige, nicht kuollige und mehr holzige
und faserige als saftige Wurzel, welche nach Le Danoi s und nach bchiede
in Xalapa als „Purgo macho“ (männliche Jalape) unterschieden wird.
Diese Wurzel, vielleicht aber auch ähnlich beschaffene Wurzeln noch
anderer Ipomoea- Arten , gelangte etwa seit 1833 als „Jalap leger nach
Frankreich und bald darauf unter dem Namen „ J alapen stenge 1 u
nach Deutschland. Nach Guibourt’s Ansicht (1866) war sie aber auch
schon in früherer Zeit, jedoch unter der Bezeichnung Radix Mechoacannae ,
aus der westmexikanischen Provinz Michoacau nach Europa gekommen.
DieWaare erscheint bald als höchst unregelmässige kantige, gekrümmte
Radix orizabensis.
255
oder plattenförmige, auch wohl ästige Stücke einer offenbar sehr grossen
der Länge nach getheilten Wurzel, bald mehr der ächten Jalape ähnlich,
in ganzen, aber spindelförmigen kleineren Wurzeln , nicht in kugeligen
Knollen. Alle diese Orizaba -Wurzeln pflegen eine etwas hellere Farbe als
die Jalape und weit tiefere Längsrunzeln zu besitzen. Grössere Stücke
zeigen sowohl auf der Innenfläche als auf der äusseren Seite öfters tiefe
Axt- oder Messerhiebe; seltener kommen Querscheiben vor.
Obwohl durchschnittlich leichter als die Jalape, ist die Orizaba -Wurzel
doch von sehr dichtem, oft hornartigem Gefüge. Von der Jalapa unter-
scheidet sie sich, wenigstens in ihren kleineren Stücken, sehr durch den
strahligeu Querschnitt und die starken zahlreichen, aus dem Bruche faserig
herausragenden Gefässbündel. Dieselben erscheinen im Querschnitt als
nicht sehr lange, unregelmässige, häufig gabelspaltige und oft etwas
gekrümmte, helle Keile, welche zu 2 — 3 concentrischen strahligeu Kreisen
zusammengestellt sind. Ausserhalb jedes Kreises liegt eine feine schwarze
Linie oder eine breitere dunkle, harzreichere Zone; aber auch das vom inner-
sten Gefässbündelkreise umschlossene Gewebe (Mark) enthält noch viel Harz.
Bau und Inhalt der einzelnen Gewebe in der Orizaba-Wurzel stim-
men überein mit denen der Jalapa, höchstens mit folgenden geringen
Abweichungen. In ersterer sind manche Zellen der Korklage und des
benachbarten Parenchyms ziemlich stark zu weiten Steinzellen verdickt;
Krystallrosetten zahlreich, auch im Innern verbreitet, die meist etwas
weiteren Harzgänge übrigens von derselben Beschaffenheit wie bei Jalape.
Das Amylum zeigt sich in unversehrten Körnern, bis etwa gegen 20 Mikromill.
messend. Sehr verschieden sind dagegen die Gefässbündel der Orizaba-
Wurzel, deren grosse zahlreiche Netzgefässe in grösseren strahlenförmigen
Gruppen, durch reichliches kurzes und stark verdicktes poröses Holz-
prosenchym zusammengehalten werden. Diese Holzstrahlen bedingen die
faserige, leichtere Textur der Wurzel.
Geruch und Geschmack wie bei der Jalapawurzel , doch schwächer. —
Auch die chemischen Bestandteile stimmen überein, aber das von W. Mayer
als Jalapin1 *) bezeichnete Harz der Orizaba-Wurzel ist in Aether ganz
löslich und von der Zusammensetzung 03*H56LD6, also mit dem Convol-
vulin nur homolog ; die durch gleiche Behandlung erhaltenen Zersetzungs-
produkte des Jalapins, die Jalapinsäure, das Jalapiuol, so wie die Jalapinol-
säure sind gleichfalls homolog mit den betreffenden aus dem Convolvulinol
erhaltenen Körpern. Aus allen gewinnt man auch durch Salpetersäure die
Ipomsäure. — Das Jalapin schmilzt erst über 150° C., wenn es zuvor voll-
kommen getrocknet war.
Das Orizaba- Harz besitzt, nach Hagentorn, dieselbe drastische
Wirkung, wie das Con volvulin ; letzteres wirkt aber doppelt, nach B e r n a t z i k
1) Zweckmässiger wären die Namen „Orizabin“ für dieses Harz und „Jalapin“ für
aas der Ipomoea Purga.
256
Wurzelbildungen der Dikotylen.
nur etwa IV3 mal so stark. Das Jalapinol („Orizabinol“) ist wirkungslos.
— Die im obigen beschriebene Orizaba -Wurzel gab mir 1 1,8 pC. bei 100°C.
getrocknetes Harz. Vollkommen ausgewaschen, entfärbt und in 2 Theilen
Weingeist gelöst, drehte dieses reine Orizabin die Rotationsebene des po-
larisirten Lichtes um 9,8° nach links bei einer Säule von nur 50 Millim.
Länge. — Convolvulin drehte unter gleichen Umständen nur um 5,3° links
(d-Linie der Natriumflamme).
Das Orizabin (Mayer’s Jalapin) löst sich in fixen Alkalien wie das
Jalapenharz (Mayer’s Convolvulin) und wird durch Säuren nicht wieder
ausgeschieden. Im Gegensätze zum letzteren ist es im Aether vollständig
und in allen Verhältnissen löslich, überdies auch in Benzol und Chloroform,
aber schwierig in Steinöl und Terpenthinöl.
Das Harz des Scammonia- Milchsaftes (vergl. Rad. Scammouiae) ist
ideutisch mit dem Orizabin.
Radix Turpethi.
Turpithwurzel. T urbith vegetal.
Ipomoea Turpethum ß. Brown. — Convolvulaceae.
Syn.: Couvolvulus Turpethum L.
Diese Winde, in Ostindien, Australien und ganz Polynesien1) einhei-
misch, treibt eine bis 6Fuss tief in die Erde dringende ziemlich gerade, innen
röthliche und mit gelbem Milchsäfte erfüllte Wurzel, die sich durch ihre
holzige leichte Beschaffenheit und hellere Färbung sehr von der Jalapa- uud
der Orizaba- Wurzel unterscheidet. Es scheint wohl im wesentlichen eine etwa
armsdicke knorrige Pfahlwurzel zu sein, die sich in dünnere cylindrische bis-
weilen um die Axe gedrehte Aeste2) theilt, welche neben der Hauptwurzel im
Handel 0,01m bis 0,04 dick uud bis etwa 0,2,u lang vorzukommen pflegen.
Ihre graugelbliche ziemlich glatte Oberfläche ist gleichsam von starken
oft krumm verlaufenden Sehnen durchzogen , daher grob und breit längs-
runzlig, daneben auch mit kleinen Korkköckerchen oder Querleistcheu be-
setzt. — Die sehr unregelmässige Hauptwurzel gleicht eiuigermasseu der
Orizaba-Wurzel.
Der anatomische Bau der Turpeth- Wurzel zeigt in seiner Anlage einige
Analogie mit dem der Orizaba-Wurzel durch strahlige Anordnung der Ge-
fässbündel uud abwechselnde, von weuigeu aber breiten uud hellen Mark-
strahlen durchschnittene Kreise von Gefässen und harzreichen etwas dunklem
Zonen. Jedoch sind die Gefässbiiudel der Turbithwurzel weit zahlreicher,
relativ grösser und das Holz überwiegt selbst in den schwächsten Stücken.
Der Querschnitt sehr dünner Wurzeln (Wurzeläste) von nur 0,004
bis 0,005“ Durchmesser bietet einen sehr einfachen Bau dar. Der blass
gelbliche Holzkern, etwa die Hälfte des gauzeu Durchmessers einnehmend,
1) Auf den Gescllschafts- und Frcundsckafts -Inseln, den Neuen Hebriden , auf Taheiti
werden die saftigen süssen Stengel der Pflanze von Kindern ausgesogen (Unger).
2) unterirdische Wurzelsprossen nach Vogl.
Radix Turpethi.
257
ist durch 5 oder 6 ziemlich schmale weisse Markstrahlen in eben so viele
breite Keile getrennt. Den Holzkern umgibt ein halb so breites weisses
von Amylum und Oxalatdrusen strotzendes Rindenparenchym, das von einer
dünnen hell gelbbräunlichen Korkschicht bedeckt ist. Amylum und Oxalat
erreichen dieselbe Grösse wie in der Jalapa- oder Orizaba Wurzel, bleiben
aber doch durchschnittlich kleiner. Im Rindengewebe finden sich in sehr
weitläufigen unterbrochenen Kreisen weite tangential gestreckte Harz- oder
Milchsaftgänge. Ihrer Lage und Anordnung nach vertreten sie den Bast-
theil der Gefässbündel, indem sie keilförmig am zahlreichsten und grössten
den letzteren gegenüber Vorkommen, dagegen in dem von den Markstrahlen
eingenommenen Theile der Rinde fehlen. Cambium und ein centrales Mark
lassen sich nicht unterscheiden.
Der Kork besteht aus mehr kubischem als tafelförmigem dünnwandi-
gem und nicht (wie in der Orizaba-Wurzel) verdicktem Gewebe, das Rinden-
parenchym aus dickwandigen, in den äussersten Schichten tangential ge-
streckten eiförmigen Zellen, von denen sich die der Markstrahlen mehr nur
durch radiale Streckung unterscheiden. Die Holzbündel enthalten sehr
weite, im Durchmesser bis Vs Millim. erreichende Netzgefässe, umgeben
von sehr zahlreichen kurzen prosenchymatischen Holzzellen mit zierlichen
grossen Poren.
Dieser einfache Bau erleidet aber beim weiteren Auswachsen der Wur-
zel bedeutende Veränderungen. Die Markstrahlen werden mehr und mehr
vom Holze verdrängt, so dass oft nur noch 2, zuletzt oft gar keiner mehr
übrig bleibt; auch in der Rinde werden sie unkenntlich und die Regelmässig-
keit in der Anordnung der Harzgänge verschwindet. Bisweilen finden sich
dann einzelne Reihen ganz verdickter Baströhren mit Siebwänden vor; im-
mer aber treten merkwürdiger Weise bei etwas älterer Wurzel ganz selbst-
ständige Holzstränge mitten im äusseren Rindengewebe auf. Sie stehen,
jeder für sich von weissem mehligem Parenchym umschlossen und gewöhn-
lich ungleich entwickelt, in einem weitläufigen Kreise, welcher durch eine
mehr oder weniger breite harzreiche oft etwas dunklere Schicht vom ur-
sprünglichen Holzkern getrennt ist. Innerhalb dieser Schicht wiederholt
sich bei noch höherem Alter die Bildung dieser sekundären Holzstränge,
so dass die Rinde schliesslich mehrere Kreise derselben enthält. Allmälig
überwuchern sie das Parenchym und machen sich auch an der Oberfläche
der Wurzel durch sträng- und sehnenartige Auftreibungen der Rinde be-
merklich , ähnlich wie bei der Cainca-Wurzel. In dieser Weise bietet der
Querschnitt älterer Stücke innerhalb der schmalen Rinde einen starken oft
hohlen x), oder ganz zusammenhängenden oder durch 2 bis 6 Markstrahlen
, Jh,elnrch s0 wic durcb die vom dikotylen Typus abweichende Anordnung der Gefässe
erhalt die Wurzel mehr das Aussehen monokotyler Stämme, worauf schon der Araber Mesue
um t as a i 1000) hingewieson, indem er treffend angab, diese einer milchenden Pflanze an-
gehörige Wurzel sei oft hohl nnd rohrartig.
Flückiger, Pharmakognosie. ^7
258
Wurzelbildungen der Dikotylen.
getlieilten Holzkern dar, concentrisch umgeben von 1 bis 3 sehr unregel-
mässigen Kreisen gleich gebauter kleinerer Holzkerne oder Stränge, welche
von oft nur sehr schmalen oder oft ganz zerrissenen Parenchymschichten
umschrieben sind. An der Peripherie des centralen Kernes bleibt immerhin
der Hauptsitz des Harzes, dessen Gänge hier bei älteren Wurzeln in zahl-
reichen Kreisen eine fast ununterbrochene dunkle Zone von etwa 0,001'“
Breite darstellen. Aber auch die sekundären Holzkörper besitzen sehr häu-
fig an dem nach aussen gerichteten Tlieile ihrer Peripherie eine ähnliche
Harzzone.
Die Gänge dieses Harzes oder Milchsaftes sind meistens enger, aber von
gleicher Beschaffenheit wie in Rad. Jalapae; doch scheinen in der Turpeth- -
Wurzel die siebartig porösen Querwände schon sehr früh zu verschwunden,
so dass dann statt der Harz (Milchsaft) führenden Zellenreihen mehr eigent- \
liehe Schläuche Vorkommen. Der Inhalt ist wie bei Jalapa- und bei Orizaba- .i
Wurzel nicht ganz fest; dagegen findet man häufig an der Aussenfläche der
Turpethwurzel grössere Ausschwitzungen des völlig erhärteten blassgelb-
lichen Harzes.
Die Wurzel ist ohne Geruch, aber von scharf kratzendem, kaum an Ja-
lapa erinnerndem Geschmacke. Das Harz, ungefähr 4 pC. betragend, fand
Spirgatis gemengt aus einem weichen in Aether löslichen Antheile und
. einem in Aether, Benzol, Schwefelkohlenstoff und ätherischen Oelen unlös-
lichen Harze, welches er Turpethin nannte. Das erstere beträgt nur ’/so
und besitzt allein den Jalapengeruch. Das Turpethin löst sich unverändert
in Essigsäure, starke Säuren und Alkalien hingegen spalten dasselbe in glei-
cher Weise wie das Jalapin (Orizabiu) und Scammonin. Alle drei Harze
besitzen die gleiche Zusammensetzung und scheinen in ihren Spaltungs-
produkten höchstens durch verschiedenen Wassergehalt abzuweichen. Die
Eigentümlichkeit des Turpethins beruht auf den Löslichkeitsverhältuissen.
Die Wirksamkeit des rohen Turpethharzes ist nach Yogi geringer als die
des Jalapen- und des Orizabaharzes, aber stärker als die des Scammonium-
harzes.
Garcia d’Orta berichtete (um 1563) zuerst über die Stammpflanze
dieser Droge, welche schon früher (doch erst seit Ende des XYII. Jahrhunderts
in grösserer Menge) aus Indien, wo sie jetzt noch als Purgaus dient, durch
die arabischen Aerzte des Mittelalters nach Europa gelangte. Ihr Name
(früher auch Terbat oder Turbat) ist arabischen Ursprunges oder eigentlich
vielleicht aus dem Sanskrit stammend. Im Laufe der Zeiten verwechselte
man damit andere Wurzeln, z. B. diejenige von Globularia Alypum , Eu
phorbia Myrsinites u. s. w., und übertrug bekanntlich den Namen auch auf
das basische Quecksilberoxydsulfat (Turpethum minerale).
In Europa wird die Turpitlnvurzel wenig mehr gebraucht ; sie wurde
seit Ende des vorigen Jahrhunderts durch die Jalape verdrängt. Von Djedda
am rothen Meer gingen z. B. 1860 noch etwa 100 Ctr. nach Suez (von
Kremer).
Radix Saponariae.
259
Für die Turbith wurzel ist das Vorwalten des Holzes und besonders das
Auftreten selbstständiger Stränge desselben mitten im Rindengewebe im
Vergleiche mit den übrigen Convolvulaceen - Wurzeln (vergl. namentlich
Radix Scammoniae) sehr bezeichnend.
E. Wurzeln von kratzendem Geschmacke, ohne
Amylum.
Radix Saponariae.
Radix Saponariae rubrae. Seifenwurzel. Saponaire. Savonniere. Soap wort.
Saponäria officinalis L. — Sileneae (Caryophylleae).
Syn.: Silene Saponaria Fries.
Durch den grössten Theil Europas, auch in Kleiuasien, in sandigem,
feuchtem Boden, in Hecken und Gebüschen einheimisch, doch wie es scheint,
nicht im äussersten Süden und Norden, wenigstens in Griechenland selten,
auch vermuthlich in Südsibirien fehlend, dagegen noch in Aragonien und
Portugal vorkommend. In England, nach DeCandolle, ursprünglich viel-
leicht nur eingewandert, in den atlantischen Staaten Amerikas von Cauada
bis Georgia jetzt eingebürgert.
Die fusslange , mit abblätterndem , längsfurchigem , rothbraunem Korke
bedeckte, im ersten Jahre nur ganz einfache Wurzel wird bis über 0,010“’
dick und trägt zahlreiche Warzen und starke Aeste. Von gleichem Aus-
sehen, jedoch anfangs, weniger röthlich, ohne Warzen und durch 0,01 0m
bis 0,030m aus einander liegende Knoten geringelt, sind die starken, weithin
kriechenden, besonders in sandigem Boden vorkommenden Ausläufer, welche
aus ihren verdickten, reich bezaserten Knoten sowohl Nebenwurzeln als
oberirdische, blühbare Stengel treiben.
Die käufliche W aare pflegt jetzt meist aus jüngeren Wurzeln bis zu 0,005m
Dicke, ohne Ausläufer zu bestehen, welchen graugelbliche, mit stark auf-
getriebenen Knoten versehene Stengelstumpfe beigemengt sind.
Der Kork gelangt zu keiner bedeutenden Entwickelung, sondern wird
schon in jüngern Trieben immer in Fetzen abgestossen. Die ganze Rinde
erreicht selbst in den dicksten Theilen der Wurzel (nach dem Aufweichen)
höchstens 0,002m Breite und zeigt nicht strahligen Bau. Durch ihre rein
weisse Farbe kontrastirt sie scharf mit dem im frischen Zustande schwach,
trocken aber lebhaft und schön gelben, braun gesäumten, sehr dichten Holz-
körper, worin im Alter 2 bis 4 Jahresringe deutlicher zu unterscheiden
sind als die sehr schmalen unterbrochen und unregelmässig verlaufenden
Markstrahlen. Der Durchmesser des Holzes erreicht in älteren Wurzeln das
4fache von der Breite der Rinde, in jüngeren, wo noch Mark vorhanden,
theilt sich der Querschnitt ziemlich gleichmässig zwischen Rinde, Holz und
das lockere, oft zum Theil resorbirte Mark.
17 *
260
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Die Rinde schneidet sich hornartig-mehlig, das Holz spröde, so dass die
ganze Wurzel leicht und kurz bricht.
Die Ausseurinde ist scharf unterschieden durch die tafelförmige Gestalt
ihrer Zellen, welche in 2 Lagen von je ungefähr 10 sehr regelmässigen
Reihen getheilt sind. Die äussere, absterbende Lage besitzt dünne, roth-
braune Wände, die innere, noch lebensthätige besteht aus farblosem, dick-
wandigem Korkgewebe oder fehlt in den ausgewachsenen Wurzeln.
Die Mittelrinde enthält nur wenige Reihen grosser, kugeliger oder läng-
licher Zellen. "Viel breiter ist die Innenrinde, deren einzelne Bestandtheile
uicht bestimmt geschieden sind und allmälig in das Cambium übergehen.
Die Gefässe des Holzes zeigen in Betreff ihrer Anordnung und Grösse wenig
Regelmässigkeit. Die älteren Netz- oder Tüpfelgefässe sind von verholzten
Prosenchymsträngen begleitet, die jüngeren von mehr dünnwandigen. In
der Peripherie des Holzkörpers finden sich abrollbare Spiralgefässe. Das
Mark zeigt den Bau der Mittelrinde.
In der Mittel- und InDenrinde so wie im Marke sieht man unter Terpen-
thiuöl das Gewebe grösstentheils von durchsichtigem, formlosem Inhalte
erfüllt, welchen das Wasser sofort auf löst. Daneben sind vereinzelte, bis
gegen 80 Mikromill. messende eckige Krystallrosetten , besonders in der
Mittelrinde, eingestreut. Amylum fehlt der Wurzel gänzlich, sowohl im
Frühjahr als im Herbste. Die älteren Gefässe sind sehr häufig mit gelbem,
bisweilen noch halbflüssigem Harze getränkt. Gerbstoff ist nicht vorhanden.
Die Wurzel schmeckt erst süsslich, dann aber höchst unangenehm
kratzend. Cultivirte Wurzeln werden nicht scharf.
Als Träger des Geschmackes wurde schon 1809 von Schräder ein
eigen thümlicher Stoff, das Saponin, unterschieden, dessen ausgezeichnete
Eigenschaft, mit Wasser (selbst noch bei Gegenwart von nur Viooo Saponin)
eine beim Schütteln schäumende Lösung zu geben , längst bekannt war.
Das Saponin ist amorph, geruchlos, beim Zerreiben zum heftigsten Niesen
reizend, von süsslichem, dann brennend kratzendem Geschmacke. Die
Lösung wirkt giftig auf kleinere Tlriere und bewirkt im Auge heftige
Schmerzen und Erweiterung der Pupille. In Wasser und wässerigem Wein-
geist, nicht in absolutem, noch in Aether, löst es sich leicht zur neutralen
Flüssigkeit. Verdünnte Mineralsäuren spalten das Saponin in ein Kohle-
hydrat und Sapogenin, jedoch ist die Zersetzung nur bei mehrstündigem
Einleiten von Salzsäuregas durch kochende Lösung vollständig. Alsdann
erst verwandelt sich das austretende Kohlehydrat in Zucker und das Sapo-
geniu in weisse, in Weingeist, nicht in Wasser lösliche Krystalle. Die
Spaltung verläuft nach Rochleder (1862) folgeudermasseu :
Saponin kryst. Sapogenin Zucker
4 (H2 0) = G28 EP2 LP -+- 6 (G6 H12 0,;)
Wird die Zersetzung nicht vollständig zu Ende geführt, so treten weniger
als 6 Aeq. Zucker aus und es entstehen Zwischenprodukte, unter welche
Radix Saponariae.
261
z. B. Fremy’s Aesculinsäure, Overbeck’s Saporetin und das bei
Cortex Chinae besprochene Chinovin zu gehören scheinen.
Das Saponin hat sich nach und nach als ein im Pflanzeni eiche, zumal
in der Familie der Caryophylleen (Sileneen) weit verbreiteter Stoff’ heraus-
gestellt. Martius1) führt über 20 Pflanzen auf, welche in Wurzeln,
Blättern, Rinden, Blüthen oder Früchten Saponin enthalten. Sie gehören
zu den Familien der Bromeliaceen , Liliaceen, Mimoseen, Caesalpinieen,
1 Phytolacceen, Spiraeaceen, Polygaleen, Berberideen, Hippocastaneen, Sapin-
daceen, Caryophylleen. Am besten scheint sich zur Gewinnung des Sapo-
nins die Rinde des chilenischen Baumes Quillcija Saponaria 2) Molina
ä (Spiraeaceae) zu eignen.
Das Senegin (vergl. bei Radix Senegae) ist wahrscheinlich von Saponin
nicht verschieden und das Caincin (vergl. Radix Caincae) damit homolog.
Die übrigen Bestandtheile der Seifenwurzel sind nicht näher gekannt,
i so namentlich nicht das von Osborne angegebene Saponarin, ein
angeblich krystallisirbarer, in Aether und Weingeist löslicher Bitterstoff,
der sich in der Wurzel nur vor der Blüthezeit finden soll.
Die deutschen Botaniker zu Ende des Mittelalters hatten die Saponaria
für die im Alterthum sehr hochgeschätzte Arzneipflanze Strüthion erklärt.
Wahrscheinlicher ist darunter die der gleichen Familie ungehörige peren-
nirende Gypsophila Strüthium L. zu verstehen, welche im Gebiete des
Mittelmeeres und Schwarzen Meeres, von Spanien (la Mancha und Castilien)
bis in die Krim und in Nordafrika vorkömmt. Ihre grosse, schwere Wurzel,
Radix Saponariae aegyptiacae , s. hispanicae s. levanticae , dient in
derselben Weise technisch oder ökonomisch als Ersatzmittel der Seife wie
die unserer Saponaria. Sie ist eine einfache, mehrköpfige, fusslauge und
bis 0,050ra dicke, spindelförmige Pfahlwurzel, bisweilen etwas um ihre
Axe gedreht. Die graugelbliche Oberfläche ist durch meist ziemlich seichte
Läugsfurchen und horizontale, oft abgescheuerte Korkleisten oder Quer-
risscheu fast gefeldert. Den Querschnitt nimmt vorwiegend das sehr harte,
dichte und feiustrahlige, marklose, gelbe Holz ein. ln dieweissebis 0,010m
breite Rinde dringen zahlreiche keilförmige oder geschlängelte braune Bast-
strahlen vor.
Abgesehen von den weit grösseren Dimensionen und der deutlich aus-
gesprochenen regelmässig strahligen Anordnung und Unterscheidung der
einzelnen Gewehe stimmt der anatomische Bau, sowie der Zellinhalt und
das chemische Verhalten der Gypsophila -Wurzel mit dem der Saponaria
überein. Die Innenrindenzellen der ersteren sind fein spiralig gestreift, ihre
grossen Treppen- oder Netzgefässe nicht von eigentlichen Spiralgefässen
begleitet. Auch die Markstrahlen des Holzes enthalten grosse Krystall-
rosetten. Nach Bley enthält dieWurzel Gummi, Harz, Zucker, Aepfelsäure
and Kalisalze neben Saponin. Röchle der fand auch etwas Zucker.
b Ruchncr sRepert. d. Pharm. Xt,S. 845. 2) Wiggers’ (Cannstatt’ s) Jahresb. 1863, S. 64.
262
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Als Radix Saponariae albae waren früher die Wurzeln unserer ein-
heimischen Lychnis diurna Sibthorp und Lychnis vespertina Sibth.
(Sileneae) gebräuchlich. Sie sind fast von der Stärke der Saponaria- Wurzel,
aber weiss oder schwach gelblich und weit mehr ästig, doch ohne Aus-
läufer. Sie enthalten grosse Krystallrosetten, kein Amylum und in der
Mittelrinde einen weitläufigen Kreis gelber, axial gestreckter Steinzellen.
Das gelbliche Holz ist deutlich strahlig und schliesst Mark ein.
Radix Senegae.
Rad. Polygalae Senegae, R. Polygalae virginianae. Senegawurzel. Racine
de polygala de Virginie. Senega. Senega root.
Polygala Senega L. — Polygaleae.
In trockenen felsigen Wäldern der östlichen Länder Nordamerikas von
Canada bis Georgia, besonders in Kentucky, Ohio, Tennessee häufige kleine
Staude. In den atlantischen Staaten ist sie schon seltener geworder, so dass
die Wurzel in neuester Zeit meist aus dem Westen, z. B. aus Jowa, kömmt.
Der kurze sehr knorrige bis 0,04 m dicke Wurzelkopf treibt zahlreiche
beblätterte nur 1 ,001 m dicke einfache Stengel, deren sehr kurze an der
käuflichen Wurzel noch erhaltene Reste oft mit kleinen röthlich violetten
schuppenartigen Blättchen besetzt sind. Die Stengel entspringen auf allen
Seiten der wenigen gewöhnlich gar nicht entwickelten Aeste des Wurzel-
kopfes, so dass dadurch in der That die Wurzel in sehr charakteristischer
Weise einen sogeuannteu Kopf erhält. Dieselbe erreicht zu oberst höchstens
0,01™ Dicke und läuft seltener ganz allmälig in eine einfache, um ihre Axe
gedrehte und gebogene mit nur wenigen schwächeren Aesten besetzte bis
0,03™ lauge Hauptwurzel aus. Weit häufiger theilt sich die Wurzel schon
dicht unter dem Kopfe in 2 oder 3 fast gleich starke Aeste , welche bald
einen mehr oder weniger spitzen Winkel bildend ungefähr parallel abgehen,
bald aber, fast wagerecht auseinander gespreizt, entgegengesetzte Rich-
tungen einschlagen. Feinere Wurzelzasern kommen an der käuflichen \\ ur-
zel nicht eben reichlich vor.
Die hell gelblich graue bis braungraue Oberfläche der Rinde ist mit
tiefen Längsrunzeln, Schwielen und Höckern besetzt und wenigstens in
ihren oberen Theilen etwas geringelt. Sehr häufig tritt eine Schwiele scharf
kielförmig hervor und lässt sich, wenn auch mit stclleuweiser Unterbrechung
der Länge nach um die ganze Wurzel herum als sehr weitläufig gewundene,
oft fast vertikal gerichtete oder doch sehr steile Spirale verfolgen. NN iirde
der Beobachter in derselben abwärts steigen, so läge ihm die Axe der NN ur-
zel zur liukcn. Wo dieser Kiel besonders scharf ausgeprägt ist, zeigt die
entgegengesetzte Hälfte der Rinde oft sehr ansehnliche Auftreibungen, w eiche
durch weit klaffende bis auf den Holzkörper gehende Querrisse in ähnlicher
Weise abgeschnürt zu sein pflegen, wie dies bei Radix Jpecacuanhae legel-
mässig über die ganze Rinde der l all ist. Jedoch bilden die abgeschniiiten
Radix Senegae.
263
Rindenstüeke der Senega weit unregelmäßigere Hocker und Wulste. Au
der Stelle dieser Auftreibungen findet man bisweilen im Gegenteil die Rinde
zusammengefallen, eine Verschiedenheit, welche wohl durch die Jahreszeit
der Einsammlung bedingt sein dürfte. Sehr häufig sitzen diese eingescbnur-
tenRindenwuchernngen gerade an den stärksten Krümmungen und zwar auf
der convexen Seite, so dass der auf der andern Seite wie eine straffe Bogen-
sehne verlaufende Kiel auffallend mit der Wölbung der aufgetriebenen Rinde
kontrastirt, als ob durch den Widerstand des Kieles die Wurzel zu den
Krümmungen und Drehungen veranlasst worden wäre. Die an der trockenen
Wurzel sehr zusammengefallene Rinde quillt in Wasser stark auf, wobei
die Schärfe selbst des ausgeprägtesten Kieles sehr zurucktritt. . en-
bar muss derselbe daher an der frischen Wurzel weniger auffallend sein und
sich beim Trocknen erst dadurch recht bemerklich machen, dass sein
Gewebe verhältnissmässig weniger zusammensinkt als das grosszellige,
lockere Parenchym der Mittelrinde.
Nach dem Aufweichen in Wasser lässt sich die Rinde leicht vom schwach
gelblichen Holzkörper losschälen, dessen Durchmesser von der Rindenbreite
nach dem Aufweichen höchstens an den aufgetriebenen Stellen erreicht
wird. Das Holz bildet nur im allgemeinen einen glatten, fest geschlossenen
Cylinder, der aber voii sehr zahlreichen kurzen und in straffer Spirale ver-
laufenden, allerdings meist nicht tief gehenden, feinen Längsspalten zerklüftet
ist. Dieselben nehmen ihren Ursprung im Innern des Holzkörpers durch
allmäliges Auseinanderweichen der einzelnen Holzkeile, daher man im Längs-
schnitte durch die ganze Wurzel im Holze diese Klüfte deutlich verfolgen
kann. Durch Verschiebung der getrennten Holzkeile entstehen oft maser-
artige Verschlingungen. Manche dieser Spalten durchsetzen den ganzen
Holzkörper vom Centrum aus bis in die Rinde. Oft klaffen ihre Ränder
weit aus einander, legen sich zurück und verflachen sich schliesslich ganz
oder wölben sich sogar rückwärts, so dass durch dieses einseitige Schwinden
des Holzkörpers zuletzt an solcheu Stellen der ursprüngliche Cylinder auf
die Hälfte oder noch weniger reducirt ist.
Selten ist aber die in solcherWeise abgeflachte, gleichsam angefressene Seite
des Cylinders wirklich flach, sondern ihre Ränder bleiben häufiger noch durch
einzelne übrig gebliebene Querbänder von Holzgewebe in Zusammenhang.
Alle durch das Schwinden des Holzes entstehenden Ausschnitte, Spalten
oder Lückeu werden durch das Parenchym der Markstrahlen und der Mittel-
rinde erfüllt; ihre Auftreibungen bedecken gerade diejenigen Strecken, wo
der Holzcylinder einseitig abgeflacht oder doch zerklüftet ist. Der radiale
Längsschnitt durch solche Auftreibungen der Riude zeigt bisweilen darin
auch die Ansätze unentwickelter Aeste, ähnlich wie bei Radix Ipecacuanhae.
Der Kiel dagegen, welcher auf der Oberfläche oft so stark hervortritt, zeigt
sich ohne alle Beziehung zum Holzkörper; er verdankt sein Entstehen nur
einer einseitigen Ausbildung des Bastes, dessen Gewebe durch dunklere
Färbung mit dem Parenchym der Markstrahlen und der Mittelrinde kontrastirt.
264
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Nothwendig müssen demnach die Querschnitte durch die Senegawurzel
ein sein- verschiedenartiges Bild gewähren je nach der Stelle, welcher sie
entnommen werden. Niemals verläuft der Umriss des Holzkörpers in mathe-
matisch genauer Kreislinie oder Ellipse , sondern er ist immer durch mehr
oder weniger tief eingreifende, von Rindengewebe erfüllte, seichte Aus-
schnitte oder Spalten unterbrochen. Bisweilen sind diese Riudenkeile sehr
schwach, dei Querschnitt des Holzes daher aunäherud kreisrund, weit
häufiger aber bildeu die Keile tiefe, meist ins Centrum gehende Kreis-
ausschnitte, oder die eine Hälfte des Holzcylinders ist ganz durch die Rinde
verdrängt, oder endlich es bleibt sogar von demselben nicht einmal mehr
dit Hallte iibiig. In diesem Falle bilden die Radien, welche den übrig
gebliebenen Holzkörper eiuschliessen, einen mehr oder weniger stumpfen
Winkel. Der Holzkörper ist durchschnittlich so dick wie die Rinde und
besteht aus dicht gedrängten kleinen, ziemlich kurzen Tiipfelgefässen , die
nur von sehr schmalen Markstrahlen durchsetzt sind. Das Mark fehlt, das
Cambium ist wenig ausgeprägt, die breite Innenrinde durch abwechselnde
Markstrahlen und bogenförmig vor den Gefassbündeln zusammenstrebende,
wenig ausgezeichnete schmale Bastkeile strahlig. Die Bastbildung fehlt auf
denjenigen Stellen, welche durch Rindenkeile eingenommen sind.
Die Mittelrinde ist von der sehr dünnen, hellbräunlichen Korkschicht
bedeckt und im Kiele fast ganz von der Iunenrinde verdrängt. Au den
übrigen Stellen des Riudenumfanges erreicht sie dagegen die Breite der
Innenrinde.
Die in das Holz eiugedrungenen Rindenkeile sind durch Auswachseu
der Markstrahlen entstanden und enthalten zartes, grosszeiliges, in Reihen
geordnetes Parenchym , aber keine Baststrahlen , so dass sie unmerklich iu
die Mittelrinde übergehen.
Der Kork enthält 2 — 3 Reihen ansehnlicher Tafelzellen, nach innen
einige Lagen noch iu der Entwickelung begriffener, zarter, farbloser Kork-
zellen. Das ziemlich dickwandige, tangential gedehnte Mittelriudeuparenchym
zeigt dieselben zarten, spiralförmigen Streifungen wie manche andere ent-
sprechende Gewebe, z. B. bei Rhizoma Aruicae, Valerianae, Hellebori viridis,
Tuber Aconiti. In der Rinde der Senegawurzel sind diese zierlichen Spiral-
linien ziemlich genähert, steil aufsteigeud und besonders im Längssckuitte
deutlich sichtbar.
Das Bastgewebe ist, ohne eigentliche Baströhreu, aus ziemlich engem,
doch wenig verdicktem, das Cambium aus dem gewöhnlichen zarten
Prosenchym gebildet.
Die in etwa 12 bis 20 oder mehr concentrische Kreise gestellten Tüpfel-
gefiisse sind von sehr dünnem, porösem Holzprosenchym sehr dicht umgeben.
Iu ungleichen Abständen dringen schmale Markstrahlen durch diesen
festen Holzkörper und theilen denselben in ungleich breite, sehr spitze Keile,
in deren äusserster Reihe, dicht am Cambium, 1 bis 6, gewöhnlich aber
nur 2 grosse Gefässe, von Holzprosenchym umgeben, stehen, während die
Radix Senegae.
265
Markstrahlen (vor dem Auswachsen zu Rindenkeilen) in der Breite nur
1 oder 2 Reihen feinporiger, radial gestreckter, eckiger Zellen enthalten.
Der sehr dichte Holzkörper bricht ziemlich kurz und spröde ab, wo-
bei die Rinde leicht mitfolgt, da ihr schwacher Bast nicht widerstands-
fähig ist.
Im Rindengewebe und in den Markstrahlen sind zahlreiche grosse,
gelbliche Oeltropfen verbreitet, neben denen auch, besonders in der Iunen-
rinde, feinkörnige Ablagerungen (Proteinstoff?) Vorkommen. Amyliun und
Krystalle fehlen dieser Wurzel ganz. Sie riecht eigenthümlicli schwach
ranzig und schmeckt sehr scharf kratzend.
Der kratzende Stoff ist schon 1804 von Gehlen als Senegin unter-
schieden worden. Damit scheint die P oly gal a säure von Quevenne
(1836) und von Procter (1859) identisch zu sein und ebenso nach Bolley
das Saponinund nachVogel auch das (krystallisirbare) Pikrolichenin
aus Yariolaria amara.
Das Senegin ist amorph, in Aether, so wie in kaltem Wasser unlöslich,
mit kochendem Wasser eine schäumende Lösung gebend, von sehr schwach
sauren Eigenschaften und in Alkalien1) mit grünlichgelber Farbe löslich.
Es erregt, wie das Saponin, heftiges, gefährliches Niesen.
Verdünnte anorganische Säuren fällen beim Erwärmen aus verdünnter
Seneginlösung eine flockige Gallerte von Sapogenin,2) während die Flüssig-
keit unkrystallisirbaren Zucker enthält. Auch Alkalien veranlassen die-
selbe Spaltung des Senegins, welche aber immer nur schwer vollständig
durchzuführen ist. Die verschiedenen für das Sapogenin aufgestellteu
Formeln scheinen in unvollkommener Zersetzuug des Senegins ihren Grund
zu haben. Aber auch die Formel des letzteren selbst steht noch nicht fest;
die Wurzel gibt davon nach Procter 5V2pC. , nach früheren Angaben
weit mehr. Die Senegawurzel enthält ferner eine Spur ätherischen Oeles,
etwas Harz (im Centrum des Holzes) und Gummi, Aepfelsäuresalze, gelben
Farbstoff und Zucker (7 pC. Rebling). Die von Quevenne darin
angegebene Virgin säure (vielleicht eine flüchtige Fettsäure), so wie ein
von Pe schier angenommener Bitterstoff, Iso lusin, sind noch ganz
zweifelhafte Körper. — Auch das Fett der Senega ist nicht näher untersucht.
Die Senegawurzel wurde 1736 von John Tennent in Philadelphia
zuerst wissenschaftlich angewandt, nachdem er in Erfahrung gebracht, dass
sie schon lange zuvor, ähnlich wie Rhiz. Serpentariae, von den Eiuge-
bornen gegen Schlangenbiss gebraucht wurde. Noch 1779 fand sich die
V urzel selten in den deutschen Apotheken, trotz Linne’s Empfehlung im
Jahre 1749.
Die höchst eigenthümliche Gestalt der Senegawurzel macht jede Ver-
wechslung derselben unmöglich. — Die schwache, einfache, höchstens
L Kali färbt die Wurzel sofort schön gelb.
2) vergl. bei Radix Saponariae.
266
Wurzelbildungen der Dikotylen.
etwa 0,00 lm dicke Wurzel unserer einheimischen Polygala amara L.,
(früher als Herba cum radice Polygalae amarae officiuell) besitzt wohl
einen im allgemeinen ähnlichen anatomischen Bau, jedoch ohne jene für
die Senega so charakteristischen Besonderheiten des Holzkörpers. Aehnlicher
sieht der letzteren nach der Abbildung von Martius die Wurzel der in den
Hügelländern von S. Paulo und Minas Geraes (Brasilien) vorkomraenden
und dort ähnlich wie Ipecacuanha gebrauchten Polygala Poaya Martius.
Doch scheint die Poayawurzel häufiger gerade zu verlaufen als die Senega.
Sehr häufig finden sich hingegen der käuflichen Senega andere nicht
mit ihr zu verwechselnde Wurzeln in geringer Menge beigemischt. So z. B.
diejenige des Panax quinquefolius L., einer in der Heimat der Senega
und weiter nach Nordwest häufigen Araliacee. Diese sogenannte Radix
Ginseng americ'ana ist eine einfache rübeuförmige , bis über 0,01m dicke
Pfahlwurzel, welche meistin zwei gleich starke gespreizte oder stark gekrümmte
Aeste ausläuft, so dass die Gesammtlänge derWurzel oft 0,10m erreicht.
Sie ist vom dünnen Stengelreste gekrönt, besonders oben stark geringelt, von
schwach gelblich grauer Farbe und erst bitterlichem, daun süssem Geschmacke,
welcher von einem einigermassen dem Glycyrrhizin ähnlichen, nicht genauer
untersuchten Stoffe, dem Panaquilon, bedingt zu sein scheint.
Diese amerikanische Ginsengwurzel sieht der in China so ausser-
ordentlich hochgeschätzten ächten Ginseng von Panax Schin-seng Nees
(in Nord -China bis zum Amur und Ussuri wild und cultivirt) so ähnlich,
dass schon früher von Amerika aus versucht wurde, die Chinesen mit der
ersteren zu betrügen. So sollen schon 1718 die Jesuiten1) damit ein gewinn-
reiches Geschäft gemacht haben; 1779 wurde die Wurzel aus Nutka in
Britisch Nordamerika (Vancouver- Insel) nach China ausgeführt,2 3) 1859
dasselbe wieder aus Minnesota :!) unternommen. Jetzt freilich sind die Chi-
nesen, wie übrigens auch schon früher, auf den Unterschied aufmerksam
geworden.4) Die chinesische so hoch berühmte Wurzel ist nach einem mir
vorliegenden Exemplare der Varietät aus Korea5 *) länger, weit heller und
soll oft sogar (ohne Zweifel durch Brühen) fast durchscheinend sein, wie
z. B. diejenigen Proben, welche von den Franzosen im kaiserlichen Palaste
zu Peking (1860) erbeutet wurden.8) — Trotz der fabelhaften Preise,7)
welche für die angeblich wunderbar wirkende Wurzel in China bezahlt
werden, hat sie sich in Europa, wo sie zuerst durch Bourdelin 1697
bekannt wurde, als indifferente, schleimige, zugleich etwas bitterlich süsse
1) Martiny, Itohwaarenkundc II, S. 481.
2) Neuunna, Ostasiatiscke Geschickte (1861), S. 150.
3) Proceedings of the Atneric. Pharm. Associat. 1859, S. 61.
4) Reiseberichte der österr. Fregatte Novara (1859), II, 818.
5) Dio übrigen Varietäten haben nach der Abbildung in der Düsseldorfer Sammlung
(Nees von Esenbeck) III, Tab. 70, mehr Aeknlickkeit mit der amerikanischen Wurzel.
6) Comptes rendus. 31. Decbr. 1860, S. 1101.
7) Ausland 1865, S. 181, 548.
Radix Belladonnae.
267
werthlose Droge erwiesen. - Einen braunrothen knotig aufgetriebenen und
nach allen Seiten reich mit hellen dünnen Neben wurzeln besetzten W urze -
stock, den ich schon der Senega beigemengt gefunden habe, vermag ich
mit keiner bezüglichen Angabe zu identificiren. Derselbe ist bis 0,10 lang,
innen weiss , höchst ausgezeichnet durch tief trichterförmige, über 0,010
weite Stengelnarben, aus welchen starke Gefässbundel herausragen. Er
schmeckt unangenehm bitterlich und herbe. Das Rhizom von Gr illema
trifoliata Mönch, welches als Beimischung der Senega genannt wird, scheint,
nach den dürftigen Beschreibungen zu schliessen, anders auszusehen.
F. Scharf brennend schmeckende Wurzelbildungen.
Radix Belladonnae.
Belladonnawurzel. Racine de Belladone. Belladonna root.
Atropa1) Belladonna L. — Solaneae.
Die Tollkirsche wächst von England und Deutschland an durch das
ganze mittlere und südliche Europa (doch selten in Griechenland), auch in
Kleinasien (Taurus) stellenweise sehr häutig in Gebüschen und Wäldern,
bis iu die Bergregion, und wird auch wohl zuweilen cultivirt. Dem Norden
Europas und Asiens scheint sie zu fehlen.
Die gelblichweisse ästige Pfahlwurzel ist ausdauernd, wird gegen 0,50,n
lang und oben (im trockenen Zustande) bis etwa 0,05"' dick. Jüngere Wur-
zeln sind im Frühsommer so saftig, dass sie beim firockuen einen Gewichts-
verlust von 85 pC. erleiden, im Alter mehr verholzt, daher für den
Arzneigebrauch Wurzeln und Wurzeläste von mittlerer Stärke und zwar
am besten während oder unmittelbar nach der Blüthezeit zu sammeln sind.
Diese im frischen Zustande fleischigen glatten und spindelförmigen Wurzeln
erhalten durch Zusammenfallen ihres Gewebes beim Austrocknen sehr zahl
reiche tiefe Längsrunzeln; nur zu oberst kommen auch kurze Querleisten auf
der hell bräunlichgrauen Rinde vor, welche gewöhnlich durch die Sammler
schon beseitigt ist. Um das Trocknen noch mehr zu befördern , wird die
geschälte Wurzel meist in Stücke von 0,10 bis 0,1 5m Länge zerschnitten
und der Länge nach gespalten, worauf sie sich sehr häufig etwas rück-
wärts krümmen. — Im Innern ist die Wurzel schmutzig weiss, aber trocken
immer mit einem deutlichen missfarbigen Stiche ins gelblichbraune.
Der Querschnitt ist deutlich strahlig; die Breite der Rinde pflegt nicht
0,001 bis 0,002“ zu übersteigen, also nur etwa '/g bis Vio des Gesammt-
durchmessers zu betragen. Die Hauptwurzel enthält ein starkes, sehr weit-
maschiges Mark , das von einem nicht sehr breiten dichten Kreise kurzer
schön gelber Holzstrahlen umschlossen ist, deren verschmälerte Fortsetzun-
gen etwas iu das Mark eindringen. Eine doppelt so breite Zone zwischen
!) aipo7iOi; (4tröpos) unabwendbar, unerbittlich (d. h. giftig).
268
Wurzelbildungen der Dikotylen.
dem nur von schmalen porösen Markstrahlen durchsetzten Holzkreise und
dem Cambium besteht aus Parenchym , das nur vereinzelte , sehr schmale
aber lange und oft etwas geschlängelte Holzstrahleu enthält. Das etwas
dunklere Cambium ist wenig auffallend; die Rinde wird zur Hälfte von der
Bastschicht, zur Hälfte von weitmaschigem, etwas tangential gestrecktem
Parenchym (Mittelrinde) gebildet. Eigentliche Baströhren fehlen in der
Bastschicht. Die dünne lockere gelbliche Korklage besteht aus schlaffen
rundlich kubischen Zellen.
Ein ziemlich verschiedenes Bild gewährt der Querschnitt der Wurzel-
äste, deren Centrum von einem starken Gefässbündel statt des Markes
eingenommen wird. Die übrigen, sehr weitläufig auseinander gestellten
Gefässbündel bilden nur sehr unregelmässig strahlen- oder kreisförmig ge-
ordnete Gruppen in dem schlaffen , vorherrschend radial gerichteten Paren-
chym, das keine besonderen Markstrahlen erkennen lässt. Die Gefässbündel
enthalten nur grosse 1 üpfelgefässe ohne eigentliches Holzprosenchym und
sind unmittelbar an der feiueu bräunlichen Cambiumzone zu einem schmaleu
sehr weitläufigen Kreise geordnet. Die Gefässe sind sehr weit, in der
Hauptwurzel z. B. bis 175 Mikromill. Durchmesser erreichend.
Das Rindengewebe geht allmälig in die weiten tangential gedehnten
Mittelrindeuzellen über.
Während die Gefässgruppen in der Regel nur aus wenigen Gefässen
gebildet sind , treten sie bisweilen zahlreicher zusammen und umgeben sich
mit braungelben prosenchymatischeu Zellen , deren dicke Wände auf dem
Querschnitte sehr zusammengefallen oder geschlängelt erscheinen. Oft herr-
schen solche sehr unregelmässig gestellte , nicht deutlich strahlige Gefäss-
bündel auf dem Querschnitte vor und sind scharf umschrieben vou dem
helleren Markstrahlengewebe. Solche Stücke bieten daher in Betreff ihres
anatomischen Baues wieder im Vergleich mit den oben geschilderten Ver-
hältnissen bedeutende Abweichungen dar.
Alle Gewebe der Belladonnawurzel, hauptsächlich aber die Rinde, zei-
gen im Querschnitte einzelne schon durch die Loupe wahrnehmbare, von
weissem pulverigem Inhalte erfüllte Zellen. Bei stärkerer Vergrösserung
erweist sich derselbe als einzelne lauter sehr kleine (höchstens etwa 5 bis
7 Mikromill., gewöhnlich weit weniger messende) Quadratoktaeder, die sich
in Essigsäure nicht lösen , wohl aber in Salzsäure — also wohl Kalkoxalat
sind. Immer sind jene Zellen aufs Dichteste mit diesen an und für sich
durchsichtigen Krystallen erfüllt, die aber in ihrer Häufung und Licht-
brechung (unter Wasser oder Glycerin) ganz dunkel erscheinen. Man er-
blickt gewöhnlich nur die eine (dreieckige) Fläche des Oktaeders; immer
sind dieselben isolirt, niemals zu Drusen vereinigt. Weit reichlicher ent-
hält das Gewebe Stärkmehlkörner von vorherrschend kugeliger Gestalt
und sehr ungleicher Grösse (bis etwa 20 Mikromill. im Durchmesser).
Wegen des Mangels au Baströhren und des auch iu der Hauptwurzel
nur kurzen, in denAesteu aber sehr zarten oder fehlenden Holzprosenchyms
Radix Belladonnae.
269
bricht die Belladonnawurzel glatt, nicht faserig, zugleich durch den reich-
lichen Gehalt von Stärke und Oxalat stäubend.
Die Wurzel ist geruchlos und schmeckt fade siisslich , dann bitter und
sehr gefährlich scharf.
Mein hat (1831) aus derselben, Geiger u. Hesse dann (1833) aus
dem Kraute, und Büchner später auch aus dem Samen das äusserst giftige
krystallisirbare Alkaloid Atropin dargestellt. In der Wurzel scheint es
reichlicher als im Kraute und im Samen vorzukommen , aber doch immer-
hin nur etwa V) pC. zu betragen. Procter erhielt von im October gesam-
melter, zu New-Lebanon, New-York, gepflanzter Wurzel 3 p. Mille.
Yor und nach der Blüthezeit ist, nach Schroff, der Gehalt an Atro-
pin geringer.
Planta fand die Zusammensetzung und die Eigenschaften des Atro-
pins übereinstimmend mit denen des „Daturins“ (vergl. Semen Stramonii).
Das Atropin ist namentlich in Auflösung sehr zur Zersetzung geneigt.
Hierbei, so wie auch bei der Behandlung mit concentrirter Natronlauge oder
mit chromsaurem Kali und Schwefelsäure, oder bei der trockenen Destilla-
tion des Atropins treten zum Tlieil angenehm riechende Zersetzungspro-
dukte auf. Schon Richter hatte 1837 bei seiner Darstellung des Atropins,
wobei vielleicht eine Spaltung desselben eintrat, eine der Benzoesäure ähn-
liche Säure, Atropasäure, erhalten.
Ludwig u. Pfeiffer ermittelten (1861), dass durch Zersetzung des
Atropins mit chromsaurem Kali und Schwefelsäure in der That Benzoesäure
und Propylamin erhalten werden. Andere Produkte entstehen , wenn die
Spaltung des Atropins mit rauchender Chlorwasserstoffsäure, mit Natron-
lauge oder mit Barytwasser vorgenommen wird. Bei letzterer Reaktion
spaltet sich nach Kraut das Atropin G17NH23Ö3 unter Aufnahme von
Wasser (H* 2G) in Atropasäure *) G9H802 und eine neue Base G8NH17G2,
das Tropin, womit wohl das von Ludwig u. Pfeiffer angegebene Pro-
pylamin identisch sein wird. — Das atropasaure Tropin scheint nicht die
Eigenschaften des Atropins zu besitzen. Kraut fand weder in der Wurzel
noch in den Blättern der Belladonna Atropasäure oder Tropin. Schon Ber-
zelius hatte in dem widrigen Gerüche, den das in feuchter Luft sich zer-
setzende Atropin ausstösst, eine neue Basis vermuthet und Tropin genannt.
Hüb sch mann hat (1858) in der Belladonnawurzel ein zweites aber
unkrystallisirbares Alkaloid von harzartigem Aussehen und deutlich alka-
lischer Natur, das Belladonnin 2) nachgewiesen, welches ebenfalls beim
Erhitzen den „Geruch der Hippursäure“ verbreitet. Die Wurzel scheint
ferner, nach Richter und nach Hübschmann, einen dem Aesculin ähn-
lichen schillernden Stoff, nach letzterem auch einen rothen Farbstoff, Atro-
7) Nach Lossen treten daneben noch andere Säuren auf.
2) Ein von Lübckind (1839) durch die Destillation der Blätter mit Kali erhaltenes
Belladonnin war vermuthlich ein Zersetzungsprodukt.
270 Wurzelbildungen der Dikotylen.
sin, zu enthalten, welcher in den Früchten der Belladonna mit grösster
Intensität auftritt.
Die Belladonnawurzel unterscheidet sich von der ihr nicht unähnlichen
rein weissen Althaeawurzel durch den glatten nicht faserigen Bruch und
die Missfarbe; von Rad. Bardanae schon durch Stärkegehalt und die nicht
holzige Beschaffenheit.
Den Alten scheint die Belladonna unbekannt geblieben zu sein. Sie
wurde erst von den deutschen Botanikern und Aerzten des Mittelalters be-
nutzt. Conrad Gessner wandte den Saft der Blätter an; Matthiolus
verbreitete hauptsächlich deu heutigen, aus dem Italienischen stammenden
Namen der Pflanze.
Rhizoma Hellebori viridis.
Radix Hellebori viridis. Radix Ellebori. Grüne Nieswurz. Schwarze Nies-
wurz (Pharm. Borussic.). Racine d’ellebore vert.
Hellehorus !) viridis L. — Ranunculaceae.
Diese weit verbreitete aber in vielen Gegenden fehlende oder nur sehr
spärlich vorkommende Staude gehört den gemässigteren Strichen Europas
und Nordamerikas an. Sie findet sich von den Pyrenäen an durch West-
Frankreich bis Schottland, zerstreut durch die niedrigeren Berggegenden
der Schweiz (um den Genfer See) und Süddeutschlands bis Westfalen, Thü-
ringen, Sachsen, Schlesien, zum Harz, dann in Tirol, Steiermark, Böhmen,
auch häufig in Italien und am Kaukasus. Dem Norden scheint sie zu fehlen.
Das ein paar Jahre hindurch ausdauernde Wurzelsystem treibt zahl-
reiche, nur spärlich beblätterte, fusshohe Stengel, welche sich aus kur-
zen, gerade aufsteigenden Aesten des Wurzelstockes (sogenannten Wurzel-
köpfen) erheben. Die grünen krautigen Stengel sterben alljährlich ab und
nur die mit bräunlicher Oberhaut bekleideten Wurzelköpfe bleiben erhalten
und sind durch die vertieften Stengelnarben und die ringsum laufenden
Einfügungsstellen abgestorbener Blätter bezeichnet. Aus diesen obersten
Gliedern der Wurzeläste entwickeln sich im Frühjahr grosse Wurzelblätter,
welche im Herbste absterben, und die Knospen neuer Verzweigungen des
Wurzelsystems.
Der Wurzelstock selbst liegt der Hauptsache nach ziemlich horizontal in der
Erde und erreicht etwa 0,10m Länge bei ungefähr 0,010"' Durchmesser. Sehr
gewöhnlich lässt sich aber bei älteren Exemplaren ein eigentlicher Hauptstamm
desselben nicht unterscheiden, indem die einzelnen mehrköpfigen Aeste sich
oft gleichmässig entwickelt zeigen. Durch reichliche Verzweigung des W urzel-
1) Auch wohl Hellebonm; angeblich nach dem gleichnamigen Flüsschen unweit der Stadt
Antikyra (Antikirrku) in der Nähe des heutigen Meerbusens von Salona, woher die alten
Griechen ihre Wurzel bezogen hätten. Andere leiten das Wort ab von illo , ich wälze, und
borh, Speise, im Hinblicke auf die gefährliche Wirkung der Hellcborus-Wurzeln.
Rhizoraa Hellebori viridis.
271
Stockes erleidet derselbe übrigens in der Regel sehr bedeutende seitliche
oder auf- und absteigende Verkrümmungen und Ablenkungen vom wage-
rechten Verlaufe, so dass eine allgemein zutreffende Schilderung seiner
äusseren Gestalt nicht durchgeführt werden kann. Er ist, obwohl durch
zahlreiche Blattnarben geringelt, doch nicht eigentlich knotig oder gegliedert,
aber sammt seinen Aesten auf allen Seiten sehr dicht mit (Neben-) Wuizeln
besetzt, welche nach allen Richtungen gewöhnlich in unentwin barem Knäuel
gerade, doch etwas hin- und hergebogen, abwäits diingen. feie sind bis
über0,10ra lang, fast ganz einfach cylindrisch, im frischen Zustande fleischig,
trocken sehr brüchig, längsstreifig und am Ursprünge bis 0,002 , nach
dem Aufweichen 0,006m dick. Ein mässig starkes Wurzelsystem zeigt leicht
10 — 12 und mehr Stengelnarben, so dass der Wurzel stock mehrere Gene-
rationen durchlebt und am hintern Ende verhältnissmässig langsam abstirbt.
Die Farbe der ganzen Wurzelbildung ist braun, bisweilen schwarzbraun,1)
im Innern bis auf das gelbliche oder bräunliche Holz weiss, besonders in
den (Neben-) Wurzeln meist rein weiss. Der geringen Entwickelung des
Holzes wegen lässt sich die Wurzel kurz und glatt brechen und hornartig
schneiden.
Der Querschnitt des Wurzelstockes bietet eine nach dem Aufweichen
etwa 0,003“ breite, von einer sehr dünnen Oberhaut bedeckte, gleich-
förmige, durchaus nicht strahlige Rinde dar, welche einen unregelmässig unter-
brochenen, meist ziemlich schmalen Kreis von 6 bis 10 Holzbündeln ein-
schliesst. Wie in ihrer Zahl sind dieselben axich in der Grösse und Gestalt
verschieden. Ihre Länge beträgt im Querschnitte meistens weniger als
0,001“ und wird oft von der Breite erreicht, so dass sie häufiger die Form
eines Quadrates oder eines Rechteckes zeigen als die sonst gewöhnlichere
eines nach innen gerichteten Keiles. Auch die von nicht scharf hervor-
tretenden Markstrahlen eingenommenen Abstände der einzelnen Bündel
sind von sehr ungleicher Breite, sehr häufig ausgedehnter als die Bündel
selbst, welche auch wohl in einzelne lose Stränge zerstreut sind.
Der Durchmesser des lockeren Markes , welches das Centrum des Rhi-
zomes einnimmt, kömmt gewöhnlich der Breite der Rinde gleich.
Sehr abweichend gestaltet sich der Querschnitt der Wurzeln, welcher
bis auf einen höchstens 0,001“ dicken, gewöhnlich aber bedeutend dünneren
Kern nur von der Rinde gebildet wird. Letztere ist nicht strahlig, von
einer einzigen Reihe brauner Oberhautzellen bedeckt. Der Holzkern wird
von der Rinde durch ein paar Reihen engerer prosenchymatischer Zellen
getrennt, deren äusserste mit den benachbarten viel weiteren Riudenzellen
bedeutend zu kontrastiren pflegt, so dass sie an die Kernscheide der mono-
kotylischen Wurzelstöcke und Wurzeln (vergl. z. B. Rliizoma Graminis,
RhizomaVeratri, Radix Sarsaparillae) erinnert. Die Gefässbündel innerhalb
dieser stets kreisrunden Kernscheide sind von sehr wechselnder Form und
*) an cnltivirten, sehr starken Wurzelstöckcn fällt namentlich die schwärzlicho Färbung auf.
272
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Anordnung, nämlich entweder mehr in kleinere durch Markparenchym,
aber nicht durch Markstrahlen, getrennte Gruppen oder gar in ganz ver-
einzelte Gefässe aufgelöst, oder aber zu 3, 4 oder 5 Bündeln zusammen-
gestellt. Da keine Markstrahlen vorhanden sind, so lassen sich aber
diese Gefässbündel gewöhnlich nicht bestimmt abgrenzen. Sehr oft sind sie
so nahe an einander gerückt, dass auf der Berührungslinie gar kein Mark-
parenchym mehr die Trennung andeutet. Meistens finden sich dann gerade
hier die grössten Gefässe zusammengehäuft und bilden 3 , 4 oder am häu-
figsten 5 weit gegen die Kernscheide vorspringende Kanten, welche durch
mehr oder weniger tief ausgeschweifte Buchten verbunden sind. Dieser
geschlossene 4- oder östrahlige Holzkern schliesst oft Mark ein , manchmal
aber nicht. Seine Ausbuchtungen werden von Baststrängen1) eingenommen.
Bilden die Gefässe scharf getrennte Gruppen oder Bündel, wie namentlich
da, wo ihrer nur 3 vorhanden und durch breite Markpartieen auseinander
gehalten sind, so kömmt es sonderbarerweise da und dort einmal vor, dass
die Baststränge gerade vor jenen Markpartieen und nicht vor den zugehörigen
Gefässbündeln stehen. — Anderen Nebenwurzeln pflegt das Mark regel-
mässig zu fehlen.
Wurzelstock und Nebenwurzeln sind mit einer Oberhaut (Epiblema,
Wurzeloberhaut) bekleidet, welche aus einer einzigen Reihe kubisch-rund-
licher Zellen gebildet ist, deren peripherische und Seitenwandungen etwas
verdickt und braun gefärbt sind. Die nach aussen gekehrten Wandungen
der Oberhautzellen des Wurzelstockes pflegen gewölbt zu sein; in den
Nebenwurzelu nehmen diese Zellen mehr die Tafelform an.
Die Mittelrinde besteht im Wurzelstocke aus ansehnlichen, fein porösen,
kugelig-eckigen Zellen, in den Nebenwurzeln aus ähnlichem, aber etwas
in der Richtung der Axe gedehntem Parenchym.
Die Cambiumzone des Wurzelstockes ist ziemlich breit, obwohl übrigens
nicht durch besondere Färbung auffallend, diesseits derselben finden sich,
den Gefässbündeln entsprechend, nur eben schwache, im Querschnitte
bogenförmige Andeutungen des Bastes. Die kurzen, höchstens 20 bis
30 Mikromill. dickap , oft krumm verlaufenden, bräunlichen Netzgefässe,
welche meist dicht gedrängt und sehr zahlreich die Bündel zusammen-
setzen, sind von sehr spärlichem, porösem, kaum verdicktem Holzprosenchym,
häufiger von Holzparenchym, begleitet.
Das Mark stimmt mit der Mittelrinde überein und besitzt höchstens
grössere lind in den Nebenwurzeln mehr in der Richtung der Axe vertikal
gestreckte Zellen.
Die Kernscheide der Nebenwurzeln ist im Längsschnitte weit weniger
auffallend als im Querschnitte, da sie aus dünnen, im Sinne der Axe sehr
lang gestreckten , aber nicht verdickten , sondern nur zart quergestreiften
Zellen zusammengefügt ist. Aehnliche nur wenig kürzere Zellen umgeben
D Canibinnistrange nach Berg.
Rhizoma Hellebori viridis.
273
die Gefässbündel, die gleiche und eben so grosse, aber mehr gerade Gefässe
enthalten wie der Wurzelstock. Doch fehlt in den Nebenwurzeln das Holz-
prosenchym ganz, der dünne Kern lässt sich daher nicht aus der Rinde
herausschälen, sondern bricht mit derselben kurz und glatt ab.
Oeltropfeu und sehr zahlreiche Stärkekörner bilden den Inhalt des Zell-
gewebes. Letztere, vorherrschend kugelige F orrnen, messen durchschnittlich
etwa 6 Mikrom. , sind aber häufig sehr viel kleiner, bisweilen auch weit
grösser; Krystalle fehlen.
Bei aller Einfachheit des anatomischen Baues zeigt die obige Wurzel
doch sehr grosse Eigentümlichkeit, hauptsächlich in dem einförmigen,
deutlicher Mark- und Baststrahlen entbehrenden breiten Rindengewebe, in
der grossen Veränderlichkeit der Anordnung ihrer Gefässbündel, im Mangel
eigentlichen Holzprosenchyms , in der Kernscheide und in dem (sonst
fehlenden) Marke der Nebenwurzeln. In allen diesen Punkten und auch
äusserlich stimmt sie nur mit den Wurzelsystemen verwandter Helleborus-
Arten überein, besonders mit dein des Helleborus uiger (vergl. Rhizoma
Hellebori nigri). Mit Recht schreibt daher z. B. Pharmacopoea Borus-
sica edit VII. vor, dass die von ihr aufgenommene Radix Hellebori viridis
von den Wurzelblätteru begleitet sein müsse. Dieselben sind gebildet aus
7 bis 1 1 oft ihrerseits wieder 2- oder 3theiligen, handförmig auseinander-
fahrenden Blattabschnitten, welche alle von demselben Punkte ausgehen
und gegen 0,1 5m Länge erreichen. Sie sind läuglich-lauzettlich , von der
Mitte an, wo ihre Breite bis 0,03’“ beträgt, nach beiden Seiten spitz zulau-
fend und am Rande, besonders nach vorn, sehr scharf und dicht gesägt.
Auf der etwas helleren , glänzend hellgrünen , unteren Blattfläche tritt
der starke Mittelnerv und einige unter sehr spitzem Winkel von ihm abgehende
Seitennerven stark hervor. Das übrige viel feinere Adernetz bildet ziemlich
weite, in die Länge gezogene Felder mit glatter, nur sehr fein gekörnter
Oberfläche. Im Herbste fallen diese Blätter ab und sind übrigens trocken
sehr dünn papierartig, aber brüchig, somit nach allen erwähnten Merk-
malen leicht und bestimmt von denjenigen des Helleborus niger zu unter-
scheiden.
Der rettigartige Geruch der frischen Wurzel verliert sich beim Trocknen.
Sie schmeckt sehr stark und rein bitter, nach kurzem aber zugleich bren-
nend scharf. Im April und October gesammelt, zeigt die Wurzel, aber nur
im frischen Zustande, nach Schroff einen vorübergehenden süssen Bei-
geschmack. Die Blätter besitzen, wenigstens in trockenem Zustande, nur
den bitteren Geschmack in ziemlich hohem Grade.
Die chemischen Bestandtheile des Helleborus viridis scheinen dieselben
zu sein wie die des H. niger, jedoch in andern Verhältnissen. An fettem
Oele ist die Wurzel des erstercn namentlich ärmer, obwohl sie an Wirksam-
keit die des H. niger nach Schroff bei weitem übertrifft, daher wohl an
Helleborin und Helleboracrin (vergl. bei Rhizoma Hellebori nigri) reicher
sein muss. Am wirksamsten erweist sie sich nach Schroff im Mai.
Flückiger, Pharmakognosie. j 8
274
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Von den Botanikern des XVI. Jahrhunderts war Helleborus viridi8
zwar unter dem Namen H. niger zum Theil auf den Helleboros der Alten
bezogen, indessen doch von unserem H. niger schon bestimmt unterschieden
worden. Die Seltenheit des letzteren in manchen Gegenden, wo dessen
Wurzel verlangt wurde, gab aber Veranlassung, ihr sehr häufig diejenige
des viel weiter verbreiteten H. viridis unterzuschieben , deren Unterschei-
dung nicht so leicht war, wenn die Blätter fehlten. Einzelne wenige Pharma-
copöen hatten schon früher bestimmt Radix Hellebori viridis vorgeschrieben,
schon bevor Schroff’s Untersuchungen (1859) sie in den Vordergrund
gestellt haben.
Rhizoma Hellebori nigri.
Radix Hellebori nigri. Radix Veratri nigri s. Melampodii. Schwarze Nies-
wurzel. Racine d’ellebore uoir. Black hellebore.
Helleborus niger L. — Ranunculaceae.
Der Verbreitungsbezirk dieser Art scheint beschränkter und mehr südlich
zu sein als der des Helleborus viridis. Für den ersteren ist anzugeben die
Provence, Piemont, in der Schweiz einzig und allein der Monte Salvadore
bei Lugano, dann Oberbaiern, Salzburg (häufig) Oesterreich, Krain, Böhmeu,
Schlesien. In Griechenland fehlt Helleborus niger nach H e 1 d r e i c h ; gegen-
theilige Angaben dürften auf Verwechselung mit Helleborus orientalis Lamarck
(Synonym: H. officinalis Salisbury, H. antiquorum A. Braun) beruhen.
Dagegen wird H. niger seiner schönen, mitten im Winter erscheinenden
Blüthe zuliebe häufig in Gärten gezogen. — Hayne hat die Varietäten
altifolius und humilifolius unterschieden, welchen nach Berg auch einige
Besonderheiten im Baue der Wurzel entsprechen sollen , die von andern
nicht bestätigt gefunden yvurdeu.
Das Wurzelsystem gleicht in Bau und Aussehen dem des Helleborus
viridis, erlangt jedoch bedeutendere Stärke, der Wurzelstock eine mehr
vertikale oder schief aufsteigende Richtung und die Färbung des Ganzen
ist mehr rein braun.
Der Querschnitt des Wurzelstockes unterscheidet sich einigermasseu
von dem des H. viridis durch geringere Entwickelung der Rinde, welche
durchschnittlich nur 0,002,u breit ist, während der Gefässbüudelkreis sich
meistens gleich breit oder etwas breiter erweist als bei H. viridis. Oft
erreichen die einzelnen Gefässbündel nämlich im Querschnitte eine Länge
von 0,00 lm. Die Breite dagegen bleibt bedeutend zurück, so dass die Keil-
form unter den Gefässbündeln vorherrscht und quadratische Querschnitte
wie bei II. viridis nicht oder doch nur selten Vorkommen. Sie sind gewöhn-
lich zahlreicher und einander mehr gleichmässig nahe gerückt, die einzelnen
Gefässe aber mehr durch Holzparenchym getrennt. Immerhin sind diese
Unterschiede nur für die Mehrzahl der Fälle gültig, im einzelnen aber oft
durch Uebergänge verwischt.
Rhizoma Hellebori nigri.
275
Durch die mehr gegen das Centrum vorgeschobenen Gefässkeile ist das
Mark etwas beschränkt und erreicht höchstens in seinem Durchmesser die
Breite der Rinde.
Der Querschnitt der Nebenwurzeln stimmt nahezu mit dem von H. viridis
überein , jedoch sind die Gefässbündel fast immer zu einem geschlossenen
Kreise zusammengerückt,1) welcher wohl mitunter zu mehr vierkantiger,
aber nicht zu scharf 3- bis östrahliger Form ausgeschweift ist. Häufiger
als bei H. viridis finden sich in dem übrigens gleich gebauten Marke ver-
einzelte Gefässe. Die Kernscheide ist weniger von den benachbarten Zellen-
lagen ausgezeichnet. — Die Nebenwurzeln sind mit feinen, braunen Wurzel-
haaren besetzt, welche an der käuflichen Waare meist abgestossen sind.
Der anatomische Bau der einzelnen Gewebe stimmt mit Helleborus
viridis überein.
Die Stärkekörner des H. niger sind gewöhnlich im Durchschnitte etwas
grösser, manchmal aber auch sehr klein. Ihre Menge wechselt gleich-
falls sehr.
An Fettropfen ist das Parenchym des H. niger wohl immer viel reicher.
In älteren Wurzeln ist das Fett von gelblicher Farbe.
Die Unterschiede zwischen den beiden oben verglichenen Wurzeln sind,
wie erwähnt, im einzelnen oft nicht scharf genug ausgeprägt und überhaupt
erst durch genauere Untersuchung nachweisbar, weshalb mit Recht von
manchen Pharmakopoen verlangt wurde, dass Rhizoma Hellebori nigri
von seinen 2 oder 3 sehr auffallenden Blättern begleitet sein müsse. Das
einzelne Wurzelblatt ist, wie bei H. viridis, aus 7 bis 11 Blattabschnitten,
immer in ungerader Zahl, gebildet, welche aber nicht vom Endpunkte des
bis 0,401U langen Blattstieles ausgehen. Derselbe ist vielmehr selber getheilt
und auf seinen beiden in sehr stumpfem Winkel ausgespreizten Schenkeln
sitzen die Blattabschnitte, jeder für sich kürzer oder länger gestielt. Der
mittlere Abschnitt allein bildet die gerade Fortsetzung des Blattstieles und
erreicht die grösste Länge, bis 0,20m. Die übrigen Abschnitte oder Theil-
blätter sind meist etwas ungleichhälftig; bei sämmtlichen, im ganzen länglich-
lanzettlichen Abschnitten liegt die grösste Breite, gegen 0,05“ höchstens,
etwas ausserhalb der Mitte, gegen die Blattspitze zu. Nur dieser äussere
Theil des Blattes ist mit wenig zahlreichen , grossen Sägezähnen versehen,
das untere Drittel aber ganzraudig. Von der Form abgesehen, sind die
Blätter des H. niger auch schon durch ihre derb lederartige Beschaffenheit
leicht kenntlich.
Die Wurzel besitzt auch in frischem Zustande keinen besonderen Geruch.
Ihr Geschmack ist nicht auffallend, nur etwas kratzend oder ölig-ranzig und
süsslich, entfernt an den der Senega erinnernd. Ein bitterer und scharfer
L »ach Berg bei H. niger, Var. humilijolius durch ziemlich breite Markstrahlen getrennt,
■wovon ich mich nicht überzeugen konnte. — Schroff, so wie auch Koch finden die Auf-
stellung von Varietäten bei H. niger nicht gerechtfertigt.
18*
276
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Beigeschmack fehlt, oder es soll sich höchstens die Bitterkeit, nach S ch roff,
in geringem Masse an der im Mai gesammelten Wurzel finden. Hierin liegt
ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen H. niger und H. viridis.
Die älteren Untersuchungen der (schwarzen) Nieswurzel durch Gmelin,
Feneulle u. Caprou, daun durch Riegel, hatten nur allgemein verbrei-
tete Stoffe nachgewiesen. Bastick dagegen wollte (1853) daraus einen
besonderen , nicht flüchtigen , krystallisirbaren Stoff erhalten haben , den er
Hellebor in nannte. Dasselbe soll bitter und kratzend schmecken, sich in
Wasser schwer lösen, zwar stickstoffhaltig, aber doch indifferent sein.
Eine organische Säure, welche das Helleborin begleitet, hielt Bas tick für
Aconitsäure.
Aus der Wirkungsweise der Wurzel von Helleborus niger und andereu
unten genannten Arten schloss Schroff (1859), dass darin zwei eigeu-
thümliche Stoffe, ein narkotischer, vorzugsweise in Wasser löslicher und
ein scharfer, besser durch Aether oder Alkohol ausziehbarer, enthalten sein
müssen. In alkoholischen Extracten der Helleborus -Wurzeln nach einiger
Zeit, oft erst nach Jahren, anschiessende mikroskopische Krystalle von
süsslich bitterem Geschmacke erwiesen sich als die Träger der narkotischen
Wirkung, woran das fette Oel ganz unbetheiligt ist. Nur einmal (bei Helle-
borus officinalis) gelang es Schroff, solche Krystalle schon unmittelbar
auf einem mikroskopischen Schnitte der Wurzel entstehen zu sehen.
Marine und A. Husemaun glückte (1864) die Reiudarstellung dieser
Schroff’schen Krystalle aus Blättern und Wurzeln der beiden oben
genannten Arten durch Fällung mit Phosphormolybdäusäure. Sie erkannten
darin ein stickstofffreies , sehr schwach saures Glykosid , unzweifelhaft das
schwach giftige Priucip der Nieswurzeln, dem sie zuerst den Namen Helle
borin, später Helleborein beilegten. Verdünnte Säuren spalteu beim
Kochen das farblose Helleborein G2,i Ilu G15 ganz einfach iu schön veilchen-
blaues Helle boretin GuH2oG3 und Zucker G12 H24012. Das Helleboretin
ist merkwürdigerweise ohne physiologische Wirkung.
Dem fetten Oele aus den Wurzeln beider genannten Helleborus - Arten
entzieht heisses Wasser ein zweites Glykosid, das Helle boraciin
£36h«2-Gc.*) Es krystallisirt iu Nadeln, welche sich leicht in Alkohol und
Chloroform lösen und scharf bitter kratzend schmecken. Coucentrirte
Schwefelsäure färbt das Helleboracriu hochroth und spaltet es in Zucker
und Hellebor esiu G30H38-G4. Vollständige Spaltung wird jedoch erst
durch Chlorzink erreicht.
Marine u. Husemanu halten dafür, dass Bastick s Helleborin nicht
existire, sondern nichts anderes als ihr Helleboracriu (Helleboriu spütei) sei.
Gerbstoff scheint zu fehlen.
Die alten griechischen Aerzte kannten einen weissen uud einen schwarzen
Helleborus, welche die Römer als Veratrum album uudV. nigrum bezeich-
’) Von Marine u. Husemanu später als Helleborin bezeichnet.
Rhizoma Hellebori nigri.
277
neten, so dass auch später Helleboras niger undYeratrum nigrum völlig
gleichbedeutend genommen wurden und die Botaniker und Aerzte zu Ende
des Mittelalters unsern heutigen Helleborus niger (vergl. auch Rhizoma
Hellebori viridis) für jene Arzneipflanze der Alten hielten und in Gebrauch
zogen. Namentlich geschah dies auf die Empfehlung von C 1 u s i u s (Charles
de l’Ecluse. 1526—1609). Tournefort (1700—1702) schon überzeugte
sich aber im Oriente selbst davon, dass unsere Pflanze nicht der Helleborus
niger der Alten gewesen sein konnte, was dann (1853 und 1860) durch
die schon erwähnten ausgezeichneten Untersuchungen Schroffs zur
Gewissheit erhoben worden ist. Unser H. niger scheint in Griechenland
(Parnassos, Oeta, Delphi, Olenos) durch Helleborus officinalis Sibthorp
(Syn.: H. orientalis Lamarck, vermuthlich auch H. autiquorum A. Braun
und H. olympicus Bot.) vertreten zu sein, während um das Schwarze Meer,
z. B. bei Trapezunt, B. ponticus A. Braun vorkömmt, den wohl Tourne-
fort mit H. officinalis zusammengeworfen hatte.
Schroff hat gezeigt, dass die Wirkungsweise unseres H. niger nicht
mit der von den Alten geschilderten übereinstimmt, wohl aber mit derjenigen,
welche ihm der aus Athen bezogene H. officinalis darbot. Die Alten ver-
wendeten ferner nicht die ganze Wurzel, sondern nur die vom Holzkerne
abgezogene Rinde derselben. Wie bei Rhizoma H. viridis erwähnt wurde
und auch für Rhizoma H. nigri gültig ist, wäre bei diesen Wurzelsystemen
eine Schälung der Nebenwurzeln oder des Wurzelstockes nicht möglich,
wohl aber bei H. officinalis. Diese Art allein hat die Eigenthümlichkeit,
dass sich die Rinde sehr leichtvon dem stark entwickelten Holzkörper trennt.
Es ist demnach ausser allem Zweifel, dass der ursprüugliche Ruf der
Nieswurz nur der von den Alten verwendeten Art II. officinalis Sibthorp
zukömmt und daher erklärlich, dass der eigenthümlicherweise bis in die
neueste Zeit dafür gebrauchte H. niger die Erwartungen nicht befriedigte.
Nach Schroff besitzen allerdings die vier genannten Arten alle die wirk-
samen Stoffe, aber in sehr verschiedener Menge. Bei weitem am wirksamsten
fand er H. orientalis und demselben sehr nahestehend H. viridis. — Il. foe-
tidus1) L. reiht sich, wiewohl mit Modifikationen, zunächst an, daun
H. purpurascens Wählst, u. Kit., hierauf folgt li. ponticus und die aller-
schwächste Wirkung zeigt gerade H. niger.
Das Wurzelsystem des H. orientalis weicht hauptsächlich nur durch
bedeutendere Stärke von denjenigen des H. niger und viridis ab; der Holz-
körper der Nebenwurzeln ist 4- bis 7strahlig.
So wie man bei dem Bestreben, den Helleboros melas (niger) der Alten
U DicWurzcl dieser vorzüglich iu deu Kalkgebirgen Mitteleuropas einheimischen Art ist
eine reine Pfahlwurzel, bis 0,015™ dick und mit ihren starken Aesten gegen 0,20™ lang,
also aufs bestimmteste schon äusserlich von den geringelten Wurzelstöcken der übrigen erwähn-
ten Hellcborus-Arten abweichend. Die Rinde ist äussort schmal, das Mark fohlt, so dass die
Wurzel fast nur aus Holz besteht und auch wenig Geschmack besitzt. Eine Verwechselung
mit den Rhizomen von H. niger oder viridis ist unmöglich.
278
Wurzelbildungen der Dikotylen.
auch in unseren Gegenden aufzufinden, auf H. niger und viridis gerathen
hatte, so verfiel mau nebenbei auf noch zwei andere, merkwürdigerweise aber
doch zu den Rauunculaceen gehörige Pflanzen, nämlich auf Adonis ver-
nalis L., worin schon Hieronymus Bock (Tragus 1498 — 1554) die
berühmte Arzneipflanze der Alten erblicken wollte,1) und auf Actaea spi-
cata L. Die Wurzelsysteme beider Pflanzen sind denen der Helleborus-
Arten sowohl äusserlich als auch in Betreff des anatomischen Baues ähnlich
und wurden daher in der That vielfach damit verwechselt.
Adonis vernalis wächst sehr zerstreut, doch in grösserer Menge gesell-
schaftlich in der südlichen Schweiz (Wallis, Tessin), im Eisass, am Rhein,
in Oberbaiern, Böhmen, Thüringen, da und dort in Norddeutschland bis
nach Nordasien.
Die Aeste des Wurzelstockes trennen sich leicht von diesem ab und ent-
wickeln sich selbständig weiter, so dass das Wurzelsystem der Adonis nicht
so stark, nicht so vielköpfig und mit dünneren, kürzeren Nebenwurzeln
ringsum versehen ist als die Rhizome des Helleborus niger und viridis, von
welchen es sich auch durch seine mehr schwarze Farbe unterscheidet. Ein
zuverlässigeres Merkmal aber gewährt der Querschnitt der Nebenwurzeln,
deren Holzkern durch 3 oder 4 von breiten, keilförmigen Markstrahlen
auseinandergehaltene Gefässbündel ein 3- oder 4strahliges Bild zeigt.
Geruch und Geschmack der Adoniswurzel sind nach Berg schärfer als
bei Helleborus niger; sie dient in Russland als drastisches Purgirmittel , ist
aber noch nicht chemisch untersucht.
In Griechenland (am Kyllene) wird auch wohl die Wurzel der Adonis
Cyllenea Boissier u. Orph. statt derjenigen des dortigen Helleborus offici-
nalis gebraucht.
Actaea spicata L. ist vorzugsweise in Nordeuropa (bis ins mittlere
Lappland), in Deutschland und der Schweiz bis in die Alpenthäler ver-
breitet, aber in sehr vielen Gegenden fehlend. Ihr Wurzelstock war früher
als Radix Christophorianae s. Aconiti racemosi, für sich im Gebrauch.
Wenn derselbe auch mit Aesten und besonders mit Nebenwurzeln reichlich
versehen ist, so .tritt doch der wagerechte, sehr deutlich geringelte Haupt-
wurzelstock, im Gegensätze zu Helleborus viridis und niger, sehr stark her-
vor, namentlich da die Nebenwurzelu vorherrschend aus seiner unteren
Hälfte entspringen. Er erreicht auch einen bedeutenderen Durchmesser,
bis gegen 0,02m und oftmals, da er seltener von der geraden, horizontalen
Richtung abgelenkt wird, eine Länge von 0,15' . Die schwärzlichen,
gewöhnlich etwas kantigen Nebenwurzeln pflegen nur wenig in eiuander
gewirrt zu sein, obwohl sie gegen ihre Spitze mit zahlreichen Zasern besetzt
sind. Auf den ersten Blick fällt hier auf, dass das Yerhältniss des Holz-
körpers zur Rinde ein von den eben genannten Helleborus -Wurzeln ver-
schiedenes ist. Bei Actaea trennt sich nämlich die Rinde unschwer vom
l) daher dieser Wurzclstock früher Rad. Hcllebori Hippocratis hiess.
Rhizoma Hellebori nigri.
279
Holze ab, so dass beim Trocknen da und dort der weisse Holzkern zu Tage
tritt Bricht eine Nebenwurzel von H. niger oder viridis, so bricht auch
immer der schwache, dünne Holzcylinder mit ab. In den Nebenwurzeln der
Actaea aber enthält das Holz 3 bis 5 strahlenförmig oder kreuzförmig aus-
einander fahrende sehr starke holzreiche widerstandsfähige Gefassbundel,
welche durch breite Markstrahlen getrennt sind. Bisweilen umschliessefi
die Holzkeile noch ein enges Mark, meistens aber wird auch das Centrum
selbst von grossen Gefässen und Holzprosenchym eingenommen Eine feine
bräunliche, oft wenig ausgeprägte Cambiumzone trennt das Holz von der
schmalen Innenrinde, in welcher vor jedem Holzkeile ein eben so breiter
bogenförmiger oder stumpf dreieckiger Strang zarten Bastgewebes liegt.
Eine ähnliche braune Kernscheide, wie sie in den Helleborus-N eben wurzeln
vorkömmt, trennt auch hier, obwohl nicht so scharf, die Innenriude von
der Mittelrinde, deren äussere Lagen dickwandige tangential gesti eckte
Zellen mit gestreiften Wänden und häufig mit braunem Inhalte zeigen. Der
Querschnitt dieser Nebenwurzeln ist oftmals von vollkommener mathemati-
scher Regelmässigkeit und grosser Zierlichkeit.
Auch der Querschnitt des Actaea- Wurzelstockes selbst unterscheidet
sich zunächst durch seine holzige Beschaffenheit bestimmt von Helleborus,
indem er einen unregelmässigen Kreis von 10 bis 20 starken, mehr geraden
als keilförmigen Holzstrahlen darbietet, welche durch breite Markstrahlen
getrennt sind. Mit dem fortschreitenden Wachsthum des Wurzelstockes
setzen immer neue sekundäre Markstrahlen ein, so dass zuletzt bei stärke-
ren Wurzeln ein gedrängter Kreis von langen schmalen Holzlamellen ent-
steht, die durch zerklüftetes Markparenchym auseinander gehalten sind.
In der ziemlich schmalen Mittelrinde des Wurzelstockes liegt vor jedem
Gefässbündel und davon durch, eine breite Cambiumzone getrennt ein gelbes
bogenförmiges Bündel starker Baströhren, welche in den Helleborus-Arten
niemals Vorkommen. Die Amylumkörner der Actaea sind vorherrschend
vereinzelte, selten zusammengesetzte kugelige, höchstens 10 Mikrom. mes-
sende, aber meistens viel kleinere Gestalten. — Fetttropfen fehlen der
Actaeawurzel gänzlich, ebenso der bittere und scharte Geschmack der Nies-
wurzeln. Erstere schmeckt vielmehr durch ansehnlichen Gerbstoffgehalt
unangenehm adstringirend und nachträglich schwach siisslich, soll aber
emetisch -purgirend wirken. Scharf giftig scheinen die Samen der Actaea
zu sein.
Aehuliche Wachsthums Verhältnisse und ähnliches Aussehen wie Actaea
spicata zeigt das Wurzelsystem der in Nordamerikas Wäldern von Canada
bis Florida einheimischen Actaea racemosa L. (Syn. : Cimicifuga race-
mosa Torrey, Cimicifuga Serpentaria Pursh, Macrotis1) racemosa Eat.),
welche dort seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts als j Radix Cimicifugae
0 macr6tes , langgestreckt , ganz treffond auf den allerdings langgestreckten Wurzelstock
zu beziehen, obwohl das Beiwort noch mehr von der schönen Blüthcntraube gilt.
280
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Serpentariae , black snakeroot, black cohosh, officinell ist. Es erinnert
in seinem Ban an Rhizoma Arnicae, scheint aber wohl noch stärker zu
werden wie dasjenige von Actaea spicata. Von dem letzteren unterscheidet
sich das noch deutlicher geringelte Rhizoma Cimicifugae sehr sicher durch
eine ganz abweichende noch stärkere Holzbildung und sehr bitteren
0e schmack. Der ziemlich schmale Holzring des Wurzelstockes nämlich
ist entweder ganz geschlossen oder von nur 4 bis 6 schmalen Markstrahlen
durchschnitten, so dass eben so viele bogenförmige, nicht keilförmige oder
gar lamellenförmige Gefässbündel entstehen, welche ein breites, ausge-
schweift viereckiges Mark einschliessen. Die ziemlich breite Inneurinde
und die Mittelrinde werden durch eine bräunliche Kernscheide getrennt,
worin zahlreiche zerstreute oder zu kleineren 2— 3reihigen Gruppen ver-
einigte dickwandige Baströhren Vorkommen. Hier findet sich also im Gegen-
sätze zu den oben beschriebenen Wurzel bildungen die Kernscheide im
Hauptwurzelstocke und fehlt den Nebcnwuzeln der Cimicifuga oder ist in
letzteren doch fast gar nicht ausgeprägt. Sie enthalten ein einziges cen-
trales, nicht strahliges (und nicht kreuzförmiges) Holzbündel, umgeben von
einer schmalen Cambium- und Bastzone, so dass sich hier die Rinde noch
leichter vom Holzkerue ablöst als bei den Nebenwurzelu der Actaea spicata.
Das von Procter aus Rad. Cimicifugae dargestellte Cimicifugiu oder
Macrotin, wovon die Wurzel gegen 5 pC. gibt, ist wie es scheint ein un-
reines Harz.
Mit den Helleborus- Wurzeln soll auch nach einigen Angaben der Wurzel-
stock einer auf Bergwiesen durch fast ganz Europa häufigen Ranunculacee,
des TroJlius europaeus L., verwechselt werden. Derselbe ist aber immer
sehr viel schwächer, nur bis etwa 0,02m lang und 0,004m dick, fast senk-
recht und aufs dichteste von dünnen schwarzen Nebenwurzelu eiugehüllt.
Das ganze Wurzelsystem ist sehr brüchig, der Wurzelstock oft durch früh-
zeitiges Absterben im Innern hohl. Seine Rinde ist durch sehr starke kurze
dickwandige Baströhren ausgezeichnet. Zahlreiche Reste abgestorbener
Blätter, welche als dichter fahlgelber Schopf den Wurzelstock krönen,
machen vollends eine Verkennung desselben unmöglich. Frisch ist er von
äusserst scharfem brenuendeu Geschmacke.
Wenn auch noch der Wurzelstock von Astrantia major L. ’), einer den-
selben Standorten wie Trollius angehörenden Umbellifere , als der Ver-
wechselung mit Rhiz. Hellebori fähig bezeichnet wird, so darf nur erinnert
werden, dass derselbe ähnlich wie die meisten Umbelliferenwurzeln auf dem
Querschnitte schon dem unbewaffneten Auge einen Kreis ansehnlicher Bal-
samgänge darbietet.
J) vergl. bei Rhiz. Imperatoriae.
Tuber Aconiti.
281
Tuber Aconiti.
Radix Aconiti. Eisenhutknollen. Sturmhutknollen. Racine d’aconit.
Aconite root.
Aconitum Napellus L. — Ranunculaceae.
Syn.: A. variabile Hayne.
Diese weit verbreitete und in Menge gesellschaftlich wachsende Art
findet sich hauptsächlich in der Bergregion des mittleren Europas und Süd-
sibiriens, namentlich an steinigen1) gedüngten Stellen, oft auch in die
Thäler hinabsteigend. Sie ist sehr häufig durch die ganze Alpenkette und
den Jura, auf den deutschen Mittelgebirgen bis Siebenbürgen, auch noch
in England (seltener), Dänemark und Schweden, fehlt aber dem Süden.
Als Zierpflanze zieht man diese und andere Arten auch in Gärten.
Es ist nicht erwiesen, dass die grosse Veränderlichkeit im Blüthenstande
dieser Pflanze sich auch auf ihre unterirdischen Theile erstrecke. Der blü-
hende oder fruchttragende Stengel findet sich in seinen untersten unent-
wickelten Gliedern rübenförmig* 3) verdickt. Dieser fleischige Knollen ist
mit ziemlich zahlreichen einfachen oder gegen ihre Spitze hin bezaserten
Nebenwurzeln besetzt und läuft allmälig, bisweilen aber sehr plötzlich in
eine schwanzförmige Spitze aus. Die Länge des ganzen Knollens übersteigt
mitunter 0,10™, der grösste Durchmesser (nach dem Trocknen) 0,02m.
Aehnlich wie bei manchen Orchideen (vergl. Tuber Salep) entwickelt sich
aus einem sehr kurzen, an der Stengelbasis entspringenden und aufstreben-
den Aste ein zweiter ganz ähnlicher Knollen, gekrönt von einer starken
Knospe, welche in trockenhäutiger Umhüllung schon die Anlage zum nächst-
jährigen beblätterten blühbaren Stengel enthält. Dieser Knollen steht ge-
wöhnlich etwas höher und ist im Spätsommer vollsaftig, während der zum
eben fruchttragenden Stengel gehörige Knollen langsam einschrumpft und
oft schon hohl ist. Jedoch stehen beide Knollen einige Zeit ungefähr gleich
kräftig neben einander, bald sehr genähert, bald stark divergirend.
Beim Trocknen erhält die matt braungraue Oberfläche sehr starke Längs-
runzeln, auch die gewöhnlich helleren und glänzenden Nebenwurzeln wer-
den fein längsstreifig.
Das Innere, ganz besonders das Mark des kräftigeren Knollens ist rein
weiss, mitunter allerdings missfarbig, trocken mehlig und glatt brechend.
Sein Saft färbt sich an der Luft rasch röthlich.
Der Querschnitt bietet ein rundliches, braun umschriebenes Mark dar,
dessen Durchmesser die Breite der Rinde etwas übertrifft. In den oberen
Regionen des Knollens ist der Querschnitt des Markkörpers unregelmässig
jj ^ Daher der Name dos Genus von aköne (ay.dvr)) Fels, nach andoren eher von kone (xovrj)
3) Daker Napellus, Diminutivnm von napns, Rübe.
282 Wurzelbildungen der Dikotylen.
rundlich oder elliptisch, fünf- bis siebeneckig, mit oft ziemlich stark hervor-
tretenden Ecken.
Im absterbenden Knollen ist das Mark bis auf den schwachen Gefäss-
biindelkreis geschwunden. Derselbe ist aber in der Regel weder durch
Farbe noch durch Consistenz ausgezeichnet.
In der Rinde verläuft dicht unter der Oberfläche eine feine braune
Linie, die Kernscheide.
Weit schärfer tritt diese Keruscheide in den Nebenwurzeln hervor und
schneidet einen dichten Kern von gleichem Durchmesser wie die Breite der
Rinde ab. Im Holzkerne nimmt man 5 bis 7 mehr oder weniger deutlich
getrennte bogenförmige Gefässbündel wahr, deren Zwischenräume mit star-
ken Holzbündeln besetzt sind. Die mit ihrer schwach concaven Seite nach
aussen gerichteten Gefässbündel ragen weit in die von der Kernscheide
scharf begrenzte Innenriude hinein , während das Holz ein sehr veränder-
liches rundliches oder fünf- bis siebeneckiges Mark umschliesst.
Die Aussenriude besteht zunächst aus einer Reihe braunwandiger, be-
sonders in den Nebenwurzelu stark gewölbter Wnrzeloberhautzellen (Epi-
blema), worauf in den Knollen 10 bis 12 Reihen sehr stark tangential ge-
streckter Zellen mit dicken, fein porösen Wänden folgen. Nicht sehr zahl-
reiche ansehnliche gelbliche Steinzellen sind unregelmässig in dieses Gewebe
eingestreut, sehr oft namentlich in der Nähe der Kernscheide, welche das-
selbe gegen die Mittelrinde abgrenzt. Die Kernscheide ist aus einer Reihe
bedeutend kleinerer, wenig tangential gestreckter oder im Querschnitte fast
quadratischer Zellen gebildet, welche sich namentlich durch dünne Quer-
wände sehr unterscheiden. Gewöhnlich auch noch an dunkelbräunlicher
Färbung leicht kenntlich , ist indessen diese Kernscheide bisweilen weniger
in die Augen fallend und kann auch wohl, in den Knollen, sammt dem
zwischen ihr und der Oberhaut liegenden Aussenrindengewebe durch Bor-
kenbildung ganz verschwinden.
Die bei weitem breitere Iunenrinde enthält zunächst innerhalb der Kern-
scheide gleiche Zellen wie die Aussenrinde, weiter gegen innen zu verlieren
sie mehr und mehr die tangentiale Streckung und gehen unmerklich in die
mehr kreisrunden oder etwas radial gedehnten Formen der Markstrahlen
und Baststrahlen über. Dieses letztere übrigens wenig ausgezeichnete Gewebe
ist durch vereinzelte zarte kreisrunde Baststränge eharakterisirt. Dieselben
stehen in sehr unregelmässiger Anordnung in weiten Kreisen oder lockeren,
durch breite Bastparenchymstreifen getrennten, radialen Reihen, keineswegs
genau den Gefässbündeln entsprecheud.
Eine ziemlich breite mehrreihige Zone ansehnlicher, sebr regelmässiger
Cambiumzellen schliesst die Innenriude ab. Das Cambium beschreibt im
Querschnitte der unteren Knolleuliälfte annähernd eiue Kreislinie, geht aber
oberhalb meist in die Form eines unregelmässigen, wenig ausgezackten
Siebeneckes über. Zahl und Form der schwachen, immer dicht an die
Cambiumzone gerückten Gefässbündel sind sehr unbestimmt. \No das
Tuber Aconiti.
283
Cambimn sich der Kreisform nähert, stehen die Gefässbündel als zwei-
schenkelige oder dreischenkelige , nach aussen geöffnete Bogen einander
ziemlich gleichmässig nahe. Wo dagegen das Siebeneck auftritt finden
sich die Gefässbündel , wenigstens die stärkeren , immer in den Ecken unc
zwar mehr in einzelne kurze und schmale Keile aufgelöst. Die Gefässbündel
enthalten nicht sehr zahlreiche, manchmal nur sehr wenige Tüpfelgefasse
von mässiger Grösse. Eigentliches Holz fehlt dem Knollen ganz , sein Gen-
trum wird nur von grosszeiligem kubischem Markgewebe eingenommen,
wenn es nicht, im absterbenden Knollen, hohl ist.
In den Nebenwurzeln ist die Rinde von der Kernscheide bis zur Ober
haut aus gleichförmigen grossen, nur wenig tangential gestreckten Zellen
gebaut. Die Aussenrinde besteht nur aus der einzigen Oberhautzellenreihe.
In der übrigen Rinde finden sich zahlreiche gelbe, meist kreisrunde und
fast ganz verdickte Steinzellen eingestreut, welche sich durch ihre bedeu-
tende Länge von den immer nur ziemlich kurzen ähnlichen Zellen in der
Aussenrinde des Knollens unterscheiden. Diese sehr auffallenden Stein-
zellen der Nebenwurzeln erreichen eine Länge von 270 bis 350 Mikromill.
bei etwa 35 Mikrom. Durchmesser, ihre Wände sind sehr deutlich ge-
schichtet und von Porenkanälen durchzogen, an den Enden gerade abge-
stutzt oder sehr stumpf abgerundet.
Die Kernscheide zeigt denselben Bau wie im Knollen selbst und wird
fast von den Bastkeilen berührt, welche den Gefässbiindeln entsprechen.
Das Bastgewebe ist aus engem Prosenchym mit ziemlich dicken verbogenen
Wänden gebildet und geht allmälig in das zartere, nur weuig entwickelte
Cambium über. Zwischen den Bastkeilen erfüllen ziemlich deutliche, nach
aussen bedeutend an Breite zunehmende Markstrahlen das von der Kern-
scheide umgrenzte Innenrindegewebe.
Von dem braunen Farbstoffe der Aussenrinde des Knollens abgesehen,
erblickt man im ganzen Parenchym des Aconitum mit Ausnahme des Cam-
bium nur Stärkekörner, sehr ungleich grosse (bis 15 Mikromill. im Maxi-
mum) kugelige oder halbkugelige Gestalten.
Im frischen Zustande besitzt der Aconitumknollen einen scharfen Rettig-
geruch, der bald verschwindet. Er schmeckt schwach süsslich und alsbald
auch äusserst gefährlich brennend scharf.
Von den chemischen Bestandtheilen der Aconitknollen ist am besten
bekannt das schon von Pe schier vermuthete, zuerst aber (1833) von
Hesse aus den Blättern dargestellte, dann von Bley auch in den Knollen
nachgewiesene Alkaloid Aconitin, G3OH47N07 nach Planta,
Es wird meist amorph, seltener undeutlich krystallisirt erhalten und
reagirt stark alkalisch ; auch die Salze krystallisiren nicht leicht, am ehesten
noch das Sulfat. Das Aconitin scheint immer nur etwa 72 p. Mille, auf
frische Knollen bezogen, zu betragen, obwohl es hier viel reichlicher vor-
kömmt als im Kraut und Samen. Etwas hoch erscheint die Angabe
Procter’s, welcher aus in New-Lebanon (New-York) gezogenen Knollen
284
Wurzelbildungen der Dikotylen.
0,85 pC. Aconitin, allerdings auf getrocknete Substanz berechnet,
erhalten hatte. Aus Deutschland bezogene schöne Knollen gaben ihm halb
so viel. — Hager fand sogar 0,95 bis 1,25 pC. und selbst in sehr alten
Knollen noch 0,64 pC. Aconitin.
Schroff hat (1854) gezeigt, dass im Aconitum neben dem furchtbar
giftigen narkotischen Aconitin noch ein weit gefährlicher wirkender scharfer
Stoff Vorkommen muss. Ein in England von Morsson, wie es scheint,
schon seit längerer Zeit dargestelltes und dort vielfach angewandtes Aconitin
hat sich durch Schroffs weitere Versuche (1857) gerade als jener scharfe
Stoff herausgestellt. Mit der Wirkung dieses englischen1) Aconitins stimmt
diejenige der Wurzel des Aconitum ferox Wallich (A. virosum Don) über-
ein, welches in seinem Vaterlande Nepal im Himalaya längst2) als äusserst
heftiges Gift bekannt und als Pfeilgift benutzt ist. Nach den Beschreibungen
von Schroff und von Berg stimmen die Knollen desselben nahezu mit
denen des A. Napellus überein, sind aber stärker und gelangen gebrüht,
daher sehr dicht und schwer nach England, wo sie zur Darstellung des
Aconitins von Morsson zu dienen scheinen. — In Konstantinopel wurden
1865 solche Knollen sonderbarerweise aus Calcutta als Jalapa eingeführt,
welche Verwechselung mehrere Vergiftungsfälle zur Folge hatte. 0,2 Gramm
der Knollen sind nach Schroff unbedingt tödtlich.
Für das Morsson’ sehe Präparat hat Wiggers (1857) die Bezeich-
nung Napellin vorgeschlagen, welche von Hübsch mann aber schon
1852 einem anderen Körper beigelegt worden ist, so dass es wohl zweck-
mässiger wäre, das Präparat von Morsson mit Bezug auf die Heimat des
Aconitum ferox etwa Nepaliu zu benennen. Hübschmann's Napellin hat
Schroff von gleicher Wirkung wie das (deutsche) Aconitin befunden; die
von Hübschmann3 *) angegebenen Löslichkeits Verhältnisse desselben sind
aber so sehr vom Aconitin abweichend, dass die Existenz dieses Napellins
denn doch nicht ohne weiteres geläugnet werden darf. Es löst sich schwerer
in Aether, leichter in Wasser als das Aconitin, krystallisirt durchaus nicht
und kömmt in nur sehr geringer Menge in den Knollen vor und zwar sowohl
in denen des A. Napellus als auch in A. Cammarum (variegatum).
T. u. H. Smith haben 1863 ein ferneres, durch Krystallisationsfähigkeit
ausgezeichnetes Alkaloid aus den Knollen von A. Napellus erhalten und
Aconelliu genannt. Es scheint aber merkwürdigerweise mit dem Nar-
kotin G22H23N O7 des Opiums identisch zu sein.
1) Poreira’s Manual of Mat. med. (1865), so wie British Pliarmacop. (1864) ignoriren
dasselbe. Letztere schreibt nur die Wurzel von A. Napellus zur Darstellung ihres Aconitins
vor, welchem sie auch die Planta’sche Formel beilegt.
2) wie es scheint, schon im Xt. Jahrhundert, wo Avicenna unter dem Namen Bisch
(oder Bikh) vermuthlich dieso Pflauzo verstand. So oder Ativischa wird Aconitum ferox jetzt
in Nepal genannt.
3) Schweizerische Zeitschrift für Pharm. 1857, S. 66, auch Wiggers - Cannstatts
Jahresbericht 1857, S. 55.
Tuber Aconiti.
285
Die von Peschier (1820) in den Blättern von A. Napellus in ziem-
i lieber Menge entdeckte Aconit säure 06H606 dürfte wohl in den Knollen
; ebenfalls Vorkommen. Sie findet sich nach Wicke auch in den Blättern
von Delphinium Cousolida, und ist nach Liebig, Baup, Dessaignes
identisch mit der aus mehreren Equisetum-Arten zu gewinnenden Equiset-
säure Braconnot’s so wie mit der durch Erhitzen der Citronsäure von
Baup erhaltenen Citridicsäure.
Die übrigen Bestaudtheile der Aconitumknollen sind nicht genauer
bekannt; bei der Darstellung der Alkaloide erhält man reichlich ein duukel-
: grünes Gemenge von Harz und Fett. Neben Mannit enthalten die Knollen
Rohrzucker und einen schon in der Kälte das Kupferoxyd reducirenden
i Zucker. Gerbstoff fehlt oder ist in geringer Menge auf das Epiblema
beschränkt. An Kalksalzen ist der Knollen weit ärmer als die Blätter.
Erst die meisterhaften pharmakologischen Forschungen Schroffs
(seit 1853) haben zu einer allgemeineren Anwendung der Aconitknollen
• Anstoss gegeben , indem sie zeigten , dass dieselben , und zwar beide
i Knollen gleichmässig, in ihrer Wirksamkeit wenigstens um das G fache dem
bisher üblichen (kurz vor dem Blühen gesammelten) Kraute überlegen sind.
Cultivirte Pflanzen sind wegen geringerer Wirksamkeit1) nach Schroff
unzulässig.
Aconitum Napellus hat sich als die wirksamste der blau blühenden
europäischen Arten erwiesen-. Bei der so grossen Aelinlichkeit und Ver-
änderlichkeit derselben und bei ihrem gleichzeitigen massenhaften Vorkommen
an manchen Standorten wird es aber in der Praxis schwer fallen , immer
nur die Knollen von Napellus mit Ausschluss aller andern Arten zu erlangen.
Sehr ausgezeichnet ist das Wurzelsystem des in den Alpen nicht seltenen,
dagegen z. B. im Jura fehlenden Aconitum & körckeanum2) Reichenbach.
Hier findet eine weit reichlichere Knollenbildung statt, indem nicht nur zu
beiden Seiten des eben blühenden oder fruchttragenden Hauptknollens schon
zwei weitere oft getheilte Knollen vorhanden sind, sondern dergleichen auch
oft noch über dem ersteren aus den untersten Stengelgliedern hervorbrechen.
Sehr häufig stehen die beiden Seitenknollen mit dem rascher als bei Napellus
absterbenden Hauptknollen nicht in gerader Front, sondern im Dreieck;
die Knollen pflegen durchschnittlich etwas kräftiger zu sein als bei A. Napellus,
sonst aber von demselben Aussehen. Der anatomische Bau, obwohl im
allgemeinen mit dem des letzteren übereinstimmend, zeigtdoch bei A. Stoercke-
anum sehr bestimmte Unterschiede, zumal in den Nebenwurzeln. Der Quer-
schnitt des Markkörpers ist in den oberen Theilen des Knollens scharf
siebeneckig und weit tiefer ausgeschweift als bei Napellus. Nach unten
zu nimmt dieser Querschnitt allmälig fünfeckige, zuletzt mehr nur rundliche
Form an. Das Bild, welches die Knollen dieser Art darbieten, wechselt
') vergl- dagegen die oben angeführten Erfahrungen Procter’s.
2) von Stoerck selbst mit A. Napellus verwechselt.
286
Wurzelbildungen der Dikotylen.
also sehr, je nach der Höhe, in welcher der Querschnitt gemacht wird.
Dimension, Bau und Inhalt der einzelnen Gewebe in den Knollen des
A. Stoerckeanum entsprechen ganz dem A. Napellus.
Die Nebenwurzeln des A. Stoerckeanum zeigen bei aller sonstigen sehr
genauen Uebereinstimmung doch einen schmaleren , aber mehr zusammen-
hängenden Gefässkreis, worin sich kaum einzelne bestimmt abgegrenzte
Bündel unterscheiden lassen und welche nicht von Holzprosenchym begleitet
sind. Dagegen ist die Cambiumzone hier viel breiter. Endlich ist die Mittel-
rinde in den Nebenwurzelu des A. Stoerckeanum frei von jenen höchst
ausgezeichneten stabförmigen Steiuzellen des Napellus.
Die botanische Eigenthümlichkeit jener oft verkannten Art ist hierdurch
fest begründet. Ob ihre chemischen Verhältnisse ebenfalls eigenartig sind,
ist nicht ermittelt, zumal noch Schroff sie zu Aconitum variegatum L.
gezogen und mit diesem, wenigstens in der Gartenform, wenig wirksam
gefunden hat. Hager dagegen gewann aus einer solchen 0,75 pC. Aconitin.
Aconitum variegatum L. (Syn. : A. Cammarum Jacquin) ungefähr in
demselben Verbreitungsbezirke wie A. Stoerckeanum, doch vielleicht noch
etwas weniger häufig vorkommend, besitzt ganz ähnliche, aber kleinere
namentlich kürzere, mehr kugelig- eiförmige Knollen. Von den gelb-
blühenden Arten steht die Wurzelbildung des auf das südlichere Gebiet
Mittel-Europas beschränkten A. Anthora L. den oben beschriebenen nahe.
Jedoch sind seine nur wenig wirksamen Knollen, nach Berg, bedeutend
kleiner, mit oft ganz engem Marke und sehr deutlich strahliger Innenrinde.
Das Wurzelsystem des Aconitum Lycoctonum L., welches wohl eben
so weit oder noch weiter verbreitet ist als Napellus, ist dagegen von ganz
anderer Beschaffenheit. Es besteht nicht aus Knollen , sondern aus einem
aufrechten, mehrköpfigen, sehr reichlich bewurzelten und in höchst eigen-
thümlicher Weise zerfaserten, gleichsam zerfressenen Rhizom, das unmöglich
mit den Knollen von Napellus verwechselt werden kann. Ihre narkotische
Wirkung besitzt jenes Rhizom in noch höherem Grade, nicht aber die
Schärfe, so dass nur Aconitin darin enthalten zu sein scheint und kein oder
nur wenig Nepaliu (Napellin von Wiggers). Zur Darstellung des A(0-
nitins dürfte sich daher nach Schroff das Rhizom von A. Lycoctonum
vorzugsweise eignen. Hübsch mann hingegen fand (1865) darin kein
Aconitin, sondern zwei neue Alkaloide, Acolyctin und Ly coc tonin,
welche noch genauerer Untersuchung harren.
Die Alten kannten die Aconitum-Arten jedenfalls als Giftpflanzen, wennl
auch nicht als Heilmittel.
Radix Enulae.
287
G. Wurzelbildungen von aromatischem Geschmacke.
1. amylumfreie.
Radix Enulae.
Radix Helenii. Radix Inulae. Alantwurzel.1) Racine d’aunee. Elecampane.
Inula Helenium2) L. — Compositae- Aster eae.
Diese stattliche perennirende Pflanze ist sehr weit und an höchst ver-
schiedenen Standorten verbreitet. Wir besitzen sie zuverlässig wild vom
Olyinpos in Thessalien, an dessen Fusse, nicht aber in Griechenland, sie in
grosser Menge wächst. Ebenso unzweifelhaft wild findet sie sich in einzelnen
Küsteugegenden Englands, so wie Finnlands und des südlichen Norwegens
(Schübeler), dann im Karadagh, südlich vom Araxes, unweit des Caspi-
Sees (Buhse). In Menge traf sie auch Ledebour am Altai, z. B. um
Buchtarminsk an Bächen. Sie findet sich ferner, wiewohl sehr zerstreut,
durch Mittel- und Südeuropa und durch Mittelasien.3) In Nordamerika ist
j sie wohl nicht ursprünglich einheimisch.
Der Alant wird zudem als Arzneipflanze, früherauch als Kücheugewächs,
sehr häufig in Gärten gezogen und ist in dieser Weise selbst bis Nordamerika
und Japan gewandert. In etwas grösserem Massstabe wird er in Holland
und einzelnen Gegenden der Schweiz angebaut.
Man sammelt die Wurzel 2 — 3jähriger Pflanzen; in höherem Alter ver-
holzt sie zu sehr. Frisch ist sie fleischig, innen weisslich, au der Luft einen
Stich ins Röthliche annehmend. Der hellgraue Kork wird häufig entfernt
und die dickeren Wurzeln in Scheiben geschnitten, welche sich unregel-
mässig krümmen und eine gelblich-graue Farbe annehmen.
Die Hauptwurzel ist sehr kurz und theilt sich sogleich in mehrere starke,
nach dem Trocknen längsrunzelige, hier und da auch quergeriu gelte Aeste,
welche häufig etwa 0,015m dickund 0,1 5m lang werden. Die Wurzel bricht
glatt, nicht holzig und schneidet sich spröde hornartig oder zähe, wenn sie
etwas feucht ist. Der nicht sehr deutlich strahlige Querschnitt der Aeste
zeigt eine gewöhnlich etwas dunklere Cambiumzone, welche die Rinde von
dem 3 — 4mal dickeren Holzkerne trennt; das Mark ist nicht scharf abge-
grenzt, oft lückig und hohl. Sehr unregelmässig im ganzen Gewebe zerstreut
finden sich mehr oder weniger zahlreiche grössere Lücken , gelbbraunen
Balsam oder glänzende, farblose Kry stallnadeln enthaltend, mit welchen
letzteren übrigens die ganze Schnittfläche länger aufbewahrter Wurzel
besäet ist. Weniger in die Augen fallend sind die Oeffnungen der unregel-
1) vielleicht deutet der Name Alant auf die finnischen Alandsiuseln , wo in der That die
Pflanze viel wächst. Schwedisch heisst sie Alandsrot.
2) Inula von ungewisser Ableitung; daher der Ausdruck Ennla der salernitanischen Schule
immer noch sein Recht behaupten mag. Helenium von rjXto; Sonne, oder von Sumpf.
3) In Indien uud Persien ist die Wurzel sehr gebräuchlich (Ainslie).
288
Wurzelbildungen der Dikotylen.
massig zerstreuten, nicht sehr grossen Gefässe. In der Hauptwurzel ist die ’ :
Rinde relativ weit schwächer, der ganze Querschnitt sehr gleichförmig, ;
nicht strahlig.
Die Aussenrinde der Alantwurzel bilden einige Reihen grosser, fast
kubischer Korkzellen von nicht sehr regelmässigem Bau. Das Rinden-
parenchym besteht, von den Oelgängen abgesehen, nur aus zartwaudigeu,
in den äusseren Schichten sehr grossen kugeligen oder (im Querschnitte) ;]
ein wenig tangential gedehnten Zellen , die in den inneren, dem Baste ent- ,
sprechenden Schichten weit kleiner werden, im Sinne der Axe gestreckt
sind und unmerklich in das zarte Cambialgewebe übergehen; Baströhren j
fehlen. Die Gefässbündel bestehen aus wenigen oder ganz vereinzelteu
Ring- oderNetzgefässen, umgeben von dünnwandigen weiten, nicht porösen
proseuchymatischen Zellen und getrennt durch schmale Markstrahlen, deren
kugelige Zellen im Querschnitte denen der äusseren Riudenschichten und
des Gefässbündelprosenchyms gleichen. Einige grössere Gefässe finden
sich im Marke vereinigt und (in der käuflichen jüngeren Wurzel) nur hier
von eigentlichen Holzzellen begleitet. Bisweilen sind die Gefässbündel der
Wurzeläste ganz von hellem Harze (amorphem Helenin?) durchdrungen und
erhalten dadurch ein völlig hornartiges Aussehen; ihre strahlige Anord-
nung tritt alsdann zurück und die Markstrahlen zeigen einen sehr unregel-1
mässigeu Verlauf.
Die Oelgänge , sowohl iu der Rinde als im Innern unregelmässig ein- 1
gestreut, sind häufig über % Millimeter weit, aber nur etwa doppelt so laug, <
und von kleineren tangential gestreckten, tafelförmigen Zellen eingefasst.
Erstere enthalten eiuen braungelben Balsam oder sehr häufig einzelne oder .
büschelförmig vereinigte farblose Prismen von Heleniu (oder Alant-
camp her) O21 H2S G3,*) welche sich durch vorsichtiges Erhitzen eines
feinen Schnittes verflüchtigen lassen, bei 72° C. schmelzen, iu Weingeist
leicht löslich sind und nur schwach gewürzhaft schmecken. Nach John
kömmt in derW7urzel 0,4 pC. , nach Schultz nur 0,25 pC. Heleuin vor.
Dasselbe dürfte wohl in naher Beziehung zu dem Balsame oder Harze
stehen, das abwechselnd mit ihm dieselben Räume einnimmt. Iu noch
geringerer Menge (V2 P- Mille, Raybaud) scheint ätherisches Oel vor ?
handen zu sein. I
Hauptinhalt des mittleren Rindenparenchyms, der Markstrahlen und
des Markes ist das Inulin. Es tritt in diesen Zellen in glashelleu Splittern
oder etwas abgerundeten Klumpen von etwa 70 Mikromill. Grösse au bis
zu verschwindender Kleinheit aut, woran sich keinerlei bestimmte form
oder Struktur wahrnehmen lässt und welche sich bei 50 G. in Wasser klar j
lösen. Ira polarisirenden Lichte erweisen sich die Splitter nicht doppelt-
brechend, zeigen nicht die kreuzförmige Schattirung wie das Amylum und
werden von Jod unter keinen Umständen blau gefärbt, sondern nur gelblich.
*) nachHuyer (1864) H2S GJ.
Radix Pyrethri romani.
289
Schultz fand 13 pC. Inulin in der Wurzel, John fast das dreifache. —
Wenn auch der grösste Theil desselben im Zellsafte gelöst ist, so trifft man
es doch schon während des Sommers auch in fester Form im Parenchym
abgelagert; niemals aber ist das Inulin in dieser Wurzel, oder in denjenigen
anderer Compositen, von Amylum begleitet. Anderseits scheint auch das
Inulin nur der Familie der Compositen anzugehören und mit Bestimmtheit
in keiner andern Pflanze nachgewiesen zu sein. Selbst für das von Ander-
son in der südaustralischen Lerp -Manna (vergl. am Schlüsse von Manna)
j angegebene Inulin dürfte noch nähere Vergleichung abzuwarten sein.
Es scheint vielmehr das Inulin trotz übereinstimmenden chemischen
Charakters und gleicher Zusammensetzung (£12H20O10) zu dem Amylum
in einem bestimmten Gegensätze zu stehen und dasselbe in den Wurzel-
systemen der Compositen zu vertreten. Nach Yogi tritt jedoch in Rad.
Bardanae und Rad. Cichorii auch Amylum auf. (Yergl. bei Rad. Bardanae.)
— Yon Valentin Rose 1804 in unserer Wurzel entdeckt, wurde das
Inulin nach und nach in manchen andern Compositen gleichfalls getroffen
und daher auch wohl als A 1 a n t i n , S y n a n t h e r i n oder D a h 1 i n bezeichnet.
— Sachs1) zeigte, dass dasselbe durch geeignete Behandlung mit Alcohol
oder Glycerin in Geweben oder aus Lösungen in Form kugeliger Aggregate
von Krystallnadeln niedergeschlagen werden kann , welche nun unter dem
Polarisationsmikroskop ein ähnliches Kreuz zeigen wie die Stärkeköruer.
Die Alautwurzel war schon Dioskorides bekannt und stand auch bei
der Salernitanischen Schule als Heilmittel , zum Theil auch eingemacht als
Gewürz im Ansehen, wie sie heute noch unter anderm auch zur Bereitung
desWermuth (Extrait dAhsinthe) Verwendung findet. In Deutschland war
sie schon früher, z. B. um 1150 der heiligen Hildegard wohl bekannt.
Der Name Alant findet sich schon vor dem XII. Jahrhundert. Das Helenin
wurde bereits 1660 von Lefebvre beobachtet.
Der höchst eigenthiimliche , nicht unangenehme, gewürzhafte, nur
schwach bitterliche Geschmack und entsprechende Geruch der Alantwurzel,
vom Harz und ätherischen Oele herrührend , lässt dieselbe leicht von der
Radix Belladonnae unterscheiden , welche den Wurzelästen von Helenium
ähnlich sieht. Doch fehlen der Belladonnawurzel die grossen Oelgänge und
sie wird durch Jod gebläut.
Radix Pyrethri romani.
Rad. Pyrethri veri. Römische Bertramswurzel.2) Pyrethre. Salivaire.
Pellitory of Spain.
Anacyclus Pyrethrin« De Cand. — Compositae-Senecionideae.
Syn.: Anthemis Pyrethvum L. zum Theil.
Perennirendc uiederliegende Pflanze Maroccos, der südlichen Küsten-
Botau. Zeit. 1864, S. 77. — Nach demselben kömmt Inulin auch unzweifelhaft in der
Alge Acetabularia mediterranea vor. — 2) Bertram aus Pyrethrum verdorben. Zwei deutsche
Arzneibücher des XII. u. XIII. Jahrh. (bei Sem. Hyosciami erwähut) haben bald piretrum, bald
pertheram, die heil. Hildegard um 1150 Bertram, noch früher findet sich auch Perchtram.
Flückiger, Pharmakognosio. i o
290
Wnrzelbildungen der Dikotylen.
länder des Mittelmeeres, Arabiens und Syriens, deren Wurzel hauptsächlich
aus Tunis zu uns gelangt. Sie ist gewöhnlich ganz einfach, bis 0,10'“ lang
und bis über 0,010"' dick, gerade und cylindrisch oder spindelförmig, an
beiden Enden abgestutzt, oder seltener oben noch mit weisslichfilzigen
Stengelresten versehen und nur wenige haardünne Wurzelzasern tragend.
Durch Einschrumpfung ist die Wurzel oft breit und tief furchig oder kantig.
Die braungraue, sehr unregelmässig gerunzelte Oberfläche nur zu oberst
etwas geringelt; die Wurzel selbst sehr fest uud hart, auf dem Bruche
strahlig holzig, ohne Mark. Die höchstens 0,001'" breite Rinde ist fest mit
dem Holzkörper verbunden und davon nicht scharf durch eine schmale
Cambiumzone geschieden. Die zahlreichen gelben Holzstrahlen sind durch
ziemlich breite, weisse, glänzende Markstrahlen getrennt und, in diesen, so
wie in der Rinde zahlreiche dunkelbraungelbe Oelzellen regellos vertheilt.
Der anatomische Bau der Bertramswurzel entspricht im Allgemeinen dem
der Rad. Euulae , ausgezeichnet ist jedoch die starke Ausseuriude und die
mehr holzige Beschaffenheit der ersteren. Die Aussenrinde verdankt ihre
Festigkeit mehreren mit braunen Lagen von krummwandigen, kleinen Kork-
zellen abwechselnden Reihen ziemlich grosser farbloser, kubischer Steinzellen,
die nur in ihrer sehr kleinen Höhlung braunes Harz enthalten. Das übrige
Rindengewebe ist so beschaffen wie bei Euula, doch pflegt das Inulin in der
Rad. Pyrethri noch weit reichlicher (57 pC. Koene) uud in verhältniss-
mässig grösseren Klumpen abgelagert zu sein , welche die Zellen fast ganz
ausfüllen, als ob nur erst das Eiutrocknen einen geringen Abstand zwischen
der Zellwand und dem Inulin herbeigeführt hätte. Diese Klumpen bieten
ganz den Anblick des in manchen Wurzeln durch Kochen formlos gewor-
denen Amylums (Rad. Sarsaparillae zum Theil, Rhiz. Curcumae, Tuber
Chinae zum Theil), erweisen sich aber durch das Verhalten zum polarisirten
Licht uud zu Jod als Inulin.
Die Gefässe sind von zartem, wenig gestrecktem Prosenchym umgeben,
worin einzelne Stränge poröser, stark verdickter, gelber Holzzellen Vor-
kommen. Die Oelzellen sind kugelig, kleiner und weniger regelmässig
gesäumt als in Rad. Euulae; sie enthalten meist noch hell braungelben
Balsam, aber keine Krystalle. Im Kern der Wurzel findet sich ein Holz-
bündel.
Die geruchlose Bertramswurzel besitzt einen sehr anhaltenden bren-
nenden1) und speichelziehenden Geschmack, den sie dem Harze (uud einer
Spur ätherischen Oeles) verdankt, neben welchem sie auch Zucker, Fett.
Gummi, 7 pC. Aschenbestaudtheile uud eine Spur Gerbsäure enthält. Das
sogenannte Pyrethrin ist ein gemischter Körper; der Menge nach ist
unzweifelhaft das Inulin Hauptbestandtheil.
Sehr häufig findet man die Bertramswurzel von Insekten durchlöchert,
aber ohne Beeinträchtigung ihres scharfen Geschmackes. Frisch soll ihr
1) daher der Name, von “5p, Feuer.
Radix Pyrethri germanici. 291
Saft wenig scharf schmecken; sie dient in Konstantinopel und Kairo auch
eingemacht als Gewürz.
Das Pyrethron von Dioskorides war nicht die hier beschriebene
Wurzel, sondern die des Thysselinum palustre Hoffrn. (Umbelliferae). Ana-
cyclus Pyrethrum wurde in Deutschland schon im XYI. Jahrhundert gezo-
gen. — Die Wurzel ist auch in Indien, wohin sie aus Arabien zu gelangen
scheint, wohlbekannt.
Radix Pyrethri germanici.
Deutsche Bertramswurzel.
Anacyclus officinarum Hayne. — Compositae- Senecionideae.
Ein- oder zweijährige, übrigens dem Anacyclus Pyrethrum ähnliche,
jedoch, nach Bischoff, unzweifelhaft davon verschiedene Pflanze, deren
Heimat (vermuthlich Süd -Europa) nicht sicher bekannt ist. Man hatte sie
auch als einjährige Spielart von Anacyclus Pyrethrum betrachtet. Sie wird
in Böhmen und bei Magdeburg, nicht in Thüringen, angebaut.
Die Wurzel ist heller grau, so lang oder länger wie die römische, aber
nur halb so dick, sehr lang zugespitzt, durch starkes Zusammenfallen beim
Trocknen mehr längsfurchig und am oberen Ende immer noch mit einem
langen, reichlichen Schopfe von (geschmacklosen) Blatt- und Stengelresten,
häufig noch mit ganzen Blättern und Blüthen besetzt. Auch dünne Wurzel-
zasern kommen bei der deutschen Wurzel häufiger vor, sogar schwache
Aeste. Ihre oft etwas dunklere Rinde ist bis 0,002m dick, also an
sich schon doppelt so stark wie in der römischen Bertramswurzel, die
Cambiumzone und Baststrahlen nach dem Aufweichen deutlich wahr-
nehmbar. Der Holzkern deutlich schlängelig strahlig, mit gelben Gefäss-
biindeln und weissen Markstrahlen, die Gefässe nach aussen zahlreicher;
das Mark fehlt. Nur in der äussern Rindenschicht, unmittelbar unter dem
Korke, finden sich 4 bis 8 ganz regellos gestellte grosse Oelzellen; häufig
sind sie durch eine feine dunkle Linie harzreichen Parenchyms gleichsam
mit einander verbunden.
Der Bruch glatt, stark glänzend, hornartig.
Die Aussenrinde ist nur aus einer mehrreihigen Korklage von zarten,
braunen, fast kubischen Zellen, ohne alle Steinzellen, gebildet, das Pro-
senchym der Gefässbündel nicht verholzt; die übrigen Gewebe stimmen
nach Form und Inhalt mit denen des römischen Bertrams überein. Ebenso
der Geschmack und die chemischen Bestand theile; doch scheint die deutsche
Wurzel schärfer, reicher an ätherischem Oele zu sein.
Diese Bertramswurzel ist nur in Deutschland, Skandinavien und Russ-
land gebräuchlich, zum Theil neben der römischen.
19*
292
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Rhizoma Arnicae.
Radix Arnicae. Arnicawurzel. Wolferleiwurzel.1) Racine d Aruica.
Aruica root.
Aruica montaua L. — Compositae-Seneciomdeae.
Perennirende Wiesenpflanze der süd- und mitteleuropäischen Gebirge,
aber in einzelnen Gegenden, z. B. im Jura fehlend, während sie in den Pyre-
näen, den Cevennen, in Auvergne, in den Vogesen, im Schwarzwalde und
in den Alpen häufig vorkömmt. Im Norden, schon in Norddeutschland,
wächst sie in der Ebene und findet sich auch in Labrador, nicht aber, wie
es scheint, im übrigen Amerika.
Der schief in der Erde liegende einfache oder, etwas weniger häufig,
an der steil aufstrebenden Spitze 2 — 3theilige und alsdann mehrköpfige
Wurzelstock erreicht eine Gesammtlänge von über 0,10"' und etwa 0,010"’
Dicke; er ist röth lieh braun, kurz längsfurchig, durch schwarze, den abge-
storbenen Blattscheiden entsprechende Bänder dicht, aber nicht sehr regel-
mässig geringelt. Die Kreuzung dieser etwas erhabenen Blattnarben mit
den Längsrunzeln verursacht über den ganzen Wurzelstock kleine Höckercheu.
Zahlreiche 0,00 1“ dicke und etwa bis 0,1 0m lange, hellere, läugsstreifige
Wurzeln gehen von der Unterseite des Rhizoms ab. Nach dem Abblühen
des Stengels bleibt an der Spitze des Wurzelstockes eine trichterförmige
tiefe Narbe zurück und dicht unter derselben, etwas seitlich, entwickelt
sich ein einfacher oder ästiger neuer Jahrestrieb, deren ungefähr 3 die
stärksten Rhizome („Sympodien“) zusammenzusetzen pflegen, wenn dieselben
nicht einfach geblieben sind. Vorn trägt das Rhizom noch die Reste der
lederigen Blätter und des Stengels mit zahlreichen weisslichen oder röth-
lichen wolligen Haaren; das hintere Ende des \\ urzelstockes oder seiner
einzelnen Triebe ist etwas dünner und das Ganze nimmt beim Trocknen
eine sehr starke bogenförmige Krümmung an, so dass die Wurzeln an die
nach unten gekehrte convexe Seite zu stehen kommen.
Ungeachtet des stark entwickelten schwammigen Markes, das im Rhizom
2/3 des Querschnittes ausmacht, ist letzteres sehr hart durch den festen,
dicht unter der nur 0,00 lm dicken Rinde liegenden Holzring. Derselbe
besteht aus unregelmässigen, öfters halbkreisförmigen, nicht strahligen
Gruppen stark verholzten Prosenchyms, umgeben von zahlreichen zerstreuten,
nicht sehr weiten Treppengefässen. Die Mittelrinde enthält dicht vor dem
Cambium einen weitläufigen Kreis sehr ungleicher, ganz unregelmässig
gestellter Lücken (Oelgänge), wovon einzelne auch weiter nach aussen
gerückt sind. Die sehr dünne Aussenrinde ist braun, die Harzgänge gelb-
braun gesäumt, der ganze übrige Querschnitt weisslich oder gelblich.
0 mit Wolf zusammenhängend: Wolfesgclcgeun im XII. Jahrhundert bei Hildegard,
Wolfesgelo schon vor dem XII. Jahrhundert — also einfach Wolfsgelb. Aehnlich wie damals
auch Rintgele für Calendula.
Rhizoma Arnicae.
293
In den Wurzeln waltet die Rinde vor; die enge eckige Markrölire ist
durch einen schmalen Holzring von der Rinde getrennt, welche nur wenige
kleine Oelgänge aufzuweisen hat
Die Aussenrinde wird von wenigen Reihen brauner rundlicher, nicht
tafelförmiger, oft Harz führender Korkzellen gebildet; die zunächstfolgenden
Schichten der Mittelrinde aus etwas gestrecktem, inhaltslosem, sehr dick
waudigem Parenchym, dessen Zellen nach der mittleren Zone der Rinde
etwas an Grösse zunehmen; die Verdickungsschicht ihrer Wandungen findet
sich in Form zierlicher Spiralbänder abgelagert. Die inneren Rindenschichten
bestehen aus kleineren, weniger verdickten Zellen, die allmälig in das nicht
scharf abgegrenzte Cambiiim übergehen. Die Gefässe zeigen häufig krummen
Verlauf; das Holzprosenchym besteht aus nicht sehr langen, bald engeren,
bald weiteren porösen Zellen. Das Mark besitzt grössere, mehr eckig kugelige,
weniger verdickte Zellen als die Mittelrinde; auch hier zeigen die Wandungen
ferne spiralige Streifung. Die Mittelrinde der Nebenwurzeln besteht aus
ebenfalls sehr fein spiralig gestreiften, im Sinne der Axe lang gestreckten
weiten Zellen.
Die grossen Oelgänge der Mittelrinde sind von engerem, zartem Parenchym
umgeben und besitzen keine eigene Wand; ihr blassgelbes Oel ist gewöhnlich
ausgetreten und in kleineren und grösseren Tropfen durch das ganze benach-
barte Gewebe verbreitet.
Inulin ist nicht mit Bestimmtheit wahrzunehmen.
Die Arnicawurzel riecht schwach aromatisch, schmeckt aber anhaltend
scharf gewürzhaft, zugleich etwas bitterlich. Sie enthält Harz, Gerbstoff,
Fett, Farbstoff und ungefähr 1 pC. schweres gelbliches, ätherisches Oel,
das von dem in den Bliithen derselben Pflanze enthaltenen verschieden ist;
Walz fand für ersteres die Formel G12 H2402, welche dem capronsauren
Caproyloxyd entsprechen würde. Das Fett der Wurzel enthält nach dem-
selben eine Fettsäure von der Formel G13H26G2, deren Magnesiumsalz aus
den Blättern der Arnica erhalten wurde. Auch der scharfe Bestandtheil,
das Arni ein, wurde von Walz aus dem Wurzelstocke dargestellt, der aber
weniger (nur 1 pC.) davon enthält als die Blumen (vergl. Flores Arnicae),
Die Arnica war den Alten nicht bekannt uud kam erst im vorigen Jahr-
hundert zu allgemeinerer medicinischer Anwendung, obwohl schon Mat-
thiolus, Gessner, Camerarius uud T abern aem ontanu s auf ihre
Heilkräfte aufmerksam gemacht und Clusius die Pflanze zuerst genauer
beschrieben hatte. Als Volksmittel scheint sie in Deutschland schon früher
gebraucht worden zu sein.
Unter allen Wurzeln, welche als Verwechselung des Rhizoma Arnicae
genannt werden, hat blos der früher gleichfalls officinelle Wurzelstock von
Fragaria vesca L., der gewöhnlichen Erdbeere, bedeutende Aehnlichkeit
mit Arnica.
Rhizoma Fragariae zeigt dieselben Wrachsthumsverhältnisse und sehr
ähnliches Aussehen, ist aber weit fester, holziger und dunkelbraun, tief
294
Wurzelbildungen der Dikotylen.
längsrunzelig, nicht geringelt, und weit mehr in die Länge gezogen. Ferner
ist der Geschmack der Erdbeerwurzel schwach herbe, nicht im mindesten
scharf oder gewürzhaft, wie ihr denn auch Oelgänge ganz fehlen. Der innere
Bau ist völlig abweichend von dem der Arnica; es genügt anzuführen, dass
das Erdbeer-Rhizom von Amylum und Oxalatdrusen (wie die der Rhabarber)
strotzt und beide der Arnica abgehen.
Radix Carlinae.
Radix Cardopatiae. Eberswurzel. Rosswurzel. Racine de Carline des Alpes.
Carlina acaulis L. — Compositae- Cynareae.
Syn.: Carlina cauleseens Lamarek.
C. subacaulis DC.
An sonnigen trockenen Stellen der niedrigeren Gebirge und der Vor-
alpen des mittleren Europa strichweise häufige schöne Distel, vorzugsweise
auf Kalkboden; nicht im Süden, wenigstens z. B. nicht in Griechenland;
auch nicht in England.
Die bis über 0,20m lange und 0,02m dicke, gewöhnlich einfache Pfahl-
wurzel ist zweijährig und pflegt an den ziemlich langen Wurzelköpfen einen
reichlichen schopfigen Besatz von filzigen und strahligen Blatt- und Stengel-
resten zu tragen. Sie zeigt meistens eiue Drehung um ihre Axe und ein
bis auf den Kern eingerissenes Netz von Furchen und Leisten; ältere Wur-
zeln bestehen fast nur aus dem Kern und diesen Resten der Rinde. Die
Wurzel ist aussen bräunlich oder gelblich grau, innen gelblich mit dunkel
braungelben Oel- oder Balsamgängen.
Die Rinde erscheint auf dem Querschnitte jüngerer Wurzeln beinahe
so breit wie der Durchmesser des Holzkerns, doch auch hier schon in ihrer
mittleren Schicht durch Absterben der den Markstrahlen entsprechenden
Stellen lückig, im übrigen ist der ganze Querschnitt von sehr regelmässigem
strahligem Bau ohne eigentliches Mark. Nicht sehr zahlreiche brauugelbe,
ziemlich weite Oelgänge sind besonders in den Markstrahlen älterer Rinde
in wenig regelmässigen Kreisen zerstreut, ausserdem manche der grossen
Gefässe mit braunem Balsam erfüllt. Der deutlich heilige Basttheil der
Rinde ist bedeutend breiter als die schwache bräunliche Korklage und die
lockere Mittelrinde. Bei ältereu Wurzeln stirbt letztere und die Markstrahlen
fast ganz ab (doch weniger regelmässig als bei Radix Bardanae) , so dass
nur die strahligen , durch schmale Reste der Markstrahlen getrennten Ge-
fässbündel übrig bleiben, lose bedeckt mit den als erhabene Längsrunzeln
erscheinenden, jetzt etwas dunkleren Baststrängen und den Resten der
Aussenriude.
Eigentliche Holzbildung kömmt in der Carlina nicht vor, oder es finden
sich höchstens im Centrum eiuige Iiolzzellen; das Bastgewebe enthält keine
Baströhren. Die Oelgänge der Rinde erweisen sich als vertikal lang-
gestreckte, von zartem Parenchym umgebene Intercellularräume, welche
Rhizoma Valerianae.
295
blassgelbliche Oel- oder dunklere Balsamtropfen enthalten. In der Mittel-
rinde, den Markstrahlen und dem Gewebe der Gefässbüudel ist häufig Inulin
abgelagert; doch trifft man es nicht immer in der Wurzel. Die Gefässe und
manche benachbarte Prosenchymzellen sind von gelbem Harze oder Balsam
durchdrungen.
Geruch eigentümlich, nicht gerade angenehm aromatisch und sehr be-
ständig, Geschmack süsslich, scharf aromatisch. Das ätherische Oel be-
trägt ungefähr 1 pC., Harz und Zucker wohl bedeutend mehr.
Zarte Schnitte frischer Wurzeln lassen beim Befeuchten mit einigen
Tropfen Wasser einen milchigen Strom austreten, welcher hauptsächlich
äusserst kleine Nädelchen von Kalkoxalat, wie es scheint hauptsächlich
aus den Markstrahlen herausführt.
Die Sage bringt den Namen der Pflanze mit Karl dem Grossen in Zu-
sammenhang, doch findet sich der Name Ebirwurz im Althochdeutschen
schon vor dem XII. Jahrhundert.
Die holzige Wurzel der Carlina vulgaris L. ist kriechend, nicht senk
recht, etwas ästig, dunkler, hin und her gebogen, reich an Inulin, aber arm
an Harz und ätherischem Oel.
2. amylumhaltige aromatische Wurzelbildungen.
Rhizoma Valerianae.
Radix Valerianae minoris, Cormus Valerianae. Baldrianwurzel. Katzen-
wurzel. Tannmark. Racine de Valeriane. Valerian.
Valeriana officinalis L. — Valerianeae.
Durch das ganze mittlere und nördliche Europa, von Frankreich bis
Finnmarken, in Norwegen und Island, in Ebenen und mittleren Gebirgen;
in Nordamerika (Vermont) gebaut, doch in geringer Güte. Das Wurzel-
system zeigt, wie die ganze Pflanze, je nach dem Standorte ziemliche Ver-
schiedenheiten; unter mehreren Varietäten sind hauptsächlich a) major ,
mit höherem Stengel und durchweg gezähnten Blättern, und ß) minor (Va-
leriana ängustifolia Tausch) , mit ganzrandigen oder wenig gezähnten Blät-
tern, zu unterscheiden. Letztere liefert vorzugsweise die officinelle Wurzel.
Sie besteht aus der aufrechten, wenig verdickten, durch die Insertionsstellen
abgestorbener Blätter dicht aber undeutlich geringelten Stengelbasis und
den sehr zahlreich daraus entspringenden dünnen Wurzeln (Nebenwurzeln),
deren ursprünglich regelmässige Anordnung selten mehr zu erkennen ist.
Die Stengelbasis (Wurzelstock, Knollstock), bis über 0,0 10m dick und etwa
doppelt so lang, am unteren Ende jeden Herbst an bestimmter Stelle ab-
sterbend (abgebissen), treibt häufig kurze seitliche Ausläufer, die sich all-
nhilig wieder zu einem gleichen Wurzelstocke entwickeln und nach ein paar
Jahren zur Blüthe gelangen. Bei starken Wurzelstöcken ist das markige
296
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Innere oft ganz aufgelockert oder bis auf einige Querfächer hohl. Die ge-
wöhnlich bis über 0,10m langen, aber auch oft 0,30m erreichenden und
0,002ni dicken (Neben-) Wurzeln sind längsstreifig oder furchig, an ihrer
Austrittsstelle ein wenig verdickt und laufen, besonders in fruchtbarem
Boden, in zahlreiche, sehr dünne hellere Seitenwürzelchen aus.
Die im frischen Zustande hell bräunlichgelbe Farbe des Wurzelsystems
wird durch das Trocknen und mehr noch durch das Alter dunkler. Der
Querschnitt ist hornartig glänzend zähe, nicht holzig, von weisslichgelber
Farbe, im Wurzelstocke oft dunkel missfarbig. Derselbe besitzt eine
schmale, durch eine tiefbraune Cambiumzone von einem weitläufigen
Kreise hellerer unregelmässiger Gefässbiiudel getrennte Rinde. Dieser Holz-
kreis schliesst ein breites, aber sehr oft schwindendes Mark ein. In den Wur-
zeln ist die Rinde drei- bis viermal stärker als der dünne, von einer sehr
engen Markröhre durchzogene und von dunklem Cambium umschlossene
rundliche Holzkern.
Dia braune Aussenriude besteht aus kubischen , nicht tafelförmig ge-
streckten Korkzellen; die Mittelrinde aus sehr vielen ruudlichen, im Sinne
der Axe gestreckten Zellen, mit ziemlich dicken und sehr fein spiralig ge-
streiften Wandungen. Diese Zellen nehmen nach beiden Seiten hin an
Grösse ab und sind auch meist etwas tangential gestreckt. In der Rinde
älterer Wurzelstöcke treten bisweilen Gruppen von Steinzellen auf. Das Cam-
bium bildet eine breite Zone zartwandigen , in der Mitte farblosen, nach
aussen und innen aber braun gefärbten Gewebels.
Die Tüpfelgefässe sind in den Wurzeln von ansehnlicher Länge, im
Wurzelstocke kürzer uud hier von wenig verdicktem kurzem Holzproseu-
chym umgeben, in welchem sich auf dem Querschnitte die Markstrahlen
nur undeutlich verfolgen lassen.
Das Rinden- und Markgewebe, auch die Markstrahlen, enthalten zahl-
reiche kugelige, verschieden grosse Stärkekörner; daneben, besonders in
den missfarbigen stärkearmen Gewebetlieilen, in grösserer oder geringerer
Menge kleinere braungelbe Körnchen oder Klumpen. In der trockenen
Waare finden sich gelbliche Tropfen ätherischen Oeles oder röthlichbraune
Harzklumpen nur in der Aussenriude. — Der eigentümliche kampherartige,
nicht eben angenehme Geruch der Wurzeln entwickelt sich erst beim
Trocknen kräftiger; der Geschmack ist süsslich-bitterlich uud gewürzhaft.
Der Träger des Geruches, das Baldrianöl, ist in der trockenen Waare
zu V2 bis 2 pC. enthalten; die bedeutenden Schwankungen in dessen Menge
erklären sich zum Theil durch die verschiedene Ausbildung des Wurzel-
systems, das wohl in den Nebenwurzeln relativ mehr Oel erzeugt als im
Wurzelstock; von noch grösserem Einflüsse ist aber der Standort der
Pflanze. Steiniger trockener und sonniger Boden liefert eine ölreichere
Wurzel als die der Pflanze sonst gut zusagenden feuchten Stellen. Auch
scheint, nach Zeller, das Oel im Herbste reichlicher vorhanden zu sein
als im Frühjahr. Das Baldrianöl ist ein Gemenge von Baldriansäure (etwa
Rhizoma Serpentariae.
297
5pC des Oeles), Valeren oder Borneen (etwa 25 pC.) O10H16, und (70 pC.)
sauerstoffhaltigen, bei 0° zum Theil krystallisirenden , leicht verharzenden
Verbindungen, deren Natur noch nicht ganz feststeht. Man hat in denselben
Valerol G6IiluO und einen mit dem Dryobalanops-Camphor, dem Borueol
(vergl. bei Camphora) 0luHIS (> identischen Campher gefunden. — Das
Valeren gleicht sehr dem Terpenthinöl.
Nach der Destillation des Oeles bleibt neben viel Harz ein stark sauiei
Rückstand, der nach Asch off hauptsächlich Aepfelsäure enthält. — Ein
von Trommsdorff angegebener „ Baldrianstofi u ist nicht näher ge-
kannt. — Die Baldriansäure wurde im Baldrianöl zuerst 1819 von Pentz,
dann 1830 von Grote bemerkt. — Im Cambium findet sich etwas Gerb-
stoff (Vogl).
Die Baldrianwurzel war unter dem Namen Nardus gallicus (Plinius),
nicht als Valeriana, schon den Alten bekannt und auch im Mittelalter und
später immer sehr viel im Gebrauche. — Der Name dürfte mit valere, ge-
sund sein, im Zusammenhang stehen, nach Jakob Grimm nicht mit dem
altnordischen Gotte Balder. — Im deutschen Mittelalter, um 1150 z. B. bei
der heiligen Hildegard, hiess die Pflanze übrigens nicht Baldrian, sondern
Denemarcha, noch früher Tenemarg, wie noch heutzutage in einem Theile
der Schweiz.
Die nicht mehr gebräuchliche , weniger aromatische Rad. Valeriancie
majoris ist das weit stärkere, schief liegende, entfernter geringelte und nur
nach unten bewurzelte Rhizom der südeuropäischen Valeriana Phu L. —
Verwechselungen der Baldrianwurzel sind bei genauer Vergleichung ihres
Baues und des eigen thüm liehen Geruches nicht wohl möglich.
Rliizoma Serpentariae.
Radix Serpentariae virginianae. Schlangenwurzel. Serpentaire de Virginie.
Serpentary root.
Aristolochin Serpentaria L.
In feuchten Bergwäldern des mittleren Striches der östlichen Staaten
Nordamerikas (Pennsylvania bis Carolina; nördlicher, z.B. im Staate New7-
York, schon seltener und in den atlantischen Gegenden nachgerade fast aus-
gerottet) einheimische Staude mit gewöhnlich einfachem, auf- und absteigen-
dem, wurmförmig gekrümmtem Wurzelstocke von etwa 0,03m Länge und
0,003m Durchmesser. Er ist etwas plattgedrückt und auf der oberen Seite
mit einer dichten Reihe von schief aufsteigenden Resten der abgestorbenen
Stengel besetzt. Die am vorderen Ende stehenden ein oder zwei Stumpfe der
noch lebenden Stengel tragen häufig einige Blüthenstiele und Blätter. Von
den übrigen Seiten des Wurzel Stockes gehen sehr zahlreiche dünne zer-
brechliche, hell graugelbe, bis 0,1 0m lange (Neben-) Wurzeln aus, welche
mit feinen Wurzelfasern nicht eben reichlich besetzt sind.
Der Querschnitt des Wurzelstockes zeigt eine dünne braune Rinde, einen
298
Wurzelbildungen der Dikotylen.
gelben , aus mehreren breiten Kreisen bestehenden , excentrischen Holzkern
mit grossen Spiroideu, durchbrochen von zahlreichen wcissen Markstrahlen
von sehr verschiedener Breite. Im Innern ein dünnes weisses, von dem
Centrum weg mehr nach oben gerücktes Mark. Rinde, Markstrahlen und
Mark sind mitAmylum gefüllt; im ersteren kommen hier und da grosse Oel-
zellen vor; das Mark besteht aus grossem polyedrischem porösem Parenchym.
Die Wurzeln besitzen innerhalb der dicken weissen stärkereichen Rinde
einen dünnen gelben cylindrischeu oder fünf- bis sechsseitigen Holzkern;
im übrigen den Bau und Inhalt des Wurzelstockes selbst. Krystalle schei-
nen der Serpentaria zu fehlen. Geruch an Baldrian erinnernd, Geschmack
mehr kampherartig und bitter. — Das von Chevallier als wirksamer
Bestandteil der Wurzel angegebene Aristolochin ist eben so wenig be-
friedigend untersucht als das vielleicht damit identische Clematitin,
welches Walz aus den Wurzeln von Aristolochia Clematitis L. als gelben
amorphen Bitterstoff dargestellt hat. — Das ätherische Oel beträgt nach
Bucholz nur V2 pC. , nach anderen noch weniger. Daneben enthält die
Wurzel auch Harz. Der geringe Gehalt an ätherischem Oele macht eine
sorgfältige Aufbewahrung dieser Wurzel notwendig.
Die Schlangenwurzel wurde wie noch mehrere andere Wurzeln von den
Eingeborenen Nordamerikas gegen Schlangenbiss gebraucht und seit 1633
durch Jakob Cornutus und den Londoner Apotheker Thomas Jonson
auch in Europa, zu anderen Heilzwecken, bekannt.
Aristolochia Serpentaria scheint nicht allein diese Wurzel zu liefern; sie
soll auch von einigen anderen, zunächst verwandten nordamerikanischen
Arten (z. B. A. reticulata Nutt., A. officinalis Nees, welche letztere indessen
Berg mit A. Serpentaria vereinigt) noch gesammelt werden, welche nicht
abweichende Wurzeln zu besitzen scheinen. Dagegen finden sich in der
käuflichen Serpentaria auch ganz fremdartige Wurzeln, welche leieht zu
erkennen und daraus zu entfernen sind. So z. B. die amerikanische Gin-
seng1), von Panax quinquefolius L. — Araliaceae, eine rübenförmige
gabejtheilige Hauptwurzel ohne Fasern, von süsslichem, nicht gewürzhaftein
Geschmacke, dann das schon an der schwarzen Farbe kenntliche Rhizom
von Asarum virginicum L. Die Wurzel von Spigelia marylandica L.
unterscheidet sich durch einen kürzeren Wurzelstock, welcher überdies
dunkelbraun ist und einen bogenförmigen Holzkörper eiuschliesst. Sie
kömmt meist mit den Stengeln und daran sitzenden Blättern vor, die sich
sehr von den langgestielten Aristolochia- Blättern unterscheiden. Grössere
Aehnlichkeit mit der Rad. Serpeutariae hat der Wurzelstock von Cynanchum
Vincetoxicum Pers. (Rad. Hiruudiuariae). Hier ist aber die Mittelrinde
-weit stärker entwickelt, dagegen Mark und Markstrahlen fast fehleud.
Ferner besitzt die Rad. Yincetoxici sehr zahlreiche Krystallrosetten , ein
weit stärkeres Rhizom und einen widrigen eigentliümlichen Geruch.
D Sic findet sich auch bisweilen der Rad. Scnegac bcigeraischt. Vcrgl. bei dieser.
Radix Sassafras.
299
Radix Sassafras.
Lignum et cortex Sassafras. Sassafrasholz und Sassafrasrinde. Fenchel-
holz. Bois et ecorce de Sassafras. Sassafras.
Sassafras officinalis Nees ab Esenb. — Laurinecie.
Syn.: Laurus Sassafras L.
Schöner Baum der atlantischen Staaten Nordamerikas, vorzüglich in
den mittleren (New-Jersey, Pennsylvania, Virginia) und südlichen (Carolina,
Florida) Gegenden, wie es scheiut, auch noch in Central- Amerika, Venezuela
und sogar in Paraguay, in Wäldern und an Flussufern. Der Baum daueit
in Mittel -Europa im Freien aus; er besitzt eine sehr grosse, ästige, zum
Theil kriechende, knorrige, bis über 0,10m dickeWurzel, die mit reichlicher,
schwammiger Borke bedeckt ist.
Die äusserste dünne Schicht der Rinde ist grau, durch zahlreiche Furchen
und Höcker sehr uneben. Das innere rothbraune Gewebe bietet je nach
der mehr oder weniger fortgeschrittenen Borkenbildung ein etwas verschie-
denes Aussehen. Bald ist die äussere, dunkel rothbraune, weiche und
abgestorbene Borkenschicht noch reichlich (bis 0,005m dick) vorhanden,
bald aber bis auf die hellere, noch lebensthätige und dichtere Innenrinde
abgeblättert. Beide sind von zahlreichen schmalen Markstrahlen durch-
zogen; vereinzelte oder nach innen etwas zahlreichere dunklere Oelgänge
und glänzende Bastzellen finden sich unregelmässig eingestreut. Die Rinde
bricht glatt; sie kömmt für sich als Cortex Sassafras in kui’zen, bis etwa
0,0 10m dicken, gegen 0,04m breiten, mehr oder weniger rinnenförmigen und
gekrümmten Stücken in den Handel.
Das leichte, lockere, gut spaltbare Holz ist glänzend graulichweiss oder
bräunlich bis fahl röthlich. Es zeigt concentrische Jahresringe und zahl-
reiche feine, besonders auf dem radialen Schnitte dunkler röthliche Mark-
strahlen. Im inneren Theile jedes Jahresringes sind die Gefässe grösser und
zahlreicher. Dieses Wurzelholz mit oder ohne Rinde, seltener das gehalt-
lose Stammholz, bildet das Lignum Sassafras , welches der Kleinhandel
gewöhnlich zerschnitten liefert.
Der äussere, schwammige Theil der Rinde enthält weite, schlaffe, poröse
Zelleu mit dunkelrothem Farbstoff; einzelne wenige sind auch mit gelbem,
ätherischem Oele gefüllt. Nach inneu geht dieses Parenchym allmälig in
das engere, gleichfalls braun wandige Gewebe der Innenrinde über, in welchem
neben grossen und zahlreichen Oelzellen auch vereinzelte oder zu 2 bis 4
zusammeugestellte, ziemlich grosse, im Querschnitt rundlich-eckige, fast
ganz verholzte Baströhren Vorkommen. In jüngerer Rinde sind dieselben
zu weitläufigen Kreisen geordnet und durch tangentiale Parenchymstreifen
getrennt. Auf dem radialen Längsschnitte zeigen die grösseren Parenchym-
zellen eine rhombische Gestalt und lassen weite, leere Räume zwischen
sich, die hauptsächlich auch zur Lockerheit der Rinde beitragen. Im Rinden-
gewebe entwickeln sich hellere concentrische Bänder dünner, tafelförmiger
300
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Korkzellen, welche eine eigentliche Borkenbildung durch Absterbeu der an
ihrer Peripherie liegenden abgeschnürten Gewebe veranlassen. Es zeigen
sich im Querschnitte der Sassafrasrinde 1 bis 3 solcher Korkbänder von
wellenförmigem Verlaufe; jedes derselben aus einer grösseren Zahl (bis
über 10) von Korkzellenreihen gebildet.
Das gesammte Rindengewebe wird in radialer Richtung von schmalen
1 bis 3reibigeu Markstrahlen durchschnitten, in deren getüpfelten Zellen
hauptsächlich brauurother Farbstoff und Amylurn abgelagert ist. Letzteres
ist auch reichlich im Inuenrindenparencbym vorhanden; Oxalatprismen
hingegen sehr spärlich.
Die Kinde tiennt sich leicht vom Holzkörper, welcher vorherrschend
aus vertikal verlaufendem Prosenchym besteht und vorzüglich an der Grenze
der Jahresringe zahlreiche, sehr weite, dicht genäherte Spiral- oder Gitter-
gefässe enthält. Innerhalb jeder dieser Gefässzonen ist das Prosenchym
enger und in radialer Richtung sowohl als nach den Seiten in genau regel-
mässige Reihen (Felder) geordnet. Das lockere Gewebe entspricht dem im
Frühjahr gebildeten Holze, das dichtere, an Gefässen ärmere, ist das Herbst-
holz. Im Längsschnitt zeigen die zugespitzten , ziemlich langen Zellen des
Holzprosenchyms zarte Spiralstreifen. Die Markstrahlen erscheinen auf
dem tangentialen Schnitt als lange, spitz zulaufende Spalten, welche über
einander 10 bis 30 Zellenreihen von rundlichem Querschnitt enthalten; der
radiale Schnitt zeigt sie von mauerförmigem Aussehen. Auch im Holze
sind die Markstrahlen hauptsächlich Sitz der Stärkekörner und des Farb-
stoffes; doch strotzt auch das Holzprosenchym in der Regel von kugeligen,
bis 20 Mikr. messenden Amylumköruern. Weit seltener als in der Rinde
finden sich Oelzellen im Holze.
Geruch und Geschmack der Sassafraswurzel sind eigenthümlich ange-
nehm süsslich aromatisch, an Fenchel erinnernd, aber weit kräftiger in der
ölreicheren Rinde als im Holze.
Das ätherische Oel scheint in sehr schwankendem Verhältnisse vorzu-
kommen. Das Holz liefert nach dem Durchschnitte verschiedener Befunde
etwa 1 V2 pC., die Wurzelrinde das doppelte. Stamm und Blätter des Baumes
scheinen daran sehr arm zu sein. Das Oel besitzt den specifischen Sassafras-
Geruch, ist sauerstoffhaltig (Q18H20O4, empirische Formel), wahrscheinlich
ein Gemenge verschiedener Oele, und setzt in der Kälte Krystalle eines
Camphers G"H'-"Ol ab. Baltimore ist der Hauptplatz für Sassafras. Es
kommen daselbst jährlich etwa 30,000 Pfund Rinde und 15,000 bis 20,000
Pfund Sassafras -Oel zu Markte. Dasselbe dient in Nord -Amerika selbst
grössten theils zum Aromatisiren kohlensäurehaltiger Wasser und zur Ver-
fälschung des Copaiva-Balsams. Es ist schwerer als Wasser, und ich finde
es (selbst dargestelltes Oel) optisch unwirksam.
Als Sassafrid hat Reinsch einen durch Alkohol aus der von Oel
befreiten Wurzelrinde ausgezogenen krystallisirenden Körper bezeichnet,
aber nicht genauer untersucht. Er steht vielleicht in Beziehung zu der
Radix Pimpinellae.
* 301
Gerbsäure, welche die Rinde auch in geringer Menge enthält. Noch weniger
gekannt sind die von Hare als Sassarubiu und Sassafrin beschriebenen
Zersetzungsprodukte des ätherischen Oeles. Endlich enthält die Rinde
auch etwas Harz.
Den Eingebornen Floridas war das Sassafrasholz längst bekannt, bevor
es 1555 durch die Franzosen von dort in Europa eingeführt wurde.
Monar des in Sevillagab 1565 die frühesten Berichte darüber. Später erst
erkannte man die grössere Wirksamkeit der Rinde.
Den Sassafras -Geruch zeigen die Rinden noch anderer Laurineen und
Sassafras-Nuss heisst aus demselben Grunde der Same von Nectandra
Puchury, die sogenannte Pichurim-Bohne.
Radix Pimpinellae.
Rad. Pimpinella albae. Bibernellwurzel. Racine de boucage. Burnet root.
1) Pimpinella Saxifraga L. — Umbelliferae.
2) Pimpinella magna Pollich.
Ausdauernde, in mehreren Yarietäten von Kleinasien an durch ganz
Europa mit Einschluss Englands und Finnlands bis nach Mittelasien weit
verbreitete Wieseupflanzen ; die zweite besonders erhebt sich auch, häufig
alsYar. rosea, hoch in die Voralpen.
Die spindelförmige, ziemlich einfache und gerade oder etwas ästige und
ein wenig gedrehte Wurzel wird bis über 0,20"' lang, an dem gewöhnlich
mehrstengeligen Wurzelkopfe bis über 0,015'" dick und verjüngt sich ganz
allmälig in das lang ausgezogene Ende.
Die hell graugelbliche Oberfläche ist mehr oder weniger tief und breit
längsrunzelig, oben ziemlich dicht und fein geringelt, gegen die Spitze hin
nur cpierhöckerig. An verletzten Stellen der Rinde sind auch da und dort
rothbraune Flecken von ausgetretenem Balsam bemerklick.
Die Wurzel der erstgenannten Art pflegt etwas schwächer zu bleiben
und ist nur unmerklich dunkler als die der zweiten.
Das Mark beider Wurzeln verliert sich schon in geringer Tiefe unter-
halb des Wurzelkopfes; die breit-keilförmigen, oft zweischenkeligen Gefäss-
bündel, durch schmale Markstrahlen auseinander gehalten, reichen alsdann
bis ins Centrum. Eine sehr schmale oft etwas gelbliche Cambiumzone trennt
den Holzkern von der Rinde, deren Breite (nach dem Aufweichen) bei
P. magna den Durchmesser des ersteren erreicht oder übertrifft, während
der Holzkern der P. Saxifraga dicker ist als die Rinde. Letztere besteht
zum grössten Theile aus schlängelig-strakliger, zu äusserst grosslückiger
Innenrinde und nur wenigen Lagen tangential geordneten Mittelrinden-
Gewebes, welches von einer hellen, dünnen Korkschicht bedeckt ist, Vor-
züglich die Bastsrahlen der Innenrinde, seltener der Holzkern, enthalten
grosse rothgelbe Balsamgänge, welche einreihig radial geordnet stehen und
in P. magna weit zahlreicher Vorkommen. Das übrige Rindengewebe ist
weiss; die Markstrahlen, welche in den äusseren Lagen der Innenrinde weit
302 * Wurzelbildungen der Dikotylen.
breiter werden als die Baststrahlen , erscheinen durch ihre mit Amylum
voll gepfropften Zellen ganz dunkel. Das Holz ist hellgelb.
Die bis 70 Mikromill. weiten Treppen- und Netzgefässe sind von kurzem,
nicht eigentlich verholztem Prosenchym umgeben; die Markstrahlen ent-
halten wenige Reihen radial gestreckter Zellen. Die Baststrahlen sind aus
hier und da etwas verdicktem, zierlich spiralig gestreiftem Prosenchym,
aber ohne eigentliche Baströhren gebildet; das weite Parenchym der Mittel-
rinde ist in den peripherischen Lagen kleinzellig und dickwandig. Der Kork
zeigt die gewöhnlichen, ziemlich weiten, fast kubischen Tafelzellen.
Die Balsamgänge besitzen den bei Radix Levistici beschriebenen Bau
uud Inhalt; sie pflegen bis höchstens 70—80 Mikromill. weit zu sein. Die
grössten finden sich unmittelbar unter der Korkschicht zu einem weit-
läufigen Kreise zusammengestellt.
Die auch in der Rinde sehr reichlich vorhandenen kugeligen, oft etwas
eckigen Stärkmehlkörner erreichen etwa 12Mikrom. im Maximum. Sie
sind am zahlreichsten in den Markstrahlen, weniger im Basttheile der Rinde
enthalten, daneben zeigen sich auch da und dort Oeltropfeu, wenigstens in
der P. magna.
In Norddeutschland, z. B. in der Gegend von Berlin und Frankfurt an
der Oder, findet sich häufig die Pimpinella nigra Willdenow’s, eine Varie-
tät der P. Saxifraga, deren schwarze oder schwarzbraune Wurzel in ihren
Balsamgängen besonders im Frühjahr einen schön blauen Balsam in grosser
Menge enthält, im Uebrigen aber mit derjenigen vou P. Saxifraga überein-
stiinmt. Dieser merkwürdige blaue Balsam verliert sich in der aus-
gegrabenen Wurzel nach wenigen Tagen allmälig und nach dem Trocknen
vollständig. Er verdankt seiue Farbe einem blauen ätherischen Oele,
das aber selbst bei sorgfältigster Aufbewahrung rasch grün und miss-
farbig wird.
Die Pimpinellwurzeln sind von eigentümlichem, bocksartigem Gerüche
und sehr starkem, beissend scharfem Geschmacke. Das ätherische Oel fand
Bley nach Petersilie riechend, bei P. nigra 0,38 pC. betragend. Daneben
10 pC. Harz und gegen 4 pC. zum Theil krystallisirbaren Zucker; auch
Benzoesäure, jedoch weniger als in P. Saxifraga. Pimpinella magna dürfte
der verhältnissmässig stärkeren Rinde und der zahlreicheren Balsam-
gänge wegen kräftiger sein als P. Saxifraga, deren Balsamgäuge auch etwas
enger sind.
Die Bibernelhvurzel, und zwar ursprünglich die der P. magna, wurde
durch die Botaniker des XVI. Jahrhunderts, vorzüglich durch Matthioli,
Dodonaeus und Tabernaemoutanus in den Arzneischatz eingeführt.1)
— Denselben Namen trugen früher übrigens auch die nicht aromatisch,
■*) Schon im Xlllten Jahrhundert finden wir in einem deutschen (bei Semen Hyoscyami
erwähnten) Arzneibucho pibinclln, noch früher auch boberolla. boborellen. Im holländischen
heutzutage beveruel.
Radix Levistiei.
303
sondern, adstringirend und bitterlich schmeckenden Wurzeln von Pote-
rmm Sanguisorba und Sanguisorba officinalis („Rad. Pimpinellae
italicae. u)
Nach Berg gelangt bisweilen statt der Bibernellwurzeln die ihnen nicht
unähnliche Wurzel von Heracleum Sphondylium in den Handel. Gewöhn-
lich besteht letztere mehr aus Wurzelästen und Wurzelstöcken als aus der
früh absteigenden Hauptwurzel. Sie ist weit heller, von scharfem heissendem,
aber zugleich bitterlichem Geschmacke, der von dem der Bibernellwurzeln
sehr abweicht. Immer ist die lockere Rinde viel breiter als der Durchmesser
des Holzkernes, namentlich in den Aesten um das mehrfache. Die Rinde
ist undeutlich strahlig und von wenigen zahlreichen Balsamgängen durch-
setzt, welche von weiten, nicht tafelförmigen Zellen umgrenzt sind. Die
Rinde lässt sich leicht vom Holzkerue trennen und letzterer ist vollständig
als fester Cylinder herauszuschälen, was bei Pimpinella nicht der Fall ist.
Das Holzprosenchym des Heracleum besteht nämlich grösstentheils aus
eigentlichen dickwandigen, porösen Holzzellen, welche beim Brechen Wider-
stand leisten, während die Biberneilwurzel ganz glatt abbricht.
Radix Levistiei.
Radix Ligustici. Liebstöckel wurzel.1) Racine de Liveche. Lovage.
Levisticum officinale Koch. — Umbelliferae.
Syn Levisticum vulgare Rchbch.
Ligusticum Levisticum L.
Angelica Levisticum Allione.
Diese ausgezeichnete Umbellifere ist in den Gebirgen Süd-Europas ein-
heimisch, z. B. auf den Pyrenäen, in Südfrankreich, auf den Apenniuen,
(daher der frühere Name Ligusticum, — von den ligurischeu Apenninen) in
Savoien, Siebenbürgen, nach einer Angabe auch im Lüttich’schen.
Als beliebte Arzneipflanze wird sie sehr häufig in Bauerngärten gezogen,
besonders in Gebirgsgegenden, in der Schweiz (Graubünden, Wallis u. s. f.)
bis zu 5000 — 6000 Fuss Meereshöhe, auch weit nach Norden.
Die bis ungefähr 0,40m erreichende hell braungraue Wurzel theilt sich
entweder schon ganz oben , oder erst in einiger Entfernung von dem mit
häutigen Blattresten umgebenen Wurzelkopfe in nicht sehr zahlreiche Aeste.
Fast nur das ungetheilte Stück, welches (trocken) oft über 0,02m Dicke
hat, ist ziemlich dicht und fein geringelt und die ganze Wurzel überall
längsrunzelig. Sie ist weich, kurz und glatt brechend und schueidet sich
wachsartig; sie gelangt meist gespalten und aufgefädelt in den Handel.
Der Querschnitt zeigt strahligen Bau, eine starke weissliche Mittelrinde,
1) Lubestechenwurz , Lubestechil, Lustecheu , auch „rinde ab dem lubstechen“ im XIII.
Jahrhundert, in den Arzneibüchern des deutschen Mittelalters, Lubestuckel bei Hildegard
um 1150, lauter Verstümmelungen von Aiyuatixov.
304
Wurzelbildungen der Dikotylen.
duukelbraune Inuenriude und Cambiumzone und einen hellgelben Holz
körper; sehr häufig aber ist das Innere etwas missfarbig. Die Rinde quillt
beim Aufweichen sehr stark auf, so dass alsdann ihre Breite, auch in der
Hauptwurzel, den Durchmesser des Holzkörpers übertrifft. Die feinen Mark-
strahlen des letzteren setzen bis in die Mittelrinde fort, während die Innen-
rinde auch noch kürzere sekundäre Markstrahlen zeigt.
Die Baststrahleu verlaufen nach aussen etwas schlängelig und zeigen
beim Uebergange in die Mittelrinde grosse Lücken. Das ganze eigentliche
Rindeugewebe, nicht die Markstrahlen, enthält zahlreiche braungelbe Balsam-
gänge, deren Durchmesser den der Gefässe übertrifft; sie sind in unregel-
mässige Kreise geordnet und am häufigsten in kurzem Abstande vom Carn-
bium. Nur die Hauptwurzel enthält ein lockeres, nicht scharf abgegrenztes
Mark von geringem Geschmacke.
Die wenig entwickelte Korklage ist aus tafelförmigen Zellen mit zarten»
geschlängelten Wänden gebildet. Damit koutrastirt sehr die unmittelbar
folgende äusserste Schicht der Mittelrinde, welche besonders in den Wurzel-
ästen aus sehr dickwandigen, hier wenig, in der Hauptwurzel aber stark in
tangentialer Richtung gestreckten Zellen besteht. Die Inuenriude ist in den
Wurzelästen so breit, in der Hauptwurzel breiter als die Mittelrinde und
aus (im Querschnitte) mehr eckigen als kugeligen, etwas dickwaudigen,
ziemlich regelmässig radial geordneten Zellen gebildet, welche gegen die
Cambiumzone zu an Grösse sehr abnehmen und im Längsschnitte axial
gestreckt sind, ohne aber in eigentliche Baströhren iiberzugeheu.
Die Balsamgänge erscheinen im Querschnitte als rundlich -elliptische
Höhlungen von höchstens 100 Mikromill. Durchmesser, welche von wenigen
Reihen platter Zellen mit zarten gelben Wandungen umgeben sind. Sie
erreichen eine Länge von 0,002 bis 0,003m, bleiben aber ganz einfach,
ohne Aeste und Querwände. Der Bau dieser Balsamgänge kömmt also mit
dem der entsprechenden Bildungen in den Compositen -Wurzeln (z. B. Rad.
Pyrethri, Rhiz. Arnicae u. s. f.) überein, ebenso der klare, dickflüssige
Inhalt, welcher oft grössteutheils ausgetreten ist und das benachbarte
Gewebe mit braunen oder rothgelben erhärteten Flocken erfüllt. Frisch ist
der Balsam farblos.
Die Markstrahlen, welche die Innenrinde durchsetzen, enthalten nur
2 — 4 Reihen schmaler, radial gestreckter und dadurch vom Riudengewebe
scharf unterschiedener Zellen. In vertikaler Richtung sind die Markstrahlen
meist über 30 Reihen mächtig.
Die Netzgefässe oder Spiralgefässe, selten über 40 Mikromill. dick,
stehen in radialen Reihen einzeln oder zu mehreren genähert; sie sind von
nur wenig gestrecktem, spitzendigem und nicht verholztem, aber gleich dem
Innenrinde-Prosenchym äusserst fein spiralig gestreiftem Gewebe umgeben,
welches keine Balsamgänge umschliesst, wohl aber Stärkekörner enthält.
Letztere sind reichlicher in der Rinde, weniger in den Markstrahleu ent-
halten, von kugeliger oder halbkugeliger Gestalt und bis 10 Mikromill. Durclnn.
Radix Angelicae.
305
Kalkoxalat-Krystalle fehlen dieser Wurzel, wie auch den übrigen officinellen
Wurzeln der Umbellifereu.
Der Geruch der Levisticum -Wurzel ist stark und sehr eigenthümlich,
der Geschmack scharf aromatisch-bitterlich, zugleich etwas süsslich.
Aetherisches Oel und Harz in geringer Menge bedingen den Geruch und
Geschmack; ausserdem enthält die Wurzel die gewöhnlichen Bestandtheile
der Umbelliferen -Wurzeln, Gummi, Zucker, Pektin, Aepfelsäure (letztere
zur Blüthezeit sehr reichlich, Dessaignes), wohl auch Angelicasäure.
Die Blätter riechen kräftiger als die Wurzel, welche ungeachtet ihres
starken Geruches kaum 1 p. Mille ätherisches Oel gibt. Das Harz liefert
bei der trockenen Destillation auch Umbelliferon (vergl. bei Rad. Sumbul).
Der Liebstöckel wurde im Mittelalter irrigerweise für das Ligusticum
der Alten (vermuthlich Trochiscanthes nodiflorus Koch) angesehen und
in den Arzneischatz eingeführt. Schon Karl der Grosse hatte den Anbau
von „Levisticum“ in den kaiserlichen Gärten befohlen. Diese Wurzel ist
sehr dem Insektenfrasse ausgesetzt und zieht leicht Feuchtigkeit an, wes-
halb sie wohl verschlossen aufzubewahren ist. Ihr Bau , weniger ihr Aus-
sehen, gleicht der Rad. Angelicae.
Radix Angelicae.
Rad. Angelicae sativae. Engelwurzel. Racine d’Angelique. Angelica root.
Ueber die Stammpflanze dieser sehr ausgezeichneten Wurzel herrschen
noch Zweifel. Man nimmt gewöhnlich Archangelica officinalis Hoffmann
(Syn. : Augelica sativa der Botaniker des XVI. Jahrhunderts, Angelica
officinalis Mönch, Angelica Archangelica Linn.) an, eine der grössten Umbelli-
feren, welche hauptsächlich dem hohen Norden angehört, wo sie bis zur
Disko-Bai in West-Grönland, in 70° nördl. Breite, auf Island, in ganz Skan-
dinavien bis zum Nordkap, durch Sibirien bis Kamtschatka, vom Meeres-
ufer bis über die Birkengrenze in den Gebirgen sehr häufig ist. Nach Süden
scheint sie durch Norddeutschland nur bis zu den deutschen Mittelgebirgen
(Sudeten, Böhmerwald, Karpathen) stellenweise vorzukommen. Süddeutsch-
land, Frankreich und der Schweiz fehlt sie schon ganz, wird indessen noch
für Steiermark und Kärnthen angegeben. (?)
Nach Berlin (1848) ist die zweijährige, in der Kultur, wie es scheint,
perennirende Wurzel dieser Pflanze eine schwammige, lange, mit nur 3 bis
6 dicken Aesten besetzte Pfahlwurzel, welche weniger aromatisch ist als
die officinelle Engelwurzel. Sch übel er1) dagegen findet sie aromatischer
als die z. B. von Hamburg in Norwegen eingeführte Wurzel der Apotheken
und hält dafür, dass diese kaum von Archangelica officinalis abstammen
könne. In der That hat auch Fries die Stammpflanze unserer officinellen
J) Culturpflanzeu Norwegens S. 95.
Flückiger, Pharmakognosie.
20
306
Wurzelbildungen der Dikotylen.
Wurzel als Archangelica scitiva (Syn.: Augelica Arcliaugelica Var. sativa
Linn., A. sativa Miller) getrennt.
Bei den durch Kultur veränderten Wurzeln der Doldenpflanzen, z. B.
bei Daucus Carota und Pastinaca sativa unterscheidet sich die Kulturform
durch einfachere, vollere Gestalt und Mangel au Aesten. Bei Augelica
würde das Gegentheil stattfinden, wenn die gewöhnliche Annahme richtig
wäre, dass Archangelica sativa höchstens eine Varietät der in der arktischen
Region wildwachsenden Archangelica sei.
Die Handelswaare stammt von Pflanzen, welche in Thüringen und im
Erzgebirge gezogen werden und ist, im Gegensätze zu der skandinavischen
Wurzel, ausgezeichnet durch die sehr zahlreichen und starken Aeste, welche
überall aus der mit Blattresten besetzten Stengelbasis (Wurzelstock) ent-
springen, so dass die eigentliche Hauptwurzel nur kurz bleibt, oder kaum
zu unterscheiden ist. Der Wurzelkopf ist bis 0,050“, die Aeste am Ursprünge
über 0,010“ dick und bis 0,30“ lang, das ganze von braungrauer, oft
etwas röthlicher Farbe, zu oberst fein geringelt und im Uebrigen breit längs-
furchig. Die Wurzeläste sind abwärts gebogen, zu einem wirren Zopfe
vereinigt, tragen zahlreiche vereinzelte Querhöcker chen und lösen sich
oft noch in zahlreiche kleinere , zum Theil haarfeine Zasern auf. Da und
dort finden sich auch rothbraune Körner ausgetretenen Balsams auf der
Oberfläche.
Der Querschnitt (der Wurzeläste) erinnert an die übrigen officiuellen
Umbell iferen -Wurzeln, zunächst etwa an Pimpiuella Saxifraga. Doch ist
Piad. Angelicae noch regelmässiger strahlig gebaut, besitzt auffallend weitere,
in den Baststrahlen zu einfachen radialen Reihen geordnete Balsamgänge,
ihr gelblicher Holzkern ist gleich dick oder viel dicker als die Breite der
aufgeweichten Rinde und die Markstrahlen pflegen im Holze so breit oder
breiter zu sein als die oft zweischenkligen Gefässbüudel. Bei der noch
ähnlicheren Rad. Levistici sind die Markstrahlen nur sehr schmal, der
Durchmesser des Holzkernes höchstens von der Breite der Rinde, die Balsam-
gänge vielleicht zahlreicher als bei Angelica , aber mehr zerstreut , nicht in
regelmässigen radialen Reihen und weniger weit. Die Hauptwurzel und ihr
Kopf unterscheiden sich durch noch stärkere Entwickelung des Holzkerues,
welcher hier auch noch ein lockeres Mark einschliesst.
Die einzelnen Gewebe der Angelica sind, von der angegebenen Verschie-
denheit in ihrer Anordnung und relativen Ausdehnung abgesehen, gleich be-
schaffen wie bei Rad. Levistici oder Rad. Pimpinellae. Die Stärkmehlkörner
der Angelica pflegen nur 3 bis 5 Mikromill. zu messen, dieGefässe, im Durch-
schnitt 60 — 70Mikrom. weit, werden von den bis 200 Mikrom. erreichenden
Balsamgängen übertroffen. Die grössten derselben stehen sehr vereinzelt
an der äussersten Grenze der liickigen Inuenriude und zeigen den gewöhn-
lichen Bau, bisweilen im Innern eine Querfalte. Der Balsam ist im frischen
Zustande licht goldgelb.
Die Engelwurzel ist von schwammiger Consistenz, schneidet sich wachs-
Eadix Sumbul.
307
artig und bricht, wegeu der Abwesenheit eines eigentlichen derben Holz-
körpers , glatt ab. Sie ist weniger hygroskopisch als Rad. Levistici , aber
noch weit mehr dem Angriffe der Insekten ausgesetzt und in der Tliat
schwer, vor dem kleinen Bohrkäfer Anobium paniceum Fabric. (Ptinideae)
zu schützen.
Geruch und Geschmack der Wurzel stimmen nahezu mit dem Aroma
der Rad. Levistici überein, doch riecht und schmeckt die Engelwurzel noch
kräftiger durchdringend und weit angenehmer.
Das ätherische Oel beträgt nur lh bis 3A pC. , das Harz etwa 6 pC.
Aus dem Gemenge beider, dem Angelicabalsam, erhielt Büchner durch
Kali das harzartige, krystallisirbare Angelicin, welches den Geschmack
der Wurzel besitzt, aber nicht näher untersucht ist. Wird die alkalische
Masse mit Schwefelsäure destillirt, so geht (etwa 7 3 pC.) Angelicasäure
G5 II8 1>- über. Sie krystallisirt, ist mit Oel- und Acrylsäure homolog und
kann auch aus Radix Sumbul (siehe diese), aus dem ätherischen Oele
der Anthemis nobilis (siehe Flores Chamomillae romanae) , so wie durch
Spaltung des Peucedauins (siehe Rhizoma Imperatoriae) und des Laser-
pitins erhalten werden. Das Harz liefert in ähnlicher Weise. Umbelliferon
wie das der Rad. Sumbul.
Bei der Darstellung der Angelicasäure gewinnt man auch Baldriansäure.
Ferner enthältdie Wurzel Zucker, Fett, Wachs, Gerbstoff und wie es scheint,
noch einen besonderen Bitterstoff.
Im Norden ist dieWurzel der dortigen Archangelica officinalis seit den
ältesten Zeiten eines der beliebtesten Gewürze und Hausmittel. In Grön-
land, Island und Skandinavien werden auch die Stengel und Blattstiele,
vou den Lappen sogar die Dolden begierig verzehrt; es wird hauptsächlich
der süsse Geschmack der Pflanze hervorgehoben , welcher unsere Wurzel
wenigstens nicht auszeiclmet. Die norwegische und isländische Gesetz-
gebung beschäftigte sich schon im XI. Jahrhundert mit „Angelica-
Gärten;“ im Mittelalter gelangte solche nordische Wurzel nach Deutschland,
wo die Mönche sich schon frühe gleichfalls mit dieser Kultur befassten.
DieWurzel der in ganz Europa sehr gemeinen Angelica sylvestris ist
hellgelb, nur sehr wenig ästig, aber mit einem starken, festen Holzkörper
versehen. Die Inuenrinde allein enthält wenige engere Balsamgänge, deren
Inhalt aber bei weitem nicht so angenehm und kräftig gewürzhaft riecht wie
die Eugelwurzel. Schon im September ist dieWurzel der A. sylvestris sehr
zusammengefallen und frei von Stärke.
Radix Sunibul.
Rad. Sunbul s. Sanbul. Moschuswurzel. Racine de musc ou de Sumbul.
Diese Wurzel wurde etwa seit 1835 aus der Bucharei über Nischni-
Nowgorod zunächst zu Parfümerie -Zwecken als Ersatz des Moschus, dann
als Mittel gegen die Cholera in Russland eingeführt, ohne dass aber bis jetzt
20 *
308
Wurzelbildungen der Dikotylen.
ihre Heimat und Abstammung ermittelt wäre. In Deutschland gab zuerst
Dierbach1) Bericht über dieselbe.
Es ist eine einfache oder nur in einige wenige Aeste ausgehende , bis
gegen 0,1 00m dicke, und wie es scheint, etwa eben so lange rübenförmige
Pfahlwurzel, welche besonders oben dicht geringelt und mit zahlreichen
haardünnen, hellgelblich grauen Zasern besetzt ist. Selten scheint sie mehr-
köpfig zu sein. Die grauliche Oberfläche ist runzelig und höckerig, an
grösseren Stücken aber etwas bräunlich mit grünlichem Schimmer, glatt
und glänzend. Der Kork lässt sich hier in grossen papierartigen Lappen
abreissen. Manche Stücke tragen noch die vertiefte , wenig oder gar nicht
beschopfte Stengelnarbe. Eine dichtere, röthlichere Sumbulwurzel von
schwächerem Gerüche, welche aus Bombay nach England kam, dürfte
verschiedenen Ursprunges sein.
Der Querschnitt zeigt eine ungefähr 0,005m breite, von etwas gebogenen
Strahlen durchsetzte, schmutzig weisse Rinde, eine sehr unregelmässig ver-
laufende schmale, dunklere Cambiumzone und innerhalb derselben ein
höchst charakteristisches, unregelmässiges Gewirre von schmalen gelblichen,
geraden oder manigfach gekrümmten Holzlamellen. Das mehlige, schnee-
weisse oder manchmal etwas missfarbige Füllgewebe (den Markstrahlen
entsprechend), in welches das Holz eingebettet ist, zeigt nicht strahlige
Anordnung, und im Centrum ist ein bestimmt abgegrenztes reines Mark
auch nicht zu unterscheiden. Gefässe sind fast nur in der äussersten peri-
pherischen Region der Holzlamellen vorhanden , da wo dieselben tief aus-
gezackt, fast kammförmig in die Innenrinde eingreifen. Einzelne der gelb-
lichen Lamellen des Innern convergiren zu geschlängelten, strahligen Wirbeln.
Der ganze sonderbare Bau erinnert an den der Rhabarber und tritt aufs
zierlichste zu Tage, wenn man einen dünnen Schnitt mit Jodwasser tränkt,
wodurch sich die dem Marke und deu Markstrahleu entsprechenden Theile
blau färben. Es zeigt sich hierbei, dass in der Rinde die Markstrahlen fast
ganz geschwunden sind und häufig an ihrer Stelle nur grosse Lücken die
Baststrahlen auseinander halten und der Rinde eine schwammige Textur
verleihen. Auch im Innern kommen häufig grosse Lücken vor.
Die Handelswaare besteht theils aus grösseren und kleineren kegel-
oder rübenförmigen Pfahlwurzeln, theils aus Querscheiben oder der Länge
nach gespaltenen grösseren Stücken. Die Schnittflächen sind oft durch
reichlich ausgetretenes Harz hell graulich gefärbt und glänzend.
Das markige Innere der Wurzel ist aus sehr grossen (bis 100 Mikromill.
messenden), im Wasser stark aufquellenden kugeligen Zellen gebildet, welche
ganz unregelmässig nach allen Richtungen von dünnen Lamellen gelblichen
Holzprosenchyms durchsetzt werden. Die Zellen der letzteren sind dicht
gedrängt, aber nicht porös und ziemlich dünnwandig; Gefässe kommen
selten vor, etwas häufiger Balsamgänge. Eigentliche, aber immerhin nicht
J) in Geigers pharm. Botanik 1840.
Radix Sumbul.
309
ansehnliche Gefässbündel finden sich nur an der Peripherie; sie enthalten
eine etwas grössere Zahl, ungefähr bis 70 Mikromill. weiter, häufig stark
gebogener Tüpfelgefässe und greifen strahlenförmig in die Innenrinde ein.
In derselben entsprechen grosse Baststrahlen den Gefässbündeln und
nehmen den grössten Theil der Rinde ein. Zwischen den Gefässbündeln
durchbrechen nur schmale Markstrahlen das Cambium , verbreitern sich
aber etwas in der Innenrinde und verlieren sich gegen die nur sehr schmale,
kleinzellige Mittelrinde. In der Innenrinde sind die Markstrahlen aus etwa
2 Reihen radial gestreckter, grosser, eiförmig-eckiger Zellen gebaut, der
dunklere Bast aus kurzen, spitzendigen, etwa 25 Mikrom. dicken, ästigen
und dicht verfilzten, biegsamen Baströhren. Ihr Verlauf erinnert an den
des Bastprosenchyms der Rhabarber, indem einzelne starke Baststränge
sich th eilen und um ganze Parenchympartieen herumbiegen. Immerhin ist
bei Radix Sumbul diese Anordnung der Baststränge nicht regelmässig
genug, um der Wurzel ein ähnliches gefeldertes Aussehen zu geben, wie es
die Rhabarber aufweist. Die Baststrahlen schlossen nicht sehr zahlreiche
vereinzelte Balsam- oder Harzgänge von etwa 70 bis 140 Mikrom. Durch-
messer ein, welche den gewöhnlichen Bau (vergl. z. B. Rad. Levistici)
besitzen und häufiger durchsichtige, eckige, gelbliche Harzklümpchen ein-
schliessen als Balsamtropfen.
Die Aussenrinde ist aus etwa 50 Lagen brauner Kork- fafelzellen gebil-
det. Kleine Kreise derselben (Rindenkapseln) finden sich mitunter in der
Mittelrinde.
Das Parenchym der Sumbulwurzel enthält sehr zahlreiche bis 40 Mikromill.
messende, eiförmige oder kugelige Amylumkörner, welche also weit grösser
sind als die der (officinellen) Umbelliferenwurzeln.
Der Geruch der Sumbulwurzel erinnert sehr an Moschus und zugleich
an Radix Angelicae. Sie schmeckt aromatisch und bitterlich. — Als Speci-
ficum gegen Cholera hat sie sich nicht bewährt.
Sie liefert gegen 9 pC. eines weichen in Aether löslichen Balsams, der
nur sehr wenig ätherisches, nach Angelica riechendes Oel gibt. Den Moschus-
gernch nimmt der Balsam erst durch Berührung mit Wasser recht an. Er
löst sich mit prächtig blauer Farbe in concentrirter Schwefelsäure und
erhält auch bei der trockenen Destillation dieselbe Farbe, indem ein blaues
Oel übergeht. Kalilauge verwandelt den Balsam in eine krystallinische
Masse, welche grösstentheils aus dem Kalisalze der von Reinsch (1844)
krystallisirt erhaltenen, aber nicht näher untersuchten Sumbulamsäure
besteht. Sie riecht sehr stark nach Moschus und scheint verschieden zu
sein von einer zweiten Säure, Sumbul- oder Sumbu lolsäure, deren
Kalisalz sich der erwähnten krystallinischen Salzmasse durch Wasser ent-
ziehen lässt. Nach Ricker u. Reinsch (1848) ist diese Säure, wovon
die Wurzel ihnen gegen 34 pC. lieferte, nichts anderes als Angelicasäure,
auch hier wie in Rad. Angelicae begleitet von etwas Baldriansäure.
Sehr der Bestätigung bedürftig ist das (1853) von Murawjeff
310 Wurzelbildungen der Dikotylen.
dargestellte S um b ul in, welches sich mit Säuren zu krystallisirten Salzen
verbinden soll.
Sommer zeigte (1859), dass bei der trockenen Destillation des
Sumbulharzes so gut wie bei gleicher Behandlung der Harze aus Gal-
banum , Sagapenum, Asa foetida, oder aus Cortex Mezerei, so wie aus
Rad. Angelicae, Meu, Levistici und hhizoma Imperatoriae das merkwürdige
Umbelliferon G6H+02 auftritt. Obwohl farblose Krystalle bildend, gibt
es doch blau irisirende Lösungen und ist zum Theil Ursache der schon von
R e i n s c h wahrgenommenen blauen Färbung der Destillationsprodukte seines
Sumbulbalsams. Das Umbelliferon ist procentisch gleich zusammengesetzt
wie das Chinon.
Re ins ch hatte unter der Sumbulwurzel Blüthen und Früchte einer
unbekannten Dolde gefunden, welche er für die Stammpflanze der Wurzel
hält und Sumbulus moschatus nennt. Das Vorkommen der Angelicasäure
n der Wurzel und ihr übriges chemisches Verhalten sprechen gleichfalls für
die Ableitung der Droge aus dieser Pflanzenfamilie. Auch ihr anatomischer
Bau bietet im allgemeinen die freilich nicht sehr eigenthiirnlicheu Verhält-
nisse der Umbelliferenwurzeln dar.
Sumbul scheint bei den Arabern und Persern überhaupt eine wohl-
riechende Droge zu bezeichnen. Sie nennen z. B. auch Valeriana celtica so
oder Simbil.
Rliizoma Imperatoriae.
Rad. Imperatoriae s. Ostruthii. Rad. Imperatoriae albae. Caudcx Impe-
ratoriae. Meisterwurzel. WeisseAbstränze. Racine d’Imperatoire. Master wort.
Imperatoria Ostruthium L. — ümbelliferae.
Syn.: Peucedanum Ostruthium Koch.
Ausdauernde Doldenpflanze der mitteleuropäischen Gebirge (Auvergne,
Alpen, Erzgebirge), auch noch in Pommern und Island vorkommend, stellen-
weise wie z. B. im Jura fehlend.1) Bisweilen wird sie auch cultivirt, wobei
aber die Wurzelbildung abweicht.
Das Wurzelsystem der Imperatoria ist ziemlich eigenthümlich, wenigstens
von dem der übrigen (officinellen) Umbelliferen sehr abweichend. Der
Hauptsache nach besteht es aus einem bis etwa 0,10'" langen, meist stark
plattgedrückten, 0,015"' breiten Wnrzelstocke von graubrauner Farbe. Der-
selbe ist gewöhnlich unregelmässig gekrümmt, durch Blattnarbeu geringelt,
kurz längsfurchig und mit zahlreichen starken Höckern und erhabenen
Wurzelnarben oder Querwülsten besetzt, so dass die Oberfläche ein sehr
eigenthiimliches Aussehen darbietet, das entfernt au den Wurzelstock des
Rumex alpinus (vergl. Rliizoma Rhei Monachorum) erinnert.
1) das von Sibthorp augegebenu Vorkommen auf Cypcrn ist nach Unger vcrmuthlich
unrichtig.
Rhizoma Imperatoriae.
311
Gewöhnlich ist der Wurzelstock der Imperatoria ästig oder doch mehr-
köpfig; er treibt neben kleineren Wurzeln mehrere ihn an Länge oft über-
treffende bis 0,005m dicke, cylindrische , holzige Ausläufer, welche gerade
oder bogenförmig zur Erdoberfläche dringen, dort neue Stengel entwickeln
und sich , nachdem dieselben abgestorben , an der Spitze zu selbständigen
Wurzelstöcken verdicken.
Die Ausläufer sind entfernt knotig gegliedert, etwas bewurzelt, gegen
die Spitze geringelt, sehr tief längsrunzelig, aber nur wenig höckerig.
Manchmal sind 2 — 3 verkürzte, etwas aufgetriebene Wurzelstöcke durch
nur sehr wenig entwickelte astförmige Ausläufer verbunden und erhalten
dadurch ein unregelmässig knollenartiges, fast den Aconitum -Knollen
(vergl. Tuber Aeoniti) vergleichbares Aussehen. Die Wurzelköpfe oder
Knollen tragen entweder eine vertiefte Stengelnarbe oder sind vom Stengel-
stumpfe oder von wenig zahlreichen häutigen , rothbraunen Blattresten
gekrönt, nicht beschopft. Niemals trifft man in der Handelswaare das ganze
Wurzelsytem unversehrt an.
Der Querschnitt durch den Wurzelstock bietet einen ganz geschlossenen,
sehr schwach gelblichen, nur ungefähr 0,001m breiten Holzring dar, dessen
einzelne breit keilförmige Gefässbündel durch etwas schmalere Markstrahlen
auseinander gehalten sind.
Die Rinde, wenig breiter als der Holzring, enthält in der inneren Hälfte
dunklere, keil- oder bogenförmige, glänzende Bastpartien, unterbrochen
von lockerem , oft lückigem Parenchym der Markstrahlen. Die Mittelrinde
ist von wenigen Lagen bräunlicher Korkzellen bedeckt.
Die Gefässbündel enthalten nach innen zu starke Holzstränge , wovon
oft zwei benachbarte zusammenfliessen, so dass zweischenklige Gefäss-
bündel mit einfachen abwechseln. Den Kern des Wurzelstockes wie auch
der Ausläufer nimmt ein bedeutendes lockeres Mark ein, welches sehr weite,
oft im Durchmesser gegen 0,001'" erreichende Balsamgänge besonders in
seinen äusseren Theilen einschliesst. Auch im Basttheile der Rinde, so wie
in der Mittelrinde finden sich dergleichen doch gewöhnlich etwas engere
Balsamgänge, welche denselben Bau besitzen, wie in andern Umbelliferen-
oder Compositen -Wurzeln.
Einen sehr abweichenden Querschnitt bieten die nicht zu neuen Wurzel-
stöcken auslaufenden (Neben-)Wurzeln. Es fehlt ihnen das Mark, so dass
sich che schmalen Gefässbündel bis in das Centrum verlängern, von welchem
sehr regelmässige Markstrahlen ausgeheu und sich in der Rinde zwischen
den Bastkeilen ausbreiten. Der Holzkeru, worin auch Jahresschichten
angedeutet sind, ist hier ganz frei von Balsamgängen, welche nur in den
Bastkeilen vereinzelt zu 4 bis 6 in radialer Reihe auftreten. Der Mangel
an Balsamgängen in dem strahligen Kerne lässt also die letztere Neben-
wurzeln von den Ausläufern, Knollen und Wurzelstöcken wohl unter-
scheiden.
Immer bleiben die Gefässe an Durchmesser (höchstens 70 Mikromill.)
312
Wurzelbildungen der Dikotylen.
weit hinter den Balsamgängen zurück, welche einen dicken, gelben Balsam
führen, der oft auch die Gefässe durchtränkt.
Die einzelnen Gewebe zeigen, im Vergleiche mit den übrigen Umbelli-
feren , in ihrem Bau keine sehr erhebliche Besonderheit. Die Zellen der
Markstrahlen sind auffallend kubisch, Baströhren fehlen, die Gefässe sind
gegen innen von porösem, stark verdicktem Holzprosenchym begleitet;
das grosszeilige, fein poröse Markparenchym so wie die Markstrahlen
und die Mittelrinde strotzen von kleinen (höchstens 7 Mikromill.) kugeligen
oder eiförmigen Amylumkörnern , neben welchen auch Oeltröpfchen und
bräunliche Körnchen (Farbstoff? Gerbsäure?) sichtbar sind.
Der derbe Holzring verleiht der Meisterwurzel bedeutende Festigkeit
und kurzen Bruch; nur die marklosen, im Centrum ganz vom Holzkerne
eingenommenen Nebenwurzeln brechen eigentlich langfaserig holzig.
Die Wurzel besitzt einen starken aromatischen , eigentümlichen , nicht
unangenehmen Geruch und entsprechend beissend scharfen Geschmack.
Sie ist, wie die meisten Umbelliferen-Wurzeln, arm an ätherischem Oele,
wovon sie etwa % pC. gibt. Dasselbe ist ein Gemenge eines mit Terpen-
tinöl isomeren Kohlenwasserstoffes mit sauerstoffhaltigen Oelen. Weit
grösser ist der Harzgehalt der Wurzel. Osann erhielt (1831) daraus das
Imperatorin, einen nicht sublimirbaren , in Prismen krystallisirenden,
in weingeistiger Lösung brennend aromatisch schmeckenden Körper.
Wagner zeigte (1854), dass dasselbe identisch ist mit dem Peuce-
danin G12H1203, aus der Wurzel von Peucedanum officinale L. Das
Peucedanin oder Imperatorin spaltet sich durch Kali in weingeistiger
Lösung in Angelicasäure G5H80-2 und krystallisirbares, nicht flüch-
tiges Oreoselonhydrat £7H+0-f-aq. Alte Wurzel gibt mehr Peuce-
danin als frische junge. Das Mikroskop lässt im Gewebe selbst keine
Krystalle desselben wahrnehmen , wie überhaupt Krystallbildungen in den
Umbelliferen-Wurzeln zu den Ausnahmen zu gehören scheinen. Nur
das früher auch als schwarze Meisterwurzel officinelle Rhizom von
Astrantia major (Rad. Imperatoriae nigrae) enthält Drusen von Kalk-
oxalat. — Durch trockene Destillation der Meisterwurzel oder ihres Harzes
erhält man Umbelliferou (vergl. bei Radix Sumbul).
Aus einem stickstoffhaltigen Körper, den Wagner aus Rhiz. Impera-
toriae darstellte, erhielt er bei der Behandlung mit Kali eine flüchtige Base,
welche er für Coniin erklärte, was indessen noch der Bestätigung bedarf.
Die Meisterwurzel wurde im Mittelalter in den Arzneischatz eingeführt,
Macer floridus schilderte im IX. Jahrhundert ihre Heilkräfte, Fuchs
und Tragus beschrieben sie oder bildeten die Pflanze in der ersten Hälfte
des XVI. Jahrhunderts ab; ersterer als Laserpitium germanicum. Sie dient
jetzt fast nur noch in der Veterinärpraxis.
Stipes Dulcamarae.
313
fff Oberirdische Pflanzentheile.
I. Stengel.
Stipes Dulcamarae.
Stipites Dulcamarae. Bittersüss. Douce-amere. Morelle grimpante.
Bitter -sweet.
Solanum Dulcamara L. — Solaneae.
Durch ganz Europa von Spanien und Portugal bis zum Polarkreise,
auch in Syrien und Kurdistan, so wie jetzt bereits in Nordamerika ver-
breitete ausdauernde strauchartige Pflanze, vorzüglich feuchte schattige
Standorte liebend. Ihre am Grunde holzigen, oberhalb mehr schlaffen
Stämme sind entweder niederliegend oder erheben sich mannshoch klim-
mend und rechtsläufig windend. Nur die ein- und zweijährigen Triebe
werden vor der Entwickelung oder im Spätjahre nach dem Abfallen der
Blätter gesammelt. Sie sind mehrere Fuss lang, bis ungefähr 0,005m dick,
hell grünlichbraun, bald cylindrisch, bald undeutlich fünf- (oder vier-) kantig,
schwach längsfurchig oder auch etwas höckerig. Der Stengel bildet eine
(aus successive von einander abstammenden Zweigen bestehende) Schein-
axe, ein sogenanntes Sympodium, woran die endständigen, wickelartig ver-
zweigten Blüthenstände überdies durch Anwachsungen extraaxillar erschei-
nen1). In sehr ungleichen, bis höchstens gegen 0,10m weiten Abständen
gehen Zweige und Blätter vom Stämmchen ab. Das obere und untere an-
stossende Stengelglied (Internodium) bilden jeder solchen Austrittsstelle
eines Zweiges (Knoten) gegenüber einen sehr stumpfen Winkel. Die Knoten
folgen sich in abwechselnder Stellung am Stengel, so dass dessen Axe eine
sehr unregelmässige, von Knoten zu Knoten in verschiedener Richtung ge-
knickte Linie darstellt.
Die dünne bräunlich graue glänzende Korkschicht blättert leicht ab und
lässt die chlorophyllreiche Mittelrinde zu Tage treten. Im Innern sind die
Stengel meist hohl, nur zum Theil noch mit weissem oder missfarbigem
Marke versehen. Der Holzring ist etwa V2 oder 73 so breit wie der Durch-
messer der Höhlung, die grüne Rinde noch bedeutend schmäler als das gelbe
deutlich strahlige poröse Holz, dessen 2 oder 3 Jahresringe in älteren Sten-
geln scharf abgegrenzt sind.
Die jüngeren Triebe sind mit einer Lage grüngelber flacher dickwandiger
Epidermiszellen bedeckt, von denen manche sich zu einem kurzen stumpfen
Haare ausstülpen. Die unter der Epidermis liegende Schicht grosser zart-
wandiger würfelförmiger Zellen bildet sich sehr bald zu ungefähr 6 Schich-
1} ßenau erörtert von Wydlor: Mittheilungen d. Natnrf. Gesellsch. in Bern 1861.
314
Stengel.
ten gewöhnlicher Korkzellen um , wobei die Oberhaut noch eine Zeit lang
erhalten bleibt; ihre Haare, wo sie dichter stehen, sind durch die Loupe
schon sichtbar.
Die Mittelrinde enthält ungefähr 10 Reihen Chlorophyll führender, dick-
wandiger tangential gestreckter Zellen, die in den mittleren Reihen am
grössten werden. An der Grenze der Innenrinde, zu einem sehr weitläufigen
Kreise geordnet, stehen vereinzelte farblose, stark verdickte Baströhren,
tangential gestreckt und von gleicher Grösse wie die Mittelrindenzellen.
Das enge, aus zahlreichen Lagen gebildete, fast prosenchymatische
Gewebe der Inneurinde ist weniger reich an Chlorophyll; einzelne Zellen-
gruppen sind mit äusserst kleinen dunkeln Körnchen gefüllt, die bei stär-
kerer Vergrösserung eckig und im polarisirten Lichte doppelt brechend er-
scheinen — also vermuthlich Kalkoxalat von der Form wie z. B. in der
Belladonna -Wurzel.
Das Holz enthält stark verdicktes poröses, im frischen Zustande grün-
liches Prosenchym mit sehr zahlreichen grossen Gefässen, die in radialen und
tangentialen Reihen stehen. Die Gefässbiiudel werden von sehr zahlreichen
Markstrahlen durchschnitten, deren poröse ein- oder zweireihige Zellen auch
oft noch Chlorophyll enthalten. Das Gewebe des Markes ist zunächst am
Holze noch aus dickwandigen Zellen gebildet, zwischen welchen einzelne
Baströhren wie in der Innenrinde Vorkommen; ausserdem enthält dieses
Gewebe Chlorophyll, ferner jenes bei der Innenrinde erwähnte dunkle
(muthmassliche) Oxalat und Amylum in sehr kleinen kugeligen Körnern,
welche meist nur 4 — 5 Mikromill. und häufig noch weit weniger messen,
also zu den allerkleinsten Formen gehören. Die inneren Theile des Markes
bestehen aus grösseren zartwandigen kugeligen Zellen.
Der narkotische Geruch der Bittersüsstengel verliert sich beim Trocknen
ziemlich; sie schmecken bitterlich, nach kurzem Verweilen im Munde aber
süss. Die Bitterkeit herrscht im Frühjahr mehr vor als im Herbst. Das
von Pfaff als Träger dieses merkwürdigen Geschmackes angegebene Pikro-
glykion (21,8 pC. !) scheint ein Gemenge von nicht näher untersuchtem
Zucker mit Solaniu zu sein. Desfosses wies in Blättern und Stengeln,
Peschier noch mehr in den Beeren des Solanum Dulcamara das (1820)
vom ersteren aus den Beeren des Solanum nigrum zuerst dargestellte So-
lanin nach, welches sich auch (nachHaaf 1* bis 2 p. Mille der lufttrockenen
Substanz) in den unreifen Kartoffeln findet. Es schmeckt bitter kratzend.
Winckler machte (1841) aber darauf aufmerksam, dass das Alkaloid der
Bittersüsstengel (V3 p. Mille) nur amorph zu erhalten sei und sich auch
gegen Platinchlorid und Quecksilberchlorid vom Solauin der Kartoffel ab-
weichend verhalte. Moitessier bestätigte (1856) diese Verschiedenheit
und erhielt nur amorphe Salze des Dulcamara-Solanius. Zw enger u. Kind
einerseits und 0. Gmelin andererseits fanden (1859 u. 1858), dass das
Solanin eine aus Zucker und einem eigenthümlichen krystallisirbareu Al-
kaloid Solanidin gepaarte Verbindung ist. Letzteres gibt durch Einwir-
Lignmn Juniperi.
315
kung von concentrirter Salzsäure unter Wasserabscheidung das amorphe,
gleichfalls basische Solanicin. Endlich ist auch von Wittsteiu (1852)
in den Stipites Dulcamarae ein von Solanin abweichendes bittersüss
schmeckendes amorphes Alkaloid Dulcamarin1) (kaum 1 p. Mille) beob-
achtet worden , dessen Reactionen weder mit dem Kartoffel-Solanin , noch
mit dem Winckler’schen aus Dulcamara übereinstimmen.
Es dürfte wohl nach diesen noch nicht hinlänglich aufgeklärten Ver-
hältnissen die Vermuthung gerechtfertigt sein, dass in der Natur selbst das
Alkaloid der Dulcamara Veränderungen erleide und nicht oder nicht zu
jeder Zeit mit dem anderer Solaneen identisch ist. — Das von Jonas in
deu Frühjahrsstengeln angegebene Inulin mag wohl Pektin sein.
Die dem Bittersüss einigermassen ähnlichen Ranken von Humulus Lu-
pulus unterscheiden sich durch ihre scharfkantigen Stengel und die nicht
abwechselnden, sondern gegenüberstehenden Blattuarben. Letzteres Merk-
mal besitzen auch die Stengel von Lonicera Periclymenum. Diejenigen
des nur einjährigen Solanum nigrum bleiben immer krautig.
Die Bittersüsstengel scheinen nicht von den Alten, sondern erst von
deutschen Aerzten im XVII. Jahrh. verwendet worden zu sein. Sie gelangen
fast nur geschnitten in den Handel.
II. Hölzer.
Lignum Juniperi.
Reckholder- oder Wachholderholz. Bois „de Genevrier. Juniper wood.
Abstammung siehe bei Fructus Juniperi.
Das weisse oder röthliche Holz der Wurzel und der jüngeren Aeste, ge-
wöhnlich (unzweckmässigerweise) von der Rinde befreit.
