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Full text of "Lehrbuch der Pharmakognosie des Pflanzenreiches : Naturgeschichte der wichtigeren Arzneistoffe vegetabilischen Ursprunges"

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LEHRBUCH 

DER 

PHARMAKOGNOSIE  DES  PFLANZENREICHES 

NATURGESCHICHTE 

DER  WICHTIGEREN 


ARZNEISTOFFE  VEGETABILISCHEN  URSPRUNGES 


BI  R UM. 

VERLAG  VON  RUDOLPH  GAERTNER. 

AMEJ/ANQ’SCHE  SOnTIMJSNTS-BUCHIIANULllNG. 


1867. 

WILLIAMS  & NORGATE. 

14  HENRIETTA-STREET,  COVENT  GARDEN. 


V5 


PARIS. 

HAAR  & STEINERT. 

9 RUE  JACOB 


I 


C 


0 


DEM 

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APOTHEKER  - VE  REINE 

DER  SCHWEIZ  • 


ZUM  DANKE  FÜR  VIELFACHE  ANREGUNG 


GEWIDMET 


VON 


SEINEM  LANGJÄHRIGEN  PRÄSIDENTEN. 


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; WELLCOME  INSTITUTE 

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Vorwort. 


Die  Zahl  der  in  diesem  Lehrbuche  behandelten  Gegenstände  ist  eine 
beschränkte,  indem  sowohl  veraltete  als  auch  noch  nicht  allgemeiner  ein- 
geführte Drogen  weggelassen  wurden,  um  die  Aufmerksamkeit  desto  mehr 
den  wichtigeren  zuzuwenden.  Da  jedoch  ein  absoluter  Werthmesser  für  die- 
selben nicht  denkbar  ist,  so  gaben  mitunter  auch  Erw'ägungen  anderer  Art 
den  Ausschlag  Gei  der  Aufnahme  oder  Ausschliessung  dieses  oder  jenes 
Stoffes.  Die  Beschreibung  der  wenigen  Waaren,  welche  an  sich  gar  nicht 
eigentlich  Arzneistoffe  sind,  oder  trotz  untergeordneter  Bedeutung  hier 
eine  Stelle  erhalten  haben,  wird  — so  hoffe  ich,  den  inneren  Grund  ihrer 
Einfügung  leicht  hervortreten  lassen  und  sollte  er  auch  nur  in  naher  lehr- 
reicher Beziehung  zu  unzweifelhaft  sehr  wichtigen  Stoffen  liegen.  Umge- 
kehrt ist  manches  weggeblieben,  was  vielleicht  doch  nach  dem  Gefühle 
Vieler  Berücksichtigung  verdient  hätte.  In  zweifelhaften  Fällen  hat  die 
Betrachtung  geleitet,  ob  der  fragliche  Stoff  allgemeineres  Interesse  dar- 
biete oder  nicht.  Der  Mangel  z.  B.  an  chemisch  oder  geschichtlich  oder 
botanisch  gehaltreichen  Momenten  entschied  gegen  die  Aufnahme.  Aber 
auch  höchst  wichtige  Dinge  blieben  ausgeschlossen,  wenn  der  Schwerpunkt 
ihrer  Bedeutung  weit  ausserhalb  der  Pharmakognosie  gesucht  werden  muss, 
wie  z.  B.  Zucker,  Kaffee,  Thee,  welche  in  der  chemischen  Technik,  im  Welt- 
handel, im  Haushalte  eine  uuverhältnissmässig  grössere  Rolle  spielen,  als 
in  der  Pharmacie  oder  Medicin,  daher  füglich  den  wissenschaftlichen  Ver- 
tretern jener  Fächer  überlassen  bleiben  mögen.  Auf  der  Grenze  liegt  der 
Gacao;  dass  er  in  unsern  Kreis  herübergezogen  wurde,  möge  unentschuldigt 
bleiben. 

Diese  Erörterungen  liiliren  darauf,  die  Pharmakognosie  überhaupt  etwas 
bestimmter  abzugrenzen.  Sie  ist  ja  keine  für  sich  abgeschlossene  Wissen- 
schaft, ist  es  ganz  besonders  nicht  in  unserer  Zeit  der  gegenseitigen  Durch- 


VI 


Vorwort. 


dringung  und  des  Zusammenwirkens  aller  Naturwissenschaften.  Vielmehr 
kaun  die  Pharmakognosie  nicht  anders  gefasst  werden,  denn  als  eine 
gleichzeitige  Anwendung  verschiedener  wissenschaftlicher 
Disciplineu  zum  Zwecke  einer  allseitigen  Kenutuiss  der  Arzneistoffe. 
Welche  Zweige  der  Naturgeschichte  zunächst  herbeizuziehen  sind,  springt 
in  die  Augen;  zur  Vervollständigung  des  Bildes  einer  Droge  gehören  aber 
auch  noch  die  hervorragendsten  Züge  ihrer  Geschichte  und  der  Handels- 
verhältnisse. Die  Besprechung  der  arzneilichen  Leistung  hingegen  ist  Auf- 
gabe der  Pharmakodynamik  und  Toxikologie  mit  nothwendiger  Ausnahme 
vereinzelter  bezüglicher  Andeutungen,  welche  z.  B.  durch  das  Vorkommen 
mehrerer  Sorten  einer  Waare  geboten  werden.  Es  kann  uns  nicht  irre 
machen,  dass  wir  in  England  und  Frankreich  diese  Fächer  häufig  noch 
ungetrennt  von  unserer  Pharmakognosie  als  „Materia  medica“  behan- 
delt sehen. 

Mit  nicht  geringerem  und  nicht  grösserem  Rechte  beansprucht  die  Pharma- 
kognosie eine  Selbstständigkeit  als  z.  B.  die  Geographie,  welche  zu  ihren 
Zwecken  und  auf  ihre  Weise  in  noch  weit  ausgedehnterem  Masse  sammelt, 
bearbeitet  und  erweitert,  was  andere  Wissenszweige  ihr  zuführen.  Die 
Pharmakognosie  findet  leicht  ihre  Grenzen  da  gesteckt,  wo  eine  einzelne 
andere  Disciplin  eben  so  gut  und  besser  eintreten  kann.  Sie  hat 
beispielsweise  nicht  nöthig,  die  Mehrzahl  der  ätherischen  und  fetten  Oele 
in  ihren  Bereich  zu  ziehen,  indem  die  Chemie  allein  die  meisten  dieser 
Substanzen  vollkommen  ausreichend  zu  behandeln  vermag.  Allerdings 
dürfen  dieselben  bei  der  pliarmakognostischen  Schilderung  der  Drogen  nicht 
mit  Stillschweigen  übergangen  werden,  aber  die  erschöpfende  Darstellung 
ist  nur  von  der  Chemie  zu  erwarten.  Wenige  Ausnahmen  von  dieser  Regel 
(Camphora,  Oleum  Rosae  u.  s.  f.)  drängen  sich  durch  das  Ueberwiegen 
pharmakognostischer  Momente  trotz  der  scheinbaren  Inconsequenz  auf. 

Um  so  mehr  aber  darf  und  soll  die  deutsche  Pharmakognosie  sich  nach 
dem  eben  ausgesprochenen  Grundsätze  beschränken,  als  wir  in  dem  Lehr- 
buche der  Pharmacie  von  Ludwig  und  Hallier  (Maiuz  1865,  1866) 
eine  ganz  vorzügliche  chemische  Bearbeitung  aller  hierher  gehöriger  Dinge 
besitzen,  daher  auch  nach  dieser  Seite  hin  eine  vollkommene  Arbeitstheilung 
durchgeführt  ist. 

Doppelt  schwierig  wird  nach  diesen  Erklärungen  die  zweckmässige 
Anordnung  des  Stoffes,  und  wohl  berechtigte  Einwendungen  gegen  das 
Fachwerk  jedes  eigentlich  pliarmakognostischen  Lehrgebäudes  sind  leicht 
genug  zu  begründen.  Die  möglichste  Einfachheit  und  Anspruchslosigkeit 
des  Systems  hat  mir  unter  diesen  Umständen  am  besten  geschienen.  Wer 
aber  grundsätzlich  damit  nicht  einverstanden  ist,  findet  in  der  Uebersichts- 


Vorwort. 