Das Holz ist sehr dicht, doch leicht; sein Querschnitt zeigt hellere und
dunklere Zonen (Jahresringe) und feine Markstrahlen. Die bräunliche, leicht
ablösbare Rinde besteht (bei jüngeren Aesten) zu äusserst aus einer zarten
Korkschicht, unter welcher grössere mit dunkelbraunem Harz, Gerbstoff
und Farbstoff gefüllte Zellen folgen. Die Mittelrinde enthält Amylum und
Chlorophyll, die Innenrinde abwechselnde Lagen von dünnwandigem Bast-
prosenchym und eckigen, fast ganz verdickten, glänzenden Baströhren, wo-
von einzelne auch in die Mittelriude eingestreut sind. Die verdickten Zellen
bilden einreihige unterbrochene Kreise; ein zartes, oft bräunliches Cam-
biuin trennt sie vom Holze. Dieses besteht aus jenen langgestreckten, in
einander gekeilten, für die Coniferen bezeichnenden Tüpfelzellen, welche
auf ihren Wänden nicht spiralige Ablagerungen zeigen , sondern zahlreiche
oren , die sich nach aussen trichterförmig öffnen. Der äussere Rand er-
) Denselben Namen, oder Dulcarin, führte auch das Pihroglycion von Pf aff.
316
Hölzer.
scheint, von oben gesehen, als Hof der eigentlichen Pore. Dieses Holz-
prosenchyra wird nur von schmalen, gewöhnlich einreihigen Markstrahlen
durchschnitten , welche im Winter Arnylum enthalten. Die Zellen des im
Frühjahr entstandenen Holzes sind weiter, die des Herbstholzes kleiner,
stärker verdickt und oft auch etwas tiefer gelblich [gefärbt. Hierdurch ent-
stehen jene auf dem Querschnitte wahrnehmbaren Zonen. Das Mark ist
sehr unbedeutend und pflegt Harz zu enthalten, welches im Holzprosenchym
nur sehr spärlich und nicht in eigenen Gängen auftritt.
Die Rinde schmeckt harzig, schwach adstringirend; das Holz um so
weniger, je älter es ist. Sein schwach balsamischer Geruch wird erst beim
Erhitzen deutlicher. — Trockenes , von Rinde befreites , älteres Holz gibt
0,6 pC. Asche. Das weit dichtere Gefüge unterscheidet auch das von Rinde
befreite Holz des Wachholders von demjenigen anderer Coniferen.
In der Volksmedicin ist noch durch einen grossen Theil Europas, von
Frankreich bis Norwegen, der durch trockene Destillation erhaltene schwarze
dicke Theer des Wachholderholzes als Oleum Jumper i ligni s. nigrum
berühmt 1). Im Süden wurde er ursprünglich aus [dem um das Mittelmeer
wachsenden Juniperus Oxycedrus L. (franz. Cade — vielleicht mit dem
deutschen Kaddig zusammenhängend) bereitet nnd als Oleum cadinum ,
huile de Cade, unterschieden.
Lignum Santali.
Lignum Santali rubrum. Lignum sandalinum. Sandelholz. Santelholz.
Bois de santal rouge. Sandal or’sauders wood.
Pterocarpus santalinus»Linn. fil. — Papilionaceae-Dalbergieae.
Ein sehr grosser Baum der Gebirge von Coromandel, Ceylon, Malabar,
auch in Malacca und auf Timor vorkommend. Vielleicht liefern noch an-
dere Pterocarpus -Arten gleichfalls die Droge.
Das Holz wird in grossen , von der Rinde und dem weisslichen Splinte
befreiten Blöcken in den Handel gebracht, im Kleinverkehr aber gewöhnlich
nur in geschnittener oder gepulverter Form gehalten. Es ist sehr dicht,
doch nicht besonders schwer, schneidet sich leicht und ist gut spaltbar, ob-
wohl die Holzfasern schief aufsteigen und in verschiedenen Schichten nicht
parallel laufen. Dunklere schwerere, in Wasser sogleich untersinkende und
einer besonders schönen Politur fähige Stücke dienen 'unter dem Namen
Caliaturholz der Kunsttischlerei.
Das officinelle Holz ist auf der längere Zeit der Luft ausgesetzten Ober-
fläche schwärzlich roth mit einem sehr schwache Stiche ins grünliche, im
innern satt dunkelroth, das Pulver von noch reinerer tieferer Farbe. Quer-
schnittflächen des zerkleinerten Holzes zeigen oft lebhaften grünen Metall-
glanz.
1) Wie auch in Russland der Birkcnthecr, oleum Rusci, schwarzer Dägen.
Lignum Santali.
317
Der polirte Querschnitt bietet in der zonenweise unregelmässig heller
und dunkler rothen Grundmasse sehr zahlreiche hellere Gefässöffnungen
(Poren) dar, welche entweder einzeln stehen oder zu Gruppen von 2 bis
4 vereinigt, aber ohne Ordnung zerstreut sind. Im ganzen sind die Gefässe
allerdings ziemlich gleichmässig durch das Holz verbreitet. Sehr feine,
äusserst zahlreiche , oft ziemlich lang fortlaufende , oft kurz abbrechende,
hellere Wellenlinien stellen zwischen den Gefässen eine Querverbindung
her, ohne aber zusammenhängende Kreise zu bilden. In radialer Richtung
folgen diese Wellenlinien so nahe auf einander, dass ihre übrigens sehr
ungleichen Abstände selten 1 Millimeter betragen. Die noch weit zarteren,
sehr gerade laufenden Markstrahlen entziehen sich dem unbewaffneten
Auge fast ganz, ertheilen jedoch durch ihre grosse Regelmässigkeit dem
seidenglänzenden Längsschnitte, sowohl in tangentialer wie in radialer
Richtung, eine feine, rechtwinkelig gefelderte Zeichnung. Hier erblickt
man auch schon ohne Loupe stockwerkartig über einander aufgestapelte
Krystalle von Kalkoxalat, deren genau vertikale Reihen sich durch ganze
Stammstücke hindurch verfolgen lassen.
Die Hauptmasse des Sandelholzes besteht aus langen, spitzendigen Holz-
zellen, deren dicke, rothe Wände nur wenig porös sind und immer noch
eine mehr oder weniger ansehnliche, im Querschnitte häufiger querelliptische
als kreisrunde Höhlung einschliessen. Die Räume zwischen diesen grösseren,
etwas weiteren, radial und tangential regelmässig in Reihen gestellten
Holzzellen werden von bedeutend engerem, übrigens gleichartigem Pro-
senchym dicht ausgefüllt.
Die dem unbewaffneten Auge schon sichtbaren Wellenlinien erweisen
sich als weite, kubische oder axial gestreckte, immer rechtwinkelig quer
getheilte, wenn auch spitzendige Zellen, deren mässig dicke Wandungen
von grossen Löchern durchbohrt oder öfters mit zarten Spiralbändern belegt
sind. Die Streifen dieses Holzparenchyms, welche sich in das prosenchy-
matische Gewebe einschieben, sind durchschnittlich aus 3 bis 5 Zellen-
reihen gebaut, gewöhnlich aber in der Nähe der Gefässe um einige Reihen
vermehrt, so dass jedes Gefäss ganz von Parenchymzellen umgeben ist,
welche dann in Beziehung zu demselben (im Querschnitte) tangential
gestreckt sind.
Die bis über 300 Mikromill. weiten, sehr langen Gefässe sind durch
derbe, oft zertrümmerte Wände quer getheilt und mit ansehnlichen , dicht
gedrängten, von einem Hofe umsäumten Poren versehen.
Die Markstrahlenzellen füllen zu 5 bis 1 1 einfachen Reihen über ein-
ander vertikale Spalten von 100 bis 200 Mikromill. Höhe und höchstens
35 Mikiomill. Breite aus. Auf dem Querschnitte erscheinen die Mark-
strahlen mit einfacher, seltener doppelter Zellenreihe so, dass sie nur 2 bis
4 Radialreihen der Parenchym zellen oder des weiteren Holzprosenchyms
einschliessen, und demnach die einzelne Holzlamelle immer schmäler bleibt
als eine Gefässmündung. Die kleinen, porösen, höchstens 15 Mikromill.
318
Hölzer.
breiten Markstrahleuzellen sind in radialer Richtung bedeutend gestreckt
und ihre Reihen nur durch die grossen Gefässe, welche sich über die Breite
mehrerer Holzlamellen erstrecken , lokal von ihrem geraden Verlaufe
abgelenkt.
In den Gefässen finden sich häufige Splitter des rothen Harzes abgelagert,
welches die Wände auch des übrigen Gewebes, mehr jedoch diejenigen des
Prosenchyms als die der Markstrahlen und des Holzparenchyms durchdringt.
Die kubischen Zellen des letzteren schliessen je einen grossen, oft bis
Vs Millimeter erreichenden, nicht gut ausgebildeten Krystall von Kalkoxalat
ein. Im ganzen ist jedoch die Menge desselben unerheblich, und das bei
100° getrocknete Holz hinterlässt nur 0,8 pC. Asche.
Das rothe Sandelholz ist geruch- und geschmacklos und gibt an kaltes
Wasser kaum etwas ab; auch lieisses färbt sich damit nur wenig. Die
schwach bräunlichrothe, nach der Concentration kratzend und nicht süss,
sondern etwas adstringirend schmeckende Lösung wird durch Eisensalze
dunkler, enthält aber weder Kalk noch Schwefelsäure in irgend erheblicher
Menge.
Der harzartige Farbstoff wird von Aether, Weingeist, Alkalien, concen-
trirter Essigsäure leicht aufgenommen, weniger oder fast gar nicht von
ätherischen Oelen. Trocken besitzt die dunkelrothe Masse des Farbstoffes
einen grünen Schimmer. Daraus lässt sich in rothen mikroskopischen Kry-
stallen die Santalsäure G15Hl405 gewinnen. Ein farbloses krystal-
liuisches Santalin, woraus nach Preisser durch Oxydation erst der
rothe Farbstoff Santalei'n entstehen sollte, scheint Bolley’s Versuchen
zufolge nicht zu existiren. Ebenso wurde das Sautaloxyd Leo Meyer’s
von andern nicht wieder erhalten, und auch die von demselben durch Wasser
ausgezogenen Stoffe Sautalid,Santaloid (gelbe mikroskopische Prismen),
Santalidid und Santaloi'did bedürfen wiederholter Untersuchung.
Das Sandelholz scheint durch seine prachtvolle Farbe schon sehr frühe
bekannt geworden zu sein, wie denn auch der Name aus dem Sanskrit
(Zandama) abgeleitet wird. Marco Polo gab im XIII. Jahrhundert den
Baum auf den Nikobaren (isola Necarau) an.1) Die arabischen Aerzte des
Mittelalters, Avicenna im XI. Jahrh. zuerst, führten das Holz in den
Arzueischatz ein.
Mit dem sehr wohlriechenden weissen bis gelbröthlichen Holze vou
Santalum album L. aus der Familie der Santalaceae hat das rothe Sandel-
holz ausser dem Namen und Vaterlande nichts gemein. Das weisse oder
gelbe Sandelholz wird heutzutage noch weniger gebraucht als das eben
beschriebene rothe. Welches der beiden Masudi (Mitte des X. Jahrh.) und
Edrisi (Mitte des XII. Jahrh.) im indischen Archipelagus kennen lernten,
ist nicht mehr zu entscheiden; vermuthlich das angenehm riechende erstere.
J) In der bei Radix Rhei erwähnten italienischen Ausgabe S. 159: „i loro boschi sono
di alberi preziosi, cioe legno di sandalo vermiylio, noci d Iudia, garofani . . . .“
Lignum Quassiae surinamense.
319
Lignum Quassiae surinamense.
Lignum Quassiae verum. Quassiaholz. Aechtes Quassiaholz. Surinam-
Quassiaholz. Fliegenholz. Bitterholz. Bois de Surinam. Bois amer.
Quassie. Quassia.
Quassia amara L. — Simarubeae.
Kleiner bis 15 Fuss hoher Baum oder Strauch, in Surinam und den
Antillen einheimisch, auch daselbst sowie in Cayenne und im nördlichen
Brasilien gezogen. Er ist durch seine prächtig rothen, ansehnlichen
Blüthen ausgezeichnet.
Wir erhalten davon höchstens 0,10™ dicke Stammstücke, meist aber
nur etwa 0,020 bis über 0,030'" starke, oft gabelige Aeste, bekleidet mit
der 1 oder an gröberen Prügeln höchstens gegen 2 Milliin. dicken, mehr
spröden als zähen Binde, deren Färbung zwischen gelblich braun und grau
schwankt. Die Aussenfläche ist ziemlich glatt oder ein wenig höckerig.
Die äusserste, sehr dünne, lockere Korkschicht wird nicht leicht abgescheuert,
so dass die schwärzliche Mittelrinde nur an seltenen Stellen von sein-
beschränktem Umfange zu Tage tritt. Wenn auch Längsrisschen nicht
immer fehlen, so bleiben sie doch kurz und gehen niemals bis auf den
Holzkörper , von welchem sich die Rinde leicht als geschlossene brüchige
Röhre ablöst.
Die Rinde bricht kurz blätterig, nur in der innersten, sehr dünnen
Schicht lang faserig und setzt dem Messer einigen Widerstand entgegen.
Der Querschnitt zeigt eine dunkelgraue bis schwärzliche, nicht strahlige
Innenrinde, worin kaum durch die Loupe Bastkeile sichtbar werden. Die
hellgraue Mittelrinde ist fast doppelt so breit als die Innenriude und enthält
in ihrer inneren Hälfte eine schmale, zusammenhängende, körnige, lebhaft
gelb gefärbte Zone. Die nicht eben glatte, sehr fein längsstreifige, aber
nicht gefelderte Innenfläche der Rinde zeigt nur an wenigen Stellen noch
ihre eigentliche hellgelblich graue Farbe, sondern pflegt über und über
blauschwarz angelaufen zu sein.
Das Holz gleicht dem Picrasma-Holze (vergl. Lignum Quassiae jamai-
cense), besitzt aber einen etwas feineren Bau, so dass Markstrahlen für das
unbewaffnete Auge kaum noch wahrnehmbar sind. Die scheinbaren Jahres-
ringe des Surinam - Holzes folgen sich in kürzeren und regelmässigeren
Abständen und nähern sich in ihrem Verlaufe mehr der Kreislinie, °ohne
die wellenförmigen Biegungen der Ringe des Jamaica-Holzes zu besitzen.
Auch der ächten Quassia fehlen die bei der jamaikanischen Sorte
erwähnten blauschwarzen Pilzfäden nicht, besonders häufig bedecken und
durchziehen sie, wie schon angedeutet, die Innenfläche der Rinde und die
Peripherie des Holzes. Unter den dünnen Fäden finden sich hier oft-
mals bis 15 Mikromill. dicke, kurze Stücke von gleicher Farbe vor, welche
durch zarte, gerade Querwände gegliedert sind.
320
Hölzer.
Die Korkschicht ist mit der höchsten Regelmässigkeit aus sehr zahl-
reichen Lagen meist dünnwandiger Tafelzellen zusammengesetzt, ganze
Reihen derselben sind jedoch mit verdickten gelblichen Wänden versehen.
Auf dem tangentialen Schnitte erscheinen die Korkzellen von regelmässig
sechseckiger Form.
Die Mittelrinde besteht aus ungefähr 25 Schichten tangential gedehnter
Zellen, welche bisweilen knorpelig verdickte und etwas verwachsene oder
gebogene, meist aber dünnere, ziemlich straffe Wände besitzen. Die bereits
erwähnte, schon ohne Loupe sichtbare, schön gelbe Zone erweist sich aus
äusserst dicht gedrängten kugeligen oder ein wenig verlängerten oder durch
gegenseitigen Druck facettirten Steiuzellen mit zahlreichen Porenkanälen
bestehend. Die Mächtigkeit dieser Zone wechselt zwischen 150 bis 250
Mikromill., die Grösse der einzelnen Zellen beträgt wenigstens 30 Mikromill.
Immer sind sie fast völlig verdickt. Die gelbe Zone bezeichnet die Grenze
der Mittelrinde und der Innenrinde; einzelne Steinzellen oder kleinere
Gruppen derselben finden sich aber auch noch ausserhalb der Zone selbst.
Trotz seiner grossen Dichtigkeit werden doch bisweilen die Intercellular-
räume selbst dieses Steinzellenringes von den Pilzfäden durchsetzt.
In der Iunenrinde wechseln Schichten von zarterem , kubischem Bast-
parenchym mit verworrenem , sehr dickwandigem , im Sinne der Axe sehr
lang gestrecktem Prosenchym (Hornbast) unregelmässig ab. Die ganze
Bastschicht wird von einreihigen, kurzen, weit aus einander gerückten
Markstrahlen durchschnitten , von denen sich einige aber sehr bald ansehn-
lich erweitern und als umgekehrte Keile mit sehr bedeutend tangential
gestreckten Zellen zwischen die Baststrahlen einschieben, welche den Stein-
zellenring meist erreichen.
Das Holz besitzt im allgemeinen denselben Bau wie das jamaikanische,
jedoch sind die Holzzellen des surinamischen um ein geringes enger, aber
mit etwas dickeren Wänden versehen und auf dem Querschnitte von mehr
regelmässig radialer Anordnung. Die Markstrahlen bestehen hier gewöhn-
lich aus nur einer, seltener zwei Reihen Zellen, deren Breite sehr wechselt,
aber oft 30 Mikromill. erreicht oder gar übersteigt, so dass sie durch-
schnittlich fast weiter sind als die des Jamaika-Holzes. Auch in vertikaler
Richtung ist der einzelne Markstrahl oft aus 1 2 — 20 Zellenreihen aufgebaut.
Der Durchmesser der Tiipfelgefässe bleibt meist unter 70 Mikrom. und sie
nehmen seltener die ganze Breite einer Holzlamelle ein. Wo dieses nicht
der Fall ist, tritt zwischen dem Gefässe oder der Gelassgruppe und den
Markstrahlen Holzparenchym auf, welches denselben Bau besitzt wie das
entsprechende Gewebe im jamaikanischen Holze. Die Parenchymstreifen
sind aber hier mehr auf dieses Vorkommen beschränkt und treten seltener
unabhängig von den Gefässbiindelu auf. Das Holzparenchym ist also über-
haupt weniger entwickelt und namentlich, wenigstens im Querschnitte,
nicht so sehr in die Augen fallend und oft nicht leicht vom Holzprosenchym
zu unterscheiden. Darin liegt auch der Grund der etwas grösseren Regel-
Lignum Ouassiae Jamaicense.
321
mässigkeit der scheinbaren Jahresringe dieses Holzes, die sich mit der
Loupe besser übersehen lassen als bei stärkerer Yergrösseruug.
Das Mark ist gleich gebaut und nicht stärker wie im Jamaica -Holze,
enthält aber durchaus nicht dieselben Krystalle, sondern nur selten da und
dort einmal eine rosettenförmige Druse. Dieser Unterschied in der Form
des Kalkoxalates ist durchgreifend, denn auch in der Mittelrinde der ächten
Quassia finden sich, besonders zunächst innerhalb des Korkes, nur Rosetten
von 12 bis 30 Mikromill. Durchmesser in sehr grosser Zahl, niemals einzelne
wohl ausgebildete Krystallindividuen. Dem Holzparenchym fehlen aber hier
die Oxalatablagerungen ganz und gar. Hiermit steht im Einklänge, dass
dieses Quassiaholz, bei 100° C. getrocknet, nur 3,6 pC. Asche gibt, die
Rinde aber 17,8 pC. In der Picrasma (vergl. Lignum Quassiae jamaicense)
stellen sich diese Werthe sehr abweichend heraus.
In Betreff des Harzgehaltes und der übrigen chemischen Verhältnisse,
so wie des Geschmackes gilt für die ächte Quassia das beim Picrasma-Holze
angeführte. .
Es scheint, dass die Eingeborneu Surinams mit den mediciuischen Eigen-
schaften ihrer Quassia bekannt waren und dass dieser Name auch aus der
Landessprache stammt. Schon 1714 werden die Blüthen als Magenmittel
der Eingebomen erwähnt. Die Rinde gelangte bereits 1 730 nach Amsterdam
und zu Hallers Zeit (1742) war die Quassia etwas allgemeiner bekannt,
obwohl erst eine Abhandlung Linne’s 1763 ihre Kenntniss mehr ver-
breitete. Von Roland er aus Surinam nach Stockholm mitgebrachte
Stücke des Holzes erregten 1756 daselbst noch besondere Aufmerksamkeit.
Dahlberg brachte 1760 einen blühenden Zweig, welchen er in Surinam
von einem Negei Quassi erhalten hatte, der das Holz als Geheimmittel gegen
Fieber gebrauchte. Linne benannte die Pflanze nach dem Neger, der 1772
in Paramaribo noch andern Europäern bekannt war.
Erst später scheint das Holz der Picrasma aus Jamaica in den Handel
gelangt zu sein.
Lignum Quassiae jamaicense.
Lignum Picrasmae s. Picraenae. Lignum Quassiae novae. Jamaica-
Quassiahqlz. Bois de Quassia de la Jamai'que. Bois amer. Quassia.
Picrasma excelsa Planchon. — Sintarubeae.
Syn.: Picraena excelsa Lindley.
Simaruba excelsa De Candolle.
Quassia excelsa Swartz.
Das jamaikanische Bitterholz ist ein 60 bis lOOFuss hoher, unserer
Esche ähnlicher Baum der Gebirgswälder Jamaikas und der kleinen Antillen
mit unscheinbaren Blüthen.
Bis über 1 Fuss dicke, im Querschnitte rundlicheoderelliptischeStamm-
s uc e oder Aeste bilden die Haudelswaare, welche gewöhnlich noch mit
Flückiger, Pharmakognosie.
322
Hölzer.
der bis 0,01m dicken, schmutzig braunschwarzen, sehr festen, zähen Rinde
bekleidet ist. In ihrer äussersten Lage besteht dieselbe aus einer dunkeln,
% Millimeter starken, spröden, fast hornartigen Korkschicht, welche leicht
abblättert und die grünliche oder grauweisse Mittelrinde entblösst. Die
Aussenfläche der Rinde ist durch sehnige, wenig erhöhte gerundete, gerade
oder etwas schief verlaufende Längsrippen geadert. Die helleren, graulichen,
breiten Zwischenräume sind ziemlich tief, oft bis an das Holz aufgerissen
und bilden unregelmässige Längsfurcheu.
Die Rinde bricht faserig, lässt sich gut schneiden und zeigt auf dem
Querschnitte eine schwarzbraune, feinstrahlige Innenschicht, welche durch
eine stellenweise nur sehr schmale weisse Mittelrinde vom Korke getrenut
ist. Au andern Stellen dagegen werden die breiten Bastkeile durch sehr
ansehnliche Partieen der hellen Mittelrinde aus einander gehalten. Bisweilen
zeigen sich einzelne Stränge der letzteren völlig von Bastkeileu umschlossen,
indem diese in der Anordnung ihres von feinen, hellen Markstrahlen durch-
setzten Bastes insofern grosse Unregelmässigkeiten darbieten, als die Mark-
strahlen und demgemäss auch die etwas breiteren einzelnen Baststrahlen
nicht gerade radial gerichtet, sondern zickzackförmig oder schlängelig
gebogen sind. Da endlich auch die schwarze oder grünschwarze Korkschicht
tief in die Mittelrinde eingreift, so entsteht eine ziemlich eigenthümliche,
geflammte und feinstrahlige Zeichnung der ganzen Rinde. Ihre ziemlich
glatte, fein längsstreifige, braungrauliche Innenfläche erhält zugleich durch
die in kurze Vertikalreiheu gestellten hellen Markstrahlen ein äusserst fein
gefeldertes Ausehen.
Das leichte, weisse Holz ist gut spaltbar, von dichtem Gefüge, dem
unbewaffneten Auge eben noch die äusserst zahlreichen genäherten , feinen
und gerade laufenden Mai'kstrahlen darbietend, welche die unregelmässig
kreisförmig auf einander folgenden Grenzlinien der verschiedenen Holz-
schichten durchschueiden. Diese an die Jahresringe unserer einheimischen
Hölzer erinnernden wellenförmigen Kreislinien folgen sich in etwas ungleichen
Abständen und sind sowohl durch sehr geringe Unterschiede in der abwech-
selnd ein wenig hellereu oder dunkleren, sehr schwach gelblichen Färbung
als auch durch die Anordnung der feinen Gefässe und nach aussen zu-
nehmende Weite ihrer Höhlung bezeichnet. Das Centrum wild %on einem
lockeren , helleren , nur ein paar Millimeter dicken Markcylinder ein-
genommen.
Der Längsschnitt sowohl in tangentialer als in radialer Richtung er-
scheint durch die geringe Vertikalhöhe der Markstrahlen quer gestreift,
glänzend.
Ganz unabhängig von diesen Strukturverhältnissen zeigen sich da und
dort auf dem Querschnitte durch einen ganzen Stamm blauschwarze, zarte
Zeichnungen, entweder leichte, landkartenähnliche Umrisse, Zickzacklinien
oder grössere zusammenhängende Klekse. Diese Figuren erscheinen so-
wohl in der Rinde, besonders auf ihrer Innenfläche, als in der Cambialzone
Lignum Quassiae Jamaicense.
323
und im Innern des Holzes bis zum Marke und lassen sich in vertikaler
Richtuug durch ganze Stammstücke hindurch verfolgen, wenn dieselben der
Länge nach gespalten werden.
Der Kork enthält sehr zahlreiche Lagen tafelförmiger, gewölbter oder
oft fast kubischer Zellen, welche in den äusseren Schichten mit dunkel-
braunem Inhalte versehen sind und stark verwittern , während die inneren
zartere, grünlich braune, die innersten aber farblose Wände besitzen und
keinen Inhalt führen. Obwohl der Kork oft in tiefen Buchten in die Mittel-
rinde eindringt, so kömmt doch nicht eigentliche Borkenbildung1) vor und
die Mittelrinde ist nirgends ganz verdrängt. Sie ist aus tangential gestreckten
Zellen mit oft knorpelig verdickten und manigfach verbogenen Wänden
gebildet, nur die an den Kork grenzenden Schichten enthalten mehr kubische
Zellen, welche mit Krystallen gefüllt sind, von denen selten einer im Korke
selbst vorkömmt. Vielleicht steht gerade die grosse Anhäufung der Kry-
stalle in dieser niemals fehlenden Schicht im Zusammenhang mit der Kork-
bildung. Die Innenrinde ist aus dünnwandigem, weitmaschigem Bast-
parenchym und vorherrschendem prosenchymatischem oder wenigstens axial
gestrecktem Gewebe zusammengesetzt. Beide Formen bilden auf dem Quer-
schnitte abwechselnde, doch selten scharf begrenzte Schichten. Die gelb-
lichen Wände des gestreckten Bastgewebes sind etwas knorpelig verdickt,
mannigfach verbogen und oft fast zahnartig in einander greifend; entweder
umschliessen sie weitere Höhlungen baströhrenartiger, zu Gruppen ver-
einigter Zellen, oder aber die Wandungen sind so sehr eingesunken,
dass die Zellhöhlung kaum mehr zu unterscheiden ist, namentlich da auch
die Wandungen ganzer Zellenreihen dieses eigentlichen Hornbastes Zusammen-
flüssen. Noch inniger verwachsen und weniger zu entwirren ist dieses
Gewebe auf dem Längsschnitte, wo selbst die gerundeten Enden jener zu
Gruppen oder Bündeln vereinigten weiteren Bastzellen nicht leicht zu er-
kennen sind. Sie unterscheiden sich daher bestimmt von den eigentlichen,
in scharfe, spitze Enden auslaufenden, starren und mit sehr deutlichen
Porenkanälen versehenen Baströhren anderer Rinden. Diese letztere Zellen-
form, sowie auch die Steinzellen, fehlt der Quassia ganz.
Bietet dieses Gewirre von Parenchym und Hornbast der Innenrinde
schon keine grosse Regelmässigkeit dar , so wird dieselbe durch die zahl-
b Berg dagegen beschreibt ausdrücklich eine wahre Borkenbildung. Auch sonst ergeben
sich einige Abweichungen zwischenBerg’s Darstellung und den hier geschilderten Verhältnissen,
welche sich nur daraus erklären lassen, dass vermuthlich beiden Beschreibungen nicht dieselbe
Droge zu Grunde gelegen hat. Schon Bischof f (Med. ph. Botanik 1847, Nachtrag 17) ge-
dachte einer zweiten , dunkelrindigen“ Sorte jamaicanischon Quassiaholzes, welcher vielleicht
meine Stücke angehören. Bisch off vermuthete, dieses Bitterholz stamme von Simaruba
medicinalis Endlicher (Quassia Simaruba Wright — Simaruba amara Hayne) , welche auch
auf Jamaica wächst und deren Wurzelriude als Cortex Simarubae vorkam. Diese letztere
weicht aber jedenfalls vollständig von der hier als Jamaica-Quassia beschriebenen (Stamm-)
Rinde ab , welcher die ausgezeichneten Steinzellen der Simaruba schon ganz abgehen. Zur
vollständigen Aufklärung der Sache fehlt mir authentisches Material.
21 *
324
Hölzer.
reichen Markstrahlen nicht eben erhöht, welche sich, allerdings unter ein-
ander einigermassen parallel , in vielfach gekrümmter Richtung durch die
ganze Bastschicht schlängeln. Die Markstrahlen sind zwei- oder dreireihig,
ihre radial gedehnten Zelleu 20 bis 30 Mikromill. breit, die Wände zart,
im Umrisse (auf dem Querschnitte) im gauzen rechtwinkelig oder rhom-
bisch , jedoch sehr oft stark wellig verbogen. In der Mittelrinde verlieren
sich die Markstrahlen, ohne sich zu erweitern.
Die Markstrahlen pflegen auch die Erklärung der schon erwähnten
blauschwarzen Figuren zu gewähren, welche Holz und Rinde stellenweise
durchziehen. Bei etwas stärkerer Vergrösserung sieht man, dass diese
Zeichnungen durch zarte, fadenartig an einander gereihte, meistens etwa
5 Mikromill. dicke Zelleu hervorgebracht werden. Die einzelne Zelle ist
meist etwa 30 bis 50 Mikromill. laug, gerade oder stellenweise etwas auf-
getrieben, durch und durch von klarer eigentliümlicher Färbung, welche
unter dem Mikroskop schwarzbräunlich mit einem violetten Stiche erscheint
und durch Eisenlösung nicht verändert wird. Diese Zellenfäden lassen sich
beliebig weit verfolgen, sind unter sich vielfach durch Queräste verbunden
und durchdringen überall die Intercellulargänge, in der Rinde besonders
die der Markstrahlen , wo der Widerstand offenbar am geringsten ist. Im
Holze dringen sie auch wohl in die grossen Tiipfelgefässe ein. Fast jeder
Schnitt durch die Rinde bringt diese blauschwarzen Fäden zur Anschauung.
Wo sie, oft in zierlicherWeise, die manchmal schwierig zu verfolgenden
Markstrahlen durchwirken , heben sich dieselben sehr scharf von dem hel-
leren Baste ab. Die Fäden gehören ohne Zweifel dem Mycelium eines Pilzes
au, welcher, wie es scheint, hier niemals zu weiterer Ausbildung gelangt.
Ob derselbe sich schon in dem lebenden Stamme einnistet, oder etwa erst
in Folge von Feuchtigkeit, welcher die Waare später ausgesetzt sein kann,
ist noch zu ermitteln.
Die äusserste würfelzeilige Schicht der Mittelrinde strotzt von Kalk-
oxalat in etwa 20 bis 50 Mikromill. messenden Hendyoedern. Sehr verein-
zelt kommen dergleichen, meist aber weniger gut ausgebildete, auch im
Bastparenchym vor. In den Markstrahlen und in der Mittelrinde finden sich
sehr kleine Stärkekörnchen in geringer Menge. Eisensalze zeigen keinen
Gerbstoff an.
Das Holz besteht vorwiegend aus spitzendigen , ziemlich weiten , sehr
dicht in einander gekeilten Zellen von bedeutender Länge und 12 15 Mikrom.
durchschnittlicher Dicke. Die höchstens 3 — 4 Mikromill. starken Wände
sind nur sehr fein porös. Dieses Holzprosenchym wird in der W eise von
geraden ein- bis drei- aber nicht vierreihigen Markstrahlen durchschnitten,
dass jede von je zwei der letzteren eiugesehlosseue Holzlamelle (Holzstrahl)
3 bis 10 fast parallele Radialreihen von Holzzellen enthält. Die Markstrahlen-
zelleu sind lang radial gestreckt, porös und oft schiefwinkelig. Im tan-
gentialen Längsschnitte erscheint einer der stärksten Markstrahlen etwa
60 Mikromill. breit und aus ungefähr 15 Yertikalreihen von Zellen gebaut.
Lignum Quassiae Jamaicense.
325
Eine einzelne Zelle des Markstrahles ist höchstens gegen 20 Mikromill.
breit. Die bis über 100 Mikromill. weiten dünnwandigen und fein getüpfel-
• teu Spiroi'den finden sich unregelmässig bis zu 4 zusammengestellt in sehr
ungleichen Abständen meistens fast die ganze Breite eines Holzstrahles ein-
nehmend. Die Tiipfelgefässe sind umgeben von nicht sehr zahlreichen wür-
feligen oder im Sinne der Axe verlängerten parenchymatischen porösen
Zellen , welche oft zwischen den Gefässen und den Markstrahlen enge zu-
sammen gepresst erscheinen. Nicht sehr scharf abgegrenzte Streifen dieses
Holzparenchyms durchziehen auch in tangentialer Richtung die Holzstrahlen
und verbinden so die durch eine Holzlamelle getrennten Gefässgruppen.
Diese Parenchym streifen sind an ihrer beträchtlicheren Höhlung im ganzen
schon auf dem Querschnitte leicht von dem engerem Holzprosenchym zu
unterscheiden. Der Wechsel beider Gewebsformen des Holzes bewirkt
die dem unbewaffneten Auge schon deutlich auffallende, annähernd con-
centrisch kreisförmige Zeichnung des Querschnittes durch den Stamm.
Dieselbe entspricht also keineswegs den Jahresringen der Holzpflanzen un-
serer Klimate, wo im Frühling nach einer Periode der Ruhe eine energischere
Neubildung eintritt, deren Gewebe wesentlich gleichartig wie das während
der vorausgegangenen Jahreszeit erzeugte ist, aber, von geringeren Farben-
unterschieden abgesehen, reicher und weiter angelegt erscheint und dadurch
allein kontrastirt.
Das vom Holze scharf abgegrenzte Mark enthält ansehnliche kugelig-
eckige Zellen, deren derbe poröse Wände durch Jod eine braungelbe Färbung
annehmen. Die hier zahlreich abgelagerten Oxalat-Krystalle sind noch grösser
als che der äussersteu Mittelrindenschicht.
Auch im Holzparenchym sind diese Krystalle vorhanden. Im übrigen
trifft man da und dort im Holze in geringer Menge braungelbe Harztropfen
oder, namentlich in den Gefässen der Peripherie, schön gelbe feste splitte-
rige Harzklumpen.
Der Geschmack des Quassiaholzes und seiner Rinde ist rein und an-
haltend bitter; er kömmt im höchsten Grade dem von Winkler (1835)
daraus rein dargestellten Quassiin (Quassit) O10H12-O3 (nach Wiggers)
zu. Dieser, wie es scheint, nicht spaltbare indifferente Bitterstoff krystal-
lisirt aus verdünntem Weingeist und löst sich nicht in Aether. Das Holz
liefert davon nur etwa 1 p. Mille. Aus dem officinellen Extracte ist es
nicht mehr gut zu erlangen. Auch die Blüthen und Blätter des Baumes
schmecken bitter. Die Rinde1) der gleichfalls den Simarubeen angehö-
rigen Samadera indica Gärtner in Ostindien, vorzüglich auf Ceylon,
soll reicher an Quassiin sein (Dittrich). Die schwach narkotischen Wir-
kungen des Quassiins zeigen sich bekanntlich an Insekten (Fliegen) deutlich.
Nach Bennerscheidt liefert das Quassiaholz bei der Destillation eine
gelinge Menge eines krystallisirbaren Kamphers. Auf dem radialen Läugs-
h Von Borg beschrieben: Zeitschr. d. allg. Österreich. Apoth.-Voroius 1865.
320
Hölzer.
schnitte des Holzes sieht man oft grosse farblose Tropfen , vielleicht äthe-
risches Oel. Das Extract scheint Aepfelsäure, auch Weinsäure zu enthalten.
Der wässerige Auszug der Quassia fluorescirt äusserst schwach; selbst bei •
Anwendung der Rinde von Picrasma allein und nach Zusatz von Alkalien
oder Säuren ist das Schillern kaum wahrnehmbar und entfernt nicht mit
einem Auszuge der Rinde von Aesculus Hippocastanum zu vergleichen.
Eine weingeistige Tinctur dagegen fluorescirt recht deutlich und scheint sich
spektroskopisch vom Aesculin verschieden zu verhalten.
Bei 100° C. völlig getrocknetes Holz lieferte mir 7,8 pC. Asche, die
Rinde 9,8 pC.
Das Holz der jamaikanischen Quassia ist schon seit Ende des vorigen
Jahrhunderts als völlig gleichwerthig neben demjenigen aus Surinam in
Gebrauch gezogen worden. British Pharmacopoeia (1864) hat nur das
erstere aufgenommen, während Pharm. Borussica (1862) es verbietet.
Lignum Guajaci.
Lignum benedictum s. sanctum. Lignum vitae. Pockholz. Franzosenholz.
Guajakholz. Bois de gaiac ou de gayac. Guaiac wood.
Gnajacum officinale L. — Zygophylleae.
Immergrüner bis 40 Fuss hoher Baum mit schenkeldickem Stamme und
gabeitheiligen ausgebreiteten Aesten, vorzüglich auf Jamaika, St. Thomas,
St. Domingo und anderen westindischen Inseln einheimisch.
Der Grosshandel liefert davon bedeutende oft centnerschwere Stamm-
stücke oder einfache starke Aeste, welche alle gewöhnlich der Rinde beraubt
sind. Das Holz ist durch sein hohes, wohl von keinem anderen Holze über-
troffenes specifisches Gewicht (etwa 1,3) und seine Dichtigkeit auffallend und
lässt sich nur sehr unvollkommen spalten und schneiden, weshalb es auch
im Kleinhandel nur geschnitten oder geraspelt gehalten wird.
Die glatte oder etwas querwulstige, hell graugelbliche Oberfläche mitt-
lerer Stämme von ungefähr 0,20'" Durchmesser, wie sie von der Rinde be-
freit, aber sonst unversehrt häufig Vorkommen, ist von sehr zahlreichen
genäherten, wenig aber scharf liervortretenden Streifen der Länge nach
durchzogen, welche in sehr gestreckten Curveu oder in sanften W ellenliuien
verlaufen. Die Linien eines Wellensystems sind unter sich parallel, nicht
aber die verschiedenen Systeme, welche sich vielmehr spitzwinkelig schnei-
den, so dass die im grossen wellenförmige Streifung stellenweise eine aller-
dings hier weniger auffallende rhombische Zeichnung darbietet, wie sie z. B.
auch der Oberfläche der Rhabarber eigeu ist. Einzelne Wellenlinien erwei-
tern sich zu feinen Längsspalten.
Der Querschnitt eines Stückes von angegebener Dimension zeigt eine
hellgelbliche, etwa 0,02m breite Zone (Splint), welche vom inneren grünlich-
braunen Kerne scharf abgegrenzt ist. Sowohl in diesem letzteren als auch
Lignum Guajaci.
327
im Spliute finden sich abwechselnd hellere und dunklere Schichten, welche
besonders im Splinte auch noch durch die schichtenweise Gruppirung der
Gefässe bezeichnet sind. Es entstehen dadurch sehr zahlreiche, an Jahres-
ringe erinnernde Kreise, deren Gesammtbild sehr deutlich in die Augen
fällt, obgleich die Peripherie der einzelnen Ringe sich nicht gut verfolgen
lässt und auch selten einen geschlossenen Kreis (oder Ellipse) beschreibt.
Im Splinte jenes Stückes lassen sich z. B. über 20, im Kernholze über 30
solcher Ringe zählen; das gemeinschaftliche marklose Centrum liegt in den
meisten Fällen nicht in der Axe des Stammes oder Astes.
Die feinen Markstrahlen des Guajakholzes sind für das unbewaffnete
Auge nicht sichtbar; die Loupe zeigt sie in sehr grosser Zahl und in
äusserst geringen gleichmässigen Abständen. Die Höhlungen der Gefässe
(Poren des Holzes) lassen sich bis in das Centrum wahrnehmen und ent-
halten im Kerne und in den inneren Lagen des Splintes bräunliches Harz,
während die unmerklich weiteren Gefässe in der Peripherie des Splintes
leer sind.
Den dicksten Stücken fehlt der Splint; schon z. B. bei 0,25'n Stamm-
durchmesser ist er auf 0,005m beschränkt.
Seltener und weniger auffallend tritt auch im Guajakholze ein ähnlicher
oder wahrscheinlich derselbe Pilz auf wie in Quassia (vergl. Lignum Quas-
siae jamaicense). Die Zellenfäden des Guajakpilzes sind, vielleicht nur des
grösseren Widerstandes wegen, bedeutend kürzer.
Von starken Querscheiben des Guajakholzes lassen sich in der Richtung
der concentrischen Ringe mit Mühe splitterige zackige Platten von geringer
Ausdehnung absprengen, auf denen sich die wellenförmigen Zeichnungen
der Stammoberfläche (nach Beseitigung der Rinde) wiederholen. Die Holz-
bündel sind aufs dichteste mit einander verflochten und nur auf kurze
Strecken gerade und gleichlaufend. Den Scheinringen entsprechend folgen
sich Stränge dieses Flechtwerkes von innen nach aussen in eiuigermassen
geordneten Lagen, obwohl in abweichender Richtung streichend. Seitlich
aber greifen die Holzstränge ihres wellenförmigen Verlaufes wegen sehr un-
regelmässig in einander, so dass das Holz sich in radialer Richtung nicht
spalten lässt. Den besten Aufschluss über diese Verhältnisse gewähren
dünnere Querscheiben ganzer Stämme, welche man zerschlägt. Es zeigt sich
dann deutlich, dass in jeder der concentrischen Lagen die Holzbündel un-
gefähr in derselben Ebene verlaufen, aber in der Projektion auf dieselbe
(oder eigentlich auf die Cylinderfläche) nicht vertikal , sondern mit wellen-
förmigen Aus- und Einbiegungen aufsteigen. Das Wellensystem eines Ringes
ist ziemlich unabhängig von demjenigen der benachbarten, annähernd pa-
rallelen Holzlagen, und die gefässreicheren Ringe sind ja überhaupt durch
Parenchymzonen etwas getrennt. Indessen erfolgt auch hier, den Schein-
ringen entsprechend, der Bruch oder die Spaltung nicht glatt, da die Holz-
handel auch in radialer Richtung eiuigermassen verflochten sind.
Die einzelnen Markstrahlen sind immer nur einreihig, besitzen eine
328
Hölzer.
geringe Mächtigkeit von nur 60 bis 70 Mikronnil. in der Vertikalen und siud
häufig um die Gefässe herumgebogen , so dass sie auf die Spaltbarkeit des
Holzes ohne Einfluss sind. Dieselbe wird vielmehr in radialer Richtung
durch die erwähnten Wellensysteme der Holzstränge bestimmt, welche von
Schicht zu Schicht, ohne scharf abgegrenzt zu sein, doch nicht miteinander
übereinstimmen. Jede durch das Ceutrum eines Stammes oder Astes ge-
legte, mit der Axe parallele Ebene durchsetzt daher nicht vertikale Holz-
bündel , sondern links und rechts ausbiegende Curven von sehr veränder-
licher, oft der Vertikalen genäherter Richtung. Zerbricht man nun eine
Querscheibe mitteu durch ihr Centrum, so wird die Richtung der Bruch-
linie, nur durch die Curven der Holzbüudel bestimmt, zickzackförmig zur
linken und zur rechten vom Radius abweichend ausfallen müssen. Beide
Hälften der zerbrochenen Scheibe passen nicht ohne weiteres zusammen,
sondern greifen zahnartig in einander. Nur in der Mitte des Stammes wer-
den die Curven durchgängig steiler, mehr gerade. Ein konstanter Neigungs-
winkel der Holzbündel lässt sich daher nirgends festhalten, so wenig
als für die Holzstränge oder Lamellen eine seitliche Begrenzung zu fin-
den ist.
Auf dem radialen Längsschnitte durchsetzen die Markstrahlen als feine,
ganz regelmässige Horizontalstreifen die Holzbündel ziemlich rechtwiukelig.
Der radiale Schnitt gibt in so fern Aufklärung über die Richtung der letzte-
ren, als einige derselben der Länge nach , andere schief oder quer getroffen
werden und man daher auch die Gefässe in allen möglichen Richtungen
durchschnitten findet. Dagegen erscheinen nun hier nothwendig keine Cur-
ven, indem dieselben ja in der tangentialen Ebene (Cylinderoberfläche)
nicht in der radialen aufsteigen.
Der tangentiale Schnitt lässt die Markstrahlen weniger hervortreten, und
hier kreuzen sich die Reihen ihrer quer durchschnittenen Spalten schief-
winkelig mit den Holzbündeln, wo dieselben eben eine stark gekrümmte
oder gar geknickte Curve beschreiben. Wo die Curve mehr gestreckt ist,
entstehen mehr recht winkelige Zeichnungen.
Das Holz ist für die mikroskopische Untersuchung schwer zu schneiden,
doch ist der Splint weit lockerer und schwimmt auf dem Wasser, während
das Kernholz sogleich uutersinkt.
Die Hauptmasse des Guajakholzes besteht aus geraden oder gekrümm-
ten, mässig langen, cylindrischen spitzendigen Holzzelleu, welche sehr dicht
in einander gekeilt und verwachsen siud , und nur noch eine äusserst be-
schränkte Höhlung besitzen, von welcher aus zahlreiche. enge Kanäle die
fein geschichteten Wände durchbrechen. Die Dicke dieser prosenchymati-
schen Zellen beträgt ungefähr 15 bis 20 Mikromill. , ihre Länge lässt sich
nur schwer verfolgen. Im Kernholze sind sie gelbbräunlich, im Splinte nur
sehr schwach gelblich gefärbt, aber von gleichem Baue. Im polarisirten
Lichte zeigen sie innerhalb einer hellen Membran einen dunkeln Kern, der
(im Querschnitte) ein noch dunkleres Kreuz auuimmt.
Lignum Guajaci.
329
Auf dem Querschnitte bildet das Holzprosenchym weder in tangentialer
noch in radialer Richtung Reihen, wie sich schon aus dem bereits geschil-
derten Gesammtverlaufe der Holzbündel mit Nothwendigkeit ergibt. Die
Markstrahlen dagegen erscheinen ziemlich gerade und unter sich parallel und
durchschneiden das Holz in der Weise, dass jeweilen etwa 3 bis 6 oder 10
Holzzellen von einem Markstrahle zum andern gezählt werden können.
Die Zellen der letzteren stehen in einer einzigen , sehr schmalen Reihe von
2 bis 7 Mikrom. Breite. Ihre ziemlich dicken Wände sind porös und durch
den Druck der benachbarten Holzzellen oder der grösseren Gefässe etwas
verbogen. Im radialen Längsschnitte sind die Markstrahlen von der gewöhn-
lichen mauerförmigen Gestalt, auf dem tangentialen Schnitte erscheinen sie
als höchstens 10 Mikrom. breite, von 3 bis 6 quer durchschnittenen über
eiuander gelagerten Zellen eingenommene Spalten.
Die dickwandigen, höchstens bis 150 Mikromill. weiten cylindrischen
Gefässe (Spiroklen) stehen einzeln und nehmen, mit Ausnahme der kleinsten,
die ganze Breite einer von zwei Markstrahlen begrenzten Holzlamelle ein,
sehr oft aber sogar die Breite mehrerer Lamellen, indem die Markstrahlen
von ihrem geraden Verlaufe abweichend, sich um die Gefässe herumbiegen
oder auch vor dem Gefässe abbrechen. Schmale Holzlamellen sind oft auf
grossen Strecken ganz frei von Gefässen. Die letzteren sind durch sehr
zahlreiche kleine Poren getüpfelt, in kurzen Abständen mit dünnen Quer-
wänden versehen und oft von sehr bedeutender Länge.
In der Nähe der Tüpfelgefässe sieht man das Holzprosenchym da und
dort unterbrochen von Lücken, deren Weite durchschnittlich der Dicke der
Holzzellen gleichkömmt. Oft sind zwei durch einen oder mehrere Mark-
strahlen und Holzlamellen getrennte Gefässe durch eine Reihe solcher Lücken
quer verbunden. Ueberhaupt durchziehen einreihige Querbänder dieser
Lücken oder Zellen da und dort das Holzparenchym in ziemlich uuregel-
mässiger Weise. Immer bilden sie nur einfache, gerade oder etwas gebogene
Reihen, welche aber sehr häufig wieder durch einzelne prosenchymatische
Holzzellen unterbrochen sind , so dass sie die Markstrahlen sehr oft schief
kreuzen. Im radialen Längsschnitte stellen sich diese Lücken als senkrecht
in grösserer Zahl über einauderstehende kubische oder axial gestreckte
Zellen mit nicht sehr dicken Wänden dar. Sie entsprechen also dem Holz-
parenchym in Lignum Quassiae surinamense, sind jedoch schwächer aus-
geprägt. Die concentrischen Ringe auf dem Querschnitte des Guajakstammes
sind noch weniger durch die Holzparenchym -Bänder oder Zonen bedingt,
als bei Quassia, sondern vielmehr durch die Anordnung der Gefässe.
Hauptbestandtheil des Guajakholzes ist das Harz (vergl. Resina Guajaci),
welches ungefähr y4 des Gesammtgewichtes beträgt.
Den äusseren Schichten des Splintes fehlt es ganz und gar, in den
inneren erfüllt es die Spiroiden als braungelbe, splitterige Masse, oder, auf
dem frischen Bruche, als schön rothgelbe, klare Körner, welche, im polari-
sirten Lichte geprüft, keine Krytallisation erkennen lassen. Ebenso ist das
330
Hölzer.
Harz in den Gefässen des Kernholzes und in dessen Markstrahlen abgelagert,
im Holzproseuchym dagegen weniger reichlich in halbflüssiger Form als
gelbbräunliche Tropfen. In grosser Menge ausgesondert trifft man es auch
auf Spalten, welche sich da und dort im Holze finden.
Das Harz färbt sich bekanntlich durch verschiedene Oxydationsmittel
schön blau, so dass das längere Zeit der Luft ausgesetzte Kernholz einen
Stich ins grünlich blaue annimrat, was in ausgezeichneterWeise auch ein-
tritt, wenn man Splitter oder feine Schnitte mit sehr verdünnter Eisen-
chloridlösung tränkt und mit etwas Weingeist befeuchtet. Der Splint erleidet
durch diese Behandlung keine Veränderung oder es färben sich nur die
Spiroi'den der inneren Schichten, wo die Harzbildung schon begonnen hat.
Es scheint demnach, dass dieselbe erst nach längerer Zeit eintritt und wohl
nicht auf einer Metamorphose der Zellwand beruht, indem die zu äusserst
stehenden jüngeren Gefässe, welche ganz frei von Harz sind, im übrigen
vollkommen den harzhaltigen Spiroi'den des Kernholzes gleichen. Da harz-
freie Schichten (Splint) den dicksten Stämmen ganz zu fehlen scheinen, so
muss wohl im Alter das Gewebe zu einer rascheren Harzbildung befähigt sein.
Auf dem radialen Längsschnitte sieht man , dass in den Vertikalreihen
des Holzparenchyms die Zellen einzelne, fast kugelige, nicht gut ausgebildete,
gleichsam abgeschliffene Krystalle einschliessen , ohne Zweifel Kalkoxalat,
weil sie sich ohne Brausen in Salzsäure lösen, nicht aber in Essigsäure. Dem
Splinte fehlen diese Krystalle. Sie sind aber in so geringer Menge vor-
handen, dass sie auf den Aschengehalt ohne Einfluss sind. Der sorgfältig
getrennte Splint, bei 100° C. getrocknet, gab mir nur 0,91 pC. Asche, das
Kernholz 0,60 pC., also sogar noch weniger. Die anorganischen Bestand-
theile sind demnach ohne allen Einfluss auf die Schwere und Dichtigkeit
dieses Holzes.
Landerer’s Guajacin, als Krystallabsatz aus der Tinctur erhalten,
so wie Righini’s Guajak säure waren vermuthlich Bestandtheile des
Harzes (siehe Resina Guajaci) in unreiner Form. Denselben Namen gab
Trommsdorff auch einem unten bei der Guajakrinde zu erwähnenden
Bitterstoffe, der im Holze nur in geringer Menge vorkömmt.
Der Splint ist geschmacklos, das Kernholz besitzt einen schwach aroma-
tischen, zugleich ein wenig kratzenden Geschmack und entwickelt beim
Erwärmen einen schwachen angenehmen Geruch, der übrigens schon
beim Reiben und Schneiden des Holzes merkbar ist.
Das Wort Guajak ist westindischen Ursprunges und findet sich z. B. in
den Ortsbezeichnungen Guajama, Guanica, Guayavas auf Porto Rico wieder,
lautete aber, wie Hutten schon erzählte, eigentlich Hujacum. Die Anwen-
dung des Holzes lernten die Spanier von den Eäugebornen St. Domiugos
und brachten dasselbe schon 1508 unter dem Namen Palo Santo (lignum
vitae, lignum sanctum) nach Europa, wo es noch 1532 sehrtheuer (1 Pfund
1 1 Ducaten) war. In Deutschland trugen Nicolaus Poll (1517) und Leon-
Lignum Guajaci. 001
hard Schmaus1) zur Verbreitung des .heiligen oder indischen Holzes“ bei,
ganz vorzüglich aber Ritter Ulrich von Hutten,11) welcher nach langem,
vergeblichem Gebrauche des Quecksilbers seine Heilung von heftiger Syphilis
(1 50G— 1509) dem neuen, hochgepriesenen „Lebensholze“ verdankte. Mau
unterschied aber damals von dem aus St. Domingo kommenden Holze das-
jenige aus San Juan de Puerto Rico (Portorico), welches in dem weit
beträchtlicheren weisslichen Splinte einen nur sehr geringen, fast bläulichen
Holzkern einschloss, unter dem Namen Lignum sanctum sine matnce, als
eigentliches Heiligenholz. Andere nahmen selbst eine dritte Sorte an.
D Noch jetzt führen in Süd- Amerika mehrere verwandte Bäume den Namen
palo (Holz) Santo, und ersetzen dort unser Guajacum officinale. So vor-
züglich Gr. sanctum L., auf den Bahamas, den Floridanischen Inseln (Key
West), auf St. Domingo, in Brasilien, Paraguay, welches wohl ursprünglich
jenes Lignum sanctum lieferte.
Guajacum jamaicense Tausch scheint nur eine Abart des G. officinale
zu sein.
Die sehr spröde Rinde des Guajaks trennt sich leicht vom Holze und
kömmt daher nicht oder nur selten mit demselben im Handel vor. beüher
war sie seit Linne’s Empfehlung bisweilen als Cortex Guajaci für sich
officinell, ist aber ganz in Vergessenheit gerathen. Sie bildet schwere, kurze,
bis 0,10m breite und 0,002 bis 0,0 10m dicke, flache oder etwas gerollte
Stücke, welche entweder mit dem blätterigen, schmutzig gelblich grauen
Korke bekleidet sind oder, wo derselbe abgestossen ist, die dunkelgrüne
Mittelrinde zu Tage treten lassen. Dieselbe ist dann häufig mit flachen und
v/enig vertieften, rundlichen Narben (ähnlich den „Concbas“ der Calisaya
China) der abgestossenen Korkschuppen besetzt. Die Aussenfläche ist sehr
unregelmässig höckerig und rissig, wo sie noch vom Korke bedeckt ist, die
glatte mit hell glänzenden Pünktchen flimmernde Innenfläche zeigt oft die-
selbe feine Längsstreifung wie die Oberfläche des Splintes. Je nach dem
lokalen Verlaufe der im grossen wellenförmigen Streifen kreuzen sie sich
schief oder rechtwinkelig mit den kurzen Markstrahlen (und Krystallzellen)
des Bastes und erzeugen damit ein sehr feines, dem unbewaffneten
Auge kaum mehr sichtbares, zierliches Netzwerk. Häufig wird die hell
gelbgraue Farbe der Innenfläche durch dasselbe blauschwarze Pilzmy-
celium gefleckt, welches bei Lignum Quassiae erwähnt ist. Die sehr
1) Lucubratiuncula de morbo gallico et cura ejus noviter reperta cum ligno indico.
Aug. Vindelicor. 1518.
2) durch die für jene Zeit klassische Schrift: Ulrichi de Hutten eq. de Guajaci medi-
cina et morbo gallico über unus. Moguntiae in aedib. Joannis Schcffer 1519, 43 S. in Quart.
Es erschienen davon andere Ausgaben: 1521 zu Bologna, 1523 und 1531 zu Mainz, dann,
deutsche (Strassbiirg 1519), englische (Loudonl536) und französische (Paris) Uobersetzungen.
Hutten verglich den Baum nicht unpassend mit der Esche, das Holz mit dom des Buxos,
Jedoch sei dasselbe im Innern schwärzlich, fettig, sehr schwer und hart, nicht spaltbar
harzreich.
332
Hölzer.
harte1) Rrndc bricht ausgezeichnet regelmässig blätterig, ohne jenes zahn
art,ge Eingreifen Her Schichten zu zeigen, welchen L
ruch des Holzes bedingt. Der Querschnitt lässt eiue in dickeren Stücken
erkennen h//™’ gdbe SteinzeIleü körnige Mittelrinde
erkennen wahrend der grösste Theil des Schnittes von der fein gefelderten
Innenrinde eingenommen ist.
Der anatomische Bau bietet verschiedene Eigentümlichkeiten dar.
er Kork besteht zunächst aus vielen Reihen gelber oder gelbgrüner, nach
aussen und den Seiten sehr auffallend knorpelig verdickter Tafelzellen, auf
welche einige Reihen etwas gewölbter, weniger dickwandiger, durch Luft-
gehalt gewöhnlich etwas dunkler Korkzeüen folgen. Dieselben bedecken
eine zusammengefallene Schicht tangential gestreckten, durch Chlorophyll
giun gefärbten Parenchyms. Dergleichen grüne Zonen wechseln nach innen
mehrfach ab mit sehr dicht gedrängten Schichten gelber Steinzellen von
bald würfeliger, bald mehr kugelig-eckiger oder gestreckter Form. Die regel-
mässigsten derselben nehmen auf dünnen Querschnitten im polarisirten
Lichte ein scharf ausgeprägtes schwarzes Kreuz auf hellem Grunde an
ähnlich wie grosse Stärkmehlkörner. Deutliche Markstrahlen fehlen hier'
Weiter nach innen findet sich zwischen diesen Steinzellenschichten stärke-
haltiges, etwa 3reihiges Parenchym, das allmälig in die Bastschicht über-
geht, welche dieselben Steinzellen, jedoch öfter axial gestreckt, enthält.
Hier wechseln ihre dicht gedrängten Schichten ab mit Bastparenchym
dessen nur wenig vertikal gestreckte Zehen fast immer einen KrystaU von
Kalkoxalat einschliesseu. Diese in sehr grosser Zahl vorkommenden, an
beiden Enden zugespitzten Prismen erreichen eine Länge von etwa 100
Mikromill. bei ungefähr 15 Mikromill. Dicke. Ihre Länge entspricht nämlich
den Markstrahlen, welche aus einer einzigen Vertikalreihe von 4 bis 6 Zellen
bestehen. Ebenso regelmässig sind auch die Oxalat- Prismen vertikal
gestellt und von ziemlich gleicher Breite wie die Markstrahlen. Der tangen-
tiale Schnitt aus der Innenfläche der Rinde , wo die Steinzellenschichten
durch Hornbast ersetzt sind, zeigt daher vorwiegend gleich hohe, hori-
zontale oder etwas geneigte Reihen aus sehr regelmässig abwechselnden
Markstrahlen und krystallführendem Bastparenchym, da und dort unter-
brochen durch mehr kubische, von Oxalat freie Bastzellen. Gegen die
Mittelrinde hin verlieren sich die Markstrahlen, ohne sich zu erweitern.
Besonders auf dem radialen Längsschnitte durch die inuersten Schichten
des Bastes erscheinen die Prismen oft mit einem einspringenden Winkel von
141 nach Holzuer2) versehen, welcher durch Hemitropie der dem mono-
klinischen System augehörigen Krystalle entsteht. Diese Gestalt des Kalk-
oxalates entspricht daher ohne Zweifel der Formel G2 Ca2 O4 -+- H‘- 0.
J) Hutten (1519) nannte sio schon ,haud ita densus, sed iminodicc durus4
gleiche mit dem Holze.
2) in der bei Cortox Strychni angeführten Abhandlung S. 16.
im Vor-
Lignutn Guajaci.
333
während die im Parenchym des Kernholzes sparsam abgelagerten , freilich
sehr unvollkommen ausgebildeten Krystalle vermuthlick dem quadratischen
Systeme angehören und 3H20 halten dürften. Löst man die schönen Pris-
men der Guajakrinde in heisser Salzsäure , so schiessen bei langsamem Er-
kalten ausgezeichnete Combinationen der quadratischen Säule mit dem
Quadratoktaeder an; bei etwas mangelhafter Ausbildung treten sie manch-
mal zu Drusen zusammen , welche an die so viel verbreiteten Krystallroset-
ten erinuern, wie sie z. B. in der Rhabarber Vorkommen. Das Kalkoxalat
der Guajakrinde (Cort. ligni sancti) wurde schon 1785 von Scheele er-
kannt, dann vielfach für Gyps, Arragonit oder gar für Benzoesäure gehalten
und erst in neuester Zeit chemisch und krystallographisch festgestellt.
Gleiche Krystalle wie in der Guajakrinde sind bis jetzt nur erst in der Rinde
von Quillaja Saponaria Molina (Rosaceae) nachgewiesen.
Wie das Mikroskop zeigt, ist die Guajakrinde sehr reich an Kalkoxalat.
Sie gibt in der That (bei 100° C. getrocknet) nicht weniger als 23 pC.
Asche, also etwa dreissigmal mehr als das Holz. Yock hat unter meiner
Leitung die Oxalsäure direkt titrirt. 4,587 Gramm, bei 100° C. getrockneter
Rinde lieferten ihm 0,819 krystallisirter Säure G2H606, entsprechend
(0,949 Gramm, oder) 20,7 pC. Oxalat G2Ca2Q4 -|-H2G-. Diese Menge
würde beim Einäscheru 14 pC. kohlensauren Kalk geben, während 15 bis
20 pC. davon gefunden wurden. Der Ueberschuss des Kalkes scheint an
Weinsäure gebunden zu sein. Manche Proben der Rinde enthalten überdies
auch kohlensauren Kalk und brausen stark mit Salzsäure.
Der Harzgehalt der Guajakrinde ist nur höchst unbedeutend, da er
fast ganz auf die geringe Höhlung der noch nicht vollständig verholzten
Steinzellen beschränkt ist, sofern der Inhalt derselben nicht vielmehr aus
Farbstoff besteht. Das Harz ist verschieden von dem des Holzes und bläut
sich nicht mit Salpetersäure. Die Rinde schmeckt schleimig, dann ziemlich
stark bitter und entwickelt weder beim Kauen noch beim Erwärmen das
Aroma des Holzes. Trommsdorff hat den Bitterstoff durch Fällung des
alkoholischen Auszuges mit Schwefelsäure erhalten und Gu aj acin genannt.
Er verdient nähere Untersuchung. Die chemische Constitution der Rinde
und des Holzes geht demnach so sehr auseinander, dass sie als zwei grund-
verschiedene Drogen zu betrachten sind.
Bei Guajacum sanctum scheint auch das Holz, nicht nur die Rinde einen
Bitterstoff zu enthalten.
334
Rinden.
III. Rinden.
A. Kork.
Silber quercinum.
Kork. Liege. Cork.
1. Quercus Suber L. — Amentaceae.
2. Quercus oceitleutalis Gay.
Nahe verwandte immergrüne Bäume von mässiger Höhe, im Gebiete
des Mittelmeers und der benachbarten atlantischen Küsten einheimisch ;
der zweitgenannte in Portugal und dem südwestlichen Frankreich bis Bor-
deaux, der erstgenannte in Nordafrika (bis ins Innere von Marocco), auf
den Balearen, in Ober-Estremadura und Vizeaya in Spanien, dem südöst-
lichen Frankreich und Süditalien, selten in Griechenland, häufiger in Kleiu-
asien. In neuester Zeit hat man die Kultur der Korkeichen in Südaustralien
begonnen.
Obwohl die Korkbildung mehr oder weniger reichlich an sehr vielen
anderen Bäumen auftritt, so liefern doch nur diese beiden Korkeichen —
man nennt höchstens auch noch in beschränktem Masse Quercus Pseudo-
Suber Santi in Ligurien — den zur technischen Verwendung brauchbaren
Kork.
Bis zum dritten Jahre ist die Rinde der Korkeiche mit einer Oberhaut
bekleidet, unter welcher sich schon früh eine zarte farblose korkartige
Schicht bildet; auf diese folgt nach innen die chlorophyllhaltige Mittelrinde
(Rindeuparenchym) und die Innenrinde (Bastschicht). Erst gegen das dritte
oder vierte Jahr vermag die Oberhaut dem Wachsthum der inneren Rinden-
schichten nicht mehr Schritt zu halten und wird der Länge nach gesprengt.
Die jetzt zu Tage tretende Korkschicht enthält in ihren äusseren Lagen
dünnwandige kubische verkorkte und abgestorbene Zellen, während die
Wandungen der inneren noch lebensthätigeu und saftigen Zellen aus Cel-
lulose bestehen. In diesen letzteren, dem Korkcambium, findet eine regel-
mässige Vermehrung der Zellen durch Theilung derselben in tangentialer
Richtung statt, indem sich eine zarte Scheidewand in der Mutterzelle bildet.
In der ganzen Korkmasse lassen sich deutliche Jahresschichten unterschei-
den. Die Zellen der zwei oder drei innersten Reihen jedes Jahresringes
bleiben nämlich tafelförmig, wachsen nicht zu Würfeln aus und erscheinen
wegen ihrer genäherten und etwas dickeren Wände als dunklere Zonen
(Periderma). Diese Zonen folgen sich bei etwas älteren Bäumen in sehr
geringer Entfernung von höchstens 1 Millimeter Abstand, so dass das ganze
Gewebe nicht gleichmässig, wenig zusammenhängend und kaum elastisch
ist, wozu noch die häufig darin vorkommenden Steinzellengruppen bei-
tragen. In der Richtung der Jahreszonen lässt sich dieser Kork sehr leicht
Suber quercinum.
335
zerreissen. In der That ist auch dieser sogenannte männliche Kork nicht
brauchbar und dient nur zur Feuerung oder zur Bedachung. Er wird daher
in der Saftzeit, wo er sich sehr leicht vou der Mittelrinde ablösen lässt,
durch che Axt entfernt. In Algerien geschieht dieses „demasclage“ nach
Casimir de C an dolle vom Mai bis zum Herbste. Die Mittelrinde, Bast-
schicht und das Cambium bleiben hierbei als „Kork mutter“ zurück und
setzen ihre Entwickelung nicht nur ungestört fort, sondern die Korkbildung
geht weit reichlicher vor sich, selbst wenn das „demasclage“ gelegentlich
durch die Eingeborenen in barbarischer Weise vermittelst Feuer geschieht;
jedoch in etwas abgeänderter Weise. Im Innern der Korkmutter, aber in sehr
wechselnder Tiefe unter der Oberfläche, bisweilen sogar in die Bastschicht
eingreifend, bildet sich schon wenige Monate nach dem Schälen (demas-
clage) eine zarte Korkzone, welche rasch fortwächst, aber viel breitere
Jahresschichten ansetzt. Die dunkleren wellenförmigen (Periderm-) Zonen,
welche diese letzteren trennen, bestehen meist aus Steinzellen in drei bis
vier Reihen. Neben denselben verlaufen in gleicher Richtung noch andere
ähnliche Zonen, aus gewöhnlichen kubischen Korkzellen gebaut, deren
Wände aber sehr zusammengefallen sind und nicht zu ihrer vollen
straffen Ausdehnung zu gelangen vermochten *). Sie bekommen die-
selbe durch Erwärmung in kochendem Wasser und behalten sie auch
nach dem Erkalten bei, so dass diese falschen Jahresringe im käuflichen
Korke wenig mehr sichtbar sind. Hierin liegt ein Hauptgrund der grösse-
ren Elasticität dieses künstlich erzeugten Korkes , welcher nun erst die be-
kannten werthvollen Eigenschaften des Handelsgutes zeigt. Dieser soge-
nannte weibliche Kork unterscheidet sich also vom natürlichen (männ-
lichen) durch abweichenden Bau der Jahresringe so wie durch viel grössere
Gleichmässigkeit und Elasticität, welche hier von den sehr weit aus einan-
der gerückten Jahresringen wenig gestört werden. — Diesem weiblichen
Korke gleicht auch die ganze Korkbildung an jüngeren Bäumen.
Die Korkeiche erreicht ein Alter von etwa 15 Jahren bis sie weiblichen
Kork zu liefern beginnt. Nach der ersten Schälung erneuert sich die Kork-
schicht allmälig und kann nach je 8 bis 10 Jahren wieder in gleicher Güte
und Stärke gesammelt werden, bis der Baum ungefähr 150 Jahre zählt.
In Berggegenden wächst der Kork langsamer, wird aber feiner. Die künst-
liche Beförderung der Korkbildung soll die Lebensdauer der Eiche eher er-
höhen als beeinträchtigen.
Weitaus den meisten Kork liefern Catalonien und Andalusien, dann
auch Portugal , weniger Sardinien und Toscana. Nicht viel versprechend
sind die Pflanzungen an der biscayischen Küste Frankreichs, bei Castets
uud St. Girons (Departement des Landes).
0 Der Grund dieser Pressuug dürfte in der Art der Vermehrung der Korkzellen liegen,
welche vermuthlich in centripetaler Richtung vor sich geht, indem von zwei durch eine tan-
gentiale Theilung der Mutterzelle entstandenen Tochterzellen immer die innere sich wieder theilt.
336
Rinden.
England allein verbraucht jährlich bei 5000 Tonnen Kork.
Die Gewinnung des Korkes findet in Algerien1), wo jetzt seit einigen
Jahren im Sauhadscha-Gebiet (Provinz Constautine) grosse von der fran-
zösischen Verwaltung gepachtete Korkwälder durch Deutsche systematisch
ausgebeutet werden, von Mitte April bis Mitte August Statt. Die Rinde
wird oben und unten geringelt, durch zwei Liiugsspalten iu gleiche Hälften
getheilt und nun mit dem Stiele der Axt in der Regel mit einem Rucke
leicht abgelöst. Erst später werden in den Magazinen die mit abgesprengten
Reste der Korkmutter beseitigt (demerage) und der Kork zu Platten
gepresst.
Die Dicke derselben beträgt höchstens 0,05m, ihre braune Oberfläche
ist längsrissig, runzelig, die Innenfläche heller, glatt oder stellenweise durch
die ausgefallenen Theile der Mittelrinde etwas vertieft. Die 8 bis 10 Jahres-
ringe sind auch auf dem radialen Längsschnitte der Platten deutlich als
wellenförmige Zonen wahrnehmbar. Die kleineren Korkstöpfel pflegen in
tangentialer Richtung aus den Platten geschnitten zu werden , also parallel
mit den Jahresschichten; die grossen hingegen senkrecht auf dieselben. —
Iu radialer Richtung ist der Kork auch von Spalten durchsetzt, die mit
braunen Resten der Mittelriude und mehr noch mit dickwandigen knorpe-
ligen Steinzellen ausgekleidet sind. Je zahlreicher uud weiter diese Spalten,
desto geringer der Kork. Die Hauptmasse desselben ist ganz und gar aus
mehr oder weniger würfelförmigen, radial geordneten, grossen, 70 bis
100 Mikromill. messenden Zellen mit etwas geschlängelten Wänden gebil-
det; nur die dunkleren Zonen, welche die Jahresringe nach inneu begrenzen,
zeigen sich aus 1 bis 3 Reihen dunkler gelblicher Steinzellen bestehend,
worin braungelbe Harzklumpen sichtbar sind. Das Korkgewebe enthält für
die unmittelbare Wahrnehmung nur Luft, welche nicht leicht vollständig
daraus entfernt werden kaun. Aber selbst dann ist es immerhin leichter
als Wasser. Die eigentliche Korksubstauz ist mit Wahrscheinlichkeit als
ein sekundäres Häutchen zu betrachten, welches sich auf der Innenseite
der jungen Zellwand ablagert und von der Cellulose physikalisch und che-
misch verschieden ist.
Im Gegensätze zu dieser haben direkte Versuche von Sanio die Un-
durchdringlichkeit des Korkes z. B. für Zuckerlösung dargethan, wie ja auch
seine technische Verwendung gerade auf dem Widerstande beruht, den er
dem Durchgänge der Flüssigkeiten uud Gase entgegensetzt, so wie auf seiner
geringen Hygroskopicität. Iu optischer Hinsicht ist der Kork durch starke
Lichtbrechung ausgezeichnet, welche seine Zellwände dunkel und scharf
gezeichnet erscheinen lässt. — Eben so sehr unterscheidet sich der Kork-
stoff, das Suberin, in chemischer Hinsicht von Cellulose. Durch Jodzink-
lösung oder durch Jod nach vorgängiger Behandlung mit Schwefelsäure
nimmt es erst nach sehr anhaltendem Kochen mit Kali eine blaue
D Ausfuhr 1861: 1 Million Kilogr.
Cortex UJmi interior.
337
Färbung an, löst oder verändert sich in Kupferoxydammoniak nicht und
gibt, mit Schwefelsäure behandelt, kein lösliches Kohlehydrat. Auch die
durch Salpetersäure erhaltenen Oxydatiousprodukte unterscheiden sich
wesentlich von denen der Holzfaser und enthalten neben Oxalsäure nament-
lich auch höhere Glieder ihrer homologen Reihe, wie Bernsteinsäure und
Korksäure (10 pC. vom Kork), dann Spuren von Benzoesäure, Ammoniak
und Bitterstoff. Explosive Verbindungen fehlen. Die Formel des Korkes
steht nicht fest; er enthält weit mehr (über 60 pC.) Kohlenstoff und weniger
Sauerstoff (unter 30 pC.) als die Cellulose, auch 1 */a bis 3 pC. Stickstoff,
der indessen vielleicht nur als Beimengung zu betrachten ist.
Der Kork verbrennt mit eigenthümlich schwach aromatischem Gerüche
und hinterlässt nur etwa V2 pC. Asche.
Durch Aether oder Alkohol lassen sich dem Kork nach Che vre ul
ungefähr 2V2 pC. eines wachsartigen Stoffes, Korkharz, Oer in1) oder Kork-
wachs genannt, entziehen, das in gelblichen Nadeln krystallisirt. Bous-
singault nannte dieselben Korkharz und erst das durch Salpetersäure
erhaltene Oxydationsprodukt Cerin oder Korkwachs. Dieses letztere be-
schrieb Döpp ing als Cerinsäure.
B. Adstringirende Rinden.
Cortex Ulmi inferior.
Ulmenrinde. Rüsterriude. Ecorce d’orme pyramidal. Elm bark.
1) Ulmus campestris L. 1
2) Ulmus effusa Willcl. } Ulmaceae-
Die Rinde jüngerer Aeste dieser durch fast ganz Europa verbreiteten
Bäume, besonders der etwas häufigeren ersteren Art, wird im Frühjahre
geschält und von der Kork- oder Borkenschicht befreit.
Die übrig bleibenden Bastschichten stellen flache, lange, gewöhnlich
etwa 0,03 bis 0,05'“ breite und bis 0,002m dicke Bänder dar, die in läng-
liche Bün deichen aufgerollt werden. Ihre Farbe wechselt von gelblich oder
röthlichweiss bis rothbraun; die Aussenfläche trägt häufig noch Reste der
biaunen Mittelrinde und des glänzenden, hellgrauen Korkes. Die etwas
hellere Innenfläche ist durch zahlreiche , feine, gerade verlaufende Längs-
leistchen dicht gestreift; der glänzende Querschnitt im Innern etwas heller,
fein gestrichelt durch zahlreiche schmale Markstrahlen. Trotz der langfaserigen
Textur bricht die Ulmenrinde ziemlich leicht. Bisweilen bleibt auf jüngeren
Rinden die Kork- und Mittelrindenschicht noch sitzen. Hat darin die Borken-
bildung noch nicht begonnen, so zeigt der Kork kleine gelbliche, ziemlich
dickwandige, flache, die Mittelrinde grössere, rothbraune Zellen mit einzelnen
U Nicht zu verwechseln mit dem gleich bonannten, in Alkohol löslichen Antheile des
Bienenwachses.
Pliickiger, Pharmakognosie.
22
338
Rinden.
Krystallro setten und Gruppen gelber Steinzellen. Sind aber die Rinden
schon in das Stadium der Borkenbildung eingetreten, so wird das Gewebe
unregelmässig von Peridermstreifen durchschnitten.
Die Innenrinde, der eigentlich allein officinelle Tlieil, besteht aus dick-
wandigem, ein wenig tangential gedehntem Parenchym, in welchem einzelne
etwas grössere, sonst nicht abweichend gestaltete Zellen Schleim, die übrigen
rothbraunen Farbstoff enthalten. Grosse, zu unregelmässigen Reihen
geordnete, hellgelbliche Bastbündel wechseln mit dem -Parenchym ab und
werden von schmalen , röthlichen Markstrahlen durchschnitten. Die Bast-
büudel enthalten zahlreiche, lange, bis etwa 30 Mikromill. dicke Röhren
mit engem Lumen. Jede einzelne der kubischen Zellen des zunächst an-
stosseuden Bastparenchyms umschliesst einen grossen, aber selten gut
ausgebildeten, häufig abgerundeten Krystall von Kalkoxalat,
Der schleimige, adstringirende , dabei etwas süssliche Geschmack der
Ulmenrinde verräth als Hauptbestaudtheil Gummi (Schleim, Bassorin) und
wenig Gerbsäure. Ersteres scheint mit dem Alter der Rinde relativ abzu-
nehmen. Stärke fehlt (ob zu allen Zeiten?).
Im Sommer schwitzen die Ulmen oft einen Schleim aus, welcher sich
an der Luft in eine braune, unlösliche Masse, Ulmin, verwandelt. Man
hat diesen Namen auf verschiedene, ähnlich ausseheude, aber bis jetzt eben
so wenig genau erforschte , in Alkalien und Säuren unlösliche Zersetzungs-
produkte organischer Stoffe ausgedehnt.
In Nord- Amerika verwendet man die nach Foenum graecum riechende,
viel schleimigere Riude von Ulmus fulva Mich.
Cortex Quercus.
Eichenrinde. Ecorce de ebene. Oak hark.
1) Quercus pedunculata Ehrh. — Amentaceae.
Syn.: Q. racemosa Lamarck.
Q. Robur L.
Stieleiche. Sommereiche.
2) Quercus sessiliflora Martyn. Smith.
Q. Robur Willdenow.
Steineiche. Wintereiche.
In Mittel-Europa sehr verbreitete Waldbäume, besonders die erstere Art,
welche sogar von Spanien bis England und Archangel geht, während die
zweite hauptsächlich auf Deutschland beschränkt und überhaupt weniger
häufig ist. Sie findet sich indessen auch in der Krim und inTranscaucasien
mit der erstgenannten Art, Zum officiuelleu Gebrauche dieut die im Früh-
jahr gesammelte Rinde jüngerer Aeste oder Stämme, welche etwas ver-
schieden aussieht, je nachdem sie älteren Bäumen oder Wurzelausschlägen
entnommen wird. Besonders von letzteren ist sie glatt, nicht rissig, höch-
stens etwas runzelig, glänzend silbergrau, mit Korkwärzchen besetzt, bis
Cortex Quercus.
339
0,001’" dünn. Innenfläche hellbraun bis braunroth, längsstreifig oder
höckerig, besonders im Alter. Bruch zähe, faserig. An älteren Bäumen ist
die Rinde der jüngeren Zweige aussen dunkler, bis braunroth, oft rissig,
und noch grössere Unterschiede zeigt die Rinde, wenn sie bei zunehmendem
Alter aufreisst und durch Borkenbildung theilweise abgeworfen wird. —
Sie bildet beim Trocknen wenig gebogene Röhren oder bandartige Streifen.
Auf dem Querschnitte (junger Rinde) erkennt man eine dünne, braune oder
innen grünliche Korkschicht; darunter in dem braunen Parenchym zahl-
reiche Reihen weisser Punkte.
Die Ausseurinde (der Zweige von Q. pedunculata) besteht aus kleinen,
flachen, ziemlich dicken Korkzellen , deren mittlere, gelbwandige Lage mit
rotlibraunem Inhalte versehen ist; die Mittelrinde aus grösseren, dickwan-
digen, nur wenig tangential gedehnten Zellen mit grünen (Chlorophyll-)
und braunen Körnern. Dieses Gewebe geht allmälig in das zartere, engere
Parenchym der Innenrinde über, welches sehr unregelmässig von schmalen
Markstrahlen durchzogen ist. Rosettenförmige Krystallgruppen von Kalk-
oxalat sind in den Zellen der Mittel- und Innenrinde sehr häufig; der Haupt-
inhalt besteht aber in braunen Körnchen und Klümpchen von Farbstoff und
Gerbstoff.
In der Mittelrinde tritt als besonderes Gewebe ein nur wenig unter-
brochener Ring von farblosen, dicht gedrängten Steiuzellen auf, welcher
auch einzelne Gruppen kleinerer, glänzender (auf dem Querschnitte), kreis-
runder, fast ganz verdickter Baströhren einschliesst. Grössere quadratische
oder längliche Gruppen der letzteren, reihenweise in der Innenrinde geordnet,
werden von den schmalen Markstrahlen radial durchschnitten und durch
einzelne Parenchymstränge aus einander gehalten. — Nur in jüngeren
Rinden erscheinen die Steinzellen und Bastgruppen mit dieser Regelmässig-
keit; bei zunehmender Dicke der Rinde rückt der Bast mehr nach aussen,
die Steinzellengruppen werden mehr getrennt, die Mittelrinde durch sekun-
däre Korkbilduug zum Theil abgeworfen.
Die jüngeren, allein officinellen Rinden sind demnach im Bau und Aus-
sehen sehr von den älteren verschieden.
Geringere Verschiedenheit bieten bei gleichem Alter die Rinden der
beiden Anfangs genannten Eichenarten unter sich; bei sessiliflora pflegt
der Steinzellenring etwas lockerer zu sein, auch die Bastbündel sind weniger
regelmässig in Reihen geordnet.
Der Geruch der trockenen Eichenrinde ist sehr schwach; befeuchtet
entwickelt sie den eigentliümlichen Lohgeruch. Geschmack adstringirend
bei etwas älteren Rinden zugleich bitter, bei jüngeren mehr schleimig.
Der hervorragendste Bestandtheil ist der Gerbstoff (Gerbsäure), welcher
nach Stenhouse, so wie auch nach Eckert von dem der Galläpfel ab-
weicht, aber noch nicht genauer gekannt ist. Der Gehalt der Eichenrinde
an diesem Gerbstoffe wechselt, je nach dem Alter der Rinde, wohl auch
nach der Jahreszeit, von 4 bis 20 pC. In der Praxis der Gerberei gilt der
22*
340
Rinden.
Satz, dass die Frühlingsrinde uud zwar aus der Altersstufe zwischen dem
18. und 30. Jahre am reichsten daran ist. Durch den Einfluss der Luft
uud Feuchtigkeit erleidet die Rinde bedeutenden Verlust an Gerbstoff. Die
schönste glatte silberweisse, sogenannte „Spiegelrinde“ enthält gegen 20 pC.;
es scheint, dass der Bast hauptsächlich Sitz desselben ist.
Neben dem Gerbstoffe enthält die Eichenrinde auch Fett, Pektin, Spu1
ren von Citronsäure, Gummi und gibt 2 bis 5 pC., fast nur aus Kalksalzen
bestehender Asche. Zucker scheint zu fehlen.
Den Bitterstoff der Eichenrinde hat Gerber, unter dem Namen Quer-
ciu, dargestellt und zwar, dem bereits erwähnteu stärker bittern Ge-
schmacke älterer Rinden entsprechend, nur iu diesen, nicht in jüngeren,
gefunden. Das Quercin krystallisirt, ist aber noch nicht näher untersucht.
Es scheint in nur sehr geringer Menge vorhanden zu sein; Eckert gelang
es nicht, dasselbe in jüngerer Rinde zu finden.
Cortex Granati radicis.
Granatwurzelrinde. Ecorce de racine de grenadier. Pomegranate , bark of
the root.
Punica Granätum L. — Myrtaceae-Granateae.
Die Länder zwischen dem kaspischen Meere, dem persischen Busen und
dem Mittelmeer, vorzüglich vielleicht Palästina, sind die Urheimat des Gra-
natbaumes. Schon in den ältesten Zeiten als beliebter Obstbaum sehr viel an-
gebaut uud leicht verwildernd, hat sich der kleine Baum oder Strauch sehr früh
durch das wärmere Asien, bis Nordindien, Südsibirien, durch den ganzen Archi-
pelagus und Nordchina, auchwestwärts über ganz Nordafrika (bis in den Atlas,
in die Oasen von Tuat, ja nach den Azoren) und Südeuropa verbreitet, jetzt
sogar schon in Amerika, z. B. in Nordperu angesiedelt. In Oberitalien, bei
Botzen so wie in der südlichen Schweiz gedeiht der Granatbaum noch im
Freien, nicht mehr in Lyon, ziemlich gut in Brüssel und sogar in Cornwall,
dagegen in Saratow (Südrussland) z. B. nur noch unter guter Winter-
bedeckung.
Man verwendet vorzugsweise die Rinde der starken holzigen Wurzeln
wild wachsender oder verwilderter Bäume von mittlerem Alter.1) Sie bildet
meist ungefähr 0,1 0m lange oder kürzere, entweder sehr unregelmässig ein-
gerollte dünnere Röhren oder mehr flach rinnenförmige, oft rückwärts ge-
krümmte und verbogene, bis 0,040™ breite, höchstens U/2 Millimeter dicke
Stücke. Ihre gelblich -grauliche Oberfläche ist seltener fein läugsstreifig
oder netzig-runzelig , sondern gewöhnlich durch breite, schülferig aufgeris-
sene Korkleisten gefurcht, welche nur auf deu stärksten Stücken iu breite
flaclibödige muschelartige Abschuppuugeu (die „Couchas“ der Chinarinde)
zusammenfliessen. Au der glatten oder nur sehr fein der Länge nach ge-
strichelten hell grünlich -gelblichen bis bräunlichen Innenfläche haften bis-
0 in Frankreich mitVorliebc die ans Portugal bezogene.
Cortex Granati radicis.
341
weilen noch Streifen des weisslichen zähen Holzes. Die Rinde bricht kurz
und körnig und bietet auch auf dem hell gelblichen Querschnitte keine be-
sondere Zeichnung dar, sofern nicht die Loupe zu Hülfe genommen wird,
welche einen fein gefelderten Bau erkennen lässt.
Der Kork erreicht keine bedeutende Ausdehnung , indem er immerfort
abgestossen wird. Seine inneren, noch lebensthätigen, kubischen oder tafel-
förmigen Zellenreihen sind ziemlich dickwandig, wie auch das kugelig-
eckige, nicht stark tangential gestreckte Gewebe der schmalen Mittelrinde.
Die 10 bis 20 Zellenreihen derselben gehen allmälig in die Innenrinde über,
deren Breite im Mittel mehr als % des ganzen Querschnittes einnimmt.
Die Innenrinde ist aus regelmässig abwechselnden concentrischen, nach
Form und Inhalt unterschiedenen Zellenlagen gebildet. Die einen nämlich
bestehen aus einer einzigen Reihe kleiner, annähernd würfeliger, ungefähr
'15 Mikromill. messender Zellen, welche genau vertikal über einander auf-
gebaut und nur durch zartere horizontale Querwände stockwerkartig ge-
trennt sind. Jede Zelle wird von einer abgerundeten Krystalldruse ausgefüllt,
welche anfangs durch die in ihren Zwischenräumen enthaltene Luft dunkel
erscheint. Jede einzelne Schicht dieser Krystallzellen ist von den übrigen ge-
trennt durch 1 bis 3 Reihen Stärkemehl (nebst Gerbstoff) führender, axial ver-
längerter Zellen, welche aber eben so -wenig den gewöhnlichen Formen des
Bastes entsprechen. Diese Stärkezellen zeigen im Querschnitte dieselbe
Form und Grösse wie die Krystallzellen, im Längsschnitte jedoch erweisen
sie sich drei- bis zehnmal länger, aber nicht zugespitzt, sondern gerade quer
abgeschlossen, als ob sie nur durch Resorption der Querwände einer An-
zahl enger verbundener kubischer Zellen entstanden wären.
In radialer Richtung wird dieses ganze Innenrindengewebe von ein- bis
zweireihigen mauerförmigen stärkeführenden Markstrahlen durchschnitten,
so dass eine sehr fein gefelderte Zeichnung entsteht. Zwischen zwei dieser
in gerader Linie oder in sanfter Krümmung verlaufenden Markstrahlen pflegen
2 bis 6 Reihen Krystallzellen und Stärkezellen eingeschlossen zu sein, welche
sich ganz wie die gewöhnlichen Baststrahlen in die Mittelrinde auskeilen.
An der Grenze finden sich sehr zerstreut einzelne oder zu zwei bis drei ver-
einigte Steinzellen von sehr unförmlichem Umrisse, bis 100 — 300 Mikromill.
messend. Aehuliche, doch mehr im Sinne der Axe gestreckte Steinzellen
treten auch tiefer in der Innenrinde selbst auf und nehmen bisweilen den
ganzen Raum zwischen zwei Markstrahlen ein. Die Steinzellen fehlen
stellenweise ganz.
Die Mittelrinde enthält ebenfalls Amylum in höchstens etwa 8 Mikr.
grossen Körnern , daneben kleinere formlose Körnchen , vermuthlich Gerb-
stoff, und ausser Krystalldrusen auch einzelne grössere hendyoedrische
Krystalle von Kalkoxalat.
Die Rinde eines 0,021'1 dicken Granatstammes (aus Montpellier) finde
ich gleich gebaut wie die der ebenso starken Wurzel; nur sind in ersterer
die Steinzellen im ganzen seltener und kleiner. Aeusserlich unterscheidet
342
Rinden.
sich die Wurzelrinde sehr bestimmt durch weit reichlichere unebene Kork-
bildung von bräunlicher Farbe, während die Stammrinde mehr gesonderte
Korkleistchen von hell graulicher Färbung aufweist.
Die Granatrinde schmeckt rein adstringirend und enthält viel eiseu-
bläuenden Gerbstoff (nach Wackenroder über 22 pC.), der noch nicht
näher untersucht, nach Stenhouse aber vielleicht eigenthümlich ist, neben
wenig Zucker und Gummi.
Bei 100° getrocknete Rinde gab Spies 15 pC. Asche, wovon 9/10 aus
Kalk- und (wenig) Kali-Carbonat bestanden.
Das als eigentümlichen Stoff angegebene Pu nie in ist ganz zweifelhaft
und das sogenannte Granatin scheint Zucker zu sein.
Die Rinde der Wurzel und auch wohl die des Stammes wurde nach
Dioskorides und Plinius schon im Alterthum innerlich und äusserlich
gebraucht , besonders gegen Bandwurm, welche Verwendung sich in Indien
immer erhalten hat, während sie in Europa ganz in Vergessenheit gerieth.
Erst 1807 machte Buchanan in Calcutta wieder darauf aufmerksam und
seit 1822 erlangte sie alknälig ihre heutige Stelle in unserm Arzneischatze.
Die einigermassen ähnlichen Rinden von Buxus sempervirens und von
Berberis vulgaris sind frei von Gerbstoff; ihre Auszüge reagiren daher
nicht auf Eisensalze, wie derjenige der Granatwurzel.
C. Bittere Rinden.
Cortices Chinae.
Chinarinden. Ecorces de quinquina. Cinchona barks.
§ 1. Einleitung. § 2. Charakter des Genus Cinchona. § 3. Blätter. §4. Gattung. Arten.
§ 5. Zahl der Arten. § 6. Skizzen der wichtigsten Arten. § 7. Weniger wichtige Arten.
§ 8. Vegetationsbedingungen. § 9. China-Wälder. §10. Chemische Beschaffenheit des Bodens.
§ 11. Vertikale Verbreitung. § 12. Horizontale Verbreitung. § 13. Cascariltos bohos.
§ 14. Ausrottung. § 15. Sammlung der Rinden. § 16. Sortirung. Verpackung. § 17. Aus-
beute. § 18. Transport. Ausfuhrhäfen in Südamerika. § 1 9. Verarbeitung im Lande.
§ 20. Entwickelung der Rinde. Aussehen §21. Studium der Rinden. § 22. Anatomischer
Bau. Ausscnrinde. § 23. Mittelrinde. (Harzring § 32. 2). § 24. Saftschläuche. § 25. Innen-
rinde. §26. Verholzte Baströhren; Gestalt derselben. §27. Anordnung der Baströhren im
Parenchym. § 28. Inhalt der Gewebe. § 29. Falsche Chinarinden. § 30. Bruch. §81. Wurzel-
rinde. § 32. Ban der einzelnen Rinden. § 33. Verwerthnng der anatomischen Merkmale.
§ 34. Uebcrsicht derselben.
§ 35. Eiutheiluug der Rinden. § 36. Huanuco. § 37. Loxa. § 38. Pseudo-Loxa. Hua.
malies. Jaen. § 39. Officinelle Rinden.
§ 40. Geruch und Geschmack. § 41. Bestandtheilc. Allgemeiner verbreitete Stoffe. § 42.
Phlobaphen. Lignoin. Gerbsäure. Chinaroth. § 43. Chinasäure. Chiuovin. § 44. Chinin.
Cinchonin. § 45. Chinidin. Cinchonidin. § 46. Paltochiu. Aricin. Paricin. Chinoidin. Quinio.
§ 47. Menge der Alkaloide. § 48. Vermehrung durch Cultur. § 49. Einfluss des Alters.
§ 50. Qualitative Schwankungen. § 51. Durchschnitts-Gehalte. § 52. Werth der Wurzel-
rinden. § 53. Alkaloid und Chinoviniu Blättorn und Holz. § 54. Grahe sehe Probe. Gewichts-
bestimmung der Alkaloide. § 55. Sitz der Alkaloide. Krystallo in den Rinden. § 56. Sitz
der Alkaloide: Wigands Ansicht. § 57. Alkaloide in falschen Rinden.
Cortices Chinae. § 1.
343
§ 58. Frühere Geschichte der China. § 59. Botanische Geschichte der China. § GO. Bota-
nisch-pharniakognostische Geschichte nach der Entdeckung der Basen. § 61. Uebersicdclung
nach Java. § 62. Uebersiedelting in die englischen Cotonien. Aussichten.
Abkürzungen zur Bezeichnung der öfter anzuführenden
Werke:
== Berg. Die Chinarinden der pharmakogn. Sammlung zu Berlin. Berl. 1865. 4SS. und
10 Tafeln. Quart.
f)B. — Delondre u. Bouchardat. Quinologie. Paris 1854. 48 S. und 23 Tafeln. Quart.
Hd. = Howard. Illustr. of the Nueva Quinologia of Pavon. London 1862. 163 S. und
30 Tafeln. Folio.
Kstn. = Karsten. Die medicin. Chinarinden Neu-Granadas. Berl. 1858. 68 S. und 2 Ta-
feln. Octav.
Kstn. Col. = Karsten. Florae Columbiae terrarumq. adjac. specim. selecta. Berl. 1858.
Folio. (Noch unvollendet.)
P. = Pavon. Vergl. § 59.
Phb. == Phoebus. Die Delondre-Bouchardat’schen Chinarinden. Giessen 1864. 75 S.
Pich. = Planchon. Des Quinquinas. Paris et Montpellier 1864. 150 S.
RP. = Ruiz u. Pavon. Vergl. § 59.
Wdl. = Weddel 1. Histoire naturelle des Quinquinas. Paris 1849. 108 S., 30 Tafeln und
1 Karte. Folio.
§ 1.
Die Chinarinden stammen von zahlreichen Arten des Genus Cinchona
ab, dessen erste Kenntniss die Wissenschaft dem französischen Akademiker
Charles Marie de la Condamine verdankt. In Gesellschaft von Bouguer
und Godin von 1736 bis 1744 als Astronom mit der Gradmessung in Peru
beschäftigt und zugleich auch jeden Anlass zur Förderung anderer Zweige
der Naturwissenschaft benutzend, beobachtete Condamine nach Anleitung
von Joseph de Jussieu am 4. Februar 1737 auf der Reise von Quito über
Cuenqa nach Lima einen der Chinabäume auf dem Berge Cajanuma, 2'/2 Mei-
len (lieues) südlich von Loxa. Im folgenden Jahre wurde Condamin e’s
Beschreibung und Abbildung seines „arbre de quinquina“ der Pariser Aka-
demie vorgelegt und 1740 von derselben veröffentlicht1). Nach Howard
ist dieser zuerst geschilderte Baum die heutige Cinchona Uritusinga. Joseph
de Jussieu, der Botaniker jener französischen Expedition, sammelte 1739
bei Loxa ebenfalls eine Cinchona, die nachmalige C. pubescens Yahl. Bald
erhielt auch Mutis vermuthlich die gleiche aus derselben Gegend und
sandte sie an Linne, welcher darauf gestützt 1742 das Genus Cinchona
aufstellte und 1753 die Art C. officinalis aus den beiden nicht geniigeud
erkannten Pflanzen bildete.
Später vorzüglich durch de C an dolle und durch Klotzsch2) schärfer
gefasst, ist das Genus jetzt in folgender Weise bestimmt. Es enthält einen
1) Hist, de l’acad. roy. dos Sciences, ann. 1738, avec les mern. de math. et de phys. pour
la meine annee. Paris 1740. p. 226 — 243.
2) in Haynes Darstellung und Beschr. der in d. Arzneikunde gebr. Gewächse. Bd. XIV.
344
Rinden.
bis mehrere Meter hohe Sträucher (z. ß. C. carabayensis Weddell, 0. Cali-
saya Yar. ß) Josephiana, C. glandulifera, C. hirsuta Ruiz. u. Pavon, C. Oho-
meliaua Wdl), oder aber stattliche bis über 20 oder sogar 40 M. hohe
Bäume (z. B. C. Calisaya, corymbosa, laucifolia, micrantha, nitida, peru-
viana, succirubra) , welche mit einigen sehr nahe verwandten Gattungen in
der Familie der Rubiaceen die höchst natürliche Ordnung der Cinchoneen
bilden. Die hierher gehörigen Pflanzen sind durch gegenständige, nicht
quirlige Blätter, durch zweifächerige, in zwei vertikalen Klappen aufsprin-
gende Kapseln mit zahlreichen, breit geflügelten Samen charakterisirt.
Die Fruchtform erinnert einigermassen an manche Umbelliferen.
§2.
Das Genus Cinchona in der heutigen Abgrenzung ist ausgezeichnet
durch hinfällige, meist nicht sehr ansehnliche Nebenblättchen,1) durch einen
kleinen fiinfzähnigen oberständigen Kelch, der die weit längere Kapsel blei-
bend krönt. Die letztere springt zuerst am Grunde auf, indem sich auch
der Fruchtstiel spaltet und wird an der Spitze durch den derben Kelch
zusammengehalten, nachdem die Samenträger herausgefallen. Die 30 — 40
kleinen, dachziegelartig geordneten, flachen Samen sind durch einen sehr
breiten, pergamentartigen Saum ringsum geflügelt; der letztere gezähnt und
zerschlitzt, aber nur bei wenigen Arten (z. B. C. cordifolia, purpurea, tucu-
jensis2)) am Rande durchlöchert. Die trichterförmige, oben in fünf nicht
sehr ansehnliche Lappen ausgebreitete Blumenkrone ist von zarter Beschaffen-
heit, nicht lederig, an den Lappen zierlich bärtig, von weisser bis rosen-
rother oder purpurner, nur bei der werthlosen 0. viridiflora von grüner
Färbung, im ganzen an Menyanthes erinnernd. Die sehr wohlriechenden
Bliithen, deren Aufguss angenehm schmeckt,3) stehen ziemlich kurzgestielt
zu ansehnlichen Rispen oder gedrängten trugdoldenartigen (C. corymbosa,
C. umbellulifera) Trauben vereinigt. Die fünf Staubfäden siud mit der
Blumenkrone verwachsen, treten nicht weit hervor und wechseln übri-
gens in ihrer Länge bei der gleichen Art einigermassen; ebenso der einfache
Griffel.
Obwohl die Blüthe der Cinchonen vorherrschend mit der trockenen
Jahreszeit zusammenfällt, also in Neu-Granäda hauptsächlich vom November
bis März, in Peru und Bolivia vom Mai bis August dauert, so trifft man
doch während des ganzen Jahres an verschiedenen Standorten blühende
und fruchttragende Stämme. Doch ist das nicht so zu verstehen, dass ein und
derselbe Baum mehrmals im Jahre zur Blüthe gelange.4)
Die übrigen Cinchoueen (Cascarilla, Buena, Lasionema, Exostemma
Ladenbergia u. s. f.) weichen von Cinchona ab, hauptsächlich durch die
4) von auffallender Grösse erscheinen sie bei C. glandulifera.
2) Kstn. S. 11.
3) Wdl. S. 21.
4) vcrgl. Martins in Büchners Repertor. XII. 355 u. 379.
Cort. Chinae. § 2. 3.
345
Kapseln , welche von der Spitze nach unten hin *) aufspringen und durch
die meist grösseren, derb lederigen, oft filzigen oder papillösen Corollen.
Oefters sind auch die Samenflügel durchlöchert.
§3.
Die Fieberrindenbäume sind immergrün, mit meist lederigen, glänzenden,
von einer starken Mittelrippe durchzogenen und durch zartere Seitennerven
feiner geaderten Blättern. Der starke, oft schön purpurne Blattstiel erreicht
höchstens ein Drittel der Länge des Blattes , bleibt aber gewöhnlich kürzer.
Im Umrisse eiförmig , verkehrt eiförmig bis beinahe kreisrund , bei einigen
Arten lanzettlich, selten etwas herzförmig (bei C. cordifolia, auch wohl zum
Theil bei C. Condaminea, hirsuta, Mutisii, pubescens), sind die Blätter glatt
oder höchstens am Rande ein wenig zurückgebogen, immer ganzrandig,
übrigens oft genug am gleichen Baume (z. B. bei C. heterophylla) sehr ver-
änderlich. Auch in Betreff der Grösse wechseln die Blätter von Art zu Art
sehr bedeutend, und fast scheint es , als seien den werthvolleren Arten
( Cascarillos finos) Deben kürzeren Kapseln durchgängig kleinere, starre
Blätter eigen. Weniger beständig sind die guten Arten auch ausgezeichnet
durch kleine Grübchen, welche auf der Unterseite der Blätter längs der
Mittelrippe in die Winkel der Seitcuuerven eingesenkt sind. Diese Blatt-
grübchen (scrobiculi) schwitzen bisweilen einen adstriugirenden Saft aus* 2)
und sind übrigens leicht zu verwechseln mit Haarbüscheln, welche bei
einigen Arten an denselben Stellen Vorkommen, z. B. bei C. micrantha.3 4)
Unter den hiernach aufgezählten wichtigsten Cinchonen sind nur die durch
= bezeichneten mit Blattgrübchen versehen; den übrigen (§ 6 u. 7 genannten)
fehlen dieselben. Der Grund der Nebenblättchen ist auf der oberen (inneren)
Fläche besetzt mit ansehnlichen Drüsen von höchst merkwürdigem Bau/)
welche bei den Cinchoneen klares Gummi, bei andern baumartigen Rubia-
ceen Harz, Gummiharz oder Wachs absondern.
Die Blätter der Cinchonen sind ferner meist auffallend durch wellen-
förmige Umrisse ihrer Oberhautzellen ,5) welche zudem bei manchen Arten
von Saft strotzen, nach aussen stark gewölbt vortreten und dadurch dem
Blatte einen schon von ferne auffallenden Schimmer verleihen.
Bisweilen sinddie jugendlichen Blätter, z. B. bei C. boliviana, Unterseite pur-
purn oder purpurviolett (spanisch : morada) und ganz regelmässig nehmen
die ausgewachsenen Blätter mehrerer Arten unmittelbar vor dem Abfallen
diese oft, sehr reiche dunkle Farbe an; höchst ausgezeichnet z. B. C. pur-
U eine Zwischenstellung behauptet Cinchona heterocarpa Karsten, deren 1 bis 5 Conti-
meter lange Kapseln bisweilen nach Art der ächten Cinchonen von unten nach oben auf-
springen, gewöhnlich aber umgekehrt. Die Art gehört viel eher zu Ladenbergia.
2) Wdl. 18.
3) Hd. ad. C. peruvian. 4.
4) Wld. III u. 20; auch abgebildct Taf. I, Fig. 12 — 17.
5) Wdl. 20. 19.
346
Rinden.
purascens Wdl., ferner C. cordifolia, coryinbosa, peruviana, succirubra,
tucuyensis, Uritusinga, violacea P. und andere. Diese Röthung zeigt sich
eben so stark, wenn nicht auffallender, bei den werthlosen Cinchouen, auch
bei den Nebenblättchen mancher Arten. Die Insekten zerfressen mit grosser
Vorliebe diese roth gefärbten Blätter, während sie dieselben gewöhnlich ver-
schonen, so lange die grüne Farbe vorwaltet. Die Blattläuse färben sich
während der Verdauung des rothen Saftes gleichfalls roth.1)
§4.
Die Cinchonen stellen sich hiernach als sehr elegante, wenn auch nicht
eben ausserordentlich auffallende Sträucher oder Bäume des tropischen
Urwaldes dar, ungefähr vom Aussehen unserer Syringa. Von der Bewun-
derung, welche die Reisenden den mitunter etwas steifen Chinabäumen
zollen, mag freilich ein Tlieil auf Rechnung des ausserordentlichen Inter-
esses kommen, das sich an dieselben knüpft.
Die ganze Gattung Cinchoua ist eine so natürliche und in ihren zahl-
reichen Gliedern so sehr übereinstimmende, dass eine vollkommen befrie-
digende Feststellung der letzteren noch nicht erreicht ist. Die einzelnen
Arten sind auch vielfach durch Spielarten mit einander verbunden , so dass
sie nach Howard’s Ausdrucke2) eine ununterbrochene Reihe bilden, deren
Endglieder überdies kaum schärfer von den verwandten Gattungen zu
trennen sind, als von den Pflanzen ihrer eigenen Reihe.
§5.
Die Systematik sieht sich daher bei den Cinchonen zur Abgrenzung
der Art oft auf sehr geringfügige Merkmale angewiesen, über deren Berech-
tigung in vielen Fällen Zweifel herrscht. Die mikroskopische Untersuchung
der Rinden, welche bereits da und dort schon entscheidende Aufschlüsse
gegeben hat, ist noch nicht vollständig durchgeführt.
Weddell3) hatte 21 Species angenommen, unter denen aber mehrere
mitUnterarten, welche sich bestimmt als eigene Arten heraussteilen. So
löst Berg4) die Weddell’ sehe C. Condaminea auf in C. Chahuarguera,
C. stupea, Uritusinga, macrocalyx, lucumaefolia , laucifolia, pitayensis,
Bonplandiana Klotzsch, also in 8 selbständige Arten.
Berg5) selbst nannte 45 besser und 9 weniger gekannte Arten, denen
sich noch aus Karsten u. Howard ungefähr 12 mehr anreihen lassen.
Diese Gesammtzahl von über 60 Arten mag nun freilich manche unzulässige
1) Hd. ad Uritusinga S. 2. — Wdl. 60.
2) introduct. VI.
3) Anu. d. scienc. nat. Botanique XI. (1849) 268.
4) S. 9.
5) Darstellung und Beschreibung d. offiz. Gew. Heft XV. 1859.
Cort. Chinae. § 5. 6.
347
enthalten, wie denn auch Berg1) neuerdings (1865) seine Schätzung auf
50 beschränkt. Noch weiter im Sinne Wed dells, doch auch auf eigener
Anschauung fussend, geht Planchon,2) welcher wieder eine Reihe von
Arten als Varietäten unterbringt und schliesslich nur 27 gute Species auf-
führt. Eine so bedeutende Reduction verstösst indessen gegen die anato-
mischen Merkmale allzusehr ; wenigstens zeigen sich in dieser Hinsicht z. B.
die von Planchon zu C. Condaminea gezogenen C. Chahuarguera, Palton
und Uritusinga mikroskopisch in ihren Rinden so verschieden, dass an ihrer
Selbständigkeit nicht wohl zu zweifeln ist.
Ho ward ’s Prachtwerk enthält grösstentheils auch in Abbildung 38
Arten, welche aber einerseits beträchtlich vermehrt, anderseits auch durch
Zusammenfassung offenbarer Unterarten modificirt werden müssten.
Berg’s Annahme von 50 Arten dürfte daher vorläufig als jedenfalls
nicht zu hoch gegriffen anzunehmen sein, bis einmal die beschreibende
Botanik den längst ersehnten Abschluss bringt.
Bei weitem nicht von allen Cinchonen kommen nach den bisherigen
Ermittelungen Rinden im Handel vor, sei es, dass einzelne nur in geringer
Zahl auftreten, sei es, dass andere erfahrungsgemäss zu arm an Alkaloiden
sind, oder dass nur lokale Verhältnisse der Ausbeutung im Wege stehen.
Die Rinden mancher Arten, deren anatomische Eigenthümlichkeit noch
nicht festgestellt ist, mögen sich auch wohl noch finden lassen, wenn die
Grundlagen zuverlässiger Vergleichung einmal gewonnen sein werden.
§ 6.
Als wichtigste Cinchonen dürften gegenwärtig ungefähr die folgenden
zu betrachten sein:
1 ) ^Cinchona Calisaya Weddell. Theils als grosser, sehr schöner
Baum, theils strauchig als Varietät ß) Josephiana. Ausgezeichnet durch
die eiförmige Kapsel, welche kaum die Länge der Blüthe erreicht. Weddell
entdeckte 1847 bei Apolobamba in Bolivia, nordnordöstlich vom Titicaca-
See diese reichhaltige Art. Sie überschreitet die peruanische Grenze und
verbreitet sich in der Provinz Carabaya (im Departement Puno), aber nicht
weiter nordwärts. Auch auf bolivianischem Gebiete ist Calisaya auf die
heissen, waldigen, zwischen 1500 und 1800™ überM. gelegenen Hochthäler
(Yungas)von LaPaz bis zum 17° südl. Br. beschränkt. In den ungefähr um
300™ höher ansteigenden Grasregionen bleibt sie strauchig, nur wenige
Meter hoch.
Die einheimische Bezeichnung der Calisaya leitet Wdl. ab von colli =
roth in der Quichua-Sprache und saya, geartet, geformt, mit Bezug auf die
Rinde oder vielleicht auf das Blatt. Poppig3) erläutert: calla = Heil-
0 S. 12.
2) S. 24.
= auf der Unterseite der Blätter längs der Hippe mit Grübchen versehen.
3) Reise II, 218.
348
Rinden.
mittel, salla — felsiger Grund; Markliam deutet auf die Häuptlingsfamilie
Calisaya, welche schon im vorigen Jahrhundert in der Provinz Carabaya
eine Rolle gespielt habe. J
Abbildungen der Pflanze: Wdl. 3. 3b und Bg. Heft XIY.
Als C. boliviana hatte Wedd eil anfangs eine mehr auf Bolivia be-
schränkte Yarität der Calisaya beschrieben und abgebildet, welche sich
hauptsächlich durch die fast immer purpurne Unterseite der Blätter aus-
zeichnet. Es scheint, dass die Merkmale kaum genügen , um die Pflanze
als Yarietät festzuhalten und jedenfalls nicht, um sie zur eigenen Art zu
erheben. Die weit in die bolivianischen Thäler herabsteigende Calisaya
verde oder alta macht sich durch ihre Grösse und durch rein grüne, nicht
einmal roth geaderte Blätter bemerklich.
2) =C. Chahuarguera P. (Syn. : C. Condaminea ß) Chahuarguera DC.)
Baum von 3 bis 8m mit ziemlich veränderlichen Blättern, armblüthiger,
beblätterter Doldentraube, eilänglicher (in Ho ward ’s Abbildung lan zeit-
licher) Fruchtkapsel und spitzigen Kelchzähneu. Dieser Art war ver-
muthlich l) die zuerst gebrauchte und in den Handel gebrachte Rinde ent-
nommen worden. Der Baum wächst in der Chinaregion Ecuadors, Provinz
Loxa und Distrikt Quito, ist aber jetzt in der Nähe von Loxa schon selten
geworden und nicht oft mehr baumartig.
Die Bedeutung des Quichuawortes Chahuarguera ist unsicher; chahuar
bezeichnet einen Strick aus Aloefaser. Es scheint nach Mark harn, dass
mit dem Namen carhua-carhua überhaupt Rinden von geringerem Werthe
als die der Calisaya belegt werden.
Abbildungen: Bg. HeftXV“- — Hd. 1. Erstere stellt eine breitblätte-
rige, letztere Tafel eine durch schmale und langgestielte Blätter sehr ver-
schieden aussehende Form des Baumes dar, beide nach Originalexemplaren
von Pavon, wie sie sich z. B. nach Planchon auch im Boissier’schen
Herbarium vorfinden. — Die Art ist noch nicht genügend festgestellt;
Hook er und Howard bringen sie neuerdings nebst der folgenden und
C. crispa, so wie C. Uritusinga unter C. officinalis , welche Art demnach in
veränderter Fassung wiederhergestellt würde, nachdem sie längst gestrichen
war (vergl. § 1).
3) JLC. Condaminea Humboldt u. Bonpland. Bis 15m hoch. Frucht-
kapsel viel länger als breit. Die Begrenzung dieser formenreichen Art ist
immer noch unsicher; sie wächst bei Loxa.
Abbild. : Wdl. 4.
4) C. cordifolia Mutis (uec Rohde). Bis 8™ hoch. Ausgezeichnet
durch rundliche oder herzförmige, krautige Blätter, welche bis 0,25,n in der
Länge und beinahe gleich viel in der Breite erreichen. Die schmale lanzett-
liclie, bis 0,025m lauge Kapsel fast doppelt so laug als die Blume. Diese
zuerst durch Mutis im Hochlande um Santa Fe de Bogota bis etwa 2400™
*) Hd. ad C. Chahuarg. fol. 2.
Cort. Chinae. § 6.
349
über Meer gefundene Art scheint eine der verbreitetsten zu sein und nament-
lich am weitesten nordwärts, bis in die Provinz Caracas1) zu gehen. Aber
auch bei Loxa tritt sie auf und erstreckt sich demnach über den ganzen
nördlichen Halbbogen der gesaramten Chinaregion, oder wie es scheint,
selbst in ihre südliche Hälfte. Karsten2) zufolge ist jedoch wenigstens die
bei Cusco gesammelte Pflanze schon durch längere Kapseln von der ächten
Mutis’schen verschieden.
Abbild.: Wdl. 17. Krstn., Fl. Columb. I. tab. VIII.
5) 4C. heterophylla P. 20 bis 30m hoch. Blätter kurz gestielt, lederig,
am Rande um gerollt, verkehrt eiförmig und zugespitzt bis rundlich eiförmig.
Cuen^a in Ecuador.
Abbild. Hd. 18.
6) =C. lancifolia Mutis (Syn. : C. angustifolia R. P.) Tuna oderTunita
der Bogotenser. Ueber 24m hoch und iy2m dick. Blätter spitz lanzettlich,
lederig, meist 0,1 2m lang, an üppigen Schösslingen bis 0,3 6m, jedoch sehr
veränderlich und bisweilen, wie es scheint, sogar der Blattgrübchen ent-
behrend. (Nach Karsten wären dieselben nur durch Haare verdeckt.) Auf
Columbia (Neu-Granäda) beschränkt, vorzüglich im Süden von Bogota bis
Popayan, in 2500 bis 3000m Meereshöhe, aber auch nordwärts in den
Gebirgen des Magdalenenstromes bei Chiquinquirä, Velez, Socorro, Pam-
plona bis Ocanna. Nach Howard3) jedoch auch noch in Uchubamba
unweit Loxa.
Abbild. Kstn., fl. Columb. tab. XI; Var. discolor tab. XII.
7) C. lutea P. (Von Planchon und anderen zu cordifolia gezogen.)
Bis 25"’ hoch. Blätter breit eiförmig und bespitzt, Kapseln wie auch die
Blätter behaart.
Im nördlichen Theile von Ecuador, bei Inta, Otavolo (Otobalo) , unweit
Quito und im nördlichen Peru, bei Cliito, unweit Jaen. Ausgezeichnet
durch Milchsaft, der sich an der Luft röthlichgelb färbt.
Abbild. Hd. 14.
8) C. macrocalyx P. (Nach Wed de 11, DeCandolleund andern zu
C. Condaminea ß) Caudollii.) 6m hoch, Kelchzähne sehr lang, über ein Drittel
der Blumenrohre erreichend. Samenflügel am Rande sehr stark zerschlitzt.
CuenQa in Ecuador.
Abbild. Hd. 7. — Wdl. 4b-
9) «0. micrantha R. P. 6 bis 10ra (Wdl.), nach andern (z. B. Hd.)
bis gegen 30 hoch. Die kleinen, blassen Bliithen in grosser, vierfach
zusammengesetzter, pyramidaler Rispe, Blätter sehr ausehulich, rundlich
oder länglich eiförmig, bis 0,20'" lang.
Diese durch den ganzen Habitus ausgezeichnete Art liebt vorzugsweise
J) Wdl. s. 68.
2) Fl. Columb. fol. 16.
3) N. Quinol. Introduct. YI.
350
Riiulen.
feuchte, schattige Standorte an Berggewässern der Gegend von Huanuco im
mittleren Peru, wo sie 1797 durch Tafalla, einen Schüler von Ruiz und
Pa von, aufgefuudeu wurde, verbreitet sich aber auch durch Carabaya
(Süd-Peru) bis Larecaja und Caupolican im anstossenden Bezirke Bolivias.
Abbild. Wdl. 14.' — Bg. XIV. f. — Hd. 5.
10) »C. nitida R. P. Bis 12"' nach Wdl., mehr als doppelt so hoch Hd.
Blätter stark glänzend, unterseits kahl, mit bärtigen, ausgezeichneten Blatt-
grübchen.1) Kapseln, wenigstens nach Wdl. sehr dünn, zehnstreifig.
In Menge in den Gebirgswäldern Mittel-Perus, um den Gebirgsknoten
Cerro de Paseo, bei Huanuco, Tarrna, Xauxa, Cocheros (Cuchero),Haamalies.
Abbild. Wdl. 10. — Hd. 20.
11) C. pitayensis Wdl.2) Ueber 20"’ hoch. Die kleinen Blätter lau-
zettlich, nach oben und nach unten sehr spitzig, Kelchzähne lineal. Der
C. lancifolia nahe verwandt. Im südlichen Theile der mittleren ueu-grana-
diuisclien Cordiilere beiPitayo (nicht Pitoya), am Westabhange desHuanacas
und des Vulkans Purace, über Popayan, auch südlicher bei Almaguer und
Pasto. Nach Cross3) jedoch wäre in den beiden letzteren Bezirken nur
C. lancifolia vorhanden.
Abbild. (Skizze) Pharm. Journ. and Trausact. VI. 49.
12) JLC. pubescens Vahl (Syn. : C. officinalis L. zum Tlieil). 6 — 12"'
nach Wdl. Eine bei weitem noch nicht befriedigend gekannte Art4) Perus
und Bolivias, mit unterseits flaumigen Blättern und behaarten Kapseln , die
schon von Mutis an Linne gesandt und auch schon früher durch Jussieu
bei Loxa gesammelt worden war (vergl. oben § 1). — Wdl. unterschied
eine Varietät mit beiderseits grünen Blättern als a) Pelletieriana von ß) pur-
purea mit unterseits purpurnem Laube. Erstere scheint selbständig zu
sein und nach Berg mit G. viridiflora P. zusammenzufallen.
Abbild. Wdl. 16.
13) =C. scrobiculata Humb. u. Bonpl. 15 — 20m hoch. Blätter an-
sehnlich, länglich bis lanzettlich, spitz, unterseits mit oft nur kleinen durch
Härchen verhüllten Grübchen und in diesem Falle von Wdl. als kleiublätte-
rige Var. ß) Delondriana unterschieden.
Durch den grössten Theil der peruanischen Chiuaregion von Caxamarca
(Jaen) bis Cusco (Wälder von Sta. Ana am oberen Pilcomayo) und Carabaya.
Abbild. Wdl. 7.
14) C. succirubra P. 15m hoch. Breite, kaum bespitzte, eirunde oder
etwas längliche dünne Blätter, am Rande etwas umgebogen, das Aderuetz
der matten Unterseite behaart. Blüthenrispe wenig ansehnlich.
Vom westlichen Abfalle des Chimborazo (8. Antonio de Huaranda)
1) so nach Hd., nicht nach Bg. u. Plane hon.
2) Ann. d. sc. nat. Botaniq. (1849) XI. 269. — Früher von Wdl. selbst als C. Couda-
minca e) pitayensis nufgcfiihrt.
3) Pharm. J. and Transact. VII. 121.
4) vergl. Berg, S. 10, 12, 37.
Cort. Cliinae. § 6. 7.
351
südlich durch Riobamba, Alausi, Cuenea, bis Nord-Peru (Provinz Jaen im
Departement Caxamarca) tief in die Thäler herabsteigend.
Nachdem schon Wed d eil1) in dieser ausgezeichneten Art, die er als
C. ovata v) erythro derma nicht genau genug erkannt, einen Augenblick die
Stammpflanze der rothen Chinarinde vermuthet hatte, lieferten Howard
und Klotzsch die Beweise für die Selbständigkeit der Pflanze und ihre
Wichtigkeit (vergl. unten bei China rubra). Der farblose Saft, welcher bei
der Verwundung diesem Baume entquillt, wird an der Luft erst milchig,
dann sogleich roth, infolge der begierigen Sauerstoffaufnahme der China-
gerbsäure.
Abbild. Hd. 8.
15) =C. umbellulifera P. Mehr als 20m erreichend. Die sehr ansehn-
lichen Blätter dunkelgrün, glänzend, kurz gestielt und etwas herablaufend,
breit eiförmig oder etwas länglich, fast herabhängend, unterseits wollig.
Rispe selbst bei der F ruchtreife gedrängt, Kapseln bauchig. Jaen in N ordperu.
Abbild. Hd. 22.
16) =C. Uritusinga P. (BeiWeddell unter C. Condaminea.) Ueber
14m hoch. Die Blätter lang gestielt, spitz eiförmig, im ausgewachsenen
Zustande nur unterseits längs der Nerven etwas behaart. Die Blüthen
bilden eine schön gewölbte, ausgebreitete Doldentraube (Bg. Heft XII. e)
oder eine pyramidale Rispe (Hd. 19). Erstere Abbildung gibt eine kurz
eiförmige, die letztere eine viel längere Fruchtkapsel.
Auf den Bergen Cajanuma, Uritusinga bei Loxa und Huancabamba, in
den Grenzländern von Ecuador und Peru.
Howard2) hält es für ausgemacht, dass diese Art es war, welche
Condamine (siehe oben § 1) beschrieben hat, Guibourt’s C. academica.
Dass Condamine’s Baum die jetzige Chahuarguera war, ist wegen der
geringen Grösse derselben unwahrscheinlich. Wenn der Baum schon zur
Zeit Condamine’s um Loxa selten war, so gilt das heute noch viel mehr.
§7.
Ausser den hier aufgeführten 16 Arten könnten in zweiter Linie noch
die folgenden, auch in den Handelsrinden z. Th. vertretenen in Betracht
gezogen werden:
17) 6. coccinea P. Abbild, bei Hd. 3. — Gegend von Quito.
18) C. conglomerata P. Abbild. Hd. 15. — Gegend von Quito.
19) AC. corymbosa Karsten. Riesiger bis 40m hoher und lm dicker
Baum mit grossen lederigen und häufig durchlöcherten Blättern. West-
abhang der südcolumbischen Vulkane Cumbal und Chiles bis zu 3500ra
über M. — Abbild. Krstn., fl. Columb. tab. X.
5) S. 60, 62.
fol. 3 ad Urit. und 11 ad Chahuarguer.
352
Rinden.
20) LC. glandulifera RP.
Abbild. Wdl. 21. — Hd. 26. — Klotzsch iuHayne XIV. Tab. 15.
Mittel-Peru, Gegend von Huauuco.
21) C. lucumaefolia P.
Abbild. Wdl. 4b. als C. Condamiuea Var. y) lucumaefolia. Im Süden
von Ecuador (Neu-Granada?).
22) = C. ovata RP.
Abbild. Wdl. 11. — Hd. 9. Süd-Peru (Carabaya) und benachbarte
Distrikte Bolivias.
23) = C. Palalba P. — Abbild. Hd. 4. Provinz Loxa.
24) = G. Palton P. — Abbildung Hd. 13. Provinz Loxa. Vergl.
unten § 46.
25) C. peruviana Hd.
Abbild. Hd. 27. Mittel-Peru, Gegend von Huauuco (Cuchero).
26) C. 'pur pur ea RP.
Abbild. Hd. 11. — Klotzsch in Hayne XIV. Tab. 14. Gegend von
Huanuco. Eine viel verkannte Art, indem mehreren Cinchonen mit besonders
auffallend gerötheten Blättern die Bezeichnung purpurea beigelegt wurde.
27) C. tucuyensis Karsten. Im ganzen Gebirge Meridas von Tucujo
bis Pamplona (Nord-Columbien). Der vorigen Art ähnlich. Von Karsten
entdeckt.
Abbild. Krstn. fl. Columb. tab. IX.
§8.
Die Bedingungen, unter denen die Cinchonen leben, lassen sich
zum Tlieil schon aus den obigen Andeutungen über das Vorkommen der
wichtigsten Arten erschliessen und sind in ansprechender Form weitläufig
von Martius1) erörtert worden. Nur das äusserst wechselvolle, durch
häufige Regenschauer, durch Stürme, dichte Nebel und schattige Be-
wölkung unterbrochene sonneureiche Klima der tropischen Bergregioueu
mit sehr veränderlichem , aber nicht weit ausschreiteudem Gange der Tem-
peratur entspricht den Fieberrindenbäumen. Eine rasch vorübergehende
Erkältung bis zum Eispunkte und den nicht seltenen Hagelfall vermögen
wenigstens kräftige Pflanzen wohl noch zu ertragen; jedoch darf die ihnen
zusagende Mitteltemperatur auf nicht weniger als 12° bis 20° C. angeschla-
gen werden. Nach der Meinung der Rindeusammler begünstigt indesseu
eine verhältuissmässig kältere Lage bis zur obereu Grenze der Wald-
vegetation die Alkaloidbildung. Eine reichliche ungehinderte Besonnung
scheint jungen Pflanzen verderblich, erstarkten Bäumen aber entschieden
förderlich zu sein , und namentlich auch die im Handel vielfach geschätzte
Intensität der Färbung der Rinde zu erhöhen. Nach den Erfahrungen in
1) Büchner s Repertor. XII. (1868) pg. 362. 373.
Cortices Chinae. § 8. 9. 10.
353
Utacammid ') gibt C. Pahudiana dort in offenem Sonnenschein eine ziem-
lich dicke, im dichten Schatten eine dünne Rinde, die nicht geschält wer-
den kann.
Als eigentliche Heimat der Cascarilla fina, der besten Chinarinde, be-
zeichnet Karsten* 2) geradezu die durch tiefe Schluchten zerrissene Nebel-
region der Andeskette mit 12— 13° C. mittlerer Temperatur, wo neun Mo-
nate hindurch der Regen vorherrscht, ein eigentlicher Wechsel der Jahres-
zeiten aber so wenig stattfindet, dass die Cinchonen fortwährend Blütheu
und Früchte tragen. Die tiefere Region , in der sich schon eine trockene
Jahreszeit unterscheiden lässt, besitzt vorzugsweise grossblätterige grübchen-
lose, weniger heilkräftige Chinabäume neben den werthlosen Ladenbergien.
Aus den bereits angeführten Dimensionen ergibt sich, dass die Cincho-
nen zu den mittleren und höheren Formen des tropischen Urwaldes gehören,
aber doch von den weit gewaltigeren Vertretern der Artocarpeen, Lecythi-
deen, Sapindaceen, Terebinthaceen, Pahnen und so vielen anderen überragt
werden. Wo der Wald allmälig in der alpinen Region abnimmt und der
Grasflur (Ichu der Quichua-Sprache , Pajonal oder Campo spanisch) Raum
gibt, werden stellenweise die Cinchonen die herrschenden Gestalten, wobei
sie freilich, zum Theil auch durch den Einfluss der Cultur, bedeutende Ver-
änderungen in ihrem Aussehen erleiden. Solchen Umständen verdankt
z. B. C. Josephiana (§ 6 sub 1), die Ichu - Cascarilla , Casc. del pajonal,
ihre Eigenthümlichkeit.
§9.
Der Reichthum der Tropenflora schliesst einförmige W aldbestände aus
und demgemäss leben auch die Cinchonen meist zerstreut, höchstens da
und dort kleinere Gruppen bildend, welche sich in der Ferne durch beson-
dere Färbung mehr als durch auffallende Gestaltung vom Gesammtbilde
des Urwaldes abheben. Solche Flecken (manchas) im bunten Teppiche der
Laubkronen erspäht das geübte Auge des Rindensammlers (cascarillero) in
weitester Ferne3), selbst zur Zeit, wo sie nicht durch die reichen Bliithen-
sträusse geschmückt sind. Ausgedehnte Gruppen der gewaltigen C. corym-
bosa, welche fast den Namen von Chinawäldern verdienen, traf Karsten 4)
auf der Grenze von Neu- Granada und Ecuador, am Westabhange der Vul-
kane Cumbal und Chiles.
§ io.
Wenn eine bestimmte Abhängigkeit der Cinchonen von meteorologi-
schen Bedingungen klar hervortritt, so gilt ein gleiches nicht von der che-
mischen Beschaffenheit des Bodens. Nirgends ist bis jetzt in der
grossen Manigfaltigkeit geologischer Verhältnisse der Cordilleren eine un-
x) Pharm. Journ. and Transact. VI. 18. — vergl. unten § 62 u. 63.
2) pg. 12. 13.
3) Wdl. 9. 10.
4) Pg- 20.
Flückiger, Pharmakognosie.
23
354
Rinden.
zweifelhafte direkte Beziehung zu den Chinabäumen oder zum Gehalte ihrer
Rinden erkannt. Im Gegentheil hat z. B. Karsten1) auf Verschiedenheiten
im Alkaloi'dgehalte der C. lancifolia bei vollkommen gleicher Bodenbesehaf-
tenheit aufmerksam gemacht, welche im mitgetheilten Falle nur mit der
Exposition in Zusammenhang gebracht werden können.
§ 11.
Die Cinchonen dürfen immerhin als ein sehr bemerkenswerthes Glied
im Yegetationskleide ihrer Umgebung bezeichnet werden, so dass Humboldt
die von ihnen bewohnte Stufe der südamerikanischeu Gebirgswelt in der
Höhe von 700 bis 2900 Meter als Region der tropischen Eichen und der
Cinchonen bezeichnete.
Weddel 1 schloss die durchschnittlich tiefer wohnenden nicht officinel-
len Cinchonen (§ 2 oben) aus und zog dem Gürtel der eigentlichen China-
bäume die Höhengrenzen 1600 und 2400,n. Als tiefstes Vorkommen wahrer
Cinchonen in ihrem Vaterlande ist die Höhe von 1200™, als oberste Linie
3270"‘ oder sogar mit Karsten2) 3500ra anzunehmen. Mit der Entfernung
vom Aequator nimmt die durchschnittliche Erhebung der Chinazone be-
trächtlich ab, doch steigen die Cascarillos finos nicht leicht unter 2000™
herab. C. succirubra tritt ausnahmsweise schon wenig über 800™ auf,
widerspricht aber auch überhaupt durch die sehr grossen, griibchenlosen
und, wie es scheint, nicht eben lederigen Blätter, so wie durch die langen
Früchte der oben (§ 3) gegebenen allgemeinen Definition der werthvollen
Cinchonen. Tiefer geht die wenig geschätzte C. cordifolia (§ 6. 4), welche
nach Boussingault3) im Norden der Chinazone selbst in 600™ Höhe
noch reichlich wächst. Die niedrigsten Standorte jedoch nimmt C. bur-
bacoewsis Krstn. ein, welche die Wälder von Barbacoas zwischen 100 und
1000™ über dem nahen Ocean an den Grenzen von Neu- Granada und
Ecuador bewohnt.
§ 12.
Die Nähe des Meeres trägt dazu bei, den Westabhängeri der Cordilleren
ein anderes pflanzenphysioguomisches Gepräge zu verleihen als der Ostseite
der verschiedenen Längenketteu. In weit höherem Grade vereinigen die
ostwärts abfallenden Thalseiten oder Höheuziige die den Cinchonen günsti-
gen meteorologischen Bedingungen, vorzüglich durch die zahllosen Wasser-
adern, welche sie dem Orinoco und dem Amazouenstrome zusenden. In
den vom Cauca, Magdalena, oder vom Huallaga und vom obersten Lauf des
Marannon durchströmten Läugenthälern, in welche die Cinchonen gleich-
falls eindringeu, scheinen sie aber wenigstens nicht immer die nach Osten
1) 1. c. 19. — vcrgl. § 47 unten.
2) 1. c. pg. 13.
3) von Wdl. pg. 58 (2) erwähnt.
Cortices Chinae. § 12.
355
geöffneten Lagen vorzuziehen und für die Gegend von Bogota würde sich
z. B. nach Weddell’s Karte gerade das Gegentheil ergeben.
Die Westabfälle der Cordilleren sind im allgemeinen waldarm; nur das-
jenige Stück ihres gewaltigen südamerikanischen Bogens, wo sie am weite-
sten nach Westen vorspringen, zeigt sich in der Nähe des Meeres unweit
des Aequators auch westwärts bewaldet und zugleich im Gegensätze zu den
entsprechenden Lagen in den nördlicheren und südlicheren Strichen auch
von Cinchonen bewohnt.
Die Chinapflanzen sind durchaus auf die Cordilleren beschränkt, wäh-
rend die übrigen Cinchoneen ein weit umfangreicheres Areal unter den ver-
schiedenartigsten klimatischen Bedingungen bewohnen. In anderen Gegen-
den Südamerikas, welche anscheinend dieselben physischen Bedingungen
erfüllen, wie jener Chinagürtel an den Cordilleren, sind doch noch keine
wahren Fieberrindenbäume getroffen worden.
So sehr die letzteren auch in vertikaler Richtung zusammengedrängt
sind, so begleiten sie doch das südamerikanische Hauptgebirge durch den
grössten Theil der nördlichen Hälfte auf einer Strecke von ungefähr 30 Breite-
graden.
Als nördlichster Standort von Cinchonen, ungefähr unter dem
10. Breitengrade, erscheint das oben (§ 6. 4) erwähnte Vorkommen der
C. cordifolia SSW. von Caracas , welcher Art sich hier auch C. tucuyensis
beigesellt.
Weddell, der von Südosten her in die Chinazone vordrang, stiess
gegen den 19° S. Br. tief im Innern Bolivias auf die südlichste Art, die er
demgemäss als C. australis bezeichnete. Die Gegend im Westen Cliuqni-
sacas (Sucre), der Hauptstadt von Bolivia, würde nach Weddell die Süd-
grenze der Cinchonen darstellen. Es scheint jedoch, dass dieselbe noch
weiter vorgerückt werden muss, bis ungefähr zum 22° südl. Br., erzählt
doch Scherzer1) von einem Pfarrer in Tarija (an der argentinischen
Grenze im Süden Bolivias), welcher nicht weniger als 3000 Centner vor-
züglicher Rinde, Sucupira der Indianer, zum Verkaufe ausgeboten habe, die
aus den Wäldern zwischen Tarija und Cochabamba, also von der Wasser-
scheide zwischen dem Marannon und dem la Plata stammte.
Zwischen diesen äussersteu Punkten im Süden und den Gebirgen von
Caracas unweit des caraibischen Meeres im Norden beschreibt der Gürtel
der Fieberrindenbäume, den gewaltigen Kämmen des Gebirges folgend,
einen nach Osten geöffneten Halbmond von ungefähr 500 geogr. Meilen
Länge. Stellenweise, wo sich Parallelketten des Cordillerensystems unter-
scheiden lassen, ist auch wohl der Cinchonengürtel ein doppelter oder mehr-
facher, namentlich scheint er im Süden Bolivias an Breite zu gewinnen.
Als eigentlicher Mittelpunkt der besten Cinchonen muss indessen die
Gegend bezeichnet werden, wo sie zuerst für die Wissenschaft gefunden
1) Reise der österr. Fregatte Novara. III. S. 366.
23 *
356
Rinden.
worden, mimlieh die Provinz Loxa (Loja) im südlichsten Theile von Ecua-
dor. Nur durch ungefähr 11 Breitengrade nordwärts und eben so viel süd-
lich erstreckt sich der Verbreitungsbezirk des Casearillos üuos, also von
7° N. Br. (Quellgebiet des Rio Meta nach Autioquia am Rio Cauca) bis
15° S. Br. (Umgebung des Titicaca-Sees).
§ 13.
Die ausserhalb dieses Mittelstückes im Cinchonengürtel wachsenden
Arten sind vorherrschend, so viel bis jetzt ermittelt ist, von geringerem
Gehalte. Die Sierra nevada de Santa Marta hat trotz hinreichender , durch
die nahe See gemässigter Wärme ihrer unteren Stufen, trotz der Sclmee-
gipfel keine wahren Fieberrindenbäume mehr. In dem isolirten Gebirge
verlaufen die grossen meteorologischen Processe nicht so, wie es jenen Bäu-
men zusagt. Es ist bemerkenswert!!, dass dieselben überhaupt die unmittel-
bare Nähe des Meeres nicht wohl vertragen.
Noch weiter verbreitet als die geringen Cinclionen, die „casearillos
bobos“, sind die übrigen Glieder der Gruppe, die Ladenbergia- (Cascarilla-)
Arten, die Exostemmen, die Remijien. Man findet sie fast in allen übrigen
wärmeren Theilen Südamerikas, die beiden letzteren sogar bis an die
heisseste Meeresküste.
§ 14.
Bedenkt man das nicht eigentlich massenhafte Auftreten der China-
bäume, ihre Beschränkung auf eine durchschnittlich nicht viel über 100Gm
breite Höhenstufe, erwägt man ferner, dass unter den zahlreichen Arten
vielleicht doch die Hälfte oder selbst mehr zu den Casearillos bobos, den
alkaloidarmen , gehören und dass von einer forstwirtschaftlichen Behand-
lung kaum die Rede ist, so sind Befürchtungen in Betreff der Ausrottung
der kostbaren Bäume wohl begreiflich. In diesem Sinne hat sich W e d d e 1 1 l)
sowohl als später auch Markham (§ 62) ausgesprochen; beide mit Bezug
auf Peru und Bolivia.
Karsten2) hingegen fand eine Ausrottung nur da, wo überhaupt der
Wald abgetrieben wird und machte darauf aufmerksam , dass die Rinden-
sammler der Ansicht sind , ihr Geschäft vermehre die Anzahl der Bäume.
In der That treiben die zurückgebliebenen Stumpfe sehr bald wieder kräf-
tige Stockausschläge, sofern sie nicht der Rinde beraubt waren, öderes
keimen eine Menge Samen, begünstigt durch die nach der Fällung eines
grösseren Baumes entstandene oder eigens ausgehauene Lichtung. Dass
gegenwärtig überall in den Chinagegenden, Pitayo allein ausgenönimen, ein
im angedeuteten Sinne vorsichtiges Verfahren eiugehalten werde, versicherte
R pg. 13.
2) pg. 34.
Cortices Chinae. § 14. 15.
357
neuerdings x) ein Augenzeuge und Mitbesitzer betreffender Waldungen, Don
Narciso Lorenzano in Bogota.
Es gebt hieraus jedenfalls hervor, dass eine regelrechte forstliche Be-
wirthschaftung der Cinchonen in ihrer Heimat die günstigsten Aussichten
haben müsste, wenn sie durch besser geordnete politische und sociale Zu-
stände unterstützt würde.
Die Uebersiedelung der Cinchonen nach Ostindien und in andere Län-
der (unten § 61) ist daher ein in mehrfacher Hinsicht ausserordentlich
wichtiges Unternehmen.
§ 15.
Den Beschwerden des Rindensammelns in den schwer zugänglichen
Urwäldern Südamerikas unterziehen sich nur die halbwilden Indianer und
Mischlinge im Solde grösserer oder kleinerer Unternehmer oder Gesell-
schaften, welche in den Städten ihren Sitz haben. Alle, die sich mit dem
Geschäfte befassen, vorzüglich die Sammler selbst, heissen Cascarilleros,
auch wohl cascadores, vom spanischen cascara, die Rinde. Ein den aus-
ziehendeu Sammlern Vorgesetzter Mayordomo ordnet und beaufsichtigt die
Thätigkeit der einzelnen Banden im Walde selbst, wo in leichten Hütten
die Lebensmittel und zunächst auch die Ausbeute untergebracht werden.
Weddell* 2) so wie Karsten3) haben in anschaulicher Weise als Augen-
zeugen ein Bild dieses Treibens gegeben.
Der Cascarillero entblösst zuerst mit einem säbelartigen Messer Machete
(machiar = kahl werden) die Oberfläche des Stammes von den oft üppig
wuchernden Schling- und Schmarotzerpflanzen und beginnt sofort auch in
den meisten Fällen das Abschaben der saftlosen Borkenschicht, nachdem
dieselbe weich geklopft worden. Um die innere brauchbare Rinde selbst
abzulösen, werden mit Haudmeisseln Längs- und Querschnitte gehauen, so
weit der Stamm erreichbar ist, endlich derselbe gefällt und sammt den
Aesten getheilt, um die vollständige Schälung zu ermöglichen. In den
meisten Fällen, zumal aber nach vorherigem Klopfen mit einem Schlägel
löst sich die Rinde trotz ihres bei vielen Arten nur geringen Zusammen-
hanges laicht vom Holze. Irgend grössere Mengen der Rinden müssen,
wenigstens in vielen Gegenden, rasch am Feuer getrocknet werden, das
gewöhnlich auf dem Boden leichter Hütten angezündet wird. Ueber dem-
selben errichtet man mit Hülfe von Palmblattstielen , Bambushalmen oder
anderen geeigneten Pflanzentheilen grosse Hürden , auf denen die Rinden
von Zeit zu Zeit umgelegt werden. Auch die Wände der Hütten sind
aus gleichem Lattenwerk geflochten und nehmen ebenfalls dicke Rinden-
!) März 1864. — Pharm. Journ. and Transact. VI. 20. — Auch Scherzer’s Erkundi-
gungen in Lima (1859) deuten durchaus auf keinen bevorstehenden Mangel der Calisaya-Rinde
(Reise d. österr. Fregatte Novara. III. S. 364. 366).
2) pg. 9 u. flgde.
3) pg. 27. 31. u. ff.
358
Rinden.
stücke auf. In Neu-Grauada findet das Austrocknen der Rinden über dein
Feuer fast ganz allgemein statt.
Wenn es auch darauf ankömmt, die Rinden sogleich vor dem Schimmeln
zu schützen, so darf doch das Austrockneu auch nicht übereilt werden.
Bei der unvollkommenen Einrichtung, welche unter den gegebenen Um-
ständen allein möglich ist, scheint wenigstens die Waare nur daun ein ver-
käufliches Aussehen zu erhalten, wenn auf das Trocknen 3 bis 4 Wochen
verwendet werden. Dass sogar bei ungeeigneter Behandlung der Alkaloid-
gehalt eine Verminderung1) erleiden könnte, ist wahrscheinlich. Der genü-
gende Grad des Austrocknens wird daran erkannt , dass die Rinde auch im
Innern die ursprüngliche gelblichweisse Farbe verloren hat und in gelb,
braun oder roth übergegangen ist.
In Südperu und Bolivia werden jedoch nach WeddeH’s Darstellung
selbst die dicksten Calisaya-Rinden nur au der Sonne getrocknet, ohne dass
ein Feuer erforderlich ist.
Der Handelsgebrauch veranlasst mancherlei lokale Eigenthümlichkeiten
beim Sammeln der Rinde. Schon in Betreff der Auswahl wurde und wird
noch jetzt nicht überall nach dem gleichen Grundsätze verfahren. Früher,
besonders vor der Entdeckung der Alkaloide, schätzte man im allgemeinen
die Zweigrinden höher, opferte aber doch denselben den ganzen Baum, so
dass tausende von Centnern der reichsten Stammrinden zu Grunde gegan-
gen sind. Jetzt hängt es eben so oft von Zufälligkeiten ab, ob man es
lohnend findet oder nicht, die Zweige mehr oder weniger vollständig zu
schälen.
Aus der Gegend von Loxa wird berichtet, dass beim Schälen kleinerer
Bäume noch ein breiter Rindenstreifen verschont wird, von welchem aus
sich die ganze Rinde allmälig wieder erneuert und eine sehr geschätzte
Waare erzeugt2).
Dass die Zweigrinden nicht von der Korkschicht befreit werden, ver-
steht sich von selbst; in Betreff der Stammrinden hängt es zum Theil vom
Handelsgebrauche ab , ob man sie unverändert oder von der Aussenrinde
(Periderma) entblösst liefert, zum Theil aber sind wohl auch anato-
mische Verhältnisse von Einfluss. Wo reichliche und tiefgehend? Borken-
bildung eingreift, wie bei C. Calisaya, gelingt die Beseitigung des werth-
losen Korkes sehr leicht und vollständig, bei anderen Arten hingegen findet
eine solche natürliche Ablösung der Aussenrinde nicht in gleichem Masse
statt und die allzu umständliche Abschäluug unterbleibt.
Die dünnere Rinde schwächerer Stamm tlieile rollt sich beim Trocknen
zu Röhren (canutos, canutillos), während man den von stärkeren Stäm-
men geschälten Stücken sehr oft dadurch ihre flache Form (plancha, tabla)
1) vorgl. Kstn. pg. 23 u. 33. Umgohaucne Stämme der C. corymbosa, welche sechs Mo-
nate hindurch feucht gelegen, fand derselbo immer noch gleich reich. Vergl. § 49 unten.
2) Hd. bei C. Uritusiuga fol. 8.
Cort. Chinae § 15. 16. 17.
359
erhält, dass in an sie kurze Zeit auf einander schichtet1) und belastet, dann
der Sonne aussetzt und diese Behandlung mehrmals wiederholt.
Karsten erwähnt in Neu-Granada nichts von einem solchen Verfahren.
Die Wurzelrinden sind früher vernachlässigt worden und erst in letzter
Zeit im Handel aufgetaucht (vergl. unten § 31, 52).
§ 16.
Nach dem Trocknen findet entweder eine Sortirung der Rinden, haupt-
sächlich nach ihrer Grösse statt, oder es wird alles ohne Unterschied zu-
sammen in Säcken von Manilahanf (Bast der Agave-artigen Fourcroya),
Leiuen oder Baumwollstoff zu Ballen von ungefähr 1 Centuer verpackt. Um die-
selben möglichst zu verkleinern , stampft man sogar z. B. iuPopayau-) die
Rinden zusammen. Erst die Grosshändler der Hafenplätze schlagen die Säcke
in Ochsenhäute (Zurron), deren Haarseite nach innen sieht, während die
Lederstreifen der Nähte mit Pech verschmiert werden. Die zuvor ange-
feuchtete Haut umschliesst beim Trocknen den Inhalt auf das festeste. Solche
Suronen, wie die Lederballen heissen, pflegen 60 — 80 Kilogr. , oft auch
weniger zu wiegen. An manchen Plätzen , namentlich in der Gegend von
Loxa, werden auch sehr häufig Kisten zur Versendung der Rinde genommen.
Dass Rinden verschiedener Cinclionen-Arten zusammengepackt werden,
stellt Karsten3) für Columbien entschieden in Abrede. Jede Art werde
gesondert, und verschiedenes Aussehen rühre nicht von specifisclier Ver-
schiedenheit her. — Dass der Casearillero immer eine solche botanisch-
pharmakognostische Kritik übe, ist doch wohl kaum glaubüch.
§ 17.
In Betreff der Ausbeute, welche einzelne Bäume zu gewähren ver-
mögen, finden sich folgende Anhaltspunkte. Weddell schätzt den Ertrag
eines der stärksten Calisaya-Bäume auf 80 Kilogr. getrockneter Rinde,
Markham nennt 3 bis 4 Centner flacher Rinde für die beste Calisaya,
6 bis 7 Centner für die Varietät Boliviana, und bis 10 Centner für Var.
verde oder alta,4) Karsten5) gibt, freilich als nicht häufig erreichte Zahl,
10 Centuer trockener, entsprechend 30 Centnern frischer Rinde, für 60 Fuss
hohe und 5 Fuss dicke Stämme von C. lancifolia und C. corymbosa an.
Nach Spruce liefern 7 Theile frischer Rinde bei C. succirubra 4 Theile
trockener Waare.
Nach mehrfachen Erfahrungen in Ostindien erreicht die Rinde mancher
Cinchonen eine weit bedeutendere Stärke , wenn die Stämme mit Moos
0 Das schöne Titelbild in Weddell s Hist. nat. d. Quiuquinas veranschaulicht dieses
Geschäft im Walde von San Juan del Oro, Provinz Carabaya.
2) Kstn. 34.
3) S. 30.
4) Pharm. J. and Transact. VIII. 14.
5) S. 28.
360
Rinden.
umwickelt werden, und erneuert sicli auch nach dem Schälen sehr rasch
wieder bei gleicher Behandlung. Da dergleichen künstlich vermehrte Binde
sich alkaloidreich zeigt, so liegt darin ein höchst wichtiger Fingerzeig Bil-
den forstlichen Betrieb der Rindensammlung, sowohl in der Heimat als
auch in den neuen Ansiedelungen der Cinchonen.
§ 18.
Im Gebiete der Cordilleren stösst der Transport der Rinden über
das unwegsame Gebirge auf grosse Schwierigkeiten, welche häufig verbieten
die gerade Richtung einzuschlagcn, in den meisten Fällen aber auch die
Ausfuhr schlechter Rinden, die sich nicht zahlen würden, verhindern mögen.
So erörtert Karsten1) die Gründe, welche die Rindenhändler des oberen
Caucathales, in der Gegend von Popayan, Pitayo, Almaguer, Pasto bisweilen
zwingen, ihren Weg nicht nach dem nächsten Hafen von Buenaventura zu
nehmen, und nicht direkt den kataraktenreichen Cauca abwärts, sondern
über die Hochpässe von Quindiu (gegen 4000,n über M.) und Huanacas in
das Thal des Magdalenenstromes. Aber auch auf diesem letzteren muss bei
Honda eine Umladung stattfinden, bevor die Barken ihre Fahrt nach Bar-
ranquilla an der Mündung des Stromes fortsetzen und die nahen Häfen
Sabanilla und Cartagena erreichen können. In neuerer Zeit ist die Ausfuhr
dieser columbischen Plätze sehr bedeutend geworden; der dortige franzö-
sische Consul Rampon2) nennt jährlich 18000 Ballen. Nur ausnahms-
weise scheinen Chinarinden z. B. aus Huanuco3) auf dem Ucayali und
Amazonas nach der atlantischen Küste (Para) befördert zu werden. Im
Jahre 1819 ging Calisaya-Rinde zu Laude an den Paraguay oder seine
Zuflüsse oder stromabwärts nach Buenos- Ayres.4) An der pacifischen Küste
ist zunächst der Hafen von Guayaquil wichtig, dessen Ausfuhr au China
z. B. für 1855 — 1856 auf 7000 Centner angegeben wird.
Eben so nahe am mittleren Striche der Chinazone liegt Payta, der nörd-
lichste Seeplatz Perus, der gegen 1000 Centner verschifft.
Callao, der Hafen Limas, natürlichster Stapelplatz der mittelperuanischen
Rinden von Huanuco bis Cusco, scheint in neuerer Zeit für dieses Geschäft
an Bedeutung nicht zuzunehmen. Den ersten Rang nehmen unstreitig
Islay uud besonders Arica ein, welche die werth vollsten Rinden von Cara-
baya und den bolivianischen Hoclithälern (Yungas) empfangen. Arica alleiu
exportirt jährlich bis 14000 Ctr.5) Nach den schon oben (§ 12, 13) er-
wähnten Erhebungen Scherzer’s erscheint es sehr wohl möglich, dass
!) S. 29. — Vergl. aber auch DB., S. 34.
2) nach Berichten an Planchon, S. G2. — Weddell (S. 13, Note) gibt für 1806 be-
reits 1,200,000 Pfund an, die aber zn seiner Zeit auf wenige Arrobcn zurückgegangen seien (?)
:l) Henkel, Büchners Repert. XIII. 207. Vergl. auch § 40.
4) v. Bergen, Monogr. 287.
•r’) bisweilen aber auch sehr viel weniger, z. B. 1859, wo Arica und Islay zusammen nur
3290 und 1860 kaum so viel Centner verschifften (Markham).
Cort. Chinae. § 18. 19. 20.
361
jenes Gebiet im nördlichen und östlichen Umkreise des Titicaca-Sees all-
jährlich 8 — 10,000 Ctr. Rinde ohne Gefährdung des Nachwuchses liefere.
Nicht gering scheint auch die Menge der aus den südlichsten Theilen
Bolivias in Iquique und Cobija verschifften Rinde zu sein.
Die bolivianische Regierung hatte 1845 die Gewinnung der Chinarinde
zum Monopol gemacht, welches in den Händen der Pächter und unter zu-
nehmendem Drucke von staatlicher Seite grosse Schwankungen in das
Geschäft brachte. Es handelte sich anfangs um 4000 Centner jährlich,
später um 7000, 1850 aber erreichten die Ablieferungen binnen 18 Monaten
30,000 Centner, worauf weiteres Schälen vorübergehend gänzlich verboten
und endlich 1859 wieder freigegeben wurde. Jetzt ist die Rinde mit einer
Steuer von V4 ihres Werthes belegt. — Auf jene 30,000 Centner, welche
nicht eine normale wiederkehrende Jahresausfuhr Bolivias darstellen, sind
Weddell’s bezügliche Angaben1) zurückzuführen.
Die Gesammtausfuhr von China aus Südamerika im Zeiträume von
1830 — 18G0 wird von Scherzer auf 200,000 Centner angeschlagen.
§ 19.
Noch hat der Unternehmungsgeist der Hispano-Amerikaner sich nicht
ernstlich darauf verlegt, die Rinden an Ort und Stelle zu verarbeiten, ob-
wohl bereits Boussingault2) den Vorschlag gemacht hatte, den Rio
Vinagre am Vulkan Purace in der chinareichen Gegend von Popayan zur
Alkaloidfabrikation zu benutzen , wozu er sich seiner freien Schwefelsäure
wegen empfiehlt. Auch anderswo in dieser Vulkanreihe fehlt es nicht an
sauren Bächen.
Zu Weddell’s Zeit3) lag eine Chininfabrik in Santa Cruz de la Sierra,
im Centrum Bolivias, im Plane und 1854 bestand eine solche wenigstens
vorübergehend in Santa Fe4)
§ 20.
In Betreff der Entwickelung derRin de zeigen die Cinchonen bedeu-
tende Unterschiede. Manche sind durch reichliche und sehr frühe auf-
tretende Abschuppung ausgezeichnet, wie besonders C. Calisaya mit ihren
bis einen Centim. dicken Schuppen, auch wohl C. micrantha,5) bei andern
findet ein freiwilliges Abstossen der Aussenrinde in geringerem Masse statt
und dieselbe lässt sich auch künstlich, selbst durch Klopfen nicht so leicht
entfernen.
Noch andere Arten verfallen nur im Alter höchstens an den unteren
Stammtheilen und an der Wurzel der eigentlichen Borkenbildung. So z. B.
U voyage dans le nord de la Bolivie.
2) Ann. de Chirn. et de Physiq. XX. 110 n. 111.
3) S. 5, Note 2.
4) Wiggers Jahresbericht 1854, S. 143.
5) nach Wdl. 53.
362
Rindeu.
wird bei C. ovata häufig uur an der Westseite der Stämme Borke abge-
schuppt, nicht an der entgegengesetzten, wodurch die Rinde eines und des-
selben Baumes in dieser Hinsicht sehr verschieden ausfallen kann. Auch
an C. lancifolia ist die Wetterseite der unteren Stammtheile weit mehr zur
Borkenbildung geneigt.1)
Bei den Rindeu jüngerer Stämme oder der Zweige herrscht eine grau-
liche, bald helle, bald schwärzliche Färbung vor, die Aussen rinde der
dickeren Stämme dagegen zeigt mehr charakteristische braune, gelbe oder
röthliche Farbe, welche besonders nach Entfernung der Korkschichten
deutlich zu Tage tritt. Wenn auch durch den Standort und besonders durch
die Art des Trocknens Verschiedenheiten im Colorit der Rinde hervor-
gebracht werden, so hebt doch Karsten2) die Beständigkeit ihrer inneren
Grundfarbe am Stamme, an den Aesteu und Zweigen der gleichen Art her-
vor und erklärt es für unrichtig, dass der gleiche Baum z. B. am Stamme
gelbe oder rothe, an den Zweigen graue Riude trage.3)
Im frischen Zustaude jedoch sind diese Färbungen sehr blass und neh-
meu nach dem Schälen, besonders beim Trocknen erst recht ihren eigen-
thümlichen Ton an. Die hell graugelbliche oder gelbröthliche Riude der
C. micrantha beginnt augenblicklich nach dem Ablösen sich tief blutroth zu
färben, die weisse Farbe derjenigen von C. australis geht in Rostfarbe über,
sobald die weich geklopfte Ausseurinde abgerissen ist. Bei Calisaya ist das
frische „Derma“ von hell grünlich gelber Färbung, bei 0. pubescens
schmutzig weisslichgrünlich.
Allerdings fallen diese Nüancen schliesslich etwas verschieden aus, je
nachdem das Trocknen der Rinde mehr oder weniger rasch am Feuer vor-
genommen wird oder der Luft und Sonne überlassen bleibt, wo die Rindeu
oftmals wieder durch Regen und Thau benetzt werden. Immer aber bleibt
die auffallende Farbenveränderung der frischen Rinde für die ächten Ciu-
chonen ein ganz charakteristisches Merkmal, auf welches sich der Sammler
noch mehr stützt als auf die oben (§ 9) angegebenen.
Es gibt überall Bäume und Sträucher, deren Rinden sich durch gleiche
chemische Veränderungen dunkler färben, sobald sie dem Kreise ihrer
Lebensbedingungen entrückt werden, und auch Karsten führt4) aus der
Umgebung der Cinchonen das Beispiel einer Biguoniacee (Codazzia) an.
welche bitter schmeckt, sich langsam dunkler färbt und daher von den
Indianern auch mit dem Namen Quina belegt wird. Allein von den mit
Cinchona so nahe verwandten Ladenbergien, wenigstens von L.macro-
cai'pa Klz. hebt er ausdrücklich hervor, dass ihre Rinde weisslich bleibe
und als Quina blanca sehr wohl von achter China unterschieden werde.
1) nach Wdl. 62 u. Kstu. 35.
2) S. 40.
3) cf. Planchon S. 29.
4) S. 24.
Cort. Chinae. § 20. 21.
363
Die Wurzelrinde zeigt sich im allgemeinen ähnlich derjenigen Rinde der
unteren Stammthcile, welche der Wetterseite (wohl meist der westlichen)
angeboren.
Es geht aus dem obigen hervor, dass in der Färbung der Rinde nicht
nur ein fiir die Cinchonen im allgemeinen bezeichnendes Merkmal liegt,
sondern auch ein brauchbares Hülfsmittel zur Charakterisirung der Rinden
im einzelnen oder doch zur Gruppirung der Sorten. Nicht mit Unrecht
haben schon die älteren Bearbeiter dieses Gegenstandes mit den Sammlern
selbst Quina amarilla (gelbe), blanca (weisse), colorada (rothe), naranjada
(orange), negrilla (braune), roja (rothe) u. s. w. unterschieden.
So hohes Gewicht auch frühere Pharmakognosten auf das Aussehen und
namentlich auf die Farbe der zahlreichen Handelssorten der Chinarinden
legten, so wurde doch die Unbestimmtheit dieser Kennzeichen allmälig
fühlbar, und nicht grösserer Werth kann in systematischer Hinsicht den
Eintheilungsgründen zugesprochen werden, welche sich aus der geogra-
phischen Herkunft der Sorten ableiten lassen. Yon der Unmöglichkeit ab-
gesehen, dieselbe immer sicher zu ermitteln, siud mit wenigen Ausnahmen
die Verbreitungsbezirke der einzelnen Cinchonen noch allzu wenig bekannt
und auch mauigfach in einander übergreifend.
§21.
Zum Studium der Chinarinden darf gewiss keine andere als die bei den
übrigen Drogen bewährte Methode befolgt werden, welche die anatomischen
(histologischen) und die chemischen Verhältnisse erörtert und feststellt.
Das erstere wurde auch durch bildliche Darstellung für die Chinarinden
schon 1849 vonWeddell begonnen, 1857 durch Schleiden,1) 1858
durch Karsten,2) 1862 durch Howard2) mächtig gefördert und 1865
endlich durch Berg2) in einen Rahmen zusammengefasst, in welchen sich
weitere Bereicherungen der betreffenden Kenntnisse leicht unterbringen
lassen werden.
Ohne Herbeiziehung der anatomischen Verhältnisse hatten Delondre
und Bouchardat2) mit trefflichen Abbildungen der Rinden selbst mehr
die chemische Behandlung der Frage verbunden. Ihrem Werke wurde durch
Phoebus2) 1864 die werthvollste Ergänzung zu Theil, indem derselbe die
gleichen aus der Hand des ersteren empfangenen Rinden mikroskopisch
bearbeitete.
Durch diese Leistungen (vergl. weiter § 60) ist nicht nur der innere
Bau der Chinarinden im allgemeinen aufgeklärt worden, sondern auch die
anatomische Besonderheit einer Reihe von botanisch ziemlich feststehenden
Ci nchona- Arten, so dass die Zurückführung der wichtigsten Handelssorten
auf ihre Stammpflauzen gesichert ist. Ein Abschluss dieser Bestrebungen
0 Bot. Pharmacognosie. Leipzig 1857.
0 in dem oben S. 343 angeführten Werko.
364
Rinden.
wird erst daun möglich sein , wenn die systematische Botanik mit voller
Berücksichtigung der pharmakognostischen Resultate eine befriedigende
Classification der Ciuchonen durchgeführt haben wird.
§ 22.
Die Chinarinden zeigen in ihrem Bau nicht auffallendere Eigentbüm-
lichkeiten als so viele andere Rinden. Was den Cinchonen ein besonderes
Gepräge aufdrückt, lässt sich ungefähr im folgenden zusammenfassen.
Von der Epidermis im anatomischen Sinne kann hier keine Rede
sein, da der Kork, welcher sich schon in den jüngsten Zweigen dicht
unter der Epidermis in geschlossenen Schichten bildet, dieselbe bald ab-
wirft und sehr früh alleiu oder doch vorherrschend die Ausseurinde zusammen-
setzt. Dieser ganz normale Vorgang der Verkorkung kann sich in seinem
weiteren Verlaufe entweder nur auf die Mittelriude beschränken , so dass
von derselben innerhalb der Korkhülle immer noch einige, wenn nicht alle
Schichten erhalten bleiben, oder aber es wird auch das Gewebe der lunen-
rinde ergriffen. Findet das letztere am ganzen Umfange der betreffenden
Axe statt, so muss alsbald die Mittelriude vollständig verschwinden. Wenn
dagegen nur einzelne Strecken der Innenriude von schalenförmigen ICork-
bändern (Binnenkork) durchsetzt werdeu, so lösen sich die ausserhalb der-
selben gelegenen Gewebetheile allmälig als Borkenschuppen ab, während
an andern Stellen die gleichen Gewebe sich noch kurze Zeit erhalten können,
um erst später ebenfalls abgestossen zu werden.
Ganz wie andere Rinden haben daher diejenigen der Cinchonen eben-
falls eigentliche B orkenbil düng aufzuweisen und nach Karsten1) wären
derselben alle Arten unterworfen. Doch ist der Beweis hierfür noch lange
nicht beigebracht, und gewiss zeigen die einzelnen Ciuchonen iu dieser
Hinsicht so wie auch wohl in der Natur des eigentlichen Korkgewebes selbst
Verschiedenheiten, welche noch der Untersuchung harren. Karsten ist
geneigt, dieselben von klimatischen Einflüssen mehr als von specifischer
Anlage abzuleiten. Sehr häufige und sehr extreme Schwankungen im
Wassergehalte der Atmosphäre würden durch den Wechsel des Austrock-
nens und Aufquelleus der Rinde besonders das Auftreten von Borkeschuppen
begünstigen, wogegen der beständigeren Feuchtigkeit der Nebelregion eine
mehr regelmässigere Entwickelung von reinem Korke (Schwammkork,
Tafelkork) oft mit warzigen Wucherungen und Rissen entspräche. Beide
Formen fand Karsten je nach dem Standorte z. B. au C. corymbosa aus-
gebildet.
C. Calisaya scheint ganz besonders regelmässig in Standorten mittlerer
Höhe (1600 — 1800“) vorzukommen, welche iu auffallender Weise die
Borkenschuppen begünstigen.2) Sie sind ganz den entsprechenden Bildungen
1) S. 46.
2) Markham (Zwei Reisen in Peru, deutsche Uobcrsetz., Leipzig 1865, S. 266 u. 270.)
schilderte die Meteorologie des Tarahopata-Thales in Carabaya an der bolivianischen Grenze,
des eigentlichen Mittelpunktes der Calisaya-Rogion , über 1800 ,n hoch. Demnach herrscht
hier Sonnenschein im Juni, Juli und August entschieden vor, Regen im October bis Februar.
Cort. Cliinae. § 22. 23.
365
der Platanen zu vergleichen, jedoch bedeutend stärker, aber weit wenigei
umfangreich. Treffend bezeichnen die Cascarilleros die an der Rinde da-
durch entstehenden seicht muldenförmigen Borkengruben als conchas
wegen der Aehnlichkeit mit flachen Muscheln. Wo sie in die Länge gezogen
sind und auch wohl zusammenfliessen , sehen sie aus, als wären sie durch
Fiugerein drücke entstanden.
Diese Conchas sind am auffallendsten vorhanden bei Stammrinden der
C. Calisaya und in der käuflichen Rinde immer bis auf höchst unbedeutende
Reste der Borke vollständig blos gelegt. Aber auch andere Cinchonen be-
sitzen ebenfalls Conchas, z. B. C. lanceolata RP.
Eine ganze Reihe von Handelssorten dagegen, gewöhnlich als Loxa-,
Pseudo -Loxa- und Huanuco- China bezeichnet, weist reine Korkbildung
auf. Es fragt sich , ob bei den betreffenden Stammpflanzen die eigentliche
Borke überhaupt gar nicht oder nur erst in späterem Alter auftritt. Für
C. micrantha z. B. macht Weddell eine einfache Verwitterung der Mittel-
rinde, aber nicht Borkenbildung wahrscheinlich.
Die Korkzellen der Cinchonen, wenigstens die der käuflichen Rinden,
zeigen die gewöhnliche Tafelform und radiale Anordnung. In der Borke
schliesst das reine Korkparenchym noch mehr oder weniger kenntliche
Reste des in Folge der Bildung von Binnenkork abgestorbenen Gewebes der
Mittelrinde oder der Inuenrinde ein.
Die nicht mehr lebensthätige Aussenrinde, gleich viel, ob aus Borke
oder aus reinem Korke allein bestehend, nennt W e d d e 1 1 P e r i d e r m a , die
übrige Rinde Derma und unterscheidet in letzterem die Mittelrinde, wo sie
noch vorhanden ist, als tunique oder enveloppe cellulaire vom Baste (über).
§ 23.
Die Mittelrinde der Cinchonen ist aus ansehnlichen, in tangentialer
Richtung mehr oder weniger gedehnten Zellen gebaut, welche sich wie ge-
wöhnlich durch radial gerichtete Scheidewände vermehren. Die Einförmig-
keit dieses Gewebes wird (abgesehen von Binnenkorkbildung) dadurch
unterbrochen, dass einzelne oder zahlreiche seiner oft grob porösen Zellen
auf ihren Wandungen Verdickungschichten ablagern. Bei bedeutenderer
Entwickelung der letzteren entstehen Steinzellen (Schichtenzellen), welche
entweder leer, oder mit feinem Krystallmehl von Kalkoxalat , oder aber mit
rothbraunem, festem, bisweilen gekörntem Inhalte erfüllt sind, welcher
ohne hinreichenden Grund als Harz bezeichnet worden ist. Die Steinzellen
wechseln in ihrer Form ohne Regelmässigkeit , so dass es überflüssig er-
achtet werden muss, sie als Wiirfelzelleu, als kugelige oder stabförmige
(tangential gestreckte) Steinzellen zu unterscheiden. Nicht belangreicher
ist die Unterscheidung derselben nach ihrem Inhalte in Krystallzellen und
in Harzzellen oder Saftzellen.1) Im Sinne der Axe bieten die Steinzellen
der Chinarinden keine erhebliche Streckung dar.
nicht zu verwechseln mit den Saftrühren (Saftschlänchen).
366
Rinden.
Sie erscheinen in der Mittelrinde entweder einzeln eingestreut oder zu Grup-
pen vereinigt, niemals aber eigentlich geschlossene, umfangreiche Kreise dar-
stellend wie in so vielen anderen Rinden, z. B. in Cort. Quassiae oder Gort.
Guajaci. Manchen Chinarinden fehlen die Steiuzellen regelmässig (z. B.
der rothen), in andern kommen sie spärlich, in manchen (C. ovata. C. Pal-
ton) reichlich und auch (z. B. bei C. lancifolia) in der Innenrinde vor. In
C. umbellulifera und einigen andern sind Steinzellen bald vorhanden , bald
nicht. Ganz besonders reichlich und fast die ganze Mittelrinde erfüllend
weist sie C. lucumaefolia auf. Mitunter zeigen die Mittelrindenzellen spiralig
geordnete Poren, besonders auffallend z. B die röthliche Pitayo-China. Im
übrigen bleiben diese Zellen dünnwandig, sind also nicht mit den Stein-
zellen zu verwechseln.
§24.
Au der Grenze der Mittelrinde und der Innenriude finden sich häufig
einzelne sehr ansehnliche Zellen, welche auf dem Querschnitte eiueu kreis-
förmigen oder tangential gedehnten Umriss darbieteu, der an Umfang, nicht
an Wanddicke, die benachbarten Parenchymzelleu meist übertrifft. Der
grössere Durchmesser erreicht häufig über 200 Mikromill. (C. succirubra),
bei C. boliviaua sogar 500, geht aber auch oft (z. B. bei Uritusinga) unter
50 bis 40 Mikromill. herab.
Im Längsschnitte erscheinen diese Zellen nicht ansehnlich gestreckt,
sondern einfach sackartig zu mehreren über einander gestellt, ungefähr so
wie die Harz- oder Milchsaftzellen der Jalape, doch lassen sich diese Saft-
röhren1) oder Saftschläuche der China nicht auf so ansehnliche
Strecken verfolgen. Sie stehen gewöhnlich einzeln oder bisweilen zu zwei
bis drei hinter einander vor den letzten Ausstrahlungen der Bastkeile,
jedoch ohne ganz bestimmte Beziehung zu denselben. Im Querschnitte bilden
sie daher einen meist einfachen, lockeren und wenig regelmässigen, manchmal
mehrfachen und oft annähernd geschlossenen Kreis. Eine besondere An-
ordnung oder abweichende Form der Parenchymzellen, welche zunächst diese
Saftschläuche umgeben, etwa in der Weise, wie bei den Balsamgäugen der
Compositen- oder Umbelliferen -Wurzeln, ist in den Chinarinden nicht er-
sichtlich. — Wo die Saftschläuche nicht grösser siud, können sie leicht
übersehen werden, wenn mau die Schnitte mit Kali statt mit dem weniger
eingreifenden Ammoniak aufweicht. Wegen des brauurothen, trüben,
gummig-harzigen Inhaltes, wegen ihres Baues und ihrer Stellung lassen
sich diese Schläuche den Milchsaftgefässen so vieler anderer Pflanzen ver-
gleichen, daher sie auch von manchen geradezu als Milchsaftröhren
bezeichnet werden. Nach Karsten, welcher sie als Saftfasern oder
Saftbehälter anführt, kommen sie in den jüngsten Zweigen aller oder
fast aller Cinchonen und ihrer nächsten Verwandten als Abgrenzung des
0 lacuncs oder vaisseaux laticifercs Wdl. n. DB., laticifcrous canals, ducts or vesscls Ild.
Cort. Chinae. § 24. 25.
367
primären Rindenparenchyms vom Cambium vor, bei einzelnen Arten aber
bleiben sie sehr enge, verschmelzen nicht durch Resorption der Querwände
zu Gefässen und verkümmern sehr bald gänzlich und zwar zum Theil, wie
es scheint, auch dadurch, dass in ihrem Innern Neubildung (?) parenchy-
matischer Zellen stattfindet, wie z. B. in mittelstarken Röhren der China
rubra dura leicht zu sehen ist. Auch im Marke , zumal in der Nähe der
Knoten junger Axen, finden sich Saftschläuche vor.1)
Obwohl also diese Saftschläuche keine Eigenthümlichkeit einzelner Cin
chonen sind, so fehlen sie doch regelmässig in einigen Rinden des Handels
und finden sich in andern erhalten, sofern nicht überhaupt die ganze Mittel-
rinde durch Borkenbildung untergegangen ist. Wenn die angedeutete Stel-
lung und die spätere Zerstörung der Saftschläuche richtig gewürdigt wird,
so geben sie daher in manchen Fällen brauchbare Merkmale zur Erkennung
einzelner Rinden ab.
§ 25.
Wichtigere Anhaltspunkte gewährt jedoch die Innenrinde, welche
infolge Beseitigung der Borke in vielen Fällen ohnehin ganz allein manche
Sorten käuflicher Rinden darstellt. Sie besteht, wie gewöhnlich, aus Bast-
gewebe, durchschnitten von Markstrahlen, welche das Holz in drei, höch-
stens vier parallelen Reihen (grosse Markstrahlen, Hauptmarkstrahlen) aus-
sendet. Ihre Zellen sind fast immer grösser als die des Bastparenchyms
und nehmen jedenfalls in der Nähe der Mittelrinde an Breite wie an Zahl
der einzelnen Reihen zu; die Zellen selbst dehnen sich in der Richtung der
Tangente und verlieren sich zuletzt unmerklich in die Mittelrinde. Im tan-
gentialen Längsschnitte zeigen sich die Markstrahlen bis ungefähr 20 Vertikal-
schichten mächtig, von denen die obersten und untersten nur zweireihig
oder einreihig sein können.
Ausserdem gibt es auch Nebenmarkstrahlen (kleine Markstrahlen) mit
nur einer oder einer gegen die Grenze der Mittelrinde verdoppelten und
umgekehrt keilförmig erweiterten Zellenreihe. Bisweilen bleiben jedoc hdiese
sekundären Markstrahlen schon früher zurück.
Im Gewebe der Markstrahlen verdicken sich oft namentlich in den äus-
sersten Schichten einzelne Zellen zu Steinzellen. Noch häufiger, auch ohne
Verholzung, führen manche Krystallmehl.
Das Bastgewebe enthält sowohl Parenchym (Zwischenparenchym Phb.,
Füllgewebe Bg.) als prosenchymatische, im Sinne der Axe stark gestreckte
Zellen in wechselndem Verhältnisse. Immer und schon sehr frühe verdicken
sich die Wandungen der entschieden axial gestreckten Zellen. Wenn das
in geiingerem Grade der Fall ist und die Zellen nicht spitz enden, so werden
sie als S t a b z e 1 1 e n ,2) stabförmige Steinzellen (Bg.) Faser zellen(Schlei-
X) Abbildung bei Wdl., Tab. I., fig. 2G. 1.
2) cellules fibreuscs, imperfoct liber-fibres.
368
Rinden.
den) unterschieden. Phoebus1 2) hält sie für Baströhren, welche in wei-
terer Ausbildung gehemmt worden seien; auch Karsten'-) nimmt sie für
Uebergangsformen. Eine andere Auffassung liegt dem Ausdrucke Bergs
vermuthlich zu Grunde und für dieselbe spricht die Thatsache, dass ganz
ähnliche Gebilde z. B. in der Mittelrinde des Aconit-Knollens (vergl. bei
Tuber Aconiti Napelli) Vorkommen, welche gar nicht dem Baste angehören.
Immerhin ist der diagnostische Werth der Stabzellen gering, da sie im
ganzen nicht häufig und wenig constant Vorkommen. Recht zahlreich treten
sie in den Baststrahlen der C. lancifolia auf, auch in C. Pelletiereaua, ferner
in Cortex Chinae ruber suberosns.
§ 26.
Wenn die Wandungen der prosenchymatischen Bastzellen sich so sehr
verdicken, dass ihre Höhlung beinahe ganz verschwindet, so entstehen die
verholzten Baströhren oder einfach Bastzellen.3) Ausser der bedeu-
tenden Grösse und der weiter fortgeschrittenen Verholzung unterscheiden
sie sich auch durch spitze Enden von den Stabzellen. Jedoch kommen z. B.
in der Pitayo-China auch Baströhren mit breit gerundeten, stumpfen Enden
vor. In den jüngeren Rinden finden sich die Baströhren bei den meisten
Arten nur spärlich eingestreut, aber mit dem zunehmenden Alter vermehren
sie sich bedeutend, verlieren ihre Höhlung, etwa mit Ausnahme der jüngsten
(innersten) fast vollständig und drängen das Bastparenchym meist sehr
zurück. Im Querschnitte erscheinen diese Baströhren deutlich und sehr ziei'-
lich concentrisch geschichtet, von feinen Porenkanälen durchsetzt, im Um-
risse rundlich oder etwas eckig und häufig in radialer Richtung, oft iufolge
gegenseitiger Pressung, etwas gestreckt, die Höhlung meist auf eine dunkle
Ritze oder einen Punkt beschränkt. Da die Baströhren in spitze, doch
nicht eigentlich geschärfte Enden auslaufen, so fällt der Umfang des Quer-
schnittes in verschiedener Höhe sehr verschieden aus. Der grössere Durch-
messer der stärksten Röhren pflegt ungefähr 200 Mikromill. zu erreichen,
gewöhnlicher aber nur die Hälfte oder ein Drittel dieser Grösse zu betragen.
Im Längsschnitte erweisen sich die Baströhren der China verhältuiss-
mässig kürzer als die entsprechenden Zellen so vieler anderer Rinden, ob-
wohl ihre Länge immerhin in den Bereich gewöhnlicher Messung fällt und
leicht 2—6 Millimeter beträgt. Sie zeigen sich, sofern sie nicht völlig isolirt
stehen, mit ihren spitzen Enden über und zwischen einander gekeilt, aber
niemals quer verbunden, sondern immer ganz einfach oder höchstens säbel-
förmig gebogen, meist aber gerade. Auch ihre glänzende, gelbe oder gelb-
rothe Farbe lässt sie in dem übrigen Gewebe sehr gut wahrnehmen.
1) S. 28.
2) g 42.
3) fibres corticalcs Wdl., libor-fibrcs Hd. — Karsten nennt diese (und nicht unsere
Stabzellen) Bastzellcn, Bastfascrzcllen, Fascrzcllen.
Cort. Cliinae. § 26. 27. 28.
369
Wahrhaft prachtvoll nehmen sich feinste Querschnitte starker Bast-
röhren im polarisirten Lichte aus, indem sie ein schwarzes Kreuz zeigen,
während bei nur wenig dickeren Scheiben daneben in den Quadranten die
schönsten Färbungen auftreten. Die letzteren verrathen auch bei Betrach-
tung von Längsschnitten die bedeutenden Spannungen, welche bei der Ablage-
rung dieser Yerholzungsschichten stattgefunden haben. Die feinere spiralige
Anlage derselben gelangt erst dann zur Anschauung, wenn die Baströhren
mit Salzsäure gekocht und hierauf in Kupferoxydammoniak gelegt werden.
§ 27.
Die ansehnliche Dicke und Verholzung, so wie die einfache Gestalt
zeichnen die Baströhren der Cinchonen aus. Anfangs in den jüngsten Axen
vereinzelt auftretend, ordnen sie sich später in verschiedener Weise, so dass
die einzelnen Cinchona-Arten gerade darin auch ihre Eigenthümlichkeit
ausprägen.
Dem ununterbrochenen Pflanzenleben ihrer Heimat entsprechend, herrscht
die mehr oder weniger regelmässige, radiale Aufeinanderfolge der Baströhren
in den Rinden der Cinchonen vor, welcher nicht selten auch eine Ueber-
einstimmung in tangentialer Richtung wenigstens einigermassen entspricht,
obwohl eigentliche geschlossene (nämlich nur von den Markstrahlen durch-
setzte) Kreise der Baströhren, abwechselnd z. B. mit concentrischen Lagen
pareuchymatischen Bastes, nicht Vorkommen. Der Bast der Chinarinden
sieht deshalb nicht deutlich gefeldert aus. Auch da, wo verholzte Bast-
röhren in grosser Zahl auftreten, bilden sie nicht umfangreichere Gruppen
oder lange und derbe Bündel, und besonders in der Spitze der Bastkeile,
au der Grenze der Mittelrinde, stehen sie nur sehr zerstreut.
Während in der Jugend das Parenchym der Innenrinde (Bastparenchym)
vorherrscht, ändert sich nach und nach dieses Verhältnis bald mehr, bald
weniger zu Gunsten der Baströhren. Die Rinde der gleichen Art muss also
in verschiedenen Altersstufen in dieser Hinsicht sehr ungleiche Bilder und
daher nur trügerische Anhaltspunkte für die Diagnose darbieten, wenn auch
innerhalb gewisser Gränzen die specifische Eigenthümlichkeit ihr Recht
behauptet. Aber auch an sich betrachtet, gewährt das Bastparenchym
keine ausgezeichneten Merkmale. Seine Zellen sind, wie gewöhnlich, etwas
vertikal gedehnt und durchschnittlich mit dünneren Wänden versehen als
das ähnliche Gewebe der Mittelrinde. Da, wo die Baströhren weit aus ein-
ander gerückt stehen , sind sie von diesem oft beträchtlich kleinzelligeren
Parenchym ganz umgeben uud in radialer Richtung durch derartige vom
übrigen Bastgewebe und den Markstrahlen wohl unterschiedene Streifen
verbunden.
§ 28.
Die meisten der nicht oder nicht ganz verholzten Zellen der Chinarinde,
ausgenommen die des Korkcambiums und die Oxalat führenden, sind so
reichlich mit dunkel braunrothem Farbstoffe gefüllt, dass ihr fernerer
Inhal t, so wie ihr Bau erst deutlich wahrnehmbar wird, wenn man beginnt,
Fliickiger, Pharmakognosie. 24
370
Rinden.
den ersteren durch Ammoniak, Weingeist, Kali oder uoch andere Lösungs-
mittel wegzuschaffen. Sogar der Kork enthält häufig Chinaroth uud iu den
innersten noch leben sthätigen Lagen Stärkekörner. Dergleichen, in vor-
herrschend einfachen kugeligen, bis ungefähr 20 Mikromill. messenden Ge-
stalten, liegen auch im Parenchym der Mittel- uud Innenrinde und in den
Markstrahlen. In den äusseren Schichten der Mittelrinde jüngerer Rinden
lassen sich auch Chlorophyllkör ne r finden.
Die schon erwähnten äusserst kleinen und wenig ansgebildeten Krystalle
von Kalkoxalat sind da und dort in einzelnen Zellen aller drei Parenchym-
arten abgelagert, so dass durchaus nicht alle krystallhaltigen Zellen ver-
holzte oder auch nur verdickte Wände besitzen. Die der letztem Form, die
Oxalat einschliessenden Steiuzellen , sind sogar im ganzen weuiger häufig.
Grössere oft gut ausgebildete Oxalatkrystalle und, wie es scheint, auch
meist in reichlicherer Menge, führen die den Ciuchonen verwandten Bäume
in ihren Rinden. Hier finden sich iin Baste auch ganze Vertikalreihen
krystallhaltiger Zellen , während die Chiuariuden nur vereinzelte Krystall-
zellen aufweisen.
Neben diesen allgemein verbreiteten Stoffen lassen sich die eigenthüm-
lichen Bestaudtheile der Chinarinden nicht durch unmittelbare Betrachtung
vermittelst des Mikroskops wahrnehmen. Howard’s unten (§ 55) zu er-
wähnende gegenteilige Beobachtungen bedürfen noch weiterer Bestätigung.
§ 29.
Fasst mau die anatomischen Verhältnisse der Chinarinden zusammen,
so ergibt sich , dass sie sowohl der Gesammtheit der erstereu als auch ins
besondere der Natur und Stellung ihrer verholzten Baströhren ein eigen-
tümliches Gepräge verdanken. Dasselbe tritt besonders deutlich im Gegen-
sätze zu den übrigen im Systeme so nahe stehenden Cinchoueen hervor.
Bei den Ladenbergien z. B. entwickeln sich die Saftschläuche weit voll-
kommener zu grösseren, zusammenhängenden uud auch bis in höheres Alter
bleibenden Get’ässeu, während die Saftschläuche der wahren Cinchonen oft
schon im zweiten Jahre verkümmern und älteren Rinden des Handels feh-
len. Die Mittelrinde der Ladenbergia- Arten weist auch starke, höchst
umfangreiche und öfters vertikal gestreckte Bündel von bteinzellengi uppen
auf, am meisten aber weicht ihr Bast vom oben geschilderten 1 ypus der
Cinchonen ab. Gewöhnlich fällt die luuenriude der Ladenbergien schon
durch die grünliche Farbe ihrer Baströhren auf, welche häufig stellenweise
durch Steiuzellen oder Stabzellen vertreten sind. Die eigentlichen Bast-
röhren selbst sind dünn, aber bei weitem nicht vollständig verholzt, im
Querschnitte ein bedeutendes Lumen darbietend und gewöhnlich rundlich,
ohne radiale Streckung. Im Längsschnitte zeigen sie die gewöhnlichen Ver-
hältnisse der meisten Baströhren, d. h. sie sind sehr lang und ver-
leihen als starke, oft netzartig querverbundene Stränge dem ganzen Gewebe
einen Zusammenhang, welchen die kurzen einfachen Baströhreu dei Ciu
Cortices Chinae. § 29. 30.
371
chonen nicht zu geben vermögen. In manchen Ladenbergia-Rinden spielt
auch das Parenchym des Bastes eine bedeutendere Rolle, sei es dass seine
regelmässigen tangentialen Zonen, mit Baströhrengruppen abwechselnd, ein
gefeldertes Aussehen der Iunenrinde bedingen, sei es, dass die innere Hälfte
der letzteren bei weitem vorherrschend aus Parenchym gebaut ist. Auch
hierdurch erhält das Gewebe dieser Rinden eine bei weitem grössere Festig-
keit und Zähigkeit als die mürben Chinarinden.
Diese Unterschiede reichen denn auch vollkommen aus, um die Rinden
ächter Ciuchonen und diejenigen der übrigen verwandten Gattungen aus
einander zu halten. (Yergl. § 43.)
§ 30.
Da in den käuflichen Chinarinden wenigstens die Bastschicht immer
erhalten bleibt, so geben in der Regel die ihrem auffallendsten Elemente,
nämlich den verholzten Baströhren, entnommenen Merkmale die brauch-
barsten Anhaltspunkte auch zur Erkennung der einzelnen Sorten ab. Frei-
lich sind nur erst bei wenigen Cinchonen die Veränderungen genügend
ermittelt, welche die gesammte Bastschicht der Species im Laufe der Ent-
wickelung des Baumes erleidet, wir kennen nur von einer beschränkten
Zahl den Bau der Rinde in der Wurzel, am Stamm und auch an den Zwei-
gen, allein der Handel liefert auch sehr häufig von einer gewissen Cinchone
durchschnittlich nur Rinden der gleichen Altersstufe als Sorte.
Wie bei allen Rinden mit einigermassen ausgebildeter Bastschicht fällt
der Querbruch auch der Chinarinden verschieden aus in den inneren
und in den äusseren Lagen. Die letzteren, aus dem rein parenchymatischen
Gewebe des Korkes und der Mittelrinde bestehend, brechen gleichmässig
und kurz, sofern nicht durch Borkenbildung abgestorbene Theile des Bastes
in die Bedeckung (Periderma Weddell’s) hereingezogen sind.
Im Gegensätze zu jenem gleichmässigen , ziemlich glatten, dem soge-
nannten korkigen Bruche, bietet die Innenschicht stärkerer Rinden nicht
eine ebene Bruchfläche dar, sondern es ragen daraus einzelne derbe Bündel-
chen der im Sinne der Axe gestreckten Baströhren heraus. Weddell
zuerst hat nachgewiesen, dass aber namentlich bei den Chinarinden das
Aussehen des Bruches sehr verschiedenartig ist, je nach der Grösse und
der Anordnung der Baströhren. Sind dieselben nicht nur sehr dick,
z. B. 200 Mikromill. im längeren Durchmesser des keilförmig -elliptischen
Querschnittes erreichend, sondern zugleich in starke, wenn auch (wie immer
bei den Cinchonen) kurze Bündel zusammengepresst und gekeilt, und da-
neben das Bastparenchym reichlich entwickelt, so ist hierdurch ein holzi-
ger Bruch bedingt, den Weddell an C. pubescens vortrefflich erläutert
hat. Dieser Typus gewinnt noch weiter an Eigenthümlichkeit , wenn die
Bastbüudel zugleich auch mehr oder weniger vollständig von der gewöhn-
licheren radialen Anordnung abweichen und, zumal in den inneren Lagen
des Bastes, einigermassen concentrische Kreise darstellen. Alsdann starren
24*
372
Rinden.
kurze aber ziemlich umfangreiche und sehr fest zusammenhängende, nicht
sehr spitze Bündel aus der Bruchfläche hervor. Der Querschnitt eines nach
diesem Typus gebauten Bastes kann eine Abänderung darbieten, wenn die
Bündel sich mehr in radialer Folge zeigen.
Anders gestaltet sich das Bild , wenn etwas schwächere , z. B. durch-
schnittlich ungefähr 70 bis 150 Mikromill. dicke Baströhren mehr verein-
zelt, aber doch zahlreicher und den parenchymatischen Theil des Gewebes
oft sehr beschränkend, in unverkennbar vorwiegend radialer Anordnung
auftreten. Auch dieser Grundplan des Bastes vermag bei ausgewachsenen
Rinden in verschiedener Weise zum Ausdruck zu gelangen. Wenn nämlich
die Baströhren immer noch durch Parenchym getrennt und auch nicht sehr
strenge in geraden radialen Reihen auf einander folgen, so ragen aus dem
Bruche nur die vereinzelten spitzigen Baströhren heraus, indem sie gleich-
sam nach W e d d e 1 1’ s Q treffender Bemerkung einzeln im parenchymatischen
Gewebe schweben. Ein derartiger ausgezeichnet faseriger Bruch zeigtsich
ganz besonders bei der älteren Calisaya -Rinde. Yon diesem Typus weicht
der Bast der C. scrobiculata durch die grössere Zahl seiner verholzten
Röhren ab, welche das Parenchym weit mehr zurückdrängen und längere
Radialreihen bilden , worin die Baströhren oft nur durch eine einzelne Pa-
renchymzelle getrennt sind. Häufig folgen aber auch 4 bis 10 Baströhren
einer Reihe völlig ohne Zwischenparenchym auf einander. Der Bruch er-
scheint daher hier mit langen biegsamen Fasern ausgestattet, welche sich
besonders bei drehendem Zerreissen der Rinde faden artig zeigen (fracture
filandreuse Wdl.).
Im ganzen verdanken die Chinarinden ihren verhältnissmässig kurzen
und nicht verflochtenen Baströhren besonders die grosse Brüchigkeit. Wed-
dell2) z. B. vergleicht in dieser Beziehung die frische Calisaya -Rinde mit
einem fleischigen Pilze, Karsten3) diejenige der C. lancifolia mit steifer
Pappe. So auffallend sich übrigens die drei obigen Weddel 1’ sehen Typen
des Bruches in C. pubescens, C. Calisaya und G. scrobiculata unter-
scheiden , so erscheinen sie doch in den meisten anderen Rinden vielfach
modificirt, sei es in Folge des Alters, welches selbst bei einer und derselben
Cinchone den Bast umzugestalten vermag, sei es vielleicht selbst, wie
Karsten4) will, in Folge individueller oder lokaler klimatischer Einflüsse,
so dass nach demselben im Grunde die specifische Bedeutung des Bastes eine
sehr geringe wäre.
Jedenfalls ist es wünschenswerth , überhaupt die Entwickelung der
Rinden sämmtlicher Cinchonen durch ihre verschiedenen Altersstufen ken-
nen zu lernen, und erst die Erfüllung dieser noch kaum in Angriff genom-
menen Forderung wird unsere Kenntniss der Chinarinden zum Abschlüsse
zu bringen vermögen.
D pg. 24. 2) pg. 33. 3) pg. 85. 4) pg. 53. 55.
Cortices Chinae. § 31. 32.
373
§ 31.
Die bis in die neueste Zeit ganz vernachlässigte Wurzelrinde der
Cinchonen scheint im allgemeinen den Bau der Stamm- oder Astrinde zu
besitzen , namentlich aber sehr zur Borkenbildung geneigt zu sein 1). Bei
C. Calisaya hebt Berg2) das Fehlen der Saftschläuche iu einer verhältniss-
mässig noch jungen Wurzelrinde hervor, so wie das zum Theil horizontale
Streichen der Bastbündel, die in den oberirdischen Axen immer vertikal
verlaufen .
§ 32.
In Betreff der oben (§ 6) aufgeführten wichtigsten Arten, welche ent-
weder für sich allein oder zu mehreren gemischt die hauptsächlichsten
Sorten des Handels liefern, ist nach dem gegenwärtigen Stande der Dinge
ungefähr das folgende hinsichtlich des anatomischen Baues als gesichert
zu betrachten:
1. C. Calisaya.
Nachdem schon Jussieu die Region dieses Baumes betreten hatte,
machten um 1776 Rubin de Celis und 1791 der in Cochabamba (Bolivia)
ansässige Böhme Thaddäus Hänke auf den Werth seiner Rinde aufmerk-
sam, so dass sie seit ungefähr 1789 eine immer steigende Bedeutung ge-
wann, obwohl der Baum selbst erst durch Wedd eil genau bekannt wurde.
Im Handel finden sich sowohl die vollständigen Zweigrinden in Röhren als
auch die von Borke befreiten platten Stammrinden, und zwar:
a) die erstere unter dem Namen Cortex Chinae regius , convolutus ,
China Calisaya cum epidermide, Calisaya tecta s. tubulata, gerollte oder
bedeckte Königschina; Quinquina Calisaya roule; Quill Calisaya.
1 bis 4 Centimeter starke Röhren, meist von beiden Rändern her ein-
gerollt (Doppelröhren), dunkel graubraun bis weisslich, mit groben unregel-
mässigen Längsleistchen und Furchen, die im ganzen doch einigermassen
übereinstimmend gerichtet sind und von tiefen oft ringsum laufenden Quer-
rissen gekreuzt werden. Hierdurch entstehen quadratische, längliche oder
rhombische Felder mit aufgeworfenen Rändern und gewöhnlich etwas feiner
gefurchter Fläche, welche leicht abspringen und auf der Oberfläche der
zimmtbraunen Mittelrinde ihre Umrisse noch erkennen lassen. Innenfläche
dunkler braungelblich durch die hellen Baströhren genau vertikal gestreift.
Bruch rein faserig, in der Aussenrinde dunkler und flacher. Der anato-
mische Bau entspricht dem schon (§ 30) geschilderten Typus. Die Be-
deckung besteht aus zahlreichen Lagen ansehnlicher derber braunrother
Tafelzellen, welche schon frühe als Binnenkork (§ 22) in die Mittelrinde
eingreifen. Bei einer Dicke von 0,005'u bis gegen 0,010m, welche die Röh-
ren an aufgeweichten Querschnitten oft zeigen, beträgt die Mittelrinde leicht
1) Kstn. pg. 23. 35.
2) Pg- 24.
374
Rinden.
die Hälfte. Sie weist nur sehr vereinzelte oder so gut wie keine Steinzellen,
wohl aber einen allerdings frühzeitig verschwindenden einfachen oder dop-
pelten Kreis von Saftschläuchen auf. Die verholzten gelben Baströhren oft
noch spärlich und klein, sein- häufig von 15 bis 40 Mikromill erreichendem
quadratischem oder vieleckigem, oft etwas radial gestrecktem Querschnitte.
Aeusserlich den Röhren der Calisaya vollkommen ähnlich erklärt Ho-
ward diejenigen der C. peruviana.
b) Ch. regia plana , Ch. regia sine epidermide, Calisaya nuda; flache,
platte, unbedeckte Königschina; Calisaya plat; flat Calisaya.
Ein oder mehrere Fuss lange, oft gegen 0,2"' breite und 5 bis 15 Millim.
dicke flache Stücke, von jener besonderen schönen reinen Färbung, welche
man als Typus der gelben Chinasorten bezeichnet; in der That ist der Stich
ins gelbröthliche oft kaum wahrnehmbar. Die Oberfläche häufig durch Ver-
witterung wenigstens stellenweise dunkler, mehr oder weniger, oft in höch-
stem Grade durch Conchas (oben § 22) uneben, Inneufläche nicht immer
wie bei den Astrinden parallel, sondern oft etwas wellenförmig gestreift. In
diesem Falle fahren aus der Bruchfläche die Bastbündel der verschiedenen
Schichten bisweilen in divergenter Richtung auseinander, ähnlich wie die
Holzbündel des Guajaks (siehe bei Lignum Guajaci). Diese Sorte ist höchst
ausgezeichnet durch ihr mürbes Gewebe, dessen Bruch völlig dem W e d de 1 1 -
sehen Calisaya-Typus entspricht. Schon der Fingernagel kratzt ohne Anstren-
gung die spitzigen Baströhren los, welche leicht in die Haut eindringen.
Von der Aussenrinde pflegen an den Rändern der Conchas nur noch
einzelne leicht abzulösende Borkeschuppen oder F etzen erhalten zu sein ;
der Bast, welcher, von den Bändern des Binnenkorkes abgesehen, allein die
Rinde bildet, zeigt vollständig den oben bei a) beschriebenen Bau, jedoch
mit, den durch das Auswachsen bedingten Aenderungen. Die ziemlich zer-
streuten, bald mehr bald weniger deutlich radial, bisweilen beinahe auch
etwas tangential gereihten Baströhren sind nämlich im Querschnitte nicht
nur grösser, sondern auch etwas mehr radial gestreckt. Da und dort be-
rühren sich einmal 2 bis 4 unmittelbar, sonst stehen sie immer durch reich-
liches Bastparenchym getrennt. Die Zellen der Markstrahlen bleiben hier
noch radial gedehnt, höchstens kuboidisch, nicht wie in der (abgeworfenen)
Mittelrinde breit tangential gestreckt, daher die Markstrahlen nirgends
die Breite der Baststrahlen erreichen. Im Längsschnitte zeigt sich das Bast-
parenchym etwas gestreckt, die Baströhren mit den Enden au eiuander
gelegt.
Die schon von Jos. de Jussieu bemerkte, durch Wed de 11 ihm zu
Ehren benannte strauchige Varietät C. Josephiana (§ G No. 1 und § 8) gibt
eine dünne röhrige Rinde, Ichu-Cascarilla der Eingeborenen. Sie wird von
denselben viel gebraucht, gelangt aber nur selten in den Handel. Eine
Probe davon, welche ich Howard verdanke, stimmt mit der Abbildung
WeddeH’s überein, zeigt das Aussehen dünnster Röhren gewöhnlicher
Röhren-Calisaya, höchstens sind die Risse noch weniger tief eingeschuitten
Cortices Chinae. § 32.
375
und der Innenfläche haften noch Holzsplitterchen an. Anatomisch entspricht
diese Ichu der gerollten Calisaya, namentlich stehen die dickwandigen Saft-
schläuche sehr genähert in einem stellenweise doppelten Kreise, die blassen
verholzten Baströhren meist zwischen zwei Markstrahlen in einer einzigen
unterbrochenen Radialreihe. In einer nach dem Aufweichen blos 1 Millim.
dicken Rinde enthält eine solche Reihe schon zehn Baströhren, welche
bereits einen Durchmesser von 50 bis 70 Mikromill. erreichen; nur die
innersten schliessen noch eine ansehnliche Höhlung ein. Die Stammrinden
der C. Josephiana, mehr noch die der Wurzel, dürften bei der Leichtigkeit,
womit sie zu beschaffen sind, eine bedeutende Zukunft haben, wie bereits
Weddell1) voraussagte.
Die Staramrinden der oben (§ 6. 1) erwähnten C. boliviana sind nach
Weddell dünner, mit weniger tiefen Borkegruben versehen und oft
etwas heller als die beschriebene flache Calisaya- Rinde, welcher sie sonst
gleichen. In Bolivia heisseu sie jedoch zum Unterschiede Calisaya morada.
Die Zweigrinden sind nicht von gerollter gewöhnlicher Calisaya zu unter-
scheiden. — You dieser C. boliviana leitet Howard seine Calisaya pallida
ab. Es sind 5 Millim. dicke breite Bastplatten, welche jener Wed dell’-
schen Charakteristik entsprechen. Ihre Baströhreu finde ich so geordnet,
wie in gewöhnlicher flacher Calisaya. Die Röhren, welche Howard als
Calisaya morada bezeichnet und Berg zu C. Uritusinga zieht; sehen äusser-
lich völlig der Calisaya ähnlich.
Zu dieser Var. boliviana der Calisaya -Rinde gehören auch Howard’s
Röhren der holzigen (woody) Calisaya mit ausgezeichneter Schichten-
borke.
Von anderer Seite, z. B. vom Hause Gehe wird als Calisaya boliviana
eine ausgezeichnete flache Rinde in den Handel gebracht, die ebenfalls mit
den Weddel Eschen Angaben übereinstimmt. Die Farbe ist die der gewöhn-
lichen flachen Calisaya, der Bruch aber derber splitterig, die Textur fester,
die Oberfläche mit seichten Conchas oder mit kleinen abgescheuerten Kork-
warzen versehen , manche der dünneren Stücke rückwärts gekrümmt.
Die Mittelrinde pflegt trotz der Borkegruben noch erhalten zu sein und weist
dann sehr umfangreiche, bis V •> Millim. weite Saftschläuche auf, aber keine
Steiuzellen. Dergleichen treten jedoch auf, sobald die Mittelrinde in Kork
überzugehen beginnt, so dass Querschnitte einer und derselben Rinde bald
Steinzellen darbieten , bald nicht. Die Baströhren weichen in Anordnung
und Grösse nicht von gewöhnlicher Calisaya ab. Das etwas eigentümliche
Aussehen dieser Bolivia-Calisaya dürfte daher einem schon frühe eintreten-
den Abfallen des Korkes, zunächst ohue Eingreifen in die Mittelrinde, zu-
zuschreiben sein. Vielleicht sind bei dieser besonderen Ausbildung des
Periderma lokale Einflüsse im Spiele.
Der C. scrobiculata darf diese Rinde nicht zugeschrieben werden , weil
x) pg. 35. — Vergl. auch Phb. pg. 58.
\
376
Kiuden.
die Steinzellen fast immer ganz fehlen und die Baströhren nicht vorherr-
schend wenig unterbrochene Radialreihen, sondern mehr lockere Gr uppirung
zeigen ; immerhin mag es noch dahin gestellt bleiben , ob sie der C. Cali-
saya angehört.
2. G. Chahuarguera.1)
Starke Aströhren, trocken bis gegen 5 Millim. dick, bilden einen guten
Theil der Loxa- China, Quinquina Loxa, rusty or old crown bark, während
Berg die Stammrinden in der flachen Guayaquil- Rinde von Gehe & C°.
in Dresden findet, welche seit einiger Zeit für sich zu uns gelangt. Die
Röhren dunkelgrau, innen hell zimmtfarben, mit genäherten Querrissen und
Längsleistchen, welche aber nicht regelmässige Felder bilden, sondern oft
mehr oder weniger durch Korkwarzen zurückgedrängt werden. Mittelrinde
ohne Steinzellen und Saftschläuche, letztere schon in dünneren Röhren ver-
schwunden. Verholzte Baströhren ungleich, aber oft über 100 Mikromill.
dick, vorherrschend radial geordnet, doch mit entschiedener Neigung zur
Bilduug kleiner Gruppen, welche nicht regelmässig tangential geordnet
stehen. Die Baströhreu übrigens bisweilen von grossen Stabzelleu begleitet.
Diese von Howard als „ älteste Loxa-Rinde“ mitgetheilten Röhren kommen
in anatomischer Hinsicht mit Berg’s Abbildung von Chahuarguera2) über-
ein und keineswegs z. B. mit dem Bau von C. heterophylla, micrantha oder
Uritusinga. Vom Hause Gehe gelieferte Röhren von Guayaquil -Kron-
China sehen den Howard’schen Röhren ähnlich und unterscheiden sich
höchstens ein wenig durch gänzlichen Mangel von Korkwärzchen. Bei fort-
schreitender Korkbildung geht die Farbe der Bedeckung mehr in Braun
über, wie Quinquina gris roule auf Taf. XX von DB. Der Bau entspricht
der obigen Schilderung, doch finden sich bisweilen in der Mittelriude sehr
vereinzelte Steinzellen und zweifelhafte Saftschläuche. Der Bast erhält oft
beinahe ein gefeldertes Ansehen durch ansehnliche, in tangentialer Rich-
tung zusammenhängende Parenchymstreifen.
Was ich als flache China fusca aus Guayaquil von dem oben ge-
nannten Hause besitze, besteht in fusslangeu, schwach riunenförmigen Stücken
von 5 Millim. Dicke, ein paar Centimeter Breite und von fein rissiger, fast
ebener Oberfläche, fädig brechend. Schon der gänzliche Mangel oder das
vereinzelte Vorkommen von Korkwarzeu lässt in dieser Guayaquil-Rinde ein
Gemenge erkennen. In der That besitzen die warzeulosen Stücke keine Saft-
schläuche, aber zahlreiche Steinzellen in der Mittelrinde, welche den warzigen
Exemplaren ganz fehlen. Die Mittelrinde der letzteren besteht aus weit
zahlreicheren, oft gegen 40 Lagen kleiner, schlaffer Zellen. An der trocke-
nen Rinde sind dieselben dicht zusammengefallen und bilden auf dem Quer-
schnitte vermöge ihres rothbraunen Inhaltes (Chinaroth, nicht Harz) eine
dunkle Zone, den sogenannten „Harzring“. Die Baströhren stehen zer-
streut, zum Theil in kleineren Gruppen mit Hinneigung zu tangentialer An-
Hook er zieht neuerdings diese Art als Var. Bonplandiana nebst der folgenden und
Uritusinga zu der von ihm wieder hergestellten C. o/ßcinalis. 2) Taf. VI. 15.
Cortices Chinae. § 32.
377
Ordnung; in den warzenlosen Stücken nimmt man dagegen entschieden
radiale Reihen weit zahlreicherer Baströhren wahr, welche da und dort
auch zu kleineren Gruppen zusammen treten. Keine der beiden hier be-
schriebenen Rinden stimmt daher mit den von Berg1) in derselben Sorte
beobachteten Stammrinden überein, vielmehr ist wenigstens die Steinzellen
führende flache Guayaquil-Rinde gleich gebaut wie die hiernach bei C. suc-
cirubra (sub 14 hiernach) erwähnte Rinde der C. coccinea.
3. C. Condaminea.
Dünnere Röhren nach Berg aussen grau, stellenweise weiss, mit reich-
lichen, aber zarten Längs- und Querrissen, die Felder mit aufgeworfenen
Rändern, dickere Röhren „huamaliesartig“ (leberbraun und korkwarzig),
mit Borkeschuppen und Borkegruben. Bastplatten der Stämme der Cali-
saya ähnlich, Bruch faserig. Steinzellen fehlen, Saftschläuche nur in jün-
geren Zweigen noch vorhanden. Baströhren in unterbrochenen Reihen.
Berg erblickt die dünneren Röhren als China Pseudo-Loxa, dickere als
Huamalies, die Bastplatten als falsche Calisaya im Handel.
ln den dünnen Röhren der von Berg hierher gezogenen Marcapata-
Bark2) Howards finde ich entschieden Steinzellen, auch Saftschläuche;
ihr Bau stimmt mit dem von C. purpurea, von welcher sie auch Howard
frageweise ableitet.
4. C. cordifolia.
Mittelrinde ohne Saftschläuche, Steinzellen fehlend oder manchmal
ziemlich zahlreich an der Grenze des Korkes auftretend, wenn derselbe
gegen die Bastschicht vorrückt. Baströhren von sehr verschiedener Dicke,
oft mit Höhlung versehen, in wenig regelmässiger, doch eher radialer als
tangentialer Anordnung. Der anatomische Bau dieser Art bietet somit keine
auffallende Merkmale, mehr die äussere Erscheinung der Rinde, welche
sich im Handel als China flava dura laevis findet; theils in flachen oder
rinnenförmigen, oft zurückgebogenen oder gedrehten Stücken von heller,
gelblicher Zimmtfarbe und kurzem, grobsplitterigem Bruche, theils in star-
ken Röhren, welche noch von dem weisslichen, glänzenden und weichen
Korke stellenweise bedeckt sind. Derselbe fällt schon frühe in dicken
Schuppen ab, ohne eigentliche Conchas zu hinterlassen. Als laevis unter-
scheidet Berg diese Rinde von der unten folgenden der C. lutea; erstere
zeichnet sich in der That durch glatte, nicht querrissige Oberfläche aus.
Authentische Stücke der Rinde von C. cordifolia von Rampou, welche ich
Prof. Plauchon verdanke, stimmen besser mit der Abbildung von Ber-
ge n’s:' China flava No. 1 — 5 auf Taf. IV,3) als mit derjenigen von Quin-
quina Maracaibo Taf. 18 von DB. überein.
5. C. heterophylla.
Kork schwarzbraun, Mittelrinde zu einem sogenannten Harzringe
B s. 33.
2) ans der Provinz Carabaya.
3) Monogr. d. Chinarinden.
378
Rinden.
(oben sub No. 2) zusammengefallen, ohne Steinzellen, mit spärlichen kleinen
Saftschläuchen. Baströhren in geringer Zahl, dick, sehr zerstreut, immer
in kleineren Gruppen.
Die Astrinde mit graulicher, oft schwärzlicher, zart querrissiger Be-
deckung, innen dunkelbraun, kurz und grobsplitterig brechend, findet sich
als Loxa- China, nach Howard auch unter der rührigen Calisaya.
6. C. lancifolia.
Kork erst graulich , später weisslich bis gelblich , glänzend , weich und
leicht abblätternd. Der Bast gelb bis rothgelb, die Mittelrinde selbst bei
den ziemlich starken , bis 1 Centimeter dicken , flachen Stammrinden , wie
sie im Handel meist vorliegen, noch zum Theil erhalten, indem erst spät
eigentliche Borkenbildung eintritt. Mittelrinde höchst ausgezeichnet durch
eine Menge tangential gestreckter Steinzellen, welche oft fast eine zusammen-
hängende Schicht bilden. Die massig dicken Baströhren in streckenweise
ganz zusammenhängenden, einfachen oder doppelten Radialreihen, im Innern
da und dort mit Andeutung zu tangentialer Gruppirung. Im Bastparenchym
zahlreiche Stabzellen und nicht selten auch gleiche Steinzellen , wie in der
Mittelrinde; letztere eben so häufig in den Markstrahlen.
Die Rinde bricht feinsplitterig, bald kurz, bald langfadig und findet sich
in einer Anzahl verschiedener Varietäten, die durch untergeordnete Merk-
male im Aussehen und Bau etwas abweicheu. Immerhin ist es möglich,
dass sie auf mehrere Cinchonen zurückzuführen wären.
Hierher gehören die als flava fibrosa bezeichneten Chinasorten, dann
die Calisaya von Santa Fe de Bogota, Quina anaranjada von Mutis,
die Caqueta-bark ') der Engländer, Carthagene ligneux der Fran-
zosen u. s. f. Manche China rubiginosa (vergl. unten sub 12) des Handels
stammt ebenfalls von C. lancifolia.
Karsten* 2) so wie der gleichfalls nach eigener Anschauung an Ort und
Stelle urtheilende Rampon3) heben hervor, dass die botanisch so verän-
derliche C. lancifolia in der That auch Rinden von sehr verschiedenem
Aussehen zu liefern vermag, je nachdem sie von klimatischen Einflüssen
beherrscht wird. Die besten Sorten heissen in Neu-Granada selbst colum-
bische, die geringeren führen den Namen Carthagena-Rinden.
Bei den höchst ausgezeichneten anatomischen Merkmalen dieser Art
müssten sich in ihrer Heimat die angedeuteten Zweifel leicht heben lassen.
Sämmtlichen mir vorliegenden, als der C. lancifolia angehörend bezeich-
neten Rinden von Howard und von Rampon ist die grosse Menge stark
tangential gestreckter Steinzellen gemeinsam. Sie unterscheiden sich da-
durch, dass in einigen, ganz besonders z. B. in der sogenannten C a lisaya
J) Der Caqucta, Nebenfluss des Amazonas, auf der östlichen Abdachung der siidgrana-
dinischcn Cordillerc; nicht zu verwechseln init dem Orte Caqucsa in unmittelbarster Nähe
südlich von Bogota.
2) S. 35 u. flgde.
3) bei Planchon S. 95.
Cortices Chinae. § 32.
379
von Santa Fe die Baströhren mehr tangential geordnet sind, wahrend in
andern Sorten, z. B. in der gelbrothen (anaranjada) von Mutis, die
radiale Folge der Baströhren entschiedener ausgeprägt ist. Doch fehlt es
nicht an Uebergängen.
7. C. lutea.
In anatomischer Hinsicht weicht die Rinde dieser Art von der ihr
äusserlich ähnlichen der C. cordifolia, mit welcher sie im Handel den Namen
China flava dura theilt, sehr ab. Berg unterscheidet sie daher als flava
dura subevosa und charakterisirt die von ihm untersuchten Astiinden im
Gegensätze zu denen der C. cordifolia durch das Vorkommen von Saft-
schläuchen, durch den gänzlichen Mangel an Steinzellen und dickere, oft
sehr verkürzte Baströhren. Letztere stehen ziemlich zerstreut, in dem reich-
lichen Parenchym des Bastes oft kleine Gruppen mit tangentialer Anord-
nung darstellend, dann aber auch wieder, zumal im jüngsten Theile des
Bastes abwechselnd dünner, länger und mehr vereinzelt.
Die harten Röhren oder flachen Stücke sind gelbbräunlich, von kurz-
splitterigem Bruche, mit gelblich weissem , glattem, runzeligem oder war-
zigem Korke belegt.
8. C. macrocalyx.
Röhren und kleinere flache Stücke, von dunkelgrauer, bräunlicher bis
schwärzlicher Oberfläche, innen hellbräunlich, wenig und zart querrissig
und längsfurchig. In der Mittelrinde reichliche Steinzellen, oft in Gruppen,
einzeln auch in den äussersten Lagen der Innenrinde. Baströhren in unter-
brochenen Radialreihen gruppirt, welche zwei bis 4 Zellen mächtig sind;
die äussersten Reihen jedoch unregelmässig aufgelöst, die innersten Gruppen
zugleich auch tangential geordnet. Bruch grobsplitterig.
Aus dieser Rinde besteht sehr häufig die Loxa- China des deutschen
Handels, Loxa jaune fibreux, Loxa cendre der Franzosen, ashy crown bark
des Londoner Marktes. Auch eine sogenannte Cuemja-Rinde 4) scheint der
C. macrocalyx anzugehören.
9. C. micrantha.
Graue, innen gelbbraune, vorherrschend längsfurchige und fein quer-
rissige Röhren oder flache Stücke mit hellerem, weichem, oft warzigem
Korke, welcher leicht abblättert, aber nach Wed d eil nicht Borke bildet,2)
obwohl die Mittelrinde oft früh verschwindet. Jüngere Rinden zeigen auch
den Harzring. Bruch kurz splitterig. Der Mittelrinde fehlen Saftschläuche
und gewöhnlich auch die Steinzellen.3 4) Baströhren in sehr unterbrochenen,
oft doppelten Radialreihen, aber auch in älteren Rinden zu kleineren Gruppen
vereinigt, bisweilen, und zwar wie es scheint,4) oft nur stellenweise mit
Neigung zur concentriscli kreisförmigen Anordnung.
*) Witt stein’s Vierteljahrsschrift XV, 181. — 2) S. 54.
3) So nach Bg. Das mir vorliegende bezügliche Präparat No. 5 von Phb. ist ganz ausser-
ordentlich reich an Stcinzcllen! Daneben auch (sehr misshandelte) Saftschläuche.
4) Phb. S. 22.
380
Binden.
Die rührigen Rinden der C. micrantha gelangen reichlich aus der
Gegend von Huanuco als Huanuco-China in den Handel. Bei den Fran-
zosen Huanuco roule avec epiderme; grey hark oder Lima-bark der Entr
länder.
Die rundblätterige Varietät dieser Art (C. micrantha a. rotundifolia
Wdl. = C. cordifolia Rohde, nec Mutis), welche auch in Bolivia wächst,
liefert Rinden, die nach Howard1) im höchsten Grade von denjenigen der
gleichen Art aus Peru abweichen, so dass sie einerseits der rothen China-
rinde, anderseits der Calisaya und sogar der noch viel weiter divergirenden
„Calisaya blanca“ gleichen!
Bestätigt sich , dass eine und dieselbe Art in solcher Weise die augen-
fälligsten und unvereinbarsten äusseren Unterschiede darbieten kann, so
müssten sie wohl auch dergleichen in anatomischer Hinsicht im Gefolge
haben. Vielleicht aber handelt es sich doch auch hier um mehrere bis jetzt
verwechselte Cinchona-Arten. Flache Rinden der C. micrantha Var. rotun-
difolia von Howard unterscheiden sich durch hell graubräunlichen Kork
und durch bräunliche, durchaus nicht gelbe Farbe des Innern sehr bestimmt
von Calisaya, deren Bau wenigstens die Bastschicht annähernd zeigt.
10. C. nitida.
Röhren mit dunkelbrauner, regelmässig und tief querrissiger und ver-
zweigt längsrunzeliger Oberfläche. Die Ränder der Risse aufgeworfen und
abblätternd. Selten ist die Korkschicht stellenweise heller, das innere Ge-
webe immer dunkelbraun. Im deutschen Handel als China Pseudo-Loxa,
im englischen als grey bark mit anderen Rinden vorkommend.
Berg charakterisirt die Astrinden durch die nach innen vorherrschend
tangentiale Anordnung der Baströhrengruppen, hervorgerufen durch ab-
wechselnd dickere und dünnere Baströhren. Saftschläuche fehlen, Stein-
zellen nur ausnahmsweise in der Mittelrinde. Das von Rodig nach Berg’s
Anleitung dargestellte Präparat enthält Steinzellen, noch weit mehr ist dies
der Fall in dem von Phöbus ausgegebenen Schnitte. Vollkommen ab-
weichend stellt. Hd.2) die Rinde dieser Art dar, welche er 1860 von Prit-
chett (§ 62) direkt aus Cocheros (Cuchero) bei Huanuco erhalten hatte.
Hier wimmelt die Mittelrinde von Steinzellen, Saftschläuche reichlich vor-
handen ; sogar in die äusseren Lagen der Innenrinde finden sich Steiuzellen
eingestreut, welche dicker, oder wenigstens auf dem Querschnitte in tangen-
tialer Richtung länger siud als der Durchmesser der Baströhren. Mit dieser
Abbildung stimmt auch Karsten’s3) Unsersuchung Pavon'scher Original-
stücke überein. Nach letzterem heisst oder hiess diese Rinde im Handel
auch H u a n u c o - China.
11. C. pitayensis.
Die von Howard dieser Art zugeschriebeue gewöhnliche Pitayo- Rinde
sub voc. C. micrantha. fol. 6 n. 6.
3) pg. 57 Anmerkung.
2) microsc. Taf. I. fig. 5.
Cortices Chinae. § 32.
381
bildet bis über 0,0 15m dicke, flach rinnenförmige, grössere und kleinere
Bruchstücke von hell bräunlichgelber, nur wenig ins röthliche spielender
Farbe, meist noch bedeckt mit weichem, aussen matt graulichem, innen
braunem oder beinahe röthlichem Korke. Innenfläche etwas grob streifig,
Bruch kurz und mürbe. Rampon1) hebt hervor, dass die Bastbündel sich
beim Befühlen des Pulvers nicht stechend erweisen und in der That finde
ich in Stücken, welche von demselben herrühren2), die Baströhren kurz,
mit abgerundeten Enden versehen und oft nur in der Mitte ihrer Länge
annähernd geschlossen. Die Mittelrinde pflegt wenigstens theilweise noch
erhalten und von farblosen Korkzellen bedeckt zu sein, enthält aber nur
äusserst wenige weite, nicht stark verholzte Steiuzellen; Saftschläuche
fehlen. Der Bast in den äusseren und mittleren Schichten ausgezeichnet
durch bedeutende Entwickelung der Hauptmarkstrahlen, deren Zellen grösser
sind als die Querschnitte der Baströhren, welche 70 bis 90 Mikromill. er-
reichen, meist aber unter dieser Stärke bleiben. Baströhren sehr zerstreut,
besonders an der Grenze der Mittelrinde sehr zurücktretend, oft sogar kleiner
als die Zellen des Bastparenchyms. Nur im inneren Theile des Bastes ist
im ganzen eine immerhin sehr unterbrochene radiale Anordnung der Bast-
röhren zu erkennen. Die von Rampon als Quinquina Almaguer (§ 6.
No. 11) unterschiedene Rinde zeigt anatomisch keine Abweichung. Da-
gegen findet sich die Eigentümlichkeit der Pitayo noch wenig ausgeprägt
in derjenigen Pitayo -Sorte, welche jetzt hauptsächlich in den Handel ge-
langt. Sie bildet sehr kurze , ein paar Millimeter dicke , häufig verbogene
Stücke, welchen oft Holzsplitter anhängen. Nach Cross3) dürfte gerade
diese "Waare, Rampon’s „Pitayo menu“, Howard’s „Pitayo red variety,
rieh in alcaloids“, die wahre Stammrinde der C. pitayensis, stärkere Sorten
aber den Wurzeln (?) entnommen sein. Jene gebrochenen Stücke zeigen
bisweilen noch Saftschläuche; ihre Baströhren sind wenig charakteristisch,
oft zerstreut, oft in Gruppen gestellt, verhältnissmässig oft sehr dick. Ram-
pon4) unterscheidet äusserlich eine gelbe und eine rothbraune Pitayo, welche
übrigens nicht verschieden seien; beide Rinden werden in vorzüglicher Sorte
im nördlichen Theile des Yerbreitungsbezirkes der Stammpflanze gesam-
melt, wo jedoch schon Mangel daran eintritt. Im Süden, bei Pitayo und Al-
maguer, aber werden oft geringe Rinden beigemischt.
Die von DB. abgebüdete Pitayo -Rinde glaubt Berg auf C. cordifolia
beziehen zu sollen; in der That finden sich im Handel sogenannte Pitayo-
Rinden, welche durch sehr viel dickere Baströhren, aber zugleich auch
durch steinzellenreiche Mittelrinde abweichen. Sie dürften daher zum Tlieil
vielleicht der C. lancifolia angehören.
Vorzügliche Pitayo -Rinden sind in letzter Zeit in grosser Menge zum
*) bei Pich. pg. 102.
• 2) ich verdanke sie der Güte des Herrn Prof. Planchon in Paris.
) Ph. J. and Transact. VII. p. 120. 4) sowie auch Cross, im Blaubuche des
eng ischen Parlaments (East-India Chinchona Plant) von 1866, S. 264.
382
Rinden.
Fabrikgebrauche in Europa eingeführt worden, 1864 und 1865 z. B. mehr
als Calisaya-Rinde. — In früheren Zeiten, wie es scheint seit ungefähr 1817,
wurde als Pitoya-China eine später China bicolor oder Tecamez genannte
falsche Chinarinde bezeichnet, welche aus Atacamez (westlich von Ibarra
im nördlichsten Theile Ecuadors) stammt und vermuthlich einer Pinkueya
(Cinchoneae) angehört. Aussehen und innerer Bau dieser Rinde weichen
vollständig von den China-Rinden ab.
12. C. pubescem (incl. C. Pelletieriana).
Ziemlich ebene Röhren oder flach riunenförmige , gegen 0,0 10m dicke
Stücke mit weisslichgrauer, innen brauner Borke , welche neben vertieften,
nicht sehr umfangreichen Conchas auch kleinere scharfrandige, in die Länge
gezogene Grübchen zeigt, die letzteren entstanden durch das Abfallen klei-
ner weicher Korkwärzcheu. Innenfläche sehr grob und häufig krumm-
faserig, Bruch wie oben erwähnt, auf der besonderen Grösse und Anordnung
der starken Baströhren beruhend (vergl. § 30) , die letzteren auch oft von
sechs- bis zehnmal dünneren Stabzellen umgeben. Mittelrinde reich au
Steinzellen und bei nicht zu alten Stücken auch Saftschläuche aufweisend.
Diese Rinde findet sich unter dem Namen braune und gelbe Cusco- China
im Handel1). Die China rubiginosa von Berge ns gehört nach einem
authentischen Stücke seiner Sammlung, das ich2) besitze, ebenfalls hierher;
nicht aber andere gleich bezeichnete Rinden.
Unter der flachen Calisaya findet sich bisweilen eine derselben nicht
unähnliche Rinde, Howard’s Cascarlla morada de Ambolo, welche der-
selbe frageweise von C. pubescens ableitet. Obwohl die Baströhren dieser
Rinde eine Neigung zu tangentialer Anordnung nicht verkennen lassen, so
bilden sie doch vorherrschend sehr unterbrochene Radialreiheu und keine
Gruppen, entsprechen also nicht entfernt dem Typus der C. pubescens.
Die Ambolo-Rinde ist übrigens durch derberes, laugfädig brechendes Gewebe
uud besonders durch die grob seimige, mehr braune als gelbe Oberfläche
von Calisaya verschieden.
13. C. scrobiculata.
Die graubraune, stellenweise weisslicke Aussenriude vorherrschend,
doch nicht stark längsrunzelig , mit mehr oder weniger zahlreichen kurzen
Querrissen, welche wie bei der rührigen Calisaya bis zur Mittelrinde drin-
gen, bisweilen auch mit Korkwarzen. Später bildet sich eine anfangs mit
gefelderter Zeichnung und schliesslich mit Hinterlassung sehr unregel-
mässiger Vertiefungen abfallende Borke. Diese Conchas sind durchschnitt-
lich vielleicht weuiger umfangreich als bei C. Calisaya, aber sehr zahlreich.
Die unbedeckten Bastplatten der C. scrobiculata sehen der Calisaya höchst
ähnlich, unterscheiden sich aber durch ihre besonders beim Anfeuchten
1) Nach Hd. (ad C. pubeso.) wäreu die Riudeu vou C. pubcsceus uud C. Pelletieriaua
wesentlich verschieden; erstcre entspräche der Cusco jauue, letztere der Cusco brun von DB.
Wiggers (Jahresb. 1855 S. 29) vereinigt beide und bildet eine neue, wenigstens in der
Färbung von beiden völlig abweichende Rinde als Cusco flava ab.
2) durch die Gefälligkeit des Herrn Prof. Gastell.
Cortices Chinae. § 32.
383
deutlich ins röhthliche fallende und oft sehr feurige Färbung, durch dich-
teres Gefüge und deu schon (§ 30) beschriebenen fädigen Bruch.
Die Mittelrinde ist reich an Steinzellen und enthält in jüngeren Stücken
auch Saftschläuche. Keine andere Ciuchone zeigt einen so deutlich radial
geordneten Bast; nur die Rinde der übrigens im Handel wohl kaum vor-
kommenden C. australis steht in dieser Hinsicht der C. scrobiculata nahe.
Die verholzten Baströhren bilden auf dem Querschnitte lange, meist einzeilige
Radialreihen , in welche sich oft auf grossen Strecken nur da und dort eine
der kleinen Zellen des Bastparenchyms , hier und da auch eine Stabzelle,
zwischen die Baströhren einschiebt. Letztere sind in so grosser Zahl vor-
handen, dass sie in den inneren Schichten bedeutend vorherrschen. Erst
gegen die Grenze der Mittelrinde hin erlangen die sehr genau parallel lau-
fenden Hauptmarkstrahlen eine ansehnlichere Breite als die einzelnen Reihen
der Baströhren. Dieselben zeigen sich im Querschnitt vorherrschend qua-
dratisch oder gerundet, weniger häufig in die Länge gezogen und auch in
diesem Falle nicht leicht über 80 bis 100 Mikromill. messend.
Jüngere Rinden dieser in anatomischer Hinsicht unverkennbaren Art
kommen zum Theil als Huamalies-China vor, während die Bastplatten
unter mancherlei Benennungen sowohl rein als mit Calisaya vermischt ihren
Weg in den Handel finden. So heisst sie in Cusco allgemein Cascarilla co-
lorada oder Cascarilla de Santa Ana, in Europa ist sie als leichte Cali-
saya, röthliche Calisaya, Carabaya- ') oder rothe Cusco-Rinde, China peru-
viana, Calisaya fibrosa u. s. f. bekannt.
In den Abbildungen der Rinde ist das Colorit von DB. Tafel 3 bei weitem
richtiger, wenn auch nicht völlig genau wiedergegeben, als vonWdl. Tf. XXVIII,
wo die Färbung allzusehr mit Calisaya übereinstimmt.
14. C. succirubra.
Die im aufgeweichten Zustande nur erst 1 Millim. dicke Rinde andert-
halbjähriger Stämmchen , wie sie mir z. B. aus Hakgalle auf Ceylon vor-
liegt, besteht zu nur V3 aus der Bastschicht, worin sich ganz vereinzelt oder
zu 2 — 3 genäherte Baströhren vorfinden. Die meisten sind bereits verholzt,
durchschnittlich 30 Mikromill. dick und ungefähr 500 Mikrom. laug. Die
Grenze der Mittelrinde wird bezeichnet durch ungefähr 100 Mikromill.
weite Saftschläuche, welche, meist zu zwei vor einem Baststrahle stehend,
einen sehr unterbrochenen Kreis darstellen. Der allmälig durch würfelige
Formen in die Tafelzellen des dunkelbraunen Korkes übergehenden Mittel-
rinde fehlen Steiuzellen ganz. Die grauliche Oberfläche bietet äusserlich
durchaus keine Eigenthümlichkeit dar.
Schon bei einer Dicke von ungefähr 5 Millim. ändert sich dasVerhält-
niss der beiden inneren Rindenschichten (Derma Wdl.) so sehr, dass der
L Eine Rinde von Howard: from Southern Caravaya, productive in alcaloids, vou
Huamaües-artigem Aussehen besitzt eine au Steinzellen sehr reiche, dagegen der Saftschläucha
eutbehrende Mittelriude, kaun also nicht sicher zu C. scrobiculata gezogen werden.
384
Rinden.
Bast vorzuwalten beginnt und seine verholzten, schön dunkelrotheu Röhren
in sehr grosser Zahl einsetzen. Sie stehen durch schmale Streifen ziemlich
kleinzelligen Parenchyms getrennt in unterbrochenen Radialreihen, nach
innen auch zugleich durch tangentiale Anordnung stellenweise ein fast ge-
feldertes Bild gewährend. In den inneren Schichten treten Stabzellen auf;
doch fehlen sie auch oft. Die Zellen des Bastparenchyms und die der Mark-
strahlen sind in Grösse nicht sehr von einander verschieden , aber bedeu-
tend enger als die bis 100 Mikromill. dicken Baströhren. Wo die Mark-
strahlen in die Mittelrinde übertreten, nehmen ihre Zellen schliesslich
allerdings an Zahl und Breite sehr zu. Eine Vermehrung der Saftschläuche
fällt nicht auf, wohl aber erweitern sie sich allmälig und bleiben beim Aus-
wachsen der Rinde lange erhalten, da erst spät eigentliche Borkenbildung
eiugreift. Die Saftschläuche scheinen vielmehr oft (oder hier regelmässig?)
dadurch zu verschwinden, dass sich darin wieder neue parenchyraatische
Zellen bilden. Rindenstücke von über 12 Millim. Dicke (in trockenem Zu-
stande) wreisen immer noch Saftschläuche auf. Gerollte Riuden dieser Art,
mitunter bis 1 Centimeter dick, meist aber dünner und nur von der Stärke
eines Fingers, kommen in neuerer Zeit häufig als China rubra zum Ersätze
der selten gewordenen Huanuco-Sorte in den Handel. Diese schönen Röhren
sind mit weisslichem Korke bedeckt, dessen grosse, im ganzen recht-
winkelige Felder mehr nur durch oft sehr zierlich gezackte Linien1) als
durch tiefere Risse abgegränzt sind. Blättert die äusserste fein querrissige
Korkschicht ab, was nach einiger Zeit regelmässig eiutritt, so bietet die
entblösste innere Lage der Bedeckung daher auch keine bedeutenden Risse
oder Furchen dar. Der Kork vermag sich übrigens weiterhin warzig,
huamaliesartig zu entwickeln oder fällt schliesslich von den Stämmeu in
weichen, brauurothen Schuppen unter Hinterlassung nicht sehr tiefgründiger
Borkegruben ab.
Immerhin geht dieses Ab werfen des Periderms weit schwieriger vor
sich als bei C. Calisaya, so dass selbst mächtige Stammrinden der rotheu
China noch fest haftende, mehr grauschwärzliche als rothe Bekleidung
tragen, selbst bei ausgeprägter Entwickelung des Binnenkorkes.
Diese von Berg als China rubra dura unterschiedene Rinde bricht fein
und ziemlich langfaserig. Im ganzen zeigt sie innen eine unverkennbar
rothe Färbung, welche jedoch in einzelnen röhrigen Stücken, die man ge-
sondert betrachtet, bis beinahe in "zimmtbraun abgeschwächt erscheinen
kann2). Sehr kräftig tritt das schöne Roth in den oft über lVa Centimeter
dicken flachen oder etwas rinnenförmigen Stücken entgegen. Die Baströhren
haben an dieser rothen Farbe bei weitem weniger Autheil als das Parenchym.
Howard’s „spurious red bark, C. succiruba, via Cuchicara (Spru ce)“
1) Dieselben sind eiuigormassen angedeutet auf Taf. VIII von DB., gar zu wenig aber die
gefelderte Zeichnung, welche freilich mitunter fehlt. Die Tafel gibt dagegen das Colorit vor-
trefflich wieder.
2) daher auch DB. Quinquina ronge pale et vif unterscheiden.
Cortices Chinae. § 32.
385
weicht äusserlich durch die blasse, beinahe gelbe Farbe eben so sehr von
der obigen Rothen China ab , wie in anatomischer Hinsicht durch die zahl-
reichen Steinzellen und durch den Mangel an Saftschläuchen. Es ist un-
begreiflich, dass diese Rinde auch der C. succirubra angehören soll.
Die rothe Chinarinde ist schon seit 1779 Q allgemein bekannt, aber
erst in neuerer Zeit richtig gewürdigt worden. Guajaquil führte davon z. B.
1857 über 7000 Centner aus. — Sie wurde auf Howard’s Veranlassung
1857 durch Klotzsch u. Schacht2) auf C. succirubra zurückgeführt,
wobei jedoch Verwechselungen mit unterliefen, deren Berichtigung Berg3)
Vorbehalten blieb.
Nachdem derselbe nämlich schon früher eine (flache) China rubra su-
berosa von der obigen Ch. rubra dura unterschieden , wies er durch Ver-
gleichung der Pavon’schen Originalstücke nach, dass nur die letztere der
C. succirubra angehört. Pa von selbst hatte die Rinde dieser Art als Cas-
carilla colorada de Huaranda nach einem Standorte der Pflanze benannt.
China rubra suberosa ist in derThat bei aller Aehnlichkeit mit Ch. r.
dura sehr ausgezeichnet durch noch reichlichere Entwickelung und grössere
Beständigkeit des schwammigen, dunkel braunrothen Korkes, welcher in
groben Warzen oder beinahe rechtwinkelig begrenzten höckerigen Feldern
auftritt. Bruch und Farbe der inneren Rindenschichten sind nicht ab-
weichend oder letztere bisweilen lichter; sehr eigenthümlich ist dagegen
das '\ erhalten der Markstrahlen. Schon in den inneren Schichten der Innen-
rinde dehnen sich die Zellen der Nebenmarkstrahlen sehr stark hauptsäch-
lich in die Quere aus , so dass sie bald sowohl im einzelnen als im ganzen
an Umfang das Bastparenchym bedeutend übertreffen. Die Baströhren
stehen vielleicht etwas mehr zerstreut und reiner radial geordnet, oft eben-
falls von Stabzellen begleitet. Der Mittelrinde fehlen Steinzeiten und auch
Saftschläuche finden sich nirgends in käuflicher Rinde.
Berg vermuthet in C. coccinea die Stammpflanze der Ch. rubra sube-
rosa. Allein Howard4) beschreibt die Rinde derselben als Cascarilla ser-
rana acanelada (zimmtfarbene Bergrinde) und erkennt sie in Quinquina
jaune de Guayaquil auf Taf. 10 von DB. Eine Probe der Howard’schen
Rinde, die mir vorliegt, zeigt in der That blass zimmtbraune Farbe, hell
graugelblichen bis bräunlichen, aber ebenfalls nicht röthlichen Kork und
entspricht ganz der DB .-Darstellung, so wie der schon (§ 32 No. 2) beschrie-
benen flachen Guayaquil-Rinde mit Steinzellen. Diese sind zwar nur selten
m der Howard’schen Rinde; sie weicht mehr durch den Bau der Bast-
schicht von der rothen korkigen China ab. Die Rinde der coccinea nämlich
zeigt nicht jene fast schwammige Erweiterung der Markstrahlen, und ihre
) nach v. Bergen wäre sie in Norddeutschland schon zu Anfang des XVIII. Jahr-
hunderts verbreitet gewesen, und Condamine erwähnte ihrer 1737 als der besten China.
At i ,, Ir0'6 Abatammung dM im Handel vorkommenden rothen China-Rinde, Abhandl. d
Akad. d. Wissensch. zu Berlin 1858. S. 51 — 75.
3) ^«inden pg. 26. 4) ad Cinch. coccin. pg. 1.
Flückiger, Pharmakognosie.
386
Rinden.
Baströhren bilden in den inneren Lagen Gruppen mit Hinneigung zu tan-
gentialer Anordnung, in den äusseren Schichten dagegen lockere Radial-
reihen zum Theil von ansehnlicher Länge, zum Theil immer wieder von
Parenchymstreifen unterbrochen.
Ist die Ableitung dieser Rinde von Howard richtig durchgeführt, so
kann C. coccinea nicht wohl die China rubra suberosa liefern.
Nach Berg1) wäre China rubra suberosa „die eigentliche rothe China
unserer festländischen Officinen“; gegenwärtig scheint mir jedoch gerade
die dura bei weitem häufiger vorzukommen.
15. G. umbellulifera.
Mittelrinde oft reich an Steinzellen, einzelne auch in den äussersten
Theilen der Baststrahlen. Saftschläuche vorhanden. Die dickeu Baströhren
zerstreut, vorherrschend in Radialrichtung auf einander folgend, auch da
und dort, namentlich gegen innen, von Stabzellen begleitet.
Die oft etwas kantigen Röhren dieser Art sind aussen grau oder bräun-
lich grau, innen gelbbräunlich, anfangs glatt, später zart rissig, und kom-
men nach Berg unter der Huanuco-China vor, nach Howard unter der
feinen Loxa-China, nicht für sich allein. Borkige Stammrinden sehen nach
ersterem der rothen Cusco-Riude ähnlich.
16. C. Uritusinga. (Vergl. S. 376 Anmerk.)
Mittelrinde ohne Steinzellen 2) , an der Grenze der Innenrinde sehr zer-
streut Saftschläuche, deren Weite gewöhnlich nur 70 bis 90 Mikromill., oft
nur halb so viel beträgt, so dass sie leicht übersehen werden. Baströhren
innen in Gruppen mit einigermassen tangentialer Anordnung, nach aussen
in sehr unterbrochenen Radialreihen zerstreut. In dünnsten Röhren von
nur 1 Millim. Dicke (aufgeweicht) können die alsdann noch sehr vereinzel-
ten verholzten Baströhren doch schon gegen 100 Mikromill. Durchmesser
erreichen. Röhren dieser Cinchone mit sehr hartem , dunkel graubraunem
bis schwärzlichem Periderma, welches durch fast ringsum laufende Quer-
risse und kurze Längsruuzeln gefeldert und ausserdem noch höckerig ist,
kommen als Loxa-China in den Handel, d. h. heut zu Tage nur noch
ausnahmsweise unvermischt in ansehnlichen Posten, mehr nur als unter-
geordneter Gemengtheil jener Sorte. Zur Zeit der spanischen Herrschaft
jedoch wurde diese werthvolle Rinde zugleich mit derjenigen von C. Cha-
huarguera als Königs-China oder Kron-China ausgeführt.
Berg leitet die Howard’sche Calisaya morada 3) ebenfalls von Uritu-
singa ab. Die bis fingerdicken Röhren ersterer, die ich von Howard be-
sitze , sehen äusserlich der gerollten Calisaya ähnlicher als der Uritusinga-
Rinde, obwohl die gelbe Farbe der „morada“ etwas ins bräunliche fällt.
Die schon in blos 4 Millim. dicken Röhren bis 90 Mikromill. erreichenden
1) Cimnannaen pg.
2) yd, bei Uritusinga fol. 3 erwähnt selten vorkommendo Harzzellen, bildet jedoch big. 2U
keine ab. _ ..
3) nicht zu verwechseln mit Wed doll 's gleichnamiger Varietät der ächten Calisaya.
Cortices Chinae. § 32. 33.
387
starken Baströkren, in einem Theile des Bastes zu tangentialer Anordnung
hinneigend, so wie die wenig zahlreichen, oft schon fehlenden und höchstens
an Dicke den Baströhren gleich kommenden Saftschläuche unterscheiden
diese „morada“ von wahrer Calisaya und unterstützen Berg’s Ansicht.
§ 33.
Aus der vorstehenden Uebersicht der anatomischen Verhältnisse einer
Reihe der wichtigsten Cinchonarinden geht hervor, dass zur ausreichenden
Charakterisirung derselben noch sehr viel fehlt. Namentlich ist noch nicht
von allen die ganzg Entwickelungsgeschichte festgestellt. Von mehreren
Arten sind nur Astrinden, von anderen nur Stammrinden genauer bekannt
und bei einzelnen Cinchonen, z. B. bei C. lancifolia lassen sich in der Rinde
so bedeutende Abänderungen des anatomischen Baues nachweisen, dass die
systematische Begrenzung der Art dringend einer erneuerten botanischen
Prüfung bedarf.
Wie weit überhaupt anatomische Merkmale sichere Anhaltspunkte zur
Unterscheidung der Art abgeben, ist in vielen Fällen zur Zeit gar nicht zu ent-
scheiden. Es fehlt z. B. noch an genügender Kenntniss der Peridermbildung,
welche Aussehen und Bau der Rinden gleich sehr bedingt und bleibt noch
zu untersuchen, ob nicht, wie schon (§ 22) angedeutet, die Ausbildung des
Korkes unter Umständen eine sehr verschiedene Richtung in der gleichen
Rinde zu verfolgen im Stande ist. Damit hängt unstreitig sehr oft auch das
frühere oder spätere Verschwinden der Saftschläuche zusammen. Noch ist
der Zeitpunkt nicht anzugeben, in welchem dieselben bei jeder einzelnen
Rinde zu Grunde gehen können, und es wäre wohl denkbar, dass auch hier
individuelle oder lokale Einflüsse bestimmend und vielleicht ebenso tief ein-
griffen wie specifische Eigentümlichkeiten. Immerhin muss es auffallen,
dass bei einigen Arten, z. B. bei Uritusinga, die Saftschläuche unverkennbar
sehr frühe eingehen, bei anderen, wie bei C. boliviana und C. succirubra,
hingegen erhalten bleiben, bis die ganze Mittelrinde überhaupt, sei es durch
Borkenbildung (Binnenkork), sei es durch einfache Verkorkung und Ver-
witterung, zerstört wird. Ebenso verhalten sich die Steinzellen, einerseits
nämlich treten sie allerdings in mehreren Arten regelmässig auf und fehlen
anderen ebenso durchgängig, anderseits jedoch kommen auch Rinden vor
(z. B. diejenige von C. umbellulifera und von C. boliviana), welche in dieser
Hinsicht eine schwankende Mittelstellung eiunehmen, bedingt durch die
Richtung und den Fortschritt der Kork- oder Borkenbildung Bei der so-
genannten bolivianischen Calisaya (S. 375) wenigstens finden sich sogar
stellenweise sehr reichlich Steinzellen, während sie sonst dieser Rinde
M.liS,afts<?hläuche und Steinzellen, die einzigen auffallenden Elemente der
Mittelrinde, dürfen daher nur im Vereine mit anderen Merkmalen einen
diagnostischen Werth beanspruchen.
Wichtiger erscheint der Bast schon deshalb, weü er wenigstens immer
25'
388
Rinden.
vorhanden ist. Aber auch hier ist nicht zu übersehen, dass die Anordnung
der sonst so charakteristischen verholzten Baströhren in Wirklichkeit viel
häufiger zwischen den Weddell’schen Typen (§ 30) liegt als mit einem
derselben genau zusammenfällt. Zudem ändert sich der Typus in der
gleichen Rinde einigermassen mit dem Alter, wenigstens in dem Sinne,
dass bei vorherrschend radialer Anordnung der Baströhren doch in den
innersten Lagen dicker Stücke auch eine Neigung zur Bildung tangentialer
(con centrischer) Zonen Geltung erlangt, welche im jugendlichen Alter, wo
die Baströhren noch spärlich vorhanden waren, weniger zum Ausdruck
gelangen konnte.
Es ist also auch bei der Beurtlieilung der Anordnung der Baströhren
nothwendig, der Altersstufe der verglichenen Rinden Rechnung zu tragen.
Berücksichtigung verdienen ferner die Grössenverhältnisse der Baströhren
sowohl als der parenchym atischen Elemente der Innenrinde. Manche Cin-
chonen sind in der Eutwickeluug ihrer Baströhren auf ein durchschnitt-
lich geringeres Mass (z. B. C. pitayensis) beschränkt als andere, deren
Baströhren schon von Anfang an verhältuissmässig weit rascher eine be-
trächtliche Dicke erlangen.
Ein nicht unerhebliches Moment gewähren mitunter die Markstrahlen,
deren Zellen gewönlich weiter sind als die des Bastparenchyms. Wo da-
gegen letztere entweder den ersteren gleich kommen oder aber sehr bedeu-
tend enger bleiben, entstehen brauchbare Unterschiede im Bilde des ganzen
Innenrindengewebes.
§ 34.
Was die Charakterisirung der Chinarinden erschwert, ist hauptsächlich
die Veränderung, welche jede derselben im Laufe ihrer Entwicke-
lung erleidet. Es genügt nicht, hier eine jüngere Stammrinde, dort die
eines Astes oder diejenige eines mächtigen Stammes zu kennen, sondern
nur die sämmtlichen Altersstufen der Rinde würden in dieser Hinsicht ein
wahres Bild jeder Art geben. Besässeu wir diese idealen Bilder vollständig,
so Hessen sich erst die wirklich bedeutungsvollen anatomischen Verhältnisse
herausgreifen und vieUeicht mit Sicherheit zur Bestimmung aller im Handel
vorkommenden Sorten verwerthen. Zuverlässig gehen die Unterschiede im
Alter weit mehr aus einander, so dass Stammriuden leichter kenutUch sind
cils Astrinden.
Die im obigen erörterten Merkmale der wichtigsten Rinden würden sich,
unter Vorbehalt vielfacher, noch zu erwartender Berichtigungen, ungefähr
iu nachstehender Weise übersichtlich zusammenstellen lassen, wenn teine
Querschnitte betrachtet werden:
CorticeB Chinae. § 34.
389
I. Unverkennbare und vorherrschend tangentiale Anordnung der Bast-
röhren oder Baströhrengruppen, wenigstens in den inneren und mitt-
leren Bastschichten.
A. Steinzellen fehlend oder spärlich:
C. lutea. \ Uritusinga.
Saftschläuche kleiu, enger als der Durch- Saftscbläuche klein, aber doch lange blei-
messer der meisten Baströhren. Dieso mehr bend und oft grösser als die benachbarten
vereinzelt, im Querschnitte nicht radial ge- Baströhren im Querschnitt. Letztere mehr in
streckt, ungleich, aber bis 1 80 Mikromill. dick. Gruppen, von ziemlich gleichmässiger Stärke,
| bis 90 Mikromill. dick.
B, Steinzellen reichlich vorhanden.
C. macrocalyx
(nur Astrinden im Handel.)
Saftschläuche frühe geschwunden. Bast-
röhren zugleich auch zweifache bis vierfache
Radialreihen darstellend.
C. pubescens.
Steinzellen bis ziemlich tief in die Bast-
strahleu hinein vorkommend. Saftscbläuche
lange bleibend. Bastrühren nach dem oben
§30 erörterten Typus angeordnet, von Stab-
zelleh begleitet und durchschnittlich dicker
als der längere Durchmesser der Steinzellen.
II. Nicht entschieden tangentiale Anordnung der Bastrohren; die-
selben stehen häufig in Gruppen oder zerstreut, mit im ganzen vor-
herrschend radialer Anordnung.
A. ßteinzellen fehlend oder spärlich.
1. Baströhren weder tangential noch eigentlich radial geordnet, innen in Gruppen,
nach aussen sehr zerstreut.
C. heterophylla (nur Astrinden im Handel). Saftscbläuche in geringer Zahl und Grösse,
wo sie noch erhalten sind.
2. Anordnung
vorherrschend radial:
C. micrantha.
Saftschläuche frühe schwindend. Zellen
des Innenriudenparenchyms in den äusseren
Schichten oft sehr erweitert.
Baströhren von mittlerer Dicke, bei älteren
Rinden innen in kleinen Gruppen.
B. Steinzellen sehr
0. lancifolia. China flava fibrosa
(gelbe odergelbröthliche Ast-u. Stammrinden.
Steinzellen gross, tangential gestreckt, auch
in den Baststrahlen vorhanden. Bruch lang-
splitterig, Baströhren gleichmiissig ungefähr
50 — 90 Mikromill. dick, kleiner als die Stein-
zellen. Stabzellen vorhanden. Mittclrindefast
immer erhalten; ohne Saftschläuche. Bast-
röhren bald in kürzeren und längeren Radial-
reihen, bald auch in kleineren Gruppen.
der Baströhren
mit Neigung zu tangentialer Vertheilung:
C. C'hahuarguera
(nur in Astrinden).
Saftschläuche frühe schwindend. Bast-
röhren innen in kleinen Gruppen, im Durch-
messer ungefähr 60 bis 100 Mikromill. er-
reichend.
reichlich vorhanden.
C. cordifolia
(hellgelblich zimmtfarben, grobsplitterig
brechend).
Saftschläuche fehlend.
390
Rinden.
III. Baströhren in radialen, aber oft vollständig aufgelösten Reihen
seltener in Gruppen.
A. Rinden von
C. succirubra.
China rubra dura
(Ast- und Stammrinden).
Baströhren nach Behandlung mit Alkalien
rothviolett, ungefähr 30 Mikrom. dick. Saft-
schläuche lange erhalten und sehr weit, Stein-
zellen fehlen. Astrinden mit hellem Korke
bedeckt, Stammrinden mit harter, braunrother,
stellenweise noch weisslicher Borke. Zellen
der Markstrahlen und des Bastparenchyms
ungefähr gleich gross.
rother Färbung.
C. coccineaf?
China rubra suberosa.
Baströhren wie bei C. succirubra, Saft-
schläuche fehlend, Bedeckung ans weichem,
dunkel rothhraunem Korke gebildet. Mark-
strahlen auffallend erweitert, an Grösse der
einzelnen Zellen das Bastparenchym weit
übertreffend.
B. Rinden von bräunlicher bis gelbröthlicher Färbung.
C. pitayensis. Meist kurze Stücke flacher, dicker Rinden, oder dünne, verbogene, kleine
Bruchstücke, seltener Röhren. Baströhren dünn, sehr zerstreut, wenig hervortretend, nicht
stechend, Bruch kurz. Mittelrinde meist noch erhalten, Steinzellen fast immer fehlend, jeden-
falls nicht sehr dickwandig, Saftschläuche nur in den dünnsten Rinden nachweisbar.
C. Gelbe Rinden.
O. cordifolia.
China flava dura laevis.
Mittelrinde lange bleibend, eigentliche Bor-
kenbildung gar nicht bemerklich, oder viel-
leicht überhaupt nicht vorkommeud. Kork
gelblich-weisslich. Saftschläuche fehlen. Stein-
zellen fehlend oder nur an der Grenze des
Korkes, nicht in den Baststrahlen. Baströhren
sehr ungleich, oft sehr stark, oft nicht ge-
schlossen, in unterbrochenen Radialreihen
oder auch da und dort kleinere Gruppen
bildend.
C. Calisaya.
a. Mittelrinde erhalten.
a.
Mit graulicher, ge-
felderter Borke be-
deckte Röhren; Kork
nur stellenweise abge-
worfen :
China regia tu-
bulata.
Steinzellen fehlen.
Saftscliläuchc ansehn-
lich.
ß-
Dünne, mcistflache
Stücke mit Borkegru-
ben. Kork abgeworfen:
Ch. regia boli-
v i a n a.
Steinzellen ge-
wöhnlich nicht vor-
handen, stellenweise
aber doch ausgebildet.
Saftschläuche sehr
weit, mit unbewaffne-
tem Auge erkennbar.
Bruch etwas derb und
laug splitterig.
b . Reiue Bastplattcn mit ausgezeichneten
Borkegruben (Conchas).
Ch. regia plana.
Bis 15 Millim. dicke mürbe, flache Stücke.
Cortices Chinae. § 34. 35.
391
D. Binden von gelblicher, jedenfalls nicht ins röthliche, sondern eher ins bräunliche
spielender Farbe.
1. Steinzellen fehlend oder spärlich.
C. Condaminea. (vgl. S. 176 Anmerk.) C. Uritusinga.
Saftschlänche kleiner als die benachbarten Saftschläuche klein (vergl. oben I.A). Bast-
Zellen und frühe verschwindend. Baströhren röhren in den inneren Lagen tangential ge-
radial geordnet. I ordnet.
2. Steinzellen reichlich vorhanden.
O. umbellulifera. (Astrinden.)
Saftschläuche im längeren Durchmesser
über 200 Mikromill. erreichend, Steinzellen
sehr verschieden, die grössten durchschnitt-
lich kleiner als die Saftschläuche, aber grös-
ser als die Baströhren. Letztere nicht in
Gruppen, höchstens (wenigstens in Astrinden)
zu zwei bis drei genähert und von Stabzellen
begleitet. Auf dem Bruche erscheint (wegen
der zahlreichen grossen Saftschläuche) ein
Harzring.
IV. Baströhren in Radialreihen, nicht in Gruppen.
C. scrobiculata. Astrinden mit heller Bedeckung und ziemlich lange bleibender Mittel-
rinde, worin Steinzellen und Saftschläuche enthalten sind. Stammrinden der flachen Caiisaya
ähnlich, durch schwachen Stich ins röthliche, so wie durch langfaserigen, derberen Bruch
verschieden.
Eine weit vollständigere Tabelle zur mikroskopischen Bestimmung der
Chinarinden verdanken wir bekanntlich Berg.2) Dieselbe umfasst gegen
40 Cinchonen, berücksichtigt jedoch die Rinden nur in so fern sie noch
bedeckt sind, was allerdings in den meisten Fällen stattfindet, aber nicht
immer unmittelbar zu ersehen ist, sofern die Oberfläche aus Mittelrinden-
Gewebe bestehen kann.
§ 35.
Als oberstes Princip der herkömmlichen Eintheilung der Chinarinden
hat allgemein die Farbe gegolten, bis das Studium ihres anatomischen
Baues in den Vordergrund trat. Gewiss ist der Satz Karsten’s (§ 20),
dass die Grundfarbe der Rinden einer Art sich in allen ihren Lebeusstufen
gleich bleibe, nur sehr bedingt richtig, und es lässt sich z. B. an C. succi-
rubra aufs bestimmteste nach weisen, dass die Farbe erst im Alter mit aller
Deutlichkeit auftritt. Jüngere Rinden der meisten Arten pflegen mit grau-
lich weissem bis bräunlichem oder beinahe schwärzlichem Korke bedeckt
zu sein, der nur in den Extremen seiner Färbung oder seiner Oberflächen-
gestaltung Anhaltspunkte zu bieten vermag. Noch unbestimmter und vor-
herrschend bräunlich ist die Farbe des inneren Gewebes, so dass Gemenge
G. nitida. 1) (Astrinden).
Saftschläuchc? Baströhren zur Gruppen-
bildung und einigermassen tangentialer An-
ordnung hinneigend. Kein Harzring.
t) über die Stellung dieser Art vergl. oben § 32, No. 10.
2) Chinarinden S. 44.
392
Rinden.
der verschiedensten den Aesten oder jüngeren Stämmchen entnommenen
Rindenröhren den allgemeinen Namen Cortex Chinae fuacus führen. Als
gleich bedeutend gilt in der Regel die weniger zutreffende auf die Bedeckung
gehende Bezeichnung C. Chinae griseus seu pallidus , so wie die den
Franzosen ziemlich geläufigen Benennungen Quinquinas gris ou bruns und
die englischen Ausdrücke pale Cinchona bark, Crown bark, grey bark.
Diese ganze Klasse der vorherrschend braunen Rinden umfasst mehrere
Handelssorten, deren Unterscheidung auf äusserlichen Merkmalen beruht,
welche sich einer wissenschaftlichen Feststellung um so mehr entziehen,
als im Laufe der Zeit die hergebrachten Namen bisweilen auf neue Sorten
übertragen worden sind , wenn in den Handelsverhältnissen Aenderungen
eintraten.
§ 36.
Als wichtigste der braunen Sorten ist die aus der Gegend von Huä-
nuco in Mittelperu über L i m a ausgeführte und nach diesen beiden Städten
benannte China. Sie pflegt aus durchschnittlich 1—2 Centimeter starken
Röhren von 2 bis 5 Millim. Querschnitt (nach dem Aufweichen) zu bestehen.
Die graubräunliche, im ganzen ziemlich helle Oberfläche etwas längsfurchig,
mit meist nicht sehr tief gehenden und nicht ringsum laufenden Quer-
rissen versehen *), oft noch mit weisslichem Korke belegt. Innenfläche hell
zimmtfarben, häufig durch die mit Oxalat gefüllten Zellen der Markstrahlen
sehr fein weiss gesprenkelt. Der Querschnitt bietet dicht unter der Aussen-
rinde einen sogenannten Harzring (S. 376). Bruch ziemlich langfaserig.
Als hauptsächlichste Arten, deren Astrinden die Huanuco-China bilden,
lassen sich nach dem obigen ungefähr die folgenden nachweisen : C. mi-
crantha in erster Linie, ferner C. Condaminea, macrocalyx, peruviana,
suberosa, umbellulifera, Uritusinga.
In neuester Zeit war eine fast ganz aus starken Röhren der micrantha
bestehende sehr schöne Huanuco -Sorte im deutschen Handel zu haben,
worunter einzelne durch tiefe, doch nicht völlig ringsum laufende Querrisse
sehr der röhrigen Calisaya ähnlich sehen. Mangel an Borkenhildung, Ab-
wesenheit der Saftschläuche (und der Steinzellen) , mehr geschlossene
Radialreihen der Baströhren kennzeichnen diese Röhren jedoch bestimmt
als zu C. micrantha gehörig. In letzter Zeit sind aber Zufuhren dieser
Sorte ganz ausgeblieben, so dass statt derselben, wenn durchaus Huanuco-
Rinde verlangt war, bisweilen mittelstarke Röhren der C. succirubra ge-
geben wurden.
Eine andere sehr schöne Huanuco der neuesten Zeit gleicht der röhrigen
rothen China äusserlich sehr bis auf die helle Zimmtfarbe. Im Bau zeichnet
t) hierdurch, so wie auch durch die Sphneriaceen, welche sich auf diesen Rinden wie auf
vielen anderen findon, entsteht cino cigcnthiimlichc Zeichnung der Oberfläche, die man in
Peru als „Geiergriffe“, pata de gallinazo, bezeichnet. Gallinazo heisst in Lima der Aasgeier,
Catharthes footens.
Cortices Chinae. § 36. 37.
393
sich diese helle Huanuco durch zahlreiche gegen 200 Mikromill. weite
Saftschläuche, durch Mangel an Steinzellen und durch deutlich tangentiale,
sogar zonenartige Anordnung der mitteldicken Baströhren aus. feie passt
somit in keine Rubrik der Berg’schen Tabelle zur Bestimmung der China-
rinden.
In früherer Zeit bestand die Huanuco -Sorte hauptsächlich aus Rinden
der C. nitida, welche in Menge bei Cocheros unweit Huanuco wächst. Die
Rinden dieser Gegend wurden seit 1776 durch Renquifo u. Alcarraz,
dann durch Ruiz, Pavon u. Dombey bekannt und endlich gegen Ende
des Jahrhunderts durch Kaufleute aus Lima als graue Rinde von Huanuco
in den Handel eingeführt.
§ 37.
Als Loxa- oder Loja- China gehen Rinden, welche im Gegensätze zu
der vorigen Sorte vorherrschend von dunkler bräunlicher Farbe sind, eine
mehr graue als weissliche Bedeckung und neben Längsrunzeln zahlreiche
etwas entfernte Querrisschen tragen. Meistens besteht die Loxa aus höch-
stens 1 Centimeter starken, nur 1 bis 2 Millim. dicken Röhren, welche sehr
häufig mit Flechten reichlich besetzt sind. Der scharfe Querschnitt bietet
bei den besseren Loxa-Rinden den glänzenden Harzring dar.
Wie oben (§ 6 ad No. 2) erwähnt, lieferte die Gegend von Loxa die
ersten Chinarinden und zwar vermuthlich zuerst von C. Chahuarguera.
Zur Zeit der spanischen Herrschaft war die beste Auswahl derselben, eine
gelbliche und eine röthliche Varietät, Cascarilla amarilla del Rey und Cas-
carilla colorada del Rey, für den spanischen Hof Vorbehalten, und führte
lange den Namen China coronalis, der sich immer noch im englischen
Crown-bark erhalten hat, während das Beiwort regius oder regia auf Cali-
saya übertragen worden ist. Für jene ursprüngliche Krön- China schälte
man bei Humboldt’s Anwesenheit in Südamerika sehr junge Bäumchen,
deren 800 bis 900 erforderlich waren, um die geringe Menge von 110 Ctr.
Rinde zu liefern, welche der Hof bedurfte.
Schon zur Zeit von Condamine mischte sich der Loxa-Rinde die der
C. Uritusinga, später noch andere bei, als die ursprünglichen Cinchonen in
der Nähe Loxas sich verminderten. Heutzutage ist das unter diesem Namen
vorkommende Gemenge junger Rinden in anatomischer Hinsicht schwierig
zu charakterisiren, weil auf dieser Altersstufe die Eigenthümlichkeiten noch
wenig ausgeprägt sind.
Howard nennt als „Quelle der guten Loxa-Rinde des heutigen Han-
dels die botanisch noch nicht fest stehende (jetzt zu C. officinalis ge-
zogene) C. crispa Tafalla. Von Howard mitgetheilte Röhren dieser
Pflanze zeigen sich denen von C. Chahuarguera ähnlich, mit etwas tieferen,
zum Theil umlaufenden, aber nicht scharfrandigen Querrissen. Aeusserlich
sind sie dunkler, fast schwärzlich grau, innen nicht so hell zimmtfarben,
von kurzem derbem Bruche. Anatomisch sind diese Rinden wenig
394
Rinden.
ausgezeichnet; ihr Bau stimmt mit dem der Chahuarguera-Rinden überein.
Die jüngsten, aufgeweicht nur erst 1 Millira, dicken Stücke weisen Saft-
schläuche auf, die jedoch nicht umfangreicher als die benachbarten Paren-
chymzellen, daher oft schwer zu finden sind und nur ein wenig dickeren
Rinden schon ganz fehlen..
Besonders häufig kömmt nach Berg die Rinde der C. macrocalyx als
Loxa in den Handel, ferner diejenige von C. heterophylla, nach andern Be-
obachtern liefern noch eine Reihe anderer Arten diese schwankende Sorte.
§ 38.
Als China Pseudo-Loxa oder Jaen nigricans werden im deutschen
Handel Röhren unterschieden, welche dem empirischen Begriffe der Loxa-
sorte entsprechen, jedoch durch dunklere Färbung, weit unebenere und
genähert- rissige Oberfläche, so wie durch den Mangel des Harzringes be-
zeichnet sind. Die Farbe der Oberfläche ist meist durch üppigen Besatz
von Kryptogamen bedingt. Die Rinden von C. villosa P. (C. Humboldtiana
Lamb.) aus Jaen, von C. stupea P. aus der Gegend von Cuenga, und von
C. nitida zeigen diese Merkmale besonders auffallend. Diese Pseudo-Loxa
wird von den Pharmacopöen zum officinellen Gebrauche nicht gebilligt,
während die geschilderten Huanuco- und Loxa-Rinden meist als gleichartig
gelten und ohne Unterschied die gewöhnliche officinelle Chinarinde, Cortex
Chinae offcinalis seu fvscus v. griseus darstellen.
Es dürfte wohl noch einmal möglich werden , statt dieser wechselnden
Gemenge eine oder mehrere bestimmte und alsdann genau zu charakteri-
sirende Zweig-Rinden, z. B. diejenigen von C. micrantha und C. succirubra
oder officinalis festzuhalten. Namentlich im Hinblicke auf die jetzt schon
gesicherten Culturen der besten Cinchonen ausserhalb ihres Vaterlandes
erscheint es sehr wohl ausführbar, dass der Handel einer derartigen von
Seiten der medieinisch-pharmaceutischen Praxis der wichtigsten Länder
übereinstimmend formulirten Forderung gerecht werde.
Braune Astrinden ungefähr von der Stärke mittlerer Huanuco-China,
doch von mehr nelken brauner oder leberähnlicher Farbe, von mehr oder
weniger warziger und längsrunzeliger, nicht querrissiger Oberfläche, ohne
Harzring auf dem Bruche heissen nach ihrem Vorkommen unweit Tarma
(Mittel-Peru) Huamalies-China. Sie finden sich jetzt seltener allein, als
der gewöhnlichen Loxa beigemengt. Die besondere Gestaltung der Be-
deckung kann in vielen Fällen (z. B. bei C. Condaminea, micrantha, scro-
biculata u. s. w.) individuelle oder lokale Gründe haben, in anderen von
verschiedener Abstammung herrühren, da die Farbe des inneren Gewebes
zwischen braun und röthlich-braun bedeutend schwankt.
Howard1) leitet die ursprüngliche schon 1826 durch H. von Bergen
abgebildete Huamalies-China, wie sie freilich für sich nicht mehr vorzu-
kommen pflegt, von C. purpurea ab.
i) N. Quinol. Addenda ot corrigenda.
395
Cortices Chinae. § 38. 39.
Die Huamalies-China tauchte zu Anfang dieses Jahrhunderts oder viel-
leicht etwas früher und zwar oft häufiger als die Huanuco-Sorte in Europa
auf. 1803 z. B. war sie in Hamburg reichlicher vorhanden als die letztere.
Noch unbestimmter ist endlich der Begriff derjenigen rohngen China,
welche nach der gleichnamigen nordperuanischen Provinz als Jaen )-
China bezeichnet wird. Man versteht darunter dünnere, oft etwas ge-
krümmte, ziemlich glatte oder längsrunzelige Röhren ohne tiefere Querrisse
und auf dem sehr grob und langsplitterigen Bruche ohne Harzring. Der
graubräunlichen, innen gelblich zimmtbraunen oder etwas ms rothliche
fallenden Farbe wegen, unterscheidet man derartige Röhren als Jaen pallida
im Gegensätze zu der schon erwähnten Pseudo-Loxa, welche auch als
dunkle Jaen geht. Die Jaen-Rinde findet sich öfter frei von Alkaloiden ;
bisweilen enthält sie Aricin.
§39.
So wie sich die heutige pharmaceutische Praxis durchgängig auf die-
jenigen röhrigen Chinarinden beschränkt, welche unter den allerdings nicht
sehr bestimmten Begriff der Huanuco- oder Loxa-Sorte fallen , so ist auch
von den Pharmacopöen mit grosser Uebereinstimmung die Auswahl der
Stammrinden festgesetzt. Da diese meist schärfer ausgeprägte Eigentüm-
lichkeiten zeigen und öfter unvermischt in den Handel gelangen, so ist hier
die unzweideutigste Bezeichnung der zum medicinischen Gebrauche wünsch-
baren Handelssorten durchzuführen. Als solche gelten aus der Reihe der
gelben Rinden diejenige der C. Calisaya (deren Zweigrinde nirgends als
eigentlich officinell betrachtet wird* 2), aus der Reihe der rothen neben der
Rinde der C. succirubra auch die China rubra suberosa.
Diese Rinden sind bereits in § 32 hinlänglich geschildert, auch wurde
auf mögliche Verwechslungen der Calisaya z. B. mit Rinden von C. scro-
biculata und pubescens aufmerksam gemacht. Die noch reiner gelben Rin-
den, welche im Handel die Namen China flava fibrosa, flava dura u. s. w.
führen, sind hauptsächlich an ihrem theils weit derberen, theils weit zäher
faserigen, aber nicht kurz und mürbe brechenden Baste kenntlich, noch
sicherer an den anatomischen Merkmalen.
Der Kreis der officinellen Chinarinden beschränkt sich somit
einerseits auf die mittleren oder jüngeren Röhren weniger Arten, indem, wie
oben gezeigt, zu den herkömmlichen Sorten im Laufe der Zeiten nicht
immer die gleichen Cinchonen herbeigezogen worden, anderseits auf die
beiden rothen Stammrinden und die Bastplatten der Calisaya.
Alle übrigen im Handel befindlichen Sorten, welcher im obigen gele-
gentlich gedacht worden ist, gewähren von der allgemein wissenschaft-
lichen Bedeutung abgesehen, überwiegend nur für die chemische Industrie,
nicht für die Pharmacie, ein Interesse.
1) im deutschen zuerst von den Hamburgern öftor zu Ten verdorben.
2) Brit. Pharm, lässt sie als seltene Beimengung zu ; Ph. Germaniae schliesst sie aus.
396
Rinden.
§ 40.
Ein Geruch geht den Chinarinden nicht ganz ab; Weddell1) fand
denselben z. B. bei frischer Calisaya und amygdalifolia der Holunderrinde
ahuhch, doch schwächer. Auch einzelnen Sorten der käuflichen Rinden
z. B. der flava fibrosa (oben § 32, No. 6) und der Loxa lässt sich ein ge-
ringes Aroma nicht ganz absprechen. Dasselbe scheint durch eine ganz
unbedeutende Spur ätherischen Oeles bedingt zu sein , welches noch nicht
naher gekannt ist. — Die Rinden einzelner der zunächst den Cinchonen
verwandten Rubiaceen sind an wohlriechendem Oele weit reicher, z. B. die
der Gomphosia chlorantha Wdl.
In Betreff des Geschmackes kommen zum Theil bedeutende Ver-
schiedenheiten vor. Jüngere Rinden schmecken vorherrschend, aber nicht
unangenehm herbe (saveur styptique DB.), seltener, wie z. B. Huanuco und
Loxa, zugleich auch eigentlich in geringerem Grade zusammenziehend
(astringeut DB.) säuerlich. Bei Stammrinden verliert sich der herbe Bei-
geschmack mehr und mehr, und die reine Bitterkeit tritt stark und deutlich
hervor. Bei flava fibrosa z. B. schmecken aber auch schon Astrinden völlig
rein bitter. Die grössere oder geringere Schnelligkeit, mit welcher sich der
Geschmack auf der Zunge entwickelt, dürfte durch das Gefüge der Rinde
bedingt sein. Jüngere, zartere Rinden geben beim Kauen ihre Stoffe
leichter ab.
In der vorzüglichen Calisaya tritt die reine Bitterkeit schon bei jungen
Rinden auf, während der geringeren C. scrobiculata immer und bisweilen
vorwaltend der adstriugirende Beigeschmack zukömmt.2)
Bei der ebenfalls alkaloidarmen C. pubescens bemerkte Weddell3)
selbst an (frischen) Stammrinden einen nur bitterlichen und zugleich ekel-
haften Geschmack. Auch die an Chinin arme Maracaibo (DB.; nicht die
gleichnamige Rinde vonKstn.) und die noch schlechtere gelbe Cusco-China4)
des Handels schmecken unangenehm. Einen ekelhaften und zugleich etwas
scharfen Beigeschmack bemerkt man auch an der so genannten China Ja 'en
v. Para fusca,b) welcher die Chinabasen fehlen.
J) S. 33.
2) Wdl. 45.
3) S. 56, Note 2.
4) § 32, sub No. 12.
5) eine 1845 aus Para nach London gelangte Rinde (vergl. unten bei Paricin § 46), deren
Abstammung noch zu erweisen ist. Wiggers leitet sie von Bucua hexandra Pohl ab, allein
sie zeigt durchaus den Bau der Cinchouenrinden. Authentische Exemplare, die ich Prof.
Gas teil verdanke und welche mit der Beschreibung von Wiggers (Handb. d. Pharmakogn.)
übereinstimmen, charakterisiren sich durch fast gänzlichen Mangel au Steinzeiten, durch Saft-
schläuche von mitunter gewaltigen Dimensionen, durch sehr kleine, im Querschnitte quadra-
tische, ganz verholzte Baströhren, welche entschieden radiale Reihen bilden. Das Infus
nimmt durch Eisenchlorid eine sehr geringo grünliche Eärbuug an, wie die ächten Chinarinden.
Dass die Grahe’sche Probe (§ 54) nicht eintritt, spricht noch lange nicht gegen die Ableitung
von einer Cinchona.
Cortices Chinae. § 40.
397
§41.
Unter den allgemeiner verbreiteten Stoffen des Pflanzenreiches,
welche auch in den Cinchona- Rinden Vorkommen, sind bereits als unmittelbar
in die Augen fallend Stärkmehl und Kalkoxalat hervorgehoben worden.
Ueber die Menge des ersteren, weichein den noch parenchymreichen Rinden
durchgängig sehr beträchtlich ist, jedoch offenbar den grössten Schwan-
kungen unterliegt, fehlen noch genaue Ermittelungen. Selbst da, wo die
verholzten Baströhren zur höchsten Entwickelung gelangt sind, wie z. B.
in der unbedeckten Calisaya, behalten die Parenchymzellen des Bastes und
der Markstrahlen immer noch eine geringe Menge Amylum.
Nicht weniger häufig, aber auch in sehr schwankender Menge erscheint
das Kalkoxalat. Da es immer nur in kleinen krystallinischen Körnchen
und in vereinzelten Zellen abgelagert ist, so fällt es nicht ins Gewicht. Der
gesammte Aschengehalt bei 100° getrockneter Rinde steigt nach Reich -
hardt1) höchstens auf etwa 3 pC. (bei Ch. rubra) an, der Gehalt an Kalk
auf ungefähr 1 pC. Howard2) erhielt aus dem inneren Theile des Bastes
von C. succirubra 0,91 pC. Kalkcarbonat, entsprechend 0,5 pC. Kalk. Ander-
seits bestimmte Reichel3) die Oxalsäure im Maximum (bei Huanuco) zu
0,29 pC., Reicbhardt (in Ch. rubra) zu 0,33 pC., woraus gefolgert wer-
den darf, dass die Menge des niemals fehlenden Kalkoxalates nicht leicht
1 pC. übersteigen mag, indem vermuthlich ein Theil des Calciums in ander-
weitigen Verbindungen enthalten ist.
Andere der gewöhnlicheren Pflanzensäuren sind noch nicht nachge-
wiesen worden.
In sehr geringer Menge enthalten die Chinarinden nach Reichel auch
Gummi,4) wozu wohl der von demselben angegebene „Inulinkörper“ gleich-
falls gerechnet werden darf, so wie Zucker, was ich bestätigen kann.
Die besondere Art dieser Stoffe ist nicht genauer ermittelt, eben so wenig
die der fett- oder wachsartigen Substanzen, welche durch Chlorophyll
gefärbt erhalten werden. Auch die Pektinkörper scheinen, Reichel zu-
folge, vertreten zu sein.
Die beim Verbrennen der Chinarinden zurückbleibende Asche, von
3A — 3 pC. schwankend, besteht weitaus zum grössten Theile aus Kalk-
und Kali-Carbonat, welche zusammen z. B. in der flava fibrosa nach Reich-
hardt Vs der ganzen Aschenmenge ausmachen. Weit geringer ist die
Quantität des Magnesia -Carbonates, das z. B. in flacher Calisaya nur V«
der Asche beträgt. Im übrigen zeigen die wenigen bis jetzt vorliegenden
Aschen an alysen von Chinarinden die gewöhnlichen Bestandtheile, nament-
D Chem. Bestandth. d. Chinarinden. Braunschwg. 1855.
2) N. Qninol., Microsc. obs. pg. 6.
3) Ch. Rinden und deren Bestandtheile. Lpzg. 1856.
0 Auch Schwarz hat dasselbe bemerkt.
398
Rinden.
lieh auch sehr geringe Mengen Phosphorsäure und Mangan. Kaum lässt
sich aus den bisherigen Daten die Vermuthung ableiten , dass Zweigriuden
reicher an anorganischen Stoffen sein dürften, als die (unbedeckten) Staram-
rinden. Schlüsse auf die Vertheil ung der Aschenbestandtheile in den ein-
zelnen Gewebeformen der Rinde erscheinen ganz verfrüht; arm daran fand
ich sorgfältig isolirte Baströhren.
Die Gegenwart von Ammoniaksalz lässt sich in den Auszügen der
Chiuarinden leicht darthun, obwohl dessen Betrag gering ist.
Auch das Harz enthalten die Rinden in nur sehr unbedeutender Menge.
Delondre u. Henry fanden dasselbe in dem infolge von Einschnitten in
den Stamm austretenden rothen Safte.
§ 42.
Das von Stähelin u. Hofstetter durch Schwefelsäure aus wein-
geistiger Tinctur der (gelben) China gefällte Plilobaphen (G’°H8-04?)
ist weniger den allgemeiner verbreiteten Stoffen zuzuzählen , sondern als
Zersetzungsprodukt zu betrachten, das noch weiterer Untersuchung bedarf.
Ebenso das von Reichel dargestellte Lignoin, G2uH23N08 nach
Hesse, das vermuthlich in naher Beziehung zu Phlobaphen steht. Man
erhält es, wenn durch Aether, Weingeist und Wasser erschöpfte China mit
Aetzlauge ausgezogen wird auf Zusatz von Säure als schwarzbraunen
Niederschlag, welcher getrocknet 2 — 19 (?) pC. der Rinde betragen soll.
Das Lignoin scheint als eigenthümliches Glied in die Reihe der trotz viel-
fältiger Untersuchungen noch nicht hinlänglich gekannten Humin- oder
Ulmin-Substanzen zu gehören und vielleicht aus Kohlehydrat (Cellulose?)
durch Verlust der Elemente des Wassers und Eintritt von NH3 hervorzu-
gehen. Hesse zeigte, dass das Molekül O20H20Q8, welches unter Austritt
des letzteren aus Lignoin entstehen würde, die Zusammensetzung des Chi-
novaroths aus China nova darstellt. Der Kohlenwasserstoff G20H20 endlich,
welcher auch im Chinin anzunehmen ist, dürfte nach Hesse gleichfalls
einen Zusammenhang des Lignoins mit den eigenthümlichen Stoffen der
China andeuten.
In weit weniger energischer, doch nicht genauer untersuchter Weise
wird die China von Ammoniak angegriffen. Das letztere ist daher in vielen
Fällen dem Kali bei der Herstellung mikroskopischer Schnitte der China-
rinden vorzuziehen, wo es sich darum handelt, das Gewebe einigermassen
von färbenden Stoffen zu befreien (§ 28).
Die Chinarinden enthalten Gerbstoff, welcher Eisenoxydsalze hellgrün,
oder wenn noch andere färbende Stoffe der Rinden mitwirken, dunkler grün
bräunlich1) fällt. Diese Chinagerbsäure erzeugt auch in Leimlösung
1) Dass es auch Chiuariuden mit eiseub lau ende m Gerbstoffe gebe, kann ich nicht be-
stätigen. Die falschen Chinarinden aber, wenigstens die Ch. noTa, enthalten weit reichlicher
Gerbstoff, welcher durch Eisenchlorid mit intensiv dunkel schwarzgrüncr Farbe gefällt wird.
Cortices Chinae. § 42. 43.
399
einen Niederschlag, weicht aber in ihrem Verhalten und in der Zusammen-
setzung (=0UH1609 Schwarz) von der Gallusgerbsäure ab. Reich-
hardt fand in Ch. flava fibrosa 1 pC., in flacher Calisaya 3x/3, in rühriger
Calisaya 2 pC. Gerbsäure, Reichel in flava fibrosa (der oben § 6, No. 6
erwähnten Tunita- Rinde) 3,8 pC. Aus dem Bleisalze abgeschieden stellt
die Chinagerbsäure nach Schwarz eine hellgelbliche, sehr hygroskopische
Masse von säuerlichem, zugleich herbem, aber nicht bitterem Geschmacke
dar. Obwohl in Aether löslich, kann sie durch denselben den Rinden nicht
entzogen werden, vermuthlich weil sie darin nicht in freiem Zustande ent-
halten ist. Einen ganz verschiedenen Körper hat Howard1) unter dem
Namen Chinagerbsäure (cinchotannic acid) in Händen gehabt. — Beim
Erhitzen der Chinagerbsäure auf nur 100°, beim Eindampfen ihrer wässe-
rigen Lösung, besonders nach Zusatz von Säuren oder Alkalien entstehen
rothe Produkte, im letzteren Falle unter ganz ausserordentlich begieriger
Aufnahme von Sauerstoff, der zum grössten Theil Kohlensäure bildet.
Durch Fällung des rothbraunen ammoniakalischen Chinaauszuges mit Säure
wird das Chinaroth erhalten, trocken eine dunkelrothe bis braunrothe
geruch- und geschmacklose Masse, die sich in Aether, Wasser und ver-
dünnten Säuren nicht auflöst, wohl aber in Weingeist. Die ammoniakalische
Lösung des Chinaroths gibt mit den Salzen der Erden schöne rothe Lacke.
Denkt man sich mit Schwarz 30- zur Oxydation der Chinagerbsäure ver-
wendet, so entsteht dadurch Chinaroth GI2H1407
Kohlensäure G2 04
und Wasser H2 0
Am meisten Chinaroth, nämlich 4 pC., fand Reichardt in Ch. rubra;
gleichwohl erscheint der Gehalt an Gerbsäure in dieser Sorte (3,1 pC.)
immer noch verhältnissmässig hoch. — Der Oxydation des Gerbstoffes ist
die mehrfach (§ 20) erwähnte Färbung frisch geschälter Rinden zuzu-
schreiben, vielleicht auch die der Blätter (§ 3).
Das Chinaroth (rouge cinchonique) wurde zuerst 1810 von Reuss in
Moskau bemerkt. Ob in dem Chinagelb von Henry u. Plisson,2) das
sich in Wasser und Weingeist, nicht in Aether löst, ein anderer Körper
steckt als verändertes Chlorophyll, bleibt noch zu ermitteln.
§43.
Die älteste Beobachtung, welche den Chinarinden eigentümliche
oder doch für dieselben charakteristische Bestandtheile betrifft,
geht bis 1745 zurück, wo de la Garaye einen Salzabsatz aus China-
extrakt wahrgenommen hatte.3) Herrn bstädt erkannte denselben 1785
x) N. Quinol. sub C. succirubra pg. 22.
2) Gmclin, Organ. Chem. IV. 1735.
3) Kopp, Gesch. d. Chemie IV. 406.
400
Rinden.
als Bankverbindung einer Säure, deren Eigentümlichkeit 1790 Hofmann
darlegte und sie Chinasäure benannte.
Vau quelin bestimmte 1806 genauer die Eigenschaften , Liebig die
Zusammensetzung der Chinasäure: O7Hl206; Zwenger u. Siebert er-
mittelten ihre Verbreitung im Kaffee, in Blättern der Ericaceen, Aquifolia-
ceen und einer Reihe anderer Pflanzen. Hlasiwetz fand sie auch in der
falschen China, der sogenannten China nova d) In den ächten China-
rinden, wo sie niemals fehlt und hauptsächlich die saure Reaction der
Auszüge bedingt, beträgt die Chinasäure 5—9 pC. Sie bildet harte, grosse,
monoklinische Krystalle, löslich in 2 »/, Th. Wasser, auch in Weingeist,
kaum in Aetlier.
In den Rinden der Cinchonen und der zunächst verwandten Rubiaceen
findet sich ein unkrystallisirbarer Bitterstoff, das Chinovin* in nicht
bedeutender Menge. 1821 von Pelletier u. Caventou zuerst als acide
quinovique in Ch. nova surinamensis1) gefunden, dann von andern als
Chinovabitter oder Cinchouabitter bezeichnet, wurde dieser Körper
1859 von Hlasiwetz als Glucosid erkannt. Nach demselben spaltet sich
das Chiuoviu C3ÜH4S08
in alkoholischer Lösung durch Salzsäure in Chinovasäure O24H3804
und eine schmierige Zuckerart 06H120S,
wobei H20 aufgenommnn wird. Die Chinovasäure tritt in rhombischen
Blättchen auf und ist von schwach aber unzweifelhaft saurer Natur, welche
bei dem Chinovin2) kaum augedeutet ist. Letzteres löst sich in Chloroform,
das Spaltungsprodukt nicht, beide drehen die Polarisationsebene nach rechts.
Das Chinovin, gemengt mit Chinovasäure, ist in den Cinchonen nicht auf
die Rinden beschränkt, sondern in allen ihren Theilen verbreitet. DeVrij
fand in getrockneten Blättern von in Indien cultivirten Cinchonen V4 — 2 pC.
in der Stammriude Va — 1,4, in der Wurzelrinde 1 pC. Chinovin, das Maxi-
mum mit 272 pC. aber im Holze der Wurzel. Auch Reichardt erhielt aus
Huanuco-Rinde l3/4 pC. ; ebensoviel Reichel aus Ch. flava fibrosa.
Ob es Chinarinden gibt, welchen dieser Bitterstoff fehlt, bedarf noch
des Nachweises. DeVrij hält es für wahrscheinlich, dass zwischen dem
Chinovin und den Alkaloiden ein vermuthlicli durch das atmosphärische
Ammoniak vermittelter genetischer Zusammenhang bestehe. Ersterem
scheinen auch die fieberwidrigen Wirkungen nicht ganz abzugeheu.
P Als China nova surinamensis wnrdc zu Anfang des Jahrhunderts massenhaft und
auch seither noch bisweilen die Rindevon Ladenbergia magnifolia Kl. (Cinch. Pavon; Oasca-
rilla Endl.) aus Neu-Granüda, nicht aus Surinam, cingefiihrt. Durch den Mangel an Alkaloid
und in anatomischer Hinsicht (§ 29) unterscheidet sie sich von ächten Chinarinden auf das
bestimmteste. Auch noch andere Rinden wurden mit dem jetzt gänzlich bedeutungslosen
Namen China nova belegt.
2) Chinasäure von Pelletier u. Caventou und andern Chemikern. — Fernere Bezie-
hungen dieses Körpers sind unter Rad. Caincae uud R. Sapon&riae angeführt.
Cortices Cliinae. § 44.
401
§44.
Zur Auffindung der wirksamen Stoffe der Chinarinden wurden schon
im vorigen Jahrhundert Versuche gemacht, allein Gomez in Lissabon war
der erste, welchem 1811 die annähernde Reindarstellung der Alkaloide
gelang. Er löste weingeistiges Chinaextract in Wasser und fällte mit Kali
einen nach seiner Meinung indifferenten Körper, den er aus Alkohol um-
krystallisirte und Cinchonin nannte. Die basische Natur dieses Präparates
wurde zuerst von Houtou-Labillar di&re im Thenard’schen Labora-
toriumwahrgenommen und Pelletier u. Caventou mitgetheilt.1) Diesen
Chemikern, geleitet von Sertürners glänzender Entdeckung (siehe
S. 52), verdanken wir die genauere Bekanntschaft mit dem Gomez’schen
Cinchonin und den Nachweis (1820), dass darin zwei basische Stoffe,
Chinin und Cinchonin, enthalten sind, welchen die therapeutischen
Wirkungen der China zukommen. Das erstere ist es, welches fast aus-
schliesslich den Werth der Chinarinden bedingt.
Lufttrocken bestehen die feinen vierseitigen, bei 57° schmelzbaren
Prismen des Chinins aus C30H24N2G2-|- 3H20. Bei 100° oder über
Schwefelsäure schon bei gewöhnlicher Temperatur entweicht das Krystall-
wasser und lässt (bei 177° C. schmelzendes) wasserfreies Alkaloid zurück.
Dieses löst sich in ungefähr 400 Theilen Wasser von gewöhnlicher Tempe-
ratur zu einer sehr bitteren, alkalisch reagirenden Flüssigkeit, in 60 2) Th.
Aether, weit leichter in Chloroform und Alkohol. Mit Säuren bildet das
Chinin meist krystallisirbare bittere Salze, und zwar sowohl einfach saure
(sogenannte basische) als solche mit zwei Aeq. Säure (saure Salze). Die
letzteren zeichnen sich aus durch die Fluorescenz ihrer Lösungen, welche
z. B. am Sulfat noch bei nur Vioo,ooo Gehalt an Salz wahrnehmbar ist.
Chininlösungen drehen die Rotationsebene des Lichtes nach links. Das
Chinin gehört zu den tertiären Diaminbasen. Versetzt man Chininlösungen,
zumal die ätherische, mit Chlorwasser und hierauf mit Ammoniak, so erhält
man eine schön grüne Färbung. In Seignettesalz - Lösung ist Chininsulfat
nicht, in Glaubersalz nur sehr wenig löslich.
Die ziemlich leichte Löslichkeit des Chinins in Aether und das verschie-
dene Aussehen seiner Salze hatte die Entdecker darauf geführt, diese aus
gelber China dargestellte Base zu unterscheiden von dem unmittelbar vor-
her aus der grauen China gewonnenen Alkaloid , welchem sie den Namen
Cinchonin Hessen.
Das Cinchonin bildet kein Hydrat, sondern krystallisirt in monoklinischen
Nadeln von der Formel G20H24N2O, welche bei 150—160° unzersetzt
schmelzen und sich nun zum Theil sogar sublimiren. Zur Lösung bedarf
das Cinchonin bei 20° 3670 Th. Wasser, 3703) Th. Aether und 20 Chlo-
0 Ann. de Chim. et de Phys. XV. (1820) 292.
2) nach van der Bnrg (1866) lösen schon 23 Th. Aether 1 Th. Chinin.
3) 2118 van der B nrg (1866).
I1 lückiger, Pharmakognosie.
26
402
Rinden.
roform; es bläut Lakrnus und schmeckt schwach bitter. Auch vom Cin-
chonin kennt mau normale und saure Salze von bitterem Geschmacke,
deren Lösungen aber keine Fluorescenz zeigen und rechts rotiren. Im
Gegensätze zu den andern Chinabasen und besonders zum Chinin löst sich
das Cinchonin so gut wie gar nicht in Ammoniak. Das neutrale, krystalli-
sirte Cinchonin-Tartrat löst sich bei 16° C. schon in 33 Th. Wasser.
Strecker hat durch Einführung von 0- in das Molecül des Cinchonins
eine Base von der Zusammensetzung des Chinins dargestellt, deren Eigen-
schaften aber so von denen der letzteren abwichen, dass er sie als Oxy-
cinchonin bezeichnete.
§ 45.
Aus gelben Chinarinden erhielten Henry u. Delondre 1833 ein neues
Alkaloid, das Chinidin1) von der Zusammensetzung des Chinins, aber
gewöhnlich mit 2H20 in verwitternden Nadeln krystallisirend. Wasserfrei
schmilzt es bei 160°, löst sich in 1500 Th. kalten und 750 kochenden
Wassers, in 80 — 90 Aether, 45 Th. absoluten Alkohols bei 8° und in
3,7 Th. kochenden Alkohols. Die Lösungen der sauren Chinidinsalze
schillern wie die des Chinins, schmecken sehr bitter und besitzen ein noch
stärkeres Drehungsvermögen nach rechts2) als selbst die Chiniusalze. Die
grüne Färbung durch Chlor und Ammoniak kömmt dem Chinidin gleich-
falls zu, dagegen löst sich sein Sulfat in wässerigem Seignettesalz oder
Glaubersalz.
Das Chinidin herrscht häufig vor in den Pitayo-Rinden und scheint in
nächster Beziehung zum Cinchonin zu stehen.
Das Cinchonidin im Sinne Pasteur’s wurde 1847 von Winckler
entdeckt.3) Aus Alkohol krystallisirt es in grossen Prismen von der
Zusammensetzung des Cinchonins, welche nach Hesse bei 206,5° C.
schmelzen und bei 10° zur Lösung 1680 Th. Wasser, 19,7 Weingeist
(80 pC.) und 76 Aether bedürfen. Die bitter schmeckenden Lösungen
drehen die Polarisationsebene des Lichtes nach links und schillern auch
bei überschüssiger Säure kaum. In Chlorwasser gelöstes Cinchonidinsalz
wird durch Ammoniak nicht verändert. Das neutrale Weinsäuresalz löst
sich erst in 1200 Th. Wasser, gar nicht in Seignettesalzlösung, in kochendem
Wasser nur schwierig. Auch das Sulfat ist in Seignettesalz nicht löslich,
wohl aber in Glaubersalz. Dieses Verhalten dient daher nach Hesse am
besten zur Reindarstellung des Cinchonidins. Es findet sich neben Chinin
und Cinchonin in vielen Chinarinden, besonders in den columbischen.
1) so nennt es Pasteur; es ist das Betachinin vanHeijningen’s und Kochs,
Cinchotin nach Hlasiwetz, Conchinin nach Hesse.
2) links nach andern Angaben , welche das ursprüngliche Alkaloid der Entdecker
betroffen (?)
3) aber Chinidin genannt; ebenso von Loors, Hesse u. a.
Cortices Chinae. § 46.
403
§46.
Während Cinchonin und Cinchonidin der Formel G2oH 4N -0-,
Chinin sowie Chinidin „ „ G20H24N* 2G2
entsprechen, behauptet die 1856 von Wittstein als
Cinchonidin bezeichnete Base von der Zusammen-
setzung G18H20NG
eine unverkennbare Beziehung zu den ersteren. Witt stein entdeckte sie
in der sogenannten China rubra von Mutis, Ch. rubra granatensis nach
Wiggers,1) welche davon 2V4 pC. aber weder Chinin noch Cinchonin
gab. Das neutrale Chlorhydrat dieses Cinchonidins krystallisirt mit 7 H“ 0
und ist in 10 Th. Aetlier löslich; das entsprechende Salz des Pasteur-
schen soeben erwähnten Cinchonidins nur mit 1 Mol. H2G krystallisirend,
erheischt 325 Th. Aether zur Auflösung. Die reine Wittstein sehe Base
verlangt 400 Th. Aether zur Lösung. Wiggers schlägt für dieselbe den
treffenden Namen Paltochin vor; Howard hat sie später auch in C. peru-
viana und nitida aufgefunden, begleitet von Chinin. — De Vrij hält das
„Paltochin“ für unreines Cinchonidin. Weit beträchtlicher ist die Abwei-
chung, welche die Formel des Aricins:2) G23H2SN2-G4 darbietet. Pel-
letier u. Coriol trafen 1828 dasselbe in einer über Arica ausgeführten
brennend bitter schmeckenden Rinde,3) Leverköhn gleichzeitig in einer
sogenannten Cuscorinde und endlich Manzini 1842 in der blassen Jaen-
China (§ 38). Die wasserfreien Krystalle des Aricins schmelzen bei 188°
und lösen sich in Aether. Das neutrale Sulfat erstarrt in verdünnter Lösung
beim Erkalten gallertartig. Merkwürdigerweise ist das Aricin isomer mit
Brucin. Howard traf neuerdings das Aricin auch in der Rinde von
C. micrantha, welche unten (§ 48) erwähnt wird, sowie in der Pseudo-
Loxa oder Jaen nigricans (von C. villosa) und einigen anderen. Schoon-
broodt will (1862) das Aricin durch Synthese aus Chinasäure erhalten
haben.
In der merkwürdigen China aus Para (oben § 40) fand Winckler ein
amorphes, gelbliches, in Aether leicht lösliches Alkaloid, das P aricin,
welches er neuerdings (1865) für identisch hält mit Bebirin GWH21NG3
aus der Bebiru- Rinde von Nectandra Rodiaei (Laurineae) und auch in
China Jaen pallida wiederfindet. Es wäre demnach isomer mit Thebain.
Geringe Abweichungen im Verhalten der eigentlichen Chinabasen deuten
schon jetzt darauf, dass sich ihre Zahl wohl noch vermehren wird.
Mit dem Namen Chinoidin hatte schon Sertürner (1828) ein
unkrystallisirbares basisches Chinapräparat belegt, welches seither als
*) nach Howard von Cinchona Palton , welcher Ableitung ich nach mikroskopischer
Vergleichung authentischer Stücke der Wittstein’schen Rinde mit Proben von Howard bei-
stimme. — Vergl. dagegen Berg S. 18 n. 36.
a) Leverköhn’s Cusconin, Manzini’s Cinchovatin.
3) wahrscheinlich von Cinchona lutea; vielleicht die gelbe Cuscorinde von DB.
26 *
404
Rinden.
dunkelbraune, bittere, spröde, in der Wanne erweichende Masse von schwach
alkalischer Reaction in den Haudel gelaugt und meist durch Fällen von
braunen Mutterlaugen vermittelst Ammoniak in den Chininfabriken ge-
wannen wird. Je nach der Art der verarbeiteten Rinden muss daher ein ab-
weichendes Chinoi'din erhalten werden. In der That sind darin auch die
verschiedenen oben beschriebenen Alkaloide gefunden worden; der Haupt-
sache nach aber besteht das Präparat aus veränderten Basen, begleitet von
stickstofffreien Zersetzungsprodukten, ohne ein besonderes Alkaloid. Die
Salze des Chinins und wohl auch anderer Chiuabasen nämlich werden
schon durch das Sounenlicht bräunlich gefärbt und zersetzt, indem die
Basen in amorphe Modificationen übergehen zu könuen scheinen. Derartige
Veränderungen, welche allerdings noch nicht genügend aufgeklärt sind,
■werden ohne Zweifel schon im Walde durch unzweckmässige Behandlung
der Rinden (§ 15 oben) hervorgerufen, aber auch durch den Einfluss der
Wärme bei der fabrikmässigen Bearbeitung derselben. Darauf beruht die
Entstehung des sogenannten Chinoi'dins.
Hiermit nicht zu verwechseln ist ein Extract, das vermittelst Weingeist
unter Zusatz von Kalk aus Chinarinden gewonnen wird und somit ein
Gemenge der Basen mit Chinovin, Chinaroth und anderen Stoffen sein
muss. Die Franzosen haben versucht, dieses Quinivm oder Chinium mit
einem Gehalte von annähernd 20 pC. Chinin und 10 pC. Cinchonin in den
Arzneischatz einzuführen, und ein entsprechendes hellgelbes, sehr chinin-
reiches Präparat scheint unter dem Namen Quinio in Bolivia (La Paz)
bekannt zu sein.
§47.
Die Menge der Alkaloide, welche die Chinarinden enthalten, unter-
liegt bedeutenden Schwankungen. Karsten1) verfolgte dieselben z. B. bei
Cinchona corymbosa, deren Stämme von den höchsten der oben (S. 351)
angegebenen Staudorte durchaus kein Chinin enthielten. An anderen
Punkten dieser Gegend gewachsene Rinden ergaben % pC. Chinin und die-
jenigen aus der mittleren Höhenregion , welche diese schöne Art bewohnt,
iy4 — 3‘/2pC. Chininsulfat. — Cinchona lancifolia, in der Nähe von Bogota,
einem und demselben Bergrücken entnommen, lieferte in ihren Zweigrinden
kein Chinin oder nur unbedeutende Spuren, von einer audereu Stelle geholte
(Stamm-) Rinde 2, sogar 4 Vs pC. Chininsulfat.
Nicht geringere Schwankungen hat deVrij2) bei Ciuchonen uach-
gewiesen, welche auf Java gezogen waren. Calisaya-Stämme von 7 Jahren
gaben 0,64 pC., 6V2jährige von einer anderen Pflanzung 5 pC. Alkaloide
im ganzen. C. lancifolia (nach § 61 aus Neu- Granada eingefiihrt) lieferte
auf Java Stammrinde mit einem Gehalte von 4,1 pC. Alkaloid, nicht Sulfat.
!) S. 20 u. 39.
2) Pharm. Journ. and Transact. VI. 16.
Cortices Chiüae. § 47. 48. 49.
405
Cinchona Pahudiana (§ 61) in 4jähriger Stammrinde V2 pC., in öjähriger
Spuren, in anderer 734 Jahre alter Stammrinde 1,2 pC.
Pitayo- China gibt gewöhnlich 2 — 3 pC. Sulfate von Chinin und Cin-
chonin, Howard1) erhielt jedoch aus Stammrinde von Cinchona pitayensis,
welche bei Popayan gesammelt worden, nicht weniger als 8,6 pC. in Aether
löslicher Alkaloide. Doch ist es nicht unmöglich, dass die untersuchte
Probe der Wurzel entnommen war.
Diese Befunde, welche sich noch um viele vermehren Hessen, führen
mit Noth wendigkeit zu der Annahme, dass Bodenverhältnisse, klimatische
Bedingungen oder vielleicht mehr noch die Exposition den grössten Einfluss
auf die Ausbildung der Alkaloide ausüben und dass von einem einiger-
massen beständigen Gehalte bei einer gegebenen Cinchone nur sehr bedingt
die Bede sein kann, obwohl vielleicht einige Arten frei von Basen und
andere (z. B. C. cordifolia) durchgängig arm daran bleiben.
§48.
Eine merkwürdige schon früher beobachtete hierher gehörige Thatsache
ist neuerdings2) wieder von Howard bekräftigt worden. Von der Rinde
eines beinahe 3V2 Jahre alten Stammes der C. succirubra, cultivirt in
Utacamund auf der Malabarküste (§ 62) erhielt er 2,4 pC. Alkaloid-
sulfate, von einem gleich alten Stamme derselben Pflanzung, welcher
(nach § 17) mit Moos behandelt worden war, aber volle 6 pC. Sulfate.
Borke eines Baumes, worin de Vrij 8,4 pC. reine Alkaloide gefunden,
hatte sich nach zwei Jahren erneuert und lieferte nun, derselben Stelle wie
früher entnommen, bereits wieder 5pC. Sulfate (Howard). C. micrautha,
in erwähnter Weise mit Moos behandelt, gab ira Alter von beinahe 2 V2
Jahren 5,8 pC. Sulfate, ohne diese Behandlung nur 1% pC. — Aehnlich
bei C. succirubra, von welcher ich junge Zweigrinden aus Hakgalla (Ceylon)
Howard verdanke. Bei einer Dicke von 3“m nach dem Aufweichen finde
ich an den mit Moos behandelten Stücken (,.mossed bark“) nur eine reich-
lichere Entwickelung des Korkes. Dürfte man auf diese Beobachtung allein
schon einen Schluss gründen , so schiene demnach die in chemischer Hin-
sicht so folgenreiche Moosbedeckung („mossing“ der Engländer) von
keinen erheblichen anatomischen Veränderungen begleitet zu sein.
§ 49.
Von nicht geringerem Einflüsse auf die Gesammtmenge der Alkaloide
erweist sich das Alter der Rinden. Mit fortschreitendem Wachsthum stellt
sich eine, wenn auch nicht unbedingte Zunahme heraus. Wenige von
de Vrij auf Java ermittelte Beispiele mögen genügen. Er bestimmte die
procentische Menge der Alkaloide
A) Ph. J. and Tr. VI. pg. 49 et VII, 121.
2) ibid. VII. (1866) 419.
406
Rinden.
in der Astrinde St&mmrinde
desselben Baumes
von
C. Calisaya zu .
. 2,60
5,00
eines andern „
?? 95 >5 *
. . 1,04
3,44
„ dritten „
” 9? 5? •
. 0,05
1,19
„ Baumes
C. lancifolia „ .
. 0,18
4,13;
ferner gab C. Calisaya in einer 2y2jährigen Stammrinde aus Utacamund
nur 0,70 pC. Sulfate, während der Betrag der reineu Alkaloide desselben
Baumes bei 7 jährigen Stämmen auf Java schon 5 pC. erreicht hat. Aller-
dings ist es nicht möglich , in diesem Falle die Wirkung des so verschie-
denen Standortes zu trennen von dem Einflüsse der Altersstufe; beide
Faktoren mögen sich im allgemeinen vielfach kreuzen, wenn alle übrigen
Bedingungen gleich bleiben.
Aus den zahllosen Analysen der verschiedenartigsten Chinarinden tritt
unzweifelhaft die Thatsache entgegen, dass die Alkaloidbildung erst in einer
gewissen Altersstufe eintritt und die Zweig- und Astrinden durchgängig
ärmer sind als die Stammrinden und unter diesen wieder die älteren stär-
keren mit vorwaltendem Baste alkaloidreicher. Es muss eine höchst dankens-
werthe Aufgabe der Chinapflanzungen in Indien werden, den Gang dieses
chemischen Processes wenigstens für einige der wichtigsten Cinchonen fest-
zustellen. Auf Mar kham’s Anregung hin hat die englische Regierung ganz
kürzlich deVrij mit diesem viel versprechenden Auftrage*nach ihren aus-
gedehnten dortigen Chinapflanzungen gesandt.
Es erscheint schon jetzt keineswegs als eine übertriebene Erwartung,
wenn sich die Engländer von der Cultur eine Vermehrung des Alkaloi'd-
gehaltes im allgemeinen, ja sogar auch noch eine relative Zunahme der
heilkräftigsten Base, des Chinins, im besonderen versprechen.1)
§ 50.
In Betreff des Alkaloidgehaltes begegnen wir aber nicht nur quanti-
tativen, sondern mehr noch qualitativen Schwankungen, und zwar eben-
falls innerhalb einer und derselben Art. Als allgemeine Wahrnehmung lässt
sich der Satz festhalten, dass in jüngeren Rinden Cinchonin (nebst Chinidin)
verhältnissmässig vorwaltet und in älteren Chinin , in den meisten Fällen
von Cinchonidin begleitet.
Als Ergebniss grossartigen Fabrikbetriebes finden wir nach Delondre
die Ausbeute an Procenten von Chininsulfat Cinchoninsulfat
bei rühriger Calisaya zu 1,5 bis 2,0 0,8 bis 1,0
in flacher „ „ 3,0 bis 3,2 2) 0,0 bis 0,8.
Bidtel erhielt (1854) aus authentischer von Ruiz herrührender Rinde
der C. lancifolia:
*) Blaubuch 1866. 161.
2) nach Howard ist diese Durchschnittszahl zu tief gegriffen ; er gewann von ausgesuchter
Calisaya bis 7 und 8 pC. Chininsulfat.
Cortices Chinae. § 50. 51.
407
Chinin Cinchonin
von den dünnen Zweigen 1,0 1,9
„ „ starken Aesten . 1,3 2,3
„ dem Stamme .... 2,7 0,3.
In authentischen Astrinden der C. nitida fand Howard1) gar kein
Chinin und Chinidin, sondern nur 2 pC. Cinchonin.
In derselben Richtung legen auch de Yrij’s Analysen ostindischer
Rinden Zeugniss ab. Ein und derselbe Calisaya-Baum z. B. lieferte aus
der Astrinde . . 1,18 pC. Chinin und 0,98 Cinchonin
aus Stammrinde 3,14 „ » „ 1546 „
Jedoch fehlt es auch nicht an Thatsachen im entgegengesetzten Sinne.
Reichel2) z. B. untersuchte Rinde von C. lancifolia, einem und demselben
Baume unweit Bogota von Warszewicz entnommen, und fand
in der Rinde schwacher Aeste
starker „
des Stammes . .
5? 77
77 T>
77
77
Chinin
Chinidin
' v '
Cinchonin
0,3
0,4
0,2]
0,4
0,6
0,8 \
0,1
0,2
0,5- j
pC.
In Zweigrinden von C. Uritusinga traf Howard3) bereits 2 pG. Chinin,
während die übrigen Basen zusammen nicht so viel betiugen.
Welcher qualitativer Veränderungen der Alkaloi’dgehalt einer Art duich
den Einfluss der Cultur fähig ist, zeigt eine von Ho w ard 4) untersuchte
2 V2 jährige C. micrantha aus ütacamund, welche fast nur Chinidin und
Spuren von Cinchonin neben etwas Aricin enthielt, während dieselbe Art
in ihrem Yaterlaude (Huanuco) als eine ganz vorzugsweise Cinchoninhaltige
Rinde bekannt ist.
In der rothen China aus Ecuador pflegt das Chinin meist vorzuwalten,
in ütacamund cultivirte C. succirubra jedoch ergab einmal 1,8 pC. Cin-
chonin neben 0,9 in Aether löslicher Alkaloide (Chinin und Cinchonidin).
§ 51.
Es ist nach den wenigen , aber schlagenden analytischen Ergebnissen,
welche hier zusammengestellt sind, einleuchtend, dass äussere Merkmale mit
Einschluss der histologischen Verhältnisse nur sehr ungefähre Anhaltspunkte
zur chemischen Beurtheilung der Chinarinden gewähren. Wenn wir es auf-
geben müssen, für eine und dieselbe Cinchona einen beständigen Durchschnitts-
*) ad C. nitid. 3. *
2) Ueber Chinarinden etc. S. 47.
3) N. Quinol. ad C. Uritusing. 3.
4) Ph. J. and Transact. VII. 420.
408
Rinden.
Sehalt auszumitteln , so gilt das in noch weit höherem Grade von den
Handelssorten, deren Werthbestimmung der chemischen Analyse zufällt,
indem zwischen gänzlichem Mangel au Basen, wie ihn allzu junge Rinden
darbieten und dem bis jetzt beobachteten Maximum von 8,6 pC. (§ 47) in
Quantität und Qualität zahlreiche Abstufungen Vorkommen.
Für die wenigen officinellen Rindensorten, welche oben hervorgehoben
wurden, können die nachstehenden Durchschnittszahlen als der praktischen
Erfahrung einigermassen entsprechend, aufgestellt werden. An Alkaloiden
(nicht Sulfaten1)) pflegt enthalten zu sein in Procenten:
Chinin
Chinidin
Cinchonin
in flacher Calisaya
2—4
0,6
0,4— 0,6
„ Huanuco ....
0,1— 0,3
0,6— 1,2
1/0X3/
0,1— 0,6
0,4— 0,8
„ flach, roth. China
1,5— 2,6
0,6— 2,0
und aus der Reihe nicht officineller gut charakterisirter Handelssorten
ungefähr :
Chinin
Chinidin
Cinchonin
China flava dura . . .
0,05—0,7
0,5
0,1— 0,4
„ „ fibrosa . .
0,7— 1,5
0,2
„ rubra in Röhren
1,0— 1,4
0,4
0,5— 1,0
„ Jaen (pallida) .
0,5— 0,7
0,3— 0,6
„ Pitayo
2—8
1
Wie wenig jedoch diese Zahlen auf allgemeine Gültigkeit Anspruch
haben, ist genügend erörtert worden.
§ 52.
Ausser den oberirdischen Rinden der Cinchonen sind in neuester Zeit
auch schon gelegentlich Wurzelrinden im Handel erschienen. Diese so-
wie auch die übrigen Organe der Chinapflanzen müssen nothwendig in den
Kreis der Betrachtung gezogen werden, um eine tiefere Einsicht in den
chemischen Haushalt dieser wichtigen Gattung zu begründen.
Ueber den Bau der Wurzelrinden liegen nur von C. Calisaya die oben
(§ 31) angeführten Beobachtungen vor, in Betreff des chemischen Gehaltes
hingegen sind unsere Kenntnisse bereits durch de Vrij und durch Howard
beträchtlich erweitert worden. Auch Weddell2) hatte schon auf die
Bitterkeit der Wurzelrinde besonders seiner C. Josephiana aufmerksam
J) es ist za bedauern, dass der Gehalt der Chinarinden so off in Sulfaten angegeben
wird , da diese Salze je nach der Darstellung von verschiedener Zusammensetzung ausfallen
müssen.
2) S. 21. 35.
Cortices Chinae. § 52. 53.
409
gemacht und sie im Baue mit Calisayarinde übereinstimmend gefunden.
Howard1) traf 1864 und früher die meisten Zufuhren bolivianischer Cali-
saya mit leicht kenntlichen gekrümmten Stücken der Wurzelrinde gemengt.
Die Häute (Suronen), welche solche Waare enthielten, fanden sich oft durch
ein aufgebrauntes X besonders bezeichnet. Die Wurzelrinde lieferte in aus-
gesuchten Stücken nur ungefähr VipC. Chinin und doppelt so viel Chinidin,
also an ersterer Base zehnmal weniger als gute Stammrinde. Allein schon
in demselben Jahre fand deVrij2) bei seinem Besuche der englischen
Pflanzungen auf Ceylon und in den Nilagiris die Rinden der Wurzeln von
C. Calisaya, micrantha, Pahudiana und succirubra bei weitem alkaloid-
reicher als diejenigen ihrer Stämme. Für Calisaya und lancifolia bestätigte
die Untersuchung javanischer Rinden dieses Yerhältniss nicht durchgängig,
im höchsten Grade aber fand es sich wieder ausgeprägt bei C. Pahudiana
aus Java. Ein 3 7* Jahre altes Bäumchen zeigte in der Wurzelrinde 1,9,
in der Stammrinde 0,09 pC. Alkaloid, vorwiegend Chinin, und 100 Bäum-
chen von 2V2 Jahren durchschnittlich 2V3 pC. in der Wurzelriude, während
der Stamm gar keine Basen ergab. Ein 4V2jähriges Bäumchen, 5m hoch
und am Grunde gegen 0,06m dick, in 2000m Meereshöhe, an schattenlosem
Standorte gewachsen, gab in Wurzelrinde 4,2, in der Stammrinde 0,46 pC.
Alkaloid. Freilich soll Mul der3) im Stammbaste einer achtjährigen C. Pahu-
diana auch 3 pC. Chinin nachgewiesen haben. Die Verhandlungen über den
Werth dieser auf Java voreilig so ausserordentlich stark vermehrten Art
sind mit vieler Bitterkeit geführt worden und die Regierung soll weiterer
Vermehrung derselben Einhalt gethan haben.4)
Die Wurzelrinde von C. pitayensis scheint wenigstens bei jüngeren
Bäumen reicher zu sein als die der Stämme, wie denn überhaupt diese Art
vielleicht die allerwerthvollste ist.
§ 53.
Das fast ganz geschmacklose Holz enthält Spuren der Basen5) neben
viel Chinovin (vergl. oben § 43) ; es ist übrigens zu technischer Verwen-
dung nicht brauchbar.
Die Blätter der Cinchonen schmecken säuerlich bitter und riechen
auch trocken noch theeähnlich. Ein unbedeutender Gehalt derselben an
Alkaloiden steht ausser Zweifel;6) ihre Reindarstellung gelingt aber hier
schwieriger als aus der Rinde. Nach allerdings nur erst wenig zahlreichen
Erfahrungen englischer Aerzte in Indien verdienen die Blätter der C. succi-
0 Ph. J. and Transact. Y. 343.
2) ibid. Y. 597.
3) nach Oudemans, Handl. tot. de Pharmacogn. 106.
4) Hasskarl in Flora 1862, No. 21.
5) de VriJ> Journ- de Pbarm. et de Chim. 37 (1860) 256, auch Wiggers Jahresb.
1 860, 41.
6) Pharm. J. and Tr. V. 597 u. 513. 368.
410
Rinden.
rubra z. B. als Fiebermittel alle Beachtung.1) Sie verdanken ihren Ge-
schmack hauptsächlich dem Chinovin, wovon sie, z. B. bei letzterer Art
bis 2 pC. und durchschnittlich, wie es scheint, überhaupt mehr als die
Rinde enthalten. Die Menge des Chinovins steht vermuthlich im umge-
kehrten Verhältnisse zum Alkaloidgehalte.
Noch bitterer als die Blätter schmecken die Blüthen, deren Bitterkeit
aber nicht in den wässerigen Aufguss übergeht.2)
Ob den gleichfalls bitter schmeckenden3) Cinchonen früchten die
Basen ganz fehlen, wie 0. Henry (1835) gefunden, dürfte noch sehr frag-
lich sein.
§ 54.
Werden Chinin oder Cinchonin mit flüchtigen organischen oder anor-
ganischen Säuren oder mit solchen Stoffen, welche dergleichen zu liefern
vermögen, vorsichtig erhitzt, so tritt ein prächtig rothes Zersetzungsprodukt
auf. Grahe hat 1858 gezeigt, dass sich dasselbe auch aus den Chinarinden
sehr schön und einfach darstellen lässt. Keine anderen Basen verhalten sich
so, auch geben Rinden, welche keine Chinabasen enthalten, dieses rothe
Produkt nicht. Selbst bei Cinchonenblättern, worin Howard 0,1 pC.
Chinin fand, zeigte sich die Grahe’sche Reaction nicht, so dass sie ein
ganz vortreffliches Mittel abgibt, um z. B. in Verbindung mit der einfachsten
mikroskopischen Untersuchung den Beweis zu liefern , ob eine wirkliche
Chinarinde vorliegt oder nicht. Bei gänzlichem Mangel oder äusserst ge-
ringem Gehalte an Chinabasen muss diese Reaction ausbleiben, wenn man
auch mit einer Cinchonarinde zu thun hat; so z. B. bei der China aus
Para (§ 40).
Zur Gewichtsbestimmung der Alkaloide dienen am besten die
von Claus (1863) und von deVrij (1864) angegebenen Methoden. Ersterer
erschöpft bei 100° getrocknete Rinde mit kalter, verdünnter Schwefelsäure,
dampft den Auszug mit überschüssiger Magnesia ein , zieht mit Aether das
Chinin aus und mit Alkohol die übrigen Basen. DeVrij mischt die Rinde
mit y4 gelöschtem Kalk, kocht mit dem lOfachen Weingeist mehrmals aus,
verdampft mit Ueberschuss von Essigsäure zur Trockne, nimmt mit "W asser
auf, concentrirt und versetzt diese Lösung mit etwas Kalkhydrat. Der
Niederschlag wird mit Wasser gewaschen, getrocknet und mit Weingeist
ausgekocht, welcher nach dem Eindampfen die Gesammtmenge der Alka-
loide hinterlässt. Man löst sie in wenig verdünnter Essigsäure, schüttelt
mit Natronlauge und Aether, welcher (nach einigen Stunden) Cinchouiu,
Cinchonidiu und Chinidin kaum angreift, während Chinin durch Filtration
erhalten wird. Der von Aether nicht aufgenommene Rückstand wird in
1) Engi Blaubuch über die ostind. Chinapflanzuugen von 1868. S. 264.
2) Wdl. 21. — Yergl. auch oben § 2 u. § 40.
3) Markham 1. c. pg. 194.
Cortices Chinae. § 54. 55.
411
Essigsäure gelöst und mit Jodkalium versetzt, worauf (erst in 1250 Th.
Wasser lösliches) Hy driod- Chinidin niederfällt, wenn dieses Alkaloid vor-
handen ist. Das Filtrat enthält Cinchonin und Cinchonidin, letzteres kennt-
lich durch sein Verhalten zum polarisirten Lichte, die Unlöslichkeit seines
Tartrates und die Leichtigkeit, womit das Sulfat von Glaubersalzlösung
(von V4 Gehalt) aufgenommen wird.1)
§ 55.
Die bereits vorliegenden, wenn auch noch bei weitem nicht abgeschlos-
senen chemischen Thatsachen über die Verbreitung der Alkaloide in den
Cinchonen, im Zusammenhänge mit den anatomischen Studien haben zu
lehrreichen Erörterungen über den eigentlichen Sitz der Alkaloide
geführt.
Wenn die Eigenschaften so mancher Milchsäfte berücksichtigt werden,
so liegt es nahe, auch dem Inhalte der Saftschläuche der Cinchonen
eine hervorragende Bedeutung im chemischen Haushalte dieser Bäume zu-
zuschreiben. Noch ist aber zweifelhaft, ob in der That die Chinasaft-
schläuche den Milchsaftgefässen anderer Pflanzen zugezählt werden dürfen
(vergl. z. B. bei Caricae, bei Fructus Papaveris, Lactucarium, Radix Tara-
xaci) und jedenfalls ist uns die Natur des vorläufig sogenannten Milchsaftes
der Chinarinden noch allzu wenig bekannt und zwar namentlich in Betreff
seiner etwaigen Beziehung zu den Basen. Während z. B. Delondre und
Henry2) (1835) in dem nach dem Anschneiden der Rinde ausfliessenden
Safte ausser Harz (?), Fett und Chinaroth auch Basen gefunden, erwies
sich der Saft von C. succirubra frei von solchen und enthielt nur Chinovin
(de Vrij,3) 1864). Vor weiterer Bestätigung darf gewiss aus dem letzteren
Versuche nicht geschlossen werden, dass die Alkaloide in der lebenden
Pflanze in fester Form abgelagert sein müssen. Jedenfalls aber spricht die
vollkommenere oder doch reichlichere Entwickelung der Saftschläuche in
den Ladenbergia- und Cascarilla - Arten dagegen, dass dieser Gewebeform
in den basenhaltigen Cinchonen eine besondere Bedeutung im erwähnten
Sinne zukomme. Nach Karsten verschwinden die Saftschläuche sogar
gerade vorzugsweise früher in den werthvollsten Arten. Den frischen Saft
lebender Chinarinden, welcher meist farblos und klar zu sein scheint, nennt
übrigens Weddell4) mehr adstringirend als bitter und nur bisweilen milchig
(§ 6, No. 14).
Weddell hat zuerst versucht, einen direkten Zusammenhang zwischen
dem Bau und dem Gehalte der Chinarinden nachzuweisen. Er ging dabei
4) wichtige Einwürfe van derBurgs gegen diese Methoden in Fresenius, Zeitschr.
für analyt. Ch. IY. 273 (und V. 199!)
2) Gmelin, Handb. d. org. Chemie Y. S. 55.
3) Ph. J. and Tr. V. 597.
4) 19. 38.
412
Rinden.
von der zu seiner Zeit noch voll berechtigten Ansicht aus, dass die Bast-
platten der Calisaya unter allen Chinarinden am meisten Chinin enthalten
und dass in den „grauen“, oder allgemeiner in den jüngeren gerollten
Binden verhältuissmässig mehr Cinchonin vorkomme. Hierin schien einer-
seits eine Beziehung der Bastschicht zum Chinin und anderseits eine solche
des Cinchonins zur Mittelriude zu liegen. In ersterer Hinsicht verlegte
Weddel den Sitz des Chinins in das Parenchym des Bastes, da ihm die
Dichtigkeit der verholzten Baströhren zu gross erschien, um darin eine
Ablagerung von Alkaloid anzuuehmen. Diese Hypothese musste jedoch so-
gleich nach zwei Richtungen hin in ihrer allgemeinen Gültigkeit beschränkt
werden. Weddell fügte nämlich bei, dass die reichliche Ausbildung des
Bastparenchyms nur bis zu einem „gewissen Grade“ das Auftreten des Chi-
nins zu begünstigen vermöge. Sei dieser Punkt überschritten , so beginne
der Chemismus des überwuchernden Bastparenchyms sich demjenigen der
Mittelrinde zu nähern , d. h. es werde nun Cinchonin entstehen. Es fällt
auf, dass hierbei die Thätigkeit der Markstrahlen nicht in Rechnung gebracht
wurde.1) Dass zweitens ein ausserordentliches Vorwalten der Baströhren
der Alkaloidbildung überhaupt nicht hinderlich sein müsse, ergab sich aus
den Vordersätzen von selbst.
Karsten , welcher im Laufe seines zwölfjährigen Aufenthaltes in Colum-
bien mit botanischen Beobachtungen auch zahlreiche Bestimmungen des
Alkaloidgehaltes der Rinden an Ort und Stelle verbunden hatte, erklärte
gleichfalls das nicht verholzte Gewebe der Innenrinde als höchst wahrschein-
lichen Sitz der Alkaloide, deren „Behälter“ die Baströhreu nicht sein
könnten. Den Zusammenhang der anatomischen Struktur mit dem Gehalte
fand er jedoch darin ausgedrückt, dass die reichsten Rinden zugleich auch
die dicksten und am vollständigsten verholzten Baströhren aufweiseu. Wie
oben (§ 8, 10, 47) ausgeführt, räumt Karsten aber dem Klima und der
Witterung den grössten Einfluss auf den Gehalt der Rinden ein und deutet
sogar die Mögüchkeit an, dass mit dem letzteren gleichzeitig auch durch
dieselben kosmischen Faktoren die Stärke der Baströhren herabgedrückt
werden dürfte.
Howard hält ebenfalls den pareuchymatischeu Tlieil der Rinde für den
Sitz der Alkaloide und findet denselben regelmässig in den reichsten Sorten
am meisten ausgebildet. Da es nun hauptsächlich die verholzten Baströhren
sind, welche die Struktur einer Rinde bedingen und Howard dieselben
ausser Beziehung zu den Alkaloiden glaubt, so ergibt sich mit Nothwendig-
keit der Schluss, dass analoger Bau der Rinden noch keineswegs auch
einen gleichen chemischen Gehalt andeute. In so fern erwiesenermasseu
kühlere Standorte der reichlicheren Entwickelung des Parenchyms der
!) Wed doll hielt eigentlich Bastparenchym uud Markstrahlen hier nicht auseinander
und sprach ohne nähere Bezeichnung nur von dem zwischen den verholzten Baströhren gele-
genen Parenchym.
Cortices Chinae. § 55.
413
Innenrinde günstig siud, gelangt Howard1) ebenfalls zu dem durch Kar
sten begründeten Satze von dem entscheidenden Einflüsse klimatischer
Bedingungen auf die Alkaloidbildung, welcher in den bereits angeführten
Ergebnissen der Chinaculturen in Indien volle Bestätigung gefunden.
Weddel’s Lehre, dass das Chinin mehr der Innenrinde, das Cinchonin
der Mittelrinde angehöre, fand Howard wenigstens bei den so reichen
C. lancifolia und succirubra nicht bestätigt. Er theilte z. B. flache Stücke
der Rinde dieser Art mechanisch in ihre beiden Hauptgewebe und fand die
Mittelrinde nicht nur an Chinin , sondern auch an den andern Alkaloiden
im ganzen reicher, ja sogar die Bastschicht frei von Chinin. Dünnere
Röhren, wo die letztere noch nicht vorwaltete, gaben nicht viel weniger
Cinchonin (mit Einschluss des Cinchonidins) als Chinin.
Dass die Alkaloide , wenn auch vielleicht nicht ausschliesslich , so doch
hauptsächlich im Parenchym enthalten seien, wird durch das Auftreten
von Kryställchen in manchen Chinasorten unterstützt. Werden z. B. feine
Schnitte von China rubra dura oder Ch. Pitayo mit Ammoniak oder schwacher
Kalilauge befeuchtet und mit Wasser sofort abgewaschen, so erblickt man
sehr gewöhnlich das ganze Gewebe, vorzugsweise das der Mittelrinde, auch
sogar den schon durch Binnenkork abgeschuittenen Theil derselben mit
büschel- oder sternförmig vereinigten feinen Nadeln übersäet.2) Ausserdem
und im ganzen eigentlich häufiger finden sich gerundete, krystalliuische,
oft rotli gefärbte Körner vor. Vermuthlich sind die Kry stalle die durch das
Alkali aus ihren (amorphen) Verbindungen frei gemachten Chinabasen;
denn sie zeigen sich erst nach der angegebenen Behandlung. Dieser Um-
stand, so wie die Form der Krystalle, ihre Löslichkeit in Aether, Weingeist,
Essigsäure lässt sie bestimmt von dem Kalk -Oxalat unterscheiden, das oft
auch sehr reichlich abgelagert ist. Erinnert man sich, dass in noch andere'n
alkaloidhaltigen Pflanzengeweben (z. B. in Semen Strychni) bei längerer
Aufbewahrung feiner Schnitte Krystalle auftreten, welche ursprünglich nicht
ausgebildet waren, so kann wohl in dem entsprechenden Verhalten der
Chinarinden auch nichts besonderes gefunden werden , als die Bestätigung
der Ansicht, dass die Basen nicht in freiem Zustande Vorhand^ seien.
Howard, welcher die Krystalle in der rothen China abgebildet3) hat,
erklärt sie für in der Rinde präexistirende Verbindungen der Alkaloide mit
Chinovasäure (Chinovin?) und Chinovagerbsäure. Da nun dergleichen Ver-
bindungen noch nicht untersucht worden sind, so ist es vorerst nicht mög-
lich, diese Vermuthung näher zu erörtern.
L Nueva Qninol. Microscop. observ. 4.
2) Sie wurden vermuthlich zuerst von Oudemans (Aanteekeningen etc. der Pharmacop.
Neerlandica pg. 221) 1854 — 1856 in China Calisaya tfnd Ch. rubra beobachtet.
3) N. Quinol. Taf. 2 und Ph. J. and Trans. VI. 584. — Vergl. auch Ph. J. and Tr. V. 76.
414
Rinden.
§ 56.
Eine vollkommen abweichende Ansicht über den Sitz der Alkaloide ist
vonW igand’) (1862) entwickelt und durch scharfsinnige Versuche gestützt
worden. Er hält es für ausgemacht, dass die Baströhren ausschliesslicher
Sitz der Alkaloide seien und daher auch unmittelbar als Werthmesser der
Rinden dienen können. Dass das letztere nicht der Fall ist, scheint mir
z. B. schon aus der Untersuchung anderthalbjähriger Rinden von C. succi-
rubra und wahrscheinlich nicht älterer von C. Pahudiana hervorzugehen.
Erstere aus Hakgalle auf Ceylon verdanke ich Howard, letztere aus Java
der besonderen Gefälligkeit von Ou dem ans. In jener Probe von C. succi-
rubra und zwar sowohl in gewöhnlicher als auch in „gemooster“ (§ 48)
Rinde sind der verholzten Baströhren nur noch äusserst wenige; auf Ceylon
und in den Nilagiris gezogene, gleich alte Pflanzen dieser Art hatten aber
deVriji) 2) in den Stammrinden 2, 2,6 bis 8 pC. Alkaloid ergeben. Umge-
kehrt finde ich, ganz übereinstimmend mit Howard,3) bei Pahudiana eine
sehr grosse Menge der stärksten Baströhren, während sich doch die (ober-
irdische) Rinde dieser Art auf Java unzweifelhaft als eine sehr arme erwiesen
hat,4) wenigstens bis zum Alter von 7 Jahren.
Die rothe China ist überhaupt eine sehr alkaloidreiche Rinde, unbedingt
reicher als die der C. scrobiculata ; aber die Baströhren sind in letzterer
weit häufiger. Ebenso gestaltet sich der Vergleich zwischen der äusserlich
ähnlichen Calisaya mit C. scrobiculata. Erstere ist wenigstens nach den
meisten Erfahrungen bei weitem reicher an Alkaloiden, letztere durch-
schnittlich ebenso sehr an Zahl der Baströhren überlegen. Das auffallendste
Beispiel liefert aber die Pitayo-China, welche nach allen analytischen Daten
zu den allerreichsten Sorten gehört, mag sie nun auch nicht immer von
C. pitayensis, sondern mitunter von C. lancifolia und andern Arten her-
rühren. Aus verschiedenen Bezugsquellen mir vorliegende alkaloidreiche
Pitayo- Rinde zeichnet sich übereinstimmend durch die auffallend und in
jeder Hinsicht unbedeutende Entwickelung der Baströhren (oben § 32, No. 1 1 )
und entschiedenes Vorwiegen des Parenchyms aus, sowie durch regel-
mässige Erhaltung der Mittelrinde. Sehr beraerkenswerth ist auch das be-
reits (S. 413) erwähnte Auftreten von Krystallen in vollkommen bastfreier
Borke von C. succirubra.
Alle diese Tkatsachen zusammengenommen erscheinen unvereinbar mit
einer besonderen Bedeutung der verholzten Baströhren. Immerhin mögen
dieselben auch Spuren von Alkaloid enthalten, da sie rings umgeben sind
von dem parenchymatischen Gewebe, worin die angeführte Behandlung mit
Kali unmittelbar die Alkaloide nachweist. Den direkten Beweis für diese
i) Bot. Ztg. XX. No. 18.
a) Ph. J. and Trans. V. 597.
3) Microsc. obs. Taf. 3 fig. 23. 24.
*) Ph. J. and Trans. VI. 17. — Vergl. jedoch § 52.
Cortices Chinae. § 56. 57.
415
Ansichten habe ich1) an der auf S. 375 beschriebenen China boliviana zu
führen gesucht. Sorgfältig mit Hülfe von wenig kaltem Wasser daraus iso-
lirte Baströhren , deren fast vollständige Reinigung mikroskopisch verfolgt
wurde, zeigten sich z. B. vermittelst der Grahe sehen Reaction (§ 54) frei
von Basen, während das gleichzeitig gewonnene Parenchym dei gleichen
reichlich enthielt. Auch für C. lancifolia fand sich dieses Verhältnis
bestätigt. — Zum gleichen Schlüsse gelangte auch neuerdings C. Müller.2)
§ 57.
Auffallend bleibt es freilich, dass alle die sogenannten falschen
Chinarinden, welchen Alkaloide fehlen, nicht verholzte, sondern
noch offene Baströhren besitzen. Ihr ganzer Bau ist aber überhaupt abwei-
chend. Man hat als Ausdruck aller dieser Verhältnisse den Satz aufgestellt,
dass Chinaalkaloi'de nur in denjenigen Rinden Vorkommen, welche nach
den hier «entwickelten morphologischen und anatomischen Anschauungen
der Gruppe der Cinchonen im engeren Sinne angehören. Phoebus3) vor-
züglich hat denselben angefochten, gestützt auf wiederholte Beobachtungen
von Delondre u. Bouchardat, welche 6 Zehntausendstel (!) Cinchonin-
sulfat, nebst Spuren (!) von Chinin aus einer sogenannten afrikanischen
China erhalten hatten. Diese immer noch räthselhafte4) Rinde soll von
den Lagos-Inseln an der Bai von Benin (Busen von Guinea) herstammen;
sie hat nicht die geringste Aelmlichkeit mit ächten Chinarinden. Kloete-
Nortier5) hat jedoch in 5V2 Pfunden dieser ihm von Delondre selbst
gelieferten Rinde keine Basen gefunden, so dass jene Schlussfolgerung zum
mindesten noch bezweifelt werden darf. Nicht widersprochen ist bis jetzt
der Angabe von DB.,6) dass columbische Ladenbergia- Rinden 2 Zehn-
tausendstel ( !) Alkaloidsulfate lieferten. Aber auch für diese vereinzelte
Wahrnehmung so geringer Mengen muss noch weitere Aufklärung verlangt
werden, bevor sie Beweiskraft ansprechen darf.
Wenn somit ein vollgültiger Nachweis der Alkaloide in den falschen
Chinarinden von Ladenbergia -Arten u. s. w. noch fehlt, so ist umgekehrt
(§ 40) erwiesen, dass den wahren Cinchonen unter Umständen die Basen
auch abgehen , und leicht möglich ist es , dass einzelne Arten dergleichen
niemals zu bilden im Stande sind.
Höchst interessant wäre in dieser Hinsicht die chemische Untersuchung
z. B. der in § 2 (Anmerk. ^erwähnten C. heterocarpa, welche denüebergang
zwischen wahren Cinchonen und den zunächst stehenden Gattungen bildet.
L in Schweiz. Wochenschrift f. Pharm. 1866, No. 47.
2) Pringsheim, Jahrb. f. wiss. Bot. 1866. 238.
3) S. 52, 56, 60, 63.
4) Berg ist geneigt, sie der Nauclea Cinchona DC. (Cinchona globifera P.) zuzu
schreiben.
5) Wiggers' Jahresb. 1858. 59.
6) S. 40. — Auch Phb. 55. 56.
416
Rinden.
§ 58.
Es wurde schon anfangs erwähnt, dass die wissenschaftliche Kenntniss
der Cinchonen mit Condamine beginnt. Die frühere Geschichte der
Chinarinden verliert sich in ungewisse Angaben. Aus der Zeit des
spanischen Einfalles in Peru sind keine Beweise alter Bekanntschaft des
eingeborenen Volkes mit der Chinarinde überliefert worden, obwohl Con-
damine so wie Jussieu in Loxa davon erzählen hörten, und übereinstim-
mend mit Ruiz u. Pa von die Berichte glaubwürdig fanden. Diesen zu-
folge hätten die Peruaner den Spaniern die Heilkräfte der China verschwie-
gen und in Loxa z. B. wären dieselben weit früher bekannt gewesen, als in
Lima. Diese Annahme scheint wenigstens gegen Ende des XVII. Jahr-
hunderts allgemein verbreitet gewesen zu sein1), wo die Erinnerungen aus
der Vorzeit noch lebendiger waren. Dass genaue Angaben fehlen, erklärt
sieb durch den gänzlichen Mangel geschriebener Dokumente au Rudern alten
Reiche der Incas. Ihrer Sprache gehört jedoch das Wort Quina (Rinde)
an und die Verdoppelung Quvia-quina scheint medicinische Eigenschaften
andeuten zu sollen2). Während diese Bezeichnung von den Europäern
aufgenommen wurde, gewmnn bei den Eingeborenen schon zu Condami-
ne’s Zeit der Ausdruck Cascarilla die Oberhand.
Da die Peruaner mit grösster Zähigkeit au überlieferten Gebräuchen fest-
halten und heute noch die China nicht anwenden, im Gegentheil fürchten,
so schliesst Humboldt, dass ähnliches bei ihren Vorfahren der Fall gewe-
sen sein müsse.
Einer der neuesten Augenzeugen, Markham, welcher 1859 Peru be-
reiste (§ 62) bestätigt3), dass in den Apotheken der nach uraltem Gebrauche
im ganzen Lande, ja selbst von der Plata- Mündung bis Ecuador herumzie-
henden eingeborenen Aerzte4) die China zu fehlen pflege, obwohl diese
noch heute hochberühmten „ Botanicos del Imperio de los Incas “ in der
westbolivianischen Provinz Munecas , im Bereiche der besten Fieberrinden-
bäume wohnen. Ueberhaupt herrscht, wie auch Pöppig (1830) und
Spruce (1859) fanden, gerade in den China-Gegenden ein starker Wider-
wille gegen dieses Heilmittel, sogar in Guayaquil.
Als wahrscheinlichste Ansicht ergibt sich wohl, dass die früheste Kennt-
niss der China auf die Gegend von Loxa beschränkt geblieben war. Hier,
im Dorfe Malacatos, soll ein vorüberreisender Jesuite durch einen Kaziken
vermittelst China vom Fieber geheilt worden sein und die Kunde des Heil-
stoffes verbreitet haben. Demselben Orte und Mittel soll auch 1630 der
spanische Corregidor von Loxa, Don Juan Lopez de Canizares seine
D Wdl. pag. 15.
2) bezieht sich aber auch auf Myrospermum perniferum und noch andere zu Heilzwecken
brauchbare Bäume.
3) in der oben § 22 Note 2 angef. Schrift 186.
*) vergl. über dieselben Reck in Petermann, Geogr. Mittheilungen. 1866. 877.
Cortices Chinae. § 58. 59.
417
Genesung vom Wechselfieber verdankt haben. Als im Jahre 1638 die
Gemahlin des Vicekönigs von Peru, Don Geronimo Fernandez de Cabrera
y Mendoza, Grafen von Chinchon, im Palaste zu Lima am Fieber
darnieder lag, sandte jener Corregidor von Loxa China an den vicekönig-
lichen Leibarzt Juan de Yega. Auch an der Gräfin Chinchon bewährte
sich das Mittel , so dass sie davon in Lima austheilen liess. Schon hier
nahm die gepulverte Rinde den Namen Polvo de la condesa (Gräfin-Pulver)
an , bald aber mehr die Bezeichnung Polvo de los Jesuitos , als sich die
Jesuiten des Mittels bemächtigten und 1643 ihrem Provincialen einen
Yorrath desselben nach Rom an ihren Ordensbruder, Cardinal de Lugo
mitgaben. Inzwischen hatte aber jener Leibarzt Vega bei der Rückkehr
des Yicekönigs nach Spanien schon 1640 ebenfalls China mitgenommen
und z. B. in Sevilla zu 100 Realen das Pfund verkauft1). Eine Schrift von
Barba in Yalladolid, welche 1642 erschien, eröffnete die heute unabseh-
bare Reihe der China-Literatur.
So verbreitete sich der Ruf des neuen wichtigen Heilmittels sehr rasch.
Durch die Jesuiten wurde Rom zu dessen erstem Stapelplatze; 1650 galt
es dort sein gleiches Gewicht Silber, nachdem Papst Innocens X. durch
seinen Leibarzt die China hatte begutachten lassen. Jedoch gelangte die
Rinde auch schon 1658 nach England und wurde in diesem Jahre durch den
Antwerpener Kaufmann Thompson ausgeboten.
In London beutete der Arzt und Apotheker Robert Talbor 1671 bis
1681 die China aus und wandte sie zuerst in richtiger Dosis an. 1679
soll er damit den Dauphin von Frankreich geheilt haben, worauf Louis XIV.
gegen eine hohe Rente und sonstige Entschädigung das Geheimniss er-
kaufte — ähnlich wie das auch bei Rhizoma Filicis und Rad. Ipecacuanbae
der Fall war. Als 1681 nach Talbors Tode der König die Zusammen-
setzung des Mittels bekannt machen liess, stellte sich erst China als dessen
Hauptbestandtheil heraus und zog nun die erneute Aufmerksamkeit der
Aerzte auf sich.
§ 59.
Bis auf die Zeit von Condamine kümmerte sich Niemand um die
Abstammung der Chinarinden, obwohl der Handel sich in grossem
Massstabe damit beschäftigte und z. B. schon damals in Payta eine Prüfung
der Rinde auf Verfälschungen stattfand, welche in Loxa eingerissen waren.
Man glaubte die Chinabäume auf diese Gegend beschränkt, bis 1752 der
Intendant der Münze zu &anta Fe, Miguel de Santesteban, dergleichen
in der Gegend von Popayan und Pasto nach wies. 1760 langte in Cartha-
gena in Neu-Granada der vicekönigliche Leibarzt Jose Celestino Mutis aus
Cadiz an und nahm sofort die Bearbeitung der Flora dieses Landes in An-
L Nach von Bergen scheint aber die China schon 1639 oder gar 1632 in Spanien nicht
unbekannt gewesen zu sein.
Flückiger, Pharmakognosie.
27
418
Rinden.
griff. Besonders seit 1782 verfolgte er, erst von Real del Sapo und Mari-
quita am Fusse des Quindiu , endlich von Santa Fe de Bogota aus diese
Aufgabe unermüdlich bis zu seinem Lebensende (1808). Mutis hatte
1772 seinen Posten verlassen, um einem geistlichen Orden beizutreten
und war 1782 von der Regierung mit der Gründung und Leitung eines
grossen naturgeschichtlichen Museums (Expedicion real botanica) , anfangs
in Mariquita, dann in Santa Fe, beauftragt worden. Am Collegium der
letzteren Stadt lehrte er zugleich Mathematik und Astronomie. Die ersten
Chinabäume (C. lancifolia) entdeckte Mutis in der Nähe von Santa Fe;
im folgenden Jahre auch bei Honda im Magdalenenthale.
Eine ähnüche Stellung wie die von Mutis in Neu-Granäda wurde im
südlichen Peru den Botanikern Hippolito Ruiz u. Jose Pavon (1777
1778) angewiesen, woraus die berühmte Flora Peruviana et Chilensis
(1798—1802) hervorging. 1776 hatte Francisco Renquizo1) auch in
der Gegend von Huanuco Chinabäume gefunden, welche alsbald das Mono-
pol der Gegend von Loxa brachen , aber zahlreichere und noch weit wichti-
gere chinologische Entdeckungen gingen um diese Zeit, zum Theil schon
früher, von Mutis und seinen Schülern Zea u. Cal das, sowie von Ruiz
u. Pa von und ihren Nachfolgern T a fall a u. Manzanilla aus. Während
Mutis zu keinem Abschlüsse kam und sein grossartiger botanischer Nach-
lass, vielleicht nicht einmal vollständig, erst gegen 1820 nach Madrid ge-
langte und dort liegen geblieben ist2), legte Ruiz 1792 in seiner Quinolo-
gia und 1801 gemeinschaftlich mit Pavon im Supplement dazu, die wich-
tigsten hierher gehörigen Arbeiten nieder. Der Nachlass des letztem wurde
in unsern Tagen zur Grundlage des Prachtwerkes von Howard. Die
äusserst werthvolle von Mutis aufgefundene Cinchona lancifolia beschrieb
er 1793 nebst der C. cordifolia in einem einfachen Lokalblatte von Santa
Fe. Humboldt u. Bonpland nahmen 1801 daselbst von seinen Samm-
lungen Einsicht und hoben daraus besonders prachtvoll ausgeführte, ge-
malte Darstellungen der Pflanzen seiner Gegend hervor. Humboldt hat
in einer mit warmer Anerkennung geschriebenen Biographie8) dem Manne
ein ehrenvolles Denkmal gewidmet, weichen schon Lin ne „phytologorum
americanorum princeps“ genannt. Zwischen den Schülern von Mutis
einerseits und Ruiz u. Pavon anderseits wurde ein heftiger Streit über
ihre Entdeckungen geführt, in welchem sich der in wissenschaftlicher Hiu-
sicht ausgezeichnete Caldas4) in wenig edelmüthiger Weise zuletzt gegen
seinen Lehrer Mutis wandte.
•*) auch ReDquifo, Renjifo geschrieben.
2) vgl. Pich. pag. 14.
3) Biographie universelle. Tome XXX. Paris 1821. — Ihre berühmten Plantes equinoct-
iales haben Humboldt u. Bonpland mit dem schönen Bildnisse von Mutis geschmückt.
4) D. B. pag. 13. — Andere nehmen Caldas in Schutz. In der Revolution liess ihn
1816 der spanische General Morillo erschiessen; noch existiren werthvolle Manuscripte von
ihm. (Engl. Blaubuch 1866. 262.)
Cortices Chinae. § 59. 60.
419
Die Forschungen aller dieser Botaniker , welchen wir die erste Kennt-
niss der meisten Cinchonen verdanken, bewirkte auch einen baldigen Um-
schwung in den Handels Verhältnissen der Rinden, indem allmälig gegen
1785 Mittel- und Süd-Peru, so wie Neu-Granäda mit der Gegend von Loxa
in Konkurrenz traten und Rinden über Callao und die am caraibischen
Meere gelegenen Häfen auszuführen begannen.
Die Auswahl der damals bevorzugten Rinden beschränkte sich auf Ast-
und Zweigrinden, obwohl Condamine in Loxa selbst erfahren hatte, dass
ursprünglich die stärksten, also vermuthlich die Stammrinden, höher ge-
schätzt gewesen seien. Die grössere Schwierigkeit des Trocknens scheint
zu dem Vorurtheil zu Gunsten der dünnsten Rinden beigetragen zu haben.
Als unbegründet liess sich dasselbe erst nach der Entdeckung der China-
basen erkennen und beseitigen.
§ 60.
Aber auch die botanische und pharmakognostische Erforschung des
Gegenstandes nahm um dieselbe Zeit einen neuen Aufschwung, welchem
wir z. B. die Bearbeitungen von Laubert1), Lambert2) und besonders
1826 Heinrich von Bergen’s „Versuch einer Monographie der China-
rinden“ verdanken. Als Drogenmakler auf dem für die China von jeher
sehr wichtigen Platze Hamburg verwerthete dieser fleissigeMann in seinem
Werke nicht nur langjährige praktische Erfahrung, sondern stellte auch in
jeder anderen Hinsicht alles zusammen, was die damalige Wissenschaft
über den Gegenstand nur irgend bieten konnte , namentlich muss auch in
Betreff der Geschichte des Heilmittels auf die von Bergen’ sehe Monogra-
phie verwiesen werden3). Nur die Aufzählung der einschlagenden Litera-
tur bis 1826 nimmt hier 72 Quartseiten in Anspruch. Eine werthvolle
Beigabe sind 7 gemalte Tafeln mit trefflichen Abbildungen von China rubra,
Huanuco, Calisaya, flava, Huamalies, Loxa und Jaen und die Beschreibungen
dieser Rinden leisten alles, was ohne Hülfe des Mikroskops erreichbar ist.
Die Herbeiziehung dieses letztem wichtigsten Hülfsmittels zum Studium
der Chinarinden und die ersten bildlichen Darstellungen der dadurch ge-
wonnenen anatomischen Anschauungen verdanken wir Weddell. Die
ungemeine Bedeutung seiner Hist, naturelle des Quinquinas, der Frucht
ausgedehnter Reisen (1845 -1848) in Bolivia und Peru, ist im vorstehen-
den überall hinlänglich gewürdigt. Ebenso die weitere erfolgreiche Aus-
bildung dieser Untersuchungsmethode durch Berg und Howard. In der-
selben Richtung behandelte auch Schleiden 1857 den Gegenstand in
seinem Handbuche der botanischen Pharmakognosie, wovon ein Sechstel
den Chinarinden gewidmet ist.
*) Recherches bot., chim. u. pharm, s. 1. Quinquina 1816.
2) Illustr. of the genus Cinchona 1821.
3) vergl. auch Sprengel, Gesell, d. Arzneikunde Bd. V.
27*
420
Rinden.
Wie viel die Chinologie den beiden oben häufig erwähnten Werken
Karsten s verdankt, ergibt sich aus dieser ganzen Darstellung. In den
hlor. Columbiae terrarumq. adj. specimina sei. gab derselbe (ausser den
schon angeführten C. cordifolia, lancifolia, corymbosa, tucuyensis) pracht-
volle Abbildungen der von ihm entdeckten C. barbacoensis, Hen/eana ,
macrophylla, pedunculata, so wie einer Reihe nahe verwandter (von ihm
hier auch als Cinchonen aufgefasster!) Arten.
Eine äusserst wichtige Bereicherung erhielt die Kenntniss der China
durch die gleichfalls oben erwähnte „Quiuologie“, zu deren Herausgabe
sich der Chininfabrikant Delondre und der Chemiker und Apotheker
Bouchardat (1854) vereinigt hatten, nachdem ersterer (zufällig) in Wed-
dell’s Gesellschaft einen Besuch in den Wäldern von Santa Ana bei Cusco
gemacht hatte. Auf den 23 Tafeln dieser Quinologie finden sich nicht nur
die officinellen, sondern überhaupt sämmtliche im heutigen Grosshandel vor-
kommende sammt einigen falschen Chinarinden sehr naturgetreu wieder-
gegeben und zugleich die fabrikmässige Ausbeute an Alkaloiden verzeich-
net. Phoebus (vergl. § 21) unternahm später die Zurückführung dieser
Rinden auf ihre Stammpflanzen.
§ 61.
Der Abschluss so mancher noch offener Fragen in Betreff der Cinchonen
steht zu hoffen von der for stwirthschaftlichen Cultur derselben.
Schon Condamine hatte versucht, China-Pflänzlinge nach Europa zu
schaffen, verlor sie aber durch die Wellen an der Mündung des Amazonen-
stromes. Weddell1) brachte erst wieder Samen, welche im Pariser Gar-
ten keimten und forderte nachdrücklichst zum Anbau der Cinchonen auf,
welchen Gedanken zuerst Royle 1835 in seiner Flora des Himalaya aus-
gesprochen und wiederholt (1839. 1847. 1852. 1853. 1856) verfochten
hatte. Auch für Java hatte 1837 Fritze, der Vorstand des dortigen
Medicinalwesens, und 1846 Miquel die Sache angeregt, in Frankreich
Fee, doch vorerst ohne Erfolg. Durch Vermittelung der Jesuiten fand 1 85 1
eine Uebersiedelung von Cinchonen nach Algerien statt, welche jedoch
missglückt zu sein scheint, indem 1 863 die Engländer derselben durch Pflänz-
linge aus Kew nachhalfen und die französische Regierung vom August 1865
bis April 1866 dergleichen wieder zu verschiedenen Malen aus Ootacamuud
kommen liess. Wie diese schwächlichen Anläufe zu einem Ergebnisse
führen können (Frankreich bezog jeweilen monatlich 45 juuge Pflanzen aus
Indien, während z. B. der einzige englische Gutsbesitzer M on ey, freilich
in Indien selbst, mehr als zehnmal je 25,000 Stück nahm!), ist um so we-
niger einzusehen, als neuerdings verlautet, es sei für diese Cultur eine —
algierische Oase Ghamra ausersehen. Geeigneter erscheinen jedenfalls die
Culturversuche auf der französischen Insel Reunion (Bourbon), an den
*) pag. 1 u. 13.
Cortices Chinae. § 61.
421
Abhängen ihrer bis 9000 Fuss ansteigenden Vulkane , wo im Mai 1866
Samen aus Paris keimten.
In Holland war man auf die algierischen Versuche aufmerksam gewor-
den, so dass endlich 1851 Miquel’s wiederholte Anregungen den Beifall
des Colonialministers Pahud erhielten, welcher nun den schönen Gedanken
verwirklichte, auch später, 1855 zum General- Gouverneur von nieder-
ländisch Indien befördert, kräftig durchführen half und so in schönster
Weise frühere Verirrungen der holländischen Handelspolitik ’) sühnte. Zu-
nächst veranlasste Pahud die Sendung des Botanikers Hasskarl nach
Süd-Amerika, welcher im December 1852 von Southampton abging, 1853
von Lima durch die Gegend von Cusco bis Sandia an der bolivianischen
Grenze reiste und endlich nach einem wiederholten Besuche Bolivias die
Ausbeute glücklich in 21 Ward’schen Kästen auf einer Fregatte einschiffte,
welche die Regierung eigens nach Islay geschickt hatte. Hasskarl brachte
trotzdem die Pflänzlinge nicht sehr wohlbehalten im December 1854 nach
Batavia und besorgte ihre Ansiedelung auf Java. Von ihm mitgebrachte
Samen waren gleichzeitig den üniversitätsgärten in Holland übergeben
worden. Aber auch anderweitig waren die Holländer schon thätig gewesen
und hatten 1852 aus dem Pariser Handelsgarten von Thibaut u. Kete-
leer bereits C. Calisaya nach Java verpflanzt, so wie auch 1854 von
Karsten aus Neu-Granada Samen der werthvollen C. lancifolia Var. dis-
color dorthin bezogen. Bald lieferten ferner die Gärten in Holland aus
Hasskarl’s Samen kräftige junge Pflanzen nach Java; jedoch entsprach
der erste Erfolg aller dieser Bestrebungen wenig den Erwartungen. Hass-
karl, der im Juni 1856 seine Stellung aufgab. hinterliess seinem Nach-
folger Junghuhn als Gesammtbestand der Chinapflanzungen auf Java nur
64 Stück von C. Calisaya
2 „ „ „ lancifolia
5 „ „ „ lanceolata
96 „ „ „ ovata
im ganzen 167 Pflänzlinge, während allein von Calisaya 400 Stück
in Islay eingeschifft worden waren.
Die hier als C. ovata bezeichnete Art, welche von Hasskarl in Uchu-
bamba (Mittel -Peru) unter dem Namen Cascarilla crespilla chica getroffen
worden war, hielt Junghuhn für C. lucumaefolia, bis Howard in ihr
eine neue Art erkannte und sie als Cinchona Pakudiana beschrieb. Sie
unterscheidet sich durch stumpfeiförmige Blätter von der mehr spitzblätte-
rigen G. carcibayensis Wdl. ; auch bleibt letztere ein höchstens 3m errei
ehender Strauch, während C. Pahudiana bis 10m hoch wächst.
1) vergl. bei Cortex CinnamoiDi zeylanici, bei Macis und Caryophylli!
422
Binden.
§ 62.
Den Anstoss zu energischer Betreibung der Verpflanzung von China-
baumen gab auf englischer Seite im Juni 1852 ein von Roy le an die ost-
indische Compagnie gerichtetes Gutachten, worin derselbe aufmerksam
machte, dass ihre Verwaltung in Indien jährlich jetzt schon über 175,000
Francs für China auszugeben habe1) und dass Bolivia seit Januar 1850
seine Rinden monopolisire. Der kenntnissreiche Botaniker empfahl für die
Ansiedelung in Indien die Blauen Berge (Nilagiris, Neilgherries) der Malabar-
küste und die südlichen Vorberge des Himalaja.
Nach wenig befriedigenden Versuchen der Regierung, durch Vermitte-
lung dei englischen Agenten in Süd -Amerika zum Ziele zu gelangen, trat
endlich im April 1859 Clemens Markham mit dem Anerbieten hervor,
sich der Sache anzunehmen, wozu er durch genaue Bekanntschaft mit Land
und Leuten der bolivianisch -peruanischen Grenzgebiete sowohl als mit der
spanischen und der Quichua- Sprache und auch schon mit den wichtigsten
Fieberrindenbäumen befähigt sei. Wohl bewusst der in der Natur der Sache
hegenden Schwierigkeiten und trotz aller Begeisterung für das Unternehmen
drang Markham umsichtig darauf, dass nichts versäumt werde, um den
Erfolg zu sichern2) und verlangte namentlich wiederholt ein eigenes Dampf-
schilf zur schleunigen Beförderung der Pflänzlinge über den stillen Ocean,
was unglücklicher Weise nicht genehmigt wurde. Um so wichtiger war es,
dass er die Anstellung des damals eben in Ecuador reisenden ausgezeich-
neten Botanikers Spruce zur Erlangung der C. succirubra durchsetzte,
sowie auch des in Süd-Amerika ebenfalls schon eingelebten Pritchett für
die Gegend von Huanuco. Später (1861) wurde noch in Cross, einem
ursprünglichen Begleiter Sprue e’s , ein sehr tüchtiger Gärtner gewonnen,
welcher noch mehr C. succirubra, Calisaya und Condaminea sammelte und
eigenhändig in Indien ansiedelte. Markham selbst hatte sich die Greuzländer
Perus und Bolivias Vorbehalten, um auf C. Calisaya auszugehen, wozu er
im März 1860 von Islay aus auf brach. Ueber Arequipa und Puno Mitte
April in Crucero , der Hauptstadt von Caravaya , angelangt , traf er unweit
Sandia die ersten Büsche der C. Josephiana, dann auch C. boliviana,
C. Calisaya, micrantha, ovata und pubescens, wovon 456 Pflänzlinge haupt-
sächlich der drei ersteren gegen Ende Juni glücklich in Islay eingeschifft
werden konnten. Die Samenreife der Calisaya, welche in den August fällt,
durfte wegen der dem Unternehmen höchst feindseligen Stimmung3) des
ganzen Landes nicht abgewartet werden. Ueberhaupt galt es hierbei sehr
grosse Schwierigkeiten zu besiegen , wovon der Leiter der ganzen Expe-
!) dazu aber noch z. B. für die Jahre 1857 und 1858 über 1,325,000 Francs für Chinin!
2) „if the thing is worth doing at all, itis worth doing well * — erklärte
Markham von vornherein den Behörden!
3) Ecuador, wo Spruce gesammelt hatte, erliess 1861 ein Verbot, Samen oder Pflänz-
linge der Cinchonen auszuführen, wie früher Markham gegenüber auch die Bolivianer.
Cortices Chinae. § 62.
423
dition ein eben so lehrreiches als anschauliches Bild entworfen hat.1) Die
Regierung beging den unbegreiflichen Missgriff, die werth volle Ausbeute
nicht direkt an ihre Bestimmung zu befördern, sondern über Panama, Eng-
land, Suez und Bombay nach den Nilagiris zu senden, wo sie, obwohl unter
Markham’s persönlicher Obhut im October 1860 in üblem Zustande ein-
traf. Ein unvorhergesehener Aufenthalt in Bombay hatte namentlich viel
geschadet. Aehnliches Schicksal hatten die Pflänzlinge Pritchett’s; doch
gingen seine Samen (von C. micrantha, C. nitida und peruviana) sowohl
im Garten von Kew (bei London) als in Ostindien, auf Trinidad und auf
Jamaica gut auf. Ebenso keimten von Sprue e gesammelte Samen der
C. succirubra in Kew, während nicht weniger als 463 kräftige Stämmchen
derselben Art die 1861 zur Chinacultur ausersehenen ostindischen Regie-
rungspflanzungen von Utacamund erreichten.
Weitere Ansiedelungen der kostbaren Pflanzen wurden begonnen 1861
in Hakgalla, im centralen bis 5000 Fuss ansteigenden Gebirgslande Cey-
lons; 1862 in Dardschiling (Darjeeling), im südlichen Theile Sikkims
im südöstlichen Himalaya; 1865 in Neu-Seeland und auf dem austra-
lischen Continente ; 1 86 6 in Brisbane (Queensland, Ostküste Australiens)
zum Theil durch Privatleute. Als Mittelpunkt des ganzen Unternehmens
ragt aber Utacamund (Ootacamund) hervor mit seinen Filialen bis zur
Südspitze der vorderindischen Halbinsel, zum Theil auf Höhen bis gegen
7000 — 8000 Fuss über Meer. Vor der Ankunft Markhams mit den ersten
Pflänzlingen aus Bolivia hatten die sorgfältigsten Untersuchungen in meteo-
rologischer und geologischer Hinsicht auf diese Standorte geführt. Dazu
kam der glückliche Umstaud, dass die Pflanzungen hier dem eben so ge-
wandten als energischen Gärtner Mac Ivor übergeben wurden, welcher
den grössten Eifer darauf verwandte und namentlich die trefflichsten Metho-
den zur raschen Vermehrung der Cinchonen ausfindig machte. 1864 ver-
vollständigte Cross die indischen Pflanzungen durch die höchst werthvolle
Cinchona pitayensis, welche sich nach seinem Zeugnisse durch sehr rasches
Wachsthum ausserdem ganz besonders empfiehlt und vermuthlich eine be-
deutende Zukunft haben wird.
Welcher Erfolg diese grossartigen Leistungen Englands2) begleitet hat,
geht daraus hervor, dass Utacamund im August 1862 über 72000 China-
bäumchen zählte, worunter beinahe die Hälfte C. succirubra, 1000 Calisaya
und nur 425 C. Pahudiana. Ende October 1863 war die Gesammt-
zahl schon auf 248,000 gestiegen. Cinchona Uritusinga , welche
1) Clements R. Markham. Zwei Reisen in Peru. Deutsche Uebersetzung, Lpzg. 1865.
Vergl. auch Wittstein’s Viertel) ahrsschr. XIII. 52. — Vollständiger und höchst anziehend
aber in dem englischen Blue book (East-India, Chinchona Plant) von 1863, wo auch die nicht
minder werthvollen von wahrhaft wissenschaftlichem Geiste getragenen Berichte von Spruce
und Cross.
2) eine ansprechende Uebersicht derselben hat 1866 R. v. Schlagintweit in der Zeit-
schrift der Gesellsch. 1. Erdkunde zu Berlin I. 361 — 880 gegeben.
424
Rinden.
Howard1) 1862 in einem einzigen aus Uritusinga bei Loxa bezogenen
Exemplare beigesteuert hatte, ist durch Mac Ivor’s Geschicklichkeit in
Utacamund im Laufe von 18 Monaten auf 4733 Pflänzlinge vermehrt wor-
den. Im Mai 1866 war der Bestand in Utacamund in runden Zahlen
Cinchona succirubra 297,000 Stück ] zusammen, mit
„ Calisaya 37,000 „ Einschluss einiger
officinalis (S. 376 Anmerk.) 758,000 „ weiterer in gerin-
Graue Rinden liefernde Arten 29,000 „ ger Zahl vertrete -
Cinchona lancifolia und pitayensis . . 198 „ ner Arten =
„ Pahudiana 425 „ 1,123,000 Stück.
Hakgalla auf Ceylon hatte Ende 1863 in ungefähr gleicher Mischung
ebenfalls 22,000 Chinabäumchen, im November 1865 aber über 500,000,
worunter C. succirubra und C. officinalis (vereinigte C. Chahuarguera,
Condaminea und Uritusinga) am zahlreichsten. Darjeeling und Rungbee in
Sikkim besassen im Mai 1866 über 300,000 Stück, gleichfalls vorherr-
schend in den beiden oben genannten Arten.
Aus Jamaika wurde 1864 das Gedeihen von C. micrantha, nitida und
succirubra gemeldet.
Zur Vervollständigung des Bildes dieser segensreichen Bestrebungen
muss hervorgehoben werden, dass M’Ivor aus Utacamund, so wie
Thwaites, der Vorsteher der Ceylon’schen Pflanzschulen, aus Hakgalle,
ganz abgesehen von den so eben aufgeführten Beständen, seit 1862 nach
und nach schon Hunderttausende von jungen Chinabäumchen au Private
abgegeben haben, von denen manche zu wiederholten Malen Hunderte und
Tausende von Stücken bezogen und zwar nicht nur nach allen Theilen
Indiens, dem Pandschab, nach Assam, Rangun, Bengalen, Mauritius, Reu-
nion, Java, Burma, sondern auch nach Melbourne, Neu- Seeland, Jamaica
u. s. f. Eine der bedeutenderen Privatpflanzungen scheint die von Neu-
Quito im Kangra-Thale, in den östlichen Bergen des oberen Pandschab,
unweit Dschallandhor (Jullundhur) , dem Capt. Nassau Lees gehörig, zu
werden. — Der Verkaufspreis für das Stück junger Cinchonen ist 1866
von der Regierung in Madras, in deren Bezirk Utacamund liegt, auf 1 Anna
(= 14,2 franz. Centimes) herabgesetzt worden und es geschieht überhaupt
alles, was die Privatthätigkeit ermuntern kann, sich auf diese Cultur zu
verlegen.
So ist denn die Einführung dieser edlen Bäume in allen dazu geeig-
neten Gegenden des weiten anglo- indischen Reiches bereits jetzt in einer
Weise gelungen, welche Markham’s enthusiastischen Ausruf2) wohl recht-
fertigen mag, er habe sich in Hakgalle auf die peruanischen China-Pajonales3)
0 N. Quinol. pg. XV. uud Ph. J. and Tr. V. 595.
2) Blaubach 1866. S. 188, 214, 377.
3) vergl. oben S. 358.
Cortices Chinae. § 62.
425
versetzt geglaubt oder er fiude bei nochmaligem Besuche Iudiens, im Februar
18G6, die Nilagiris zu wahren Cbiuabergen mit aller Farbenpracht der
schönen Bäume umgewandelt. Ganz besonders scheint ütacamunds Klima
denselben zuzusagen, wenigstens der stattlichen succirubra mit ihren fuss-
langen Blättern , während Ceylon sich besser für die verschiedenen Spiel-
arten der C. officinalis (S. 376, Anmerk. 1) anlässt.
Ueber einen 1859 vom amerikanischen Patentamte angebahnten Ver-
such1) zur Einführung der Cinchonen in Californien fehlen weitere
Berichte; auch die von Martius2) ausführlich erörterte Wahrscheinlichkeit
des Gedeihens der Fieberrindenbäume in Brasilien scheint daselbst unbe-
achtet geblieben zu sein. Sogar Kaiser Maximilian fand im April 1866
noch Zeit, sich um China- Pflänzlinge aus Indien für Mexico zu be-
mühen.3 *)
Auf Java gestaltete sich der mangelhafte Zustand der von Hasskarl
begonnenen Pflanzungen unter Junghuhn’s Verwaltung bald in so fern
günstiger, als im December 1862 auf 10 verschiedenen Plätzen schon
1,360,000 Setzlinge und Bäumchen vorhanden waren, worunter aber die
werthvollsten in Minderzahl, nämlich Calisaya 8984 Stück, laucifolia 145,
micrantha 1, succirubra 71, während C. Pahudiana mit über 1 Million ver-
tretenwar, obwohl der Werth gerade dieser Art noch gar nicht feststeht (§ 56).
Es scheint, dass Hasskarl hauptsächlich in der Wahl der Standorte
nicht glücklich war, während Junghuhn vielleicht mit Unrecht die zuletzt
genannte Art so unverhältnissmässig bevorzugte, weil sie rasch keimfähige
Früchte lieferte. Allerdings scheint dieselbe weit besser zu gedeihen11) als
Calisaya, welche auch in den englischen Colonieu bis jetzt immer noch sehr
hinter der viel härteren, grossblätterigeu C. succirubra zurückgeblieben ist,
ja sogar Ausartung befürchten lässt. Junghuhn huldigte ferner allzu sehr
der verderblichen Ansicht, dass die Chinabäume vorzugsweise den Schatten
lieben, während die oben (§ 8) angeführten Thatsachen und die glänzenden
Ergebnisse in Utacamund , ganz abgesehen vom Zeugnisse der Reisenden,
welche die Heimat der Cinchonen besuchten, wenigstens für erstarkte
Pflanzen einstimmig das Gegentheil auf das bestimmteste lehren.5) Ferner
wurde in Java die Vermehrung durch Ableger, Steckreiser und Augen ver-
nachlässigt, welche von den Engländern (zuerst durch Mac Ivor, Direktor
desGartens vonUtacamund) mit so ausserordentlichem Erfolge betrieben wird.
Alle diese Erfahrungen auf Java haben zu lebhaften und theilweise sehr
bitteren Erörterungen geführt,6) denen einerseits J u ngh uh n’s Tod (20. April
Proc. of the Americ. Pharm. Ass. 1859. 385.
2) in Büchners Repertor. XII. 386 —392.
3) Blue book. S. 198.
) in neuester Zeit begann C. Pahudiana auf Java zu erkranken. (J agor 1866.)
5) so auch Martius in Bnchner’s Repertor. XII. 367. — Auch zahlreiche Stellen der
englischen Blaubiicher.
6) vgl. Ausland 1868. 952 u. 964. — Oudemans, Handl. tot de Pharm. 102 — 109.
426
Rinden.
1864) und anderseits die höchst verdienstlichen analytischen Untersuchungen
von de Vnj ein Ende gemacht haben. Holland hatte 1857 denselben
eigens nach Java abgeordnet, um die ganze Chinafrage in chemischer Hin-
sicht zu verfolgen. Die oben gelegentlich benutzten Ergebnisse dieser
schonen Mission haben bereits bewiesen, dass die Pflanzungen unzweifelhaft
zu den besten Hoffnungen berechtigen. Gewiss werden weitere chemische
Studien eine Reihe von Frageu lösen, die zur Erweiterung unserer Kennt-
mss der Cinchonen sowohl als des allgemeinen phytochemischen Wissens
mächtig beitragen müssen. In praktischer Hinsicht geben die Engländer
schon jetzt zu verstehen, dass die Cultur sich noch lohnend erweise, wenn
auch der gegenwärtige Erlös von ungefähr 10 Francs für das Kilogr.
Calisaya- Rinde auf 2V2 Fr. herabgegangen sein werde.1) Bereits schicken
sie sich an, aus indischen Rinden die Alkaloide in der Präsidentschaft
Madras fabrikmässig darzustellen und den dortigen ungeheuren Chinin-
bedarf von vielleicht 5000 bis 6000 Pfund jährlich im Lande selbst zu
gewinnen.
Es gewährt eine hohe Befriedigung, die Aktenstösse zu durchmusteru,
welche, auf Befehl des englischen Unterhauses gedruckt,2) eine vollständige
Einsicht in den ganzen Gang und Stand dieser wichtigen Unternehmung
darbieten und ehrenvolles Zeugniss ablegen für den humanen Sinn, die
unerschütterliche Ausdauer und Anstelligkeit der dabei leitend oder aus-
führend betheiligten Männer, welche vom Kolonialminister au bis zum Arzt
und Gärtner herab von dem Gedanken beseelt sind, ein für die Gesundheit
der indischen Bevölkerungen unschätzbares Heilmittel denselben, zumal
auch in den untersten Kreisen, fast unentgeldlich zu liefern. Von oberster
amtlicher Stelle3) wurde erklärt uud in begeisterten Worten durch den
viel verdienten Mark h am wiederholt, dass reichliche Versorgung der
Arbeiterbevölkerung und ihrer Familien mit dem Fiebermittel als ein
Hauptziel ins Auge zu fassen sei und dass die Regierung selbst nur eben
gehörigen Ersatz der aufgewendeten Kosten beanspruche, das übrige aber
alsdaun mit vollkommenster Liberalität der Privatthätigkeit anheimgebe.
In diesem Sinne wird von weiterer Ausdehnung der Regierungspflanzungeu
jetzt abgesehen.
1) Ph. Journ. and Tr. VII. 521.
2) Papers relating to the introduction of the Chinchona-Plaut into India. — Die im obigen
oft angeführten sogenannten Blaubücher, 272 und 379 Folioseiten umfassend.
3) Sir Charles Wood s Weisung an die Regierung von Madras, 30. Sept. 1865.
Cort. Strychni.
427
Cortex Strychni.
Cortex Angosturae spurius. Cortex Pseud-Angosturae. Falsche Angostura-
Rinde. Fausse Angusture. False Angostura.
Bis etwa 0,004m dicke, meist nur 0,1 0m lange, oder noch kürzere
Bruchstücke der Stammrinde desselben Baumes, welcher Semen Strychni
(vergl. dieses) liefert. Es kommen sowohl gerollte als auch flache oder
rückwärts gekrümmte Stücke vor, immer bedeckt von hellwarzigem grau-
lichem oder gelblichem lockerem Korke, welcher aber sehr häufig, stellen-
weise sogar ganz vorherrschende lebhaft rothgelbe Flecke trägt. Ober-
fläche glatt oder etwas querwulstig, nicht rissig. Die hellgrauliche bis
blauschwarze glatte Innenfläche mit zahlreichen helleren kurzen Strichel-
chen besetzt. — Flechten oder Pilze pflegen auf dieser Rinde nicht oder
nur sehr spärlich vorzukommeu; der farbige Kork ist frei von solchen.
Der Querschnitt ist besonders nach innen deutlich strahlig; im äussern
Drittel oder Viertel desselben, auch auf der Bruchfläche, bezeichnet eine
schmale, körnige, gewöhnlich hellere, meist ziemlich parallel mit der Ober-
fläche verlaufende Zone, die Grenze zwischen Mittel- und Iunenrinde. Auch
der radiale Längsschnitt bietet diese Zone als ununterbrochene Wellenlinie
in grösserer oder (bei älteren Stücken) geringerer Tiefe unter der Kork-
schicht dar. Seltener und weniger deutlich tritt bisweilen in der Innen-
rinde eine ähnliche, aber unterbrochene Zone auf. Die falsche Angostura-
Rinde ist etwas mürbe und bricht kurz und körnig, weder blätterig, noch
faserig.
Der Kork besteht aus zahlreichen Lagen weiter kubischer Zellen mit
dünnen Wänden, welche besonders da rothgelbe Färbung zeigen, wo das
Korkgewebe die reichlichste Entwickelung erlangt hat. Die innerste Schicht
enthält häufig noch lebensthätige, dünne, tafelförmige, ungefärbte Korkzellen.
Das ziemlich weite kubische Parenchym der Mittelrinde, in regelmässige
radiale Reihen geordnet, ist je nach dem Alter des Stückes bald sehr mäch-
tig, bald von nur geringer Breite. Nur in seiner innersten Lage nehmen
die Zellen eine geringe tangentiale Streckung an. Eigentliche Borkenbil-
duug scheint nicht vorzukommen, sondern nur einfach allmälige Verkor-
kung des Mittelrinden- Gewebes. Die bereits erwähnte, schon dem unbe-
waffneten Auge auffallende dichte körnige 70 bis 200 Mikromill. breite
Zone ist aus gelben, kugelig -eckigen, sehr dicht zusammengefügten Stein-
zellen gebildet. Sie messen durchschnittlich 30 — 40 Mikromillim. und
sind fast ganz durch deutlich geschichtete poröse Ablagerungen verdickt.
Aehnliche aber ganz vereinzelte oder nur zu kleinen Gruppen vereinigte
Steinzellen finden sich auch in der Innenrinde eingestreut. Das Gewebe
dieser letztem gleicht im übrigen dem der Mittelrinde, ist aber mehr in
tangentialer Richtung gedehnt, vorzüglich in den breiten, obwohl nicht sein-
ausgezeichneten Markstrahlen. Die Baststrahlen pflegen jene vereinzelten
Steinzellen zu enthalten, welche in den inneren Lagen der Bastschicht oft
428
Rinden.
etwas axial gestreckt, bisweilen senkrecht zu mehreren übereinander gestellt
und von kurzen, dünnen, prosenchyrnatischen Zellen , nicht eigentlichen
Baströhren, umgeben sind. Im Querschnitt zeigen einige dieser letzteren
Baststellen wellenförmig gebogene Wände (Hornbast).
Die Mittel- und Innenriude enthalten kleine nur etwa gegen 6 Mikrom.
messende kugelige Amylumkörncheu und äusserst zahlreiche bis 30 Mikro-
meter erreichende monoklinische Krystalle von Kalkoxalat, meist Hen-
dyoeder mit abgestumpfter Raudkante, welche durch Verlängerung in der
Richtung der Hauptaxe ein fast oktaedrisches Aussehen haben. Häufig
sind auch Zwillingskrystalle mit eiuspringendem Winkel1). Manche Kry-
stalle sind etwas krummflächig, wie angefressen. Sie lösen sich ohne
Brausen in Salpetersäure, nicht in Essigsäure. Die Bastschicht ist noch
reicher daran als die Mittelrinde; jede einzelue Zelle pflegt nur eiuen grossen
Krystall eiuzuschliesseu. In der Nähe der Korkschicht treten bisweilen
auch braunrothe Körner (oder Tropfen?) von Farbstoff oder Harz auf.
Die falsche Augostura-Rinde schmeckt sehr stark und anhaltend bitter,
gar nicht aromatisch. Als Träger des Geschmackes uud der heftig gifti-
gen Wirkung ermittelten 1819 Pelletier u. Caventou das nachher
auch in den Brechnüssen und den Ignätiusbohnen augetroffene Alkaloid
Brucin2) 0-3H26N'- Q-4, welches auch in dieser Rinde von Strychnin be-
gleitet ist. — Diese beiden Alkaloide wirken in gleicher Weise giftig, das
Brucin jedoch 12 bis 20 mal schwächer als Strychnin. Wie das Igasurin
(vgl. Semen Strychni) soll nach Schützenberger auch das Brucin durch
fraktionirte Krystallisatiou in 9 verschiedene Basen getrennt werden können.
Die Rinde enthält auch Gerbstoff; ihr wässeriger Auszug gibt daher (vergl.
Cort. Angosturae) mit Eisenchloridlösung eine dunkelgrüne Trübung. Auf
feinen Schnitten, die man mit Eisenvitriollösuug tränkt, nimmt besonders
die Mittelrinde, nicht die Steinzellenschicht eine dunkle Färbung an. Der
rothgelbe Farbstoff des Korkes wird durch Alkalien braun, durch Salpeter-
säure und Schwefelsäure grün gefärbt; Pelletier u. Caventou nannten
ihn Strychnochrom.
Das ätherische Oel, etwa 3/4 pCt. der Rinde betragend, hat Herzog
der empirischen Formel £13H240 entsprechend gefunden. Es kocht wie
das der ächten Angostura bei 266° C.
Die falsche Angostura- Riude war nie eigentlich ofticiuell; sie wurde
zuerst 1804 von Ramb ach, Stadtphysikus in Hamburg, unter der ächten
Angostura- Rinde (vergl. Cortex Angosturae) aufgefunden, nachdem diese
ungewohnte giftige Wirkung gezeigt hatte. Der Hamburger Magistrat be-
!) vergl. Holzner, Krystalle in den Pflanzenzellen. Inaugural-Abhaudl. München 1S64.
2) von Brucea ferruginea H6ritier (Br. antidysenterica Miller), einem abyssinischen
Strauche aus der Familie der Xanthoxylcae abgeleitet, deu man für die Stammpflanze der
falschen Angostura-Rinde gehalten hatte. - Nach der Widerlegung dieser Ansicht schlug
Geiger für das Alkaloid den Namen Caniramin vor, der nicht Eingang gefunden hat.
Cortex Frangulae.
429
fahl deshalb am 11. Mai 1804 genaue Prüfung der Rinde. Auch ander-
wärts wurde diese gefährliche Beimischung bemerkt und ihre höchst giftige
Natur von der Wiener Fakultät festgestellt, ohne dass die Urheber dersel-
ben je ermittelt werden konnten. Man vermuthete, die Fälschung wer e
in Amerika vorgenommen, aber die Rinde selbst stamme aus Ostindien.
Nach andern hätte sie ein englischer Grosshändler an Hamburger Häuser
geschickt. Als Pelletier u. Caventou in derselben die Strychneen-
Alkaloide nach wiesen, sprach zuerst B atk a die Ansicht aus , Strychnos
Nux voinica sei die Stammpflanze dieser räthselhaften Rinde. Andere
stellten abweichende Vermuthungen auf, bis Schleiden (1857), gestutzt
auf die Vergleichung eines Stammstückes von Strychnos Nux vomica, Bat-
ka’s Ansicht bestätigte, welcher (1863) Berg ebenfalls, nach Untersuchung
eines solchen Stammes, beigetreten ist. Diese Rinde kömmt in neuerer
Zeit gar nicht mehr vor.
Cortex Frangulae.
Faulbaumrinde. Ecorce de bourdaine ou d’aune noir.
Rhamnus Frangula L — Rhamneae.
Schlanker , oft fast baumartiger Strauch feuchter schattiger Standorte
durch ganz Europa von Spanien an bis zum Polarkreis und in Mittelasien
bis zum Altai.
Man sammelt die Rinde des Stämmchens und der stärkeren langge-
streckten Zweige in fusslangen gerollten Stücken von höchstens IV2 Millim.
Dicke. Ihre Oberfläche ist matt grau bräunlich , im Alter mehr grau , die
Innenfläche mehr oder weniger dunkelbraun, der kurzfaserige Querbruch
vorherrschend gelblich. Die wenigstens in jüngerem Zustande glatte
Korkschicht ist hübsch besprengt mit weisslichen aufgerissenen Wärzchen,
welche an älteren Stücken mehr kurze rissige und hellere Querbänder bil-
den, denen sich schliesslich noch sanfte Längsrunzeln beigesellen.
Die Aussenrinde trennt sich beim Trocknen stellenweise durch Ein-
schrumpfung; in der Inneurinde lässt sich durch dieLoupe kaum schon die
fein gefelderte Zeichnung des sehr kleinzelligen Gewebes wahrnehmen.
Die Aussenrinde enthält eine grössere Auzahl zu äusserst flacher, innen
mehr gewölbter Tafelzellen , welche besonders an der Oberfläche tief pur-
purroth bis braunroth gefärbt sind. Auf diese kleinen dicht gedrängten
Korkzellen folgt ohne Uebergang das weitere sehr dickwandige Parenchym
der Mittelrinde , dessen anfangs enge verbundene kugelige , oder etwas tan-
gential gedehnte Zellen allmälig an Grösse zunehmen, sich ein wenig im
Sinne der Axe strecken und grössere Räume (Schleimgänge) zwischen sich
frei lassen.
An der Grenze der Innenrinde finden sich gewöhnlich ausgezeichnete
Gruppen von Hornbast , mehr nach innen starke Bündel gelber verdickter
430
Rinden.
und sehr langer Baströhren oder auch vereinzelte Röhren. Diese im Alter
einigermassen in tangentiale Reihen geordneten Bastbändel sind umgeben
von Strängen krystallreichen Parenchyms, worin kleine rhomboederartige
Gestalten vorherrschen, während die Krystalle, welche auch in der Mittel-
rinde und im übrigen Bastparenchym zahlreich eingestreut sind, wenigstens
in jüngern Rinden mehr rosettenförmige Drusen darstellen.
Die Innenrinde wird durchschnitten von schmalen einreihigen bis drei-
reihigen Markstrahlen mit radial gestreckten Zellen, welche Chlorophyll
oder gelben körnigen Inhalt zeigen. Auch die Mittelrinde enthält Chloro-
phyll mit kleinen wenig zahlreichen Amylumkörnchen.
Frisch riecht die Rinde widerlich und schmeckt ekelhaft bitterlich.
An Wasser gibt sie sofort einen gelben Farbstoff ab, der durch Eisensalze
kaum verändert wird, aber nach Zusatz der geringsten Menge von Alkalien
in prächtiges Karminroth übergeht. Es wurde (1849) von Binswanger
und Büchner zuerst aus der ätherischen Lösung in gelben sublimirbaren
Krystallen erhalten und Rhamnoxanthin genannt. Der erstere fand
weiter in der Stammrinde eisengrüuenden Gerbstoff, Harz, unkrystallisirten
Zucker und Bitterstoff, Aepfelsäure, Fett, so wie 5,4 pCt. Aschenbestand-
theile. Dem wässerigen Destillate ertheilt die frische Rinde ihren Geruch,
ohne dass sich ätherisches Oel oder Blausäure nachweisen lässt.
Büchner zeigte, dass auf der Wurzelrinde nach längerer Aufbewah-
rung ebenfalls Krystalle des Rhamnoxanthins anschiessen, und Winkler
wies es in dem Samen nach. Casselmanu (1857) fand dasselbe der
Formel O6Hß03 entsprechend und nannte es (zur Verhütung von Ver-
wechselung mit andern Rhamnus-Farbstoffen) Frangulin. Es bildet ge-
schmack- und geruchlose mikroskopische Tafeln oder Nadeln von citrongel-
ber Farbe , die sich in heissem Alkohol , besser in Benzol und ätherischen
Oelen, fast gar nicht in Aether und Wasser lösen. Säuren fallen das Fran-
gulin unverändert aus der schön purpurnen Lösung in den Alkalien. Noch
schönere Farben zeigen die Salze der Nitro-Frangulinsäure, welche durch
Salpetersäure aus dem Frangulin entsteht. Nach Phipson lässt sich das
letztere aus dem alkoholischen Extracte durch Sublimation (es schmilzt bei
249°) , oder am besten aus der Rinde durch Schwefelkohlenstoff gewinnen.
Aeltere Rinde liefert nach Casselmann mehr Frangulin; es scheint theil-
weise erst beim Liegen derselben gebildet zu werden.
Das Frangulin scheint nicht eine gepaarte Zuckerverbindung zu sein,
wie das Xanthorhamnin 023H28014 aus den Gelbbeeren, den Früchten der
Rhamnus tinctoria und anderer südeuropäischer und orientalischer Rham-
nus-Arten.
Kubly gewann aus der Faulbaumrinde (1865) nach der gleichen Me-
thode, die er bei der Darstellung der Cathartinsäure (siehe unt. Fol. Sennae)
befolgt, eine ganz ähnliche, vielleicht identische Substanz von gleicher pur-
girender Wirkung. Dieselbe scheint aber in Cortex Frangulae in freiem
Zustande vorzukommen und ist auch von wenig Schleim begleitet, überhaupt
Cortex Angosturae.
431
reichlicher vorhanden. Die Frangula- Substanz enthält gleichfaUs Schwe-
fel- und Stickstoff und erweist sich als Glykosid. Aether fällt ans der alko-
holischen Flüssigkeit nach der Abscheiduug jenes wirksamen, der Cathartin-
säure ähnlichen Stoffes das amorphe Glykosid, Avornin €^H90'.
Salzsäure erzeugt daraus die in schönen rothen Nadeln krystallisirende
Avorninsäure, G^H^G4, welche in naher Beziehung zum Frangulin stehen
dürfte und sich in Alkalien mit prachtvoll purpurrother Farbe löst.
Die Faulbaumrinde wurde gegen Ende des Mittelalters, zumal von deut-
schen Aerzten , mit richtigem Blicke als Surrogat der Rhabarber erkannt
und besonders von Dodonaeus in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhun-
derts empfohlen. Später gerieth sie ganz in Vergessenheit, welcher sie
1843 durch Gumprecht wieder entrissen wurde.
Die Rinde von Rhamnus cathartica (vergl. bei Fructus Rhamni cath.)
kann wegen der bei weitem reicheren Verzweigung dieses Strauches nicht
in so langen Stücken abgezogen werden, wie von Rh. Frangula. Auch in
trockenem Zustande ist übrigens die Rinde der ersteren stark glänzend,
mehr rothbraun , querstreifig , an den Aesten mit nur äusserst zerstreuten
wenigen Korkwärzchen versehen, im Bruche viel zäher, der Bast aus weit
längeren Fasern gebildet. In chemischer Hinsicht scheinen beide Rinden
übereinzustimmen; doch soll diejenige von Rh. cathartica einen krystallisir-
baren Bitterstoff enthalten (Binswanger). Sie schmeckt sehr scharf
bitter.
Die ziemlich ähnliche Rinde von Prunus Padus ist dünner, nicht so
regelmässig mit Korkwärzchen besetzt, aber stark längsrunzelig, mit feine-
rem weissem, nicht gelbem Baste versehen und von adstringirendem Ge-
schmacke. Sie enthält sehr grosse rhomboederartige Oxalatkrystalle.
Cortex Angosturae.
Cortex Angusturae verae. Angostura- Rinde. Ecorce d’Angusture vraie.
Angostura bark (Cusparia bark).
Galipea officinalis Hancock. — Diosmeae.
Diese Galipea ist ein kleiner bis 20 Fuss hoher Baum, der in 7° bis 8°
nördl. Breite im Gebiete des Carony (vorzüglich bei S. Joaquin) wächst,
welcher unterhalb Angostura auf der rechten Seite in den Orinoco mündet.
Auch westwärts von Cumana findet sich das Bäumchen am Busen von
Santa Fe und die Insel Trinidad scheint ebenfalls diese Rinde zu liefern.
Sie bildet entweder fingerdicke Röhren oder gewöhnlicher kurze,
bis 0,060 und darüber breite, flache, halbgerollte oder auch ein wenig
zurückgekrümmte Stücke von höchstens 0,003™ (nach dem Aufweichen bis
0,006 ) Dicke. Die Röhren sind nicht dünner als die flacheren Stücke.
Die Färbung der Aussenfläche ist ziemlich eigenthümlich hell bräunlichgrau
oder gelblich bis grünlich, niemals gelbroth, übrigens ziemlich verschieden
432
Rinden.
je nach dem Zustande der Korkschicht. Dieselbe ist nämlich entweder dünner
und mehr blätterig oderein wenig reichlicher entwickeltund schwammig, durch
Längsfurchen und kurze Querrisse fast gefeldert, oder durch Höckerchen
unregelmässig bezeichnet. Im ganzen haftet der Kork ziemlich fest, wird er
aber abgestossen, so zeigt die mehr oder weniger braune Mittelrinde nicht
undeutlich die oberflächlichen Unebenheiten der Aussenrinde, welche
häufig mit kleinen schwarzen Flechten besetzt ist. Die hell gelbbraune
Innenfläche ist körnig-rauh, fast immer blätterig aufgerissen und haftet
offenbar fest am Holze, wovon oft noch einzelne Streifen an der Kinde Vor-
kommen. Die schiefen Sclmittflächeu am Rande deuten auch darauf, dass
die Rinde nur mit einiger Mühe durch das Messer abgelöst werden kann.
Der glänzende, besonders nach innen dunkelbraune Querschnitt zeigt in
der inneren Hälfte einen strahlig gefelderten Bau , die äussere Hälfte oder
oft nur ein Drittel ist mehr gleichmässig körnig. In der Innenrinde bemerkt
man schon mit der Loupe derbe, schön gelbe Baströhrengruppen , häufiger
durch das ganze Gewebe eiförmige braungelbe Punkte (Oelzellen), am
zahlreichsten aber und schon mit unbewaffnetem Auge weisse Strichelchen
(Krystallbündel).
Die spröde, harte Rinde bricht sehr leicht, in der peripherischen Hälfte
kurz und körnig, in der Bastschicht blätterig, nicht faserig.
Der Kork besteht aus zahlreichen Lagen ansehnlicher kubischer Zellen,
welche entweder sehr dünne, ungefärbte Wände besitzen oder ringsum stark
verdickt sind. Eine regelmässige Yertheilung der dickwandigen, gelblichen
Zellen ist nicht ersichtlich. Die innersten, noch lebensthätigen Korkzellen-
reihen gehen unmerklich in das tangential gedehnte Parenchym der Mittel-
rinde über. Ziemlich zahlreiche, etwas grössere, bis 100 Mikromill. mes-
sende, eiförmige Zellen enthalten gelbliche Tropfen ätherischen Oeles oder
bräunliche Harzklümpchen, andere nicht besonders ausgezeichnete Zellen
dagegen schliessen eine Garbe äusserst zahlreicher Nadeln von Kalkoxalat
ein, welche meist parallel mit der Längenaxe liegen. Selten sind auch klei-
nere, nicht zusammenhängende Gruppen der Mittelriude zu porösen Stein-
zellen verdickt und mit braungelbem Harze getränkt. An der Grenze der
Innenrinde treten gewöhnlich vereinzelte Gruppen sehr dicht gedrängter,
zahlreicher Baströhren von prächtig goldgelber Farbe auf. Sie sind ganz
verdickt und höchstens 30 Mikromill. stark. Noch umfangreichere derartige
Bastgruppen kommen tiefer in der Iuuenrinde, aber immer nur sehr ver-
einzelt vor. Iu manchen Stücken fehlen sie ganz oder sind auf die innersten
Lagen der Bastschicht beschränkt oder auch durch einige wenige zerstreute
Röhren vertreten. Dieser Verschiedenheit in der Ausbildung des Bastes ent-
sprechen keine anderweitigen Ungleichheiten. Rinden, welche arm an Bast-
röhrenbündeln sind, sehen solchen durchaus gleich, welche viele dergleichen
enthalten. Die Innenrinde ist gebaut aus etwas im Sinne der Axe gestreck-
ten, aber gerade abgeschnittenen, nicht spitzendigeu Zellen, welche auf dem
Querschnitte eine regelmässige, radiale Anordnung darbieteu. Aul je etwa
Cortex Angosturae.
433
3 bis 10 Reihen dieses ungefärbten, dünnwandigen Bastgewebes folgt immer
eine gelbe, sehr viel schmälere Zone, gebildet aus nur 1 — 3 gedrängten
Reihen sehr zusammengefallener Zellen mit dicken, oft stark verbogenen
Wänden (Hornbast). In den grösseren Stücken zählt man leicht 30 — 40
solcher dunkler Zonen, wodurch die ganze Innenrinde in eben so viele
concentrische Schichten abgetheilt ist und ihr blätteriges Gefüge erhält.
Nicht minder regelmässig wird sie aber auch von zahlreichen 2- oder
3-reiliigen primären und sekundären Markstrahlen durchsetzt, so dass die
von zwei der letzteren eingeschlossenen Baststrahlen häufig nur 3 bis 10
Radialreihen einnehmen. Durch, die Kreuzung der Markstrahlen mit den
Hornbast- Zonen ist die gefelderte Zeichnung der Innenrinde bedingt. Die
schon erwähnten Baströhrengruppen erstrecken sich , wo sie Vorkommen,
bisweilen über mehrere benachbarte Felder der Innenrinde und werden als-
dann von den Markstrahlen durchschnitten. Die hier in die Baströhren
eingekeilten Zellen der Markstrahlen verdicken sich oft zu gelben, radial
gestreckten Steinzellen. Die verschiedenen Theile der Innenrinde sind ziem-
lich gleichmässig von Oel- und Krystallzellen unterbrochen.
Gegen die Grenze der Mittelrinde hin erweitern sich die Markstrahlen
sehr plötzlich, ihre bisher in radialer Richtung gedehnten Zellen nehmen
bedeutende tangentiale Streckung an, gehen in das Mittelrindengewebe
über und drängen den Bast in schmale, sehr spitz auslaufende Strahlen
aus einander. Dennoch lässt sich in den letzteren immer noch die regel-
mässige Abwechslung von Hornbast und gewöhnlichem Baste verfolgen.
Mittelrinde und Markstrahlen, weniger das Bastgewebe, enthalten ziem-
lich reichlich Amylumkörner von kugeliger Form und etwa 5 — 10 Mikromill.
Durchmesser. Die Krystallnadeln der gleichmässig durch das Gewebe mit
Ausnahme des Korkes vertheilten Oxalat-Drusen erreichen über 100 Mikrom.
Länge bei verschwindender Dicke. Ausserdem aber finden sich in den Bast-
zellen da und dort auch einzelne oder reihenförmig auf einander folgende,
bis 10 Mikromill. dicke kürzere oder längere vierseitige Prismen, wie es
scheint, durch Oktaeder-Flächen zugespitzt.
Körnchen von braungelbem , in Ammoniak mit gelber Farbe löslichem
Farbstoffe sind vorzüglich in der Mittelrinde und den Markstrahlen abge-
lagert.
Die Rinde riecht schwach gewürzhaft und schmeckt sehr anhaltend
und rein bitter, zugleich ein wenig milde aromatisch, nicht scharf.
Das ätherische Oel, wovon die Rinde höchstens % pC. gibt, riecht nach
Radix Levistici. Es ist ein Gemenge von Kohlenwasserstoff (G5H8?) mit
sauerstoffhaltigem Oele und entspricht nach Herzog der empirischen
Formel G13H2+0-. Mit alkalischen Bisulfiten verbindet es sich nicht.
Als Träger des bitteren Geschmackes der Angostura gab Saladin
(1834) das Cusparin an, einen durch Tannin fällbaren, in Alkohol und in
heissem "W asser löslichen, gut krystallisirenden Bitterstoff, dessen Zusammen-
setzung der Entdecker nicht ermittelt hat. Die Rinde soll davon 1,3 pC.
Flockiger, Pharmakognosie. 28
434
Rinden.
geben. Herzog gelang (1858) die Darstellung des Cusparins nicht; es
schien ihm sehr wenig beständig zu sein.
Der mit kaltem destillirtem Wasser erhaltene Auszug der Rinde wird
durch Eisenchlorid reichlich roth braun gefällt, feine Schnitte derselben
nehmen durch Eisenvitriollösung keine Färbung an, so dass Gerbstoff zu
fehlen scheint.
Die catalonischen Kapuziner in den südlichen Missionen am Carony-
Flusse waren zu Ende des vorigen und anfangs unseres Jahrhunderts mit
der Angostura-Rinde so wohl bekannt, dass sie sich aus dem Verkauf eines
daraus bereiteten Extractes eine Erwerbsquelle machten. Vermuthlich ver-
dankten sie diese Kenntniss den caraibischen Eingebornen, welche den
Baum Cuspare oder eigentlich Cuspa nannten. Schon 1759 scheint Mutis,
der spätere Förderer unserer Kenntniss der China, in Madrid mit der Ango-
stura bekannt geworden zu sein, 1788 brachte sie Ewer, Arzt auf Tri-
nidad, aus Dominica nach England, von wo aus sie auch bald in Deutsch-
land Eingang fand. Sie wurde als Fiebermittel unter dem Namen Quina
de Carony oder Cascarilla del Angostura, China von Neu- Andalusien,
empfohlen.
Auf Humboldt ’s1) Veranlassung nannte Willdenow den Angostura-
Baum von den Hügeln bei Copapui, Upata, Alta Gracia, in der Gegend
des östlichen Ufers des Carony Bonplandia trifoliata. Nach Hancock
(1829) aber, welcher sich 1810 lange in derselben Gegend als Arzt auf-
hielt, wäre bei Humboldt’s Nachforschungen ein Irrthum vorgefallen und
der ächte Angostura-Baum (nicht Cuspa, sondern Orayuri der Eingebornen)
zu Galipea2) gehörig, während die Humboldt’sche Pflanze, jetzt Galipea
Cusparia St. Hilaire mit allerdings sehr ähnlicher Rinde in Cumana , am
unteren Orinoco und in Brasilien zu Hause sei.
Die Vermischung dieser Rinde mit der sogenannten falschen Angostura-
Rinde (vergl. Cortex Strychni) kömmt nicht mehr vor und wäre übrigens
durch die hier angegebenen Merkmale beider Rinden mit aller Sicherheit
an jedem einzelnen Stücke zu erkennen. Nur wenige Exemplare der Strychnos-
Rinde mit ungefärbten Korkhöckerchen sehen auf den ersten Blick der
Angostura ähnlich; doch verräth sie schon die dunkle, glatte Innenfläche
und der Steinzellenring. Auch die ächte Rinde ist nur wenig mehr gebräuch-
lich und wurde sogar z. B. in Baden (1815) verboten, um die gefährliche
Verwechslung unmöglich zu machen, durch welche da und dort Unglücks-
fälle entstanden waren.
1) Reiso in die Aequinoct. Gegenden. Stnttg. 1860. 1. 300 u. IV. 252.
2) Humboldt selbst hatte den Baum zuerst richtiger als Galipea febrifuga bezeichnet-
Cortex Cascarillae.
435
D. Arom atische Rinden.
Cortex Cascarillae.
Cortex Crotonis s. Eluteriae s. Eleutheriae. Cascarill -Rinde. Ecorce de
cascarille ou chacrille. Cascarilla.
1. Croton Eluteria Bennett. — Euphorbiaceae-Crotoneae.
Syn.: Clutia Eluteria L.
2. Croton Cascarilla Bennett.
Syn.: Clutia Cascarilla L.
3. Croton Sloanei Bennett.
Syn. : Clutia Eluteria L.
Croton Eluteria Swartz.
Die genannten Sträucher oder Bäumchen finden sich neben wenigstens
noch 3 nahe verwandten Arten in Westindien, besonders auf den Bahamas
(Lucayos- Inseln) und zum Theil auch in den benachbarten Staaten Nord-
Amerikas.
Daniell hat 1857 und 1858 bei seinem Aufenthalte in jenem Archipel
diese früher unter einander viel verwechselten Croton-Arten botanisch fest-
gestellt, im Vereine mit Bennett beschrieben und dabei ermittelt, dass
die gegenwärtig in den Handel gelangende Cascarilla von der ersten Art
abstammt. Long-Island, Audros und Eleuthera führten davon z. B. im Jahre
1852 etwa 120 englische Centner, 1857 dagegen 1370 Ctr. aus. Auf Pro-
vence und mehreren andern Inseln aber ist diese Art nahezu ausgerottet.
Die ursprünglich seit dem Ende des XVII. Jahrhunderts als Cascarilla
nach Europa gelangte Rinde scheint der zweitgenannten Art angehört zu
haben. Ihre anatomische Struktur ist nicht untersucht, so dass sich einst-
weilen nicht mit Bestimmtheit entscheiden lässt, ob eine der in neuerer Zeit
wieder der gewöhnlichen Waare beigemischte etwas abweichende Rinde
von Croton Cascarilla herzuleiten ist. Dieser kleine Strauch wächst auf
denselben Inseln wie Cr. Eluteria, ausserdem auch auf Hayti.
Das bäum- oder strauchartige Croton Sloanei, auf Jamaica, nicht auf
den Bahamas, so wie Croton lineare Jacquin (Syn.: Clutia Cascarilla L.),
eine auf den Bahamas, den westindischen Inseln und in den Südstaaten
Nord-Amerikas einheimische klein strauchige Art, werden auch wohl (z. B.
Ph. Boruss. ed. VII und Ph. Germaniae) als Cascarilla liefernd aufgeführt.
Die vollständige Unkenntniss des anatomischen Baues der Rinden der beiden
Pflanzen steht diesen Annahmen im Wege, obwohl es richtig sein mag, dass
einzelne nicht eben sehr abweichende Beimischungen unserer Droge auf die
letztgenannten Arten zu beziehen wären.
Die gegenwärtige Cascarill -Rinde pflegt aus 0,005m — 0,01 5ra dicken,
geraden oder gebogenen Röhren zu bestehen, deren Länge selten 0,1 0m viel
ubersteigt. Sehr gewöhnlich aber erhalten wir weit kleinere Bruchstücke,
denen allerdings bisweilen auch sehr viel stärkere Röhren beigemischt sind!
28 *
436
Rinden.
Häufig haften noch grössere oder kleinere Splitter sehr dichten, feinporigen
Holzes an den Rinden.
Ein sehr hellgrauer oder durch mancherlei kleine Flechteu (Spluteria,
Verrucaria, Graphis) und Pilze etwas dunklerer Kork haftet nur an den
kleinsten Stücken fest, wo er durch feine Längsfurchen und etwas stärkere
Querrisse unregelmässig gefeldert ist. Der Kork erreicht höchstens eine
Mächtigkeit von 0,002m und bietet an älteren Stücken mehr regelmässig
rechteckige Felder mit etwas aufgeworfenen Rändern dar. Rinden, welchen
diese Zeichnung fehlt, scheinen wohl abweichenden Ursprunges zu sein.
Von stärkeren Riudenstücken springt der Kork leicht ab, hinterlässt aber
auf den entblössten graugelblichen bis braunen Stellen das deutliche netz-
förmige Gepräge seiner oberflächlichen Zeichnung. Die bräunliche Innen-
fläche der Rinde ist gleichmässig feinkörnig. Sie bricht kurz und uneben
und zeigt nur im inneren Theile des etwas ölglänzenden Querschnittes sehr
feinstrahliges Gefüge , das in den erwähnten stärkeren, doppelt so dicken
Rinden sehr deutlich entwickelt ist.
Der Kork der gewöhnlichen Handelswaare wird von zahlreichen Schich-
ten grossen Würfelzellen gebildet, deren nach aussen gerichtete, schwach
gelbliche Wände verdickt sind. In den inneren Schichten bleibt eine ansehn-
liche mit kleinen Körnchen gefüllte Zellhöhlung übrig, während die weit
beträchtlichere Verdickung der äussersten Zellen das Lumen derselben sehr
einschränkt. Bisweilen umschliesst der Kork wenig ausgedehnte Strecken
des Parenchyms der inneren Rinde. Wenn auch diese Borkenbildung nicht
ausgezeichnet ist, so tritt sie doch so frühe auf, dass selbst in den jüngsten
Stücken nur wenige, etwas tangential gedehnte Zellenreihen der Mittelrinde
zu unterscheiden sind. In stärkeren Exemplaren grenzt die Innenrinde fast
unmittelbar an den Kork. Die gelben Bastkeile derselben lassen sich durch
die Loupe sehr gut verfolgen, obwohl sie meist nur in ihren letzten Aus-
strahlungen vereinzelte Gruppen von 2 — 9 (seltener mehr) geschichteten
und ganz verdickten, 15 — 30 Mikromill. dicken Baströhren zeigen. Das
übrige Gewebe der Innenrinde ist aus kubischem Parenchym gebildet, ab-
wechselnd mit axial verlängerten, doch nicht spitzendigen Zellen, deren
wenig verdickte Wände im Querschnitt oft etwas verbogen sind (Hornbast).
Die 2- bis 3reihigen Markstrahlen, welche in ungleichen Abständen die
Innenrinde durchsetzen und sich im peripherischen Gewebe bedeutend er-
weitern, sind wenig ausgezeichnet.
Durch das ganze Parenchym, mit Ausnahme des Korkes, kommen zahl-
reiche, übrigens nicht abweichend gebaute Zellen mit festem, dunkelbraunem
Inhalte vor, besonders zahlreich und ununterbrochene, oft sehr ausgedehnte
Streifen oder tangentiale Reihen darstellend, sind diese Farbstoffzellen in den
äussersten Schichten, aber auch in den verbreiterten Markstrahlen bilden
sie oft radiale, unterbrochene Reihen. Ihr Inhalt widersteht dem Kali ziem-
lich, wird aber von Schwefelsäure hellgelb, von Eisensalzeu dunkler gefäiht
und vou Weingeist nur wenig gelöst.
Cortex Cascavillae.
437
Zahlreiche andere, überall zerstreute Zellen führen mehr oder weniger
gelb gefärbtes ätherisches Oel. Die Markstrahlen zellen enthalten sehr häufig
eine Krystallrosette von Kalkoxalat, aber auch in dem übrigen Gewebe sind
dieselben nicht selten. Statt der Krystalldrusen scliliessen manche Zellen
der äussersten Schichten ein einzelnes, grösseres, wohl ausgebildetes Krystall-
individuum, meist kurzes mouoklinisches Prisma, ein. Die grössten der-
selben messen ungefähr 30 — 35 Mikromillimeter. Drusen und einzelne
Krystalle kommen oft dicht neben einander in ganz gleich gebildeten Zellen
vor, bisweilen finden sich Prismen, welche im Innern die Umrisse kleinerer
Krystalle erkcunen lassen, als ob die grösseren Formen einem Aggregate
kleinerer ihren Ursprung zu verdanken hätten.
Den Hauptinhalt des ganzen Gewebes jedoch bilden kleine , höchstens
6 — 8 Mikrom. messende kugelige Stärkekörner, welche ziemlich gleich-
mässig durch die ganze Rinde verbreitet sind, wo nicht Krystalle, Farbstoff-
zelleu oder ätherisches Oel den Raum einnehmen. Sogar die innersten
Zellenreihen des Korkes enthalten zum Theil Stärke.
Die Cascarill- Rinde riecht schwach, aber eigenthümlich , doch nicht
eben angenehm und schmeckt stark bitter und aromatisch. Stoffe der
letzteren Art sind sonst in der Familie der Euphorbiaceen nicht gerade
häufig.
Das ätherische Oel, wovon die Rinde höchstens etwa % — 1 pC. liefert,
riecht eigenthümlich, etwas campherähulich und ist nach Völckel ein
Gemenge von schon bei 173°C. siedendem Kohlenwasserstoffe mit einem
sauerstoffhaltigen Oele von höherem Siedepunkte. Es scheint bisweilen
auch von blauer Farbe erhalten zu werden.
Nach Prommsdorff enthält die Rinde 15 pC. Harz, aus einem sauren,
d. h. in Alkalien löslichen und einem indifferenten Antheile bestehend.
Dasselbe entspricht vermuthlich dem Inhalte der oben beschriebenen Farb-
stoffzellen. Ungefähr gleichviel beträgt, wie es scheint, das Gummi der
Rinde.
Duval hat (1845) den Bitterstoff der Rinde, das Cascarillin, in
höchst bitteren, farblosen Nadeln oder sechsseitigen Tafeln erhalten, welche
sich in Wasser wenig lösen und deren Zusammensetzung und chemische
Funktionen noch unbekannt sind.
Die Cascarilla wurde in Europa zuerst 1684 von Stisser in Braun-
schweig beschrieben und empfohlen, 1692 auch von Salat in Valence.
Die Spanier brachten damals die Rinde etwa seit 1670, und zwar zunächst
zum Aromatisiren des 1 abaks , nach Europa und benannten sie mit dem
allgemeinen Ausdrucke Cascarilla, feine Rinde (Diminutiv von Cascara,
Kinde), den sie auch den Chinarinden beilegten. Dieser Umstand und das
nicht unähnliche Aussehen dünnerer Chinarinden magVeranlassung gewor-
den sein, die Cascarilla als falsche oder aromatische Chinarinde aufzuführen
wie das schon 1693 von Dale geschah, obwohl der Geschmack allein sie
438
Einden.
leicht unterscheiden lässt. Uebrigens bedeutet ja auch Quiua (vergl. S. 416)
nichts anderes als Rinde.
Den bei uns ganz eingebürgerten und unzweideutigen Rainen Cascarilla
verdrängen zu wollen, ist unzweckmässig.
Eine in harten, rinnen- oder röhrenförmigen, bis 0,005"‘ dicken Stücken
unter der Cascarilla vorkommende, ihr im ganzen ähnliche Rinde unter-
scheidet sich hauptsächlich dadurch, dass die dünne, hellgraugelbliche Kork-
schicht fester haftet und da, wo sie etwas abgescheuert ist, ein feines Netz-
werk quer gestreckter, enger Maschen zeigt. Die hellgelbliche Mittelrinde
ist höchstens 1 Millimeter stark, die dunkelbraune, deutlich schlängelig-
strahlige und kurzfaserig brechende Inuenrinde daher bei weitem vorherr-
schend. Die Mittelrinde enthält sehr zahlreiche Gruppen von ansehnlichen
Steinzellen, in der Iunenriude kommen nicht nur an der Grenze grössere
Bündel schön geschichteter, ansehnlicher Baströhren vor, sondern kleinere
Gruppen derselben finden sich zahlreich in jedem Baststrahle. Im übrigen
stimmt das Gewebe nach Inhalt und Form mit dem der Cascarilla überein.
Cortex Copalchi unterscheidet sich von der eben beschriebenen Rinde
nur durch viel feiuere, neben zahlreichen seichten und kurzen Längsfurchen
schon auf der Oberfläche wahrnehmbare Querrisschen. Der Kork zeigt den-
selben Charakter wie bei der Cascarilla, doch sind seine Zellen weniger
verdickt. In der Mittelrinde sind die Steinzellen vorherrschend, sehr
lang in tangentialer Richtung gestreckt und zu dicht gedrängten Schichten
vereinigt. Der Geschmack etwas feiner, aber ähnlich, doch schwächer,
wie bei der Cascarilla. Die Copalchi -Rinde kam 1817 als Cascarilla de
Trinidad aus Cuba nach Hamburg, später auch aus Mexico und Peru, zum
Theil als Quiua blanca. Nach Schiede (1829) stammt sie von dem mexi-
canischen Strauche Croton Pseudo - China Schlechtendal. Cortex Copalchi
scheint für sich nicht mehr im Handel vorzukommen, sondern nur, wie an-
gedeutet, als Beimengung der Cascarilla, welcher sie sehr nahe steht. Für
Copalchi muss ich auch eiue von Jobst als falsche Cascarilla erhaltene
Rinde erklären, welche sogar in den kleinsten Stücken sich durch faserigen
Bruch der Iunenriude schon äusserlich auszeichnet. Eine 1 855 von Howard
in der Copalchi-Rinde angegebene Base bedarf sehr der Bestätigung.
Unter dem Namen Cortex Malambo oder M a t i a s kommen verschiedene,
zum Theil der Cascarilla ähnliche Rinden vor. Die eine stammt nach Karsten
(1860) von einem in den Küstengegenden Yenezuelas und Neu-Granadas
massenhaft wachsenden Bäumchen Croton Malambo Karsten, welches dort
Torco oder Palo Matias heisst. Den ausgezeichneten Sammlungen der
Herren Dittrich in Prag und Oberdörffer in Hamburg verdanke ich
Malambo -Rinde, welche der Abbildung von Karsten1) wohl entspricht.
Sie bildet mehr flache, bis über 0,005m dicke, mit weichem, hellgrauem,
starkwarzigem Korke bedeckte Stücke von gelblichem, mehr marmorirtem
0 im ersten Hefte der Flor. Columb.
Cortex Cinnamomi zeylanici.
439
als strahligem Querschnitte. Die Korkschicht ist sehr entwickelt und
besteht — ira Gegensätze zur Cascarilla — aus äusserst zahlreichen Lagen
gewöhnlicher würfeliger oder etwas verlängerter Zellen mit dünnen, ver-
bogenen Wänden. Mittel- und Innenrinde sind reich an schön gelben
Steinzellen, letztere auch an verdickten dünnen Baströhren. Die dunkel-
braunen Farbstoffzellen der Cascarilla fehlen, dagegen enthält diese Rinde
viel ätherisches Oel , führt auch kleine Amylumkörner und Kalkoxalat so-
wohl in Rosetten als in grossen, ausgebildeten Einzelkrystallen. Beim Schnei-
den riecht die Malambo -Rinde angenehm zimmtartig, ihr Geschmack ist
aber scharf aromatisch, widrig und anhaltend bitter.
Schon Bonpland u. Humboldt hatten (1814) Angaben über die
Abstammung der Malambo -Rinden gemacht, welche der Vergleichung mit
denen von Karsten bedürftig sind.
Die Malambo- Rinde dient jetzt in Nordamerika in grossem Masstabe
zur Verfälschung von Gewürzen.1)
Nach dem obigen erscheint für die Cascarill - Rinde besonders bezeich-
nend die starke Verdickung der Korkzellen , vorzüglich in den äussersteu
Schichten, der körnige Inhalt derselben, die dunkelbraunen FarbstofFzellen,
der Mangel an Steinzelleu, die verhältnissmässig schwache Ausbildung des
Bastes, vorzüglich seine Armuth an eigentlichen Baströhren, daher auch der
mehr körnige und ebene als splitterige Bruch, endlich das weitläufige, nicht
• engmaschig-cjuerfurchige Netzwerk der Oberfläche oder der von dem leicht
abspringenden Korke entblössten Mittelriude.
Eine genauere, auf ausreichendes und authentisches Material gestützte
anatomische und chemische Bearbeitung aller hier unter Cascarilla erwähn-
ten Rinden bleibt sehr zu wünschen übrig.
Cortex Cinnamomi zeylanici.
Cinnamomum acutum. Zimmt. Ceylon-Zimmt. Kaueei. Cannelle de Ceylan.
Cinnamom.
Cinnamomum zeylanicum Breyn. — Laurineae .
Syn.: Laurus Cinnamomum LinnA
Kleiner, höchstens 50Fuss hoher, mit schönen immergrünen Blättern
i eich besetzter Baum, hauptsächlich im südwestlichen Küstenstriche Cey-
lons Gegenstand grossartiger Kultur. Die in andern Theilen der Insel vor-
kommenden Bäume geben eine weniger feine Waare; eben so wenig gelingt
es, in andern Tropenländern, wohin der Zimmtbaum verpflanzt wurde,
z. B. in Vorderindien, Java, Sumatra, Malacca, Cayenne, Brasilien, eine
dem Ceylon-Zimmt gleichartige Rinde zu erhalten.
Obwohl, nach Emerson Teunant vielleicht ursprünglich eher in
D Proc. of the American. Pharm. Ass. 1859. 255.
440
Rinden.
Nordost-Afrika (??) als auf Ceylon einheimisch,1) scheint dennoch die Pflanze
nur auf letzterer Insel im vollen Masse die günstigsten Kulturbedingungen
zu finden und zwar ausschliesslich in jenem beschränkten Bezirke der
Insel. Feiner weisser Quarzsand oder sehr sandiger Thonboden mit gutem
Untergründe, reichlich der Sonne und dem Regen ausgesetzt, eignet sich
am besten für die „Zimmtgärteu“, deren verschiedene Lage und Pflege
aber immerhin noch von grossem Einflüsse auf die Güte der Sorte ist Die
besten Zimmtgärteu liegen ausschliesslich in dem 4 — 5 Stunden breiten,
ebenen Küstensaume zwischen Negumbo, Colombo und Matura bis höch-
stens 1500 Fuss über Meer. — Die Erde der weitläufigen Gärten bei Colombo
fand John Davy schneeweiss, aus 98Va pG. Kieselerde bestehend und erst
in einer Tiefe von eiuigeu'Zolleu grau. Zu üppiger Boden erzeugt geringe,
schwammige Rinde.
Die Kultur unterdrückt durch Zurückschneiden die eigentliche Stamm-
bildung des Zimmtbaumes und erzieht nur jeweileu einen Busch von 4 — 5
etwa 10 Fuss hohen Schösslingen (Stockausschlägeu), welche im Alter von
l’A — 2 Jahren geschnitten werden, sobald die grau-grüne Oberhaut der
Rinde sich durch reichliche Korkbildung zu bräunen begiunt; die Triebe
sind alsdann etwa 0,015“ dick. Man lässt aber auch, wie es scheint, die
Wurzel selbst nicht allzu alt werden, sondern erneuert durch Aussaat oder
durch Stecklinge von Zeit zu Zeit die Pflanzung; 2 — 3 Jahre genügen, um
aus Samen gute Rinde zu gewinnen. Schon die äusseren Schösslinge liefern
eine geringere als die in der Mitte des Busches stehenden; namentlich
die Spitzen der letzteren geben die feinste Waare, welche durchaus nur
durch eine solche Kultur erzielt werden kann. Aeltere Triebe, Aeste oder
gar Stämme bieten in ihren Rinden nicht mehr die gewünschte Mischung
der chemischen Bestandteile dar.