VII 


täte!  II  die  Möglichkeit  gegeben,  z.  B.  beim  Unterrichte  den  Lehrstoff 
ohne  Schwierigkeit  in  ganz  anderer  Eintheilung  abznhandeln. 

Die  Grundzüge  der  Methode,  welche  im  übrigen  in  dem  vorliegenden 
Buche  eingehalten  wurde,  um  von  den  verschiedenen  Gesichtspunkten  aus 
allmälig  dem  idealen  Bilde  jedes  einzelnen  Gegenstandes  näher  zu  rücken, 
folgen  mit  Noth Wendigkeit  aus  den  obigen  Andeutungen  und  wurden  vor 
dem  Drucke  Berg,  dem  hoch  verdienten  Meister  des  Faches,  vorgelegt, 
auf  den  ich  mich  so  vielfach  stütze.  Ich  kann  mir  nicht  versagen,  anzu- 
führen, dass  Derselbe  mir  noch  am  15.  Juni  1866,  wenige  Monate  vor 
seinem  allzufrühen  Hinschiede,  seine  Billigung  in  ermuthigender Weise  aus- 
sprach und  mich  in  der  Ueberzeugung  von  der  Zweckmässigkeit  des  Planes 
an  sich  bestärkte. 

In  Betreff  der  Ausführung  bemerke  ich,  dass  das  Buch  im  ganzen  nur 
wenige  Quellenangaben  enthält.  Wer  bedenkt,  wie  vollständig  die  Jahres- 
berichte der  Chemie  alle  betreffenden  Ergebnisse  der  naturwissenschaft- 
lichen Forschung  aufnehmen,  wie  übersichtlich  Wiggersim  Cannstatt’schen 
Jahresberichte  alle  Fortschritte  der  gesummten  Pharmacie  ordnet,  wird  es 
gut  heissen,  dass  hiermit  einfach  auf  diese  Fundgruben  verwiesen  wird. 
Um  jedoch  das  Nachschlageu  der  grossen  Sammelwerke  oder  der  verschie- 
denen Fachzeitschriften  zu  erleichtern,  wurde  häufig  statt  weiterer  Citate 
die  Jahreszahl  einer  Untersuchung  oder  des  Referates  genannt,  worin 
zugleich  auch  bisweilen  statt  aller  Kritik  ein  Wink  über  den  relativen  Werth 
der  angeführten  Resultate  erblickt  werden  mag.  — Unschwer  wird  der 
Kenner  der  Literatur  da  und  dort  Ergebnisse  eigener  Forschung  des  Verfassers 
niedergelegt  finden. 

Die  wenig  zahlreichen  für  das  Verstäudniss  wiinschenswerthen  chemi- 
schen Formeln  sind  den  neueren  Anschauungen  entsprechend  geschrieben. 
Der  angehende  Fachgenosse  kann  sich  der  Bekanntschaft  mit  denselben 
nicht  mehr  entziehen  und  dem  Freunde  der  jetzt  noch  üblicheren  früheren 
Ausdrucksweise  kann  es  nicht  schwer  fallen,  sich  diese  einfachen  Formeln 
zurecht  zu  legen. 

Zur  Beschreibung  der  mikroskopischen  Verhältnisse  dienten  Schnitte, 
die  ich  selbst  angefertigt  habe  und  noch  auf  bewahre;  nur  für  einige  China- 
rinden wurden  auch  Präparate  von  der  geschickten  Hand  Rodig’s  in 
Hamburg  benutzt.  Nach  den  glänzenden  Leistuugen  Berg’s  und  seiner 
wenigen  Vorgänger,  nach  den  trefflichen  mikrochemischen  Arbeiten  Vogls 
und  anderer  bedarf  die  Anwendung  des  Mikroskops  zu  unsern  Zwecken  so 
wenig  der  Rechtfertigung  wie  die  der  Teleskope  in  der  Astronomie, 
freilich  kann  man  Rhabarber,  Sarsaparilla,  Opium,  Gummi  ohne  Mikroskop 
beurtheilen,  wenn  es  darauf  ankömmt,  sich  mit  möglichst  wenigen  Hülfs- 


VIII 


Vorwort. 


mittein  zu  behelfen.  Das  aber  ist  gewiss  nicht  die  Aufgabe,  welche  die 
Wissenschaft  stellt. 