In Folge vermehrten Safttriebes, welcher nach starken Regengüssen im
Mai und Juni und dann wieder im November und December eiutritt, lässt
sich in diesen zwei Zeitpunkten die Rinde leicht vom Holzkörper ablösen,
so dass im Frühjahr eine Haupternte und im Spätjahr die Nachernte, kleine
Ernte, stattfindet.
An den entlaubten abgeschuittenen Schösslingen wird iu Entfernungen
von je etwa 1 Fuss die Rinde ringsherum durchgeschnitteu, hierauf der
Länge nach aufgeschlitzt und durch Einschieben eines eigenen Messers,
nötigenfalls nach einigem Klopfen mit dem Hefte, leicht und vollständig -
abgezogen. Die bitterlich-zusammenziehend schmeckende Oberhaut (Ausscu-
rinde) wird durch sichelförmige Schabeisen abgeschält, wobei man die
Rinde auf oder um einen Stock von entsprechender Dicke legt. Die im
l) Thwaitcs (Enumcrat. plaut. zcylanic) hält dagegen wohl mit mehr Grund Ciunam.
zcylanicuni für unzweifelhaft auf Ceylon einheimisch; der Baum finde sich in mehreren Varie-
täten von der Küste bis zu 8000 Fuss. — Nach Scherzor wäre er auch in Cochinchina
(Facton) ursprünglich zu Hause. — Tcnnant’s Ansicht gründet sich wohl nur auf eine uralte
Hcrodotische Eabel.
Cortex Cifitiaraomi zeylanici. 441
frischen Zustande weissliche Farbe der Rinde geht erst durch das Trocknen
in braun über.
Je 8 — 10 Halbröhren werden in einander gesteckt, durch die Scheere
in bestimmter Länge abgeschnitten, im Schatten getrocknet, sortirt und in
kleinere Bündel zusammengelegt, woraus schliesslich grössere Ballen (Far-
delen Q geformt werden, die mau häufig, nach einem eigentümlichen Handels-
gebrauche, in den Schiffsräumen mit schwarzem Pfeffer bedeckt, angeblich
um die Feuchtigkeit vom Zimmt abzuhalten. — Nach Schätzler beträgt
dieselbe bei lufttrockenem Ceylon-Zimmt 12 pC.
Auch die übrigen Theile des Zimmtbusches ausser der Rinde werden
verwertet. Die schwach, aber unangenehm riechende Blüte entwickelt
eine kleine wachliolderbeerartige Frucht, welche ein schwach aromatisches,
festes Fett liefert ; die sehr ästige Wurzel gibt bei der Destillation mit Wasser
Kamplier, der indessen nicht Gegenstand des Handels ist. Die Blätter riechen
und schmecken beim Zerreiben nicht nach Zimmt, sondern nelkenartig;* 2)
ihr schweres, dunkles, ätherisches Oel ist ein Gemenge von Nelkeusäure,
Benzoesäure und einem mit Terpenthinöl isomeren Oele und gleicht sehr
dem Gewürznelkenöle, unter welchem Namen es auch in den Handel zu
gelangen scheint.
Die Rindenabfälle werden zur Destillation des ächten Zimmtöles benutzt
und dienen auch wohl schliesslich noch zum Düngen der Zimmtgärteu. —
Das Holz des Zimrnts ist sehr wenig gewürzhaft.
Der käufliche Ceylonzimmt besteht nach dem obigen aus der Mittel-
rinde und Innenrinde (Bastschicht) mit Ausschluss der Aussenrinde und
eiues mitabgeschabten kleinen Theiles der Mittelrinde, so dass die Dicke
der trockenen Waare nur etwa V-t Millimeter erreicht. Die einzelnen, dicht
in einander steckenden Rindeu sind nicht einfach spiralig, sondern von bei-
den Seiten eingerollt („Doppelröhren“) und bilden zusammen eine etwa
0,01m dicke und bis lm lange, etwas platte Röhre von hellbräunlich ge-
färbter, matter Oberfläche, welche von sehr zahlreichen glänzenden, weissen
Längsstreifen durchzogen ist und da und dort Narben oder Löcher an der
Abgangsstelle der Blätter oder Zweige trägt. Breite , Abstand und Rich-
tung der hellen Streifen von Bastfasern auf der Oberfläche der Handels-
waare wechseln manigfach; doch sind unregelmässige Biegungen, Wellen-
linien oder Kreuzungen vielleicht etwas weniger häufig als paralleler, ziem-
•lich geradliniger Verlauf. Bisweilen ist auch eine Andeutung von Quer-
streifung bemerklich , vermuthlich den Rissen der beseitigten Aussenrinde
entsprechend.
Die unebene Innenfläche der Rinde ist etwas dunkler, stellenweise
warzig; der Querschnitt bietet eine äussere helle, scharf abgegrenzte und
)) Fardclo, fardello der romanischen Sprachen bedeutet Bündel.
2) Die Rinde von Cinnamomum citriodorum Thwaites enthält ein Oel von Citronen
geruch.
442
Rinden.
eine innere, dunklere Hälfte. Aus dem kurzfaserigen Bruche ragen zahl-
reiche weisse Bastbüudelchen hervor.
Die Oberfläche des Ceylon-Zimmts ist gebildet aus einer 2 — 3reihigen
Lage braunrother, etwas tangential gestreckter, durch das Schälen zum
Theil aufgerissener Zellen der Mittelrinde. Die glänzeuden weissen Streifen,
welche diese Reste der Mittelrinde durchziehen, sind kleine, in grösserer
Zahl zu vereinzelten Bündeln vereinigte, farblose, ganz verholzte Baströhren,
die aus einer hellen, körnigen Schicht von Steiuzellen hervortreten. Diese
bilden einen ununterbrochenen, fest zusammenhängenden Ring von 1 — 3
Reihen grosser, dickwandiger, poröser, eckig-kugeliger oder etwas tangen-
tial tafelförmig gestreckter Zellen, zwischen welche nur einzelne Bastgruppen
eingestreut sind. Dieser schwach gelbliche Steinzelleuring hebt sich sehr
scharf von dem nach innen folgenden braunrothen Mittelrinden-Parenchym
ab, welches ganz dem dünnen, die Steinzellen bedeckenden Gewebe gleicht,
aber noch mehr tangential gestreckt ist; es enthält nur ungefähr 10 Reihen
verhältnissmässig sehr dickwandiger Zellen und da und dort einzelne Bast-
röhren. Diese letzteren treten zahlreicher, in weitläufige Reihen geordnet,
in der Innenrinde auf, die ausserdem vou schmalen, etwas dunkleren Mark-
strahleu durchschnitten und von einzelnen, sehr grossen Gummizellen unter-
brochen ist. Das ausfüllende (Bast-) Gewebe der Innenriude besteht beson-
ders in den innersten Schichten aus zartem Prosenchym, dessen Wände im
Querschnitte häufig unregelmässige Windungen zeigen.
Auf dem Längsschnitte erscheinen die Baströhren von bedeutender
Länge , besonders zierlich auf dem tangentialen Schnitte durch die Stein-
zelleu, welche sie durch leichte Biegungen in unregelmässige Felder abtheilen.
Die grossen Gummigänge der Innenrinde erblickt man im Längsschnitte
als eiförmige, nur wenig gestreckte, meist entleerte Schläuche mit derber
Wandung. Sie sind nicht von besonderen, zarteren Zellen umgeben, wie
z. B. die Oelgänge in den Wurzeln der Compositen.
Die Mittelrinde, zum Theil auch die Steinzellen, enthält reichlich kleine
Amylumkömer; braunrother Farbstoff durchdringt alle Zellwände und
Zwischenräume, besonders in der Mittelrinde und in den Markstrahlen, mit
Ausnahme der Steinzellen, der Baströhren und der Gummigänge. Diese
letzteren zeigen, trüben, feinkörnigen, farblosen oder nur schwach gelblichen
Inhalt, vermuthlich in der That Gummi. Eigene Oelzelleu fehlen; das äthe-
rische Oel dürfte wohl, vielleicht mit Harz, in den tief brauurothen Zwischen-,
räumen und den dicken Zellwänden sitzen.
Der Geruch des Ceylon-Zimmts zeigt das bekannte feine, specifische
Aroma; der Geschmack ist feurig gewürzhaft, zugleich süss uud sehr wenig
schleimig, aber nicht zusammenziehend.
Der hervorragendste Bestandtheil des Zimmts ist das ätherische Oel,
wovon nach Schmarda die Abfälle ungefähr V« pC. geben. Auch nach
andern Angaben scheint die Ausbeute au ätherischem Oele überhaupt me
1 pC. zu erreichen.
Cortex Cinnamomi zeylanici.
443
Dieses Oel besteht grösstentheils aus 09H80 (Cinnamylwasserstoff),
dem Aldehyd der Zimmtsäure (£9H3-02), neben einem veränderlichen
Autheile von Kohlenwasserstoffen; es ist etwas schwerer als Wasser. Durch
Sauerstoffaufnahme geht es, zum Theil schon in der Rinde, leicht in Harz
und Zimmtsäure über, wie Trommsdorff schon 1780 bei destillirtem
Zimmtwasser wahrnahm. Es unterscheidet sich also wesentlich vom äthe-
rischen Oele der Blätter.
Auch Zucker, Gummi und Gerbsäure kommen in der Zimmtrinde reich-
lich vor; letztere wohl in grösster Menge in der (abgeschabten) Aussenrinde.
Der feinste Ceylonzimmt gab Schätzler getrocknet 5 pC. Asche, vorherr-
schend aus Kalk- und Kali-Carbonat bestehend.
In jedem anderen Lande, wohin Cinnamomum zeylanicum noch ver-
pflanzt wurde, hat man, zum Theil wegen seiner Neigung zum Ausarten,
zum Theil auch wohl wegen nicht sorgfältiger Kultur, eine durch grössere
Dicke oder durch abweichende Mengenverhältnisse der chemischen Bestand-
theile bestimmt verschiedene Rinde erhalten. So besitzt der sonst ähnliche
oder etwas dickere Java-Zimmt schwächeren Geruch und Geschmack;
die in Cayenne \md Brasilien gewonnenen Sorten sind weit stärker
und dunkler, erstere zumal noch mit der Aussenriude bedeckt, schmecken
schleimig und scharf adstringirend. — Die 1825 begonnene javanische
Produktion, von 1853 — 1857 durchschnittlich jährlich gegen 2000Centner,
ergab nicht befriedigende Resultate.
Auf dem Festlande Indiens (Malabar, Silhet und Ost- Bengalen) artet
Cinnamomum zeylanicum, obwohl vielleicht dort ursprünglich einheimisch,
so aus, dass schon Linne diese Varietät als Laurus Cassia unterschied.
Die Rinde dieses 50 — 60 Fuss hohen Baumes kömmt meist noch mit dem
grauen Korke bedeckt und nicht in einander steckend, als Holzkassia,
Malaba r-Zimmt, Cassia lignea in den Handel und dient wohl nur zur
Verfälschung des (gepulverten) ächten Zimrnts. Sie riecht und schmeckt
schwach zimmtartig, nicht angenehm (bisweilen an den Wanzengeruch der
Cort. Massoy erinnernd), vorherrschend schleimig und herbe. Es fällt
auf, dass in dieser Riude der Steinzellenring nur sehr wenig entwickelt ist.
Unter dem Namen Cassia vera und Cassia lignea finden sich übrigens
im Handel äusserst verschiedene Rinden von nicht näher bekannter Ab-
stammung, welche sich zur Verfälschung des Zimrnts eignen, obwohl sie
alle mehr schleimig und herbe schmecken als gewürzhaft süss und weit
dicker zu sein pflegen. Manche dieser Rinden kommen aus Canton und
mögen wohl Stämmen oder dickeren Aesten des Cinnamomum aromaticum
entnommen sein. Eben so wenig lässt sich der Ausdruck Caneel genau
definiren, da er sowohl dem ceylonischen als auch (seltener) dem chinesi-
schen Zimmt beigelegt wird, und ursprünglich in der Sprache der früheren
Vermittler des Gewürzhandels, der Venetiauer oder Portugiesen, canuella
oder canella nur eben (aromatische) Röhren bezeichuete.
Der Name Zimmt, Cinnamomum, scheint aus dem Singhalesischen
444
Rinden.
Kacyu (Holz) — naraa (süss) oder dem Malaischen Kaiua (Holz) und
manis (süss) zu stammen und auf den liinteri ndisclien Ursprung des Ge-
würzes hinzudeuten, welches schon Phöuicier und Hebräer unter Kinnamon,1)
die Griechen unter Kinnämömon verstanden und das später die Araber und
Perser noch deutlicher als Dar (Holz oder Rinde) Ohini (der Chinesen) be-
zeichnet hatten. In Indien fehlt ein altes Sanskritwort für Ceylon -Zimmt.
Schon zu Alexanders des Grossen Zeit, bis ins XI. Jahrhundert, gelangte
Zimmt durch den Persischen Golf und durch Mesopotamien ins Abendland.
Woher aber die damals noch seetüchtigen Chinesen oder später, wenigstens
seit dem Y. Jahrhundert, die Araber den Zimmt brächten, ist nicht ermit-
telt; Ceylon wird so früh noch nicht als sein Vaterland genannt. Es ist da-
• her sehr wohl möglich, dass das Alterthum nur unseru heutigen chinesischen
Zimmt, die Zimmtcassia, oder aber den Malabarischen Zimmt hatte und
dass erst später Zimmt von Ceylon durch die Araber geholt wurde. Unge-
wiss ist es, ob Ciunamomum zeylanicum, nach Emerson Tennant's
Meinung, ursprünglich auf Ceylon fehlte, oder in frühester Zeit eben nur
nicht zum Export ausgebeutet wurde.
Ibn Batuta erwähnt schon 1340 Zimmtbäume bei Colombo, und im
folgenden Jahrhundert besuchte und schilderte der veuetianisehe Kaufmann
Nicolo Conti2) um 1444 die Zimmtinsel „Saillana“ (Ceylon). Treffend
sagt er: „Ciunamomum quoque fert plurimum. Arbor ea est simillima
„crassioribus salicibus nostris, praeterquam quod rami non in altum, sed
„patuli extenduntur in latum: folia simillima licet raajora, laurifoliis: ra-
„raorum cortex melior est, isque subtilior: trunci crassior in/eriorque
„ sapore . Fructus ejus baccis lauri similis, ex quibus elicitur oleum odori-
„ferum uuguentis quibus admodum Iudi utuntur accomodatum. Ligna nndato
„cortice comburuntur.“
Die Umschiffung des Caps hatte die Auffindung Ceylons durch die Por-
tugiesen (1505) und, hauptsächlich des Zimmts wegen, von 1518 — 1536
ihre dauernde Niederlassung auf der Insel zur Folge. Erst seit dieser Zeit
beginnen genauere Nachrichten über den Zimmt; man unterschied, nun
(Garcias ab Horto, um 1600) bestimmt deu „aus feinen Röhrchen innerer
Rinde“ bestehenden ceylonischen Zinnnt von dem unächten aus Malabar
und Java. Ersterer war damals vierzigmal, 1644 nur noch fünfmal
theurer als der zweite. Schon 1571 sah Clusius einen Zimmtbaum in Brügge.
Aber dieser Ceylonziramt mag wohl unserer heutigen durch die Kultur
veredelten Waare noch nicht gleich gekommen sein, indem er in den Wäl-
dern des Kaudy -Reiches, im Innern der Insel, geschnitten wurde, dessen
Königen die Portugiesen bedeutenden Tribut in Zimmt auferlegten. Eine be-
sondere Kaste von Zimmtsckäleru, Clialiahs, welche erst gegen Anfang
1) In den Recepten des unlängst von D ümichou entdeckten uralten Tempollaboratoriums
von Edfu in Aegypten erscheint auch, neben Myrrhe und anderen Gewürzen Kaiua- maa
(Brngsch et Diimiclien, Recneil de monum. egy.pt. Lpzg. 1866).
2) Kunstmann, Kenutniss Indiens im XV. Jahrh. — München 1863, S. 39.
Cortex Cinnaraomi zeylanici.
445
des XHI. Jahrhunderts nach Ceylon berufen worden sein sollen, lieferten
den Portugiesen die Rinde. Die unmenschliche Sklaverei dieser Chaliahs
wurde durch die Holländer nicht erleichtert, welche von 1658 an völlig
Meister der Insel waren und ihrer ostindischen Compagnie den Zimmthandel
als äusserst einträgliches Monopol überliessen , das sie mit grösster Härte
handhabte. — Die Rinde wurde durch eigene Revisoren , Apotheker und
Aerzte, genau untersucht, um Betrügereien der Chaliahs zu verhüten.
De Koke hatte um 1770 den glücklichen Gedanken, im Widerspruche
mit dem allgemeinen Vorurtheile zu Gunsten des wild wachsenden Zirmnts,
dessen künstlichen Anbau zu versuchen, was unter den Gouverneuren
Fa Ick und van der Gr aff mit ausserordentlichem Erfolge durchgeführt
wurde, so dass die Holländer jetzt völlig unabhängig vom Kandy- Reiche
alljährlich etwa 400,000 Pfund zu erzeugen, damit den ganzen europäischen
Bedarf zu decken und dieses Geschäft völlig zu beherrschen vermochten,
so dass sogar nach einigen Berichten in Holland Zirnmt verbrannt wurde,
nur um den Preis in der gewünschten Höhe zu erhalten.
Nach der Besitznahme Ceylons durch England (1796) wurde der Zimint-
haudel Monopol der englisch- ostindischen Compagnie, welche nun wieder
mehr Zirnmt aus den Wäldern ausführte, besonders seit 1815, wo das Reich
Kaudy eingezogen wurde; doch scheint die jährliche Ziinintproduktiou
höchstens Million Pfund erreicht zu haben (ein Ueberschuss sollte sogar
verbrannt werden) , obwohl die Zahl der Chaliahs auf 16,000 gestiegen
war. Ihre Lage wurde erst besser, als 1833 endlich das der Compagnie
verliehene Monopol aufgehoben wurde. Der Zirnmt blieb aber mit einem
Ausfuhrzölle von Va — 7s seines Werth es belastet, so dass die Kultur nach
und nach unter der Konkurrenz des von den Holländern auf Java erzeugten
und des chinesischen Zimmts zu leiden begann. Erst 1853 fiel dieser Zoll
weg. — Jetzt nehmen die sämmtlichen Zimmtgärten Ceylons etwa 1 geogr.
Quadratmeile1) ein und erzeugen jährlich gegen 900,000 Pfd. Rinde, im
Werthe von über 1 Mill. Franken. Zwischen 1836 und 1857 producirte
Ceylon durchschnittlich etwa 400,000 Zirnmt jährlich ; zwischen 1855
und 1860 über 700,000 jährlich; 1842 nur 121,000 /d , 1844 aber
1 Million M , 1860 wieder 675,000 f/ , 1861 ebenfalls 845,000 Pfd. —
Der Gesammtwerth der ganzen jährlichen Ernten an Ceylon -Zirnmt dürfte
nach Scherz er IV4 Million Francs kaum mehr übersteigen, während für
die Cassia (Cortex Ciuuamomi chinensis und Surrogate) 7 '/s Millionen an-
zunehmen sind.
Der Kaffee beginnt in neuester Zeit den Zirnmt fast von Ceylon zu
verdrängen.
0 Nach anderen Angaben ans den Jahren 1860 1864 nur 14,400 Acres = 5827
Hcctares = 23,000 preussische Morgen.
446
Rinden.
Cortex Cinnamomi chinensis.
Gort. Cinnamomi Cassiae. Cort. Cassiae cinnamomeae. Chinesischer Zimmt.
Zimmtkassie. Kaneel. Cannelle de Chine. Chinese cinnamom. Cassia hark.
Cinnamomum Cassia^) Blume. — Laurineen i.
Syn. : Cinnamomum aromaticum Chr. Nees.
In Annam (Cochinchina) und der anstossenden südlichsten Provinz
Chinas, Kuangsi;* 2) apch noch wenig nördlich in der Provinz Hunan ein-
heimischer, dort so wie auf den Sunda-Inseln und in Vorderindien (Malabar)
cultivirter Baum, durch höheren Wuchs und hellgrüne, lanzettliche, 3nervige
Blätter von Cinnamomum zeylanicum verschieden, dessen dunkelgrüne,
ovale Blätter 3 — 5 Nerven tragen.
Der chinesische Zimmt unterscheidet sich vom ceylonischen durch be-
deutend stärkere und festere Röhren, deren Dicke selten weniger als 0,00 lm,
aber oft über das doppelte beträgt. Gewöhnlich kommen sie einzeln, sel-
tener zu mehreren in einander gesteckt vor und meist nur einfach spiralig
eingerollt.
Die Oberfläche ist weniger glatt, einförmig und etwas dunkler braun,
stellenweise noch mit grauem Korke bedeckt. Noch dunkler, etwas ins
Röthliche spielend, ist die Innenfläche.
Der Bruch ist nicht faserig; in der Mitte der Rinde erscheint eine feine
weisse Linie und einzelne weisse Punkte ausserhalb derselben.
Die Aussenrinde, welche besonders die Ränder noch stellenweise
bedeckt, besteht aus mehreren Schichten rundlich -eckiger, flacher Kork-
zellen, von denen einzelne Reihen braunrothen Farbstoff enthalten. Das
lockere, selbst liickige Parenchym der Mittelrinde ist aus tangential gestreck-
ten, porösen, braunen Zellen gebildet, zwischen denen einzelne grössere,
dickwandige Zellen, sehr vereinzelte Baströhren und mehr nach innen
Gruppen von zahlreichen Baströhren Vorkommen, auf welche eine Zone
gleicher Steiuzellen folgt, wie im ceylonischen Zimmt. ln der chinesischen
Rinde aber bilden diese Steinzellen nicht einen fest zusammenhängenden
Ring, sondern sind häufig durch das Parenchym unterbrochen, und zer-
streute Gruppen von Steinzellen sind auch in der Innenrinde nicht selten.
Dieselbe besitzt ausserdem zerstreute Baströhren und grosse Gnmmigänge
und wird von ziemlich breiten Markstrahlen durchschnitten. Der innerste
Theil der Innenrinde besteht aus im Querschnitte engen, sehr regelmässig
geordneten Zellen, welche allmälig gegen die Steinzellenregion hin grösser
werden, so dass dieses Gewebe dem entsprechenden des Ceylon -Zimmts
nicht gleicht.
Der Inhalt der Gewebe des chinesischen Zimmts ist derselbe wie beim
ceylonischen; nur ist ersterer an Amylum verhältnissmässig reicher, indem
1) nicht zu verwechseln mit den verschiedenen Laurus Cassia älterer Antoren, Spielarten
von C. zeylanicum.
2) das Wort soll Zimmtwald bedeuten.
Cortex Mezerei.
447
das ganze Gewebe, selbst die nicht ganz verholzten Steinzellen, davon er-
füllt ist. Auch die Gummigänge sind im chinesischen Zimmt zahlreicher
und die Gerbsäure in grösserer relativer Menge vorhanden.
Dem entsprechend schmeckt auch dieser Zimmt weniger fein gewürz-
haft, mehr scharf adstringirend und schleimig als süss. Trotzdem ist der
Verbrauch desselben sehr gross. Hamburg allein führte z. B. 1863 davon
über 20,000 Kisten und 33,000 Matten ein. In England, dessen Bedarf
etwa 172 Million Pfund jährlich ausmacht, hat er den Ceylonzimmt über-
flügelt.
Das ätherische Oel, Oleum Cassiae , beträgt ungefähr lpC., durch-
schnittlich, wie es scheint, etwas mehr als im ceylonischen Zimmt und
stimmt im wesentlichen mit dem des letzteren überein,1) obwohl sein Geruch
weit weniger fein ist. — Eine sorgfältige Kultur, wie die ceylonische,
scheint auf Cinnamomum aromaticiun nicht verwandt zu werden, dürfte
aber wohl in jüngeren Trieben auch ein feineres Oel ergeben.
E. Brennend scharfe Rinde.
Cortex Mezerei.
Seidelbastrinde. Kellerhalsrinde. Zeiland.2) Ecorce de Laureole femelle ou
de Garou, bois gentil. Spurge laurel bark.
Daphne Mezereum L. — Daphnoideae.
Die Stammrinde, bisweilen auch die Wurzelrinde dieses in den meisten
Ländern Europas und Nordasiens ziemlich verbreiteten Strauches. Er geht
bis gegen den Polarkreis und erhebt sich in unsern Breiten hoch in die
Voralpen, ist aber seltener in England (vielleicht eingewandert?) und fehlt
in Irland.
Die sehr zähe, faserige Rinde lässt sich leicht in langen Streifen sowohl
vom Stämmchen und den Zweigen als auch von der langen Wurzel ab-
ziehen. Sie wird zur Winterszeit gesammelt und in runde oder längliche
Rollen mit etwa 0,02™ breitem Bande und nach aussen gekehrtem Baste
aufgewickelt. Die Dicke der Rinde übersteigt nicht leicht 0,001™ ; aussen
ist sie mit graubraunem, je nach dem Alter plattem oder etwas höckerigem
und rissigem Korke belegt, welcher sich ablösen lässt und eine dünne,
grüne Schicht bedeckt. Die schwach gelblich - grüne Innenseite der Rinde
ist sehr glatt und glänzend, fein und kurz längsstreifig. Die Seidelbastrinde
lässt sich leicht quer schneiden, aber nicht brechen, sondern nur zerfasern.
Die Wurzelrinde ist hell grau-gelblich oder bräunlich, ohne Chlorophyll-
schicht, aber etwas dicker, stark längsrunzelig, mit schwammigem
Korke. Derselbe bildet sehr zahlreiche Lagen dünner, tangential" ge-
streckter 1 afelzellen mit braunem Inhalte , welche zu äusserst durch tan-
') nach Bnignet jedoch (1861) wären die Brechungsexponenten wesentlich verschieden.
) Cilant im althochdeutschen schon vor dem XII. Jahrhundert.
448
Rinden.
gentialc Theiluug sehr schmal, im Innern, besonders in der Wurzel, etwas
weiter sind. Die letzte Korkzellenreihe ist farblos und hängt fest zusammen
mit grossen, tangential gedehnten, oft etwas gestreiften, chlorophyllhaltigeu
Parenchymzellen, welche in etwa 10 Reihen die Mittelriude bilden. Diese
hängt nur lose mit der Innenrinde zusammen, in welcher zahlreiche Grup-
pen enger Baströhren auftrcteu, die weiter nach innen völlig in glänzendes,
farbloses Bastprosenchym übergehen, das von schmalen, einreihigen Mark-
strahlen durchschnitten ist. Dieser Bast zeigt theils weitere, bandartige
Zellen mit geschlängelten Wänden, abwechselnd mit lockerem Parenchym,
theils dünne, einfache Baströhren von sehr bedeutender Länge.
Die Mittelrinde enthält nicht sehr reichlich Amylumkörner, doch nur in
der Wurzel von ansehnlicher Grösse.
Frisch riecht die Rinde unangenehm, trocken gar nicht mehr, schmeckt
aber immer, selbst nach langer Aufbewahrung, äusserst scharf und anhal-
tend brennend, Röthung der Haut bewirkend oder selbst Blasen ziehend.
Der blasenziehende Bestandtheil, vermuthlich Harz (Fett?), scheint in der
Mittelrinde allein enthalten zu sein; die Früchte des Seidelbastes („ Semen
Coccognidii“) lieferten Martins über 40 pC. fettes, blasenziehendes Oel,
das auch in der. Stammriude enthalten zu sein scheint.
Als Daphnin war schon ein 1808 von Vauquelin aus Daphne alpiua
dargestellter krystallisirter Stoff bezeichnet worden, den später L. Gmelin
und Bär auch in der Rinde von D. Mezereum nach wiesen. Das Daphnin
wurde 1860 von Zwenger als indifferentes, nicht flüchtiges Glykosid er-
kannt, auch das Spaltungsprodukt Daphnetin näher untersucht. Das Daphnin
schmeckt nur bitter und adstringirend und ist in der Rinde in so sehr ge-
ringer Menge enthalten, dass es bei ihrer Wirkung nicht in Betracht kommen
kann. Aeltere Rinde enthält weniger Daphnin; es scheint je nach den Vege-
tationsbedinguugen in sehr wechselnder Menge aufzutreten. Durch trockene
Destillation des Alcohoi-Extractes der Seidelbastrinde erhielt Zwenger,
neben Daphnetin auch Umbelliferon (vergl. bei Radix Sumbul).
Nach Länderer lässt sich durch Destillation der Rinde mit Wasser
ein scharfes, Haut röthendes Oel gewinnen, das schon Vauquelin bemerkt
hatte. Hoyer erhielt von getrockneter Rinde 4 pC. vorwiegend aus Kalk-
und Kalisalzen bestehender Asche.
In Frankreich und ganz Südeuropa benutzt man mehr die Rinde von
Daphne Gnidium L. (Garou. Sain-bois), auch wohl von Daphne Lau-
reola L. (Laureole male), letztere ist aber bedeutend weniger scharf. Die
Unterschiede dieser Rinden wurden von Guibourt (1867) angedeutet,
aber nicht festgestellt.
Die Alten gebrauchten, freilich zu andern Wirkungen, mehr nur die
Früchte von Daphne Gnidium. Erst Tragus lieferte zu Anfang des XVI.
Jahrhunderts eine Beschreibung und Abbildung des gemeinen Seidelbastes
unter dem Namen Mezereum germaniemu. ErsteresWort scheint wohl ara-
bischen Ursprunges zu sein.
Folia Capilli.
449
IY. Blätter und Kräuter.
A. Blätter von Farnen.
Folia Capilli.
Folia Adianti. Herba Capillorum Veneris. Frauenhaar. Capillaire de
Montpellier. Ladies hair.
Adiantum Capillus Veneris L. — Filices.
Das Frauenhaar wächst häufig an feuchten,1) schattigen Felsen und
Mauern wärmerer Gegenden, namentlich im ganzen Gebiete des Mittelmeeres,
auf den Azoren, Canarien und Cap Verden, sogar in den milden Küsten-
strichen Südenglands und Irlands, überschreitet aber vom Süden her die
Alpen nicht.2) Es findet sich weiter in Abyssinieu, Syrien, im Kaukasus,
in ganz Hochasien, am Cap, auf Madagascar, den Sandwich -Inseln, in
Mexico, Central-Amerika und Westindien. Die Blätter (Wedel) erheben sich
büschelförmig bis 0,50m hoch aus einem kurzen Wurzelstocke, an dem
nur 0,001™ dicken, sehr elastischen , aussen und innen glänzend dunkel-
braun-schwarzen Blattstiele, der frei von Spreuschuppeu bleibt. Sie sind
doppelt gefiedert; die Stielchen, welche die Fiedern und Blättchen tragen,
sehr dünn, so dass die Blätter von Wänden und Decken der Grotten und
des Gemäuers sehr zierlich herabhängen und vom leisesten Windzuge ge-
schaukelt werden. Die sehr dünnen, hellgrünen Blättchen sitzen auf kurzen
Stielchen abwechselnd auf dem Blattstiele der Fiedern , sind fast halbkreis-
förmig, mit ungleichem, keilförmigem Grunde, 3 lappig, die stumpfen Lappen
zweitheilig und gezähnt. Das Eudblättchen der Fieder ist grösser, bis 0,03™
Durchmesser erreichend, und tiefer getheilt. Die Form der Blättchen ist im
ganzen sehr unregelmässig und veränderlich. Strahlenförmig vom Blatt-
stiele ausgehende feine, blassgrüne Nerven durchziehen die Blattfläche,
indem sie sich 3 — 5 mal gabelig theilen, aber nicht wieder zusammen-
fliessen.
Der vordere Baud der Blattlappen entwickelt ein häutiges, nur 0,001™
breites, durchsichtiges Schleierchen, das sich auf die untere Blattseite
zurückfaltet und auf seiner inneren Fläche die Früchtchen (Sporangien)
trägt, welche bei der Reife das Schleierchen dunkelbraun erscheinen lassen.
Die Blätter überwintern nicht; sie werden mit den Blattstielen gesam-
melt, verlieren leicht ihre schöne grüne Farbe und zeigen nur beim Zer-
reiben einen schwach aromatischen Geruch. Geschmack süsslich-bitterlich.
*) Ataivto ich benetze; äStavxov imbenetzbar.
2) In der Schweiz, nördlich von den Alpen, nur auf einen einzigen Standpunkt beschränkt;
in den Alpen selbst an den Thermen von Bormio (Veltlin), 1300ra über dom Meer, auch bei
Meran und Botzen.
Flückiger, Pharmakognosie. 29
450
Blätter und Kräuter.
Enthalten wie alle Farne Gerbstoff und Zucker; wohl auch Bitterstoff.
Das Frauenhaar wurde schon von den griechischen und römischen Aerzteu
gebraucht.
Statt des Adiantum Capillus Veneris wird in Frankreich häufig das deut-
licher aromatische Adiantum pedatum L. aus Canada und den nördlichen
Unionsstaaten bis Yirginien unter dem Namen Capillaire du Canada ange-
wendet und sogar höher geschätzt. Es ist einer der zierlichsten nordamerikani-
schen Farne, grösser als das Frauenhaar und durch den starken hellbraun-
rothen, glänzenden, innen lebhaft citrougelben Blattstiel ausgezeichnet,
welcher sich in zwei kurze Aeste theilt, deren jeder 6 — 7 einfach gefiederte
Blätter trägt, welche strahlenförmig (fussförmig) gegen die Gabelung des
Blattstieles gestellt sind. Die Blättchen zeigen dieselbe Grundform wie die
des Frauenhaares, sind aber weit regelmässiger, fast dreieckig; dem durch
zwei sehr ungleich lange geradlinige Seiten gebildeten rechtwinkligen
Grunde gegenüber liegt eine bogenförmig gezähnte oder gekerbte Seite,
mit ähnlichen zurückgeschlagenen, fruchttragenden Schleierchen, wie bei
Adiantum Capillus Veneris. Dieses kanadische Frauenhaar kömmt zu grossen
parallelipedisclien Kuchen fest zusammengepresst nach Europa. Bisweilen
geht statt desselben auch das ähnliche Adiantum trapezifo?’me L. aus
Mexico und Südamerika.
Folia Scolopendrii.
Hirschzunge.1) Zungenfarn. Scolopendre. Langue de cerf ou de boeuf.
Scolopendrium officinaruin Swartz. — Filices.
Wächst an ähnlichen Standorten wie Adiantum Capillus Veneris durch
das mittlere und südliche Europa, nicht im nördlichen. Auch in Asien und
Nordamerika; hier jedoch selten. Die etwas lederartigen, überwinternden
Blätter stehen büschelförmig, doch nicht zahlreich spiralig an dem fleischigen
Wurzelstocke. Die am Grunde verdickten Blattstiele kürzer als das Blatt,
das bis 0,50,n lang und 0,0G0m breit wird. Es ist am Grunde tief herz-
förmig, länglich lanzettlich, spitz, flach uud ganzraudig (selten gelappt,
wellig- kraus oder gekerbt), hellgrün, oberseits etwas glänzend. Die Blatt-
stiele tragen bis über die Mitte des Blattes hinauf braune, zum Theil haar-
förmige, doch nicht röhrige Spreublättcheu. Von der Mittelrippe aus gehen
in einem spitzen Winkel, etwas nach oben geneigt, zahlreiche, einmal oder
zweimal gabelig getheilte, nicht zusammenfliessende, parallele Nerven gegen
den Rand des Blattes, vor welchem sie in einen etwas verdickten, blässeren
Punkt endigen.
Auf diesen Nerven und parallel mit ilmeu entstehen die liuicnförmigen
Schleierchen, welche die Fruchthäufchen bergen. Je zwei solcher Schleierchen
U hircescunga im althochdeutschen des XI. Jahrhunderts.
Herba Clielidonii.
451
stehen so nahe, dass sie einander berühren und Zusammenflüssen. Ihre
Schleierchen sind an der äusseren Seite angeheftet und öffnen sich an der
Vereinigungslinie, indem sie sich wie zwei Klappen nach aussen zurück-
schlagen. Geschmack schwach siisslich adstringirend. Nicht genauer
chemisch untersucht.
B. ausschliesslich frisch in Gebrauch gezogene Blätter
und Kräuter.
Herba Clielidonii.
Schöllkraut. Chelidoine. Calandine.
Chelidönium majus1) L. — Papaveraceae.
Schwaches durch ganz Europa gemeines Kraut mit ansehnlicher aus-
dauernder Wurzel, aus welcher sich meist melncie etwa 1 hohe hohle,
behaarte Steugel erheben. Die zahlreichen abwechselnden Blätter erscheinen
an den Stengelknoten den gabeligen Aesten gegenüber. Aus den Winkeln
gehen später einzelne lange blütheutrageude , oben am Stengel blattlose
Aeste hervor.
Die zarten schlaffen, im ganzen breit eiförmigen Blätter sind unpaarig,
2- bis 4jochig entfernt gefiedert, die ovalen gekerbten Lappen gestielt oder,
wenigstens die oberen, wieder gelappt und mit der Spindel zusammen-
fliesseud, das bedeutend grössere Endstück des Blattes oft durch seine
beiden tiefen Einschnitte fast umgekehrt herzförmig. Die schöne grüne
Farbe der Blätter spielt anderseits stark ins matt bläulichweisse.
Die erst endstäudigen, dann durch Auswachsen der Stengeläste zur
Seite gedrängten einfachen Dolden tragen 5 — 8 gelbe vierblätterige Blü-
tlien, womit die Pflanze den ganzen Sommer durch versehen ist; die beiden
behaarten Kelchblätter fallen sehr bald ab.
Die zweiklappig aufspringende schotenartige Frucht schliesst in ihrem
einzigen Fache zahlreiche, glänzend braunschwarze, etwa 1 Millim. grosse
Samen ein, die sich durch eine weisse fleischige, verhältnissrnässig sehr
ansehnliche Nabelwulst auszeichuen.
Die ganze Pflanze ist von einem scharfen, schon beim Austreteu schön
rothgelbeu Milchsäfte erfüllt, welchem sie den bitteren, brennenden Ge-
schmack verdankt. Der widerliche Geruch ist nach dem Trocknen am
Kraute kaum mehr bemerklich.
Po lex zuerst stellte aus Chelidönium, vorzüglich aus älteren Wurzeln,
ein Alkaloid Pyrrhopiu dar, welches später von Probst als Chelery thrin
genauer untersucht wurde. Schiel zeigte (1855), dass es identisch ist mit
dem schon 1819 von Dana iu der Wurzel der nordamerikanischen Papave-
racee Sanguinaria cunadensis L. entdeckten Sanguinarin und stellte
B Chelidönium minus liiess früher Ranunculus Ficaria L.
29 *
452
Blätter und Kräuter.
dafür die Formel G1!'H17NO' auf. Im Schöllkraute selbst kömmt dieses
narkotisch giftige Alkaloid nur in geringer Menge vor, bedingt aber zum
Theil die Farbe des Milchsaftes, indem es sich an der Luft gelblich, durch
Säuren rotli färbt. Nicht giftig ist ein zweites, ebenfalls in der Wurzel reich-
licher als im Kraute enthaltenes Alkaloid, das Chelidonin (vielleicht
G1;)H17N3G3), das (1838) ebenfalls von Probst rein dargestellt wurde.
Es schmeckt bitter und liefert bittere, krystallisirende Salze. Als Cheli-
do xanthin bezeichnete derselbe einen indifferenten, in gelben Nadeln
krystallisirendeu Bitterstoff aus der gleichen Pflanze, der nicht näher unter-
sucht ist.
Auch verschiedene Säuren finden sich im Kraute und der Wurzel,
namentlich Aepfelsäure (woraus bei der Gährung des Krautes Bernsteiu-
säure entseht) und Citronsäure, so wie C helidonsäure GUH1U013 und
Chelidoninsäure GUR22G-13, beide letztere der Pflanze eigeuthümlich,
aber vielleicht zu Mekonsäure (siehe bei Opium) oder Bernsteinsäure in
naher Beziehung , übrigens in nur sehr geringer Menge vorhanden. Die
Chelidoninsäure ist sublimirbar und wird nicht von neutralem, sondern nur
von basischem Bleiacetat gefüllt, ist aber im Uebersclmss desselben löslich
(Z wenger).
Die ganze Pflanze gibt nach Rüling 6,8 pC. Asche, hauptsächlich aus
Kali, Kalk, Phosphorsäure und Kohlensäure bestehend.
Ohelidouium ist schon seit dem Alterthum in medicinischem Gebrauche.
Die an Alkaloiden reichere Wurzel würde eigentlich den Vorzug verdienen.
Herba Coclileariae.
Löffelkraut. Skorbutkraut. Cochlearia. Scurvy-grass.
Cochleäria officinalis L. — Cruciferae, Latisejptae.
Das Löffelkraut findet sich in Menge durch die ganze kalte Zone an den
Küsten der nordischen Meere, von der Nordsee und Ostsee an längs der
skandinavischen , so wie der jenseitigen arktischen Gestade bis Labrador,
ja bis Grinnell-Laud unter 80° n. Br. Es ist eine der am weitesten gegen
den Pol gehenden Phanerogamen. Im Innern der nordischen Contiueute
tritt die Pflanze da uud dort in salzreichem Grunde auf, merkwürdiger-
weise auch unzweifelhaft wild an einzelnen Stellen der Voralpeu Berns,
höher als 1000'" über Meer.
In unsern Gärten gedeiht sie recht wohl uud wird zum officinellen
Gebrauche gezogen.
Die zwei Jahre dauernde, kräftige Wurzel treibt erst im zweiten Früh-
ling etwa fussliohe, schwache, kantige Stengel, welche meist schon am
Grunde mit aufsteigenden Aesten versehen sind. Im ersten Jahre erscheint
nur ein Büschel zahlreicher, sehr laug gestielter, schön grüner Blätter von
stumpf und breit eiförmiger oder herzförmiger Gestalt. Am Rande sind
diese etwas dicklichen, 0,02"‘ bis 0,03'" messenden Blätter sanft ausge-
Herba Coclileariae.
453
schweift oder beinahe gekerbt; zur Zeit der Blüthe welken sie. Den klei-
neren, ziemlich weit aus einander gerückten Stengelblättern von mehr spitz-
eiförmigem Umrisse fehlt der Stiel; die oberen wenigstens umfassen pfeil-
förmig den Stengel und tragen an jedem Rande 1 3 meist wenig hervoi-
tretende Sägezähne.
Die weissen Bliithen, vom gewöhnlichen Bau der Cruciferen, bilden
endständige, unbeblätterte Trauben , welche sich während der Fruchtreife
noch bedeutend strecken. Jedes der zwei Fächer des gedunsenen, aber seit-
lich ein wenig zusammengedrückten Schötcheus enthält meist 4 kleine,
rothbraune, rauhe Samen. Die Fruchtstielchen übertreffen an Länge mehr-
mals die kleinen Schötcheu.
Das Löffelkraut entwickelt beim Zerquetschen einen schwach senfartigen
Geruch und schmeckt nicht unangenehm scharf und salzig. Beim Irocknen
büsst es Geruch und Geschmack ein.
Das frische, blühende Kraut liefert höchstens etwa 7 t — Vs P- Mille
ätherisches Oel, das nach Geiseier (1858) der Formel G'’HluS 0- oder
A3TJ5'1 .
G3H5J^^ entspricht, woraus sich sofort die Beziehungen zum Senföl
(vergl. bei Semen Siuapis nigrae) so wie zum Knoblauchöle OhHluS, auch
zu demjenigen der Asa foetida ergeben. In der That verdankt auch das
Löffelkrautöl seine Entstehung einem dein Myrosin des schwarzen und des
weissen Senfs ähnlichen oder damit identischen Eiweisstoffe. Wird Myrosin
des letzteren mit trockenem Löffelkraute zusaramengebracht, so erhält man
Löffelkrautöl, nicht aber aus dem Kraute für sich, wenn es einmal getrocknet
war. Das Löffelkrautöl siedet bei 148° und scheint etwas leichter als Wasser
zu sein (nach Will von 1,009 specif. Gew. bei +15°; 0,942 nach Gei-
sel er). Mit NH3 tritt es ohne weiteres, ganz dem Senföl analog, zu einer
krystallisirenden Base zusammen. Aus dem officinellen Spiritus Cochle-
ariae setzen sich nach längerer Zeit bisweilen Nadeln von der Zusammen-
setzung GßHwG2, oft auch Schwefelkrystalle ab. — Das Oel der Wurzel von
Cochlearia Armoracia L. (Meerrettig) scheint mit Senföl übereinzukommen.
Das Löffelkraut hinterlässt beim Verbrennen 20 pC. Asche (Geiseier),
welche reich an Alkali ist, das zum Theil an organische Säuren, zum Theil
an Salpetersäure gebunden war. Je nach dem Standorte scheint bald Kali,
bald Natron vorzuwalten.
Das Löffelkraut wurde 1557 durch Wi er zuerst gegen Skorbut em-
pfohlen.
Cochlearia dcinica L. hat lauter gestielte Blätter, C. anglica weit
grössere Schötcheu und tief herzförmige Stengelblätter. Beide Pflanzen
kommen mit C. officinalis zugleich vor und dürften dieselben chemischen
Eigenschaften besitzen, doch soll C. anglica milder schmecken.
454
Blätter und Kräuter.
Folia Laurocerasi.
Kirschlorbeerblätter. Feuilles de laurier-cerise. Cherry-laurel leaves.
Prunus Lauro cerasus L. -- Amygdaleae.
Syn .: Cerasus Lauro-Cerasus Loiseleur.
Der Kirschlorbeer, ein bis über 6m hohes, immergrünes Bäumchen der
poutischen Länder und Persiens, ist jetzt durch alle gemässigten Gegenden
Europas als Zierpflanze verbreitet. Er reift noch in Holland (Walcheren)
seine Früchte, hält das englische, bei einigem Schutze selbst das süd-
norwegische Klima aus und gedeiht z. B. am Thuuer See bis gegen G00m
über Meer ganz frei.
Die einfachen, abwechselnden, glänzend grünen, lederigen Blätter er-
reichen mehr als 0,2 lm Länge und 0,07m Breite, meist aber nur ungefähr
die Hälfte; frisch sind sie V2 Millim. dick. Der derbe Blattstiel bleibt unter
0,01"' lang und setzt sich, besonders unterseits sehr hervortretend, als starke
Mittelrippe bis in die kurze, breite Spitze fort; beide Blatthälften sind meist
etwas zu der Rippe geueigt. Au dein ein wenig umgerollten Rande treten
nach unten zu immer weiter aus einander gerückte, scharfe, aber sehr
kurze Sägezähne etwas hervor. Am Grunde ist das Blatt sanft und breit
gerundet, doch pflegt die grösste Breite in oder über der Mitte zu liegen.
Die blässere Unterseite trägt auf jeder Hälfte, längs der Rippe und davon
in sanftem Bogeu aufsteigend, ungefär 1 2 gegen den Rand anastomosirende
Nerven. In der unmittelbaren Nähe des untersten, dicht au der Mittelrippe,
finden sich ein bis drei flache, nackte Blattgrübchen, welche bald eine
bräunliche Farbe annehmen.
Die unversehrten Blätter sind geruchlos, entwickeln aber, so lange sie
frisch sind, beim Zerquetschen einen an Bittermandclwasser erinnernden
Geruch, welcher sich jedoch au getrockneten Blättern nicht mehr zeigt.
Gekaut schmecken die Blätter bitterlich, etwas herbe und aromatisch,
aber kaum adstringirend; die Bitterkeit steigt und verschärft sich nach
kurzem.
Die Mittelschicht der Blattfläche enthält die zahlreichen Gefässbündel-
chen, in deren Nähe allein Gerbstoff in sehr geringer Menge vorkömmt,
wie die blass-bräunliche Färbung andeutet, welche durch Eiseuchlorid auf
dem Querschnitte hervorgerufen wird. Nach oben ist das Blattgewebe aus
länglichen, in drei bis vier dichten Reihen senkrecht über einander stehen-
den Zellen gebildet und bedeckt von einer farblosen Epidermis aus ansehn-
lichen, würfeligen oder etwas gewölbten, nicht sehr dickwandigen Zellen,
über welchen ein dünnes Oberhäutchen liegt. Die untere Hälfte des Gewebes
hingegen besteht aus etwas grösseren, lockeren, kugeligen oder schlauch-
artig verlängerten Zellen, welche ungefähr 6 — 8 unregelmässige Schichten
darstellen. Sie sind ebenfalls von einer ungefärbten Epidermis bedeckt.
Sämmtliches übrige Gewebe ist mit Chlorophyll gefüllt, doch führen nicht
wenige Zellen sehr ansehnliche Drusen oder einzelne gut ausgebildete heu-
Folia Laurocerasi.
455
dyoedriscke Krystalle von Kalkoxalat und wenige andere röthlicke Klumpen
(Harz?). Eigene Oelräume oder Drüsen fehlen den Blättern ganz und gai.
Mit Wasser der Destillation unterworfen , liefern die Blätter blausäuie-
lialtiges Bittermandelöl, liervorgegangen aus der Zusammensetzung von
Amygdalin (siehe bei Amygdalae amarae), welches jedoch aus Kirsch-
lorbeerblättern noch nicht krystallisirt erhalten werden konnte. Auch ist
der Körper, welcher hier die Spaltung veranlasst, nicht näher gekannt.
Der Blausäuregehalt des Destillates zeigt nicht so grosse Schwankungen,
wie bei den bitteren Mandeln. Kirschlorbeerblätter vom Thuner-See z. B.
lieferten zehnjähriger Beobachtung zufolge bei vollständiger Erschöpfung
durchschnittlich ein Destillat, dessen Gehalt an Cyanwasserstoff 0,120 Th.
von je 100 Th. frischer Blätter betrug, einmal aber auch 0,172. Jedoch
hält 'das nicht vom Wasser gelöste ätherische Oel hartnäckig Cyanwasser-
stoff zurück. Es scheint, dass das Maximum des Cyangehaltes sich unmittel
bar vor der Fruchtreife einstellt. Vergleicht man die erwähnten Beobach-
tungen vom Thuner-See,1) so wie frühere von B ischo ff (1841) ausZwickau
in Sachsen mit dem von Adrian2) ermittelten Gehalte der Blätter aus
Südfrankreich und Nizza, so ergibt sich keine Abnahme desselben an den
nördlichen Standorten des Kirchlorbeers , sondern vielleicht eher eine Zu-
nahme des Oeles oder wenigstens des Cyans.
Nach Lepage und nach Hübsch mann entzieht sich bei der Destil-
lation ein Theil des Amygdalins der Zersetzung, so dass der Rückstand
nach Zusatz von Emulsin (siehe bei Amygdalae dulces) aufs neue Bitter-
mandelöl zu entwickeln vermag. Nach meinen Erfahrungen ist das jedoch
sehr oft nicht der Fall.
Auch die Rinde und Samen, nicht aber das Fruchtfleisch geben Bitter-
mandelöl.
Ausser den bei der Bildung des letzteren betheiligten Stoffen enthalten
die Blätter Zucker, welcher in der Kälte Kupferoxyd reducirt, eine geringe
Menge eisengrünenden Gerbstoffes, so wie einen fett- oder wachsartigen Stoff.
Pierre Belon entdeckte 1546 den Kirschlorbeer in der Gegend von
Trapezunt und nannte ihn schon Lauro-Cerasus oder Cerasus trapezuntina.
Clusius erhielt 1576 durch den kaiserlichen Gesandten in Konstan-
tiuopel die Pflanze und verbreitete sie von Wien aus in die deutschen Gärten.
Doch gelangte sie auch nicht viel später aus Florenz durch Cysat3) in
Luzern nach der Schweiz und nach Deutschland.
Die giftigen Eigenschaften des Kirschlorbeers wurden wenigstens im
XVIII. Jahrhundert schon erkannt und das destillirte Wasser 1746 von
Langrisk in den Arzneischatz eingeführt. 1802 wies Schräder darin
die Blausäure nach.
D Schweiz. Wochenschrift für Pharm. 1 864, No. 46 und daraus in Wiggers’ Jahresb.
1864, 143.
2) Jouru. de Pharm, et de Chim. 42, 177 (1862).
3) Schweiz. Wochenschr. f. Pharm. 1866, No. 22.
45G
Blätter und Kräuter.
C. Blätter und Kräuter von unbedeutendem Gerüche
und Geschmacke.
Folia Althaeae.
Eibischblätter. Ibschenblätter. Feuilles de guimauve. Marshmallow leaves.
m Aus der Wurzel des Eibischs (vergl. bei Radix Althaeae) gehen über
1” llohe kurzästige, am Grunde verholzende Stengel hervor, welche mit ab-
wechselnden ansehnlichen etwas faltigen Blättern besetzt sind. Dieselben
zeichnen sich aus durch ziemlich derbe, nach dem Trockneu spröde Beschaf-
fenheit und weichen Filz von 3- bis Sstrahligen, nicht ästigen Sternhaaren,
welcher beide Blattflächen dicht bedeckt. In ihrem Umrisse wechseln die
Blättei von rundlich elliptischer bis spitz drei- oder fünflappiger Form, mit
gerade abgeschnittenem, herzförmigem oder seltener fast keilförmigem
Grunde. Der Rand ist ungleich gekerbt bis scharf gesägt, die Lappen der
untern Blätter nur eben angedeutet, an den obersten Blättern wenigstens
der Mittellappen breit und scharf entwickelt. Die grösseren Blätter pflegen
etwa 0,08'“ zu messen, die Blattstiele halb so viel, an den obern Stengel-
theilen aber bedeutend weniger. Die schmal linealen Nebenblätter fallen
bald ab.
Die graulich grüne Farbe der Blätter erhält sich auch nach dem Trock-
neu gut. Dieselben schmecken schleimig.
Die Blätter der Althaea taurinensis (vergl. am Schlüsse von Rad. Al-
thaeae) sind von derselben Grundform, aber bei weitem schärfer und tiefer
gelappt und gesägt.
Folia Malvae.
Malveublätter. Pappelkraut1). Käsekraut. Feuilles de mauve.
Mallow leaves.
1. Malva2) vulgaris Fries. — Malvaceae.
Syn. : M. neglecta Wallroth.
M. rotundifolia C. Bauhin.
2. Malva sylvestris L.
Diese einjährigen oder während 2 bis 3 Jahren ausdauernden Kräuter
sind von Spanien und Griechenland an durch fast ganz Europa bis in das
südliche Skandinavien, so wie in Mittelasien von Cypern an bis Persien
und Südsibirien einheimisch, jetzt auch in Nordamerika augesiedelt. Die
zweite, überhaupt weniger gemeine Art geht vielleicht etwas weniger weit
nach Norden. Beide steigen in die mittleru Gebirge au.
Die erste besitzt einen ausgebreitet- ästigen niederliegenden gerillten
und spärlich flaumhaarigeu Stengel und schlanke bogenförmig gestreckte,
!) Papula, altdeutsch vor dem XII. Jahrhundert, auch wegebapcle, poppel.
2) jj.aXaxdi; weich, erweichend.
Herba Jaeeae.
457
mitunter gegen 0,30,n lange Blattstiele. Auch die obersten Blätter werden
noch an Länge von ihren Stielen übertroffen. Der Umriss der Blättex ist
fast kreisrund, bis etwa0,08,n im Durchmesser erreichend, oder mehr nieren-
förmig, am Grunde jedoch immer sehr tief und gerundet herzförmig aus-
geschnitten. Ihr genähert, aber ungleich gekerbt-gesägter Rand zeigt mehr
oder weniger deutliche, obwohl nicht tief gehende Neigung zu 5- oder
7 lappiger Theilung, weicherauch, wenigstens bei den grossem Blättern,
eine gleiche Zahl vom Blattgrunde ausstrahlender starker Nerven entspricht.
Die Behaarung der Pflanzen wechselt etwas, findet sich aber regel-
mässig reichlicher in Foi'm weicher anliegender einfacher Börstchen am
Blattgrunde, am Ende des Blattstieles, so wie an allen Jüngern Theilen der
Pflanze. Hier mischen sich auch sternförmige Härchen bei.
Die aufrechte oder aufstrebende bis 1™ hohe weit kräftigere Malva
sylvestris besitzt Blätter von gleicher Anlage, aber durchschnittlich etwas
bedeutenderer Grösse wie die der erstgenannten Art. Sie entfernen sich
aber von unten nach oben mehr und mehr von der Kreisform. Bei den
untersten schon öffnet sich der herzförmige Ausschnitt am Blattgrunde,
spreizt sich bedeutend bei den mittleren und ist bei den obersten nur noch
durch einen sehr stumpfen Winkel angedeutet, wenn nicht das Blatt gerade-
zu senkrecht zum Blattstiel abgeschnitten erscheint. Gleichzeitig setzen
auch die Einschnitte tiefer ein, so dass die obersten Blätter breit fünflappig
oder fast nur dreilappig erscheinen.
Diese Art ist auch durchschnittlich mehr behaart, die Börstchen aber
länger, starrer und gerade abstehend. Der unteren Blattfläche finden sich
häufig Sternhaare eiugesenkt, der Blattgrund ist bisweilen purpurn bemalt.
Ausser dem Schleime (Gummi), welchem die Malven -Blätter ihren in-
differenten Geschmack verdanken , sind von denselben keine besondern Be-
standtbeile nachgewiesen.
Die Malven waren neben Althaea schon im Alterthum gebräuchlich.
Herba Jaeeae.1)
Freisamkraut. Stiefmütterchen. Panacee sauvage. Pansy.
Viola tricolor L. — Violarieae.
Das Ackerveilchen ist eines der gemeinsten Unkräuter fast der ganzen
nördlichen Halbkugel bis zum Mittelmeergebiete, das hoch in die Gebirge
austeigt und je nach dem Standorte in ziemlich abweichenden Spiejarten
auftritt, welche sich aber nicht schai'f auseinander halten lassen.
Aus der schwachen ein- oder zweijährigen Wurzel gehen aufrechte oder
doch aufstrebende kantige etwa fusshohe Stengel hervor, welche kahl oder
etwas behaart und innen hohl sind. Die Knoten der Stengel sind nur wenig
verdickt und mit gestielten länglich lanzettlichen, zu unterst eiförmigen oder
1) vielleicht von tov Veilchen und ay.so}j.ai heilen.
458
Blätter nnd Kräuter.
nahezu herzförmigen, fast ganz kahlen Blättern besetzt. Die obern gegen 0 04'“
langen tragen bis 5 Paare kleiner Sägezähne, die untern sind mehr aus-
geschweift und deutlicher gestielt. Der Blattstiel wird an Länge übertroffen
von den beiden leierförmig fiederspaltigen Nebenblättern, deren ansehn-
licher Endlappen oft fast dem Hauptblatte gleich kömmt.
Aus den Blattwinkeln erheben sich die schlanken bis 0,08m langen
Blüthenstiele mit je einer ungleich 5 blätterigen fast lippenförmigen Blume
voii vorherrschend blass violetter oder mehr weisslich gelber Farbe mit
violetten Streifen. Noch beträchtlichere Abwechslungen in der Färbung und
Grösse der Blumenkrone entstehen sehr leicht in der Kultur. Der fünf
tlieilige bleibende Kelch erhält ein eigenthümliches Aussehen durch die
5 Läppchen, in welche seine Abschnitte nach unten endigen. Sie treten um
so mehr hervor, als das oberste Stück des Blüthenstieles hakenförmig ge-
krümmt zu sein pflegt.
Die Pflanze trägt in unsern Gegenden vom Mai bis zum Winter Blüthen
und die grünen eiförmig -dreiseitigen gleich den Blumen abwärts gebogenen
Kapselfrüchte, welche sich zuletzt in 3 Klappen öffnen und zahlreiche Sa-
men austreten lassen.
Die trockene Pflanze zeigt einen sehr schwachen angenehmen Geruch
und keinen erheblichen Geschmack. Sie enthält die allgemeiner verbreite-
ten Pflanzenstoffe, auch Salpeter. Die Wurzel schmeckt scharf.
Die schon von Alters her als Zierpflanze gezogene Viola tricolor wurde
von Matthiolus u. Leouhard Fuchs schon in der Mitte des XVI. Jahr-
hunderts gegen Hautkrankheiten empfohlen, gelangte aber erst durch
Strack in Maiuz°(1776) in allgemeineren Gebrauch, der sich jedoch kaum
über Deutschland und Holland hinaus erstreckt.
Herba Fumariae.
Erdrauch. Fumeterre. Fumitory.
Fumaria officinalis L. — Fwnariaeeae.
Kleines einjähriges Kraut, das durch den grössten Theil des nördlichen
gemässigten und kalten Erdgürtels, von Portugal und Griechenland bis
Sibirien, Finnland, Skandinavien und Cauada besonders auf den Aeckern
der Ebenen und der Gebirge verbreitet ist.
Der zarte röhrig- kantige, etwa fusshohe Stengel ist gewöhnlich stark
verzweigt, vermag sich indessen trotz seiner saftigen und brüchigen Be-
schaffenheit noch eben aufrecht zu erhalten.
Die meergrünen schlaffen langgestielten Blätter von fast dreieckigem
Umrisse sind dreifach oder zweifach unregelmässig gefiedert, die schmalen
Fiederläppchen spatelig oder verkehrt eiförmig und vorn oft kurz zwei-
zähnig.
Die schön rothen wagerecht liegenden Blüthen ordnen sich zu lockern
blattgegeuständigen Trauben; ihre vierblätterige breit sackartig ge-
Folia Uvae ursi.
459
spornte Krone überragt um das doppelte die beiden bald abfallenden Kelch-
blätter; die 2 seitlichen Blumenblätter hängen an der Spitze zusammen und
sind hier nach dem Trocknen von dunkelrother fast schwärzlicher Färbung.
Das grünliche fast kugelige, etwa 2 Millim. messende einsam, ge Schhess-
früchtchen ist von oben etwas abgeplattet und wird von einem etwas lan-
gem feine,, Stielchen getragen. Da das Kraut den ganzen Sommer hindurch
blüht, so ist es immer von den körnig rauhen Früchten und den Blumen
begleitet. . . , , , .
Der etwas widerliche Geruch der frischen Pflanze verschwindet beim
Trocknen. Der Geschmack ist unangenehm salzig bitterlich, ein wenig
schürf
Winkler hat (1833) im Erdrauche die F u m ar säure G4 H1 O4 nach-
gewiesen, wovon ihm das frische Kraut 0,15 pC. lieferte. Sie findet sich
auch in Lichen islandicus, in Pilzen, in Glaucium luteum , in Corydahs-
Arten und lässt sich künstlich durch Erhitzen der Aepfelsäure oder der
Maleinsäure, so wie durch Behandlung von Eiweisskörpern mit Königs-
wasser gewinnen.
Im Extracte der Fumaria schiesst nach einiger Zeit fumarsamer Kalk
in geringer Menge au. Daneben findet sich auch Chlorkalium.
Nach Hannon (1853) wäre die Fumarsäure im Kraute zum Theil mit
einem bitter schmeckenden krystallisirbaren Alkaloid, dem F u marin, ver-
bunden, das etwa 3 bis 6 pC. des (trockenen) Krautes betragen soll. Bei
näherer Prüfung stellt es sich vielleicht als identisch heraus mit dem eben-
falls noch nicht genugsam untersuchten Corydalin aus den Wurzeln mehre-
rer Gorydalis- (Bulbocapnos-) Arten.
Die weniger häufige Fumaria Vaillantii Loiseleur ist der obigen Art
sehr ähnlich und auch wohl in chemischer Hinsicht nicht abweichend. F.
Vaillantii ist weniger reich blüthig , ihr Kelch sehr unscheinbar und mehr-
mals kürzer als die Krone, die Frucht kugelig ohne Abplattung.
Den Alten scheint F. capreolata bekannt gewesen zu sein.
D. Blätter von adstringirendem Geschmacke.
Folia Uvae ursi.
Bärentraube. Busseroie. Bearberry.
Arctostäpliylos uva ursi Sprengel. — Ericaceae.
Syn.: A. officinalis Wimmer u. Grabowsky.
Arbutus uva ursi L.
Kleiner niederliegender ausdauernder Strauch, über den grössten Theil
der nördlichen Hemisphäre bis Island verbreitet, im mittlern und südlichen
1) eigentlich scharf scheint die südeuropäische Fumaria capreolata L. zu sein; ihre
gleich dem Rauche (Fumus) zu Thrüncn reizende Schärfe hätte der Pflanze deu Namen ver-
schafft. Nach andern bezöge sich derselbe eher auf die rnnchgrüne Farbe des Krautes.
460
Blätter und Kräuter.
Gebiete in Gebirgen im Norden z. B. durch ganz England in Nadelhölzern
und auf Haiden der Niederung.
Die fasslangen Stämmchen, zu mehreren aus der Wurzel entspringend
sind sehr verästelt und im Staude sich zu bewurzeln , so dass der Strauch
umfangreiche, besonders im Gebirge ziemlich dichte Rasen bildet. Die an-
fangs krautigen und flaumigen Zweigspitzen verholzen sehr bald, werden
kahl und bedecken sich mit dunkelbraunem Korke, der später in grossen
Blättern oder ringförmig abgestosseu wird und die hell braungelbe glatte
Innenrinde entblösst. Die überwinternden, erst im zweiten Jahre absterben-
den Blätter sind nur in der Jugend und mehr nur an jüngeren Trieben zart
gewimpert. Sie stehen zerstreut, im ganzen fast zweizeilig, sind oben breit
gerundet, selten mit Andeutung einer kurzen Spitze, nach unten ziemlich
rasch in den kurzen Blattstiel auslaufend. Vorn erscheinen sie oft dadurch
wie ausgerandet, dass die lederige starre und oberseits etwas riuuige Blatt-
fläche hier sanft zurückgebogen ist. Durch das besonders oberseits sehr
stark ausgeprägte Adernetz erscheint das Blatt fast höckerig-geruuzelt, am
Rande durch die Ausläufer der Adern kaum merklich wellig verdickt. Die
die Länge mit Einschluss des
höchste Breite des Blattes beträgt 8 Millim.
Stieles durchschnittlich 0,02m.
Die urnenförmigen nickenden weisslichen und schön roth angelaufenen
Blüthen stehen wenig zahlreich in vereinzelten Träubchen am Ende der
Zweige und bringen kleine glänzend rotlie unschmackhafte Früchtchen hervor.
Mau sammelt die blühenden oder schon zum Theil fruchttragenden
Zweigleiu. Getrocknet zeigen die glänzenden, in der grossen Mehrzahl ganz
kahlen Blättchen eine dunkelgrüne, unterseits etwas lebhaftere Farbe und
schmecken sehr herbe mit fast süsslichem Nachgeschmäcke.
Die Blätter des ungefähr gleich verbreiteten, der Bärentraube ähnlichen
Vaccinium vitis idaea L. sind am Rande umgebogen, unterseits matt und
punktirt, nicht netzaderig. Die Blätter von Bucus semperoirens L. sind
vorn verschmälert, nicht breit abgerundet. Andere den Bärentraubenblättern
ähnliche Blätter sind von zarterer, nicht spröde lederartiger Beschaffenheit.
Arctostaphylos alpina Sprengel hat kleiugesägte welkende Blättchen.
Die Familie der Ericaceen ist in neuester Zeit eine wahre Fundgrube
merkwürdiger Stoffe geworden. So hat Kawalier (1852) gezeigt, dass
die Abkochung der Bärentraubenblätter mit Bleiessig sofort einen Nieder-
schlag von gallussaurem Bleioxyd gibt, dessen Säure demnach unzweifel-
haft fertig gebildet vorhauden seiu muss. Die filtrirte Abkochung lässt bei
gehöriger Concentration bitter schmeckende Nadelbüschel von Arbutin
qm jj32 _j_ jja 0 anschicsseu. Durch Emulsin und verdünnte Säuren
wird dasselbe nach Strecker in Hydrochinon (früher Arctuvin genannt)
und Traubenzucker gespalten, durch Braunstein und Schwefelsäure in Chi-
non und Ameisensäure. Bei längerem Stehen der Auszüge erhält man auch
wohl in Folge Zersetzung der Arbutins schon aus dem Kraute etwas Hydro-
chinon O6 H,; O2.
Folia Toxicodendri.
461
In der Mutterlauge, woraus das Arbutin krystallisirt. bleibt ein dunkles
durch Säuren fällbares Harz, das vielleicht durch Austritt von Wasser aus
jenem entstanden ist. Ausserdem enthält diese Mutterlauge in geringer
Menge das amorphe äusserst bittere Ericolin, welches in andern Erica-
ceen reichlicher vorkömmt. Es zerfällt beim Erwärmen mit verdünnter
Schwefelsäure in Zucker und Ericinol, ein rasch verharzendes Oel, das
mit Laurineencampher isomer ist.
H. Trommsdorff erhielt (1854) durch Aether aus den Blättern das
krystallisirte, bei 200° schmelzende Urson G20H34 O2, das in Wasser un-
löslich und wie es scheint unzersetzt sublimirbar ist. Uloth unterwarf das
Extract der Bärentraubenblätter der trockenen Destillation, entfernte durch
BleizüCker das übergegangene Brenzcatechin und erhielt durch Eindampfen
des Filtrates und öftere Sublimation des Rückstandes Nadeln von Erici-
non, die auch aus andern Ericaceen gewonnen wurden und sich später als
identisch mit Hydrochinon erwiesen, welches auch bei der trockenen De-
stillation des Arbutins auftritt. Ohne Zweifel stehen Chinon und Hydro-
chinon im Zusammenhänge mit Chinasäure, welche Zwenger 1860 in den
Ericaceen nachgewiesen hat.
Neben etwas eisenbläuendem Gerbstoffe scheint kein besonderer Gerb-
stoff in den Bärentraubenblätteru vorzukommen.
Die Bärentraube, schon von Tragus und Clusius beschrieben, fand
erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts Eingang in den Arzneischatz.
Folia Toxicodendri.
Folia Rhois. Giftsumachblätter. Feuilles de sumac veneueux. Poison oak.
Rhus Toxicodendron Michaux. — Terebinthaceae.
In Nordamerika von Canada bis Virginien einheimischer diöcischer
Strauch, der ein etwas verschiedenes Aussehen zeigt, je nachdem er 1 bis
2™ hoch bleibt und sich selbstständig etwas aufrichtet (Rhus Toxicodendron
L. — Rh. Toxicodendron ß) quer cif olium Michaux) oder aber mehr nieder-
liegt und aus dem Stämmchen Wurzeln treibt, mit deren Hülfe die weitläu-
figen Aeste sich bis 10™ hoch an Bäumen oder Felsen und Mauern erheben
können. Diese letztere Yarietät (a. vulgare Michaux) hatte Linne als Rhus
radicans unterschieden.
Bei uns findet sich der Giftsumach bisweilen halb verwildert in der
Nähe von Gärten, wo er gezogen wird.
Die Blätter steheu dreizählig zusammengesetzt auf derben , halb stiel-
runden, häufig über 0,20™ langen Stielen. Die einzelnen breit eiförmigen
Theilblätter , bis 0,15"' in der Länge und 0,10™ in der Breite erreichend,
sind von etwas veränderlichem Umrisse, nämlich entweder ganzrandig,
kurz zugespitzt, am Grunde beinahe ungleichhälftig herzförmig, oder hier
etwas keilförmig verschmälert und oben zur langen Spitze ausgezogen. Oft
zeigt sich der Rand grob und weitläuftig gekerbt, mit einem einzelnen spitz
462
Blätter uud Kräuter.
aufgesetzten Sägezahn versehen oder selbst fast gelappt. Das gewöhnlich
etwas ansehnlichere Endblatt überragt auf seinem ungefähr 0,05m langen
Stiele die beiden andern sitzenden oder kurzgestielten Theilblätter uud ist
am Grunde gleichhälftig.
Die parallel nervige Blattfläche ist von zarter Consistenz, völlig kahl
oder unterseits, besonders in der Jugend und längs der unter 50 bis 70°
abgehenden Nerven etwas flaumig.
Die Bastbündel der Rinde sind auf ihrer im Querschnitte bogenförmig
convexen Innenseite von eigenen Saftschläuchen begleitet, welche durch die
Blattstiele in die Blattnerven übertreten und eine nicht sehr trübe unge-
färbte Flüssigkeit enthalten. Bei der Verwundung der Pflanze tritt dieser
scharfe Saft nicht besonders reichlich aus, nimmt alsbald eine schwarze
sehr beständige Farbe an und verdickt sich.
Die Blätter schmecken adstringirend. Obgleich ein Geruch an denselben
nicht wahrnehmbar ist, so vermögen doch die Ausdünstungen des Gift-
sumachs besonders im \ aterlande oder in wärmeren Gegenden auf
der Haut Jucken und Entzündung hervorzurufeu. Diese Wirkungen
treten stärker bei unmittelbarer Berührung mit dem Milchsäfte auf,
jedoch durchaus nur so lange derselbe frisch ist. Die Wirkung frischer
Blätter steht unzweifelhaft fest, ist aber je nach der Individualität und wohl
auch je nach dem Klima sehr verschieden in ihrer Intensität, während nach
Clarus selbst das Extract innerlich indifferent ist, überhaupt kein Präpa-
rat sich als giftig erweist.
Nach Khittel (1858) enthalten die Blätter eisengrünende Gerbsäure
und die übrigeu allgemeiner verbreiteten Pflanzenstoffe neben einer flüch-
tigen Base und geben (bei 100° getrocknet) gegen 8 pC. Asche, welche fast
ausschliesslich aus Kali und Kalksalzen besteht. Maisch dagegen fand
(1865), dass eine eigenthümliche flüchtige Säure als wirksames Priucip des
Giftsumachs angesehen werden muss und dass ein flüchtiges Alkaloid
durchaus nicht vorhanden ist. Jene T oxi coden dron- Säure scheint der
Ameisen- und der Essigsäure nahe zu stehen, unterscheidet sich aber be-
stimmt von beiden, indem sie rothes Quecksilberoxyd nicht reducirt, wohl
aber aus salpetersaurem Silberoxyd schon in der Kälte Metall ausscheidet. —
Dass der Milchsaft Cardol, den wirksamen Stoff der Anacardia (Früchte
des Anacardium occulentale L.) enthalte, bedarf noch sehr des Beweises.
Die medicinische Verwendung des Giftsumachs geht bis zum Jahre
1788 zurück.
Pteiea trifoliata L. (der Hopfenbaum), aus der Familie der Xantho-
xyleae, in den Südstaaten Nordamerikas, jetzt auch in uusern Anlagen vor-
kommend, besitzt ganz ähnliche Blätter, wie Toxicodendrou. Sie sind aber
durchschnittlich kleiner, unterseits filzig, am Rande fein gekerbt, ihr Eud-
blatt nicht gestielt, sondern mit keilförmig verschmälertem Grunde sitzend.
Alle Theile dieser Pflanze schmecken aromatisch bitter.
Folia Sennae.
463
E. Blätter und Kräuter von bitterem Geschmacke.
Folia Sennae.
Sennesblätter. Feuilles de sene. Senna.
1. Cassia lenitiva Bischoff. — Caesalpmieae.
Syn.: Senna acutifolia Batka.
Cassia acntifolia Delile (?)
C. alexandrina autor. veter. nonnullor.
C. lanceolata autor. nonnullor.
2. Cassia angustifolia Vahl.
Syn. : Senna angustifolia Batka.
C. lanceolata1) autor.
C. ligustrinoides Schrank.
C. medicinalis Bischoff.
3. Cassia obovata Colladon.
Syn. : Senna obovata Batka.
C. Senna ß) Linne.
C. italica autor veter.
C. obtusata Hayne.
Die Abtheiluug Senna des Genus Cassia zeichnet sich durch breite,
papierartige, flach zusammengedrückte Früchte aus, welche nur von den
kleinen Samen ein wenig aufgetrieben sind, kein saftiges Fruchtfleisch (Mus)
einschliessen und bei der Reife höchstens am Rande durch Ablösung der
Naht etwas klaffen, nicht aber aufsprmgen. Die Samen sind durch leicht
zerreissende Häutchen getrennt und in zwei wechselnden Reihen umgekehrt
an langen, haarförmigen Nabelsträngen hängend. Diese laufen auf die ge-
schnäbelte Spitze des Samens zu , krümmen sich aber unmittelbar vor der-
selben, um dicht darunter in den schwieligen Nabel einzutreten.
Die 6 — 10 Samen sind fast spatel- oder umgekehrt herzförmig, am
breiteren , freien Ende mehr oder weniger ausgerandet, ihre braune, weiss-
liche oder grünliche Schale hornartig und runzelig. Dicht unter dem Nabel
bezeichnet eine kleine geschlitzte Vertiefung in derselben Schwiele die
Mikropyle. Weniger deutlich tritt vorn, mitten in der Ausrandung, die Cha-
laza hervor, welche durch eine randständige Bauchnaht (Raphe) mit der
Mikropyle verbunden ist. Das kurze, gerundete, ein wenig gebogene Schnä-
J) Die wahre Cassia lanceolata wurde von Forsltol (1762 oder 1763) in Wadi Snrdud
und bei Mor, in der nächsten Umgebuug Lohcias, gefunden, später auch von Schimper im
südlichen Hodschas, Die Blattspiudel trägt übor der Basis in ihrer Rinne eine ansehnliche
Drüse und die schmale, an den etwas verdickten Rändern aufspringende Frucht sieht wesent-
lich anders aus als die der eigentlichen Senna- Arten , wie Bischoff ’s Abbildung (Bot. Zeit.
1850, Tab. X) zeigt. Die bald stumpf eiförmigen, bald spitz lanzettlichcn Blättchen kommen
nicht unter den Sennesblättem vor. Cassia lanceolata aus Südarabien gehört somit nicht in
die Unterordnung Senna, sondern zu Chamacsenna De Cand.
464
Blätter und Kräuter.
beleben des Samens sendet auf beiden Flächen desselben je eine glatte,
seichte Furche (Callas lateralis) aus, welche sich gegen die Mitte der Samen-
fluche hm etwas erweitert (das Spiegelchen Batka’s). Endlich zeichnen
sich die bennapflanzeu auch dadurch vor andern Cassien aus, dass die ge-
meinschaftlichen Spindeln ihrer ansehnlichen Fiederblätter, so wie die
kurzen Stielchen der letzteren selbst nicht mit Drüsen versehen sind.
Gestutzt auf diese zum Theil recht charakteristischen Merkmale ist
schon seft Bauhin und To urnefort mehrfach vorgeschlagen worden, die
Abtheilung Senna zu einem eigenen Genus , zu erheben. In den ausgezeich-
neten monographischen Arbeiten von Carl Mart ius *) und noch bestimmter
in derjenigen von Batka1 2) ist in der That das Genus Senna angenommen,
wahrend die Mehrzahl der Botaniker nicht genügenden Grund zur Trennung
erblickt.
Die drei au der Spitze genannten Arten sind mehr krautige als strauch-
artige Gewächse, indem die ausdauernden oder doch mehrjährigen Pfahl-
wurzeln meist zahlreiche, gewöhnlich runde Stengel aussenden, welche
0,75™ bei No. 1. erreichen, während C. angustifolia bis lm und C. obovata
nach Batka auch 1,5™ hoch wird.
Von den Stengeln gehen zerstreute ruthenartige, aufwärts strebende
und mit ansehnlichen gefiederten Blättern besetzte Aeste ab. Die Blatt-
spindeln, am Grunde mit zwei halb geohrten Nebenblättchen versehen und
etwas verdickt, oben und unten gefurcht, tragen bis 3 — 9 Paare einfacher,
ganzrandiger, ziemlich steifer Theilblättchen. Vermöge ihrer etwas lederigeu
Beschaffenheit erhalten sie sich selbst in der weitest transportirten Waare
noch flach. Hinsichtlich des Umrisses lassen sich die Sennesblätter unter-
scheiden theils als lanzettliche (C. angustifolia) oder nur spitz eiförmige
(C. lenitiva), theils als stumpfe, sei es ovale (C. pubescens), sei es geradezu
gestumpfte oder verkehrt eiförmige bis herzförmige (C. obovata). Die Fieder-
blättchen mittlerer Grösse sind am Grunde ungleichhälftig, etwas über
0,010™ breit, bei angustifolia bis 0,06™ lang, bei den übrigen bedeutend
kürzer.
Wie sehr aber die Form der Blättchen auch sogar bei der gleichen Art,
selbst bei einer und derselben Pflanze, wechseln kann, hat namentlich
Bisch off3) eingehend erörtert und deshalb auch mehrere Varietäten auf-
gestellt, welche früher vielfach verkannt waren. Daher schreibt sich auch
ein Theil der ganz ausserordentlich verworrenen Synonymik der Senna-
Arteu, welche Batka mit grosser Vollständigkeit auseinaudergesetzt hat.
Von den achselständigen, die Blätter meist überragenden Blüthentrauben
mit höchstens etwa 1 6, besonders bei No. 3. recht ansehnlichen Blumen findeu
sich in der käuflichen Waare bisweilen einzelne der gelben, roth geaderten
Blumenblätter vor. Häufiger sind die Blätter von Früchten begleitet.
1) Versuch einer Monographie der Scnncsbl&ttcr. Loipz.. 1857, 158 S.
2) Monographie der Cassien-Gruppc Senna. Prag 186G. 52 S. mit 5 Tafeln.
3) Botan. Ztg. 1850, S. 833.
Folia Sennae.
465
Die Droge bestellt daher grösstentheils nur aus den Fiederblättchen und
Stücken der Blattspindel, in der nubischen Sorte mit einer sehr regel-
mässigen, fremdartigen Beimischung (Solenostemma).
Die Sennapflanzen gehören dem grossen afrikanisch - arabischen Vege-
tationsgebiete an, das ungefähr durch den 28. Parallel imNorden abgegrenzt
ist und südlich über den 19. oder 20. Breitengrad sich bis gegen das Capland
erstreckt. Als nördlichste Vorkommnisse erscheinen die Sinai -Halbinsel,
Esneh in Said (Ober-Aegypten) und die Oase Tuat1) in der nordwestlichen
Sahara; als südlichste Standorte das Capland und die portugiesische Colome
Senna2) am Zambesi.
Jedoch ist C. angustifolia auf den östlichen Theil des genannten Gebietes
beschränkt. Sie geht von den Südgestaden des Rothen Meeres längs der
afrikanischen Ostkiiste bis Mosambik hinab.
Dass sie in Vorderindien ursprünglich auch einheimisch war, findet
Batka nicht wahrscheinlich,3) während Martius nach Stocks zu ersterer
Ansicht hinneigt. Die beiden Arten 3. und 1. gehören ganz besonders der
grossen afrikanischen Wüste an, von der äussersten Nordostspitze Afrikas
durch das Nilthal bis in den mittleren Sudan (Sokoto, Timbuktu) und
pflegen sehr gewöhnlich neben einander vorzukommen. Bei weitem das
ausgedehnteste Areal bewohnt C. obovata; sie findet sich auf der Sinai-
Halbinsel (wenn nicht noch weiter ostwärts) dann bei Cairo, am Senegal,
im Sudan, im Caplande und, wie es scheint, auch in Ostindien (?).
Dieser natürlichen Verbreitung der Senna reiht sich noch die Cultur der
angustifolia im südlichen Theile Vorderindiens an, so dass auf dem Markte
zu unterscheiden sind a) die Blätter aus dem oberen und östlichen Nilgebiete
im weiteren Sinne, b) diejenigen aus dem Sudan und endlich c) die ara-
bischen, welche letztere zum Theil mit den in Indien gebauten als indische
Sennesblätter zusammeugefasst werden. Den Hauptstapelplätzen entspre-
chend, werden diese Sorten gewöhnlich als alexaudrinische, tripolitanische,
Mecca- (und Tinnivelly-) Sennesblätter bezeichnet.
Die über Alexandria ausgeführte Waare, früher allgemein auch nach
dem italienischen appalto (Pacht) als Palt- Senna bezeichnet, war unter
MehemetAli von 1808 — 1828 Monopol der ägyptischen Regierung, welche
den Handel damit verpachtete. Was nicht in den Hafen von Bulak bei Cairo
abgeliefert wurde, verfiel der Confiscation. Diese jetzt frei gegebene Sorte
stammt theils aus den nubischen Landschaften Sukkot, Dar Mahass, Dar
Dongola, längs des Nils, unterhalb seiner grossen Südbiegung, so wie aus
Berber, östlich von derselben, theils aber aus den höher gelegenen Bischarin-
D nach Gerhard Rohlfs 1865.
2) Livingstone nennt hier Senna acutifolia ohne nähere Bezeichnung. In Mosambik
wächst zuverlässig C. angustifolia.
3) auch Karre, in der kleinen Ausgabe von Pereira’s Mat. med. London 1865, 419
hält die Pflanze für vermuthlich nur kultivirt in Indien.
Plückiger, Pharmakognosie.
30
466
Blätter und Kräuter.
Distrikten , J) so dass diese Sorte der Sennesblätter (wie das Gummi ara-
bicum) sowohl stromabwärts über Assuan, als auch über Suakim und das
Rothe Meer Alexandria erreicht. Auch Karawanen vom Sinai sollen gele-
gentlich Senna nach Bulak bringen.
In Nubien findet die Haupternte im August und September, eine etwas
spärlichere Mitte März statt. Aegypten erhielt 1860 über Assuan gegen
140,000 Kilogr. Sennesblätter (v. Krem er).
Dei Hauptsache nach und zwar in letzter Zeit oft auschliesslich gehören
diese Blätter der C. lenitiva und gewöhnlich fast blos der Hauptform, heut-
zutage nur noch selten ihrer Spielart ß) Bischof fiana Batka (=C. lenitiva
,j) acutifolia Bischoff) an. Die Pflanze blüht in den 3 — 4 letzten Monaten
des Jahres; als Eigenthümlichkeit wird hervorgehoben, dass ihre Blätter
sich des Abends Zusammenlegen. Die Blättchen siud länglich und zuge-
spitzt eiförmig, 1 — 2 oder höchstens 3 Centimeter lang und 4 — 9 Milli-
meter breit, besonders an den Nerven etwas abstehend behaart oder im
Alter ziemlich kahl. Südlich von dem angegebenen nubischen Bezirke,
nämlich oberhalb Khartum, in Sennaar, Kordofan, Darfur, aber auch schon
in Dongola tritt die genannte Spielart auf, ausgezeichnet durch lanzettliche,
bis 0,036 — 0,040m lange und stärker behaarte Blättchen. Ihr Rand er-
scheint durch die ziemlich lang hervorragenden Härchen gewimpert. Bei
der breiteren Hauptform pflegt der Mittelnerv durch etwas röthliche Fär-
bung sich von der grünen, unterseits etwas bläulich-grünen Blattfläche ab-
zuheben.
Früher fanden sich unter diesen Blättchen häufiger auch die der Var.
Bischoffiana, so wie die der C. obovata, seltener die der angustifolia. Die
letzteren sind jetzt so gut wie gauz verschwunden und die stumpfen Blätt-
chen der C. obovata fehlen je länger je mehr. Immer aber, und auch heute
noch sind die alexandrinischen Sennesblätter begleitet von sehr wechselnden
Mengen der Blättchen und der hübschen, weissblühenden Trugdöldchen der
Asclepiadee Solenostemma Arghel Hayne (Cynanchum Arghel Delile).
Dieser gewöhnlich lm hohe Strauch vom Aussehen unseres Cynanchum
Vincetoxicum begleitet im oberen Nilgebiete, nicht aber, oder doch nur
äusserst spärlich im Sudan, die Senna-Cassien. Auch in Arabien fehlt der
Arghelstrauch nicht ganz.
Seine im frischen Zustande etwas fleischigen, trocken steif lederigen
Blätter kommen zwar in Gestalt und Grösse mit spitz-lauzettlichen Senna-
Blättern wohl überein. Allein die Solenostemma -Blätter sind dicker, von
graulich grüner Farbe und sehr runzeliger, meist verbogener Oberfläche,
welche beiderseits dicht besetzt ist mit kurzen, starren, ganz einfachen,
mehrzelligen Härchen. Dadurch werden die Nerven des Blattes sehr ver
deckt und nur die starke Mittelrippe bleibt, zumal unterseits, deutlich wahr-
*) deshalb in Aegypten als Berg senna, Sem- dschebili , bekannt und, wie cs scheint,
der besseren Besorgung wegen beliebt.
Folia Sennae.
467
nehmbar. Auch die hohlen Stengel, so wie die spitzen Kapselfrüchte des
Solenostemma sind mituuter in dieser Sorte vorhanden.
Zur Zeit, wo das Geschäft von der ägyptischen Regierung monopolisirt
war, gab der Pächter den Sennesblättern absichtlich und in gewissen
Verhältnissen Arghel - Blätter bei und bildete überhaupt je nach den
Umständen bestimmte Gemische der verschiedenen Senna-Species. Jetzt ist
der alexandrinischen Waare bald viel, bald wenig Solenostemma beigemengt,
vermuthlich weil diese Blätter nur noch zufällig mitgesammelt werden.
Bei den Arabern sollen sie sehr beliebt sein.
Die Solenostemma-Blätter besitzen nach Batka einen eigenthiunlicheu
Geruch, der sich den Sennesblättern mittheilt. Erstere schmecken stark
und rein bitter, nachträglich siisslich und geben an Wasser viel Schleim ab.
Das Mikroskop zeigt darin Krystallrosetten von Kalkoxalat. Obwohl dem
Solenostemma bedeutende physiologische Wirkung abgeht,1) sind seine
Blätter in grösserer Menge doch als eine ungehörige Beimischung der
Waare zu betrachten. Bis jetzt haben aber alle Aufforderungen zur allge-
meinen Zurückweisung der arghelhaltigen Sennesblütter den Ausschluss
derselben, so leicht er auch scheint, nicht herbeizuführen vermocht.
Nicht der Rede werth sind anderweitige gelegentliche Beimengungen,
wie z. B. die filzigen, vielnervigen Blätter der Tephrosia Apollineci DeC.
(Leguminosen).
Die alexandrinischen Sennesblätter pflegen ziemlich zerknittert, doch
meist noch schön grün zu uns zu gelangen. Die tripolitanischen oder
besser sudanischen Blätter erhalten wir in Folge der ungeheuren drei-
monatlichen Landreise, welche dieselben in losen Ballen aus Binsenhalmen
vom mittleren Niger her, z. B. aus Timbuktu, Sokoto und Katsena (im
Fellatah-Lande) zurückzulegen haben , gewöhnlich noch stärker beschädigt
und sie scheinen auch wohl durchschnittlich weniger rein gesammelt zu
werden. Die Sudan-Karawanen bringen diese Blätter durch die seit Barth’s
grossartiger Reise uns bekannter gewordenen Tuareg-Gebiete über Murzuk
nach Tripoli, hauptsächlich auch, wie durch Batka ermittelt ist , um da-
gegen Salz einzutauschen. Barth, der dem äusserst wichtigen Salzhandel
Sudans alle Aufmerksamkeit geschenkt hat, erwähnt indessen der Sennes-
blätter nicht und berichtet ausführlich, dass das Salz aus Taodenni (Tau-
deny), nördlich von Timbuktu, geholt wird. Bekannt ist auch, dass Bilma,
nördlich vom Tsad-See, dergleichen liefert. Besondere Verhältnisse mögen
freilich auch den Bezug des Salzes vom Meere her gebieten.
Die Sudan-Senna enthält neben Blättern der C. lenitiva in wechselnder,2)
!) Nach Pugnot soll es so gut purgiren wie Senna und an jungen Trieben scharfes, aro-
matisches Gummiharz ausschwitzen.
2) Bischoff’s Befund, dass die Tripoli- Sorte (1850) ganz der C. lenitiva angehöre,
erklärte Batka (1854. — Bot. Zeit. 109) für grundfalsch; die Sorte bestehe beinahe ganz
allein ans C. obovata. Gegenwärtig sind entschieden die der letzteren sehr selten.
30*
468
Blätter und Kräuter.
aber oft sehr geringer Menge, die der C. obovata nebst Hülsen und Stengel-
stucken, aber nur sehr selten hier und da einmal ein Blatt von Soleno-
stemma. Diese Sorte verdient daher, wenn sie gut ausfällt, vor der alexan-
dr mischen sogar den Vorzug. Freilich kömmt sie oft sehr unsauber vor
(.. obovata ist die kräftigste und verbreitetste Senna und in ihrer Blatt-
form bedeutender Abänderungen fähig. Die Blättchen sind im allgemeinen
nämlich schief verkehrt -eiförmig, mit kurz gestutztem bis kielförmigem
Grunde sitzend, vorn stumpf gerundet in eine sehr kurze Spitze ausgehend
(C. obovata a) genuina Bischof!), oder aber ganz gestutzt, sogar oft aus-
gerandet und. mit sehr kurz aufgesetzten Stachelspitzchen (C. obovata
p) obtusata Bischoff) versehen. Höchst ausgezeichnet sind die Hülsen dieser
Art durch ihre stark sichelförmige Krümmung und durch gelappte, fast
ammfönnige Auswüchse, welche den dicken Samen entsprechend die etwas
erhöhte Mitte beider Flächen der Frucht besetzen und in deren Nähe die
Samen bei der Keife herausfallen. Von den Rändern her laufen scharf aus-
geprägte gabelige Aederchen auf den Kamm zu. Ferner fällt auch die
dunkle grau grünliche in der Mitte röthliche Farbe dieser Hülsen in die
Augen. Die Blättchen wechseln in ihrer Behaarung und im Grade ihrer
Steifheit je nach dem Standorte, so dass z. B. die Pflanze von der Sinai-
Halbinsel und aus der Gegend von Dschidda sich durch kurze, besonders
unterseits oft dichte angedrückte Haare auszeichnet (Var. pilosa Batka).
Diese unverkennbare und so sehr verbreitete Art ist auch schon frühe
den europäischen Botanikern bekannt und von der spitzblätterigen unter-
schieden worden. Sie findet sich z. B. als Sena, Seuet dargestellt bei
Leonhard Fuchs 1542 und bereits im XI. Jahrhundert erwähnt Mesue
Senna sativa und sylvestris. Cassia obovata wurde auch, wie es scheint,
in der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts schon, in Italien eingeführt und
bei Florenz im grossen gebaut, daher sie sich noch in den beiden folgenden
Jahrhunderten als Senna italica, florentina s. vulgaris aufgeführt findet.
Die Cultur in Italien sowohl als die ähnlichen Versuche in Spanien scheinen
aber längst vollständig aufgegeben zu sein. Dagegen ist Cassia obovata in
der Gegend von Port- Royal auf Jamaica so gut wie verwildert und wird
gegenwärtig dort gebraucht1). — In Europa wird die Pflanze einjährig.
Pierre Belon aus Maus (1546—1549) fand schon bei seinem Be-
suche Aegyptens zwei Arten Senuesblätter , die geringere von C. obovata,
die bessere von C. lenitiva stammend und beschrieb die sichelförmigen
Früchte der ersteren. Die Senuesblätter der frühesten Zeit jedoch gehörten
nach Batka ’s Vermuthung der arabischen C. angustifolia, wie denn auch
Senna aus dem arabischen zu stammen scheint und die in Aegypten jetzt
noch geläufige Bezeichnung der Blätter, Sene-Mekki, auf Arabien hinweist.
Erst später hätte mau in Aegypten die nubische C. lenitiva (und C. obo-
vata) gesammelt und die ursprüngliche arabische Waare vergessen, bis das
B Pliarin. Journ. und Transact. VII. 448.
Folia Sennae.
469
Monopol in Aegypten oder Missernten, wohl auch Unruhen in Nubien, ge-
legentlich wieder die Einfuhr aus Dschidda herüberlockten. Die Höhe der
vom Yicekönig willkürlich geschraubten Preise veranlasste auch die Eng-
länder, sich für ihren Bedarf Arabien zuzuwenden und die Kultur der C.
angustifolia in Vorderindien einzuführen.
Die Fiederblättchen der C. angustifolia sind derber, länger und spitzer
als die der übrigen Arten, obwohl 'die Spindel zarter bleibt. Als Hauptform
(a. genuina) betrachten sowohl Bisch off als Batka die Pflanze aus
dem südarabischen Küstenstriche (el Tehameh) zwischen Dschidda und
(dem schon bei Myrrha genannten) Dscliison. Ihre Blättchen verschmälern
sich nur allmälig und erst oberhalb der Mitte, daher Martius sie als
schmal breitbasig, angustifolia basi dilatata, bezeichnet. Aus diesen Blätt-
chen besteht die Mekka Senna hauptsächlich. Pilger-Karawanen beför-
dern sie nach Dschidda, dem Hafen Mekka’s, welcher z. B. 1860 über Suez
165,000 Kilogr. Senna ausgeführt hat, also mehr als Nubien (v. Kreme r).
Gelegentlich gehen diese arabischen Blätter auch aus Dschidda über Kes-
seir und Keneh nach Aegypten.
Langgestreckt, auch am Grunde wenig verbreitert, daher lineal-lanzett-
lich zugespitzt zeigt sich eine zweite, vielleicht besserem Boden entspre-
chende Form, welche Martius als genuina anspricht, Bischoff als Var.
y. Ehrenbergii unterscheidet. Sie wächst auf demselben Küstensaume in
der Landschaft Abu-arisch und auf den Farsan-Inseln, Dschison gegenüber.
In Arabien ist übrigens, Ritter’s Nachweisungen zufolge, die Senna
keineswegs auf die Küstengegenden beschränkt, sondern auch im nördlichen
Theile des Innern (Nedschd) so gut wie im Nordosten, in Oman, verbreitet.
Als dritte schmalblätterige Form tritt in Vorderindien (Sind. Delhi.
Bombay. Madras. Tinnivelly) Bischoff’s Var. ß) Royleana ( Cassia
elongata Lemaire-Lisancourt) auf, von Martius in angustifolia arcuata
umgetauft. Diese Blättchen sind unterhalb der Mitte am breitesten und
nach oben rasch zugespitzt, dabei etwas weniger derb. Bischoff und
Batka, nicht aber Martius, halten diese Spielart für reine Kulturform,
deren üppigere Blattbildung durch Ausbrechen der Fruchtansätze befördert
werde. Batka schreibt schon der wildwachsenden C. angustifolia über-
haupt einen geringeren Geruch und Geschmack zu, und in der Tliat schei-
nen wenigstens die in Indien kultivirten Blätter in Betreff der Wirksamkeit
hinter den alexandrinischen zurückzustehen. Sie werden deshalb auch z. B.
von Pharm. Borussica und Germaniae ausgeschlossen, von British Ph. da-
gegen als gleichwerthig unter dem Namen Senna indica neben die alexan-
drinische Sorte gestellt.
In Tinnivelly (Tenavelly. Tirawalli), unweit der Südspitze Vorder-
indiens, wird Senna Royleana mit grosser Sorgfalt gebaut, die Blättchen,
welche bis 0,06m in der Länge und 0,02m in der Breite erreichen
können, vor der Fruchtreife gesammelt, an der Sonne getrocknet und sehr
470
Blätter und Kräuter.
fest in Ballen verpackt. Von irgend welcher Beimengung ist hier keine
Rede; selbst Blattspindeln fehlen ganz.
Durch Auslesen grösserer Fiederblättchen aus Mecca-Sennesblättchen
wird in Livorno und andern continentalen Häfen eine indische oder so-
genannte Tinnivelly- Sorte hergestellt, welche an Schönheit und Grösse
immei hinter der ächten Waare zurückbleibt. Diese gelegentliche sehr
schlecht ausfallende Substitution mag auch wohl dem Rufe der Tinnivelly-
Waare geschadet haben.
Als Al epp o- Senn a fand sich vorübergehend auf dem Triester Markte
nach Batka ein dort bereitetes Gemisch von arabischen Blättern der C.
angustifolia mit denen der C. obovata. Ein dcrai'tiges Gemenge, worin die
letzteren vorwalten und noch von C. pubescens begleitet sind, habe ich
einmal unter dem Namen Folio, Sennae indica vom Hause Feh r Walser
u. Söhne in Livorno erhalten.
W ild gewachsene ostiudische Sennesblätter kommen nicht vor, wie sich
von selbst versteht, wenn es sich bestätigen sollte, dass wenigstens die
schmalblätterige Senna dort überall nur gepflanzt ist. Schon vor 1 820 aber
verschaflten sich die Engländer südarabische Blätter, neuerdings meist aus
der Gegend von Loheia, Mocha, Aden, Makalla, welche dann, ähnlich wüe
andere Drogen mehr, der Speditionsrichtung wegen den Namen folia Sennae
indica angenommen und neben denjenigen aus Tinnivelly behalten haben.
Sie gehen theils über Surat und Bombay in das Innere Indiens , theils aus
letzterem Hafen nach Europa. Deutschland erhielt Mekka -Sennesblätter
erst 1840 direkt über Cairo.
Der Mekka-Senna finden sich selten und immer nur in geringer Menge
beigemischt einzelne Blättchen der C. pubescens R. Brown (Syn. : C. Schim-
peri Steudel. — C. holosericea Fresenius. — C. aethiopica Guibourt), noch
seltener der alexandriuischen Senna. Reichlich Hessen sie sich aus der oben
erwähnten Senna indica von Livorno gewinnen. Batka hat diese kleine
krautige Art in seiner Monographie (1866) Taf. IV sehr schön abgebildet
und mit dem allerdings ganz treffenden Namen Senna ovalifolia belegt,
nachdem er dieselbe schon 1 849 *) als Senna tomentosa eingeführt hatte.
Die ovalen oder kaum etwas länglichen Fiederblättchen von grau grünlicher
Farbe sind nur mit einem sehr kurzen Stachelspitzchen versehen, vom ge-
rundet oder vertieft gestutzt (retusa) und stark, oft dicht filzig behaart.
Die Pflanze wächst auf beiden Küsten des südlicheren Rothen Meeres
(Dschidda, Aden und Massua), wie es scheint auch, aber vermuthlich nicht
zahlreich, in Nubien und sogar im unteren Indus-Gebiete (Siude).
Batka findet diese Blättchen geringer riecheud als die der C. obovata,
doch von Seunageschmack.
Der Geruch der Sennesblätter ist schwach, aber eigenthümlich; in der
alexaudriuischeu Sorte soll er durch Solenostemma bedeutend erhöht werden.
!) Bot. Ztg. 1849. 190 und 1854. 1 15.
Folia Seunae.
471
Der Geschmack, unbedeutend schleimig, dann schwach süsslich und etwas
bitterlich kratzend, ist am stärksten ausgeprägt bei C. leuitiva und zwar,
nach Batka, im höchsten Grade bei der oben (pag. 466) angeführten
Var. ß) Bischoffiana. Cassia obovata besitzt schon weniger den specifischen
Geruch und Geschmack, am wenigsten aber C. angustifolia. Mehr aroma-
tisch bitter, kaum sennaartig und darum auch gar nicht gebräuchlich ist
die von Batka (1866) beschriebene und abgebildete Senna Hookeriana
aus Aden, welche von der sehr ähnlichen Cassia obovata durch die nicht
mit kammförmigen Erhöhungen versehenen Hülsen abweicht.
Nachdem Braconnot in den Sennesblättern neben unvollkommen
cliarakterisirten Stoffen1) 12 p.C. essigsauren und äpfelsauren Kalk gefun-
den, ergaben (1821 — 1824) die Untersuchungen von Lassaigne u. F e-
neulle ausser allgemeiner verbreiteten Pflanzenstoffen (Chlorophyll, Ei-
weiss, Fett, Schleim) Aepfel- und Weinsäure und deren Salze, Spuren
ätherischen Oeles, gelben Farbstoff und endlich einen besonderen Bitterstoff,
der C a t h a r t i n 2) genannt, aber nicht vollständiger isolirt wurde . H e e r 1 e i n
konnte (1843) in diesem schmierigen Stoffe nicht den wirksamen Bestand-
theil der Senna erkennen.
Auch Bley u. Diesel (1849) gelang die Reindarstellung des Cathar-
tins nicht; sie erhielten ein gelbes Harz, Chrysoretin, das sich ebenfalls
wirkungslos zeigte, neben Pektin, gummiartigem Stoffe und einem brechen-
erregenden braunen Harze. Aepfelsäure und ätherisches Oel fehlt diesen
Chemikern zufolge. — Rau fand auch etwas Gallussäure und Zucker.
Den Gehalt der Senna an Weinsäure bestätigte (1855) Casselmann;
das Kalksalz schiesst reichlich aus dem wässerigen Extracte an.
Die sorgfältige Arbeit von Martius zeigte aufs neue, dass ein reiner
Körper (Carthartin) nach den Angaben von Lassaigne u. Feneulle nicht
erhalten wird und dass das Chrysoretin ebenfalls noch ein Gemenge, ver-
muthlich von Margarin, harzartigen Stoffen (Phaeoretin ?) uud Chrysophan-
säure ist. Den interessanten Nachweis dieser letzteren (siehe darüber auch
unter Rad. Rhei) verdanken wir Martius. Sie lässt sich nach Batka noch
leichter aus den Bliithen als aus den Blättern der Senna gewinnen, wenn
dieselben mit Kali ausgezogen werden ; dem durch Salzsäure im Filtrate
erhaltenen und getrockneten Niederschlage entzieht Chloroform die Chryso-
phansäure, nach meiner Erfahrung jedoch ziemlich unrein. Nach Sawicki
(1857) wird der wirksame Stoff der Sennesblätter durch Wasser schon auf-
genommen und ist durchaus nicht Chrysophausäure. Martius fand im
übrigen sehr geringe Spuren ätherischen Oeles, Weinsäure neben Oxal-
säure 3) und etwas Apfelsäure, dann Zucker, nicht aber Pektin.
Die Asche der Sennesblätter beträgt nach Meischel, Burton und
1) vergl. bei Martius in der oben (pag. 464 Note 1) angef. Schrift pag. 112.
2) nicht zu verwechseln mit dem Rhamnocathartin der Fructus Rhamni (siehe diese).
3) Das Mikroskop zeigt in der Mittelschicht des Blattparenchyms sofort ziemlich zahl-
reiche Üxalatkrystalle, theils Rosetten, mehr noch gut ausgebildete Hendyoedcr.
472
Blätter und Kräuter.
Schreiber 9 12 pC. und besteht zu etwa % aus Kalk-, Magnesia-
und Kalicarbonat, woraus sich auf die grosse Menge organischer Säuren
(Weinsäure) schlossen lässt.
Neue Aufklärungen hat Ludwig (1864) durch Stütz veranlasst,
item weingeistigen Auszuge der Sennesblätter wurde nach Verjaguug des
Alkohols vermittelst Knochenkohle ein Gemenge zweier Bitterstoffe ent-
zogen , welche wieder durch kochenden Weingeist aufgenommen und nach
der bei so vielen Bitterstoffen üblichen Methode (z. B. bei Digitaliu, — vgl.
bolia Digitalis) gereinigt wurden. Durch Aether liess sich das Produkt in
darin lösliches terpenthinartiges Sennacrol und in unlösliches Senn a-
pikrin theilen. Letzteres ist gelblich, amorph, zerreiblich, schwer in
Wasser, leicht in Weingeist löslich, von süsslich-bitterem erwärmendem
Geschmacke. Durch verdünnte Säuren wird das Seunapikrin in Zucker
und ein aromatisches Oel gespalten. Das Sennacrol schmeckt gleichfalls
bitter und ist einer ähnlichen Spaltung fähig.
Kubly u. Dragendorff erkannten (1865) als wirksamen Bestaud-
tlieil der Sennesblätter die amorphe Cat hart in säure, deren Formel
£i80Hi!>2N4g£82 wohl noch der Bestätigung bedarf. Ihr Kalk- und Magnesia-
salz wird den Blättern durch Wasser entzogen und daraus mit Weingeist
gefallt, Alkalien und Säuren spalten sie in Zucker und Cathartogeuinsäure,
in welche letztere Stickstoff und Schwefel ebenfalls übergehen. Wird das
weingeistige Filtrat nach der Abscheidung der Cathartinsäure eingedampft,
mit Aether von Fett und Chrysophansäure befreit, so lässt sich mit schwä-
cherem Weingeist ein warzig krystallisireuder Zucker 021HM ö19 (bei 1 10°)
gewinnen, welchen Kubly u. Dragendorff als Cathartomannit be-
zeichnen. Er dreht die Polarisatiousebeue nach rechts, reducirt Kupferoxyd
nicht und gährt nicht. - — - Rau will (1866) durch Fällung mitBleiessig den
wirksamen Stoff in farblosen Krystallen — Sennin — erhalten haben.
Nach den ausführlichen Erörterungen von Martius lässt sich die Be-
kanntschaft mit Senua nicht weiter als bis zu Serapio dem älteren (gegen
Ende des VIII. Jahrli.) zurückverfolgen, so dass die Droge dem Alterthum
bestimmt unbekannt war und auch wohl nicht vor dem Mittelalter in das
Abendland gelangte. Erst die späteren arabischen und griechischen Aerzte
des IX. — XI. Jahrli. erwähnen sie häufiger, und auf diesen Zeitraum dürfte
auch wohl die Einführung der nubisch-äthiopischeu Senua neben oder statt
der arabischen fallen. Aber erst der jüngere Mesue (wahrscheinlich im
Anfänge des XI. Jahrli.) nennt bestimmt die Blätter. Früher waren aus-
schliesslich die Früchte, Folliculi Sennac, im Gebrauche,1) welchen auch
Mesue grössere Wirksamkeit zuerkeunt. Immer noch haben sich auch bei
uns in der Volksmedicin diese „Sennesbälge“ eiuigermassen behauptet,
obwohl sie in neuerer Zeit oft sehr selten wurden und jahrelang fast völlig
im Handel fehlten.
b Serapion beschreibt genau die gebogenen Früchte (vaginas obtortas) der C. obovata
und ihre Finsammlung.
Folia Sennae.
473
Derselbe lieferte sonst gewöhnlich die Früchte der Cassia lenitiva, ge-
mengt mit einer geringeren Zahl der meist überreifen Hülsen von C. obo
vata, welche letztere nach der obigen Beschreibung (S. 468), so wie auch
au ihren dunkelen, dick keilförmigen, nicht flachen Samen leicht kenntlich
sind. Die Früchte der ersteren Art sind nicht sichelförmig, sondern schief
rundlich, fast rhombisch und au der Spitze völlig stumpf oder sogar etwas
ausgerandet, so dass der kleine Griffelrest gewöhnlich kaum den Rand
überragt. Die flachen Samen veranlassen nur sanfte Auftreibungen dei
Hülsenfläche, welcher auch lappenförmige Anhängsel ganz fehlen. Die
Hülsen der C. lenitiva bleiben immer kurz, höchstens 4 Centimeter lang
und halb so breit.
Die Früchte der C. angustifolia hingegen erreichen bei nicht bedeuten-
derer Breite oft beinahe 6 Ceutim. Länge und sind mit einer deutlich auf-
geworfenen seitlichen Spitze versehen. Ihre flachen Samen zeichnen sich
durch stärkere Ausprägung und Verschlingung der Runzeln aus, welche
auch über die Ränder in einander greifen, während diese letzteren bei
C. lenitiva glatt bleiben. Meist ist auch der vordere (untere) Rand der
Samen von C. angustifolia fast herzförmig ausgeschnitten. Den käuflichen
Folliculi Sennae fehlen in der Regel jedoch die Hülsen der letzteren Art,
während sie in der Mecca Senna getroffen werden. Aus dieser liest man sie
jetzt auch bisweilen in Europa rein aus.
Batka gibt an, in den Sennahülsen ausser allgemein verbreiteten
Stoffen Sennacr in (nicht bitter) , Sennaretin und Sennagerbsäure
gefunden zu haben, was noch weiterer Untersuchung bedürftig ist. Die
Hülsen schmecken ziemlich stark kratzend, weit weniger die Samen.
Was der Handel unter dem Namen Folia Sennae parva s. f ragmenta
Sennae bietet, pflegt der Abfall vom Auslesen oder Absieben der Rohwaare
zu sein, welcher sich zur arzneilichen Verwendung nicht empfiehlt.
Der Verbrauch der Senuesblätter scheint im allgemeinen in Abnahme
begriffen zu sein. Nach Martius empfing Triest von 1846 — 1850 durch-
schnittlich 480,000 Pfundjährlich, Hamburg 65,000 Pfund jährlich zwischen
1851 — 1856. Die Gesammteinfuhr Frankreichs erreicht jährlich (1846 bis
1855) nur 190,000 Kilogr., diejenige Englands (1845 — 1854) etwas über
450,000 Pfd. England erhält fast immer den weitaus grössten Theil aus Indien.
Verwechselungen der Sennesblätter sind heutzutage selten. Die Blätt-
chen von Colutea arborescens L. (Papilionaceae) sehen denen der Cassia
obovata ß) obtusata ähnlich, sind aber noch kürzer, verbiegen sich beim
Trocknen stark und unterscheiden sich auch sicher durch matt grau-grüne
Farbe und runzelig- aderige Oberfläche. Die Blätter der süd- europäischen
Coriaria myrti folia L. (Coriarieae) könnten auf den ersten Blick mit den-
jenigen der C. angustifolia ß) Royleana zusammengeworfen werden. Erstere
sind aber weit schärfer zugespitzt, am Grunde symmetrisch und dreinervig.
Des giftigen Coriamyrtins wegen , das sie enthalten , wäre jedoch eine Bei-
mischung dieser Blätter in grösserer Menge sehr bedenklich.
474
Blätter und Kräuter.
Herba Millefolii.
Herba Millefolii florens. Folia et flores Millefolii. • Summitates Millefolii.
Garbe. Schafgarbe. Millefeuille. Herbe aux charpentiers. Milfoil.
Aehillea Millefölium L. — Compositae-Senecionideae.
Kleines ausdauerndes, durch den ganzen mittleren Gürtel der nördlichen
Halbkugel bis Finnland, in Niederungen und in Gebirgen bis in die Vor-
alpen1) verbreitetes Kraut, das je nach dem Standorte ziemlichen Abände-
rungen seiner Tracht unterworfen ist.
Man sammelt entweder die ganzeu beblätterten , vom Juni bis October
blühenden Spitzen oder die zusammengesetzten flachen Doldentrauben der
Blüthen, getrennt von den vielpaarig zwei- bis dreifach fiederspaltig und in
kleine, fein stachelspitzige Läppchen zertheilten Blättern. Im Umrisse sind
die letzteren schmal lanzettlich , in sehr zahlreiche , etwas krause Fieder-
blättchen, diese wieder meist in 3 — 7 Läppchen zerschlitzt, zottig oder fast
kahl. Die grundständigen Blätter werden fusslang, die zerstreuten Stengel-
blätter bleiben bedeutend kleiner. Durch der Unterseite eingeseukte Oel-
drüschen sind die Theilblättchen im frischen Zustande fast durchscheinend,
je nach der Behaarung von bald mehr, bald weniger dunkelgrüner Farbe.
Durch Einschrumpfung verlieren sich beim Trocknen die Oelräume. Die
kantig-rinnigen Blattspindeln sind etwas zottig, am Grunde halb stengel-
umfassend, die Stengel selbst gerillt.
Die Blätter riechen sehr schwach und nicht eben angenehm aroma-
tisch und schmecken salzig, kaum etwas bitterlich. Getrocknet geben sie
etwa 0,6 p. Mille eines dicken dunkelblauen ätherischen Oeles, das dem
Kraute ähnlich, doch stärker riecht und schmeckt.
Die für eigenthümlich gehaltene Achilleasäure ist nach Hlasiwetz
(1857) Aconitsäure; ein besonderer Bitterstoff der Schafgarbe, von Zanon
(1846) als Achillein bezeichnet, bedarf noch näherer Untersuchung.
Das Kraut enthält wenig Harz und Gerbstoff, ist reich an Phosphaten,
Nitraten und Chlorüren und gibt nach Ogston u. Way getrocknet 13,4 pC.
Asche, die weit überwiegend aus Kalisalzen besteht. Durch Destillation des
frischen, der Gährung überlassenen Krautes mit Wasser erhielt Bley neben
dem erwähnten blauen ätherischen Oele noch ein sogenanntes, aus der
wässerigen Lösung durch Aether ausziehbares Fermentöl von wenig gewürz-
haftem Gerüche.
Der sehr gedrungene ästige Bliithenstand bildet im ganzen eine ziem-
lich laug gestielte Doldentraube mit sehr zahlreichen, im einzelnen traubig
zusammengesetzten filzigen Verästelungen. Die spärlicher behaarten becher-
förmigen 0,005'" hohen Blüthenköpfcheu sind von einer bleibendeu Hülle
aus zahlreichen, ungleich langen stumpf-lanzettlichen Blättchen umgeben,
1) am Demaweud im Elburs bis 12,000 Fuss hoch. Buhsc.
Herba Absinthii.
475
deren brauner Rand stark bewimpert, der grünliche Rücken mehr kahl ist.
Sie schliessen in der Regel 5 weibliche Randblüthen ein , deren sehr breit
zungenförmige dreizähnige Blumen aus dem Köpfchen heraustreten und
sich zuletzt aussen bis gegen dessen Mitte Zurückschlagen.
Die röhrig-glockigen Kronen der 3- bis 20zwitterigen Scheibenblüthen
überragen die Hülle nicht und lassen auch die Staubbeutelröhre und den
zweischenkeligen Griffel nicht heraustreten, so dass die Köpfchen oben ein
ziemlich flaches abgestutztes Aussehen gewinnen. Die Röhren aller Blüthen
sind grünlich, mit nur wenigen, sehr kleinen gestielten Drüschen versehen,
der Saumweiss, häufig rosenroth oder violett-röthlich. Der kleine Blütheu-
boden ist durch die langen Deckblättchen der Blüthen spreuig, den letzteren
fehlt der Pappus.
Die Blüthen schmecken bitter und riechen weit kräftiger aromatisch als
die Blätter, obwohl nicht eben angenehm. Sie geben ungefähr doppelt so
viel ätherisches Oel wie die Blätter, welches durch Gehalt an flüchtigen
Fettsäuren sauer reagirt, sonst aber mit dem der Blätter übereinzustimmen
scheint. Ohne Zweifel enthalten die Blüthen hauptsächlich auch den
Bitterstoff.
Die Achillea, wenn auch vielleicht eher A. nobilis, als die obige Art,
gehört zu den ältesten Arzneipflanzen. Im Mittelalter wurde sie wieder von
Arnoldus Villanovanus zu Ende des XIII. Jahrhunderts empfohlen, im
vorigen Jahrhundert dann besonders durch Stahl.
Herba Absinthii.
Summitates Absinthii. Wermutkraut.1) Absinthe commune. Grande2)
*■ absinthe. Wormwood.
Artemisia Absmtliium L. — Compositae- Senecionidene.
Syn.: Absinthium vulgare Lamarck.
Der Wermut ist vorzüglich in Gebirgsländern zu Hause und von Nord-
afrika und der Sierra nevada an durch Europa und das nördliche Asien bis
Kamtschatka verbreitet. In England geht er bis 57° nördl. Br., in Nor-
wegen und Finnland findet er sich wild bis 61°, in der Schweiz nur in
einigen Alpenthälern des Wallis und Graubündens, aber massenhaft und
bis zur Höhe von 1700m über Meer. Er scheint dagegen zum Theil im
Orient, z. B. in Palästina, nach Held reich auch schon in Griechenland,
zu fehlen,3) ist aber in Südrussland und den südkaspischen Gebirgen (Elburs)
einheimisch.
Aus der starken vieljährigen Wurzel erheben sich krautige Blattbüschel,
b Wermuda schon im XII. Jahrhundert, Wermuota noch früher.
2) Gegensatz zu Artemisia pontica L. : petite absinthe.
3) A. judaica L. in Palästina und A. arborescens L. auf den griechischen Inseln sind
dem ächten Wermut nicht unähnlich und häufig damit verwechselt worden.
476
Blätter und Kräuter.
welche im zweiten Jahre über 1" hohe, an, Grnmle verholzende, jedoch im
Herbste absterbende Stengel treiben. Dieselben sind rundlich, etwas gerillt
und nach oben in schlanke pyramidale Rispen verzweigt.
. Die dünnen Zweige erster Ordnung und die kleinen, nicht sehr zahl-
reichen Zweiglem zweiter Ordnung tragen in den Blättwinkeln je ein fast
kugeliges 3 Millim. messendes Blöthenkörbchen, das auf kurzem Stielchen
seitlich oder abwärts nach aussen geneigt ist. Seltener erhebt sich aus dem-
selben Blattwinkel ein zweites, weit länger gestieltes Körbchen.
Die im Umrisse breit dreieckig- rundlichen, bis 0,25m erreichenden
bodenständigen Blätter sitzen auf über 0,10"' laugen, am Grunde nur wenig
verbreiterten schwachen Stielen und sind dreifach gefiedert.
Die untersten Abschnitte erster Ordnung stehen oft sparrig ab, die
oberen, unter spitzem Winkel aufwärts strebend, treten näher zusammen,
so dass die höheren Blattabschnitte dicht in einander gewirrt erscheinen.
Die äussersten Fiederlappen sind breit zungenförmig, drei- oder füuftheilig,
abgerundet oder sehr kurz bespitzt. Nach oben, bei den gleichgestalteten,
doch weit kleinern und nur zweifach fiedertheiligen Stengelblättern tritt der
Blattstiel je länger je mehr zurück. Die Deckblättchen der Blüthentrauben
sind nur noch schmal dreizipfelig, die obersten ganz einfach lanzettlich.
Kleine, genau anliegende, sehr weiche Haare vou bandförmiger, aber laug
zugespitzter Gestalt überziehen fast die ganze Pflanze mit theilweiser
Ausnahme der untersten holzigen Stengelstücke mit dichtem grauen Filze,
der die hellen Oeldriischen der Blätter verdeckt und nur auf der Oberseite
die dunkelgrüne Farbe der letzteren durchscheinen lässt. Unten zeigen
sich die Blätter mehr weisslich. In der Kultur, wo die Pflanze höher wird,
nimmt die Behaarung sehr ab.
Die langzottigeu , am Rande durchscheinenden Blättchen der Hülle
neigen fast glockenförmig zusammen und bergen den stark gewölbten, aber
sehr kleinen und laug behaarten Blütheuboden , welchem die zahlreichen
gelben Blüthclien eingefügt sind. Den wenigen weiblichen Randblütheu
fehlt ein zuugenförmiger Saum, ihre schmächtige Röhre ist gauzrandig oder
nur zweizähnig und kürzer als die beiden ziemlich gerade herausragendeu
stumpfen Narben. Die längeren und dickeren , oben füuflappigeu Röhren
der Scheibenblüthen erreichen ungefähr die Höhe der Raudblütheunarben,
so dass das ganze Köpfchen eine sanfte convexe Rundung erhält. Die
Scheibenblüthen sind zwitterig, sämmtliche Blümchen aussen durch sehr
kleine Drüschen glänzend.
Den zusammengedrückten bräunlichen, kaum 1 Millim. langen Frücht-
chen geht der Pappus (Fruchtkrone) ab.
Man sammelt das Kraut von den dicksten Stengeln befreit im Spät-
sommer zur Zeit der Bliithe. Es riecht eigeuthmlich gewürzhaft, doch
nicht angenehm und schmeckt sehr stark und rein bitter, dabei scharf
aromatisch. Die Kultur vermindert diese Eigenschaften.
Der Wermut gibt Vs bis 2 pC. ätherisches Oel; die sehr zahlreichen an-
Herba Absinthii.
477
sehnlichen Oelräume der Blätter sind der ßauptsitz desselben, wie denn auch
Zeller in der That von den Körbchen nur halb so viel erhielt wie von den
Blättern. Nach dessen Zusammenstellungen schiene auch der nordische
Standort die Menge des Oeles zu vermehren.
Das Oel besitzt in hohem Grade den Geruch und den aromatischen Ge-
schmack des Krautes und eine grünliche Farbe, die bei der Rectification
nicht verschwindet, aber durch Luft und Licht in schmutziges Braun über-
geht. Die Farbe soll durch 3 pC. Azulen (siehe bei Flores Chamomillae)
und gleichzeitige Anwesenheit von gelbem gelöstem Harze bedingt sein.
Das Wermutöl rotirt rechts, besitzt gleiche Zusammensetzung , denselben
Siedepunkt und gleiche Dampfdichte wie der gewöhnliche Campher und
liefert mit Salpetersäure die nämlichen Produkte (vergl. Camphora). Nach
Gl ad s tone enthält es zugleich noch einen Kohlenwasserstoff. Auch dieses
Oel wird bei der Destillation von flüchtigen Fettsäuren begleitet, wie das
der Flores Chamomillae.
Den 'Wermutbitterstoff, das Absinthiin , versuchte zuerst Caventou
(1828) darzustellen. Rein erhielten es Mein (1834), Luck (1851) und
vorzüglich Kromayer (1861). Letzterer fällt es in dem wässerigen Aus-
zuge mit Gerbstoff, zersetzt den Niederschlag mit Bleioxyd und zieht mit
Alkohol aus, wodurch farblose körnig-krystallinische Krusten vom Gerüche
und Geschmacke des Wermuts gewonnen werden, die in Aether leicht, in
Wasser, selbst in siedendem, kaum löslich sind. Das Absinthiin, G4üH5SG9,
nach Kromayer, zerfällt beim Kochen mit verdünnter Schwefelsäure iu
Harz und ertheilt der Flüssigkeit eine röthliche gelbgrün schillernde Farbe,
ohne dass hierbei Zucker auftritt. Die Lösung in concentrirter Schwefel-
säure wird durch Zusatz vou wenig Wasser dunkelblau. Das Absinthiin
scheint zu den Aldehyden zu gehören und iu naher Beziehung zum ätheri-
schen Oele der Pflanze zu stehen. Aus der Reaction von 8 G auf 4 Aequi-
valente des ätherischen Oeles = G40 H64 Ö4 könnte hervorgehen G40H58O9
(Absinthiin) unter Austritt von Wasser H« G3 und Aufnahme von 05.
Luck’s Absinthiin soll saure Eigenschaften besitzen und scheint der For-
mel G H 0 zu entsprechen, welche ebenfalls auf einen Zusammenhang
mit dem Kr omayer scheu Körper hinweist1), wenn der erstere wirklich
nicht damit identisch sein sollte.
Der Bitterstoff ist auch iu den Blüthen vorhanden, da sie wie alle übri-
gen weichem Theile der Pflanze bitter schmecken. Sie enthält ausserdem
Harz, einen der Catechugerbsäure ähnlichen Gerbstoff, so wie in den ober-
irdischen Theilcn Aepfelsäure und Bernsteinsäure. Diese beiden Säuren
treten nach Tichanowitsch (in Südrusslaud) erst im Juli auf und zwar
zunächst nur die erstere allein, vorzüglich in den Blüthen. Die Bernstein-
L vgl. Ludwig, in Fresenius, Zeitschrift für analyt. Chemie I. 18 (1862). In der ein-
zigen Verbindung, mit Gerbstoff, scheint das Absinthiin mit der Formel G40H56G8 ent
halten zu seiu.
478
Blätter und Kräuter.
säure hatte hier schon Br ac onnot (1815) bemerkt, aber für eigentüm-
liche „Wermutsäure“ gehalten. Zwenger erkannte (1843) ihre wahre
Natur und erhielt davon y2 pro mille aus trockenem Kraute. Den Iteichthum
des Wermutes an Salzen, namentlich den Salpetergehalt, hatte ebenfalls
Braconnot schon hervorgehobeu. Trockenes Kraut gibt nach Schulze
(1863) 2,7 pC. Salpeter.
Die Alten scheinen wohl unter Apsinthion oder Absinthion, dessen
Etymologie nicht klar ist, nicht nur unsern Wermut, sondern mehr noch
Artemisia pontica verstanden zu haben. Die Israeliten hielten ihn (Artemi-
sia judaica?) für giftig.
Artemisia pontica, durch sehr dicht weisslich grau filzige und weit fei-
ner zertheilte Blätter verschieden, gehört mehr dem Süden an.
Herba Cardui benedicti.
Folia Cardui benedicti. Kardobenedikteukraut. Chardon benit.
Blessed thistle.
Cnicus benedictus L. — Compositae-Centaureae.
Syn. : Centaurea benedicta L.
Calcitrapa lanuginosa Lamarck.
Die Spinnendistel ist ein einjähriges sehr lästiges Unkraut, das durch
die Steppen Persiens, Transkaukasiens (Muganer Steppe am untern Kur)
und Syriens, auf den Inseln und dem Festlande Griechenlands einheimisch
ist. Im übrigen Südeuropa ist es verwildert und durch Gartenkultur jetzt
auch bis in das südliche Norwegen und nach Nordamerika verbreitet. In
Südsibirien scheint die Pflanze zu fehlen.
Zum officinellen Gebrauche dienen die zur Blüthezeit gesammelten Blätter
oder die beblätterten obern Verzweigungen des krautigen gerillten Stengels,
welche eine lockere Doldentraube darstellen. Die beinahe fusslangen boden-
ständigen Blätter sind buchtig fiedertheilig , mit rundlichen, in eine starre
Stachelspitze auslaufenden Sägezälmen und breitem kantigem geflügeltem
Blattstiele. Die obersten als Deckblätter die grossen einzelnen endständigen
Bliithenköpfchen einhüllenden Stengelblätter weichen von den untersten
Blättern durch breit eiförmige scharf zugespitzte Form sehr ab. Sie sind
tief stachelspitzig gezähnt, am Grunde herzförmig stengelumfassend. Au
den mittleru Theilen des Stengels sitzen Blätter, wTelche die verschiedenen
Uebergangsformen von jenen langen in den Blattstiel verschmälerten und
getheilten untern Blättern zu den sitzenden breiten Deckblättern darbieten.
Das fast kegelförmige, bis 0,03"' hohe, am. Grunde 0,015 dicke Köpf-
chen zeigt mehrere dachig geordnete Reihen häutiger, in derbe spitze
Stacheln auslaufender Hüllblättchen. Die untersten kleinsten tragen einen
gerade aufstrebenden einfachen Stachel, die innersten Blättcheu schliessen
oben fest zusammen, ihr bis 0,02‘" langer Stachel ist fast rechtwiukelig
Herba Absinthii.
479
zurückgebrochen und trägt etwa 4 bis 5 Paare vertikal abgehender bis
0,005,n langer Stachelästchen, die sich nicht genau gegenüberstehen.
Die schön gelben rührigen Blüthen erreichen trotz einer Länge von übei
0,025m kaum die Höhe der Hüllstacheln ; die 4 bis 6 randständigen sind
einzig aus der schmächtigen oben dreizipfeligen Röhre gebildet, die innern
20 bis 25 von dem gewöhnlichen Bau der zwitterigen Gompositen-Blüthe.
Die genabelte Frucht trägt eine lOzähnige Krone und innerhalb derselben
einen zweireihigen Pappus. Der feste gemeinschaftliche Bliithenboden ist
dicht mit starren weissen Borsten besetzt.
Stengel, Blätter und Hülle sind mehr oder weniger behaart, namentlich
ist die letztere durch lange einfache Haare stark spinnwebig filzig. Am
Stengel, zumal in den Achseln seiner Verzweigungen und auf der ebenen
Blattfläche kommen neben zahlreichen langen, aus kurzen sackförmigen
Stücken sehr charakteristisch zusammengesetzten Haaren noch ungestielte
kleberige Drüsen vor. Diese finden sich auch gewöhnlich fast allein und
spärlich über die untere glänzende Blattfläche zerstreut, wo die kahlen
Nerven mehr hervortreten. Die Kultur vermindert die Behaarung.
Durch allerlei Schmutz, welcher sich in dem weichen zusammenfallenden
aber für sich ungefärbten Haarbesatze fängt, erscheint das Kraut meist
ziemlich unsauber. Dasselbe, so wie auch die Stengel, schmeckt stark und
sehr rein bitter, nicht aromatisch.
Der von Nativ eile darin aufgefundene Bitterstoff, C nie in oder Cen-
taurin, krystallisirt und ist in kaltem Wasser kaum löslich. Die wein-
geistige Lösung dreht die Polarisationsebene nach rechts. Schon durch
Kochen mit Wasser scheint das Cniciu eine Zersetzung zu erleiden, welche
näherer Untersuchung bedarf. Es entspricht nach Scribe1) der empiri-
schen Formel 014H1805 und soll auch in anderen bitter schmeckenden
Centaureen Vorkommen.
Das Kraut ist reich an Salzen des Kalis und Kalkes. Frickhinger
erhielt aus dem Extracte reichliche Krystallisationen von äpfelsaurer Magne-
sia mit wenig Kalksalz.
Man glaubte im Mittelalter im Cnicus die heilkräftige Akarna des Theo-
phrastos oder die Atralctylis des Dioskorides zu erkennen und führte
sie deshalb, besonders nach der Empfehlung des Arnoldus Villanova-
nus (um 1350) in den Arzneischatz ein.
L er fau'l C = 62,16 bis 62,9 pC., Luck im Absinthiin 65,18, so dass vielleicht eia
Zusammenhang beider Stoffe besteht. Zu Scribe's Analysen passt auch die Formel
G40 H520 7, die sich nur durch ein minus von H60h vom Absinthiin unterscheidet.
480
Blätter und Kräuter.
Herba Centaurii.
Flores s. summitates Centaurii minoris.1) Tausendgüldenkraut. Rother
Aurin. Petite centauree. Centaury tops.
Erythräea Centäurium Persoon. — Gentianeae.
Syn.: Gentiana Centaurium L.
Dieses zierliche einjährige Kraut ist an lichten Waldstellen und in Wiesen
bis in die Bergregion sehr verbreitet. Es findet sich von Nordpersien au
durch ganz Vorderasien, rings um das Mittelmeer, auf den Azoren und in
allen europäischen Ländern, in England z. B. bis 58° nördl. Breite, in Finn-
land, ferner auch in Canada und New-York.
Aus der schwachen ein- oder zweijährigen ästigen Pfahlwurzel erhebt
sich gewöhnlich ein einzelner, über fusshoher 4- bis G kantiger, etwas ge-
flügelter glatter Stengel oder auch mehrere derselben, wenn etwa die Haupt-
axe verkümmert. Die schön rosenrothen ,2) selten weissen Blüthen bilden
einen endständigen traubigen, aber meist doldenförmig flachen Blütheustand.
Die zahlreichen, aus den Winkeln der obersten Blätter kervorgeheuden
Aeste verzweigen sich wieder trugdoldenartig-gabelig, wobei aber zuletzt
die Spindel in eine sitzende Blüthe endigt, welche gabelig von den gestielten
Seitenbliithen überragt wird. Die meisten Aeste strecken sich schliesslich
zu fast gleicher Höhe.
Die wenig gefärbte, gegen 0,0 10m lange, trocken walzenförmige Blumen-
rohre tritt aus dem spitz fiinfspaltigen Kelche heraus und breitetsich in die fünf-
lappige, nach dem Trocknen wieder fast glockenförmig geschlossene Krone
aus, welche die grossen, nach dem Verstäuben schraubenförmig gedrehten
Antheren kaum wahrnehmen lässt.
Die spitzeiförmigen oder zu oberst in der Bliithendolde schmal linealen
Blätter sitzen paarweise einander gegenüber; die grundständigen rosetten-
artig zusammengedrängt, sind breiter, stumpf, kurz bespitzt und in eiuen
kurzen Blattstiel auslaufend.
Die über 0,04“ langen, gegen 0,02“ breiten unteren Stengelblätter,
nach oben allmälig spitzere Form annehmend, zeigen auf jeder Hälfte zwei
oder doch einen unter sehr spitzem Winkel abbiegendeu Seitennerveu. Am
Grunde berühren sich die Blätter jedes Paares und senden am Stengel
schwache Flügelkanten abwärts.
Sämmtliche Blätter sind gauzrandig von etwas derber Consistenz und,
wie übrigens die ganze Pflanze, völlig kahl und glänzend. Die krautigen
Theile der Pflanze wie auch die Blumen schmecken stark und rein bitter.
Durch Aether hat Mehu (1863 — 18GG) aus dem wässerig-alkoholischen
Extracte das merkwürdige Ery throcentaurin £27H-49S gewonnen.
X) Centaurium majus der älteren Botaniker war Ccntaunfa Centaurium L., eine in den Ge-
birgen Italiens einheimische Composito.
2) Daher der Genusname: £puHpdc roth.
Herba Centaurii.
481
Getrocknetes Kraut gibt davon höchstens Vs pro Mille, frisches verhältniss-
mässig mehr. Die grossen farblosen Krystalle sind vollkommen indifferent
und geschmacklos und werden kaum von Chlor angegriffen. Sie schmelzen
bei 136° C. unverändert und lösen sich in 35 Th. kochenden, in 1600 Th.
kalten Wassers, auch in 48 Alkohol und 13 Th. Chloroform bei 15°.
Von Aether bedarf das Erythrocentaurin das 245 fache zur Lösung. Ohne
irgend eine weitere Aenderung nimmt dasselbe im Lichte eine lebhaft rothe
Farbe an, deren Auftreten z. B. durch Chlor, nicht aber durch ungefärbte
Gase verschiedenster Art gehindert wird. Das geröthete Erythrocentaurin
gibt farblose Auflösungen, aus denen es im dunkeln ungefärbt anschiesst;
die feste Substanz verliert bei 132° ebenfalls die Farbe. Neben einem noch
weniger untersuchten Bitterstoffe fand Mehu auch Harz und Wachs im
Tausendguldenkraute, so wie gegen 6 pC. Asche, hauptsächlich aus Gyps
bestehend. Bei der Destillation mit Wasser gibt besonders die getrocknete
Pflanze Baldriansäure.
In der bei Herba Millefolii angegebenen Weise hat Büchner aus Ery-
thraea ein gewürzhaftes , doch nicht angenehm riechendes Fermentöl dar-
gestellt.
Das Tausendgüldenkraut scheint bereits den Alten bekannt gewesen zu
sein, vermutlich schon Dioskorides als Kentaürion. In dem bei Semen
Hyoscyami erwähnten deutschen Arzneibuche des XIII. Jahrhunderts finden
wir auch „Centauriam daz chrüt.“
Die mehr auf Norddeutschland und Holland beschränkte Erythraea
linariaefolia Persoon (E. angustifolia Wallroth) sieht der obigen Art ähnlich,
ist aber vielstengelig, besitzt schmälere Blätter und breitet sich rispenartig
in einen lockeren, verlängert gabelästigen Bliithenstand aus. Die krautigen
Theile sind zudem sehr fein und etwas scharf gewimpert.
Die viel schwächere Erythraea pulchella Fries (E. ramosissima
Persoon) scheint, obwohl im ganzen weniger häufig, doch eben so weit
' verbreitet zu sein wie E. Centaurium. Sie ist von Grunde an rispig ver-
! zweigt, ohne grundständige Blätter und bleibt durchschnittlich etwa
0,1 0m hoch.
E. pulchella sowohl als die vorhergehende Art schmecken übrigens
1 gleichfalls stark bitter.
Statt Erythraea hat British Pharmacopoeia als Chirata oder Chiretta
eine nordindische Gentianee, die Ophelia Chirata De Cand. (Gentiana
Chirayta Roxburgh, Agathotes Ch. Don) aufgenommen, welche auf dem
europäischen Kontinente unter dem Namen Stipites Chirayitae noch wenig
Eingang gefunden hat und auch wohl für uns sehr entbehrlich ist. Der
Handel bringt Bündel der ganzen mit einfacher kurzer Pfahlwurzel ver-
sehenen, etwa l,n hohen Pflanze, welche meist aus einem höchstens 4 Millira,
dicken, glänzend bräunlichen kahlen Stengel besteht. Derselbe ist walzen-
rund, doch mit 4 schwachen Flügelkanten und zwei weniger ausgeprägten
Längsrillen versehen und bildet nach oben eine etwas gedrängte, laug gabel-
Flückiger,§Pharmakognosie. o-t
482
Blätter und Kräuter.
ästige Rispe mit gelben , den kurzen Kelch überragenden Blumen. Blätter
sind nur sehr spärlich vorhanden. Der Geschmack der Chirata ist sehr
bitter. Sie ist in ihrem Yaterlande ein altberühmtes Arzneimittel, dessen
Ruf schon in früher Zeit nach dem Abendlande gedrungen zu sein scheint
(vergl. bei Rhizoma Calami).
In ähnlicher Weise wird in Chili und Peru die kleine einjährige Ghiro-
nia chilensis Willdenow (Erythraea chilensis Persoon — Gentiana peru-
viana Lamarck) zumal als Fiebermittel hochgeschätzt und unter dem Namen
Herba Cachen-Laguen in geringer Menge ausgeführt.
Folia Trifolii fibrini.
Folia Menyanthis. Biberklee. Bitterklee. Trefle de marais. Bog bean.
Menyänthes trifoliata L. — Gentianeae.
Kleine Staude sumpfiger Stellen1) der Niederungen und der Gebirge im
kälteren Theile der nördlichen Halbkugel, sehr häufig z. B. durch das mitt-
lere Europa bis Schottland, in Skandinavien bis zum Nordkap, daun iin
Altai und in Sibirien, in Labrador (Nain) und den Vereinigten Staaten.
Der ausdauernde, weithin kriechende und geringelte Wurzelstock , fast
von der Dicke eines Fingers, treibt aus den Astgipfeln einige langgestielte
wechselständige Blätter. Aus dem Winkel eines etwas tiefer stehenden
scheidenartigen vorjährigen Blattes erhebt sich bis fusshoch und den Blätter-
büschel überragend der blattlose Blüthenschaft mit den zahlreichen hüb-
schen, zu einer nicht sehr dichten Traube zusammengestellten Blumen von
zarter weisser und rosenrother Färbung.
Die Blätter umhüllen mit einer langen und weiten Scheide den schwam-
migen Wurzelstock , dessen Glieder zu oberst etwas gestreckt sind. In ge-
ringem Abstande vom Stengel bleibt die Scheide plötzlich zurück und der
ungefähr bis 0,1 0m lange walzenrunde derbe, doch von Luftröhren durch-
zogene Blattstiel breitet sich in ein dreitheiliges Blatt aus. Die rundlich
eiförmigen gegen 0,08m langen und halb so breiten Abschnitte sind von
einer breiten runzeligen oft bräunlichen Hauptrippe durchzogen, aus welcher
zahlreiche feine Nerven in sanftem Bogen steil aufsteigeu. Die breite Spitze '
des Blattabschnittes endigt in ein stumpfes weisses Höckerchen. Dergleichen
sind auch in geringer Zahl und bisweilen von sehr kurzen breiten Säge-
zähnen getragen dem Blattrande aufgesetzt. Doch sind die meisten Blätter
ganzrandig oder nur weuig ausgeschweift, alle völlig kahl, wie die ganze
Pflanze, mit Ausnahme der durch zierliche weisse Papillen zottigen
Blumenkrone.
Frisch sind die Blätter wegen der zahlreichen kleinen Luftröhren ihrer
Rippen und Nerven etwas dicklich, fallen aber beim Trocknen nicht eigent-
lich runzelig zusammen. Sie schmecken kräftig und rein bitter.
1) [j.7jvüw ich zeige an (d. h. Sumpf) uud avöo; Blume.
Folia Digitalis.
483
Der Bitterstoff des Biberklees, das Men y an th in, vermuthlichG30 H46 0 u,
wurde 1860 von Kromayer nach der bei Absinthiin und Digitalin er-
wähnten Methode zuerst rein dargestellt und als gepaarte Zuckerverbindung
erkannt. Es ist ein farbloses amorphes, durch Wasseraufnahme kleberig
werdendes Pulvervon höchst bitterem Geschmacke, beim Erhitzen heissende,
an Senföl erinnernde Dämpfe ausgebend. Wasser und Weingeist, nicht aber
Aether lösen das Menyanthin. Die wässerige Lösung trübt sich beim Kochen
mit verdünnter Schwefelsäure durch Tröpfchen eines farblosen Oeles Meny-
anthol, welches abdestillirt und angenehm nach Bittermandelöl riecht.
Neben harzartigen sekundären Produkten bleibt gährungsfähiger Zucker im
Rückstände. Dem rohen Menyanthin wird durch Aether ein kratzender
Stoff entzogen, ähnlich wie dies bei Digitalin und Gratiolin der Fall ist.
Ein sehr gewiirzhaftes Fermentöl, welches Bley aus Biberklee in der
bei Herba Millefolii angedeuteten Weise gewonnen hat, steht möglicherweise
in Beziehung zum Menyanthol.
Menyanthes der Alten war vermuthlich nicht unsere gleichnamige nor-
dische Pflanze, welche wohl zuerst von den deutschen Botanikern des XYI.
Jahrhunderts empfohlen wurde und in der zweiten Hälfte des XVII. Jahr-
hunderts in die Pharmakopoen Eingang fand. Conrad Gesner nannte sie
Biberklee, Tabernaemontanus Trifolium fibrinum. Zweifelhaft ist die
Biverwurz oder Bibirwurz, welche um 1150 von der heiligen Hildegard
aufgeführt wurde.
Folia Digitalis.
Fingerhutblätter. Feuilles de digitale. Grande digitale. Purple foxglove,
leaves.
Digitalis purpure a L. — Scrophulariaceae.
Der Fingerhut wächst in Gebirgswäldern durch den grössten Theil
Europas, denNordosteu und den äussersten Süden ausgenommen. Er findet
sich in Centralspanien, in den Pyrenäen, durch ganz Frankreich und Eng-
land bis ins nördlichste Schottland, in Ober -Italien, Deutschland, im süd-
lichen und westlichen Norwegen bis 62° nördl. Breite noch sehr häufig.
Jedoch ist die Verbreitung der Pflanze eine sehr ungleiche. In grosser Menge
tritt sie z. B. in den rheinischen Gebirgen, besonders in den Vogesen und
dem Schwarzwalde auf, fehlt aber dem benachbarten Jura, der Schweize-
rischen Hochebene und den Alpen vollständig.
Der schönen Blüthen wegen, welche in endständiger, mehr als fuss-
langer Traube nach einer Seite herabhängen, wird die Pflanze auch sehr
häufig in Gärten gezogen. Aus der zweijährigen Wurzel erhebt sich auf-
recht und bis mannshoch ein kantiger einjähriger Stengel, der bisweilen
einige Aeste treibt, da wo er in die Blüthentraube übergeht.
Die zahlreichen bodenständigen Blätter verschmälern sich ziemlich rasch
31 *
484
Blätter und Kräuter.
in den geflügelten, bis 0,18ra langen kantigen Blattstiel, das Blatt selbst
erreicht bei stumpf eiförmigem Umrisse bis 0,25ra Länge und 0,1 Om Breite.
Die an Grösse rasch abnehmenden, weit aus einander gerückten Stengel-
blätter nehmen allmälig scharf zugespitzte Form an und verschmälern
sich in den kürzeren Blattstiel, der mit breiter Basis am Stengel sitzt.
Zuletzt folgen kleine ungestielte lang zugespitzte Deckblättchen derBliithen-
traube.
Die durch ein helles Dräschen gekrönten Sägezähne sind bei den unter-
sten Blättern sehr breit und sanft gewölbt, kleiner und etwas eckiger, doch
auch nicht eben scharf hervortretend bei den oberen Blättern. Durch starke
spitzwinkelige, besonders unterseits sehr ausgeprägte Nerven wird das Blatt
etwas uneben und starr und fühlt sich der reichlichen Behaarung wegen
rauh an. Auf der unteren Blattfläche, besonders längs der Nerven, stehen
dicht gedrängte weiche grauliche Haare, welche aus einer Anzahl band-
artig zusammenfallender, kurz gegliederter Zellen bestehen. Die spär-
licheren Haare der oberen Blattfläche zeigen weniger Glieder, das äusserste
etwas verdünnt stumpflich auslaufend. Trotz der derben dicklichen Be-
schaffenheit der Blattfläche lässt sie doch die feinsten Verzweigungen des
Adernetzes bei durchfallendem Lichte sehr scharf hervortreten. Die älteren
bodenständigen Blätter sind schon weit dünner behaart, in der Kultur wird
die Pflanze vollends kahl.
Der widerige, etwas narkotische Geruch der Blätter verliert sich beim
Trocknen; sie schmecken ekelhaft scharf und bitter. Ihre gefährliche Wir-
kung äussern sie nur dann in vollem Masse, wenn sie von wild gewachsenen
blühenden oder eben aufblühenden Pflanzen stammen.
Zur Darstellung des wirksamen Stoffes des Digitalis wurden sehr zahl-
reiche Versuche angestellt. Homolle erhielt das Digitalin zuerst (1845)
in reinerer Form als amorphe, äusserst bittere Masse oder in undeutlichen
Krystallschüppchen und gab schon an, dass es stickstofffrei sei und sich in
concentrirter Salzsäure mit smaragdgrüner Farbe löse. Sein Verfahren be-
ruht auf der Fällbarkeit des Digitalins durch Gerbsäure, liefert aber bei nur
wenig abweichender Ausführung ein verschiedenes Produkt, das nach Walz
immer ein Gemenge ist. Aether entzieht demselben namentlich fettartige
krystallisirbare (Digitalinfett und Digitaloi'nsäure) und harzartige, sehr
scharf brennend schmeckende (Digitalisschärfe) Stoffe, welche alle anfangs
von Walz als Digitalacrin oderDigitalicrin zusammengefasst worden wareu.
Wird nach demselben der in Aether unlösliche Antheil des rohen Digitalins
mit Wasser übergossen, so nimmt es das eigentliche Digitaliu (früheres
Digitasolin von Walz) auf, das zur Reinigung nochmaliger Behandlung mit
Gerbsäure und Bleioxyd bedarf, und lässt Digitaletin in krystallinischen
Warzen zurück. Dieses letztere scheint, Walz zufolge, identisch zu sein
mitHomolle’s ursprünglichem (reinem) Digitalin, während Homolle und
Quevenne ihr Produkt später für ein Gemenge erklärten aus (le) Digi-
talin, (la) Digitalins und Digitalose. Wieder ein anderes Digitalin hat Kos-
Folia Digitalis.
485
manu durch kaltes Wasser ausgezogen, welches aber au Aether noch grüne
Nadeln einer Fettsäure, Digitoleinsäure , abtritt. Wasser nimmt gefärbte
Stoffe weg und lässt endlich weisse mikroskopische Schüppchen des reinen
Digitalins von Kosmann.
Das Digitalin von Walz ist amorph, bei 137° schmelzbar, in Weingeist,
Chloroform und heissem Wasser, nicht in Aether löslich ; es zerfällt beim
Kochen mit verdünnten Säuren in Zucker und Digitaletin. Längere Ein-
wirkung spaltet das letztere weiter in Zucker, Digitaliretin und das durch
Mindergehalt von 2 H3 0 vom Digitaletin verschiedene Paradigitaletin. Durch
Kochen mit fixen Alkalien scheint das Digitalin ohne Zuckerbildung und
unter sehr geringer Sauerstoffaufnahme in krystallisirende Digitalinsäure
übergeführt zu werden.
Walz erhielt 0,7 pC., Wittstein bis 1,4 pC. Digitalin aus frischen
getrockneten Blättern, 0. Henry 1 pC. Stimmen somit alle Untersuchungen
darin überein, dass der höchst giftige Träger der Digitaliswirkung eine sehr
bittere indifferente gepaarte Zuckerverbindung ist, so herrscht doch über
dieses Digitalin, seine Begleiter und seine Abkömmlinge noch grosse Unklar-
heit. Walz gibt seinem Präparate die Formel G28H48-G14. Kosmann’s
Digitalin verliert bei 100° C. 10,5 pC. Wasser und entspricht dann der
Formel G27H45G-1S, ist aber so hygroskopisch, dass alles gewöhnliche Digi-
taliu als das Hydrat mit 4H20 zu betrachten sei.
Engelhardt hat 1862 aus Digitalisblättern ein demConiin undNicotin
ähnliches und ebenso riechendes flüchtiges Alkaloid dargestellt und für den
eigentlichen wirksamen Bestandtheil der Pflanze erklärt.
Als Digitalosmin bezeichnet Walz (1852) Schuppen eines nach
Digitalis riechenden, ekelhaft kratzend schmeckenden Stearoptens, das durch
Destillation der Blätter mit Wasser in geringer Menge erhalten wird. Hier-
bei geht auch die schon (1845) von Pyram Morin bemerkte ölartige
Anti rr hinsäure über, deren unangenehmer betäubender Geruch an die
Pflanze selbst erinnert. Vermutklick ist diese Säure ein Gemenge von
ätherischem Oele mit Fettsäuren (hauptsächlich Baldriansäure?). Eigen-
thümlich ist vielleicht die von demselben Chemiker dargestellte Digital-
säure, welche in sehr leichtlöslichen, stark sauren Nadeln aus dem wässe-
rigen Aufgusse der Blätter erhalten wird.
Mariae hat im Digitaliskraute (1864) auch Inosit nachgewiesen. Es-
enthält ferner nach Henry Gallussäure.
Das Digitalin ist auch in den braunen netzig-grubigen, höchstens gegen
1 Millira, grossen Samen vorhanden, welche reich an fettem Oele sind, und
ebenso in den übrigen Digitalis- Arten , z. B. in D. grandiflora Lamarck,
D. lutea L., D. parviflora Lamarck (in Italien) verbreitet. Namentlich
scheint die südeuropäische D. fßvruginea L. sehr stark zu wirken.
Da die Blätter der Digitalis purpurea zur Bliithezeit gesammelt werden
sollen, so ist eine Verwechselung mit jenen zuerst genannten, in unsern
Gegenden häufigen, gelb blühenden Arten nicht leicht denkbar. D. grandi-
486
Blätter und Kräuter.
ßora (Syn. : D. ambigua Murray, D. ochroleuca Jacquin) hat übrigens un-
gestielte, höchstens 0,06'" breite, lang eiförmig zugespitzte Blätter mit
weniger ausgeprägtem Adernetze und , wenigstens an den Stengelblättern
sehr scharfen Sägezähneu; die mehr borstliche Behaarung ist weit spär-
licher. Aehulich sind die Blätter der D. lutea.
Die vorherrschend ungestielten, meist herablaufenden Blätter der Ver
bascum-Arten sind durch ästige, unter derLoupe deutlich erkennbare Stern-
haare dicht filzig, die von SymphytumofficinaleL. durch vereinzelte Borsten
sehr rauh, übrigens spröde, ganzrandig und eben so wenig bitter wie die
Verbascum- Blätter. Auch die lebhaften grünen Blätter der Inula Conyza
DeC. (Conyza squarrosa L.) sind brüchig, durch abstehende Haare rauh,
dazu nur wenig oder gar nicht gesägt und frisch etwas aromatisch.
Die Digitalisblätter sind erst 1775 durch Withering in Birmingham
in den Arzneigebrauch eingeführt worden. Leonhard Fuchs, dem die
Pflanze (1542) den heutigen Namen verdankt, kannte ihre Wirkung nicht.
Herba Gratiolae.
Gnadenkraut. Gottesgnadenkraut. Gratiole. Petite digitale. Hedge hyssop.
Oratio la officinalis L. — Scrophulariaceae.
Perennirende Sumpfpflanze, durch Europa (mit Ausnahme Englands)
bis Südsibirien und in die Dsungarei, auch in Nordamerika einheimisch,
doch nur sehr zerstreut und mehr auf die Niederungen beschränkte
Man sammelt das blühende Kraut, befreit von dem kriechenden ästigen,
sehr schwammigen, höchstens gegen 5 Millim. starken Wurzelstocke und
den unteren, spärlicher beblätterten Stengeitheilen. Das mehr oder weniger
niederliegende gegliederte Stämmchen erhebt sich zu einem über fussliohen,
meist ganz einfachen blühbaren Stengel und treibt wenige kürzere beblät-
terte Aeste.
Der gegliederte saftige und markige, nicht knotig aufgetriebene Stengel
wird nach oben allmälig gerundet vierkantig und ist mit ziemlich weit aus
einander gerückten Blätterpaaren besetzt, die in gekreuzter Stellung aufein-
ander folgen. In der mittleren und oberen Höhe des Stengels, wo die Blätter
am vollständigsten entwickelt sind, erreichen sie bis 0,04m Länge und gegen
0,0 15m Breite. Die Internodien des Stengels bleiben kürzer als die Blätter.
Die Basis der beiden jeweilcn gegeuübersitzenden Blätter fliesst zusammen,
jede Blatthälfte trägt an ihrem vorderen Rande 3 bis 6 Sägezähne, welche
erst bei den oberen Blättern zugeschärft erscheinen, doch immer in ein
rundliches Dräschen endigen. Die unteren Blätter sind mehr eiförmig
stumpf lieh, die oberen länglich und spitz auslaufend. Gegen die vordere
Hälfte des Blattes verlieren sich die beiden äusseren der 5 Läugsnerveu all-
mälig in den Rand, wodurch manche Blätter 3nervig erscheinen.
Die Blüthen entstehen einzeln in dem einen Winkel der Blattpaare , so
dass sie sich abwechselnd einmal zur rechten , daun zur linken von Glied
Herba Gratiolae.
487
zu Glied am Stengel folgen. Die ansehnliche weissliche oder röthliche
Blume ragt auf langem schlankem Blüthenstielchen oft über das Stützblat
heraus oder bleibt nicht weit hinter demselben zurück. Der tief und regel-
mässig fünfspaltige Kelch ist von 2 linealen längeren Deckblättchen begleitet
und bleibt bei der Fruchtreife, während die aus gekrümmter gelblichbräun-
licher Föhre fast zweilippig ausgebreitete viertheilige Krone abfällt. Den
beiden unteren der 4 der Röhre aufgewachsenen Staubfäden fehlen die Staub-
beutel. Der Schlund der feinnervigen Blumenrohre trägt gebüschelte gelbe
Haare, im übrigen ist die Pflanze kahl. Die sehr zahlreichen, äusseist
kleinen Samen der zweifächerigen, zweiklappig aufspringenden Kapsel glei-
chen deneu der Digitalis, sind aber mehr länglich.
Die Blätter sind ohne Geruch, aber von sehr starkem, rein bitterem
Geschmacke; ein sehr anhaltender, scharf kratzender Nachgeschmack
macht sich erst nach einiger Zeit bemerklich.
E. Maichand hat 1845 einen Bitterstoff, Gratiolin, vermittelst
Weingeist aus dem Kraute erhalten, dessen Reindarstellung in farblosen
Krystallnadeln nach der bei Digitalin (siehe unter Folia Digitalis) angedeu-
teten Methode dann durch Walz ausgeführt wurde. Die umfangreichen
Untersuchungen desselben (1848—1858) haben daneben in etwas grösserer
Menge einen zweiten Bitterstoff, Gr atiosolin (anfangs Gratioliue genannt !),
so wie die Thatsache zu Tage gefördert, dass beide gepaarte Zuckerverbin-
dungen (Glykoside) sind. Dem Gratiolin kömmt die Formel O20H34T>7 zu;
durch Austritt von H24> scheint daraus krystallisirendes Gratioletin hervor-
zugehen; kochende verdünnte Schwefelsäure zerlegt das Gratiolin in Zucker
und harzartiges amorphes Gratioleretin , wobei auch Gratioletin und Harz
auftreten.
Dem rohen Gratiolin entzieht Aether hauptsächlich Fett (Gratioloin)
und Harz, aus welchem (von Walz zuerst als Gratiolacrin bezeichneten)
Gemenge sich Krystalle der Fettsäure, Gratioloi'nsäure , gewinnen lassen.
Nach der Behandlung mit Aether tritt das rohe Gratiolin an kaltes Wasser
das amorphe rothgefärbte Gratiosolin ab, welches schon in Mittelwärme
ohne Trübung durch verdünnte Alkalien oder Säuren in Zucker und Gra-
tiosoletin zerfällt. In der Wärme aber spalten die Säuren das letztere noch-
mals in Zucker und in das in Aether unlösliche Hyclrogratiosoleretin, welches
zum Theil H20 abgibt und dadurch in Gratiosoleretin übergeht, das in
Aether und Weingeist, nicht in Wasser löslich ist.
Unter allen diesen Stoffen, welche wiederholter Untersuchung bedürfen,
scheint allein das ekelhaft bittere Gratiosolin eigentlich giftige Eigenschaften
zu besitzen.
Wird das Gratiolakraut mit Wasser destillirt, so gehen sehr geringe
Mengen flüchtiger Fettsäuren (vorzüglich Baldriansäure?) über, von Walz
als Gratiolasäure bezeichnet.
Ausserdem enthält die Pflanze auch eisengrünende Gerbsäure und
fettes Oel.
488
Blätter uud Kräuter.
M ^ie medicinische Brauchbarkeit der unscheinbaren Gratiola war schon
Matthiolus und Dodonaeus im XYI. Jahrhundert nicht entgaigen.
Die etwas allgemeinere Anwendung begann erst später.
Die eigentümliche Blüthenbildung der Gratiola schliesst eine Verivechs-
iuug der Pflanze aus; davon abgesehen hat sie grosse Aehnlichkeit mit der
an denselben Standorten aber weit häufiger wachsenden Labiate Scutella-
na galenculata L. Letztere besitzt jedoch deutlich, wenn auch kurz-
gestielte am Grunde herzförmige Blätter, welche vorzüglich gegen die Basis
seicht gekerbt sind. Die obersten Blätter hingegen sind fast gauzraudig.
Folia Stramonii.
Heiba Daturae. Stechapfelblätter. Feuilles de stramoine. Thora apple.
Der krautige hohle, anfangs einfach angelegte Stengel des Stechapfels
(vergl. bei Semen Stramonii) treibt später aus den Winkeln des obersten
die Gipfelbliithe stützenden Blattpaares dichotome, etwas ungleich starke,
ebenfalls in Gipfelblütheu abschliessende Verzweigungen1)-, an welchen die
normale Lage der Blätter durch Anwachsungen verändert erscheint. Unter-
halb jeder der kurzgestielten Gipfelblütheu nämlich entstehen neben jedem
der beiden nach aussen gewendeten Stützblätter zwei gegenständige Seiten-
blätter, deren Stiele mit dem der erstem verwachsen. Aus dem Winkel der
letztem geht ebenfalls eine kurzgestielte Blüthe hervor. Unterhalb jeder
Astgabel findet sich ein einzelnes grosses Blatt. Diese bei sämmtlichen
Verzweigungen wiederholten Verhältnisse1) geben der buschig ausgebreite-
ten Staude ein eigentümliches Aussehen.
Die weichen sehr leicht welkenden Blätter sind im Umrisse alle spitz-
eiförmig, sehr ungleich buchtig gezähnt, die grossen Zähne oder Lappen
nochmals mit einem oder zwei Paaren kleinerer Zähne versehen , alle kurz
stachelspitzig. Am Grunde gehen die Blätter keilförmig, gerade abgeschnitten
oder fast herzförmig und etwas uneben in den bis 0,1 0m langen schlanken
Blattstiel über. Die grössten Blätter messen gegen 0,20m in der Länge
und ungefähr 0,1 01U in der durchschnittlichen Breite, von den Lappen oder
Zähnen abgesehen.
Obwohl in der Jugend sammt den zarten Stengeltheilen und Blattstielen
etwas flaumig, siud die ausgewachsenen Blätter doch völlig kahl, bis auf
sehr vereinzelte weiche Haare, welche sich hier und da längs der ziemlich
feinen Nerven vorfiuden. Die letzteren gehen unter 35° bis 40° oder weniger
von der nicht sehr derben Hauptrippe gerade ab.
Der sehr widerliche narkotische Geruch der Blätter verliert sich beim
Trocknen. Ihr Geschmack ist alsdann unangenehm bitterlich salzig.
Die Daturablätter enthalten in sehr geringer Menge dasselbe Alkaloid
U erschöpfend dnrgcstcllt von W ydler: Botan. Zeitung 1844. 689. — Flora 1851. 403.
Folia Hyoscyami.
489
wie Semen Stramonii und sind reich an Salpeter. Bei 100° getrocknete
ausgesuchte Blätter gaben mir 17,4 pC. Asche.
Datura Tatula L., ungefähr in denselben Gegenden, aber weit seltener
vorkommend als D. Stramonium, unterscheidet sich trotz der grössten
Aehnlichkeit von letzterer durch bläuliche bis violette Färbung der Stengel
und Blattstiele und blaue Blume. Tatula ist auch im allgemeinen kräftiger,
besonders in Yenezuela, von wo oder aus Mexico sie stammt. Ihre Blätter
sind länger, tiefer buchtig und noch spitzer als die der D. Stramonium,
aber im einzelnen nicht davon zu unterscheiden. Vermuthlich stimmen sie
auch in chemischer Beziehung überein.
Die gewöhnlich herzförmigen Blätter von Chenopodium hybridum L.
sind ungefähr gleichgestaltet wie die von D. Stramonium und können auch
dieselbe Grösse erreichen. Die Stengelblätter bleiben jedoch kleiner, tragen
nur 2 oder 3 grosse Sägezähne an jeder Seite und sind in eine lange spiess-
förmige Spitze ausgezogen, während dem Ende der Daturablätter eine breite
kurze Spitze aufgesetzt ist.
Folia Hyoscyami.
Herba Hyoscyami. Bilsenkraut. Feuilles de jusquiame. Henbane leaves.
Das Bilsenkraut (siehe bei Semen Hyoscyami) gelangt meist erst im
zweiten Jahre zur Blüthe, bei frühzeitiger Aussaat oft aber auch schon im
Spätsommer des ersten Jahres. Die letztere nur einjährige Form (Hyoscya-
mus agrestis Kitaibel), mehr mageren Stellen angehörend, treibt einen ein-
fachen, die gewöhnlichere zweijährige Pflanze hingegen einen etwas ästigen
über fusshohen Steugel. In beiden Fällen ist derselbe ziemlich reich besetzt
mit zerstreuten weichen spitz eiförmigen Blättern, welche zu oberst als an-
sehnliche Stützblätter der einseitigen Bliithenähre halb stengelumfassend
sitzen und an beiden Rändern mit ein paar grossen Zähnen versehen sind.
In der mittlern Höhe des Stengels tragen die Blätter deren etwa 4 auf jeder
Seite und -der Endlappen ist bald mehr bald weniger spitz ausgezogen.
Die grössten Stengelblätter erreichen etwa 0,20ra Länge bei einer mittlern
Breite von ungefähr 0,1 0m, wenn von den Zähnen abgesehen wird. Nur
die untersten Blätter, so wie die der nicht blühenden Triebe sind allmälig
von bi eit eiförmigem Umrisse in den bis 0,05m langen Blattstiel verschmä-
lert und mehr seicht und grob gezahnt. Stengel, Blätter und Kelch des
Bilsenkrautes sind von sehr langen weichen und breit bandartigen Glieder-
haaren zottig. Das letzte lang zugespitzte Stück vieler Haare läuft in eine
mit schmierigem Inhalte versehene Drüse aus , so dass die frische Pflanze
sich sehr kleberig anfühlt. In der Kultur nimmt die Behaarung ab und
die Blätter werden noch bedeutend umfangreicher. Nach dem Trock-
nen tritt die breite helle Mittelrippe, welche unter etwa 50° bis 60° gerade
Nerven aussendet, stark hervor, während das Blatt übrigens sehr ein-
schrumpft und eine graugrünliche Missfarbe annimmt.
490
Blätter und Kräuter.
Der stark narkotische Geruch der frischen Blätter ist nach dem Trock-
nen weniger mehr bemerklich, der Geschmack salzig, sehr schwach bitter-
lich und kaum etwas scharf.
Ausser dem Hyoscyamin (siehe bei Semen Hyoscyami) sind vom Bilsen-
kraute keine besonderen Bestaudtheile bekannt. Es scheint reich an Salzen
zu sein.
Häufig ist das käufliche Bilsenkraut begleitet von der unregelmässig,
fast zweilippig füuftheiligen Blume, deren zierlich violette Adern auf gelbem
Grunde sie auch nach dem Trocknen noch sehr auszeichnen. Eben so
charakteristisch sieht die bei Semen Hyoscyami erwähnte Kapselfrucht aus.
Durch blässere rein gelbliche und nicht geaderte Bliithen unterscheidet
sich die übrigens gleich beschaffene Spielart H. pallidus (H. niger ß. palli-
dus Koch) der einjährigen Form.
In Südeuropa dient auch Hyoscyamus albus L. , dessen sehr zottige
mehr rundliche oder herzförmige reicher gezahnte Blätter langgestielt sind.
Die fleischige möhrenartige Wurzel des H. niger riecht sehr stark nar-
kotisch und wirkt, wie Schroff gezeigt hat, besonders im zweiten Jahre
giftig, doch weniger als das Kraut. Die saftige nicht verholzte Wurzel des
ersten Jahres wirkt noch schwächer, hat aber doch schon bei Verwechslung
mit geniessbaren etwas ähnlichen Wurzeln Vergiftungen veranlasst.
Folia Belladounae.
Tollkraut. Tollkirschblätter. Feuilles de belladone. Belladonna leaves.
Die Tollkirsche (siehe bei Radix Belladounae) treibt starke mannshohe
krautige Stengel, die sich nach oben meist in 3 wiederholt gabelige Aeste
theilen und eine reichliche wickelförmige Verzweigung1) ausbilden. Die
Eigenthümlichkeit derselben spricht sich auch in der Vertheilung und
Grösse der Blätter aus.
Die untern nämlich, bis ungefähr 0,20m lang und 0,10m breit, spitz
eiförmig und keilförmig in den bis 0,0Sln langen, etwas schlaffen Stiel aus-
laufend, finden sich zerstreut unterhalb der Haupttheilung des Stengels.
An den Aesten hingegen stehen immer zwei Blätter von ungleicher Grösse
so neben einander, dass die sämmtlichen kleineren Blätter sich nach innen
der Hauptaxe zuwenden , während die mehr als doppelt so grossen äusseru
Blätter aller Paare mehr aufgerichtet und nach aussen gekehrt sind. Die
Grundgestalt der Blätter bleibt immer dieselbe, nur sind die kleineren ver-
hältnissmässig viel breiter, auch kürzer zugespitzt. Aus dem geringen
Zwischenräume der gepaarten Blätter brechen die kurzen einblumigen
Blüthenstielchen hervor. Alle Blätter sind ganzraudig, von einer breiten
Rippe durchzogen, von welcher unter uugefähr 40° ziemlich gerade Nerven
1) sehr gründlich erörtert von Wydler: Flora 1851 und 1859, und Mittheilungen der
Naturf. Gesellschaft in Bern 1861.
Folia Nicotianae.
491
abgehen. Die zarteren Stücke des Stengels sind flaumig, die jüngeren
Blätter am Grunde und unterseits längs der Nerven mit langen weichen
bandförmig gegliederten Haaren spärlich gewimpert. Die ausgewachsenen
Blätter aber tragen höchstens noch an den Nerven der blassgrünen Rück-
seite vereinzelte Flaumhaare. Wo dieselben am reichlichsten ei scheinen,
sind sie von einer kugeligen Drüse mit gelbbraunem schmierigem Inhalte
gekrönt. Beide Blattflächen, etwas spärlicher die dunkelgrüne obere, sind
mit sehr zahlreichen weissen Pünktchen besetzt, welche ausser höchst feiner
Streifung eine besondere Organisation nicht darbieten und sich auch beim
Einäschern nicht etwa als Sitz von Kieselsäure erweisen. Häufig kommen
auch von einem Korkrande umschriebene Stellen vor, wo das Blattparen-
chym allen Inhalt verliert, durchsichtig wird und endlich ganz schwindet,
so dass grössere oder kleinere Löcher Zurückbleiben.
Trocken sind die Blätter papierdünn und brüchig; sie nehmen leicht
oberseits eine bräunliche, unterseits eine grauliche Färbung an. Ihr schwach
narkotischer Geruch verliert sich beim Trocknen, der Geschmack ist wider-
lich, aber schwach bitterlich; sie müssen zur Blüthezeit gesammelt werden,
um ihre volle Wirksamkeit zu besitzen, wie Schroff (1852) dargethan hat.
Ausser dem bei Radix Belladonnae erwähnten Atropin, welches die
Blätter in nur sehr geringer Menge enthalten, und allgemeiner verbreiteten
Stoffen findet sich im Tollkraute auch Asparagin (vergl. unter Radix Al-
thaeae), welches bei längerer Aufbewahrung des Extractes nach Biltz
reichlich auskrystallisirt. Durch Dialyse erhielt Attfield aus den Blättern
Kali- Salpeter, Ammoniaksalze und vermuthlich auch äpfelsaure Magnesia,
so wie Traubenzucker. Ausgesuchte Blätter bei 100° getrocknet, gaben
mir 14,5 pC. Asche, welche bei weitem vorherrschend aus Kalk- und
Alkali-Carbonat bestand.
F. Scharf oder widrig salzig bitterlich schmeckende
Kräuter und Blätter.
Folia Nicotianae.
Folia Tabaci. Herba Nicotianae virginianae. Virginische Tabaksblätter.
Tabac. Tobacco leaves.
Nicotiäna Tabdcum L. (Metzger). -r- Solaneae.
Die Nico tiana- Arten sind grossblätterige meist drüsig- behaarte Kräuter
oder Halbsträucher. Die allgemein angebauten bei uns einjährigen Arten
stammen aus Amerika, die obige namentlich aus dessen südlichen Tropen-
gegenden.
Unter den verschiedenen zur Herstellung des Rauch- und Schnupftabaks
kultivirten Arten ist die oben genannte bei weitem die häufigste und wird
für die arzneiliche Verwendung von den Pharmacopöen meistens ausschliess-
lich gewählt. Ihre einfachen zu oberst rispig- ästigen bis mannshohen
492
Blätter und Kräuter.
Stengel tragen lang zugespizte gauzrandige Blätter. Die bodenständigen
etwas breiter lanzettlichen , bis 0,G0'H lang und 0,1 5M breit, verschmä-
lern sich in den kurzen Stiel. Derselbe fehlt den stengelständigen am
Grunde halb umfassenden und herablaufenden Blättern oder ist bei man-
chen aus der Kultur hervorgegangenen Spielarten kurz entwickelt, bald
mehr bald weniger geflügelt und umfasst oft mit ohrförmigen Anhängseln
den Stengel. Der Umriss der Blätter ist breit elliptisch, oder, zumal nach
oben, mehr schmal lanzettlich. Die kleinen Deckblättchen der schön rötli-
lichen Blüthenrispe bleiben schmal lanzettlich oder lineal. — Die Kultur
erzeugt übrigens auch sogar herzförmig-eirunde, bald glatte, bald am Rande
mehr oder weniger unebene bis fast krause Blattformen.
Alle ki autigen 1 heile der Pflanze sind mit langen weichen aus breit
bandartigen fein gestreiften Zellen zusammengesetzten Haaren versehen.
Die letzten Glieder derselben, zu äusserst drüsenartig aufgetrieben, schwitzen
einen gelblichen schmierigeu Stoff aus, der an der frischen Pflanze sehr
kleberig ist. Ungestielte Dräschen finden sich auch da und dort auf der
feinkörnigen oder etwas schülferigen Fläche des nach dem Trocknen papier-
dünnen spröden Blattes.
Die Seitennerven gehen in gerader Linie unter einem Winkel von 40°
bis 75° von der starken Mittelrippe ab, erst in der Nähe des Blattrandes
nach oben eine sanfte Curve beschreibend.
Beim Trocknen nehmen die Blätter dieser Art unvermeidlich eiue braune
Färbung an ; selbst bei der sorgfältigsten Behandlung eines einzelnen Blattes
gelingt es nicht, die grüne Farbe zu erhalten.
Der Geruch der Blätter ist narkotisch , ihr Geschmack widrig und
scharf bitter.
Die Tabaksblätter sind auffallend reich an unorganischen Bestandtheileu,
deren Menge zwischen 16 und 27 pC. schwankt. Trocken enthalten sie
nach Boussingault, vom Kalke abgesehen, etwa 1 pC. Phosphorsäure,
o pC. Kali neben (2,5 Ru eilte bis) 4,5 pC. Stickstoff, so dass offenbar
zum Gedeihen des labaks ein reicher Boden oder nachhaltige Düngung er-
forderlich ist.
Der Kalk, % bis V2 der ganzen Aschenmenge betragend, ist in den
Blättern vorzugsweise an organische Säuren, besonders an Aepfelsäure
(etwa 3 pC.) und wohl auch an Citronsäure gebunden, die Magnesia (oft
7 bis 15 pC. der Asche, oft bedeutend weniger) vielleicht vorherrschend au
Phosphorsäure. Der Kaligelialt schwankt sehr stark uud kann bis gegen
30 pC. der Asche steigen. Das Kalium ist mit Schwefelsäure, Chlor oder
auch mit organischen Säuren verbunden. Die leichte Einäscherung der
Blätter, d. h. also die richtige Brennbarkeit des Rauchtabaks, ist nach
Schlösing abhängig von der Gegenwart organischer Kalisalze, welche
daher nöthigenfalls auch noch bei der Beize, z. B. in Gestalt von Weinstein,
den Blättern beigefügt werden können.
Schlecht brennender Tabak liefert eine an Kalisulfat und Chlor-
Folia Nicotianae.
493
kalium1) reiche, aber von Kali-Carbonat freie Asche. Nicht minder wich-
tig für das Verhalten des brennenden oder glimmenden Tabaks ist aber
auch die Salpetersäure, welche sich oft auf 2 pC. in dem von der Haupt-
rippe befreiten Blatte, in der letztem sogar auf 6 pC. belaufen kann. Sie
ist ebenfalls an Kali gebunden.
Schwarzenbach fand in frischen Blättern so gut wie keinen Salpeter,
sehr viel aber in den getrockneten, und schliesst daraus, dass die Salpeter-
säure sich erst während des Trocknens bildet.
Der Kieselsäuregehalt der Asche schwankt von 4,5 bis 19 pC. Natron,
Thonerde und Eisenoxyd pflegen in geringer Menge vorzukommen.
Der wirksame Stoff des Tabaks ist das (1828) zuerst von Posselt und
, ns jj7
Reimann isolirte Nicotin, N2^5 jj7 , ein bei — 10 noch flüssiges, unter
200° destillirbares , aber erst gegen 250° nicht ohne Zersetzung siedendes
Alkaloid von etwa 1,03 spec. Gewichte.
Das Nicotin ist eine tertiäre Diaminbase von stark alkalischer Reaktion,
die Polarisationsebene des Lichtes nach links drehend. Dem Tabake lässt
es sich als äpfelsaures Nicotin leicht durch Weingeist, noch besser durch
Wasser, nicht aber durch Aether vollständig entziehen. Alkalien, ihre Car
bonate und Bicarbonate, auch Ammoniak und sogar kohlensaurer Kalk ver-
mögen das Nicotin auszutreiben. An der Luft zieht es sehr begierig Wasser
an und löst sich auch leicht in demselben, so wie in Weingeist, Aether und
in Oelen. Längere Zeit der Luft ausgesetzt verharzt es. Das in Gaben von
wenigen Centigrammen schon sehr gefährliche Nicotin ist im höchsten
Grade der Träger des scharfen ätzenden Geschmackes und Geruches, so
wie der giftigen Wirkungen des Tabaks.
Der Gehalt an Nicotin unterliegt bedeutenden Schwankungen. Schlö-
sing bestimmte denselben in entrippten Blättern zu 3 bis 6, ja sogar über
8 pC., andere Chemiker fanden immer viel weniger, z. B. Wittstein
(1862) in bester lufttrockener Waare aus der Pfalz 1,5 bis 2,6 pC., F. F.
Mayer in Blättern aus der Gegend von New-York (1864) 1,36 pC. Der
letztere zeigte auch aufs neue, dass das Nicotin schon in der ganzen frischen
Pflanze verbreitet ist, sogar in den Samen z. B. zu 0,45 pC.2).
Mayer zufolge ist dagegen die lebende Pflanze frei von Ammoniak und
Trimethylamin, während trockene oder gar gegohrene zum Rauchen, Kauen
oder Schnupfen hergerichtete Blätter oft mehr Ammoniak als Nicotin zeigen.
Guter Rauchtabak enthält nach Schlösing 2 bis 4 pC. Nicotin.
Husemann3), der Schlösing’s Zahlen, wohl nicht mitUnreclit, zu hoch
0 in 300 Liter (unter Zusatz von Wasser gepressten) Saftes frischer Blätter von Nico-
tiana rustica fand Lies-Bodart im Eisass als bei weitem vorwaltonden Bestandtheil
389 Gramm Chlorkalium auf 956 Gr. fester Stoffe.
2) Brand) fand in denselben gegen 42 pC. fettes Oel, aber (in etwa 140 Gramm Samen)
keine Spur Nicotin. — Wittstein’s Vierteljahrsschrift XIII. 169 (1864).
3) Handb. d. Toxikologie. 479. 484.
494
Blätter und Kräuter.
oder wenigstens nicht allgemein gültig findet, zeigt, dass nach denselben
eine Cigarre schon die Dosis toxica an Nicotin enthalten müsste.')
Geringere Tabakssorten pflegen reicher an Nicotin zu sein; doch ist
übeihaupt dessen Menge auch von der Zubereitung (Beize) abhängig, welcher
der Tabak unterworfen wird und wobei ein Verlust an Alkaloid unver-
meidlich ist, z. Th. sogar indirekt angestrebt wird, um dessen Menge auf
das richtige Mass herabzusetzen. Das Nicotin findet sich alsdann auch,
wenigstens im Schnupftabak , als Essigsäuresalz vor und kann nun durch
Aether aufgelöst werden.
Bei der unvollständigen Verbrennung, welche der Tabak beim Rauchen
erleidet, gesellen sich dem Nicotin noch andere flüchtige Basen, so wie
Blausäure, Schwefelwasserstoff, flüchtige Säuren, Kohlenoxyd u. s. w. bei.
Im unveränderten Kraute ist ein zweites Alkaloid nicht aufzufinden; das
Nicotin ist auf die Tabaksarten beschränkt, tritt jedoch bei der Spaltung
des Solanins auf (Kletzinsky).
Frische oder trockene Tabaksblätter geben mit Wasser ein trübes Destil-
lat, auf welchem sich, wie schon Her mb st ädt (1823) bemerkte, nach
einigen Tagen Krystalle von Nicotianin (Tabakscampher) bilden.
Sie betragen nur ein oder wenige Zehntausendstel des Krautes und theilen
einigermassen dessen Geruch und Geschmack. Nach Barral enthält das
Nicotianin 7,12 pC. Stickstoff, nach anderen wäre es vielmehr nur ein
durch Nicotin verunreinigtes Stearopten — möglicherweise der Inhalt der
Oeldrüsen, welcher die frische Pflanze kleberig macht. Beim Zusammen-
bringen trockenen N icotins mit Chromsäure-Krystallen bemerkte Kletzinsky
den Geruch des Nicotianins.
Von allgemein verbreiteten Stoffen enthalten die Tabaksblätter noch
Eiweiss, Harz, Gummi. Beim Rauchen würden diese, so wie die Cellulose
der starken Blattrippen dem Geschmacke der Consumenten nicht zusagende
Verbrennungsprodukte (Horngeruch, Kreosot) liefern. Die Industrie besei
tigt daher die Rippen und bezweckt auch durch die weitere Zubereitung
überhaupt die theilweise Zerstörung jener unwillkommenen Stoffe neben
der Bildung nicht näher gekannter Gährungsprodukte (Fermentöle), welche
zum Aroma des Tabaks beitragen mögen, namentlich, wenn der Beize noch
zuckerhaltige Stoffe oder Weingeist zugesetzt werden.
Die Spanier trafen 1492 schon die Sitte des Rauchens und trugen sehr
bald zu ihrer Verbreitung zunächst über ganz Mittelamerika bei. Auch das
Schnupfen und Kauen des Tabaks scheint den dortigen Eingeborneu bereits
bekannt gewesen zu sein.
Auf Haiti fand sich der Name Tabaco für Cigarre oder Pfeife vor.
Fra Romano Pane, ein Reisegefährte Colons, schickte 1518 Tabaks-
samen an Karl V.
1) vergl. auch J o 1 1 y , etudcs hygieniqucs et m^dicales sur lc tabac. Paris 1 865.
Folia Nicotianae.
495
Im Oriente scheinen die Chinesen seit undenklichen Zeiten Nicotiana
chinensis Fischer zu Cigarren zu verwenden
Die erste genauere Beschreibung einer Tabaks -Pflanze gab lo25
zalo Hernandez de Oviedo yValdes, Statthalter von St. Domingo; er
verglich sie mit Bilsenkraut. Sie gelangte jedoch erst um die Mitte des
Jahrhunderts nach Europa, zuerst als Arzneikraut nach Lissabon von wo
der französische Gesandte Jean Nicot die Samen (zwischen loo9 u. 1561)
nach Frankreich sandte. Kurze Zeit nachher erhielt auch Conrad Gesner
(f 1565) indirekt von Occo in Augsburg das Kraut und erkannte es durch
Vergleichung mit einer Abbildung, welche ihm Aretius in Bern nach von
letzterem selbst aus Samen gezogenen Pflanzen entworfen hatte. Gesner
machte in Deutschland zuerst auf den Tabak und seine medicinischen Eigen-
schaften aufmerksam.1 2) 1563 hatte auch Dodouaeus eine Abbildung und
Beschreibung der Pflanze veröffentlicht.
Gegen Ende des Jahrhunderts kannte man in Spanien, Portugal, bald
auch in England und Holland, 1605 auch bereits in Konstantinopel, Aegypten
und Indien allgemeiner das Rauchen, dessen ausserordentlich raschei Ver-
breitung geistliche und weltliche Mächte vergebens entgegeutraten.-) In
Deutschland waren die Heere des dreissigjährigeu Krieges die Hauptförderer
des Rauchens.
1615 wurde in Holland, wenig später in England, um 1660 auch in
der Rheinpfalz, in Ungarn, in der Mark Brandenburg der Anbau des Tabaks
im grossen begonnen, der jetzt in den meisten Ländern zwischen dem loten
und 35ten bis 50ten Breitengrade betrieben wird. Selbst im südlichen
Skandinavien gedeiht noch Tabak. — Heutzutage erzeugt die ganze Erde
gegen 9, Europa allein nach von Reden (1854) 3 Millionen Centner
Tabak und verbraucht dazu noch fernere 2 Mill. Centner. England allein
führt hauptsächlich aus Virginien -über V2 Mill. ein. Nordamerika baut un
gefäkr 2 Mill. Ctr. und Frankreichs Staatsmauufakturen setzen jährlich für
180 Millionen Francs Tabak ab.
Den Botanikern des XVI. Jahrhunderts war zuerst nicht Nicotiana Taba-
cum, sondern die mehr in Mexico und dem nördlichen Theile Mittelamerikas
einheimische Nicotiana rustica L. unter der Bezeichnung peruanisches oder
gelbes Bilsenkraut bekannt.3) Sie unterscheidet sich auffallend durch die
grüngelben Blüthen und die gestielten eiförmigen oder rundlichen bis schwach
herzförmigen Blätter, welche bei etwa 0,20™ Länge oder mehr leicht über
0, 1 5™ Breite zeigen. Trotz ihrer derberen Beschaffenheit trocknen sie leichter
und bei einiger Sorgfalt mit Beibehaltung der grünen Farbe. Ihre mehr
!) später auch Ziegler: „Von dem gar heilsamen Wundkraute Nicotiana.“ Zürich 1616.
2) in kenntnisreicher und launigerWeise ausführlich geschildert in Cook e, The seveu
sisters of sleep. London 1863. pg. 19—113.
3) Doch erwähnte z. B. der Apotheker Renward Cysat in Luzern 1613 ausdrücklich die
rothblühende Nicotiana und scheint sie wohl schon um 1581 gekannt zu haben. Clusius
hatte schon 1574 als Petum latifolium die N. Tabacum beschrieben.
496
Blätter und Kräuter.
bogenförmig aufstrebenden Nerven sind in Winkeln von 50 — 80° zur Mittel-
rippe geneigt. Diese gleichfalls in mehreren Formen gezogene Art scheint
im allgemeinen schärfer zu sein als N. Tabacum und darf daher nicht statt
der letzteren verwendet werden, ist übrigens weit weniger angebaut.
Von N. Tabacum ist der Maryland -Tabak, N. macrophylla Metzger,
hauptsächlich durch die weniger ausgebreitete ebensträussige Rispe und die
breiteren, kurz oder gar nicht gestielten Blätter verschieden, deren Nerven
ziemlich rechtwinkelig auf der Mittelrippe stehen.
Die Art oder Spielart gehört mit zu der ursprünglichen Linne’schen
N. Tabacum, von der sie auch wohl chemisch nicht ab weicht.
Die Geschichte des Tabaks ist in sehr eingehender und erschöpfender
Weise von Friedrich Tiedemann1) dargestellt worden.
Herba Lobeliae.
Lobeliakraut. Lobelie enflee. Indian tobacco.
Lobelia2) inflata L. — Lobeliaceae.
Einjähriges bis 2 Fuss hohes Kraut mit kantigem aufrechtem einfachem
oder häufiger oben ästigem Stengel, welches durch den östlichen Theil
Nordamerikas von Canada bis in das Missisippi- Gebiet sehr verbreitet ist
und in unsern Gärten gut fortkömmt.
Die zerstreuten, kaum gestielten oder sitzenden eiförmigen, wenig zuge-
spitzten Blätter erreichen 0,060,n Länge und 0,055m Breite. Die sanften,
wenig tief gekerbten oder welligen Ausschnitte des Blattrandes tragen kleine
weissliche Drüsen, dazwischen vereinzelte Börstchen , welche häufiger auf
der Unterfläche des Blattes, seltener auf der entgegengesetzten Seite Vor-
kommen, in grösster Zahl aber den unteren und mittleren Theil des Sten-
gels zu bekleiden pflegen. Das spitzwinkelige Adernetz tritt auf den zarten
Blättern hauptsächlich an der unteren Fläche deutlich hervor. Der unten
röthliche, oben grünliche Stengel lässt bei der Verwundung etwas scharfen
Milchsaft austreten.
Die unansehnlichen Blüthen bilden entweder eine einfache reichblüthige
endständige Traube oder, wo der Stengel verästet ist, eine rispenartig zu-
sammengesetzte Traube. Die einzelnen Zweiglein der letzteren überragen
ihr Stützblatt und sind nur gegen ihre Spitze mit nicht sehr zahlreichen
Blüthen besetzt. Jede derselben wird von einem kleinen spitzen und krausen
Deckblättchen begleitet , welches (trocken) fast die doppelte Länge des nur
3 Millim. erreichenden dünnen Bliithenstielchens besitzt.
Die spitz eiförmige oder kugelige bis 0,005'" dicke gerippte Frucht ist
1) Gosch, d. Tabaks und anderer ähnlichen Genussmittel (Hanf, Opium, Betel, Guru, Coca).
Frankfurt 1854, S. 1 — 399.
2) Obel oder de l’Obel (1538 — 1G1G) aus Flandern, Arzt, dann Botaniker in Hackney
bei London.
Herba Conii.
497
von dem ötheiligen Kelche gekrönt, dessen sehr verlängerte, zuletzt haar-
förmige Zipfel fast halb so lang sind wie die reife Frucht. Die ungleich
5 spaltige zweilippige Krone ist von zart bläulicher Farbe mit gelbem Fleck
auf der Unterlippe, ihre Röhre von der Länge der etwas abstehenden
Kelchzipfel.
Die dünnwandige bauchige, halb unterständige und kahle Kapselfrucht
trägt in ihreu zwei oder drei, am Scheitel mit 2 kurzen Klappen aufsprin-
genden Fächern sehr zahlreiche braune eiförmige, höchstens 1/s Millim.
lauge Samen von netzig-grubiger, ziemlich eigen thümlicher Oberfläche,
deren Zeichnung aber schon der Vergrösserung bedarf.
Das ganze wild wachsende oder auch cultivirte Kraut wird während
oder gleich nach der Blüthezeit gesammelt und vorzüglich von der Firma
Tilden & Comp, in New-Lebanon, Staat New-York, in viereckig geschnit-
tenen, stark gepressten Paketen von verschiedener Grösse in den Handel
gebracht.
Es schmeckt sehr unangenehm scharf und kratzend, namentlich sind
die öligen Samen von sehr gefährlicher Schärfe. Der an Tabak erinnernde
Geschmack hat der Pflanze im Vaterlande den Namen Indian tobacco ver-
schafft. Keiner ihrer Bestandtheile ist genauer bekannt. Das Lobelin
scheint nach Procter (1842) und Bastick (1851) ohue Zweifel ein flüch-
tiges, dickflüssiges Alkaloid von giftigen Eigenschaften zu sein, das krystal-
lisirende Salze liefert und in der Pflanze an die ihr eigentümliche krystalli-
sirbare Lobeliasäure gebunden ist. Das von Reinsch (1843) beschrie-
bene Lobeliin war vielleicht dieselbe Base, nur weniger rein. Noch mangelhafter
charakterisirt ist Pereira’s L obelianin. Das Kraut enthält auch eine
Spur ätherischen Oeles, Harz und Gummi, die Samen nach Procter 30 pC.
fetten, äusserst rasch trocknenden Oeles.
Den Eingeborenen Amerikas längst bekannt, wurde die Lobelia zu
Anfang unseres Jahrhunderts auch von den dortigen Aerzten und seit 1829
in England zur Anwendung gezogen.
Herba Conii.
Herba Cicutae. Schierling. Feuilles de graude eigne. Hemlock leaves,
Conium maculatum (siehe bei Fructus Conii) treibt im ersten Jahre nur
einen wurzelständigen Blattbüschel, welchem im zweiten Jahre der ein-
jährige, mehr als Mannshöhe erreichepde, nicht sehr starke Stengel folgt.
Derselbe ist unterhalb in zerstreute, oben in gegenständige oder wirtelige,
sämmtlich gabelförmige Aeste getheilt, welche im ganzen eine sehr ansehn-
liche Doldentraube darstellen und sowohl an ihreu Spitzen als in den Gabeln
doppelt zusammengesetzte Dolden tragen.
Die grössten der bodenständigen Fiederblätter, über 0,20m lang und
eben so breit, sind von unregelmässigem, breit eiförmigem Umrisse , von
einem oft gleich langen rührigen Stiele getragen , welcher am Grunde den
Flückiger, Pharmakognosie. 82
498
Blätter und Kräuter.
Stengel mit einer häutigen Scheide umfasst. Nach oben nehmen die Blätter
allraälig sehr an Umfang ab, sind kürzer gestielt, weniger reich gefiedert,
spitziger und zu 2 oder 3 — 5 gegenüber gestellt. Die randhäutigen, leicht
abfallenden Hüllblättchen der Dolde sind einfach spitz -lanzettlich und nur
ungefähr 8 Millim. lang. Wenig kürzer, aber auswärts einseitig erscheinen
die breiteren und am Grunde verwachsenen Hüllchen der Doldeu zweiter
Ordnung.
Die grösseren Blätter siud dreifach gefiedert, die Abschnitte erster Ord-
nung 4- bis 8 paarig, gestielt und den allgemeinen Umriss des ganzen
Blattes wiederholend, das unterste Fiederpaar oft etwas entfernt, ln
gleicher Weise siud diese Blattabschnitte wieder 5 paarig gefiedert und
schliessen in einem grob und tief gesägten oder gefiederten Endstücke ab,
das den Fiedern dritter Ordnung gleich sieht. Dieselben sind nämlich wenig
regelmässig, aus 4 oder 5 Paaren breit eiförmiger, länglicher oder mitunter
fast etwas sichelförmiger Zipfel gebildet, welche am Grunde Zusammen-
flüssen und vorn ein paar breite Sägezähne tragen. Die letzten Theilungen
des Blattes zeigen sich viel mehr länglich abgerundet als pyramidal zuge-
spitzt, jedoch ist der Blattrand jedes einzelnen Zipfelchens oder Sägezahnes
zu äusserst in ein sehr kurzes trockenhäutiges Spitzchen ausgezogen.
Der hohle walzenrunde oder etwas gerillte, nicht stark kantige Stengel
ist bläulich bereift, nach unten meist braunroth gefleckt; die Blätter glanz-
los, oberseits dunkelgrün. Der ganzen Pflanze fehlt eine Behaarung voll-
ständig.
Bei nicht sorgfältiger Aufbewahrung verlieren die Blätter leicht ihre
dunkelgrüne Farbe und werden feucht. Sie riechen auch trocken narkotisch,
zumal wenn sie mit Kalilauge getränkt werden, und schmecken widerlich
salzig, etwas bitterlich und scharf. Das Kraut zeigt sich zur Blüthezeit am
wirksamsten. Es enthält, wiewohl in geringer Quantität, dieselben Alkaloide
wie die Früchte, namentlich auch zur Blüthezeit des Conydrin. Geiger
erhielt aus frischem Kraute noch nicht 1 Zehntausendstel Coniin (vergl.
bei Fructus Conii). Südliche Standorte scheinen jedoch die Bildung des
Alkaloides sehr zu begünstigen.
Den Gesammtgehalt an Stickstoff bestimmte Wrightsou in getrock-
neten Blättern zu 6,8 pC., die Asche zu 12,8 pC. In letzterer sind haupt-
sächlich Kali-, Natron- und Kalksalze, besonders Chlornatrium und Kalk-
Phosphat vorwaltend.
In der bei Herba Millefolii beschriebenen Weise lässt sich auch aus
Conium ein Fermentöl gewiunen.
Die Blätter der Gicuta virosa L. können unmöglich mit denen des
Conium verwechselt1) werden. Aehnlicher sehen denselben die der Aethusa
1) Cicuta der Römer war unser Conium. Cicuta virosa wächst nicht im Süden, namentlich
gar nicht in Griechenland. Die Namcusverwechsluug schlich sich im Mittelalter ein, wo sich
dann nicht mehr entscheiden lässt, was z. B. im XIH.' Jahrhundert unter .Schärlinch, das ist
Zicuta“, gemeint war.
Folia Aconiti.
499
Cynapium. Doch sind die letzteren in ihren äussersten Abschnitten spitz
lanzettförmig und lebhaft glänzend, der Blattstiel nicht hohl. Der Dolde
fehlen die Hüllblättchen , während die Döldchen von drei solchen gestutzt
sind welche herabhängen, aber an Länge den Strahlen ihres Döldchens
wenigstens gleich kommen oder dieselben übertreffen. Noch grössere Aehn-
lichkeit mit Conium zeigen besonders die unteren Blätter von Chaerophyllum
bulbosum L., welche Doldenpflanze sich aber im ganzen durch spitzigere
Blattumrisse unterscheidet und vorzüglich an den bis 2 Millim. langen
Börstchen kenntlich ist, welche sehr zerstreut auf den Blättern und Stengeln
Vorkommen. Chaerophyllum temulum besitzt breite, fast gelappte Fieder-
chen, Ch.aureum sehr lang zugespitzte; beide Pflanzen sind überdies auch
etwas behaart oder doch gewimpert.
Yon allen genannten Umbelliferen weicht übrigens Conium auf das be-
stimmteste durch die Gestalt der Frucht ab, deren Eigenthümlichkeit sich
schon lange vor der Reife hinlänglich ausprägt. Ferner entwickelt nui
Conium bei Befeuchtung mit Kalilauge die widrig riechenden und alkalisch
reagirenden Dämpfe des Coniins.
Folia Aconiti.
Herba Aconiti. Eisenhutkraut. Sturmhutkrant. Feuilles d aconit.
Aconite leaves.
Die mehr als mannshohen, starr aufrechten Stengel des Aconitum
Napellus, der am allgemeinsten verbreiteten unter den hier in Betracht kom-
menden Arten (vergl. bei Tuber Aconiti), sind mit zerstreuten lauggestielten
Blättern reichlich besetzt.
Der Gesammtumriss der bis auf den Grund schmal keilförmig zer-
schlitzten und flach ausgebreiteteu Blätter ist wenig regelmässig, breit
eiförmig bis fast herzförmig, in der Quere bisweilen gegen 0,20m messend.
Der schlanke rinuige, zu unterst am Stengel gegen 0,1 Om erreichende, an
den oberen Blättern allm^lig au Länge bedeutend abnehmende Blattstiel
setzt sich in gerader Richtung in dertfmittleren, gewöhnlich am weitesten
hervorragenden Blattabschnitt fort. Derselbe wird nach vorn sehr allmälig
etwas breiter, theilt sich in 5 — 6 am Grunde zusammenfliessende Lappen,
deren jeder mehr nach vorn wieder in drei oder mehr schmal lineale gerade
oder sichelartig gebogene und meist nicht gegenständige Zipfel zerfällt.
Diese letzteren sind schliesslich auch noch oft mit ein paar langen schmalen
und spitzigen Zähnen versehen.
Aus der Ansatzstelle des mittleren Blattabschnittes erster Ordnung geht
zur linken und zur rechten je ein ähnlicher und nicht minder tief getlieilter
und gerippter Abschnitt hervor, dessen einzelne Lappen aber meist bis auf
den Grund getrennt zu sein pflegen. Ist dies nicht vollständig der Fall, so
stellt sich das ganze Blatt als dreitheilig , sonst aber als siebentheilig dar.
Die obersten Steugelblätter sind einfacher und gehen nach und nach in
32’
500
Blätter und Kräuter.
Deckblätter der schönen Blüthentraube oder Rispe über, welche dein käuf-
lichen Kraute gewöhnlich nicht beigegeben wird.
Trotz der tiefen und vielfachen Theihing der Blätter ist ihnen eine ge-
wisse Derbheit eigen; trocken sind sie brüchig und nicht hygroskopisch,
die einzelnen Lappen von der Seite her etwas gerollt, oberseits dunkelgrün und
vertieft gefurcht, unterseits etwas weisslich, von erhabenen Rippen durchzogen.
Bei Aconitum Stoerckeanum (vergl. bei Tuber Aconiti) erscheinen die
Blätter weit deutlicher in 3 oder 5 Hauptabschnitte getlieilt, deren weniger
zahlreiche Lappen und Zipfel breiter keilförmig bleiben und mehr Zusammen-
flüssen.
Noch weniger tief, in ihren Hauptabschnitten fast rhombisch getlieilt
sind die Blätter von A. variegatum.
Die überhaupt sehr ausgeprägte Veränderlichkeit der Arten dieser
Gattung erstreckt sich übrigens auch einigermassen, zunächst wohl durch
Bodenverhältnisse bedingt, auf die Blattform.
Chemische Verschiedenheit der Blätter von Art zu Art ist nicht nach-
gewiesen. Sie schmecken erst fade, dann sehr anhaltend und gefährlich
brennend. Das bei Tuber Aconiti erwähnte Aconitin ist in geringerer Menge
in den Blättern enthalten, die Aconitsäure, zumal an Kalk gebunden,
dagegen weit reichlicher in letzteren. Sie enthalten ausserdem in geringer
Menge Zucker, eisengrünenden Gerbstoff und Ammoniaksalze. Ueber Aconit-
blätter abdestillirtes 'Wasser riecht narkotisch.
In länger auf bewahrtem Extracte der Blätter zeigt das Mikroskop ausser
aconitsaurem Kalk auch spiessige Krystalle von Salmiak. Bei 100° getrock-
nete Blätter gaben mir 16,6 pC. Asche.
Währeud nach Schroff und anderen die Blätter nur von wild wach-
senden Pflanzen zur Blüthezeit die volle Wirksamkeit zeigen, schreibt z. B.
die englische Pharmacopoeia (1864) cultivirte Blätter vor.
G. Kräuter und Blätter der Labiaten.
Folia Menthae piperitae.
Pfefferminze. Menthe poivree. Peppermiut.
Mentha piperita L. — Labiatae.
Die Pfefferminze scheint unzweifelhaft wild bis zum 56° nördl. Br. in
England vorzukommen, während sie an den wenigen Standorten, wo sie
auch in Deutschland wild wachsend angegeben wird, z. B. bei Mühlheim in
Ober-Baden, bei Kufstein in Tirol, unweit Regensburg, doch vielleicht
nur ein Gartenflüchtling sein mag.
In vielen Ländern der gemässigten Zone wird die Pflanze sehr im
grossen gebaut, ganz besonders z. B. in England, wo Mitcham in Surrey,
südlich von Loudon, 1864 allein 219 Acres1) mit Pfefferminze aufzuweisen
!) 1 Acre = 0,40 Ilectnre.
Folia Menthae piperitae.
501
hatte, welche 2190 Pfund Oel lieferten. In Nordamerika waren in Michigan
1859 etwa 2100 Aci'es und im westlichen Theile des Staates New- York
500 Acres damit bestellt, die zusammen etwa 10,000 Pfund Oel ergaben.
Ganz Nordamerika überhaupt scheint aber 3- bis 6 mal soviel zu erzeugen.
St. Josephs County in Michigan lieferte 1863 allein 24,000 Pfd. Oel.1)
In Europa geht die Kultur nicht weit nach Norden und ist z. B. in Nor-
wegen nur noch sehr gering.
Der lange holzige Wurzelstock der Pfefferminze ist ausdauernd, ver-
zweigt sich und treibt wie bei den meisten Minzenarten Ausläufer, aus
denen sich die krautigen, nach oben ästigen Stengel bis lm hoch erheben.
Die Blätter, bis etwa 0,07m lang und 0,030,n breit, sind spitz-eiförmig, mit
bis 0,01 1,1 langem Blattstiele und am Grunde sanft wellenförmig, gegen die
Spitze hin scharf gesägt. Yon dem starken Mittelnerv gehen unter spitzem
Winkel in ziemlich gerader Richtung unterseits besonders scharf hervor-
tretende Nerven ab.
Die Neigung zur Haarbildung ist bei dieser Art im allgemeinen nicht
gross, jedoch erscheinen neben völlig kahlen Formen auch solche, wo sich
an den Blattstielen, den jüngeren Stengeitheilen und besonders längs der
Nerven der Unterseite der Blätter, auch an den Kelchzähnen, lange weiche
Haare einstellen. Seltener werden Kelche und Stengel, so wie die unteren
Blattseiten durch abwärts gerichtete Haare zottig.
Die Blattfläche ist eben, unterseits mit zahlreichen eingesenkten Oel-
drüschen besetzt, welche auf der oberen Seite weit spärlicher Vorkommen
oder hier bei älteren Blättern ganz fehlen. Die bald nur gewimperten, bald
zottigen Kelche tragen immer zahlreiche Drüsen.
Die Blüthenstände sind schlanker und weniger gedrungen als bei Mentha
acpiatica y. crispa, meist mehr verlängert, doch auch hierin nicht sehr
beständig.
Die deutlich und oft ziemlich lang gestielten Blätter unterscheiden diese
Pflanze von den meisten ähnlichen Arten, mehr noch aber der ganz eigen-
thümliche aromatische und kühlende Pfefferminzgeruch.
Der Reichthum der Pflanze an ätherischem Oele und die Feinheit des-
selben wird sehr durch Bodenbeschaffenheit und klimatische Verhältnisse
bedingt und wohl noch mehr durch die Auswahl der zur Destillation be-
stimmten Pflanzen und Pflanzentheile, da z. B. die Stengel in geringerer
Menge ein weniger feines Oel enthalten. Zur Bliithezeit gesammeltes und
getrocknetes deutsches Kraut liefert im Durchschnitte, doch mit bedeutenden
Schwankungen, etwa 1 pC. Oel. Wie sehr grosse Schwankungen die Aus-
beute aber zeigt, ergibt sich aus Berichten von Stearns, wonach in Michi-
gan 2 — 20 Pfund Oel vom Acre gewonnen werden, während Warren für
Mitcham 8 — 12 Pfund ermittelte. Hinsichtlich der Feinheit und der Menge
') Hauptproducent ist hier das Haus Hotchkiss; in neuester Zeit scheint aber der gross-
artige Getreidebau Michigans die Minze verdrängen zu wollen.
502
Blätter und Kräuter.
des Oeles erweist sich die Pfefferminze sehr empfindlich für Verschieden-
heiten des Bodens und der Pflege und muss alle paar Jahre neu gepflanzt
werden, um auf der Höhe des Ertrages zu bleiben. Ein massig warmes
feuchtes Klima sagt ihr gut zu.
Das Pfefferminzöl beginnt etwas unter 190° C. zu sieden und besteht
grossentheils aus einem Campher C10 H18 -4- H2 0, dem Menthol, welches
sich in der Kälte von dem flüssigen nicht genauer untersuchten Autheile
trennt. Der Pfefferminzcampher krystallisirt in Säulen, welche bei 3G°
schmelzen und ohne Zersetzung bei 210 C. kochen. Er besitzt deu Ge-
ruch des rohen Oeles und dreht die Polarisatiousebene nach links.
Wasserfreie Phosphorsäure entzieht dem Campher H2 0 und verwan-
delt ihn in das flüssige bei 163° C. siedende Menthen C10 H'8. Salpeter-
säure gibt mit dem Oele Camphresinsäure (vergl. bei Camphora). Der Ge-
halt der Oele von verschiedener Herkunft an Menthol ist sehr ungleich, und
seit einigen Jahren erhalten wir auch aus Japan das reine krystallisirte
Menthol.
Dieses feste japanische Pfefferminzöl riecht und schmeckt sehr kräftig,
ist aber freilich auch schon mit über 10 pC. Bittersalz vermengt vorge-
kommen.
Das Menthol entspricht (in der Acryl- Reihe) dem Borneol und liefert
mit Säuren ätherartige Verbindungen.
Die Pfefferminze wurde zuerst in England beobachtet und von Ray
1696 beschrieben. In Deutschland wurde man erst im letzten Viertel des
XVIII. Jahrhunderts darauf aufmerksam, vorzüglich dann seit 1780 in
Folge von Knigges Abhandlung darüber. Das jetzt gebräuchliche Adjec-
tiv piperita ist verdorben aus den richtigeren, anfangs in England üblichen
Bezeichnungen Mentha piperata oder Mentha Piperitis.
In Deutschland hat sie den Gebrauch der ursprünglich dort ausschliess-
lich angewendeten Krauseminze sehr zurückgedrängt.
Folia Menthae crispae.
Krauseminze. Krause Münze. Menthe crepue. Curled mint.
Die Mentha -Arten zeigen sich schon im freien Zustande in Behaarung,
Blattform und Blüthenstaud höchst veränderlich, mehr noch in der Kultur.
Bei einigen nehmen die Blätter im letztem Falle, nicht im freien, leicht
jene blasig-runzelige, am Rande wellige Beschaffenheit an , welche sie eben
als Krauseminze unterscheiden lässt. Damit ist zugleich auch eine bei
den verschiedenen Arten oder Spielarten im allgemeinen nahezu überein-
stimmende Veränderung im Geschmacke und Gerüche verbunden, deren
Ursache wohl hauptsächlich in den chemischen Verhältnissen des ätheri-
schen Oeles zu suchen wäre. Dieser eigenthümliche Krauseminzgeruch
bildet einen bestimmten Gegensatz zu dem der Pfefferminze, ist jedoch
Folia Menthae crispae.