Die  zahlreichen  Grössenangaben  in  Mikromillimetern  (Tausendsteln 
eines  Millimeters)  wolle  mau  nicht  missverstehen.  Nur  deshalb  sind  diese 
unter  gleichen  Umständen  ausgeführten  Messungen  von  Werth,  weil  sie  für 
sehr  viele  Anschauungen  den  kürzesten  und  bestimmtesten  Ausdruck 
gewähren.  Einfach  darum  handelt  es  sich,  nicht  um  absolute  Masse,  welche, 
ganz  abgesehen  von  den  Schwierigkeiten  der  Mikrometrie,  schon  deshalb 
nicht  leicht  zu  gewinnen  sind,  weil  die  in  den  meisten  Fällen  unerlässliche 
Durchtränkung  der  Objekte  mit  Wasser  oder  Glycerin  ihr  Volum  sehr 
beeinflusst. 

Meinen  hiesigen  Freunden,  den  Herren  Professoren  Fisch  er,  Valentin 
und  Sprenger  bin  ich  für  manigfache  Belehrungen,  welche  ich  bei  dieser 
Arbeit  sorgsam  zu  verwerthen  strebte,  dankbar  verpflichtet,  ebenso  für 
freundlichste  Unterstützung  den  Herren  Apothekern  Daniel  Haubur.y  in 
London,  Jos.  Dittrich  inPrag,  A.  Oberdörffer  in  Hamburg  und  Kindt 
in  Bremen.  Dem  Buche  den  Schmuck  des  Titelbildchens  mitzugeben,  wurde 
mir  durch  die  Gefälligkeit  des  Herrn  Dr.  Weddel  1 in  Poitiers  ermöglicht. 

Der  Verfasser. 


Berichtigungen. 


Seite 

34 

Zeile 

Anmerkung  1 ; 

ZU 

lesen: 

huic  statt  hinc 

67 

15 

von  oben 

77 

77  * 

; Engurieh  , 

Engurieh 

102 

8 

n n 

77 

V 

Mesopotamion  , 

Kleiuasien 

96 

22 

, unten 

n 

»5  • 

Citronellc-grass  , 

Citronoil-grass 

210 

Anmerkung  1 

77 

77  * 

si  . 

sc 

457 

11 

von  nuten 

7) 

77  * 

Peus^e  „ 

Panacee 

460 

16 

» n 

7) 

77  ’ 

ßuxus  * 

Buchs 

478 

16 

„ obeu 

77 

77  l 

Gärtner  „ 

L 

115 

13 

„ unten 

77 

77  ’ 

Oxyphänsäure  „ 

Phänsäure 

53 

2 

» r> 

77 

: grüne  „ 

blaue 

183 

19 

„ oben : 

nach  1781  einzuschalten:  hauptsächlich 

418 

9 

y>  • 

nach  Mutis  einzuschalten:  1772 

IX 


Inhalts  -Uebersicht. 


Erste  Classe: 

Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur 


pag. 