503
leichter und sicherer wahrzunehmen als zu definiren. Der kühlende Ge-
schmack der letztem geht der Krauseminze ab. . . , .
Eine der verbreitetsten Formen der officinellen Krauseminze ist die be-
treffende Varietät der durch Europa und Mittelasien wild wachsenden Men-
tha aquatica L., welche bald durch lange, etwas starre fern punk irte
Gliederhaare rauh, bald fast gänzlich kahl auftntt und auf beiden Blatt-
flächen mit nicht sehr zahlreichen Oeldrüsen bestreut ist. Ihre ku lvn e
Spielart, M. aquatica y. crispa Bentham1), treibt krautige aufrechte, u >er
fusshohe ästige Stengel. Die sehr kurz gestielten oder sitzenden rundlic -
eiförmigen Blätter laufen in eine kürzere oder längere, aber immer schar e
Spitze aus. Auch der welligkrause Blattrand trägt auf jeder Seite etwa
10 ungleiche verbogene Sägezähne. Die grössten, nach beiden Dimensionen
gegen 0,030m erreichenden Blätter sind am Grunde herzförmig ausgeschnit-
ten, die 'andern mehr elliptisch in kurze starke Blattstiele übergehend. Die
zahlreichen, unter spitzem Winkel bogenförmig meist krummläufig aufstre-
benden Nerven treten besonders unterseits stark hervor. Längs derselben,
am Stengel, besonders an den Knoten, finden sich auch vorzüglich die mehr
oder weniger zahlreichen Haare, welche denselben Bau zeigen wie bei der
wilden Stammpflanze. Die zahlreichen Oeldrüschen sind auf die untere
Blattseite beschränkt.
Diese Pflanze, vorzüglich in Skandinavien 2) und Norddeutschland, auch
in der Schweiz, die Krauseminze der Apotheken liefernd, scheint durchaus
die ursprünglich in diesen Ländern officinelle Minze zu sein, welche schon
Valerius Cordus im ersten Drittel des XVI. Jahrhunderts als Mentha
crispa beschrieben und eben so die späteren Botaniker bis auf Linn e. Man
unterschied sie auch an den zu kugeligen oder länglichen, wenig unter-
brochenen Köpfchen zusammengedrängten Bliithenständen.
Die durch fast sitzende, schmaler eiförmige bis lanzettliche Blätter und
verlängerte unterbrochene Blüthenähren ausgezeichnete Rossminze, Mentha
sylvestris L., demselben Verbreituugsbezirke angehörend, wie M. aquativa,
liefert in der Kultur eine Krauseminze, die sich mehr in Süddeutschland
findet. Diese Spielart, M. sylvestris ■/). crispa Bentham (Syn. : M. undulata
Willdenow. — M. crispa Geiger), besitzt ungestielte, fast stengelumfassende
Blätter, welche unterseits dicht und weich behaart sind, wie die gewöhn-
liche Form der wilden M. sylsetris , deren Haare denselben Bau zeigen wie
die der M. aquatica, jedoch länger und viel weicher sind.
Diese Krauseminze riecht weniger angenehm als die von der ziemlich
wohlriechenden M. aquatica abstammende zuerst beschriebene.
In den mittel- und niederrheinischen Ländern, auch in England (Spear-
mint) ist Mentha viridis L. y. crispa Bentham (M. crispata Schräder) sehr
gebräuchlich. Die Stammart, von manchen als kahle Spielart der M. syl-
0 Koch hat sie als Varietät von Mentha piperita betrachtet!
2) In Norwegen jedoch nur noch im Süden hei Stavanger kultivirt.
504
Blätter und Kräuter.
vestris betrachtet, ist durch Mitteleuropa bei weitem weniger häufig als M.
aquatica und M. sylvetris; sie zeichnet sich aus durch ungestielte zugespitzte
und lang gesägte schön grüne, meist kahle, höchstens unten an deu Nerven
sparsam behaarte Blätter von angenehmem eigentümlichem Gerüche. Die
Blüthenstände sind sehr verlängert, auch bei der kultivirten krausen Form,
welche im übrigen nicht wesentlich abweicht. Sie wird auch in Nord-
amerika sehr geschätzt.
Zu Mentha sativa L. scheint die in Böhmen viel gebaute sehr aroma-
tische Krausemiuze M. hovtensis Tausch zu gehören. Die gestielten, scharf
gesägten, an der Spitze ganzrandigen Blätter sind beiderseits rauhhaarig-
zottig. Mit derselben stimmt nahezu überein Mentha sativa S. orispa et
pilosa Koch (M. sativa Tausch), welche nach Bisch off früher in Deutsch-
land die allgemein gebaute Krauseminze war, jetzt aber selten geworden
ist. Ihre beiderseits ziemlich dicht behaarten Blätter sind durch sehr spitzige
und lange Sägezähue ausgezeichnet, aber von ziemlich veränderlicher Ge-
stalt. Authentische Exemplare dieser Form, aus der Hand von Bi sch off
selbst, bestätigen mir vollkommen dessen Angabe, dass dieselbe ein weit
feineres Aroma besitzt, als die zuerst beschriebene Krauseminze. Der Ge-
ruch erinnert in der That an Melisse.
Die über und über graufilzige Mentha rotundifolia L., in West- und
Südeuropa bis zur Schweiz und an den deutschen Oberrheiu einheimisch,
besitzt ein sehr angenehmes Aroma und eirundliche bis 0,03™ breite, wenig
gesägte herzförmig sitzende Blätter. Dieselben nehmen auch die krause
Form an und scheinen nach einigen als solche schon von Conrad Gesner
unter dem Namen Mentha nobilior, rotundioribus et rugosis seu crispis
foliis beschrieben worden zu sein. Demnach würde diese Pflanze als die
eigentliche Krauseminze zu betrachten sein.
Der Gehalt der verschiedenen Krauseminzen an ätherischem Oele
scheint durch die Kultur und die Ausbildung der krausen Beschaffenheit
befördert zu werden und im allgemeinen den der Pfefferminze zu über-
treffen. Die Ausbeute beträgt gegen 1 bis über 2 pC. auf getrocknetes Kraut
bezogen; frisches gibt verhältnissmässig mehr.
Das Oel scheint chemisch vom Pfefferminzöle wesentlich verschieden
zu sein. Wenigstens kocht z. B. dasjenige von Mentha viridis nach Ivane
schon bei 160° C. und gehört wohl der Hauptsache nach zum Radical
O10H16, hält jedoch 4,5 pC. Sauerstoff. Es setzt in der Kälte einen
Campher ab.
Ausser dem Oele enthalten die Minzen auch eisengrünenden Gerbstoff.
Welche Art die alten Griechen unter Mivöy), die Römer unter Mentha
oder Menta verstanden , lässt sich nicht mehr ermitteln , auch führt heutzu-
tage wenigstens die Pfefferminze in Griechenland deu auch im Alterthum
schon üblichen Namen 'H&joup.ov. Der deutsche Ausdruck lautet daher,
dem griechischen entsprechend, richtiger Minze als Münze. Doch findet
sich schon im XII. Jahrhundert altdeutsch rnwuzun neben dem gewöhn-
Folia Salviae.
505
licheru imuzun, so wie rossesmmze1) und mancher Yolksdialekt hält Münze
fest, wie auch die Holländer ihr munt.
Folia Salviae.
Salbeiblätter. Feuilles de sauge. Garden sage.
Salvia officinalis L. — Labialae.
Die halbstrauchige Salbei gehört vorzüglich dem nördlichen Gebiete der
Mittelmeerflora an. In Griechenland wächst sie wild nur selten, z. B. auf
Syros. Dagegen gedeiht sie in der Kultur noch in Norwegen bis über den
Polarkreis hinaus und reift sogar in Christiania ihre Früchte. In Gälten
und halb verwildert ist sie daher durch alle etwas geschützteren Lagen
Europas sehr verbreitet.
Der verzweigte holzige über fusshohe graufilzige Stamm ist mit krau-
tigen gegenständigen Aesten des laufenden Jahres besetzt, welche die grau-
lichen, etwas entfernt in gekreuzter Stellung auf einander folgenden Blatt-
paare tragen. Die Blätter werden vor oder bei Beginn der Blüthezeit
gesammelt, indem man die vierkantigen bald dichter bald spärlicher filzigen
Stengel beseitigt. Die im allgemeinen eiförmige Gestalt der Blätter ist
ziemlichem Wechsel unterworfen. In der Kultur (Var. latifolia) werden sie
sehr breit, bis über 0,05,n und gegen 0,10™ lang, dabei etwas spitz aus-
laufend, bis 4 mal länger als der Blattstiel. Bei der kleinblätterigen Form
bleibt das stumpfliche Blatt au Länge oft hinter dem schlanken rinnigen
Blattstiele zurück. Fast lanzettliche bespitzte Blätter und stumpf eirunde
bei sehr wechselnden Längenverhältnissen der Blattstiele finden sich an
einem und demselben Stengel.
Sämmtliche Blätter sind dicht gekerbt, am Grunde plötzlich, bisweilen
fast herzförmig in den Blattstiel übergehend, durch ein sehr verzweigtes
engmaschiges und etwas starres Adernetz derb runzelig. Ihre dunkelgrüne
Farbe ist durch den Filz, womit namentlich die jüngern Blätter und die der
kleinblätterigen Spielart bedeckt sind , mehr oder weniger verdeckt. Doch
besteht dieser Ueberzug immer nur aus kürzern anliegenden und nicht sehr
dicht gedrängten Haaren. Unter dem Mikroskop zeigen sie sich aus einigen
wenigen einfachen Gliedern zusammengesetzt, deren äusserstes etwas spitz
zuläuft. Das ganze Haar oder nur diese Spitze pflegt hakenförmig oder
krause gebogen zu sein. Die Haare des Stengels sind weit länger und we-
niger gegliedert.
Beide Seiten der Blattfläche, reichlicher die untere, sind mit zahlreichen
glänzenden gelblichen, etwas eingesenkten Oeldrüschen ganz unregelmässig
bestreut. Dieselben fehlen dem Stengel, so wie auch der Oberseite grösserer
Blätter, treten aber in weit bedeutenderer Zahl und Grösse an den Kelchen
*) daneben auch bei der heiligen Hildegard um 1150 romesse minze und romesch myute.
506
Blätter und Kräuter.
und an den schön violett blauen, bisweilen auch weissen sehr ansehnlichen
Blumen auf.
Die Blätter riechen angenehm, wenn auch nicht sehr kräftig. Im Ge-
schmacke zeigen sie neben dem Aroma eine süsslich und adstriugirend
schleimige nicht unangenehme Bitterkeit.
Frische in Deutschland gezogene Blätter geben nach Zeller ungefähr
’A pC. grünliches bis gelbes ätherisches Oel, trockene ungefähr die drei-
fache Menge. Je nach der Spielart und dem Standorte zeigen sich aber be-
deutende Schwankungen in der Ausbeute. Das Oel besitzt den Geruch und
ungefähr den Geschmack der Blätter, ist aber von wenig beständiger Zu-
sammensetzung. Es scheint aus verschiedenen Oxydationsstufen eines
Kohlenwasserstoffes G12 H20 zu bestehen, daher auch der Siedepunkt zwi-
schen etwa 130° C. und 150 schwankt. Durch Salpetersäure erhielt Roch-
leder daraus Campher.
Hlasiwetz stellte einmal durch Kochen des Senföles (siehe bei Semen
Sinapis nigrae) mit wässerigem Natron ein Oel G12 H2u 0 dar, das den Ge-
ruch des Salvia-Oeles besass. Hierdurch wäre ein Zusammenhang des letz-
tem mit dem Radical Allyl angedeutet. Eine andere Probe Senföl gab aber
dieses künstliche Salbeiöl nicht.
Aus dem rohen Oele, besonders wie es scheint aus demjenigen südlicher
Länder (Spanien) , krystallisirt bisweilen ein schwach nach Salbei riechen-
der Campher aus.
Durch Gährung der fast geruchlosen Blätter von Salvia pratensis hat
Bley in höchst geringer Menge ein aromatisches Fermentöl gewonnen.
Die Blätter der südeuropäischen Salvia Sclarea L. sind grösser, herz-
förmig, die obersten scharf und lang zugespitzt, sehr gross gezahnt; die-
jenigen unserer Salvia pratensis am Grunde herzförmig, nicht aromatisch.
Welche Art unter der Salvia der Alten gemeint ist, bleibt ungewiss.
Im Süden dienen mehrere in derselben Weise wie unsere officinelle Pflanze,
deren Einführung in Mitteleuropa wohl Karl dem Grossen (durch seiu Ca-
pitulare de villis) zu verdanken ist. — Die Benennung der Pflanze, abge-
leitet von salvere, gesund sein oder vou salvare, heilen, retten, spricht für
die hohe Werthung derselben in der alten Welt.
Folia Rosmarini.
Folia v. herba Rorisinarini s. Authos. Rosmarinblätter. Feuilles
de romariu. Rosemary.
Rosmarinus officiualis L. — Labiatae.
Der Rosmarin ist durch das ganze Gebiet des Mittelmeeres uud der be-
nachbarten atlantischen Küsten verbreitet, jedoch selten in Griechenland.
Obwohl ein starker bis mannshoher holziger Strauch, kömmt er doch bei
uns im Freien nicht gut fort, wird aber desto häufiger als Topfpflanze
gezogen.
Folia Rosmarini.
507
Der hin- und hergebogene, mit hellbraunem rissigem und abbla terndem
Korke bekleidete Stamm trägt ziemlich zahlreiche auseinanderstrebende,
etwas gedrungene Aeste, welche nur in jüngerem Zustande mit kurzen ästi-
gen Sternhaaren bestreut sind. Die paarweise gegenständigen immeigiuue
Blätter folgen sich in regelmässig abwechselnder Stellung an den jüngeren
deutlich vierkantigen Trieben, während später nach der Entwickelung zah
reicher achselständiger Blatt- und Blüthenknospen die alteren Aeste reicher
und dichter, aber weniger regelmässig beblättert erscheinen.
Die nach dem Trocknen fast nadelförmig zusammengeschrumpften abei
stumpflichen, bis 0,03m langen und frisch bis 6 Millim., trocken aber höchstens
IV2 Millim. breiten Blätter richten sich etwas aufwärts oder sind geiace
bis sichelförmig zurückgebogen von der Axe abgewendet. Gegen ihre Basis
sind sie nur wenig verschmälert und ihre Einfügungsstellen durch eine feine
Leiste verbunden, welche auf den beiden freien Seiten der vierkantigen Axe
nur wenig hervortritt und an älteren Kork bildenden Aestclien nicht mehr
erkennbar ist. Die obere stark gerunzelte kahle Blattseite ist von einer ein-
fachen unverzweigten seichten Rinne durchzogen und an den Rändern
zurückgerollt. Diese beiden Randwülste verdecken mehr oder weniger voll-
ständig die untere Blattseite bis auf den hier stark hervortretenden grau-
filzigen Mittelnerv, der sich aber nicht bis zur Höhe der eingerollten Blatt-
ränder erhebt, so dass die untere Blattseite eine tiefe Rinne oder vielmehr,
im Querschnitte, eine doppelte mehr oder weniger offene Hohlkehle
darstellt. # .
Die Aussenseite des Blattes, auch der ungerollte Theil desselben, ist bis
auf den ein wenig filzigen Grund glänzend graugrün, kahl und äusserst
feingrubig. Weder diese Pünktchen, noch die gröbern eingefallenen Runzel-
stellen entsprechen aber den Oeldrüschen. Dieselben sind vielmehr nur
sehr dünn gesäet und ganz vereinzelt auf der Blattoberfläche zu treffen1).
Kaum häufiger zeigen sie sich in der Rinne der Unterseite. Ein Querschnitt
durch das Blatt lehrt erst, dass gerade der von den umgeschlagenen Rän-
dern bedeckte Theil des Blattes der Sitz der Oeldrüschen ist, welche hier
ausserdem, in nicht sehr grosser Zahl, in dichten filz von ästigen Stein-
haaren eingebettet sind. Die Dräschen gleichen denen der Folia Salviae.
Der Mittelnerv in der Rinne der Unterseite besteht aus einem starken
Holzbündel mit einem nach aussen stark convexeu bogenförmigen Strange
sehr dickwandiger Baströhren. Die obere Wölbung des Blattes, auch der
Mittelnerv wird von sehr dickwandigen kleinen und farblosen Oberhaut-
zellen bedeckt, unter denen noch eine einfache oder doppelte Reihe weit
grösserer, ebenfalls ungefärbter und dickwandiger Zellen liegt. Der Gesammt-
heit dieser sehr derben Zellen verdankt das Blatt seinen Glanz und seine
Steifheit. Von denselben dringen 4 kurze Keile in das lockere mit Chloro-
phyll und eisengrünendem Gerbstoff gefüllte innere Parenchym ein, das
1) so an der auf Capri wild gesammelten blühenden Pflanze, wie an der Handelswaare.
508
Blätter und Kräuter.
daun nach der unteren Blattseite hin durch verzweigte lockere Zellen all-
mülig in den filzigen Besatz der unteren Blattrinne übergeht. Die oben ge-
schilderte Beschaffenheit der Blätter wurde schon 1667 von R. Hooke
mikroskopisch bemerkt — gewiss eines der ältesten Beispiele pharmako-
gnostisch-mikroskopischer Untersuchung !
Die Rosmarinblätter riechen und schmecken stark kampherartig und
bewahren, Dank der geschützten Lage ihrer Oeldrüschen, das Aroma sehr
gut. Der schwach bitterliche adstringirende Beigeschmack ist unbedeutend
und tritt neben dem brennend schmeckenden ätherischen Oele zurück. Von
letzterem liefern die getrockneten Blätter gegen 1 pC. Es ist gemengt aus
einem links rotirenden, dem Terpenthiuöle sehr nahe stehenden, schon bei
165° C. kochenden Kohlenwasserstoffe uud einem oxydirten, bei 200 — 210°
übergehenden , rechts rotirenden Autheile. Letzterer setzt bei starker Ab-
kühlung oder bei Behandlung mit verdünnter Salpetersäure Campher ab,
der sich vom gemeinen Campher nur durch ein um wenig geringeres Drehungs-
vermögen nach rechts unterscheidet. Spanisches Oel scheint diesen Campher
bei der Verdunstung leicht und bis zu 10 pC. zu liefern.
Der Rosmarin wurde schon von den Alten gebraucht, namentlich auch
von den Griechen zum Räuchern, daher sie die Pflanze Libanötis nannten.
Ros maris, auch marinus ros hiess sie bei den Römern. Karl der Grosse
gab in ähnlicher Weise wie bei Folia Salviae erwähnt, den Anstoss zu ihrer
Verbreitung in Mitteleuropa. Arnoldus Villanovanus, der bekannte
Chemiker des XIII. Jahrhunderts, stellte schon das ätherische Oel dar.
Die stark gewürzhaften ölreichen Blätter des nordischen Ledum pa-
lustre L. (Ericaceae) sehen denen des Rosmarins nicht unähnlich, sind
aber trocken durchschnittlich doch 3 Milliin. breit und oberseits neben dem
Hauptnerv auch mit Seitennerven versehen. Besonders kenntlich macht sie
aber der rothbrauue Filz der unteren Blattfläche, der aus wurmförmigem,
dicht in einander gewirrten langen Haaren gebildet ist.
Unter den käuflichen Rosmarinblättern finden sich selten mehr die 4-
bis 8-blüthigen blattwinkelständigen Blüthentrauben , obwohl dies wegeu
des Oelgehaltes der mit ziemlich zahlreichen Drüschen besetzten graufilzigeu
Kelche ganz zweckmässig wäre. Der geruchlosen, zart blassblauen, trocken
jedoch meist bräunlichen Blume fehlen die Drüschen.
Folia Thymi.
Thymian. Kölin.1) Römischer Quendel. Thym. Thyme.
Tliymus vulgaris L. — Labiatae
Der Thymian gehört Südeuropa au, gedeiht jedoch in der Kultur auch
in kälteren Gegenden, in Norwegen z. B., wo er die beliebteste Gewürz-
pflanze der Bauern ist, noch bis 68V20 uördl. Breite, selbst in Throndhjem
noch die Samen reifend.
U wahrscheinlich von Cunila — vergl. bei Herba Serpylli.
Folia Thymi.
509
Die sehr ästigen aufrechten Stämme sind weit mehr verholzt und daher
viel kräftiger als bei Thymus Serpyllum , obwohl von demselben Aussehen
und ebenfalls kaum fusshoch. Durch kurze starre, in stumpfem Winkel
meist abwärts gebogene Haare erscheinen die bräunlichen oder grünlichen
jüngeren Aeste mehr oder weniger grau , die älteren tragen bräunlichen
rissigen Kork.
Die dicklichen, bis 8 Millim. und darüber langen und ungefähr halb so
breiten Blätter vou länglich eiförmigem bis schmal lanzettlichem Umrisse
verschmälern sich in den sehr kurzen Blattstiel und sind am Rande etwas
umgerollt; trocken so stark, dass die Blätter der Handelswaare stumpf
nadelförmig erscheinen. Sie sind mehr oder weniger, vorzüglich unterseits,
mit denselben kurzen knieförmigen oder einfachen Härchen besetzt wie die
Stengel und auf beiden Seiten mit zahlreichen ansehnlichen Oeldrüsen ver-
sehen. Hierdurch, so wie durch geringere Länge (durchschnittlich 6 Millim.
bei käuflichen Blättern) und Dicke unterscheiden sie sich von den ober-
flächlich kahlen und drüsenlosen Folia Rosmarini. Die Kultur vermindert
die im ganzen knappe Behaarung der Thymianblätter noch sehr. Aus den
unteren Blattwinkeln entstehen kurze büschelige Blatttriebe, die in der
Handelswaare neben den einzelnen Blättchen Vorkommen. Mehr nach oben
enthalten die Blattwinkel lockere entfernte Scheinquirle, welche zuletzt zu
einem traubigen oder fast kopfigen Bliithenstande genähert sind.
Der drüsenreiche Kelch und die kleine blass blauröthliche Blume zeigen
denselben Bau wie bei Thymus Serpyllum. Da auch die Blumenrohre des
Thymian noch einige Oeldrüsen besitzt, so stellt sich derselbe als eine sehr
aromatische Pflanze dar.1)
Ihr ätherisches Oel, durchschnittlich y2— 1 pC. betragend, riecht feiner
als das des Th. Serpyllum. Kultur und südlicher Standort der Pflanze
scheinen den Oelgehalt sehr zu vermehren.
Das Thymianöl ist eiu sehr zusammengesetztes Gemenge. In der Kälte
setzt es oft kampherartiges Thymol OloH,4-0- in bei 44° C. schmelzenden
Rhomboedern oder rhombischen Tafeln ab, welche weniger leicht auch
durch Auffangen des bei etwa 230° C. übergehenden Antheiles erhalten
werden können und oft beinahe die Hälfte des rohen Oeles ausmachen.
Das Thymol löst sich in wässerigen Alkalien, ist optisch unwirksam und
auch im Gerüche verschieden vou dem rohen Oele, welches unbedeutend
links rotirt. Es kömmt auch im Oele der Blumen von Monarda punctata L.
(Labiatae), sowie in den Früchtchen von Ptychotis Ajowan DeC. (Umbelli-
ferae) vor und kann durch Oxydation von Cymen (G1UHU) oder Thymen
(Gl(JH1(i) künstlich dargestellt werden. Das Thymol ist homolog mit Phenyl-
alkohol und isomer mit Carvol (vergl. bei Fructus Carvi).
Durch Behandlung mit Oxydationsmitteln und andern Agentien liefert
]) daher die Bezeichnung Thymus von lltffio?, Muth, des belebenden Geruches wegcp,
510
Blätter und Kräuter.
das Thymol eine Menge höchst merkwürdiger Abkömmlinge, durch Salpeter-
säure namentlich auch Camphresinsäure (vcrgl. bei Camphora).
Rektificirt man Thymianöl, so geht unter 165° C. ein mit Terpenthinöl
isomerer Kohlenwasserstoff, Lallemand’s Thymen, über, welcher stark
links rotirt. Bei 170° bis 180° C. kocht dann Cymen (Cymol — vergl.
bei Fructus Carvi) weg.
Unter dem Thymus der Alten war vermuthlich auch Th. capitatus Link
(Th. creticus Brotero, Thymbra capitata Grisebach) mit verstanden.- Th. vul-
garis gelangte im Mittelalter aus Italien über die Alpen.
Herba Serpylli.
Wilder Thymian. Quendel.1) Serpolet. Mother of thyme.
Thymus Serpyllum L. — Labiatae.
Der Quendel ist ein kleiner niederliegender aufstrebend-ästiger Halb-
strauch, der in grosser Menge auf Haiden, trockenen Wiesen und sonnigen
Waldstellen vom Gebiete des Mittelmeeres an bis Island und Finnmarken,
in Nordamerika, Mittel- und Nordasien (Himalaya, Altai), auch in Abys-
sinien einheimisch ist.
Aus den verworrenen holzigen, nur etwa 3 Millim. starken fusslangen
Stämmchen erheben sich zahlreiche, am Grunde verholzende, sehr häufig
röthliche Aestchen mehr oder weniger bogenförmig, selten fusshoch.
Die ganzrandigen und stumpfen Blättchen, höchstens 0,007"' breit und
bis 0,010,n lang, im Umrisse rundlich oder eiförmig bis schmal lanzettlich,
verschmälern sich keilförmig in das sehr kurze, bis 3 Millim. lauge Blatt-
stielchen. Die unter sehr spitzem Winkel etwas bogig von der starken
Mittelrippe aufsteigeuden Nerven treten auf der Rückseite des Blattes meist
scharf hervor. Derselben sind auch die verhältnissmässig sehr ansehnlichen
Oeldrüschen so tief eiugeseukt, dass sie häufig auch auf der Oberseite des
Blattes bemerklich werden und dasselbe im durchfallendeu Lichte punktirt
zeigen. Oft trägt aber auch die obere Blattfläche selbst Drüsen. Die Behaa-
rung ist gebildet aus 1- bis 8-gliederigen, etwas starren Haaren, welche sich
aus breiter Basis sehr laug zuspitzen. Entweder ist damit die ganze Pflanze
in allen ihren krautigen Theilen sehr reichlich besetzt, oder aber nur die
Knoteu nebst 2 oder allen 4 Kanten des Stengels, die Blattstiele und
die Kelche, während die Blätter nur gewimpert sind oder, etwa den Grund
ausgenommen , ganz kahl bleiben. Die Haare selbst zeigen sich übrigen*
auch nach Grösse, Richtung und Steifheit oder Weichheit ziemlich ver-
änderlich.
1) Quenala, Konala im althochdeutschen vor dem XII. .Jahrhundert, Kwcnela um 1150
bei der heiligen Hildegard, entsprechend dem alten Cunila, worunter mehrere Labiaten
verstanden waren, noch bei LinnÄ z.B. der Bentham’sche Thymm Serpyllnm Var. ß) mon-
tanua, früher mehr Saturcia hortensis L.
Herba Hyssopi.
511
Die Scheinquirle sind zu gedrungenen endständigen Köpfchen geknäuelt
oder bilden lockere traubige verlängerte, im ganzen sehr reiche Blüthen-
stände (Blüthenschwänze). _ .....
Der zehnstreifige röthliche oder grünliche Kelch mit pfriemformig zwei-
theiliger Unterlippe ist gleichfalls, besonders reichlich bei den schmalblätte-
rigen Formen, mit Oeldrüsen versehen.
Die unscheinbar purpurne bis weissliche Blume lässt bei den zwitteiigen
Blüthen die Staubfäden heraustreten , iu den andern sind sie verkümmert
oder fehlen.
Zu den erwähnten Unterschieden in der Tracht dieser vielgestaltigen
Art gesellen sich noch bedeutende Schwankungen in der Länge und der
Richtung ihrer Aeste, welche sich mehr aufrichten oder kriechen und sich
bewurzeln können. Auch die Grösse der Blumen und die Ausprägung des
Adernetzes der Blätter ist sehr ungleich.
Nach allen diesen Unterschieden haben die Botaniker ein paar Dutzend
Spielarten aufgestellt, von denen einige in der That wohl eine bestimmte
lokale Abgränzung darbieten. So sehr leicht auch die Endglieder der ganzen
Formenreihe sich z. B. durch die breit rundlichen oder fast linealen Blätter
aus einander halten lassen , so sind doch Uebergänge reichlich genug vor-
handen, um die Zusammenhörigkeit sämmtlicher Abarten darzuthuu.
Wären auch Gründe für die praktische Bevorzugung dieser oder jener
Spielart vorhanden, so lässt sich doch eine derartige Auswahl nicht durch-
führen. Es scheint übrigens fast, als seien bei den schmalblätterigen Formen
die Kelche um so ölreicher.
Geruch und Geschmack des Quendels sind angenehm, wenn auch nicht
eben fein aromatisch. Doch zeichnet sich die Varietät Thymus citriodorus
Schreber bisweilen durch lieblichen Geruch aus.
Die Ausbeute an ätherischem Oele, dessen Eigenschaften auch beträcht
lieh abwechseln , schwankt je nach dem Standorte und der Art der Pflanze
sehr. Selbst aus frisch getrockneten Spitzen werden höchstens etwa 0,4 pC.,
häufig aber weit weniger Oel gewonnen. Im Süden ist der Gehalt grösser
und das Oel auch feiner. Es scheint der Hauptsache nach ein Kohlenwasser-
stoff zu sein.
Die Asche der Blätter, ungefähr G pC. betragend, ist reich an Kali-
salzen.
Schon Dioskorides unterschied den Quendel als Herpyllos vom
Thymian.
Herba Hyssopi.
Ysop. Hysope ou isop. Hyssop leaves.
Hyssöpus officinalis L. — Lnbiatae.
Mehr als fusshoher Halbstrauch Südeuropas (bis in die Schweiz: Tessin,
Unterwallis, Yisper-Thal) und Südsibiriens, auch in Kaschmir, Caucasien
512
Blätter und Kräuter.
und Sudrussland vorkommend, der häufig in Küchengärten, selbst noch
im mittleren Norwegen (Throndhjem), gezogen wird und sich daher auch
da und dort verwildert findet.
Das aufrechte holzige Stämmchen theilt sicli meist in zahlreiche schlanke,
last gleich hohe und besenartig gedrängte Aeste, die sich ihrerseits wieder
etwas verzweigen können. Zu oberst stehen die 10- bis lfiblüthigen Schein-
quirle meist einerseitswendig zu dichten endständigen Trauben (Blüthen-
schwänzen) geordnet, welche nach unten allmälig lockerer werden. Der
mittlere und untere Theil der vierkantigen Stengel ist weitläufig beblättert,
seine gewöhnlich wenigstens um die Länge der Blätter auseinander gerück-
ten Knoten fast unmerklich aufgetrieben. Die steifen schmal lanzettlichen
und rundlich zugespitzten Blätter erreichen bis 0,025m Länge bei höchstens
0,005 Breite. Gegen den Grund siud sie allmälig verschmälert und fast
ungestielt; aus den Blattwinkeln entstehen fast immer kleinere spitzigere
Blattpaare. Die Deckblätter der Blüthentraube sind von gleicher Gestalt,
nur allmälig an Grösse abnehmend, doch meist noch die Quirle oder wenig-
stens die Kelche überragend. Alle Blätter sind ganzrandig, kahl, etwas
dicklich und zeigen beim Trocknen Neigung, sich am Rande umzurollen,
wie denn auch die Handelswaare vorwiegend aus mehr oder weniger längs-
rinnig gebogenen Blättern besteht. Nur unterseits tritt ein einziger nicht
sehr derber Nerv etwas deutlicher hervor, welchem oberseits eine äusserst
feine Rinne entspricht. Beide Blattflächen sind übrigens durch sehr zahl-
reiche mit Oeldrüschen versehene Grübchen grob runzelig und bis auf ein-
zelne sehr zerstreute, höchstens am Rande etwas häufigere, starre zierlich
punktirte Knotenhaare völlig kahl. Etwas zahlreicher kommen dergleichen
doch kürzere hakenförmige Härchen auf den jüngeru Stengelgliedern vor,
so wie auf den ebenfalls drüsentragenden spitz fünfzähuigen, oft röthlich
angelaufenen Kelchen. Aus letzteren breitet sich die satt blaue weit zwei-
lippige Krone kurz aus , trocken bedeutend überragt von deu dünnen , zu
äusserst dunkelblauen Staubfäden und dem noch längeren zweispaltigen
Griffel. Der Krone fehlen die Oeldrüschen, sie ist aber auch mit den beschrie-
benen Börstchen bestreut.
Das käufliche Kraut enthält gewöhnlich die Blüthenähren nicht. Es
riecht und schmeckt angenehm aromatisch, kaum bitterlich und liefert, bei
uns gezogen, ungefähr 1 pC. ätherisches Oel, welches der Hauptsache nach
ein schon unter 150° C. siedender, doch bis jetzt noch nicht isolirter
Kohlenwasserstoff zu sein scheint, gemengt mit sauerstoffhaltigem indiffe-
rentem Oele. Ausserdem enthält das Kraut auch eiseugriinenden Gerbstoff.
Obwohl die Abstammung des Wortes Hyssop vom hebräischen Esobh
feststeht, so ist doch darunter nicht gerade vorzugsweise unsere Pflanze
verstanden worden. Dieselbe wurde schon im Mittelalter vor dem XII. Jahr-
hundert in Deutschland von Mönchen gezogen und im XVI. Jahrhundert
von Matth ioli in den Arzneischatz eiugcführt.
Folia Melissae.
513
Folia Melissae.
Melissenblätter. Citronenmelisse. Feuilles de melisse. Citronnelle. Balm.
Melissa officinalis L., «) citrata Bischoff. Labiatae.
Die Melisse wächst in Südeuropa, namentlich häufig in Südfrankreich.
Buhse fand sie auch in Transkaukasien , andere im Süd- und Ostgebiete
des Caspi-Meeres, so wie um Aleppo; auch der Name Arabian balm, den
sie nach Ainslie in Indien führt, deutet wohl auf ihre Herkunft aus dem
südwestlichen Asien. Im mittlern Europa wird sie häufig gezogen und ge-
deiht noch, freilich nur einjährig, im südlicheu Norwegen.
Die zahlreichen bis lm hohen Stengel entspringen aus dem holzigen
Wurzelstocke oder an den fleischigen Ausläufern und sind reichlich mit ein-
fachen ruthenförmigen Aesten besetzt. Dieselben tragen an den obern Thei-
len, besonders an den ziemlich weit auseinander gerückten Knoten, auch
am 'Blattstiele, nicht sehr zahlreiche weiche lange und abstehende Haare
oder sind, wenigstens nach unten, kahl. Vereinzelte langgliederige Haare
finden sich auch auf den Blättern und zwar beinahe häufiger auf der dunk-
leren Oberseite, reichlicher aber dann am Kelche. Die Haare sind aus brei-
ter Basis sehr lang und dünn pfriemförmig ausgezogen und an den Knoten
kaum merklich aufgetrieben.
Die Blätter, bis etwa 0,040m lang und höchstens 0,030m breit, von
breit eiförmigem Umrisse oder zu unterst herzförmig, laufen in eine stumpf-
liche Spitze aus und tragen beiderseits am Rande 5 bis 1 0 rundliche Säge-
zähne. Bei den obern Blättern setzen dieselben erst gegen die Mitte des
Randes ein, so dass der Grund des Blattes keilförmig in den 0,005 bis
0,015™ langen schlanken Blattstiel übergeht. Die kleinen Oeldrüschen
sind nicht eben sehr zahlreich der unteren Blattfläche eingesenkt, wo die in
spitzem Winkel ziemlich gerade verlaufenden Nerven schärfer hervortreten.
Nur die jüngern Kelche haben Oeldrüschen aufzuweisen, obwohl immerhin
noch spärlicher als die Blätter.
Die eckig-nervigen Kelche öffnen sich weit in eine aufrechte, sehr scharf
und lang zweispitzige Unterlippe und eine kürzer dreizähnige Oberlippe.
Die weisse oder röthlich angelaufene geruchlose und unansehnliche Blume
überragt nur mit ihrer ausgebreiteten zweilippigen Krone den Kelch um
ein bedeutendes und lässt die Staubgefässe und den Griffel etwas hervor-
treten. Die achsel ständigen kurzgestielten Scheinquirle stehen etwas ent-
fernt in einseitswendigen Büscheln.
Die beschriebene Kulturform der Melisse riecht nicht stark, aber beson-
ders nach dem Trocknen äusserst lieblich , entfernt an Citronen erinnernd,
ist jedoch eine der an ätherischem Oele ärmeren Labiaten. Trockenes frisches
Kraut liefert davon im Maximum ungefähr *4 pC., aber häufig nicht einmal
1 p. Mille. Das Oel enthält nach Bizio einen Campher gelöst.
Der Geschmack der Blätter ist höchst unbedeutend.
Flückiger, Pharmakoguosio.
33
514
Blätter und Kräuter.
Die in Italien gebrauchte, auch in Griechenland häufige Melissa offici-
nalis ß. villosa Beutham (M. roraana Miller, M. hirsuta Hoffm., M. altis-
sima Sibthorp et Smith, M. cordifolia Persoon) scheint die eigentliche
Form der wilden Pflanze zu sein. Sie besitzt grössere, länger gestielte
und häufiger herzförmige Blätter, welche wie die ganze Pflanze zottig, aber
von schwachem wenig angenehmem, wie es scheint bisweilen im Alter
selbst wanzenartigem Gerüche, daher zum Arzneigebrauche zu verwerfen
sind.
Der ächten Melisse ähnlich riecht hingegen Nepeta Cataria L. Var.
citriodora Becker, deren herzförmige Blätter aber weissfilzig sind.
Die Melisse, Meliphyllon oder Melissöphyllon ’) der Griechen, Apiastrum
der Römer, ist seit den ältesten Zeiten im Gebrauche.
Herba Galeopsidis.
Lieber’sche Kräuter. Blankenheimer Thee. Galeopside. Chanvre bätard.
Galcöpsis ocliroleuca Lamarck. — Labiatae.
Syn. : G. grandiflora Roth.
G. villosa Hudson.
Fusshohes jähriges Kraut, stellenweise durch den grösseren Theil Mittel-
Europas verbreitet, in Deutschland z. B. in den rheinischen und westfäli-
schen Gegenden, in der Schweiz bei Bern, auch in den Vogesen und Ar-
dennen, in Mittelfrankreich, in England, aber nicht iu Italien, Griechenland
und Kaukasien.
Der Stengel ist besonders oberhalb mit langen sparrig abstehenden
krummen Aesten versehen, die nur sehr locker beblättert sind und in den
Achselu bis 1 Oblüthige sehr ansehnliche Scheinquirle tragen. Erst an den
Spitzen der ruthenförmigen Aeste sind die Bliithenstäude einander etwas
näher gerückt. Die länglich lauzettlichen kurzgestielten Blätter, höchstens
gegen 0,05m lang und 0,0 15m breit, siud spitznervig und au jedem Rande
durch etwa 4 rechtwinkelig abgesetzte grobe Zähne weitläufig gesägt. Die
beiden obersten sind der rundlichen Spitze genähert, während das unterste
Paar Sägezähue vom Blattgrunde weit entfernt ist. Der borstige, in 5
stechende Zähne endigende, etwa G Millim. lange Kelch wird von den schön
gelben, trocken bis über 0,020'" erreichenden Blumen überragt. Ihre
schlanke Röhre öffnet sich allmälig sehr weit in eiue gewölbte vierzähnige
Oberlippe und die grosse dreispaltige Unterlippe, welche mit einem intensiv
gelben Flecken bemalt ist.
Die ganze Pflanze ist mit Ausnahme der dicksten Stengclstücke mehr
oder weniger mit kurzen, etwas gebogenen und knotig gegliederten starren
Börstchen besetzt. Hauptsächlich der Kelch, seine dornigen Deckblättchen
und die jüngeren Stengelglieder zeigen dazwischen auch gelbliche Oel-
1) Melissa die Biene.
Herba Marrubii.
515
dräschen, welche aber von breiten weichen bandartigen gegliederten Haa-
ren getragen werden. Denselben verdankt die Pflanze den unbedeutenden
aromatischen Geruch und Geschmack. Letzterer wird beim Trocknen mehr
indifferent, kaum etwas bitterlich-salzig. Der Geruch verschwindet so gut
wie ganz.
Geigers Analyse hat nur die allgemeiner verbreiteten Stoffe ergeben;
das ätherische Oel ist in geringen Spuren vorhanden.
Einige andere Galeopsis - Arten sehen der G. ochroleuca ziemlich ähn-
lich, z. B. G. Tetrahit L. , G. versicolor Curt. , G. pubescens Besser. Sie
unterscheiden sich durch knotige Verdickungen des Stengels unterhalb der
Gelenke.
Galeopsis Lädanum L. hat bei weitem schmälere, zu oberst fast lineale
Blätter und auch nach dem Trocknen noch röthliche Blumen. Bei den gelb-
blühenden Stachys- Arten endlich überragen die Kronen den Kelch nicht
oder nur um weniges.
In Köln und den niederrheinischen Gegenden schon längst als Volks-
mittel bekannt, auch wohl bereits von Aerzten beachtet, gelangte die be-
schriebene Pflanze zu grossem Rufe, als es sich (1811) herausstellte, dass
sie seit etwa 1802 oder 1807 dem Reg.-Rathe Lieber in Kamberg unweit
Frankfurt zu dem geheimnissvollen „Lieber’schen Auszehrungskräutern“
diente, wie schon früher einer Fräulein Libert in Malmedy als Bestand-
theil eines Brusttrankes. Eine bezügliche Bekanntmachung der preussischen
Behörden von 1 824 machte dem ausserordentlich gewinnreichen Schwindel
Lieber’s ein Ende.
Herba Marrubii.
Herba Marrubii albi '). Audorn. Marrube blaue. White horehound.
Marrübium vulgare L. — Labiatae.
Der Andorn ist über ganz Vorderasien (Kaschmir, Persien, Arabien)
und Europa (Insel Ösel in der Ostsee, Aragonien, Canarische Inseln, Eng-
land und Schottland) verbreitet und bereits auch in Nordamerika (Canada,
New-Jersey, Californien, Mexico) und Südamerika (Chili) eingewandert.
Die Pflanze liebt unbebaute Stellen, ist jedoch in manchen Ländern, wie
z. B. in der Schweiz (Sitten), nur sehr zerstreut zu finden und scheint in
Ostasien zu fehlen.
Die ausdauernde starke Wurzel treibt mehrere über fusshohe weiss-
filzige hohle und nach oben etwas ästige Stengel. Sie sind nur wenig ver-
holzt, oft etwas gebogen und zeigen die bei den Labiaten gewöhnliche Form
und Blattstellung. Die Blätter sind verschiedengestaltig, niemals herzförmig,
sondern kurz eiförmig, jedoch bald einigermassen annähernd kreisrund,
1) herba Marrubii nigri hiessen die Blätter der Ballota nigra L. Sie sind herzförmig,
nicht filzig, so gut wie nicht runzelig.
83*
516
Blätter und Kräuter.
bald vom Blattstiele rechtwinkelig oder stumpf abgeschnitten , bald mehr
in denselben verschmälert, bis etwa 0,04™ lang und oft fast eben so breit.
Die unteren und mittleren Stengelblätter hängen schlaff an etwa halb so
langen ziemlich breiten Blattstielen oder sind gerade abstehend. Bedeutend
kürzer sind die Stiele der obern Blätter, die der obersten Stützblätter des
Blüthenstandes fast verschwindend. Die letzteren, überhaupt mehr die klei-
neren Blätter, sind scharf und grob gesägt, die grösseren ungleich wellen-
förmig gekerbt. Besonders unterseits an jüngeren Blättern tritt das grob
runzelige Adernetz stark hervor. Die ganze Pflanze mit Ausnahme der
Blumenrohre wird von weichem grauem Filze mehr oder weniger dicht be-
deckt. An den sehr stark verfilzten Kelchen jedoch zeigt sich derselbe ziem-
lich starr, indem sich hier den langen knotig gegliederten und sehr spitz
zulaufenden Haaren auch derbe Sternhaare beimischen. Die dünnwandigen
einfachen Glieder der breiteren Haare des Stengels fallen hingegen band-
artig zusammen. Spärlicher behaart und deshalb dunkler grün ist die Ober-
seite der Blätter, besonders im Alter. In nicht sehr grosser Zahl finden
sich namentlich auf der Rückseite der Blätter ansehnliche farblose Oel-
drüschen eiugestreut.
Die kleinen Blüthen sind sehr zahlreich zu kugeligen Scheinquirlen zu-
sammengeknäuelt, welche aus den Winkeln der besonders an den unteren
Stengeitheilen weit auseinander gerücktem Blattpaare hervortreten. Die
becherförmige Kelchröhre läuft in 10 abwechselnd längere, an der sehr lan-
gen derben Spitze in kahle Haken endigende Zähne aus, welche die Pflanze
sehr auszeichnen. Durch die schmale aufrechte Oberlippe und die abwärts
gerichtete breitere Unterlippe erhält die weisse unscheinbare Blütlie ein
ziemlich eigenthiimliches Aussehen.
Das Kraut schmeckt stark bitter und etwas scharf aromatisch. Der
Bitterstoff, das Marrubiin, ist in nur äusserst geringer Menge vor-
handen und wurde zuerst von Mein 1855 in Nadelu dargestellt. Es
ist durch Gerbstoff und Metallsalze nicht fällbar, daher Harms es mit
Aether dem weingeistigen Extracte des Krautes entzog. Kromayer be-
nutzte dazu die Knochenkohle, welche den Bitterstoff begierig aufuimmt.
Er tritt sowohl in farblosen ansehnlichen, bei 160°C. schmelzenden Krystal-
len, als auch wie es scheint harz- oder terpeuthinartig in amorpher Modifi-
cation auf. Selbst in kochendem Wasser löst er sich nur wenig, ertheilt
ihm jedoch einen sehr bitteren Geschmack. Die Zersetzuugsprodukte des
Marrubiins bei stärkerer Erhitzung riechen nach Senföl. Eine von Geuthe r
ausgefühlte, doch nicht endgültige Analyse des Mein’schen Präparates
würde zu der Formel G24II:!2GPr> führen können. Das Marrubiin zeigt sich
auch dadurch von manchen andern Bitterstoffen verschieden , dass es sich
nicht als gepaarte Zuckerverbindung erweist.
Das Marrubiumkraut enthält nur sehr wenig ätherisches Oel, das noch
nicht näher gekannt ist; mehr beträgt der eiseugrüuende Gerbstoff. Auch
an Salzen scheint das Kraut reich zu sein. Bley hat endlich daraus in der
Summitates Sabinae.
517
bei Summitates Miilefolii erwähnten Weise auch ein Fermentöl in sehr ge-
ringer Menge erhalten.
Der Andorn, Prasion der Griechen, war schon im Alterthum gebraucht,
aber vermuthlich öfter mit Labiaten von etwas ähnlichem Aussehen zu-
sammengeworfen. Im deutschen Mittelalter findet sich Andorn und Maru-
biurn aufgezählt sowohl in den bei Semen Hyoscyami erwähnten Arznei-
büchern aus dem XII. und XIII. Jahrhundert als auch in den Schriften der
heiligen Hildegard um 1150.
Marrubium ist auf das hebräische mar (bitter) zurückzuführeu.
H. Aromatische Blätter und Kräuter
(mit Ausschluss derjenigen der Labiaten).
Summitates Sabinae.
Folia s. herba Sabinae. Sadebaumkraut. Seveukraut. Sevi.1) Sabine.
Savine.
Juniperus Sabina L. — Coniferae-Cupressineae.
Syn.: Sabina officinalis Garcke.
Kleiner niederliegender holziger diöcischer Strauch mit gedrängten
Aesten ; er wächst stellenweise in grosser Menge in den südlichen Alpen
Oesterreichs (Krain, Oetzthal) und der Schweiz (Eingang des Nicolaithaies
im Wallis, bei Finstermünz in Graubünden), auch im westlichen (Eifel am
Rhein) und südlichen Europa (Provence, Spanien, Italien — Sabiner-
land, seltener in Griechenland), dann auch im Kaukasus, in Persien, Süd-
sibirien (Altai) und Klein-Asien, vorzüglich an dürren heissen gebirgigen
Standorten. — In Gartenaulagen wird er überdies sehr häufig kultivirt und
alsdann, mit Zustimmung der Pharmakopoen, gleichfalls verwendet; er ist
hier mehr aufrecht, bis 2 — 3ni hoch, doch wächst die Krone immer mehr
in die Breite.
Die jüngeren frucht- oder blüthentragenden Zweige werden zum öffici-
nellen Gebrauche gesammelt. Ohne Gliederung (Unterschied von Juniperus
communis) wachsen die kleinen, 0,001 — 0,003™ langen schuppenförmigen
Blättchen, je zwei gegenüber in abwechselnder Stellung und dadurch 4zeilig
aus dem Zweige, denselben ziegeldachartig ganz bedeckend und fallen erst
im 4ten Jahre mit dem Korke ab.
An den jüngeren Zweigen sind die Blättchen dicht angedrückt, höch-
stens an der stumpf liehen, nicht stechenden Spitze ein wenig abstehend; sie
sind etwas dicklich, innen concav, grünlich weiss, aussen nicht kantig,
sondern gerundet, grün, mit einer runden oder länglichen dunkleren ver-
tieften Oeldrüse, welche nur die Mitte der Rückenlinie einnimmt. Die Zweig-
J) seviboum, soviuum, sovene, sevina schon im XII. Jahrhunderte (in dem bei Semen
Hyoscyami erwähnten Arzncibucho). Sybcnbaum bei Hildegard um 1150.
518
Blätter und Kräuter.
lein erhalten dadurch ein mehr gerundetes als scharf vierkantiges Aussehen.
Aber schon die äussersten Blättchen der Zweigspitzen und die der älteren
Aeste verlängern sich etwas, werden spitzig, mehr von der Axe abstehend,
weitläufiger aus einander gerückt und tragen eine verlängerte Oelfurche,
ja es finden sich auch an einer und derselben Pflauze, durch das Vorherr-
schen angedrückter oder aber mehr abstehender, bisweilen auch dreizeiliger,
scharf zugespitzter längerer Blättchen, Aestchen von verschiedenem Aus-
sehen. Man hat demnach Pflanzen, welche vorwaltend den letzteren Habitus
zeigen, als Varietät: pungens oder cupressifolia , die erstere Form, mit
kleinen stumpflichen angedrückten Blättchen dagegen als Var.: tamarisci-
folia1') unterschieden. Gestalt und Anordnung der Blätter wechseln somit
sehr bedeutend, namentlich in der Kultur; wildwachsende Pflanzen der
Alpen gehören beständiger zu tamariscifolia. — Mau wollte auch zwischen
männlichen und weiblichen Pflanzen einen Unterschied in den Blättern ge-
funden haben.
Ein wichtigeres Kennzeichen bilden die überhängeuden beereuartigen,
an kurzen gekrümmten Zweiglein traubenartig endständigen Früchtchen
(Beerenzapfen, Scheinbeere), welche im ersten oder auch im zweiten Jahre
reifen (vergl. beiFructus Juniperi) und sich in der käuflichen Herba Sabiuae
vorzufinden pflegen. Sie sind kugelig, trocken etwa 0,005m messend, sehr
unregelmässig eingeschrumpft und zeigen noch undeutlich entweder an
ihrem Scheitel oder oft weit unterhalb desselben, die Spitzen der 4 6
Fruchtblätter, welche dieseu beerenartigen Fruchtstand zusammensetzen.
Aussen sind diese Beerenzapfen schwarz und graublau bereift; in dem
grünen ölig-harzigen Fruchtfleische stecken 1 — 4 knöcherne Samen, welche
am Grunde von einigen sackartigen Oeldrüseu umgeben sind. Grosse Oel-
zellen enthält auch das Fruchtfleisch selbst.
Ausser dem gedrängten buschigen Wüchse des Strauches ist auch sein
wideriger eigenthümlicher Geruch ein beständiges Merkmal. Er kömmt dem
ätherischen Oele zu, welches in den Zweigspitzen (etwa 2 pC.) und triicht-
chen (10 pC.), nicht aber im Holze enthalten ist. Das Oel, isomer mit
Terpenthinöl und stark rechts rotirend, ist ein irritirendes Gift von betäuben-
dem Gerüche. Es fulminirt mit Jod sehr heftig. Blätter und Früchte enthalten
reichlich Chlorophyll, Gerbstoff, Zucker und Harz, das Holz auch Amylum,
1) Die Begriffsverwirrung in Betreff des Ausdruckes tamariscifolia ist so gross, dass der-
selbe verdient gestrichen zu werden. Nach Henkel u. Hochstctter, Synopsis der Nadel-
hölzer (1865), ist die alpinisclie Sabina die Var. cupressifolia = Juniperus foctida a) Sabina
Spach = Sabina officinalis Garcke, durch etwas zugespitzte Blätter und 1- bis 4sanngc
Früchtchen ausgezeichnet. Juuiperus foctida ß) tamariscifolia Spach = J. Sabina ß) Lmne
aber ist von Grisebach zur eigenen Art Juniperus sabinoides erhoben worden und besitzt
oft pfriemenförmige, halb abstehende, oberseits sehr oft bläulich weissgrüne Blätter, so wie
meist einsamige Früchte. Diese Art oder Varietät gehört den Gebirgen Spaniens, Sicil.cns und
Griechenlands an. Kostcletzky’s cuprcssina ist Linnö’s tamariscifolia. Bergste le
Spach'schen Varietäten Sabina und tamariscifolia unter Garcke s Sabina officinalis und gi
der tamariscifolia sämmtlich angedrückte oder nur später etwas abstehende Blatter.
Summitates Sabinae.
519
aber kein Harz oder nur ein wenig im Marke. Im getrockneten Frucht-
fleische kommen einzelne mit einer weissen wachsartigen Substanz erfüllte
Räume vor. Unter dem Mikroskop zeigt sich die Substanz amorph, von
splitterigem Bruche, vollkommen durchsichtig. Vermuthlich ist es ein Fett
oder Stearopten.
Mehrere andere Coniferen haben mit dem Seveustrauche grosse Aehn-
lichkeit, namentlich die baumartige Juniperus Virginiana L. , die rothe
Ceder der Amerikaner, welche von Canada bis Florida und am mexica-
nischen Golfe einheimisch und seit 1664 in europäischen Anlagen sehi
häufig ist. Die stechenden, locker anliegenden abstehenden Blätter sind
au älteren Zweigen vierreihig, an jüngeren dreireihig, scharf zugespitzt, der
Varietät pungens von Sabina gleich. Der virginische Baum ist jedoch aus-
gezeichnet durch den höheren, flatterigen, spreizenden Wuchs, der sich selbst
an den kleineren Aesten noch durch die sparrig abstehenden , sogar nach
aussen zurückgekrümmten, nicht gedrängten Zweige bemerklich macht.
Im Vaterlande erreicht diese Art 20 — 40 Fuss Höhe; in einer Varietät mit
dünneren hängenden Zweigen und Aesten auf Barbadoes selbst 60 Fuss.
Der Geruch des virginischen Sevenbaums ist ähnlich, doch schwächer als
bei unserer Sabina, statt welcher er in Amerika augewendet wird. Sein
Oel wirkt gleich wie das der Sabina, ist aber nach Gladstone wesentlich
verschieden. Wie nahe sich übrigens beide Pflanzen stehen, geht auch
daraus hervor, dass Hook er sie für identisch erklärt hatte.
Der Variet. cupressifolia der Sabina gleicht Jxmiperus phoenicea L.,
im Gebiete des Mittelmeer es, jedoch besitzt dieser Strauch weit abstehende
Aeste und Zweige, denen der specifische Geruch der Sabina ganz abgeht.
Auch die in denselben Gegenden wachsende Cypresse, Cupressus
sempervirens L., wird als Verwechselung des Sevenstrauches genannt.
Die Blätter der Cypresse stehen aber an den Aesten so weitläufig, dass sie
dieselben nicht decken ; an den Zweigen, wo sie dichter sitzen , lasseu sie
sich dadurch unterscheiden, dass sie zwei Längsfurchen auf dem Rücken
tragen, wodurch die Mitte der Länge nach erhöht ist. Die Zweige sind weit
abstehend; Geruch fehlt fast ganz.
Die Thuja- Arten, deren Geruch an Sabina erinnert, sind durch ihre
flachen Aeste sehr verschieden.
Hauptkennzeichen der Sabina sind also der gedrängte Wuchs, der durch
die sehr zahlreichen angedrückten, nicht abstehenden Zweige entsteht; die
fast immer vierzeilige Anordnung der Blätter, die nickenden Früchte und
endlich vorzüglich der kräftige eigeuthiimliche Geruch, zumal der Früchte.
Die Blättchen allein gewähren nicht ausreichende Merkmale.
Die Sabina und ihre Wirkungen waren schon den Alten bekannt. Dios-
korides so wie Plinius unterschieden bereits die cy pressenähnliche —
weibliche — und die tamariskenähnliche — nach ihnen männliche Form.
Karl der Grosse befahl (im Capitulare de villis et cortis imperialib.) den
Anbau der Savina in Deutschland.
520
Blätter und Kräuter.
Herba Matico.
Folia Maticae. Matico.
1. Artanthe1) elongata Miquel. — Piperaceae.
Syn.: Piper angustifolium Ruiz et Pavon.
P. elongatum Yahl.
Steffensia elongata Kuntli.
2. Artanthe adunca Miquel.
Syn. : Piper aduncum L.
P. arborescens Miller.
Steft’ensia adunca Kunth.
Der erstere Strauch wächst in feuchten Wäldern der Cordillereu in
Chili und Peru (bei Huanuco), der zweite ist im Osten des tropischen Ame-
rika, von Jamaika bis Bahia, verbreitet.
Die knotigen, etwa 0,003™ dicken Stengel beider Pflanzen tragen an-
sehnliche eiförmige zugespitzte netzaderige, abwechselnd gestellte Blätter,
welchen die nur 0,003“ dicken, bei der erstgenannten Art bis etwa 0,20™
langen, bei der zweiten aber kürzeren und fast hakenförmig zurückgebogenen
Blüthenähren (Kätzchen) gegenüberstehen. Die aufs dichteste gedrängten
grünlichen Blüthen sind meist schon verblüht.
Wir erhalten hauptsächlich die Blätter der A. elongata, welche sehr
kurz gestielt, über 0,10“ laug, etwa 0,03™ breit und ziemlich dick sind.
Im Umrisse länglich eiförmig, wenig und kurz zugespitzt, unterscheiden sie
sich sehr von den breiteren, sehr lang zugespitzten und ganzrandigen Blät-
tern der A. adunca, welche zudem ein weitmaschiges Adernetz besitzen
und überhaupt grösser werden. Beide sind am Grunde unsymmetrisch ab-
gerundet. Die stumpf gekerbten Blätter der A. elongata sind sehr enge
geadert, so dass die ganze obere dunkelgrüne und nur von vereinzelten
starren knotigen Gliederhaaren spärlich besetzte Blattfläche ziemlich regel-
mässig in 1 Millim. grosse gewölbte, körnig rauhe Quadrate abgetheilt er-
scheint. Sie treten noch schärfer, aber weniger regelmässig auf der grau-
lichen, kurz filzigen Unterfläche hervor, ebenso der starke Mitteluerv und
die 3 — 5 Seitennerven jeder Blatthälfte. Die Blätter und die Fruchtähren,
welche sie gewöhnlich begleiten, pflegen noch an ziemlich ansehnlichen
flaumigen Stücken der Stengel zu sitzen; meist ist aber das ganze durch
die Packung stark zerknittert, da diese Blätter sehr brüchig sind. Ihre
Unterseite gleicht derjenigen der Digitalis purpurea, ist aber mit längeren
Haaren besetzt.
Die nur unterseits sehr wenig behaarten oder überhaupt ganz kahlen
zähen Blätter der A. adunca wurden 1864 aus Colon (Isthmus von Panama)
in London eingeführt und zuerst von Bentley beobachtet, hruchtähren
kommen bei dieser Sorte seltener vor, sind aber eben so dicht mit
!) ’ApTupa, Gewürz.
Herba Cannabis.
521
sitzenden Früchtchen besetzt wie die mehr geraden Aehrchen der erst-
genannten Art.
Die käuflichen Matico-Blätter riechen schwach aromatisch nach Cubeben
oder Minze und schmecken angenehm oder ein wenig scharf bitterlich
und aromatisch, im Alter etwas terpenthinartig. Sie enthalten weder Piperin,
noch Cubebin, noch einen ähnlichen besonderen Stoff, den man bereits als
Maticin vorausgesetzt hatte , sondern als wirksame Bestandteile nur Harz
und ätherisches Oel neben Gerbstoff.
Ein spanischer Soldat, Matico,1) soll die blutstillende Wirkung dieser
Blätter zuerst durch Zufall an sich erprobt haben, daher auch die spani-
schen Bezeichnungen derselben: Yerba soldado oder palo (Baum) del sol-
dado. Die Erzählung klingt wenig glaubwürdig, da auch ganz andere
Pflanzen noch Matico heissen.
Piso erwähnte in seiner Naturgeschichte Brasiliens (1648) schon der
Heilkraft der Artanthe, ebenso zu Ende des XVII. Jahrhunderts Sloane.
Die kleinen Früchtchen der beiden angeführten Arten und wohl noch
anderer dienen im tropischen Amerika auch statt Pfeffer. Durch J effreys
in Liverpool wurden die arzneilichen Wirkungen der Blätter 1839 zuerst in
Europa bekannt, nachdem sie schon 1827 in Nordamerika Beachtung ge-
funden hatten.
Herba Cannabis.
Herba s. summitates Cannabis iudicae. Hanfkraut. Chanvre indien.
Indian hemp.
In Indien zeigt die bei Fructus Cannabis erwähnte Hanfpflauze Verschie-
denheiten, welche schon im XVII. Jahrhundert von Rumphius erkannt
wurden, so dass derselbe, wie auch in neuerer Zeit L am arck, sie zu einer
eigenen Art, Cannabis indica, erhoben. Nach dem letzteren bleibt sie
nämlich im Vaterlande niedriger, wird aber ästiger, die Blätter stehen auch
am unteren Theile des Stengels nicht einander gegenüber, der Bast ent-
wickelt sich nicht zu einer weichen spinnbaren Faser, sondern verholzt
mehr.
Diese äusseren Merkmale haben sich aber zu geringfügig erwiesen, um
Cannabis indica festzuhalten und sind durchaus nur klimatischen Einflüssen
zuzuschreiben. Sehr abweichend zeigt sich hingegen die chemische Be-
schaffenheit und die physiologische Wirkung der indischen Pflanze. Einen
etwas betäubenden Geruch verbreitet auch die in unseren Gegenden wach-
sende, und ihre Wirkungen scheinen im Grunde dieselben zu sein, äussern
sich aber 50 bis 60 mal schwächer als die des indischen Krautes.
Die Blätter des Hanfes bestehen am unteren und mittleren Theile des
ästigen Stengels aus 3 — 9 fingerig zusammengestellten schmal-lanzettlichen
x) Diminutiv des spanischen Mateo (Matthäus).
522
Blätter und Kräuter.
Theilblättchen, nach der Spitze des Stengels oder der Aeste hin nehmen sie
an Grösse ab und werden zuletzt gauz einfach. Von deu Theilblättchen des
gestielten zusammengesetzten Blattes ist das mittlere unpaarige grösser,
alle sind nach oben und gegen den Grund verschmälert, grob sägezähnig
und wie die meisten der kieselreichen Blätter der Urticaceen rauh anzu-
fühlen. Der Blattstiel ist von einem Paare kleiner Deckblättchen gestützt,
aus dem Blattwinkel erheben sich die lockeren Rispen der männlichen
Blüthen, oder bei den weiblichen Pflanzen die bei Fructus Cannabis bespro-
chenen, dicht gedrängten beblätterten Aehren der weiblichen Blüthen, jede
ausser der Scheide von einem Deckblatte gestützt. Jedes Paar ist überdies
noch mit einem gemeinschaftlichen Deckblatte versehen.
In Indien, besonders in Nepal, schwitzt vorzugsweise die weibliche
Pflanze in reichlicher Menge ein gelblich-grünes Harz aus, dort Churus oder
Tschers, auch wohl, in bester Sorte, Momeka genannt, das man abkratzt
oder in verschiedener Weise abstreift und in Kugeln formt. Es gelangt nicht
in den europäischen Handel, dient aber in Indien als Berauschungsmittel
und scheint der wirksamste Bestandtheil des Hanfes zu sein.
Der in Europa oder Nordamerika gezogenen Pflanze fehlt das Harz fast
ganz. Das Kraut der indischen, fast immer ausschliesslich der weiblichen,
kömmt in zwei Formen vor. Zu der einen werden vorherrschend nur die
Spitzen der blühenden oder im Beginne der Fruchtreife stehenden Aeste
oder ihre einzelnen Aehren genommen und von gröberen Stengeln befreit. Sie
erscheinen daher durch Pressung ziemlich kurz gebrochen. Die Deckblätter
zeigen zahlreiche bräunliche Harzdrüsen. Diese, wie es scheint, meist in
den Niederungen Indiens, aber auch um Herat gesammelte Sorte heisst
Bang oder Guaza, auch Subdschi, und wird jetzt hauptsächlich nach
Europa gebracht, z. B. auch von der englischen Pharmacopoeia (1864)
verlangt.
Eine zweite Sorte, aus oft lm langen holzigen Stengeln und Aesteu be-
stehend, heisst Gunjah oder Ganjika und wird in Bündeln von gewöhn-
lich 24 Stück aus Calcutta ausgeführt. Sie ist von den grösseren Blättern
befreit, so dass an den starken Stengeln (Blüthenschwänzen) fast nur die
Deckblätter und Blüthen oder halbreifen Früchte in gedrängten , grünlich
braunen Aehren übrig bleiben , welche durch Harz dicht verklebt und von
kräftigem narkotischem Gerüche sind. Diese höher geschätzte Sorte scheint
in den Gebirgsläudern Nordindiens gewounen zu werden, nach anderen
auch im mittleren Bengalen, um Patna, jedoch trotz ihres Harzreichthums
seltener nach Europa zu gelangen.
Fast in der ganzen mohammedanischen Welt, so wie bei den Hindus
und auch in West- und Südafrika dient das Hanfkraut als narkotisches
Genussmittel, so dass es allgemein mit dem arabischen Ausdrucke Ha-
schisch bezeichnet wird, der in seiner ausgedehntesten Bedeutung nichts
anderes heisst als unser „Kraut.“ Meist werden jedoch unter jenem Namen
Präparate des Hanfes , oft mit manigfaltigen Zusätzen, verstanden, welche
Herba Cannabis.
523
theils ohne weiteres in Substanz oder auch als Aufguss genossen, theils nur
geraucht werden. In Algerien z. B. kocht man das scharf getrocknete Pulver
der Spitzen weiblicher Pflanzen mit Honig zu einer Latwerge, welcher Ge-
würze zugesetzt werden oder die man auch dem Backwerke oder verschie-
denen Süssigkeiten aus Datteln, Feigen, Weinbeeren u. s. f. beimischt. In
der Türkei und in Aegypten formt man aus dem gepulverten Kraute mit
Hülfe von Gummi oder Zucker feste Massen von grünlicher Farbe, die noch
in hohem Grade den specifischen Geruch und bitteren Geschmack des Hanfes
behalten.
Zum Rauchen wird häufig Tabak, in Algerien auch die Blätter eines
muthmasslichen Hyoscyamus beigemischt.
Eine der gebräuchlichsten Zubereitungen besteht darin, dass dasfiische
Kraut mit Butter ausgekocht wird , welche das Harz aufnimmt und sich
grünlich färbt. Durch Zusatz von Campher, Ambra, Moschus, Gantliariden,
selbst Opium, oder aber von milderen Stoffen wie Zucker, Pistacien, Man-
deln und ätherischen Oelen und schön färbenden Stoffen werden zu beson-
deren Zwecken eine grosse Menge von Präparaten erhalten, welche meist
sehr lauge wirksam bleiben können.
Für einen sehr grossen Theil der Menschheit ist daher der Hanl in den
verschiedensten Formen ein Aequivalent des Opiums, der Coca oder des
Alkohols, vor allen aber ausgezeichnet durch unmittelbare, doch höchst
unregelmässige Wirkung auf die Gehirn thätigkeiten , zumal auf das V or-
stellungsvermögen und auf das Herz.
So bedauerlich auch bei anhaltendem Genüsse des Hanfes die Folgen
sind, so ist er doch nicht als tödtendes Gift1) anzusehen, sofern nicht die
häufig gefährlichen Zusätze ins Spiel kommen. Die betreffende Literatur
ist ausserdentlich umfangreich ; es möge hier das Urtheil nur eines genauen
Augenzeugen genügen, des österreichischen Konsuls v. Krem er,2) welcher
in der grossen Verbreitung des Haschisch -Rauchens den verderblichsten
Einfluss auf die unteren Volksklassen der orientalischen Städte gefunden
hat. Dieselben werden dadurch unbeschreiblich verthiert.
Interessante allseitige Schilderungen des indischen Hanfes und seines
Genusses enthalten die Kapitel Nepenthes und Gunja in dem Buche „The
seven sisters of sleep“ von Cooke.3)
Nach Stanislaus Julien waren die Hanfpräparate in sehr früher Zeit,
jedenfalls schon im III. Jahrhundert nach Christus, bei den Chinesen als
chirurgisches Betäubungsmittel gebräuchlich. Doch ist auffallend, dass sie
kein eigenes Wort für die Pflanze besitzen, sondern sie mit dem auf das
Sanskrit weisenden Ausdrucke Huang bezeichnen (vgl. bei Fruct. Cannabis).
fr Frösche erholten sich von bestem in Konstantinopel gekauftem Haschisch sowohl als
von hier bereitetem Extracte wieder (Valentin).
2) Aegypten. Forschungen über Land und Volk während eines 10jährigen Aufenthaltes.
Leipzig 1863.
3) London 1862. pg. 212 — 249.
524
Blätter und Kräuter.
Kenntniss und Gebrauch derselben haben sich wahrscheinlich langsam
durch Indien und Persien zu den Arabern verbreitet, bei welchen sie im
frühen Mittelalter auftauchte und der berüchtigten Sekte der Haschaschins
oder Assassinen (1090 — 1256) Namen und ein Hauptmittel zu ihren
Zwecken verlieh.
Sonuerat, in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, scheint
zuerst Haschisch nach Europa, wenigstens nach Frankreich, gebracht zu
haben. Napoleons Feldzug in Aegypten machte aufs neue darauf aufmerksam.
Den Griechen und Römern scheinen nur die technischen Eigenschaften
des Hanfes bekannt gewesen zu sein, doch wollen manche das homerische
sorgenbrechende Nepenthes von Hanf (andere von Mohn) ableiten.
Das Harz, wovon die Gunjah 6 — 7 pC. gibt, scheint nach Procter
aus Terpenthinöl zu krystallisiren , ist jedoch nicht näher untersucht. Es
besitzt in hohem Grade den Geruch des Krautes , löst sich in den gewöhn-
lichen Lösungsmitteln der Harze, ist gegen Alkalien indifferent und schmilzt
unter 50° C. Man hat es als Cannabin oder Haschischin bezeichnet,
doch steht nicht fest, dass es das (allein) wirksame Princip des Hanfes ist.
Da das nur im indischen Kraute reichlich vorhandene Harz in Alkalien
unlöslich ist, so sind Extracte aus anderem Kraute daran kenntlich, dass
sie sich klar in Alkalien zu lösen vermögen.
Durch Destillation mit Wasser erhielt Personne (1857) neben Ammo-
niak ätherisches Oel, das er in flüssiges, bei 235 — 240° siedendes C anna-
ben G18H2u und krystallisirenden Cannaben-Wasserstoff G18H42
trennte. Ersteres zeigt heftige physiologische Wirkungen, obwohl von ge-
ringerer Energie als die des Harzes, das letztere riecht schwach nach Hanf.
Auch Bohlig hatte ähnliche Wirkungen an dem Oele bemerkt und
davon 0,3 pC. aus frischem, eben verblühtem Kraute erhalten. Nach Per-
sonne verdankt jenes Harz Cannabin seine Wirkungen nur einem Gehalte
an ätherischem Oele. Lefort gibt dem letzteren die Formel G11 H-2G2 nud
auch G. Martius (1855) hat es sauerstoffhaltig, aromatisch, aber ohne
besondere physiologische Wirkung befunden.1) Derselbe erhielt aus dem
Extracte auch Salmiak, Salpeter, Zuckör und Gummi. In einer bei 100° C.
getrockneten Probe des Krautes von der Sorte Bang fand er 18 pC. Asche,
worin Kieselsäure, dann Kalk, Kali und Magnesia, zum Theil als Phosphate,
vorherrschten.
Aus den Stengeln des gewöhnlichen Hanfes erhielt Kaue 4,5, aus den
Blättern 22 pC. Asche.
1) Das Mittel der Formeln von Cannaben und Cannabeuwasserstoff kann nahezu durch
die Formel des Tcrpcntliinöles G,0Hlh ausgedrückt werden; zieht man von der Formel Le-
fort’s Wasser H4G2 ab, so entspricht der Rest auch beinahe dem Kohlenwasserstoffe
G10H16.
Herba Chenopodii ambrosioidis.
525
Herba Chenopodii ambrosioidis.
Herba Botryos mexicanae. Jesuiten-Thee. Mexikanisches Traubenkraut.
Ambrosie. The du Mexique. Mexican goosefoot.
Chenopödium ambrosioides L. — Chenopodieae.
Syn.: Ambrina ambrosioides Spach.
Dieses einjährige bis 2 Fuss hohe Kraut war ursprünglich in Südame-
rika, Westindien und Mexiko einheimisch. Caspar Bau hin zog die
Pflanze 1619 zuerst aus mexikanischen Samen; nach andern sollen die
Jesuiten sie auch eingeführt haben. Jetzt ist sie unkrautartig über die mei-
sten wärmeren und gemässigten Länder, stellenweise in grosser Menge ver-
breitet, auch da und dort in Süd-Deutschland verwildert. Es haben daher
verinuthlich mehrere Naturalisationen stattgefunden.
Der schwach flaumige drüsige und gefurchte Stengel ist nach oben py-
ramidal verästelt; die schlanken Aeste schlaff abstehend, zu oberst mehr
aufrecht, reichlich mit lauzettlichen , bis gegen 0,04ra langen Blättchen be-
setzt und in den Winkeln derselben die sehr zahlreichen unscheinbaren
grünlichen Blüthenknäuelchen tragend, welche fast den ganzen Sommer
blühen. Die blüthenstützenden Blätter sind ganzrandig oder ein wenig ge-
schweift, stumpflich bespitzt, allmälig in einen kurzen Stiel verschmälert.
Bedeutend grösser, spitzer und fast buchtig gezahnt sind die Stengelblätter
am Grunde der Aeste; ihre Länge übertrifft meist die der Stengelglieder.
Sämmtliche Blätter sind von sehr dauerhaftem glänzendem Grün, unterseits
mit kleiuen gelblichen Drüschen versehen, kahl oder in der Jugend nur
wenig flaumig.
Dem Kraute ist ein besonderer kampherartiger Geruch und Geschmack,
auch lange Zeit nach trockener Aufbewahrung, eigen.
Es gibt V3 (Bley) bis 1,1 pC. (Becker) ätherisches Oel, dessen Ge-
ruch an Pfefferminze erinnert. Hirzel bestimmte sein spec. Gewicht zu
0,902, den Siedepunkt zwischen 179° und 181°, wonach es wahrscheinlich
wird, dass es zu den Terebenen gehöre. Es löst sich schon in 30 Theile
Wasser.
Im übrigen scheint die Pflanze reich an Salzen zu sein.
Chenopödium Botrys L., in Südeuropa und Mittelasien, auch noch in
wärmeren Gegenden Oesterreichs und der Schweiz einheimisch, sieht der
obigen Art ähnlich, ist aber weniger ästig und mit klebrig drüsigen und
tief buchtigen, fast fiederspaltigen Blättern versehen, welche mit Ausnahme
der oberen lang gestielt sind. Das ätherische Oel dieser Pflanze riecht
feiner, ist jedoch wenig beständig, daher das trockene Kraut bald geruch-
los wird.
Chenopodium Schraderianum Römer u. Schultes, eine ebenfalls
sehr aromatische Art, die häufig unter dem Namen Ch. ambrosioides ge-
zogen wird und vermuthlich aus Nordafrika stammt, ist bei weitem kräf-
526
Blätter und Kräuter.
tiger, bis über lm hoch, meist mir wenig ästig. Die Blüthenstände der un-
teren Blattwinkel stellen zuletzt ansehnliche reich verzweigte Rispen dar;
die Blätter, auch die der endständigen Blütheuähren, sind sämintlich tief f
buchtig getheilt.
Folia Lauri.
Lorbeerblätter. Feuilles de Laurier. Laurel leaves.
Die immergrünen lederartigen Blätter des Laurus nobilis (siehe Fructus
Lauri) sind länglich, bis über 0,1 0m lang und 0,05m breit, mehr oder we-
niger stumpflich zugespitzt, kurz gestielt, mit ganzem, ungesägtem, aber ■
wellig krausem gelblichem und etwas verdicktem Rande. Eine starke gelb-
liche , auf beiden Flächen hervortretende Mittelrippe und ziemlich derbe •
Seitennerven durchziehen das ausserdem fein geaderte, glatte und ganz
kahle Blatt, dessen Parenchym helle Oelräume durchscheinen lässt. Geruch
und Geschmack den Lorbeeren ähnlich.
Folia Aurantii.
Pomeranzenblätter. Feuilles d’oranger. Orange leaves.
Die lederigen immergrünen Blätter des bei Aurantia immatura erwähn-
ten Pomerauzenbauraes, entweder bei uns gezogen oder aus Südeuropa.
Die Blätter stehen zerstreut und einzeln auf einem ungefähr 0,02m lan-
gen gegliedert eingelenkteu und daher leicht abfallenden Stiele , welcher
beiderseits gerundete, fast den Blattgrund berührende blügel trägt, die als ■
unentwickelte Fiedern des eigentlich der Anlage nach zusammengesetzten i
Blattes zu betrachten sind. Die Blätter, von spitz eiförmigem Umrisse, sind 1
bis über 0,1 0m lang und ungefähr halb so breit, fast unmerklich entfernt
gekerbt. Auf jeder Blatthälfte gehen von der besonders unterseits stark
hervortretenden Mittelrippe unter etwa 50° gegen zehn anfangs gerade
Nerven ab, welche sich weiterhin verzweigen und dem Blattrande an-
schmiegen. i*
Trocken sind die Blätter oberseits (oft fleckig) dunkelgrün und ziemlich i
eben , unterseits graugrün und durch ein krummliniges Maschenwerk zwi- -
sehen den Nerven unregelmässig geadert. Im durchfallenden Lichte scheinen
die kleinen, bis gegen 200 Mikrom. erreichenden, im Parenchym des Blattes
liegenden zahlreichen Oeldrüsen1) als hellere Pünktchen durch. Sie sind
wie die meisten derartigen Organe ölreicher Blätter von kleinen mit Chloro-
phyll gefüllten Zellen umgeben. Unter der Oberhaut finden sich sehr zahl-
reiche ähnliche Oxalatkrystalle wie in Aurantia immatura in einzelnen der
im übrigen Chlorophyll führenden Zellen.
1) abgebildct bei Oudcmans, A&nteekeningen Taf. CC Fig. 124.
Folia Juglandis.
527
Auch nach dem Trocknen behalten die Blätter noch einen Theil ihres
feinen Wohlgeruches. Sie schmecken unbedeutend aromatisch, kaum merk-
i lieh adstringirend , etwas bitterlich. Das ätherische Oel, nach Raybaud
etwa V3 pC. der frischen Blätter betragend, ist noch nicht näher unter-
sucht. — Eisenchlorid gibt mit dem wässerigen Auszuge nur eine dunkel-
braune Färbung, aber keinen Niederschlag.
Die sehr ähnlichen Blätter mancher der zahlreichen verwandten Arten
i unterscheiden sich durch den kürzeren und nicht oder nur sehr schmal ge-
flügelten Blattstiel, so wie durch geringeren , namentlich wenig oder gar
nicht bitteren Geschmack. Den käuflichen Blättern fehlen aber oft die
Blattstiele.
Folia Juglandis.
Walnussblätter1). Feuilles de noyer. Walnut-tree leaves.
Juglans regia L. — Juglandeae.
Der Nussbaum ist in Vorderasien, von den kaukasischen Ländern bis
Nordindien, vom Libanon bis Südpersien, ganz vorzüglich auch in Kasch-
mir einheimisch und schon seit sehr langer Zeit durch Europa verbreitet.
Noch unter dem 61. Breitengrade reift er in Norwegen seine Früchte.
Der starke, bis 0,30'n lange Blattstiel trägt ein bis vier, am gewöhnlich-
sten drei Paare nicht genau gegenüber stehender eiförmiger Blätter mit
meist kurz aufgesetzter Spitze. Das gegen 0,20m in der Länge und 0,1 0m
in dei Breite erreichende Endblatt iibertriftt au Grösse häufig die nächsten
seitlichen Theilblätter und letztere sind immer grösser als die tiefer stehen-
den. Sämmtliche Theilblättchen sind ganzrandig, nur sehr schwach ge-
schweift, am Grunde ungleichhälftig, uur das Eudblatt langgestielt. Beim
Trocknen werden die Blätter sehr leicht schwarz. Frisch riechen sie eigen-
tümlich und nicht unangenehm balsamisch, weniger mehr nach dem Trock-
nen. Der Geschmack ist etwas aromatisch und anhaltend kratzend.
Jüngeie Blätter sind unterseits, zumal längs der Nerven, mit weichen
Gliederhaaren besetzt und mit ansehnlichen hellgelben Dräschen bestreut,
welche (ähnlich wie Glandulae Lupuli) aus einer äusseren, zarten und einer
inneren straffen Hälfte bestehen und eine ungestielte abgeplattete Kugel
| darstellen. Später verlieren sich die Haare und die Drüsen mehr und mehr,
Das Parenchym der Blätter zeigt in reichlicher Menge Oxalatdrusen.
Eisenchlorid färbt den Querschnitt tief dunkelgrün. Der gelbgrüne Saft
1 frischer Blätter wird durch Ammoniak nicht violett, sondern braun, scheint
also das in den unreifen Früchten (1858) von Vogel und Reischauer
gefundene Nucin nicht zu enthalten.
*) walch, welsch so viel als fremd.
52$
Blätter und Kräuter.
Folia Bucco.
Folia Buccu s. Buchu s. Diosmae. Bucco-Blätter. Barosma-Blätter.
Feuilles de bucco. Buchu.
1. Barosma crenulata Hooker. — Diosmeae.
2. B. crenata Kunze.
3. B. betuliua Bartling.
4. B. scrratifolia Willd.
Pjese und noch andere Barosmen sind ästige, lm hohe Sträucher oder
kleine Bäumchen des Caplandes, ausgezeichnet durch meist gegenständige
lederige Blätter, welche au dem gezähnten, gesägten oder gekerbten, übri-
gens ungetheilten Rande sowohl als im Gewebe der Blattfläche selbst an-
sehnliche Drüsen tragen. Die letzteren sind kleiner und treten auf der un-
teren Blattfläche deutlicher zu Tage. Auch die jüngeren Zweige und die
Blüthentheile sind noch mit Drüsen versehen. Alle führen ein eigenthüm-
lich und sehr stark riechendes ätherisches Gel1)- Durch die meist fünf-
zähligen, gewöhnlich einzeln aus den Blattwinkeln hervortretenden Blüthen
von weisser Farbe und ansehnlicher Grösse erhalten die Buccosträueher
ein sehr hübsches Aussehen.
Den käuflichen Blättern findet man häufig, ausser den vierkantigen jün-
geren Zweigspitzen und den Blüthen auch Früchtchen beigemengt. Sie
sind aus meist 5 aufrechten, an der inneren Naht verwachsenen Karpellen
gebildet, welche sich zuletzt trennen , an jener Bruchnaht aufreissen und
eine gelbe (durch Fehlschlagen) eiusamige Steinschale entblössen, die
schliesslich auch in 2 Klappen aufspringt.
Hauptsächlich von den vier oben genannten, weniger häufig, aber auch
noch von einigen anderen Arten werden die Blätter ohne Unterschied ge-
sammelt und je nach dem Vorherrschen der einen oder andern Blattform
als breite oder lange Buccoblätter bezeichnet. Die letzteren, vielleicht
im ganzen etwas weniger im Hautlei verbreitet, pflegen vorherrschend der
bei Zwellendam häufigen B. serratifolia auzugehören. Ihre spitz lanzett-
lichen Blätter sind am häufigsten ungefähr 0,04’" laug und in der Mitte
etwa 4 bis 6 Millim. breit, an der Spitze gestumpft und mit einer Drüse
versehen. Die Blattränder sind sehr genähert, schief sägezähnig; in dem
etwas spitzen Winkel sitzt jeweileu eine Oeldrüse. Das Blatt ist von einem
starken Mittelnerv und 2 bis 4 schwächeren Seitenuerven durchzogen.
Nicht so oft finden sich den langen Buccoblättern auch die des Em-
pleurum serrulatum Aitou aus derselben Familie beigemischt. Dieser
Strauch unterscheidet sich mehr durch blumenblattlose braunrotbe Blü-
then und einfache sichel- oder fast schötchenförmige Frucht von Ba-
rosma, als durch die Blättchen, welche noch schmäler und spitzer sind als
die der B. serratifolia. Ganz besonders ist dies der Fall bei der \arietät
l) worauf sich der Gattungsname bezieht: ßapu; schwer, ospv, Geruch.
Folia Bucco.
529
Empleurum serrulatum ß) ancjustissimum , wo sogar die Sägezähne fast
verschwinden, an denen sonst Empleurum sehr leicht kenntlich ist. Die-
selben setzen nämlich rechtwinkelig ein, das oberste Paar ist ziemlich abge-
rundet und lässt die drüsenlose und nicht gestumpfte Spitze des Blattes
lang hervortreten.
In den mir zu Gebote stehenden Proben von Buccoblättern, die dem
gegenwärtigen Verkehr entnommen sind, ist Empleurum nicht vertreten
und fehlt auch z. B. unter den von British Pliarm. aufgeführten Stamm-
pflanzen.
Eine breite Sorte der Buccoblätter stammt vorzüglich von der
zuerst genannten Art, auch wohl von der wenig verschiedenen zweiten.
Dazu gesellen sich noch in der am meisten vorkommenden und wohl-
feilsten dritten Sorte die Blätter der B. betulina. Sehr oft herrschen die
letzteren bei weitem vor; sie sind leicht kenntlich an ihrem verkehrt eiför-
migen, bis etwa 0,0 15m breiten und oft nicht viel längeren Umrisse. Die
breite kurze Spitze schlägt sich gewöhnlich zurück, wodurch das Blatt
ein eigentkiimliches Aussehen gewinnt. Der dickliche Rand ist scharf und
dicht gezähnt, indem neben den mehr hervorragenden stärkeren Spitzen
auch noch kleinere Zähne auftreten. Zwischen denselben findet sich immer
eine sehr ansehnliche Drüse.
Bei Barosma creuulata und creuata sind die Blätter eiförmig, aber doch
entschieden länger als breit, bei beiden Arten übrigens in dieser Beziehung
etwas variirend, bald schmäler, bald breiter.
Die Blätter von B. crenulata, durchschnittlich 0,03m lang, bei fast 0,0 lm
Breite, sind nicht nur gestumpft, sondern vorn oft gerundet, die Ränder
sehr seicht und häufig etwas entfernt gesägt, die Drüsen am Grunde der
Sägezähne meist so gross wie diese selbst.
Die verhältnissmässig noch etwas breiteren Blätter der B. crenata sind
sauft gekerbt, übrigens den vorhergehenden am ähnlichsten.
Berg hat in der „Darstellung und Beschreibung der officinellen Gewächse “
die Buccoblätter in vorzüglicher Weise charakterisirt. Hierauf muss nament-
lich auch in Betreff der zahlreichen Synonyme der Stammpflanzen ver-
wiesen werden.
Die Buccoblätter sind von durchdringendem, sehr haltbarem Rauten-
geruche und von bitterlichem aromatischem Geschmacke. Chemische Unter-
schiede der einzelnen Sorten sind nicht bekannt. Sie geben etwa 1 pC.
ätherisches Oel, das nicht näher untersucht ist. Bedford erhielt aus
B. serratifolia 0,66 pC., aus kurzen Blättern (B. betulina?) 1,2 pC. im Mittel,
andere aber sehr viel weniger. Die Existenz eines eigenthümlichen Stoffes,
den man bereits Diosmin genannt hat, ist erst. noch zu erweisen. Er stellt
sich vielleicht als Quercitrin oder Rutin (vergl. bei Folia Rutae) heraus.
Im Caplande sind die Buccoblätter bei den Eingeborenen längst ge-
bräuchlich gewesen. Die Hottentotten bereiten aus dem Pulver derselben
und anderer aromatischer Pflanzen, das sie Bucco nennen, mit Fett eine
Fliickiger, Pharmakognosie, 34.
530
Blätter und Kräuter.
Hautsalbe. Englische Aerzte, vorzüglich Reecc, verwendeten seit 1823
die Blätter als Heilmittel, so dass schon 1824 davon 30,000 Pfund ausge-
führt wurden. In Deutschland wurden sie seit 1825 zuerst durch Jobst
verbreitet, sind aber jetzt wenig mehr gebräuchlich.
Folia Rutae.
Herba Rutae hortensis.1) Rautenblätter. Gartenraute. Weinraute. Feuilles
de rue. Rue leaves.
Ruta graveolens L. — Rutaceae.
Halbstrauch trockener Stellen der Mittelraeerländer, welcher seit langer
Zeit auch in Mitteleuropa und England, aber kaum mehr in Skandinavien
in Gärten gezogen wird.
Die bis 1“ hohen verholzten, an der Spitze absterbenden Stämmchen
sind oben ästig und mit aufrechten krautigen walzenrunden Zweigen besetzt,
welche zwar im Spätjahre oben absterben, aber schon die unentwickelten
nächstjährigen Triebe aufweisen.
Die unteren Blätter sind langgestielt, im Umrisse ziemlich breit drei-
eckig und gegen 0,1 0m lang, entfernt doppelt fiedertheilig oder, durch noch-
malige Theilung der Fieder zweiter Ordnung, stellenweise dreifach gefiedert.
Die bis ungefähr 0,02m langen Lappen von spatelförmiger oder verkehrt
eirunder Gestalt sind am Rande sanft und weitläufig gekerbt, vorn breit
gerundet, ein wenig ausgeschnitten oder seltener sehr kurz und stumpf ge-
spitzt. Das Endstück des Blattes und auch wohl das der Fiedern erscheint
durch Zusammenfliessen zweier oder dreier Läppchen regelmässig grösser
und breiter. Es entsteht hierdurch im ganzen eine ziemlich veränderliche
Theilung des Blattes, welche in der Kultur noch mehr wechseln kann. Die
oberen Blätter sind kürzer gestielt, nur einfach gefiedert, zuletzt als Deck-
blättchen in den Verzweigungen der endständigen Trugdoldentraube auf
ein einziges, verkehrt eiförmiges, in den Stiel verschmälertes Blättchen be-
schränkt, das gewöhnlich deutlicher gekerbt ist, als die I iederläppchen der
zusammengesetzten Blätter.
Die Blätter sind von dicklicher, fast lederartiger Beschaffenheit, auch
im Winter nur allmälig absterbend.
Sämmtlichen krautigen Theilen der frischen Pflanze ist eine meergrüne,
beim Trocknen in dunkelgrün übergehende Farbe eigen. Sie sind kahl, in
ihrem Parenchym mit ansehnlichen Oelräumen versehen, welche die Blätter
durchscheinend punktirt erscheinen lassen.
Der Geruch der Raute ist sehr stark eigenthümlich , nicht eben ange-
nehm, der Geschmack aromatisch und bitterlich. Nach Berg erinnert die
Wurzel im Gerüche an Pimpiuella.
1) Gegensatz zn Peganum Harmala L., welche Ruta sylvestris hiess.
Folia Rutae.
531
Die Blätter geben (trocken) im Durchschnitte auffallender Weise nicht
über aA pC. ätherisches Oel ; je nach Standort und Vegetation szeit oft
viel weniger. Doch liefert selbst südfranzösisches Kraut zur Blüthezeit nach
Raybaud nicht bedeutend grössere Ausbeute, die Früchte dagegen beinahe
1 pC. Das Oel vermag gefährliche irritirende und subnarkotische Veigiftungs-
erscheinungen , z. B. beim Einsammeln grösserer Mengen des Krautes,
hervorzurufen.
Es ist grünlich - gelb , nach Geiss (1861) bei 22,5 noch flüssig,
wenn es vor der Blüthezeit destillirt wird, während aus blühendem Kiaute
erhaltenes bei — 20° erstarrte. Das Oel reifer Früchte krystallisirte bei
- — 2,5° und schmolz bei -+- 7,5°.
Das Rautenöl ist ein Gemenge von wenig mit Terpenthinöl isomerem
Kohlenwasserstoffe mit sauerstoffhaltigen Oelen, aus welchen sich in ziem-
licher Menge die nachWilliams bei 213°, nach Harbordt bei 228°C.
siedende Verbindung GUH22E> durch fraktionirte Destillation oder durch
Schütteln mit alkalischen Bisulfiten gewinnen lässt. Williams hatte sie
als Enodylaldehyd bezeichnet, Harbordt zeigte, dass sie durch Oxydation
nur Säuren von geringerem Kohlenstoffgehalte (Caprin- und Caprylsäure
u. s. f.) liefert, daher nicht zu den Aldehyden gehört, sondern als Methyl-
G10H19] . o
caprinol^, jj3 j El zu betrachten ist. Von dieser bei 7 krystalli-
sirenden Verbindung hängt wohl der Erstarrungspunkt des rohen Oeles ab.
Ausser derselben kömmt darin auch ein dem Borneol (vergl. bei Camphora)
isomerer, wenn nicht damit identischer Körper vor. Das Methylcaprinol
riecht mehr nach Früchten als nach Raute.
Weiss hatte 1842 aus der Raute das in hellgelben Nadeln krystallisir-
bare Rutin dargestellt, Bornträger dasselbe als Rutinsäure näher
untersucht und Hlasiwetz (1855) es als gepaarte Verbindung von Quer-
cetin und Zucker erkannt. Zwenger u. Dronke (1862) bewiesen, dass
das Rutin G25H28015 + 2H2E1 (bei 100° C.) dennoch nicht identisch mit
Quercitrin ist und durch verdünnte Säuren in Quercetin O13H10-O-6 und un-
krystallisirbareu Rutinzucker G12H18G9 gespalten wird. Letzterer wurde
fast farblos erhalten, optisch unwirksam und nicht gährungsfähig befunden.
Salpetersäure gibt damit nur Oxalsäure, alkalisches Kupfertartrat wird da-
durch schon in der Kälte reducirt. Leichter als aus der Raute, lässt sich
das Rutin aus den sogenannten Cappern, den Bliithenknospen von Capparis
spinosa L. , so wie aus den sogenannten chinesischen Gelbbeeren in Kör-
nern1) gewinnen. In der Raute ist es nämlich nach Zwenger u. Dronke
von schwer trennbarem Harze, so wie von einem eben so hartnäckig anhaf-
tenden, dem Cumarin (vgl. bei Herba Meliloti) höchst ähnlichen Körper
begleitet.
D auch Waifa geheissen. Es sind die Bliithenknospen von Sophora japonica L.
(Papilionaceae).
34*
532
Blätter und Kräuter.
Das Rutin scheint übrigens im Pflanzenreiche noch weiter vorzukommen,
bisher aber oft mit Quercitrin verwechselt zu sein, womit es allerdings
grosse Aehnlichkeit besitzt.
Die weit verbreitete Aepfelsäure fehlt auch in der Raute nicht.
Die Schärfe der Raute, auch ihre abortive Wirkung, war schon den
Alten bekannt; doch diente das Kraut auch als Gewürz. Zum Anbau des-
selben in Mitteleuropa gab Karl der Grosse Befehl.
Noch schärfer scheint die südeuropäische, durch fein lineal zerschlitzte
Blätter verschiedene Ruta montana L. zu sein.
Herba Meliloti.
Steinklee. Melilot.
Melilötus officinalis Persoon. — Papilionaceae.
Mannshohe schlanke Staude, durch den grössten Theil Europas und
Mittelasiens bis Persien einheimisch. Die von unten an ausgebreitet ästigen
Stengel erscheinen aus der zweijährigen Wurzel in grösserer Zahl erst zu
Anfang des zweiten Jahres. Sie sind kantig, holzig, innen hohl, mit nicht
sehr zahlreichen zerstreuten, dreizählig zusammengesetzten Blättern ver-
sehen. Dieselben werden von einem ziemlich langen Stiele getragen ; auch
das oft nur wenig grössere Endblättchen ist noch gestielt, die Seitenblättchen
beinahe sitzend. Alle sind gestutzt lanzettlich, das mittlere oft etwas breiter
eiförmig, sämmtliche spitz gezähnt, 0,02m — 0,04m lang. Die Blättchen
sind kahl, höchstens unterseits, längs der Mittelrippe, da und dort mit Här-
chen besetzt, welche am Stiele reichlicher Vorkommen. Weit kleiner sind
die pfriemförmigen Nebenblättchen.
Die sehr reichblüthigen zahlreichen Bliithentrauben, welche sammt dem
Kraute gesammelt werden, tragen kleine, einseitig herabhängende, schön
gelbe Blüthen vom gewöhnlichen Bau der Kleebliithe und umgekehrt, eiför-
mige bespitzte, bei der Reife schwarzbraune Früchtchen. Ihre wenig ge-
wölbten Flächen sind netzig grubig, nicht sehr dicht behaart.
Vor anderen verwandten Arten ist die obige durch den besonders nach
dem Trocknen kräftig hervortretenden und sehr beständigen Wohlgeruch1)
ausgezeichnet. Das Kraut schmeckt unbedeutend bitterlich und salzig.
Mitunter zeigen sich an länger aufbewahrtem Kraute farblose harte
Krystallprismen jenes Riechstoffes, der als Cumarin zuerst von Guibourt
und Guillemette in den Samen von Dipterix odorata Vi illd. (Couma-
rouna odorata Aublet) , einer baumartigen Papilionacee Guyanas , erkannt
wurde. Das Cumarin dieser sogenannten Toncobolmen wurde nach und
nach in einer ganzen Reihe anderer Pflanzen der verschiedensten Familien
aufgefunden. In sehr reichlicher Menge finden sich z. B. Cumarinkrystalle am
Stengel der nordamerikanischen Liatris odoratiesima Willd. (Compositae-
Eupatorieae).
J) daher die Erinnerung an Honig,
Crocus.
533
Die Untersuchungen von Zwenger, Dronke u. Bodenbender
(1862 — 1863) haben jedoch bewiesen, dass das Cumarin verschiedener
Pflanzen durchaus nicht identisch ist und sich namentlich schon durch den
Schmelzpunkt sehr unterscheidet. Für den bisher als Cumarin bezeichneten
Stoff der Melilotus fanden sie denselben unter Umständen zwischen 98° und
200° C. schwankend. Aus altem käuflichem Steinklee wurden noch Ya pro
Mille Krystalle erhalten, welche die Zusammensensetzung 01KH1605 zeig-
ten. Durch Ammoniak, theilweise auch durch Bleiessig werden sie getrennt
in Cumarin 09H6Q2 und Melilotsäure (Hydrocumarsäure) O9H1O-0A
Erst dieses aus seiner salzartigen Verbindung abgeschiedene Cumarin ist
wirklich identisch mit dem der Toncosamen. Freies Cumarin ist wie es
scheint im Steinklee nicht vorhanden und vermuthlich eben so wenig in
den meisten der übrigen als Cumarin gebend bekannten Pflanzen (vergl.
bei Folia Rutae).
Die physiologischen Wirkungen des Cumarins scheinen nach einigen
Angaben nicht ganz unbedenklich zu sein.
Der von den Alten benutzte Melilotus war vermuthlich eine andere Art
als unser Steinklee.
Y. Blttthen.
A. Blüthentheile.
Crocus.
Crocum. Stigmata Croci. Crocus orientalis. Safran. Safran. Saffron.
Crocus sativus L. — Irideae.
Syn.i Crocus officinalis Persoon.
Der Safran wächst in Vorderasien, auch in Griechenland (Attika, Syros,
Tenos) wild und wird angebaut in Kaschmir, Persien (Herat, Najin in Cho-
rassan, Hamadan, Baku), im südlichsten Arabien und gegenüber in Nord-
ost-Afrika (Härrär) , bei Manisa (Magnesia) in Klein-Asien , so wie in den
wärmeren Gegenden Europas , z. B. Macedonien, Italien, Spanien. Sogar
in Oesterreich, im südlichen England, zu beschränktem lokalem Gebrauche,
auch stellenweise in Deutschland und der Schweiz. Das Hauptproduktions-
land für uns dürfte aber gegenwärtig die Landschaft Gätinais bei Orleans
(Arrondissement Pithiviers) im französischen Loiret-Departement sein, deren
sehr geschätzte und weit verbreitete Sorte die orientalische bei uns ver-
drängt hat. Auch bei Avignon und in der Normandie wird Safran gebaut.
Der spanische Safran aus Valencia erreicht die Schönheit des französischen,
der aus Alicante dagegen steht zurück.
Die Safranblüthe hat einen langen , unten farblosen , nach oben gelben
Griffel, welcher sich in drei bis 0,030"' lange röhrige, am obern Rande er-
weiterte verdickte und gezähnte, an der inneren Seite aufgeschlitzte Narben
534
Blüthcn.
von tief gelbrother1) Farbe theilt. Die Blumen werden im Herbste ge-
sammelt, die Narben schnell herausgelesen und in gelinder Wärme getrock-
net. Zu 100 Gramm frischer Waare fand Marquart in Bonn 2000,
zu eben so viel lufttrockener 'Waare 12000 Blüthen erforderlich. Da übri-
gens die Pflanze nur 1 oder 2 Blüthen treibt und sehr häufig durch klima-
tische Einflüsse leidet2), so ist der hohe Preis der Waare (um 150 Franken
das Kilogr.) gerechtfertigt.
Je weniger Griffel mit eingemengt sind, desto dunkler gefärbt und desto
werthvoller ist der Safran, wie namentlich der bei Wien, St. Pölten, Melk
in Oesterreich gebaute; schon das untere Ende der Narbe ist etwas blasser.
Der käufliche Safran ist ein loses Haufwerk einzelner oder noch zu drei
am oberen gelben Griffelende sitzender Fäden, welche sich fettig anfühlen,
zähe und biegsam sind. Farbe gesättigt braunroth, Geruch eigentümlich
gewürzhaft, etwas betäubend , Geschmack bitter und etwas scharf. — Das
Gewebe besteht aus sehr dünnen hin und her gebogenen zarten , dicht ver-
filzten fadenförmigen Zellen und kleinen Spiralgefässen. Der gelbrothe Farb-
stoff durchdringt das Ganze und ist zum Theil in Körnern abgelagert;
ausserdem zeigt das Mikroskop Oeltropfen und Klümpchen , wahrscheinlich
eines Fettes, auch einzelne grosse Polleukörner fehlen nicht.
Der Safran ist hygroskopisch und schon deshalb nicht leicht zu pulvern;
gute Waare von gewöhnlicher Beschaffenheit verliert durch Trocknen bei
100° C. 12 pC. Feuchtigkeit, die sie bald wieder aufnimmt und deshalb in
geschlossenen Gefässen aufbewahrt werden muss.
Bestandtheile : der prachtvolle, in trockenem Zustande rothe amorphe
Farbstoff wurde als Polychroit, Safrangelb oder Safranin, zuletzt von Roch
leder als Crocin (vielleicht = O30H44Olti) bezeichnet. Concentrirte
Schwefelsäure färbt das Crocin wie den Orleanfarbstoff blau , dann violett,
Salpetersäure grün. Es löst sich mit gelbrother Farbe in Alkohol, WTasser
und Alkalien, sehr wenig in Aetlier. Das Färbungsvermögen des Crocins
ist so ausserordentlich kräftig, dass 1 Theil Safran 200,000 1 heilen W asser
eine auch in durchfallendem Lichte noch sichtbare gelbliche Färbung ver-
leiht. Verdünnte Säuren spalten das Crocin iuCrocetin und Traubenzucker;
durch Sauerstoff wird es leicht verändert.
Den Farbstoff und, wenigstens im frischen Zustande, auch eiuigermassen
das Aroma des Safrans besitzen die chinesischen Gelbschoteu, von Garde-
nia grandiflora Loureiro und G . florida L. (Rubiaceae). Den Geruch ver-
dankt der Safran einem gelben ätherischen Oele, welches zu etwa 1 pC. darin
vorkömmt3), schwerer als Wasser ist und darin in ein geruchloses Stea-
ropten übergeht. Ausserdem enthält der Safran Fett, Traubenzucker, eine
vielleicht eigenthiimliche ' Säure (Aepfelsäure) und liefert 8,9 pC. Asche
(Quadrat).
1) Kpöxo; griechisch = gelb; assfar, arabisch = gelb, roher Safran, Safärau persisch.
2) üeber Safrankultur siehe Gas parin, Cours d’agriculture. IV.
3) Nach Henry und nach Bouillon-Lagrange 7 bis 9 pC.!?
Crocus.
535
Unter dem Namen Feminell wurde früher in Nürnberg eine sehr ge-
ringe Sorte Safran meist aus den wenig gefärbten Griffeln und anderen Ab-
fällen hergestellt. Als mögliche Verwechslungen und Verfälschungen des
Safrans werden ausser den Staubfäden des Crocus sativus selbst verschie-
dene Blüthen von Compositen (Carthamus tinctorius, Calendula officiualis
u. s. f.), auch wohl die des Crocus vernus L. genannt. Sie würden sich alle
durch die von Safran angegebenen Merkmale unterscheiden lassen, zumal
beim Aufweichen. Dagegen liefern auch wohl Crocus odorus Biv. (C. sero-
tinus R. u. S) in Sicilien und Dalmatien, Cr. Pallasii Goldb. in Taurien, Cr.
susianus Ker. in Kleinasieu und andere, wenigstens lokal, zur Färberei
brauchbaren Safran.
Zu verwerfen ist aller Safran, der sich mit Wasser (Syrup) oder Oel
befeuchtet oder durch theilweises Auslaugen an Farbe und Geruch ge-
schwächt zeigt. Weit gröberen Verfälschungen ist die gevulverte Waare
ausgesetzt, die zum medicinischen Gebrauche nicht dem Handel entnommen
werden darf.
Schon seit den frühesten Zeiten, bereits in der ältesten indischen Medicin,
spielt der Safran als Heilmittel, Gewürz und Farbstoff eine bedeutende
Rolle in der Handelsgeschichte und wurde bei den Alten als „König der
Pflanzen“ hochgefeiert. Auch die Araber, z. B. Masudi im X. Jahrhun-
dert, stellten ihn unter die 5 hauptsächlichsten kostbaren Gewürze. Das
Mittelalter fahndete in Deutschland mit besonderer Strenge auf Safran-
fälschung. — Eine eigenthiimliche Vorliebe dafür hat sich in einzelnen
Gegenden in hohem Grade erhalten. Der kleine Bezirk des Berner Ober-
landes (Schweiz) z. B. verbraucht alljährlich für 12000 bis 30000 Franken
dieses völlig entbehrlichen Gewürzes.
Als Farbematerial wird der Safran kaum mehr benutzt; im Orient
höchstens noch bei den reichen Araberinnen zum Gelbfärben der Augen-
lider, Fingerspitzen und Zehen.
Nach den Berichten der arabischen Geographen, z. B. Istachri und
Edrisi, lässt sich die Cultur des Safrans in Persien (um Isfahan) bis in
die Mitte des X. Jahrh. zurück verfolgen, scheint aber jetzt unbedeutend zu
sein. Kaschmir erzeugte nach Hügel um 1840 noch gegen 5000 Kilogr.jähr-
lich, während heut zu Tage Europa ungefähr eben so viel nach Ostasien ausführt.
Durch die arabische Herrschaft in Spanien gelangte der Safranbau zu-
erst in die Gegend von Granada und von da vermuthlich nach Frankreich.
Im übrigen Europa wurde er wohl durch die Kreuzfahrer bekannt; in
Deutschland scheint im XV. und XVI. Jahrhundert die Safrankultur von
Belang gewesen zu sein.
Gatinois erntet jährlich ungefähr 15000 Kilogr. Safran, Arragonien
doppelt so viel. In neuester Zeit scheint in Frankreich eine Ausartung der
Pflanze diese Kultur zu bedrohen.
In Niederösterreich (bei Melk, Wagram, Meissau u. s. f.) wird etwa seit
1770 vorzüglicher Safran erzeugt, der jedoch nicht einmal für den inlän
dischen Bedarf ausreicht.
53«
Blüthen.
Flores Verbasei.
Wollblumen. Fleurs de raoleue, fleurs de bouillon-blanc ou de bonhorame.
1. Verbaseum thapsiförme Schräder. — Scrophulariaceae.
Syn.: V. Thapsus Meyer (non Linue).
2. Verbaseum pblomoides L.
3. Verbaseum Schraderi Meyer.
Syn.: V. Thapsus L. (nach Fries).
Die grossblumigen Arten der Wollkräuter siud durch den grössten Theil
Europas verbreitet; die erstgenannte namentlich vou Norddeutschland bis
Griechenland, die zweite mehr im mittleren und südlichen Gebiete. Die
dritte Art wächst durch fast ganz Europa, im Gebiete des schwarzen und
des caspischen Meeres, selbst in Südsibirien und in Nordamerika.
Diese stattlichen zweijährigen Kräuter zeigen Neigung zur Bastard-
bildung und sind überhaupt etwas veränderlich. Die schönen gelben , bei
uns im Spätsommer erscheinenden Blüthen, welche bei der ersten Art am
grössten sind, sitzen an dem im zweiten Jahre auswachseuden aufrechten
Stengel zu einer einfachen oder am Grunde ästigen, sehr dichten, mehr als
fusslangen Aehre (Bliithenschwauz) geordnet. Bei Y. phlomoides ist die oft
fast traubige Blüthenähre unterbrochen. Die untersten Blüthen der Haupt-
axe entwickeln sich zuerst. Jede Blüthe wird von einem etwas längeren
einfachen zugespitzten Deckblatte gestützt, das eben so filzig ist wie die
weit grösseren Stengelblätter. Der fiiufspaltige, aussen sternhaarig filzige
Kelch wächst nach dem Abfallen der nur einen Tag geöffneten Blumenkrone
weiter. Die 5 gerundeten Lappen der letzteren breiten sich aus der kurzen
engen und wellenförmig -zackig rings von der Axe gelösten Röhre ziemlich
flach und bei Y. phlomoides bis etwa 0,040'“ im Durchmesser erreichend aus.
Der mittlere der unteren Kronlappen ist am breitesten und grössten, die beiden
oberen kleiner als die seitlichen, alle breit eirund, oberseits schön gelb (sel-
ten weiss variirend) mit feinem bräunlichem Adernetze. Die Rückseite, mit
Ausnahme des kahlen längsruuzeligeu Röhrenansatzes, ist aufs dichteste
mit kurzen starren, 6 bis 9- und mehrstrahligen, oft quer verbundenen
Sternhaaren besetzt, welche ziemlich den bei Kamala beschriebenen ähnlich
sehen. Völlig abweichenden Bau zeigen die dicht verfilzten, sehr laugen
Haargebilde des gelben Bartes, der die 3 etwas kürzeren Staubfäden bis zu
ihrer unteren Hälfte einhüllt und die quer aufliegeuden Antheren verdeckt.
Es sind nämlich einfache weiche bandartig zusammenfallende und keulen-
förmig auslaufeude Haare, welche mit äusserst feiuen länglichen spiralig
geordneten Höckerchen übersäet sind. Die zwei längeren, in ihrer oberen
Hälfte der Länge nach mit den Authercn verwachsenen Staubfaden sind
fast gänzlich kahl ; alle 5 den tief gehenden Einschnitten der Blumenkroue
entsprechend über der Stelle entspringend, wo sich dieselbe zur Röhre
verengert.
Am häufigsten werden wohl in unseren Gegenden die Blurnen von
Flores Yerbasci.
537
Y. thapsiforme gebraucht und die Pflanze deshalb auch angebaut. Verbas-
cum phlomoides unterscheidet sich durch die am Grunde abgerundeten, nicht
breit angewachsenen , wenig und nicht von Blatt zu Blatt herablaufenden
Stengelblätter. Die Blüthen sind nicht von denen des ersteren abweichend.
Die Blüthen der dritten Art, welche in ihren herablaufenden Blättern der
erstgenannten gleicht, sind mehr glockig als flach ausgebreitet und nur halb
so gross, wie die von Y. thapsiforme und phlomoides , dessen ausgebreitete
Krone auch trocken noch gegen 0,030ra Durchmesser besitzt.
Im Süden dienen noch andere Arten in gleicher Weise, in Griechenland
z. B. Y. undulatum Lam. und das kleinblüthige V. sinuatnm L.1) in den
Niederungen, im Gebirge V. thapsiforme var. macrurum. In Portugal Y.
crassifolium Hoffmannsegg u. Link, in Spanien Y. macranthum H. u. L., in
Italien V. densiflorum Bertoloui u. s. f.
Der widerige Geruch der frischen Blüthen wird beim Trocknen ange-
nehmer nnd etwas an Honig erinnernd. Der Geschmack des dunkelbraunen
Aufgusses ist süss und schleimig; er reducirt in der Kälte schon alkalisches
Kupfertartrat.
Die getrockneten Blumen müssen wohl verschlossen aufgehoben wer-
den; gestattet man der atmosphärischen Feuchtigkeit Zutritt, so werden sie
weich und missfarbig. In einer Flasche verwahrte, sehr schöne und voll-
kommen spröde Blüthen verloren bei 100° C. noch 8,4 pC. Feuchtigkeit
und zogen dann bei nasser Witterung au der Luft im ganzen wieder
16,5 pC. an. Die schmutzig bräunliche Farbe, welche die Blumen bei
schlechter Besorgung so leicht annehmen, wird nicht durch Ammoniak
hervorgerufen.
Aetlier entzieht in reichlicher Menge schön gelbgefärbtes schmieriges
Fett. Bei 100° C. getrocknete Blumen hinterlassen 4,8 pC. Asche. — Nach
Rebling beträgt der Zucker 11 pC. Darin mag vielleicht die Hygroskopi-
cität ihren Grund haben; doch will Morin (1827) auch essigsaures Kali,
Gummi, ausserdem eine Spur ätherischen Oeles gefunden haben.
Die verschiedenen Wollblumen wurden schon im Alterthum als Arznei-
mittel benutzt. Die Blätter dienten auch zu Species. Ein zum Gelbfärben
verwendetes Kraut Thapsia oder Thapsos von der gleichnamigen griechi-
schen Insel war schwerlich ein Yerbascum, gab aber zur Benennung der
gelben Blumen Anlass.
b trockene fruchttragende Stengel diosor Art werden bündelweise zum Fischfänge ge-
braucht, wirken also wie es scheint betäubend, wie die zum gleichen Zwecke in Griechenland
gebrauchte Euphorbia Wulfenii Hoppe und E. dendroides L. (Heldreich). Auch den Samen
von V. phlomoides werden gleiche Eigenschaften zngesebrieben.
538
Blütlien.
Flores Rliocados.
Petala Rhoeados. Klatschrosen. Feuerblumen. Klapprosen. Fleurs de
coquelicot. Red-poppy petals.
Papäver Rhoeas L. — Papaveraceae.
Die Klatschrose findet sich aufAeckern durch den grössten Theil Euro-
pa’s oft iu sehr grosser Menge. Fast immer tritt dieses einjährige Kraut nur
als Begleiter der Getreidekultur auf und verschwindet oft wieder aus einer
Gegeud1), wo dieselbe auf hört, oder wo die Aussaat keine Klatschrosen-
samen mehr enthält. So erschien die Pflanze z. B. vorübergehend auch
schon im südlichen Norwegen. In Griechenland, auch auf den Inseln bis
Kreta ist Papaver Rhoeas sehr gemein und geht durch Kleinasien bis Süd-
persien. Diese wie es scheint uach Osten zunehmende Häufigkeit der Pflanze
und ihre Beziehung zu unserem Ackerbau unterstützen die Ansicht, dass
sie ursprünglich dem Oriente angehöre. Immerhin trifft man nach Heer
bereits in den Pfahlbauten der Schweiz verkohlte Fruchtkapseln derselben2).
Jeder der doldeutraubigen Aeste des aufrechten, höchstens gegen lm
hohen Stengels endigt mit einer sehr ansehnlichen langgestielten Blume,
bei deren Aufblühen die beiden Kelchblätter abfalleu. Die 4 zarten, präch-
tig scharlachrothen3) Blumenblätter sind quer elliptisch, mit sehr kurzem
schwarz violettem Nagel unter dem Fruchtknoten eingefügt. Da sie weit
mehr in die Breite als iu die Länge entwickelt und ziemlich flach ausge-
breitet sind, decken sie sich mit ihren Rändern. Iu der Knospe sind sie
höchst unregelmässig zusammengeknittert, nach der Entfaltung aber völlig
glatt, lebhaft glänzend und fettig anzufühlen. Sie fallen sehr bald ab,
schrumpfen beim Trocknen leicfit ein und nehmen selbst bei der grössten
Sorgfalt eine bräunlich violette Missfarbe an.
Obwohl die Blumen nicht wie die Pflanze Milchsaft führen, riechen sie
doch, so lange sie frisch sind, aber nicht mehr nach dem Trocknen, stark
narkotisch und schmecken schleimig, nur sehr schwach bitterlich. Sie ent-
halten Fett, Zucker und Salze. Ihr Farbstoff, der schon von W asser reich-
lich aufgenommeu wird, scheint nach Leo Meier’ s sehr mangelhaften
Angaben saure Eigenschaften zu besitzen und iu Klatschrosensäure
und Rhoeadinsäure zerlegt werden zu können. Das dunkelviolette Blei-
salz der ersteigen , nicht aber das der letzteren , soll iu Wrasser löslich sein.
— Der wässerige Auszug der Blumen wird durch Eisenchlorid schwarz ge-
färbt. Opium- Alkaloide sind iu den Blumen nicht nachzuweisen.
Der Milchsaft der Pflanze ist sehr wässerig , riecht jedoch kräftig uach
Opium und scheint auch bestimmt, aber schwach narkotisch zu wirken.
1) daher der bezeichnende ältere Name Papaver erraticum schon bei Pliuius.
2) Später gewann Heer die Ueberzeugung, dass diese Kapseln und Samen von Papaver
somniferum herrühren (Die Pflanzen der Pfahlbauten. Zürich 1865. 33). Vergl. bei Semen
Papaveris.
3) darauf soll sich Rhoeas beziehen : Rhoia, der Granatapfel.
Flores Rosae centifoliae.
539
Aus dem Safte mehrerer Pfunde frischer, fast reifer Kapseln war es mir
nicht möglich, ein Alkaloid zu gewinnen. — Hesse erhielt jedoch ein
krystallisirbares farbloses Alkaloid, Rhoeadin O21H21N06, das in Wasser
und Alkalien löslich ist und durch Säuren unter prachtvoll rother Färbung
zersetzt wird, ähnlich wie das Porphyroxin. In der Reihe der Alkaloide
des Opiums (vgl. S. 54) — denn auch hier lässt es sich nachweisen — er-
öffnet das Rhoeadin die Unterabtheilung der schwachen Basen , indem es
seine Stelle zwischen Papaverin und Narcotin einnimmt.
Die Blüthen von Paeonia festiva Tausch sehen getrocknet den Klatsch-
rosen ähnlich, geben aber an Wasser bei weitem weniger Farbstoff ab, so
dass Bleizucker den Auszug nur hellgelblich fällt.
Papaver Rlioeas, ohne Zweifel viel mit P. dubium L. zusammen-
geworfen, das nur kleinere blässere, aber trocken nicht zu unterscheidende
Blumenblätter besitzt, war schon den Alten wohl bekannt.
Flores Rosae centifoliae.
Flores s. petala Rosarum incarnatarum s. pallidarum. Centifolienrosen.
Petales de roses päles. Cabbage-rose petals.
Rosa centifolia L. — Rosaceae.
Die gewöhnliche Gartenrose gehört demselben Gebiete an wie Rosa
gallica und wird noch weit allgemeiner gezogen. Die erstere wird bis 2"'
hoch, ihr starkes Wurzelsystem ist nicht weit ausgebreitet und nur wenig
kriechend, die drüsig -gesägten Blättchen nicht lederig, die Blüthen meist
überhängend, fast immer gefüllt.
Man benutzt, hauptsächlich zur Darstellung des Rosenwassers und
(nach manchen Pharmacopöen) des Rosenhonigs, die Blumen der gefüllten
Spielarten, worin der grösste Theil der Staubgefässe und auch wohl die
oberen (äusseren) Fruchtblätter sich zu Blumenblättern ausbilden. Die
übrigen Karpelle pflegen ebenfalls nicht auszureifen, da der Fruchtbehälter
(Unterkelch) nach dem Aufblühen welkt und bald abfällt.
Die Blumenblätter sind weniger flach als die von Rosa gallica, mehr
zusammengewölbt, breiter als lang, von zarterer Beschaffenheit und rein
rosenroth. Dieselben werden vor der völligen Entfaltung gesammelt und ohne
Kelchblätter und Fruchtbehälter rasch getrocknet oder auch in Salz auf-
bewahrt. Sie riechen frisch sehr angenehm, wenn auch nicht eben kräftig
und schmecken zusammenziehend. Durch das Trocknen vermindert sich
der Geruch merklich.
In chemischer Hinsicht scheinen sie bis auf den Farbstoff mit den
Blumen von Rosa gallica übereinzustimmen. In unsern Gegenden erhält
man selbst bei der Destillation von Rosen in grösserem Masstabe kaum
wägbare Mengen ätherischen Oeles. Etwas davon wird indessen gelegent-
lich in Südfrankreich dargestellt.
Rosa alba L. riecht und schmeckt weit schwächer als R. centifolia.
540
Bliithen.
Flores Rosae gallicae.
Flores s. petala Rosarum rubrarum. Knopfrose. Essigroseublätter.
Damascenerrosen. Hamburgerrosen. Petales de roses rouges. Roses de
Provins. Red-rose petals.
Rosa gallica L. — Rosaceae.
Die französische Rose ist am Kaukasus und iu Südeuropa einheimisch
und wird von Griechenland an durch die Mittelmeerländer bis in das mitt-
lere Europa iu Gärten iu zahlreichen Formen sehr viel gezogen.
Der nur etwa lm erreichende, weithin Ausläufer treibende Strauch ist
mit etwas steifen lederigen Blättern und aufrechten Blüthen versehen, deren
fünf oder gewöhnlicher zahlreichere Blumenblätter flach ausgebreitet sind.
Die Farbe derselben wechselt in der Kultur vom dunkelsten, ius violette
schillernden roth bis rosenroth oder gar weisslich. Der kurze Nagel des
Blumenblattes ist gelb.
Man sammelt die Blüthen der halbgefüllten dunkelen Spielarten, so
lange sie noch geschlossen sind , befreit sie vom Kelche sammt Staubfäden
und schneidet auch in manchen Gegenden den gelben Grund der Blumen-
blätter vorsichtig weg, so dass die Knospe nicht auseinanderfällt.
Rasch im Schatten getrocknet, färben sie sich noch sammtartig dunkler
und halten sich bei Abschluss von Luft und Licht sehr lange. Zu 1 Kilogr.
trockener Waare sind etwa 400 Knospen erforderlich.
Der Geruch dieser Rose ist nicht sehr kräftig, büsst jedoch beim Trocknen
wenig ein. Die Blumenblätter schmecken adstringirend.
Au Aether treten sie ohne Farbenveränderung ein grünlich-gelbes weiches
Gemenge von festem Fette und Quercitrin ab. Das letztere und nicht eine
Gerbsäure, welche hier kaum spurweise vorhanden ist, veranlasst in Eisen-
oxydsalzen einen grünlichen Niederschlag, wie Filhol gezeigt hat. Der-
selbe fand in den rothen Rosenblättern ferner 20 pC. Traubenzucker (Invert-
zucker, links rotirend), welcher nebst dem Farbstoffe und einer Spur Gallus-
säure durch Alkohol aus den mit Aether erschöpften Rosen erhalten wird.
Ausserdem enthalten die Blumen Gummi, Prote'instoffe, Phosphate und
Spuren von ätherischem Oele.
Die meisten rothen Rosenblätter des Handels stammen aus Südfrank-
reich, aus Provins1) in der Champagne (Departement Seine-et-Marne), aus
Holland (Wassenaar, Noordwijk), den Hamburgischeu Vierlanden , sowie
aus Südenglaud (Mitcham in Surrey), auch aus der Umgebung Nürnbergs.
— Iu Griechenland werden die Blumen zu Coufect (Glyko) eingemacht.
1) Ji0sa provincialis ist olino Bezug auf die Stadt Provins eine kleine Spielart der
Rosa centifolia mit stark gefärbten und gefüllten Blumen genannt worden.
Flores Chamomillae.
541
B. Vollständige Blüthen.
Flores Chamomillae.
Flores Chamomillae vulgaris. Kamillen. Chamillen. Fleurs de Camomille
d’Allemagne.
Matricäria Chamomilla L. — Compositae-Senecionideae.
Die gemeine Kamille ist viel weiter verbreitet als die römische und
findet sich vom mittleren und südlichen Norwegen und Finnland an durch
ganz Europa, doch nicht oder nur wenig in Gebirgen, bis Griechenland,
Cypern (wo sie noch sehr häufig ist) und Transcaucasien. In Australien ist
sie auch bereits ganz eingebürgert. Ihre Kultur scheint einstweilen noch
nirgends im grossen betrieben zu werden.
Aus der schwachen einjährigen Wurzel erheben sich einer oder mehrere
krautige, bis über 1 Fuss hohe ästige Stengel, die wenig zahlreiche unschöne
kahle, doppelt oder zu oberst einfach fiederspaltige Blätter mit linealen
dicklichen Läppchen tragen.
Die ansehnlichen Köpfchen stehen einzeln aufrecht auf langen hohlen
Blüthenstielen am Ende der Stengel oder ihrer doldentraubenartig zusammen-
gestellten , mit einem kleineren einfacheren Blatte gestützten Aestchen , im
ganzen einen wenig regelmässigen ausgebreiteten, doch nicht sehr reichen
Blüthenstand zusammensetzend, dessen Entwickelung und Abblühen lang-
sam von statten geht und bei uns fast den ganzen Sommer dauert. Das
centrale endständige Köpfchen jedes Stengels und jedes Astes geht gewöhn-
lich den übrigen zugehörigen voraus, während im einzelnen Körbchen die
innersten Bliithchen die spätesten sind.
Die ziemlich zahlreichen stumpfen, trockenhäutig beraudeten Kelch-
blättchen bilden eine ziegeldachartige schüsselförmige kahle Hülle, die den
anfangs wenig gewölbten Blüthenbodeu einschliesst. Bis zum Aufblühen
der letzten centralen Scheibenbliithen aber streckt sich derselbe kegelförmig
bis zur Höhe von fast 5 Millim. bei einer Dicke von nur IV2 Millim. im
trockenen Zustande , wo er beträchtlich eingeschrumpft ist. Diese Gestalt,
verbunden mit dem gänzlichen Mangel an Spreublättchen oder Haaren und
den tiefgrubigen Einfügungsstellen der Früchtchen zeichnen den Blüthen-
boden der Matricaria sehr aus. Er ist zudem hohl und bietet somit untrüg-
liche Merkmale genug dar, welche zusammen bei keiner andern der sonst
so ähnlichen verwandten Compositen wiederkehren.
Die weissen, breit lanzettlichen , vorn rundlich dreizähnigen Strahlen-
blüthen, 12 18 an der Zahl, sind anfangs flach ausgebreitet, dann senk-
recht zurückgeschlagen und von der Länge des ausgewachsenen Frucht-
bodens. Staubgefässe sind nicht vorhanden, sondern nur ein zweischenke-
üger Griffel mit stumpfen aus einander fahrenden Narben. Die Blumenröhre
trägt wenig kleine Oeldrüschen. Ebenso die zahlreichen kleinen gelben
Scheibenblüthchen, deren Röhre am Grunde etwas aufgetrieben ist.
542
Bliithen.
Sämmtlichen Bliithen fehlt der Pappus, dagegen sind die bräunlichen
gekrümmten Früchtchen oben mit einem etwas erhöhten Rande versehen.
Die Kamillen schmecken wenigstens bei uns bitter; nicht so, sondern
nach Heldreich äusserst angenehm aromatisch in Griechenland. Der
eigentümliche Geruch ist ziemlich stark, nicht eben unangenehm. Die An-
wendung der gewöhnlichen Kamille ist am verbreitetsten in Deutschland
und den nordischen Ländern. In Russland scheinen auch die davon nur
wenig verschiedenen Arten Mätricaria suaveolens L. (von Indien durch
Kaschmir bis Wolhynien einheimisch), M. coronata Gay und M. lithu-
anica Besser zu dienen, am Cap die sehr aromatische M. capensü L.
Frankreich und England kennen fast nur die römische Kamille.
Die gewöhnliche Kamille enthält neben allgemeiner verbreiteten Stoffen
Phosphate, Chlorüre, Tartrate und Malate. Die Bliithen liefern ungefähr
6 pC., die ganze Pflanze aber, nach Riiling, ungefähr 9 pC. Asche, bei
weitem vorwiegend aus Kalisalzen bestehend. Genauer gekannt ist nur das
durch prachtvolle blaue Farbe bemerkenswerte ätherische Oel der Bliithen,
dessen Menge je nach dem Alter und der Beschaffenheit derselben, so wie
je nach der Darstellungsweise bedeutende Schwankungen zeigt, welche von
Zeller (1855) sehr ausführlich erörtert worden sind. Die reichlichste Aus-
beute erhält man nach demselben, wenn frische Blumen in kleinerer
Menge auf einem Siebboden der Dampfdestillation unterworfen werden. So
gewann Zeller im Maximum 0,36 pC. Oel, auf getrocknete Blumen be-
rechnet (unter der Voraussetzung, dass erfahrungsgemäss 4 Tlieile der
destillirten frischen Bliithen ihm 1 Th. trockene ergaben), aber im Mittel
nur 0,26 pC. Verarbeitete er getrocknete Kamillen verschiedenen Alters,
so erhielt er bei gewöhnlicher Destillatiousmethode 0,07 — 0,09 pC., aber
durch Dampfdestillation 0,106 pC. durchschnittlich. Abfälle der Blumen,
oder überhaupt geringe Waare liefert weit weniger und missfarbiges oder
sich bald entfärbendes Oel. Auffallend gross erscheint jenen sorgfältigen Ver-
suchen gegenüber Steer’s Ausbeute von 0,416 pC. aus ungarischer Waare.
Das Oel riecht und schmeckt stark aromatisch nach Kamillen und be-
hält nur bei Abschluss von Licht und Luft seine Farbe, desto länger übri-
gens, von je frischeren Blumen es stammt. Bei der Rectificatiou geht zuerst
ein kleiner farbloser Antheil, wie es scheint, ein Camplien (Tereben), über.
Dem blauen Theile aber kann selbst durch Destillation mit fettem Oele und
Kochsalz die Farbe nicht entzogen werden. Dieses blaue Oel, von Pi esse
(1863) Azuleu genannt, soll die Zusammensetzung G1(; H24-f-H2G zeigen,
bei 302° sieden und blaue Dämpfe geben. Es wäre dem Entdeckei zufolge
das färbende Princip der blauen ätherischen Oele überhaupt, so wie auch,
bei gleichzeitiger Anwesenheit gelben Harzes, die Ursache der grünlichen
Färbung mancher anderer Oele (Bergamottöl, Wermutöl, Cajeputöl, Pat-
choulyöl). Im Kamillenöl nun soll von diesem Azulen nur 1 pC. enthalten
sein und doch zur Erzeugung der herrlichen tiefblauen Farbe ausreichen.
Gladstone hat (1863) die Existenz eines solchen blauen Oeles, das er
Flores Chamomillae romanae.
543
Coerulein nennt, bestätigt, dasselbe aber stickstoffhaltig gefunden. (Ygl.
auch bei Galbanum).
Das bei gewöhnlicher Temperatur dünnflüssige, dann dickliche und erst
unter — 20° C. (Bizio) erstarrende Kamillenöl beginnt erst bei 240° zu
sieden, aber ohne diesen Temperaturgrad einzuhalten. Nach Bizio ist es
wahrscheinlich, wie das Oel des Rhizoma Zingiberis, ein zum Theil in
Hydrat übergegangenes Camphen. Die Resultate seiner Analysen deuten
ein Gemenge von 2£,0H16 mit 3 (G10H16+H2O) an. Es lässt sich denken,
dass übrigens der Grad der Hydratation ein wechselnder sein kann und
daher auch die physikalischen Eigenschaften desOeles nicht beständig sind.
Wie bei manchen andern Compositen, so treten auch bei der Destillation
der Kamillen Spuren von Säuren der Fettsäurereihe auf. Ueber Kali recti-
ficirt, hiuterlässt das Oel etwas Yalerianat.
Die Kamille gehört zu den ältesten Arzneimitteln, besonders der Yolks-
medicin. Plinius leitete den- Namen Chamaemelum, woraus Chamomilla
entstand, vom äpfelartigen Gerüche der Bliithen ab: p.rAov Apfel, /rx.jj.vl
niedrig. Joachim Camerarius, gegen Ende des XVI. Jahrhunderts, kannte
schon das blaue ätherische Oel.
Flores Chamomillae romanae.
Römische Kamille. Camomille romaine. Chamomile flowers.
Anthemis nöbilis L. — Compositae-Senecionideae.
Die römische Kamille ist hauptsächlich in Spanien, durch ganz Frank-
reich bis Süd-England, dann in Italien einheimisch, der Schweiz fehlend,
und wird zum Arzneigebrauche auch viel und sehr im grossen angebaut,
namentlich in Frankreich, England ’) und Deutschland (Zeiz und Borna in
Sachsen, ganz besonders aber Kieritzsch zwischen Leipzig und Altenburg,
auch in Thüringen).
Die ausdauernde zusammengesetzte und befaserte Wurzel verlängert
sich zu einem kriechenden ästigen Stämmchen, aus welchem sich ein Rasen
krautiger, reich beblätterter Aeste über die Erde erhebt. Dieselben ver-
mögen sich ausläuferartig weiter zu entwickeln und zu bewurzeln und
treiben auch die ziemlich einfachen blühbaren, gegen 1 Fuss hohen Stengel,
die mit zahlreichen, doppelt und fein gefiederten Blättern dicht besetzt
sind. Sie endigen in einzelne aufrechte ansehnliche, bis 0,0 lm breite Köpf-
chen aus 12 18 weissen weiblichen Randblüthen und zahlreichen gelben
Scheibenblüthen, welche dem mehr oder weniger bis zu 0,005m kegelförmig
erhöhten markigen Blüthenboden eingefügt und von der blätterreichen Hülle
gestützt werden. Der Rand der ovalen behaarten Blättchen der letzteren ist
wimperig gesägt und trockenhäutig. Aehnliche, aber kahnförmige, ziemlich
breite Spreublättchen sind den Einzelblüthen im Köpfchen beigegeben und
J) Mitcham allein erzeugt jährlich über 11,000 Kilogr. (1864).
544
Blüthen.
erreichen nahezu die Länge der Bin rnenröliren, auf welchen liier und da
kleine Oeldrüschen sitzen. Die beiden stumpfen zuriiekgebogenen Narben
ragen wenig aus der glockenförmigen Mündung der Zwitterblüthe heraus,
die Staubbeutelröhren meist gar nicht. Die stumpf dreigezähnten Zungen-
blumen sind zuletzt weit über den Hauptkelch bis zu seinem Grunde zurück-
geschlagen. Ein Pappus fehlt den Blüthen ganz.
In der Kultur verlieren die Köpfchen bisweilen die Strahlenblüthen und
werden in dieser Form als Anthemis nobilis Var. (i) ßosculosa Persoon
(Anthemis aurea DeC.) unterschieden. Häufiger aber und hauptsächlich die
Handelswaare bildend, ist die gefüllte Varietät, welche durch mehrere Reihen
weisser unfruchtbarer Strahlenblüthen ausgezeichnet ist. Seltener sind die
gelben Scheibenblümchen völlig durch jene weissen verdrängt.
Die römische Kamille, ganz besonders die einfache Form, schmeckt stark
aromatisch bitter und riecht eigenthümlich sehr gewürzhaft, obwohl nicht
eben fein. Sie liefert gegen 0,5 pC. ätherischen Oeles von gelber oder grün-
licher bis bläulicher Farbe, das hauptsächlich aus einem nach Citroneu
riechenden, mit Terpenthinöl isomeren Kohlenwasserstoffe besteht, worin
aber Angelicasäure (oder doch das Aldehyd derselben) und in geringerer
Menge auch flüchtige Fettsäuren gelöst sind. Das rohe Oel rotirt stark nach
rechts. Nach den Zusammenstellungen Zeller’s1), welche noch der Bestäti-
gung bedürfen, will es fast scheinen, als wären die in Frankreich wild ge-
wachsenen Blumen ärmer an Oel als die in nördlicheren Gegenden gebauten.
Der Bitterstoff ist ganz unbekannt und näherer Untersuchung wertli.
Das ebenfalls mit gefüllten Blumen variirende Crysänthemum Parthe-
nium2) Persoon steht auch durch den sehr ähnlichen Geruch der römischen
Kamille nahe; seine kleineren Köpfchen besitzen aber einen mehr flachen,
nicht kegelförmigen Blüthenboden , welchem die Deckblättchen (Spreu-
blätter) ganz fehlen.
Die römische Kamille gelangte erst zu Ende des Mittelalters, wie es
scheint, aus Spanien nach Deutschland. Tragus (1498 — 1554) scheint
sie zuert als Chamomilla nobilis, Camerarius (1534 — 1598) als römische
Kamille bezeichnet zu haben. Letzterer hatte sie in Menge bei Rom gesehen.
Flores Cinae.
Anthodia Cinae. Santonica. Semen Cinae. Semen Santonici s. sanctum.
Wurmsamen. Zitwersamen. Wurmknospen. Barbotiue. Semen -contra.3)
Wormseed.
Unter dem Namen Wurmsamen versteht man die noch nicht geöffneten
aromatischen und bitteren Blüthenköpfcheu mehrerer Artemisia- Arten, die
1) Aetherische Ode. Stuttgart 1855. 103.
2) über dessen ätherisches Oel vgl. S. 100.
3) Verdorben aus Semen coutra vermes.
Flores Cinae.
545
noch äusserst mangelhaft bekannt sind. Die bei uns jetzt allein gebräuch-
liche Sorte dieses Arzneistoffes gelangt aus den aralo-caspischen Ländern
oder vielleicht aus dem centralen Hochasien über das Caspi-Meer nach
Astrachan, oder nördlicher über Orenburg und Troitzk am Ural, zur grossen
Messe von Nischnei- Nowgorod und von da nach dem westlichen Europa.
Die Stammpflanze dieses sogenannten levantischen Wurmsamens, von Berg
vorläufig als Artemisia Cina unterschieden, ist noch unbekannt '). DieWaare
besteht fast ausschliesslich aus ziemlich rein gehaltenen gleichmässigen
Blüthenköpfchen mit nur wenigen schmal linealen riunigen Blattzipfeln und
dünnen kahlen Steugelresten.
Die grünlich-gelben, mit der Zeitins bräunliche nachdunkelnden 3 Millim.
langen, einzeln oder viel seltener zu zwei an kurzen Stielchen sitzenden
Köpfchen sind aus etwa 12 stumpf lanzettlichen Blättchen gebildet, welche
ziegeldachartig geordnet zu einer oben meist sanft gerundeten Hülle zu-
sammenschliessen. Am Grunde ist dieselbe dadurch sehr verschmälert, dass
die wenigen untersten Blättchen bedeutend kürzer sind. Ist das Köpfchen
nicht ganz kurz abgebrochen , so gesellen sich demselben bisweilen noch
einige der obersten, nur wenig längeren schmalen und ganz einfachen
Stengelblättchen (Deckblättchen) zu.
Ungeachtet des festen Zusammenschlusses ihrer Blättchen erhält die
Hülle doch ein unregelmässiges höckeriges und gerundet-kantiges Aussehen,
weil die dicklichen Blättchen sich nach aussen iu einen stark vortretenden
grünlichgelben oder bräunlichen Rückenkiel erheben. Derselbe läuft bis
dicht an die stumpfe Spitze des Blättchens und ist von sehr feinen Gefäss-
bündelchen durchzogen, so wie mit kleinen gelben ungestielten Oel- oder
Harzdrüsen besetzt, welche beide dem glashellen farblosen dünnhäutigen
Rande fehlen. Letzterer ist äusserst fein gestreift und erscheint auch bei
stärkerer Vergrösserung kahl, nur hier und da etwa an der Spitze etwas
ausgebissen. Der Kiel trägt einige weiche lange ungefärbte Haare, die aber
kaum für die Loupe wahrnehmbar sind. Hier und da findet sich aber auch
ein spinnwebig behaartes, offenbar noch ganz junges Köpfchen in der sonst
kahlen fast glänzenden Droge. Die 3 bis 5 Einzelbliithen lassen sich bei
manchen Proben selbst in den dicksten Köpfchen noch gar nicht erkennen.
Sie sind mit kurz -glockenförmigem bräunlichem Saume versehen, etwas
länger als das Früchtchen, welches nicht von einem Pappus gekrönt ist.
Der Wurmsamen riecht kräftig aromatisch und schmeckt widrig bitter
und kühlend gewürzhaft. Er gibt im Durchschnitte gegen 1 pC. ätherisches
Oel, das den Geruch und Geschmack der Droge besitzt und schon bei
17 o C. siedet. Der Hauptsache nach besteht es, Kraut’s Untersuchungen
(1862. 1863) zufolge, aus O10H18-O (Cinaebencampher Hirzel’s),
wovon sich aber bei der Destillation leicht ein Molekül H20- trennt, so dass
') Nach Polak dienen in Persien die Spitzen mehrerer Artemisia -Arten, besonders aus
der Gegend von Täbris, als Wurmmittel.
Fliickiger, Pharmakognosie. 35
546
Blüthen.
eiu Tlieil des Oeles in G10H16 und Wasser zerfallt, welches letztere in dem
vorher entwässerten Oele eine Trübung veranlasst. Der Kohlenwasserstoff
dreht die Polarisationsebene gar nicht, das rohe Oel nur sehr wenig
nach links. Schon ursprünglich ist dem letzteren ein vielleicht verschiedener
isomerer Kohlenwasserstoff, Cinaeben Hirzel’s oder Cincn Völckel’s
beigemengt; das bei der Destillation übergehende Wasser reisst auch flüch-
tige Säuren der Fettsäurereihe und (wie bei dem Oele der römischen Ka-
millen) Angelicasäure mit. — Die Identität der ätherischen Oele der ver-
schiedenen Wurmsamensorten ist nicht erwiesen.
Obschon ein Theil der Wirkung des Wurmsamens auf dem ätherischen
Oele beruht, so ist doch der eigentliche Träger derselben das Santonin
G15H18fT3, 1830 fast gleichzeitig von Kahler in Düsseldorf und von Al ms
im Mecklenburgischen entdeckt. Es beträgt l1/« bis 2 pC. der Waare,
scheint aber beim Aufblühen der Köpfchen sehr abzunehmen. Durch Kalk-
milch wird es leicht ausgezogen, da es sich, obwohl nicht sauer und selbst
in kochendem Wasser wenig löslich, mit Basen verbindet. Es ist ohne Ge-
ruch, aber, besonders in Chloroform oder Weingeist gelöst, von bitterem
Geschmacke. Seine grossen farblosen rechtwinkeligen Tafeln des rhombi-
schen Systems lassen sich mikroskopisch in der Droge nicht nachweisen,
da sie vielleicht die leichtlösliche, ja zerfliessliche Kali- Verbindung des
Santonins enthält. Die Krystalle des Santonins nehmen im Sonnenlichte,
auch im blauen oder violetten Strahle, nicht in den übrigen Farben des
Spectrums, gelbe Farbe an, wobei sie ohne chemische Veränderung1) zer-
springen. Die gelben Lösungen in Alkohol oder Aether entfärben sich rasch
wieder. Bei grosser Vorsicht lässt sich das Santonin unzersetzt sublimiren,
weshalb auch schon zu bezweifeln war, dass es (nach Kosmann s An-
gabe) ein Glykosid sei. Es liefert in der That weder durch Säuren , noch
durch Alkalien Zucker.
Kletzinsky hat durch Spaltung des Hyoscyamins (vergl. bei Semen
Hyosc.) Santonin erhalten. — Das Verhalten des Santonins zum Lichte er-
innert an das Erythrocentaurin (vgl. Herba Centaurii). In verhältnissmässig
grösseren Gaben steigert sich die wurmtreibende Wirkung des Santonins
bis zu Vergiftungserscheinungen.
Der Wurmsamen enthält ferner Harz, Zucker, wachsartiges Fett, Kalk-
und Kalisalze, Aepfelsäure, und gibt 7,3 pC. Asche, worin nach Eylerts
fast Ys Kieselerde. — Sehr schöne in kleiner Menge sorgfältigst ausgesuchte
Waare verlor im W asserbade 10,6 pC. und hinterliess 6,5 pC. Asche, worin
Jahns, unter meiner Leitung, 18 pC. Kieselerde fand. Dieser ansehnliche
Kieselgehalt deutet vielleicht auf einen sandigen Standort der Stammpflanze.
Die wurmwidrigen Eigenschaften mehrerer Artemisia - Arten der Mittel-
meerflora waren schon frühe benutzt, wie z. B. im VI. Jahrhundert nach
0 nach Scstini tritt eine Reduction des Santonins zn einem kohlenstoffrcirhereu Körper
Photosantonin ein und zugleich entsteht wie cs scheint auch Ameisensäure; nach Mehu
schmilzt farbloses Santonin bei 170°, gelbes bei 155°.
Flores Cinae.
547
Chr. Alexander Trallianus schon angibt, aber das Abendland wurde
erst durch die Kreuzzüge mit dem ächten Wurmsamen bekannt. Er scheint
damals einen mehr südlichen Handelsweg durch das Rothe Meer über
Alexandria eingeschlageu zu haben, da er in Palästina und Syrien auf-
tauchte, was ihm die Bezeichnung Semen sanctum, später auch Semen
Cinae Halepense (Aleppo) eintrug. Dass man aber damals schon um seine
Herkunft wusste , deutet der Name Semen Cinae oder Sinae, Samen aus
China, an. Für den schon frühe gebrauchten deutschen Namen Zitwer fehlt
die Erklärung.
Artemisia Valiliana Kosteletzky (A. Contra Vahl), eine in Persien
wachsende Art, besitzt einen knäuelig-ährenartigen gedrängten Blüthenstand
(Blüthenschwänze) mit eiförmigen Köpfchen, welche kürzer sind als die
oben beschriebenen, dazu etwas spinn webig behaart und mit eirunden Kelch-
blättchen versehen. Dass daher von dieser Art die officinelle Wurmblüthe
nicht abstammen kann , wie fast allgemein behauptet wurde, hat Berg1)
durch Vergleichung des Valil’ sehen Original -Exemplares der Pflanze dar-
gethan.
Ebensowenig stimmen die nicht nach Wurmsamen riechenden, fast ku-
geligen und weit grossem Köpfchen der A. judaica, oder die stark filzig-
drüsigen Kelche der A. Sieteri Besser (A. glomerata Sieber) mit der Handels-
waare überein. Noch weniger passt darauf A. Ckiajeana Kunze, deren
Bruchstücke einmal von delle Chiaje in Neapel ganz vereinzelt in Wurm-
samen aufgefunden wurden2). Die Köpfchen dieser Pflanze, welche noch
unvollständiger gekannt ist als die vorher genannten, sind gleichfalls filzig.
In den Wolgagegenden, in den Gouvernements Pensa, Saratow, Sarepta,
wächst A. pauciflora Stechmann, im unteren Wolgagebiete, weiterhin
im Kaukasus und im südlichen Sibirien Artemisia Lercheana Stechm.
und einige andere nahestehende Arten oder Varietäten. Ihre Bliithenköpf-
chen, welche von bräunlicher oder durch filzige Behaarung weisslicher Farbe
und meist mit zugespitzten Kelchblättchen versehen sind, dienen in jenen
Gegenden wie die ächten Wurmknospen. Hauptsächlich wie es scheint
durch die deutschen Herrnhuter- Ansiedelungen bei Sarepta gelangten die-
selben vor einiger Zeit als Flores Cinae Rossici , russischer Wurmsamen,
auch in den europäischen Handel. Diese Produktion hat sich jedoch als
unergiebig erwiesen1) und die Sorte ist vom Markte verschwunden.
Aus Nordafrika, zum Theil aus Marocco, wird noch bisweilen berberi-
scher Wurmsamen, Semen Cinae barbaricum , in Livorno eiugeführt. Da-
selbst gekaufte Waare finde ich aus poch ganz unentwickelten, fast kuge-
ligen, höchstens 1 V2 bis 2 Millim. messenden, meist geknäuelten Köpfchen
bestehend, welche von einfachen, fast walzlicben Deckblättchen gestützt
B officinelle Gewächse Heft XXIX. Taf. C.
2) GeiScr (Nccs v. Esc »bock u. Dierbach) Pharm. Bot. 1889. 789.
3) Briefliche Mittheilmig von Prof. Dragen dorff.
35 *
548
Blüthen.
sind. Wie die Köpfchen selbst, sind auch die sehr zahlreich vorhandenen
Stengel- und Blattrcste von brauner Farbe, welche aber fast ganz durch
dichten weissen Filz verdeckt ist. Auch fremdartige Pflanzentrümmer ver-
unreinigen diese Sorte in ziemlich hohem Grade. Geruch und Geschmack
stimmen mit dem ächten Wurmsamen überein, sind aber bei weitem
schwächer und weniger unangenehm, der Geruch feiner, der Geschmack
nur wenig bitter. Unmöglich kann ihr Oelgehalt höher sein als der der offi-
cinellen Sorte, und an Santonin ist sie sehr arm. Als Stammpflanze nennt
Berg Artemisia raviosa1) Smith.
In früherer Zeit herrschte in Betreff der verschiedenen Sorten der Cina
sehr grosse Verwirrung, so dass sogar ostindischc und amerikanische Waare
grundlos aufgeführt wurde. Nach dem jetzigen Stande der Dinge ist allein
zulässig und auch ausschliesslich zur fabrik massigen Santoninbereitung die-
nend die hier zuerst beschriebene sogenannte levantische Sorte, deren Her-
kunft noch dunkel ist. Selbst die britische Pharmacopöe hat nur diese aus
Russland kommende kahle „Santonica“ aufgenomraen.
Flores Arnicae.
Arnikablumen. Wolferleiblumen. Gemsblumen. Fallkrautblumen. Fleurs
d’ Arnica ou d’Arnique. Arnica flowers.
Der krautige einfache oder nach oben mit einem, weniger oft mit zwei
Paaren gegenständiger, ziemlich langer Aeste versehene Stengel der Arnica
montana (vergl. bei Rhizoma Arnicae) trägt 1 oder 3, seltener 5, im Spät-
sommer blühende schön gelbe Köpfchen. Jedes derselben ist umgeben
von einer zweireihigen 20- bis 24blätterigen Hülle, welche nebst dem
Blüthenstiele mit zahlreichen Haaren dicht besetzt ist; nur die braun-
gefärbten kürzeren dieser Härchen endigen in ein kleberiges Dräschen.
Dem hochgewölbten, im Durchmesser (trocken) 0,006"' erreichenden spreu-
haarigen Blüthenboden sind am Rande gegen 20 bis 0,02"' lange, weit über
die Hülle hinausrageude Zungenblüthen eingefügt, in der Mitte dagegen
zahlreiche röhrige, weit kürzere Blüthen. Die letzteren sind zwitterig, den
Rand- oder Strahlenblüthen fehleu die Staubgefässe oder bleiben doch, wie
bei der im Norden wachsenden Pflanze, verkümmert.
Die dünnen kantigen, bis 0,006“ langen gelblichgrauen, bei der Reife
schwärzlichen Früchtchen (Achaenieu) tragen zahlreiche kurze Börstchen
und werden von einem Pappus aus weisslichen scharfen und starren Haa-
ren , die bis 0,008’“ messen , gekrönt. Die lanzettlichen zarten , vorn ge-
stutzt-dreizähnigen Randblüthen sind von etwa 10 dunkelbraunen Längs-
nerven durchzogen.
Die Scheibenblüthen werden nur eben vom Pappus überragt, die dunk-
ler bräunliche Staubbeutelröhre tritt etwas aus der Blumenrohre heraus.
1) Geiger 1. c. 787. (1 8 3 9) Artemisia raruosa L. v. Buch.
Flores Arnicae.
549
beide sind ötheilig, ihre Lappen abwechselnd. Die beiden kopfigen Narben
des Griffels rollen sich gegen die Mündung der Blumenrohre zurück. Ziem-
lich häufig sind die Blüthenböden schon in der Natur von der glänzend
schwarzen, bis 3 Millim. langen Larve der Trypeta arnicivora Löw, einer
Bohrfliege (Familie der Muscidae) , bewohnt und fast ausgefüllt. Deshalb
schreiben auch manche Pharmacopöeu z. B. die Deutsche und die Preus-
sische vor, die Blüthen vom Hüllkelche (Peranthodium) und Blüthenböden
zu befreien. Diese Theile besitzen aber auch in hohem Grade den bitteren
scharfen Geschmack der ganzen Blüthe , daher es kaum gerechtfertigt er-
scheint, dieselben zu opfern. Die gefürchtete Trypeta-Larve hat sich als
unschädlich erwiesen, ist aber allerdings bisweilen in so grosser Menge vor-
handen, dass sie ausgelesen werden muss.
Der Geruch der Blüthen ist eigenthümlich , nicht unangenehm , aber
schwach. Die erwähnten Eigenthiimlichkeiten im Blütlienbau, dann auch
das Aroma, der Geschmack und die bei der Aufbewahrung sehr beständige
gelbrothe Färbung der Blüthen lassen die Arnica leicht von anderen Co-
rymbiferen-Blüthen unterscheiden. Die der Cichoraceeu sind au ihren gleich-
artigen zuugenformigeu Blumen kenntlich.
9 Theile frischer Blüthen liefern durchschnittlich 2 Th. getrockneter.
In letzterem Zustande geben sie nur etwa Vio bis 2/io pro Mille ätherisches
Oel, frisch aber verhältnissmässig bedeutend mehr. Dasselbe ist von saurer
Reaktion, gelblich, bläulich oder grün, nach Kamillen riechend.
Mehrere Chemiker, die sich mit der Aufsuchung eines eigenthümlichen
Aruicius beschäftigt, haben unter diesem Namen verschiedene unreine
Körper erhalten. Erst Walz erkannte (1861) als wirksamen Bestandthcil
der Blüthen einen goldgelben, nicht krystallisirbaren Bitterstoff. Dieses
Arnicin ist leicht in Aether, wenig in Wasser löslich, aus der weingeisti-
gen Auflösung durch Gerbstoff oder Wasser fällbar, vom specifischen Ge-
rüche und scharf kratzenden Geschmacke der Arnica. Walz legt ihm die
Formel £2oH3o-ö-4 bei, welche noch der Bestätigung bedarf. Es scheint
nicht, dass das Arnicin ein Glykosid ist, obwohl es durch verdünnte Säuren
zersetzt wird. Die Blumen geben davon über 1 pC., weniger der Wurzelstock
und das Kraut.
Walz fand iu den Blüthen ferner zwei verschiedene Harze, krystallisi-
rendes Fett und Wachs; auch Gerbstoff und gelben Farbstoff.
Hesse (1864) hat entscheidend nachgewiesen, dass die Arnica (Blüthe?)
bei der Destillation mit Alkalien keine besondere flüchtige Base, sondern
nur Ammoniak oder Spuren von Trimethylamin liefert.
550
Bliithcn.
Flores Sambuci.
Hohmderblüthe. Fliederblumen. Holderblumen. Fleurs de surcau.
Ekler flowers.
Samlmcus nigra L. — Lonicereae.
Der Holunder ist durch ganz Europa, Vorderasien, die Kaukasusländer
und Südsibirien bis China und Japan einheimisch, den höhern Norden aus-
genommen. In Norwegen z. B., wo der Strauch in guten Sommern uoch
bei Throndhjem seine Früchte reift, ist er vielleicht nach Sch übe ler ’s
Vermuthung im Mittelalter durch Mönche eingeführt worden.
Man sammelt die ganzen, sehr ansehnlichen und reichbliithigen Trug-
dolden, deren langer kantiger Bliithensticl sich erst in 5, hierauf ein oder
mehrmals in 3 bis 5 Aeste theilt und zuletzt in wiederholt gabelige feine
gerillte, bis etwa 6 Millim. lange ßlüthenstielchen mit einer einzelnen Blume
endigt. In den Gabeln zweiter oder dritter Ordnung bleibt die mittelständige
Bliithe sehr kurz oder gar nicht gestielt sitzen und öffnet sich früher. Eben
so pflegt an den äussersteu kleinen Gabeln nur das eine Btüthchen lang-
gestielt zu sein. Dieser ganze, reich gegliederte Bliithenstaud breitet sich
zu einer ziemlich flachen schirmartigen Trugdolde aus, welche gänzlich kahl
ist und auch der Deckblätter entbehrt.
Ueber den sehr kurzen 5- (oder weniger häufig 4-) zahnigen mehrkan-
tigen Kelch erhebt sich der freie, schwach gewölbte Gipfel des Frucht-
knotens, gekrönt von der dicken dreiknöpfigen (seltener nur zweitheiligen)
stumpfen Narbe von gelber Farbe. Mit den Kelchzähnen alternireu in glei-
cher Zahl die dreimal längeren ovalrundlichen und flach ausgebreiteten
Lappen der weissen, etwas ins gelbliche spielenden Blumenkrone, überragt
von den verhältnissmässig sehr ansehnlichen gelben Staubbeuteln, welche
auf etwas derben Staubfäden aus den Abschnitten der Ivorolle hervortreten.
Der schön gelbe Pollen, unter dem Mikroskop dreifurchig und dreiporig er-
scheinend, bepudert in reichem Masse die Blüthen, welche beim Trocknen
eine mehr schmutzig gelbe Färbung annehmen und bei sorgloser Behand-
lung leicht missfarbig werden.
Der widrige Geruch , welcher der ganzen lebenden Pflanze, besonders
aber der Rinde eigen ist, findet sich in den trockenen Blüthen in ein eigen-
thümliclies , nicht unangenehmes Aroma umgeändert. Der Geschmack ist
unbedeutend schleimig, etwas süsslich, nachträglich ein wenig kratzend.
Die Holunderblüthen geben kaum einige Zehutelproceute ätherisches,
zum Theil krystallisirbares ätherisches Oel, das im höchsten Grade ihren
Geruch besitzt und gewürzhaft schmeckt, aber an der Luft leicht veranc er-
lich ist. Bei der Destillation mit Wasser geht auch flüchtige baure (Essig-
uud Baldriansäure wie es scheint) über.
Die Alten gebrauchten schon Sambucus nigra neben S. Ebulus.
In Nordamerika dient statt unserer S. nigra die äusserst ähnliche
Flores Lavandulae.
551
S. canadensis L. , in deren schlafferen Trugdolden wenigstens die oberen
Gabeln durch verkümmerte Deckblättchen gestützt sind. Die Pflanze bleibt
immer strauchig, ihre Blüthen riechen schwächer, aber feiner und die mehr
röthlicheu Früchtchen schmecken süsser.
Flores Lavandulae.
Laveudelblumen. Fleurs de lavande commune. Lavender flowers.
Lavärnhila officiualis Cliaix — Labia tue.
Syn.: Lavandula Spica ot. Linne.
L. vulgaris a. Lamarck.
L. vera De Candolle.
L. angustifolia Ehrhart.
Der halbstrauchige, über fusshohe Lavendel gehört dem westlichen
Theile des Mittelmeergebietes an, vom Atlas an durch Spanien, Südfrank-
reich (bis Lyon) , Oberitalien , Corsica bis Calabrien. Er kömmt jedoch im
Freien bis Norwegen recht gut fort und zeichnet sich dort z. B. bei Tlirondh-
jem noch durch ganz vorzügliches Aroma aus. Die vereinzelten Stand-
orte Süddeutschlands und der Schweiz, wo Lavendel angegeben wird,
mögen sich daher auf verwilderte Pflanzen beziehen. Da und dort wird La-
vendel auch sehr im grossen gebaut, wie z. B. zu Hitchiu, nördlich von
London, so wie zu Mitcham in Surrey, wo 1864 über 170 Acres damit be-
pflanzt waren, welche je 10 — 12, sogar bis 24 Pfund ätherisches Oel, im
ganzen etwa 2060 Pfd. lieferten.
Der krumme holzige Stamm theilt sich in zahlreiche gedrungene, zuletzt
sehr schlanke ruthenförmige Aeste, welche in der Jugend graulich und mit
verzweigten Sternhaaren bestreut, im Alter glatt sind und gleich dem
Stamme hell graubraune Korkschuppen abwerfen , wodurch die hellbraune
Innenrinde zu Tage tritt.
Die schmal linealen ganzrandigen Blätter, etwa 0,05™ lang und 0,004™
breit, sind besonders in der Jugend durch Sternhaare grau filzig, am Rande
ein wenig umgerollt und unterseits mit sehr kurz gestielten Oeldrüschen
versehen, deren kugelige Höhlung von einer gelben zusammengesetzten
Membran umschlossen ist. Aus den Winkeln der mittleren Blattpaare ent-
wickeln sich blattreiche kürzere Triebe. Die obersten Blätter sind sehr weit
aus einander gerückt und erst in noch bedeutenderem Abstande, bisweilen
erst 0,20™ über dem letzten Blattpaare, erscheint die lockere, ungefähr
0,06™ lange, am Grunde unterbrochene, fast kopfige Blüthenähre, meist
aus 6 Scheinquirlen gebildet. Jeder derselben zählt durchschnittlich 6 Blü-
then, welche am Grunde fest umfasst werden von kurzen breiten eckigen
und scharf zugespitzten, zuletzt trockenhäutigen Deckblättchen.
Der 5 Mill. lange walzig-glockige zehnstreifige Kelch trägt am Rande 4
kleine, in dem hier äusserst dicht gehäuften weissen Filze verborgene Zähn-
552
Blüthcn.
dien und einen grosseren blauen rundlichen Zahn. Der ganze mehr oder
weniger stahlblaue oder bräunliche Kelch ist aussen mit denselben, hier
aber zum Theil bläulich angelaufenen, etwas grösseren uud weniger ästigen
Sternhaaren dicht bekleidet, welche auch am Stengel und auf den Blättern
Vorkommen. Im Filze des Kelches stecken zahlreiche Oeldrüschen. Die
letzteren fehlen oder sind doch weit seltener auf der ebenfalls stark filzigen
Blumenrohre, welche um des Kelches Länge denselben überragt. Sie ist
von schön violettblauer, trocken meist graubräunlicher Farbe und erweitert
sich in zwei fast flach aus einanderfahrende gerundete Lippen vou bestän-
digerer blauer Farbe. Die grössere Oberlippe ist breit zweilappig und be-
deckt den rundlichen Zahn des Kelches. Die Staubgefässe treten nicht aus
dem Schlunde hervor.
Die Lavendelblumen schmecken bitter aromatisch und riechen sehr
lieblich.
Frische in Deutschland gezogene Blumen geben bis 1,5 pC. ätherisches
Oel, die käuflichen aus Südfrankreich (getrocknet) über 3 pC. Da dasselbe
hauptsächlich in den Drüsen des Kelches enthalten ist, so liefert die ganze
Pflanze weit weniger und auch nicht so feines Oel. Das feinste, freilich in
geringer Menge, liefern die Blumen, das aus den Stengeln erhaltene mag
wohl zum Theil als Spiköl in den Handel gelangen.
Das Lavendelöl setzt in der Kälte bisweilen Campher ab uud enthält
einen bei, 200 — 210°C. siedenden, mit Terpenthinöl isomeren Kohlen-
wasserstoff, welcher wie das rohe Oel selbst, die Polarisationsebene des
Lichtes nach links dreht. Der sauerstoffhaltige Autheil verhält sich wie
der des Rosmarinöles.
Bei der Destillation des Lavendelöls gehen auch flüchtige Fettsäuren,
namentlich Essigsäure, vermuthlicli auch Baldriausäure , über. Werden
frischem Oele diese Säuren durch Alkalien entzogen , so erhält mau doch
wieder ein saures Destillat. Lallemänd vermuthet daher, die Essigsäure
z. B. möchte als Essigäther (Amylacetat?) vorhanden sein.
Geringer und weniger angenehm ist der Geruch des ätherischen Oeles
der Lavandula Spica Chaix (L. latifolia Ehrhart), Nardus italica der
alten Botaniker, grande Lavande der Franzosen, welche in denselben Gegen-
den einheimisch ist, aber bei uns nicht mehr im Freien gezogen werden
kann. Ihre drüsenreichen Kelche unterscheiden sich leicht durch den zu-
sammenhängenden, aber spärlicheren, dichter augedrückten, nicht gefärbten
Ueberzug aus fast fingerförmigen Sternhaareu. Die Blüthen ragen aus den
Kelchen weniger lang hervor; der Blütheustaud ist meist kürzer und ge-
drängter, bisweilen dreigabelig. Das Oel dieser Pflanze, oleum Spicae,
essence d’aspic, besteht aus einem bei 175°C. kochenden, rechts rotirenden
Kohlenwasserstoffe und einem bei 210° G. übergehenden Antheile, woraus
sich bei Behandlung mit Salpetersäure viel Campher absetzt (vergl. bei
Camphora).
Die in ganz Südeuropa uud im Oriente wachsende Lavandula Stoe-
Flores Malvae arboreae.
553
chas L. riecht noch lieblicher als L. officinalis und scheint allein dieLavan-
dula der Alten gewesen zu sein und ihren Namen von lavare (waschen)
vielfacher kosmetischer Anwendung wegen erhalteu zu haben.
Doch soll nach Dierbach in Deutschland die heilige Hildegard
schon um 1150 L. officinalis und L. Spica unterschieden haben.
Flores Malvae sylvestris.
Flores Malvae vulgaris. Malvenblumen. Pappelblumen. Waldpappelblumen.
Fleurs de mauve. Mallow flowers.
Die Blumenkronen der Malva vulgaris (siehe bei Folia Malvae) sind
nur doppelt so lang wie die Kelche, bei M. sylvestris dagegen 3- bis 6mal
so lang. Man sammelt deshalb nur die ohnehin stärker gefärbten Blüthen
der letzteren.
Ihre aufrechten langen, zu 3 bis 5 blattwinkelständigen Blüthenstielchen
tragen einen etwa 5 Millim. hohen fünfspaltigen Kelch, ausserhalb dessen
sich noch drei schmal lanzettliche Hüllblättchen finden. Die fünf, über
0,02'n langen, vorn ausgerandeten Blumenblätter sind am Grunde mit der
viel kürzeren Staubfadenröhre verwachsen und hier bärtig. Ihre sehr zarte,
hell rosenrothe oder ins lilafarbene spielende Fläche ist von einigen dunkel-
purpurnen Streifen durchzogen. Beim Trocknen geht die Farbe in schönes
gleichförmiges Blau über, das durch Säuren in Roth, durch Alkalien in
Grün umgeändert wird.
Der innere Kelch ist dicht mit Sternhaaren besetzt, die Hüllblättchen
und Blüthenstiele mit langen abstehenden Börstchen.
Die Blüthen schmecken schleimig.
Flores Malvae arboreae.
Flores Alceae. Winterrosen. Stockrosen. Pappelroseu. Fleurs de mauve
arboree ou de rose tremiere. Garden mallow.
Althaea rösea Cavanilles. — Malvaceae.
Syn. : Alcea rosea L.
Stattliche, bis 3"1 hohe Staude, welche auf Hügeln und Bergen Griechen-
lands, Syriens und der benachbarten Länder einheimisch ist, aber seit
langem im grössten 1 heile Europas (bis Throndhjem in Norwegen) ihrer
schönen, in mancherlei Farben und Formen abwechselnden Blumen wegen
kultivirt wird.
Die ziemlich starke zwei- oder mehrjährige befaserte Wurzel treibt meist
einfache und gerade jährige Stengel, welche in eine sehr lange beblätterte
Blüthentraube endigen. Zum pharmaceutischeu Gebrauche dienen nur die
dunkel schwärzlich-violett, roth oder braun blühenden Spielarten und zwar
vorzugsweise solche mit mehr als den normalen 5 Blumenblättern. Die-
554
Bliithen.
selben sind rundlich dreieckig oder fast herzförmig, sehr ansehnlich, ziem-'
lieh flach ausgebreitet, aber trocken unregelmässig zu einer etwa 0,040'“
laugen blauschwärzlichen Rolle zusammengeknittert, welche am Grunde
auf der Innenseite mit der derben Röhre der sehr zahlreichen ungefärbten
Staubfäden verwachsen und hier mit langen zum Theil farbigen Zotten-
haaren besetzt ist.
Der Kelch ist gebildet aus einer inneren Reihe von 5 breit lauzettlichen
spitzen, am Grunde verwachsenen Blättern und einer 6- bis 9spaltigeu,
etwas kürzeren äusseren Hülle von schwach gelblicher Färbung. Säinint-
liclie Zipfel sind durch sehr grosse Sternhaare auf der Aussenseite filzig.
In chemischer Hinsicht verhalten sich diese Blumen wie die von Malva
sylvestris; der wässerige Auszug der erstereu wird durch Eisenchlorid
dunkel braunschwarz gefärbt. Sie verrathen auch wohl durch den Geschmack
eine Spur Gerbstoff.
Flores Tiliae.
Lindenblüthe. Fleurs de Tilleul.
1. Tilia parvifölia Ehrhart — Tiliaceae.
Syn. : T. ulmifolia Scopoli.
T. microphylla Venteuat.
T. vulgaris Hayne.
T. europaea y. Linne.
Spätlinde. Winterlinde. Steiulinde.
2. Tilia grandifölia Ehrhart.
Syn. : T. platyphyllos Scopoli.
T. paueiflora Hayne.
T. europaea ß, 8, e Linne.
Frühlinde. Sommerlinde. Holländische Linde.
Die erstere Art ist durch den grössten Theil Europas, von den höheren
Gebirgen Griechenlands an bis 61° nördl. Breite in Norwegen, durch Finn-
land und den westlichen Theil Südsibiriens, doch nicht jenseits des Irtyscli,
verbreitet; vorzugsweise in Ebenen, in Mitteleuropa auch in niedrigeren
Gebirgen. Der Baum wird übrigens eben so häufig in Anlagen gezogen.
Die doldenartig-gabelig, in den Winkel eines länglichen netzaderigen
Deckblattes1) neben den Blattstiel gestellten Blüthen pflegen sich in uuseru
Gegenden Anfangs Juli zu öffnen. Das steif papierartige, oft ungleichhälftige
Deckblatt erreicht die Länge des Trugdöldchens, ist aber mit seiner Mittel-
rippe der unteren Hälfte des Blüthenstieles angewachsen. Derselbe trägt
3 — 15 ? am gewöhnlichsten vielleicht 13 gestielte, weisslich gelbe Blüthen
in anfangs ziemlich ebener, später mehr gewölbter und etwas übergeneigter
Trugdolde, welche im Centrum zuerst aufblüht.
1) Daher der Name Tilia, von «T&OV, Flügel, womit das Deckblatt Achnlichkcit hat.
Flores Tiliae.
555
Die fünf, auf der inneren Seite filzigen eiförmigen Kelchblättclien sind
kürzer als die mit ihnen in gleicher Zahl abwechselnden Blumenblätter.
Die mehrreihigen zahlreichen Staubfäden überragen namentlich im trockenen
Zustande ein weuig die Blumenblätter.
Der oberständige, vom Griffel bespitzte, meist 5 fächerige Fruchtknoten
wächst zum kleinen dünnschaligen und zerbrechlichen, dicht filzigen Nüss-
chen aus, welches zuletzt durch Fehlschlagen regelmässig nur einen Samen
reift und nicht aufspringt.
Die Blüthen verbreiten einen sehr lieblichen, aber nicht kräftigen Wohl-
geruch. den sie einer äusserst geringen Menge ätherischen Oeles verdanken.
Frische Blüthen, von ihren Deckblättern befreit, liefern höchstens etwa
1 pro Mille derselben, oder gewöhnlich nur Bruchtkeile dieser Quantität,
wenn die Deckblätter mit der Destillation unterworfen werden. Als höchste
Ausbeute (jähriger) trockener, von den Deckblättern nicht befreiter Blüthe
erscheint die Angabe von Walz: 0,26 p. Mille. Zeller, so wie Ficinus
fanden das Oel butterartig, krystallinisch erstarrend.
Beim Trocknen büssen die Blüthen ziemlich von ihrem Gerüche ein;
sie schmecken angenehm schleimig. Fast völlig geschmacklos sind die
Deckblätter', die daher auch besser beim Sammeln wegbleiben.
Wachs und Zucker enthalten die Lindenblüthen in geringer Menge.
Eine ziemlich reichliche Ausschwitzung der Blätter des Baumes, welche
Biot, auch Langlois einmal beobachteten, hat sich ihnen als aus Rohr-
zucker, Traubenzucker, Mannit, Gummi, Eiweiss und Salzen bestehend
erwiesen.
Ohne Unterschied werden auch die Blüthen der Tilia grandifolia
gesammelt, welche mehr auf Mitteleuropa beschränkt ist, hier aber höher
in die Gebirge ansteigt, übrigens gleichfalls sehr häufig in Anlagen ge-
zogen wird.
Ihre ansehnlicheren, aber nur 3 oder 4 Blüthen zählenden, etwas dunkler
gelben Doldeu sind gleich gestaltet, wie bei der vorigen Art, und auch von
denselben chemischen Eigenschaften. Sie blühen in unsern Gegenden schon
vor Mitte Juni auf, jedenfalls durchschnittlich volle 2 Wochen vor der Spät-
linde. Die doppelt so grosse fünf kantige Frucht der erstereu ist holzig, bei
weitem derber.
Die schöne weissfilzige Tilia argentea Desfontaines, welche von Thes-
salien und Maccdonien bis Ungarn häufig wächst, auch wohl bei uns da
und dort vereinzelt gezogen wird, liefert ebenfalls in jenen Ländern Blüthen
von kräftigem und feinem Wohlgeruche. In Nordamerika wird Tilia cana-
densis Michaux (T. glabra Yentcnat) gerühmt.
Die Blüthen der Linden werden erst seit dem Mittelalter medicinisch
verwendet; die Alten benutzten nur die Blätter und den Bast des Baumes
in dieser Weise.
556
Blütlien.
Caryophylli.
Caryophylli aromatici. Caryophyllum. Alabastri s. flores Caryophylli.
Gewürznelken. Girofles. Gloves.
Caryophyllus aromaticus L. — Myrtaceae.
Syn.: Eugenia caryophyllata Thunberg.
Der Archipel der Gewürzinseln oder Molukken, vorzüglich Amboina,
vielleicht auch noch Gilolo (Halmahera) und Neu -Guinea scheint die aus-
schliessliche Heimat des Gewürznelkenbaumes gewesen zu sein. Er ist jetzt
durch Cultur auf den Mascareiias, Peuang, Sumatra (Bengkulen seit 1 7 9S),
Jamaica, in Cayenne (seit 1771), Trinidad, Brasilien, Ostafrika (Zanzibar
seit 1830) und andern Tropenländern verbreitet. Auf Amboina, wo 450,000
Bäume 1856 über 600,000 Pfd. Nelken, im folgenden Jahre aber nur noch
160.000 Pfd. lieferten, ist die Cultur im Verfall, ebenso auf Reunion
(Bourbon), dessen Ernte von fast l’/a Mill. Pfd. im Jahre 1849 auf 42,000
Pfd. im Jahre 1858 gesunken ist. Dagegen führte 1858 Jamaica etwa
17.000 Ctr. in England ein, das Hauptproduktionsland, mit 60,000 Ctr.
jährlich, ist aber jetzt Zanzibar. Englands Gesammteinfuhr belief sich 1860
auf fast 1 Million Pfund; diejenige Hamburgs 1864 auf 427,000 Pfund.
Der Werth der jährlichen Produktion aller Länder darf auf etwa l1/* Milliou
Francs geschätzt werden.
Der 30 — 40 Fuss hohe Baum ist vom 10— I2teu Jahre bis zum
24teu , oder nach andern gar bis zum 50ten — 60teu am ertragsfähigsten,
kann aber ein noch höheres Alter erreichen.
Die zahlreichen schönen Blüthen, einzeln zu kleinen endständigen, drei-
mal Stheiligen Trugdolden vereinigt, bestehen aus einem prächtig rotlien,
gerundet 4-kantigen, 0,0 10m— 0,015m langen unterständigen Fruchtknoten
mit 4 kurzen fleischigen aus einander fahrenden Kelchlappen, aus welchen
sich die 4 reiuweissen mit den Lappen abwechselnden Blumenblätter kugel-
förmig zusammengeneigt1) und die Geschlechtsorgane einschliessend er-
heben.
Man sammelt die Blüthen als Knospen, daher die beim Aufblühen deckel-
artig verbunden abfallenden Blumenblätter an der Handelswaare noch er-
halten sind.
Die Farbe der frischen Knospen geht beim Trocknen schon nach wenigen
Stunden in „nelkenbraun“ über. Die noch von Rumphius aus der zweiten
Hälfte des XVII. Jahrhunderts herrührende Angabe, dass auf Amboina die
Nelken geräuchert und gebrüht würden, ist wenig wahrscheinlich. Ein
Baum liefert durchschnittlich je 6 — 7 Pfund, bisweilen wohl das doppelte.
1) Diese Form der Blumenblätter wird mit einem Nüsschcn (x&puov) verglichen uud daher
der griechische Name abgeleitet. Wahrscheinlicher aber dürfte Caryophyllum nur der gräci-
sirte arabische oder persische Ausdruck Karunfal (Nelken) sein, oder nach Lassen vielleicht
vom indischen Worte Karukaphulla, Granatblüthe, abstamuien.
Caryophylli.
557
In dem Stadium, wo die Nelken Übungsgemäss in den Handel gelangen,
scheinen sie die grösste Menge ätherischen Oeles zu enthalten, in noch jün-
gerem Zustande riechen sie feiner und milder, nach dem Aufblühen nimmt
aber das Aroma an Quantität und Qualität ab, und die Frucht ist sehr
wenig kräftig.
Die etwas helleren, gegen den Rand faot farblosen, einander fest um-
schliessenden Blumenblätter sind an der Droge dick häutig runzelig, durch
kleine Gefässhündelchen geadert und besonders wegen der sehr zahlreichen
Oelzellen durchscheinend. Der zugespitzte Griffel erhebt sich aus der kreis-
runden Vertiefung einer quadratischen , am Rande wallartig erhöhten
(epigynischeu) Scheibe, deren Winkel den Kelchlappen zugewendet sind.
Au den Seiten der Scheibe und zwar am äussern Fusse des Walles ent-
springen die 4 Blumenblätter, an deren Grunde die zahlreichen Staubfäden
eingefügt sind. Sie schmiegen sich in der Knospe genau der Kugelwölbuug
der Blumenblätter an.
Der sehr lange Fruchtknoten ist ganz mit der Kelchröhre verwachsen
und enthält nur zu oberst dicht unter dem Griffel zwei vieleiige Fächer,
deren Scheidewand in die kürzere Diagonale des spitz rhombischen Quer-
schnittes des Fruchtknotens fällt. Der tiefere Theil desselben (Unterkelch,
Hypanthium) ist nicht hohl und wie die Kelchlappen von spröder Con-
sistenz und sehr runzeliger, nicht eben glänzender Oberfläche.
Der Querschnitt einer Gewürznelke unterhalb der Fruchtknotenfächer
bildet eine Raute, deren Seiten jedoch in unregelmässiger Wellenlinie mit
abgerundeten Winkeln verlaufen und fast eine Ellipse beschreiben. Das
äussere schwammige Zellgewebe schliesst eine viel dichtere, dunkler braune
und schärfer ausgeprägte, stark ölglänzende Raute ein, deren helleres,
äusserst liickiges Füllgewebe von einem dunklen centralen Gefässbündel
durchzogen ist. Der geringste Druck genügt, um Oeltropfen aus dem Gewebe
auszupressen.
Bei stärkerer Vergrösserung erscheint die äussere schwammige Schicht
als dünnwandiges, ziemlich kleinzelliges Gewebe, dessen peripherische
Reihe fast kubische Zellen enthält, die von der knorpeligen, 15 Mikromill.
dicken, wellenförmig verlaufenden Oberhaut bedeckt sind. Mehr nach innen
folgen radial gestreckte Zellen, welche allmälig in sehr schlaffes Gewebe
mit eiförmigen, etwas dickwandigen Zellen übergehen. Dieses ganze Rinden-
gewebe enthält, auch noch iu den Kelchlappen, im Griffel und in der epi-
gynischen Scheibe, sehr zahlreiche eiförmige, bis 300 Mikromill. messende
Oelzellen. Sie sind ziemlich horizontal gelagert und iu 2- bis 3facher Reihe
dicht unter der Oberhaut sehr enge zusamraeugedrängt, so dass ein dünner
Querschnitt leicht gegen 200 dieser grossen Oelräume aufweist. Mehrere
Reihen sehr zusammengefallener kleiner und flach tafelförmiger Zellen bilden
die Einfassung derselben.
Jener dichten dunklen rautenförmigen Zone, welche schon dem unbe-
waffneten Auge wahrnehmbar ist, entspricht eine Reihe von ungefähr 30
558
Blütlien.
Gefässbündeln, welche durch schlaffes dickwandiges Parenchym von ein-
ander und von den Oelräumen getrennt werden. Ihre Stärke ist durch-
schnittlich geringer als die Weite der Oelräurae. Jedes Gefässbündel
(Fibrovasalstrang) enthält in einem sehr kleinzelligen prosenchymatischen
Gewebe eine einzelne oder mehrere kleine Gruppen zarter abrollbarer,
höchstens 10 Mikromill. dicker Spiralgefässe. In der Peripherie eines jeden
solchen Gefässstranges stehen entweder vollkommen unregelmässig zerstreut
oder zu einem dichten Kreise vereinigt, 6 — 20 fast ganz verholzte
Baströhren von etwa 500—800 Mikromill. Länge und höchstens 50 Mikr.
Dicke. Sie sind von senkrechtem Bastparenchym begleitet, dessen kubische
Zellen je eine Krystallrosette von Kalkoxalat einschliessen.
Die Gefässbündel sind au Grösse verschieden, stehen in ziemlich un-
gleichen Entfernungen voneinander und sind in der Nähe der beiden spitzen
Winkel des Querschnittes mehr gehäuft. Die einzelnen Gewebe erscheinen
in manchen Bündeln strahlig geordnet.
Das schlaffe Parenchym, das die Gefässbündel umgibt, wird nach innen
zu immer dickwandiger und lockerer, so dass zuletzt sehr grosse Luftlücken
darin auftreten, welche ganz unregelmässig von wurmförmigen Zelleureihen
durchzogen und begrenzt sind. Die Axe der Nelke endlich wird von einem
grossen centralen Gefässbündel eingenommen, das in seinem Bau nur da-
durch von den schon beschriebenen Gefässträngen abweicht, dass ihm die
verdickten Baströhren fehlen, obwohl das krystallführende Bastparenchym
im centralen, Gefässbündel sehr stark entwickelt ist.
In den Gefässbündeln bemerkt man gelbbraunes Harz; das ätherische
Oel verbreitet sich aus seinem ursprünglichen Sitze, den grossen Oelräumen,
in Tropfen durch das ganze Gewebe. Als hauptsächlich und in grosser
Menge Gerbstoff enthaltend, erweisen sich durch Befeuchten mitEisenlösuug
die Gefässbündel und die Wandungen der Oelräume. Stärke fehlt ganz.
Die Gewürznelken schmecken feurig aromatisch und zwar weit stärker
als die übrigen Organe des Baumes, welche alle auch mehr oder weniger
ölhaltig sind.
Die derbe lederige Oberhaut der Nelken erschwert den Austritt des
ätherischen Oeles, so dass die verschiedenen Angaben über die Ausbeute
zum Theil durch ungenügendes Zerkleinern und unvollständige Destillation
erklärlich sind. Eben so ist ohne Zweifel auch die Güte der W aare je
nach der Herkunft veränderlich und es kann ihr wohl gar schon ein Theil
des Oeles in betrügerischer Weise entzogen worden sein. Als höchster Ge-
halt au ätherischem Oele können volle 25 pC. angenommen werden, als eiu
oft vorkommendes Verhältuiss 16 — 18 pC. Wenigen Pflanzenorganen diirtte
ein grösserer Reichthum au ätherischem Oele eigen sein.
Das Nelkenöl ist ein schwankendes Gemenge von indifferentem, nach
Terpenthinöl riechendem und damit isomerem Kohlenwasserstoff und einem
Oele E,ÜH12-Ö-2 von sauren Eigenschaften, daher Nelkensäure genannt.
Specifisches Gewicht (0,901) und der Siedepunkt (251 C) des ersteren
Caryopbylli.
559
liegen auffallend höher als bei Terpenthinöl. Die Nelkensäure, von 1,068
specif. Gewicht, besitzt den Geschmack und Geruch der Nelken, und siedet
bei 251 — 253° C. Mit Alkalien, besonders mit Baryt, liefert sie krystalli-
sirbare, sehr beständige Salze. Die Nelkensäure findet sich nach Sten-
liouse auch im Oele der Blätter von Cinnamomum zeylanicum (siehe Goi-
tex C. zeylanici), nach Gladstone in Fructus Lauri (vgl. diese) und nach
Oeser auch im Piment (s. uuten). Cortex Canellae albae und die sogenannte
Cassia caryophyllata (von Persea caryopliyllata Martius, Laurineae) ent-
halten gleichfalls Nelkensäure. Ein Theil der bei der Destillation im W asser
gelösten Nelkensäure scheidet sich nach einiger Zeit daraus in Ivrystall-
blättchen des indifferenten, aber der Säure gleich zusammengesetzten
Eugenins ab. — Geruch- und geschmacklose Nadeln von Caryophyllin
£1OH16 0, isomer mit dem gewöhnlichen Campher, erhält man in geringer
Menge durch siedendeu Weingeist oder Aether aus den Nelken.
Die Carmufellinsäure,1) welche Muspratt u. Danson nach Di-
gestion eiues wässerigen Nelkenauszuges mit Salpetersäure erhielten, ist
ohne Zweifel ein Produkt dieser Behandlung.
Gummi enthalten die Nelken in reichlicher Menge. Früher fanden sie,
wie es scheint, ihres hohen Gerbstoffgehaltes (17 pC. Trommsdorff)
wegen in der Färberei Verwendung. Die Benutzung wohlfeilerer Stoffe zu
diesem Zwecke hat sehr zur Verminderung der Nachfrage für Nelken bei
getragen.
Die verschiedenen im Handel vorkommenden Sorten bieten nicht sehr
erhebliche Eigenthiimlickeiten dar. Die Nelken von Amboiua entsprechen
der obigen Beschreibung und sind am schönsten, diejenigen von Bourbon
etwas schlanker, mit Stielen und Blattresten verunreinigt, die Zanzibar-
Sorte ebenso und zugleich bedeutend dunkler und dünner. Letztere kömmt
jetzt hauptsächlich auf den Markt.
Die Nelken wachsen zu einer einfächerigen einsamigen trockenen Beere
aus, welche noch vom Kelche gekrönt ist, aber durch die dick cylindrische
oder bauchig-keulenförmige Gestalt sehr von der Knospe abweicht. Vor der
völligen Reife gesammelt, waren diese Früchte früher unter dem Namen
Aiithophylli , Mutternelken, gebräuchlich. Sie sind oben etwa 0,008"'
dick, nach unten in den kurzen Stiel auslaufend, bis 0,025m lang, von mehr
graulicher als nelkenbrauner Farbe. Das kaum y4 Millim. dicke Frucht-
gehäuse schliesst zwei dicke, aussen schwärzliche, in ihrer Mitte das starke
Wiirzelcheu bergende Samenlappen, ohne Eiweiss, ein.
Das Fruchtgehäuse besteht aus dickwandigem, tangential gestrecktem
Parenchym, bedeckt von derselben Oberhaut wie die Nelken. Die Antlio-
phylli enthalten in der äusseren Schicht des Fruchtgehäuses gleichfalls
viele Oelräume , die aber doch meist kleiner, bei weitem weniger zahlreich
und ärmer an Oel sind als in den eigentlichen Nelken. Die innere Schicht
0 Karanful, Kermful, arabischer Name der Gewürznelken.
560
Bliithen.
des Fruchtgehäuses wird von Gefässträngcn durchzogen. Die Kotyledonen
riechen mehr nach Kamillen als nelkenähnlich und strotzen von sehr grossen
(bis o() Mikrornill.) eiförmigen Stärkekörnern in dickwandigem porösem
Parenchym , das an der tiet braun gefärbten Peripherie von einigen Oel-
räumen unterbrochen ist. Durch das ganze Gewebe der Anthophylli sind
zahlreiche Krystalldrusen von Kalkoxalat zerstreut.
Unter dem Namen Festucae s. Stipites Caryophyllorum, Fusti ,‘)
Nelken holz oder Nelkenstiele, finden sich noch jetzt die Blüthenstiele
der Nelken im Handel. Sie sind dreimal dreigabelig, gehen in abwechselnder
Stellung untersehrspitzem Winkel von der gemeinschaftlichen, etwa 0,004'“
dicken, kurz abgeschnittenen und sanft quadratisch 4 kantigen Spindel ab
und bilden zusammen einen dichten, gegen 0,040m langen Büschel.
Der Querschnitt eines Stieles zeigt ein ansehnliches weitmaschiges
Mark, umgeben von einem strahligen dichten Holzkreise, welcher von einer
lockeren, ungefähr gleich breiten primären Rinde eingeschlossen ist. Die-
selbe ist von dem Oberhäutchen bedeckt und enthält eine Menge grosser
zierlicher Steinzellen, neben wenig zahlreichen Oelräumen, deren ein feiner
Querschnitt etwa 20 aufweist. Der Holzkreis ist gegen die Mittelrinde und
gegen das Mark von Baströhren gesäumt, welche ebenso gebaut sind, wie
die der Anthophylli und der Nelken selbst und gleichfalls von krystall-
führendem Parenchym begleitet werden. Das Holz besteht ans Spiralgefässen
und zartem Prosenchym. Im Marke treten noch vereinzelte Steinzellen auf.
Die Nelkenstiele schmecken weit kräftiger aromatisch als die Antho-
phylli und enthalten noch 4 bis 5 pC. Nelkenöl.
Die wohlfeilen Nelkeustiele werden sehr gewöhnlich den Nelken bei-
gegeben, welche in gepulverter Form in den Handel gelangen.2) Die Stern-
zellen der erstereu, welche in den Nelken selbst fehlen, lassen eine solche
Verschlechterung der Waare mikroskopisch, besonders nach Behandlung
mit Kali unter Glycerin, erkennen.
Den alten Griechen scheinen die Gewürznelken nicht bekannt gewesen
zu sein, und Garyophyllon des Plinius ist wohl kaum mit der Sicherheit
auf die Nelken zu beziehen, wie Peschei'4) annimmt.'4) Unzweideutig aber
werden sie von den griechischen Aerzten des VI. und VII. Jahrhunderts,
z. B. von Aetius, Alexander Trallianus und Paulus Aegiueta
erwähnt und später von den arabischen Aerzten sehr viel gebraucht, so
dass sie im Mittelalter 5) in Europa wohl gekannt und hoch geschätzt waren.
D Fusto, italienisch, = Stiel. — Französisch: griffes de girofles.
2) Eine Substitution, welche z. B. der Rath von Bern schon 1518 verbot.
3) Geschichte der Erdkunde. München 1865. 15.
4) auch die Angabe von Merat u. de Lens (Dictionn. do mat. med. II. 119), dass
Caillaud ciuo ägyptische Mumie mit einem Halsbande aus Nelken versehen gefunden
habe, steht vereinzelt da.
5) Das bei Semen Hyoscyami erwähnte Arzneibuch aus dem XII. Jahrhundert schreibt sic
unter anderem vor „contra ficum“, auch die heilige Hildegard um 1150 erwähnt gariofcl,
andere um dieselbe Zeit carioffcr. Nicolo Conti (vgl. bei Piper nigrum) gariofali.
Caryophylli.
561
Erst Marco Polo erwähnte 1272 den Gewürzmelkenbaum1) in einem Lande
Caindu, das wir vermuthlich in Hinterindien, im Stromgebiete des Irawaddi,
zu suchen haben. Allerdings ein auffallendes, doch nicht unmögliches Vor-
kommen! Ritter beanstandete Polo’s Angabe, dass dieNeUcenblüthe weiss
gej — aber mit Unrecht. Gerade der Zusatz,2) dass sie sich beim Reifen
dunkel färbe, spricht sehr für Caryophyllus aromaticus, dessen Blumen-
blätter freilich weiss sind und nicht roth, wie Ritter meinte. Beim Abfallen
derselben bleibt der dunkelrothe Fruchtknoten ja allein übrig, so dass auch
hier des wackeren Venetianers Beobachtung ganz richtig erscheint.
Nachdem die Portugiesen sich seit 1524 auf den Molukken festgesetzt,
gelangten die Nelken reichlicher nach Europa. — Clusius erhielt 1600
in Amsterdam ziemlich frische Zweige des Nelkenbaumes. Die Holländer,
welche 1599 die Molukken in ausschliesslichen Besitz nahmen, monopoli-
sirten die Cultur und den Handel dieses Gewürzes mit allen Härten ihrer
(bei Cortex Cinnamomi und Semen Myristicae erwähnten) Handelspolitik.
Poivre, dem französischen Intendanten von Bourbon und Ile de France,
gelang es aber 1769 — 1771 dennoch, sowohl den Nelkenbaum als auch
dieMyristica dorthin zu verpflanzen und dadurch den Grund zu der jetzigen
ausgedehnteren Cultur der Gewürznelken zu legen.
Eine sehr bedeutende Rolle im Gewürzhandel spielt der Nelken-
pfeffer, auch Piment, Neugewürz, Nelkenköpfe, Jbructus Amoini
s. Pimentae , in England Jamaica- pepper oder Allspice genannt. Es sind
die Früchte der in Westindien, vorzüglich auf Jamaica und in Mexico
(Tabasco) einheimischen, daselbst so wie in Südamerika und Ostindien
auch cultivirten Myrtacee Pimenta of/icinalis Berg (Syn. : Myrtus Pimenta
L., Eugenia Pimenta DeC.) und ihrer Varietäten. Die kugelige, bis 0,007m
messende ungestielte, von dem Griffel und Kelchrande gekrönte Frucht ist
mit einer körnig rauhen graubräunlichen Schale versehen, die nur etwa Vs
Millimeter dick und leicht zerbrechlich ist. Sie schliesst meist in zwei
Fächern zwei eiweisslose dunkelbraune Samen ein. Dicht unter der dünnen
Oberhaut und zum Theil warzenförmig mit derselben hervortretend, nimmt
eine Reihe dicht gedrängter, dunkelbraun gesäumter Oelräume die äusserste
Schicht des Fruchtgehäuses ein. Sie sind gleich gebaut wie in den Nelken,
doch mehr kugelig und durchschnittlich nur 150 — 180 Mikromill. weit.
Im übrigen schlaffen , mit Krystallrosetten besäeten Parenchym herrschen
grosse harzreiche Steinzellen vor, da und dort von einem Gefässbiindel
0 „Prosperano quivi i garofani , cho nascono da un alboretto il quäle ha le foglie come
,1 alloro, un poco piu lunghe e piu strctte; il fiore e bianco, piccolo come un garofano.“
Italienische Ausgabe von Pasini.
2) Derselbe findet sich in Bürck s Ausgabe der Reisen von Marco Polo, nicht in der-
jenigen von P as ini , Venedig 1847. — Marco Polo ist daher der erste, der uns mit
der NeLkonmyrtc bekannt machte, nicht erst Bartoma (1506), wie Pesch cl 1. c. 315
anuiinrnt. Ernst Meyer fragt, ob M. Polo nicht vielleicht blos Syzygium caryophylli-
folium DeC. gesehen liabo?
Flückiger, Pharmakognosie.
3G
562
Blüthcn.
durchsetzt. Die Oberhaut, die innere Fruchthaut und das Gewebe der Oel-
räume sind sehr reich an Gerbstoff.
Der Piment, besonders das Fruchtgehäuse, riecht und schmeckt nelken-
ähnlich, doch schwächer. Auch die Peripherie des stärkereichen Samens
ist mit etwas kleineren Oelräumen besetzt. Derselbe schmeckt mehr herbe
als aromatisch.
Das ätherische Oel, wovon der Piment bis 10 pC., meist aber nur un-
gefähr 3 pC. gibt, ist nach Oeser mit dem Nelkenöl übereinstimmend zu-
sammengesetzt.
Der Piment wurde zuerst 1G05 von Clusius unter dem Namen Arno-
mum erwähnt. Jamaica führte davon 1799 etwa 2V2 Millionen, 1857 gegen
83A Mill. Pfund aus. 1862 gingen nach England allein über 3 Mill. Pfund.
Der Gesammtwerth der jährlichen Pimentproduktion steht wenig unter dem
der Nelken.
Noch andere nahe verwandte Myrtaceen Central- und Süd- Amerikas
liefern übrigens gleichfalls ähnliche Früchte.
Flores Kosso.
Flores Brayerae s. Kusso. Kosso. Qwuso. Cousso. Kosso.
Hagenia ahyssinica Willclenow. — Rosaceae-Dryadeae .
Syn. : Banksia abyssinica Bruce.
Brayera anthelminthica Kunth.
Der hübsche, bis 20m hohe Kossobaum, auch Kussala genannt, gehört
der abyssinischen Bergregion von 3000 bis gegen 4000'“ über Meer au,
besonders im oberen Flussgebiete des Takazze den Hochebenen und zer-
rissenen Alpenlandschaften von Lasta und Samän. Er würde sich daher
wohl auch in Südeuropa ziehen lassen.
Der Baum ist ausgezeichnet durch die grossen achselständigen Bliithen-
rispen, welche in Folge unvollständiger Ausbildung des Stempels oder der
Staubgefässe eingeschlechtige Blüthen enthalten. Der jjanze weibliche
Bliithenstand, einfach getrocknet, oder höchstens einzeln in Zöpfe oder Rol-
len zusammeugedreht, bildet das officiuelle Kosso, das im December und
Januar vor der Fruchtreife gesammelt wird.
Die weiblichen Blüthen stehen weit zahlreicher auf abwechselnden ge-
knickt auseinander fahrenden und oft etwas gebogenen Aestchen zu einer
sehr stattlichen breiten und bis über 0,20'" hohen Trugrispe vereinigt. Die
starke gemeinschaftliche , ebenfalls hin und her gebogene Spindel sammt
allen Verästelungen ist durch lauge, etwas starre dickwandige bräunliche
Haare von ganz einfachem Bau zottig. Die Rispe ist überdies mit ansehn-
lichen gelben Dräschen bestreut, welche von einem kurzen mehrzelligen
Stielchen getragen werden.
Die grossen Fiederblätter der Zweige gehen in der Nähe des Blütheu-
standes iu einfache spitz eiförmige und ganzrandige Deckblättchen über,
Flores Kosso.
563
welche jede Theilung der Spindel unterstützen. Am Grunde jeder Blüthe
sitzen überdies noch zwei kleinere netzig-häutige Deckblüttchen. Aus dem
äusseren Rande des krugförmigen Fruchtbehälters (Unterkelches) gehen
zwei Reihen von je vier oder fünf Kelchblättchen hervor, welche einen gleich-
zähligen Kreis kleinerer weisslicher Blumenblätter einschüessen. Auch durch
die grün röthliche Färbung ist der Kelch mehr ausgezeichnet, besonders
aber in der weiblichen Blüthe dadurch, dass die äusseren Kelchblätter nach
der Blüthezeit auswachsen, bei einer Länge von etwa 0,0 lm die ganze Blüthe
um das dreifache überragen und eine dunklere Purpurfarbe annehmen,
welche in der Droge allerdings sehr blass erscheint. Die inneren Kelch-
blätter neigen sich zuletzt zusammen, werden aber nichf grösser. Im
Kelche der männlichen Blüthe verändern sich aber auch die kleineren
Blätter der äusseren Reihe nicht und die Rispe bleibt lockerer, so dass
die entwickelten weiblichen Bltithenstände als rothes Kosso leicht zu unter-
scheiden sind.
Der verengerte Schlund des zottigen Fruchtbehälters trägt 10 bis 25
kurze Staubgefässe; in der weiblichen Blüthe, wo ihre Zahl durchschnittlich
auch kleiner bleibt, verkümmern die Autheren. Der Stempel, aus zwei
Fruchtblättern gebildet, entsendet aus dem Grunde des Fruchtbebälters oder
Fruchtbodens zwei behaarte Griffel mit gelappter dicker Narbe fast zur
Höhe der Staubgefässe. Der männlichen Blüthe fehlen die Narben.
Das kleine Früchtchen, gewöhnlich durch Fehlschlagen einzeln, bleibt
vom Fruchtbehälter eingeschlossen, der letztere von den schon erwähnten
eiförmigen aderigen Kelchblättern der äusseren Reihe gekrönt.
Die Frucht ist ein umgekehrt eiförmiges und einsamiges, durch den Rest
des Griffels bespitztes Niisschen.
Unentwickelte weibliche Blüthenstände , so wie die männlichen, sind
wenig wirksam, letztere zudem wie es scheint Brechen erregend. Das
„rothe“ Kosso wird daher vorgezogen. Es schmeckt zuerst schleimig,
daun ekelhaft kratzend , anhaltend bitter und adstriugirend. Der schwache
Geruch erinnert an Holuuderblüthe.
Wittstein hat 1840 im Kosso neben allgemeiner verbreiteten Stoffen
(Wachs 2 pC., Zucker 1, Gummi 7, Asche 15,7, Gerbstoff 24 pC.) ein ge-
schmackloses und 6,25 pC. eines kratzenden bitteren Harzes gefunden,
welches Saint-Martin krystallisirt erhielt und Kosein nannte.
Willing (1855) stellte aus den Blüthen eine geringe Menge sauren
ätherischen Oeles und 4,5 pC. Harz dar. Ersteres besitzt in hohem Grade
den Geruch des Kosso, soll aber die Augen sehr stark reizen.
Die nach Harms 6 pC. betragende Asche besteht hauptsächlich aus
alkalischen Carbonaten und Phosphaten. Derselbe bemerkte auch , dass
einem Theile des Harzes saure Eigenschaften zukommen. In die Tinctur
geht eine Kalkverbindung desselben über, die beim Stehen kohlensaureu
Kalk abscheidet. Zum Ausziehen des sauren Harzes, Koussin oder Tae-
niin, lässt sich daher nach Pavesi Kalkhydrat benutzen.
36*
564
Blüthen.
Martius fand im ganzen 7,5 pC. Harz; Bedall wies ferner (18G2)
in den Blüthen uud den Stielen Oxalsäure, Essigsäure, Valeriansäure x) und
Stärke nach, so wie in der Asche etwas Borsäure. Das Koussin erhielt
derselbe vermittelst Alkohol und Kalk völlig farblos, krystallinisch, in Alka-
lien löslich. Es reagirt in weingeistiger Lösung sauer, schmilzt bei 193° C.,
aber nicht ohne Zersetzung. Die Ergebnisse von Bedall’s Analysen des
bei 125° C. von hygroskopischem Wasser befreiten Koussins führen zu der
Formel G2,’H44-G5; sie passen aber merkwürdigerweise noch besser zu der
Formel G2OH3404, welche einem von Anderson mit kochendem Alkohol
der Kamala (siehe dort) entzogenen Harze zukömmt. Ob das letztere viel-
leicht mit Koussin identisch ist, lässt sich vorerst aus den sparsamen An-
gaben Ander son’s nicht entnehmen. Das Koussin ist nach Bedall keine
gepaarte Zuckerverbindung; es hat sich in Dosen von 1 bis 2,5 Grammen
entschieden wurmtreibend erwiesen.
Kosso, mit dumpfem o gesprochen, ist in Abyssinien seit Jahrhunderten
bei Menschen und Schafen gegen Bandwurm gebräuchlich. Die Krankheit
sowohl als das Heilmittel heisst Kosso* 2). Durch Karawanen wurde dasselbe
au den Nil und nach Aegypten gebracht, von wo es auch nach Konstan-
tinopel und hier (1822) zur Kenntniss des französischen Arztes Br ay er
gelangte, welcher die Droge 1824 in Paris durch Kunth bestimmen liess.
Dieser Botaniker verlieh ohne Berücksichtigung der beiden oben an der
Spitze angegebenen Synonyme aus den Jahren 1790 und 1799 der Pflanze
den Namen des Arztes.
Obgleich die werthvollen Wirkungen des Kosso in London und Paris
alsbald bestätigt wurden, fand das Mittel erst etwa seit 1842 oder 1848
allgemeinere Verbreitung, aber noch 1851 stand es sehr hoch im Preise,
in Paris z. B. über 2 Francs das Gramm.
In Abyssinien ist es Sitte, alle zwei Monate Kosso zu nehmen, entweder
für sich oder mit Zusätzen in Substanz, oder in Form eines Aufgusses gegen
den dort ausserordentlich verbreiteten Bandwurm und die Ascariden. Das
Land ist aber auch mit einer ganzen Reihe von specifischen Heilmitteln ge-
segnet, die bei uns noch nicht allgemeinen Eingang gefunden haben.
Schon 1851 hat Martius3) nicht weniger als 16 derselben aus den
verschiedensten Pflanzenfamilien, sowohl Wurzeln und Rinden, als Blätter,
Blüthen und Früchte, aufgezählt.
J) Hageniasäure von Viale u. Latini dürfte ein Gemenge sein.
2) Munzing er, mündliche Berichte.
3) Cannstatt-Wiggors’scher .Tahresb. pag. 70 — 72.
Cortex Citri.
565
VI. Früchte.
A. Fruchtschalen.
Cortex Citri.
Cortex fructus Citri. Pericarpium Citri. Cortex Limouum. Citronenschale.
Limonenschale. Ecorces ou zestes de citrons ou de limons. Lemou peel.
Citrus Limouum Risso. — Aurantiaceae.
Syn.: Citrus medica ß) L.
Der Limoneubaum, Limonier der Franzosen, findet sicli noch jetzt wild
in den Wäldern Nordindiens und hat sich in gleicher Weise verbreitet wie
Citrus vulgaris. Von diesem unterscheidet er sich durch aussen roth ange-
laufeue , wenig wohlriechende Blüthen , ungeflügelte Blattstiele und beson-
ders durch die eiförmige zugespitzte, oben und oft auch am Grunde mit
einer Zitze versehene Frucht von heller, nicht röthlicher Farbe und saurem
Fruchtfleische.
Diese Frucht, die Limone, geht seit langem in Deutschland und Frank-
reich unter dem Namen Citrone1), welcher eigentlich der dickschaligen,
schwach sauren Frucht von Citrus medica Risso (Cedratier, auch wohl
zweideutig Citronnier) zukömmt. Linne hatte die Limone als Varietät zu
der Hauptart C. medica gestellt.
C. Limonum sowohl als C. medica werden in sehr zahlreichen Spiel-
arten gezogen.
Von der Eiform abgesehen, stimmt der Bau der Limone mit dem der
Orange überein. Die weit dünnere, aber zähere Fruchtrinde der ersteren
wird in höchstens 2 Millim. dicken (in Wasser auf das Doppelte anschwel-
lenden) Spiralbändern abgeschält, welche sich an den Rändern stark um-
biegen. Auf ihrer auch nach dem Trocknen mehr gelben als röthlichen
Oberfläche treten die überdies grösseren Oelräume neben den geringeren
Runzeln stärker hervor und machen sich auch wohl auf der Unterseite be-
merklich. Die käuflichen Schalen scheinen mehr von gewissen Varietäten
der Citrus medica Risso zu stammen als von der Limone.
Das Gewebe stimmt mit dem von Cortex Aurantiorum überein und ist
nur etwas dickwandiger, und die Zellen, auch von den erweiterten Zwischen-
gängen abgesehen, da und dort groblöcherig. Auch hier fehlt es nicht an
Kalkoxalat, obwohl es vielleicht etwas spärlicher auftritt.
Die Citronensclialen riechen und schmecken nach dem Trocknen weit
weniger aromatisch als frisch. Die Bitterkeit ist unbedeutend.
Das ätherische Oel der Citrone (Oleum Citri) und der Limone (Oleum
de Cedro) besitzt einen eigenthümlichen sehr angenehmen Geruch, steht
aber in chemischer Hinsicht dem mit beiden isomeren Terpenthinöle äusserst
D Die Engländer aber nennen ihren officinelleu Saft Limonis snccue.
566
Früchte.
nahe und unterscheidet sich mehr nur durch abweichendes optisches Ver-
halten. Es dreht die Rotationsebeue immer nach rechts und zwar weit be-
deutender als die rechts rotirenden Modificatioueu des Terpenthiuöles. Das
Citronöl scheint übrigens ein Gemenge isomerer, sehr übereinstimmender
Kohlenwasserstoffe zu sein. Die trockenen Schalen enthalten wenig Oel.
Dasselbe wird aus frischen Früchten, Limonen oder Citroneu, hauptsächlich
in Sicilien durch Destillation, oft verbunden mit vorherigem Auspresseu,
gewonnen.
Das weisse Parenchym der Schalen färbt sich durch Ammoniak eben-
falls vorübergehend gelb, wie das der Orangen. Eisenchloridlösuug zeigt
darin nur wenig Gerbstoff au und von Jod wird das Gewebe gebräunt.
Der Säuregehalt ist an der getrockneten Waare kaum mehr bemerklieh.
Frische Limonen, wie wir sie zu Anfang des Winters aus Oberitalieu
in unseren Gegenden erhalten, geben im grossen durchschnittlich etwa
30 Grammen Saft, welcher die Hälfte seines Volums Normalnatronlauge
sättigt, was auf Citronsäure berechnet, 8,25 pC. derselben entspricht. Citrus
medica Risso scheint bedeutend weniger zu enthalten.
Der Saft unverkäuflicher Limonen und Citronen wird in Sicilien durch
Gährung geklärt, mit Kalk gesättigt und das unlösliche Salz zur Darstellung
der Citronsäure verwerthet.
Aus den Samenkernen der Limonen und Apfelsinen (Orangen von Ci-
trus Aurautium ß) sinensis L.) hat Schmidt das bittere rhombisch krystal-
Hsirende Limonin G42H50Q13 (?) dargestellt. Es scheint ein äusserst be-
ständiger Körper zu sein, der nähere Untersuchung verdient.
Der Limonenbaum und seine Frucht waren den Alten unbekannt und
gelangten erst um das X. Jahrhundert durch die Araber nach Aegypten und
Palästina, wo sie z. B. im XIII. Jahrhundert bestimmt genannt werden.
Die Kreuzfahrer brachten sie vermuthlich um diese Zeit nach Südeuropa.
Aus dem Sanskritnamen Nimbuka, kiudustanisck Libu, Limu, machten
die Araber Lirnun.
Die Frucht von Citrus medica Risso hingegen gelangte zu Anfang un-
serer Zeitrechnung nach Rom und zwar unter dem rein griechisch-lateini-
schen Namen Kitrou, Citreum für die Frucht, Citrus1) für den Baum.
(Bidschapura im Sanskrit).
Unter der römischen Herrschaft cultivirte man den Citroueubaum in
Palästina; die Juden hatten ihn wohl in Babylon kennen lernen. In Italien
gelang seine schou früher versuchte Ansiedelung erst um d$s III. oder IV.
Jahrhundert. Dass Citrus medica in Nordpersien (Medien) ursprüglich ein-
heimisch sei, ist unwahrscheinlich, dagegen ist er durch Royle in Nord-
indieu wild uachgewiesen.
Die deutschen Botaniker zu Ende des Mittelalters unterschieden be-
stimmt Citrone und Lirnoue.
]) Unter Citrus hatten die Römer ursprünglich Tnmarix Orientalin horsk. verstanden.
Cortex Aurantiorum.
567
Cortex Aurantiorum.
Cortex fructus Aurantii. Pericarpium Aurantii. Pomeranzenschale. Ecorces
ou zestes d’oranges ameres. Bitter-orange peel.
Die als Aurantia immatura beschriebenen Früchtchen entwickeln sich
zn einer fleischigen kugeligen, etwa 0,05m grossen Beere mit meist 8 dünn
wandigeu trennbaren Fächern, deren schwammiges Gewebe mit sehr bitte-
rem Safte erfüllt ist und je 2 bis 5 Samen einhüllt. Die Franzosen unter-
scheiden diese Frucht als Bigarade oder Orange amgre, die Deutschen als
Pomeranze.
Das gelbrothe lederige Fruchtgehäuse wird der Länge nach, gewöhnlich
mit Beseitigung des Nabels und der Spitze, in 4 spitz elliptische Stücke ge-
schnitten, welche beim Trocknen ziemlich die Form der Kugeloberfläche,
bewahren und an dem bis 0,005m dicken Rande nur wenig heraufgebogen
sind. Die nach dem Trocknen blässere Oberfläche ist sehr unregelmässig
höckerig-runzelig, durch zahlreiche eingesunkene Punkte grnbig vertieft und
erhebt sich bisweilen auch zu hornförmigen Auswüchsen. Die Bruch-
oder Schnittfläche zeigt, dass die Unebenheiten der Schale grossentheils
von den bis 1 Millim. weiten eiförmigen Oelräumen herrühren, welche in
einfacher oder fast doppelter Schicht in die äussersten Lagen des Frucht-
fleisches eingesenkt sind. Diese Räume und ihre Umgebung sind durch
verharztes Oel gelblich bis rothbraun gefärbt, während das derbschwammige
Gewebe der doppelt so starken inneren Fruchtschicht rein weiss und nur
von gelben Gefässbündeln in geringer Zahl durchzogen ist. Die Schalen
sind sehr brüchig oder nur in der äusseren Schicht etwas zähe.
Der anatomische Bau der Pomeranzenschalen entspricht nach Form und
Inhalt dem der Aurantia immatura, nur sind die im Wasser sehr aufquellen-
den Zellen der ausgereiften Frucht weit stärker, grösser und mit kurzen,
etwas aufgedunsenen Aesten versehen. Wo diese unregelmässigen Aeste be-
nachbarter Zellen aufeinander treffen, sind ihre Wände dünner und sieb-
artig porös, oft etwas von einander abstehend. Die Zwischenräume dieses
lockeren Gewebes, welches da und dort von Gefässbündeln durchzogen und
nur hier etwas dichter ist, sind bei weitem umfangreicher als die langen,
fast sternförmig ästigen Zellen selbst, aber von höchst unregelmässigem
Umrisse, da die Zelläste in sehr manigfaltiger Richtung aufeinander stossen.
Das Gewebe schliesst häufig Krystalle von Kalkoxalat ein, welche am reich-
lichsten in den äussersten Schichten, oft bis zu einer Grösse von 30 Mikro-
nnil im. Vorkommen. Sie sind jedoch selten gut ausgebildet und zeigen häufig
krumme Flächen. Trotz ihres meist oktaederähnlichen Aussehens gehören
sie dem monokliuischen Systeme an.
Die bei den unreifen Früchten erwähnten Klumpen sind liier fast nur
in den äusseren Zellschichten abgelagert.
Der Geruch und Geschmack der äusseren Fruchtschicht ist ähnlich wie
bei den unreifen Pomeranzen, doch feiner.
568
Früchte.
Das ätherische Oel der reifen Frucht, essence de bigarades ou d’oranges,
weicht im Gerüche von dem der unreifeu ab, entspricht aber auch der For-
mel G10Iilu. Das specifische Gewicht desselben (0,835) ist niedriger, der
Siedepuukt (180° C.) höher als bei Terpenthinöl, von dem es auch in op-
tischer Hinsicht etwas verschieden ist.
Das Hesperidin ist auch in den reifen Früchten enthalten, das weisse
Zellgewebe nimmt bei der geringsten Berührung mit Alkalien , schon bei
der Annäherung des Ammoniaks, eine schön gelbe, weit lebhaftere Farbe
an, als die unreifen Früchte. Der Gerbstoffgehalt ist beträchtlicher, da sich
hier auch die inneren Zellschichten durch Eisenchlorid sehr dunkel färben.
Jod in Jodkaliumlösung ertheilt den Zellwänden vorübergehend und in sehr
ungleichem Masse eine blaue Färbung, die nach vorheriger Behandlung mit
Kali oder Schwefelsäure etwas dunkler ausfällt.
Da das ungefärbte Parenchym nur schwach bitter und gar nicht aro-
matisch schmeckt, so wird es nach der Anweisung mancher Pharmakopoen
beseitigt, und nur die übrig bleibende äussere Fruchthaut als Cortex Aurau-
tiorum mundatus s. expulpatus vel Flavedo Aurantiorum zur Anwendung
gezogen. Es ist unzweckmässig, zu diesem Ende die Schalen in Vasser
einzuweichen , weil dadurch ein grosser Theil ihrer Bestandtheile verloren
gehen muss.
Die Früchte einer auf der westindischen Insel Cura^ao und auch wohl
auf Barbadoes cultivirten Abart der bitteren Orange bleiben grün und waren
seit dem XVII. oder dem Anfänge des XVIII. Jahrhunderts ihrer dünnen,
sehr aromatischen Schalen wegen besonders beliebt. Jetzt erhält mau statt
dieser Curassavischen Schalen wohl immer nur die von unreifen französi-
schen Früchten gesammelten oder wahrscheinlicher die Schalen einer dor-
tigen griinfrüchtigen Spielart, da sie z. B. aus Nimes in gleicher Grösse
geliefert werden wie die gewöhnlichen gelbrothen.
Die Fruchtschale der süssen Orange von Citrus Aurantium Risso ist
weit dünner, gewöhnlich (trocken) nur 1 Millim. stark, lebhafter gelbroth,
weniger runzelig , weit weniger aromatisch und bitter als die Schale der
bitteren Orange.
Cortex Grauati fructus.
Cortex Granatorum. Malicorium. Granatschalen. Ecorce de grenades.
Pomegrauate peel.
Die Frucht des bei Cortex Grauati radicis erwähnten Granatbaumes, der
sogenannte Granatapfel, ist eine trockene kugelige, aber etwas abgeplattete,
ungefähr 0,08m bis 0,09"' im Querdurchschnitte messende (oder in der
Cultur noch weit grössere) Beere, gekrönt von dem starken röhrigen
5- bis 9zähuigen Kelche und bei der Reife der Länge nach berstend., 6 bis
9 häutige, in der Axe der Frucht zusammeutrcffende Scheidewände theilen
die obere Halbkugel derselben in Fächer von gleicher Zahl wie die der
Cortex Granati fructus.
569
Kelchblätter, während die untere Fruchthälfte nur halb so viel Fächer ent-
hält. Diese beiden ungleich eiugetheilten Stockwerke sind durch eine nach
aussen geneigte Querwand getrennt. Die Fächer enthalten auf schwammi-
gen Samenträgern sehr zahlreiche Samen1), deren reichliches dickes, an-
genehm säuerlich, oder in einigen kultivirten Varietäten süss schmeckendes
Epithelium als erfrischendes Obst genossen wird.
Officinell ist nur die 1 bis 3 Millim. dicke Schale der Frucht, welche
im frischen Zustande lederig2), trocken aber hart und spröde wird und da-
her in unregelmässigen gewölbten oder verbogenen Bruchstücken in den
Handel gelangt. Sie sind von der starken dicken Kelchröhre begleitet,
welche oft noch die vertrockneten Staubfäden und den Griffel eiuschliesst.
Die rothgelbe bis bräunliche Oberfläche der Schale ist grobkörnig runzelig,
etwas glänzend , die durch den Druck der grossen Samen eckig gefelderte
Innenfläche zeigt meist hell gelbgrünliche Färbung. Der Bruch fällt körnig-
schieferig aus, der Querschnitt besitzt die Farbe der Innenfläche, mit Aus-
nahme der dünnen rothgelben Peripherie.
Die Oberfläche der Fruchtschale ist aus einer Reihe ziemlich ungleicher,
mit einer dünnen Oberhaut belegter kubischer oder unregelmässig radial
gedehnter Zellen gebaut. Ihre nach aussen verdickten Wandungen sind
hauptsächlich von rothgelbem Farbstoffe durchdrungen.
In dem zunächst folgenden kugeligen Parenchym verlaufen in verschie-
dener Richtung dicht unter der Oberfläche feine Bündelchen von kleinen
Spiralgefässen. Das Gewebe, welches die Mitte und den grössten Theil
der Fruchtschale ausmacht, besteht aus dünnwandigen schlauchartig ver-
längerten, da und dort ästig ausgewachsenen schlaffen Zellen, welche nach
innen zu sich bedeutend erweitern, in der Nähe der Innenfläche aber wieder
etwas abnehraen. Die letztere ist aus einer Reihe zarter kubischer Zellen
zusammengesetzt und nur von einem sehr feinen Häutchen bedeckt. In der
inneren Hälfte des Parenchyms finden sich stärkere strahlige Gefäss-
bündel von zarten, etwas bräunlichen Cambial- oder Baststrängen umgeben.
Ueberall sind einzelne grosse oder zu mehr oder weniger ansehnlichen
Gruppen vereinigte Steiuzellen eiugestreut, welche zierlich geschichtet und
von Porenkanälen durchsetzt sind. Manche sind kugelig und fast ganz ver-
dickt, andere stabförmig und noch mit weiter Höhlung versehen.
Besonders in der Nähe dieser vielgestaltigen Steinzellen, doch auch im
übrigen Parenchym, treten sehr zahlreiche Kalkoxalat -Krystalle auf, theils
einzeln (als Hendyoeder), theils in rosettenförmigen, bis etwa 30 Mikromill.
messenden Drusen.
Ziemlich ungleich vertheilt und im ganzen nicht in grosser Menge
kommen kleine 5 bis 7 Mikromill. messende Stärkekörner in den Granat-
schale vor.
1) daher der Speciesnamo Granätum (malum granatum).
2) deshalb kurzweg als mati corium bezeichnet.
570
Fruchte.
Sie riechen bei gelindem Erwärmen schwach aromatisch, ihr Geschmack
ist rein und stark adstriugirend , der Hauptbestandteil Gerbstoff, da-
neben Zucker und wenig Gummi. Bei 100° getrockuete Schalen gaben mir
5,9 pC. Asche.
Die Granatäpfel waren schon im frühesten Alterthum hoch gefeiert, wie
vielfache bildliche Darstellungen in den Trümmern von Persepolis und
Niuiveh und auf altägyptischen Denkmälern beweisen. Die Körner
brachten dieselben während der putschen Kriege aus Karthago (Mala fm-
nica ) und sie kommen auf pompejauischen Wandgemälden häufig vor. Ganz
vorzüglich gedeihen sie jetzt noch in ganz Persien, besonders schön um
Täbris.
Die Fruchtschalen wurden wohl von jeher neben ihrer schon bei P 1 i-
uius erwähnten mediciuischen Verwendung gegen Bandwurm, Fieber und
Diarrhöe, auch zum Gerben benutzt. In ersterer Hinsicht sind sie bei uns
fast ganz durch die wirksamere Wurzelrinde verdrängt. Im Mittelalter diente
häufig der Presssaft der Früchte gegen Würmer.
B. Fruchtmus (Pulpa).
Tamarindi.
Pulpa Tamarindi cruda. Fructus Tamarindi decorticatus. Tamarinden.
Tamarins. Tamarinds.
Tamarnulus indica L. — Caesalpinieae.
Die Tamarinde ist ein starker, bis 40 Fuss hoher Baum von der Tracht
unserer Eichen mit weit ausgebreiteten Aesten, welche einen gewaltigen
domförmigen, reich belaubten, doch lichten Wipfel bilden. Durch die zarten,
feiu gefiederten Blätter, die purpurnen Blumeuknospen und die rotli geader-
ten weisseu, zuletzt gelblichen Blüthen gewährt der Baum einen herrlichen
Anblick und wird schon deshalb in den Tropenländern gerne als Zierbaum,
gepflegt, obgleich Araber und Indier es für gefährlich halten, in seinem
Schatten zu schlafen.
Indien, so wie Centralafrika und die heissen Länder Ostafrikas scheinen
die Urheimat dieses Baumes zu sein. Er durchzieht das Gebiet des Sene-
gals, des Nigers und Tsad-Sees, geht in die Nilländer, nach Mozambique,
durch ganz Arabien und ist überall in Ostindien . namentlich auch auf den
Inseln und in Cochinchina verbreitet. Eiuer der nördlichsten Standpunkte
ist wohl das Ufer des Wan-Sees in Kurdistan. Die Cultur hat auch in West-
indien (Cura<;ao) und Brasilien die Tamarinde schon eingebürgert.
Die Frucht ist eine im allgemeinen dem Johannisbrote ähnlich gebaute,
0,05 bis 0,20'" lange, 0,03m breite, graulich oder gelblich braune Hülse,
welche an einem ziemlich starken, 0,03"' langen Stiele herabhängt.
Sie ist jedoch, obwohl auch etwas seitlich zusammengedrückt, von
gleichmässiger, voller und gerundeter Form, feiu körnig-warzig, nicht ge-
Tamarindi.
571
streift und kurz, aber scharf zugespitzt. Der Querschnitt ist eiförmig, ohne
Randwülste. Die 3—12 Samen machen sich äusserlicli durch holperige
Anschwellungen der Hülse oder selbst durch einseitige sattelförmige Ein-
schnürungen bemerklich. Die äussere, Vs Millim. dicke Fruchthaut, aus
ansehnlichen kugeligen Steinzellen und lockerem Parenchym gebaut, besitzt,
ganz abweichend von Siüqua dulcis, nur geringen Zusammenhang und zer-
bröckelt leicht. Unter der äusseren Fruchthaut treten alsdann an der auf
der Oberfläche nicht oder nur undeutlich kennbaren Bauchnaht zwei sein-
starke und zwei schwächere Gefässbündel zu Tage und ein noch dei'beres
au der Rückennaht, alle gegen die Spitze hiulaufend, aber seitlich oft fast
rechtwinkelig dünne verzweigte Aeste von Gefässsträngeu aussendend.
Die innere Fruchthaut, welche die Samenfächer bildet, ist aus sehr langen
biegsamen, fest verbundenen Fasern gewirkt und von einer mehr oder
weniger dicken mürben Schicht bräunlicher, sehr groblöcheriger Steinzelleu
genau umschlossen. Die Dicke dieser Steinzellenschicht, welche die Samen-
fächer auseinanderhält, ist sehr ungleich, ihre Oberfläche stellenweise auf-
gelockert und tief grubig. Die Räume zwischen derselben und der äusseren
Fruchthaut werden von den schon erwähnten Verzweigungen der rand-
ständigen Gefässbündel durchzogen, die in einen bräunlichen oder schwärz-
lichen sauren Brei (Fruchtmus, Pulpa) eingebettet sind, welcher aber
wenigstens trocken die Frucht bei weitem nicht ganz ausfüllt.
Die seitlich zusammengedrückten Samenfächer erscheinen in der durch
beide Ränder der Länge nach aufgeschnittenen Frucht rundlich eckig, oft
fast quadratisch oder abgerundet rechtwinkelig. Ihnen entspricht die wenig
regelmässige Gestalt der bis 0,017“ langen und bis 0,008“ dicken Samen,
welche bald kahnartig, bald mehr eiförmig oder stark abgeflacht auftreten.
Der vom Nabelstreifen (Raphe) durchzogene Rand ist entweder schwach
gekeilt oder öfter gefurcht. Die flacheren Seiten des glänzeud braunen
Samens, welche der Fachwand dicht anliegen, sind glatt oder fein gestreift,
die übrige Samenschale grubig vertieft. Sie schliesst einen geraden, halb
gegenläufigen eiweisslosen Keim ein, dessen dicke hornartige weissliche
Lappen die Samenschale ganz ausfüllen. Am Nabel steckt in den Keim-
lappeu das dicke Würzelcheu, welches ein kleines gelbes Knöspchen trägt,
in dessen zwei Blättern schon die Fiedertheilung angedeutet ist.
Für den europäischen Handel werden die reifen Früchte von der äus-
seren, leicht trennbaren Haut, zum Theil auch wohl von den stärksten
Gefässsträngeu und von den Samen befreit, zu einer etwas zähen weichen,
fast breiigen Masse von bräunlicher oder schwärzlicher Farbe zusammen-
gekuetet und in Fässer verpackt. Diese Waare, die Tamarindi, Fructus
Tamarindorum des Handels, besteht demnach aus dem Fruchtmus und
seinen Gefässbündelu, vermischt mit den Wänden der Samenfächer und
einzelnen Samen. Trümmer der festeren Theile der Frucht lassen sich
nicht oder doch nur ausnahmsweise auffinden , Steinzellen der Fruchthaut
z. B. fehlen der Waare gänzlich. Sie zeigt vielmehr als weit überwiegenden
572
Früchte.
Bestandteil zartwandige grosse auseindergerissene Zellen, dann sehr lange •
Bündel dünner, zum Theil abrollbarer Spiralgefässe, welche von Proseuchym-
sträugen begleitet sind und endlich derbfilzige sackartige Samenfucher, die
aus jenen biegsamen und farblosen, au die Baumwolle erinnernden Fasern
gebildet sind.
Die Samen, welche oft noch fest an den Fächern haften, sind mit einer
äusseren , zum Theil braunen und einer inneren farblosen Schale bedeckt.
Erstere enthält zwei Reihen sehr dicht gedrängter, radial gestreckter cylin-
drischer Zellen, die peripherische Reihe von brauner Farbe, die innere,
sehr leicht auseinander fallende farblos. Von den dickwandigen Zellen des
hierauf folgenden Parenchyms sind die der äussersten 2 — 3 Reihen radial,
die der inneren 6 — 8 dagegen mehr tangential gedehut oder zusammen-
gefallen. Sie enthalten grünliche Körnchen von Gerbstoff, der auch ihre
Waudungen durchdringt, gleich denjenigen der innersten 10 — 12 Zellen-
reiheu. Diese letzteren sind bei weitem grösser und bilden allein die Hälfte
der ganzen Samenschale.
Das sehr dickwandige poröse Gewebe der Keimlappen ist frei von Gerb-
stoff und Stärkekörnern, schliesst aber in den engen Zellhöhlungen Klümp-
chen eines (Protein-?) Stoffes ein, welcher durch Jod braungelb gefärbt
wird. Die Zellwände selbst quellen in kaltem Wasser stark auf und lösen
sich zum Theil, kochendes Wasser greift sie noch mehr an und gibt eine
dickliche Lösung. Die Wandungen selbst, nicht die Auflösung, nehmen
durch Zusatz von Jod in Jodkalium (Jod wasser oder reines Jod allein wirken
nicht sogleich) eine tiefblaue Farbe an. Alkalisches Kupfertartrat wird
beim Kochen mit diesem Gewebe nicht reducirt.
Diese Zellsubstanz zeigt also gleichzeitig Eigenschaften des Amylums,
des Gummis und der Cellulose, ähnlich wie das so genannte Lichenin (vgl.
bei Lichen islandicus). Schleiden hatte diese Modification der Cellulose
als Amyloid bezeichnet und auch in den Samenlappeu anderer Caesal-
pinieen (z. B. Schotia und Hymenaea) und Phaseoleen (Mucuna) nach-
gewiesen.
Dem Verhalten dieses Körpers zu Jod hat Nägeli1 2) (1864) eine sehr
ausführliche Untersuchung gewidmet.
Als Inhalt des käuflichen Fruchtmuses findet mau in allen Zellen kleine
bräunliche Körnchen, welche durch Eisenchlorid nur wenig dunkler werden.
Da und dort zeigen sich auch kleine Gruppen von kugeligen, bis 10 Mikro-
millimeter messenden Stärkekörnern. Die Zellmembran selbst wird durch
Jod schwach gebläut. Häufig kommen auch kurze spiessige Krystalle vor
vermutlich Weinstein, da sie sich in ziemlich viel kochendem Wasser )
1) Büchner, Repertor. f. Pharm. XIII. 153.
2) Diese Krystalle hatte ich für weinsauren Kalk erklärt. Digenrt mau aber die Hände s-
waare mit überschüssiger Kalilauge, so entsteht im Filtrat beim Kochen durchaus kein Nieder-
schlag jenes Salzes. Salzsäure, nicht Wasser allein, nimmt allerdings aus dem Frachtbrei etwas
Kalk auf.
Tamarindi.
573
lösen. Andere grössere scharfkantige, doch nicht krystallinische Splitter,
welche fast eben so zahlreich sind, erweisen sich als Quarz.
In nicht allzuviel Wasser lässt sich das Fruchtmus zu einer dicken
zitternden, etwas kleberigen und trüben Flüssigkeit zertheilen, ohne dass
die Zellwände merklich angegriffen werden; sie geben daher wohl nur
Pektin ab.
Das Fruchtmus schmeckt auch schon vor der Reife sehr stark und an-
genehm sauer.1) Wasser nimmt daraus Zucker, Essigsäure und andere
Glieder dieser Reihe, Weinsäure, Citronsäure und nach Vauquelin auch
etwas Aepfelsäure, zum grössten 1 heil an Kali (nicht an Kalk) gebunden,
auf. Die Lösung reducirt in der Kälte nach einiger Zeit alkalisches Kupfer-
tartrat, enthält also wohl Traubenzucker. Beim Abdampfen der Auflösung
schiesst reiner Weinstein und Zucker an. Die flüchtigen Säuren der Fett-
säurenreihe, welche Gor up-B es an ez hier zuerst nachgewiesen, finden
sich bisweilen in grosser Menge. Gerbstoff sowohl als Oxalsäure fehlt. Die
Citronsäure, welche nach Vauquelin vorwalten, nach Scheele2) ganz
fehlen soll, ist in geringer Menge vorhanden. Uebersättigt man den Tama-
rindenauszug mit heiss bereitetem Kalkwasser und kocht nach dem Filtriren,
so entsteht ein unbedeutender Niederschlag von citronsaurem Kalk, der sich
in Salmiak löst. — Die Weinsäure- hat Scheele hier schon 1770 erkannt.
Geruch zeigen die Tamarinden wohl nur in Folge der Gährung, welche
sich bei längerer und ungeeigneter Aufbewahrung einstellt.
Die erwähnten Bestandtlieile der Tamarindenfrucht verleihen derselben
einen sehr hohen Werth für die trockenen vegetationsarmen Binnenländer
Afrikas. Barth3) erklärt die Frucht für eine unschätzbare Gabe der Vor-
sehung in diesen heissen Zonen, den Baum für den grössten Schmuck des
Negerlandes. Mit Butter und Zwiebeln bildet die erstere dort eine höchst
erfrischeude Nahrung, mit Zwiebeln, Houig und Pfeffer das sicherste Mittel
gegen die leichteren dortigen klimatischen Krankheiten. Auch für Darfor
bezeichnet Munzinger4) die Tamarinde als die köstlichste Gabe der Natur.
Dieser Bedeutung wegen wird die Frucht ( Andeb arabisch) mit der
für diese Gegenden nicht minder wichtigen der Dattelpalme (Tamar
hebräisch, Tamr-hindi arabisch) verglichen und auch wohl als saure Dattel
bezeichnet.
In den oberen Nilländern Darfur, Kordofan, Sennaar, auch bei Medina
in Arabien , nicht in Abyssinien , formt man grösserer Haltbarkeit und des
bequemeren Transportes wegen den zerquetschten und gegoltenen Frucht-
brei durch weiteres Austrocknen an der Sonne zu festen flachen braun-
schwarzen Kuchen von ungefähr 0,1 0m oder 0,15™ Durchmesser und 0,02ni
*) auch die Blätter schmecken sauer und purgiren.
2) Phys. u. chem. Werke, Ausgabe von Hermbstädt, Berlin 1793. II. 379.
3) Reisen in Afrika. Gotha 1858.
4) Ostafrikanische Studien. Schaffhausen 1864.
574
Früchte.
Dicke, welche mit Haaren, Sand, Linsen und anderen Verunreinigungen i
mehr oder weniger bestreut zu sein pflegen und Trümmer der Stiele, Samen
und des Fruchtgehäuses enthalten. Obwohl sie eine ziemliche Festigkeit ,
erlangen können, werden diese Kuchen doch leicht etwas feucht. Sie ge-
langen nicht oder doch nicht regelmässig nach Europa, sollen aber bisweilen
in Griechenland, Marseille, Livorno, Malta in die gewöhnliche (indessen an
den zerbrochenen Samen kenntliche) Handelswaare umgearbeitet werden.
Dass man zugleich Weinstein beimische, ist der Preisverhältnisse wegen
unmöglich.
Die westindischen Tamarinden sind von herbem , weniger saurem Ge-
schmacke, dem aber meist durch Zusatz von Zucker nachgeholfen wird.
Sie sind schleimiger, weniger zusammenhängend , von hellbrauner Farbe.
Die englische Pharmacopöe (1864) hat nur diese bei uns nicht gebräuch-
liche Sorte. — In Zucker eingemachte ganze Früchte aus Westiudien sind
nicht eigentlich Gegenstand des Grosshandels. Gärtner hatte die dor-
tige Form des Tamarindeubaumes seiner breiteren und kürzeren, an
Samen ärmeren und meist eingeschnürten Hülsen wegen als Tamarindus
occidentalis unterscheiden wollen; die Merkmale sind aber nicht durch-
greifend.
In Deutschland kannte man die Tamarinden im Mittelalter unter dem
Namen Siliqua arabica, indem man sie den arabischen Aerzten verdankte.
Den Griechen und Römern scheinen sie unbekanut gebheben zu sein.
C. Früchte und Fruchtstände.
1. von öligem oder von süssem Geschmacke.
Fructus Cannabis.
Semen Cannabis. Hanfsamen. Chenevis. Semences de chanvre. Hempseed.
Cannabis sativa L. — Cannabineae.
Der Hanf ist hauptsächlich im Gebiete des Kaspischen Meeres, besonders
massenheft am Unterlaufe des Urals und der Wolga zu Hause, aber auch im
Altai, in Nordchina, Kaschmir und Nordindien eben so gut ursprünglich ein-
heimisch. Nach Livingstone’s und anderweitigen Berichten ist nicht zu
bezweifeln, dass er auch den Flussgebieten des Congo und Zambesi, im
Innern Südafrikas, angehört, wo z. B. der Stamm der Batoka, unter etwa
16° südl. Br., wie viele andere, sehr dem Hanfrauchen frölmt. Ebenso nach
Du Chaillu die Aschiras an der Westküste Afrikas. Vielleicht ist auch in
Algerien die Pflanze ursprünglich einheimisch.
Die Kultur hat den Hanf seiner spiunbaren Faser und des ölreichen
Samens wegen schon sehr frühe über die meisten Länder verbreitet, doch
wohl etwas später als den eben so werthvollen Lein (vgl. bei Seinen Lini).
Das europäische Russland ist gegenwärtig das Hauptproduktionslaud des
Fructus Cannabis.
575
Hanfes. Ans der Sanskritsprache sind die Benennungen der Pflanze: Ang,
Bang, Hang, Banga, Ganjika, Ganjah in alle alten und modernen Sprachen
Europas1) übergegangen und deuten die Richtung ihrer Wanderung an.
Die kurzen gedrängten Aehren der weiblichen Pflanzen bringen zahl-
reiche kleine, ganz von einer krautigen Scheide umschlossene Früchtchen
(Schliessfrüchtchen, Niisschen) hervor. Die letzteren allein kommen in den
Handel. Ihre graue oder ein wenig ins grünliche spielende zerbrechliche
eiförmige Fruchtschale ist seitlich etwas zusammengedrückt, an beiden
Rändern weisslich gekielt und zwar unmerklich schärfer auf derjenigen
Seite, wo das schon äusserlich an gedeutete Würzelchen liegt. Die ganze
Fruchtschale ist mit einem feinen, nicht erhöhten hellen Adernetze zarter
Gefässbündelchen bemalt, das von dem abgeflachten Grunde der Frucht
und von dem eben erwähnten , das Würzelchen deckenden Rande ausgeht.
Bisweilen haften an der Schale noch kleine bräunliche Fetzen der Frucht-
scheide. Die Länge der Früchtchen beträgt 5 Millimeter, ihr Gewicht
4 Milligr. im Durchschnitte, so dass sie verhältnissmässig ziemlich leicht sind.
Die Fruchtschale springt nicht auf, öftüetsichaber beim Keimen leicht längs
der beiden Ränder. Sie ist ganz von dem in dünner dunkelbraungrüner Haut
steckenden eiweisslosen Samen ausgefüllt, dessen dicke, sehr weiche Keim-
lappen neben das Würzelchen heraufgebogen sind und das kleine Knöspchen
bergen. Die äussere Samenhaut umschliesst das gegen die stumpfe Spitze
des Samens gerichtete Würzelchen ganz, indem sie sich zwischen dasselbe
und die Rückseite des einen Keimblattes einschlägt; nach unten ist die
äussere Samenhaut mehr mit der Schale verwachsen. Der Nabel (Chalaza)
ist besonders auf der Innenfläche der Samenhaut scharf umschrieben und
hellbraun gefärbt. Der Embryo strotzt von farblosem Oele, das beim Aus-
pressen durch das Chlorophyll der Sameuhaut eine grünliche, bald ins
bräunliche übergehende Färbung erhält. Beim Anreiben mit Wasser ent-
steht eiue ungefärbte, widrig schmeckende Emulsion. Der wässerige Auszug
der unzerkleinerten Früchtchen schmeckt süsslich und reducirt schon in der
Kälte alkalisches Kupfertartrat, wird aber durch Eisenchlorid nicht gefärbt.
Das Fruchtgehäuse ist von einer dünnen Schicht braunrother kleiner
Zellen bedeckt, aber grösstentheils aus radial gestellten, sehr hell grünbräun-
lichen Steinzellen gebildet, deren ungleich und unregelmässig keilförmige,
nach aussen sehr verschmälerte Höhlung weit geringer ist als die dicken
porösen Wände, welche ganz genähert und von den benachbarten Zellen
her zahnartig in einander greifen. Ein dicht unter der Oberfläche durch die
Fruchtschale geführter Tangentialschnitt zeigt daher die zierlich verschlun-
genen Umrisse der Querschnitte dieser grossen Steinzellen. Das dünn-
wandige Parenchym der äusseren Samenhaut ist von kleinen Gefäss-
bündelchen durchzogen und enthält Chlorophyllkörner und sehr wenig
L im althochdeutschen schon vor dem XII. Jahrhundert Ilauaf oder Hanif. Canava im
Capitulare Karl’s d. Gr.
576
Früchte.
Gerbstoff, das sehr kleinzellige Gewebe des Embryos Ocltropfen und kleine
Körnchen von Protei'nstoffen.
Das Oel beträgt 25 — 35 pC. , der Stiekstoffgehalt nach Anderson
(1855) 3,6 pC., entsprechend 22,6 Eiweiss, die Phosphate 2,4, die übrigen
Aschenbestandtheile 4 pC.
Das Oel gehört zn den trocknenden Oelen, zeigt ungefähr 0,927 specif.
Gewicht, erstarrt erst unter 0° und findet in Russland in Menge zur Dar-
stellung der »Schmierseifen Verwendung, welche diesem Oele die grünliche
Färbung verdanken. Es wird leicht ranzig, daher auch die Früchte all-
jährlich erneuert werden müssen.
Caricae.
Fructus Caricae. Feigen. Figues. Figs.
Ficus Carica L. — Moreae.
Die weite Urheimat des Feigenbaumes erstreckte sich von den ostara-
lischen Steppenländern, zwischen Jaxartes und Oxus längs der Süd- und
Südwestgestade des Kaspischen Meeres (Ghilan, Masenderan und Kaukasien),
durch das obere und mittlere Mesopotamien, über Kleinasien, Syrien, Palä-
stina und die Küstensäume des Rothen Meeres, westwärts vielleicht auch
schon ursprünglich bis Griechenland. Er steigt in diesen Ländern bis in
die Bergregion, im Taurus z. B. unzweifelhaft wild bis 4800 Fuss, fehlt
aber in Südpersien und den heissen Tiefländern (Irak-Arabi) des unteren
Euphrat und Tigris. Ritter (Asien VII. 2. 511) hat das Vorkommen des
Feigenbaumes sehr ausführlich und anziehend erörtert.
Die Kultur hat aber die Feige schon sehr frühe weiter verbreitet, zunächst
wohl aus Syrien und Griechenland nach Italien und von da zur Zeit des
Pliuius nach Spanien und Gallien.
Jetzt findet sich der Feigenbaum in sehr vielen wärmeren und gemäs-
sigten Ländern, in Ostindien so gut wie in Chili und in Mexico, wohin er
schon 1560 durch Cortez gelaugte. Er ist ausserordentlich leicht zu behan-
deln, durch Samen, Steckreiser oder durch Pfropfen zu vermehren, nimmt
fast mit jedem Boden vorlieb und überwintert noch in geschützten Lagen
Südenglands und Mitteleuropas. 1820 jedoch erfroren schon in der Pro-
vence sämmtliche Feigenbäume.
Das Genus Ficus zählt vorzüglich in den Tropenläudern Asiens und
Afrikas eine sehr grosse Menge von Arten, bald Sträucher, bald gewaltige
prachtvolle Bäume. Sie sind ausgezeichnet durch die Milchsaftgefässe,
welche ihre grünen Theile und die Innenrinde durchziehen und Säfte führen,
welche entweder technisch als Kautschuk nutzbar sind oder scharfe bis
geradezu giftige Eigenschaften zeigen, oder aber, wenigstens bei der Frucht-
reife, geniessbar sind.
Die gewöhnlich diklinischen unscheinbaren Blütheu entspringen wie bei
Caricae.
577
deu nächst verwandten Artocarpeen, sehr zahlreich und dicht gedrängt auf
einem gemeinschaftlichen Bhithenboden. Bei manchen Artocarpeen, z. B.
bei Dorsteuia, ist dieser Blüthenboden flach, ähnlich wie bei den Compo-
siten, oder nur am Rande etwas heraufgebogen. Ficus aber erhält da-
durch einen sehr eigenthümlichen Fruchtstand (Sammelfrucht), dass der
Blüthenboden oder Fruchtboden nicht nur heraufgebogen , sondern bis auf
eine kleine Oeffnung geschlossen ist und eher einer bimförmigen bis kuge-
ligen, oben etwas eiugedriickten Einzelfrucht gleicht.
Ficus Carica ist ein strauchartiger oder bis 30 Fuss hoher Baum mit
breiter Krone, dem die langen, oft sonderbar gebogenen, sehr brüchigen
Aeste ein höchst eigenthümliches plumpes Aussehen verleihen, zumal vom
December bis April, wo in Südeuropa der Baum entblättert ist. Die Feigen
finden sich einzeln, von kleinen Deckblättchen gestützt, auf kurzem Stiele,
in deu Blattwinkeln oder dicht über den Narben abgeworfener Blätter. Der
etwa 0,005m dicke Blüthenboden ist anfangs sehr zähe lederig, innen weiss,
aussen grün und ergiesst bei der geringsten Verwundung aus den sehr zahl-
reichen Milchsaftschläuchen weissen scharfen Saft. Die Mündung der Schein-
frucht ist enge und durch kleine Deckblättchen fast vollständig geschlossen.
Die innersten biegen sich in die Höhlung herein, welche mit den kleinen
grünlichen oder röthlichen Blüthen und zwischen denselben mit kurzen
dicken Börstchen ausgekleidet ist. Nur in der Nähe der Münduug sitzen
männliche Blüthen , fehlen aber sehr häufig ganz , oder bilden sich nicht
aus, besonders bei kultivirten Früchten, so dass die verhältnissmässig etwas
kürzer gestielten Stempelbliithen immer vorherrschen. Sie bestehen aus
einem 3- bis 5 blätterigen Perigon und 2spaltigem, seltener ungetheiltem
Griffel. Der fast immer einfächerige Fruchtknoten wächst zu einem eiför-
migen, 2 Millim. grossen harten Steinfrüchtchen aus, sofern dasselbe nicht
fehlschlägt, wie bei einzelnen Spielarten regelmässig geschieht.
Beim Heranreifen der Feige wird das Fruchtfleisch saftiger und weicher,
bis gallertartig, innen gelblich bis purpurn; die Aussenfläche bleibt grün-
lich oder färbt sich in sehr verschiedenen Abstufungen bräunlich, röthlicli
bis tief violett oder blauschwarz, oft mehrfarbig gestreift, wie angehaucht
oder bereift. Die im allgemeinen bimförmige bis kugelige, selten platt
gedrückte Gestalt der Feige ist weniger Abänderungen unterworfen als die
Grösse. Es gibt Spielarten (Fico minutello in Neapel), die nur den Umfang
einer Haselnuss erreichen. Gegen die Reife verliert der Milchsaft die Schärfe,
verdickt sich und vermag nicht mehr auszufliessen, so dass der Geschmack
der ganzen Fruchtbildung sehr angenehm süss und schleimig wird. Zuletzt
platzt auch wohl die Feige und lässt dicken Zuckersaft austreten. Die
trockenen käuflichen Feigen besitzen einen schwachen eigenthümlichen,
nicht unangenehmen Geruch.
Der Neapolitaner Gasparrini (1845) trennte Ficus Carica in 2 Gat-
tungen und mehrere Arten, welche alle in ihren Früchten wieder Unter-
schiede zeigen, je nachdem dieselben im Knospenzustande überwintern, erst
Fliickigcr, Pharmakognosie. 37
578
Früchte.
zu Anfang des Frühjahrs neben den Narben abgefallener Blätter anschwellen
und bei Neapel z. B. vom April bis Juni reifen: Fichi fiori (Blumeofeigen)
oder grossi, oder aber an frischen Trieben im Frühling auftreteu und im
Sommer vor dem Blattfalle reifen: forniti, oder endlich erst im Winter nach
dem Blattfalle, vom October au zeitigen : cratiri. Den fiori, grossi oder orni
fehlen immer keimfähige Samen. Die Reife der Feigen tritt übrigens nicht
gleichzeitig ein, sondern schreitet am Baume von unten nach oben allmälig
vor, so dass er fast fortwährend reife Früchte aufweist. Er gehört überhaupt
zu den ertragreichsten Obstbäumen, da fast jeder Blattwinkel seine Feige
bringt. — Die Unterschiede, wonach Gasparrini, wie übrigens weniger
bestimmt auch schon Theophrast, Plinius, Dioskorides und Linue
gethan, den verwilderten Feigenbaum als eigenes Genus Caprificus, mit
mehreren Arten von Ficus, dem kultivirten, trennen wollte, berechtigen
aber höchstens zur Aufstellung von Varietäten , die bei diesem so äusserst
werthvollen und viel gepflegten Baume, so gut wie bei unserem Obste, sehr
zahlreich sind. Der königliche Gartendirektor in Neapel, Dehnhardt,
hat (1859) z. B. nur allein aus seiner Umgebung über 50 Spielarten
geschildert.
Der wilde oder verwilderte Baum, Gasparrini’s Caprificus insectifera,
Caprifico der Italiener, zeichnet sich dadurch aus, dass sich in seinen kaum
geniessbareu Früchten in sehr grosser Zahl eine kleine Wespe, Blastophaga
Psenes Löw (Psenes Caprifici Scacchi, Cynips Psenes L.) einnistet und in
der Höhlung ihre Eier legt. Diese so besetzten Feigen, Caprifichi der Ita-
liener, Oriniä der Neugriechen, werden je zu zwei an Binsenhalme oder
Reiser gesteckt und auf kultivirte Feigenbäume geschleudert, wo die Wespen
ausschlüpfen, des Morgens und Mittags in Unzahl schwärmen und durch
ihren Stich sehr belästigen. Sie sollen dann auch in die kultivirten Feigen
ein dringen , darin in Folge des Stiches (?) eine gewisse Vermehrung des
Säftezuflusses und grössere Wärme erzeugen und dann zu Grunde gehen.
Dieses ganze Verfahren, schon von den alten Griechen als Eriuiasma, von
den Römern als Caprificatio geübt, soll das Abfallen der Feigen vor der
Reife verhindern und diese letztere beschleunigen, überhaupt den Ertrag
des Baumes sehr steigern. Obgleich in Griechenland und in Süditalien der
Volksglaube unerschütterlich an dieser Caprification festhält und sie seit
Jahrtausenden mit ansehnlichen Opfern au Zeit und Geld (da die Caprifichi
oft tlieuer angekauft werden müssen) betreibt, so ist sie doch uach Dehn-
bar dt und andern Augenzeugen ganz nutzlos. Niemals hat dieser Beob-
achter das Insekt in eine kultivirte Feige eintreten sehen uud v. Heldreich
berichtet, dass in Griechenland bei Mangel an „Oriniä“ auch mit demselben
Erfolge mit Hülfe der ersten besten gallenartigen Auswüchse, welche z. B.
Blattläuse auf Pappeln und Ulmen erzeugen, caprificirt wird! Endlich
unterbleibt in manchen Ländern, z. B. auf Madeira, in Südfrankreich, selbst
in einigen Theilen Griechenlands, die Caprification ganz.
Die Feigen werden in ungeheuerer Menge in den südlichen Ländern als
Caricae.
579
Nahrungsmittel, theils frisch genossen, tlieils zu etwas längerer Anfbewah-
rlinlr iu Backöfen getrocknet oder kalb gebraten. Ihre Haltbarkeit ist jedoc i
ziemlich beschränkt und nur einzelne Sorten werden in sehr grosser Menge
aus beführt So vorzüglich kleinasiatische über Smyrna, welcher Platz allein
lg5g z ß über 95,000 Ctr. lieferte. Sie werden hier sortirt, die besten
mit Lorbeerblättern in Holzschachteln, die geringeren auch in Körbe ver-
packt und gelten allgemein als die besten und ansehnlichsten Feigen. Lm-
zelne Sorten siud schwärzlich, die meisten graugelblich, wie auch die
griechischen.
Zu uns gelangen fast ausschliesslich die griechischen Feigen aus Kala-
mata am Meerbusen von Messenien und von den Inseln Andros und Syios
(Syra). Sie werden platt gedrückt, auf Bastschnüre oder Cyperus- Halme
gereiht und in grosse Fässer verpackt, welche meist nach Triest gehen.
Diese grossen, etwas ledern-dickhäutigen Kranzfeigen, Caricae in coro-
nis, sind durch Haftbarkeit ausgezeichnet. Nach Jahresfrist werden sie
jedoch auch sehr trocken, bedecken sich mit auswitterndem Tiaubenzuckei
und verlieren sehr au Schmackhaftigkeit. Häufig stellen sich auch Mil-
ben ein.
Aus Neapel werden iu Körbchen calabrische Feigen ausgefühlt, welche
kleiner und weicher als die griechischen, aber weniger haltbar sind, jedoch
im Spätjahr früher auf dem Markte erscheinen.
In Indien gezogene Feigen schmecken nicht unangenehm, stehen aber
den kleiuasiatisclien oder griechischen sehr nach und werden nicht ver-
sandt.
Das Gewebe der käuflichen Feige besteht aus schlaffem dünnwandigem
Parenchym, dessen im Innern ansehnliche und etwas gestreckte Zellen nach
aussen sehr an Grösse abnehmen, so dass diese weit dichteren und mit
sehr zahlreichen kleinen Drusen von Kalkoxalat erfüllten Schichten eine
Art von Rinde bilden, die sich durch grössere Zähigkeit und geringere
Süssigkeit bemerklich macht. Das innere Gewebe durchziehen ohne Regel-
mässigkeit ziemlich zahlreiche Gefässbündelchen und grosse, wenig ver-
zweigte, bis über 30 Mikromill. dicke Milchsaftschläuche mit festem kör-
nigem oder grossklumpigem, im Wasser nicht sichtlich lösbarem Inhalte,
vermuthlich der Hauptsache nach Gummi (Bassorin). Daneben kommen
grössere, nicht gut ausgebildcte Oxalatkrystalle vor. Die innere Wand der
Feige ist zwischen den Blüthen oder Früchtchen mit spitzigen dickwandigen
hohlen Börstchen von sehr einfacher Gestalt besetzt, die Früchtchen in
süsses weiches gallertartiges Mus eingebettet.
Hauptbestandteil der Feigen ist der Traubenzucker, welcher 60 — 70
pC. der trockenen Waare ausmacht. Gummi und Fett scheinen nur in sein-
geringer Menge vorhanden zu sein.
Die Feigen spielten bekanntlich schon in der phönikisch- hebräischen,
so wie in der griechisch- römischen Welt als Nahrungsmittel und Arzneistoff
eine grosse Rolle. Die lateinische Bezeichnung carica (sc. ficus) weist auf
37*
580
Früchte.
das kleinasiatische Karien hin, welcher Strich, Rhodus gegenüber, den Rö-
mern vermuthlich eine vorzügliche Sorte lieferte , — die heutige Srnyr-
naische. Ficus scheint dem griechischen Ausdrucke Eu'/.ov für Feige uach-
gebildet zu sein. — Karl d. G r. befahl den Anbau des Baumes in Mitteleuropa.
Die Feigen des Ficus Sycomorus L., eines altberühinten grossen, in
Unter- und Mittel- Aegypten und Palästina einheimischen Baumes, werden
daselbst, obwohl weniger wohlschmeckend und etwas gewürzhaft, gleich-
falls gegessen. Die Frucht der jetzt in Südeuropa eingebürgerten westindi-
schen Opuntia ficus inciica Haw. (Cactus Opuntia L.) ist die sogenannte
indische Feige.
Fructus Sambuci.
Baccae Sambuci. Holunderfrüchte. Holunderbeeren. Bares ou fruits de
sureau. Eider fruit.
Der halbunterständige Fruchtknoten der Holunderblüthe (siehe bei Flo-
res Sambuci) enthält 3 oder weniger oft 2 einsanrige Fächer, welche bei
der Reife von dem uuteren Tlieile (Unterkelche) des ersteren eingeschlossen
werden. Derselbe wächst zu einem länglich - runden , glänzend schwarzen
weichen Früchtchen von etwa 6 Millim. Durchmesser aus, welches von dem
wenig umfangreichen kreisrunden , nach dem Verblühen nicht weiter aus-
gebildeten oberstäudigen (aus 3 oder 2 verwachsenen Fruchtblättchen her-
vorgegaugeuen) Theile des Fruchtknotens, von den kleinen Kelchzähnen
und von der eiugeschrumpften Narbe gekrönt ist. Das sehr lockere Frucht-
fleisch ist mit purpur-violettem1) , unangenehm siisslichem , schwach säuer-
lichem Safte erfüllt. Die kleinen bräunlichen runzeligen Steiukerne sind
aufrecht, länglich eiförmig, nach aussen etwas gewölbt und schliesseu in
der harten Schale einen eiweisshaltigen ölreichen Samen ein.
Nach Enz kommen im Fruchtfleische vor : Spuren von ätherischem
Oele, flüchtige Säuren der Fettsäurenreihe (Baldriansäure u. s. f.), Mein-
säure, Aepfelsäure, Wachs, Harz, Gummi, Eiweiss, gährungsfähiger Zucker,
anorganische Salze, eisengrünender Gerbstoff, Bitterstoff. Der Farbstoff
wird durch Bleizucker blau gefällt.
Die Früchte werden frisch zur Darstellung des Rob Sambuci (Succus
Sambuci iuspissatus) verwendet, dessen Geschmack vielleicht wegen der
Verflüchtigung der Fettsäuren bei weitem angenehmer und milder ist als
der des frischen Saftes. Beim Trocknen, wobei sie % ihres Gewichtes ver-
lieren, schrumpfen die Früchtchen unförmlich ein. Sie führten früher den
Namen Grana Actes nach der schon von Theophrast für Sambueus
nigra gebrauchten Bezeichnung Akte, welche jetzt im deutschen Attich auf
Sambueus Ebulus übertragen ist. Die Früchtchen der letzteren sehen denen
der S. nigra auch in chemischer Hinsicht sehr ähnlich, sind aber kleiner
l) daher der Name des Genus: ütxpßuf oder savou^, rother Farbstoff (Menuige).
Jujubae.
581
und enthalten meist 4 Samen. Die Kelchreste treten an der trocken mehr
bräunlichen Frucht stärker hervor.
Jujubae.
Zizypha. Baccae s. fructus Jujubae gallicae. Brustbeeren. Jujubes. Jujub.
Zizyphus vulgaris Lamavck. — Rhamneae.
Syn.: Z. sativa Duhamel.
Rhamnus Zizyphus L.
Ein kleiner, etwa 20 Fuss hoher Baum oder krummästiger und dorni
ger Strauch, ursprünglich im Oriente von Syrien bis Persien einheimisch,
jetzt in den Mittelmeerländern angebaut und verwildert.
In den Blattwinkeln der lebhaft braunen, meist hin- und hergekuickteu
Zweige erscheinen gewöhnlich zu mehreren die hängenden glänzend schar-
lachrothen Früchte. Sie sind länglich -eiförmig, etwa 0,03"' lang, kaum
halb so dick, an dem einen der breit gerundeten Enden von den sehr kur-
zen spitzen Griffelresten gekrönt, am andern vertieft genabelt und kurz ge-
stielt, nach dem Trocknen sehr grob runzelig eingeschrumpft. Die dünne,
aber sehr zähe lederige Fruchthaut schliesst ein schwammiges, nicht sehr
saftreiches Fieberiges Fleisch ein , wovon £ie sich nicht rein abziehen lässt.
Iu der trockenen reifen Frucht ist das Fleisch weisslich bis bräunlich , von
grossen radial gerichteten und zahlreicheren kleinen Höhlungen durchsetzt.
Den grössten Theil des Centrums nimmt aber der knöcherne, ursprünglich
zweifächerige Steinkern ein, der in runzeliger dicker, besonders nach oben
scharf zugespitzter Schale nur einen Samen zu enthalten pflegt.
Die braunrothe äussere Fruchthaut ist aus kleinen, sehr gedrängten,
ziemlich dickwandigen Tafelzelleu gebaut und aussen noch mit einer glas-
hellen Epidermis bedeckt. Das lockere Gewebe des Fruchtfleisches , aus
nicht sehr ansehnlichen kugeligen Zellen, zeigt spärlichen Inhalt von bräun-
lichen körnig -wolkigen Klümpchen und da und dort eine kleine Oxalat-
Druse.
Die Brustbeeren schmecken angenehm schleimig-süss.
Der Brustbeeren -Strauch wurde zur Zeit des Kaisers Augustus nach
Italien verpflanzt. Die früher mehr als Nahrungsmittel verwendete Frucht
wurde wohl hauptsächlich von den Arabern iu die Medicin eingeführt; we-
nigstens stammen ihre Namen vom arabischen Zizuf ab. Als Heilmittel fin-
den wir sie bereits von Gargilius Martialis im dritten oder vierten Jahr-
hundert nach Chr. aufgeführt; in Deutschland wurde der Strauch zuerst
wohl von Albert d. Grossen im XIII. Jahrh. erwähnt.
Zizyphus Lotus Lam., der Lotosbaum der Alten, in Nordafrika, weni-
ger in Südeuropa einheimisch, besitzt nur halb so grosse, zähere, weniger
süsse Früchte. Sehr wohlschmeckend sind dagegen diejenigen der ostiudi
sehen Z. Jujuba Lam., welche aber nicht zu uns gelangen.
Friichto.
582
Siliqua dulcis.
Fructus Ceratoniae. Johannisbrot. Caroubes1). Johnsbread.
Ceratönia Siliqua L. — Caesalpinieae.
Der Johannisbrotbaum, durch seine Tracht au den Apfelbaum erinnernd
und wie dieser sehr ergiebig, scheint ursprünglich trockenen felsigen Strichen
Nordafrikas und wohl auch Mesopotamiens anzugehören.
Seine Verbreitung über das ganze Gebiet des Mittelmeeres bis Anato-
lien, Dalmatien und Portugal dürfte hauptsächlich durch den arabischen
Einfall in Sicilien befördert worden sein. In sehr grosser Meuge wächst
der Baum jetzt z. B. bis 1000 Fuss über dem Meere auf Cyperu, wo die
Bezirke Limasol, Kerinia, Mazota, Lefkara jährlich 90,000 bis 200,000 Ctr.
seiner Früchte in einer sehr geschätzten Sorte ausführen. Auf Malta ist er
fast der einzige Baum. Cypern, Chios und Kreta cultiviren eine durch
Pfropfen veredelte Spielart mit grösseren, fleischigeren und süsseren Früch-
ten. Ein Baum liefert bis 80 Pfund Früchte. — Die von den Reisenden in
Südamerika (von Markham z. B. bei Y<)a, südlich von Lima) angegebenen
Johannisbrotbäume sind nicht unsere Ceratönia, sondern die Algaroba
Bäume, Prosopis Siliquastrum DC., Pr. dulcis H. B. u. Kth., Pr. ßexuosa
DC., Familie der Mimoseae. Ihre Hülsen werden gegessen.
Wir erhalten das Johannisbrot meist aus dem Neapolitanischen (Mola),
aus Sicilien (Avola) und Spanien.
Die Frucht ist eine nicht aufspringende gerade oder etwas gebogene,
bis über 0,20m lange Hülse von glänzend dunkelbrauner Farbe. Sie hängt
in grosser Menge am dicken, kaum 0,010 langen Stiele vom Baume herab.
Vom Stiele aus läuft an jeder Schmalseite der flach gedrückten, gegen 0,03“
breiten Hülse eine breite Furche nach der sehr kurz hervorgezogeueu oder
auch ganz unscheinbaren Spitze, welche gewöhnlich nicht genau den Schei-
tel der Frucht einnimmt, sondern meist etwas gegen diejenige Furche her-
übergerückt ist, welche durch eine oft kaum bemerkbare Naht als ursprüng-
liche Bauchfläche bezeichnet wird.
Die Ränder zu beiden Seiten der Längsfurchen sind stark wulstig ver-
dickt , so dass die breiten Seiten der Frucht ihrer ganzen Länge nach tief
eingesunken sind. Während die Dicke eines Randes 0,012“ beträgt, ist die
Hülse in der Mitte nur 0,00Gm stark, quillt aber im Wasser auf feinen
Querschnitten auch in der Mitte zu 0,012 Mill. Dicke auf.
Die flachen Seiten sind mit zarten kurzen wellenförmigen Adern dicht
besetzt, welche im ganzen so geordnet sind, dass sie in sehr spitzen Win-
keln zusammenfliessen , deren Oeffnuug gegen den Stiel gerichtet ist. ic
Ränder sind mehr grob längssehnig.
l) italienisch: Carobbe, arabisch: Karub oder Kbarnub. Auch andere Hülsen heissen im
arabischen so, z. B. diejenige von Acacia albida Willdenow, die in Nordostafrika gegessen
wird: Kharrüb-cl-'Arab (Hart mann).
Siliqua dulcis.
583
Wird die starre mürbe Hülse so aufgeschnitten , dass das Messer der
Länge nach, aber senkrecht zur Fruchtfläche tief durch eine Schmalseite
geht, so findet man dieselbe ganz und gar eingenommen von zwei Reihen
grosser, horizontal übereinander gelegter leerer Hohlräume mit glatten
Wänden. Sie sind von eiförmiger oder elliptischer Gestalt, mit der Spitze
gegen das Innere gewendet, so dass jeder der 4 Randwülste bis in die
äusserste Spitze und an den Fruchtstiel seine besondere Yertikalreihe sol-
cher Lücken einschliesst, welche nicht zu Tage tritt, wenn die Frucht der
Länge nach in der Mitte durchschnitten wird.
Die Hülse enthält bis 14 Samen einzeln in flachen spitz elliptischen
Fächern, welche parallel mit den Fruchtflächen zusammengedrückt sind,
so dass ihr Querschnitt eine nur 3 bis 4 Millim. breite und viermal so lange
Ellipse beschreibt. Diese Fächer nehmen fast die ganze Breite der Frucht
ein und sind, etwas gegen den Stiel hin geneigt, stockwerkartig über ein-
ander aufgebaut, durch nur 0,005m mächtige Lagen des Fruchtfleisches
von einander geschieden, während die senkrechte Höhe eines Faches etwa
das doppelte beträgt.
Jedes Fach ist mit einer dünnen, aber sehr zähen Haut von gelblicher
Farbe ausgekleidet. Obwohl diese innere Fruchthaut in der trockenen Hülse
sehr eingeschrumpft ist, so füllt doch der übrigens entsprechend gestaltete,
nur breitere, sehr harte Samen das Fach nicht aus oder treibt es nur zu
geringen, auf den beiden Aussenflächen der Frucht wenig hervortretenden
Erhöhungen auf.
Der Same ist im Fache durch einen dünnen, bis 3 Millim. langen Nabel-
strang der Bauchnaht angeheftet und durch die seitlich angedrückte Wand
des Faches (innere Fruchthaut) in der Mitte desselben eingeklemmt. Mit
Ausnahme des schwarz angelaufenen Nabels und des gleich gefärbten ent-
gegengesetzten Endes des Samens (Chalaza) ist die Oberfläche glatt roth-
braun und schwach glänzend. Mit der dünnen, aber sehr harten und zähen
Samenschale ist ein grauliches durchscheinendes hornartiges Eiweiss fest
verwachsen und birgt einen gradeu gegenläufigen Keimling, dessen dicke
gelbe aderige Kotyledonen von der Gestalt des Samens etwas wellig zu-
sammengelegt sind. Sie entspringen aus einem kurzen dicken Würzelchen.
Die Hülse ist an der Bauchnaht und an der entgegengesetzten Schmal-
seite von starken holzigen Bastbiiudeln durchzogen und enthält zwischen
den Kammern (Lücken) der Randwülste und den Samenfächern ein gelb-
liches saftiges, aber doch ziemlich derbes Fruchtfleisch, von welchem sich die
dünne ledorige äussere Fruchthaut so wenig als die Wandung der Samen-
fächer abziehen lässt. Hierdurch wird der Wohlgeschmack des süssen Fie-
berigen Fleisches sehr beeinträchtigt.
Dünne Querscheiben der Frucht quellen in Wasser so auf, dass sie im
Umrisse ein langes, an den Ecken abgerundetes und auf den Schmalseiten
nur wenig eingebuchtetes Rechteck darstellen. Von den Buchten aus schlägt
sich parallel mit der Längenaxe des Rechteckes die gelbe iunere Frucht
584
Früchte.
haut von beiden Seiten doppelt einwärts und bildet so in der Mitte die
Sameufächer.
Die äussere, etwa 140 Mikromill. dicke Fruchthaut zählt ungefähr 8
Reihen kleiner, etwas quer gedehnter Zellen mit sehr derben braunen Wän-
den und ebenso gefärbtem Inhalte , der sich als Gerbstoff erweist. Diese
Schicht ist mit einer Oberhaut von engeren, mehr kubischen oder gewölbten
Zellen belegt, deren äussere glashelle Waudungen eine sehr fest zusammen-
hängende widerstandsfähige Haut bilden. Ein feiner (Tangential-) Schnitt
durch dieselbe, parallel zur Fläche, zeigt ihre kleinen, 3- bis Geckigeu Zellen
aufs engste verbunden und nur durch Spaltöffnungen unterbrochen.
Die innere Fruchthaut enthält, unmittelbar an die äussere anstosseud,
eine Reihe sehr starker, scharf umschriebener, schwach gelblicher oder fast
farbloser Bündel aus zahlreichen, stark verdickten porösen Baströhren. Die
einzelnen Baststränge sind durch dünnwandiges Parenchym oder durch
grosse Steinzellen getrennt. Nach innen zu steht vor den Bastbüudelu ein
Streifen krystallführeudeii Bastparenchyms, dann weitmaschiges lockeres
Gewebe, endlich zartes Cambialprosenchym und zuletzt feine krumme Spiral-
gefässe. Durch diese verschiedenen, mit dem Fruchtfleische kontrastireudeu
Gewebe werden auf dem Querschnitte meist mehrere einzelne Bastbündel
zu höchstens etwa 1 Millim. tief in das Fleisch eindringenden Keilen zu-
sammengefasst. Innerhalb dieser durch die Loupe schon sichtbaren Keile
ist das Fleisch, mit Ausnahme der Stellen, wo sich die innere Fruchthaut
zu den Samenfächern einstülpt, frei von Gefässen und Baströhren.
Die Bastbüudel streichen nicht genau vertikal, ihr Verlauf zeigt sich
im grossen vollkommen deutlich, ohne Yergrösserung auf der Oberfläche
der Hülse. Wo sich aber die innere Fruchthaut einschlägt, um die Sameu-
fächer zu bilden, gehen nur die Baströhren uud das sehr krystallreiche
Bastparenchym in die Zusammensetzung der pergamentartigen glänzenden
Fachwand ein, eine ungefähr 70 Mikromill. starke Schicht bildend, deren
Bündel aber horizontal liegen und welche innen noch mit eiuigen Reihen
dickwandiger, Schleim führender Zellen ausgekleidet ist.
Die den Randwülsten der Frucht ungehörigen Kammern oder Lücken
hingegen sind nicht mit einer eigenen Wand versehen.
Das ganze Füllgewebe zwischen den 4 Reihen der leeren Kammern und
den Samenfächern ist ein sehr grosszelliges Parenchym mit diiuneu löche-
rigen Wänden. In den äusseren Schichten und längs der Sameufächer und
der eingestiilpteu Fruchthaut sind die Zellen dieses Fruchtfleisches kugelig
oder eiförmig, in den mittleren Schichten nehmen sie aber eine sehr bedeu-
tende radiale Streckung, bis gegen Va Millimeter an. Sie sind im ganzen
horizontal gelagert, greifen mit spitzen Enden in einander ein und werden
daher ihrer ganzen Länge nach getroffen, wenn mau einen Querschnitt oder
einen Längsschnitt vertikal zu den Seitenflächen durch die Hülse führt.
Schneidet man dieselbe aber parallel zu ihren Seitenflächen au, so erhält
mau den Querschnitt der langgestreckten Zellen des Fruchtfleisches.
Siliqua dulcis.
585
Ein Theil des Fruchtfleisches, besonders häufig die langgestreckten
Zellen seiner Mittelschicht und der Umgebung der leeren Kammern um-
sch Hessen mit ihrer zarten Zellwand höchst eigentümliche starke Säcke
von kupferroter, etwas ins violette spielender Farbe. Jeder solcher Sack
entspricht in seiner Gestalt ungefähr der umhüllenden Zelle, sitzt jedoch
nur lose in derselben. Es gelingt daher sehr leicht, diese Zellsäcke in be-
liebiger Zahl aus feinen Schnitten herauszudrücken. Manche derselben er-
reichen eine Länge von 3/4 bis 1 Millim. bei etwa 100 bis 150 Mikromil].
Breite, sind aber von höchst unregelmässiger Gestalt. Sie zeigen die ver-
schiedenen Formen der Zellen, welchen sie angehören, sind also bald ku-
gelig und nur klein, bald eiförmig, bald fast cylindrisch und sehr gross.
Quetscht man sie, so zeigt sich bald, dass sie hohl sind und aus einer nur
dünnen, aber sehr festen, fast spröden Haut bestehen, welche immer spira-
lige Streifen oder Risse zeigt.
Eine Regelmässigkeit im Vorkommen dieser Zellsäcke ist nicht wahr-
nehmbar, sie sind aber sehr reichlich vorhanden und leicht aus jeder Re-
gion des eigentlichen Fruchtfleisches zu gewinnen. Ueber ihre Bildung
müsste die Untersuchung jüngerer Zustände der Frucht Aufschluss geben.
Vermuthlich entstehen sie durch eine Verhärtung des Protoplasma. Die
Spiralfaserzellen in der Vanille sind diesen Zellsäcken einigermassen ähn-
lich, jedoch findet sich dort nur eine spiralförmige Ablagerung auf der Zell-
wand, nicht eiu derber zusammenhängender Sack, und Kali erzeugt dort
keine Veränderung.
Diese äusserst charakteristischen Zellsäcke müssten sich leicht in Süss-
holzsaft auffinden lassen, wenn derselbe, wie man wohl angibt, ’) mit Frucht-
fleisch des Johannisbrotes versetzt wird.
Noch weit auffallender ist das chemische Verhalten der Zellsäcke aus
der Siliqua dulcis. Jod in Jodkaliumlösung, selbst nach vorheriger Durch-
tränkung mit concentrirter Schwefelsäure, färbt sie nur gelb, Säuren etwas
röthlich, Eisenvitriol oder Eisenchlorid aber aufs schönste violettblau.
Dieselbe Färbung nehmen die Zellsäcke auch in kaustischem, nicht in
kohlensaurem Kali oder Natron an, während Ammoniak sie selbst bei 100°
nicht verändert. Starke Kalilauge bewirkt das Hervorquellen eines Stromes
blauer Tröpfchen aus dem Sacke, dessen Haut selbst sich nicht vergrössert,
sondern eher etwas eingeschrumpft zurückbleibt und dann die erwähnten
Reaktionen nicht mehr zeigt. Die violettblaue Färbung, welche Kali selbst
auf dem kleinsten Stücke des Fruchtfleisches hervorruft, ist von ausser-
ordentlicher Intensität, geht aber nach einiger Zeit an der Luft, oder rascher
duich Zusatz von Säure oder auch nur von viel Wasser in schmutziges
braunroth über. Weder Aether noch Weingeist vermögen der alkalischen
Flüssigkeit den prächtig blauen Stoff zu entziehen.
') Wittstein's Vierteljahrsschrift XII. 385.
58«
Früchte.
Diese Zellsäcke erinnern durch Struktur und chemisches Verhalten an
die von Wiesner1) beschriebenen hohlen Harzkörner aus dem Holze einer
australischen Protea und mancher inländischer Laubbäume. Solche Bildun
gen scheinen als Zwischenstufen der Umwandlung von Stärke erst in Gerb-
stoff, daun in Harz aufgefasst werden zu müssen und allgemeiner verbreitet
zu sein, als bisher geahnt wurde. Sie kommen z. B. auch im Frucht-
fleische der Kreuzbeeren (vergl. bei Fructus Rliamni catharticae) und der
blauen Trauben vor. Hier jedoch sehen sie den Zellsäckeu der Siliqua dulcis
nicht ähnlich und sind schon von Morren2) mit dem Namen Corese be-
legt worden.
Die sehr zähe lederige Samenschale des Samens besteht aus einer sehr
dichten äusseren Schicht bis über 150 Mikromill. langer radial gestellter
Zellen und einer iuneren, halb so breiten Schicht tangential gedehnter, aber
sehr zusamiuengefallener Zellen mit braunen Gerbstoffkörnern. Die äussere
Schicht ist von einer starren glasartigen Epidermis bedeckt. Die Samen-
haut trennt sich nur nach dem Aufweichen von der Schale und enthält
unter einer dünnen braunen Membran eine Reihe kugeliger oder fast kubi-
scher, nach aussen knorpelig verdickter kleiner Zellen.
Das Eiweiss gibt an Wasser sehr viel Schleim ab und schliesst ferner
in seiuen sehr dickwandigen gestreckten Zellen körnige Klumpen, vermuth-
lich von Proteinstoften , ein. Eben solche gelbliche Massen, aber keine
Stärkekörner, sind in dem zartwandigen Gewebe der Kotyledonen abgelagert.
Vor der Reife schmeckt die Frucht sehr herbe, reif aber ist sie so reich
an Zucker (bis über 50 pC. Völker), dass sie aus Cypern z. B. sehr viel
nach Triest ausgeführt wird, um auf Weingeist verarbeitet zu werden. Der
Geschmack des Fruchtfleisches ist nicht unangenehm schleimig-süss. Der
Zucker krystallisirt bisweilen in den Samenfächern aus; er ist nach Ber-
thelot Rohrzucker. Auf feinen Schnitten, welche mit alkalischem Kupfer-
tartrat befeuchtet werden, reduciren nur die Zellsäcke allmälig das Ivupter-
oxyd. Auch Stamm und Aeste des Baumes sollen bisweilen Zucker aus-
schwitzeu.
Der wenig angenehme Geruch des Johannisbrotes rührt von freier Butter-
säure her, welche sich schon in der schwach sauren Reaktion des Frucht-
fleisches verräth. Redtenbacher, welcher 1846 die Natur der Säure
erkannte, gewann durch Destillation der Frucht mit verdünnter Schwefel-
säure 0,6 pC. Buttersäure, so dass sich dieselbe in dieser Weise nicht un-
vortheilhaft gewinnen lässt. Vermuthlich entsteht sie hier in folge einer
Gährung des Zuckers durch den Einfluss von Proteiustoffen, vielleicht eist
beim Trocknen der Frucht. Doch soll dieselbe schon am Baume sehr un-
angenehm riechen. — Bei der Gährung des Johannisbrotes hat schon
Beissenhirtz (1818) Bernsteiusäure bemerkt.
1) Sitzungsberichte der Wiener Akademie Bd. LII. Heft 1. pag. 110 (1865).
2) vorgi. Journ. de Pharm, et de Chim. 1866. III. 337.
Fructus Cocculi.
587
Den Alten war das Johannisbrot unter dem Namen Kerätion1) oder
Siliqua graeca bekannt. Prosper Alpinus scheint zu Ende des XVI. Jahr-
hunderts zuerst die Bezeichnung Siliqua dulcis gebraucht zu haben. In wie
geringer Achtung die Hülsen als Nahrungsmittel standen, deutet die Bibel
an, indem L u c a s 2) sie als Schweinefutter bezeichnet. Ebenso führt H o r a z
als Zeichen der Armuth an : Siliquis vivit.
Auch heutzutage dient die Hülse in Süditalien hauptsächlich als Pferde-
futter.
Die Samen, welche durchschnittlich 0,18 Gramm wiegen, wurden unter
dem von der Frucht abgeleiteten Namen Karat als Gewicht für Gold und
Edelsteine gebraucht.
2. bittere Früchte.
Fructus Cocculi.
Cocculi indici s. levantici s. piscatorii. Kokkelskörner. Fischkörner.
Coque du Levant. Cockles.
Anamirta Cocculus Wight et Arnott. — Menispermeae.
Syn.: Menispermum Cocculus L.
Cocculus suberosus De Cand.
Die dunkel purpurnen Früchte dieses starken, an felsigen Meeresküsten
Ostindiens einheimischen und an den höchsten Bäumen aufklimmenden
Schlingstrauches stehen zu mehr als fusslangeu, 200- bis oOOfriichtigen
Trauben vereinigt.
Die Malabarküste und die östlichen Inseln des Archipels liefern haupt-
sächlich diese Frucht.
Sie ist kugelig, von ungefähr 0,0 10m Durchmesser, matt bräunlichgrau,
fein runzelig-höckerig, selten noch mit dem Fruchtstiele versehen. Derselbe
ist nicht radial gegen den Mittelpunkt der Frucht gerichtet, sondern mehr
tangential. Ueber der Eintrittsstelle des Stieles ist das Fruchtgehäuse durch
eine seichte Einsattelung ein wenig vertieft und erhebt sich jenseits der-
selben zu einer kleinen scharfen Spitze. Der Fruchtstiel hinterlässt, wenn
er abfällt, eine runde, wenig ausgezeichnete Narbe von 0,003m Durchmesser,
von deren Centrum die Spitze der Frucht nur etwa 0,004m absteht. Beide
Punkte sind durch ein horizontales Leistchen verbunden, so dass der Um-
riss der Frucht von diesem Leistchen aus eine nierenförmige Gestalt zeigt.
Auch auf der entgegengesetzten Seite durchzieht eine feine, oft kaum be-
merkliche Naht die gauze Ku geloberfläch e vom Fruchtstiele an bis zur
Fruchtspitze.
Das Fruchtgehäuse spriugt nicht auf und schliesst nur einen Samen ein;
0 Rcras das Horn.
2) XV. 16. Luther hat den auch hier gebrauchten Ausdruck Eeratia ungenau mit
Traber übersetzt.
588
Früchte.
es besteht aus einer äusseren faserigen braungrauen Schicht und einer
inneren hellgrauen Steinschale, welche zusammen nicht ganz 0,00 1"‘ dick
sind. In der unmittelbar oberhalb des Fruchtstieles gelegenen Einsattelung
stülpen sich zwei Stellen der Steiuschale ein uud ragen als flach keulen-
förmige Einsackungen bis in die Mitte des Fruchtgehäuses hinein. Parallel
mit der Fruchtuaht sind diese Einstülpungen etwas abgeflacht. Durch-
sclmeidet man die Frucht in der Naht, so zeigt sich daher nur die eine
Platte dieses doppelt eingestülpten Samenträgers; ein senkrecht auf die
Naht durch die Mitte der Frucht geführter Schuitt dagegen gibt den Quer-
schnitt beider Platten des Samenträgers. Im ersteren Falle also stellt der-
selbe eine dicke, am Rande und in der Mitte etwas erhöhte keulenförmige
Scheibe dar, welche sich im Innern des Fruchtgehäuses verbreitert, im
zweiten Falle erblickt mau dagegen die beiden Schenkel des Samenträgers
säulenartig in das Fruchtgehäuse hineinrageud. Sie sind nur in ihrer unteren
Hälfte verwachsen und diese gemeinschaftliche Basis bildet die zwischen
der Spitze und dem Fruchtstiele gelegene schmale Einsattelung an der
Oberfläche des Fruchtgehäuses.
Der Same umschliesst helmartig den ganzen Samen träger, seine Ränder
sind so vollständig zwischen die beiden Schenkel des letzteren und bis zu
ihrer Basis übergreifend, dass der Same nicht abgelöst werden kann. Er
berührt nur rings um die Basis des Sameuträgers die innere Fruchtwand
und ist von ihr in allen übrigen Regionen, wenigstens in der trockenen
Frucht, durch eine breite Kluft getrennt.
Eine besondere Samenhaut fehlt; der Same ist durch eine häutige Leiste
mit dem Träger fest verbunden und besteht grössteutheils aus dem Eiweisse,
welches einen zarten Embryo einschliesst. Derselbe liegt parallel mit der
au der Oberfläche der Frucht sichtbaren Naht, das kleine Würzelchen dicht
unter der Fruchtspitze, die dünnen Keimblätter mitten im Eiweisse aus-
gebreitet, wo es sich über den Samenträger wölbt.
Das Fruchtgehäuse ist von einer Reihe kubischer Zellen bedeckt, auf
welche eiue breite Schicht etwas tangential gedehnter schlaffer bräunlicher,
mit körnigem Iuhalte erfüllter Zelleu folgt, welche alliuälig in röthbraunes
Prosenchym übergehen, woriu ansehnliche Spiralgefässe eingebettet sind.
Wenige Reihen dünnwandiger poröser, schwach gelblicher Steinzellen trennen
dieselben von der eigentlichen Steinschale, welche aus laugen verzweigten
bastartigeu Steinzellen gebildet ist. Dieselben sind sehr dicht in verschie-
denen Richtungen in einander verfilzt, so dass sie durch jeden Schnitt so-
wohl der Länge nach als auch quer oder schief getroffen zur Anschauung
gelangen. Ihre fast ganz verholzten Wandungen sind nur von wenig zahl-
reichen Poren durchbrochen.
Das Sameneiweiss besteht aus kubischen oder vieleckigen grossen dünn-
wandigen Zellen, welche mit lcrystallisirtem Fette (uud Pikrotoxiu?) gefüllt
sind. Die äusserste, radial geordnete Reihe derselben ist von einem dünnen
Fructus Papaveris.
589
gelben Häutchen bedeckt. Sehr häufig findet sich in der käuflichen Frucht
der Same verkümmert oder schimmelig.
Das Fruchtgehäuse besitzt keinen, der Same aber einen sehr stark und
anhaltend bitteren Geschmack, welcher vom Pikrotoxiu (Cocculin)
■012H14G5, einem krystallisirbareu stickstofffreien, im Samen allein, zu etwa
% — 1 pC. vorkommenden Körper herrührt.
Dasselbe wurde schon 1812 von Boullay bemerkt. Es ist der Träger
der giftigen Eigenschaften der Samen, welche bekanntlich betäubend auf
die Fische1) wirken und ihrer Bitterkeit wegen auch wohl schon in unver-
antwortlicher Weise dem Biere zugesetzt wurden. — Das Pikrotoxin redu-
cirt in alkalischer Lösung das Kupferoxyd wie die Zuckerarten , aber fünf-
mal weniger als Traubenzucker.
Pelletier u. Couerbe erhielten aus dem Fruchtgehäuse das Meni-
spermin und das Paramenispermin (etwa 2 pC.), zwei krystallisirbare
geschmacklose, nicht giftige Substanzen von gleicher Zusammensetzung,
wovon die erstere ein Alkaloid zu sein scheint. Beide sind näherer Unter-
suchung bedürftig.
Das Fett des Sameneiweisses, früher für eigenthümlich gehalten und
als Stearophansäure oder Auamirtsäure bezeichnet, fand Heiutz iden-
tisch mit Stearinsäure. Das Fett beträgt etwa die Hälfte des Gewichtes der
Samen und wird in Indien technisch verwendet.
Die betäubende Wirkung der Kokkelsfrüchte auf die Fische war schon
den alten arabischen Aerzteu bekannt. Im XYIteu Jahrhundert gelangten
die Früchte unter dem Namen Gallae orientales oderBaccae cotulae elephan-
tiuae nach Deutschland.
In Indien dient auch die Wurzel des Strauches als Heilmittel.
Fructus Papaveris.
Capita seu Capsulae Papaveris. Mohnkapseln. Mohnköpfe. Mohukolben.
Capsules ou tetes de pavots. Poppy capsules.
Papäver somniferum L. — Papnveraceae.
Der Mohn scheint ursprünglich im Ostgebiete des Mittelmeeres durch
Kleinasien und Mittelasien verbreitet gewesen zu sein. Seine Kultur ist sehr
alt und wird jetzt häufig in sehr grossem Masstabe in den meisten gemäs-
sigten und wärmeren Ländern der alten Welt betrieben, so vorzüglich in
Kleinasieu (vgl. bei Opium), Persien, Vorderindien, Aegypten, Algerien, in
Europa mehr in den mittleren Strichen als im Norden und Süden. In Griechen-
land z. B. fehlt die Mohnkultur fast ganz; in Nordamerika wird sie erst be-
gonnen.
Von den Gartenformen abgesehen, lassen sich zwei ziemlich beständige
Varietäten dieser einjährigen Pflanze unterscheiden, nämlich
l) wie merkwürdigerweise auch das Cyclamiu.
590
Früchte.
a) Pap civ er nigrum DeC. (Syu. : P. somniferum Gmelin, Pavot ä
oeillette der Franzosen), ausgezeichnet durch blass röthliche oder lilafarbige,
am Grunde mit einem dunkelvioletten Flecken bezeicliuete Blumenblätter
und durch schwärzliche oder grau violette Samen, welche in einer gewöhn-
lich mehr kugeligen Frucht enthalten sind.
ß) Papaoer album DeC. (P. officinale Gmelin, Pavot blanc der Fran-
zosen) mit weissen, höchstens am Grunde lila gefleckten Blumenblättern,
meistens weissen Samen und vorherrschend eiförmiger Frucht.
Die Kapselfrucht des bei uns kultivirten Mohns erreicht häufig etwa
0,060™ Durchmesser, sie wird aber oft zum Arzueigebrauche iu halbreifem
Zustande gesammelt, wo ihr Durchmesser nur erst etwa die Hälfte beträgt.
Die Frucht ist durch 8 — 20 verwachsene Karpelle gebildet, deren Rän-
der gleichsam eingeschlagen sind und scheidewandartig ins Innere gegen
die Mitte der Frucht vorspringen, wodurch dieselbe in zahlreiche unächte
Fächer abgetheilt erscheint, obwohl sie eiufächerig ist.
An der unreifen Frucht sind die Nähte der Karpelle aussen als seichte,
gewöhnlich etwas hellere Längsstreifen deutlich sichtbar, im Fruchtstiel
und dicht unter der Narbe erheben sie sich, hier zu scharf gekielten, dort
zu abgerundeten Kanten. Als bestimmt ausgeprägte, dunkel sammthaarige
Leisten (papillöse Narbeustreifen) von gleicher Zahl durchziehen jene Kanten
auch die grosse flache Narbeuscheibe, welche vor der Reife etwa 0,020m
Durchmesser zeigt und die Frucht krönt. Zwischen diesen erhabenen Leisten
ist die Narbenscheibe in tiefe Buchten ausgeschnitten, welche die bedeutend
verschmälerte abgestumpfte oder gerundete Spitze je eines Fiuchtblattes
aufnehmen. Hierdurch bildet sich ein kurzer dicker cannelliiter Säulen
fuss, welcher die Narbe trägt. Unter demselben erweitert sich die Frucht-
kapsel rasch zur Kugelform oder Eiform , deren grösste Anschwellung iu
ihrer unteren Hälfte liegt, und zieht sich endlich plötzlich stielartig bis auf
0,005™ Durchmesser (Fruchtknotenstiel) zusammen, um sich nur noch
über der Gliederung, womit sie dem Fruchtstiele aufsitzt, wulstartig zu
erweitern. ,
Jene in den Ausschnitten der Narbenscheibe liegenden, rundlich drei-
eckigen Zipfel der Fruchtblätter lösen sich in einigen Spielarten regelmässig
von den Kauten (Samenträgern) ab und schlagen sich nach aussen zurück,
so dass im Säulenfusse, dicht unter der Narbe, eben so viele Löcher als
Narbenbuch teu entstehen, durch welche die reifen Samen austreten können.
Die Franzosen unterscheiden demnach Pavot ä yeux ouverts und I avot
Vor der Reife ist die Frucht meergrün, kahl, aber feiu bereift und nach
dem Trocknen körnig höckerig. Später nimmt sie eine leichte bräunlich
gelbe Farbe, oft mit vielen schwärzlichen Flecken au, wird glatt an lg du-
zend. Nur die äusserste Schicht des bei uns höchstens 0,001 dicken
Fruchtgehäuses ist spröde, das übrige Gewebe sehr locker und mürbe, >ei
Fructus Papaveris.
591
der geringsten Verletzung im frischen Zustande vor der Reife reichlich
weissen bitteren Milchsaft ergiessend.
Die innere, anfangs grünlich gelbe glänzende Wand der Frucht ist fein
höckerig, sehr zierlich quer gestrichelt und etwas längsfurchig. Von ihren
Nähten gehen in gerader Linie auf das Centrum gerichtet, die gelblichen
papierartigen, aber mürben oder fast spröden Samenträger ab, welche auf
ihren beiden senkrechten Flächen und auf der Kante äusserst zahlreiche
Samen (vgl. Semen Papaveris) tragen.
Durchschneidet man die halbreife Frucht, so nimmt man deutlich eine
sehr dünne spröde durchscheinende farblose Oberhaut wahr, welche die
lockere, etwas breitere grüne Mittelschicht bedeckt. Die blass gelblich
grüne, ein wenig derbere Inuenschicht lässt sich von derselben zum Theil
ablösen.
Die Oberfläche ist aus einer dünnen, reichlich mit Spaltöffnungen
besetzten Cuticula gebildet, auf welche eine dicht gedrängte Reihe klei-
ner, im Querschnitte rundlich- quadratischer oder etwas tangential ge-
dehnter Zellen folgt, deren farblose, nur mit wenigen Poren versehene
Wände besonders nach aussen sehr dick sind. Diese Zellen schliessen
äusserst zahlreiche bräunliche Körnchen ein.
Die folgende, sehr ähnliche Schicht enthält etwas grössere, mehr tan-
gential gedehnte Zellen, welche allmälig in ein schlaffes grosszeiliges, mehr
und mehr dünnwandiges Parenchym übergehen, das von ansehnlichen
Intercellularräumen durchzogen ist, aus denen man nur mit Mühe die Luft
vollständig austreiben kann.
An der Grenze der starren Epidermalzellen und jenes lockeren Paren-
chyms enthält letzteres einen Kreis sehr zerstreuter Bündel kleiner Netz-
gefässe und etwas tiefer, ungefähr in der Mitte des Querschnittes, einen
ähnlichen, sehr weitläufigen Kreis grösserer Gefässbündel. Jedes derselben
ist gebildet aus einem starken Strange kurzer weiter siebwandiger Bast-
röhren, welcher durch zartes Cambialgewebe von einem stets viel kleineren
Bündel achter Spiralgefässe getrennt ist. Immer stehen die letzteren auf
derjenigen Seite des Gefässbündels, welche der Innenfläche der Fruchtwand
zugekehrt ist.
Beide Kreise von Gefässbüudelu sind durch quer abzweigende, bogen-
förmig aufsteigende oder oft fast horizontale Stränge von Netzgefässen
verbunden.
Das Cambialgewebe der inneren Gefässbündel enthält die Milchsaft-
schläuche, welche den entsprechenden Organen z. B. der Radix Taraxaci
nach bot in und Inhalt ähnlich, doch einfacher sind. Bei dem Mohn unserer
Gegenden wenigstens ist die geringe Zahl und Grösse dieser Milchsaft-
gefässe auffallend. Schwerlich aber wird sie geringer sein als bei anderswo
gebautem Mohn, da die Erfahrung gelehrt hat, dass auch bei uns eine grosse
Ausbeute au Milchsaft (vgl. Opium) erzielt werden kanu.
Die Innenwand der Frucht ist aus einer einzigen Schicht grosser inhalts-
592
Früchte.
loser horizontaler Zellen von eigeuthümlichem Bau gebildet. Quer durch-
schnitten, also irn radialen Längsschnitte der Frucht, erscheinen sie qua-
dratisch, ungefähr 35 Mikromill. weit. Ihre Länge beträgt durchschnittlich
250 Mikromill., die Enden sind gerade abgeschnitten, die höchstens 5Mikro-
milliineter dicken Wände von zahlreichen kleinen, spiralig geordneten Poren
durchbrochen, welche oft halbmondförmige oder zweischenkelige Gestalt
zeigen. Die Querwände sind meist senkrecht und von gleichen Poren
durchbrochen.
Demselben Typus gehören auch jene Bastzellen der Gefässbündel an,
nur dass sie weit mannigfaltigere Formen entwickeln. Bald sind sie au
ihren Enden aufgetrieben und quer abgestutzt, bald aber keilförmig zuge-
spitzt, bald bei sehr bedeutender Länge und oft über 45 Mikromill. Dicke
ziemlich gerade verlaufend, bald hin- und hergebogen, sogar stellenweise
einseitig eingebuchtet. Immer sind auch ihre Querwände durchlöchert.
Ein weit stärkeres Gefässbündel liegt an jeder Stelle des Fruchtgehäuses,
von wo ein Samenträger nach der Höhlung der Frucht abgeht. Hier erreichen
jene ausgezeichneten Siebröhren des Bastes ihre grösste Entwickelung. Das
schmale Cambialgewebe und die gewaltigen Spiralgefässe nehmen zusammen
kaum die Hälfte oder ein Drittel dieser Gefässbündel ein. In der reifen
Frucht erscheinen die Milchsaftschläuche dieser Gefässbündel als dickere,
ziemlich gerade, stellenweise bauchig aufgetriebene Röhren, welche bis
gegen 20 Mikromill. Durchmesser erreichen. Einige dringen auch zwischen
die Gefässe ein, die meisten stecken .aber im Cambiura.
Das übrige Gewebe der Samenträger besteht aus denselben schlaffen,
sehr weiten verzweigten und dünnwandigen, etwas porösen Zellen, deren
sehr ansehnliche Zwischenräume, wie übrigens auch die Gefässe und Sieb-
röhren, von Luft erfüllt sind. Die äusserste Zellschicht der Samenträger
ist aus ähnlichen, doch hier nicht horizontal gelagerten und weniger regel-
mässigen Zellen gebaut, wie die ganze Innenfläche der I nicht.
Als Inhalt des Zellgewebes zeigt sich, nach Berg, im Parenchym des
Fruchtgehäuses und der Samenträger vor der Reife Amylum. Aber schon
in der halbreifen Frucht ist dasselbe von Chlorophyllkörnern verdrängt.
Da und dort stösst man auch in den Siebröhren, in den Spiralgelassen
und ihrer Umgebung, auch wohl hier und da in den grossen Zellen der
inneren Fruchthaut auf vereinzelte ansehnliche kuboidische oder vielleicht
oktaedrische Krystalle.
Der narkotische Geruch verliert sich beim lrockuen der unreifen k rüchte
ganz. Auch der äusserst widrig bittere Geschmack bleibt nur zum 1 heil
erhalten. Ausgereifte Früchte, welche durch Anschneiden keinen Milchsaft
mehr ausfliesseu lassen, schmecken immer noch bitter, und mau findet
auch im Cambiura der Gefässbündel am Ursprünge der Samenträger immer
noch sehr ansehnliche Milchsaftgefässe mit demselben Inhalte wie in jün-
gerem Gewebe.
Hiermit stimmen Untersuchungen z. B. von Merck uud von \N inckler
Fructus Colocynthidis.
593
überein , welche in reifen trockenen Früchten noch 1 — 2 pC. Morphin,
neben andern Opiumbestandtheilen fanden.
Während früher die reifen und dann gewöhnlich von den Samen be-
freite^ Früchte gebraucht worden waren, schreiben neuere Pharmacopöen
die unreifen vor. Nach Meurein und nach Aubergier ist allerdings
der Morphingehalt am grössten kurz vor der Reife. Allein die beruhigende
Wirkung der Mohnkapseln scheint keineswegs allein vom Morphin abzu-
hängen. Büchner faud reife Früchte weit wirksamer als unreife, ohne
jedoch in erstereu Morphin nachweisen zu können, während unreife von
derselben Ernte meconsaures Morphin enthielten. Auch Grandval traf
kein Morphin in sehr wirksamen Früchten, wohl aber Desch amps d'Aval-
lon (1864). Nach dem letzteren kömmt auch bisweilen Narcotin in ge-
trockneten Kapseln vor; erwies darin ferner nach: Ammoniaksalze, Mecon-
säure, Weinsäure, Citronsäure, die gewöhnlichen Mineralsäuren, Wachs
und endlich zwei neue krystallisirte Körper, Papaverin und Papave-
rosin. Das erstere ist nicht identisch mit Merck’s gleichnamigem Alka-
loid (siehe bei Opium), sondern, obwohl stickstoffhaltig; von saurer Reak-
tion (?), das Papaverosin hingegen eine unzweifelhafte Base. Concentrirte
Schwefelsäure ertheilt ihr eine violette, aufZusatz von Salpetersäure dunkel
gelbrothe Farbe. — In den reifen Mohnkapseln wies Hesse (1866) auch
Rhoeadiu (vgl. Flor. Rhoeados) nach, Winckler Narcei'n.
Reife, von den Samen befreite, sonst aber unversehrte inländische
Mohnfrüchte, bei 100° C. getrocknet, gaben mir 14,28 pC. Asche, zur
grösseren Hälfte aus alkalischen Chlorüren und Sulfaten bestehend und
nur wenig Phosphat enthaltend.
Fructus Colocyuthidis.
Colocynthis. Fructus seu poma Colocynthidum. Colocyntha. Koloquinthe.
Koloquinte.1) Coloquinte. Colocynth.
Citrüllus Colocynthis Arnott. — Cueurbitaceae.
Syn.: Cucumis Colocynthis L.
Colocynthis oflicinalis Schräder.
Die Koloquinthengurke bewohnt das ausgedehnte Areal von der kaspi-
schen Südküste durch ganz Persien bis zum Golf, durch Mesopotamien,
das Gebiet des Rothen Meeres und des Nils, durch die Sahara bis Marocco
und tief nach dem Sudan, und tritt stellenweise, z. B. in der Bahiuda-
(Bejudah-) Steppe in Nubien, auch am Rothen Meer bei Kosseir, in unge-
heurer Menge auf. Sie findet sich ferner auch, wie es scheint, iu Ostindien,
Japan und am Cap2) und wächst auch iu Menge wild auf Melos (Milos),
attisch xoXoxuvT7], sonst xoXoxüvOi^ oder xoXoxüv$7].
) Hier wohl eher Citrullus amarus Schräder, eine nahe verwandte Art mit grösseren
Früchten?
Fliickiger, Pharmakognosie 3g
594
Früchte.
nicht aber auf dem griechischen Festlande. Zum Arzneigebrauche wird
sie da und dort angebaut, wie in Jeri bei Nicosia auf Cypern und in
Spanien.
Die kugelige oder etwas abgeplattete Beerenfrucht erreicht bis 0^10™
Durchmesser, kömmt aber im Handel meist bedeutend kleiner, etwa 0,060m
bis 0,080’" gross vor und zwar befreit1) vou der glatten, sehr feinkörnigen
gelbbräunlichen spröden, kaum '/‘„‘-bis l Millimeter dicken Schale. Dieselbe
haftet fest am weissen trockenen und schwammigen oder fast blätterigen
Fruchtfleische und wird davon durch das Messer sehr leicht und sauber ab-
geschält, dessen Schnitte stellenweise so tief gehen, dass die zahlreichen
weissen oder braunen Samen sichtbar werden.
Letztere sitzen in mehreren Vertikalreihen an 6 zum Rande vordrin-
genden, dort aber wieder nach innen zurückgebogenen Samenträgern. Je
zwei derselben wenden einander ihre Spitzen zu und sind getrennt durch
das breite Gewebe einer wandständigeu Scheidewand. Es sind demnach
drei dieser mit der Fruchtschale verwachsenen Scheidewäude vorhanden,
welche als breite scharfkantige, aber sehr stumpfwinkelige Keile in die
Mitte der Frucht hineinragen. Die erwähnten Samen träger bilden die ge-
näherten oder etwas klaffenden Seiten oder Schenkel dieser Keile. Im Cen-
trum der Frucht treffen dieselben fast zusammen, sind aber nicht verwachsen,
sondern im Gegentheil oft ziemlich von einander entfernt. Die geschälte
Frucht lässt sich leicht in diese 3 Vertikal-Theile zerbrechen; da jedes der
6 Fächer bogenförmig vom Samenträger umschlossen wird, so kommen bei
einer solchen Zertheilung der Frucht zunächst nur wenige Samen zum
Vorschein.
Der ganze Inhalt der Fruchtschale (mit Ausnahme der Samen) besteht
aus einem weissen, von vereinzelten, in den Sameuträgern etwas zahlreiche-
ren feinen gelblichen Gefässbündelchen durchzogenen Parenchym, das nur
auf den 6 strahlenförmigen Flächen der Samenträger, den Seitenflächen der
3 Keile, ein wenig dichter und glänzend ist. In dieses lockere, elastische,
aber doch mürbe Gewebe sind auch die einzelnen Samen lose eingebettet.
Im Gegensätze zu den meisten übrigen Cucurbitaceen ist das Fruchtmark
der Kolociuinthe auch im frischen Zustande trocken, nicht fleischig und
saftig.
Die Samen sind flach eiförmig, 0,007‘" lang und 0,002"’ dick, am ab-
gerundet spitzen Ende, indessen nicht genau im Scheitel, durch den weissen,
bis 0,002'” langen Nabelstrang mit dem Samenträger verbunden. Auf jeder
Fläche ist die Samenschale in zwei kurzen, ziemlich tief eingestochenen
Narben aufgerissen, welche gegen die Spitze zusammenlaufen. Die ziemhc
spröde Samenschale schliesst eineu geraden, mit dem kurzen Viurzelchen
l) Die kleinen, noch mit der Frnchtscbalc versehenen Syrischen Koloquinthen kommen
wie es scheint nicht eigentlich in den Grosshandel. Sic erreichen nur etwa 0,040- Dnrch-
messer und pflegen wenig Mark, aber desto mehr Samen zu enthalten.
Fructus Colocynthidis.
595
dem Nabel zugewendeten Keim ein, dessen blattartige, etwas dickliche Ko-
tyledonen die Höhlung ganz aasfüllen. Die Samen betragen gegen % vom
Gewichte der geschälten Frucht.
Die Fruchtschale besteht in ihrer äussersten Schicht aus einer 40 Mikro-
mill. breiten Reihe radial gestellter Zellen, deren vorzüglich nach aussen
verdickte unebene Wandungen noch von einem festen glasartigen, in Wasser
nicht aufquellenden Oberhäutchen bedeckt sind, worin der tangentiale
Schnitt da und dort eine Spaltöffnung zeigt. Die folgende, 140 Mikromill.
breite Mittelschicht enthält nur dünnwandiges tangential gedehntes klein-
zeiliges Gewebe, die Innenschicht, von ungefähr gleicher Breite, dagegen
sehr dicht gedrängte kugelig- eckige derbwandige poröse Zellen. In der
äussersten Reihe messen dieselben nur etwa 30 Mikromill. , nehmen aber
nach innen allmälig sehr au Grösse zu und gehen in das sehr grosszellige
lockere Gewebe des Fruchtmarkes (Pulpa) über. An der Grenze der inneren
Schicht des Fruchtgehäuses finden sich in weiten , ziemlich regelmässigen
Abständen zu einem sehr unterbrochenen Kreise geordnet einzelne schwache
Gefässbündelchen. Noch weiter nach innen, ganz innerhalb des Frucht-
markes, treten etwas stärkere Gefässbündel auf, welche einige bräunliche
Spiralgefässe und nur sehr schwache Prosenchymstränge enthalten.
Die sehr grossen, schon für das unbewaffnete Auge wahrnehmbaren
Zellen des Fruchtmarkes besitzen, ungeachtet ihrer dünnen, da und dort mit
grossen Poren versehenen Wände, doch eine gewisse Festigkeit und sind daher
an der trockenen Frucht keineswegs sehr zusammengefallen, sondern viel-
mehr nur fein gefältelt. Das Wasser verdrängt die Luft aus diesem lockeren
Gewebe, aber ohne sehr erhebliche Streckung der Zellwände oder bedeu-
tende Volumvergrösserung zu veranlassen, da es nicht vorzugsweise die
Zellwände sind, welche Wasser aufnehmeu und aufquellen. Sie erscheinen
daher auch unter Terpenthiuöl betrachtet fast gleich, wie nach dem Auf-
weichen in Wasser. Durchfeuchtet man von Samen sorgfältig befreites
Fruchtmark und lässt es abtropfen, so hält es das 1 2 fache Gewicht Wasser
zurück.
Die Samenschale ist von einer glasartigen, nur wenig über 10 Mikromill.
dicken Oberhaut bedeckt, unter welcher eine bis 40 Mikrom. breite Reihe
dicht gedrängter radial gestellter Zellen mit besonders nach aussen stark
verdickten farblosen Wänden folgt. Sie enthalten braungelbe Klümpchen.
Die ganze, 400 Mikrom. breite Mittelschicht ist aus stark verdickten, zier-
lich geschichteten Steinzeiten gebaut, deren innerste Reihe sich durch mehr
regelmässig kubische Form als innere Schicht unterscheiden lässt. Gegen
die Spitze hin ist das Steinzellengewebe etwas lockerer. Die 4 hier in das-
selbe narbenförmig eindriugenden Lücken der Oberfläche sind mit grossen
dünnwandigen Zellen ausgekleidet.
Der Embryo ist aus sehr regelmässigem dünnwandigem, stark gestreck-
tem Gewebe gebaut, welches neben grossen Oeltropfen den gewöhnlichen
granulösen Inhalt (Protei'ustoffe) zeigt.
38*
596
Früchte.
Die Zellen des Fruchtmarkes sind ohne festen Inhalt, schmecken aber
äusserst bitter. Jodwasser ist selbst bei tagelanger Durchtränkung ohne
Einwirkung auf das Gewebe und färbt nur die Gefässbüudel gelblich. Eisen-
salze zeigen die gänzliche Abwesenheit von Gerbstoff an; höchstens die
Fruchtschale und Samenschale nehmen damit eine Spur von Färbung an.
Der bittere, sehr schwach sauer reagirende wässerige Auszug der Kolo-
quinthen ist nicht gallertartig, scheidet erst beim Eindampfen Pektin und
viel rothbraunes Harz aus und enthält ausserdem hauptsächlich Gummi und
Zucker.
Den gefährlich drastisch wirkenden Bitterstoff, das Colocynthin,
wollte Lebourdais krystallisirt erhalten haben. Walz beschrieb ihn als
gelbes amorphes Pulver oder weissgelbe krystallinische Büschel, in 6 bis
8 Tbeilen Wasser löslich. Verdünnte Säuren spalten das Colocynthin nach
Walz in Zucker und harzartiges Colocynthein. Einen farblosen krystal-
lisirten, in Wasser und kaltem Alkohol unlöslichen Körper, Colocynthi-
tin, hat Walz nicht näher untersucht. Er fand ferner im Fruchtmarke
auch etwas Fett.
Dasselbe vollkommen vom Samen befreite und bei 100° getrocknete
Gewebe gab mir 1 1 pC. Asche, vorwiegend aus Chlorüren, Carbouaten und
Phosphaten bestehend, die Samen allein nur 2,7 pC. Asche.
Die vom anhängenden Fruchtmarke ganz befreiten Samen schmecken
nur höchst schwach bitter. Sie sind bei der Verarbeitung der Koloquinthen
zu entfernen.
Die Koloquintlie war schon den Alten bekannt, bei den Arabern unter
dem Namen Haudal, welcher sich für das Pulver erhalten hat, das man
mit Hülfe von Gummi aus dem für sich allein seiner Elasticität wegen
schwierig pulverisirbaren Fruchtmarke darstellt. — Schon Karl der Giosse
scheint in Deutschland den Anbau einer Koloquinthe angeordnet zu haben,
welche indessen nach Dierbach eine andere Art, vermuthlich die in Süd-
russlaud einheimische Cucurbita ovifcra L. war.1) Citrullus Colocynthis ge-
deiht in Deutschland nicht. Es gibt überhaupt noch mehrere Cucurbitaceen
mit bitteren Früchten , welche die Koloquinthe ersetzen können. So sind
schon aus Brasilien die Früchte von Luffa purgaus und Luffa drastica Mar-
tins nach England gekommen, und in Südeuropa wird bisweilen Cucurbita
aurantiaca Willdenow (C. Colocyntha Risso) gebaut.
1) nach Meyer (Gesch. d. Botanik) vielleicht eher Ecbalinm (Momordica) Klate-
r i u m Rieh.
Aurantia immatura.
597
Aurantia immatura.
Fructus Aurantii immaturus. Baccae s. poma Aurantiorum immatura.
Unreife Pomeranzen. Orangettes. Petits grains. Orange peas.
Citrus vulgaris Risso. — Aurantiaceae.
Syn.: Citrus Aurantium a) amara L.
Citrus Bigaradia Duhamel.
Die Urheimat des bitterfrüchtigen Pomeranzenbaumes, Bigaradier der
Franzosen, scheint der Nordosten Indiens (vielleicht Silhet) und Cochin-
china oder selbst die südlichen Provinzen Chinas am Kiang-Strome gewesen
zu sein. Schon sehr frühe wurde derselbe theils zu Wasser unmittelbar
nach den Ländern des persischen Golfs, theils allmälig zu Lande durch
Kabul und Persien nach Yorderasieu, selbst in die Oasen der Gobi-Wüste
verbreitet; etwas später erst über das ganze Gebiet des Mittelmeeres. Jetzt
ist der Baum oder Strauch in vielen Varietäten in allen wärmeren Ländern
angesiedelt. Dieselbe Herkunft ist auch für die meisten übrigen Citrus-Arten
anzuuehmen, namentlich für C. Aurantium Risso (C. Aurantium ß) dulcis
L.), die süsse Orange oder Apfelsine, welche möglicherweise, Linne’s
Auffassung entsprechend , nur eine sehr beständig gewordene Culturform
der bitterfrüchtigen ist, obwohl beide Arten sich durch Samen fortpflanzen.
Citrus vulgaris ist eine der härtesten Species und dient daher vielfach zum
Veredeln.
In Südfrankreich, woher wir vorzüglich die unreifen Pomeranzen er-
halten, werden die von selbst abgefallenen Früchtchen gesammelt. Sie sind
kugelig oder etwas läuglich, 0,005m bis 0,01 5m messend, am Grunde mit
einem ansehnlichen hellgelblichen, wenig vertieften rauhen Nabel versehen
und an der Spitze zur kleineren hellgelben Stempelnarbe ausgezogen. Die
im übrigen gleichmässig graugrüuliche oder fast bräunliche matte Ober-
fläche ist durch zahlreiche vertiefte Punkte sehr uneben. Ein durch die
Mitte der harten spröden Frucht geführter Horizontalschnitt zeigt in ihrer
Axe eine starke Mittelsäule, an welcher 10 oder 8, seltener 12 Fächer Zu-
sammentreffen, die von einem gelblichen lederigen, 2 bis 4 Millim. breiten
Fruchtfleische ein geschlossen werden. Die äussere dunkle Fruchthaut ist
nur sehr diinu. Der Vertikalschnitt durch die Mitte der aufrechten Frucht
trifft gewöhnlich 2 der Fächer, deren äussere Wände, mit dem Umrisse der
Frucht ungefähr parallel laufend, eine Ellipse beschreiben, während die in-
neren senkrechten Wände mit der Mittelsäule zusammenfallen. Von dieser
hängen die zahlreichen, noch ganz unausgebildeten kleinen Eichen in jedem
Fache zu 2 Reihen geordnet herab, während von der concaven äusseren
Wand jedes Faches weit zahlreichere keulenförmige Papillen tief in das
Fach hereinragen.
In der Mittelsäule bemerkt man einen Kreis von kleinen braunen Gefäss-
bündeln , welche in Zahl und Stellung den Fächern entsprechen; auch im
Fruchtfleische steht gewöhnlich vor jedem Fache ein Gefässtrang. Dicht
598
Früchte.
unter der äusseren Fruchthaut findet sich eine Reihe ansehnlicher eiförmi-
ger Oelbehälter in radialer Stellung.
Die Oberfläche der Frucht wird von einem zarten, durch zahlreiche
Spaltöffnungen unterbrochenen Häutchen gebildet, welches die einzellige
Reihe der kleinen kubischen oder von oben gesehen 3- bis ßeckigen Zellen
der eigentlichen Fruchthaut bedeckt. Von derselben sind die Oelbehälter
durch ziemlich zahlreiche Lagen kleinzelligen Parenchyms getrennt.
Nach innen hin nehmen die Zellen an Grösse zu und werden auch dick-
wandiger. Die der Mittelsäule sind weder auffallend grösser, noch mehr
verdickt. Die ansehnlichsten Zellen finden sich als Einfassung rings um
die Oelräume, wo sie in mehrfacher Lage eine denselben entsprechende
regelmässige (tangentiale) Streckung annehmen. Die sehr zarten Wandungen
der innersten dieser Zellenlagen reissen leicht uud zeigen keine besondere
Membram als Auskleidung der Oelräume, welche bis über Vs Millim. radia-
len Durchmesser erreichen.
Die unregelmässig verlaufenden Gefässbündel enthalten zarte, sehr lange,
bis 15 Mikromill. dicke Gefässe, deren derbe Spirale sich abrollen lässt,
aber doch leicht bricht, auch wohl in die Treppenform übergeht. Sie sind
besonders auf der der Peripherie der Frucht zugeweudeten Seite von
zartem Prosenchym begleitet.
Die Papillen, welche von den äusseren Wänden des Faches in dasselbe
hereinragen, enthalten zartwandiges, in den äussereu Schichten gestrecktes
Parenchym; zwischen, auch wohl an ihnen selbst finden sich einzelne rund-
liche Anhäufungen von gelblichen Schleimzellen, die unter Wasser oder in
Aetzkali bedeutend aufquellen. Vielleicht ist hier auch ein Sitz der Oel-
bildung zu suchen.
Die iu Schleim eingebetteten Eichen sind noch unentwickelt.
Das Parenchym der unreifen Pomeranzen enthält in grosser Menge wol-
kige, sehr schwach gelbliche Klumpen, welche von Jod braungelb gefärbt
und von Kali rasch mit schön gelber Farbe gelöst werden, worauf das Ge-
webe leer erscheint und nur da und dort, zumal in den peripheiischen
Schichten, wie auch iu den Papillen uud in den Wänden der Sameufächer
zerstreute, nicht gut ausgebildete Kalkoxalat-Krystalle aufweist.
Die Oelräume enthalten selten ätherisches Oel ip reichlicher Menge; es
durch tränkt vielmehr die äusseren Fruchtschichteu als rothbrauuer Balsam.
Die unreifen Pomeranzen schmecken besonders in ihren äusseren Schich-
ten kräftig aromatisch und bitter, weit weniger in den inueren 1 heilen.
Dem Ceschmacke entspricht der angenehme Geruch.
Der eigentümliche geruchlose, krystallisirbare Bitterstoff wurde von
Lebreton 1830 dargestellt uud Hesperidin1) genannt. Dasselbe ist ge-
schmacklos, nimmt aber durch Kochen mit Essigsäure einen bittere» Ge-
schmack an. Nach Wide manu schmeckt das Hesperidin sogar susshch.
D Aurantiin, Brandes.
Aurantia immatura.
599
Iu Alkalien löst es sich zu gelbrothen Verbindungen, daher die erwähnten,
im Gewebe vertheilten Klumpen dasselbe wahrscheinlich und zwar vielleicht
neben Eiweisstoffen enthalten. Wie schon Jonas angedeutet, fand Dehn
(1865) das Hesperidin durch Säuren spaltbar. Er erhielt daraus veimittelst
Schwefelsäure einen gut krystallisirenden , mit Mannit isomeren Zuckei.
Etwaige Beziehungen zu dem in den Samen der Aurantiaceen enthaltenen
Limonin (vergl. bei Cort. Citri) sind nicht ermittelt. In besonders reich-
licher Menge ist das Hesperidiu auch in den Blüthen der javanischen C itrus
decumana L. enthalten.
Aus den frischen unreifen Orangen wird ein ätherisches Oel von be-
sonderem Wohlgeruche, Esseuce de petit grain ou d orangettes, *) gewonnen,
welches, wie alle Oele der Aurantiaceen, mit dem Terpenthinöl isomer ist.
Iu den trockenen Früchtchen ist der Oelgehalt gering. Das Oel der Blüthen
ist Von ausgezeichnetem Wohlgeruche und sie werden höher geschätzt als
die von Citrus Aurantium Risso. — Nur die äussere Fruchthaut enthält
Gerbstoff.
Den Alten waren die bitteren und süssen Orangen unbekannt, nirgends
finden sich z. B. auf den Wandgemälden von Pompeji Aurantiaceen-Früchte
dargestellt. Da die Verbindungen Roms bis zur indischen Küste, selbst
bis Ceylon reichten, so mussten damals diese Pflanzen wohl noch nicht
so weit gewandert sein.
Die Araber verbreiteten vermuthlich um das IX. Jahrhundert zunächst
die bittere Orange (Citrus vulgaris) durch Oman und Mesopotamien nach
Syrien und Arabieu, wo ihre Aerzte im X. Jahrhundert den bitteren Saft
der „Narandsch“ verordneten. Auch Sicilien, Spanien (Sevilla gegen Ende
des XII. Jahrhunderts) und der Norden Afrikas verdanken den Arabern die
Einführung der bitteren Orange, theils direkt, theils in Folge der Kreuz-
züge, welche die Frucht auch in andere Mittelmeerländer brachten.
Die Sanskritsprache hat gegen 20 verschiedene Benennungen des Pome-
ranzenbaumes oder der Orangen ; keine einzige derselben deutet einen
süssen oder überhaupt augenehmeu Geschmack der Frucht an, daher zur
Blütliezeit jener Sprache die süsse Orange vermuthlich noch nicht vorhan-
den war. Der Hauptname der Orangen im Sanskrit, Nagarunga, Naringi,
ist in alle europäischen Sprachen übergegangen und liegt sowohl dem grie-
chischen jNepavT'Ciov, als auch dem Arancium, Araugium, Aurantium des
mittelalterlichen Latein zu Grunde, da den Römern und Griechen selbst der
Begriff und die Sache gefehlt hatte.
Das Mittelalter kannte bis ins XV. Jahrhundert nur die bittere Orange.
Mochte durch die Handelsbeziehungen der Venetianer und Genuesen end-
lich auch die Kunde der süssen Pomerauze allmälig das Abendland erreicht
haben, so brachten doch erst die Portugiesen dieselbe nach der Umscliiffung
l) auch wohl Esscnco de Portugal , worunter aber bisweilen ein Gemisch verschiedener
Oele verstanden wird.
600
Früchte.
des Caps (1498) aus Indien und Südchina und führten allgemeiner ihren
Anbau ein. Q Im Caplande gedeiht sie jetzt so vortrefflich , dass sich dort
Orangenbäume von der Grösse deutscher Eichen finden (Novara).
Fructus Rliamni catharticae.
Baccae spinae cervinae. Kreuzdornbeeren. Baies de nerprun.
Buckthoru berries.
Rhamnus cathartica L. — Rhamneae.
Starker, gekreuzt gegenständig verzweigter Strauch, einheimisch durch
ganz Europa, von Spanien bis zum südlichen Norwegen (nicht nördlicher
als 60°), durch Persien bis Südsibirien, im ganzen wohl weniger gemein
als Rhamnus Fraugula.
Die Blüthen der weiblichen Pflanzen bilden sich zu schwarzen glänzen-
den kugeligen, gegen 0,0 10m grossen Früchtchen aus, welche an der un-
merklich abgeplatteten Spitze den kurzen Ansatz des Griffels tragen und
am Grunde von einer kleinen achtstrahligen Scheibe (dem vertrockneten
Unterkelche) gestützt sind. Das Fruchtstielchen fällt mit letzterer leicht ab.
Yor der Reife sind die Früchtchen grün und deutlich vierknöpfig, später
glatt, aber nach dem Trocknen sehr grob runzelig, indem das lockere grün-
lich-bräunliche Fruchtfleisch stark einschrumpft. Es schliesst 4 holzige
einsamige Fächer ein, welche in der Mitte rechtwinkelig Zusammentreffen,
wenn nicht etwa das eine verkümmert. Die Samen sind aufrecht, fast kreis-
förmig gebogen, so dass eine vertikale Höhlung entsteht, in welche sich die
Ränder des Samens Zurückschlagen. Das Eiweiss und die gelben Keim-
blätter erscheinen daher im Querschnitte hufeisenförmig mit nach aussen
geöffneter Krümmung.
Die glänzende Oberhaut der reifen Frucht besteht aus kleinen Tafel-
zellen, worauf eine Reihe derber kubischer Zellen, dann ungefähr 6 bis 10
Schichten ziemlich fest zusammenhängender tangential gestreckter chloro-
phyllreicher Zellen folgen. Diese derbe äussere Fruchthaut geht allmälig in
das sehr lockere dünnwandige und grosszellige Fruchtfleisch über, desseu
innere Schichten radial gestellt sind. Ein schmales kleinzelliges krystall-
führendes Parenchym trennt das Fruchtfleisch von den langgestreckten ver-
holzten Prosenchym der Fachwände.
Im Fruchtfleische nimmt man ausser Chlorophyll auch gleiche, doch
etwas weniger feste Zellsäcke von roth-violetter Färbung wahr, wie bei
Siliqua dulcis. Alkalien ertheilen ihnen eine blaue Färbung, welche aber
durch gleichzeitige Anwesenheit gelben Farbstoffes grün erscheint \or
der Reife sind diese Zellsäcke kaum etwas gelblich gefärbt und verändern
sich in Berühruug mit Kali nicht, werden aber durch Eisenchlorid dunkel
1) Grösstcutheils nach A. De Caudolle. Geogr. botau. 1865.
Fruetus Rhamni catharticae.
601
gefärbt. Auch die äussere Fruchthaut ist bei der Reife mit violettem Farb-
stoffe gesättigt.
Der frische Saft ist grün , von saurer Reaktion und siisslichem , dann
sehr ekelhaft bitterem Geschmacke und widerlichem Gerüche; Alkalien
färben ihn gelb, Säuren roth. Der Saft trockner Früchte ist mehr braun-
röthlich, und wird durch Alkalien gelbgrünlich, durch Säuren roth, durch
Eisensalze dunkel braungrün gefärbt.
Die verschiedenen gefärbten Stoffe, welche neben Zucker und Pektin,
Gummi und organischen Säuren in den Kreuzbeeren Vorkommen, sind noch
nicht genügend bekannt. Als Rhamnin bezeichnete Fleury (1841)
körnige oder blumenkohlartige Klumpen von gelber Farbe, die er nur ein-
mal in Nadeln krystallisirt erhielt. Alkalien lösen das Rhamnin mit gelber
Farbe, Säuren entfärben es, in heissem Wasser quillt es auf, in kaltem löst
es sich nicht, wohl aber in heissem Weingeist. Aus der ammoniakalischen
Lösung sollen sich goldgelbe Nadeln (Frangulin?) absetzen. Reiner und
reichlicher als aus dem Safte, soll sich das Rhamnin aus dem Pressrück-
stande der Früchte gewinnen lassen. Den Geschmack schildert Fleury
als eigeDthümlich, dem Mehlteige ähnlich (?). Diese Angaben verdienen
weitere Prüfung, welche Lefort neuerlich angekündigt hat.
Den Beeren fehlt wenigstens vor der Reife, nach Büchner, das Fran-
gulin (vgl. bei Cort. Frangulae).
Dem eingedampften Safte der Beeren entzog Win ekler (1849) durch
Alkohol das (Rhamno-) Cathartin,1) einen hell goldgelben, auch in
Wasser, nicht aber in Aether löslichen amorphen Bitterstoff. Alkalien
lösen das Cathartin mit gelber Farbe, welche durch Eisenchlorid in braun
übergeht. Auch dieser Stoff ist noch sehr erneuerter Untersuchung bedürftig.
Er soll therapeutisch dem Aloeharze nahe stehen.
Saftgrün, Succus viridis, heisst eiu schon seit langem als Wasserfarbe
dienender Lack, den man durch Fällung des Saftes reifer Kreuzdornbeeren
vermittelst Alaun oder Pottasche als dunkelgrüne weiche Masse erhält. Sie
löst sich in Wasser und Weingeist; Alkalien färben die Auflösung gelb,
Säuren roth.
Rommier, so wie Charvin haben in neuester Zeit die technische
Verwendbarkeit dieses aus der Rinde oder den Früchten zu gewinnenden
Farbstoffes näher geprüft und gezeigt, dass es sich in Wasser suspeudirt,
aber nicht eigentlich löst und blutrothe Färbung annimmt, welche. durch
reducirende Agentien wieder in Grün umgewandelt wird. Andere Säuren
und Salze erzeugen unter Zersetzung die verschiedensten Farben , welche
sich aber wenig beständig gezeigt haben.
Unter dem Namen Lu-kao wird in China aus Rinden von Rhamnus
1) Die Bezeichnung Catarthin rührt von Hubert (1830) her, war aber bereits früher
emem Stoffe der Senna durch Lassaigne u. Feneulle beigelegt worden (siehe bei Folia
602
Früchte.
chlor ophora und Rh. utilis ein trockener, sehr reicher Farbstoff darge-
stellt, welcher vermuthlich mit dem letzterwähnten Stoffe aus Rh. cathar- ü
tica übereinstimmt. Dieses Chinesisch-Grün ist blau, von grünem Striche,
violett und grün schimmernd.
Die den Kreuzbeeren ähnlichen Früchte von Rhamnus Frangula sind
roth, zuletzt erst schwarzblau, aber niemals vierfächerig, sondern nur 2-
oder 3-keruig. Chemisch scheinen sie nicht verschieden zu sein.
Andere Farbstoffe dagegen kommen in den sogenannten Gelbbeeren
oder Avignonkörnern vor (vgl. unter Cort. Fraugulae).
Fructus Sabadillae.
Semen Sabadillae. Sabadillsamen. Läusesamen. Cevadille. Cevadilla.
Sabadilla officinarum Brandt. — Melanthaceae.
Syn.: Sabadilla offieinalis Nees.
Yeratrum officinale Schlechtendal. — Helonias Don.
Schoenocaulon Asa Gray. — Asagraea Lindley.
Diese Zwiebelpflanze wächst vorzüglich an grasreichen bewässerten
Stellen am Ostabhange der gewaltigen mexicanischen Vulkanreihe des Cofre
de Perote und Pik von Orizaba (Citl-altepetl) bei Teosolo, Huatusco und:
Zacuapan bis zum Meeresufer herunter, dann auch in Venezuela (Caracas).
Zur Ausfuhr wird die Sabadilla angebaut bei Vera Cruz, Alvarado, Tlaca-
talpan am mexicanischen Golf.
Die Frucht besteht aus drei bis 0,0 15m langen, gelbbraunen trocken-
häutigen zugespitzten Karpellen,1) welche meist noch nebst dem 6theiligen<
Perigon und den 6 Staubfäden auf dem kurzen Blüthenstielchen sitzen.
Die kapselartigen Karpelle sind nur unten verwachsen, nach oben frei,,
etwas spreizend und längs der Bauchnaht aufgesprungen. Jedes enthält 1—6, .
höchstens 0,009m lange und 0,002"’ dicke braunschwarze glänzende läugs-
nervige Samen, welche an der Axe befestigt und durch gegenseitigen Druck
unregelmässig kantig geworden sind.
Die feste Samenschale umschliesst ein graubraunes öliges Eiweiss, m
dessen Grunde der etwas geschnäbelteu Samenspitze gegenüber der kleine
Embryo liegt. Der Querschnitt zeigt unter der braunen, aus drei Reihen i
lockerer, tangential gestreckter dünnwandiger Zellen bestehenden Samen.-?
hülle das couceutrisch-strahlige Gewebe des Eiweisses, grosse dickwandige,
nicht poröse Zellen mit wellenförmiger Höhlung, welche durch körnig
schleimiges Protoplasma und Oeltropfen erfüllt ist. Das Eiweiss hat Ähn-
lichkeit mit dem des Sem. Colchici. Die dünne gelbe Samenschale ist fest
l) Die Karpelle sehen einigermassen der Gerste ähnlich, daher der Name, vo“ spanisch«
Cebada Gerste. - Caspar Bauhin nannte die Sabadillfrucht Bordeum causUcum.
Fructus Capsici.
603
mit dem Eiweiss verwachsen; Amylum fehlt. Der Samen ist geruchlos, aber
von brennend scharfem anhaltendem Geschmacke, beim Pulvern heftiges
Niesen verursachend. Die Fruchtgehäuse sind fast ohne Wirkung,1) da-
her ist auf reichliche Menge von Samen in der käuflichen Waare zu
achten. Aus Porto Cabello (Venezuela) wird der ausgehülsete Samen in den
Handel gebracht.
In der Sabadilla fand Meissner 1818 das Alkaloid Veratrin
£32H52N2G8, welches Pelletier u. Caventou (vgl. bei Rhizom aVeratri)
genauer untersuchten. Früher nur mit sehr viel Harz verunreinigt als
amorphe Masse gekannt, wurde es 1855 von G. Merck in grossen
rhombischen Prismen erhalten.
Nach Buignet wäre das Veratrin ein Glykosid (ob das reine krystal-
lisirte oder nur das harzhaltige?) Die von den Fruchtgehäusen befreiten
Samen liefern ungefähr */» pC. amorphes Veratrin, zu dessen Darstellung
sie ausschliesslich dienen, enthalten aber noch ein zweites Alkaloid , das
Sabadillin, welches nach Hübschmann nicht Niesen erregt und in
Aether nicht, wohl aber in Ammoniak löslich ist. Ausserdem enthalten die
Samen eine flüchtige Fettsäure, die Sabadill- (oder Cevadin-)säure , und
die gleichfalls eigen thümliche Veratrumsäure H’°LD.
Die Sabadillfrucht gelangte gegen Ende des XVI. Jahrhunderts aus
Mexico zu uns. Monardes beschrieb sie zuerst 1572. In Mexico dient
die sehr gefährlich wirkende Zwiebel der Sabadilla unter dem Namen
Cebolleja auch als Wurmmittel.
Veratrum Sabadilla Retzius, auf den Antillen, so wie im Innern
Mexicos, früher irrigerweise für die Stammpflanze der officinellen Sabadill-
samen gehalten , ist von Sabadilla officinarum verschieden durch die dunk-
leren und mehr eirundlichen Früchte, welche sich nur sehr selten in der
Handelswaare finden.
3. brennend scharfe Früchte.
Fructus Capsici.
Piper hispanicum s. indicum. Spanischer Pfeffer. Paprika (slavisch).
Capsique. Poivre rouge. Poivre long. Red pepper. Cayenne pepper.
Guinea pepper. Pod pepper.
1. Capsicum longum Fingerhut.
2. Capsicum aiwuum Fingerhut. — Solaneae .
Einjährige krautartige, ursprünglich, wie es scheint, in Westindien und
Südamerika einheimische Pflanzen , die jetzt in allen wärmeren Ländern
durch Kultur verbreitet und vielfach ausgeartet, nirgends aber noch wild
anzutreffeu sind.
*) Nach Schroff und andern nicht weniger wirksames Princip enthaltend.
«04
Früchte.
Der im Haudel vorkommende spanische Pfeffer ist fast ausschliesslich
die bis gegen 0,1 Om lange und am Grunde höchstens 0,04“ dicke Beere
der erstgenannten Art. Sie ist glatt blasig, etwas zugespitzt, schön glän-
zend roth oder gelbroth, am Grunde noch mit dem fest haftenden, ziemlich
flachen gezähnten grünlich braunen Kelche versehen, welcher allmälig in
den starken gekrümmten (bei Capsicum annuum geraden) Stiel übergeht,
der etwa die halbe Länge der Beerenfrucht erreicht. Diese selbst besteht
aus einem lederartigen durchscheinenden trockenen , kaum V4 Millimeter ’
dicken mürben Fruchtgehäuse von derber, fäst spröder Consistenz. In ihrem
oberen Theile ist die Frucht einfächerig, mit 2 — 3 wandständigen Samen-
trägern versehen, welche im unteren Theile Zusammentreffen und zu einem
grossen markigen centralen Mittelkörper verwachsen, der das Fruchtgehäuse
selbst grösstentheils leer läst. Hierdurch entstehen in der unteren Hälfte
der Frucht 2 oder 3 sehr weite Fächer mit zahlreichen gelblichen Samen,
welche flache, unregelmässig rundliche, 0,005“ messende Scheiben mit
grubiger Oberfläche, etwas verdicktem Rande und klaffendem Nabel dar-
stellen. Dem fast ringförmig gekrümmten Embryo entsprechen auf den
beiden Flächen der Samenschale etwas hellere Erhöhungen.
Im Wasser quillt das Fruchtgehäuse auf und lässt sich leicht in die
derbe äussere und die lockere faserige innere Fruchtschicht trennen.
Die letztere allein wird der ganzen Länge nach von zahlreichen feinen, hier
und da anastomosirenden , meist aber parallelen Gefässbündeln durch-
zogen.
Die äussere Schicht ist aus 4 — 7 Reihen gelber tafelartiger Zellen
zusammengesetzt, deren Wände viel dicker sind, als der Querdurchmesser
ihrer Höhlungen. Im Querschnitt erscheinen diese Zellen in tangentialer
Richtung etwas gestreckt, im tangentialen Längsschnitt dagegen von vor-
herrschend quadratischer bis rhombischer oder etwas abgerundet eckiger
Form und bedeutender Ausdehnung. Die Wände zeigen hier sehr zierliche
Porenkanäle.
Die innere Fruchtschicht, fast doppelt so breit wie die äussere, enthält
wenig gefärbte, tangential gestreckte flache Zellen mit sehr zarten zusammen-
gefallenen, daher fast verfilzten Wänden ; nur die innerste Zellenreihe bietet
einen derberen Bau dar, indem sie aus gelben, ausnehmend zierlichen
Zellen besteht, welche mehr denen der äusseren Fruchtschicht gleichen.
Sie stellen nämlich ebenfalls Tafeln dar, deren fein geschichtete Wandungen
aber im tangentialen Schnitt höchst unregelmässigen geschlängelten Verlauf
zeigen und von zahlreichen Porenkauälen durchbrochen sind. — An der
Grenze dieser beiden, die innere Fruchthaut zusammensetzenden Schichten
verlaufen die sehr lang gestreckten Bündel der nur etwa 10 Mikromilliiu.
dicken, mit abrollenden Spiralen versehenen Gefässe, umgeben von sehr
zarten Bastfasern. — Der Längsschnitt durch das Fruchtgehäuse gibt
daher je nach der Tiefe, in welcher er geführt wird, ein sehr verschie-
denes Bild.
Fructus Capsici.
605
Die Zellen der äusseren Fruchthaut sind namentlich Sitz des fein-
körnigen gelbrothen Farbstoffes, nach dessen Entfernung durch Kali und
Weingeist ein Zellenkern zurückbleibt.
Die Samen bestehen aus dickwandigem grossem, im Embryo aber viel
kleinerem und zarterem, rundlich polyedrischem und mit trübem körnigem
Inhalte erfülltem Gewebe, bedeckt von einer dünnen inneren und einer sehr
dicken äusseren Samenschale, welche noch mit einem zarten Oberhäutchen
belegt ist. Die dickwandigen, radial gestellten Zellen der äusseren Samen-
schale sind von sehr unregelmässiger abwechselnder Form und Grösse und
bedingen das grubig-runzelige Aussehen der Samen.
Der Geschmack des spanischen Pfeifers, auch seiner Samen, ist von
sehr anhaltender brennender gefährlicher Schärfe, welche auch äusserlich
die Haut bis zur Blasenbildung zu reizen vermag.
Als Träger dieser Schärfe hatte Buch holz und auch Braconnot
(1816) einen anfangs schmierigen, nur schwer trocknenden Stoff, Cap-
sicin, bezeichnet, den letzerer durch Aether auszog. Yon diesem,
offenbar noch sehr unreinen , wohl harz- und fetthaltigen Präparate ganz
verschieden erscheint Wittin g’s in Wasser und Alkohol, nicht aber in
Aether lösliches krystallisirtes Capsicin, welchem basische Natur zuge-
schrieben werden müsste , sofern sich die Angaben des Entdeckers bestä-
tigen sollten.
Landerer’s Mittheilungen (1854) haben zur Aufklärung dieses Stoffes
kaum beigetragen.
Einen krystallisirten farblosen Stoff, welcher jedenfalls im höchsten
Grade die scharfen Eigenschaften des Capsicum besitzt, haben (1857)
Parrish1) u. Taylor durch Ausziehen mit Aether, Reinigung mit Wein-
geist und Fällung mit Bleiessig erhalten. Parrish vergleicht dieses Cap-
sicin mit einem Steaoropten (?).
Noch weniger gekannt ist der Farbstoff der Capsicumfrucht, in welcher
Braconnot ausserdem noch Kalisalze der Citrou- und der Phosphorsäure,
Gummi und Harz gefunden hat. — Eine höchst unbedeutende Spur äthe-
rischen Oeles scheint, nach Raybaud, nur in der ganz frischen reifen
Frucht enthalten zu sein.
Unter dem Namen Cayenne- Pfeffer kommen als Gewürz dem spa-
nischen Pfeffer ähnliche, aber nur etwa 0,03m lange Früchte vor, welche
von Capsicum, crassrmWilld. , oder auch von C. frutescens Willd. und
noch anderen Arten abgeleitet werden. — Viele Capsicum- Arten oder Varie-
täten liefern übrigens scharfe, hauptsächlich in den Tropenländern als Ge-
würze dienende, bald kirschen- oder olivenähnliche, bald grössere Früchte.
Häufig gelangen sie mit Mehl zerrieben in den Handel.
Der spanische Pfeffer wurde in Deutschland erst gegen die Mitte des
XVI. Jahrhunderts, nach Leonhard Fuchs einige Jahre vor 1542,
a) Practical Pharmacy. Philadelph. 1859. pg. 427.
60«
Früchte.
bekannt. Er scheint zuerst durch Daveiro aus Westafrika (Benin) nach
Portugal gebracht worden zu sein, wo er durch Garcia d’Orta aufhöberen
Befehl herabgesetzt wurde, damit der einträgliche monopolisirte Pfeffer-
kandel durch die neue Waare nicht leide.
4. aromatische Früchte und Fruchtstände.
Fructus Juniperi.
Baccae s. Galbuli Juniperi. Wachholder-, Reckholder-1) oder Kaddigbeeren.
Genievre. Baies de Genievre. Juniper berries.
Junipenis communis L. — Coniferae-Cupressinae.
Starker ästiger Strauch, durch den grössten Theil der arktischen und
gemässigten nördlichen Zone verbreitet. Im südlichen Gebiete, in Spanien,
auf der Balkan -Halbinsel, wächst er mehr strauchartig in den Gebirgen;
im Norden wird er sehr kräftig, baumartig, 600 — 800 Jahre alt und geht
bis Grönland, Islaud, Mageröe, Kamtschatka, durch Sibirien bis ins süd-
kaspisclie Gebiet.
Die kurzen Bliithenstäude (Kätzchen) sitzen einzeln in den Blattwinkeln
vorjähriger Triebe; die der weiblichen Pflanze bestehen aus 3 — 5 Reihen
ziegeldachartig geordneter 3 blätteriger Wirtel von Deckblättern. Die 3
Blätter des obersten Wirtels werden fleischig schuppenartig; mit ihnen alter-
nireu 3 freie aufrechte, an der Spitze durchbokrte-Eichen. Nach dem Ver-
blühen verwachsen die drei Erucktschuppeu zu einer Scheinbeere und
schliesseu die Eichen ganz ein, indem an dem reifenden Fruchtstaude nur
noch oben die höckerigen Spitzen und Nähte der zusammentreffenden
Fruchtblätter und nach dem Abfallen am Grunde ein oder mehrere Wirtel
vertrockneter kleiner Deckblätter wahrnehmbar bleiben und die Eutstehuug
dieser sogenannten Beere andeuteu. Sie bleibt im ersten Jahre eiförmig,
grün und wird erst im zweiten Herbste reif und kugelig (bis 0,009 Durch-
messer), dunkel schwarzbraun, blaugrau bereift. Der Uebergaug von der
grünen in die dunkel schwarzblaue Färbung scheint sehr rasch einzutreten.
Unter der düuueu Fruchthaut ist ein lockeres braungelbes Fruchtfleisch
enthalten, das die drei harten, oben scharf dreikantigen Samen eiuschliesst.
Sie liegen mit einer flachen oder gekielten Seite unmittelbar au eiuauder,
nur auf den äusseren Seiten und blos bis etwas über die untere Hälfte mit
dem Fruchtfleische verwachsen. Die obere freie Hälfte dagegen ist aussen
mit einem Samenhäutchen bedeckt. In Furchen der Samenschale liegen an
der unteren Hälfte der Samen kleine, bis 0,002“ lange Schläuche, die mit
dem ätherischen Oele gefüllt sind. Ihre zarte Membran ist mit dem trucht-
l) vom altdeutschen Recan, rauchen, räuchern. Indessen findet sich im althochdeutschen
auch Wcchhuldcr, Wachalderndorn, Wallechdoru und Krannbaum schon vor dem XII. Ja in.
Vanilla.
607
fleische verwachsen. Jeder Samen trägt auf der inneren Seite 1 oder 2,
auf der konvexen Rückenfläche 4 — 8 dieser Oelschläuche , welche oft bei
alten Früchten statt des Oeles krystallisirtes farbloses Stearopten (oder
Harz?) enthalten. Aber auch bei unreifen grünen Früchten ist der Inhalt
dieser Schläuche immer dickflüssig, so dass die Veränderung des Oeles
demnach schon sehr früh beginnt.
Die Aussenschicht der Frucht besteht aus einer farblosen glashellen
durchsichtigen Oberhaut, welche einige Reihen kubischer oder tafelförmiger
grosser Zellen mit dicken braunen porösen Wänden bedeckt. Diese Zellen
zeigen dunkelbraunen körnigen Inhalt (Farbstoff) und Harzklumpen. Das
Fruchtfleisch, bei der Reife aus grossen elliptischen dünnwandigen Zellen
gebildet, deren Zusammenhang ganz gelockert ist, enthält Chlorophyll und
Oeltropfen ; vor der Reife aber auch Araylumkörner und grosse Oelzellen.
Dieses Gewebe ist von sehr kleinen, Ring- und Tüpfelgefässe führenden
Gefässbündeln von unten nach oben durchzogen.
Die Wachholderbeeren riechen aromatisch und schmecken gewürzhaft
süsslich-bitterlich und, wenn sie älter sind, etwas säuerlich. Ihr ätherisches
Oel, isomer mit Terpenthinöl , beträgt bei reifen trockenen Früchten unge-
fähr DApC., bei unreifen weniger; letztere enthalten noch ein zweites Oel
von niedrigerem Siedepunkte. Die Angaben über die Ausbeute schwanken
zwischen 3A bis gegen 2 pC., und es sind bedeutende Abweichungen leicht
erklärlich, theils durch verschiedene Reife der Früchte und ungleichen
Standort, theils durch die schon angedeutete Hydratation und Oxydation
des Oeles. — Im Süden scheint wohl der Oelgehalt regelmässig geringer
zu sein, als in mehr nördlichen Ländern. Die Wachholderbeeren sind reich
an Traubenzucker (13 pC. Steer, 33 pC. Trommsdorff), durch dessen
Gährung bekanntlich ein eigenthümlicher Branntwein erhalten wird. Es
scheint, dass bei der Gährung zugleich flüchtige Säuren der Fettsäurereihe,
vielleicht auch Milchsäure entstehen. Nach Steer enthalten die Früchte
Aepfelsäure, Wachs, Gummi, Pektin und einen eigen thümlichen gelblichen,
an Chrysophansäure erinnernden Stoff, Juniperin, welcher nicht genauer
erforscht ist und hauptsächlich den Farbstoff der äusseren Fruchthaut zu
enthalten scheint.
Unreife grüne Früchte nehmen durch das Trocknen eine braunröthliche
Farbe an, die sie leicht erkennen lässt.
Vanilla.
Siliqua Vanillae. Vaniglia. Baynilla. Fructus Vanillae. Vanille. Vanille.
Vanilla planifolia Andrews. — Orchideae.
Diese in Ost-Mexico einheimische, durch Cultur dort und in sehr vielen
Tropenländern weit verbreitete Orchidee klimmt vermittelst ihrer Luft-
wurzeln in feuchten schattigen und warmen Wälderu hoch an Bäumen
608
Früchte.
empor. Ihr langer, etwas dreikantiger Fruchtknoten ist einfächerig; von
jeder Wand ragt ein zweischenkliger Samenträger frei in das hohle Fach
herein. Jeder Schenkel (oder Leiste) ist nochmals 2 lappig, die Lappen
zuriickgeschlagen, so dass also im Ganzen 12 gerundete Kanten mehr oder
weniger frei oder genähert der Länge nach die Höhlung der Frucht durch-
ziehen und die zahllosen schwarzen, höchstens V* Millimeter messenden
Samen tragen. Diese glänzenden harten Samen sind mit einem hellgelben
balsamischen Mus, dem eigentlichen Träger des Wohlgeruches, überzogen.
Erst im zweiten Jahre reift der Fruchtknoten zu einer durchaus nicht
aromatischen, kleberig milchenden schotenartigen ’) fleischigen Kapselfrucht
aus, welche sich ungleichhälftig in 2 Klappen der Länge nach öffnet. Man
lässt sie jedoch nicht zu völliger Reife gelangen , sondern sammelt sie (in
Mexico vom December bis Märzl) 2)), wenn ihre grüne Farbe eben in braun
überzugehen beginnt und trocknet sie nach einigen Angaben in sehr um-
ständlicher Weise, indem mau sie abwechselnd offen oder in wollene Tücher
eingeschlagen, der Wärme aussetzt, wobei sie nachreift und erst das Aroma
und die beliebte dunkelbraunschwarze Farbe der käuflichen Frucht ent-
wickelt. Sie wird alsdann in Bündelchen (Mazos) von 50 Stück zusammen-
gelegt und je 20 solcher zu grösseren Bündeln (Miliares) in Blechkistchen
verpackt.
Die mexicanische Yanille erreicht eine Länge von 0,30m, bei einer Breite
von 0,0 10'“, in Wasser eingeweicht, schwillt sie um die Hälfte auf; sie ist
durch die Packung etwas plattgedrückt, tief längsfurchig , nach der Basis
zu, oft aber nach beiden Enden etwas verschmälert, gegen die Basis zurück-
gekrümmt und bisweilen um ihre Axe gedreht. Zahlreiche farblose Kry-
stalle , entweder Blättchen, feine Nadeln oder kürzere dicke Prismen von
Vanillin bedecken die schwarzbraune Oberfläche, bei den besten Sorten
einen dichten Reif (givre der Franzosen) bildend. Geringere Sorten be-
sitzen diesen glänzenden Ueberzug nicht. Der Querschnitt zeigt zwei deut-
lichere Kanten, welche die abgeflachte Seite der Frucht eiuschliessen, wäh-
rend die beiden anderen stark gewölbten Seiten nur undeutlich durch eine
abgerundete Kante getrennt sind. Die Seiten verlaufen in wellig gebogener
Linie. Von den zwei deutlicheren Kanten aus geht eine Reihe etwas engerer
Zellen gegen das Innere, die beiden Richtungen schwach andeutend, iu
welcher die reife Frucht sich öffnet. Die innere Hälfte des Fruchtgehäuses
enthält etwa 20 in einen weiläufigeu Kreis geordnete Gefässbündel. Die
äussere Fruchthaut wird von einer Reihe tafelförmiger dickwandiger Zellen,
mit körnigem braunem Inhalte gebildet, die Mittelschicht des Fruchtgehäuses
aus grossen dünnwandigen Zellen, welche in der äusseren Schicht etwas
eckig und axial gestreckt, in der inneren mehr kubisch oder kugelig gestaltet
l) Bayna heisst spanisch Schote, Vaynilla Schötchcn ; portugiesisch Baonilba.
'i) Nach J.W. von Müller Ende März bis Ende Juni.
Vanilla.
609
sind. Alle enthalten gelbliche Fetttropfen, braune körnige Klümpchen,
Nadeln von Kalkoxalat und Prismen von Vanillin.
Sehr charakteristisch sind jene äusseren Zellen des Fruchtgehäuses,
indem auf ihren Wänden zierliche Spiralfasern abgelagert sind, welche noch
ausgezeichneter in den Luftwurzeln tropischer Orchideen (z. B. Aerides odo-
rata) Vorkommen. Das Parenchym der inneren Lage des Fruchtgehäuses
dagegen zeigt etwas zusammengefallene, daher zart geschlängelte, fein poröse
Wände. Die Samenträger sind mit zarten, dünnwandigen Zellen, dem lei-
tenden Zellgewebe , bekleidet , die Innenwand selbst an den freien Stellen
mit langen Papillen.
Die Cultur der Vanille ist sehr einfach , da etwa lm lange Setzranken
(Steckreiser), welche man an Bäume befestigt und kaum die Erde berühren
lässt, sehr bald in die Rinde Wurzel schlagen und schon vom dritten
Jahre an, während 30 — 40 Jahren, jährlich bis 50 Früchte treiben. Haupt-
sitze der Vanille -Produktion sind die Küstengegenden des Staates Vera-
Cruz, vorzüglich Mizantla, Papantla, Nautla, Colipa, Tacuantla, Santiago,
San Andres de Tuxtla. Aus diesem Striche wurden z. B. 1856 etwa 3V2
Millionen Früchte imWerthe von mehr als 2 Mill. Francs, 1860 etwa
8000 Kilogr. , 1864 etwa 20,000 K. ausgeführt, meist nach Bordeaux.
Auch am Westabhange der Cordi Heren im Staate Oaxaca, bei Teutila,
Juquila, Sacatepec, wird Vanille gewonnen, weniger in den Staaten Tabasco,
Chiapas und Yucatan. Die Frucht gewiuut durch die Cultur an Aroma,
und wird am höchsten geschätzt, wenn sie laug und fleischig, stark aro-
matisch, dunkel braunschwarz, mit Krystallen bedeckt und nicht aufge-
sprungen ist (Vanille du Leg oder Lee). Wild gewachsene mexicanische
Früchte sind trocken und wenig geschätzt (Vanilla cimarrona. Ciinmarron
= wild).
Die Befruchtung der Vanille wird durch Insekten vermittelt, da die
Uebertragung der Pollenmassen auf die Narbe des eigenthüinlichen Blüthen-
baues wegen nicht ohne weiteres stattfiuden kann. Seitdem Morren, Garten-
direktor in Lüttich (1836), gezeigt hat, dass jede andere Uebertragung der
Pollenmassen zur Befruchtung auch genügt, gelingt die Erzeugung der Vanille
ohne die betreffenden Insekten in allen Tropenländern; sogar in den euro-
päischen Gewächshäusern vermag man ausgezeichnet aromatische Früchte
zu erzielen.1) Seit 1850 betreibt z. B. Teijsman, Direktor des gross-
artigen Gouvernementsgartens in Buitenzorg (Java) die Vanillekultur ge-
schäftsmässig mit dem besten Erfolge. Die Pflanzen werden daselbst im
Freien an langen Stangen gezogen und die Befruchtung durch gewöhnliche
Arbeiter vorgenommen.
Auch in Westindien und auf den Mascarenas wird Vanilla planifolia
angebaut, so dass Reunion (Bourbon) 1860 über 6000 Kilogr. und 1864
0 In Hamburg und Berlin gezogene Früchte fand Berg der mexikanischen Vanille gleich
bis auf geringe anatomische Unterschiede. Es fehlten z. B. die charakteristischen Spiral-
faserzellen.
Flückiger, Pharmakognosie.
39
610
Früchte.
bereits 20,000 Kilogr. ausgeführt hat, obwohl sich diese Sorte wegen allzu
grosser Weichheit nicht so sehr empfiehlt. Gewiss steht noch weiterer Ver-
breitung nichts im Wege, als der durch allzu grosse Produktion gedrückte
Preis und der immerhin nur beschränkte Verbrauch. *)
Auch andere Vanilla- Arten liefern ähnliche, doch grössere, nicht so
wohlriechende krystallreiche Früchte, z. B. V. Pompona Schiede, die
Vanille von La Guayra oder Vanillon. Sie ist bis 0,02"’ breit, kömmt
auch in Papantla und Colipa (Ost-Möxico) vor, und ist wenig haltbar. Auf
diese bezieht sich wohl Humboldt’s Angabe,2) dass Vanille in Menge auf
der feuchten Küste Venezuelas, zwischen Porto Cabello und Ocumare, vor-
komme, obwohl er die Pflanze als Epidendron Vanilla bezeichuete.
Noch unbekannt sind die Stammpflanzen der grossen, nicht besonders
aromatischen Brasilianischen Vanillesorten.
Vanilla aromatica Swartz (Epidendron Vauilla L.), irrigerweise früher
für die Stammpflanze der officinellen (mexicanischen) Vanille gehalten, soll
eine geruchlose Frucht besitzen.
Die Vanille enthält kein ätherisches Oel, sondern verdankt ihren lieb-
lichen Geruch dem balsamischen Ueberzug der Samen und besonders dem
Vanillin. Ersterer dürfte wohl eine ähnliche Zusammensetzung besitzen
wie Styrax- oder Peru- und Tolubalsam und steht vermuthlich in nächster
Beziehung zu dem Vanillin, welches im Innern der Frucht und auf der
Oberfläche auskrystallisirt. Es galt früher für Zimmt- oder Benzoesäure,
endlich für Cumarin (£9H8#8), bis Gobley seine schon von Bley behaup-
tete Eigentümlichkeit erwies. Es ist nach dem ersteren von schwach
saurer Reaktion und von dem sonst ähnlichen Cumarin durch seine Zu-
sammensetzung GI0HH)2 und den höheren Schmelzpunkt (77° C.) bestimmt
verschieden. — Ganz abweichend von Gobley fand Stokkebye das
Vanillin von unzweifelhaft saurer Natur, erst bei 82° C. schmelzend, der
Formel C17H'-2LD° entsprechend und bemerkenswert durch die tief violette
Färbung, welche es in wässeriger Lösung auf Zusatz von Eisenchlorid
annimmt — Ausser dieser Vanille säure fand Stokkebye in der Vanille
noch Gerbsäure, fettes Oel, Wachs, Harz, Zucker, Gummi, Kalkoxalat.
Die Blüthe der Vanilla planifolia ist geruchlos, ebenso das säuerliche
Fruchtfleisch an sich. Die oben erwähnte Behandlung der noch nicht
ausgereifteu Frucht veranlasst vielleicht eine Art von Gährung, welche zu
der Bildung oder Vermehrung des Vanillins in Beziehung stehen mag.
Nachgemaclite Vanille, etwa aus schlechten Sorten mit Hülfe von Peru-
balsam und Benzoesäure hergestellt, lässt sich an der Verschiedenheit des
Geruches leicht erkennen.
Die Vanille gelangte schon zu Anfang des XVI. Jahrhunderts nach Europa.
— Nach einigeh Angaben soll V. planifolia ursprünglich in Westindien
einheimisch sein, jedenfalls aber trafen sie die Spanier 1519 bei der Erobe-
rung Mexicos daselbst schon als Zusatz zur Chocolate im Gebrauch.
1) Frankreich führt hCchstens 50,000 K. jährlich ein. — 2) Reisen. Stuttg. 1 859. II. 350.
Fructus Cardamomi.
611
Fructus Cardamomi.
Cardamomum. Semen Cardamomi. Cardamomen. Cardamomes.
Cardamoms.
1. Elettäria Cardamomum White u. Maton. — Zingiberaceae.
2. Elettaria major Smith.
Die länglichrunden oder kugeligen dreikantigen Kapselfrüchte mehrerer
Zingiberaceen bilden die verschiedenen Cardämomumsorten. Sie sind am
Grunde abgerundet, oft mit einem Stielchen versehen, gegen die Spitze
etwas verschmälert und kurz geschnäbelt. Das längsstreifige weisslich graue
oder braune geruch- und geschmacklose Fruchtgehäuse ist dünn lederartig
oder strohig und springt an den Kanten in drei Längsspalten auf. Von der
Mitte der Innenseite jeder der drei Klappen geht nach der Axe zu eine
papierartige Scheidewand, wodurch drei Fächer entstehen, deren jedes eine
Anzahl im mittelständigen Winkel in zwei Reihen angehefteter kleiner brau-
ner oder grauer gewürzhafter Samen einschliesst. Durch gegenseitigen
Druck sind dieselben äusserst unregelmässig kantig, ausserdem quer runze-
lig, vertieft genabelt und auf einer Seite mit einer Rinne (Raphe) versehen.
Sie messen 0,004 bis 0,005m. Ein dünnes farbloses Häutchen (Samen-
mantel) umschliesst die einzelnen Samen, welche meistens reihenweise fest
an einander hängen. Sie enthalten unter der braunen Samenschale ein
weisses Endosperm mit dem Embryo und mehligem Eiweiss.
Die Samenschale besteht aus drei sehr verschiedenen Zellenschichten.
Zu äusserst etwas in die Länge gezogene dickwandige spiralig ge-
streifte Zellen, die auf dem Querschnitt eine fast quadratische, nicht
sehr grosse Höhlung zeigen; hierauf eine Reihe sehr grosser weiter quer-
gestreckter Zellen mit dünnen lockeren Querwänden, endlich als innerste
Schicht eine fest geschlossene Reihe tiefbrauner radial gestellter Zellen,
deren Wände so stark verdickt sind, dass blos zu äusserst ein kleines Lumen
noch übrig ist.
Das strahlig- körnige farblose Eiweiss schliesst ein hornartiges Endo-
sperm ein, das einen nach oben etwas eingeschnürten Sack bildet, in wel-
chem der Embryo bis an das frei herausragende, gegen den Nabel gerichtete
Würzelchen steckt. Die grossen Zellen des Eiweisses sind länglich poly-
edrisch und mit Amylum erfüllt, das im Innern formlose Klumpen, in deu
äusseren Zellschichten dagen sehr kleine (3—4 Mikromill.) Körnchen bildet.
Das kleine, sehr zartwandige Paremchym des Embryos und des Endosperms
ist mit fettem Oel (10 pC. Trommsdorff) erfüllt.
Die Samen enthalten ferner 2 bis 4 pC. ätherisches, mit Terpenthinöl
isomeres Oel, so wie auch Harz.
Die beiden jetzt noch gebräuchlichsten Cardamom-Sorten sind
1. die malabarischen, Cardamonum ma/fliancim, Card, minus, von
39’
612
Früchte.
Elettaria1) Cardamomum White u. Maton (Amomum Cardarnomum DC.,
Alpinia Cardamomum Roxbgh), welche auf der Westküste Vorderindiens in
Curg, Wynaad und Malabar, auch noch auf den Nicobaren wild und culti-
virt vorkömmt. Sie sind hellgelb, gestielt, deutlich geschnäbelt, bald rund-
lich, bald in die Länge gezogen, 0,010 bis 0,020,n laug und enthalten gegen
20 hellbraune oder graue, sehr grob runzelige Samen von fein gewürzhaftern
Geschmacke, welche ungefähr % des Gesammtgewichtes der Frucht aus-
machen. Malabar liefert jährlich gegen 800 Ctr. dieses im ganzen wenig
mehr gesuchten Gewürzes.
2. Die Ceylou-Cardamomen, Cardamomum longum s. zeylanicum
von Elettaria major Smith (Elett. media Link) auf Ceylon. Weit mehr
(bis 0,040m) in die Länge gezogen als die vorigen, 0,008m bis 0,010m dick,
oft etwas bogig gekrümmt, deutlich kantig, dunkelgrau. Samen zahlreich,
von etwas weniger feinem, mehr scharfem Geschmacke.
3. Seltener kommen heutzutage noch vor die Siam-Cardamomen, Car-
damomum racemosum s. Cardamomum rotundum , von Amomum Carda-
momum Linn., das auf den ostindischeu Inseln und in Siam wächst. Diese
Früchte sind kugelig, gerundet dreikantig; das Fruchtgehäuse lichtgrau,
brüchig, nicht zähe, wie bei den vorigen, weniger gestreift, stellenweise
kurz borstig. Samen braungrau , fein runzelig, fest zusammengeballt, in
jedem Fache zu 9 bis 12, von kampherartigem Geschmacke. Im Alterthum
war namentlich diese Sorte sehr beliebt und kam, damals noch an dem ge-
meinschaftlichen Stiel sitzend, als kleine 'I raube (racemus) in den Handel.
4. Die Javanischen Cardamomeu, Card, majus s. javanicum , von
Amomum maximum Roxburgh, auf den Inseln und dem Festlande Ost-
indiens. Sie sind länglich (0,025 lang, 0,015 breit), braun, stark gerippt,
die Rippen gegen die Spitze reichlich mit Kork bedeckt, der im Wasser
flügelartig aufquillt. Samen mattgrau, fein streifig.
Die Cardamomen waren schon im Alterthum hoch berühmt. ^ on den
sehr zahlreichen , früher vorgekommenen Sorten hat sich fast nur noch die
von Malabar behauptet.
Cubebae.
Fructus Cubebae. Baccae Cubebae. Piper Cubeba. Piper caudatum.
Cubeben. Cubebe. Cubebs.
Cubeba officinalis Miquel. — Piperaceae.
Syn.: Piper Cubeba L. fil.
Kletternder holziger diöcischer Strauch, zuverlässig nur auf Java (Ban-
tam im Westen, Insel Kambangan im Süden, am Berge Salak bei Buiten-*
zorg, bei Tjikoya), vielleicht auch in Nepal, auf den Molukken und auf
Madagascar (?) einheimisch; auf Java in der Resideutie Bantam angebaut,
1) Elettari, einheimischer Name der Pflanrc auf der Malabar-Küste.
Cubebae.
613
wie es scheint aber als kleines Bäumchen oder strauchförmig, nicht eigentlich
kletternd, gezogen. Der jährliche Ertrag beläuft sich auf über 60.000 Kilogr.
Die trocken ungefähr 0,005'“ messenden Früchtchen siud anfangs
sitzend, später aber in eineu dünnen Stiel von der doppelten Länge aus-
gezogen, auf welchem sie sehr zahlreich, bis über 50, an einer gemein-
schaftlichen, etwa 0,040'" langen verdickten gestielten Axe (Spindel) stehen,
wodurch sie sich vou Piper longum sowohl als von Piper nigrum unter-
scheiden, indem die Beeren des ersteren mit der Spindel und den Deckblät-
tern verwachsen, die des Piper nigrum aber kurzgestielt frei aus der Spindel
der Aehren hervorragen. — Verkümmerte Früchtchen der Cubeba bleiben
sitzend.
Die Cubeben werden vor der Reife gesammelt, vermuthlich weil
sie nachher andere chemische Eigenschaften erlangen. Sie sind kugelig,
oft am Grunde eingefallen, sehr wenig zugespitzt, durch Einschrumpfung
der fleischigen Fruchthaut runzelig, graubraun oder schwärzlich, häufig
noch aschgrau bereift. Der Stiel ist die verlängerte Basis der Frucht
und gliedert sich daher nicht ab, sondern bleibt sitzen; auch die werth-
losen Spindeln der Aehre sind der käuflichen Waare beigemischt. Die
Fruchthaut schliesst eine harte glatte hochgelbe Steinschale ein, worin der
Same steckt. Wenn derselbe ausgebildet ist, was aber gewöhnlich nicht der
Fall, so ist er niedergedrückt kugelig, glatt und glänzend braun, nur
am Grunde mit dem Fruchtgehäuse verwachsen (bei Piper ganz) und hier
mit einem dunklereu abgeplatteten Nabel versehen. Die Spitze des Samens
ragt etwas hervor oder ist eingedrückt. Das Eiweiss erscheint mehlig, weiss,
gegen die Peripherie zu ölglänzend, nicht hohl, unter der Spitze den kleinen
Embryo bergend. In der käuflichen Waare aber zeigt sich der Same zu
einer unförmlichen schwarzen Masse eingeschrumpft, welche das Frucht-
gehäuse grösstentheils leer lässt.
Der anatomische Bau bietet sehr auffallende Eigenthümlichkeiten. Die
äussere Fruchthaut unter der Epidermis wird durch kleine würfelige Stein-
zellen gebildet, welche nur in einer einzigen, da und dort unterbrochenen
Reihe stehen und halb so gross sind wie bei Piper nigrum.
Die mittlere breite Fruchtschicht besteht aus kleinzelligem unentwickel-
tem Gewebe, das Oeltropfen, Stärkekörner und Krystallgruppen von Cube-
bin, vermuthlich auch Fett, enthält. Diese Mittelschicht ist von sehr
grossen Oelzellen unterbrochen, welche auch oft Cubebinkrystalle in con-
centrisch vereinigten Nadeln einschliessen.
Die bei weitem schmalere innere Fruchtschicht besteht aus ungefähr vier
Reihen etwas grösserer tangential gestreckter zarter Zellen, welche nur Oel
enthalten. An diese schliesst sich die hellgelbe spi'öde Steinschale, aus einer
dicht gedrängten Reihe fast ganz verdickter poröser und geschichteter, ra-
dial gestellter länglicher Steinzellen. Der Samenkern endlich wird durch
eine dünne braune Samenhaut bedeckt und zeigt den Bau und Inhalt des
Eiweisses von Piper nigrum, nur dass bei Cubeba die Zellen mehr rund-
1 hch und die Krystallgruppen Cubebin, nicht Piperin, sind.
614
Früchte.
Geruch und Geschmack durchdringend gewürzhaft, kampherartig, aber
nicht scharf, die Fruchtwand mit bitterlichem Beigeschmäcke.
Hauptbestandteil der Cnbeben ist neben Harz das ätherische Oel, über
dessen Menge die Angaben von 3 bis gegen 16 pC. (Bernatzik 9,4 pC.)
schwanken. Die Beschaffenheit der Waare, die Veränderlichkeit des Oeles,
die Art der Destillation des erst bei 250 — 260° C. unter theilweiser Zer-
setzung übergehenden , sehr schwer vollständig zu gewinnenden Oeles
bedingen diese wechselnde Ausbeute. Dazu noch vielleicht "N erwechslung
der Cubeben mit anderen ähnlichen Früchtchen. Jedenfalls zeigt schon das
Mikroskop, dass die Cubeben an ätherischem Oele sehr reich sind. Das
sehr dickflüssige Cubebenöl, alleiniger Träger des Aromas der Frucht,
ist der Hauptsache nach isomer oder polymer mit Terpentinöl. Es setzt
häufig Rhomben Oktaeder eines Stearoptens G'°Hl6-t-2 (G10H16+H2G)
oder vielleicht einfacher G’°H16+H2G ab. Mit diesem Cubebenkain-
pher ist nicht zu verwechseln das Cubebin GI0H10G3, dessen Krystalle
bisweilen schon mit der Loupe in der Fruchtwand zu sehen sind. Schuck
erhielt davon ]/5 pC., Engelhart wie auch Bernatzik das doppelte; An-
gaben bis zu 4 oder 6 pC. beziehen sich auf andere, ohne Zweifel unreine,
mit Unrecht als Cubebin bezeichnete Körper. — Das von Soubeiran und
Capitaine entdeckte Cubebin ist indifferent gesckmack- und geruchlos,
nicht spaltbar; seine chemischen Funktionen sind übrigens noch nicht er-
Das aus dem (durch beigemengtes Cubebin) körnig-krystalhnischen Ab-
sätze des ätherischen Extractes nach Entfernung des Oeles erhält hche Harz
ist eine amorphe Säure, die Cubebensäure von Bernatzik, welche
ähnlich der Copaivasäure krystallisirende Salze liefert, z. B. mR Baryt. Sie
beträgt 3,4 pC., ein zweites, in Alkalien nicht lösliches Harz o,o p .
Nach Bernatzik, dem wir eine vorzügliche Untersuchung der Cubeben
(1865) verdanken, ist die Cubebensäure alleiniger therapeutisch wirksamer
Stoff der Cubeben. lA . , ,. „ ,
Den Cubeben ähnlich und damit bisweilen verwechselt sind die Fruchte
von Cubeba canina Miquel (Piper caninum Blume, P. Cubeba Vahl),
welche häufig auf Sumatra, Borneo und den übrigen ostindischen Iuse n
auf Java z. B. in der Provinz Bandoug wächst. Sie sind aber kleinei, wenig
runzelig, ihre Samen gestrichelt, der Geschmack schwächer und anisartig,
die Stielchcn nicht länger als die Beeren. p . ...
Zu einer Namenverwechslung könnten auch die Guinea- Cube
von Cubeba Clusii Miquel, aus Westafrika, Anlass geben. Ihre Nelken-
farbe unterscheidet sie. Diese Früchte (vorausgesetzt, dass keine \ erwechs-
lung Statt gefunden) sind interessant, weil sie, nach Steuhouse, Pipe ,
nicht Cubebin enthalten. Noch andere Arten der Gattung Cubeba schein^
sehr ähnliche Früchte zu besitzen; im deutschen Handel jedoch p g
die der Cubeba officinalis vorzukommen. Nieder-
Unter dem Namen einer „Beisorte“ kamen in neuester Zeit aus Niede
Piper nigrura.
615
ländisch Indien abweichende Cubeben unbekannten Ursprunges nach Europa,
die bald für ächte, jedoch ausgereifte Cubeben, bald aber für specifisch ver-
schieden gehalten wurden. Eine von Jobst gelieferte Probe dieser „Bei-
sorte“ zeigt grössere, nicht bereifte, sonst aber mit den gewöhnlichen Cu-
beben äusserlich übereinstimmende Früchte. Der Geschmack jedoch ist
abweichend, au Macis und Terpenthinöl erinnernd. Fast immer enthält
diese Beisorte gesunde, ganz ausgebildete Samen. Ein Unterschied im ana-
tomischen Bau liegt einzig darin, dass die Mittelschicht der Fruchtwand aus
weitem schlaffem Parenchym besteht, dessen Zellen nur wenig Amylum,
aber viele kleinere und grössere braungelbe Oeltropfen enthalten. Auch
krystallisirtes Cubebin scheint zu fehlen, die Eiweisszellen sind etwas mehr
eckig. Die charakteristische Steinschale ist ganz gleich wie bei den ge-
wöhnlichen Cubeben. — Demnach ist es sehr wahrscheinlich, dass diese
„Beisorte“ aus reifen Cubeben besteht. Jedenfalls ist dieselbe durchaus
unzulässig.
Der Nelken pfeffer (S. 561) lässt sich au den ungestielten Früchten,
so wie au dem ganz verschiedenen Aroma und an dem Kelchsaum erkenuen,
welcher die Frucht krönt; die Kreuzbeeren (S. 600) sind viersamig; der
schwarze Pfeffer endlich, der auch wohl den Cubeben beigemischt sein
könnte, stiellos uud sein Samen mit der Fruchtwand verwachsen.
Das Wort Cubeben stammt aus dem Hindostanischen Cubab, welchen
Namen aber auch die sogenannten Flores Cassiae führen.1) Die javanische
Bezeichnung ist Cumac. In der indischen Yolksmedicin scheinen sie lange
gebräuchlich gewesen zu sein; unwahrscheinlich ist es, dass die Griechen
und Römer sie gekannt. Das Mittelalter erhielt vermuthlich unter diesem
Namen verschiedene Früchte. Die Araber Masudi (X. Jahrh.) und Edrisi
(XII. Jahrh.) nannten Cubeben als indisches Gewürz, ebenso im XI. Jahrh.
der Salernitaner Consta ntinusAfricanus, auch die Aebtissin Hilde-
gard erwähnte um 1150 „Cubebo.“
Noch Clusius beschrieb Cubeben, deren Identität mit den unserigen
zweifelhaft ist. Die letzteren kannte zuverlässig um 1609 der holländische
Botaniker Dodonae us uud die holländisch -ostindische Compagnie führte
schon 1 775 bis 1780 jährlich etwa 10,000 Pfund davon aus; doch gelangten
die Cubeben bei uns erst im Anfänge dieses Jahrhunderts von England aus in
allgemeineren Gebrauch. 1838 wurden hier etwa 18,500 Pfund eingeführt.
Piper nigrum.
Fructus Piperis nigri. Bacca Piperis nigri. Schwarzer Pfeffer. Poivre
cornmun ou noir. Black pepper.
Piper nigrum L. — Piperaceae.
Kümmernder oder kriechender Strauch, ursprünglich nur in Travancore
uudJVIalabar einheimisch, jetzt daselbst, so wie in Hinterindien (Pulo Pe-
) in Shanghai auch die Früchte von Daphnidium Cubcba (Laurineae).
616
Früchte.
naug und Singapore) und den westlichen Inseln des Archipelagus , beson-
ders auf Sumatra viel uud ohne grosse Mühe vorzüglich durch Stecklinge
angebaut. Die Pflanze klettert rebenartig 20 bis 25 Fuss hoch an Bäumen
(Mangifera. Erythrina. Uncaria Gambir. Areca Catechu u. and.) empor, oder
in der Kultur an Stangen. Hier wird sie aber meist niedriger, nur 3 bis 4
Fuss hoch gehalten und die Pflanzungen mit Schattenbäumen versehen. In
sehr reichem Boden ist der Pfeffer schon vom ersten, sonst vom 3ten bis
zum 20sten oder 25sten Jahre ertragsfähig und gibt bisweilen 2 Ernten,1)
deren Zeitpunkt sehr von der Witterung abhängt, so dass sie oftmals in
einander übergehen.
Die runden beerenartigen Früchtchen sitzen zu 20 bis 30 ziemlich
locker an dem gemeinsamen herabhängenden Fruchtstiel (Spindel) und sind
erst grün, dann roth, zuletzt gelb, werden aber vor der vollkommenen Reife
gesammelt, so wie die ersten (untersten) Beeren der Aehre sich zu rötlieu
beginnen. Die meisten sind daun noch grün uud werden durch das Trock-
nen an der Sonne oder in Bambukörben am Feuer schwärzlich grau oder
braun. Lässt man die Früchtchen ausreifen, so verlieren sie an Schärfe und
fallen auch nach und nach ab. Diejenigen der weiblichen Blüthen sind weni-
ger scharf als die aus Zwitterblüthen hervorgegangenen Beeren. Nach dem
Trocknen sind sie kugelig runzelig, von etwa 0,005"’ Durchmesser, durch
den Rest des sehr kurzen Bliithenstielchens undeutlich zugespitzt, auf der
entgegengesetzten Seite noch weniger auffallend durch die drei oder vier-
lappige Narbe gekrönt.
Die dünne Fruchthaut schliesst einen einzigen Samen fest ein , dessen
Embryo wegen der frühzeitigen Einsammlung des Pfeflfers nicht entwickelt,
sondern gewöhnlich nur durch eine unter der Spitze liegende Höhluug ver-
vertreten ist. Der Samen selbst enthält in der dünnen brauijrothen Samen-
schale ein glänzendes, aussen grünlich graues hornartiges, im Innern weis-
ses mehliges Eiweiss.
Der Querschnitt zeigt eine zarte gelbliche Oberhaut, welche die äussere
Fruchthaut bedeckt. Diese ist gebildet aus einer dicht zusammenschliessen-
den gelben Schicht grosser, meist radial gestellter dickwandiger poröser
Steinzellen, welche in ihrer kleinen Höhlung einen Klumpen dunkelbraunen
Harzes enthalten. Die mittlere Schicht der Fruchthaut besteht aus zai-
tem, etwas tangential gestrecktem Parenchym, welches reichlich kleiue (höch-
stens 6 Mikromill. messende) Stärkekörnchen uud Oeltropfen zeigt.^ Durch
das Zusammenfallen dieser lockeren Mittelschicht entstehen beim Trocknen
der Beeren die starken Runzeln der Oberfläche. Die darauf folgende innere
Fruchthaut zeigt gegen die Peripherie zu tangential gereihtes zartes Proseu-
chym, dessen Zellen entweder spiralige Streifung oder Spiralfasern besitzen,
nach innen dagegen lockeres stärkefreies Parenchym mit sehr grossen Oelzellen.
1) Nach J ackson (1865) scheint dem nicht so zu sciu. In Travancore blüht der Pfeffer
im September und October und reift die Früchte im März, so dass wohl in der Rege eine
zweite Fruchtbildung im Jahre nicht möglich wäre.
Piper nigrum.
617
Die Samenschale wird zunächst aus einer Reihe kleiner, sehr eigen-
tümlicher gelber Zellen gebildet, auf deren innerer Wandung starke poröse
Verdickungsschichten abgelagert sind, so dass ihr Querschnitt einigermassen
an die Kernscheidezellen der Sarsaparillwurzel erinnert. Doch sind jene
Samenschalenzellen würfelig, nicht prismatisch; häufig liegen dann ein-
zelne Krystallrosetten von Kalkoxalat. Auf diese Steinzellen folgt als eigent-
liche Samenschale eine sehr dichte dunkelbraunrothe Schicht verholzter
Zellen, deren Umrisse im einzelnen unkenntlich sind. Das Sameneiweiss
besteht aus eckigem, radial geordnetem grosszelligem Parenchym mit zum
Theil formlosem Amylum. Eingestreut sind zahlreiche grosse Oelzellen,
bisweilen auch Prismen krystallisirten Piperins.
Der bekannte beissend scharfe Geschmack des Pfeffers ist durch das
Harz bedingt. Das ätherische Oel (nur 1 pC.), isomer mit Terpenthinöl,
besitzt mehr den Geruch als den Geschmack des Pfeffers. Sein interessan-
tester Bestandtheil (etwa 4 pC.),1) das schön krystallisirende , 1820 von
Oersted entdeckte Piper in, ist geschmack- und geruchlos und lässt
sich, wie Anderson 1850 gefunden, in Piperinsäure und Piperidin,
eine flüssige flüchtige Base, spalten. — Vermuthlich enthält der Pfeffer
auch noch fettes Oel in der mittleren Fruchthaut. — Die Aschenbestand-
theile betragen gegen 5 pC.
Der oben bezeichnete indische Kulturbezirk des Pfeffers allein ver-
sieht fast die ganze Welt mit demselben und erzeugt jährlich (nach
Crawfurd)2) etwa Vs Million Centner, wovon etwa ein Drittel nach Europa
geht. England führte 1862 über 18 Millionen Pfund schwarzen und weis-
sen Pfeffer ein , 1863 etwa 14 Mill., 1864 über 13 Mill. schwarzen und
900,000 Pfd. weissen Pfeffer; die Gesammtproduktion erreicht wohl 50 Mill.
Pfund. Den besten liefert Malabar, den meisten aber Singapore und Pulo
Penang in der Strasse von Malacca. Ostwärts nimmt die Kultur ab , schon
Java erzeugt sehr wenig Pfeffer. Auch Cochinchina, Brasilien, Westindien
und andere Tropengegenden liefern nicht viel.
Der Pfeffer ist eines der ältesten Gewürze der indischen Welt und hat
sich von da aus bei allen Völkern instinktmässig unentbehrlich gemacht,
hauptsächlich als Genussmittel, zumal in den Reisländern, weniger als Me-
dikament. Der Sanskrit- Name des langen Pfeffers, Pippali, geht, auf
den schwarzen Pfeffer (Maricha sanskrit) übertragen , durch fast alle Spra-
chen, nachdem die Perser das ihnen fehlende 1 darin durch r ersetzt hatten.
Im Alterthum und Mittelalter, wo allein von Malabar (dem „Pfefferland“ 3)
des Mittelalters) und Ceylon Pfeffer auf dem mühsamen Landwege oder
1) Wortheim erhielt aus schwarzem und weissem Pfeffer, zu gleichen Theilen gemischt,
direkt 1 '/« pC. Piperidin, entsprechend 4,4p C. Piperin. — Wittst ein gewann aus schwarzem
Pfeffer 2,4 pC. Piperin.
2) Aeltere Angabe. Nach Jackson erzeugt Travancore jetzt (1865) jährlich etwa 55,000
Pfund.
3) So nennt es schon Edrisi in der Mitte des XII. Jahrh.
618
Früchte.
durch das unsichere Rothe Meer und die von den Sultanen beherrschte
Landenge über Alexandria1) nach Europa gelangen konnte, war derselbe
das begehrteste kostbarste Gewürz, das Symbol2) des ganzen Gewürz-
handels, dem Genua und Venedig, so wie die süddeutschen Handelsstädte
einen grossen Theil ihrer Reichthümer verdankten. Dass die Alten unter
Peperi und Piper jedoch unsern Pfeffer ausschliesslich verstanden hätten,
lässt sich z. B. aus den Berichten von Theophrast, Dioskorides und
Plinius keinesweges mit Sicherheit entnehmen. Dagegen nennt Arrianos
im Periplus des Rothen Meeres (Mitte des ersten Jahrh. unserer Zeitrech-
nung) bestimmt die Malabarküste als Heimat des Pfeffers, ebenso Kosmas
Indicopleustes (Mitte des VI. Jahrh.), welcher die Pflanze ganz treffend
mit dem Weiustocke verglich, wie auch 6 Jahrhunderte später Edrisi.
Einer der ersten Westeuropäer, der aus eigener Anschauung die Pfefferrebe
schilderte, war der Venetianer Nicolo Conti,3) welcher zu Anfang des
XV. Jahrhunderts 25 Jahre im Oriente zubrachte. Er traf die Pflanze auf
Sumatra und nannte sie dem Epheu ähnlich.
Die Gewürze, und ganz besonders auch der Pfeffer, spornten die Portu-
giesen zur Aufsuchung des Seeweges nach Indien an. Erst von dessen Ent-
deckung au (1498) fiel der hohe Preis des Pfeffers sehr stark, indem zugleich
seine Kultur sich nach den westlichen Inseln des Archipelagus verbreitete,
auf welche sie sich noch jetzt beschränkt. Portugal machte den so höchst
einträglichen Pfefferhandel bis in das XVIII. Jahrhundert zum Kronmonopol.
Ritter (Asien IV. 865 — 875) hat eine höchst anziehende Schilderung
dieser Verhältnisse gegeben.
Auch jetzt noch nimmt der Pfeffer in der Handelswelt unter den Ge-
würzen unbedingt die erste Stelle ein. Der Werth der jährlichen Produktion
darf auf mehr als 20 Millionen Francs angeschlagen werden.
Verwechslungen und Verfälschungen des Pfeffers sind nicht wohl mög-
lich; mit demselben Namen werden aber uoch manche andere Samen und
Früchte belegt. So namentlich die ganz verschieden aussehendeu und auch
mehr aromatisch als scharf schmeckenden Früchte oder Fruchtstäude der
durch ganz Mittelafrika vorkommenden llabzelia aethiopica De Cand. (Uuoua
0 Der Ratli von Bern verbot noch 1518, in Ermangelung des alcxandrinischeu Pfeffers
portugiesischen zu geben. ✓
2) Im Mittelalter wurden Zölle iu Pfeffer errichtet, Vergabungen davon hoch angeschlagen
und derselbe überhaupt im XIV. und XV. Jahrhundert bei Geldnoth als Zahlmittcl gebraucht.
Bei der Belagerung Roms im Jahre 408 forderte der Gothenköuig von der Stadt als Löscgeld
unter anderem neben 5000 Pfund Gold und 3000 Pfund Silber auch .3000 Pfund Pfeffer
(Gregorovius). — Nürnberg entrichtete iu St. Gallen wegen Zollbefreiung jährlich 1 Pfund
Pfeffer. — Die ägyptischen Sultane, so z. B. Bursbey (1422—1432), bemächtigteu sich,
zum Schaden der Venetiauer, des Pfeß'ertransites, wie schon im II. Jahrhundert unserer Zeitr.
Roms Zollstätte in Alexandria unter den aus Indien durchgehenden Gütern auch Pfeffer be-
steuerte. — Noch 1640 nahm Karl I. in erster Linie die Pfeffervorräthe der englisch-ostindi-
schen Compagnie weg, um „Geld zu machen.“
3) Kuustmann, Kenntniss Indiens im XV. Jahrhundert. München 1863. pag. 20.
619
Piper longum.
aethiopica Dunal, Familie der Anonaceae) , welche noch im vorigen Jahr-
hundert in Europa unter dem Namen Piper aethiopicum bekannt ^waren
Die alten Griechen scheinen dieses Gewürz unter ihrem Pepen (Hs^pO
verstanden zu haben, bis der Zug Alexanders d. Gr. sie auch den achten,
so wie den langen Pfeffer kennen lehrte. .
Als Cayenne-Pfeffer gehen mehrere Capsicum -Arten (S. 605) als
Jamaica-Pfeffer Pimenta officinalis (S. 561), als Ptper japomcum frü-
her auch die Früchte von Xanthoxylon pipentum DeC.
Piper longum.
Spadices Cliavicae s. Piperis longi. Langer Pfeffer. Poivre long.
Long pepper.
Chavica officinarum Miquel. - Piperaceae.
Syn.: Piper longum Rumphius. Blume.
Auf den Philippinen und den Sundainseln, auch in Nepal und Bengalen
wildwachsender, besonders an den Küsten Javas kultivirter schöner Schling-
strauch, der die höchsten Bäume erklimmt.
Die kleinen, nur 0,002m langen beerenartigen Früchtchen sitzen sehr
zahlreich, zu 100 bis 200, an einem gemeinschaftlichen faserigen, zum
Theil gehöhlten Fruchtstiel (Spindel) , sehr dicht in Spirallinien geordnet
und gestützt durch kleine schildförmige Deckblättchen. Diese sind mit den
Früchtchen fest verwachsen , so dass ein walzenförmiger, kätzchen- oder
kolbenartiger geschlossener Fruchtstand von etwa 0,04m Länge und 0,006
Dicke entsteht, dessen gemeinschaftliche Axe nur da sichtbar ist, wo
sie als Stiel, noch etwa 0,02m lang, unter dem Kolben heraustritt. Dieser
ganze Fruchtstaud bildet den langen Pfeffer des Handels; er enthält keine
männlichen Blüthentheile , da die Pflanze diöcisch ist. Die Einsammlung
geschieht vor der Reife.
Die Oberfläche des langen Pfeffers ist durch die hervorragenden gewölb-
ten Scheitel der einzelnen Beeren höckerig; in den Vertiefungen sitzen die
zusammengeschrumpften Schildchen der Deckblättchen. Die rothbraune
Farbe der Beeren pflegt durch einen ziemlich starken Ueberzug von grauer
Erde verdeckt zu sein, wie wenn die Kolben in feuchtem Boden gelegen
hätten. Der Querschnitt zeigt 8 bis 10 einzelne Früchtchen strahlenförmig
mit ihrem spitzeren Ende der Axe zugewendet, am entgegengesetzten Ende
die Narbe tragend. Unter der hellbraunen Fruchthaut schliesst die glänzend
braunrothe dünne Samenschale ein weisses mehliges oder grauliches horn-
artiges Eiweiss ein; der kleine, gewöhnlich nicht ausgebildete Embryo steckt
im stumpferen Ende des Samens.
Der anatomische Bau der Früchtchen gleicht im Allgemeinen dem des
schwarzen Pfeffers, zeigt aber doch charakteristische Unterschiede. Die
Fruchthaut hat zu äusserst tangential gestreckte dickwandige, sehr enge
620
Früchte.
Zellen, welche Schleim enthalten; die mittlere Schicht der Frucht-
haut besteht aus weiterem zartwandigem , Oeltropfen und Stärke füh-
rendem lückigem Parenchym. In die äussere und mittlere Fruchtschicht
sind zahlreiche grosse Steinzellen eingestreut, wie in der äusseren Frucht-
haut von Piper nigrum; bei Chavica aber bilden sie keinen geschlossenen
Kreis. Die innere Fruchthaut des langen Pfeffers wird aus einer Reihe
grosser, doch zarter kubischer oder länglicher, radial gerichteter , mit äthe-
rischem Oele erfüllter Zellen gebildet. Eine Reihe kleinerer, tangential
gestreckter Zellen trennt diese Oelzellen von der festen braunrothen Samen-
schale, welche aus ganz verholzten Zellen besteht, ähnlich wie die innere
Schicht der Samenschale des schwarzen Pfeffers , aber ohne jene letzterem
eigenthümlichen Steinzellen. Das Eiweiss der Chavica unterscheidet sich
durch den Mangel des ätherischen Oeles von dem des Piper nigrum.
Chemische Bestandtheile wie beim schwarzen Pfeffer. Da an der ganzen
Masse des langen Pfeffers nur die Fruchthaut ätherisches Oel und Harz
führt, so ist der Geschmack nothwendig weit weuiger intensiv.
Aus Bengalen, den Küstengebirgen Vorderindiens, Ceylon, gelangen die
ähnlichen, aber kürzeren langgestielten Kolben der Chavica Roxbvrgkii
Miquel (früher als Piper longum Roxbgh. mit Chavica officinarum zusammen-
geworfen) gleichfalls als Piper longum in den englischen Handel, während
die Wurzel dieser Art ein Lieblings -Heilmittel der Hindus ist, auch zur
Würzung des Essigs dient.
In früheren Zeiten den Ruhm des schwarzen Pfeffers theilend, ist der
lange jetzt in Europa wenig mehr gebräuchlich. Nicolo Conti* 1) fand in
der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts auf Sumatra den langen Pfeffer
neben dem schwarzen.
Strobili Lupuli.
Amenta s. Coni Lupuli. Hopfen. Hopfenkätzchen. Houblon. Hops.
Humulus Lupulus L. — Cannabineae.
Der zapfenförmige lockere Fruchtstand dieser sehr weit verbreiteten
und häufig sehr im grossen kultivirten diöcischen Schlingflanze. Sie findet
sich wild vorzüglich in Gebüschen, an Flussuferu durch ganz Europa von
Spanien und Griechenland an bis gegen den Polarkreis, doch weuiger im
Süden; ferner im Kaukasus, in den südkaspischeu Ländern, in Sibirien,
im Altai, in Nordamerika.
Der Fruchtstand (weibliche Zapfen) ist gebildet aus einer graufilzigen,
8 — 9 mal im Zickzack hin- und hergebogeuen , bis 0,04“' langen, dünnen
1) Kuustmann, in der pg. 618 angeführten Schrift S. 40.
1) Hopfen so viel al* Haufen, gehäufte Frucht, bei der heiligen Hildeg ard um 1160
,,hoppha“. — Humulus vom nordischen hamal, Früchte tragen.
Strobili Lupuli.
621
Spindel,1) welche an jeder ihrer 8-9 Ecken ein unentwickeltes Aestchen
mit je 2 Paaren von kurz gestielten Vorblättern trägt. Jedes der 4 or
blätter umschliesst mit seinem am Grunde umgefalteten Rande ein kleines
linsenartiges, etwa 0,003m messendes Schliessfrüchtchen , das von einem
häutigen runzeligen einblätterigen Perigon eingehüllt ist und in der dünnen
zerbrechlichen braunen Fruchtschale einen eiweisslosen Samen enthält.
Jedes Aestchen ist unterhalb der Yorblätter von 2 ein wenig grösseren,
bis 0,0 2m langen Deckblättern gestützt. Diese sämmtlichen schuppenartig
ziegeldachförmig gestellten Blattorgaue sind länglich schief eiförmig, dünn
häutig, netzaderig, gelblich grün; bei der vollkommenen Fruchtreife
fallen sie von ihren Stielchen und der Spindel ab. Diese letztere, noch
reichlicher aber die Früchtchen, weniger die Basis der Vor- und Deck-
blätter, sind mit zahlreichen gelben glänzenden durchscheinenden Balsam-
drüsen bestreut, welche ungefähr lOpC. des Gesammtgewichtes der Frucht-
zapfen ausmachen. Der aromatische Geruch und Geschmack, sowie die
wichtigsten chemischen Eigenschaften des Hopfens sind durch diese Drüsen
bedingt, welche als Hopfenmehl oder Lupulin eigens gesammelt werden
(vgl. Glandulae Lupuli).
Ausser deu Stoffen der Drüsen enthält der Hopfen hauptsächlich nur
noch 3 — 5 pC. nach Wagner der Moringerbsäure ähnlichen Gerbstoff,
Chlorophyll, Gummi und 8,5 pC. Asc.heubestandtheile (Lermer). Bei
nicht sehr sorgfältiger Aufbewahrung verliert er leicht die grünliche Farbe,
geht in braun über und nimmt, vermuthlich durch Oxydation des ätheri-
schen Oeles (vgl. bei Glandulae Lupuli) zu Valeriansäure, einen widrigen
Geruch au. Schwefelige Säure, deren Dämpfen mau den Hopfen aussetzt,
verhindert diese Veränderungen oder hält sie auf.
Liebig hat die Bedenken, welche von Seiten der Bierbrauerei gegen
das „Schwefeln14 des Hopfens erhoben worden, widerlegt. — Für den medi-
cinischen Gebrauch indessen darf jedenfalls ein nach schwefeliger Säure
riechender Hopfen nicht verwendet werden; aber dieselbe wird ja sehr bald
durch Oxydation zu Schwefelsäure oder durch Verdampfung völlig un-
schädlich.
Der Hopfen ist bekanntlich für den Geschmack und die Haltbarkeit des
Bieres unentbehrlich. Nur in frühester Zeit hatte man statt desselben
andere bitter- aromatische Pflanzen (Myrica Gale, Glechoma, Menyanthes)
benutzt; schon 7G8 werden in Deutschland Hopfengärten genannt und seit
dem XI. Jahrhundert, wo besonders der böhmische Hopfen berühmt war,
wurde das „Hopfen“ allgemein. Skandinavien kultivirte Hopfen schon im
XIV. Jahrhundert, England erhielt ihn erst 1524 aus den Niederlanden,
nicht ohne grossen Widerstand.
Guter Hopfen soll die Lupulindrüsen reichlich besitzen; vom Aroma
ganz abgesehen, ist ihre Form so eigenthümlich, dass betrügerische Zusätze
L ^ic Fruchtzapfen wildwachsender Pflanzen pflegen etwas kleiner zu sein.
622
Früchte.
(Lycopodium, Colophonium, Oker) durch das Mikroskop leicht ermittelt
werden.
Fructus Lauri.
Baccae Lauri. Lorbeeren. Baies de Laurier. Laurel berries.
Laurus nobilis L. — Laurineen.
Der kleine Lorbeerbaum stammt aus dem Oriente, wo er z. B. in Syrien
und im cilicischen Taurus bis in die Bergregion, nicht aber in Palästina,
sehr gemein ist. Schon im Alterthum wurde er über die Länder des Mittel-
meeres verbreitet, wo er jetzt viel kultivirt und bis in südliche Schweiz, ja
sogar durch England, Irland und Schottland (hier unter 58° noch lrahoch!)
fast verwildert ist. Seine Früchte sind getrocknet braunschwarz, länglich
rund, bis 0,0 15m lang, glänzend und unregelmässig runzelig, oben etwas
zugespitzt, unten mit dem kurzen verdickten Fruchtstielchen oder, da es
leicht abfällt, mit dessen heller vertiefter Narbe versehen.
Das sehr dünne Fruchtgehäuse besteht aus zwei leicht trennbaren
Schichten, der äusseren blauschwarzen bis bräunlichschwarzen, derb flei-
schigen und der inneren durchscheinenden braunen und zerbrechlichen Stein-
schale, welche mit der zarten, fest angewachsenen Samenhaut ausgekleidet
ist. Der grosse bräunliche Samenkern liegt frei in der trockenen Frucht
und zerfällt leicht in seine zwei plankonvexen Samenlappen, welche das
kleine nach oben gerichtete Würzelchen einschliessen.
Die fleischige schwärzliche Fruchtschicht ist von einer gelblichen Ober-
haut aus dünnen tafelförmigen, tangential gestreckten Zellen bedeckt, auf
welche noch eine oder zwei Reihen ähnlicher eckiger Zellen folgen, welche
dann allmälig iu das groszellige rundliche lockere Parenchym des Frucht-
fleisches übergehen, worin grössere Oelräume zerstreut sind.
Die Steinschale besteht aus einer Reihe blassgelblicher, radial gestellter,
ganz verdickter Steinzeiten, deren Wände aber nicht einfach cylindrisch
sind, sondern in raauigfachen Biegungen sternförmig aus- und eiugestülpt,
zahnartig in einander greifen. Ein tangential durch diese Steinschale ge-
führter Schnitt bietet daher dicke, zierlich gebogene verschlungene Zell-
wände und nur sehr schmale, entsprechend sternförmig gekrümmte Höh-
lungen. Die von der Steinschale nicht ablösbare Samenhaut ist gleich breit,
wie jene, aber aus kleinem, tangential gestrecktem, sehr dünnem braunem
und lückigem Parenchym gebildet, das sehr kleine kurze Spiralgefässe und
im Grunde der Samenschale, am Nabel, auch Bastfasern enthält.
Die Samenlappen bestehen aus grossen, rundlich eckigen dünnwandigen
Zellen, welche nur in den 2—3 äussersten Lagen etwas kleiner, eckig und
tangential gestreckt erscheinen.
Die Lorbeeren riechen nicht unangenehm gewürzhaft und schmecken
aromatisch bitter und adstringirend.
Das Fruchtfleisch enthält kleine Amylumkörner, Chlorophyll, Gerb-
Fructus Petroselini.
623
säure, einzelne rothbraune Klümpchen von Farbstoff oder Harz und in den
i grossen Oelzellen hell grünlichgelbes Fett. Die Samenlappen strotzen von
t Amylum, dessen Körner hier grösser sind als im Fruchtgehäuse. Bonastre
fand ausserdem Zucker, Gummi, ätherisches Oel (0,8 pC. Bonastre, 0,2
pC. Bley) und das indifferente, geruch- und geschmacklose Lau rin oder
Laurocerin (1 pC.) G22H30O3, welches Delffs aus den Kotyledonen rein
dargestellt hat. Das ätherische Oel, zum Theil ebenfalls in den letzteren
enthalten, ist ein Gemenge von G10H1,; (bei 164° C. siedend) und G15H24
(bei 240° C. siedend) mit einem sauerstoffhaltigen Oele, das Gladstone
für Nelkensäure, Blas für Laurostearinsäure (Laurinsäure) erklärt. Das
rohe Oel rotirt sehr wenig nach links.
Die Kotyledonen enthalten ferner über 30 pC. eines festen Fettes,
L aurosteariu , das auch in andern Pflanzenfetten (Cocostalg, Pichurim-
fett) noch vorkömmt. Die Laurostearinsäure G 1 2 H 4 0 2 gehört, zwischen
Caprin- und Myristinsäure, als eilftes Glied der Fettsäurenreihe an.
Durch Auskochen und Pressen der Lorbeeren stellt man, besonders am
Garda-See (Lombardei), das schön grüne halbflüssige Oleum laurinum
für sich dar. Es riecht nach Lorbeeren und besteht hauptsächlich aus dem
Laurostearin , gemengt mit flüssigem fettem und ätherischem Oele und ge-
färbt durch Chlorophyll, welches durch Bleichen zersetzt und abgeschieden
werden kann.
Das Laurostearin krystallisirt bei allmäligem Erkalten des erwärmten
Lorbeeröles unter 45° C. in warzigen wcisslicheu Drusen aus.
Fructus Petroselini.
Semen Petroselini. Petersilienfrucht. Petersiliensamen. Fruit ou semence
de Persil. Parsley fruit or seed.
Petroselinum sativum Hbffmann. — Umbelliferae
Syn.: Apiura Petroselinum L.
Zweijährige , an feuchten Standorten im östlichen Gebiete des Mittel-
meeres bis Sardinien, besonders aber auf den griechischen Inseln einhei-
mische Doldenpflauze, zum Küchengehrauche durch fast ganz Europa kulti-
virt. In Norwegen erlangen ihre Früchte noch ein kräftiges Aroma bis
Finnmarken.
Die ungetheilte Frucht ist stark von den Seiten her zusammengedrückt;
die Fugenfläche misst nur 0,001"', der darauf senkrechte Durchmesser das
doppelte und die Länge der Frucht vom Stielchen bis zur Griffelbasis wenig
mehr, so dass vor der völligen Reife die ganze Frucht, von der Seite ge-
sehen, eine länglichrunde dicke Scheibe darstellt. An der reifen zwei-
knöpfigen Frucht ist die Fugenfläche, so wie die Randrippen gebogen, so
dass die beiden Theilfrüclitchen aus einander klaffen und sich sehr leicht
s trennen. Jedes derselben trägt ausserdem noch eine Rippe auf dem Rücken
624
Früchte.
and zwei zu beiden Seiten derselben. In jedem der 4 breiten dunkel grün-
graulichen, fein gestrichelten Thälchen scheint ein Oelgang undeutlich durch
und zwei weitere auf der Fugenfläche. Die Rippen sind nur sehr schwach,
durch hell gelbliche Färbung aber scharf hervortretend.
Im Querschnitte zeigt das Eiweiss die Gestalt eines rundlichen trape-
zoidischen Fünfeckes, dessen Basis die ziemlich gerade oder nach
aussen gewölbte Fugenfläche darstellt. Eiweiss und Embryo sind von
der gewöhnlichen Beschaffenheit; ebenso die innere Fruchthaut, deren
braune, fast kubische Zellen einen derben Ring von etwa 30 Mikromill.
Breite bilden. Die tief dunkelbraunen Oelgänge sind, im Querschnitte, von
elliptischer oder planconvexer Form; ihre mehr gerade, bis 200 Mikromill.
messende Seite ist nach aussen gerichtet und vou einigen Schichten lockeren,
tief braunen korkartigen Gewebes umgeben. Die Gänge selbst besitzen den-
selben Bau wie etwa in Fructus Foeniculi.
Die Mittelschicht des Fruchtgehäuses ist durchschnittlich nicht breiter
als 140 Mikromill.; ihr Gewebe sowohl als das der schwachen Holzbündel
unter den Rippen und dasjenige der Oberhaut ist von demselben anatomi-
schen Baue wie bei Fructus Couii.
Geruch und Geschmack der Petersilienfrucht sind ziemlich stark und
sehr eigenthiimlich, hauptsächlich bedingt durch das ätherische Oel, dessen
Menge zwischen 0,8 und 3,2 pC. schwankt. Es istmitTerpenthinöl isomer,
aber sehr zur Oxydation geneigt, so dass aus dem wässerigen Destillate
beim Abkiihleu oder längeren Stehen Prismen eines Stearoptens (Peter-
siliencamplier), Gl2Hl4Ö4 nach Blanchet u. Seil, G'°H14 -O4 nach Wän-
de sieben an schiessen, während ein festes harzartiges, nicht flüchtiges
Produkt zurückbleibt.
Diese Verhältnisse, ganz abgesehen vou der Herkunft der Frucht, mögen
viel zu der ungleichen Ausbeute an Oel beitrageu.
Einen merkwürdigen Körper, das Apiol, haben (1852) Ho in olle und
Joret aus den Petersilienfrüchten dargestellt und als Surrogat für Chinin
empfohlen in Folge eines vom französischen Kriegsminister und der Pariser
Societe de Pharmacie ausgesetzteu Preises vou 8000 Franken für künst-
liche Darstellung des Chinins oder gleichwirkender Ersatzmittel. Das Apiol
ist eine fast farblose ölige, nach Petersilie riechende Flüssigkeit von 1,078
spec. Gewicht, bei 12° C.; man erhält es beim Ausziehen des durch
schwachen Alkohol gewonnenen Extraktes vermittelst Chloroform oder
Aether und Digestion mit Bleioxyd. Das Apiol ist nicht flüchtig und in
Wasser unlöslich, von schwach saurer Reaktion, stickstofffrei. Eine Elemen-
taranalyse desselben liegt nicht vor und seine chemischen Funktionen sind
unbekannt.
Sein brennend scharfer Geschmack rührt vielleicht von einer Verun-
reinigung her, worauf auch wohl der Umstand hinweist, dass das Apiol
sicy, bei — 12°C. trübt, ohne zu erstarren. — Gegen Fieber hat es sich
wirksam erwiesen, obwohl bei weitem nicht in dem Grade wie das Chinin.
Pructus Carvi.
625
Das dem Pektin ähnliche, in dem Kraute der Petersilie vorkommende
Apiiu ist in den Früchten noch nicht nachgewiesen. Das fette Oel der
letzteren beträgt nach Rump 22 pC., die Asche, hauptsächlich aus Kalk-
salzen bestehend, 6,5 pC.
Von der Petersilie wurden schon im Alterthum sowohl die F rüchte als
das Kraut benutzt. — Karl der Grosse befahl ihren Anbau in den kaisei-
lichen Gärten.
Fructus Carvi.
Semen Carvi. Mericarpium Cari. Kümmel. Carvi. Curuin des pres.
Caraway.
Carum Carvi L. — Umbelliferae.
Im mittleren und nördlichen Europa, auch in Island und ebenso gut in
Südsibirien und im Elbursgebirge (hier am Demawend bis 8000 Fuss)
einheimische zweijährige Wiesenpflanze der Ebene und der Bergregion.
Aus Skandinavien, wo der Kümmel bis Finnmarken und bis zur Birken-
grenze geht, so wie aus Finnland, wird es in Menge ausgeführt. In Deutsch-
land liefert die Gegend von Halle, auch Mähren und Sachsen sehr viel. Hier
und noch mehr in Holland und England wird er zum Theil angebaut.
Dem Süden fehlt diese Doldenpflanze.1)
Die von der Seite her beträchtlich zusammengedrückte Frucht pflegt
in ihre beiden, besonders am Rücken stark gekrümmten Theilfrüchtchen von
0,005m Länge und 0,001'“ Dicke getrennt zu sein oder nur lose an den
Schenkeln des Fruchtsäulchens zu hängen. Die 5 sehr hervortretenden
strohgelben Rippen sind fast halb so breit wie die dunkel fothbraunen glän-
zenden Thälchen (Furchen), welche ganz von je einem erhabenen geschlän-
gelten, stellenweise eingesunkenen Oelgange eingenommen werden. Ebenso
sind die beiden Gäuge jeder Fugenfläche nur durch ein dünnes Gefäss-
bündelchen getrennt. Eine gewölbte Griffelbasis krönt die Frucht.
Auf dem Querschnitte erscheint das im Umrisse regelmässig 5 eckige
Eiweiss ziemlich tief rundlich 5 lappig, indem jedem Oelgange eine seichte
Einbuchtung des ersteren entspricht. Auch gegen die gerade Fugenfläche
hin entsteht in gleicher Weise noch ein sechster schwacher Lappen des
Eiweisses.
Die brauue innere Fruchthaut ist bis 10 Mikromill. breit, die Mittel-
schicht auf wenige Reihen etwas dickwandiger, tangential gestreckter Zellen
beschränkt, die starke Oberhaut von demselben Baue wie z. B. bei Fructus
Conii. Die mittlere Dicke des ganzen Fruchtgehäuses erreicht nur 70Mikro-
millimeter, die Rippen erheben sich zu doppelter Stärke, schliessen aber
doch nur schwache Holzbündel ein. — Eiweiss und Embryo sind so be-
schaffen, wie bei den übrigen Umbelliferen-Früchten.
1) Hartmann fülnt Kümmel, arabisch Karawioh, auch in den oberen Nilländern auf (?).
Fiiickiger, Pharmakognosie. 40
626
Früchte.
Die Oelgänge zeigen im Querschnitte auffallend gewölbt -dreieckige
Form. Die an der abgerundeten, nach aussen gekehrten Spitze liegenden
Seiten sind etwas geschweift, die gerade oder ein wenig nach innen ge-
wölbte Seite (Grundfläche des Dreieckes) misst oft gegen 300 Mikromill.,
oft bedeutend weniger, während der kürzere Durchmesser (die Höhe des
Dreieckes, welches der Querschnitt desOelganges darstellt) um 50 Mikrom.
schwankt. Die Gänge der Fugeufläche bieten im Querschnitte eine breit
schwertförmige Form dar, welche dem schief halbirten Dreiecke der übrigen
Oelgänge entsprechen würde. Jedoch sind die Oelgänge der Fugenfläche
nicht eben kleiner; alle zeigen im übrigen den bei Fructus Phellandrii
angegebenen Bau.
Der Kümmel ist von schwachem eigenthümlichem Gerüche, aber von
beisseud gewürzhaftem Geschmacke.
Den bedeutenden Dimensionen der Oelgänge entspricht ein beträcht-
licher Gehalt an ätherischem Oele. In der That ergibt sich, nach Zellers
gründlichen Erörterungen, die Menge desselben für in Deutschland wild
gewachsene Frucht durchschnittlich beinahe zu 5pC., obwohl Schwan-
kungen von 3 bis zu 6 pC., ja sogar ausnahmsweise bis gegen 9 pC. Vor-
kommen. Es scheint, dass ein nördlicher oder hochgelegener Standort eher
der Oelerzeugung förderlich ist. Die Grösse der Oelgänge und ihre Lage
erklären hinlänglich, dass Zerkleinerung der Früchte die Ausbeute nicht zu
steigern vermag.
Kaum dürfte irgend eiue andere Frucht unserer Gegenden so ölreich
sein, wie der Kümmel. Das Kümmelöl ist, nach Schweizer und nach
Völckel, ein Gemenge des dünnflüssigen, erst über 250° C. siedenden
Carvols GlüHuQ *) mit dem schon bei 173° kochenden Car ven £luH1\
welches letztere über des rohen Oeles ausmacht. — Mit Schwefelwasser-
stoff verbindet sich das Carvol zu grossen Krystallnadeln.
Der Kümmel scheint im Mittelalter als Arzneimittel in Gebrauch ge-
kommen zu sein, weil man darin das Karon oder Karos des Dioscorides,.
Careum des Plinius vermuthete •— mit Unrecht, da unser Kümmel als
unscheinbare nordische Pflanze von den Alten nicht beachtet war, und
jenes Karon aus der kleinasiatischen Landschaft Karien, Rhodus gegenüber,
kam, wo Carum Carvi fehlt. Die karische Frucht der Alten ‘war wohl eher
Fenchel. Brunfels (1530—1536) beschrieb und bildete den Kümmel ab
als Cuuimum.
Ganz verschieden ist der Römische oder Mutterkümmel; die
borstige, auf jeder Hälfte mit 9 Rippen besetzte Frucht des orientalischen
Cuminum Cyminum L., dessen ätherisches Oel auch in chemischer Hinsicht
ganz vom Kümmelöl abweicht, da es aus Cymen (Cymol) C1UH" und dem
zugehörigen Aldehyd Cumiuol (Cmnylwasserstoff) G'°Hl2Q- besteht.
•) isomer mit Thymol (vgl. bei Herba Thymi), aber nicht mit Alkalien verbindbar; beide
Antheile linde ich rechts drehend, das Carven bedeutend stärker.
Fructus Änisi.
627
Fructus Auisi.
Semen Anisi vulgaris. Anis. Fruit ou semence d’Anis. Anisvert. Anisseecl. _
Pimpinella Anisum L. — Umbelliferae.
In Aegypten, im Archipelagus und in Kleinasien einheimische einjährige
Dolde, welche jetzt durch fast ganz Europa stellenweise im grossen kultivirt
wird/ wie z. B. in Spanien (Alicante), Frankreich (Touraine, Guyenne),
Italien (Puglia), Malta, Deutschland (Franken, Thüringen, Sachsen, Mähren,
Böhmen), Süd-Russland (Charkow). Noch in der Gegend von Christiania
in Norwegen reifen die Früchte, indem der Anis weniger empfindlich ist
als der Fenchel.
Die bimförmige Frucht ist 0,002m dick und fast doppelt so hoch, duich
die kurzen Griffel und ihre Basis gekrönt und von ziemlich einförmig
grünlichgrauer Farbe, weil die 10 Rippen der fast immer ungetrennten
Frucht wenig erhaben und nicht viel heller sind. Die Rippen an der Fugen-
fläche sind geuähert, von den übrigen entfernt und dadurch die Ränder
kaum oder gar nicht klaffend. Die ganze Frucht ist durch sehr kurze farb-
lose Börstchen rauh und matt; in den breiten Thälchen so wenig als auf
der Berühruugsfläche sind Oelgänge äusserlich sichtbar. — Sehr gewöhnlich
ist dieWaare durch anhängende Erde arg beschmutzt.
Im Querschnitte erscheint das Eiweiss jeder Theilfrucht durch die tiefe
doppelte Einbuchtung der Raphe innerhalb der geraden Fugenfläche fast
halbmondförmig-zweilappig mit unmerklichen, fast ganz abgerundeten, den
Rippen entsprechenden Ecken. Nach Bau und Inhalt stimmen Eiweiss und
Embryo mit den übrigen Umbelliferenfrüchten (z. B. Fruct. Conii) überein.1)
Samenhaut und innere Fruchthaut — letztere 12 Mikromill. breit — glei-
chen den entsprechenden Geweben des Fructus Petroselini, sind aber nur
hell bräunlich gefärbt. Auch das durchschnittlich blos 7 0 Mikromill. breite,
tangential gestreckte Gewebe der Mittelschicht des dünnen Fruchtgehäuses
bietet an sich keine abweichenden Verhältnisse dar; erstere ist aber
in ihrem ganzen Verlaufe an jedem Theilfrüchtcheu von ungefähr 30 (im
Querschnitte) flach elliptischen, tief braun gesäumten Oelgängen durch-
zogen. .Sie sind von ungleicher Weite, im grösseren Durchmesser zwischen
30 und 100 Mikromill. wechselnd; die 4 — 6 mächtigen, zunächst um das
Fruchtsäulchen in der Fugenfläche streichenden Gänge aber erreichen oft
500 Mikromill. Weite, also gegen 7t des Durchmessers der ganzen Frucht.
Die nicht sehr dicke schlaffe Wandung dieser Gänge stösst unmittelbar an
das farblose (oder in der frischen Frucht chlorophyllhaltige) Gewebe der
Mittelschicht an und ist nicht, wie in Fructus Foeniculi oder Fr. Petroselini,
von braunen korkartigen Tafelzellen umgeben. Sehr häufig finden sich in
1) Brandes n. Reimann geben nur SV^pC. fettes Oel an — dagegen 28 pC. Feuch-
tigkeit!!
40 *
628
Fruchte.
den Gängen noch Querwände erhalten; es gelingt leicht, durch einen schief
geführten Querschnitt deutliche Einsicht in jene zu gewinnen.
Zahlreiche Zellen der Oberhaut erheben sich aus verdickter Basis zu
geraden oder etwas gebogenen glashellen und feinhöckerigen Borsten von
höchstens 140Mikrom. Länge und 15Mikr. Dicke, mit abgerundetem Ende.
Einzelne dieser starren dickwandigen Borsten sind gegliedert, die meisten
bleiben aber ganz einfach.
Die Holzbündelchen unter den bei stärkerer Vergrösserung kaum mehr
hervortretenden Rippen sind nur sehr schwach und enthalten wenige kleine
Spiralgefässe in dem eigentlichen Holzprosencliym.
Der liebliche Geruch und Geschmack des Anis erinnert zunächst an
Fenchel, ist aber wohl etwas weniger mild und fein, indessen je nach der
Herkunft der Waare ziemlich verschieden. Der Gehalt an ätherischem Oele
scheint, weniger von Herkunft und Alter abhängig, trotz der zahlreichen
Oelgänge ziemlich constant nur 2 pC. zu betragen.
Sehr beliebt ist das durch Feinheit ausgezeichnete südrussische Oel. —
Geringeres , an Stearopten reicheres Oel (kaum über V2 pC.) wird aus der
„Anisspreu“, den durch Absieben erhaltenen Abfällen, destillirt.
Das Anisöl ist chemisch mit Fenchelöl (vgl. bei Fructus Foeniculi)
identisch, erstarrt aber meist früher, schon bei + 17° C krystalliuisch.
Doch verändert sich dieser Erstarrungspunkt je nach dem verschiedenen
Gehalte an Stearopten, und durch das Alter verliert das Oel zuletzt die
Krystallisirbarkeit. Das Anisöl zeichnet sich auch durch äusserst geringes
Rotationsvermögen nach links aus.
Der Anis gehört zu den ältesten Arzneimitteln und Gewürzen; er hat
sich schon frühe nach Deutschland verbreitet,1) nach England dagegen
erst 1551.
Die bisweilen, wie es scheint, im Anis vorkommenden gefährlichen
Früchte des Conium maculatum sind wegen nahezu gleicher Grösse und
Färbung leicht zu übersehen, obwohl (vgl. Fructus Conii) bei gehöriger
Aufmerksamkeit sicher zu erkennen.
Fructus Phellandrii.
Semen Phellandrii. Semen Foeniculi aquatici. Wasserfeuchel. Rossfenchel.
Fruit ou semence de Phellandrie ou de Fenouil aquatique. Water hemlock
fruit.
Oenanthc Pliellandrium Lamarck. — ümbelliferae.
Syn. : Pliellandrium aquaticum L.
Zweijährige Sumpfpflanze, durch den grössten Theil Europas (bis Finn-
land) und Nordasiens, im Altai, auch im Taurus, so wie im Südwesten
1) vielleicht in Folge des Capitulnrc Karls des Grossen, wo der Anban von Anesum
befohlen wird. Die Alton erhielten ihn aus Aegypten und Kreta.
Fructus Phellandrii.
629
des Caspi-Sees (Ghilan) verbreitet, stellenweise aber doch seltener, wie z. B.
in der Schweiz.
Die grünlich braune, länglich eiförmige, gegen die Griffel zugespitzte,
bis 0,005m lange Frucht pflegt meist ungetheilt vorzukommen; der mit
der Fugenfläche parallele Durchmesser erreicht etwa 0,002m, der darauf
senkrechte ist etwas länger, so dass die ganze Frucht ein wenig von den
Seiten her gedrückt, jedoch fast cylindrisch, nicht zweiknöpfig, erscheint.
Jedes Theilfrüchtchen trägt 5 breit-rundliche, wenig hervorragende, der
Länge nach etwas gestreifte Rippen, welche zwischen sich nur schmale
Thälchen (Furchen) frei lassen. Die Randrippen sind sehr viel stärker und
nehmen bei der Trennung der Frucht den grössten Theil der gelblich weissen
Fugenfläche ein, indem ausser ihnen neben dem schlanken Fruchtsäulcheu
nur 2 schmale bogenförmige dunkle Oelgänge sehr scharf hervortreteu.
Erst auf dem Querschnitte nimmt man deutlicher wahr, dass das Frucht-
gehäuse in den 4 Thälchen jeder Fruchthälfte noch 4 fernere dunkelbraune
Oelgänge birgt; das Eiweiss zeigt den Bau der Orthospermeen, d. h. seine
der Fugenfläche zugekehrte Seite bildet eine etwas convexe oder fast
gerade Linie.
Ein glasartiges Oberhäutchen von demselben Baue, wie bei Fructus
Conii und Coriandri und anderen Umbelliferen-Früchten, bedeckt aucli hier
das Fruchtgehäuse, dessen grösster Theil bei Phellandrium von starken
hellgelben Holzbündeln eingenommen wird. Unter jeder Rippe liegt ein
solches, im Querschnitte halbmondförmiges Bündel, dessen Bogen sich nach
innen öffnet und von jedem seiner Enden noch einen schmalen Lappen aus-
sendet, welcher wieder sichelförmig zurückgekrümmt den nächsten Oel-
gang umspannt. Yor jedem dieser letzteren liegen also zwei schmale Aus-
läufer der benachbarten Holzbündel, ohne jedoch zusammenzufliessen , so
dass die Mittelschicht dieses Fruchtgehäuses nicht, wie etwa bei Coriandrum,
einen ganz geschlossenen Holzring enthält. Auch in der Fugenfläche ent-
hält jedes Theilfrüchtchen ein gleiches, doch nicht in zwei Schenkel aus-
laufendes Holzbündel. Es sind fast ganz verdickte langgestreckte, nur sehr
fein porige Zellen , welche diese Holzbündel zusammensetzen ; nach aussen
gehen sie aber in immer kürzere, zuletzt fast kubische und sehr viel weitere,
obwohl immerhin noch etwas dickwandige Zelleu mit zahlreichen grössereu
Poren über. Dieses Holzparenchym, ebenfalls gelbwandig, wie das Pro-
senchym, erfüllt namentlich zum grössten Theile die mächtigen Randrippeu
und bewirkt hauptsächlich die Rundung der Frucht.
Nur ziemlich schmale Streifen lockeren Parenchyms umgeben die Holz-
bündel und trennen sie von den sehr nahe liegenden elliptischen , im grös-
seren Durchmesser 140 Mikromillim. weiten Oelgängen. Dieselben stossen
unmittelbar an die innere Fruchthaut an und liegen demnach so tief unter
der Oberfläche der Frucht, dass sie in den Thälchen nicht oder nur wenig
durchzuscheinen vermögen. Die Oelgänge sind mit einer dunkelbraunen
Schicht zarter tafelförmiger Zelleu ausgekleidet, welche auf dem parallel
«30
Früchte.
mit dem Oelgänge geführten Schnitte öeckig erscheinen; ausserdem er-
blickt man darin häufig ganze oder zerrissene Querwände. Meist ent-
halten die Gänge noch gelbe Tropfen ätherischen Oeles uud Harzes.
Die dünne, nur etwa 30 — 40 Mikromill. breite braungelbe innere Frucht-
haut besteht aus wenigen äusserst dichten Lagen kleiner, radial ge-
richteter, sehr dickwaudiger Zellen. Das austossende Eiweiss zeigt den
gewohnten Bau uud Inhalt; es ist von einer sehr dünnen braunen, der
Fruchthaut ähnlichen, nur etwas weniger kleinzelligen Samenhaut bedeckt.
Der Wasserfenchel riecht und schmeckt sehr eigenthümlich, scharf aro-
matisch, aber nicht angenehm ; er enthält etwa 1 pC. neutrales ätherisches
Oel von durchdringendem gewürzhaftem Gerüche, ohne narkotische Eigen-
schaften. Mau erhält daneben, nach Frickhinger, durch Destillation mit
Kali wohl eine trübe ammoniakalische, aber von Alkaloiden freie Flüssig-
keit. — Die derbe holzige Beschaffenheit des Fruchtgehäuses und die Lage
der Oelgänge gebieten das Zerkleinern der Früchte, wenn es auf die Gewin-
nung des ätherischen Oeles abgesehen ist.
Träger der angeblich an der Pflanze bemerkten giftigen Eigenschaften
sollte das Phellandrin sein, welches Devay u. Guillermond (1852)
aus dem ätherischen Extracte der Früchte abdestillirt, indessen nicht ge-
nauer untersucht haben. — Bouchardat vermuthet, das giftige Produkt
könnte von zufällig beigemengten alkaloi'dhaltigen Umbelliferen-Früchteu
hergerührt haben. Irgend gefährliche Wirkungen des Phellandrium haben
seither keine Bestätigung gefunden.
Nicht näher gekannt ist das von Homolle u. Joret nach Analogie
des Apiols (siehe Fructus Petroselini) dargestellte, doch nicht giftige
Phellandrol.
Nach Berthold geben die Früchte 8 pC. Asche.
Unreife Früchte des Wasser fenchels werden bisweilen auf Haufen ge-
worfen und einer Gährung überlassen, wodurch sie eine braunschwarze
Farbe und stärkeren Geruch anuehmen. Diese „geströmten“ Früchte
sind zu verwerfen.
Eine bei Plinius schon vorkommende Arzneipflanze, Phellandrium, lässt
sich nicht mit Sicherheit auf unsere Oenauthe Phellandrium beziehen.
Dieselbe wurde erst seit 1739 auf die Empfehlung von Ernsting in
Braunschweig („Phellandrologia physico-medica“) allgemeiner angewandt.
Die Früchte der an denselben Standorten wachsenden Doldenpflanzen
Cicuta virosa L. , Siurn latifolium L. und Bcrula angustifolia Koch
kommen bisweilen unter dem Wasserfenchel vor. Erstere sind kugelig,
die des Siurn haben 3 , die der Berula noch mehr deutliche Oelgänge in
jedem Thälchen.
Fructus Foeniculi.
631
Fructus Foeniculi.
Semen Foeniculi vulgaris. Fenchel. Fruit ou semence de Feuouil.
Sweet fennel fruit.
Foeiiiculuni officinale Allione. — Umbelliferae.
Syn.: F. vulgare Gärtner.
Anethum Foenicnlum L.
Ausdauernde Doldenpflanze, au trockenen steinigen Standorten im Ge-
biete des Mittelmeeres (vorzüglich in Italien und Griechenland) einheimisc ,
durch Spanien und Frankreich, auch am Kaukasus und in den siidkaspiscl len
Gegenden verbreitet. Sie wird in den gemässigteren europäischen Landern
viel gebaut, in Deutschland z. B. in Sachsen, Franken, Würtemberg. In
Norwegen gelangen die Früchte nicht mehr zur Reife.
In Deutschland erreichen dieselben bis etwa 0,008™ Länge, einen Durch-
messer von 0,003™ auf der Fugenfläche und ungefähr eben so viel iu senk-
rechter Richtung auf dieselbe. Die uugetheilte Frucht ist daher im Umiisse
cyliudrisch, aber von 5 starken, grünlich gelben längsstreifigen Rippen aut
jeder Hälfte durchzogen. Die randständigen Rippen stossen aneinander, sind
stärker als die des Rückeus und von denselben etwas entfernt. Zwei kurze
dicke Griffel erheben sich aus starker brauner Basis auf der nur wenig zu-
gespitzteu Frucht. In jedem der breiten braungrüuen, ziemlich ebenen Thäl-
chen schimmert ein dunkler mächtiger Oelgang durch; eben so auf jeder
Fugenfläche links und rechts von dem zweispaltigen Fruchtsäulchen. Fast
immer zerfällt die Frucht beim Trocknen iu ihre beiden 1 heile.
Im Querschnitte erblickt mau unter jeder der abgerundeten, obwohl be-
deutend hervorragenden Rippen ein nicht sehr starkes rundlich dreieckiges
Holzbüudel von sehr engem grossporigem Prosenchym, welches gegen innen
in sehr weite, etwas dickwandige Pareuckymzellen übergeht, deren AYände
durch grosse Löcher und breite Bänder ausgezeichnet sind. Die auf-
fallendste Eigenthümlichkeit des Fenchels bieten aber die tief dunkelbraunen
Oelgänge dar. Sie sind im Querschnitte meist von planconvexer Form; die
gerade, immer nach aussen gewendete Seite misst gegen 200 Mikromillim.
Die Oelgänge werden von ziemlich flachen, nach innen dickwandigen Zellen
begrenzt, deren Durchschnitt parallel mit dem Gange eckig -rundliche
Umrisse zeigt. Mehrere Lagen dieses schlaffen und tief dunkelbraunen
Gewebes umgeben rings die Oelgänge und erinnern durch Farbe und
sehr regelmässig mauerförmige Anordnung völlig an die gewöhnlichste Form
des Korkes; auch hier treffen die kurzen Querwände in gerader Linie auf-
einander. — In den mit hellgelbem ätherischem Oele erfüllten Gängen sind
bisweilen noch die ursprünglichen Querwände sichtbar. Iu dem umgeben-
den abgestorbenen Gewebe ist auch wahrscheinlich die ursprüngliche Bil-
dungsstätte des ätherischen Oeles zu suchen. Durch Umbildung oder Ab-
sterben der Zellwände wird dasselbe frei und es entstehen zugleich die Oel
gäuge oder Striemen.
632
Früchte.
Die Mittelschicht des Fruchtgehäuses ist im übrigen aus demselben
schlaffen, etwas tangential gestreckten Parenchym gebildet, wie bei den,
übrigen verwandten Früchten und eben so von einer gleichen glashellen i
radial gestreiften Oberhaut bedeckt.
Die innere Fruchthaut besteht aus zwei Schichten weiter, im Längs-
schnitte radial gestellter, im Querschnitte tangential gestreckter Tafelzellen,
deren äussere Lage braune, die innere farblose Wände besitzt.
Das Eiweiss ist von der auch bei den anderen Umbellifereu-Früchten
vorkommenden Beschaffenheit und von einer dünnen braunen Samenhaut
bedeckt, welche noch eine Reihe kleiner farbloser Zellen trägt. — In der
Gegend der Oelgänge ist das Eiweiss etwas eingedrückt und erscheint
daher im Querschnitte ölappig.
Der Geruch des Fenchels ist sehr angenehm aromatisch, der Geschmack
zugleich süss, nicht eben scharf gewürzhaft.
Neben Zucker (2 pC. Rebling) und etwa 12 pC. fettem (im Eiweisse
enthaltenen) Oele ist das ätherische Oel Hauptbestandtheil der Feuchel-
frucht. Die Menge desselben ist je nach der Herkunft derWaare, wohl
auch je nach dem Jahrgänge, mehr schwankend als z. B. bei Fructus
Anisi. Deutscher Fenchel gibt nach Zeller etwas über 3 pC. ätherisches
Oel, weniger die Frucht aus südlicheren Ländern, allein das der letzteren
ist von feinerem Gerüche und milderem Geschmacke. Vielleicht vermehrt
die Kultur überhaupt den Oelgehalt, so dass schon deshalb der Norden
eine reichhaltigere Frucht liefert. Da die Oelgänge nur von lockerem kork-
ähnlichem Gewebe und der weichen Mittelschicht des Fruchtgehäuses,
nicht aber wie in Phellandrium von Holzbündeln eiugeschlossen sind, so
ist bei der Gewinnung des ätherischen Oeles die Zertrümmerung der Früchte
überflüssig. Die Wurzel des Fenchels ist wenig aromatisch und besitzt
keine Oelgänge.
Das Fenchelöl besteht grösstentheils aus dem bei 220° — 225° C. kochen-
den Aniscampher oder Anethol GluH12<L und wechselnden Mengen
eines davon nur schwierig zu befreienden flüssigen, schon bei 190° C. sie-
denden und mit Terpenthinöl isomeren Antheiles. Das Anethol tritt bald
als krystallisirte , erst bei 16° — 20° C. schmelzende, bald als noch bei
— 10°C. flüssige Modification auf, so dass der Erstarrungspunkt des rohen
Oeles, sehr gewöhnlich bei etwa -f- 10° C. liegend, wenig constaut ist.
Südliches Oel scheint wohl früher zu erstarren.
Auch die Oele des Anis, des Estragon (Artemisia Dracunculus) und des
Sternanis (Fructus Anisi stellati) bestehen fast ganz aus Anethol. — Der
flüssige Antheil dieser Oele (das Elaeopteu) hat dieselbe Zusammensetzung
wie der krystallisirbare Campher (das Stearopten).
Aus Südfrankreich und Italien (auch aus Malta) erhalten wir den Rö-
mischen Fenchel, Fructus Foeniculi romani, von dem einjährigen Foeni-
culium dulce DC. (F. officinale Merat und de Lens). Er ist bedeutend
grösser (bis 0,012"' laug) als die eben beschriebenen Früchte und häufig
Fructus Conii.
633
stark gekrümmt. Die breiten gekielten, fast flügelartigen Rippen nehmen
den grössten Theil der Oberfläche in Anspruch, so dass die Thälchen sehr
zurückgedrängt werden und ihre Oelgänge oft kaum mehr durchscheinen.
Dieser Fenchel erhält dadurch eine viel hellere Färbung; er riecht und
schmeckt feiner und milder. Die Oelgänge sind im Querschnitte mehr herz-
oder kreisförmig und selten über 150 Mikromill. weit, so dass sich schon
hieraus auf einen verhältnissmässig etwas geringeren Oelgelialt schliessen
lässt als bei dem gewöhnlichen Fenchel, dessen kleinere Frucht weitere
Gänge besitzt. Beim römischen Fenchel sind die Gänge nur nach ausseu
von wenigen Lagen des braunen korkartigen Gewebes bedeckt. Der Haupt-
unterschied im anatomischen Baue liegt aber darin, dass hier die ganze
Mittelschicht des Fruchtgehäuses aus jenen grossen rundlich - eckigen
Zellen besteht, deren nicht sehr dicke Wände grosse Löcher oder Netz-
bänder zeigen.
Apulien (Puglia) führt in Menge einen Fenchel aus, der in Betreff
der Grösse, des Aussehens und des anatomischen Baues mit dem in
Deutschland gezogenen übereinstimmt, aber feiner schmeckt. Er dürfte da-
her vermuthlich derselben Pflanze angehören.
In seiner Heimat wurde der Fenchel-ohne Zweifel seit den ältesten Zei-
ten benutzt. Zu. seiner Verbreitung in Deutschland dürfte wohl die Verfü-
gung Karls des Grossen beigetragen haben, wonach die Pflanze auch in den
kaiserlichen Gärten gebaut werden sollte.
Fructus Conii.
Semen s. mericarpium Conii maculati. Semen Cicutae. Schierlingsfrucht.
Schierlingssamen. Fruit ou semence de cigue. Hemlock fruit.
Cönium maculatum L. — Umbelliferae.
Der Verbreitungsbezirk dieser vielleicht ursprünglich aus Asien stam-
menden zweijährigen Doldenpflanze ist jetzt ein sehr weiter. Sie gedeiht
vorzüglich an Wegen, Schutthaufen und bebauten Stellen durch fast ganz
Europa, mit Ausnahme, wie es scheint, des äussersten Nordens. Ferner auf
Candia, Cyperu, in Syrien, Kleinasien, Transkaukasien bis zum Caspi-See,
in Sibirien, sogar in Nord- und Südamerika, immerhin jedoch sehr ungleich*
verbreitet. Der Schweiz z. B. fehlt der Schierling fast ganz und findet sich
dagegen massenhaft in Ungarn (Leopoldstadt. Tyrnau).
Die kleine, etwa 0,003m lange und eben so dicke grünlich graue zwei-
samige Frucht besitzt den Bau der Doldenfrüchte aus der Abtheilung der
Gampylospermeen, d. h. das Sameneiweiss ist nicht von einfach cyliudri-
scher Gestalt, sondern da, wo die beiden Theilfrüchtchen zusammeuhängeu,
vou einer tiefen, durch die Mittelschicht des Fruchtgehäuses ausgefüllten
Längsfurche eingenommen, welche dem Querschnitte des Eiweisses einen
nierenförmigen Umriss verleiht.
Das Fruchtgehäuse ist sehr dünn, durchschnittlich nur 130 bis 140
Früchte.
«34
Mikromill. dick und auf jeder Fruchthälfte mit 5 starken, ungefälir 140
Mikromill. hohen blassen Läugsrippen besetzt. Dieselben beschreiben nach
aussen nicht eine regelmässige Curve, sondern eiue wellig gekerbte, zuletzt
nur geschweifte Bogenlinie. Die 4 zwischen den Rippen gelegenen Thälchen
oder Furchen, so wie die Berührungs- (Bauch- oder Fugenfläche) sind glatt,
nur hier und da mit kurzen, ganz schwachen Höckercheu besetzt und ohne
Oelstriemeu.
Die beiden an der Berührungsfläche anstossendeu Rippen (Seiteurippen
oder Randrippen) sind von denen des gegenüberstehenden Theilfrüchtchens
durch eine ziemlich breite, fast bis zum Fruchtträger gehende Kluft getrennt,
so dass die zweiknöpfige Frucht bei der Reife leicht in ihre beiden Theile
zerfällt. Der auf die Fugenfläche senkrechte Querdurchmesser der uuge-
trennten Frucht ist länger als die erstere selbst, die Gesammtfrucht erscheint
also von der Seite her etwas zusammengedrückt. Die Grififelbasis (Stempel-
polster) und 2 kurze Griffel krönen die Frucht.
Das Fruchtgehäuse ist mit einer derben glasartigen Epidermis bekleidet,
welche aus sehr kleinen Zellcheu besteht, deren fein gestreifte Waudungeu
nach aussen ganz zu einer zusammenhängenden festen Haut verwachsen
sind; nur die Querwände sind zarter. Die Hauptmasse des Fruchtgehäuses,
die Mittelschicht, ist aus lockerem, etwas tangential gestrecktem Pareuchym
zusammengesetzt, welches vom Eiweisse durch eine besondere brauugelbe
Fruchthaut und eine Samenhaut getrennt wird.
Die parenchymatische Mittelschicht wird von 5 in den Rippen und
einem 6ten in der Berührungsfläche gelegenen Gefässbündelclien durch-
zogen, deren peripherischer Theil aus sehr feinen spitzeudigeu porösen und
mit zarten Spiralbändern belegten Prosenchyinzelleu besteht. Der dem In-
neren zugekehrte Theil der Gefässbündel enthält dagegen kleine Netzgefässe,
welche kaum dicker (5 Mikromill.) sind, als das ihnen vorliegende holz-
artige Prosenchym. ... r>-
Die innere Fruchthaut ist ein geschlossener, 30 Mikromill. breiter Ring
kubischer oder etwas länglicher Zellen mit zarten Querwänden; nach aussen
und nach innen dagegen sind die Wanduugen sehr derb uud tief braungelb
o-efärbt. Eine zweite ähnliche Zelleureihe trennt diese innere Fruchthaut
vom Parenchym der Mittelschicht; jedoch sind ihre Zelleu kleiner, weit
zarter, etwas zusammeugefalleu uud gegen die Mittelschicht hin ausge-
schweift. ...
Die Sameuhaut besteht aus einer 'dünnen Schicht sehr kleiuer dickwan-
diger brauugelber poröser Zellen, welche sich in der Furche, wo die Mittel-
schicht in das Sameueiweiss eiudriugt, von der inneren Fruchthaut selb-
ständig ablöst, indem sich hier noch ein 7tes Gefässbündelclien, der Raphe
angehörig, einschiebt.
Das Eiweiss enthält ziemlich grosse dickwandige und etwas strahlig g
ordnete, eckig rundliche, der kleine Embryo zartere, mehr kubische oder
platte Zellen.
Fructus Conii.
635
Die Mittelschicht führt iu ihren äusseren Schichten Chlorophyll, in den
innersten sehr kleine, nicht sehr zahlreiche Stärkekörner; in der reifen
Frucht ist ersteres missfarbig und letzteres verschwindet. Die weiten Würfel-
zellen der inneren Fruchthaut sind ohue Zweifel Sitz des Coniins und des
ätherischen Oeles, ersetzen also die Oelgänge der übrigen Umbelliferen-
Früchte. Der Saft frischer Früchte reagirt zwar nicht alkalisch, gibt aber
mit Jodwasser eine braune, bald wieder verschwindende Trübung, welche
man mit dem Safte der Blätter nicht erhält.
Das Eiweiss strotzt von grossen Oeltropfen und kleineren festen Körn-
chen (Proteinstoffe? Fett?)
Das in geringer Menge iu den Früchtchen vorkommende ätherische Oel
ist nicht näher untersucht. — Der wichtigste Bestandteil , das Coniiu
nsjju
N tt ist eine stark alkalisch reagirende , sehr giftige Flüssigkeit von
tabaksähnlichem Gerüche, bei 163,5° C. ohne Zersetzung siedend. 1827
von Giesecke zuerst bemerkt , wurde das Coniin 1831 von Geiger als
Alkaloid erkannt und besonders von Werth eim (1856. 1862) genau er-
forscht. Es ist in den Früchten an eine Säure (Aepfelsäure?) gebunden und
von Ammoniak, so wie von einer zweiten, etwas weniger giftigen Base,
dem krystallisirbaren Conydriu begleitet. Das letztere lässt sich durch
Entziehung von Wasser iu Coniin überführen. Das Radikal der Alkaloide,
ein flüssiger, nicht giftiger Kohlenwasserstoff, Conylen G8HU, ist von
Wertheim daraus abgeschieden worden. — In der Natur selbst findet
häufig eine Substitution des im Coniiu verfügbaren Wasserstoffatomes
durch GH3 (Methyl) statt, daher das käufliche Coniin auch Methylconiiu
iGsH14
N iq zu enthalten pflegt, wie Planta u. Kekule zeigten. — In der
Art seiner giftigen Wirkung steht das Coniin dem Nicotin nahe, ist jedoch
bei weitem weniger kräftig. Die reifen Früchte liefern gegen 1 pC. Coniin,1)
' die unreifen, wie es scheint, etwas mehr, vermuthlich weil später Bildung
von Conydrin G8H17N G durch Wasseraufnahme eintritt.
Nach Walz käme das Coniin auch iu den Früchten der Aethusa Cyna-
pium vor und Hesse sich nach W agn er ferner (als Zersetzungsprodukt?)
aus der Wurzel von Imperatoria Ostruthium (vergl. Rhizoma Imperatoriae)
gewinnen.
Die Eigenschaften des Schierlings (Cicuta der Römer, Köneion2) der
Griechen) waren den Alten wohl bekannt; ihr Schierlingstrank, womit sie
Verbrecher tödteten, scheint auch wohl Opium enthalten zu haben. Iu
Griechenland wächst Conium da und dort, früher in der Gegend von Athen
z. B. häufig, ist aber jetzt daselbst ausgerottet.
B Barth erhielt 0,86 pC. bei Verarbeitung von 5 Pfunden, Wertheim bei 336 Kilogr.
nur 0,21 pC. Coniin neben 0,012 pC. Conydriu. — Das Kraut enthält nur Spuren.
2) xwv&eiv sich wie ein Kreisel drehen.
636
Früchte.
Die Schierlingsfrüchte haben Aelmlichkeit mit den Früchten von Aethusa
Cyuapium, Cicuta virosa und andere Doldenpflauzen, sind aber sehr leicht
zu unterscheiden au ihren wellig gekerbten Rippen, dem von den Seiten her
eingerollten (gefurchten) Eiweisse, so wie am Mangel der Oelstriemen.
Fructus Coriaudri.
Semen Coriaudri. Koriander. Coriandre. Coriauder.
Coriandrum sativum L. — Umbelliferae-Coelospermeae.
Einjährige Doldenpflanze, im ganzen gemässigten Asien, von China bis
Cypern, auch im Mittelmeergebiete bis Marokko einheimisch, in Deutsch-
land, England u. s. w. augebaut und jetzt bereits bis Paraguay verbreitet.
Die beiden Fruchthälften sind so genau verbunden, dass sie eine fast
ganz regelmässige, im Durchschnitte bis 0,005"' messende, vom Steugel-
polster und dem Griffel gekrönte Kugel darstellen.
Das hellgelbe Fruchtgehäuse trägt auf jeder Hälfte 4 fast ganz gerade
verlaufende, ziemlich scharf hervortretende Rippen (Nebenrippen nach dem
gewöhnlichen Sprachgebrauche) ; zwei fernere, oft an dunklerer Färbung
kenntliche gehören gemeinschaftlich den beiden Hälften an und spalten
selbst an der trockenen Frucht nur schwer. Die Trennung geschieht nicht
in gerader Linie, sondern verläuft etwas uneben, schwach wellenförmig.
Die Abdachung dieser Rippen in die Thälcheu (Furchen) zeigt mehr oder
weniger zickzackförmige Ausbiegungen und Einsprünge und der Thalgrund
selbst wird von einer entsprechend zickzackförmigen Rippe (gewöhnlich als
Hauptrippe bezeichnet) eingenommen, deren also jede Fruchthälfte 5 zählt.
Sie sind mehr abgerundet und weniger hervortretend als die geraden Rip-
pen. Oelstriemen fehlen auf der Ausseufläche des Fruchtgehäuses.
Von den 5 Kelchzähnen sind oft zwei, zu längeren spitzen Lappen aus-
gewachsen , noch an der reifen Frucht erhalten ; sie rühren von den peri-
pherischen (Strahlen-) Blüthen der Dolde her.
So genau auch die Theilfrüchtchen verbunden sind, so hängen sie doch
nur durch das dünne Fruchtgehäuse und den Fruchtträger zusammen,
schliessen aber, in reifem Zustande, einen linsenförmigen Hohlraum ein.
Auf jeder Hälfte desselben erhebt sich die Fruchthaut au zwei Stellen von
der Samenschale und birgt hier zwei dunkelbraune Oelgäuge (Oelstriemen).
Im Querschnitte erscheint das Eiweiss von halbmondförmiger Gestalt; die
concave Seite ist der Höhlung zugekehrt. Mitten in letzterer steht der
Fruchtträger als freie, nur oben und unten mit dem Fruchtgehäuse ver-
wachsene Säule, welche leicht mit dem Fruchtstiele herausfällt. Dem Frucht-
• säulchen gegenüber trennt sich von jeder Fruchthälfte die innere Frucht-
haut, indem sie weit in die freie Höhlung hereinragt. Die dreieckige, da-
durch zwischen Eiweiss und Fruchthaut entstandene Lücke ist mit sehr
lockerem Parenchym und einem Bündel dünner Spiralgefässe ausgefüllt.
Fructus Coriandri.
637
Die Eigenthümlichkeit der Korianderfrucht liegt hauptsächlich im Baue
des Fruchtgehäuses. Dasselbe ist von einer glashellen Epidermis bedeckt,
welche eine breite parenchym atische lockere Mittelschicht einschliesst, deren
innerste Schicht einen geschlossenen Ring kubischer, wahrscheinlich durch
ätherisches Oel gelb gefärbter Zellen bildet. Diese innere Fruchthaut wird
nur durch eine sehr dünne dunkelbraune Samenschale oder Samenhaut vom
Eiweisse getrennt.
In der Mittelschicht nun entsprechen nicht blos einzelne Gefässbündel
den Rippen des Fruchtgehäuses , sondern der ganze mittlere Theil jenes
Gewebes besteht aus verholztem Prosenchym , welches also , nach aussen
und nach innen von einer Lage des Mittelschichtgewebes bedeckt, eine sehr
derbe, fest zusammenhängende innere Schale darstellt. Die ziemlich kurzen
Zellen derselben sind dickwandig, fein porös, spitzendig und nur von we-
nigen kleinen Gefässen begleitet. In den zickzackförmigen Rippen weicht
dieses Prosenchym so sehr von der geraden Richtung ab, dass ein Quer-
schnitt durch diese Holzschicht gewöhnlich die einzelnen Zellen in allen
möglichen Lagen, sowohl im Durchschnitte, als ihrer ganzen Länge nach
zur Anschauung bringt.
Das Sameneiweiss besitzt den gleichen Bau und Inhalt, wie bei anderen
Umbelliferen-Früchten (z. B. Fructus Conii).
Die Oelgänge sind im Querschnitte flach elliptisch im grösseren Durch-
messer Vs Millimeter erreichend.
Der Koriander riecht und schmeckt eigentkiimlich angenehm und milde
aromatisch, mit nur höchst geringem, an Wanzen1) erinnerndem Beigeruche.
Vor der Reife aber ist dieser widerliche Geruch, auch am Kraute, sehr stark
entwickelt. Worin die chemische Veränderung liegt, welche bei der Reife
eintritt, ist nicht ermittelt; wohl dürfte sie aber auf einer Oxydation des
ätherischen Oeles beruhen, welches der Formel G10HlsO entspricht, also
isomer ist mit Cajeputöl undBorneol (vergl. bei Camphora). Entzieht man
ihm durch Phosphorsäure die Elemente des Wassers, so verwandelt es sich,
nach Kawalier, in widerlich riechendes Oel O10H16.
Die Früchte liefern etwa pC. ätherisches Oel; die durch das holzige
Fruchtgehäuse gut geschützte Lage der Oelgänge und der ölhaltigen inneren
Fruchthaut empfiehlt das Zerstossen der Früchte vor der Destillation. —
Weit grösser ist der Gehalt an fettem Oele, nach Trommsdorff 13 pC.
Jenes widerlichen Geruches wegen scheint der Koriander zum Theil im
Alterthum zu den Giftpflanzen gerechnet worden zu sein. Doch benutzten
ihn schon die Hebräer und die Römer als Gewürz. Plinius erwähnt, dass
der beste aus Aegypten komme.
D daher der Name der Pflanze: K<5pt? = Wanze. Oft heisst sie auch Koliandron, z. B.
hei Simeon Seth im XI. Jahrhundert.
Früchte.
038
Fructus Anisi stcllati.
Semen seu Capsulae Anisi stellati. Seinen Badiani. Sternanis. Badiaue.
Anis de la Chine. Anis etoile. Star anise.
niicium anisatum Loureiro. — Magnoliaceae-Wintereae.
Der in Cochinchina einheimische und in China cultivirte Baum, welcher
den Sternanis liefert, ist gegen Ende des vorigen Jahrhunderts von Lou-
reiro uu vollständig beschrieben worden.
Ein schon von Kämpfer ein Jahrhundert zuvor abgebildeter Baum aus
Japan, den später auch Thunberg mitbrachte, wurde für identisch mit
Loureiro s Illicium anisatum gehalten, bis Siebold ihn als Illicium reli-
giosum bestimmt unterschied und zeigte, dass derselbe aus China stamme,
aber nicht den officinellen Sternanis liefere. Er wird in Japan sehr häufig
in der Nähe buddhistischer Tempel gezogen. Die Stammpflanze unserer
Droge ist demnach bis heute noch nicht genauer bekannt.
Die Frucht der Illicium- Arten ist gebildet aus 8 einsamigen, anfangs
aufrechten Karpellen, welche später mehr oder weniger strahlenförmig aus-
gebreitet im Quirl einreihig um eine kurze Centralsäule vereinigt sind. Bei
der Reife sind die Karpelle verholzt und der Länge nach an der nach oben
gekehrten Bauchnaht aufgesprungen, so dass der glänzende Same sichtbar
ist. Die nach unten gerichtete Wölbung der Karpelle (Fruchtblätter) ent-
spricht daher der Rückenfläche, ihre Spitze dem Griffel.
Der etwas abgeflacht elliptische Same steht aufrecht im Karpell, ist an
der dem Centralsäulchen benachbarten schmalen Seite flach abgestutzt und
hier mit einem lockeren kurzen, schief aufsteigenden Nabelstrange befestigt,
welcher in einer eigenen breiten Höhlung durch die F ruchtwaud dringt.
Unter dem Nabel liegt eine kleine, etwas hellere warzenförmige Samen-
schwiele. Der obere Rand des Samens ist zugeschärft, der untere ab-
gerundet. m
Bei dem käuflichen Sternanis ist die Fruchtsäule ungefähr 0,008
lang, von kegelförmiger Gestalt und der Länge nach etwas geflügelt, wenn
man die einzelnen Karpelle beseitigt. Das obere Ende der Säule stellt eine
flach schüsselförmige Vertiefung dar, umgeben von 16 Höckerchen, welche
den am Grunde etwas verdickten Rändern der Fruchtblätter angeboren.
Die breitere Grundfläche des Kegels trägt häufig noch den gekrümmten, bis
0,02,n langen Fruchtstiel.
Die einzelnen Karpelle sind fast immer zu 8 der ganzen Höhe nach der
Fruchtsäule angewachsen, hängen aber unter sich nur au ihrer Ursprungs-
stelle ein wenig zusammen. Die obere, meist aufgesprungene Seite der
nachenförmigen Karpelle (die Ränder des Fruchtblattes) verläuft fast hori-
zontal oder erhebt sich nur in der Mitte zu einer sanften W olbuug. L ie
mehr oder weniger geschuäbelten,1) doch nicht eben scharf zulaufenden
1) Die sonst sehr ähnliche Früchte dos Illicium religiosum unterscheiden sich durch
einen sehr ausgebildeten zurückgebogenen Schnabel und sind übrigens wenig aromat.sch.
Fructus Anisi stellati.
639
Spitzen liegen in oder wenig unter derselben Ebene, wie das obere Ende
der Centralsäule, von welcher sie durchschnittlich 0,017'" abstehen. Die
Karpelle reissen bis in ihre äusserste Spitze auf; ihr Kiel ist ziemlich breit
abgeflacht.
Die Aussenseite der Karpelle ist matt graubraun oder rostbraun, vor-
züglich unten unregelmässig runzelig, in der oberen Hälfte mehr längs-
nervig. Wo sich die einzelnen Karpelle berühren, entstehen hellere roth-
braune glänzende und vielnervige Eindrücke.
Die Innenseite der Karpelle ist gelblich braun, glatt und in der unteren,
der Säule genäherten Hälfte der Gestalt des Samens genau entsprechend
ausgehöhlt. Die etwas mattere Höhlung wird von einer besonderen, Va Millim.
dicken Wand gebildet, welche deutlich strahligen Bau zeigt. Die übrige
Innenfläche des Karpells, welche nicht von Samen bedeckt ist, zeigt sich
von sehr zahlreichen feinen Nerven durchzogen.
Die glatte, lebhaft glänzende zerbrechliche Samenschale ist fast gleich
beschaffen wie jene Wand oder Steinschale, welche den Samen einschliesst.
Im bräunlichen weichen, von der dunkelbraunen innern Samenhaut be-
deckten Eiweisse liegt zunächst am Nabel der sehr kleine Embryo. — Der
Same beträgt etwa Vs des Gesammtgewichtes der Frucht.
Die Fruchtsäule wird von einem im Querschnitte zackigen Kreise ziem-
lich unregelmässig verlaufender Holzbündel durchzogen, welcher ein sehr
lockeres braunes Mark einschliesst. Letzteres besteht aus denselben grossen
porösen Zellen, welche auch den Holzring umgeben. Ihre dicken Wände
werden durch Kali stark angegriffen. Da und dort sind in dieses Gewebe,
sowohl innerhalb als ausserhalb des Holzringes, grosse citrongelbe Bast-
zellen eingestreut, welche durch ihre Dicke und die zierliche Schichtung
ihrer fast bis zum Verschwinden der Höhlung verdickten porösen Wände an
die Bastzellen mancher Rinden, z. B. der Chinarinden, erinnern. Jedoch
sind die Bastzelleu des Sternanis nur sehr kurz. Die sehr ziisammen-
gefallene Rinde des Fruchtstieles enthält ähnliche, doch nicht so ganz ver-
dickte Bastzellen.
An den Karpellen ist sehr deutlich eine äussere lockere, tief dunkel-
braune Schicht von der sehr derben inneren Wand zu unterscheiden. An
der Grenze beider Schichten verlaufen kleinere Bündel langer dünner Spiral-
gefässe. Die äussere lockere Schicht ist am stärksten entwickelt auf der
unteren Seite (Rückenfläche) der Karpelle, wo sie aus weiten schlaffen
Zellen mit dicken porösen Wänden zusammengesetzt ist, welche grössten-
teils mit ätherischem Oele, rothbraunen Tropfen (Harz?) und Klumpen
(Farbstoff?) gefüllt sind. An den vertikalen Wänden des Karpells sind die
Zellen dieser äusseren Schicht weniger dickwandig und sehr unregelmässig
eingeschrumpft. Vereinzelte grössere, sonst aber nicht abweichend ge-
baute Zellen enthalten hier vorzugsweise das blassgelbe ätherische Oel.
Die hellgelbe holzige Innenwand der Karpelle besteht aus langgestrecktem
porösem, sehr derbem Holzprosenchym an denjenigen Stellen, welche ausser-
t
640
Früchte.
halb der Samenhöhle liegen, also vorzüglich au den glänzenden, durch das
Aufspringen der Bauchnaht blos gelegten Wänden oberhalb und ausserhalb
des Samens. Hier folgen gegen 10 Reihen solcher Holzzellen auf einander,
dann einige wenige Lagen verkürzter, aber dickerer Zellen und die Ober-
fläche (Innenfläche des Karpells) selbst endlich setzt sich ganz aus gewal-
tigen, fast kubischen, stark oder ganz verholzten Steinzellen von über 200
Mikromillimeter Dicke zusammen.
Einen ganz abweichenden Bau aber zeigt diese Steinschale da, wo sie
sich nach beiden Seiten zu der vom Samen eingenommenen Höhlung ver-
tieft. Hier ist es eine einzige Zellenreihe, welche den holzigen Theil des
Karpells ausmacht. Die Zellen sind gerade, unter sich genau parallele
Röhren von mehr als 500 Mikromill. Länge und 70 Mikromill. Durchmesser,
welche aufs dichteste gedrängt, senkrecht auf die Samenhöhle gestellt sind.
Ihre Wände sind fast farblos, nicht dick, aber sehr spröde, fein spiralig ge-
streift und mit kleinen Löchern versehen.
Die prachtvollen Farben, welche diese cylindrischen Zellen im polarisirten
Lichte an nehmen , sprechen für eine beträchtliche Spannung ihrer Wände.
Diese höchst eigenthiimlichen Zellen zeigen keinen Inhalt; sie sind an beiden
Enden gerade abgestutzt und gegen den Samen zu nur durch eine gelb-
braune dünne Haut geschlossen.
Je nach der Stelle und der Richtung, in welcher Schnitte durch das
Karpell gelegt werden, muss demnach der Sternanis ein sehr verschiedenes,
aber immer ausgezeichnet charakteristisches anatomisches Bild gewähren.
Ein horizontaler Schnitt durch die obere aufgesprungene Wand z. B. zeigt
die Gefässbüudel und Holzzellen in ihrer ganzen Länge, ein parallel zur Cen-
tralsäule geführter Schnitt nur die Querdurchschnitte. Nicht weniger
verschieden erscheinen die Umrisse der Zellen, welche die Steinschale
rings um die Samenhöhle bilden, je nachdem man sie ihrer Länge nach
oder quer durchschnitten zur Anschauung bringt.
Die Samenschale ist aus ganz ähnlich radial geordneten einreihigen,
70 Mikromill. langen blassgelben Zellen zusammengefügt, wie die eben er-
wähnte Steinschale, jedoch sind die Zellen der ersteren stark verdickt und
an den Enden abgerundet, d. h. von der gewöhnlichen Form der soge-
nannten Stein- oder Steruzellen. Au dieselben reiht sich die dünne braune
innere Samenhaut aus tangential gestrecktem Gewebe, welche den Samen-
keru eiuschliesst. Er enthält vorwiegend Eiweiss, zarte eckige, von Fett-
tropfen strotzende ansehnliche Zellen.
Aetherisches Oel und brauner Farbstoff sind hauptsächlich in der äus-
seren lockeren Fruchtschicht der Karpelle und auch in der Centralsäule
vorhanden. Die Steinzellcn und Holzzellen dagegen führen nur in ihren be-
schränkten Höhlungen braunen Farbstoff (Harz?), besitzen aber selbst
blassgelbe oder fast farblose Wände. Selten trifft mau in der Nahe der
Steinschale , welche die Samenhöhle auskleidet, vereinzelte farblose kurz«*
Prismen, vermuthlich von Kalkoxalat.
Fructus Anisi stellati.
641
Stärke findet sich mir in der Rinde der Fruchtstiele.1) Das Gewebe der
Fruchtsäule enthält Körner von gleicher Grösse , welche sich aber deutlich
von Stärke unterscheiden.
Der Sternanis schmeckt angenehm süss und aromatisch, eigentlich mehr
au Fenchel als an Anis erinnernd, weshalb er anfangs auch wohl als
Foeniculum sinense bezeichnet wurde, und riecht entsprechend angenehm.
Gepulvert zeigt er einen säuerlichen Beigeschmack. Dem Samen geht das
Aroma ab.
Das ätherische Oel beträgt 2 — 3 pC. und scheint am reichlichsten in
der unteren Hälfte der äusseren Karpellscliicht enthalten zu sein. Es ist
der Hauptsache nach chemisch gleich zusammengesetzt wie das Fenchelöl
und Anisöl (vergl. bei Fructus Foeniculi) und erstarrt gewöhnlich unter
-f- 2° C. Durch sehr gemässigte Einwirkung von Salpetersäure auf das-
selbe erhielten Limpricht u. Ritter die krystallisirbare Anisoi'nsäure
G10H18Os, welche sich vermuthlich auch aus den anderen verwandten
Oelen gewinnen Hesse.
Mit Sicherheit sind überhaupt die Oele des Fenchels, Anis und Stern-
anis nicht zu unterscheiden. Das letztere wird nach Dragendorff von
Natrium nicht gefärbt und bleibt flüssig, Anisöl aber in eine feste, erst bei
20° G. schmelzende Masse verwandelt. Werden die Oele in Aether gelöst
und mit Natrium behandelt, so färbt sich nach Hager das Sternanisöl
gelb, das Anisöl aber nicht.
Der Sternanis ist reich an Zucker, vermuthlich Rohrzucker, da er in
der Kälte alkalisches Kupfertartrat nicht reducirt; der wässerige Auszug
der Frucht erstarrt auf Zusatz von Alkohol zur klaren Gallerte von Gummi
und Pektin (?).
Die Samen enthalten in grosser Menge fettes Oel.
Der Sternauis gelangte gegen Ende des XVI. Jahrhunderts zuerst und
zwar von den Philippinen her nach London, Clusius gab 1601 die erste
Beschreibung der Frucht. Dieselbe wurde dann anfangs zu Lande über
Russland nach Europa gebracht und z. B. in Moskau ähnlich wie jetzt der
damals noch nicht bekannte Thee verwendet. In früherer Zeit war der
Sternanis trotz der auffallenden Gestalt nicht beachtet und scheint auch
in China keine bedeutende Rolle zu spielen.
R Meissner (1819) hatte 19,8 pC. Stärke in den Karpellen und 6,4 pC. in den Samen
angegeben ; seine ganze Analyse ist der Berichtigung sehr bedürftig.
Fleckiger, l’liariuakoguosie.
41
«42
Samen.
VII. Samen.
A. slisslich, ölig, milde oder etwas adstringireud
bitterlich schmeckende oder Schleim gebende Samen.
Seinen Quercus.
Glandes s. Fructus Quercus. Eicheln. Glands de cheue. Oak seeds.
Abstammung siehe bei Cort. Quercus.
Der 3fäeherige 6 eiige Fruchtknoten der (weiblichen Blüthe der) Eichen
bildet nur einen, seltener zwei Samen aus, welcher in einer länglich ruuden
Schliessfrucht (Nuss, Achenium) enthalten ist. Das dünne schalenartige
zerbrechliche Fruchtgehäuse ist glatt, nach dem Trockuen glänzend braun-
gelb, durch den vertrockneten Griffel oder die Perigonreste bespitzt, unten
durch einen helleren rauhen Nabel abgeplattet. Derselbe ist am Rande
durch Gefässbündel puuktirt, womit er in der becherförmigen, durch 'Ver-
wachsung von Deckblättern entstandenen holzigen Hülle (Cupula) aufge-
wachsen ist. Inuen ist das Fruchtgehäuse lose von einer braunen, stark
einschrumpfeuden Samenhaut ausgekleidet, in welche sich vom dunkleren
abgeflachten Nabel her zahlreiche verästelte Gefässbündel verbreiten. In
dieser Samenhaut hängt der eiweisslose Samen, aus zwei grossen gewölbten
fleischigen, im trockenen Zustande sehr harten Keimblättern bestehend,
welche sich leicht trennen und unter ihrer Spitze das kleine, aufwärts
gerichtete Würzelchen sammt dem Knöspcheu bergen. Die Kotyledonen
selbst sind aussen durch Eindrücke der die Samenhaut durchziehenden .
Gefässbündel längsfurchig , auf der inneren flachen Seite glatt, bis 0,03'"
lang. Für den Handel werden die Fruchtgehäuse und Samenhäute entternt,
wobei der Same immer in seine beiden Keimblätter zerfällt.
Es werden ohne Unterschied die Früchte beider bei Cort. Quercus an-
geführten Arten verwendet; die der Q. sessiliflora sitzen zu 2 5 dicht an
einer kurzen Spindel beisammen, die der Q. peduncidata zu 3—7 an einem
längeren gemeinschaftlichen Fruchtstiel weiter aus einander gerückt. Letz-
tere sind von etwas mehr länglicher Gestalt. — In uusern Gegenden tragen
die Eichen selten zwei Jahre nach einander reichlich Früchte.
Die Eicheln sind aus einem bräunlichen, rundlich eckigen Parenchym
gebildet, das in ganz unregelmässiger Weise von sehr kleinen Gcfassbuude n
durchsetzt wird. Die äussersten, viel kleineren und fast würfelförmige«
Zellen bilden eine etwas derbere Schicht. Das ganze Gewebe enthalt reich-
lich Stärke, in sehr verschieden gestalteten elliptischen bis 15 M.kromilhm.
messenden Körnchen, vereinzelte eigene, durch Harz (1-arbstofl und Jcr J
Stoff?) braunroth gefärbte Zellen und hier und da Oeltröpfchen.
Der Geschmack der geschälten Eicheln ist sehr schwach sussl.ch, mit
bald mehr, bald weniger starkem, bitterlich adstringirendem Beigcschma- vC.
Semen Papaveris.
643
Bei manchen südlichen Arten (Q. Ballota, Q. Ilex, Q. Esculus im Gebiete
des Mittelmeeres) ist die Mischung ihrer Bestandteile so günstig, dass die
Samen sehr wohl schmecken.
Unsere Eicheln sind von Braconnot, Löwig, v. Bibra untersucht
worden. Sie fanden darin: 7 — 9 pC. Gerbstoff, 35 38 Stärke, 7 8
uukrystallisirbaren Zucker, 3 — 4 fettes Oel, 2 — 5 Harz, ferner Gummi und
Proteinstofte , Spuren von ätherischem Oele und Citronsäure. Die Asche
ist reich an Kali und Phosphaten. Nach der Gährung des Zuckers lässt
sich aus den Eicheln noch ein süsser, von Braconnot für Milchzucker
gehaltener, aber ganz dem Manuit ähnlicher Stoff, Eichelzucker oder
Quercit G12H24010, gewinnen. D essaignes hat gezeigt, dass er eigen-
tümlich, mitPiuit1) und Mannitan isomer ist; er lässt sich zum Theil
sublimireu und wirkt nicht auf alkalisches Kupfertartrat. Zum medici-
nischen Gebrauche werden die (geschälten) Eicheln schwach geröstet
(Glandes Quercus tostae, Eichelkaffee), wodurch sie 20— 24 pC. an Gewicht
abnehmen, aber ihr Volum etwas vergrössern. Es entstehen hierbei die
gewöhnlichen Umwandlungs- und Zersetzungsprodukte der Stärke und des
Zuckers (Dextrin, Essigsäure, Aceton, Assamar, Furfurol etc.), vermischt
mit denen der Nebenbestandtheile der Eicheln.
Seinen Papaveris.
Mohnsamen. Semeuce de pavot. Graiue de pavot. Poppy seed.
Wie bei Fructus Papaveris erwähnt, ragen von den 8 — 20 Nähten der
Kapsel eben so viele vertikale Samenträger in die hohle Frucht herein.
Dieselben sind gegen die Axe der Frucht gerichtet, aber nur etwa 0,010"'
breit, so dass sie lange nicht das Centrum erreichen. Dicht an der Aus-
trittsstelle jedes Samenträgers verläuft auf beiden Flächen seiner ganzen
Länge nach eine schmale scharfe Leiste. Aus dieser etwa 0,002"’ dicken
Basis schärft sich der Samenträger gegen iuneu papierartig zu, so dass
seine Dicke an der freien, nicht verdickten Eudkante kaum Vs Millimeter
beträgt. Er lässt sich nur unvollkommen der Länge nach in 2 Blätter
spalten, welche im Wasser aufquellen, durchsichtig werden und sehr deut-
lich das zierliche Adernetz ihrer Gefässbündelchen erkennen lassen, deren
Endpunkte auf den beiden Flächen und der Kante des Samenträgers durch
bräunliche, wenig erhabene Fleckchen in grosser Zahl bezeichnet sind.
Nach dem Abfallen des Samens bleibt der kurze schwammige Nabelstrang
oft noch einige Zeit auf dem Fleckchen sitzen.
Der Same ist von fast halbkugeliger, nur unbedeutend abgeflachter
Form , oder vielmehr durch mehr oder weniger seichte Einbuchtung der
geraden Seite, am Nabel, von nierenförmigem Umrisse. Die beiden ge-
näherten Enden des Samens sind durch den kurzen kielförmigen Nabel-
1 ) vgl. am Schlüsse von Manna.
41*
644
Samen.
streifen verbunden. Am Saraenträger sitzt der Same vertikal, das dem
Nabel gegenüberliegende, doch nur unmerklich zugespitzte Ende nach unten
gerichtet. In Gestalt und Grösse sieht Semen Papavcris dem Semen Hyoscy-
ami etwas ähnlich. Letzterer ist aber weit mehr abgeflacht und brauugelb,
während der Mohnsamen entweder rein weiss oder graulich bis violett-
schwarz ist.
Man pflegt zum officiuellen Gebrauche nur dieweissen Samen zu wählen.
An den übrigens gleich gestalteten schwarzen treten die weiten unregelmässig
6 eckigen Maschen der Rippen deutlicher hervor, welche den Samen netz-
artig überstricken.
Die Samenkörner wiegen lufttrocken durchschnittlich Va Milligramm
(100 Stück = 0,0 49 5 Gramm).
Unter der dünnen, mehr zäh-elastischen als spröden Samenschale schliesst
das Eiweiss einen verhältnissmässig ansehnlichen cyliudrischen krümmt
läufigen Embryo ein, dessen Würzelehen so lang ist, wie die beiden dicken
Kotyledonen. 5
Der Mohnsamen ist ausgezeichnet durch sein geringes specifisches Ge-
wicht, das nur etwa 0,71 beträgt,1) und geringe Hygroskopicität. Luft-
trockener Samen gibt nur 3 — C pC. Wasser ab.
Die Oberfläche ist aus einer glashellen dünnen tafelartigen Cuticula
gebildet, welche sich stellenweise zu jenen Rippen erhebt.
Die höchstens 1 5 Mikromill. dicke Samenschale enthält einige Reihen
sehr schlaffer Zellen mit derben farblosen, tangential gestreckten, aber ver-
worrenen Wänden. In den dunkelsamigen Varietäten ist die iunerste Zellen-
reihe bedeutend weiter und mit braunen Klumpen gefüllt.
Die vou Oeltropfen und kleinen farblosen, mit Jod wasser gelb werdenden
Körnchen von Protein- oder Pcktinstoffen strotzenden dünnwandigen Zellen
desEiweisses sind von polyedrischer Gestalt, die des Embryos mehr kubisch,
von demselben Inhalte, aber weit kleiner.
Der Geschmack des Mohnsamens ist milde ölig. Er gibt gegen die Hälfte
seines Gewichtes an fettem wohlschmeckendem Oele, dem eine sehr geringe
Menge eines flüchtigen Riechstoffes beigemengt ist. — Das Oel enthält,
neben anderen Fettsäuren, Leinölsäure (vgl. bei Semen Lini), trocknet an
der Luft noch rascher als das Leinöl, ist dickflüssiger und erstarrt bei
__ 1 8° C. — Frankreich allein erzeugt jährlich für 25 bis 30 Mill. Frcs. Mohnöl.
Der Samen enthält ferner nach Sacc 23 pC. Pektinstoff (oder wohl
eher Gummi), 1 2 pC. Eiweiss und hinterlässt blos 6 pC. Cellulose. Der
Stickstoffgehalt beträgt 2—3 pC., die Asche, hauptsächlich Kalkphosphat,
g 7 pC. Der von Accarie und von Meureiu angegebene Morphingehalt
(3 pro Mille) bedarf wohl noch der Bestätigung. Der sorgfältige Sacc
fand durchaus kein Alkaloid.
l) d. h. in trockenem lufterfülltem Zustande, denn in Wasser sinkt er nach längerer
Zeit unter.
Semen Cacao.
645
Mit Wasser zerrieben liefert der Mohnsamen eine milde schmeckende
Emulsion. — Der vom Oele befreite Presskuchen riecht und schmeckt nach
Lechler dem Opium etwas ähnlich und wirkt narkotisch.
Schon C eis us und Plinius kannten die Farbenverschiedenheit des
Mohnsamens je nach der Varietät der Pflanze. Er diente übrigens bei den
Persern und Aegyptern nicht nur zur Gewinnung des Oeles, sondern auch
als Zusatz zum Brote, und wurde bei Römern und Griechen wie der besam-
samen auf Backwerk und geröstet mit Honig genossen. Einen ähnlichen
Gebrauch haben nach Heer1) auch die Bewohner der Pfahlbauten in unse-
ren Gegenden vom Mohnsamen gemacht, welcher sich in grosser Menge in
manchen Resten dieser Zeit findet.
Seinen Cacao.
Semen Theobromae. Fabae Cacao. Cacaobohnen. Cacao. Feves du
Mexique. Cocoa. Cocoa nuts.
Theobroma Cacao L. — Büttneriaceae.
Die Küstenländer und Inseln des mexikanischen Meerbusens, so wie das
Stromgebiet des Cauca, des Magdalenenstromes, des Orinoco und Amazonas
sind die Heimat des Cacaobaumes. Als äusserste Nordgreuze seines Vor-
kommens dürfen die heissesten Thäler des Mississippi und des Altamaha
in Louisiana und Georgia angenommen werden; doch findet er sich hier
nur vereinzelt in günstigen Lagen.
Die südlichsten umfangreichen Cacaopflanzungen besitzt etwa unter 13°
südl. Breite die Provinz Bahia, weiterhin gegen den 20° zeigt sich der
Cacaobaum nur noch in Gärten. Auch die jenseitigen Gestadeländer am
Stillen Ocean beherbergen denselben, wie z. B. die mexikanischen Staaten
Colima und Oaxaca, ganz Central-Amerika, dann die Gegend von Popayan
und der Küstenstrich von Ecuador, wo vorzüglich der Cacao von Esme-
raldas und Guayaquil durch Güte und Menge hervorragt. Auch Nord-Peru
(Maynas) und Bolivia (Apolobamba, Moxas und Yungas) scheinen noch
reich an vorzüglichem Cacao zu sein , obwohl sie so gut wie nichts davon
auszuführen vermögen.
Schon 1670 wurde der Cacaobaum nach den Philippinen verpflanzt.
Manila liefert jetzt nicht unerhebliche Erträge, ebenso südlich davon der
Sulu oder Jolo-Archipel und Menado. Weniger belangreich scheint die Pro-
duktion von Bourbon (seit 1804) und Java zu sein.
Es ist somit fast ausschliesslich Mittelamerika und die Nordhälfte Süd-
Amerikas, welcher wir dieses für wenigstens 50 Millionen Menschen unent-
behrliche Nahrungs- und Genussmittel verdanken.
Wild trägt der Cacaobaum kleinere Früchte mit mehr- bitteren Samen,
1) Die Pflanzen der Pfahlbauten. Zürich 1865. 33.
640
Samen.
so dass fast nur cultivirte Waare in den Handel gelangt. Unter den wich-
tigsten Produktionsgegenden nimmt durch die vorzügliche Güte seines Ca-
caos der südlichste District Mexicos, Soconusco (früher zu Guatemala ge-
hörig), deu ersten Rang ein. Seine schöne goldgelbe kleine Bohne gelangt
aber selten nach Europa. Neben ihm liefert von allen mexikanischen Ländern
nur das benachbarte Tabasco nennenswerthe Mengen Cacao, so dass das
heutige Mexico mehr davon verbraucht als erzeugt.
In quantitativer Hinsicht steht der nördliche Theil von Venezuela mit
Einschluss Trinidads in erster Linie und reiht sich auch in qualitativer Bezie-
hung dem Produkte von Soconusco zunächst an. Porto-Cabello undLaGuayra,
die Haupthäfen dieser Länder, versorgen hauptsächlich die südeuropäischen
Nationen, die Hauptconsumeuten des Cacaos. Humboldt1) schon schätzte
bei seinem Besuche 1800 — 1806 den Ertrag des General-Capitanats Cara-
cas auf jährlich 200,000 Fanegas (zu 110 span. Pfd. oder 50 Kilogr.), was
heutzutage La Guayra allein exportirt uud Trinidad liefert jetzt mehr als
halb so viel.
Die uordeuropäischen Völker erhalten vorzugsweise den gleichfalls sehr
grossen, aber an Güte etwas geringeren Ertrag des pacifischen Gebietes
von Columbia und Ecuador, wo Guayaquil z. B. 1855 über 2 V2 Mül- Pfund
ausführte. Der Cacao von Esmeraldas, gleich hoch geschätzt wie der von
Soconusco, gelangt nicht zu uns.
Auf deu Inseln des mexikanischen Busens und des Antilleumeeres, vor-
züglich auf Haiti, Martinique, Sta. Lucia und Granada, weniger auf Jamaica
und fast gar nicht auf Cuba hatte die Cacao-Cultur schon seit der Mitte des
XVII. Jahrhunderts von Zeit zu Zeit sehr grosse Ausdehnung gewonnen,
so dass z. B. 1775 die beiden ersteren Inseln durch ihren beliebten „Cacao
des lies“ fast den ganzen Bedarf Frankreichs deckteu. Die wütheudeu Or-
kane, denen Westindien ausgesetzt ist, und wohl auch zeitweiliger W asser-
mangel neben grosser Bodenerschöpfung haben diese Pflanzungen zu Grunde
gerichtet, erstere sowohl durch direkte Wirkung als auch in folge dei
Herabsetzung und Veränderlichkeit der Temperatur.2)
Die Produktion Guyanas uud Brasiliens (von Rio negro uud Amazonas
über Para, Maranham und Bahia) tritt, obwohl bebeuteud genug, doch
neben Caracas und Guayaquil in den Hintergrund.
Der Cacaobaum ist schwieriger anzubauen als viele andere Tropen-
pflanzen. Er verlangt einen lockeren tiefgründigen, uicht schon ausgenutzten
Boden, anhaltende grosse und gleichmässige Feuchtigkeit, nicht aber hef-
tige Regengüsse , welchen die schweren Früchte nicht widerstehen. Hin-
reichende Beschattung durch starke Laubbäume muss auch die Atmosphäre
der Pflanzungen mit Feuchtigkeit gesättigt erhalten. Die zu diesem Zwecke
besonders viel verwendete Erytluina Corallodendron L., aus der lanu ie
der Papilionaceen, führt daher den Namen Arbol madre oder madre del
»)
2)
Reisen. Stuttgart 1859. II. S4G.
1862 führte Haiti über Mill. Pfd- aus, Cubas
Produktion belief sieb auf 14 Mill. Dollars.
Semen Cacao.
647
cacao. Auch Bananen dienen viel zum Schutze gegen direktes Sonnenlmht.
Die Temperatur muss möglichst beständig zwischen 24 und 28 0. liegen,
schon 22,8° reichen nicht mehr zur Erzielung reifer Früchte hm. . .
Alle diese Yegetationsbedingungen finden sich am besten vereinigt an
schattigen Küstenstrichen und in tiefer liegenden Flussthälern. Hoher als
1000 bis 1200 Fuss über Meer erhebt der Baum sich gar nicht. \\ ud findet
er sich immer nur vereinzelt im Urwalde, nicht für sich ganze Bestände
bildend. — Donnelly1) hat nach eigener mehrjähriger Erfahrung eine
ausführliche Schilderung der Cacao-Cultur veröffentlicht.
Auch Feiude aus dem Thierreiche, besonders Affen, Insekten und Rat-
ten bedrohen unaufhörlich die Pflanzungen und den Ertrag, so dass durch-
schnittlich überhaupt von je 3000 Blüthen nur eine einzige Frucht zu er-
warten steht.
Die Keimfähigkeit der Samen verliert sich sehr bald ; zur Aussaat kön-
nen nur frische Früchte dienen, deren Samen allerdings nach 8 bis 10 Tagen
keimen. In europäischen Gewächshäusern ist es fast unmöglich, die
Früchte zur Reife zu bringen.
Die junge Pflanze blüht erst gegen das ote oder 4te Jahi und gibt in
manchen Lagen, z. B. in Centralamerika und Westindien, erst vom 8 — lOten
Jahre an Früchte, am meisten jedenfalls zwischen dem 12ten und 30sten,
manchmal bis zum 50sten Jahre. Der jährliche Durchschnittsertrag eines
Baumes ist ungefähr 10 Früchte zu nur Va Pfund (trockenen) Samen.
Donnelly schätzt den Jahresertrag von 1000 Bäumen auf 1250 Pfd.
Die Temperatur und Feuchtigkeit der Tropenländer erlaubt keine lange
Aufbewahrung des Cacaos.
Der Bauin ist 12 bis 40 Fuss hoch, sein oft gebogener knorriger,
bis 3U Fuss dicker Stamm bildet vermöge der 4 oder 5 starken, in geringer
Höhe oft fast horizontal abgehenden Aeste eine breite Krone, die durch ihre
reiche dunkle Belaubung, ihre sehr zahlreichen zierlichen Blüthen und
die grossen schön gelben Früchte einen wohlthueuden Anblick gewährt.
In der Cultur variirt der Baum sehr. — Ein gutes Habitusbild desselben
(ausser der vollständigen botanischen Analyse der Blüthe und Frucht) hat
A. Mitscherlich in seiner trefflichen Monographie: Der Cacao und
die Chocolade, Berlin 1859, pag. 2G gegeben.
Dieser erschöpfenden Arbeit folgt unsere Darstellung in den meisten Haupt-
punkten. — Rinde und Holz des Stammes, wie übrigens auch die andern
Theile der Pflanze, sind von Berg in seiner: Darstellung und Beschreibung
der officinellen Gewächse gründlich behandelt.
Die erste Beschreibung des Baumes gab Clusius schon 1593.
Der Cacao liefert jährlich zwei Haupternten, Ende Juni und Ende De-
ccrnber in Venezuela, Ende Februar und Ende Juni in Brasilien, aber der
blüh bare Baum trägt das gauze Jahr hindurch Früchte und Blüthen. Die
') Proccediugs of tho American Pharm. Associat. 1860. 107.
648
Samen.
letzteren brechen merkwürdigerweise weit weniger aus den jungen Zweigen
hervor als an den dicken Aesten und unmittelbar aus dem Stamme selbst
oder sogar aus den oberirdischen Theilen der Wurzeln. Die hübsch roseu-
rothen Blüthen, von höchstens 0,0 15m Durchmesser, sind auffallend klein
im Verhältnisse zu den bis 0,40,n langen, meist einfach eiförmigen Blättern
und den grossen Früchten, deren eine, welche mir eben (getrocknet) vor-
liegt, z. B. 0,1 5m Länge und 0,0?m Durchmesser in der Mitte zeigt. Durch
5 ziemlich scharf hervortretende Längsrippen ist das schwärzlich braune,
sehr runzelige Fruchtgehäuse stumpf öeckig-eiförmig. 5 weitere Rippen
sind an der getrockneten Frucht kaum mehr wahrnehmbar; im frischen
Zustande jedoch erscheinen, nach Berg, sämmtliche 10 Rippen gleich stark.
Anfangs grünlich weiss, nimmt die Frucht beim Reifen, wozu sie gegen
4 Monate bedarf, eine schön rothgelbe Farbe an. Ihr hartfleischig holziges,
nicht aufspringendes Gehäuse wird beim Trocknen lederartig, etwa 0,0 10m
dick. Das braungelbe blätterig- schwammige Parenchym schliesst grosse
mit Schleim gefüllte Räume ein.
Den weniger ausgeprägten Rippen entsprechend ragen 5 fleischige
Scheidewände tief in die Frucht herein oder verwachsen in der Axe der-
selben. Sie tragen auf jeder Seite eine Vertikalreihe horizontal dicht auf-
einander gelagerter Samen, eingebettet in ein schwach röthliches, sehr saf-
tiges Fleisch, welches die 5 Fruchtfächer ausfüllt. Allein dieses wohl-
schmeckenden säuerlich süssen schleimigen Muses wegen öffneten noch zu
Humboldts Zeit die Wilden am Orinoco die Frucht und warfen die für
sie werthlosen Samen weg. In Mexico wird nach von Müller durch Gäh-
rung aus diesem Fruchtbrei ein erfrischendes Getränk, durch Destillation
eine Art Rhum erhalten.
In der reifenden Frucht reissen die Samenträger, lösen sich von der
Fruchtwand ab und legen sich an und zwischen die Samen zurück, welche
nun zu 5 Vertikalreihen von je etwa 12 bis 14 Stück zusammengeschobeu,
durch das Mus und die Reste der Samenträger zu einer frei in der Axe der
Frucht stehenden Säule verbunden sind.
Die fleischigen, fast farblosen Samen werden beim Trocknen ziemlich
spröde und braun bis braunroth. Sie sind bis über 0,025mlang und 0,0 15m
breit,1) seltener voll und rein eiförmig, als durch gegenseitigen Druck in
manigfacher Weise gekantet oder höckerig, oder meist ziemlich parallel mit
der Berührungsfläche der Kotyledonen platt gedrückt. Dicht unter dem
breiteren und gewöhnlich auch dickeren Ende bezeichnet eine etwas hellere
glatte Stelle den Nabel, von welchem der derbe Nabelstreifen (Raphe) zum
stumpf zugespitzten Ende des Samens geht und sich hier in mehrere Gefäss-
bündel auf löst, die nun im Innern der Samenschale verästelt wieder ab-
wärts bis in die Nähe des Nabels auslaufen und auf der Oberfläche der ge-
reinigten Samenschale als zarte Adern sichtbar bleiben.
die schon erwähnte Soconusco-Sorte misst kaum 0,020m und 0,0 10m.
Semen Cacao.
649
Die zerbrechliche dünne Samenschale, etwa 12 pC. des Samens betra-
gend, erlaugt auch durch das Aufquellen, wobei sie sehr weichfaserig und
etwas schleimig wird, kaum die Dicke eines Millimeters und ist auf der in-
neren Seite mit einem sehr zarten schliipferigen farblosen Häutchen aus-
gekleidet, das zum Theil fest dem Samen anhaftet, aber auch unregelmässig
hin- und hergebogene, doch vorherrschend mehr der Längsrichtung des
Samens entsprechende als querlaufende Falten nach innen entsendet. Im
reifen Samen bilden sie schmale, bis fast in das Centrum des Kernes rei-
chende Klüfte. Der Same füllt im übrigen die Samenschale vollständig aus,
ist im frischen Zustande weiss und fleischig, trocken ölig, graulich und
violett gesprenkelt bis braun schwärzlich, spröde und zerfällt durch jene ihn
nach verschiedenen Richtungen gangartig durchsetzenden Klüfte bei mäs-
sigem Drucke in ungleiche, innen scharfkantige Stücke. Der Same ist
eiweisslos, jeder der beiden dicken Lappen (Kotyledonen) auf der inneren
Seite zu 3 starken, wenig divergirenden Längsrippen zusammengefaltet,
welche durch tiefe Hohlkehlen getrennt sind. Letztere erstrecken sich bis
in die Spitze des Samenlappens, entspringen jedoch nicht in seinem Grunde,
welcher vielmehr von dem ungefähr 0,005m langen, ziemlich dicken Würzel-
chen eingenommen wird. Ansätze zu 2 weiteren Rippen oder Samenlappen-
falten finden sich unmittelbar über dem starken harten Würzelchen, welches
glockenartig von den herabsteigenden unteren Enden der Samenhippen um-
hüllt ist. Die Rippen oder Nerven des einen Samenlappens greifen mehr
oder weniger genau in die Hohlkehlen des anderen ein, so dass der Quer-
schnitt nicht eine einfache Berührungslinie darbietet, sondern eine schmale
Kluft mit wellenförmigen Rändern.
In den verschiedenen Cacaosorten sollen auch die Samen anderer Theo-
broma-Arten mit Vorkommen , aber selbst Mitscherlich weiss keine be-
stimmten Kennzeichen derselben anzugeben. Ihre Stammpflanzen , die
übrigens botanisch noch nicht ganz feststehen, wären:
1) Theobroma bicolor , Humboldt u. Bonpland, in Columbia (Popa-
yan) und am Rio negro.
2) Th. speciosum Willdenow, in Para einheimisch.
3) Th. guyanense Aublet, in Guyana.
4) Th. sylvestre Martius. Rio negro.
5) Th. subincanum Mart. Ebenso.
6) Th. microcarpum Mart. Ebenso.
7) Th. glaucum Karsten. Am oberen Meta, einem linken Zuflusse
des Orinoco.
8) Th. angusti/olium Sesse und
9) Th. ovalifolium Sesse sollen sogar die beiden ausgezeichnetsten
Sorten, den Cacao von Soconusco und den von Esmeraldas liefern.
Die Behandlung der Samen begründet Hauptunterschiede in ihrem Aus-
sehen. Auch ihr bitterer Geschmack wird sehr gemildert, wenn man sie
einem Gährungsprocesse, dem sogenanuten Rotten unterwirft. Die durch
650
Samen.
Reiben auf einem Siebe oder zwischen den Händen vom Fruchtbreie be-
freiten Samen werden nämlich auf der Erde in Haufen geschichtet und mit
Blättern bedeckt, einer alsbald eintretenden Erwärmung über Nacht wieder-
holt ausgesetzt und am Tage in der Sonne oder auch in künstlich erwärm-
ten Räumen getrocknet.
In einfachererWeise wird dieses Rotteu auch wohl bewerkstelligt, indem
die Samen iu Fässern oder Kisten 4 bis 6 Tage laug in der Erde einge-
graben der Gährung überlassen werden (Cacao terre, terrage der Franzosen).
Die gehörige Leitung des in chemischer Hinsicht noch nicht aufgeklärten
Gährungsprocesses bedingt zum grossen Theil die Güte der Waare und
hauptsächlich auch die dunklere Färbung. Ungerottet heissen diejenigen
Sorten, welche ohne weiteres mit möglichster Schnelligkeit getrocknet wer-
den, wie die von wilden Bäumen und in einzelnen Pflanzungen gesammelten.
Sie besitzen noch den ursprünglichen bitteren herben Geschmack, welcher
sich in den gerotteten Sameu mehr milde ölig mit siisslichem Nachge-
schmäcke zeigt. Namentlich schmecken die Soconusco- und Esmeraldas-
Bohnen aromatisch und gar nicht mehr herbe.
Das Aroma des Cacaos ist eigeuthümlich und angenehm, wenn auch
nicht eben kräftig. Es scheint, dass dasselbe .in frischer Waare noch wenig
entwickelt ist, daher sie gewöhnlich erst etwa nach einem Jahre verkäuf-
lich wird.
Das südliche Gebiet, wo überhaupt die Güte des Cacaos schon abnimmt,
liefert vorzüglich die ungerotteten, weniger geschätzten Sorten, wie z. B.
diejenige von Bahia, aus hell rothbraunen, meist stark plattgedrückten klei
neren Samen bestehend. Hierher gehören weiter die Cacaos von Maranham
(Maraguon), Para, Rio negro, der mehr grau bläuliche Samen von Surinam,
endlich grösstentheils auch der Cacao des lies (Domingo, Jamaica). Durch
Beschmierung mit Erde erhalten ungerottete Sorten leicht das Ansehen der
gerotteten.
Die gerotteten Cacaos, zu denen die wichtigsten und gesuchtesten
Handelssorten zählen, nehmen einen je nach der Bodenart, mit der sie m
Berührung gebracht werden, bald rothgelbeu, bald dunkelgrauen lehmigen
Ueberzug au. Die erstere Farbe zeigen die grossen vollen oder plattgedruck-
ten Samen von Caracas, welchen bisweilen noch kleine glänzende Glimmer-
blättchen anhaften. Mehr grau sind diejenigen von Augostura am Orinoco,
während die Guayaquil-Bohnen zwischen braun und grau schwanken.
Zur Erkennung der Sorten gehört bei den im ganzen nicht sehr
bedeutenden Unterschieden ein mit dieser Waare ganz speciell vertrautes
Auge und noch delikater ist die Beurtheiluug des Aromas. Zur Fabrikation
der0 Chocolate werden sehr oft Mischungen verschiedener Sorten vorge-
noinmen, um das gewünschte Aroma zu ei halten.
Der anatomische Bau sämmtlicher Cacao-Sorteu oder Arten scheint
übereinzustiinmeu. Die meist noch von geringen undeutlichen Resten der
Scheidewände oder des Fruchtbreies bedeckte Sameuoberhaut ist eine starre
Semen Cacao.
651
dünne, nur nach aussen und auch wohl auf den Seiten mit verdichten
braunrotheu Wänden versehene Schicht kleiner tafelförmiger Zel en. Das
darunter liegende, sehr zusammengefallene Gewebe zeigt nach dem Au -
weichen in kochender Kalilauge grosse, meist etwas in die Länge gestreckte
braunwandige Zellen, die durch ihre verbogenen starken Wände zu einem
fast faserartig zusammenhängenden Filze verbunden sind. In der etwas
^einzeiligeren äusseren Schicht unmittelbar unter der Oberhaut entstehen
durch theilweise Auflösung und durch Einreissen der Zellwände grosse,
mit Schleim gefüllte Räume, welche oft auf weite Strecken die Oberhaut
vom inneren Gewebe ablösen.
Ungefähr in der Mitte der Samenschale streichen die aus einer grossen
Zahl dünner abrollbarer Spiralgefässe gebildeten Gefässbündel, in deren
Nähe sich bisweilen auch noch Schleimhöhlen finden. In der Mitte zwischen
der Gefässbiindelregion und der inneren Samenhaut sitzt eine fest geschlos-
sene Schicht einer einzigen Reihe von kleinen, im Querschnitte quadra-
tischen und nur etwa 15 Mikroraill. messenden Zellen, deren tief rothbraune
Wände vorzüglich auf der inneren Seite stark verdickt sind. Das darunter
liegende, noch 100—150 Mikroraill. breite Gewebe ist gleich gebildet wie
das Parenchym ausserhalb jener steinzellenartigen Schicht, nur enger und
mehr gestreckt. Scharf abgegrenzt und ziemlich leicht davon trennbar ist
die innere Samenhaut, eine einzige, etwa 10 Mikroraill. breite Reihe faib-
loser oder schwach gelblicher Zellen von flach tafelförmiger Gestalt. Sie
zeigen auf dem tangentialen Schnitt polyedrisclie Umrisse, auf dem Quer-
schnitte fast quadratische Form. Diese durchsichtige, nach dem Aufweichen
sehr schlüpferige Haut ist es, welche in die Sameulappen eiugefaltet ist und
sie so brüchig macht.
Der Samenhaut haften da und dort merkwürdige gelbe , kurz schlauch
förmige, ungefähr 30 Mikroraill. dicke und gegen 100 Mikr. lauge Zellen
an, welche zuerst Mitscherlich beobachtet hat. Sie sind mit wolkigem
bräunlichem Inhalte gefüllt, der durch etwa 10 Querscheidewände getheilt
ist. Einige dieser Abschnitte zeigen auch eiue Trennung in der Längs-
richtung. Eine organische Verbindung dieser Mitscherlich’schen Kör-
perchen mit der Samenhaut ist vielleicht dadurch angedeutet, dass sich
neben erstereu im Zellgewebe bisweilen auch Lücken finden, in welche die
Körperchen hinein zu passen scheinen. Sie sind daher wohl nur als haar-
artige Gebilde aufzufassen, obwohl nicht zu verkeunen ist, dass sie auch
manchen Infusorien, z. B. den Gregarinen, ähnlich sehen.
Mit diesen Mitscherlich’schen Körperchen, welche sich vorzüglich
in den Einstülpungen der zarten Samenhaut finden, sind die gelben Körner
nicht zu verwechseln, die man häufig und schon mit uubewaffuetem Auge
auf der Innenseite der Samenschale und in den Klüften der Kotyledonen
wahrnimmt. Weingeist entzieht diesen Körnern den iuteusiveu gelben Farb-
stoff und mau erkennt alsdann unter dem Mikroskop kugelige Haufwerke
von kleinen farblosen Bläschen, daneben aber sehr zahlreiche Milben
052
Samen.
(Tyroglyphen und Uropoden, nach der Bestimmung von Prof. Perty),
welche vielleicht schon beim Rotten in den Cacao gelangen. Dergleichen
gelbe Körner finden sich auch auf manchen andern Drogen, z. B. auf Radix
Ratanhiae nicht selten.
Die Samenlappen sind aus ausehnlichen dünnwandigen kugelig-eckigen
oder besonders gegen die Peripherie hin radial gestreckten und hier regel-
mässig geordueten Zellen gebildet. Die äusserste Reihe ist flach tafelförmig,
im Querschnitt tangential gedehnt und durch braunen körnigen Inhalt aus-
gezeichnet. Sehr zarte Büudelchen von feinen Spiralgefässen und diiuneu
prosenchymatischen Zellen durchziehen da und dort unregelmässig das
Parenchym.
Der Hauptinhalt der Kotyledonen besteht aus ungefärbten formlosen
Fettklumpen. Einzelne Zellen oder Zellenreihen sind ganz von einem in
den ungerotteten Samen schön violetten oder blauen Farbstoffe erfüllt,
welcher durch das Rotten in trübes Rothbraun übergeht. Es scheint, dass
an dieser Färbung die Behandlung derWaare sicher erkannt werden kann.
Eine Domingo-Sorte z. B. , welcher das erdige Aussehen gerotteter Samen
gegeben wurde, zeigt auf dem ersten besten Schnitt die violetten Farbstoff-
zellen. Am schönsten bietet die Bahia-Sorte die violetten Zellen dar, aber
auch hier ist der Farbstoff leicht veränderlich. Er löst sich in Wasser und
Alkohol, sehr leicht auch mit rother Farbe iu Essigsäure und verbindet
sich mit Bleioxyd. Da die Cacao -Samen nach den übereinstimmenden
Zeugnissen der Naturforscher, welche dieselben frisch untersucht haben,
ursprünglich farblos sind, so vermuthet Mitscherlich für das Cacao-
Pigment wohl mit Recht die nachträgliche Entstehung derselben unter dem
Einflüsse des Sauerstoffes aus einem gerbstoff ähnlichen Körper, ähnlich wie
es z. B. bei Chinaroth der Fall ist. Dieses Cacaoroth beträgt nach Mit-
scherlich etwa 3 — 5 pC. Ein genaues Studium desselben wird nur da
möglich sein, wo frische Samen in Arbeit genommen werden können.
Entzieht man den Samen durch längeres Digeriren mitAether oder mit
Terpeuthinöl das Fett vollständig, so gelangen erst ihre zahlreichen kleinen,
5 — 15 Mikromill. messenden Stärkekörnchen1) zur Anschauung. Sie sind
von sehr wenig regelmässiger Gestalt, entweder einzeln und daun kugelig
oder eiförmig, oder zu mehreren fast stabförmig oder wurmartig verwachsen.
Oft ist die Oberfläche sehr uneben und die Mitte in einer einfachen oder
zackigen Spalte aufgerissen. Sie zeigen nicht oliue weiteres Schichtung,
wohl aber im polarisirten Lichte das gewöhnliche Kreuz. Die Stärke beträgt
10 — 18 pC. und ist in Form uud Grösse sehr abweichend von den meisten
andern Stärkearten , so dass Beimischungen stärkehaltiger Stoffe, wie z. B.
Getreidemehl, iu Cacao oder Chocolate leicht zu erkennen sind.
Kleinere Körnchen, welche bei der obigen Behandlung mitAether neben
der Stärke im Parenchym Zurückbleiben , scheinen einem ProteTustoffe (Ei-
weiss) anzugehören. Nach Mitscherlich enthalten die Samen, bei 120°
neben Aleuron (vergl. bei Semen Lini).
Semen Cacao.
053
getrocknet, gegen 3 pC. Stickstoff, was (nach Abzug des dem Theobromin
zukommenden Autheiles) etwa 13 pC. Protein voraussetzt. Dasselbe ist
zum geringsten Theile in Wasser löslich.
Die Cacaosamen geben bei 120° nur 5-6 pC. hygroskopisches Wasser
ab und hinterlassen beim Verbrennen 3,5 — 3,8 pC. Asche, welche gegen
40 pC. Phosphorsäure, gebunden an Kali, Kalk und Magnesia, enthalt. Die
Asche der Frucht gab Roost van Tonn in gen nur 7 pC. Phosphorsaure.
— Die verschiedenen Aschenanalysen von Roost, Z edel er u. Lete liier
zeigen auffallend wenig Uebereinstimmung. Die Samenschalen allein geben
ungefähr dieselbe Aschenmenge wie die Samen, aber nach Lampadius vor-
wiegend aus Carbonaten bestehend.
Der Zuckergehalt des Cacaos beträgt nach Mitscherlich nur etwa
i/2 pC. Auch der Gehalt an Gummi scheint trotz der grossen, in den
Schalen zum Theil damit gefüllten Räume nur wenig bedeutend zu sein.
Das Fett der Cacaosamen, die Cacaobutter, schwankt zwischen un-
gefähr 43 und 53 pC. Sie ist hart, bei etwa 30° C. schmelzend und bei
25° C. wieder erstarrend. Neben Stearin scheint darin, an Glycerin ge-
bunden, noch eine vielleicht eigentümliche Fettsäure von höherem Atom-
gewichte vorzukomraen.
Seine grosse Haltbarkeit empfiehlt das Cacaofett sehr zu medicinischer
Verwendung. Durch klare Löslichkeit im doppelten Gewichte Aether von
18° C. unterscheidet es sich, nach Björkluud, von etwa beigesetztem
Wachs und Talg.
Der interessanteste Bestandteil der Cacaobohnen ist das 1841 von
Wo s k r e s e n s k y entdeckte T li e 0 b r 0 m i u G7 H8 N 1 GL Im Zellgewebe der
Samenlappen zeigt die mikroskopische Untersuchung direkt keine Ablage-
rung von Theobromin , wohl aber schossen Krystalle desselben sehr reich-
lich in den bei Mitscherlich, Tafel II, Fig. 8 abgebildeten Formen an,
als ich feine Schnitte 2 Jahre lang in Glycerin aufbewahrte. Die innere
Samenhaut der käuflichen Bohnen ist stellenweise mit ansehnlichen , meist
nicht gut ausgebildeten nadelförmigen Ivrystallen besäet; Mitscherlich
hat nachgewiesen, dass sie Theobromin sind. Ihre sehr ungleiche Vertei-
lung auf der Haut und ihr reichlicheres Vorkommen in den eingestülpten
Falten derselben spricht dafür, dass sie wohl erst beim Trocknen der Bohne
auskrystallisiren.
Mitscherlich hat aus Kotyledonen der Guayaquil -Waare 1,5 pC.
Theobromin erhalten, aus den Schalen allein gegen 1 pC. In den letzteren
gehört dasselbe vermutlich nur der anhängenden inneren Samenhaut an.
Das Theobromin, obwohl ohne alkalische Reaktion, geht doch wenig-
stens mit den starken Miueralsäuren, aber nicht mit Oxalsäure, bestimmte,
freilich schon durch viel Wasser zersetzbare Verbindungen ein. Es löst sich
in Weingeist und Wasser nur beim Kochen reichlich, wenig in der Kälte, so
dass seine Bitterkeit, welche wohl nicht allein den Geschmack des Cacaos
bedingt, sich auf der Zunge nur langsam entwickelt.
654
Samen.
Seinem ganzen chemischen Verhalten nach steht das Theobromin in
nächster Beziehung zu dem mit ihm homologen Coffein. Nimmt ersteres
OH2 auf, so entsteht in der That, wie Strecker gezeigt hat, Coffein
08H1ON4-QI
In physiologischer Hinsicht wirken beide auf gleiche Weise giftig, das
Theobromiu jedoch bedeutend weniger intensiv.
Der S tick stoffgeh alt des Theobromins, 31,1 pC., ist höher als der
irgend eines Pflanzenstoffes (Coffein hält 28,8 pC., Asparagin 18,G pC.) und
"weist dem Cacao eine bedeutsame Stelle als Nahruugs- und Genussmittel an.
Meist wird der Cacao gekocht, in der Form von Chocolate genossen,
die im wesentlichen nur aus den mit Zucker und Gewürzen versetzten,
möglichst fein gemahlenen Samenkerneu besteht. Man befreit dieselben
von den Samenschalen, indem man die letzteren durch eine Temperatur
von 100 — 137° C. in geschlossenen eisernen Trommeln so spröde macht,
dass sie sich gut brechen und dann vermittelst des „Windfegers* oder
durch Sieben leicht beseitigen lassen.
Obwohl die Temperatur hierbei nicht hoch genug geht und nicht lange
genug anhält, mn im Cacao sehr eingreifende Veränderungen zu veranlassen,
so ist doch sein Geruch nach dem Rösten ein wenig verschieden. Der ent-
weichende Wasserdampf scheint nichts mit fortzuführen.
Bei der Eroberung Mexicos (1519) fanden die Spanier daselbst eine
ganz ausserordentlich grossartige Cacao, cultur, welche sehr viel bedeutender
war als die jetzt dort betriebene. Der Eroberer Cortez selbst war der erste
Europäer, welcher, in einem an Kaiser KarlV. gerichteten Briefe, über den
Cacao berichtete. Nicht nur wurde aus den Bohnen das hochgeschätzte
Getränke Chocolatl, jedoch im Gegensätze zu uns, nur durch kalten Auf-
guss, bereitet, sondern sie waren auch als Zahlungsmittel im Umlauf, und
ganze Provinzen hatten dem Kaiser ihren Tribut in Cacao zu entrichten.
Kurze Zeit nach der Eroberung galten z. B. 1000 Bohnen 5 Realen1) und
noch heute sollen sie, zwar nicht in Mexico, wohl aber in Costa Rica, im
Kleinhandel gelegentlich die Stelle des Kupfergeldes vertreten. — Zur Zeit
der Eroberung soll die einzige Stadt Tezcueo jährlich 23/ 1 Millionen Centuer
(Fanegas) Cacao verbraucht haben.
Bei den Spaniern, zumal unter der Geistlichkeit, laud der Genuss des
Cacaos sehr bald leidenschaftliche Anhänger und Gegner. Beuzoui z. B.
nauute ihn (1572) angemessener für die Schweine als für die Menschen;
Liuue hat später durch seine Benennung des Baumes2) dieses Unrecht
gesühnt. Schon von 1520 au bürgerte sich in Spanien der Cacao allinälig
ein und sehr bald wurden Bohnen statt der fertigen Chocolate -Tafeln be-
zogen und verarbeitet. Die Spanier erst waren es auch, welche die Eiuge-
borueu Venezuelas und Central -Amerikas mit der Cultur (seit 1634) und
!) 1 Kcal heutzutage = 0,27 Franc.
Thcus: Gott,broma: Speis«.
Semen Lini.
655
mit dem Genüsse des Cacaos bekannt machten. In Europa b Jb « ^
Anfang des XVII. Jahrhunderts auf Spanien beschrankt. 1606 veibieitcte
er sich von da nach Italien, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts eis
nach Frankreich, England (seit 1657) und Deutschland. Europa verbraucht
jetzt jährlich über 30 Millionen’) Pfund und Englands Emfi|r ^em ^ekug
z B 1862 etwa 10 Mill. Pfd., diejenige von Frankreich 1865 1. Mil . Pid
die hamburgische 1864 über 2 Mül. Pfd. Am grössten ist der \ erbrauch
des Cacaos in Spanien, wo auf den Kopf seiner Bevölkerung jährlich über
ein Pfund gerechnet werden muss. In Frankreich durfte dieses Veihaltniss
schon 5mal weniger betragen und im übrigen Europa noch bedeutend tie ei
stehen. Im allgemeinen scheint die Vorliebe für Cacao eher abzunehmen.
Semen Lini.
Leinsamen. Flachssamen. Semeuce de Lin. Linsecd.
Linum usitatissimum L. — Linern.
Der Lein scheint ursprünglich den pontisch-kaulcasischen Gegenden
anzugehören, wo er sich jetzt noch in Mingrelien wild findet. Nach De-
beaux* 2) wird er in China, z. B. in der Südwestprovinz Jünnan, gebaut,
was vielleicht doch auf eine ostasiatische Herkunft deutet.
Seiner spinnbaren Bastfaser wegen, vielleicht aber auch zum zeitweiligen
Genüsse der nahrhaften Samen ist der Lein schon in den ältesten Zeiten
in den verschiedensten Ländern in mehreren Varietäten angebaut worden.
Sehr frühe ist er namentlich nach Aegypten gelangt, dessen uralte Bau-
werke viele bildliche Darstellungen der Flachskultur aufweisen. Die Faser
der altägyptischen Grabgewänder gehört dem Leine, nicht der Baumwolle,
noch dem Hanfe au und lässt sich hier nach Unger bis in das 33ste Jahr
vor Chr. zurückverfolgen. 3)
In grosser Menge trifft man die Leinfaser, nicht aber die des Hanfes,
mit Leinkapseln und ihren Samen in den Pfahlbauten der Schweiz. Die
Früchte und Samen findet Heer4) jedoch auffallend klein und mehr denen
des in Deutschland wild wachsenden Linum perenue L. oder mehr noch
denen des südeuropäischen Linum angustifolium Hudson ähnlich; er hält
es daher für möglich , dass unsere einjährige Kulturpflanze von einer jener
perenuireudeu Arten abstamme. Der Uebcrgang ist aber keineswegs erwiesen.
In grossartigstem Masstabe wird heut zu Tage der Flachsbau besonders
in den Ostseeprovinzeu5) (wenig mehr in Norwegen), in England, in
Aegypten, in Nordamerika betrieben.
!) nach andern Schlitzungen 20 Mill.
2) in der hei Camphora genannten Schrift S. 58.
3) Unger, Bot. Streifzüge auf dem Gebiete der Cult. -Gesell. (Wiener Acad. 1859 n. 1866).
4) Verhandlungen der Schweiz. Naturf. Ges. 1864. 77. — Pflanzen der Pfahlbauten.
Zürich 1865. 55.
5) Russland erzeugt jährlich 3'/4 Millionen Ctr. Leinfaser.
656
Samen.
Die in 5 und schliesslich in 10 Klappen aufspringende Kapsel enthält
10 eiförmige, flach zusammengedrückte, 5 Millirn. lange, lmrn dicke und
nicht ganz^ 5 Milligr.1) wiegende Samen. Dicht unter dem spitzeren abge-
rundeten Ende sind sie ein wenig ausgeraudet und mit dem unansehnlichen
Nabel versehen. Die glänzende grünlich-gelbe oder gelb-bräunliche Ober-
fläche erscheint nur unter der Loupe äusserst fein grubig punktirt und ist
von dem schmalen, sanft zugeschärften farblosen Rande, besonders auf der
Seite des Nabels hell eingefasst. Die dünne, nicht sehr harte Samenschale
bricht spröde und lässt leicht den grünlich gelblichen Embryo mit dem
dicken, 1 Millim. langen geraden Würzelchen hervortreten, während das
geringe, mehr weissliche Eiweiss, das ihn enge umhüllt, nebst der braunen
Sameuhaut der Schale auzuhaften pflegt. Die beiden dicken gefässlosen
herzförmigen Kotyledonen füllen somit die letztere grösstentheils aus.
Iu kaltem oder warmem Wasser umgibt sich der Leinsamen mit einer
dünnen schliipferigeu farblosen Schleimhülle, welche sich rasch zu einer neu-
tralen Gallerte auflöst. Der Same selbst quillt nur wenig auf und verliert
den Glanz.
Untersucht man die Samenschale unter Terpeuthinöl, so findet man zu
äusserst eine farblose glasartige, 15 Mikromillim. dicke Oberhaut, worin
nur da und dort sehr zarte vertikale (radiale) Scheidewände eine Theilnng
in einzelne Zellen errathen lassen. Die eigentliche Samenschale ist aus
einer Reihe äusserst dicht gedrängter, radial geordneter kleiner Steinzellen
gebildet. Diese gelblichen, höchst feinporigen Zellen sind ringsum fast ganz
verdickt und zeigen im polarisirteu Lichte lebhafte Farben. Besonders
gegen die Ränder des Samens hin ragen einzelne, etwas radial verlängerte
Gruppen derselben iu regelmässigen Abständen weiter heraus, so dass
diese Schicht gegen die Oberhaut hin einen geschweiften Verlauf erhält.
Die Grenze ist jedoch durch eine Lage sehr zusammeugefallener Zellen
etwas undeutlich. Eine ähnliche, aber schwächere Schicht trennt die
Samenschale von der Samenhaut, welche aus tangential gestreckten tafel-
förmigen Zellen besteht, die mit ausserordentlich feinen Poren versehen
und ganz und gar von einem tief braunen festen, weder in Kali noch in
Alkohol oder Aetlier löslichen Inhalte erfüllt sind. Demselben verdankt der
Leinsameu seine Färbung weit mehr als der blassen Schale. Einzelne
Splitter dieses Farbstoffes oder grössere Stücke der davon erfüllten Samen-
haut sind bei der mikroskopischen Betrachtung des gepulverten Leinsamens
sehr in die Augen fallend.
In Wasser schwillt die Oberhaut zur 3- bis 5 fachen Dicke au, indem
ihre Zellen jetzt deutlich hervortreteu und ihre zarten Querwände sich
senkrecht zur Samenschale aufrichten, wobei die bei weitem stärkeren
Ausscnwände reissen und oft in aufgerollteu Bruchstücken an der Ober-
fläche haften, bis die ganze Oberhaut, besonders beim Erwärmen, sich fast
*) 100 Stück lufttrockener Samen = 0,470 Gramm.
Semen Lini.
657
vollständig zu Schleim auflöst. Ein feines Skelett ihrer Zellwände wider-
steht indessen selbst kaustischem Kali. Der Bau der Oberhaut wird durch
Befeuchten mit Eisenvitriollösung vorzüglich klar, indem ihre Wandungen
hierbei eine gelbeFärbung annehmen und nach aussen feine Schichtung zeigen.
Ein tangentialer Schnitt durch die Oberhaut bietet den rundlich eckigen Quer-
schnitt ihrer Zellen dar und lässt sie daher als Cylinder oder Prismen erschei-
nen, welche senkrecht und dicht gedrängt der Samenschale aufgesetzt sind.
Die Oberhaut des Leinsamens verhält sich demnach wie die des weissen
Senfes, aber das schlaffe gelbliche, tangential gedehnte Gewebe zwischen
der ersteren und der Samenschale des Leins besteht nicht mehr aus
Schleim, daher sich bei dem Leinsamen das Aufquellen auf die einzige
Zellenschicht der Oberhaut beschränkt. Nicht die nach allen Seiten ver-
dickten Steinzellen der eigentlichen Samenschale sind es, welche sich hier
strecken. Sie widerstehen vielmehr sogar dem Kali und die dichte Be-
schaffenheit ihrer Wände verräth sich auch durch ihr Verhalten im polari-
sirten Lichte.
Das Gewebe des Eiweisses ist unter der Wölbung der flachen Seiten
reichlicher abgelagert als an den Rändern und besteht aus kleinen zarten
eckigen Zellen, welche nur durch ein dünnes HäutchCn von den gleich ge-
stalteten des Embryos geschieden sind. Die letzteren werden von ver-
zweigten Strängen etwas längerer dünnwandiger Zellen, den ersten Anlagen
der Gefässbüudel, durchzogen. Eiweiss und Embryo strotzen von Oel-
tropfeu und zeigen bei geeigneter Behandlung (S. 667) auch Aleuroukörner.
Der Leinsamen schmeckt ölig-schleimig und milde, obwohl nicht ange-
nehm. Schon beim Trocknen des ganzen Samens im Wasserbade entwickelt
sich ein scharfer unangenehmer Acrolei'u-Geruch.
Hauptbestaudtheil des Leinsamens ist das fette Oel, wovon er gegen y3
seines Gewichtes enthält. Die Praxis gewinnt im grossen etwa 26 pC.
Frisch und kalt gepresst ist es hellgelb, ohne unangenehmen Geschmack,
bei — 20° C. noch nicht erstarrend; das käufliche Leinöl jedoch ist dunkel-
gelb und von scharfem widerigem Gerüche und Geschmacke. Es hält
in geringer Menge Schleim, Eiweiss und Farbstoff aufgelöst und trocknet,
besonders nach dem Erhitzen mit Bleioxyd, au der Luft rasch zu einem
durchsichtigen Firnisse ein. Bei der Verseifung liefert das Leinöl vorzüglich"
die selbst bei — 18°C. noch flüssige Leinölsäure 01GH28Q2, gebunden
an Glycerin. Diese sich au der Luft rasch verdickende Säure scheint in
den sämmtlichen trocknenden Oelen vorzukommen, besonders aucMm Mohnöl.
Sie ist weder mit den gewöhnlichen Fettsäuren homolog, noch mit der
Reihe der z. B. auch im Mandelöl enthaltenen Oleinsäure (Oelsäure)
G18H3402.
Der zähe Schleim des Leinsamens wird erst nach dem Auf kochen filtrir-
bar, enthält aber noch über 10 pC. Mineralstoffe. Hiervon befreit, entspricht
er (bei 110°), wie der Althaea- Schleim, der Formel G12H20Dt0. Er wird
durch Jod und Schwefelsäure nicht blau, von Kupferoxydammoniak nicht
Fliickiger, Pharmakognosie. 42
658
Samen.
gelöst und gibt mit Salpetersäure auch Schleimsäure, charakterisirt sich
somit als Gummi und nicht als lösliche Cellulose.
Der Stickstoffgehalt des Samens beträgt gegen 4 pC. , was auf Protein-
stoffe bezogen, etwa 25 pC. der letzteren voraussetzt. Dieselben bleiben
bei der Gewinnung des Oeles so vollständig in den Presskuchen zurück,
dass letztere ungefähr 5pC. Stickstoff behalten. Die mineralischen Bestand-
theile des Samens, der Hauptsache nach Kali- und Kalk-Phosphat, machen
bis 4,5 pC. aus und gehen in den Schleim über.
Als Sitze des geringen Gerbstoffgehaltes erweisen sich durch Behand-
lung feiner Schnitte mit Eisenvitriollösung die Samenschale und die
Samenhaut.
Die Samenkapseln des Leins wirken , wenigstens auf Schafe , tödtlich
narkotisch. Aehuliche, wenn auch nicht so gefährliche Wirkungen, sind von
Linum catharticum L. wohl bekannt.
Werden dünne Schnitte des ausgereiften Leinsamens mit Jod und Wasser
in Berührung gelassen, so bemerkt man auch nach längerer Einwirkung nur
eine gelbe Färbung des festen körnigen Inhaltes im Eiweiss- oder Keimblatt-
gewebe. Höchstens im ersteren nehmen da und dort einige Körnchen blaue
Färbung an. Auch vermittelst des polarisirten Lichtes gelingt es nicht,
Amylumköruer zur Anschauung zu bringen. Jod in Jodkalium gelöst, er-
theilt den Wandungen der Eiweisszellen eine bläuliche Färbung, lässt aber
den Inhalt gelb.
Gleichwohl enthält der Sarnen nach Dragendorff 23,4 pC. Amylum,
welches auch mikroskopisch sichtbar werden soll, wenn der Same 18 — 30
Stunden lang mit Aetzkali in absolutem Alkohol bei 100° C. erhalten wird.
Die Amylumköruer werden hierbei nicht angegriffen, aber die meisten
übrigen Bestandtheile des Samens in Lösung gebracht.
Ich habe Dragendorff’s Versuch zunächst mit getrockneten Lein-
samen wiederholt, die ich nur entzwei geschnitten hatte. F'eiue, nach zwei-
tägiger Einwirkung des alkoholischen Kalis den Schnittflächen entnommene
Scheibchen des Eiweisses sowohl als der Kotyledonen zeigten allerdings
zahlreiche Körnchen in dem sonst völlig entleerten Gewebe. Sie erwiesen
sich aber schon durch ihr Aussehen und mehr noch durch ihr Verhalten
nicht als Amylum. Kochendes Wasser veränderte sie nicht, in Berührung
mit couceutrirter Schwefelsäure schrumpften sie ein, ohne sich zu lösen,
Jodwasser war ohne Wirkung. Jod in Jodkaliumlösung dagegen färbte
augenblicklich das ganze Gewebe, nicht aber die Körnchen, tiefblau.
Wurden derselben Behandlung 5,221 Gramm bei 100° C. getrockneter,
möglichst unversehrter Samen unterworfen , so wogen sie nach gehörigem
Auswaschen und Trocknen nur noch 0,754 Gr. = 14 pC. Sie wurden
nun zerstossen und mit Wasser ausgekocht, aber auch in dem völlig erkal-
teten (neutralen) Filtrat liess sich keine Reaktion auf Amylum hervor-
rufen , eben so wenig in der von den ganzen Samen abgegossenen b Bissig-
keit nach dem Verjagen des Alkohols und der Abstumpfung des Kalis.
Semen Cydoniae.
659
Gepulverter Leinsamen (3,732 Grm. bei 100° C. getrocknet) hinterliess
bei gleichem Verfahren nur 10,9 pC. Rückstand, Q wovon sich noch 0,0785
Gr. als Aschenbestandtheile herausstellten, so dass der Netto -Rückstand
des gepulverten Samens an organischen Stoffen (Cellulose, Schleim etc.)
sich auf nur 8,8 pC. berechnet. — Gleichzeitige Controlversuche ergaben,
dass unter denselben Umständen meine alkoholische Kalilösung z. B. Getreide-
amylum durchaus nicht angriff.
Ich kann daher im ausgereiften Leinsamen einen Gehalt von Stärke-
körnern nicht bestätigen. Vor der Grünfärbung des Embryos dagegen
schliessen die jetzt noch dünnwandigen Oberhautzellen Stärke ein und diese
liefert nach Frank2) ohne Zweifel das Material für die Schleimablagerung
an den Aussenwänden.
Der in angegebener Weise erhaltene kalische Auszug des Leinsamens
reducirt nach dem Verjagen des Alkohols die KupfertartratlÖsung nicht und
eben so wenig geschieht dies durch den wässerigen Auszug des rückstän-
digen Samens, daher derselbe überhaupt frei von Zucker ist.
Semen Cydoniae.
Semen Cydoniorum. Quittensamen. Quittenkerne. Quittenkörner. Semences
ou pepins de coings. Quince seeds.
Cydönia vulgaris Persoon. — Pomaceae.
Syn.: Pyrus Cydonia L.
Der Quittenbaum war ursprünglich in den transkaukasischen oder in
den südkaspischen, ostiranischen und turanischen Ländern (am Hindukusch)
bis Südostarabien (Oman) einheimisch und hat sich schon in sehr früher
Zeit über Isfahan (dessen Quitten noch heutzutage als die grössten und
feinsten der Welt gelten), durch Persien und Syrien nach Südeuropa ver-
breitet. In der Kultur gedeiht er noch durch Mitteleuropa, wo schon Karl
der Grosse3) den Anbau befahl, aber nicht im Norden, z. B. nicht mehr
in Norwegen.
Die als Obst sehr beliebten Früchte können in verschiedener, bald mehr
kugeliger, bald mehr birnartiger Form gezogen werden. Sie enthalten bei
der Reife in jedem der 5 pergamentartigen Fächer 8 bis 14 den Aepfel-
kernen ähnliche Samen, umgeben von einer schlüpferigen Haut, welche
nach dem Trocknen die Samen eines Faches sehr fest zahnartig ineinander
greifend zusammeuklebt, was bei denen des Apfels nicht Statt findet.
Die im frischen Zustande fleischigen Quittensamen werden durch das
Trocknen ziemlich hart und ihre eigentlich spitzeiförmige Gestalt durch den
gegenseitigen Druck verschiedentlich abgeflacht und zugeschärft. Von dem
kleinen weissen, in der dünnen Spitze liegenden Nabel geht als ziemlich
!) Dragendorff: 54 pC. — 2) Pringslieira, Jahrb. f. wiss. Bot. V. (18G6) 161—198.
3) in dessen Capitulare de villis heisst der Quittenbaum cotoniarins, woher das alt-
deutsche Chuttina, jetzt Quitte.
42'
660
Samen.
gerader scharfer Kiel der Nabelstreifen (Raphe) nach dem entgegengesetzten
stampfen und durch einen wenig dunkleren, erhöht geraudeten Fleck (Cha-
laza) bezeichneten Ende. Der dem Nabelstreifen gegenüberliegende Rand
beschreibt eine Curve und der Rücken des Samens ist bald mehr, bald we-
niger gewölbt oder abgeflacht, je nach der Lage des einzelnen Samens in
dem engen Fache. Der Umriss des höchstens gegen 0,0 10m langen Samens
von der Seite her ist somit halb herzförmig oder fast keilförmig ; seine Ober-
fläche, wo sie nicht durch das Eiutrockneu jener schliipferigen Haut matt
und verklebt ist, glatt und glänzend, hell rothbrauu.
Eine angeblich moskowitische Sorte zeichnet sich durch vollere, beson-
ders stark zusammenhängende Samen von fast violettschwärzlicher Farbe
aus. Sie sind sehr reich an Schleim.
Die dünne zerbrechliche Samenschale schliesst zwei dicke aderige, et-
was wellenförmig zusammengelegte Keimlappen und das nach dem Nabel
gerichtete gerade Würzelchen ein. Die Samenschale trennt sich leicht vom
Keime, reisst aber ringsum eine dünne Lage farblosen Gewebes von den
Kotyledonen ab, welche als innere Samenhaut (weniger wahrscheinlich als
Eiweiss) zu deuten ist.
Betrachtet mau feine Querschnitte unter Terpenthinöl durch das Mikros-
kop , so findet man die braune Samenschale bedeckt von einer sehr dicht
anliegenden glasartigen, 20 Mikromill. starken Oberhaut, an welcher nur
sehr undeutlich feine zerknitterte Wände unterschieden werden können. Im
polarisirten Lichte glänzt sie aufs lebhafteste. Befeuchtet man dagegen die
Schnitte mit Wasser, so schwillt die Oberhaut an, die zarten Wände ihrer
Zellen richten sich mit grosser Kraft senkrecht zur Samenschale bis 100
oder 170 Mikromill. hoch auf und lassen eine Menge klaren Schleimes
deutlich wellenförmig ausströmen, welcher die Samen ganz in eine farblose,
nicht sauer rcagirende Gallerte einhüllt. Diese cylindrisehen oder etwas
bauchigen, ungefähr 20 Mikromill. weiten Schleimzellen sind so dicht ge-
stellt, dass sie sich seitlich nicht ausdehnen können. Ihr Querschnitt ist
daher rundlich-eckig. Im polarisirten Lichte leuchten sie nach der Streckung
wenig mehr. Bei reichlichem und raschem Zutritt von Wasser platzen die
Oberhautzellen gewöhnlich nach aussen und lösen sich allmälig auf. Lässt
mau sie wieder etwas eintrocknen, so zeigen sich die Münde äusserst fein
gestreift. Jod färbt dieselben schwach gelblich bis rosa.
In ätherischen und fetten Oelen, in Alkohol und Aether findet das Auf-
quellen der Oberhaut nicht statt. Sehr gut lässt es sich dagegen in etwas
concentrirtem Glycerin verfolgen, wo die Streckung nur langsam eintritt.
Die 60 bis GO Mikromill. dicke Samenschale enthält 4 bis (! Reihen
dicht gedrängter, tangential gedehnter Zellen, deren dicke unebene gelbliche
Wände braune Gerbstoff klumpen einschliessen. Nach innen ist diese Schicht
etwas aufgelockert, endigt aber mit einer derben braunen Haut, die sich
durch Jod schön braunroth färbt und an welche sich eine farblose knorpe-
lige Haut aulegt, die im polarisirten Lichte prächtig hervortritt. Die letztere
Semen Cycloniae.
661
hängt innig zusammen mit jener Lage von 2 oder 3 Reihen kubischer dick-
wandiger, in Wasser nicht aufquellender Zellen, welche oben als innere
Samenhaut bezeichnet wurde. Sie ist 35 bis 50 Mikrorn. stark und wird
durch eine mit ihr verbundene häutige wellig- faserige Schicht von 15 bis
30 Mikromill. Dicke von den Kotyledonen getrennt. Die zartwaudigen rund-
lich eckigen Zellen der letzteren sind im Innern stark radial gestreckt, in
der äussersten Lage aber bedeutend kleiuer und mehr tangential gedehnt
oder fast kubisch. Sie enthalten, wie auch die Zellen der inneren Samen-
haut, eine wässerige Flüssigkeit, fettes Oel und wolkige Klümpchen von
Proteinstoffen, die von Jod gelb gefärbt werden. Amylum fehlt dem reifen
Samen, auch Zucker scheint wenigstens nicht reichlich vorhanden zu sein.
Un zerkleinert schmecken die Quittensamen rein indifferent schleimig,
nach dem Zerstossen mit Wasser, wodurch eine sehr dicke Emulsion er-
halten wird, macht sich aber der Geruch und Geschmack der bitteren Man-
deln (vergl. Amygdalae amarae) bemerklich. Bei der Destillation geht in
der That etwas Blausäure über.
Der Schleim der Oberhautzelleu ist so reichlich vorhanden , dass der
Samen das 40fache Gewicht Wasser deutlich verdickt. Durch vollständige
Erschöpfung des Samens werden gegen 20 pO. trockenen Schleimes erhal-
ten. Seine Zusammensetzung G12H2u G10 entspricht derjenigen des Lein-
samenschleimes,- mit Salpetersäure behandelt gibt er nur Oxalsäure, mit
verdünnter Schwefelsäure leicht Zucker. Alkalisches Kupfertartrat wird
selbst bei anhaltendem Kochen davon nicht reducirt. Jod färbt den Schleim
nach kurzer Behandlung mit concentrirter Schwefelsäure blau; er charak-
terisirt sich daher, nach Frank, als veränderte Cellulose und nur einem
geringen Theile nach als Product einer kleinen Menge vor der Reife nachweis-
baren Amylums. Die Lösung des Quittenschleims ist von geringem Klebever-
mögen und wird nicht durch Borax, wohl aber durch verdünnte Säuren und
Alkalien, durch Metallsalae und Alkohol gefällt. Der gewaschene Niederschlag
löst sich in heissem oder kaltem Wasser nicht wieder auf. Nägeliu. Cramer
halten dafür, dass dieser Schleim sich nicht eigentlich in Wasser löse, sondern
nur aufquelle, indem er nicht wie Gummilösung endosmotisch durch thierische
Haut hindurchgehe. Die anscheinende Lösung nimmt auch immer sehr be-
trächtliche Mengen Kalksalze und Eiweiss aus dem Samen auf und verdirbt
rasch. Sie muss deshalb zum arzneilichen Gebrauche stets frisch dargestellt
werden und zwar aus unbeschädigten Samen , um nicht dem Schleime den
Blausäuregeruch mitzutheilen, der sich beim Befeuchten gebrochener Samen,
ohne Zweifel durch Zersetzung einer kleinen darin vorkommenden Menge
Amygdalins entwickelt.
Der Namen Cydonia soll von einer alten Stadt Kydon auf Kreta her-
rühren, wo sich der Baum oder Strauch besonders früh angesiedelt hätte.
Im Alterthum fanden mehr die Früchte als die Samen medicinische Ver-
wendung. Die mala aurea der Römer (gewöhnlich mala cotonea) waren
vermutlich Quitten und nicht Pomeranzen.
662
Samen.
Semen Foeni graeci.
Semen feni graeci s. Trigonellae. Bockshornsamen. Semence de fenugrec.
Feuugreek. Vendiam.
Trigonelia foenum graecum L. — Papilionaceae.
Der Hornklee ist eine krautige einjährige Pflanze, welche in Indien, in
der Tartarei, in Persien, Arabien und im östlichen und südlichen Mittelmeer-
Gebiete bis nach Südfrankreich einheimisch ist. Durch alte Cultur hat sie
sich, zum Theil verwildert, bis nach Mitteleuropa verbreitet. In Südfrank-
reich (Montpellier), Franken, Thüringen, auch in einzelnen Gegenden der
Schweiz, wie in Indien wird der Hornklee in grösserem Masstabe angebaut und
die sichelförmigen, bis 0,08m langen Hülsen nach der Reife ausgedroschen.
Sie enthalten ungefähr 20 rautenförmige, aber oft verzerrte, bis 0,003m
lange, 0,002m breite und ebenso dicke, sehr harte Samen von glatter oder
wenig runzeliger Oberfläche, deren Farbe zwischen gelb, grün und bräun-
lich, bisweilen auch bleigrau schwankt. In der Nähe eines der spitzigeren
Eckes oder Winkels liegt, etwas vertieft in den auf dieser Seite kantig zu-
geschärften Rand eingelassen, der wenig auffallende Nabel, von welchem
aus auf jeder Seite der Samenfläche eine tiefe Furche diagonal zum ent-
gegengesetzten Eck hinläuft. Hierdurch wird der Same in zwei ungleiche,
fast dreieckige oder unregelmässig trapezoi'dische Hälften getheilt. Das klei-
nere, oft fast cylindrische Dreieck, dessen Spitze in der reifenden Hülse
vom Fruchtstiele abgewendet ist, birgt das dicke Würzelchen, in der grös-
seren Samenhälfte dagegen stecken die beiden dicken, flach zusammen-
schliessenden Samenlappen. Durch die Biegung des Würzelchens ist dessen
unteres Ende in der Ebene der Samenlappenfuge heraufgerückt und ihrem
Rande genähert.
Die äusserst zähe dünne Samenschale wird iu Wasser weich , ohne er-
heblich aufzuquellen und lässt sich dann als lederige gelbliche Haut leicht
ablösen. Yon ihrer inneren Seite gelingt es, noch ein besonderes dünneres
und farbloses Häutchen abzuziehen.
Der entschälte gelbe Keimling steckt nun erst ringsum in einer derben
ungefärbten aufgequollenen Hülle, die ebenfalls als zusammenhängende,
aber schleimige durchsichtige Haut getrennt werden kann. Berg erklärt
dieselbe für Eiweiss, Wigand hält sie für die innere Schicht der Samen-
schale. Eine genaue Entwickelungsgeschichte müsste den Beweis liefern,
ob hier in der That ausnahmsweise ein Eiweiss vorkömmt.
Die Samenschale ist aus sehr dicht gedrängten cyliudrischeu, oft etwas
gekrümmten Zellen gebaut, welche radial gestellt eine GO bis 70 MikromUl.
dicke Schicht bilden, die im polarisirten Lichte in den schönsten barben
glänzt. Nach aussen sind diese mit geringem Lumen versehenen oder fast
geschlossenen Zellen in feine, 10 bis 20 Mikromill. lange ungefärbte Spitzen
ausgezogen, während ihre nach innen gekehrten Wände von braunem barb-
Semen Foeni graeci.
663
Stoffe durchdrungen sind. Eine farblose dünne Oberhaut aus kleinen rund-
lich eckigen Tafelzellen, welche gleichmässig über die hervorragenden
Spitzen der Samenschalenzellen ausgebreitet ist, glättet auf der Oberfläche
fast vollständig die Unebenheiten aus , so dass der Same nur äusserst fein
körnig-warzig erscheint.
Unter der beschriebenen festen Schale liegen einige Reihen dünnwan-
diger tangential gestreckter oder ein wenig nach aussen gewölbter farbloser
Zellen, welche in Wasser nicht anschwellen. Von dieser Schicht durch ein
gelbbraunes Häutchen getrennt, folgt eine Reihe rundlich kubischer oder
etwas tangential gedehnter ansehnlicher Zellen, welche durch ihre dicken
porösen Wände auffallen und denselben Inhalt zeigen wie die Zellen der
Kotyledonen. Nimmt man ein Sameneiweiss an, so entsprechen diese der-
ben Zellen der inneren Samenhaut. Sie sind von den Keimlappen geschie-
den durch wenige Reihen sehr zartwandigeu Gewebes, das im Wasser sehr
stark aufquillt und viel Schleim abgibt. Diese schleimige grosszeilige Haut
(Eiweiss) umgibt den Keimling aufs genaueste und dringt selbst in die Bucht
zwischen Würzelchen und Keimlappen ein. Unter Terpenthinöl lassen sich
ihre Zellen im einzelnen nicht verfolgen, sind aber nicht eben zusammen-
gefallen, sondern bilden auf dem Querschnitte durch den Samen eine horn-
artige, an den Langseiten und in den Ecken des Schnittes schon ohne Loupe
wahrnehmbare graue Schicht.
Bei manchen anderen Samen (vergl. z. B. Semen Sinapis albae, Semen
Lini, S. Cydoniae) sind es die Oberhautzellen, welche Schleim abgeben,
hier dagegen liegt das schleimführende Gewebe unter der Samenschale.
Dieselbe muss daher zertrümmert werden, wenn man den Schleim gewinnen
will, und in der Tliat fehlt dem wässerigen Auszuge des unzerkleinerten
Bockshornsameus der Schleim.
Das rundlich-eckige, in den äusseren Lagen gestreckte und an der Peri-
pherie kubische Gewebe der Keimlappen ist dünnwandig, sehr regelmässig
geordnet und von zarten Prosenchymsträngen (Gefässbündelanlagen) durch-
zogen.
Im Gewebe der Kotyledonen nimmt man Tröpfcheu fetten Oeles wahr,
so wie gelbe, iu Kali lösliche Klumpen von Proteinstoffen. Stärke fehlt, Jod
ertheilt den Geweben und ihrem Inhalte , selbst nach der bei Semen Lini
erwähnten Behandlung mit weingeistigem Kali, nur gelbe Färbung.
Der Bockshornsamen besitzt den Geruch und Geschmack, der den mei
steu Samen aus der Familie der Leguminosen ejgeu ist, jedoch unangenehm
modificirt durch geringe Mengen eines wie es scheint übelriechenden äthe-
rischen Oeles und eines noch nicht isolirten Bitterstoffes. Die radial ge-
streckten Zellen der Samenschale enthalten Gerbstoff, die Keimlappen einen
gelben Farbstoff. Zucker fehlt.
J ahns fand unter meiner Leitung, dass lufttrockener Samen bei 100° C.
10,4 pG. Wasser abgibt und hernach beim Verbrennen 3,7 pC. Asche zu-
rücklässt, worin die Phosphorsäure beinahe V* ausmacht. Aether entzieht
064
Samen.
gepulverten Samen 6 pC. fettes übelriechendes Oel von bitterem Geschmacke.
Amylalkohol nimmt ausser Oel auch ein wenig Harz auf. Im eingeengten
wässerigen Auszuge wird durch Alkohol Schleim und Gummi (getrocknet)
im Betrage von 28 pC. gefällt. Die Verbrennung mit Natronkalk lieferte
Jahns 3,4 pC. Stickstoff, welche ungefähr 22 pC. Eiweisstoff voraus-
setzen.
Irotz des unangenehmen Geruches uud bitteren Beigeschmackes diente
der Samen bei den Römern (mit Datteln) als Kraukenspeise uud wird noch
jetzt, freilich geröstet, in Aegypten, wo man deu Hornklee (Helbeh arabisch)
gleich nach der Ueberschwemmung zieht, vom Volke genossen. Ebenso die
nach Melilotus riechenden jungen Triebe. Wichtiger ist jedoch der Same
als Viehfutter. Aegypten führt viel davon nach Arabien aus. Bei den
Griechen scheint der Geruch des Samens sogar beliebt gewesen zu sein,
da er bei einem Cosmeticum, dessen Zusammensetzung Dioskorides
gibt, Anwendung fand. Die Römer bezeiclmeten schon die Pflanze als
Foenum graecum, die Hülsen schlechtweg als Siliqua. Im Mittelalter befahl
Karl der Grosse dessen Anbau; der heiligen Hildegard um 1150 war
der Samen wohl bekannt und das bei Semen Hyoscyami angeführte deutsche
Arzneibuch aus dem XII. Jahrhundert empfiehlt fenum grecum gesotten
gegen „swermageu“ (Magenbeschwerden).
Amygdalae dulces.
Semen Amygdali dulcis. Sem. Amygdali dulce. Süsse Mandeln. Amaudcs
douces. Sweet almouds.
Amygdalus communis L. — Amygdaleae.
Die Heimat des Mandelbaumes erstreckte sich schon ursprünglich , wie
es scheint, vom Kaukasus bis zum Atlas. Noch jetzt findet er sich wild in
den südkaukasischen Ländern, im Südosten Arabiens (Oman) und in Alge-
rien.1) Eine sehr frühe Kultur hat ihn noch viel weiter durch das ganze
Gebiet des Mittelmeeres , an günstigen Stellen bis tief in deu europäischen
Kontinent hinein verbreitet. So gedeiht die Mandel in einigermassen gün-
stigen Jahren noch längs des Maines und des Rheines, ja sogar in einzelnen
bevorzugten Lagen des südöstlichen Norwegens. Die Phöuicier schon
führten deu Baum oder Strauch in Portugal ein, nach Italien gelangte er
aus Griechenland. Er wächst jetzt auch in Arabien, Persien, China, kömmt
aber in Indien nicht fort.
Der höchstens durch seine weisslichou oder schön rosenfarbeuen Blütheu
auffallende schwache Baum wird in sehr zahlreichen Spielarten gezogen.
Die Hauptproduktiousländer für den europäischen Bedarf sind Südfrank-
t) nach Heldreich wächst auch an den griechischen Küsten der (bittersamige) Mandel-
baum wild — ob ursprünglich?
Amygdalae dulces.
665
reich, Spanien (Valencia, Malaga), Majorca, Portugal, Sicilien und Apulien,
auch Marocco führt aus Rebat und Mogador bedeutende Mengen aus, ge-
ringere die nordafrikanische Küste. Griechenland zieht besonders auf
Aegina und Chios vorzügliche Mandeln.
Das graugrünliche filzige, bitter schmeckende Fruchtfleisch (Pericar-
piurn) trocknet bei der Reife zu einer dünnen Lederhaut aus, reisst längs
einer Randfurche und lässt sich leicht von der je nach der Varietät mehr
oder weniger harten Steinschale trennen. Diese ist eiförmig, zugespitzt,
auf der Seite der Bauchnaht scharf gerandet, bis 0,040'" lang und gegen
0,03 0ra breit. Es lassen sich an dieser Schale 2 Schichten unterscheiden,
welche durch ein Netzwerk von Gefässträngen getrennt sind. Bei deu hart-
schaligen Spielarten ist die äussere, etwa 1 Millimeter dicke glatte und
glänzende Schicht sehr hart, lässt sich aber unschwer vollständig beseitigen.
Sie ist ganz aus ansehulichen, oft nicht -völlig verdickten Steinzellen gebaut
und wird durch 1 Millim. weite Löcher oder schief eindringende Kanäle
unterbrochen. Bei den weichschaligen Sorten hingegen ist die äussere
Hälfte der Samenschale dünner, körnig-rauh, matt, zerreiblich, doch nach
innen, wo die Steinzellen von dünnwandigem zähem Parenchym verdrängt
sind, mehr lederartig, weniger deutlich porös. Sie lässt sich nicht gut von
der inneren Schicht der Steinschale trennen. Dieselbe ist mit einem groben
Netzwerke derber, oft bandartiger Gefässbiiudel überstrickt, welche stellen-
weise, besonders bei den hartschaligen Mandeln, sehr regelmässig sechs-
eckige, meist aber sehr verlängerte weite Maschen bilden, indem die Gefäss-
büudel in tiefe Furchen eingelassen sind. Die zwischen denselben hervor-
ragenden, bisweilen schön röthlich angelaufenen Erhöhungen gehören der
inneren Hälfte der Samenschale an, welche trotz ihrer oft unbedeutenden
Dicke ihren gleich wie in der äusseren Hälfte gebauten, doch öfter gestreckten
und mehr verdickten Steinzellen eine grössere Festigkeit verdankt. Bei
deu weichschaligen Sorten erscheint die äussere lockere Hälfte der Samen-
schale weniger von den Gefässbündeln geschieden, vielmehr als ihr leder-
artiger oder zerreiblicher Ueberzug. Derselbe reagirt stark sauer auf
Lakmuspapier, ist reich an Gerbstoff und Weinsäure (mit Spuren von Citron-
säure und Aepfelsäure) und öfter mit weissen , undeutlich krystallinischen
Elflorescenzen bedeckt, welche von Wasser sehr leicht gelöst werden und
beim Verdunsten desselben wieder federförmig anschiessen. Sie bestehen
aus Zucker und zwar, wie es scheint, einem Gemenge von Rohrzucker mit
wenig Traubenzucker.
Der scharfe sichelförmige, oft 0,005'" breite Kiel der Bauchseite ist
ganz d^r inneren, bis 1 Millim. dicken Hälfte der Steinschale aufgesetzt und
zieht sich von der dem Nabel entsprechenden Spitze bis zum entgegen-
gesetzten, flach abgestumpften Ende der Samenschale. In diesem Kiele
und an seinen Seiten liegen auch die stärksten und längsten Gefässbündel,
vom stumpferen Ende des Samens zur Spitze aufsteigend. Die Innenwand
der Steinschale ist sehr dicht, glatt und glänzend, auf der etwas dunkleren,
666 „
• Samen.
mehr konvexen Bauchseite in der Nähe der Spitze vom Nabelstrange durch-
brochen, welcher den Samen etwas oberhalb oder unterhalb der Mitte seines
Randes trifft und bis zur Spitze mit ihm verwachsen ist. Abwärts geht
eine Naht (Raphe) zum breiteren abgerundeten Ende des Samens, wo seit-
lich ein dunkler Fleck (Hagelfleck) die Chalaza bezeichnet. Aus derselben
erheben sich in derSameuhaut etwa 12 — 18 verästelte Gefässbündel gegen
die Spitze hin.
Die Gestalt des spitz eiförmigen, etwas abgeplatteten Samens entspricht
ungefähr der Samenschale, indem von den beiden ursprünglich in dem ein-
fächerigen Fruchtknoten angelegten Eichen meistens nur das eine sich aus-
bildet. Sind aber zwei Samen vorhanden, so werden sie infolge gegenseitigen
Druckes etwas anders, meist planconvex geformt.
Die braune äussere Samenhaut ist rauh und matt durch einen
leichten, nur lose haftenden schülferigen Ueberzug. Sie lässt sich nach
dem Einweichen in Wasser leicht abziehen und reisst alsdann die mit ihr
fest verbundene zähe innere Samenhaut mit, welche mit Ausnahme der
braunschwarzen Chalaza farblos und durchscheinend ist.
Der Keim besteht nur aus zwei grossen planconvexen weissen Samen-
lappen von fleischig-öliger, brüchiger Konsistenz, an deren etwas ausge-
randeter Spitze das kurze dicke Würzelchen zur Hälfte herausragt. Die
andere, mit einem dicken cylindrischen Knöspchen gekrönte Hälfte ist von
den flach auf einander liegenden Keimlappen eingeschlossen.
Die äussere Samenhaut ist aus mehreren Reihen brauner, dicht ver-
filzter dünnwandiger Tafelzellen von rundlicher Form gebaut. Nur die
innerste hellere Reihe ist etwas weiter, die übrigen so flach gedrückt
und verbogen, dass sich im Querschnitte die Umrisse der einzelnen Zellen
nicht verfolgen lassen. Die ganze Haut ist nur ungefähr 50 Mikromill. dick,
spaltet und erhebt sich aber an denjenigen Stellen , wo die Stränge der
feinen Spiralgefässe durchziehen.
Die dunkelbraune verwitternde Oberfläche der äusseren Samenhaut
trägt einen Besatz von höchst eigentümlichen Zellen von bald eiförmiger,
bald kurz keulenförmiger, sackartiger oder mehr eckiger, aber im ganzen
höchst unregelmässiger Form und Grösse. Da manche derselben über
300 Mikromill. erreichen, so sind sie im Vergleiche zu allen übrigen Zell-
gebilden der Mandel wahrhaft kolossal zu nennen. Die Wände sind unge-
fähr 15 Mikromill. dick, quellen durch anhaltendes Kochen mit Kali bis zu
35 Mikromill. auf und zeigen sich alsdann fein geschichtet. Vorzüglich in
ihrer unteren Hälfte, wo diese Zellen der Sarocnhaut aufsitzcn, sind ihre
Wände von ziemlich zahlreichen kleinen Löchern und Ritzen durchbrochen.
Die Zellen selbst sind leer, die braungelben Wände aber von Gerbstoff
durchdrungen. Aus diesen spröden, leicht abfallenden Samenhautzellen und
ihren Trümmern bestehen jene feinen Schüppchen, womit die Mandel be-
stäubt ist. Die Zellen selbst geben ein ausgezeichnetes Objekt zur Betrach-
Araygdalae dulces.
667
timg im polarisirten Lichte ab, indem sie schöne Farben und dunkle Bänder
zeigen, besonders nach dem Kochen mit Kali.
Die innere Samenhaut ist aus einer 15 — 20 Mikromill. starken Schicht
kleiner farbloser Zellen mit feinkörnigem Inhalte gebildet. Im tangentialen
Schnitte erscheinen dieselben rundlich oder etwas eckig, auf dem Quer-
schnitte durch die Mandel quadratisch oder etwas gedehnt. Die Zellwände
der äusseren Seite sind knorpelig verdickt und durch eine filzige Membran
fest mit der äusseren Samenhaut verbunden, während der Zusammenhang
mit den Keimlappen sehr leicht aufzuheben ist. Ihr Gewebe ist ein dünn-
wandiges, in der äussersten Schicht kleinzelliges Parenchym. Die ansehn-
lichen kugelig-eckigen Zellen des Innern sind da und dort von zarten
Gefässbündelanlagen durchschnitten.
Grosse Tropfen fetten Oeles sind der hauptsächlichste Inhalt des Keimes,
weniger der inneren Samenhaut. Beseitigt man dasselbe durch Aether, so
bleiben in den Zellen wenige runde, scharf umschriebene Kerne von Aleuron
zurück, welche von Kali schnell gelöst werden , der feinkörnige Inhalt der
inneren Samenhautzellen jedoch widersteht. Die sämmtlichen braunen Theile
der Mandel und ihrer Schale sind reich an Gerbstoff. In der äusseren Samen-
haut kommen auch einzelne Krystalle oder Drusen vor. Stärke fehlt: das
Aleuron, vermuthlich (unklar geschichtete) Protei nablagerungen , zeigt
das optische Verhalten des Amylums.
Die Mandeln schmecken sehr angenehm ölig, zugleich süss und schlei-
mig, besonders, wenn zuvor die gerb stoff haltige Sameuhaut abgeschält wird.
Mit Wasser angerieben, gibt der Keim alsdann eine rein weisse wohl-
schmeckende Emulsion, sofern die Mandeln nicht durch allzu lange Auf-
bewahrung ranzig geworden sind , wogegen die Samenschale sie sehr gut
schützt. Für den pharmaceutischen Gebrauch verwendet man aber wohl
nur die von der Schale völlig befreiten Sorten.
Das fette Oel beträgt über die Hälfte des Gewichtes der (entschälten)
Samen, welche in der Praxis leicht 50 pC. Ausbeute gewähren. Das
Mandelöl ist hellgelb, dünnflüssig, von beinahe 0,92 spec. Gewichte, erst
zwischen — 10° und — 20° C. erstarrend. Frisch von sehr mildem Ge-
schmacke, oder vielmehr fast geschmacklos, wirdes an der Luft bald ranzig,
gehört aber nicht zu den trocknenden Oelen. Es besteht beinahe ganz
aus der Glycerinverbiudung der Oelsäure (Oleinsäure) G18H3,02, welche
derselben Reihe angehört wie die Crotonsäure (vgl. bei Semen Tiglii) und
die Erucasäure (vgl. bei Semen Sinapis nigrae), aber nicht homolog ist mit
der gleichfalls flüssigen Fettsäure (Leinölsäure) der trocknenden Oele, die
z. B. im Leinsamen vorkömmt.
Das Mandelöl löst sich in der Wärme leicht in gewöhnlichem Weingeist,
in der Kälte bedarf es etwa das 25 fache Gewicht davon zur Lösung.
Unzerkleinerten, von der Samenhaut befreiten Mandeln entzieht kaltes
Wasser (ausser Eiweisstoffen) leicht den ganz nach Honig schmeckenden
CCS
Samen.
Zucker, der schon in der Kälte alkalisches Kupfertartrat reducirt, daher
vermuthlich Traubenzucker ist.
Beim Zerreiben der Mandeln wird das Oel durch Gummi und eiweiss-
artige Stoffe, Emulsin (Synaptase1)) und Pflanzencasei'n oder Legumin,
in Emulsion gebracht. Das Gummi beträgt nach Boullay nur 3 pC., der
Zucker 6 pC., die Eiweissstoffe dagegen 24 pC. Es ist auffallend, dass das
Mikroskop im Zellgewebe der Kotyledonen, denen durch Aether das Oel
entzogen ist, verhältnissmässig nur sehr wenig festen Inhalt zeigt, welcher
dem Legumin oder dem besonderen Protei'nstoffe der Mandeln, dem Emul-
sin, augehören könnte. Das letztere gerinnt weder durch Hitze noch
durch Säuren und weicht auch durch niedrigeren Kohlenstoff- und Stick-
stoffgehalt vom eigentlichen Pflanzenalbum in ab. Seine Formel steht noch
nicht fest, da es nicht vollständig von den oft gegen y3 betragenden
Erdphosphaten befreit werden kann. — Neben dem Emulsin enthalten die
Mandeln reichlich das durch Säuren und beim Kochen gerinnende Pflanzen-
casein (Legumin).
Sorgfältig ausgesuchte süsse Mandeln, von der Samenhaut befreit, geben
bei gelindestem Erwärmen mit sehr verdünnter Kalilauge reichlich und an-
haltend Ammoniak aus. Es scheint demnach darin ein Salz dieser Base
vorzukommen. Die Samenhaut für sich entwickelt bei gleicher Behandlung
nur sehr wenig Ammoniak.
Die Asche der süssen Mandeln, nach Zedeler 4,9 pC. betragend,
besteht vorwiegend aus Kali-, Magnesia- und Kalkphosphat.
Die Mandeln waren schon im Alterthum sehr beliebt. Griechenland
schätzte diejenigen aus Naxos und Cypern hoch; bei den Römern hiessen
sie auch nuces graecae , wurden aber zur Zeit von Plinius und wohl schon
früher in Italien (Alba) und Thrakien gezogen. Karl der Grosse befahl den
Anbau des Mandelbaumes , Amandalarius , in Deutschland , was zuerst bei
Speier stattgefunden zu haben scheint. Die deutschen Botaniker des X\ I.
Jahrhunderts, Camerarius und Tragus, erwähnen der Maudel-Cultur in
der Rhein-Pfalz.
Von den bitteren Mandeln abgesehen, unterscheiden sich die Handels-
sorten der süssen hauptsächlich durch die Gestalt, Grösse und Beschaffen-
heit der äusseren Hälfte der Steinschale, welche bei den weichschaligen,
den sogenannten Knack- oder Krachmandeln (Amandes princesses oder
amandes ä coque tendre ou molle der Franzosen) erhalten bleibt. Bei den
liartscbaligen dagegen wird die äussere steinharte Hüllte der Samenschale
entfernt, so dass die furchige, von Gefässbüudeln überstrickte innere
Schalenhälfte die Oberfläche bildet.
Auch die Gestalt und Grösse des Samenkernes wechselt etwas. Am
grössten und wohlschmeckendsten sind die aus Malaga, kleiner die aus
Puglia und Südfrankreich, wo übrigens sehr viele Sorten gezogen werden.
l) Suva7cxw, ich verbinde, d. h. hier Oel und Wasser.
Araygdalae amarae.
669
Die unansehnlichsten, aber billigsten Mandeln liefert Marocco, auch Tunis
und das übrige Nordafrika (berberische Mandeln).
B. entschieden bittere Samen.
Amygdalae amarae.
Semen Amygdali amarae. Semen Amygdali amarum. Bittere Mandeln.
Amandes ameres. Bitter almonds,
Amygdalus communis L. — Ämygdaleae.
Der bittersainige Mandelbaum unterscheidet sich äusserlich durch keine
beständigen durchgreifenden Merkmale von dem mit süssen Kernen. Häufig
sind die Blütheu des ersteren lebhafter roth, die Blattstiele drüsenlos und
der Griffel nicht länger als die Staubfäden, während bei dem gewöhnlichen
Mandelbaume die Blattstiele gewöhnlich eine oder mehrere Drüsen tragen
und der Griffel länger als die Staubfäden des inneren Kreises zu sein pflegt.
Auf diese und noch geringere Unterschiede gestützt, haben manche Bota-
niker zwei Varietäten oder gar Arten angenommen .
Nach der gewöhnlichen Meinung soll der gewöhnliche Mandelbaum
bei ungünstigen äusseren Verhältnissen bittere Früchte bringen. De Can-
dolle stellt eiueu derartigen Uebergang in Abrede.
In Betreff der ursprünglichen Verbreitung fällt der Bittermandelbaum
mit dem andern zusammen, ist aber in seiner liartscbaligen Spielart wohl
als eigentlicher Typus ‘der Art zu betrachten, welche im wilden Zustande
auch mit Stacheln besetzt ist. Dafür spricht wohl ferner, dass die in Mittel-
asien, Südrussland und Ungarn einheimische Amygdalus nana L. bittere
Samen trägt. Die bitteren Mandeln werdeu ihrer geringeren Nutzbarkeit
wegen weit weniger gezogen als die süssen. Der europäische Handel
empfängt die meisten aus Nordafrika, auch von den benachbarten cana-
rischen Inseln, so wie aus Südfrankreich.
Die bitteren Mandeln ändern iu Bezug auf die Gestalt und Beschaffen-
heit ihrer Samenschale und der Kerne oben so sehr ab, wie die süssen.
Wenn auch die bitteren oft kleiner sind, so lässt sich doch durchaus kein
unterscheidendes Merkmal in ihrem äusseren oder inneren Bau nachweisen.
Desto grösser aber ist der chemische Unterschied.
Die bitteren Mandeln entwickeln nämlich sogleich bei der Zerkleinerung
unter Wasserzusatz den Geruch nach Bittermandelöl und schmecken äusserst
bitter. Die allgemeiner verbreiteten Stoffe sind in beiden Modificationen der
Mandeln dieselben, namentlich das fette Oel der süssen identisch mit
dem der bitteren, sofern sich dem letzteren durch ungeeignete Darstellung
nicht ätherisches Oel beimeugt. Jedoch enthalten die bitteren Mandeln
durchschnittlich weniger fettes Oel, nämlich 30 — 50 pC. der trockenen
Kerne.
670
Samen.
Auch das Legumin und Emulsin kommen gleichfalls in den bitteren
Mandeln vor.
Schon zu Anfang dieses Jahrhunderts erkannte man, dass das wässerige
Destillat der bitteren Mandeln Blausäure und ein eigenthümliches Oel ent-
hält, welche aus süssen Mandeln nicht gewonnen werden können. Robi-
quet u. Boutron-Charlard stellten aus den bitteren Mandeln 1830
einen krystallisirten Stoff, das Amygdalin, dar und fanden, dass Bitter-
mandelöl und Blausäure aus den bitteren Mandeln nicht mehr erhalten
werden, wenn ihnen das Amygdalin (durch Weingeist) entzogen ist. L iebig
u.Wöhler ermittelten 1837, dass es allerdings nur dieser Körper ist,
der durch Zersetzung jene beiden Stoffe liefert und zwar, von Neben-
produkten (Ammoniak und Ameisensäure) abgesehen, der Hauptsache
nach der folgenden Gleichung gemäss :
G20H27 NO“ ■+■ 2 H2 0== G7 H«0 + G HN + G12H24012
wasserfreies Wasser Bitter- Blausäure wasserfreier
Amygdalin mandelöl Traubenzucker.
Diese mehrfach denkwürdige Untersuchung lehrte zuerst einen Körper
aus der jetzt so zahlreichen Klasse der Glykoside kennen.
Man erhält das Amygdalin mit 2H2-G krystallisirt beim Auskochen der
durch Pressen entölten Mandeln mit Weingeist von 84 — 94 pC., wovon das
Amygdalin in der Siedhitze das 1 1 fache Gewicht zur Lösung erfordert.
Die Ausbeute beläuft sich auf höchstens 2,5 pO. — 3 pC. Das Amygdalin
löst sich nicht in Aetlier, wohl aber in 15 Th. Wasser von 8 — 12° C. zu
einer neutralen bitteren und geruchlosen Flüssigkeit, ohne alle giftige
Eigenschaften.
Werden zerstossene bittere Mandeln von Amygdalin und fettem Oele be-
freit, so entzieht kaltes Wasser dem Rückstände hauptsächlich Emulsin und
Legumin, welches letztere durch Essigsäure abgeschieden wird, worauf das
Emulsin nach Zusatz von Weingeist in dicken Flocken fällt, welche nach
dem Abtropfen mit kaltem Wasser eine schwach opalisirende Lösung gebeu.
Diese nuu bewirkt unter Trübung in wässeriger Amygdalinlösung sofort die
Entwickelung des Bittermandelölgeruches. Die Reaktion tritt in gleicher
Weise ein, wenn das Emulsin nicht zuvor durch Essigsäure und Weingeist
gereinigt war, oder wenn mau sich einfach einer Emulsion von süssen
Mandeln bedient. Aber nach dem Kochen vermag die Emulsinlösung, ob-
wohl dadurch nicht gerinnend, das Amygdalin nicht mehr zu spalten.
Ob und welche Veränderungen das Emulsin selbst bei dieser sogenannten
Bittermandelölgährung erleidet, ist noch nicht aufgeklärt. Vielleicht ver-
dankt ein gummiartiger, durch Weingeist fällbarer Stoff demselben seine
Entstehung. Es scheint nicht, dass die Reaktion an atomistische Gewichts-
verhältnisse gebunden sei. Sie hört erst auf, wenn das Emulsin etwa die
zehnfache Menge Amygdalin zerlegt hat, vorausgesetzt, dass immer Wasser
genug vorhanden war, um alle Produkte zu lösen. In den Blättern von
Amygdalae amarae.
671
Prunus Lauro-Cerasus, iu der Rinde von Prunus Padus, überhaupt in vielen
Amygdaleen und Pomaceen, ist ebenfalls Emulsin enthalten, und in manchen
botanisch den Mandeln nicht verwandten Samen, wie im Senf, Hanfsamen,
Mohn, sogar im Eigelb scheinen Eiweisstoffe vorzukommen, welche eben
so auf das Amygdalin wirken. Selbst die Bierhefe soll nach Ranke
diese Eigenschaft besitzen. Verdünnte kochende Salzsäure veranlasst die-
selbe Spaltung unter gleichzeitigem Auftreten von Ameisensäure. Concen-
trirte Mineralsäuren und Alkalien führen andere Zersetzungen herbei.
Aus Versuchen von Barreswil1) geht hervor, dass die Zersetzung des
Amygdalins durch Emulsin nur bei Gegenwart einer reichlichen Menge von
Wasser eintritt. Das mag auch erklären , warum beide Stoffe unzersetzt
neben einander in der Mandel bestehen können, ganz davon abgesehen, dass
sie vielleicht nicht in den gleichen Zellen abgelagert sind.
In der Praxis bietet die Destillation der bitteren Mandeln bekanntlich
Schwierigkeiten, weil die grosse Menge des Legumins starkes Stossen und
Aufschäumen veranlasst. Nach Pettenkofer (1861) fallen diese Unan-
nehmlichkeiten weg, wenn 12 Theile gepulverter Mandeln zuvor geradezu
in kochendes Wasser eingetragen werden , wodurch das Legumin sogleich
noch im Zellgewebe selbst zur Gerinnung, das Amygdalin hingegen sehr
vollständig in Lösung gebracht wird. Setzt man alsdann die Emulsion von
nur 1 Th. süsser oder bitterer Mandeln zu, so reicht ihr Emulsin voll-
kommen hin, bei höchstens 40° C. alles vorhandene Amygdalin zu zerlegen.
Pettenkofer gewann so 1,8 pC. Bittermandelöl, während andere Metho-
den nach Zeller durchschnittlich nur etwa 0,7 pC. zu ergeben pflegen.
Danach der oben angeführten Gleichung 457 Th. Amygdalin 106 Th. Bitter-
mandelöl liefern, als Maximum des Amygdalingehaltes nach Feldhaus
(1863) aber 3,3 anzunehmen ist, so würde sich die theoretische Ausbeute
an Bittermandelöl auf nur 0,8 pC. berechnen. Es scheinen daher in Praxi
noch weit amygdalinreichere Mandeln vorzukommen oder bei' den üblichen
Methoden der Darstellung bedeutende Mengen Amygdalin zurückzubleiben.
Ohne Zweifel schwankt auch der Gehalt bedeutend.
Bei der Destillation treten Blausäure und Bittermandelöl in einer losen,
noch nicht genau erkannten Verbindung auf, woraus erstere allmälig aus-
tritt und zum Theil in Cyanammonium und iu Ameisensäure übergeht. Zu-
folge obiger Rechnung können die Mandeln, wenn sie 3,3 pC. Amygdalin
enthalten und jeder Verlust an Blausäure vermieden wird, 0,2 pC. Cyan-
wasserstoff liefern. Pettenkofer fand 0,25 pC., Feldhaus 0,17 pC.
Nach letzterem liefert jedoch das Amygdalin bei direkter Zersetzung durch
eine Süssmandel- Emulsion immer weniger Cyan als die obigen Formeln
erwarten lassen. Wahrscheinlich zerfällt dasselbe theilweise gleich bei sei-
nem Austritt weiter oder setzt sich um.
Der aus dem Amygdalin entstehende Zucker ist durchaus identisch mit
D Graelins Handbuch. 4tc Aufl. VII. 854 unten.
«72
Samen.
dem gewöhnlichen rechts rotirenden Traubenzucker. Seine Quantität scheint
aber mit der oben gegebenen Zersetzungsgleichung nicht übereinzustimmen.
Yermuthlich ist der Hergang überhaupt etwas verwickelter und auf 2 Mol.
Amygdalin zu beziehen.
Zieht man feine Schnitte der bitteren Mandeln mit Benzol aus, so findet
man das Gewebe der Keimlappen und der inneren Samenhaut mit kleinen
Körnchen erfüllt, wie bei den süssen Mandeln, die man auf gleiche Weise
oder vermittelst Aether entölt hat. Daneben aber kommen in den Keim-
lappenzellen der bitteren Mandeln noch grosse, bis etwa 25 Mikromill. mes-
sende Klumpen vor, welche auch im polarisirten Lichte keine Krystallisation
verrathen , sondern nur einzelne Theilchen einschliessen, die lebhaft leuch-
ten und dunkle Bänder annehmen.
Wird ein solcher vom fetten Oele befreiter Schnitt getrocknet und dann
mit Wasser befeuchtet, so verschwinden die Klumpen und die Körnchen
gerathen oft in lebhafte Molekularbewegung, indem sie unter Bildung klei-
ner Tröpfchen, die sich bald lösen, sich gleichfalls verlieren. Berg1) ver-
muthet in den Klümpchen wohl mit Recht das Amygdalin oder wenigstens
seinen Sitz, in den Körnchen das Emulsin. — ThomeQ ist der Ansicht,
das Amygdalin sei iu den parenchymatischen Zellen der Kotyledonen ent-
halten, das Emulsin ausschliesslich in den kleineren zarten und mehr ge-
streckten Zellen der noch unentwickelten Gefässbündel.
Das Amygdalin ist, wie vorzüglich Wicke nachgewiesen hat, durch
die ganze Familie der Amygdaleen und Pomaceen, vorzüglich während der
Ruhezeit der Vegetation, sehr verbreitet, obgleich es bei manchen Pflanzen
auf einzelne Organe beschränkt und seine Darstellung daraus nicht immer
ausgeführt worden ist. Man ist aber wohl berechtigt, den Blansäuregehalt
der betreffenden Pflanzentheile auf Amygdalin zurück^u führen, wenn OS'
auch nicht jedes Mal gelingt, dasselbe zu isolireu. Den \N nrzelu scheint es~
öfter zu fehlen,3) in den Stamm- und Zweig-Rinden von Cotoueaster vulga-
ris Lindley, Amelanchier vulgaris Mönch, Sorbus Aucuparia L., Prunus
Padus L., Prunus virginiaua L. u. s. f. ist es enthalten.
Ebenso ist Amygdalin vorhauden iu den Blättern und Knospen von
Prunus Laurocerasus L. und den meisten verwandten Arten, wenigstens in
den jungen Trieben fast immer.
Die Bliithen von Persica vulgaris DeC., Prunus Padus L. und Prunus
spinosaL. u. a. geben blausäurehaltige Destillate. Am regelmässigsten und
wohl auch am reichlichsten findet sich jedoch bei beiden genannten Vami-
Uoo \m*rnAaVvn und wohl auch das Emulsin iu deu Samen. Auch die
o
J) Atlas pag. 90.
2) Bot. Ztg. 1865. No. 30.
3) Nach Dierbach geben die Wurzeln von Prnnus
Padus, Pr. Lauro-Cerasus und Sorbus
Semen Colchici.
673
ist jedoch das Amygdalin bis jetzt noch nicht getroffen worden, so dass es
nach den bisherigen Erfahrungen auf Pflanzen der gemässigten Zone be-
schränkt erscheint. Als blausäurehaltig (0,012 pC. nach Payen 1857,
nach anderen 0,50 pC.) sind aus dem tropischen Amerika längst bekannt
die gewaltigen Knollen einer Spielart der zu den Euphorbiaceen gehörigen
Maniokpflanze Manihot utilissima Pohl (Syn. : Janipha Manihot Kunth,
Jatropha Manihot L.). Es ist nicht untersucht, ob auch hier die Blausäure
aus Amygdalin entstehe.
Die giftige Wirkung der bitteren Mandeln auf Thiere war im Alterthum
z. B. Dioskorides schon bekannt. Poli stellte 1713 aus Kirschlorbeer-
blättern ein betäubendes Oel dar, das destillirte Wasser derselben verwer-
thete zuerst Baylies 1773 medicinisch. Erst Bohm in Berlin wies 1802
Cyanwasserstoffsäure im Bittermandelwasser nach, deren Giftigkeit (1803)
durch Gehlen, Schräder und (1809) vollends durch Ittner erwiesen
wurde. Scheele war sie bei seinen Untersuchungen über Blausäure (1782.
1783) entgangen. Martres erkannte 1803 neben Blausäure auch ätheri-
sches Oel in den bitteren Mandeln.
Semen Colchici.
Zeitlosensamen. Semences de Colchique. Colchicum seed.
(Abstammung bei Tuber Colchici.)
Die aufgeblasene 3fächerige, gegen die Spitze an der inneren Naht auf-
springende Kapsel enthält am inneren Winkel der Karpelle zahlreiche rund-
liche, im Spätsommer reifende, bis 0,003,n messende Samen. Sie sind fein
grubig punktirt, matt und an der einen Seite durch eine starke Nabelwulst
etwas zugespitzt. Im frischen Zustande weisslich, werden sie durch das
Trocknen braun und bei der Aufbewahrung, so lange sie nicht zu alt sind,
durch Ausschwitzung von Zucker (und Gummi?) etwas schmierig.
Axif dem Querschnitte bemerkt man dicht unter der harten dünnen
Samenschale an dem der Nabelwulst gegenüberliegenden Ende den sehr
kleinen blattlosen Embryo ; das grauliche hornartige Eiweiss zeigt concen-
trisch strahligen Bau. Der braune lockere Ueberzug der Samen besteht aus
einigen Reihen weiter, zu innerst bedeutend kleinerer dünnwandiger, etwas
tangential gestreckter Zellen , welche zu äusserst Amylum in runden Kör-
nern von gleicher Grösse wie die im Knollen der Pflanze enthalten. Die
derbe , fest zusammenhängende innere Samenschale ist mit dem Eiweisse
verwachsen; letzteres wird aus grossen radial geordneten und etwas ge-
streckten Zellen gebildet, welche nur Oeltropfen und körniges Plasma, aber
kein Amylum enthalten. Sie sind sehr ausgezeichnet durch ihre dicken,
von sehr weiten Lücken (Poren) durchbrochenen Wände.
Die Zeitlosensamen sind auch in frischem Zustande geruchlos, schmecken
aber sehr bitter. Neben Gallussäure, Fett (6 pC.), Harz und krystallisir-
barem Zucker (5 pC. Bley, 8 pC. Rebling) enthalten sie als hauptsäch-
Fliickiger, Pharmakognosie. 43
674
Samen.
lieh wirksamen Bestandteil das Colchicin, welches Pelletier u. Ca-
ventou 1820 für Veratrin gehalten, Geiger u. Hesse aber als eigentüm-
lich erkannt hatten. Es krystallisirt nach diesen Chemikern in farblosen
Prismen, ist aber so wenig beständig, dass es schon durch Trocknen der
betreffenden Pflanzentheile vermindert wird.
Bley erhielt aus den Samen 0,2 pC., Hübschmann 0,3 pC. Colchi-
cin, ersterer aus trocknen Blüten derselben Pflanze 0,25, aus trockenen
Herbstknollen Va pro Mille, im Frühjahr aber nur Vi0 p. M. Blätter gaben
kaum eine Spur davon.
Geiger u. Hesse hatten das Colchicin für ein Alkaloid erklärt, aber
freilich keine Salze desselben dargestellt. Die meisten Chemiker erhielten
es nur amorph, gelblich und in Wasser löslich, Walz allein wollte es wie-
der krystallisirt bekommen haben.
Oberlin zeigte 1856, dass aus dem amorphen Colchicin durch Be-
handlung mit Säuren sehr leicht ein kry stall isirter Körper, das Colchicein,
erhalten werden kann, den er zwar noch stickstoffhaltig (£35H44N-’0n),
aber ohne basische Eigenschaften fand. Die Säuren werden hierbei nicht
gebunden.
Nach Hü bl er (1864) ist das Colchicin durchaus unkrystallisirbar,
durch Fällung mit reinem Tannin am leichtesten zu gewinnen, von heuähn-
lichem Gerüche, sehr bitter, mit gelber Farbe in Wasser und Alkohol lös-
lich. Säuren und Alkalien färben die Lösungen intensiv gelb, concentrirte
Schwefelsäure und Salpetersäure ertheilen festem Colchicin vorübergehend
eine dunkelblaue Färbung. Wird Colchicin mit mässig verdünnter Schwefel-
säure erhitzt, so entwickelt sich ein eigenthümlicher, fast stechender Geruch
und es tritt ein grüner und ein gelber Farbstoff auf, welche näherer Unter-
suchung werth wären. Obwohl hierdurch eine Spaltung angedeutet ist, so
fand doch Hü bl er für das beim Erkalten anschiessende Colchicein dieselbe
Zusammensetzung wie für das Colchicin selbst, nämlich G17H13N-0\ Das
Colchicein schmeckt weniger bitter und ist eine schwache Säure, es geht an
der Luft bald in einen braunen schmierigen Farbstoff über. Durch denselben
verunreinigt scheidet es sich schon bei der Behandlung des Colchicins mit
Säuren zum Theil auch harzartig aus. Obige Formel des Colchicins und
des Colchicein s unterscheidet sich von derjenigen des Atropins durch einen
Mehrgehalt von £2 und ein minus von H4 , scheint also wohl in einfacher
Beziehung zu demselben zu stehen.
Hüb ler zog zur Gewiunung des Colchicins die unzerkleinerten Samen
mit starkem Weingeist aus. Wurden sie nachher gepulvert, so gaben sie
nichts mehr au Weingeist ab, woraus hervorgeheu dürfte, dass der Sitz des
Colchicins in der Samenschale ist.
Semen Strychni.
675
Semen Strychni.
Nuces vomicae. Semen vomicum. Brechnüsse.1) Krähenaugen. Noix
vomiques. Poison nuts.
Strychnos2) Nux vomica L. — Loganiaceae.
Ansehnlicher Baum, mit kurzem, aber verhältnissmässig sehr dickem,
oft krummem Stamme (nach andern mehr nur „baumartiger Strauch“),
der in Ostindien, vorzüglich auf der Coromandelküste bis tief ins Innere
(Bustar), auch auf der Malabarküste, in grosser Menge in den Wäldern Cey-
lon’s, so wie in Siam (Laos-Länder) und in Cochinchina einheimisch ist.
Die ursprünglich den Fruchtknoten in zwei Fächer theilende Scheide-
wand wird allmälig fleischig und ist in der reifen äpfelartigen Beeren-
frucht nicht mehr vorhanden, so dass die 3 bis 8 Samen vertikal ge-
stellt unregelmässig im weichen schleimigen Fruchtfleische vertheilt sind.
Die feste Fruchtschale ist röthlich gelb und glatt; das farblose säuerliche,
zugleich bittere Fruchtfleisch soll unschädlich, nach einigen sogar geniess-
bar sein, während Ainslie es für giftig erklärt. Die Angabe Living-
stone’s im ersteren Sinne z. B. könnte sich leicht auf eine andere Art be-
ziehen. In Ost-Sudan wird nach Hartmann Strychnos innocua DeC.
gegessen.
Die flach kreisrunden, im Durchmesser bis 0,025ID erreichenden und
ungefähr 0,005ra dicken, sehr häufig verbogenen Samen, die „Brechnüsse“,
sind graugelb, bisweilen mit einem schwachen grünlichen Schimmer. Weiche
strahlenförmig anliegende, nach der Peripherie gerichtete Haare, womit sie
sehr dicht besetzt sind, verleihen den Samen einen lebhaften Glanz, der
stellenweise durch die Reste eines zarten matt dunkelgrauen Häutchens ver-
deckt ist.
Der Mittelpunkt jeder der beiden Kreisflächen oder doch wenigstens der
einen ist gewöhnlich etwas warzenförmig erhöht, ringsherum aber der
grösste Theil der inneren Kreisfläche eingesunken und vom wallartig erhöht
verdickten Rande umgeben. Häufig ist aber auch die eine Seite des Samens
im ganzen hoch gewölbt und die andere, die Bauchseite, flach oder vertieft.
Das centrale Wärzchen der erhöhten Seite entspricht gewöhnlich dem
Knospengrunde oder Hagelflecke (Chalaza), manchmal aber findet sich der-
selbe gerade auf der flachen oder concaven Seite.
Der mehr oder weniger zugeschärfte , doch nicht klaffende Rand trägt
einen deutlichen, etwas hervorragenden, mehr an der flacheren Seite lie-
genden Nabel; eine oft nur wenig ausgeprägte scheitelartige Linie, der
Nabelstreifen (Raphe), verbindet den Hagelfleck mit dem Nabel. — Berg
hat zuerst die richtige Deutung dieser Verhältnisse gegeben.
B wenig passende Bezeichnung. In don meiston Fällen bewirkt Nux vomica odor Strych-
nin nicht Erbrechen.
2) Bei den Griechen Name des Nachtschattens. — Siche auch S. 681.
43’*
676
Samen.
Alle Theile des Samens hängen fest zusammen; erst nach dem Auf-
weichen lässt er sich, der peripherischen Handlinie entsprechend, in zwei
etwas ungleiche Hälften trennen, welche fast ganz aus demweisslich grauen
Sameneiweisse bestehen , mit dem die dünne braune Samenschale fest ver-
bunden bleibt. Das Eiweiss schliesst in der Nähe des Nabels den etwa
0,006m langen Embryo ein, der mit zwei zarten kleinen 5- bis 7 nervigen
herzförmigen netzaderigen Keimblättern und einem ziemlich starken keulen-
förmigen Würzelchen versehen ist. Das letztere ist gegen den Nabel ge-
richtet und oft schon äusserlich durch eine kleine Auftreibung der Samen-
schale augedeutet.
Die Spitze des Embryos ragt in eine spaltenförmige Höhlung hinein,
welche die beiden nur an ihrer Peripherie fest verbundenen Hälften des
Eiweisses, den Aussenflächen des Samens parallel, im Innern frei lassen.
Der Querschnitt durch den Samen zeigt diese Spalte deutlich.
Die Brechnüsse sind von sehr derber hornartiger Beschaffenheit, schwer
zu pulvern und noch schwerer zu schneiden. In Wasser erweichen sie, ohne
sehr bedeutend aufzuquellen.
Das dünne Häutchen, das die Samen bekleidet, aber in der Handels-
waare grössteutheils abgescheuert ist, besteht aus ziemlich weitem dünn-
wandigem polyedrischem Parenchym, worin grössere farblose Fettklumpen (?)
und kleinere braune Körnchen in Menge stecken.
Einen eigenthümlichen Bau zeigen die unmittelbar darunter hegenden
Haare. Die dünne, nur etwa 7*Mikromill. messende innere Samenschale ist
nämlich fest verbunden mit einer sehr dichten Lage radial gestellter , völlig
verdickter löcheriger Zellen von etwa 7 0 Mikromill. Länge und gelblicher
Farbe. Ihr Querschnitt (tangential zur Fläche des Samens) zeigt den-
selben unregelmässig wellenförmig verlaufenden Umriss der Wandun-
gen, wie so viele andere ähnliche Bekleidungen von Samenschalen
(z. B. Sem. Hyoscyami). Diese Zellen, welche die äussere Samenschale
bilden, laufen plötzlich in einfache, 700 Mikromillim. bis 1 Millim. lange
lind etwa 20 Mikrom. dicke Haare aus, welche sämmtlich da, wo sie aus
der Zelle entspringen, parallel in scharfem, fast rechtem oder stumpfem
Winkel umgebogen sind und in eine gerundete Spitze endigen. Die Haare
sind ganz verdickt, daher im polarisirten Lichte lebhafte Farben gebend.
Ihre Verdickuugsschichten zeigen nicht eigentlich mehr spiralige Spalten,
sondern zuletzt mit der Längenaxe des Haares gleichlaufende, so dass die
Haare in einzelne lang zugespitzte Bruchstücke getrennt werden können.
Ihr ganzer Bau wird besonders im polarisirten Lichte erst deutlich.
Gefässbündel kommen nur im Nabelstreifen vor. Die innere barnen-
schale ist aus einer einzigen schmalen, ganz verdickten braunen Schicht
gebildet, mit welcher das Eiweiss verwachsen ist. Dasselbe enthält grosse,
sehr dickwandige , eckig rundliche Zellen , gefüllt mit schwach gelblichen
körnigen Klumpen und nicht sehr zahlreichen k ettröpfchen.
Amylum fehlt, wenigstens im käuflichen reifen Samen.
Semen Stryehni.
677
Die Keimblätter zeigen ein sehr viel engeres und zarteres , von kleinen
Gefässbündeln durchzogenes Parenchym.
Die Brechnüsse schmecken äusserst stark und anhaltend bitter und
wirken sehr giftig, was sie ihrem Gehalte an den beiden Alkaloiden
Strychnin (vgl. Semen Ignatii) und Brucin (vgl. Cort. Stryehni) ver-
danken. Dieselben können unmittelbar durch das Mikroskop nicht wahr-
genommen werden. Auf sehr feinen Schnitten der Brechnüsse erscheinen
indessen nach längerer Aufbewahrung in Glycerin federige oder strahlig
gruppirte Krystalle, ohne Zweifel von jenen beiden Basen herrührend.
Der Gehalt an Strychnin scheint ziemlich regelmässig 0,5 — 0,6 pC. zu
betragen; die Menge des Brucins wird von 0,12 pC. (Merck) bis 0,5
(Wittstein, Pettenkofer) angegeben. Mayer dagegen fand im Mittel
nur 0,23 Strychnin und 1,01 pC. Brucin.
Eine dritte Base, Igasurin, entdeckte (1853) Desnoix in den Krähen-
augen. Nach Schützenberger’s sehr auffallenden Angaben (1858) wäre
dieses Igasurin ein Gemenge von»nicht weniger als 9 verschiedenen, nicht
etwa homologen oder isomeren Basen, deren Kohlenstoffgehalt von G17 bis
G22 auf G4 bis O8 gehe.
Alle diese „Igasurinbasen“ krystallisiren (mit verschiedenen Mengen
Krystallwasser) und sind in Wirkung und Geschmack dem Strychuin ähn-
lich, aber leichter löslich. Auch das Strychnin wäre nach demselben Che-
miker ein Gemenge von 3 verschiedenen Basen.
In den Brechnüssen scheinen die Alkaloide wie in den Ignatiussamen
(siehe Semen Ignatii) an Strychnos- oder Igasur säure gebunden enthalten
zu sein, daher sie sich schon durch Wasser daraus gewinnen lassen.
Die Brechnüsse enthalten ferner in reichlicher Menge Protei'nstoffe,
Gummi (Bassorin) und (nach Rebling 6 pC.) Zucker, welcher schon in
der Kälte Kupferoxyd reducirt. Mit Wasser eingeweicht, erleiden sie leicht
die Milchsäure -Gährung, ohne dass hierbei die Alkaloide zersetzt werden.
Die unveränderten Samen enthalten keine Milchsäure. Ferner kommen
auch Thonerde- und Magnesia-Phosphate und Gerbsäure vor.
Die blassgelbliche alkoholische Tinctur der Brechnüsse färbt sich , mit
wenigen Tropfen conc. Schwefelsäure verdunstet, schön dunkelroth, eine
Reaktion, welche nicht durch die Alkaloide bedingt ist. Sie gelingt ebenso
gut mit einem durch Kalkwasser dargestellten Auszuge.
Die Brechnüsse wurden durch die Araber in die Medicin eingeführt.
Serapion (zu Anfang des XII. Jahrhunderts) erwähnte, Nux vomica oder
Alke sei etwas grösser als eine Haselnuss , knotig und von weisslich grün-
licher Farbe, was wohl mehr auf Semen Ignatii passt. In Deutschland wur-
den die Brechnüsse im XVI. Jahrhundert durch I. Bauhin und Conrad
G e s s n e r näher bekannt.
«78
Samen.
Semen Ignatii.
Fabae Ignatiae. Fabae indicae s. febrifugae. Fabae Sancti Ignatii.
Ignatiusbohnen. Fevc Saint-Ignace. Feve igasurique. Iguatius’s beans.
Ignatia amara L. fil. — Loganiaceae.
Strychnos Ignatii Bergius.
Ignatiana pliilippinica Loureiro.
Auf den südlichen Philippinen (denBisayas-Inseln: Cebu, Bojol, Negros)
gemeiner, auch nach Cochinchina verpflanzter Strauch oder kleiner Baum
mit sehr hoch klimmenden Aesten. Die ansehnliche kürbisartige Beeren-
frucht mit gelblichgrüner Steinschale enthalt in dem spärlichen weichen
gelblichen und bitter schmeckenden Fruchtfleische bis 24 Samen , die so-
genannten Ignatiusbohnen, welche nicht scheibenartig, sondern dicker und
voller sind als die Brechnüsse.
Die Gestalt dieser ungefähr 0,025m langen Ignatiusbolmen ist eiförmig,
aber durch gegenseitigen Druck sind %ie in sehr verschiedener Weise
unregelmässig kantig und abgeflacht. Ihr Besatz von gelblichen verfilzten
Haaren1) haftet nicht so fest wie bei den Brechnüssen und ist daher meist
abgescheuert, so dass die feinwarzig-körnige, fast marmorirte, graulich-
grünliche bis violettschwärzliche Samenschale die Oberfläche bildet. Meist
lässt sich wenigstens theilweise eine etwas zugeschärfte Raudlinie verfolgen,
in welcher an dem einen Ende des länglichen Samens der vertiefte
Nabel liegt.
Trotz des verschiedenen Aussehens stimmt der Bau mit dem der Brech-
nüsse übereiu, nur pflegt das Würzelchen des Embryo stärker, häufig etwas
geknickt und die Keimblättchen mehr zugespitzt zu sein. Das hornartige
dunkelgraue Eiweiss ist selbst bei bedeutender Dicke durchscheinend, uoch
härter als bei den Brechnüssen und schwieriger spaltbar, quillt aber im
Wasser ansehnlich auf. Die Höhlung desEiweisses ist weniger beträchtlich
als bei den Brechnüssen.
Der Ignatiussamen besteht aus denselben dickwandigen, nur etwas
grösseren und radial gedehnten Zellen mit gleichem Inhalte wie die Brech-
nüsse. Die äusserste, regelmässiger radial gestellte Reihe dieses Parenchyms
enthält bedeutend kleinere, schwach bräunlich gelb gefärbte, sonst aber
nicht verschiedene Zellen, welche allein die Samenschale darstellen und
unmittelbar von dem schon erwähnten Filze, wo derselbe noch vorhanden,
bedeckt sind. Eine derbe Samenschale, wie bei Nux vomica, fehlt, so dass
die generische Abtrennung der Ignatia von Strychnos auch deshalb wohl
gerechtfertigt erscheint.
1) „reccntos ab argentea lauugine splcndicant,“ Ray u. Petivcr (Phil. Transact. 1698).
— Die hier, wie cs scheint, in natürlicher Grösse gegebene Abbildung der eiförmigen Fruc i
misst in der Länge 0,17-«, in der Breite 0,13™, wird indessen grösser als eine Melone
genannt.
Semen Ignatii.
679
Die Haare des Ignatiussamens sind so gebaut wie die der Brechnüsse,
aber doppelt so dick und entspringen nicht aus einer zwiebelartigen Zelle
der (äusseren) Samenschale. Bei weit grösserer Länge sind sie nicht so
regelmässig gleich gerichtet, sondern manigfaltig in einander gewirrt und
meist in einzelne, 6 — 7 Mikromill. dicke Fäden aufgelöst.
Die Ignatiussamen schmecken1) wie die Brechnüsse, deren Giftigkeit sie
in noch höherem Grade theilen, gleichwohl aber sehr oft von Insekten zer-
fressen Vorkommen.
In diesen Samen entdeckten (1818) Pelletier u. Caventou das
Strychnin £21H22N202, jene giftige, höchst ausgezeichnete organische
Base von sehr bitterem Geschmacke, welche sie nachher auch in den Brech-
nüssen und der falschen Augostura- Rinde trafen. Die Samen enthalten
davon doppelt so viel wie die Brechnüsse, nämlich bis gegen 1 V2 pC.,
haben aber doch , da sie 4 mal theurer sind , die letzteren als Rohmaterial
zur Gewinnung der Alkaloide nicht verdrängt. Ebenso reich an Strychnin,
wie die Samen der Ignatia, sind diejenigen von Strychnos Tjeute Lesclie-
nault auf Java.
Die Ignatiussamen enthalten ebenfalls Brucin (vgl. Cort. Strychni)
in geringer Menge2) und die übrigen Bestandtheile der Brechnüsse.
Beiden fehlt (trotz gegen th eiliger Angaben !) das Stärkmehl gänzlich.
In den Ignatiussamen, wie auch in Sem. Strychni, sind nach Pelletier
u. Caventou die Alkaloide an eine eigenthümliehe Säure, Strychnos-
oder Igasur-Säure, gebunden, welche in Krystallkörneru erhalten werden
kann. Berzelius hielt sie für Milchsäure, nach Corriol wäre die Säure
der Brechnüsse verschieden von der der Ignatiussamen, beide aber nur in
sehr geringer Menge vorhanden. Marsson hat das Vorkommen eigen-
thümlicher Säuren wieder wahrscheinlich gemacht. — Milchsäure ist wohl
nur in Folge von Gährung in den Ignatiusbohnen vorhanden (vergl. Sem.
Strychni).
In Deutschland wurden die Ignatiussamen 1698 durch Bohuius in
Leipzig allgemeiner bekannt; die heut zu Tage nur noch ungenügend
bekannte Pflanze selbst gleichzeitig durch Pater Georg Jos. Kamel
(Camellus), Apotheker der mährischen Brüdermission in Manila, welcher
die daselbst Igasur genannten Samen für die ächten Brechnüsse (Nuces
vomicae legitimae) Serapions und der alten arabischen Aerzte hielt. Die
Jesuiten beehrten diese giftigen Samen mit dem Vornamen ihres Ordens
Stifters.
Ignatiusbohnen heissen in Brasilien auch die nicht eigentlich giftigen,
vielmehr giftwidrigen Samen mehrerer Arten Feuillea (Peponiferae).
1) auch die Blätter der Ignatia sind bitter.
2) nach F. Mayer 72 pC.
(»80
Samen.
Semen Stramonii.
Stechapfelsamen. Semence de Stramoine. Stramonium seeds.
Datura Stramonium L. — Solaneae.
Diese jetzt stellenweise ausserordentlich weit verbreitete einjährige
Pflanze hält sich vorzüglich an trockene Standorte in der Nähe von Woh-
nungen und geht vom Altai an durch ganz Mittelasien und Arabien, über
Suez bis Sennaar und in die abyssinischen Alpen, in Europa bis Norwegen.
Sie findet sich eben so gut in Californien, im östlichen Nordamerika, West-
indien und Brasilien, am Cap , scheint aber wohl ursprünglich in den Län-
dern um das Caspische oder Schwarze Meer (nicht in Indien) einheimisch
gewesen zu sein , wo sie noch jetzt am allerhäufigsten wächst und z. B. in
der persischen Arzneikuust eine grosse Rolle spielt.
Dass der Same sehr lange keimfähig bleibt, nach einzelnen Beobach-
tungen 100 Jahre lang, mag neben der auffallenden Gestalt der Frucht, der.
weiten Verbreitung der Pflanze sehr förderlich sein.
Die dornige, 4klappig aufspringende Kapsel („Stechapfel“) enthält an
dem unten 4lappigen , oben nur 2theiligeu Samenträger eine grosse Menge
der länglich nierenförmigen, fast halbkreisrunden, bis etwa 0,004'" langen
matt schwärzlichen oder braunen Samen. Sie sind flach gedrückt, sehr fein
grubig punktirt, an der mehr geraden Seite nach unten zu dünner, daselbst
den etwas helleren Nabel tragend und hier auf beiden Flächen mit einer
glatten Schwiele bezeichnet, während die übrige Oberfläche mit einem wenig
erhabenen polyedrischen Netzwerke überstrickt ist.
Auf dem parallel mit den Flächen geführten Durchschnitte zeigt sich in
dem verdickten Theile des Samens das cylindrische Würzelchen des Em-
bryos, dessen fast doppelt so lange Samenlappen, dem Umrisse der Samen-
schale folgend und dicht unter derselben, in hackenförmiger Krümmung mit
ihrer Spitze dem dicken Wurzelende gegenüber zu liegen kommen. Die
Krümmung des Embryos und seine Peripherie sind mit trübem, etwas dunk-
lerem Eiweissgewebe umgeben, von welchem sich die dunkelbraune Samen-
schale bei der Reife leicht trennen lässt.
Auf dem Querschnitte durch den Samen zeigt sich die cylindrische Ge-
stalt des Embryo; die Berührungsliuie der Keimlappen steht senkrecht zur
Fläche des Samens.
Die äusserst spröde Samenschale ist aus einer Reihe gelber radial ge-
stellter sehr starker Zellen zusammengesetzt, deren Höhlung, wo sie noch
vorhanden, durch die dicken porösen Wände sehr beschränkt ist. Diese
Zellen sind nicht von einfach cylindrischer Form, sondern ihre Wandungen
der Länge nach wellenförmig aus- und einwärts gebogen, so dass sie, in
tangentialer Richtung zur Samenoberfläche gesehen, gezahnt in einander
greifen. Auch nach aussen erheben sich die Verdickungen der Zellen wände
m derselben Weise als dunkelbraune kugelige Höckerchen und Falten, wo
Semen Stramonii.
681
durch die netzig-grubige Oberfläche der Samen bedingt ist; ausserdem ist
die Samenschale noch von einem zarten glashellen Oberhäutchen bedeckt.
Yom Eiweisse ist die eigentliche Samenschale durch ein lockeres zartes Ge-
webe von mehreren Reihen in ihren innersten Lagen mehr gedrängter brau-
ner Zellen getrennt. DasEiweiss besteht aus grossen dickwandigen kugelig-
eckigen Zellen. Weit zarter und regelmässiger ist das Gewebe des Embryos,
in der Mitte aus dünnwandigen, 5 bis 6 eckig- rundlichen Zellen, in der
Nähe der Berührungsfläche der Samenlappen und am Rande aus mehr ku-
bischen, zu äusserst aber langgestreckten cylindrischen Zellen bestehend.
Die innere lockere Schicht der Samenschale, welche beim Zerdrücken
des Samens an diesem letzteren haften bleibt, enthält etwas Amylum in
sehr kleinen kugeligen Körnchen ; die Zellen des Eiweisses und des Keimes
selbst sind mit Oeltropfen und einer festen körnigen (Protein-) Substanz
erfüllt, welcher Jod eine braungelbe Färbung ertheilt.
Der Stechapfelsamen schmeckt ölig und scharf bitterlich. Er enthält
in äusserst geringer Menge als wirksamen Bestandtheil das von Geiger
u. Hesse (1833) entdeckte, gut krystallisirende Alkaloid Daturin,1)
welches von Planta für identisch mit dem Atropin erklärte und gleich zu-
sammengesetzt fand. Die Löslichkeitsverhältnisse, so wie der Schmelzpunkt
(88 — 90° C.) stimmen bei beiden Körpern überein.
Schroff’s pharmakologische Versuche, wonach Daturin und Atropin
zwar in gleicher Weise wirken, letzteres aber nur genau halb so stark wie
ersteres, stellen die Identität dieser beiden Stoffe wieder in Frage.
Ein von Tromms dor ff neben Daturin aus Stechapfelsamen erhaltenes
krystallisirtes sublimirbares Stramonin scheintwohl nicht basische Eigen-
schaften zu besitzen; Schwefelsäure löst es mit rother Farbe.
Nach Brandes wäre das Daturin an Aepfelsäure gebunden. Die Asche
des Samens ist reich au Magnesia- und Alkali-Phosphaten.
Datura Stramonium ist, wie E. Meyer nachgewiesen, schon 300 Jahre
vor Chr. durch Theophrastos als höchst giftige Pflanze, Strychnos ma-
nicos, unverkennbar geschildert worden; ebenso von Dioskoridesim ersten
Jahrh. nach Chr. Auch in Neurada, Nervada oder Pentödryon des Plinius,
Neuras von Paulos Aeginetes (VI. Jahrh. nach Chr.) findet Lang-
kavel neuerdings (1866) unsere Pflanze. Jedoch scheint sie sich erst
während des Mittelalters ursprünglich zum Theil durch Cultur in Europa
verbreitet zu haben. Bauhin hat sie unter dem Namen Tatula (vergl.
bei Folia Stramonii) verstanden. Ihre medicinische Verwendung ging (1762)
von Störck in Wien aus.
Datura stammt aus dem Sanskrit.
1) Nftcli W alz auch in den Samen der bei uns viel gezogenen Datura arborea aus Co-
lumbia und Peru.
682
Samen.
Semen Hyoscyami.
Bilsensamen. Semence de jusquiame. Heubane seed.
Hyoscyamus R niger L. — Solaneae.
Das Bilsenkraut wächst fast überall, vorzüglich an unbebauten Stellen
der nördlichen gemässigten Zone, von Nordiudien1 2) an durch Sibirien,
Kaschmir, Persieu, die Kaukasusländer, Kleinasien und Aegypten, dann in
fast ganz Europa, vom mittleren Norwegen und Finnland bis Portugal und
Griechenland; auch in Nordamerika und Brasilien.
Die vom krugförmigen Kelche umgebene und von dessen 5 breiten star-
ren Zähnen weit überragte Kapselfrucht springt mit einem Deckelchen auf
und ist au dem centralen, durch eiue Scheidewand getrennten und in die
zwei Fächer hiueinrageuden Samenträger mit sehr zahlreichen Samen be-
setzt. Dieselben sind ähnlich gestaltet wie die Stcchapfelsamen , aber nur
wenig über 0,00 lm messend und kaum über V2 Milligr. wiegend,3) grau-
bräunlich oder gelblich und weniger flach. Auch ist ihre Form mehr kreis-
rund oder eiförmig, die Oberfläche ganz gleichmässig , ohne Schwiele von
einem feinen glänzenden erhabenen Netzwerke mit geschlängelten und viel-
eckigen Mascheuräumen belegt.
Gestalt, Lage und anatomischer Bau des Embryos sind genau dem des
Sem. Stramonii entsprechend; dagegen zeigt die Samenschale einige Ab-
weichung, indem sie scheinbar nicht aus Zellen, sondern nur aus einer der-
ben knorpeligen geschichteten blass gelblichen Oberhaut gebildet ist.
Stellenweise erheben sich die Schichten derselben , d. h. die verdickten In-
nen- und Seitenwäude der Oberhautzellen zu weit hervorragenden gefalteten
wallartigeu Leisten, welche jenes Netzwerk der Oberfläche zusammensetzen.
Zwischen den Leisten findet sich die zartere eiugeschrumpfte Aussenwand
der Oberhautzellen, meist stark eingesunken. Im Querschnitte erscheinen
die Leisten als stumpflicke Spitzen, getrennt durch tiefe breite Thäler, im
tangential durch die Oberfläche des Samens geführten Schnitte dagegen be-
grenzen die wellenförmig verlaufenden bandartigen Schichten der Leisten
unregelmässig sternförmige Lücken — die Maschen des oberflächlichen
Netzwerkes. Die Falten der Oberfläche greifen also nicht zalmartig in ein-
ander wie bei Strainonium.
Die innere dunkelbraune Samenschale besteht nur aus wenigen Reihen
dünnwandiger kleiner Zellen, die aber sehr dicht gedrängt sind und weder
Inhalt noch Lumen erkennen lassen, nicht ein lockeres Gewebe darstellen
wie bei Stramonium.
1) 'u 6i und y.uap.04 Schweinehohno. ToasuapAw, ich rase. Das Kraut wird von Schwei-
nen und manchen anderen Thieren gefressen.
2) Tn den Sprachen Vorderindiens, wo das Bilsenkraut fehlt, heisst es Korassan (A.ns-
lie) — vielleicht den westlichen Ursprung der Pflanze andcufcnd.
3) 100 Stück lufttrocken = 0.054 Gnom.
Semen Hyoscyami.
683
Die Bilsensameu schmecken wie die des Stechapfels, aber schwächer
und mehr ölig. Schon das Mikroskop zeigt, dass erstere reicher an fettem
Oele sind (nach Kirchh off gegen 15 pC., nach Brandes über 24 pC.).
Träger der giftigen Wirkung des Samens ist das (1833) von Geiger
u. Hesse zuerst dargestellte Alkaloid Hyoscyamin, das in Wasser und
wässerigen Alkalien leicht löslich ist. Es ist gleich dem Atropin und Sola-
nin leicht zersetzba* und zeigt hierbei tabaksäknlicheu Geruch und Ge-
schmack. Nur bei grösster Sorgfalt gelingt es, das Hyoscyamin krystallisirt
zu erhalten, wie neuerdings Kletzinsky1) gezeigt hat. Nach demselben
kömmt dem Alkaloid die Formel GlsH17N&zu, welche dem Nitril der
Santoninsäure (Santonin) entspricht. In der That wird das Hyoscyamin
durch Natronlauge, welche unter höherem Drucke einwirkt, in Ammoniak
und santonsaures Natron zerlegt.
Die höchst giftige Wirkung des Hyoscyamins steht der des Atropins und
Daturins nahe und übertrifft sie zum Theil noch , wenigstens in Bezug auf
die Pupille. Es scheint in den Samen weit reichlicher vorzukommen als im
Kraute oder in der Wurzel, immerhin jedoch nur in sehr geringer Menge
(vergl. bei Folia Hyoscyami).
In Grösse, Gestalt und innerem Bau stimmt der Samen von Atropa
Belladonna mit dem des Hyoscyamus überein; ersterer ist nur vorherrschend
von bleigrauer oder graubräuulicher Farbe. An eine Verwechslung dieser
beiden Samen ist aber wegen der abweichenden Beschaffenheit der Früchte
nicht zu denken.
Der Same des südeuropäischen, schon von den Alten gebrauchten, z. B.
von Dioskorides vorzüglich empfohlenen Hyoscyamus albus L. stimmt
bis auf seine weit hellere gelbliche Farbe mit dem des H. niger überein,
scheint aber bedeutend schwächer zu sein. — In Griechenland dienen die
Samen des Hyoscyamus major Mill. statt derjenigen des dort selteneren
H. niger.
Die letztere Pflanze wurde, obwohl auch den Alten und dem Mittelalter
bekannt, doch erst in neuerer Zeit in allgemeineren Gebrauch gezogen, be-
sonders nach Störck’s Vorgänge, von 17G2 an. — Ein von Pfeiffer2)
herausgegebenes, vermuthlich in Schaff hausen verfasstes altdeutsches
Arzneibuch aus der zweiten Hälfte des XII. Jahrhunderts erwähnt weissen
(wizun) Bilsen und in einem ähnlichen, um ein Jahrhundert späteren Werke
aus Baiern (Tegernsee) finden wir Bilsenöl, d. h. ohne Zweifel das gepresste
Oel der Samen. Die heilige Hildegard, um 1150, kannte ebenfalls die
„Bilsa.“
]) Mitth. aus d. Gebiete d. reinen und angewandten Chemie. Wien 1865. 24.
2) Wien 1863. pag. 13 u. 33.
684
Samen.
C. scharf oder kratzend schmeckende Samen.
Semen Sinapis albae.
Semen Erücae. Semen Sinapis citrinum. Weisser Senf. Moutarde blanche
ou anglaise. White mustard seed.
Sinapis alba L. — Cruciferae-Orthoploceae.
Der weisse Senf gehört den südlicheren Gegenden Europas an und
findet sich unzweifelhaft wild z. B. in Griechenland1) und auf Cypern. In
Mitteleuropa, namentlich in Deutschland und der Schweiz, scheint er nicht
einheimisch, sondern nur durch Cultur oder durch zufällige Aussaat mit
Getreide da und dort verwildert zu sein. Sehr häufig wächst er jedoch
wieder in ganz England. Wie der schwarze Senf, wird er jetzt auch in den-
selben Gegenden im grösseren Masstabe gebaut.
Die kurze borstige Schote, durch einen eben so langen schwertförmigen
vielnervigen Schnabel ausgezeichnet, enthält 1 — 5 kugelige oder seitlich
ein wenig zusammengefallene hellgelbe Samen von ungefähr 2 Millimeter
Durchmesser, der aber ziemlich schwankt, und 5 Milligramm Gewicht.
100 Stück lufttrockener Samen wiegen 0,542 Gramm. Die etwas spröde,
fast durchsichtige und farblose Samenschale schliesst einen lebhaft und
rein gelben Embryo von demselben Bau ein, wie der des schwarzen Senfes.
Auf der Samenschale des weissen ist jedoch das Würzelcheu oft schon
deutlich ausgeprägt. Die Oberfläche der letzteren ist ebenfalls netzig grubig,
aber so fein gezeichnet, dass der weisse Senf ganz glatt erscheint, wenn
man nicht eine stärkere Vergrösseruug zu Hülfe nimmt.
In Wasser quillt die Oberhaut noch stärker auf wie bei dem schwarzen
Senf, der Vorgang ist aber etwas abweichend wegen der verschiedenen
Bildung der Oberhaut. Die äusserste Schicht derselben ist hier aus ähn-
lichen farblosen, sehr fein horizontal gestreiften Zellen gebaut, welche aber
im Querschnitte nach aussen sehr stark gewölbt, 50 — 80 Mikromill. hoch
und etwa eben so breit erscheinen. Von oben gesehen, bilden sie 6 eckige,
oft gegen 80 Mikromill. messende Tafeln, durch welche hindurch man die
kleinen Intercellularräume der folgenden Zelleureihe als hellen Punkt wahr-
nimmt. Unter der äusseren Schicht folgt nämlich eine Reihe gleich grosser
kubischer Zellen, deren erst im Wasser aufquelleude Querwände oft stark
geschlängelt sind. Hier ist es also eine vollständige zusammenhängende
zweite Zellschicht der Oberhaut, nicht nur einzelne strebepfeilerartige Zell-
gruppen, welche sich aufrichten. Auch im trockenen Zustande bilden diese
Zellen eine mehr gleichmässige Schicht zwischen der äusseren Oberhaut
und der Sameuhaut, mit nur geringen Hervorragungen, daher die fast glatte
Oberfläche des weissen Senfsamens.
Die äussere, etwa 35 Mikromill. dicke Lage der äusseren Samenhaut
1) neugriechisch Imaride oder laps&ne (Held reich).
Semen Sinapia albae.
685
besteht aus gleich gebauten, aber kaum etwas gelblichen Zellen, wie die
entsprechende Schicht des schwarzen Senfs. Ebenso die innere Lage, sowie
die ganze innere Samenhaut, deren Zellen nur etwas grösser sind. Aue
der Keim des weissen Senfs zeigt im Bau und Inhalt keine Eigenthümlichkeit.
Die schwach gelbliche Emulsion, welche der weisseSenf beim Zerreiben
mit Wasser gibt, schmeckt sehr scharf, ist aber geruchlos und liefert bei
der Destillation unter keinen Umständen flüchtiges Oel. Der scharfe btoft
ist noch nicht isolirt, verdankt aber seine Entstehung einer von Myrosin
ausgehenden, durch Gegenwart von Wasser vermittelten Zersetzung, welche
nicht eintritt, wenn man den Samen statt mit Wasser z. B. mit W eingeist
zerquetscht. Als denjenigen Körper, der diese Zersetzung erleidet, haben
von Babo u. Hirschbrunn (1852) das Schwefelcyan-Sinapin
erkannt, wovon sie durch Auskochen des vom fetten Oele befreiten Samens
mit Weingeist 1 p. Mille in lockeren farblosen, auch in heissem Wasser lös-
lichen Krystallnadeln erhielten. Mit Schwefelsäure behandelt, gibt das
Schwefelcyan-Sinapin KrystaUe von saurem schwefelsaurem Sinapin, woraus
sich die reine, in Wasser leicht lösliche Base Sinapin O16H23N-0-5 gewinnen
lässt, welche aber für sich wenig haltbar, sondern nur in stark gelb ge-
färbter Lösung darstellbar ist. Beständiger sind die Salze; so verträgt
gerade die obige Schwefelcyan- (Rhodan-) Verbindung eine Temperatur von
fast 130° C. ohne Veränderung. Die geringsten Mengen irgend welcher
alkalisch reagirender Körper färben das Schwefelcyan-Sinapin stark gelb;
mit Eisenoxydsalzen gibt es dieselbe prächtig rothe Färbung wie das
Schwefelcyan- Kalium. Bisweilen aber tritt das im Senf vorhandene
Salz in einer isomeren Modification auf, welche das Schwefelcyan in
anderer Form enthält, so dass es auf Eisenoxydsalze nicht reagirt.
Die geringe Menge des im weissen Senf vorkommenden Schwefelcyan-
Synapins reicht doch hin, schon den wässerigen Auszügen desselben die
Eigenschaft zu ertheilen, auf Zusatz von Eisenchlorid eine rothe und mit
Alkalien eine schön gelbe Färbung anzunehmen. Man hat nur nöthig, wenige
Samenkörner, ohne sie zu zerquetschen, einige Stunden oder Tage
mit Wasser zu digeriren,1) um die Reaktion aufs schönste zu erhalten.
Schwarzer Senf, ganz oder gepulvert, in gleicherweise behandelt, gibt
nur eine schwache bräunliche Färbung, wenn Eisenchlorid zugesetzt wird.
Mit kaustischen Alkalien gekocht, zerfällt das Schwefelcyan-Sinapin in eine
neue, sehr starke, nicht flüchtige krystallisirende Base, Sinkalin, in Sina-
p insäure und Schwefelcyan. Neben dem Schwefelcyan-Sinapin scheint
der Senfsamen noch eine schwefelreichere Verbindung zu enthalten, so wie
1) Der wenig gefärbte schleimige Auszug schmeckt nicht scharf und coagulirt nicht beim
Kochen. Man gewinnt daraus selbst bei Anwendung kleiner Mengen von Senf leicht krystalli.
sirtes Rhodansinapin. Die unverletzte Samenschale wirkt also hier dialytisch, sie hält das
Myrosin zurück und lässt das Krystalloid Rhodansinapin (neben Zucker und Gummi) merk-
würdigerweise unzersetzt durchgehen. Die Samenschale selbst färbt sich mit Alkalien nicht,
enthält also kein Sinapin. Der Auszug riecht höchst auffallend nach Honig.
686
-Samen.
ferner einen Tkeil des Sinapins in freiem Zustande oder doch nicht als
Schwefelcyan -Verbindung, da die Mutterlaugen vor der Darstellung des
Schwefelcyau-Sinapius noch mehr dieses Salzes liefern, wenn man sie
mit Schwefelcyan-Kalium versetzt. — Das Sclnvefelcyan-Sinapin war früher
als Sinapin, Sulfosinapisin oder Schwefelsenfsäure bezeichnet
worden.
Die übrigen Bestandtheile des weissen Senfs sind dieselben, wie die des
schwarzen. An Myrosin scheint wohl ersterer weit reicher zu sein, so
dass nach den beim schwarzen Senf auseinander gesetzten Beziehungen des
Myrosins zum Senföl die Schärfe des schwarzen Senfs durch Zusatz von
weissem gesteigert wird. Das fette Oel beträgt 28 pC. — Die aufquellende
Oberhaut gibt an warmes oder kaltes Wasser reichlich ein durch Alkohol,
Bleizucker und Eisenchlorid fällbares Gummi ab, das sich nach dem Ein-
trocknen wieder in Wasser löst. Erwärmt man es längere Zeit mit ver-
dünnter Schwefelsäure, so geht es in Zucker über-
Erucin und Senfsäure, von Simon als eigenthümliche Stoffe des
weissen Senfs bezeichnet, sind.ganz problematisch.
Der bei Semen Sinapis nigrae beschriebene Samen von Sinapis cirven-
sis gehört in chemischer Beziehung zum weissen Senf, indem er mit lauem
Wasser zerrieben, eine scharf schmeckende, aber geruchlose Emulsion gibt,
deren Filtrat sich (nach der Coagulation des Myrosins) mit Eisenchlorid
roth färbt.
Die gelblichen Samen der in Südeuropa und Aegypten einheimischen,
z. B. bei Athen und Korinth sehr häufigen Eruca1) sativa Lamarck
(Brassica Eruca L.), welche aber auch durch Italien bis in die südliche
Schweiz (Wallis) vorkömmt, sind seitlich zusammengedrückt, nicht kugelig
und weuiger scharf als der Senf und messen nur wenig über 1 Millimeter.
Ihres fetten Oeles wegen wird Eruca auch in Persien (Isfahan, Kaschan)
gebaut.
Der weisse Senf sowohl als der schwarze findet sich im Handel gepul-
vert oder auch in Latwergenform als “Tafelsenf und ist daun mancherlei
Verfälschungen ausgesetzt. Sehr häufig dienen hierzu stärkmehlreiche
Substanzen, welche an der Form oder durch die Jod-Reaktion desAmylums
erkannt werden können. Curcuma, welche sich durch ihre karbe sehi als
Zusatz empfiehlt, nimmt mit Alkalien eine tief brauurothe I ärbuug an.
1) 'Püüz.a (Rhuka) in Griechenland.
Semen Sinapis nigrae.
687
Semen Sinapis nigrae.
Semen Sinapis1 2) viridis. Semen Sinapinigri. Semen Sinapeos. Schwarzer
Senf. Grüner Senf. Moutarde noire ou grise. Mustard seed.
Brassica nigra Koch. — Cruciferae-Orthoploceae.
Syn.: Sinapis nigra L.
Der schwarze Senf ist im grössten Theile Europas , wie es scheint mit
Ausschluss des höchsten Nordens (Norwegen) und des äussersten Südens
(Griechenland) einheimisch, besonders häufig z. B. im westlichen und süd-
lichen Deutschland, auch in England, dagegen auf grossen Strecken, wie
etwa in der Schweiz, ganz fehlend. Buhse fand den schwarzen Senf auch
in Transcaucasien bei Eriwan. Durch die in vielen Gegenden, wie im
Eisass, in Böhmen, Holland, England (Durham, Yorkshire), Italien (Apulien),
Griechenland, auch in Californien, sehr im grossen betriebene Kultur hat
sich die Pflanze in manchen Ländern verbreitet, wo sie sonst wohl gefehlt
hatte. Auch in Canada ist sie bereits augesiedelt.
Die zweifächerige, in 2 Klappen aufspringende Schote enthält in jedem
Fache 4 — 6 kleine kugelige oder etwas längliche, durchgängig ziemlich
gleich grosse Samen von 1 Millimeter Durchmesser, 1 Milligramm Gewicht3)
und mehr oder weniger dunkler rothbrauner Farbe. Nur an dem etwas
dunkleren Nabel sind sie kaum wahrnehmbar weiss gezeichnet, die ganze
übrige Oberfläche erscheint unter der Loupe fein netzig-grubig und etwas
schiilferig. Die dünne durchscheinende spröde und innen glatte Samen-
schale birgt einen eiweisslosen gelblichen Embryo, dessen beide kurze
Keimblätter der Länge nach gefaltet eine Rinne bilden, in welche das
Würzelcheu heraufgebogen ist. Der in dieser Weise kugelig zusammen-
geknänelte Embryo füllt die Samenschale vollständig aus, indem das äussere
übergreifende Keimblatt noch dicker und fleischiger ist als das innere,
welches im Querschnitte gesehen , das Würzelchen zangenartig umfasst. —
Gepulvert sieht der Samen beinahe grünlich aus.
Unter Wasser umgeben sich die Samenkörner nach kurzer Zeit mit
einer glasartigen Hülle, welche die Unebenheiten der Samenschale aus-
gleicht, so dass dieselbe jetzt fast ganz glatt erscheint. Dieses Verhalten
beruht auf einem eigenthümlicheu Aufquellen der Oberhaut und der äus-
seren Wandungen der Samenschalenzellen.
Die Oberhaut stellt nämlich, unterWasser gesehen, eine einzige Reihe
in tangentialer R ichtung sehr bedeutend gestreckter zarter, im Querschnitte
gegen 20 Mikromillim. dicker Zellen ohne Farbe und Inhalt dar. Von oben
L iNaxu (napy) Senf, neugriechisch iava~t. Daraus schon im altdeutschen vor dem XII.
Jahrhundert Senaf, später auch senif, semp.
2) 100 Stück lufttrockoncr Samen = 0,1044 Grm. — Spcc. Gewicht = 1,00 im luft-
haltigen trockenen Znstande.
688
Samen.
betrachtet, zeigen sie sich als meist 6 eckige Tafeln von 70—80 Mikromill.
diagonalem Durchmesser, aus denen die weissen Schüppchen bestehen,
welche an der Oberfläche der Samen schon durch die Loupe wahrnehmbar
sind. Blickt man von oben auf einen tangentialen Schnitt durch die Samen-
schale , so sieht man unter der farblosen Oberhaut deutlich die Höhlungen
von quer durchschnittenen Zellen der äusseren Schicht der ersteren.
Diese dunkel rothbraune, 15 Mikromill. breite Schicht ist nämlich aus
einer sehr dichten Reihe regelmässig radial gerichteter Zellen mit sehr
starken Innen- und Seitenwänden gebaut. Nach aussen dagegen sind diese
Zellen durch zarte farblose oder gelbliche Wände geschlossen, welche in
Wasser aufquellen. An einzelnen Stellen der Samenschalen -Peripherie,
welche durchschnittlich 80 Mikromillim. aus einander liegen, erfolgt
dieses Aufquellen regelmässig bei kleinen Gruppen etwas dichter ge-
drängter, weit längerer Zellen in höchst auffallender Weise. Dieselben
strecken sich nämlich in radialer Richtung bis zu 50 Mikromill. und
bilden so gleichsam gerade oder ein wenig geschlängelte Strebepfeiler, auf
welchen erst die eben beschriebene Oberhaut zierlich ausgespannt ist. An
den trockenen Samen ist die letztere zwischen die ebenfalls zusammen-
geknitterten Strebepfeiler zurückgefallen und bildet dadurch eben das
Maschenwerk der Oberfläche. Ein nicht zum Aufquellen gebrachter, z. B.
nur mit Terpenthinöl befeuchteter Schnitt gewährt daher einen ganz ver-
schiedenen unklaren Anblick.
In ihrer inneren, nur 4 — 5 Mikromill. breiten Schicht enthält die äussere
Samenschale unregelmässige, tangential gestreckte, zum Theil derbwandige
Zellen von tief dunkelbraunrother Farbe, mit welchen die innere, beinahe farb-
lose Samenschale oder Samenhaut fest zusammenhängt. Sie besteht aus
einer einreihigen äusseren Lage ansehnlicher, etwas dickwandiger, tangen-
tial gedehnter Zellen mtt granulösem bräunlichem Inhalte und einer inneren
Schicht sehr enger flacher zusammengefallener und stark tangential ge-
streckter Zellen.
Die Keimblätter sind aus einem sehr regelmässig gereihten Gewebe von
dünnwandigen grossen eckigen, im Querschnitte gestreckten Zellen gebildet,
deren äusserste Reihe bedeutend kleiner und durch nach aussen etwas
dickere Wände unterschieden ist. Das Würzelchen enthält beträchtlich
weitere , mehr kugelige Zellen , doch wird das Centrum von einem Strange
weit engeren und axial gestreckten Parenchyms eingenommen. Gefässbündel
fehlen dem Embryo.
Die rothbraunen Zellwände der Samenschale werden durch Kali nicht
angegriffen, das Parenchym des Embryos aber vorübergehend gelb gefärbt.
Dasselbe enthält grosse Oeltropfen, nach deren Beseitigung durch Terpen-
thinöl das Gewebe sich von Proteinstoffen in grossen durchsichtigen Klumpen
erfüllt zeigt. Kali löst dieselben fast vollständig auf.
Der Senf ist beim Kauen, nicht aber, so lange die Körner unversehrt
sind, im ersten Augenblicke von milde öligem, schwach säuerlichem
Semen Sinapia nigrae.
689
Geschmacke, der sich aber alsbald zu brennender Schärfe steigert. Die
weisslichgelbe Emulsion, die man beim Anreiben des Samens mit kaltem
oder massig warmem Wasser erhält, entwickelt eine durchdringende, auch
die Augen heftig angreifende Schärfe, welche dem trockenen Pulver fehlt,
und reagirt stark sauer. Reibt man den Samen mit kalter Aetzlauge, so
tritt jener Geruch nicht auf, auch nicht beim Kochen, wobei nur schwach
alkalisch reagirende Dämpfe entweichen. Auch W eingeist, Chlorwasser, ver-
dünnte Mineralsäuren oder Gerbsäurelösung, mit dem Samen angerieben,
rufen jene Schärfe nicht hervor. Lange aufbewahrtes Senfpulver verliert
die Fähigkeit, mit Wasser die Schärfe zu erzeugen und dieselbe scheint
auch vom Standorte der Pflanze oder ihrer Behandlung einigermassen ab-
zuhängen. Bisweilen herrscht nämlich ein solcher Mangel an Myrosin im
Samen, dass er erst dann das flüchtige Oel entwickelt, wenn er mit mehr
Myrosin vermittelst einer Emulsion des weissen Senfs zusammengebracht
wird.
Durch Destillation des Senfs mit Wasser nach vorherigem Einweichen
erhält man den scharfen Stoff, das ätherische Senf öl, das im Durchschnitt
nicht mehr als 0,44 bis 0,57 pC. beträgt. Angaben von beträchtlicherer Aus-
beute, bis höchstens 1,2 pC., stehen mehr vereinzelt. Dieses Oel, G4H5 NS
oder (Schwefelcyanallyl. Rhodanallyl) von 1,010 spec. Gewicht,
bei 148° C. siedend, optisch unwirksam, ist der Träger des scharfen Ge-
ruches und Geschmackes, so wie der Haut entzündenden blasenziehenden
Wirkung des Senfs, daher statt desselben auch wohl eine Lösung des Senföls
in 40 — 60 Theilen Weingeist angewandt wird. Es ist in dem trockenen Sa-
men noch nicht vorhanden, sondern tritt, wie schon angedeutet, erst auf,
wenn frischer Samen mit kaltem , oder höchstens 50 bis 60° C. warmem
Wasser zerquetscht wird. Ganze Samenkörner liefern bei der Destillation
kein Oel, da die harte, verhältnissmässig sehr starke Samenschale dem
Wasser widersteht.
Nach vielen über diesen Hergang angestellten Untersuchungen ist derselbe
schliesslich durch Will u. Körner (1863) aufgeklärt worden. Der Senf
enthält nämlich in geringer Menge1) das krystallisirbare wasserfreie Kali-
salz einer eigenthümlichen Säure, Myronsäure, von der Formel
G10H18NKS2O10, also die Elemente von Senföl G4H5NS,
Zucker (Rechtstraubenzucker) G6H12 O6
und Kalibisulfat K H
in sich vereinigend. In der That zerfällt das in Senf enthaltene myronsäure
Kali in diese drei Moleciile* wenn es in Wasser gelöst, mit Myrosin in
*) Jene beiden Chemiker erhielten 0,5 bis 0,6 pC., Ludwig u. Lange 0,5 pC. myron-
saures Kali. Die Reindarstellung desselben ist daher mit grossem Verluste verbunden, indem
die Minimal ausbcute an ätherischem Oele (0,44 pC.) schon 2,37 pC. myronsaures Kali
voraussetzt.
Fliicki ger, Pharmakognosie.
44
«90
•Samen.
Berührung gebracht wird. Dieser eiweissartige Körper, 1839 von Bussy
entdeckt, dessen Zusammensetzung noch nicht feststeht, erleidet hierbei
selbst auch eine Zersetzung. Kein anderer Körper wirkt gleich auf den
Senf, wohl aber kann das isolirte myronsaure Kali auch durch Alkalien, nach
Ludwig u. Lauge (1860) auch durch Silbersalz gespalten werden.
Die wässerige Lösung des Myrosins coagulirt bei 60° C. und ist dann
ohne Wirkung, daher gibt bis 100° C. erhitzter oder gar gerösteter, oder
sogleich mit kochendem Wasser behandelter Samen kein flüchtiges Senföl.
Aus der mit Myrosin zusammengebrachteu Senfemulsion oder der Lösung
des reinen myronsauren Kalis scheidet sich durch Zerfallen des Schwefel-
cyauallyls häufig etwas Schwefel aus, so dass sich dem rohen Seuföl bis-
weilen sehr bedeutende Mengen (bis zur Hälfte) Cyanallyl G4H‘,N bei-
mengen, welches durch geringeres specifisches Gewicht (0,839) und niedri-
geren Siedepunkt (118° C.) ausgezeichnet ist.
Die ätherischen Oele der Samen, Wurzeln oder des Krautes vieler an-
deren Cruciferen bestehen zum Theil gleichfalls aus Senföl oder aus
Knoblauchzwiebeln (Allium sativum L.) vorkömmt. Manche Cruciferen, wie
z. B. das gemeine Sisymbrium Alliaria Scopoli, bilden in ihren Wurzeln und
Samen nur oder doch vorzugsweise Senföl, in den Blättern dagegen Knob-
lauchöl, welches Verhältniss aber auch durch Standort und Jahreszeit Ver-
änderungen erleidet. — Alle diese Cruciferen enthalten Myrosin, daher im
feuchten Zustande schon fertig gebildetes flüchtiges Oel (vergl. auch bei
Herba Cochleariae).
Die küustliche Darstellung des Senföls vermittelst Glycerin lehrten
(1855) Zinin einerseits und gleichzeitig auch Berthelot u. de Luca. —
Durch sein ganzes Verhalten ist das Senföl einer der interessantesten Kör-
per der organischen Chemie. — Es löst sich ohne Färbung und Trübung
in der 8fachen Menge conceutrirter Schwefelsäure, wenn es rein ist.
Beim Pressen liefert der Senf bis 32 pC. eines milde schmeckenden,
fast geruchlosen, nicht trocknenden, unter — 17,5° C. erstarrenden Oeles,
aus Glycerinverbindungen der Stearin-, Olein- und Eruca- (oder Brassica-)
Säure bestehend. Die letztere, G22H1202, findet sich auch im fetten Oele
von Siuapis alba und Brassica Napus (Rüböl) und gehört in die Oelsäure-
Reihe.
Die Quantität des Myrosins ist nicht genauer ermittelt, scheint aber
wohl nicht sehr bedeutend zu sein , da der Gesammtgehalt des Samens an
Stickstoff von Hoffmann zu 2,9 pC. gefunden -wurde, was etwa 18 Pro-
centen Myrosin entsprechen würde, wenn dasselbe gleich viel Stickstoff
enthielte wie Albumin und wenn die Gesammtmenge des Stickstoffes auf
Myrosin bezogen werden dürfte. Die Aschenbestandtheile, 4 pC. betragend,
sind vorwiegend Phosphate von Calcium, Magnesium und Kalium. Das hy-
groskopische Wasser pflegt 6 bis 7,5 pC. nicht zu übersteigen.
welches ziemlich rein auch in den
Semen Sinapis nigrae.
691
Dragendorff hat im Samen des schwarzen Senfs auch 9 pC. amor-
pher Stärke (in der bei Semen Lini angeführten Weise) angegeben. — Mit
Terpenthinöl von fettem Oele .befreite, mit Weingeist ausgewaschene und
mit Wasser befeuchtete Schnitte durch den Keim lassen jedoch auf Zusatz
von Jod keine blaue Färbung erkennen.
Die in Wasser aufquellende Oberhaut gibt an kaltes oder warmes Wasser
(19 pC Hoffmann) Gummi ab, welches sich so verhält wie das des
weissen Senfs, ohne aber mit Eisenchlorid eine rothe Färbung anzunehmen.
Ludwig u. Lange haben (1860) die Existenz einer schwefelhaltigen,
bitter schmeckenden Base im schwarzen Senf wahrscheinlich gemacht,
welche in Berührung mit Myrosin (Aufguss des weissen Senfs) Senföl
bildet. .-iii
Der Senf wurde schon in den ältesten Zeiten als Arzneimittel und als
Würze (Mostrich) gebraucht und zwar ohne Zweifel der schwarze sowohl
als der weisse. Auf den ersteren ist wohl derjenige Senf zu beziehen, den
Di.oskorides gepulvert als grün bezeichnet, auf den letzteren, wenn nicht
vielmehr auf Eruca sativa, die Eruca alba, deren Anbau neben Sinapi Karl
der Grosse in seinen Capitularien befahl.
Dem schwarzen Senf sehr ähnlich sind die Samen des überall v erbrei
teten Unkrautes Sinapis arvensis L. Sie messen durchschnittlich 1 /4 Milli
meter und wiegen l3/4 Milligr.,1) sind bei der Reife fast schwarz oder doch
dunkelbraun und bei weitem feiner punktirt als der schwarze Senf. Ihr
übrigens gleichartiger anatomischer Bau unterscheidet sich von dem des
letzteren sehr bestimmt dadurch, dass die Oberhaut aus einer einzigen
Schicht nach aussen stark gewölbter Zellen besteht, welche nicht durch
Aufquellen einer inneren Zellschicht von der äusseren Samenhaut wegge-
hoben werden. Die Gestalt der Oberhautzellen stimmt mit denen der äusse-
ren Oberhautschicht von Sinapis alba überein. Diesem Samen steht auch
Sinapis arvensis in chemischer Hinsicht näher (vergl. bei Semen Sinapis
albae).
Die Oelsamen, von Brassica Napus und Br. RapaV ar. oleifera , sind
kugelig, nur sehr fein grubig punktirt, schwärzlich, gegen 2 Millimeter mes-
mend und beim Kauen fast ohne Schärfe.
In Sarepta, Gouvernement Saratow, und dem ganzen südöstlichen
Russland bis tief in die Kirgisensteppe wird seit Anfang des Jahrhunderts
in grossem Masstabe Sinapis juncea Mayer gebaut und der Samen verar-
beitet. Die Pflanze ist sonst auch in China, Indien und Aegypten zu Hause.
Das älteste und bedeutendste Haus, Gebrüder Glitsch in Sarepta, liefert
jährlich über 800,000 Kilogr. dieses Senfsamens in den Handel und zwar,
von der Samenschale und dem (etwa 25 pC. betragenden) fetten Oele be-
freit, als feinstes, schön gelbes, unter dem Mikroskop sehr gleichförmiges!,
wenig charakteristisches Pulver. Dasselbe entwickelt daher auch mit W asser
44*
U 100 Stück lufttrocken = 0,1755 Grmm.
692
Samen.
den kräftigsten Senfölgeruch. Die filtrirtc Emulsion gibt nach der Beseiti-
gung des coagulirten Myrosins mit Eisenchlorid keine rothe Färbung. Der
milde angenehme Geschmack des fetten Oeles dieser Art hat demselben in
Russland als Speiseöl den Vorrang selbst vor Olivenöl verschafft. — Die
Pflanze liebt den mässig salzhaltigen Boden der Wolgasteppen ganz beson-
ders, erschöpft denselben aber stark.
Ganze Samen, welche ich einem Herbarium-Exemplare der Sinapis jun-
cea aus Canara (Westküste Vorderindiens) von Dr. Hohenacker verdanke,
zeigen äusserlich die grösste Uebereinstimmung mit Sinapis nigra und mes-
sen durchschnittlich 1,3 Millimeter. Sie quellen im Wasser wohl etwas auf,
umgeben sich aber doch nicht mit einer schleimigen Hülle wie die anderen
Senfarten. In der That bietet aber auch Sinapis juncea besondere anato-
mische Verhältnisse.
Die Oberhaut besteht nämlich aus einer einzigen, selbst nach dem Auf-
weichen kaum 10 Mikromillim. dicken Membran, welche dicht auf den fast
ganz verdickten radialen Zellen der äusseren Samenhaut (Samenschale)
liegt. Die letztere ist 25 bis 35 Mikromillim. breit, indem nämlich an ge-
wissen Stellen einzelne Gruppen ihrer Zellen sich höher erheben und da-
durch das polyedrisch-netzige Aussehen der Oberfläche bedingen.
Semen Ricini.
Semen Cataputiae majoris. Ricinussamen. Semences de Ricin. Catapuces.
Castor-oil seed.
Ricinus communis L. — Euphorbiaceae-Crotoneae.
Der Ricinusbaum ist vermuthlich ursprünglich in Indien einheimisch,
wo er uralte Sanskritnamen führt, doch findet er sich auch wild in Nord-
ostafrika (Bogosländer, Sennär, Hartmann), so wie in den mittelpersischen
Gebirgen und im Kaukasus und war bei den alten Aegyptern schon eine
wichtige Oelpflauze. Die Kultur hat ihn schon sehr frühe über die Länder
der alten Welt verbreitet und jetzt gedeiht er in mehreren Spielarten mit
Ausnahme der kalten Zone überall , reift sogar in guten Sommern und bei
sorgsamer Pflege seine Früchte noch um Ohristiania in Norwegen.
In den Tropenläudern ist der Wunderbaum,1) wie er auch heisst, bis
40 Fuss hoch, noch auf Kreta bis 25 Fuss, bei Athen aber nur in guten
Jahren ausdauernd, in der Gegend von Ne.apel 10 bis 16 Fuss hoch und 2-
oder 3jährig. In mehr gemässigten Ländern bleibt er strauchartig und in
unseren Gegenden ist er eine kräftige einjährige Staude von doppelter
Manneslänge mit hohlem Stengel.
Die Fruchtbildung entspricht im allgemeinen derjenigen von Tiglium
1) Nach der Legende, dass Ricinus zu Ninive in einer Nacht zum Baume aufgeschossen
sei, um den Propheten Jonas zu beschatton. — ln Deutschland kannte schon Albert der
Grosse (XIU. Jahrh.) den Ricinus sehr wohl.
Semen Ricini.
693
(vergl. Semen Tiglii), der gleichgestaltete Samen erreicht in Europa 0,0 15m
Länge bei 0,0 10m grösster Breite, ist jedoch mehr abgerundet, namentlich
nicht von einem Kielrande umzogen und auf der äusseren Seite nicht hoch-
gewölbt oder sogar etwas abgeflacht. Indische Samen sind grösser. Gegen
das untere Ende hin ist der Samen merklich dicker , am oberen mit einer
graulichen, im frischen Zustande weissen fleischigen Schwiele (Keimwülst-
chen. Caruncula) versehen. Die auf der Rückenfläche in eine schnabelartige
Spitze auslaufende, hier merklich verdickte Samenschale drückt diese war-
zige Schwiele auf die Bauchseite hinüber, wo am Grunde der Warze der
Nabel wenig in die Augen fällt. Yon ihm läuft eine mehr nur durch bär-
bung und Zeichnung ausgeprägte Nabellinie (Naht. Raphe) bis gegen das
untere Ende der Bauchfläche, gabelt und verliert sich in dessen Nähe, in-
dem ihre Eintrittsstelle (Chalaza. Hagelfleck) in die Samenschale auch
äusserlich durch ein feines erhabenes Pünktchen bezeichnet ist. Wo die Samen-
schwiele abgestossen ist, bleibt eine ansehnliche schwarze Yertiefuug zurück.
Die glänzende graue, durch bräunliche Bänder und Punkte schön be-
malte1) Oberhaut lässt sich nicht abreiben, wohl aber nach dem Einweichen
in lederigen zusammenhängenden Streifen abziehen. Die schwarze, auf der
inneren Seite graue Samenschale ist nicht dicker als bei Semen Tiglii, aber
bei weitem spröder, dem Messer widerstehend. Der Samenkern erfüllt die
Schale ganz und löst sich, von der festen weissen aderigen Samenhaut be-
deckt, leicht ab. Letztere bleibt nur unmittelbar unter der Samenschwiele,
aber hier ganz regelmässig auf der Innenfläche der Samenschale an der
bräunlichen Chalaza hängen.
Der weiche Samenkern stimmt in Betreff seines Baues und der Lage
seines Embryos mit Tiglium überein, nur sind die ebenfalls etwas klaffenden
Keimblätter von Ricinus verhältnissmässig breiter und ihr starker Mittel-
nerv mit 2 oder 3 Paaren Seitennerven versehen. Die Schalen betragen
25, die Kerne 75 pC.
Die sehr dünne Oberhaut der Samen besteht aus eigenthümlichen
fünfeckigen oder sechseckigen löcherigen Tafelzellen, deren Wände gruppen-
weise von bräunlichem Farbstoffe durchdrungen sind und hierdurch das
scheckige Aussehen des Samens erzeugen. Nur diese braunen Zellen wer-
den geschwärzt, wenn man feine tangentiale Schnitte mit Eisenvitriollösung
tränkt. Jod ist ohne Wirkung.
Unter diesen Tafeln der Oberhaut findet sich am unreifen Samen2) eine
Reihe 35 bis 55 Mikromill. langer, fast ganz verdickter farbloser Zellen,
welche dicht radial gestellt der Samenschale aufgelagert sind. Am käuf-
lichen Samen lässt sich diese Zellschicht nicht nachweisen, scheint also
wohl beim Ausreifen zu Grunde zu gehen. Die eigentliche, 200 bis 240
') uud dadurch au eiu Ungeziefer der Hunde, ricinus, erinnernd. Nach anderen wäre
Ricinus aus dem griechischen Klki entstanden, wie die Pflanze jetzt noch in Griechenland heisst.
2) Yergl. über dieselben weiter : A. Gris, Ann. d. Sc. nat. Botaniq. XY (1861) pg. 5 — 9.
694
Samen.
Mikrom. dicke Samenschale selbst besitzt denselben Bau wie bei Tiglium,
ebenso die (innere) Samenhaut, welche nur etwas stärkere Spiralgefässc
zeigt, so wie auch das Eiweiss und der Embryo. Den letzteren Geweben,
die sonst gleichen Inhalt besitzen, wie bei Tiglium, fehlen die Oxalatkrystalle.
Befeuchtet man aber die Samenhaut von Ricinus mit verdünnter Schwefel-
säure, so schiessen nach einigen Stunden Krystallnadeln von schwefelsaurem
Kalk an.
Der Ricinussamen schmeckt milde ölig und nur wenig kratzend, wenn
er nicht ranzig ist. Hauptbestandteil desselben ist das fette Oel, Oleum
Ricini , castor-oil1) der Engländer, wovon die Kerne höchstens die Hälfte
ihres Gewichtes liefern. Das Oel, welches in Indien, in Italien2), Frankreich,
in Nordamerika u. s. w. im grossen dargestellt wird, schmeckt nur wenig
kratzend und enthält zum geringsten Theile den drastischen, noch unbe-
kannten Stoff des Samens, daher eine mit dem letzteren bereitete Emul-
sion weit kräftiger wirkt, als die entsprechende Menge Oel und die Press-
rückstände gefährliche Eigenschaften zeigen. Auch hier wie bei Semen
Tiglii scheint das durch Alkohol oder Schwefelkohlenstoff dargestellte Oel
stärker zu purgiren als gepresstes. Die übrigen Organe des Ricinus besitzen
nicht (wie bei Tiglium) scharfe Eigenschaften, die Blätter z. B. sind durch-
aus ohne bedeutende therapeutische Wirkung.
Das Ricinusöl ist ausgezeichnet durch sein Vermögen, sich mit Alkohol
in jedem Verhältnisse zu mischen. Es trocknet in dünnen Lagen zu einem
firnissartigen Ueberzuge ein. Bei der Verseifung gibt das Ricinusöl mehrere
Fettsäuren , deren Constitution noch nicht völlig feststeht , wahrscheinlich
befindet sich auch Palmitinsäure (Ricinstearinsäure?) darunter. Dem Oele
eigen thümlich sind vermuthlich die krystallisirte Ri ein säure und die un-
ter 0° erstarrende Ricinöls.äure G18H3403, welche aber an der Luft nicht
durch S auer sto flfau fn ahme fest wird und mit der gewöhnlichen Oelsäure
£18 ppu £2 uicjlt homolog ist. Letztere fehlt dem Riciuusöle.
Höchst eigeuthümlich erweist sich dasselbe durch das Verhalten zu
schmelzenden Alkalien, indem sich die Ricinölsäure in Fettsäure G10HlsO4 *
und Alkohole oder Aldehyde spaltet, welche der Reihe GuH2,,0 der gewöhn-
lichen Fettsäuren angehören. Ammoniak gibt mit dem Oele schon bei (>G
schmelzendes Ricinolamid G18H35N02, d. h. ricinölsaures Ammoniak
minus H2LK
Salpetersäure greift das Ricinusöl heftig an und gibt damit eine ganze
Reihe Produkte , worunter namentlich auch die Azelainsäure G‘ Hr O in
bedeutender Menge, neben Oenantliylsäure, Korksäure, Oxalsäure, Blausäure.
1) Der sonderbare Name soll mit den Bibern (castor) Zusammenhängen, für deren Oel man
das des Ricinus ansgegeben hätte!?
2) bei Neapel wird ein fast färb- und geschmackloses Oel gewonnen, indem man die amen-
schale aufschlägt, die Häute wegbläst und die Kerne ohne Anwendung von Wärme presst.
Geringeres und scharf schmeckendes erhält man, wenn die ganzen Samen heiss gepress
werden. — Auch bei Verona wird viel gutes Oel erzeugt.
Semen Ricini.
695
Auch darin zeigt sich die Eigentümlichkeit des Ricmusoles, dass es
nach Loir (1851) und nach Buignet (1861) die Polarisationsebene zu
drehen vermag, welche Eigenschaft unter allen Fetten ausserdem nur noch
dem Rochen- und Haifischthran in geringerem Grade zuzukommen scheint. )
Nach Bower1 2) wäre in den Samen ein Proteinstoff und ein dem
Amygdalin ähnlicher Körper enthalten, durch deren gegenseitige Einwir-
kung bei Gegenwart von Wasser in sehr geringer Menge ein widrig rie-
chender giftiger, die Yerdauuugsorgane stark angreifender Stoff entstände.
Diese Angaben verdienen nähere Prüfung.
Wasser soll nach Tuson (1864) dem Ricinussamen em sublunirbares,
in Aether und Benzin unlösliches Alkaloid von Bittermandelölgeschmack
entziehen. Dieses Riciuin krystallisirt, löst sich in Wasser und Alkohol
und kann durch ersteres auch dem fetten Oele entzogen werden. Es besitzt
weder giftige noch purgirende Eigenschaften.
Die Samenschalen geben 10,7 pC. Asche, zu Vio aus Kieselerde beste-
hend, wodurch ihre grosse Härte sich erklärt. Die Asche der bei 100 ge-
trockneten Samenkerne beträgt nur 3,5 pC.
Curcas purgans Endlicher (Syn.: Jatropha Gurcas L.), gleichfalls aus
der Familie der Euphorbiaceen, ein Strauch oder kleines Bäumchen des
tropischen Amerika, das auf Cuba, in Neu-Granada und den capverdischen
Inseln wie es scheint massenhaft einheimisch ist und in anderen 1 ropen-
ländern cultivirt wird, hat ähnliche, doch meist grössere Samen als Ricinus.
Aus Brasilien besitze ich welche , die nicht oder wenig grösser sind. Ihre
braune Samenschale ist von einer schwarzen rauhen und durch sehr un-
regelmässige Risse gezeichneten Oberhaut bedeckt. In den Kissen liegt ein
sehr lockeres zusammengefallenes Parenchym von bräunlicher I arbe.
Diese Samen, früher auch als Nuces catharticae americanae, Semen
Ricini majoris , schwarze Brechnüsse oder Purgirnüsse, gros pignons
d’Inde, graines de Medicinier, bekannt, enthalten ein äusserst gefährlich
drastisch wirkendes Oel. 5 bis 6 Samen können schon ernstlich giftig wir-
ken, obwohl sie anfangs mandelartig milde schmecken. 1852 wurden
120,000 Pfund derselben von den Cap-verden in Rouen eingeführt und dar-
aus 30,000 Pfd. Oel gepresst. 1860 tauchten sie wieder unter dem Namen
Pulguera-Nüsse in Deutschland auf. Das Oel, oleum infernale, oleum
Curcadis, huile de Medicinier, enthält nach Bouis die mit der Ricinölsäure
isomere, wenn nicht identische Curcasölsäure, und eine eigenthümliche feste
Fettsäure Isocetinsäure G15H30O2. Es soll nach einigen nicht scharf
schmecken, was vielleicht mit der Art der Darstellung zusammenhängt.
Aus Brasilien scheint das Curcasöl auch wohl statt Crotonöl ausgeführt
zu werden.
1) ich finde käufliches Oel bald links, bald rechts drehend. Siehe auch S. 698.
2) Handwörterbuch der Chemio. YI. 865.
Samen.
(>9(>
Semen Tiglii.
Grana Tiglii. Semen Crotonis Tiglii. Purgirkörner. Granatill. Graines
ou semences de Tilly ou des Moluques. Petita piguons d’Inde. Croton seed.
Tiglium offtcinale Klotzsch. — Euphorbiaceae.
Syn.: Croton Tiglium L.
Croton Jamalgota Hamilton.
Auf der Malabarküste, auf Ceylon, Amboina, auf den Philippinen ein-
heimischer Strauch oder kleiner Baum, der in Ostindien, Cochinchiua und
China angebaut wird. Die weibliche Blüthe bringt eine braune brüchige
Fruchtkapsel hervor, welche sich in 3 Fächer trennt, deren jedes bei der
Reife durch das Aufspringen zweier Klappen einen ursprünglich hängenden
gegenläufigen Samen zu Tage fördert.
Die etwa 0,0 12m langen und bis 0,009'“ breiten, im ganzen stumpf-
eiförmigen Samen sind der Länge nach durch einen etwas zugeschärften
Rand in zwei ungleiche Hälften getheilt. Die äussere, höher gewölbte ist
oft fast gekielt, die entgegengesetzte, die der Fruchtaxe zugekehrte Bauch-
fläche, entweder schwach gewölbt oder fast eben, so dass der Querschnitt
des Samens einer Bogenlinie entspricht, welche einen sehr stumpfen Winkel
einschliesst oder eine Raute mit ungleichen Seitenpaaren bildet. Das eiue
Ende des Samens ist mit einer am käuflichen Samen aber nicht mehr vor-
handenen Schwiele versehen , unterhalb welcher auf der Seite der Bauch-
fläche der wenig ausgezeichnete Nabel hervortritt. Yon demselben geht eine
feine braune Linie (Nabelstreifen, Raphe) nach dem anderen, uumerklich
spitzeren Ende des Samens, wo sie auf die Randlinie trifft. Der Durch-
schnittspunkt ist durch einen dunkelbraunen Flecken (Hagelfleck, Chalaza)
nicht sehr scharf bezeichnet. Die Rückenfläche ist besonders gegen den
Nabel und die Chalaza hin etwas längsstreifig oder furchig, die Bauchflächen
mehr glatt.
Die glänzende braune oder graugelbliche, wenig und klein gefleckte
Oberhaut erscheint durch Abnutzung matt und mehr graulich, wie bestäubt;
wo sie stärker abgescheuert ist, tritt die schwarze spröde, gegen Vs Milliin.
dicke , auf der inneren Fläche graue Samenschale selbst zu Tage. Sie ist
ganz vom weisslichen oder bräunlichen derben öligen Samenkerue ausge-
füllt, sofern er nicht, in geringer Waare, verkümmert ist. Er löst sich leicht
von der Schale ab, wobei das zarte farblose aderige Sameuhäutchen theils
an dieser, theils am Kerne hängen bleibt.
Der Längsschnitt durch die Raudlinie bringt die zwei in der Ebene der-
selben flach ausgebreiteten, 0,007'" langen Keimblätter zur Anschauung.
Sie sind stumpf oval, aus ihrem Aderuetze treten 3 Hauptstämme (Nerven)
stark hervor, aus dem herzförmigen Grunde das gegen 3 Milliru. lange
dicke gerade, gegen den Nabel gerichtete Würzelchen. Die dünnen Keim-
blätter sammt dem W ürzelchen sind rings vom Sameneiweiss umschlossen,
Semen Tiglii.
697
welches durch geringen Druck leicht in zwei den Kotyledonen entsprechende
Hälften zerfällt. Die letzteren sind ihrer ganzen Länge nach durch eine
schmale Kluft aus einander gehalten, nicht auf einander liegend.
Eine gewöhnliche, mit ziemlich vielen schimmeligen und verschrumpften
. Samen versehene Waare gab mir 31,6 pC. Schalen und 68,4 Kerne.
Die dünne Oberhaut der Samen ist in ihrer äusseren Lage aus kleinen
■ eckigen, nicht eben dickwandigen parenchymatischen Zellen gebildet, in der
inneren, nicht scharf trennbaren und wenig zusammenhängenden Lage
dagegen aus derberen, kurz fadenförmigen und verfilzten Zellen mit porösen
Wänden. In der Raphe finden sich neben diesen Fadenzelleu auch zahl-
reiche lange Spiralgefässtränge.
Die äussere, nicht sehr fest zusammenhängende Oberhautschicht ist
von braunen, in Jod und in Kali unveränderlichen Körnern erfüllt, neben
denen aber ziemlich zahlreiche, äusserst kleine, nur etwa 3 Mikromill.
messende Stärke abgelagert ist. Die innere verfilzte Schicht der Oberhaut
ist fast farblos und ohne Inhalt; die Zellwände jedoch werden durch Eisen-
salze etwas gefärbt. Diese innere Schicht dürfte vielleicht der Ueberrest
eines bei der Samenreife veränderten Gewebes sein (vergl. bei Semen
Ricini S. 693).
Die Samenschale besteht aus einer Schicht äusserst dicht gedrängter,
bis über 20 Mikromill. dicker, radial gestellter, sehr verlängerter Steiu-
zellen , deren zierlich poröse bräunliche Wände fast ganz verholzt sind.
Die (innere) Samenhaut enthält in einem sehr zarten verworrenen farb-
losen Parenchym verzweigte Bündelchen feiner abrollbarer Spiralgefässe.
Das Sameneiweiss besteht aus ansehnlichen , aber zartwandigen kuge-
ligen Zellen, das durch ein farbloses Häutchen davon getrennte Gewebe der
Keimblätter aus viel kleineren, mehr eckigen und besonders in den äusseren
Schichten regelmässig geordneten Zellen. Einzelne zartere, etwas in die
Länge gezogene Gruppen derselben deuten die zukünftigen Gefässbündel an.
Befreit man dünne Schnitte des Samens vermittelst Aether und Kali
vom fetten Oele, welches das ganze Gewebe erfüllt, so bleiben sehr kleine
Körnchen von Protein stoffen, zum Theil sogenanntes Alcuron (siehe S. 667)
zurück. Hier und da erblickt man auch, sowohl im Eiweisse, als im
Embryo kleine Krystallrosetten von Kalkoxalat. Stärkmehl fehlt hier.
Der Samen schmeckt anfangs milde ölig, sehr bald aber gefährlich
brennend und lange anhaltend scharf. 1 — 2 Samen wirken heftig drastisch,
eine nur wenig grössere Anzahl selbst tödtlich. Diese Eigenschaften kommen
auch weniger intensiv besonders dem frischen Holze zu, das früher als
Lignum Pavanae oderPanavae, lignum moluccanum sowohl von Tiglium
officinale als von dem sehr ähnlichen Croton Pavana Hamilton gebräuchlich
war. Sogar die Blätter scheinen purgirend zu wirken. — Beim Erwärmen
geben die Samen scharfe, Augen und Nase heftig augreifende Dämpfe aus.
Hauptbestandteil des Crotonsamens ist das fette Oel, Oleum Crotonis ,
dessen Gewicht 50 — 60 pC. des Kernes beträgt. Es wird theils in Indien,
698
Samen.
theils in England gepresst, tbeils auch wohl im kleinen vermittelst Alko-
hol, Aether oder Schwefelkohlenstoff1) ausgezogen. Letzteres Verfahren
liefert ein energischer wirkendes Produkt und darf deshalb nicht ohne
weiteres eingeschlagen werden. Das meist bräunliche dickflüssige Del
wird leicht ranzig, wodurch auch seine grössere oder geringere Löslichkeit
im 20- bis 30 fachen Gewichte Weingeist bedingt ist. Obwohl es durch
salpetrige Säure nicht fest wird und sich an der Luft etwas verdickt, scheint
es doch nicht die Fettsäure der eigentlichen trocknenden Oele (Leinöl,
Mohnöl) zu enthalten. Es kommen darin vor, an Glycerin gebunden,
mehrere der höheren Glieder aus der Fettsäurenreihe G"H2nO (z. B. Stearin-,
Palmitin-, Myristin-, Laurin-Säure) sowohl, als auch solche aus der Reihe
G"H2n 2-G2 *, worunter auch Angelicasäure (vgl. Radix Augelicae). Diese
Glycerinverbindungen sind es auch, welche in der Kälte sich aus dem Oele
absetzen, und keineswegs irgend ein eigenthümlicher Körper („Crotonarin“).
Dem Oele eigenthümlich ist die der letzteren Reihe ungehörige flüssige2)
und nicht trocknende flüchtige Crotousäure G4 *H602. Sie ist nach
Schlippe vollkommen wirkungslos. Der drastisch wirkende Stoff des
Oeles ist noch nicht bekannt, scheint aber, wie schon angedeutet, nicht nur
in den Samen, sondern auch im Holze und den Blättern des Bäumchens
vorzukommen und würde wohl daraus leichter zu gewinnen sein.
Schüttelt man, nach Schlippe, das Oel mit weingeistigem Natron und
nach einiger Zeit mit Wasser, so erweist sich das aufschwimmende Oel frei
von aller Schärfe, während die weingeistige Lösung auf Zusatz von ver-
dünnter Salzsäure ein dunkelbraunes, die Haut heftig entzündendes Oel,
das Crotonol G1SH28G4, gibt. Es ist im reinen Zustande eine terpenthin-
artige, nicht destillirbare farblose oder schwach gelbliche Flüssigkeit von
eigenthümlichem schwachem Gerüche , zu etwa 4 pC. im fetten Oele ent-
halten, löslich in Aether und Alkohol. Alkalien und Säuren zersetzen es
unter Aufhebung der hautröthenden Eigenschaft in noch nicht festgestellte
Spaltungsprodukte, welche den oftanSenega erinnernden Geruch des (nicht
ranzigen) Crotonöles und wohl auch das Auftreten eines flüchtigen Oeles
bedingen und zum Th eil auch in der sehr dunkeln, beim Verseifen des
Oeles entstehenden Lauge enthalten sind. Das Crotonol erinnert demnach
sehr au das Cardol aus den Anacardium-Früchten. Das Crotonol ist im
reinen Zustande indifferent, Weingeist vertpag ihm das drastische Princip
zu entziehen, und die Wirkung auf die Haut kömmt, nach Schlippe,
allein dem Crotonol zu, welches dagegen nicht purgirt. (
Vautherin hat (1864), ohne die treffliche Untersuchung Schlippes
(1858) zu berücksichtigen, abweichende Resultate erhalten.
1) solches von mir selbst dargestelltes Oel finde ich links rotirend nnd zwar stärker als
Ricinusöl. , , , Ä j:a
2) Nach Claus, der sie vermittelst Cyanallyl uud Kali künstlich dargcstellt at, war
Crotonsäure von Buttersiiure-Geruch und bei 0° krystallisirbar. Auch Will u- 5rIje*
hatten sie schon früher vermittelst aus Senföl (vgl. bei Semen Sinapis) gewonnenem Cyanallyl
erhalten und krystallisirbar gefunden.
Semen Paradisi.
699
Tuson will (1864) durch Wasser aus den Crotonsamen ein dem (noch
ganz unbekannten!) Cascarillin ziemlich ähnliches Alkaloid erhalten haben,
das krystallisiren soll.
Die Samenschalen geben 2,6 pC. Asche, die bei 100 C. getrockneten
Kerne 3 pC.
Die Crotonsamen wurden wohl von jeher in ihrem Yaterlande medi-
cinisch gebraucht, dann besonders auch von den arabischen Aerzten des
XIII. Jahrhunderts. In Europa erwähnte zuerst 1578 der Portugiese
d’Acosta die Samen und das Holz, Johann Bauhin (1541 1613) die
Samen unter dem Namen Pinei nuclei moluccani sive purgatorii; sonst
Messen sie auch Cataputiae minores. Das Oel hat eigentlich erst seit der
Empfehlung Conwels (um 1830) in Europa recht Eingang gefunden, ob-
wohl seine Wirkung auch hier schon seit der Mitte des XVII. Jahrhunderts
bekannt war.
Croton Pavana Hamilton, im nordwestlichen Bengalen und Hinterindien
(Birma), besitzt sehr ähnliche, nur kleinere und dunklere Samen , die noch
heftiger zu wirken scheinen. Die viel verbreitete Ansicht, dass dieselben
die ursprünglichen eigentlichen Grana moluccana von Rumphius gewesen
seien, ist von Berg widerlegt worden. Mehrere andere ostiudische Oroton-
Arten scheinen übrigens dasselbe drastische Oel zu enthalten.
D. aromatische Samen.
Semen Paradisi.
Grana Paradisi. Piper Malaguetta. Cardamomum piperatum. Paradies-
körner. Pariskörner. Malagetta-Pfeffer. Graiues de Paradis. Maniguette.
Malaguette. Guinea grains.
Amomum Granum Paradisi Afzelius — Zingiberaceae.
Die grossen Kapseln dieser in Sudan und den Küstenländern von Guinea
einheimischen und kultivirten Pflanze enthalten zahlreiche, 3 Millim. grosse
Samen, welche im allgemeinen den Cardamomen ähnlich sind; jedoch lose,
ohne die Fruchtkapsel, sogar vom Samenmantel befreit, im Handel Vor-
kommen. Sie unterscheiden sich ferner durch die glänzend braune höcke-
rige, nicht runzelige Oberfläche und den Mangel einer deutlichen Längs-
furche (Raphe). Der Nabel ist mit den ansehnlichen zerschlitzten weiss-
lichen Resten des Nabelstrauges schnabelartig gekrönt. Die Samen sind
sehr verschieden , bald rundlich bald eckig ; sehr viele bilden eine 4- oder
5seitige Pyramide mit ebener Grundfläche. Ihr anatomischer Bau zeigt,
bei aller Uebereinstimmung mit dem der Cardamomen, doch bestimmte Unter-
schiede. Die farblosen Zellen des Eiweisses z. B. sind weit mehr gestreckt, bei
der sehr harten dunkelbraunen Samenschale stimmt nur die innerste Schicht
mit der entsprechenden Steinschale der Cardamomen überein, während die
700
Samen.
mittlere so dicht verholzt ist, dass nur einzelne entfernte aus einander
gestellte weite Lücken offen geblieben sind. Die äusserste Schicht der
Samenschale besteht aus dickwandigen prosencliymatischen helleren Zellen,
deren ziemlich weite Höhlungen im Querschnitt radial gestreckt erscheinen.
Der Inhalt der Eiweisszellen wie bei Cardamomen ; das fette Oel fiudct sich
im Embryo, Stärkekörnerim Eiweiss und Endosperm, von derselben Grösse ]
wie in den Cardamomen. Der Gehalt au ätherischem Oele ist geringer 5
(V2 pC., Will er t) , dafür waltet ein sehr scharfes Harz vou ganz pfeffer-
artigem, nicht eben aromatischem Geschmacke vor, womit die Samenschale ]
reichlich durchtränkt ist. Hierin liegt der Hauptunterschied von den Car- :
damoiusamen, welche rein aromatisch schmecken.
In früheren Zeiten, wo die jetzt wenig mehr gebräuchlichen Paradies- 3
köruer noch viel angewendet wurden, scheinen auch von noch anderen h
Amomum- Arten ähnliche Samen als Meleguetta-Pfeffer1) nach Europa ge- j
kommen zu sein ; namentlich auch aus Guyana (Demerara) diejenigen von '
Amomum Meleguetta Roscoe, welche Pflanze nach einigeu nur eine durch
Verpflanzung nach Südamerika entstandene Spielart des Amomum Granurn
Paradisi wäre.
Schon sehr frühe gelangten die Paradieskörner als hochgeschätzte kost-
bare Droge auf dem langen Landwege von der Westküste Afrikas nach dem
Mittelmeer. Ein Küstenstrich Westafrikas, in der jetzigen Negerrepublik
Liberia, hatte daher den Namen Körnerküste oder Pfefferküste erhalten.
Diego Cam, Begleiter des berühmten Nürnbergers Martin Behaim, holte 1
die Malaguetta 1484 von dort zum erstenMale direkt nach Portugal. Edrisi j
und andere Reisende des früheren Mittelalters hatten wohl unter diesem i
Namen zum Theil Cardamomen verstanden.
Piper album.
Semen Piperis album. Sem. Piperis nigri. Weisser Pfeffer. Poivre blaue. : ;
White pepper.
Abstammung S. 615.
Die innere Haut der als Piper nigrum beschriebenen beerenartigen
Frucht ist fest mit der Samenschale verwachsen , dagegen lassen sich die
äussere und mittlere Schicht der Fruchthaut, also der bei weitem grössere
Theil derselben, ablösen. Die Trennung geschieht in derjenigen Schicht j
der inneren Fruchthaut, welche sich durch kleine Spiralgefässe und weiss-
liche Färbung auszeichuet (vgl. S. 616), so dass also der Sameukern allein
zurückbleibt, bekleidet mit der unversehrten Samenschale, der unteren
Schicht der inneren Fruchthaut und einem Theile der oberen (äusseren) Schicht
der letzteren. So geschält, heissen diese Samen daun weisser Pfeffer.
Man verwendet zur Herstellung dieser Waare in ihrer Heimat mehr
1) auf den Azoren heisst auch die Capsicumfrucht Malagetta.
Piper album.
701
rotlie und gelbe, ausgereifte Beeren, sogar freiwillig abgefallene. Sie werden
2 Wochen lang in rinnendes Wasser, nach andern in feuchte Graben gelegt,
wodurch die zu trennenden Schichten der Fruchthaut allmälig aufgelockert
werden, bersten und sich dann nach dem Trocknen an der Sonne abreiben
lassen. Malabar, Penaug, Singapore sind die wichtigsten Produktions-
gegenden; den schönsten weissen Pfeffer liefert Tellicherry an der
Malabarküste.
Es versteht sich, dass diese Schälung sich auch an dem schwarzen
Pfeffer des Handels vornehmen lässt, wenn er hinlänglich entwickelt gelie-
fert wird, und es soll dieses wirklich in England und Holland geschehen;
nach andern Angaben indessen wird dort nur weisser Pfeffer noch gebleicht.
Der so dargestellte weisse Pfeffer scheint kleiner, weniger glatt, aber
etwas schärfer zu sein, als der aus Indien. — Ohne Zweifel wird die euro-
päische Industrie die äusseren Fruchthäute gleichfalls, vermuthlich als
gepulverten Pfeffer, zu verwerthen wissen. Das Mikroskop zeigt, dass die-
selben an Harz und ätherischem (auch fettem ?) Oele reich sind.
Der weisse Pfeffer ist etwas grösser als der schwarze, weil er aus reifen
Früchten gewonnen ist. Er ist kugelig, bald etwas niedergedrückt, bald
mehr länglich, oben deutlich abgeplattet. Unten ist die Fruchthaut, nicht
die Samenschale, verdickt und zur kurzen Spitze ausgezogen. Yon der-
selben aus laufen in gleichen Abständen feine helle Streifen (Spiralgefässe)
wie Meridiane nach oben. Es sind ihrer ungefähr 12; etwa die Hälfte davon
geht bis in die Nähe des abgeplatteten Poles, die übrigen bleiben schon
früher zurück.
Die Farbe ist graulich, bei den schönsten Sorten aus Malabar
hell gelblich weiss. Schabt man diese helle Fruchthaut ab, so tritt
die harte dunkelbraune Samenschale zu Tage. Der anatomische Bau ent-
spricht ganz den betreffenden Geweben des schwarzen Pfeifers; der weisse
ist nur voller, mit besser ausgebildetem Eiweiss versehen, der Embryo
zwar auch hier verkümmert.
Auch Geruch und Geschmack des weissen Pfeifers sind nicht verschieden
von dem des weissen, höchstens etwas feiner, aber schwächer, da die Frucht
schon durch das Ausreifen an ihrer Schärfe einbüsst.
In chemischer Hinsicht wäre noch zu untersuchen, ob nicht das Piperin
ausschliesslich dem Sameneiweiss angehört, oder ob es auch in den äusseren,
beim weissen Pfeffer entfernten, Fruchttheilen vorkömmt. Diese dürften
dagegen das fette Oel (?) und jedenfalls das Harz reichlicher enthalten,
während ätherisches Oel und wohl auch Harz sich in der Samenschale und
dem Eiweiss (des weissen Pfeifers) gleichfalls finden. Nach Lecanu gäbe
weisser Pfeffer etwas weniger ätherisches Oel.
Die Schälung des Pfeifers hat also keinen triftigen chemischen Grund,
wenn nicht etwa theilweise Beseitigung von Harz und Oel, sondei'n muss
mehr als Modesache angesehen werden. Die weitaus grösste Menge des
weissen Pfeifers geht übrigens nach China.
702
Samen.
In älterer Zeit scheiut unter dem Namen weisser Pfeffer eine eigene
Droge, nicht nur geschälte Früchte des Piper nigrum, verstanden worden
zu sein. Auch ist unklar, was uns Theophrast, Dioskorides und Pli-
nius über weissen und schwarzen Pfeffer berichten.
Semen Myristicae.
Nux moschata. Muskatnuss. Muscade. Noix de Banda ou de muscades.
Kutmeg.
Myristica fragrans Houttuyn. — Myristiceae.
Sy n.: M. moschata Thunberg.
M. aromatica Lamarck.
M. officiualis L. fil (nec Martius)»
Der Muskatnussbaum ist auf den östlichen Inseln des indischen Archi-
pelagus einheimisch, wo er sich in dichten Wäldern jetzt noch wild z. B.
auf Halmahera (Dschilolo) und Neu-Guinea findet. Sehr isolirt wird er auch
auf den Nicobaren angegeben (Novara).
Dieser in allen seinen Theilen stark aromatische Baum erreicht 50 bis
70 Fuss Höhe und verzweigt sich von 15 bis 20 Fuss Höhe an zu einer
pyramidalen, sehr astreichen Krone. Er reift seine Früchte erst vom 8ten
Jahre an und steht nicht vor dem 25sten in voller Kraft, soll aber bis zum
60sten oder gar bis zum 80sten Jahre ertragsfähig sein und liefert jährlich
bis 2000 Früchte. Der Baum ist diöcisch, die Aussaat liefert oft nur Vs
männlicher Pflanzen, aber schon 2 bis 10 derselben genügen in der Kultur
zur Befruchtung von 100 weiblichen, welche überdies länger dauern. Die
Pflanzungen müssen gehörig beschattet sein, die Nichtbeachtung dieses Er-
fordernisses hatte 1859 — 1864 den Untergang der Bäume auf Singapore1)
zur Folge. .
Die weiblichen Blütheu sitzen einzeln auf kurzen Stielen und liefern
Jahr aus Jahr ein reife Früchte, bei weitem die meisten aber im Mai und
Juni, dann wieder im September und October. Dieselben werden jetzt fast
ausschliesslich von der kleinen Gruppe der Banda-Inseln in den Handel ge-
bracht; doch sind darunter nur Pulu Aij, Banda-Neira und ganz besonders
die ansehnlichste dieser Inseln, Banda-Lonthoir (die „grosse" Banda-Insel),
mit sogenannten Muskatnussgärten besetzt. Auch Ambon (Amboina) hat
viele Pflanzungen. Weniger Muskatnüsse kommen von Java, Sumatra und
von der Malaccastrasse, so wie aus andereu Tropenläudern.
Die Frucht ist eine okergelbe überhängende kugelig-eiförmige, ungefähr
0 05"’ messende Beere mit kurz behaarter, auf der einen Seite von einer
Naht durchzogener Oberfläche. Das trocken fleischige, zuletzt lederartige,
etwa 0,0 lm dicke Fruchtgehäuse öffnet sich bei der Reife in 2 Klappen und
1) Ansland 1865. 380. - Jagor, Singapore. Malacca, Java. Reiseskizzen. Berlin 1866.
pag. 21.
Semen Myristicae.
703
enthält einen einzigen nussartigeu Samen, welcher von einem zerschlitzten
fleischigen schön karminrothen Mantel (arillus) eingehiillt ist. Der letztere,
am Grunde mit der Samenschale und dem Nabelstreifen verwachsen, wird
leicht und unversehrt abgelöst, für sich an der Sonne getrocknet und unter
dem Namen Macis oder Muskatbliithe in den Handel gebracht (vergl.
Macis).
Die glänzend dunkelbraune feinwarzige Samenschale zeigt nach der
Entfernung der Macis Eindrücke, welche den Lappen derselben entsprechen,
obwohl die knöcherne Samenschale sehr fest und 0,00 lm dick ist. Sie er-
scheint im Umrisse eiförmig, etwa 0,035'” laug und 0,025'“ breit, stellenweise
mit einer dünnen körnigen mattgrauen Membran belegt. Die eine Hälfte der
Samenschale pflegt etwas abgeflacht zu sein und ist von dem breiten, doch
nicht immer sehr scharf hervortretenden Nabelstreifen durchzogen. Nach
unten zu breitet sich derselbe aus, indem seine Ursprungsstelle, der Nabel,
nicht genau in der Axe des Samens liegt, sondern ein wenig auf die mehr
gewölbte Schalenfläche verrückt ist. Diese ganze Region , wo die Samen-
schale mit dem Samenraantel verbunden ist, zeichnet sich durch hellere,
weniger glänzende Färbung aus. Durch die Spitze der Samenschale, eine
bisweilen stark hervortretende stumpfe Warze, welche der flacheren Seite
der Samenschale genähert ist, tritt der Nabelstreifen in den Samen ein und
dehnt sich in der inneren Saraenhaut zum sogenannten Hagelflecke (Cha-
laza, innerer Nabel) aus.
Diese nicht aufspringende Schale (testa) stellt also die äussere ver-
knöcherte Samenhaut dar und ist nicht mit einer eigentlichen Nuss zu ver-
gleichen. Sie gelangt nicht in den Handel; die sogenannte Muskatnuss ist
nur der aus der zerschlagenen Schale herausgenommene Kern, welcher von
der inneren Samenhaut bedeckt sich nach scharfem Trocknen in Rauch-
kammern von der Schale zurückzieht und völlig ablöst.
Die frühere Handelspolitik der Holländer wollte die Keimfähigkeit der
in den Handel gebrachten Muskatnüsse zerstören und hat deshalb den
sonderbaren Gebrauch eingeführt, die Schale der zuerst künstlich getrock-
neten Samen zu zerbrechen und den Kern noch längere Zeit hindurch, an-
geblich bis zu 3 Monaten, in Kalkmilch einzulegen. Wie widersinnig dieses
Verfahren ist, geht daraus hervor, dass, nach Teijsman, die Keimkraft
des Samens schon ohne weiteres bei 8 tägigem Liegen in der Sonne verloren
geht. In der Kalkmilch verderben viele Samen und dieWaare muss eiuem
nochmaligen Trocknen unterzogen werden.
Die Muskatnuss des Handels zeigt die ungefähre Gestalt ihrer (besei-
tigten) äusseren knöchernen Bekleidung und eine entsprechend etwas ge-
ringere Grösse. Ihre bräun lieh graue, an der vertieften Chalaza etwas dunk-
lere, am Nabel etwas hellere Farbe pflegt durch anhängenden kohlensauren
Kalk mehr oder weniger verdeckt zu sein. Die Oberfläche ist in Folge der
Faltung und Einschrumpfung der dünnen (inneren) Samenhaut von ziem-
lich starken verästelten Adern gerunzelt. An der etwas flacheren Seite zieht
704
Samen.
sich der Nabelstreifen gegen den oft von Insekten (dein „Muskatwurm“)
angefresseuen Nabel herunter.
Die innere Saraeuhaut lässt sich nicht zusammenhängend vom Kerne
abzichen und ein Schnitt durch denselben zeigt, dass sie unregelmässig,
doch im ganzen ziemlich strahlenförmig in langen und schmalen braunen
Streifen oder etwas erweiterten Buchten bis in das Centrum des grauweissen
Eiweisses eindringt. Das letztere selbst enthält ausserdem noch einzelne heller
umschriebene , übrigens nicht abweichend gebaute Stellen seines Gewebes.
Im Grunde des Eiweisses, dicht am Nabel, findet sich der ansehnliche, bis
0,0 lm messende rothbraune Embryo, aus einem kurzen, dem Nabel zuge-
wendeten Würzelchen und zwei dünnen becherförmig auseinander stehen-
den Keimblättern gebildet, deren zerschlitzte krause Ränder in das Eiweiss
eindringen.
Das Innere der Muskatnuss bietet daher ein sehr eigenthümlich gestreif-
tes, marmorirtes oder gefeldertes Aussehen dar. Das ganze Gewebe ist
gleichmässig leicht und wachsartig schneidbar, obwohl von hohem specifi-
schem Gewichte und in Wasser sogleich untersinkend. Der ganze Samen-
kern ist trotz dem Eindringen der Samenhaut fest zusammenhängend, nicht
zerklüftet oder bröckelig, wie z. B. der ihn ähnlicherWeise von der Samen-
haut durchsetzte Cacao.
Die Samenschale (testa) besteht vorwiegend aus starren langen dünnen
und radial geordneten Zellen, welche sehr dicht in einander verflochten sind
und keine deutliche Höhlung erkennen lassen. Die innere Schicht dieser
radialen Zellen, etwa 700 Mikromill. breit, ist braun gefärbt; die äussere,
nur 1 20 Mikrom. breit und aus mehr lockeren bogenförmig geneigten dünn-
wandigen Zellen, ist vorwiegend farblos, jedoch stellenweise mit festem tief
rothbraunem Inhalte gefüllt und an anderen Stellen radiale Lücken frei las-
send. Dieselben dunkel rothbraunen Klümpchen sind sehr reichlich vor-
handen in dem äusseren, etwa 200 Mikr. breiten und etwas tangential ge-
streckten Parenchym, welches auf die radialen Zellenreihen folgt, ln dem-
selben verlaufen auch dünne Gefässbiindel. Die Oberfläche der Samenschale
ist aus grossen kubischen oder etwas taugential gestreckten dickwandigen
Zellen gebildet.
Die innere Samenhaut besteht aus zaxtw and i gern rothbraunem Gewebe
mit sehr zerstreuten kleinen Gefässbündeln. In den äussersten Lagen, welche
an der Handelswaare noch erhalten sind , zeigt diese Samenhaut kleine zu-
sammengefallene, oft rund scheiben- oder tafelförmige oder mit geschlängel-
ten Wänden versehene Zellen, welche aber straffer und regelmässig mauer-
förmig werden , da wo die Haut faltenförmig in das Eiweiss eindriugt
Vorherrschend aber besteht das Gewebe, das diese Falten der Samenhaut
ausfüllt, aus sehr viel weiteren kubischen oder unregelmässig kugelig-ecki-
gen, aber immer ganz dünnwandigen Zellen. Jede halte enthält sehr un* •
regelmässig verlaufende schwache Gefässbüudel, jedoch immer nur in jenem i
mauerfönnig eindringenden Gewebe, welches auf die Mitte der Falten oder
Semeu Myristicae.
705
Einstülpungen beschränkt ist. Dem weitmaschigen Füllgewebe selbst, welches
grösstentheils jeue Falten bildet, fehlen die Gefässe.
Das Eiweissgewebe ist zartwandiges , wenig regelmässig kugeliges, ei-
förmiges oder etwas eckiges Parenchym, welches sehr dicht von ansehnlichen
(bis 20 Mikromill. messenden) Stärkekörnern und krystallisirtem oder zu
Tropfen erstarrtem Fette gefüllt ist. ’) Erstere sind entweder einzelne oder
zu 2 bis 6 und mehr vereinigte und dadurch etwas abgeflachte kugelförmige
Gestalten. Unter den Gruppen vorherrschend prismatischer Fcttkrystalle
machen sich oft grosse dicke rhombische oder sechsseitige Tafeln be-
merklich. Daneben finden sich auch Aleuron-Körner (vgl. S. 667).
In einzelnen Zellen, welche oft ziemlich gleichmässig zwischen die übri-
gen vertheilt sind, erscheint der Inhalt dunkel rothbraun, vermutklick durch
denselben Farbstoff, wie in der Samenhaut, ohne Zweifel verbunden mit Harz
und ätherischem Oele. Mit solcheu braun gesprenkelten Partieen kontrasti-
ven andere, fast rein weisse eckige oder rundliche Felder, welche sich ent-
fernter von den Falten oder Keilen der Samenhaut im Eiweisse finden.
Der Geruch und Geschmack der Muskatnuss ist eigenthümlick aroma-
tisch.* 2) Die äussere knöcherne Samenschale allein ist geschmacklos.
Neben dem Amylum ist das Fett der Hauptbestandtheil der Nüsse,
welcher etwa x/4 ihres Gewichtes beträgt. In demselben kömmt, ohne Zweifel
neben anderen Fettsäuren, die Myristinsäure G14H2802, eines der höhe-
ren Glieder der .Fettsäurereihe vor, das sich auch noch aus Walrath ge-
winnen lässt.
Durch Pressen der erwärmten Samen erhält mau das Fett gemengt mit
ätherischem Oele und gelblich oder bräunlich gefärbt von fast butterartiger
Consistenz, bei 45° C. schmelzend.
Dieses Gemenge wird auch in Indien aus unverkäuflichen Nüssen
gewonnen und als Muskatbalsam, Oleum seu balsamum nucistae,
in den Handel gebracht. Der häufigen Verfälschungen wegen ist die Selbst-
darstelluug desselben sehr zu empfehlen.
Das ätherische Oel, das hauptsächlich Geruch und Geschmack der Sa-
men bedingt, beträgt etwa 6 pC. und besteht, nach Cloez, fast ganz aus
einem, bei 165° C. siedenden Kohlenwasserstoffe, welcher mit Terpenthiuöl
isomer ist, aber beim Stehen mit Alkohol und Salpetersäure kein krystalli-
sirtes Hydrat gibt. Er ist, wie Koller gezeigt hat, identisch mit dem Macen
(vergl. bei Macis). Aus dem rohen Oele setzt sich bisweilen der in 19 Thei-
len kochenden Wassers lösliche gewürzhafte Muskatcamp her, das My-
risticin, G10H20O3 * * (Mul der) in langen Prismen ab.
Nach der gewöhnlichen Annahme wären weder die Muskatnuss noch
die Macis den Alten bekannt gewesen. Martins hält jedoch dafür, dass
J) Bonastre (1823) gab 2,4 pC. Stärke an, sic beträgt aber vormuthlich weit mehr.
2) aber keineswegs an Moschus erinnernd. Man bczoichnete im Alterthum und Mittelalter
vielerlei Wohlgeruchc mit dem Namen Moschus, daher Nnx moschata, Moschocaryon , ohne
besondere Beziehung auf nnseren Moschus.
Flückigcr, Pharmakognosie.
45
70G
Samen.
letztere zur Zeit des P 1 a u t u s , die N uss selbst schon P 1 i n i u s (nach L a n g-
kavel auch Dioskorides) bekannt gewesen sei. Das in Rom damals be- '
liebte Salböl Myron scheint auch zum Theil unser Oleum nucistae gewesen
zu sein. Schon sehr frühe wurde die Droge jedenfalls von den Arabern aus
Indien geholt und im Abendlande verbreitet. In ihrem Vaterlande und dem
indischen Festlande war sie wohl schon lauge zuvor als Gewürz angewandt. ’)
In Deutschland wie in Frankreich und sogar in Dänemark war daher
die Muskatnuss schon bekannt, bevor der Venetianer Nicolo Conti2) im
XV. Jahrhundert die erste Nachricht von ihrer Heimat brachte und bevor
die Portugiesen sie 1511 in der That auf den Banda -Inseln trafen, seit <
welcher Zeit erst dieses früher so hochgeschätzte kostbare Gewürz allge- I
meiner zugänglich wurde.
Aehnlich wie bei Zimmt und Nelken hatten sich die Nachfolger der
Portugiesen, die Holländer, das Monopol des Artikels anzueignen getrachtet, 1
indem sie die Muskatbäume auf Banda und Ambon beschränkten und
überall anderswo auszurotten suchten, auch wohl bei übergrosser Produk-
tion (z. B. noch 1763) einen Theil der Waare verbrennen Hessen.
In neuerer Zeit ist der Verbrauch immer geringer geworden, so dass z. B. *
auf Java die holländische Regierung die Cultur (1864) eingestellt hat. Die
320,000 Bäume der 34 Pflanzungen auf den 3 genannten Banda-Inseln er-
zeugten 1856 etwas über 5000 Centner Nüsse und 1300 Ctr. Macis. —
England führte 1860 etwa 4700 Ctr. der ersteren ein, Frankreich nur 600
Ctr. — In letzter Zeit hat sich die Ausfuhr aus Pulo Pinang und Siugapore
sehr gehoben, 1860 z. B. auf mehr als 6000 Piculs.
Der Gesammtwerth der jährlichen Produktion von Muskatnüssen dürfte
nach Scherzer (Novara, commerc. Theil) auf etwa l'/a Millionen Francs |
austeigen, der der Macis auf etwa */* Million.
Macis.
Arillus Myristicae. Muskatblüthe. Muskatblumen. Fleur de muscade.
Le macis. Mace.
Wie bei Semen Myristicae erwähnt, wird derselbe von einem sehr eigen-
thümlichen fleischigen Samenmantel umhüllt, welcher am Grunde der steiu-
schalenartigen äusseren Samenhaut sowohl mit dem Nabel als auch mit
dem zunächst liegenden Stücke des Nabelstreifens allerdings nicht sehr
fest verwachsen, somit aus einer Wucherung dieser Tlieile hervorgegangen
ist. Dieser Mantel ist die Macis oder Muskatblüthe des Handels und be-
trägt ungefähr 13 pC. des ganzen Samens nach dem Trocknen, während
auf den Samenkern (mix moschata) 53 pC. kommen.
1) Mau Lat die Muskatnuss auch in altägyptischeil Mumiensärgen gefunden (Merat und
do Leus. — Martiny).
2) Poscliel, Geschichte der Erdkunde. Muuclicn 1S65 pag. 167. 207. — Simeon
Seth (XI. Jahrh.) gedenkt zuerst unzweifelhaft der Muskatnuss.
Macis.
707
Iin frischen Zustande ist der Samenmantel fleischig und von schön
karminrother Farbe, er umschliesst den Samenkeru nur zu unterst ganz
ringsum, theilt sich aber durch einige wenige, fast oder ganz bis auf den
Grund gehende Einschnitte in breite Lappen, die nun wieder in lange
schmale, oft nochmals getheilte bandartige Streifen zerschlitzt sind. Die-
selben steigen wellenförmig gekrümmt empor, zwischen sich zahlreiche läng-
lich-runde oder spitz -elliptische Felder des dunkelbraunen bamenkernes
unbedeckt lassend, drängen sich aber oben zu einer dichten krausen Um-
hüllung der Samenspitze zusammen.
Die mit Messern oder nur mit der Hand abgelöste Macis wird in der
Sonne getrocknet und nimmt dabei eine trübe gelbröthliche Färbung, matten
Fettglanz und hornartige, aber brüchige Consistenz an und ist etwas durch-
scheinend. Im Wasser quillt sie nicht bedeutend auf. Der ganze, durch die
Verpackung zusammengedrückte und zerknitterte Samenmantel ist ungefähr
0,045m laug und durchschnittlich 0,00 lm dick, am Grunde etwas dicker.
Man unterscheidet im Handel die Macis je nach der Herkunft von halbreifen,
von reif abgelesenen oder abgefallenen Früchten.
Der anatomische Bau ist sehr einfach. Das sehr gleichförmige klein-
zellige rundlich -eckige Parenchym ist von zahlreichen braunen Oelzellen
unterbrochen, welche sich nur durch etwas ansehnlichere Grösse (70 bis
100 Mikromillim.) auszeichnen, aber nicht in die Länge gezogen sind. Die
innere Hälfte des Gewebes enthält vereinzelte schwache braune Gefäss-
bündelchen. Die Oberfläche wird auf beiden Seiten von einigen Reihen farb-
loser dickwandiger langgestreckter Zellen gebildet, welche noch von einer
besonderen Oberhaut bedeckt sind. Sie besteht aus breiten flach bandartigen
ungefärbten Zellen, welche sich indessen nicht als zusammenhängende Haut
abziehen lassen.
Der körnig-wolkige Inhalt des Parenchyms wird durch Alkohol, Aether
oder Chloroform nicht gelöst, wohl aber grössten theils durch Kali. Jod-
wasser färbt ihn schwach violettröthlich. Eine concentrirte wässerige Ab-
kochung der Macis wird durch Alkohol und Kali gallertartig gefällt, die in
Wasser wieder gelöste Gallerte färbt sich mit Jodwasser röthlich und redu-
cirt beim Kochen alkalisches Kupfertartrat, verhält sich also wie Dextrin
oder Pflanzenschleim. Der Auszug mit schwacher Kalilauge gibt mit
Essigsäure eine starke Trübung. Demnach scheint die Macis in ihrem Pa-
renchym hauptsächlich einen in Wasser unlöslichen Proteinstoff neben
Dextrin oder Schleim zu enthalten. Fett ist in geringer Menge vorhanden,
Amylum fehlt. *)
Den Oelräuraen gehört das hellgelbe ätherische Oel an, welches bis-
weilen in das umgebende Gewebe ausgetreten ist. Demselben verdankt die
Macis den aromatischen Geruch und Geschmack, welcher sich von dem des
*) Der von Henry (1824) angegebene, 33 pC. betragende gummiartige Stoff ist durch
denselben schon bestimmt von Amylum unterschieden worden.
45*
708
Samen.
Samenkornes durch grössere Feinheit und Milde und sehr schwach bitter-
lichen Beigeschmack unterscheidet.
Das ätherische Oel beträgt 4 bis 7, ja bis über 9 pC. Die grössere
Hälfte desselben besteht nach S ch acht aus Macen G1ÜH16, einem bei IGO0
siedenden Kohlenwasserstoffe, der sich von dem mit ihm isomeren Terpen-
thinöle dadurch unterscheidet, dass er mit Salpetersäure und Alkohol kein
krystallisirtes Hydrat ausscheidet. Das Macen ist identisch mit dem sauer-
stofffreien Tlieile des Oeles von Semen Myristicae , doch dreht dasselbe die
Polarisationsebene nach links, das Macen nach rechts. Neben dem Macen
enthält das rohe Macisöl auch sauerstoffhaltige Oele von höherem Siede-
punkte, ohne Zweifel Hydrate des Macens; das Myristicin (vergl. bei
Semen Myristicae) daraus zu erhalten, gelang weder Schacht noch
Koller.
Die chemische Zusammensetzung der Macis weicht demnach sehr von
der des Saraeneiweisses ab. Die Proteinstoffe scheinen in der ersteren ihren
Sitz zu haben, so dass der Saraenmantel vermuthlich bei der Keimung eine
wesentliche Rolle spielt.
Andere Myristica- Arten besitzen zwar gleich gebaute, in ihren Dimen-
sionen aber doch beträchtlich abweichende und weniger aromatische Samen,
als die beschriebenen Muskatnüsse und ihr Sameumantel, so dass der-
gleichen Substitutionen, die übrigens nicht vorzukommen pflegen, leicht
kenntlich sein würden.
Die Bekanntschaft des Abendlandes mit der Macis dürfte nach dem bei
Sem. Myristicae angeführten weit zurückgehen. Schon Aetios im VI. Jahr-
hundert unserer Zeitrechnung scheint sie gekannt zu haben. Edrisi im
XII. Jahrh. zählte unter den in Aden aus Indien eingeführten Waaren1)
Macis auf, Kazviui im XIII. Jahrh. wusste ihre Heimat, die Molukken, an-
zugeben;2) auch Jacobus de Vitriaco, ein Franzose, im XIII. Jahrh.
Bischof von St. Jean d’Acre in Palaestina, leitete sie aus Indien ab und
nannte sie die Bliithe der Muskatnuss.
1) Edrisi, trad. p. Jaubert. Paris 1836. Pag. 51.
~) Lassen, indische Alterthuraskuude IV. 945.
Amyliun Marantae.
709
Anhang zur zweiten Classe,
Seite 128.
Amylum Marantae.
Arrow-Root-Stärke. Maranta-Stärke. Pfeilwurzelstärke. Amidon de Maranta.
Maranta starch. Arrow-root.
Maranta1) arundinacea L. — Cannaceae (Marantaceae).
Die Pfeilwurz, eine ungefähr 1"“ hohe krautige Staude mit sehr ansehn-
lichen spitz elliptischen Blättern und weissen Blüthen, ist in Westindien
und dem nördlichen Theile Südamerikas ursprünglich einheimisch, durch
Kultur aber jetzt in viele Tropenländer, z. B. West- und Südafrika, Ceylon,
Ostindien verbreitet. Die im indischen Archipel einheimische und auch
viel angebaute Maranta indica1') Tussac, welche der oben genannten Art
äusserst ähnlich ist, wie überhaupt noch andere, nicht scharf genug unter-
schiedene Maranta-Arten werden in gleicherweise auf Stärkemehl benutzt,
wie M. arundinacea. — Sie verlangen alle ein feucht- heisses Klima und
gelangen schon auf Madeira, obwohl daselbst noch ganz gut fortkommend,
nicht mehr zum Blühen.
Wie so viele Zingiberaceen und Cannaceen (Scitamineen) besitzen auch
die Maranten ein umfängliches und stärkereiches Wurzelsystem, das in an-
sehnlicher Zahl fusslange, höchstens zur Dicke eines Fingers anschwellende
Aeste treibt. Yon den braungelben, sie ganz umhüllenden Blattscheideu
befreit, zeichnen sich diese Aeste des Wurzelstockes im Gegensätze zu
manchen anderen der nächst verwandten Bildungen durch Abwesenheit von
b arbstoff , Harz und ätherischem Oele aus, so dass Stärkemehl nahezu der
Bai'tolomeo Maranta, trefflicher botanischer Beobachter, um die Mitte des XVI
Jahrhunderts in Neapel lebend.
2) Die Pflanze besitzt mehr eirunde, verhältnissmässig breitere, in eine längere Spitze ver-
schmalcrte und völlig kahle Blätter, grössere, fast kugelige (nicht wie bei M. arundinacea
dreiseitig elliptische Frhchte und weisse Samen. Die Blätter der M. arundinacea sind aber
r j“th b6haart; B“ W0lett- - “ -nt M. indica
710
Anhang.
ausschliessliche feste Inhalt1) ihres Gewebes ist und mit leichter Mühe, wie
es scheint, bis zu ungefähr 70 pC. (auf Trockensubstanz bezogen), in höchster
Reinheit daraus gewonnen werden kann. Besonders auf den Bermuden wird die
Darstellung des Pfeilwurzelmekles mit grosser Sorgfalt betrieben und durch
wiederholtes Abspülen und Auswaschen fast alle Reste des Gewebes besei-
tigt, nachdem dasselbe zuvor durch Walzen zerquetscht worden. Das
Stärkemehl wird schliesslich theils in künstlicher gelinder Wärme, theils an
der Sonne getrocknet. Auch einige der antillisckeu Inseln liefern in gleicher
Güte das Arrow-root-Mehl.
Als Nahrungsmittel war dasselbe in diesen Ländern ohne Zweifel längst
bekannt, zog aber erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die
Aufmerksamkeit der Europäer auf sich. Olaf Swartz gedachte 1791 zu-
erst des Arrow-roots, das zu Anfang unseres Jahrhunderts allmälig in
Deutschland Eingang fand.
Die Marantastärke zeigt die allgemeinen Eigenschaften des Amylums
mit geringen Eigentümlichkeiten , welche vorzüglich die Form uud das
Verhalten zu keissem Wasser betreffen.
Von dem Botaniker H. Zolliuger, welcher Maranta indica in Rogod-
jampie im Osten Javas im grossen pflanzte, erhielt ich direkt das Mehl der=
selben, welches sich unter dem Mikroskop sehr reiu erweist. Es lassen sich
darin kaum Spuren des Gewebes uud gar keine fremdartigen Stoffe erkennen;
die Asche beträgt nur 0,62 pC. Die Stärkekörnchen sind von kugeliger,
doch nicht mathematisch regelmässiger Form und besitzen einen Durch-
messer von ungefähr 7 bis höchstens 50 Mikromillimetern, lufttiocken ge-
nommen und unter Mandelöl betrachtet.
In Wasser zeigen die Körnchen nicht eben sehr deutliche Schichtung;
erhitzt man vorsichtig auf dem Objektträger selbst das Wasser, in welchem
die Stärkekörnchen liegen, so sieht mau die Aufquellung derselben genau
bei 70° C. beginnen.
Mit 20 Th. destillirteu Wassers gegen 100° erwärmt, liefert meine
Marantastärke einen, auch nach Zusatz von Salzsäure geruchlosen, voll-
kommen gleichmässigen , in der Wärme beweglichen, nach dem Erkalten
ziemlich steifen geschmacklosen Kleister. Durch Salzsäure von ungefähr
1,06 specifischem Gewicht wird diese Stärke bei 40° nur unmerklic
Das specifische Gewicht aller Stärkevarietäten ist mit bedingt durch
das Wasser, welches sie bei gewöhnlicher Lufttemperatur zurückzuhalten
vermögen. Die in Frage stehende Arrow-root- Stärke, längere Zeit der
Atmosphäre bei mittlerer Feuchtigkeit dargeboten, ergab einen Wassergehalt
von 13,3 pC., nachdem siebei 100° C. verweilt, bis keine Gewichtsabnahme
mehr eintrat. Die Einwirkung der Wärme hatte sehr allmälig begonnen, so
1) es ist deshalb auch nicht einstweilen, was die Wurzel bei Wunden von lergifteten
Pfeilen zu leisten vermag, obwohl sie dieser Anwendnng wegen ihren Namen tragt.
Amylum Marantae.
711
dass das Mikroskop an den Körnern keine Veränderung nachwies; dieselben
zogen auch an demselben Tage noch aus der Luft wieder die frühere Menge
Wasser an.1)
Zur Bestimmung des specifischen Gewichtes diente ein käufliches Petro-
leum von 0,807 sp. Gew., bei 17—18° C. In diesem gewogen ergab sich
das sp. G. der lufttrockenen Marantastärke zu 1,504 und nach völligem
Trocknen zu 1,565 (Wasser von 17 — 18 C. = 1). Diese Veränderung
der Dichtigkeit lässt sich am einfachsten mit Hülfe des Chloroforms vor
Augen führen. Bei angegebener Temperatur wiegt diese Flüssigkeit 1,507,
woraus sich erklärt, dass lufttrockene Stärke auf Chloroform schwimrflt,
aber nach völliger Entwässerung bei 100° sofort und dauernd uutersinkt.
Im einen oder im andern Falle würden sich bei diesem Versuche die meisten
(etwaigen) Beimengungen durch entgegengesetztes Verhalten zu erkenneu
geben.
In den eben erörterten Punkten zeigt sich das Stärkemehl der Kartoffeln
in folgender Weise verschieden. Es entfernt sich in seiner Form ganz von
der Kugelgestalt und stellt platt elliptische bis etwas flache, stumpf drei-
eckige oder an gewisse Muschelschalen erinnernde Körner dar, welche deut-
lich geschichtet sind, sehr häufig 100 Mikromill. und darüber messen und
einen sogenannten Nabel zeigen. In Wasser auf dem Objektträger erhitzt,
quellen die Körner schon bei 60° C. stark auf;2) Salzsäure von 1,06 sp. G.
löst sie schon bei 40° rasch und fast grösstentheils wenigstens so weit auf,
dass die Flüssigkeit nach dem Schütteln nur eben etwas trübe erscheint,
aber das Mehl nicht mehr als weisses Pulver fallen lässt, wie es bei dem
beschriebenen Arrow-root geschieht. Bei dieser Behandlung bleibt letz-
teres ganz geruchlos, während das Stärkemehl der Kartoffel einen eigen-
thiiralichen, wenn auch nicht eben kräftigen Geruch entwickelt.
Der Wassergehalt der lufttrockenen Kartoffelstärke ergab sich= 1 7,35 pC.
in der untersuchten, sehr reinen Sorte, das spec. Gew. = 1,503 lufttrocken
und 1,633 nach der Entwässerung. Sie verhält sich daher zu Chloroform
wie die Arrow-root-Stärke und vermuthlich dreht sich in gleicher Weise die
Dichtigkeit aller Stärkevarietäten überhaupt je nach dem Gehalte oder dem
Mangel an Wasser um 1,50.
Nach Wiesner3) wären die Körner der Maranta arundinacea immer
einfach eiförmig oder etwas kautig und durchschnittlich doppelt so gross
0 Vergl. über die Wasseranziehung verschiedener Stärkearten: Nossian im Kopp-
WiH’schen Jahresberichte der Chemie für 1861, S. 714.
2) grössere Körner scheinen überhaupt durchschnittlich bei etwas niedrigerer Temperatur
aufzuquellen und zu verkleistern ; freilich kann hierbei von mathematisch genauer Bestimmung
eines Thermometergrades nicht wohl die Rede sein. — Vergl. über diese Temperaturen bei
verschiedenen Stärkcarten : Lippmann im Kop p-Wil l’schcn Jahresb. d. Chcm. 1861, 715,
auch imWiggers’sclien Jahresb. d. Pharm. 1861, 166.
3) Technische Mikroskopie. Wien 1867, 210.
712
Anhang.
wie die der M. iudica. Im Handel scheinen beide öfter gemengt vorzu-
kommen.
Nicht geringere Verschiedenheit von der Marantastärke bieten die
Amylumkörner mancher Zingiberaceen dar, wie z. 13. oben bei der Beschrei-
bung des Rhizoma Zingiberis, Zedoariae und Galangae hervorgehoben ist.
Ebenso die Stärke von Curcuma angustifolia Roxburgh und C. leucor- :
rhiza Rxbgh., welche aus Malabar und manchen anderen Ländern Vorder- j
indiens als ostindisches Arrow-Root, Tik oder Tikur, ausgeführt :
wird. Diese Körnchen sind nicht kugelig oder eiförmig, sondern bilden
ziemlich flache, nur 5 — 7 Mikromill. dicke Scheiben von elliptischem Um-
risse, welcher sich jedoch häufig der Keil- oder Eiform nähert, oft auch ]
abgestutzt, überhaupt sehr verschieden auftritt. Der grösste Durchmesser j
erreicht 60 — 70 Mikromill. in vielen Körnern. Immer sind dieselben schön
geschichtet, sowohl auf den Flächen als am Rande. Der Nabel liegt ge- j
wohnlich im schmaleren Ende und pflegt daher nicht in die Augen zu '
fallen. Das Aufquelleu beobachtete ich in der oben angegeben Weise erst
bei 72°.
Das Bermudische Arrow-Root, welches besonders aufLong-Island
aus Maranta arundinacea gewonnen und in Amerika bevorzugt wird, ist
vorherrschend eiförmig, sehr deutlich geschichtet, mit kleinem Nabel ver- \
sehen und nicht häufig 35 Mikromill. im Durchmesser übersteigend.
Von derselben Pflanze wird das Arrow-Root-Mehl aus St. Vincent, einer
der südlichen kleinen Antillen, abgeleitet. Was ich als solches besitze, ist
jedoch mehr kugelig oder breit eiförmig, häufig 60 Mikromill. gross, mit
ansehnlichem Nabel.
Nicht nur die Stärke der Scitamiueen geht unter dem Namen Arrow-
Root. Tahiti und Brasilien z. B. liefern dergleichen von Tacca pinnati -
fida Förster (Taccaceae). Von Dr. Blumenau aus der gleichnamigen bia-
silianischen Colonie erhaltenes Amylum dieser Pflanze besteht aus deutlich
geschichteten kugeligen bis unregelmässig eiförmigen oder selbst ansehnlich
verlängerten, mitunter sogar kolbenförmigen Körnern von 30 bis übei 50
bis 60 Mikromill. (unter Oel gemessen). Im trockenen Zustande ist diesem
Mehle ein unangenehmer Geruch eigen, der beim Kochen verschwindet.
Unbekannt ist mir die Abstammung des Arrow-Roots von Port-Natal,
länglich eiförmige bis 35 Mikromill. erreichende Körnchen, sowie desjenigen
vom Cap selbst, welches ich unter dem Namen Dr. Lindsted sches Arrow- j
Root,1) wie das vorige, dem Hause Gehe & Co. verdanke. Das Lindsted-
sche bildet sehr unregelmässige bimförmige elliptische oder kugelige, sogai
fast dreieckige und oft au Kartoffelstärke erinnernde Körner, jedoch nur ,
von 70 Mikrom. Grösse.
Brasilianisches Arrow-Root, 20 — 35 Mikr. messend, in kugeligen
1) Nach Walpers (Bot. Ztg. IX. (1851) 330 wird letzteres von Maranta arundinacea
gewonnen.
Amylum.
713
oder halbkugeligen Körnern (Theilkörneru) mit grosser Höhle, gehört ge-
wöhnlich zurCassave, worunter das Amylum von Manihot utilisswia
Pohl (Syn. : Jatropha Manihot L., Janipha Manihot Kunth), M. Janipha Pohl
(Jatropha Janipha L.) und M. Avpi Pohl verstanden wird. Diese in Süd-
amerika einheimischen Euphorbiaceen werden eben so gut in vielen anderen
Tropenländern gezogen, in sehr grosser Menge z. B. inTravancore (Vorder
iudien) und auf Guadeloupe. Von der oben bei Maranta indica genannten
Pflanzung auf Java erhaltenes Stärkmehl der süssen sowohl als der bitteren
Varietät der Manihot utilissima stimmt mit dem brasilianischen Arrow-Root
überein. Aus diesem letzteren wird unter dem Namen Tapiocca durch
Erhitzen des angefeuchteten gekörnten Meliles ein Präparat hergestellt,
welches das Amylum in mehr oder weniger aufgequollenem und veiklei
stertem Zustande enthält.
In gleicherweise kann selbstverständlich jedes Stärkemehl verarbeitet
werden, wie es in Ostindien und Polynesien seit sehr langer Zeit manig-
fach und im grössten Masstabe geschieht. Dieses Produkt, der Sagu oder
Sago1 2), stammt aus dem Marke von Palmstämmen, meist von Metroxylon
Sagus König (Sagus RumphiiWilldenow) oder M. laeve König (Sagus lae-
vis Rumph), weniger von Sagus farinifera Lamarck. Leicht liefert eine
einzige Palme ein paar hundert Pfunde Stärke, die den Hauptinhalt des
Markgewebes ausmacht und ohne Mühe sehr rein herausgespült werden
kann, wenn der Baum im Alter von 15 — 20 Jahren steht und seine (nur
einmalige) Bliithe noch nicht treibt; später vertrocknet das Mark.
Weuiger wichtig für den Weltmarkt ist der Sago, der hauptsächlich in
den Gebirgsgegenden Westjavas, z. B. in Bandong, dargestellt wird. Er
stammt von Saguerus Rumphii Roxburgh (Syn.: Arenga saccharifera
Labillardiere, Borassus Gomutus Loureiro). Das unveränderte Amylum
dieser äusserst nützlichen Aren-Palme,3) welches ich gleichfalls dem schon
genannten Zollinger verdanke, ist von schwach gelblicher Färbung, seine
Körner häufig 50 — 60 Mikr. gross, deutlich geschichtet und genabelt und
von ziemlich wechselnder Gestalt, bald kugelig, bimförmig, eirundlich, bald
gestutzt. Daraus wird im Innern Javas fast ausschliesslich der dortige
Sago gewonnen, dem jedoch ein gewisser Beigeschmack anhaftet.
1) schon Marco Polo schilderte zu Ende des XIII. Jahrhunderts nach seinem Besuche
auf Sumatra die Sago-Palme, ihr Stärkemehl und das (zum Theil) daraus bereitete Brot. Nur
die Beschreibung des Holzes der Palme ist uicht zutreffend ; cs muss auf einem Missverständ-
nisse beruhen, dass er dasselbe sehr hart und sehr dicht nennt.
2) in der Sprache der Papuas einfach Brot bedeutend, weil aus dem Sagomchle ein
(schlechtes) Brot gebacken wird.
3) vom neunten oder zehnten Jahre an liefert dieselbe auch zwei Jahre hindurch, nämlich
bis zur Entwickelung der gewaltigen Blüthentraube, die nur einmal in ihrem Leben erscheint,
grosse Mengen Rohrzucker, welcher schon jetzt in Java sehr viel verbraucht wird, aber gewiss
noch eine bedeutende Zukunft hat. Vergl. über diese wichtige Palme: Seemann, diePalmen.
Leipzig 1857, S. 43 — 48. — Junghuhn, Java. Leipzig 1852, S. 176, 293; vorzüglich
aber deVrij, Jouru. de Pharm. I. (1865) 270, auchWill’s Jahresb. d. Chemie 1856, 598.
714
Anhang.
In unveränderter Form liefern hauptsächlich Sumatra, Siam und Borneo
in ungeheurer Menge (200,000 Oentner jährlich) das Stärkemehl nach
Singapore, dem gegenwärtigen Hauptplatze der Sago-Industrie, welche dort
seit 1819 ausschliesslich von Chinesen betrieben wird. So sehr gross
auch der Verbrauch des Sagos ist1), so wird er sogar in seinem Vaterlande
mit richtigem Gefühle als Nahrungsmittel geringer geachtet als selbst Reis
und Mais. Doch zeichnet sich ostindischer Sago, von welchem mehrere
Sorten nach Europa gelangen, immerhin, wenn auch nicht eben durch einen
wirklichen Wohlgeschmack, so doch durch Reinheit des Geschmackes aus,
was sich von Sago, den mau bei uns z. B. aus Kartoffelstärke bereitet, nicht
leicht sagen lässt.
Die Kunst der Sago -Darstellung beruht darauf, dass die Erhitzung
der Stärke nur eben bis zu einem Punkte getrieben wird, wo die zuvor
durchfeuchteten Körnchen hinreichend verkleistert werden, um die Herstel-
lung grösserer, nach dem Trocknen harter Körner oder Klümpchen zu er-
möglichen, welche beim Kochen nur sehr allmälig zergehen.
Wenn auch aus der Betrachtung der Zingiberaceen namentlich hervor-
geht, dass eine üppige Entwickelung des Wurzelsystems der Bildung zahl-
reicher und ansehnlicher Stärkekörner überaus förderlich ist, so ist doch
zur richtigen Würdigung des Amylums überhaupt ein genaueres Eingehen
auf seine allgemeinen Verhältnisse unerlässlich.
Das Amylum ist einer der häufigsten Stoffe, welche sich in fester Form
in den Zellen der verschiedensten Pflanzenorgane abgelagert finden. Sehr
allgemein verbreitet ist es namentlich auch in den unterirdischen
Theilen, so dass wir z. B. unter den officinellen Wurzelbildungen im weite-
sten Sinne nur wenige treffen, welchen es mangelt, wie dies schon bei Gelegen-
heit der Rad. Enulae (Seite 289) für die sämmtlichen (officinellen) Wurzeln
der Compositen hervorgehobeu wurde. Ganz regelmässig fehlt das Amylum
ferner in Bulbus Scillae, Rhizoma Gramiuis, Radix Geutiauae, R. Rubiae.
R. Saponariae, R. Senegae.
Die meisten Blätter und Rinden , viele Samen und Früchte , manches
Holzparenchym enthalten Stärkemehl. Es ist keineswegs auf die Gefäss-
pflanzen beschränkt, sondern tritt schon iu einzelnen Meeresalgen aus der
Abtheilung der Florideen auf, findet sich in den Pilzen nur bei Saproleguia,
nicht in den Flechten (vergl. bei Lichen islandicus und L. parietinus) wohl
aber bei den Rhizocarpeen, z. B. im Stamme von Isoetcs lacvstris, in den
Sporen der Marsileapubesceus. Sehr grosse Amylumküruer bieten die Sporen
der Nitelia syncarpa (Characeeu) dar. Iu Lebermoosen, Equisetaceen und
Lycopodiaceen scheinen dergleichen noch nicht aufgefuuden zu sein, da-
gegen bei den Laubmoosen wenigstens in der Fruchtsäule des Phascum
cuspidatum.2) In den unterirdischen Stämmen der Farne (vergl. bei Rhiz.
1) Hofmeister, Die Pflanzenzelle. Leipzig 1867, 374.
2) Ambon ziibltc 1863 über 1,000,000 Stämme von M. Sagus und verbraucht mit den
benachbarten üliasser- Inselchen jährlich gegen 50 Mill. Pfd. Sago bei einer Bevölkerung von
nur 200,000 Seelen.
Amylum.
715
Filicis und Polypodii) ist es schon reichlich abgelagert, nachYo gl selbst in
den Spreuhaaren tropischer Farne, z. B. im Pengawar Djambi und im I ulu
Ausserordentlich verschieden ist die Menge, in welcher das Amylum in
den Pflanzen abgelagert ist. Im Reise und in Kartoffeln, wo es über 80 pC.
der (getrockneten) Substanz wiegt, dürften die äussersten Maxima er-
Schwerlich wird sich eine phanerogamische Familie von einigem Um-
fange als gänzlich der Stärke entbehrend angeben lassen.
Auch das Thier reich hat Amylum, wenn auch nur äusserst spärlich,
aufzuweisen. Dareste (1806) z. B. will es im Eigelb, umhüllt von einer
stickstoffhaltigen Substanz und daher nicht sofort in die Augen fallend,
gefunden haben. In Milz, Leber, Nieren und andern Organen, wie auch in
pathologischen Gebilden, wurde mehrfach das Vorkommen von Stärke an-
gegeben; jedoch bleibt die Identität derselben mit derjenigen des Pflanzen-
reiches für die meisten Fälle noch sehr fraglich. Gewissen (schon S. 17
erwähnten) Blattläusen aus dem Genus Psylla kömmt das\ermögen zu,
Amylum abzusondern, welches sich in den Gespinnsten findet, die sie auf
der Unterseite von Eucalypten anlegen (Trecul).
Das Amylum der Pflanzen tritt anfangs in Form kleiner kugeliger Körn-
chen im Proteplasma der parenchymatischen Zellen auf, ausnahmsweise
auch in den Milchsaftschläuchen der Euphorbien. Die Bildung der Stärke
ist jedoch nicht etwa dem Auskrystallisiren eines Stoffes aus seiner Lösung
vergleichbar, sondern ihre Ablagerung ist Folge einer chemischen Verände-
rung des flüssigen Zellinhaltes; denn nirgends im Organismus lässt sich
Stärke in gelöster Form, etwa durch die Jodreaction nacliweisen. Die
Zusammensetzung der Stärke, welche höchstens um die Elemente eines
Moleculs Wasser von derjenigen der Zucker- und Gummiarten abweicht,
gestattet nur die Vermuthung, dass in diesen löslichen Kohlehydraten die
Mutterlauge des Stärkemehles zu suchen sei, wo dasselbe nicht in direk-
terer Weise gebildet wird.
In naher und sehr wichtiger Beziehung steht dasselbe zu den Chloro-
phyllkörnern, indem es darin fast immer auftritt, wenn das Chlorophyll
beginnt, Kohlensäure und Wasser zu assimiliren, wozu, wie namentlich
Sachs1) gezeigt hat, Beleuchtung unerlässliche Bedingung ist. Es scheint
sogar, dass die Chlorophyllsubstanz ganz hauptsächlich die direktere Bil-
dung der Stärke, wenn auch nicht unmittelbar aus GO2 und H2G vermittelt
und dass letztere vom Sitze derselben hinweg erst den für das Licht unzu-
gänglichen Theilen der Pflanzen zugeführt wird, wo die Stärkekörner sich
iu grösster Menge vorfiuden. Während demnach zur Neubildung der Stärke,
welche man sich mit Sachs2) jedoch wahrscheinlicher als Ergebniss einer
ganzen Reihe chemischer Metamorphosen , denn als einfaches Zusammen-
1) Expcrimental-Physiologie der Pflanzen. Leipzig 18G5, 321.
2) 1. c. 328.
71«
Anhang:.
treten von Kohlensäure und Wasser unter Sauerstoffentwickelung zu denken
hat, die Mitwirkung des Lichtes unumgänglich uoth wendig ist, scheint die
Auflösung der Stärke an ihrer Bildungsstätte in den grünen Pflanzentheilen,
die Wanderung der Flüssigkeit nach den nicht beleuchteten Organen und
ihr doitiges Auftreten in fester und bestimmterer Form vorzugsweise des
Nachts vor sich zu gehen, wofür die schlagendsten experimentellen Beweise
von Sachs beigebracht worden sind. Es genüge, nur das hervorzuheben,
dass mau es durch Dämpfung des Lichtes vollkommen in der Hand hat*
die Bildung der Stärke im Chlorophyll zu unterdrücken und umgekehrt
durch kräftige Beleuchtung wieder hervorzurufen.-
Wenn demnach die ursprüngliche Gestaltung der Stärke eine normale
f uuktiou des Chlorophylls und damit au den chemischen Eiufluss des
Lichtes geknüpft ist, so kann eine vor- und rückwärtsschreitende Metamor-
phose des Amylums in jeder beliebigen Zelle stattfinden,1) die Stärke in
chlorophyllfreien unbeleuchteten Zellen in Zucker und Fett umgewandelt
und später wieder hergestellt werden. Aber auch unter den wenigen
absolut chlorophyllfreien Phauerogamen enthalten einige zum Theil reich-
lich Amylum, so Lathraea und Orobanche iu den unterirdischen Theilen,
Cuscuta in der Stengelrinde. Als Schmarozer bilden jedoch diese Arten
keine Ausnahme, da sie mit dem Chlorophyll ihrer Nährpflanzeu in Verbin-
dung stehen mögen. Einen Fall von Stärkebildung ohne Vermittelung des
Chlorophylls würde dagegen die schon genannte Saprolegnia , auch wohl
Neottia Nidus avis darbieten. Iu den Ausnahmsfällen, wo das Chlorophyll
keine Stärke einschliesst, scheint sie durch Traubenzucker, bisweilen aucli
durch Fett, vertreten zu sein.
Das Amylum stellt sich, wenn man seine ganze Rolle ins Auge fasst,
als ein Vorrathsstoff dar, welcher hauptsächlich zum Auf baue neuer Gewebe
mit verwendet wird. In sehr grosser Menge findet es sich iu dieser Weise
z. B. in so vielen kräftig vegetireuden Wurzelstöcken, in Samen und Pollen-
körnern und aus dem angedeuteten Grunde verschwindet es auch periodisch
aus manchen Geweben (siehe z. B. bei Lign. Juuiperi), indem es sich
höchst wahrscheinlich vorübergehend in Zucker verwandelt und so die
Zellwände durchdringt, um sich alsbald wieder zu Stärke zu formen. Ob-
wohl diese Vorgänge in chemischer Beziehung noch nicht aufgeklärt sind,
so steht doch fest, dass eine einfache Amylumlösung, welche sich durch die
Jodreaktion sofort verriethe, hierbei nicht auftritt.2) Die Fähigkeit der
Stärke, sich in flüssige Produkte zu verwandeln und wieder als geschich-
tetes Korn ausserordentlich zu verdichten, gewährt dem Organismus das
Mittel, sehr grosse Mengen Vorrathsstoff von den Bildungsstätten, haupt-
*) Sachs, 1. c. 320.
2) Des Falles einer Verflüssigung der Stärke zu einem durch Jod nicht erkennbaren
Produkte ist schon S. 11 gedacht worden. Im Tragauth lassen sich Slärkckörner nach-
weisen, aber nicht Stärkekleister. Eine Hückbildung zu Amylumkörncrn liegt hier freilich
nicht vor.
Amylum.
717
sächlich aus den Blättern, in die Dauergewebe abzuleiten und hier im klein-
sten Raume aufzuspeichern, von welchen Wanderungen Sachs1) sehr em
leuchtende Ideen entwickelt hat.
Im eigentlichen Heerde seiner Bildung, im Chlorophyll, ist das Amylum
jedoch nicht immer leicht zu erkennen, indem das erstere beseitigt weiden
muss, wenn letzteres die Jodreaction rein darbieten soll.2). Die jüngsten
Stärkekörnchen, welche sich in fester Form aus einem chemisch ohne
Zweifel noch verschiedenen, durch die Chlorophyllsubstanz verbreiteten
Stoffe (einer Art Mutterlauge) ausseheiden, treten anfangs entweder in un-
messbarer Kleinheit auf oder vielleicht sogar nur erst in losen Moleculen
zwischen denen des Chlorophylls vertheilt, aber noch nicht von vornherein
zu einem eigentlichen Stärkekorne organisirt. 3)
Sobald dieses aber der Fall ist, zeigt die Stärke in ihren kleinsten Kör-
nern kugelige Form, welche später iu sehr verschiedenerWeise, doch vor-
herrschend zu gerundeten Gestalten auswächst. Anfangs nach Nägeli s
Ansicht aus gleichförmig dichtem Stoffe gebaut, scheiden die Körner alsbald
im Innern einen weichen Kern aus , der sich von der derberen Kugelschale
trennt. Das weitere Wachsthum erfolgt nicht durch äussere oder innere
Auflagerung ganzer neuer Schichten, sondern durch gleichzeitige Einfiihrug
(Intussusception) von Wasser und neuer Stärkesubstanz zwischen die schon
vorhandenen festen Theilchen, deren Anlage zur Schichtung von den neu
eintretenden Moleculen eingehalten wird. Durch den sehr ungleichmässigen
Zufluss neuer Mutterlauge, welche stellenweise bald grössere, bald geringere
Widerstände zu überwinden hat, so wie infolge des Strebens der äusseren
Schichten , sich in tangentialer Richtung zu vergrössern , woran die Anzie-
hungskraft der inneren Theile sie hindert, entstehen Spannungen im ganzen
Korn. Diesen Verhältnissen, welche Nägeli ausserordentlich weitläufig4)
erörtert hat, ist es auch zuzuschreiben, dass die verschiedenen Schichten
des Stärkekornes nicht ringsum laufen , sondern sich auskeilen und bei
mehr oder weniger einseitigem Wachsthum die verschiedenartigen Formen
der Stärke, wie sie manchen Pflanzen eben eigenthümlich sind, bedingen.
Nur die äusserste Schicht ist continuirlich, sofern der Stärkekorn unverletzt
bleibt. Besonders in kleineren Formen des Amylums ist die Schichtung un-
deutlich, wird aber durch Einwirkung von Chlorcalcium, Chromsäure oder
Kupferoxyd- Ammoniak klar.
Im Gegensätze zu diesen Ansichten hat Tr ec ul5) den Satz durch-
geführt, dass die Entstehung und Entwickelung des Stärkekornes durch-
aus der Zellbildung ähnlich sei, woraus sich unstreitig einfachere An-
schauungen ergeben. Schon zwischen dem Material beider Gebilde besteht
1) 1. c. 396.
2) Das Verfahren siehe bei Sachs, 322.
3) 1. c. 329.
4) so dass es unmöglich ist, in kurzen Worten ein klares Bild seiner Vorstellungen zu geben.
5) Ann. des Sciences naturelles. Botaniquc X (1858), 20—74, 127—163 u. 204—382.
718
Anhang.
allerdings kein durchgreifender Unterschied, Cellulose und Stärke sind nur
als wenig abweichende Zustände eines und desselben Stoffes zu betrachten;
alle chemischen Reactionen und Umbildungen der letzteren lassen sich auch
an der Cellulose hervorruten. Durch Schleiden, Sanio, Schenk, Tre-
cul sind nach und nach in den verschiedensten Pflanzen, ganz besonders
im Eiweisse, aber auch in Wurzeln, Zellen nachgewiesen worden, deren
schleimiger Inhalt, das sogenannte Amyloid oder amorphe Amylum,
sich mit Jod zum Theil eben so tief indigoblau färbt wie das Amylum. In
anderen Fällen, wie bei Lichen islandicus erwähnt wurde, ist diese Färbung
schwach, so dass in diesen Vorkommnissen alle Stufen eines allmäligen
Ueberganges von Cellulose zu Stärke erkannt werden müssen, indem wir
auch anderseits Mittel besitzen, welche der Stärke, wenigstens einem Theile
derselben, die Fähigkeit entziehen, sich durch Aufnahme von Jod blau zu
färben. !)
Aus einem derartigen zwischen Cellulose und fertiger Stärke stehenden
Zellinhalte würden sich nach Trecul auf freilich noch nicht hinreichend
ei kl Jite Weise Schläuche oder Bläschen bilden, welche den mehr oder we-
niger flüssigen Bildungsstoff (Plasma amylace) zum Aufbau des Stärke-
kornes einschliessen.
Das erste Auftreten des zarten Häutchens, welches im Grunde zur Vor-
stellung einer Zellbildung nicht einmal unumgänglich nöthig ist, wurde
noch nicht beobachtet; es verräth sich aber bald dadurch, dass sich auf
seiner Innenseite lockere Schichten aus dem stärkebildenden Inhalte nieder-
schlagen, welche die Wand zu grösserer oder geringerer Ausdehnung be-
hihigen, je nach dem Umfange, welchen in einem gegebenen Pflanzenorgane
die Stärkekörner überhaupt erreichen können. Dieser erste Anfang der
Wand- und Schichtenbildung erschöpft aber das eingeschlossene Plasma
nicht, oder vielmehr, dasselbe erneuert sich durch endosmotische Aufnahme
und entsprechende chemische Umbildung des Zellsaftes, so dass die begon-
nene Schichtenbildung sich in der Richtung von aussen nach innen fort-
setzt. Dieser Vorgang verläuft entweder mit grosser Regelmässigkeit und
Intensität, wodurch schliesslich ein kugeliges Korn entsteht und zuletzt im
Innern an dor Stelle des letzten aufgebrauchten Plasma-Restes eine kleine
Höhlung (Centralhöhle, sogenannter Nabel) übrig bleibt. Oder es kann
auch, durch äussere lokale Einflüsse begünstigt oder bedingt, die Schichten-
bildung mehr einseitig, weniger stetig oder überhaupt schwächer vor sich
gehen. In solchen Fällen weicht das fertige Korn von der Kugelgestalt ab
und erhält eine oft ansehnliche, häufig nicht im Centrum gelegene Central-
höhle. Diese letztere Erscheinung erklärt sich somit durch die obigen An-
B Im Inulin haben wir gleichsam die auf Jod nicht mehr wirkende und in Wasser lösliche
bestiindigo Form des Amylums. Das wahre Amylum, welches in Wasser gelöst ist, zeigt sich
wenig beständig; das Inulin erinnert in Betreff der Löslichkeit an die bekannten .granulcs“
J aequo laiu's. Auch Kupferoxydammoniak verwandelt bei 100° die Stärko in kleine Körn-
chen, welche sich aber mit Jod noch schön blau färben.
Amylum.
719
sichten Trecul’s ungezwungen. Wenn das Stärke -Plasma in verhält-
nissmässig geringer Menge vorhanden war, so wird die Höhlung, welche
man sonst auch wohl sehr ungenau als Nabel bezeichnet hatte, ansehnlich
sein, wie es z. B. durchgängig der Fall ist bei dem Amylum der Getreide-
arten, auch in den Samen mancher Polygoneen, ganz besonders bei Rheum
undulatum, dessen 10 Mikromill. grosse Körner nur eine höchst geringe
feste Schicht darbieten. Wo dagegen eine reichliche Menge des stärkmehl-
bildenden Plasmas zum Auf baue des Kornes verwendet wird, fällt die Höh-
lung im Innern klein aus und erscheint nur als wenig umfangreicher , oft
durch Luftgehalt dunkler Punkt. So in der Kartoffel, in dem oben (Seite 7 1 2)
beschriebenen Mehle der Curcuma leucorrhiza u. s. f. Es ist leicht ersicht-
lich, wie die Gestalt der Centralhöhle übrigens je nach der Form oder An-
lage des Kornes selbst wechseln kann; ein bemerkeuswerthes derartiges
Beispiel bietet das unter Tuber Colchici erwähnte Amylum, auch wohl das
der Radix Calumbo. Ausnahmsweise kann diese Centralhöhle eine Oeffnung
nach aussen besitzen, wie es bisweilen in Rhizoma Iridis zu finden ist.
Das Plasma des Stärkekornes entspricht daher bei aller stofflichen Ver-
schiedenheit in seinem Verhalten demjenigen der gewöhnlichen Zellbildung.
Im Amylum mancher Papilionaceen lässt sich sehr deutlich der Verlauf der
Schichtenbildung verfolgen , indem die äussersten, zuerst angelegten , sehr
scharf begrenzt und glänzend sind, während die inneren matten Schichten
uumerklich in das Plasma übergehen. Die einmal gebildeten Schichten sind
aber, bei genügendem Vorrath an Plasma, weiterer selbständiger Entwicke-
lung fähig, welche sich hauptsächlich in der Ausscheidung von Schichten
zweiter Ordnung (dedoublement , Tr ec ul) bemerklich macht und nament-
lich auch als eine der Ursachen einseitigen Wachstlmms des Kornes auf-
treten kann. Diese secundären Schichten zeigen einen zarteren Bau, welcher
oft noch durch das erst in der Ablagerung begriffene Plasma verwischt sein
mag, und pflegen deshalb in unveränderten Körnern wenig in die Augen zu
fallen, gelangen aber allmälig ganz unzweideutig zur Anschauung, wenn
man grosse, durch und durch geschichtete Stärke, wie etwa diejenige der
Kartoffel, wochenlang in kalte concentrirte Auflösung von unterchlorigsaurem
Kalk legt. Die noch weniger verdichteten secundären Ablagerungen ver-
schwinden und lassen die glänzenden , zuerst angelegten Schichten zurück,
welche nun weit eher als bei der Behandlung mit Speichel einem Gerüste
vergleichbar siud.
Trecul1) nimmt, in Uebereinstimmung mit Nägeli, an, dass die zu-
letzt zurückbleibende dünne Haut der Schichtenbänder, welche durch Jod
nicht mehr gebläut wird („Metamylin“) , in der That von der durch Chlor-
kalk, Speichel oder andere Lösungs- uud Quellungsmittel weggeführten
Hauptmasse der Stärkekörner (Granulöse) verschieden und von Anfang an
vorhanden sei. Es ist jedoch zutreffender , zu sagen , dass die Hüllen und
B Pag. 295 Note, iu seiner oben angeführten Abhandlung.
720
Anhang.
einzelne memhranartige Schichtcubäudcr nur wegen grösserer Dichtigkeit
den Auflösungsmitteln länger widerstehen; wirken letztere länger, oder bei
nur wenig erhöhter Temperatur und Concentration ein, so verschwindet
auch der letzte Rest.
Die genannten Lösungsmittel benehmen aber nach und nach dem gan-
zen Korne die Fähigkeit, Jod mit blauer Farbe aufzunehraen; weder der
im Speichel noch der im Chlorkalk gelöste Antheil der Stärke (Granulöse.
Amylin) wird nach der Einwirkung dieser Reagentien noch gebläut, und
wenn dem Rückstände, dem Gerüste des Kornes, so wie der Umhüllung
ebenfalls diese Fähigkeit jetzt abgeht, so folgt daraus wie mir scheint noch
nicht eine erhebliche Verschiedenheit. Behandelt man die Stärke mit Chlor-
kalklösuug oder Chromsäure, so erhält man leicht ganze, noch deutlich ge-
schichtete und ausgefüllte, höchstens etwas gedehnte, noch polarisirende
Körner, welche auch nach anhaltendem Auswaschen durch Jod nicht mehr
blau werden; ihre ganze Masse hat diese Eigenschaft verloren, denn auch
das im t alle der Chromsäure durch Ammoniak neutralisirte Filtrat bläut
sich nicht mehr. Es gibt überhaupt gar kein Mittel, das Stärkekorn quan-
titativ zu zerlegen in zwei (oder mehr) durch ihr Verhalten zu Jod grund-
verschiedene Substanzen; denn es hängt von der Art der Behandlung ab,
welcher die Stärke unterliegt, ob der jetzt der Cellulose näherstehende
Rückstand grösser oder geringer ausfällt. Auf chemischer, erst durch jene
Reactionen hervorgerufener Veränderung beruht der Verlust des Färbungs-
vermögens, welches oftmals durch concentrirte Schwefelsäure wieder her-
gestellt werden kann. x
Eine ganze Reihe von Salzen, z. B. Chlorcalcium, Jodkalium, Natron-
nitrat, Chlorzink, bewirken in der Kälte eine Quellung der Stärke und lie-
fern bei gehöriger Verdünnung der concentrirten Lösung Filtrate, welche
auch bei stärkster Vergrösserung klar erscheinen und doch durch Jod aufs
tiefste gebläut werden. Auch der höchst geringe Rückstand auf dem Fil-
trum färbt sich mit Jod. Hier also behält die ganze Substanz, wenn mau
von unwägbaren Theilcheu absieht, das Vermögen durch Jod unmittelbar
blau gefärbt zu werden; in den zuvor erwähnten Fällen verlor es ebenfalls
die ganze Substanz, wovon ein Theil allerdings in Folge von Struktur-
verhältnissen eine geringere Auflöslichkeit kuudgab.
Amylumkörner, welche bei ihrer Eutwickelung nicht auf Hindernisse
stossen, sind von gerundeten Flächen oder Schalen umschlossen, werden
aber abgeplattet oder gestutzt, kantig und eckig, weun sie (bis auf die ge-
ringen Reste des Protoplasma) die Zelle völlig ausfüllen und gegenseitig
auf einander, so wie auf die Zellwand drücken. Aber auch ohne Einfluss
äusseren Druckes ist ein excentrisches Wachsthum der Körner häufig genug.
Die verschiedenen Abänderungen der Kugelgestalt, welche in angedeu-
teter Weise zu Stande kommen und häufig bei bestimmten Pflanzen ganz
beständig sind, entbehren jedoch der eigentlich mathematischen Regelmässig-
keit und zeigen unter sich bei aller Aehnlichkeit doch im einzelnen bedeu-
Avnylum.
721
tende Abweichungen iunerhalb eines unverkennbaren Typus. Annähernd
kugelige Formen sind in diesem Lehrbuche sehr häufig erwähnt worden;
eigentümliche Gestalten der Stärke dagegen z. B. in den Wurzelbildungen
der Ziugiberaceen , in Rhizoma Rhei Monachorum u. s. f. Sehr auffallend
sind die oft sogar mit einem Aste versehenen Körner von Dieffenbachia
Seguine (Aroideae), von sonderbarster Gestalt aber die gelappten stabför-
migeu oder scheukelknochenähnlichen Figuren im Milchsäfte inländischer
Euphorbien und ihrer blattlosen Verwandten in Afrika. Im Hefte VII seiner
„Darstellung und Beschreibung der offiz. Gewächse“ hat Berg einige der
merkwürdigsten Formen sehr schön abgebildet und noch weit zahlreichere
finden sich auf den 12 Tafeln, welche Trecul seiner Abhandlung „über
Bläschenbilduug in der Pflanzenzelle“ *) beigegeben hat.
Da geschichtete feste Stärkekörner — und nur solche können als eigent-
liches Amylum gelten — blos innerhalb der Zellen auftreteu, so ist ihrem
Wachsthum durch die Weite der letzteren einerseits und durch die Anzahl
der Körner anderseits eine Schranke gesetzt, von welcher abwärts die Grösse
der Stärke bis zu verschwindender Kleinheit schwanken kann, daher die
Messungen derselben sich entweder auf die grössten Körner oder auf die-
jenigen, welche augenscheinlich die Mehrzahl bilden, beschränken müssen.
Das Lehrbuch enthält zahlreiche bezügliche Zahlenangaben, aus welchen
hei voi geht, dass z. B. neben den Körnern der Kartoffel diejenigen von Ra-
dix Ghinae, Calumbo, Jalapae, Rhizoma Zedoariae zu den grössten gehören;
sie werden beinahe erreicht von denjenigen in den Sporen der Nitelia syn-
carpa , aber weit übertroffen von den bis 100 Mikromill. erreichenden Kör-
nern in den Knollen des Phajus grandiflorus (Orchideae) , deren auffal-
lende rönnen Irecul erörtert und abgebildet hat. Heber hundertmal
kleiner im Durchmesser sind dagegen die Körnchen z. B. im Samen von
Chenop odium Quinoa , sehr klein auch in der Rinde von Sulanum Dulca-
mara (vergl. Stipes Dulcamarae), im Samen von Myroxylon Pereirae u.
S; f. — Ganz regelmässig bieten manche Gramineen in einer und derselben
Zelle ihres Eiweisses Stärkekörner von zwei verschiedenen Grössen; in
liordeum hexastichon z. B. messen die einen nicht über 5 , die anderen
aber 25 Mikromill. ohne namhafte Uebergänge. Möglich, dass hier eine ver-
schiedene Bildungsweise zu Grunde liegt.
Zusammengesetzte Körner, die im ganzen nicht weniger häufig
Vorkommen als einfache, entstehen nach Nägeli in der Weise, dass sich
statt eines einzigen Kernes im Innern deren mehrere, oft 30 bis 40, bilden
sieb mit eigenen Schichten umgeben und durch Spalten von den benach-
barten Kernen scheiden. Bei rascher Entstehung derartiger Theilkörner
liegen sie neben einander in der gemeinschaftlichen äusseren Schicht, sonst
ludet auch wohl Einschachtelung der jüngeren in älteren Körnern statt.
Seltener scheint die lokale Verdickung einer ausserhalb des Kernes gelegenen
*) in der S. 717 angeführten Abhandlung.
Flückiger, Pharmakognosie.
722
Anhang.
Stelle einer Schicht die Bildung eines neuen Tlieilkornes zu veranlassen.
Setzen sich die Spalten zwischen den einzelnen Theilkörnern bis zur Peri-
pherie des ganzen fort, so zerfällt dasselbe in Bruchkörner, deren Form
namentlich wenn ihre Zahl nur'gering ist, ziemlich regelmässigen Theilungen
der Kugelgestalt entsprechen kann, oft z. B. an die in ähnlicher "Weise ent-
standenen tetraed rischen Körner des Lycopodiums erinnert. Derartige eckige
Amylumköruer , in sehr beschränkter Zahl (zu 2 bis 4) aus einer Kugel
hervorgegaugen, finden sich z. B. in Rad. Sarsaparillae, in Tuber Colchici
u. s. f., während in anderen Fällen die Zahl der Theilkörner, die nun ihren
Ursprung nicht deutlich aufgeprägt zeigen, Nägel i zufolge hoch in die
Tausende steigen kann.
Es ist wohl nicht immer möglich, die eben geschilderten polyedrischen
Theilkörner von solchen einfachen Stärkekörnern zu unterscheiden, welche
eine ähnliche Form nur gegenseitigem Drucke verdanken.
Einfacher erklärt sich das Auftreten zusammengesetzter Körner nach
den eben entwickelten Anschauungen Trecul's. Es ist in der That ein-
leuchtend, dass das Plasma eines Stärkekornes sich in die Quere oder in
radialer Richtung oder auch ganz unregelmässig theileu und aus den so ent-
stehenden secundären Wachsthumsmittelpunkten die Bildung des ganzen
Kornes wiederholen kann. Auch hier schliesst das Tlieilkorn oft eine an-
sehnliche Höhlung ein. Aus Trecul’s Vorstellungen, welche den einzelnen
Schichten des Stärkekornes eine gewisse Selbständigkeit der Entwickelung
zuschreiben, folgt auch die für jede Schicht anzuuehmende Möglichkeit,
einmal wieder einen Tlieil des Plasmas, das ihr immer noch zugefiihrt wer-
den kann, auf die späte Bildung (division tardive) eines Theilkornes zu
verwenden.
Die Nachweisung der gemeinschaftlichen Hülle, welche das in der einen
oder anderen Weise entstandene zusammengesetzte Korn umgibt, kann nur
bei grosser Sorgfalt geschehen, am besten, wenn zarte Schuitte aus einem
geeigneten Eiweisse ganz allmälig mit verdünnten Säuren oder mit Chlor-
zink behandelt werden. Zuletzt bleibt ein zartes Häutchen übrig, welches
sich nunmehr mit Jod nicht mehr blau färbt.
Von diesen zusammengesetzten Körnern (grains composes) sind von
Trecul, nicht aber von N ägeli, die sogenannten vielfachen Körner
(grains multiples) unterschieden worden , welche aus einem dichten Aggrc
gate sehr zahlreicher Körnchen bestehen, ohne dass eine gemeinschaftliche
Umhüllung wahrnehmbar ist.
Die erhärteten völlig ausgcbildef.cn pflanzlichen Zollhäute brechen nicht
einfach die durchgehenden Lichtstrahlen, sondern polarisircn sie und
zwar nicht blos in einer, sondern in zwei verschiedenen zu einander wie es
scheint immer senkrechten Ebenen. Zur Erkennung dieser meistens nicht
in hohem Grade entwickelten optischen Eigenschaften muss man sich des
Polarisationsapparates bedienen, welcher jedem Mikroskop leicht beigegeben
Amylum.
723
werden kann. ’) Wie die Zellmembranen brechen auch die Stärkekörner
doppelt, sobald sie nicht mehr ganz jung und klein siud, wie sie z. B. im
Chlorophyll in der Regel nur Vorkommen. Das Vermögen doppelt zu brechen
erlangen sie jedoch bevor ihr Schichtenbau (für uns direkt) erkennbar ist,* 2)
zeigen es jedoch um so stärker, je älter und meist auch je grösser sie wer-
den. Schwach oder kaum ausgeprägt bleiben diese optischen Eigenschaften
daher sehr oft bei solchen Stärkekörnern , welche eben niemals einige we-
nige Mikromillimeter überschreiten, wie z. B. bei den meisten des Rhizoma
Filicis.
Sehr scharfe und regelmässige Figuren zeigen im Polarisationsmikroskop
unter anderen die oben beschriebenen Stärkekörner von Maranta iudica,
von Manihot utilissima, von Saguerus Rumphii, auch diejenigen der Kar-
toffel. Jedes Korn trägt ein schwarzes Kreuz, dessen Arme sich im organi-
schen Centrum (dem Kern oder Nabel) schneiden. Nach Valentin3) hängt
die Form der Kreuzesarrae von der Schichtungsweise ab. Man findet viele
länglichrunde Körner, in denen sich die Arme vom Mittelpunkte aus regel-
mässig herabsenken, wie vier um je 90° wechselseitig abstehende Meridian-
kreise eines Erdglobus von einem der Pole aus. Sie werden häufig au ein-
zelnen Stellen, die unregelmässigeren Schichtenvertheilungen entsprechen,
eiugeknickt, zackig, verbreitert, matter, als dränge die dunkle Schattirung
in die Tiefe. Man findet z. B. bei Kartoffelstärke Körner, die nur 2 und an-
dere, welche mehr als 4 dunkle Linien darbieten.
Schaltet man zwischen das Ocular und den Analysator des Polarisatious-
mikroskopes eine Gypsplatte ein,4) so zeigen die Stärkekörner eine verhält-
nissmässig positive Farbenänderung des rothen durch das Gypsblättchen
gegebenen Grundes. Ganz dieselbe Erscheinung ist durch Valentin5) au
gewissen Glasplatten nachgewiesen, deren äussere Schichten durch Ein-
tauchen in warmes Wasser rasch ausgedehnt wurden , während sie nach
plötzlichem Abkühlen die entgegengesetzte Farbenfolge hervorrufen. Dieser
Versuch bestätigt, dass die Polarisationsfiguren der Stärke Folge von Span-
nungen in ihrem Schichtenbaue sind und dass die Schichten nach aussen
etwas weniger dicht sein müssen als im Innern, obwohl wegen der grösseren
chemischen Widerstandsfähigkeit der Oberfläche für die umhüllende äusserste
Schicht eine grössere Dichtigkeit anzunehmen ist.
Nägeli, welcher in seinem grossen monographischen Werke „Die
Stärkekörner“ (Zürich 1858) hierüber die eingehendsten und scharfsinnig-
sten Untersuchungen angestellt hat, ist in den beiden letzteren Punkten
anderer Ansicht. Er gibt für die optischen Erscheinungen die Erklärung,
*) vcrgl. Valentin, Untersuchung der Pflanzen- und Thiergewebe im polarisirten Lichte
Leipzig 1861.
2) nach v. Mohl in Hofmeister, Lehre von der Pflanzenzelle. Leipz. 18G7. Pae 389
3) 1. c. 214. fa'
4) Die Gründe für diese Methode siehe bei Hof me ist er 1. c. 340.
5) Physikal. Untersuchung der Gewebe. Leipz. 1867. 343.
46*
724
Anlmn".
dass die Stärke, wie die organischen Substanzen überhaupt aus krystallini-
sclien doppelt brechenden Moleculen bestehe, welche lose (verschiebbar und
elastisch), aber in bestimmter regelmässiger Anordnung neben einander
liegen. Dagegen isteinzuwenden, dass die Stärke aufhört doppelt zu brechen,
sobald durch Quellungsmittel ihr Schichtenbau aufgehoben wird, während
unzweifelhafte (anorganische) doppelt brechende Krystalle ihre optischen
Eigenschaften auch in den kleinsten Bruchstücken behalten. Der Verlust
des Polarisationsvermögens lässt sich mit grösster Schärfe an Körnern ver-
folgen, welche mau in kalter coucentrirter Chlorcalciumlösung langsam zum
Quellen bringt. Die Doppelbrechung hört auf, so wie die Schichtung ver-
schwindet und sehr häufig sieht man in Körnern noch einzelne Theilchen
längere Zeit hindurch die gleichen optischen Eigenschaften festhalteu, die
ursprünglich dem ganzen Korne zukamen. Die äusserste Haut, welche der
Auflösung am längsten widersteht, verliert das Polarisationsvermögen sehr
bald vollständig, obwohl sie durch Jod noch gebläut wird. Hierbei muss
man sich auch an das verwandte Inulin erinnern , welches nicht polarisirt,
so lange es in Klumpen (vergl. S. 288) vorliegt, wohl aber, wenn man es
wie S. 289 angegeben in sogenannten Sphaerokrystallen anschiessen lässt.
Auch die Beweisführung Nägeli’s1) für die Ansicht, dass die Stärke-
körner im Innern lockerer, aussen dichter seien, erscheint weniger einleuch-
tend, obwohl eine Widerlegung derselben nicht in wenigen Sätzen zu unter-
nehmen ist. Treeul2) hält dafür, dass wenigstens in den einzelnen
Schichten mancher Körner die Dichtigkeit nach aussen abnehme.
Höchst eigenthümlich ist das Verhalten der Stärke zum Wasser,
wovou sie 35 bis 70 pC. ihres Gewichtes hält, so lange sie sich innerhalb
des lebensthätigen Pfianzenorganismus befindet. An der Luft entweicht
dieses Wasser freiwillig bis auf ungefähr 18 — 13 pC., welche nun von den
Stärkekörnern kräftig zurückgehalten und erst bei 100° C. ohne chemische
Veränderung abgegeben werden. Mit Chloroform, unter Oel oder in Benzol
kann lufttrockenes Amylum bis zu 1 00 J erhitzt werden, ohne sein Wasser
zu verlieren. In Luft von gewöhnlicher Feuchtigkeit nimmt das bei 100°
getrocknete Stärkemehl rasch wieder 13 bis 18 pC. Wasser auf; wird ihm
dasselbe auf einmal geboten, so tritt eine merkliche 1 emperatur- Erhö-
hung ein.
Schon aus den oben (pag. 711) mitgetheilteu Zahlen geht hervor, dass
der Austritt und die Wiederaufnahme des Wassers von entsprechenden
Volumveränderungen des Kornes begleitet sind. Beim Austrocknen geht ein
solches oft um die Hälfte zusammen, die Schichten reissen stellenweise in
radialer Richtung, die oft sehr kleine Höhlung des Innern erweitert sich und
verschwindet beim Wiedereintritte desWrassers eben so weuig wie die Risse.
1) in Kürze auseinandergesetzt von Sachs, Expcrimental-Physiol. der 1 flzn. 419 4.1.
Vergl. auch Hofmeister, Pflanzenzelle. 389.
'0 1. c. 301. 302.
Amyluvn.
725
Immerhin hat diese Verbindung der Stärke mit dem Wasser bei gewöhn-
licher Temperatur oder dessen Austritt keine tiefer gehenden Veränderungen
zur Folge, der Schichtenbau der Körner und ihr optisches Verhalten bleiben
unverändert.
Ganz anders aber wirkt das Wasser ein, sobald Temperaturen von nur
55 bis 65° C. oder eine geringe Menge von Säuren oder Alkalien mit ins Spiel
kommen. Diese Agentien überwinden die Molecularkräfte der Stärkekörner,
zerstören die Schichtung und befähigen die formlose Substanz, unter Auf-
nahme sehr grosser Mengen Wasser ganz ausserordentlich aufzuquellen.
Wird der gequollenen Masse, dem Kleister, das Wasser wieder entzogen,
so bleibt ein Rückstand, welcher nunmehr weder die Form noch die Quell-
barkeit der Stärke besitzt. In unverändertem Amylum ist daher das Wasser
bis zu einem Betrage von 13 — 18 pC. als normaler Bestandteil aufzu-
fassen, welcher selbst bei Erhöhung der Temperatur die Quellung nicht
herbeizuführen vermag. Hierzu ist eine grössere Menge Wasser nöthig.
Aehnlich wie das Wasser wirkt auch, von 85° C. an, das Glycerin auf die
Stärke, doch ohne dieselbe so bedeutend aufzuquellen.
Trockene Körner auf 200° C. erhitzt, quellen nachher mit kaltem
Wasser gleichfalls auf, in diesem Falle aber zeigt sich schon ein tiefe-
rer chemischer Angriff ihrer Substanz, nämlich der Beginn der Dextrin-
bildung.
Verdünnter Kleister geht nach Payen nicht durch unversehrte pflanz-
liche Membran, wohl aber ist das vermittelst verdünnter Säuren erhaltene
lösliche Stärkemehl dazu befähigt.
Auch kaltes Wasser ist nicht ohne Wirkung auf Stärke; wird sie an-
haltend damit gerieben, so nimmt das Filtrat, worin sich mikroskopisch
keine Amylumtheilchen nachweisen lassen, auf Zusatz von Jod ohne Bil-
dung eines Niederschlages eine blaue Farbe an. Der in dieser Weise in
Lösung gelangende Autheil der Stärke ist jedoch immer nur verschwindend
klein und wird ohne Zertrümmerung der Körner gar nicht erhalten. Höchst
wahrscheinlich muss diese Erscheinung der geringen beim Reiben unver-
meidlich entwickelten Wärme zugeschrieben werden, wenn man nicht in
dem geringen aufgelösten Antheile Reste des Plasmas erblicken will.
Die übrigen Agentien, welche die Stärke anzugreifen vermögen,
wirken sehr verschieden ein; höchst eigenthümlich ist z. B. das Verhalten
sehr concentrirter wässeriger Lösungen leicht löslicher oder zerfliesslicher
Holoidsalze in der Kälte. Bromkalium, Jodkalium und Chlorcalcium be-
wirken ein Aufquellen der Stärkekörner und machen sie in kaltem Wasser
öslich. Man erhält bei einiger Verdii nuung eine vollkommen klare, zunächst
weder Dextrin noch Zucker enthaltende Auflösung, welche durch Jod wasser
selbst nach Monaten schön blau gefärbt, nicht gefällt wird und deren Stärke-
gehalt sich durch Alkohol niederschlagen lässt.
Der Niederschlag zeigt trotz völliger Desaggregation noch die Haupt-
eigenschafteu der Stärke; er färbt sich durch Jod ebenso, löst sich sogar
726
Anhang.
ganz frisch nicht in Kupferoxydammoniak, nach dem Trocknen auch nicht
mehr in kochendem oder kaltem Wasser. Am besten lässt sich diese Lö-
sung bei dem etwas langsamer wirkenden Chlorcalcium verfolgen. Dasselbe
hinterlässt keinen irgend erheblichen Rückstand, so dass es sonderbar
erscheint, in dem so gut wie unwägbaren Reste einen normalen heterogenen
Bestandtheil der Stärke erblicken zu wollen. Eben so wohl könnte man
auch die Aschenbestandtheile als solchen ansprechen.
Ganz ähnlich, aber weit rascher, wirkt Chlorzink; nimmt man die
Wärme zu Hülfe, so kann der durch Alkohol zu erzielende Niederschlag
hier völlig löslich ausfallen; Dextrin wird hierbei nicht gebildet (Bechamp).
Noch kräftiger wirkt nach von Payr Zinnchlorid und verwandelt das
Amylurn in einen zwischen Zucker, Dextrin und Gummi stehenden Körper,
der sich leicht in Wasser löst und durch Jod nicht blau wird.
Diese merkwürdigen Wirkungen auf die Stärke stehen in Zusammen-
hang, wenn auch nicht in einfachstem, mit der reichlichen Lösbarkeit der
genannten Salze, jedoch gehen sie z. B. schon dem Salmiak, Chlorkalium,
Chlornatrium ab. Essigsaures Kali und salpetersaures Natron, immer in
gesättigter kalter Lösung , quellen und lösen die Stärke rasch , langsamer
das essigsaure Natron, Kalisalpeter, neutrales weinsaures Kali. Manche
Sauerstoffsalze dagegen verhindern nach Kabsch1) selbst beim Kochen
jede Kleisterbildung, so das kohlensaure Kali im sechsfachen Gewichte
Wasser.
In allen eben angedeuteten Fällen der Quellung entsteht durchaus nicht
ein der Schichtung irgendwie vergleichbares Gerüste , sondern der Angriff
erfolgt meist von innen nach aussen, indem strahlenförmige Risse die
Schichten zu durchsetzen beginnen und dieselben auflockern.
Gleichwie Chlorzink wirken auch, jedoch unter gewaltiger Aufquellung,
kaustisches Kali oder Natron auf die Stärke. Auch hier entsteht, doch erst
nach anhaltendem Kochen eine beim Verdünnen filtrirbare Lösung, woraus
durch Essigsäure und Alkohol ein Niederschlag gewonnen wird, der gleich
viel wiegt, wie die angewandte Stärke, sich in Wasser gar nicht oder nur
theilweise auflöst, jedenfalls aber nicht mehr aufquillt.
Nicht tiefer ist nach Bechamp die Einwirkung des Eisessigs, wenn
Stärke damit in geschlossenen Röhren auf 100° erhitzt wird. Es entsteht
kein Zucker, die Körner erleiden nur eine Ausdehnung auf ungefähr das
doppelte Volumen und lösen sich in kaltem Wasser grossentheils, in heissem
völlig zu einer klaren, durch Jod blau werdenden Flüssigkeit. Auch hier
wird die ganze Menge der Stärke in gleicherweise verändert, ohne dass
eine Zerlegung derselben in sogenannte Granulöse und in Cellulose ersicht-
lich wäre. Selbst durch Digestion mit starker Salpetersäure und Fällung
des verflüssigten Gemenges stellte Bechamp ein iii heissem V asscr voll-
kommen lösliches Amylurn her.
*) Löslichkeit d Stärkemehles n. s. Verh. z. polaris. Lichte. Zürich 1R62. Pag. 33.
Amylum.
727
Tiefere Veränderungen erleidet aber die Stärke, wenn sie sehr an-
haltend mit Wasser, mit verdünnten Säuren oder Alkalien , oder auch mit
verschiedenen organischen stickstoffhaltigen Substanzen gekocht wird. Gibt
mau ihr mit Musculus die Formel -OlsH30G15, so spaltet sie sich hierbei
nach demselben unter Wasseraufnahme iuG12 H20G10 (Dextrin) und Gb H'-
(Dextrose, Zucker).
Der völligen Umwandlung gehen auch hier jene schon beschriebenen
Zwischenprodukte voraus, welche als lösliche oder gelöste Stärke noch die
Fähigkeit, durch Jod blau zu werden, jedoch wenigstens in Auflösung keine
Beständigkeit besitzen.
Werden getrocknete Stärkekörner bei 200° C. geröstet, so verwandeln
sich zuerst die inneren weichen Thcile in Dextrin und lösen sich dann in
Berührung mit Wasser, während die äusseren Schichten nur erst aufquellen.
Immer erfolgt der Angriff der Stärke durch solche Flüssigkeiten, welche sie
zum Aufquellen bringen, von innen nach aussen, so wie von den Rissen
aus. Concentrirte Mineralsäuren hingegen veranlassen keine Quellung,
sondern eine Abtragung der Körner von aussen her.
Lässt man Mineralsäuren in gehöriger Verdünnung auf Stärke wirken,
oder wählt man dazu solche Flüssigkeiten, welche dieselbe überhaupt nicht
sehr energisch angreifen, wie Diastase, Galle, Fepsiu, Speichel, so gelingt
es leicht, einen unter verschiedenen Umständen ungleich . beträchtlichen
Rückstand zu erhalten, welcher nun nacliNägeli in kochendem Wasser
nicht mehr quellbar ist, sich mit Jod .unmittelbar nicht mehr blau färbt,
sondern erst nach Zusatz von Schwefelsäure, aber von Kupferoxydammoniak
gelöst wird. Das wären allerdings wesentliche Eigenschaften der Cellulose,
und als solche fasst Nägel \ diesen Rückstand auf, während der gelöste
Antheil schon 1852 von Maschke als Granulöse bezeichnet worden ist.
Allein die Löslichkeit in Kupferoxydammoniak dürfte hier noch nicht als
vollgültiger Beweis für die Identität jenes Rückstandes mit Cellulose anzu-
erkennen sein. Denn eutgegen der allgemeinen Annahme von der gänz-
lichen Unlöslichkeit der Stärke in Kupferoxydammoniak, muss ich hervor-
heben, dass letztere Flüssigkeit aus der Stärke etwas aufnimmt. Wird näm-
lich die Kupferlösung , welche mit zerriebener Stärke oder mit Kleister
einige Stunden hindurch geschüttelt wurde, klar abgegossen, verdünnt und
filtrirt, so entsteht nach dem Ansäuern kein Niederschlag. So verhält sich
die Kupferlösung, selbst wenn sie mit Stärke auf 100° erhitzt wurde; sie
hat also in keinem Falle Cellulose aus den Körnern weggeführt. W ird aber
das Kupfer durch Schwefelwasserstoff beseitigt, so nimmt das genau ueu-
tralisirte Filtrat durch Jod eine dunkelblau violette Färbung an. Kupfer-
oxydammoniak vermag also Stärke zu lösen ; das gelöste ist nicht Cellulose,
sofern es durch Sättigung der Flüssigkeit nicht gefällt wird. Lässt man
die Kupferlösung tagelang bei 100° ein wirken,, so gibt sie schliesslich beim
Ansäuern eine äusserst geringe Trübung, mit Alkohol aber eine sehr reich-
liche Fällung, welche nach Zusatz von festem Jod aufs tiefste indigoblau
728
Anhang.
gefärbt wird. Lnzerklemerten Körnern entzieht die genannte Lösung in der
Kalte nichts, wenigstens tritt in diesem Falle nach Entfernung des Kupfers
und genauer Abstumpfung des Alkalis durch Jod keine Veränderung ein
Ein weiterer Grund gegen die Annahme von Cellulose im Amylum liegt
auch in seinem (S. 725) erwähnten Verhalten zu Chlorcalcium Wenn
dasselbe nur so weit einwirkt, dass blos das Innere der Körner verflüssigt
wird, so bleiben noch die Hüllen erhalten, aber ohne alles Polarisations-
vermögen Es ist nun schwer einzusehen, wie der Cellulose dieses letztere
durch Chlorcalcium entzogen werden kann, indem wenigstens Baumwolle
z. B^ dasselbe in der gleichen oder stärkeren Chlorcalciumlösung selbst bei
100 nicht einbüsst.
Am wenigsten aber stimmt das Verhalten frisch bereiteten Kupferoxyd-
ammoniaks mit der Annahme, dass die Stärke Cellulose in irgend erheb-
lichem Masse enthalte. Bei 100° einwirkende Kupferlösung liefert nach
dem Verdünnen und Hltriren (was freilich langsam von statten geht), wie
oben gezeigt, keine in die F Bissigkeit iibergegangeue Cellulose und im Rück-
stände bleiben gänzlich veränderte optisch unwirksame, sehr kleine Körn-
chen, welche sich aber durch Jod aufs schönste blau färben lassen.
Nägeli, welcher die Einwirkung des Speichels bei tagelanger Dige-
stion in einer Temperatur von 40 — 47° sehr genau untersucht hat, schildert
den Rückstand als ein der Form nach dem ursprünglichen Korne entspre-
chendes, doch etwas kleiner gewordenes leichtes und in Wasser sehr beweg4
liches Gerüste, dessen Zwischenräume vorher mit Granulöse erfüllt gewesen
wären. Ich kann nach Wiederholung des Versuches dieses Bild nicht zu-
treffend finden ; es sind freilich viele einzelne Stellen des Kornes durch den
Speichel gelöst, andere bis auf ein Häutchen geschwunden, noch andere iu
unregelmässigster Weise angefressen, allein die inneren Umrisse desSchichtcu-
baues sind nicht erhalten. Bei länger andauernder Einwirkung iu höherer
Temperatur, welche jedoch G5° C. nicht überschreiten darf, findet eine
reichlichere Lösung der Stärke durch Speichel sowohl als durch Galle statt,
aber immerhin keine vollständige. Bei Anwendung letzterer Flüssigkeit hat
Kabscli an Weizenstärke einen Verlust bis zu 85 pC. nachgewiesen, aber
der Rest entzog sich hartnäckig weiterer Umwandlung. Es ist wahrscheinlich,
dass daran die Produkte der Einwirkung des Speichels oder der Galle schuld
sind, welche den Rückstand durchdringen und schützen oder chemisch ver-
ändern. Hierauf wäre auch nach Kabscli die Ansicht Nägel i 's zurück-
zuführen, dass ein Theil der Stärke aus Cellulose bestehe.
Physiologisch interessant ist Kabscli s Beobachtung, dass die lösende
Wirkung des Speichels durch Zusatz von 10 pC. Kochsalz bedeutend ge-
steigert wird. Auch Hefe greift die Stärke langsam an.
Wird Stärke längere Zeit z. B. mit verdünnter Salzsäure von nur
wenigen Procenten Chlorwasserstoffgehalt bei ungefähr 40° digerirt und
öfter geschüttelt, so erhält man einen Rückstand, auf welchen das Bild
eines Gerüstes nicht im entferntesten passt. Die übrig bleibende Hülle
Amylum.
729
zeigt die etwas verkleinerte Gestalt der Körner, aber ohne alle iuneieStruk
tur und färbt sich durch Jod nur noch röthlich. Doch trifft oftmals wieder
Blaufärbung ein , wenn die mit Säure ausgezogenen Hüllen nach dem Aus-
waschen getrockuet und dann aufs neue mit Jodtinktur befeuchtet werden.
Der Wirkung des Speichels ähnlich ist die Auflösung, welche die Stärke
in vielen keimenden Samen, z. B. in den Cerealien und Polygoneen, erleidet;
in andern Fällen hingegen werden die Körner ganz gleichmässig von aussen
her abgetragen und nehmen unmerklich an Umfang ab. So bei Avena,
Arurn u. s. w.1) Was gelöst wird, die „Granulöse“, färbt sich durch Jod
eben so wenig, wie bei der Behandlung mit Speichel.
Dass ausser der eigentlichen Stärkesubstanz auch Spuren anderer Stoffe,
welche im Bildungsheerde der Stärke oder bei ihrer späteren Wiederablage-
rung zugegen sein mögen, sich im Amylumkorne auflinden lassen, darf von
vornherein angenommen werden. So hat Bechamp geringe Mengen albu-
minartigen Stoffes nachgewiesen, und hierher gehört auch der Aschen-
gehalt der Stärke, welcher schwerlich jemals Va pC. übersteigt. Aber am
wahrscheinlichsten ergibt sich nach allen obigen Thatsachen, dass die Stärke
im wesentlichen gleichartig beschaffen ist, vielleicht mit Ausnahme eines
sehr beschränkten äussersten Häutchens, welches unter den hervorgehobenen
Umständen die Wirkung auf Jod nicht mehr zeigt. Je nach der Behandlung
können mehr oder weniger beträchtliche Theile der Körner in dieser Hin-
sicht der Cellulose näher gebracht werden, wie z. B. ira Falle der Chrom-
sänre, des Speichels, des unterchlorigsauren Kalkes.
Bei andauernder Einwirkung verdünnter Mineralsäuren, auch der Oxal-
säure, nicht aber der Phosphorsäure, geht auch das anfangs aufgetretene
Dextrin oder Stärkegummi alsbald in Traubenzucker (Glykose) über,
während die übrigen Agentien , welche die Spaltung des Amylums in Dex-
trose und Dextrin veranlassen, das letztere nicht weiter zu verändern
vermögen.
Salpetersäure liefert je nach der Concentration, der Temperatur und
je nach der Dauer der Einwirkung bald explosive oder nicht explosive Nitro-
körper (Xyloidin), bald Dextrin und lösliche, durch Jod noch blaue Fär-
bung annehmende Produkte, schliesslich Oxalsäure, vielleicht auch Zucker-
säure. Concentrirte Schwefelsäure löst in der Kälte das Amylum und bildet
damit gepaarte Säuren.
Concentrirte Kalilauge schwellt das Stärkemehl anfangs zu opali-
sirenden schleimigen Lösungen ohne llotationsvermögen auf, dann entsteht
Dextrin. Bei Gegenwart von sehr wenig Wasser mit Alkalien erhitzt, erleidet
das Amylum gänzliche Zersetzung unter Bildung von Kohlensäure, Oxal-
säure und Gliedern der Fettsäurereihe. — In absolutem Weingeist gelöste
*) Gris, döveloppement de la fecule dans l’albumon des graines en gormiuation. Aimales
des Scienc. iiat. Botaniq. XIII. (1SG0), 100.
730
Anhang.
Alkalien jedoch greifen selbst bei 100° nach langer Zeit die Stärke gar
nicht an (S. 659).
Erhitzt man Stärkmehl mit Ammoniak anhaltend auf 100 — 150°, so
entstehen braunschwarze, durch Thierkohle zu entfärbende Stoffe, wie bei
gleicher Behandlung des Gummis und Zuckers, welche näherer Unter-
suchung werth wären. Bedient mau sich zu diesem Versuche des Kupfer-
oxydammoniaks, so erfolgt keine Schwärzung.
Colin u. Gaultier de Claubry entdeckten 1814 die merkwürdige
Anziehung, welche das Amylum auf Jod äussert. Kein anderer Stoff mit
Ausnahme einzelner Gewebetheile der Flechten, namentlich der Frucht-
schläuche (vergl. bei Lichen islandicus und Lichen parietinus) besitzt
die Fähigkeit, durch Jod blau gefärbt zu werden. Die Wirkung der Stärke
ist dem Grade nach äusserst verschieden, je nach der besonderen Gestalt
der Stärkekörner, je nach der Natur der fremden Substanzen, von denen
man dieselben vor oder nach der Behandlung mit Jod durchdringen lässt.
Auch die einzelnen Schichten eines Kornes verhalten sich, wohl nur wegen
des nicht vollkommen gleichartigen Aufbaues , etwas verschieden zu Jod.
DieVerbindung des Jods mit der Stärke geht, obwohl gleichfalls auf
einer nicht minder starken Anziehung beruhend, eben so wenig nach che-
mischen Aequivalenten vor sich, wie die Aufnahme des Wassers, und wird
auch durch die Wärme leicht wieder aufgehoben. Das aufgenommene Jod
beträgt bis 7,5 pC., würde also höchstens in dem Verhältnisse von 1 Aeq. zu
10 Aeq. Amylum stehen, wenn letzteres durch die Formel G6H10O5 aus-
gedrückt wird, und wenn von einer bestimmten Verbindung die Bede sein
könnte.1)
Mit grösster Begier wird das Jod bei Anwesenheit von Wasser gebunden
und erzeugt dann ein tiefes Iudigoblau ; fast alle anderen Substanzen, welche
im Stande sind, die Stärke zu durchfeuchten, schwächen die Färbung ab
durch violett, rothgelb, grünlich blau bis gelb. Diese verschiedenen Farben-
töne, deren Auftreten Nägel i2) mit ganz ungemeiner Ausführlichkeit er-
örtert hat, sind nach demselben eben nur die dem Jod selbst in fester,
gelöster oder dampfförmiger Gestalt zukommenden und müssen darauf
zurückgeführt werden, dass die Jodtheilchen sich in höchst eigenthümlicher,
allerdings noch unerklärlicher molecularer Anordnung im Stärkekorne oder
in der gequollenen und gelösten Stärke verbreiten. Sonderbarerweise ruft
Joddampf in trockener Stärke nur geringe gelbe Färbung hervor.
Die Gewinnung des Stärkemehles aus Getreide war im Alterthum
wohl bekanut und von Dioskorides und Pliuius beschrieben, indem
ersterer hervorhob, dass dieses Mehl ohne Mühlstein (ä p.uXo;) bereitet und
darnach Amylon benannt werde, was nach Plinius zuerst auf Chios ge-
1) Gegentheiligo Ansicht: Guichard in Will s Jahresb. d. Chemie 1863. 570.
2) Sitzungsberichte d. Münchener Akad. von 1863 an: auch in Büchners Repertor.
1863 u. 1864. — Im Auszüge in Schweiz. Wochenschrift für Pharm. 1S65, No. 31 35.
Amylum.
731
scheheu wäre. Doch war, wie es scheint, Katastaton (Satzmehl) die gewöhn-
lichere Bezeichnung.
Anton Leu wenhoeck beobachtete zuerst 1716 vermittelst des Mikios-
kops den eigenthiimlichen Bau der Stärke in Getreidekörnern und nahm
bereits die Schichtung und die Centralhöhle wahr, was jedoch bis auf
Luke Howard (1800) niemand weiter verfolgt zu haben scheint. Dem-
selben fiel die Fähigkeit des Amylums auf, sich unter Vergrösserung des
Umfanges mit Wasser zu durchtränken. Aber erst Raspail (1825),
Turpin (1826), Fritzsche (1834) und vorzüglich Payen (seit 1838)
erforschten gründlicher die Bildung und die Eigenschaften des Amylums,
welche durch die im obigen angeführten neueren Untersuchungen weiter
aufgeklärt wurden.
Die chemische Stellung des Amylums setzte Fourcroy 1801 fest, ob-
wohl erst Gay-Lussac, Thenard und Berzelius seine Zusammen-
setzung ermittelten.
732
I.
Register der systematischen Pflanzen-
namen. .
A.
Abies balsamea
P ag*
„ excelsa
. 76
j) pectinata ....73. 76
Absinthium vulgare . . .
.475
Acacia Adansonii
„ albida
.582
„ arabica
» Catechu
„ Ehrenbergiana . .
. 1
, gnmmifera
. 2
„ nilotica
» Seyal
„ tortilis
„ Verck
Achillea Millefolium. . .
.474
* nobilis
.475
Aconitum Anthora ....
„ Cammarum ....
„ ferox
- Lycoctonum ....
, Napellus
.281
„ Störckeanum 285. 500
, variabile
„ variegatum ....
.286
Tirosum
Acorus Calamus
.179
„ gramineus
.180
Acrostichum Huacsaro .
.155
Actaea racemosa
.279
» spicata
.278
Adiantum CapillusVoueris449
„ pedatum
.450
„ trapeziforme . . . .
.450
Adenis Cyllenea
.278
, vernalis
.278
Aerides
.609
Aesculus Hippocastnnura 326
Aethusa Cynapium 499.
636
Agathotes . . . . ?
.481
Agave amcricana
.106
Agropyrum acutum . . . .
,156
„ junccum
156
„ pungens
„ repens
,155
l>ng. j
AIcca 553
Alhagi Maurorum 17
Allium 690
Aloe africana 105
„ ferox 105
„ I.ingua 105
„ mitraeformis 105
„ perfoliata 105
„ purpurascens . . . .105
n socotrina 105
„ spicata 105
„ vulgaris 105
Alpinia chinensis 177
„ Galanga 178
Alsophila lurida 143
Altliaea narbonensis. . . .191
„ officinalis 188
„ rosea 553
„ taurinensis 191
Altingia excelsa 85
Ambrina 525
Amelanchier 672
monium Cardamomum 612
„ Curcuma 174
„ Granum Paradisi . 699
„ Zingiber 172
„ Zerumbct 176
Ampelodesmos tenax . . .129
Ampclopsis hcderacea ..187
Amygdalus 664.669
Amyris Kataf 34
„ Oppbalsamum 35
„ papyrifora 31
Anacamptis pyramidalis . 1S3
Anacardium occideutale .462
Anacyclus officinaritm ..291
„ Pyrethrum 289
Anamirta Cocculus 238. 587
Andira.jamaiccnsis 238
Ancthum 631
Augclica Archangclica . . 305
„ officinalis 305
„ sativa 306
, sylvestris 307
Antlicmis nobilis 543
i*»g
Anthemis Pyrethrum . . . 289
Apittm 623
Aquilaria Agallocha .... 114
Arbutus uva ursi 459
Archangelica officinalis .305
„ sativa 306
Arctium Lappa 226
Arctostaphylos alpina ..460
„ officinalis 459
„ uva ursi 459
Areca Catechu 117
Arenga 713
Aristolochia Clematitis. . 298
, officinalis 298
„ reticulata 298
„ Serpentaria 297
Arnica 292. 548
Artanthe adunca 520
„ elongata 520
Artemisia Absinth. 100. 475
„ arborescens 475
* Chiajeana 547
„ Contra 547
„ Dracunculus 632
, judaica . . . .475. 547
y. Lercheana 547
„ pauciflora 547
„ pontica 475.478
, ramosa 548
„ Sieben 547
„ Vahliana 547
Arum 729
Aruudo Ampelodesmus . .129
Asagraea 602
Asarum virginicum 298
Asclepias Contrayerva ..253
Aspidium athamanticum 1 54
„ filix mas 151
„ Goldieanum 151
y marginale 151
„ Oreopteris 153
, spinulosnm 153
Asplenium filix femina. .153
Asträgalus crcticus 7
„ gummifer 8
Register der systematischen Pflanzennamen.
733
paß.
Astragalus Parnassi . . .
7 i
„ verus
7
Astrantia majov . . .280.
312
Atropa Belladonna ....
267
729
B.
ßalantium ckrysotrichum 143
Ballota nigra
515
Balsamodendion african.
37
„ Elirenbergiauum
34
r Gileadense
35
,, Mukul
„ Myrrka
35
Balsamopliloeos Kataf. .
34
Bamksia
.562
Barosma
.528
Batatas edulis
248
„ Jalapa
.248
Benzoin officinale
61
Berberis vulgaris
.342
Berula
.630
Boletus Laricis
.136
„ purgans
.146
Bonplandia
.434
Borassus
.713
ßoswellia floribunda . . .
. 31
„ papyrifera
. 31
„ sacra
„ serrata
. 33
Brassica Napus
.691
„ nigra
.687
„ Rapa
.691
Braycra
.562
Brucea antidysenterica .
.428
„ ferruginea
.428
Buena kexandra . . .344. 396
Butea frondosa
.119
Buxus sempervirens 342
460
c.
Calcitrapa lanuginosa . <
.478
Callicocca Ipecacuanha.
.228
Callitris quadrivalvis . .
. 60
Camphora oflicinarum . .
. 97
Canarium 77. 79
Cannabis indica
.521
jf sativa
.574
Capparis
.531
Caprificus . .
Capsicum 603. 605
Carex arenaria
.157
„ disticha
.158
„ kirta
psg- j
Carex intermedia
158
Carlina acaulis
294
Carlina vulgaris
295
Carum Carvi
625
Caryopkyllus
556
Cascarilla. . . .344. 356. 400 i
Cassia (Senna)
463
Cassia ( Senna) aetkiopica 470
„ Bisckoffiana .
466
„ „ Ehrenbergii .
469 j
„ „ kolosericea . .
470
„ r Hookeriana .
.471 1
„ , ovalifolia . . .
470
„ „ pubescens . . .
.470
„ „ Royleana . . .
.469
„ „ Sckimperi . . .
.470
„ „ tomcntosa. . .
.470
Ceutaurea benedicta . . .
.478
„ Ccntaurium . . . .
.480
Cephaelis emetica
.228
„ Ipecacuanha ....
.228
Ceramium rubrum
.141
Cerasus Lauro-Cerasus .
.454 |
Ceratonia Siliqua
.582
Cetraria Islandica
.137
Chavica 619. 620. 115
Ckaeropliyllum aureum
.499
B bulbosum
.499
„ temulum
.499
Ckelidonium majus. . . .
.451
Clienopod. ambr
525
„ Botrys
.525
* kybridum
.489
„ Quinoa
.721
„ Sckraderian. . . .
.525
Ckiococca anguifuga . . .
.232
r racemosa . H & B
. 232
„ racemosa Jacq. .
.230
, densifolia
.232
, scandens
Ckironia
.482
Ckondrus canaliculatus .
.141
„ crispus
.140 :
„ polymorpkus . . .
.140
Cknoopkora tomentosa .
.143
Chrysanth. Partk. .100. 544
Cibotium
Cichorium Intybus . . . .
.240
Cicuta virosa 498. 630
Cinchona
acadcmica . . . . .
.351
f) amygdalifolia . .
.396
angnstifolia . . . .
.349
„ australis. . . . 355
. 383
,. barbacoensis . . . .
.354
,. boliviana
.348
„ Bonplandiana 346. 37G
„ Calisaya 347. 372.373
390
pag.
Cinchona Candollii 349
„ carabayensis ....421
„ Chakuarguera . . . 348
376. 389
„ coccinea. . . .351. 385
„ Condaminea 348. 346
347. 376
377. 391
„ conglomcrata ....351
„ cordifolia . .348. 354
377. 390. 405
„ corymbosa 351 . 358.
364
„ Delondriana 350
„ erythroderma .. ..351
„ glandulifera 344. 352
* „ globifera 415
„ Henleana 420
„ keterophylla 345. 349
377. 389
„ Humboldtiana. . . .394
„ Josephiana. . 847. 353
„ lanceolata 365
„ lancifolia349.378.389
„ lucumaefolia ....352
„ lutea 349. 379. 389.
403
„ raacrocalyx 349. 379.
389
„ macropkylia 420
„ micrantka349.379.
389
„ nitida .350. 380. 391
v officinalis . . . 350. 376
„ ovata 352
„ Pabudiana414. 421.
425
„ Palalba 352
„ Palton 352.403
yj pedunculata 420
„ Pelletieriana .350. 382
„ peruviana 352
„ pitayensis350. 380.
390
„ pubescens350.371.
382. 389-
purpurascens 345-346
„ purpurea .. .350. 352
„ scrobiculata .350. 372
382. 391
„ stupea 394
„ succirubra350. 354.
383
„ tncuyensis 352
„ umbellulifera 351. 386
391
,, Uritusiuga351. 386.
389. 391. 424
» villosa 394.403
734
Register der systematischen PAanzeunamen.
I
Cinckona viridiflora 350.
344
Cinnamomum aromatium
446
a Campkora
. 97
a Cassia
446
a citriodorum
,441
a zeylanicum
439
Cimicifuga
,279
Citrus Aurantium . .568.
599
„ decumana
.599
a Limonum
,565
a medica
,566
a vulgaris
,599
Citrullus amarus
,593
a Colocyntkis
,593
Claviceps microcephala .
,134
„ nigricans
,134
„ purpurea
133
Clutia
,435
Cnicus benedictus .478.
144
Cocculus palmatus
236
„ suberosus
,587
Coccoloba uvifera
119
Cochlearia anglica
,453
a Armoracia
453
a danica
453
a officinalis
,452
Codazzia
,362
Coelocline polycarpa . . .
,238
Colchicum autumnale L. .
,180
„ variegatum 183
Colocyuthis 593
Colutca arborcsccns . . .
.473
Conium maculatum. 497,
. 633
Convolvnlus arvensis . .
.244
a Batatas
.248
a Jalapa
, Meckoacan ....
.248
a officinalis
.248
a opcrculatus ....
254
» P“rga
.248
a sagittaefolius . . .
.248
a Scammonia
.244
a Turpcthum ....
Copaifera coriacea ....
. 80
a Jacquini
. 80
a Langsdorffii ....
. 80
a multijuga
. 80
a officinalis
. 80
Coptis Teeta
.239
a trifolia
.239
Cordiccps
Cordyliceps
.133
Coriandrum
.636
Coriaria myrtifolia . . . . ,
.473
Cosciuium fencstratum . ,
.238
Corydalis
.459
Cotoneaster
.672
Coumarouna
.532
Crcscentia cucurbitina . .
. 89
P"K- !
Crocus 533.
535
Crotou Cascarilla
435
„ Eluteria
435
a lineare
435
a Malambo
438
a Pavana
699
a Pseudo-China . .
438
, Sloanei
435
a Tiglium
696
Cubeba 612.614
Cucumis
593
Cucurbita
596
Cuminum
626
Cupressus sempervirens
519
Curcuma angustifolia . .
712
a leucorrkiza. .712.
719
» longa
174
a viridiflora
176
a Zedoaria
176
a Zerumbet
176
Curcas
695
Cuscuta
716
Cydonia vulgaris
659
Cynanckum Argbel. . . .
466
a vincetoxicum . . .
298
Cynodon Dactylon . . .156-7
Cvperus esculentus. . . .
18
D.
Daphne alpina
448
a Gnidium
448
a Laurcola
448
, Mezereum
447
Dapknidium
615
Datura arborea
681
a Stramouium 489.
680
a Tatula
489
Dicksonia Culcita ....
143
DicfTenbackia
721
Digitalis purpurea — .
483
a grandiflora ....
485
a lutea
485
„ parviflora
485
a ferruginea
485
Digitaria stolonifera . .156-7
Diosma
528
Dipterocarpus alatusRoxb. 83
, costatus
83
„ iucanus Roxburgk
83
a laevis
83
„ trinervis
83
a turbinatus Gärtn.
83
Dipterix odorata
532
Distylium raccmosum .
149
Dorema Ammoniacum .
28
a Aucheri
31
a glabrum
31
a paniculatum
31 I
P«g.
Diserucston gummiferum 28
Drepanocarpus Senegal. .119
Dryobalauops Camphora 100
E.
Elettaria 611. C12
Empleurum 528
Epidendron 610
Erythraea Centaurium ..480
a linariaefolia 481
„ pulchella 481
Erythrina monosperma ..119
Eucalyptus dumosa 17. 715
„ mannifera ...17.715
„ resinifera ...17. 120
Eugenia 556. 561
Eulophia vera 184
Euphorbia 715. 721
„ balsamifera 58
a canaricnsis 57
„ dendroides 537
a resinifera 57
a Wulfen» 537
Exidia Auricula .ludae . .135
Exogonium Purga 248
Exostemma 344. 356
F.
Fernla Asa foetida .... 20
a erubcscens 25
a gummosa 25
„ rubricaulis 25
a Schair 26
a teterrima 25
Feuillea 679
Ficus Carica 576
a Sycomorus 580
Foeuiculum 631. 632
Fourcroya 359
Fragaria vcsca 293
Frasera carolinensis . . . .240
a Waltcri 240
Fraxinus Ornus 13
a rotuudifolia 13
Fucus crispus 140
a fastigiatus 141
, lumbricalis 141
Fumaria capreolata . . . .459
a officinalis 458
w Vaillantii 459
Furcellaria fastigiata ...141
G.
Galeopsis ockroleuca ... 514
a villosa 514
a Tetrahit. 515
Register der systematischen Pflanzennamen.
735
I'nfr-
Galeopsis versicolor . ..515
„ pubescens 515
Galipca Cusparia 434
„ febrifuga 434
„ officinalis 431
Garcinia Morella 19
„ elliptica 19
„ Gutta 19
Gardenia 534
Gasteria Lingua 105
Gentiana Centaurium ..480
„ Chirayita 481
„ lntea 233
„ pannonica 235
„ pnnctata 235
„ pnrpurea 235
Geofl’roya jamaicensis ..238
„ snrinamensis ....238
Gillcnia trifoliata 267
Glancium luteum 459
Glcclioma 621
Glycyrrbiza asperrima . .201
„ eebinata 199
„ glabra 194
, glandulifera . 19S. 201
Gomphosia 396
Goniophlebium attenuat. 155
• Gratiola officinalis 486
Guajacum jauiaiceuse . . . 33 1
„ officiuale 326
„ sanetnm 67.331
Gymnadenia conopsoa . .184
Gypsopbila Strutliium . .261
II.
Habenaria pectinata
185
Ilabzclia
618
Ilagenia abyssinica
562
Hebradendr. gambogioid. 19
Helleborus altifolius
. . .274
„ antiquorum .
274. 277
„ foetidus . . . .
. . ..277
„ humilifolius .
274
„ niger
274
„ officinalis . . .
274. 277
„ olympicus . .
277
„ orientalis . . .
274. 277
„ pontiens . . .
277
„ purpurasccns
277
„ viridis
,270. 274
Hcudelotia africana
.... 37
Hordeum
721
Ilumulus Lupnlus . .
315
üydraatis canadensis . . .239
Hymenaea
572
Hyoscyamus albus
.490. 683
„ major 683
Eyoscyamus niger 682
„ pallidus 490
Hyssopus officinalis ... .511
I. J.
Janipha 673. 713
Jateorrhiza Calumba ...236
Jatropba . . . .673. 695. 713 j
Tcica Icicariba 77
Jeffersonia dipbylla . . . .238 |
Ignatia 678 j
II liciurn 638
Imperatoria Ostrutbium .310
Inula Gonyza 486
„ Hcleuium 287
Ionidinm Jpecacuanba ..230
Ipomoea Jalapa 248
„ operculata 254
„ orizabensis 254
„ Pnrga 248
„ Scbiedeana 248
„ Turpctbum 256
Iris Florentina L 171
„ pallida L 171
Isoetes 714
Juglaus regia 527
Jnniperus communis. . . .606
„ Oxycedrus 316
„ pboenicea. ....'. .519
„ Sabina 517
„ virginiana 519
K.
i Kämpferia Galanga 178
Kentrosporium 133
Kraroeria argentea 206
„ Ixiua 207
„ lanceolata 206
„ secundiflora 208
„ triandra 203
L.
Lactuca altissima 39
„ sativa 39
„ Scariola 39
„ virosa 37
Ladenbergia . .344. 356.
362. 370. 400. 415
Lappa edulis 227
„ major 226
n minor 226
„ tomentosa 226
Larix decidua . .18. 70. 136
„ curopaea .18. 70. 137
* rossica 136
„ sibirica 136
Laserpitiuin latifolinm .
pag-
233
Lasionema
344
Lathraea
716
Laurus Camphora
97
„ Cassia 443. 446
„ Sassafras
299
Lavandula angustifolia .
551
„ officinalis
551
„ Spica 100.
552
„ Stoechas
552
Lecanora
18
Ledum palustre
508
Leontodon Taraxacum .
241
Levisticum officinale . .
303
Liatris
532
Lieben parietinns
139
Ligusticum officinale . .
.303
„ Levisticum
Linum
655
Liquidambar Altingiana63. 85
imberbis
. 84
r orientalis ......
84
Y) styraciflua
88
Liquiritia officinalis . . .
.194
Lobelia inflata
.496
Lonicera Periclymenum
.315
Lophosoria affinis
.143
Lycbnis
Lycopcrdon Bovista . . .
.144
Lycopodium alpinum . .
.122
„ annotinum
1°2
„ clavatum
.121
v complanatum . . .
.122
„ innndatum . . . .
.122
y> Selago
M.
Macrotis
.279
Malva 456. 553
Manihot 673. 713
Maranta
.709
Marrubium vulgare . . . .
.515
Marsilea
.714
Mastocarpus mamillosus
.141
Matricaria Chamomilla .
.541
„ coronata
.542
r lithuanica
.542
„ Parthenium
„ suaveoleus
.542
Melaleuca
. 93
Melilotus officinalis . . .
.532
Melissa officinalis
Menispermum Calumba
.236
„ canadense
^ Cocculus
„ fenestratum . . .
.238
Mentha aquatica
„ piperita
73fi
Registor der systematischen Pfla nzonnamen.
Meutba rotundifolia .
P*F.
504
„ sativa
.. .504
„ sylvestris . . . .
. . .503
„ viridis
Menyautbes trifoüata
. ..482
Metroxylon
Mimosa arabica . . . .
„ Catecbu
Mirabilis Jalapa . . . .
. . .254
„ lougiflora . . . .
.253-4
Mucuna
. . .572
Myrica Gale
Myristica
Myrospermum == Myroxylon.
Myroxylon Pereirae .
88. 721
„ peruiferum 88.
92. 416
„ Sonsonatense .
. . . 88
„ toluifernm . . .
. . . 92
Myrtus Pimenta . . . .
. . .561
N.
Nartliex Asa foetida .22. 25
Nauclea acida 116
„ Cinchona 415
„ Gambir 114
Nectandra Pucbury . . . .301
„ Rodiaei 403
Neottia 716
Nepeta Cataria 514
Nephrodiura 151
Nicotiana ebinensis 495
„ macropbylla 496
„ rustica 495
„ Tabacum 491
Nitelia 714. 721
0.
Ophelia 481
Opuntia 580
Orchis latifolia 184
„ maculata 184
„ mascula 183
„ militaris 183
„ Morio 183
, papilionacea . . . . 184
„ ustulata 183
Ornus europaea 13
„ rotundifolia 13
Oryza sativa 129
Orobancbe 716
P.
Pacbydendron africanura 105
„ ferox 105
Panax quinquefolius266. 298
„ Scbinseng 266
rate.
Pancratium maritimnra . .188
Pauicum Dactylou L. .156-7
Papaver album 590
„ dubium 539
„ nigrum. . . .40. 590
„ Rhoeas 538
„ somniferum 589
Parmclia parietina 139
Peganum Harmala .«-... 530
Pelargonium gg
Pereiria medica 238
Persea Campbora 97
Persica . . . • 672
Petroseliuum 623
Pcucedauum Cervaria. . .233
„ ofticinale 312
„ Ostrutbium 310
Pbajus 721
Pbascum 714
Pbyscia Islandica 137
„ parietina 139
Picraeua 321
Picrasina 321
Pimenta 561
Pimpinelia Auisum 627
„ magna 301
„ nigra 302
„ Saxifraga 301
Pinkneya 382
Pinus australis 73. 76
„ Lambertiana .... 18
„ Laricio Poiret ... 76
„ Larix 70
„ maritima 76
* Mughus 73
„ nigricans ...... 76
„ palustris 76
„ Pinaster 73.76
„ Pumilio 70. 73
y. Strobus 73.76
„ sylvestris 76
„ Taeda 73. 76
Piper aduncum 520
„ augustifolium . . . .520
„ arborescens 520
„ Betle 115
„ caninum .614
„ Cubeba 612.614
„ elongatum 520
„ longum 619
r nigrum 615. 700
Piptostegia 254
Pistacia Lentiscus L. . . . 64
„ mutica 67
„ Tcrebinthus 70
Platanus orieutalis 84
Ploesslea floribunda .... 31
Podopbyllnm dipbyllum 238
„ peltatum 238
i>«k.
Pulygala amara 266
„ Senega 262
» Poaya .266
Polygouum Bistorta .... 202
Polypodium Baromez . . .143
„ Calaguala 155
„ Filix mas 151
„ vulgare 154
Polyporus officinalis . . . .136
Polysticbum Filix mas . .151
Potentilla Tormentilla . .303
Poterium Sanguisorba . . 203
Prosopis 582
Prunus 672
„ Laurocerasus .... 454
* Padus 431
Psycbotria elliptica . . . .230
„ emetica 230
Ptelea trifoüata 462
Pteris aquilina 155
„ esculenta 155
Ptcrocarpus erinaceus. ..119
„ Marsupium 118
„ santalinus 316
Pulcgium micrantbum . ..100
„ vulgare 100
Puuica Granatum 340
Pyrethrum Partbenium. .100
Pyrus 659
Quassia amara 319
„ excelsa 321
v Simaruba 323
Quercus Aegilops ... 17. 148
„ coccifera ... .7 ... 17
„ gracca ......... 1 48
„ infectoria .... 17. 145
„ mannifera 17
„ occidentalis 334
„ pedunculata .338. 642
„ pseudo-Suber . . . .334
- raccmosa ...338.642
_ sessiliflora . .338. 642
„ Silber 334
„ Yallonea 148
Quillaja Saponaria .261. 333
R.
Remijia 356
Rbamnus catbartica 431. 600
. chloropbora 602
u Frangula 429
T tinctoria 430
n utilis 602
„ Zizypbus 581
Register der systematischen Fflanzennamen.
737
pn(f.
Rheum australe . . .220. 222
„ compactum . . 220. 222
„ Ernodi 221
„ hybridum 221
„ palmatum. . .220. 222
„ Rhaponticnm . . . .221
„ sibirienm 221
„ undiilatum . .220. 221
222. 719
Rhus japonica 149
„ javanica 149
„ qucrcifolium ....461
„ radicans 461
„ semialata 149
„ Toxicodendron ..461
„ vulgare 461
Ricbardsonia scabra ... .230
Riciuus 692.
Ronabea emetica 230
Rosa bifera 95
„ ceutifolia 539
„ darnascena 95
„ gallica 540
„ moschata 95
„ proviucialis 540
Rosmarinus officinalis. . .506
Roltlera affiuis 125
„ tinctoria 125
Rubin Munjista 194
„ peregriua 194
„ tinctorum .191
Rumex acutus 225
„ alpinus 223
„ conglomeratus ...225
„ crispus 225
* nemorosus ..... .225
„ obtusifolius 224
„ Patieütia 224
Ruscus aculeatus . .164. 167
Ruta graveolens 530
„ montana 532
S.
Sabadilla 602
Sabina ofticinalis 517
Sagucrus 713
Sagus 713
Salvia officinalis 505
„ pratensis 506
Samadera indica 325
Sambucus. . ..550. 551. 580
Sanguinaria canadensis . .451
Sanguisorba officinalis . .303
Santalum album 318
Saponaria officinalis . . . .259
Saprolcgnia 714.716
Sassafras officinalis . . . .299
pas.
Scliotia 572
Scilla maritima 185
Sclerotium Clavus 132
Scolopeudrium officin. ..450
Scorodosma foetidum ... 20
Scutellaria 488
Senna 464
Silene Saponaria 259
Simaruba amara 323
„ excelsa 321
„ medicinalis 323
Sinapis alba 684
„ arvensis .... 686. 691
„ juncea 691
„ nigra 687
Sisymbrium . . 690
Sium 630
Smilax aspera 161
„ China 169
„ cordato-ovata . . . .161
„ glabra 170
„ lanccaefolia 169
„ medica 161.167
„ officiualis . . .161. 165
„ ovalifolia 169
„ papyracoa 161
„ Pseudo China . . . 170
„ pseudo-syphilitica. 161
„ Sarsaparilla 161
„ syphilitica 161
„ tamuoides 170
„ zcylanica 170
Solanum Dulcamara 313. 721
„ nigrum 314.315
Solenostemma Argbel . . .466
Sophora 531
Sorbus 672
Spermocdia Clavus 132
Sphacelia segetum 131
Sphaerococcus 140
Spigelia marylandica . . .298
Squilla maritima 185
„ Pancratium 188
Steffcnsia 520
Strycbnon manicou ....681
Stryclmos Iguatii 678
„ innocua 675
„ Nux vomica .429.975
„ Tjeute 679
Styrax Benzoin 61
„ officinalis L.. 87. 88
Sumbulus mosebatus . . .310
Syzygium 561
T.
Tacca 712
Tamarindus 670.574
Piff
Tamarix mannifera .... 17
„ orientalis 566
Taraxacum 241
Tephrosia Apollinea .... 467
Terminalia 149
Theobroma 645. 649
Thuja articulata 60
Thymus capitatus 510
„ Serpyllum 510
„ vulgaris 508
Thysselinum palnstre . . .291
Tiglium . . . 696
Tilia 554. 555
Toddalia aculeata 239
Trigonelia 662
Trochiscauthes nodiflorus305
Triticum repens 155
Trollius europacus 280
u.
Ulmus campestris 337
„ effusa 337
„ fulva 338
Uncaria acida 116
v Gambir 114
Unona polycarpa 238
Urginea Scilla 185
y.
Vaccinium vitis idaea . .460
Valeriana angustifolia. . . 295
„ officinalis 295
, Phu 297
Vanilla aromatica 61 0
„ Pompona 610
, planifolia 607
Veratrum album L 159
„ nigrum 160
„ officinale 602
fj Sabadilla 603
„ viride 160
Verbascum 536. 537
Viola tricolor 457
X.
Xanthorrhiza apiifolia . .239
Xautboxylon caribaeum .239
B fraxineum 239
z.
Zingiber officinale .... .172
Zizypbus 581
I''liickigcr, Pharmakognosie.
47
738
II.
Sachregister.
P“g-
Abietinsäure 73
Absinthe 475
Absinthiin 477
Abstränze 310
Acolyctin 286
Aconit 499
Aconite root 281
Aconitsäure 285
Aconellin 284
Aconitin 283
Acore odorant ou vrai. . .179
Adraganthin 12
Aesculin 326
Aesculinsänre 261
Agaricin 137
Agaricus albus. Agaricuml36
Agnus scythicus 142
Alantcampher 288
Alantin 289
Alantwurzel 287
Aleppo-Senna 470
Aleuron . . . .652. 657. 667
Alga Caragahecn 141
Alizari oder Lizari 192
Alizarin 193. 194
Allspice 561
Almonds 664. 669
Aloe arabische 111
„ Bombay 111
, capensis 109
„ Curaijao 110
„ hepatica 108
„ indica 111
„ lucida 108
„ Moccha 111
„ socotrina’ 110
Aloiibitter 112
Aloeharze 112
Aloepurpur 113
Aloeresinsäure 113
p»g.
Aloeretin
Aloeretinsäure . . .
Aloetin
Aloin
Aloisol
Alphaguajakol . . .
Althäin
Ammoniacum . . . .
Amandes
.664. 669
Ambrosie
Amygdalae amarae
669
yf dulces . . . .
664
Amygdalin
.455. 670
Amylin
Amyloid
.572. 718
Amylum
714
„ Marantae . .
Amyrin
. . .78. 79
Anamirtsäure. . . .
Andorn
515
Anethol
Angelica
Angelicasäure . . .
307. 312
Angelicin
Angostura-Rinde .
.427. 431
Anis
„ etoilA ....
Aniscampher ....
Anthophylli
Antirrhinsäure . . .
485
Apiol
Aporetin
Arabic gum
.... 1
Arabin
.... 4
Arabinsäure
Arabisches Gummi
461
Arbutin
Arctuvin
400
Aricin
Arillus Myristicae. .
.... 6
Arnica
548. 292 |
pag.
Arnicin 293. 549
Arrow-Root 709
Asa foetida 20
Asant 20
Asparagin 190. 198
Aspidin 153
Atropasäure 269
Atropin 269
Atrosin 269
Attar of roses 95
Aurantia immatura 597
Aurantiin. . . 598
Aurin -. 480
Avorniu 431
Azulen 542
B.
Baccae s. auch Fructus
„ Sambuci 580
„ Juniperi 606
„ Lauri 622
„ spinae cervinae ... 600
Badiane 638
Baies, Fructus
„ de Laurier 622
„ de nerprun 600
„ de sureau 580
Baldrian 295
Balm 513
Baisamum Capivi 83
, Copaivac 80
„ indicum nigrum . . 88
* nucistae 705
„ peruvianum- 88
„ styracis 84
„ tolutanum 92
Bang 522
Barbotine 544
Bark v. Cortex.
Bärentraube 459
Sachregister.
739
Pag-
Bärlappsamen 121
Baros-, Borneo-Campker. 101
Barosma-Blätter 528
Baume de copalru 80
„ du Pürou 88
„ de Tolu 92
Bardane 226
Bassora-Gummi 5. 1 1
Bdellium 37
Bearberry 459
Bebeeru-Rinde 403
Belladone, feuilles 490
Belladonna 267
„ leaves 490
„ root 267
Belladonnin 269
Benjoin 61
Benzoe 61
Benzoesäure 62
Benzo'inum 61
Berberin 238
Bertramwurzel . .. .289. 291
Betacliinin 402
Betaguajakol 69
Biberklee 482
Bibernellwurzel 301
Bilsenkraut 489
Bilsensamen 682
Bismalva 191
Bistorte 202
Bitterbolz 319. 321
Bittersüss 313
Bitter-sweet 213
Black Catechu 116
Ble cornu 129
Blitzpulver 121
Bockshornsamen 662
Bog bean 482
Bois amer 319. 321
„ doux 194
„ de gaiac 326
„ de genevrier 315
» gentil 447
, de santal . . .316. 318
Boletus Laricis. ...... .136
Bolet du meleze 136
Borneen 101
Borueol 101
Boucage 301
Bousserole 459
Brassicasäure 690
Brean 79
Brecbwurzcl 228
Brechnüsse 075
Brechnüsse, schwarze. . .695
Brcidin 79
Brein 79
Brucin 428. 677
Brustbeeren 581
pag.
Bryoidin 79
Buccoblätter 528
Bucktliorn berries 600
Bulbe de colchique .... 180
„ de salep 183
Bulbus s. cormus s. radix
Colchici 180
„ Scillae 185.714
Burnet root 301
Busseroie 459
c.
Cabbage-rose 539
Cacao 645
Cacaobutter 653
Cacaoroth 652
Cackou 116
„ clair 114
Caffeln 654
Cajeputen 94
Cajeputöl 93
Ca'inca 230
Caincasäure 232
Caincetin 232
Calamus 180
Calandine 451
Calumba 236
Cambogia 19
Camomilla 541. 543
Campheröl 98
Canada-Balsam 70
Caniramin 428
Cannaben 524
Cannabin 524
Cannello 439.446
Canton-Rhabarber 219
Capiliaire 449
Capita Papaveris 589
Capsique 603
Capsules de Pavot 589
Capsicin 605
Caraway 625
Cardamom 611
Cardamomum pipcratum. 699
Cardobenedicte 478
Caricae 576
Carmufellinsäure 559
Caroubes 582
Carrageen 140
Carven 626
Carvi 625
Carvol 626
Caryopliylli 556
Caryophyllin 559
Cascarilla v. China
» bark 435
* fina 353
Cascarillin
pag-
.437. 699
Cascarillos bobos . .
, finos
.345. 353
Cassave
Cassia
446
lignea
„ vera
443
Castor-oil seed. . .
Cataputiac
.692. 699
Catechin
,115. 117
Catechu nigrum . . ,
„ pallidum . . .
114
Catechugerbsäure .
.114. 115
Cateckusäure ....
.114. 115
Cathartin
.471. 601
Cathartinsäure . . .
Cathartogeninsäure
472
Cathartomanuit . .
Cayenne pepper . .
Centaurec , petite .
605
480
Centanrin
479
Centaury tops . . .
Centifolien
Cerin
Cetrarsäure od. Cetrarin.139
Cevadille
Chacrille
435
Chamillen
.541. 543
Chamomile
543
Chanvre
* , semence. .
574
Chardon benit . . .
478
Chelerytkrin . . . .
451
Chelidoine
Chelidonin
452
Chelidoninsäure . .
452
Chelidonsäure . . .
452
Ckelidoxantkin . .
452
Chbnevis
574
Cherry-laurel . . .
454
Chicoree
240
Chiendent
„ rouge
China Almaguer . .
381
„ amarilla . . .
.363. 394
„ Ambolo . . .
„ anaranjada .
.363. 378
, bicolor ....
„ blanca ....
.362. 363
„ boliviana . .
375
„ Calisaya 373. 374. 409
„ „ blanca
„ „ fibrosa
383
„ „ morada
375. 386
» „ pallida
375
„ „ Santa Fe . . .378
, „ woody
375
„ Caquota . . .
„ Carabaya . .
740
Sachregister.
p«s.
China
Carthagena .
378
colorada . . .
columbiaua.
378
n
Cuenga. . . .
T)
Cusco ....
.382. 383
y>
flava
382
•n
„ dura. .
.377. 379
„ fibrosa
n
fusca
.392. 395
n
grisea
.392. 395
•n
Guayaquil .
376
n
Huamalies377.383.395
Huanuco . .
.380. 393
Jaiiu
395
T>
„ fusca .
V)
„ nigricans . . .394
P
„ pallida
Icbu
r>
Lagos
415
Lima
392
Loxa
379. 393
Maracaibo .
.377. 396
•n
Marcapata .
377
y>
naranjada .
363
n
negrilla . . .
nova
400
V
pallida ....
Para fusca .
.396.403
V
peruviana .
383
7>
Pitayo ....
382. 409
Pseudo-Loxa 377. 394
r>
regia . .373. 374. 393
r>
roja
363
rubiginosa .
378. 382
n
rubra
n
, granatensis. .403
y>
, (Mutis)
403
p
„ suberosa 385. 390
Santa Ana .
383
Tecamez . .
Ten
395
Chinagerbsäure . .
Chiuaknollen ....
Cbinarotb
Chinasäure
Chinawurzel
China root
169
Chinese Galls ....
149
Chinidin
402
Chinin
Chinium
Ckinoidin
403
Cbinon
460
Chinovabitter ....
Cbinovin
Chiococcasäure . .
Chirata
180.481
Chlorogenin
Chrysophansänre . . 140. 214
225. 471
pag-
Chrysopikrin . . . . ,
140
Chrysoretin
471
Gigue
497
Cimicifugin
280
Cinaeben
.545. 546
Cinchona bark v. China.
Cinchonabitter . . .
Cincbonidin
.402. 403
Cinchonin
Cinchotin
402
Cincbovatin
403
Ciuen
Cinnamen
86
Cinnamol
86
Cinnamomum . . . . ,
.439. 446
Citronenschalc . . . ,
565
Clavis secalinns . . ,
129
Cloves
556
Cnicin
479
Cocctili
Cocculin
589
Cochlearia
Cockles
587
Cocoa
Code'in
53
Coerulein
543
Coffein
654
Colcbice'in
674
Colcbicin
.182. 674
Colchicum seed . . ,
673
Colocyntbin
Colocyuthis
Colopbonium
Columbin
Columbobitter . . . .
238
Columbokolz
Columbosäurc . . . .
338
Concbinin
Conditum Zingiberis. . . .173
Coniiu
.312. 635
Convolvulin
252
Convolvuliuol
253
Convolvulinsäure . .
252
Conydrin
635
Copahu
Copaiva-Balsam . . .
80
Copaivaöl
81
Copaivasäure
81
Coque du Levant . .
587
Cousso
Coquelicot
Coriaudre
Cork
Cortex Angosturae .427. 431
„ Aurantiorum
467
, Bebeeru . . . .
503
B Cascarillao .
435
a Cliinac v. China.
„ Cinnamomichincn9.446
„ „ zeylanic 439
pag-
Cortex Citri 565
a Copalchi ...... .438
„ Crotonis 435
„ Eleutheriae 435
a Frangulae 429
a Granati fructus . . . 568
» a radicis 340
„ Limonum 565
a Malambo 438
„ Massoy 443
a Matiaa 438
a Mezerei 447
, Qucrcus 338
a Sassafras 299
a Strychni 427
a Thymiamatis .... 85
a Dlmi 337
Couleuvrinc 202
Crocin 534
Crocns 533
Crotonöl 697
Crotonol 698
Crotonsäure 698
Croton seed 696
Crown bark 379. 392
Cubcbae 612
Cubebencampher 614
Cubebensäure 614
Cubebin 614
Cnmarin 533
Cumin des pres 625
Cuminol 626
Curcasöl 695
Curcuma 174
Curcumin 175
Curled mint 502
Cusconin 403
Cusparia bark 431
Cnspariu 433
Cutch 116
Cyclamin 589
Cymen 510. 626
D.
Dägen, schwarzer 316
Dablin 289
Damascenerroscn 540
Dandelion 241
Dapbniu 448
Daturin 681
Dcnt de Hon 241
Deutocatecbusäure 115
Digitale 483
Digitalin 484. 485
Diosma-Blätter 528
Diosmin 629
Doncc-amere 313
Dulcamarin 315
Suchregister.
741
P»g-
E.
Eberswurzcl 294
Ecbolin 135
Ecorce v. Cortex.
B d’aune noir 429
„ de bourdaino ....429
„ de citrons 565
„ de grenades 568
, d’orme 337
„ de grenadier 340
Eibischblätter 456
Eibiscbscbleim 190
Eibischwurzel 188
Eicheln 642
E isenhutblätter 499
Eisenhutknollcn 281
Eider fruit 580
„ flowers 550
Elecampane 287
Elemi 77
Elcmin 78
Elm bark 337
Emetin 229
Emodin 215
Emulsin 668
Encens 31
Engelsüss 154
Engelwurzel 305
Enzian .233
Erdrauch 458
Ergot 129
„ of rye 129
Ergotin 135
Ergotsaure 135
Ericinon 461
Ericinol 461
Ericolin 100. 461
Erucasäure 690
Einem 686
Erythrocentaurin 480
Erytliroretin 215
Erythrozym 193
Essence de cajeput 93
„ de roses 95
Eugenin 559
Euphorbium 57
Extractum s. succus Cate-
cliu 116
„ Ratanhiae 206
„ Uncariao 114
F.
Fabae Cacao 645
„ Ignatii 678
Färberröthe 191
Farnhaar 142
P»g-
Famwurzel 151
Faulbaumrinde 429
Feigen 576
Fenchel 331
Fennel 531
Fenouil 531
„ aquatique 628
Fenugreek 662
Fern root 151
Ferulasäure 24
Festncae Caryopliyll .... 560
Feuillcs, v. Folia et Herba.
„ de gnimauve 456 j
„ de Laurier-cerise . . 454
„ de Mauve 456 j
„ de noyer 527 i
yj d’orauger 526 I
„ de Sene 463
„ de sumac veneneux 461
Feuerblumen 538
Feve igasurique . .' 678
,, St. Ignacc 678
Figs
0 /b
576
F.ilixolin
153
Filixolinsäure
153
Filixsäure
.153
Filosmylsäure
153
Fingerhut
.483
Flachssamen
655
Flavedo Aurantiorum . .
.568
Flechtensäure
.139
Flechtenstärke
.139
Fleurs, v. Flores.
„ de bonhomme . . .
.536
„ de bouillon blanc
.536
„ de Lavande ....
.551
„ de molene
.536
„ de mnscade ....
.706
, de sureau
.550
Fliederbliitlie
.550
Fliegenholz
Flores Alcoae
.553
„ Arnicae
.548
* Brayerae
.562
_ Cinae
.544
- Ckamomillao.541. 543
„ Kusso
„ Lavandulae . . . .
.551
„ Malvae
„ Millefolii
.474
. Rhoeados
.538
_ Rosao 539.540
„ Sambuci
.550
| „ Tiliae
„ Verbasci
.536
Flowers v. floros.
1 Folia Aconiti
I „ Adianti
pag-
Folia Althacae 456
„ Anthos 506
„ Aurantii 526
„ Bclladonnae 490
„ Bucco 528
„ Capilli 449
„ Digitalis 483
„ Diosmae 528
„ Hyoscyami 489
„ Juglandis 527
„ Lauri 526
„ Laurocerasi 454
„ Malvae 456
„ Melissae 513
„ Mentkae crispae . . 502
n » piperitae ...500
„ Menyanthis 482
, Nicotianae 491
„ Rhois 461
„ Rosmarini 506
„ Rutae 530
„ Sabinae 517
„ Salviae 505
„ Scolopendrii 450
B Sennae 463
„ n parva 473
„ Stramonii 488
„ Tabaci 491
„ Thymi 508
„ Toxicodendri ... 461
„ Trifolii fibrini. . . .482
, Uvae ursi 459
Folliculi Sennae 472
Fougere douco 154
Foxglove 483
Frangulin 430
Franzosenholz 326
Frauenhaar 449
Freisamkraut 457
Fraxin 16
Fructns Amomi 561
„ Anisi 627
„ „ stellati 638
„ Aurantii immatur. 597
„ Cannabis 574
„ Capsici 603
„ Cardamomi 611
„ Caricae 576
„ Carvi 625
„ Ceratoniae 582
„ Cicutae 633
, Cocculi 587
„ Colocynthidis .... 593
, Conii 633
„ Coriandri 636
B Cubebae 612
„ Cumini 626
„ Foeniculi aquatici.628
» . 631.632
742
Sachregister.
Pag.
Fructus Junipori 606
„ Lauri 622
„ Papaveris 589
„ Pctroselini 623
„ Phellandrii 628
„ Pimentae 561
a Piperis nigri 615
„ Quercns 642
„ Rharonicatharticae600
, Sabailillae 602
» Sambuci 580
„ Tamarindi 570
» Vanillae 607
Fruits.v.FructusetSemen.
„ de surcau 580
Fucus crispus 141
Fumariu 4.59
Fumarsäure 459
Fumoterre 458
Fnmitory 458
Fungin 137
Fungus chirurgorum . . .144
„ Laricis 136
„ Sambuci 135
Fusti 560
G.
Galanga 177
Galangle 177
Galbanum 25
Galeopside 514
Galgant 177
Galipot 75
Gallae chinensos 149
Gallae lialepenses 145
„ turcicae 145
Galles de Chine ou du Ja-
pon 149
Gallusgerbsäure 147
Gallussäure 148
Gambir 114
Gamboge 19
Ganja 522
Ganjika 522
Garance 191
Garancine 194
Garden sage 505
Gelbbceren 430
Genievrc 606
Gentianin 234
Gentiansäure 243
Gentiogonin 243
Gentiopikrin 243
Gontisin 243
Gentisinsäure 243
Gerbsäure 147
Germeinwurzel 159
Germer 159
pag.
Gewürznelken 556
Giftsumach 461
Gilbwurzcl 174
Ginger . 172
Girofies 556
Glandes Quercus 642
Glands de ebene 642
Glandulae Lupuli 123
a Rottlerae 125
Glycyrretin 198
Glycyrrhizin 104. 198
Gingembre 172
Go^mon 140
Gomme, v. Gummi.
Gomme-resine, v. Gtimmi-
resina.
Gottesgnadonkrant 486
Graines, v. Semen et Fruc-
tus.
„ de m^dicinicr .... 695
„ des Moluques .... 696
„ de Paradis 699
a de Pavot 643
a de Tilly 696
Grammont 155
Grana v. F ructus et Semen.
a Actes 580
a moluccana 699
a Paradisi 699
s Tiglii 696
Granatill 696
Granatin 342
Granatschalen 568
Granatwurzelrinde 340
Granulöse. . . .727, 719. 720
Gras wurzel 155
Gratiole 486
Gratiolin „487
Grey bark 380. 392
Grindwurzel 224
Guaiac Wood 326
Guajaccn 69
Guajacin 330. 333
Guajacum 67
Guajacylige Säure (Guaja-
cylhydrür) .... 69
Guajak-Betaharz 69
Guajakgelb 69
Guajakharz 67
Guajakharzsäure 68
Guajakol 69
Guakonsäure 68
Guajaksänro 69. 330
Guajol 69
Guaza 522
Guinea grains 699
Gummi Acaciao 1
„ arabicum 1
Gummi indicum 6
]«>g.
Gummi Mimosac 1
a scnegalense 6
» Tragacantha 7
Gummigutt 19
Gummi -resina Ammon. . 28
» Asa foetida 20
a Galbanum 25
» Gutti 19
» Myrrha 34
a Olibanum 31
a Scammonium .... 247
Gunjah 522
Gurjtinbalsam. ....... . 83
Gurjunsäure 83
Gutta Gambir 114
Gutti 19
II.
Hahnsporn 129
Hanf 521
Hanfsamen 574
Haschisch 522
Hedge hyssop 486
Helenin 288
Helleboracrin 276
Helleborein i .. . .276
Helleboresin 276
Helleboretin 276
Helleborin 276
Hemlock leaves 497
Hemlock fruit 633
Hemp, indian 521
Hemp seed 574
Henbane leaves 489
a seed 682
Herba (v. auch Folia und
Summitates).
a Absinthii 475
a ßotryos 525
a Cachen-Laguen. . .482
a Cannabis 521
a Cardui benedicti .478
Centaurii 480
a Chelidonii 451
a Chenopodii ambro-
sioidis 525
„ Cicutae 497
„ Cochleariac 452
a Conii 497
a Daturae 488
a Galeopsidis 514
, Gratiolae 486
a Hyssopi 511
a Jaceae 457
a Lobeliae 496
a Marrubii 515
a Matico 520
Sachregister.
743
pag-
Herba Meliloti 532
„ Millefolii 474
Hermodactyli 182. 183
Hesperidin 598
Hexenmehl 121
Hirschzunge 450
Holunderbeeren 580
Holunderblüthe 550
Hop glands 123
Hopfen 620
Hopfenbittersäure . .... .124
Hopfendrüsen 123
Hopfenmehl 123
Hopfen- od. Lupnlinsäuro 124
Hopfenstaub 123
Hops 620
Horchound 515
Houblon 620
Hyoscyamin 683
Hyssop 511
I.
Ibschenblätter 456
Iceland moss 137
Icicaharz 79
Icican 79
Ichu-Cascarilla 353
Igasurin 677
Igasursäure 677.679
Ignatiusbohnen 678
Imperatorin 312
Incense 31
Indian tobacco 496
Ingwer, Ingber . . . .172. 174
Inosit 244
Inulin 288. 718
Ipccacuanha 228
Ipccacuanhasäure 229
Ipomsäure .253
Irländisches Moos 140
Isländisches Moos. Islän-
dische Flechte .137 i
Isolusin 265
Isop 511
J.
Jalapa
Jalap leger. . . .
Jalapenharz . . .
Jalapenstengel .
Jalapin
Jamaica-pepper
Jamaicin
Jervin
Jesuitenthee. . .
Johannisbrot . .
Johanniswnrzel
248. 254
254 i
252 l
254 j
252. 255 I
561
288 |
160
525
582 ;
151 ,
pag.
Johnsbread 582
Jujubae 581
Juniper berries 606
Jnniper wood 315
Juniperin 607
Jus ou suc de reglisse . .103
Jusquiame, feuilles . . . .489
K.
Kaddigbecren 606
Kamala 125
Kamillen 541. 543
Kalmus 179
Kalumbo 236
Käsekraut 456
Katagamba 114
Kellerhals 447
Kino 118
Kinogerbsäure 118
Kinoroth (Kiuosäure) ... 119
Kirschlorbeer 454
Klatschrosen 538
Klettenwurzel 226
Knorpoltang 141
Knoppern 148
Knöterichwurzel 202
Kokkelskörner 587
Kölm 508
Koloquinthe 593
Königschina 373. 374
Kordofan- Gummi 1
Koriander 636
Kork 334
Kosei'n 563
Kosso 561
Koussin 564
Krähenaugen 675
Kramersäure 206
Krapp 192
Krappwurzel 191
Krauseminze 502
Kreuzdornbeeren 600
Kron-Rhabarber 215
Kümmel 625
Kurkuma 174
Kutira Gummi 5
Kutsch 116
L.
Lactu cari um 37
Lactucasäure 39
Latuceriu 38
Lactuciu 39
Lactucon 38
Lactucopicrin 39
Ladies hair 449
Laiche 157
pag
Lakriz 103
Lakrizwurzel 194
Lapathin 225
Lärchenschwamm 136
Lärchenterpenthin 70
Laricin 137
Laserpitin 307
Larch fungus 136
Laudanum 40
Laurel bark 447
„ berries 622
„ leaves ' 526
Laureole 447. 448
Laurier, feuilles 526
Laurin 623
Laurineencampher 97
Lanrostearin 623
Läusesamen 602
Lavendel 551
Leinsamen 655
Lemon peel 565
Leontodonium 244
Lerget 70
Lerp-Manna 289
Levant galls 145
Lichen ou mousse d Is-
lande 137
, islandicusl37.714.780
„ des murs 139
„ parictinus 139.714.730
Lichenin 139
Lichenstearinsäure 139
Lieber’ sehe Kräuter . . . . 514
Liebstöckel 303
Lignoin 398
Lignum benedictum . . . .326
„ Guajaci 326
» Juniperi 3l5
„ moluccanum . ...697
a Panavae 697
. Picraenae 321
a Picrasmae 321
a Quassiaejamaicense321
„ , surinamense 319
„ sanctum 326
, Santali 316.318
a Sassafras 299
a vitae 326
Limonin 566
Lindenblüthe 554
Linseed 655
Liquorice juice 103
a root 194.199
Lobelia 496
Lobelianin 497
Lobelin 497
Lobeliasänrc 497
Löffelkraut 452
Lorbeerblätter 526
744
Sachregister.
Pag.
Lorbeeren 622
Lörtseh 70
Lovage :i03
Löwenzahn 241
Lulcao 601
Lupulin 123
Lupulinic grain 123
Lycoctonin 286
Lycopodium 121
M.
Mace 706
Maccn 708
Macis 706
Macrotin 280
Madder 191
Malagetta 699
Malicoriuui 568
Mallow flowers 553
Mallow leaves 456
Malvenblätter 456
Mandeln 664. 669
Maniguette 699
Manna 13
Mannazucker 15
Mannit 15
Maranta -Amylum 709
Maranta - s tareb 709
Marrube 515
Marrubiin 516
Marrubium 144
Marshmallow leaves . . . .456
„ root 188
Master wort 310
Mastichc 64
Masticin 67
Mastix 64
Mastix von Bombay .... 67
Mater secalis 129
Matico 520
Mauve, fleurs 553
Meadow saffron, root.. . .180
Meconin 54
Mcconium 40
Mcconsänre 54
Meerzwiebel 185
Meisterwurzel . . . .310. 312
Meleguctta 700
Melezitose 18
Mclilotsäure 533
Melisse 513
Melitosc 18
Mentspcrmin 589
Mcnthc crepuc 502
* poivree 500
Menthol 502
Pug.
Mcnyanthin
Metamorphin ....
53
Metamylin
719
Metastyrol
86
Mexican goosefoot
525
Milfoil
474
Mismalva
Mohnkapseln ....
589
Mohnsamen
643
Mönchsrhabarber .
223
Morelle grimpaute
313
Morphium
Moschuswurzel. . .
307
Mousse d’Irlande .
141
Mousse marine perlte. . . 141
Moutarde
.684. 687
Mullein flowers . .
536
Munjistin
194
Muscade
702
Muscatbalsam ....
705
Muscatblüthe. . . .
.- 706
Muscatcamphcr . .
705
Muscatnuss
702
Mustard seed ....
.684. 687
Mutterharz
25
Mutterkorn
129
Mutterkümmel . . .
626
Mutternelkcn ....
559
Mycose
135
Myristinsäure ....
705
Myristicin
.705. 708
Myrobalani
149
Myronsäure
689
Myrosin
.685. 690
Myroxocarpin. . . .
89
Myrrha
Myrrhol
N.
Napellin
53
Narcotin
. .52. 284
Nardus gallicus . .
297
Natterwurzel . . . .
202
Nelken
Nelkenholz
Nelkenköpfe
Nelkenpfeffer . . . .
Nelkcnsäurc
558
Nelkenstiele
560
Nepalin
Neugewiirz
Nicotianin
Nicotin
Nieswurzel
.270. 274
Noix de galle . . . .
P»g.
Noix de mtiscades 702
„ vomique 675
Nuces vomicao 675
Nucin 527
Nutgalls 145
Nutmeg 702
0.
Oak seeds 642
Ognon marin 185
Oleum Cajcput 93
„ cadinum 316
„ infernale 695
, lauriuum 623
„ nucistae 705
„ Rosae 95
„ Rusci*) 316
Olibanum 31
Opiau 52
Opianin 53
Opianyl 54
Opium 40
Opiumsäurc 54
Opiumsalz 51
Orange leaves 526
„ peas 597
„ peel 567
Orangettes 597
Oreoselon 312
Orizabawurzel . .' 254
Orizabin 255. 256
Orris root 171
Otto or attar of roses 95. 97.
Oxycinchouin 402
Oxycopaivasäure 82
P.
Paku Kidang 142
Pale catechu 114
Talcae Cibotii 142
Palt-Scnua 465
Paltockin . • .403
Panaquilon 266
Pansy 457
Papaverin 53. 593
Papaverosin 54. 593
Pappelkraut 456
Paprika 603
Paradieskörncr 699
Parameuispcrmin 589
Paramorphin 53
Paricin 403
Pnriglin 168
Parillinsäufc 168
Parsley seed 623
') Die übrigen fetten und ätherischen Ocle unter den betreflenden Drogen.
Sachregister.
745
P«g-
Pegn-Catecliu . . . .
116
Pellitory
289
Pengawar
.142. 715
Pensee sauvage . . .
457
Pepins de coings .
659
Peppermint
Pepper, black . . . .
a lo»g
a «d
603
„ wliite
Perlmoos
Persil
Perubalsam
Pcrubalsam-Oel . .
Poruvian hark v. Cbina.
Petersilie
623
Petersiliencampher
Petala Rosae ....
.539. 540
Petits grains
597
Peucedanin
Pfeiler, langer . . .
, schwarzer . .
615
„ spanischer .
603
„ weisser....
700
Pfefferminze
Pfeilwurzelstärke .
709
Phaeoretin
215
Phellandrie
Phellandrin .....
630
Phellandrol
Phlobapbon
398
Pichurim-Samen . .
Pignons d’lude . . .
.695. 696
Piltroglykion ....
Pikrolichenin . . . .
Pikrotoxin
Pili Cibotii
Pimarsäure
75
Piment
561
Pininsäure
Pinipikrin
71
Piper aethiopicum
a alburn . . . .
, hispanicum .
603
„ japonicum .
619
■ Malagetta . .
699
„ nigrum . . .
615
Piperin
Pisscnlit
Pix burgundica. . .
Pockenwurzel. . . .
Pockholz
Poisd’Iris, poisä cautcres 172
Pod pepper
Poison nut
„ oak
Poivre blanc
a l«ng
a noir
Poivre rouge
P“g-
.603
Polygalasäure
.265
Polypode de ebene
.154
Pomegranate , bark of tue
root
a peel
.568
Pomeranzen , unreife . .
.597
Pomeranzenblätter ....
.526
Pomerauzenscbale ....
.567
Poppy capsules
.589
„ petals
.538
„ seed
.643
Porphyroxin
. 53
Pseudomorphin
Pseudo-Traganth
. 5
Pulguera-Nuss
.695
Pulpa Tamarindi
.570
Pulu
.715
Punicin
.342
Purpuriu
.194
Pyrfethre
.289
Pyrethrin
.290
Pyroguajacin
. 69
Pyrojaksäure
. 69
Pyrrhopin
.451
Quassia .121
Quassiin 325
Quassit 325
Queckemvurzel 3 55
Quendel 508. 510
Quercin 340
Quercit 643
Quina s. Cort. Ckinae.
Quiuio 404
Quinium. 404
Quinquina v. China.
Quince seeds 659
Quittensamen 659
R.
Racine (et rhizGmc, v. Radix) .
„ d’aeonit 281
„ d'aunee 287
, de Cliino ou de
squine 169
„ d’elleborc blanc..l59
» d’ellebore noir . . .274
„ de fougere male . .151
n de guimauve .... 188
» d’iris ou do violette 171
a de liveche 303
pag-
Racine de 307
„ de ratanhia 203
, de varaire 159
Radix (incl. Rhizoma, Bul-
bus et Tuber)
„ Aconiti 281
„ „ racemosi ...278
„ Angelicae 305
, Arnicae 292
„ Bardanae 226
„ Belladonnae 267
„ Bistortae 202
„ Cahincac 230
„ Caincae 230
„ Calahualae 155
„ Calami 179
„ Calumbo236.719.721
„ Cardopatiae 294
„ Caricis 157
„ Carlinae 294
„ Chinae 169. 721
„ Christophorianae .278
„ Cichorii 240
„ Cimicifugae .<....280
„ Colchici 180
„ Colombo 236
„ Curcumae 174
, Cyperi esculenli. . 1 65
„ , longi 164
„ „ rotundi .... 164
„ Ellebori 270.274
„ Enulae 287.714
Filicis 151. 7 1 5
Filiculae dulcis . .154
Fragariae 293
Galangae I77
n majoris I78
Gentianae ..233. 714
Ginseng 266
Glycyrrh. ecliin.. .I99
a glabrae I94
Graminis . . . 155. 714
a italici 157
Helenii 287. 714
Hellebori albi. ... 159
» nigri 274
„ viridis 270
Hirundinariae . . .298
Jalapae .... 249. 721
Imperatoriae 310. 312
Inulae 287. 714
Ipecacuanhae 228. 230
Ireos flor. . . .171. 719
Iridis 171. 719
Lapathi 224
Lcvistici 303
Ligustici 303
Liquiritiae hisp. . .194
„ rossic 199
74fi
Sachregister.
pag-
pag.
Radix Lopez
Resina Guajaci
. 67
79
Matalistae
.253
„ Guajaci peruviana
79
Mechoacaunae253.248
aromatica ....
. 70
Melampodii . . . .
.274
„ Mastix
. 64
»
Munjistae
.194
„ Pini s. communis
. 75
19
Orizabensis . . . .
„ Sandaraca
. 60
79
Ostruthii
„ tolutana
. 92
n
Pannae
.154
Resorcin 24. 28. 30
r>
Pimpinellae ....
Rhabarber
99
„ italica . . . .
„ bucharische 219. 224
7)
Polygalae Virgin. .262
„ von Canton ....
79
Polypodii . . . 154. 715
„ vom Himalaja . . .
.221
79
Pyrethri germanici291
„ russische
.215
79
„ romani . . . .
.289
„ von Taschkend .
.219
79
Ratanhiae
.203
Rhabarberbitter
.214
79
Rhapontici
Rhabavbersäure
.214
79
Rhei austriaci . . .
.223
Rhabarberstoff
.214
79
„ chinensis . .
.219
Rhamnin
.601
79
„ europaei . . .
.222
Rhamuoxanthin
.430
79
, gallici . . . .
Rhaponticin
222
79
„ Monachorum 223
Rhapontik
79
„ Moscovitici
.215
Rhatany
79
, sibirici ....
.221
Rhein
79
Rubiae 191. 714
Rhenm
.209
79
Salep s. Saleb . .
.183
Rheumin
.214
79
Saponariae. .259
714
Rhizoma v Radix.
79
Sarsaparillae 160. 722
Rhodeoretin
.252
(cf. Sarsaparilla)
Rhoeadin 54. 539.
593
79
Sassafras
.299
Rhubarbe
.209
79
Scammoniae . . .
.244
, fausse
.223
79
Scillae s. Squillae 185
„ sauvage
.224
79
Seuegae . . . .262. 714
Ricinin
.695
V
Serpentariae ....
.297
Ricinölsäure
.694
79
Sumbul
.307
Ricinsäure
.694
79
Taraxaci
.241
Ricinusöl
.694
79
Turpethi
.256
Ricinussamen
.692
79
Uncomocomo . . .
.154
Roots v. Radix.
„ Valerianae..
295. 297
„ Veratri albi .
, » nigri ..
„ „ viridis .
160
„ Vetiveriae . .
164
„ Zedoariae . . .
176. 721
„ Zingiberis. . .
172
Ratanhie
Ratanhia, antillische ...207
„ brasilianische
208
, von Payta . .
203
„ von Savanilla
207
Ratanhiagerbsäure .
Ratanliiaroth
Ratanhin
Raute
Reckholder
Reckholderbeeren . .
606
Red pepper
Reglisse
Resina Benzoe . . . .
61
„ Elemi 77
Rose de Provins 540
Rose tremiere 553
Roseau aromatique 179
Rosemary 506
Rosenöl 95
Rosmarin 506
Rossfenchel 628
Rosswurzel 294
Rottierin 112. 127
Ruberythrinsüure 193
Rubichlorsäure 193
Rubiacin 193
Rubiadin 193
Rubiadipin 193
Rubiafin 193
Rubiagin 193
Rubian 193
Rubidehydran 193
Rubihydran 193
Rubiretin 193
Rue 530
Rumicin 225
Pag.
Rüsterrinde 337
Rutin 531
S.
Sabadilla 602
Sabadillin 603
Sabadillsamen 602
Sabine 517
Safran 533
Safranin 534
Saftgrün 601
Sago 713
Sain bois 448
Salbei 505
Salepknollen 183
Salepwurzel 183
Salivaire 289
Salscpareille 160
Salseparin 168
Sandaraca 60
Sandelholz 316. 318
Sanders wood ... .316. 318
Sandsegge 157
Sanguinarin 451
Santalin 318
Santalsäure 318
Santonica 544
Santonin 546. 683
Sapogenin 260
Saponaire 259
Saponarin 261
Saponin 260
Saporetin 261
Sarsaparilla brasiliensis . 1 66
„ Caracas 166
„ Conta 167
„ fioretta 166
„ germanica 169
„ Gnayra 166
„ Honduras 165
„ Jamaica ... .165. 166
„ Lissabon ...165. 166
„ Manzanillo 167
„ Maranham 166
„ Para 166
„ red bearded 166
„ Vera -Cruz 167
Sarsaparillwurzcl 160
Sassafras 299
Sassafras-Nuss 301
Sassafrid 300
Sassafriu 301
Sassaparill v. Sarsaparilla.
Sassarubin 301
Sauge, feuilles 505
Savanilla-Ratanhia ....206
Savine 517
Savonniere 259
Sachregister.
747
Scammon^e
Scammoniawurzel .
Scammonin
Scammonium
Scainmony root . . .
Schafgarbe
Schierling
Schierlingsfrucht . .
Schöllkraut
Scille
pag.
247
247
185
Scillitin
187
Scolopendro
450
Scorbutkraut
Scurvy-grass
Sea sedge
Secale clavatura . . .
129
„ cornutum . . .
135
Seed, v. Fructus et Semen.
Seidelbast
447
Seifen wurzel
259
Seigle crgotü
129
Semen, v. Fructus.
Semen Amygdali . .
664. 669
v Anisi stellati
638
„ Badiaui . . . .
638
„ Cacao
645
„ Cannabis . .
574
„ Carvi
625
. Cataputiae .
692
„ Cinac
544
„ Coccognidii
„ Colchici . . .
673
„ Crotonis...
... .696
„ Cydoniae . .
659
,, Daturae . . . .
680
„ ßrucae
684. 686
„ Foeni graeci
662
„ Hyoscyami .
682
7> Ignatii
678
„ Lini
655
„ Lycopodii . .
121
„ Myristicae .
„ Papaveris. .
643
* Paradisi . . .
699
„ Piperis ....
700
„ Quercus . . .
642
„ Ricini ....
692. 695
„ Sabadillae .
602
„ Scsami ....
„ Sinapis . . .
684. 687
„ Stramonii..
„ Strychni . . .
» Tiglii
„ vomicum . ,
Semences, v. Fructus, Grana
et Semen.
Semen - contra . . .
Semences de chanvre . . ,574
Semences de cigue
pag.
633
» coings
659
„ colchique . . .
673
„ fenugrec . . . .
„ jusquiame . .
682
» iin
655
„ stramoine . . .
680
Senega . . .
262
Senegal - Gummi. . .
6
Senegin
Senf
684. 687
Senföl
Senna
463
„ Aleppo
470
» Palt
465
Sennacrol
472
Sennapikrin
Sennin
472
Serpentary root . . .
297
Serpolet
Sevenkraut
517
Siliqua dulcis . . . .
582
Siliqua Vanillae . .
607
Sinapin
685
Sinapinsäure
685
Sinkalin
Skulein
187,
Smilachiu
168
Smilacin
168
Soap wort
259
Solanicin
315
Solanidin
314
Solanin
314
Spännkoda
75
Sporae Lycopodii .
121
Squames de Scille
185
Squill
185
Squine
169
Star anise
638
Stearophansäure . ,
589
Stechapfelblätter . .
488
Stechapfelsamen . .
680
Stechwinden
Sternanis
638
Stiefmütterchen . .
457
Stinkasant
20
Stipit. Caryophyll.
„ Chirayitae . ,
481
„ Dulcamarae ,
„ Jalapae . . . ,
Stolones v. Radix.
„ Graminis . .
155
Storax calamitus . .
„ liquidus seu liquida 84
Stramoine, feuilles
488
Stramonin
Stramonium loaves,
488
„ seeds
Streupulver
Pag-
Strobili Lupuli 620
Strychnin 677. 679
Strychnochrom 428
Stychnossiiure . . . .677. 679
Sturmhutblätter 499
Sturmhutknollen 281
Styracin 86
Styrax liquidus 84
„ praeparatus 85
Styrol 86
Styron 87
Suber quercinum 334
Suberin 336
Succory root 240
Succus Aloiis inspissatus 105
„ Glycyrrhizae crnd. 103
„ Liquiritiae 103
„ viridis 601
Süssholz 194. 199
Süssholzsaft 103
Süsswurzel 235
Sumbulamsäure 309
Sumbulin 310
Sumbulsäure 309
Summitates Absinthii . . .475
, Cannabis 521
„ Centaurii 480
„ Millefolii 474
„ Sabinae 517
Surinamin 238
Sweet flag root 179
Sylvinsäure . 74
Synantherin 289
Synaptase 668
T.
Tabac 491
Taeniin 563
Tamarindi 570
Tannmark 295
Tapiocca 713
Taraxacerin 244
Taraxacin 244
Terebinthina argentorat. . 76
„ Briaugon 70
„ cocta 74
„ communis 72
„ laricina 70
„ de melfeze 70
„ veneta 70
Terpenthinöl 72
Terre du Japon . . .114. 11G
Terra japonica . . . .114. 116
„ merita 174
Tetes de pavots 589
Teufelsdreck 20
Thallochlor 139
748
Sachregister.
P«g.
Theba'iu 63
Thebolactiusäurc 54
Theobromin 653
Tbistle, blessed 478
Thorn apple, leaves. . . .488
Thridax 39
Tbns 31
Tbym 508
Thymen 510
Thymian 508. 510
Thymol 509. 626
Tillenl, flenrs 554
Tobacco 491
Tolcn 92
Tolubalsam 92
Toluol 93
Tollkraut 490
Toncobohnen 532
Toxicodendronsäurc . . . .462
Tragacantha 7.716
Traganthin 12
Traganton 11
Trufte de marais 482
Treliala 18
Trebalose 18
Tropin 269
Tuber Aconiti 281
„ chinac 169
„ ColcbicilSO. 719. 722
„ Jalapae 248
„ Salep 183
Tuberidium Orchidis . . .183
Tuggkoda 75
Turbith 256
Turmeric 174
Turpentine 72
P»g.
Turpentine of Yenice .
. . 70
Turpeth
. .256
Turpetbin
. . 258
Tyrosin
. .206
u.
Ulmenrinde 337
Ulmin 338
Umbelliferou. . .27. 310. 448
V.
Valeriane
Valerol
297
Valonea.Velani.Vclancda 148
Vanilla
607
Veilcheuwurzel. . . .
171
Vendiam
662
Verantiu.
Veratrin
603. 160
Veratrumsäure . . . .
603
Virgiusäure
265
W.
Wacbholderbeeren .
606
Wachholderholz . .
315
Waluussblättor. . . .
527
Walnut tree, leaves
527
Wand Hechte
Waras
125
Wasserfenchel . . . .
628
Water hemlock . . .
628
Wegwartwurzel . . .
240
Weihrauch
Wcisse Nieswurzel .
159
Wermut
P»g.
White ellebore
. . 159
r. pepper
. .700
Wittneben’sches Oel . .
.. 95
Wohlverlei
..292
Wohlverleiblumen . . .
. .548
Wolfszahn
. . 129
Wollblumcn
Wormseed
. .544
Wormwood
. .475
Wurmfarn
. .151
Wurmsamen
. .544
Wurtis
. .125
X.
Xanthin .......
Xanlhopikrit . . .
239
Xanthorhamniu .
Xanthoxyliu . . . .
239
Y.
Ysop
Z.
Zarnubum
176
Zarzaparillac . . .
160
Zarza
Zedoary root . . . .
Zedoaire
Zeiland
Zeitlosensame . . .
673
Zeitlosenzwiebel .
180
Zimmt
. 446. 439
Zimmtsliure ....
■ Zitwersamen ....
544
Zizypha
r
«X^CXX
Ruckdruckerei von Gustav Lnnge in Berlin, Friedrichsstrassr 103.