1.  Gummiarten 

Gummi  arabicum 1 

, senegalenso 6 

Tragacautha 7 

2.  Gummi  gemengt  mit  Zucker 

Manna IS 

3.  Gummi  gemengt  mit  Harz 

Gutti 19 

4.  Gummi  gemengt  mit  Harz  und  äthe- 

rischem Oele 

Asa  foetida 20 

Galbanum 25 

Ammoniacum 28 

Olibanum 31 

Myrrha 34 

5.  Milchsäfte  im  engeren  Sinne 

Lactucarium  (auglicnm  et  gertn.)  37 

Scammonium 247 

Opium 40 

Euphorbium 57 

6.  Harze 

Colophouium 74 

Sandaraca  . 60 

Benzoe  61 

Mastix 64 

Rcsina  Guajaci 67 

7.  Harze  gemengt  mit  ätherischem  Oele 

Terebinthina  Veneta 70 

„ communis 72 

Elemi  77 

Balsamnm  Copaivao 80 

8.  Balsame  im  engeren  Sinne 

Styrax  liquidus 84 

Balsamurn  peruvianum 88 

» tolutanum 92 

9.  Aetherische  Oele  und  Campher 

Oleum  Cajeput 93 


P«g- 

Oleum  Rosae1) 95 

.Caraphora 97 

10.  Extracte 
Süsse 

Succus  Liquiritiae  103 

Bittere 

Aloe 105 

Lactucarium  gallicum  39 

Adstringirende  • 

Gambir 114 

Catechu 116 

Kino 118 

Extr.  Ratanhiae 206 


Zweite  Classe: 

Stoffe  von  zeiligem,  aber  erst  durch  das 
Mikroskop  erkennbarem  Bau. 


Lycopodium 121 

Glandulae  Lupuli 123 

Kamala .125 

4 Amylum  Marantae 709 


Dritte  Classe: 

Unmittelbar  als  Pflanzengewebe  kenntliche 

Stoffe, 

Erste  Reihe. 

Pflanzen  oder  Pflanz entheile  mit 

ge- 

fässlosem  Gewebe. 

Secale  cornutum 

Fnngus  Laricis 

Lichen  islandicus 

Lichen  parietinus 

Carrageen 

Paleae  Cibotii  (Pougawar  Djambi) 

. . .142 

0 die  übrigen  äth.  Oele  bei  ihren  Stammpilauzen  nachssuschlagen. 


X 


Inlialts-Uebersicht. 


P«K- 


P»K- 


Zweite  Reiho: 

von  Gefassen  durchzogene  Gewebe 

f Gebilde  ohne  morphologische 
Bedeutung. 


Gallae  halepenses 145 

, chinenses  149 


•(••(•  Halb  oder  ganz  unterirdische 
Axe  n 

(Wurzeln  nach  dem  gewöhnlichen  Sprach- 
gebrauche) 

I.  Mit  isolirten , zu  einem  sehr  unter- 
brochenen Kreise  geordneten  Gefäss- 
bündeln  in  gleichartigem  Parenchym , 
ohne  Kernscheide.  (Gefässkrypto- 


gamen) 

Rhizoma  Filicis 151 

„ Polypodii  154 


II.  Gelassbündel  auf  dem  Querschnitte 
zerstreut  oder  zu  einer  Zone  zusam- 
mengestellt, aber  nicht  strahlig.  Grenze 
der  Rinde  und  des  centralen  Thciles 
durch  eine  Kernscheide  bezeichnet. 
(Monokotylen) 

A.  Wurzeln  und  Wurzelstöclce. 


1.  n ich t a r o mat is che : 

Rhiz.  Gramiuis 155 

„ Caricis 157 

„ Veratri 159 

Rad.  Sarsaparillae 169 

„ Chinae  169 

Rh.  Iridis 171 

2.  aromatische: 

Rh.  Zingiberis 172 

„ Curcumae 174  » 

„ Zedoariae 176 

„ Galangae  177 

„ Calami 179 

B.  Knollen. 

Tuber  Colchici 180 

„ Salep 183 

C.  Ziviebeln. 

Bulbus  Scillae') 185 


III.  Gefässbüudel  auf  das  Innere  be- 
schränkt, nicht  in  der  Rinde  vorkom- 
mend, kreisförmig  oder  strahlig  an- 
georduct,  durch  eine  mehr  oder  weni- 


ger deutliche,  oft  etwas  dunklere  Cam- 
biumzone  von  der  Rinde  abgegrenzt, 
lu  der  letztem  oft  strahlenförmige 
Basttheile.  (Dikotylen) 


A.  Geschmack  indifferent 

Rad.  Altbaeae 188 


B.  Geschmack  vorwaltend  süss 
oder  süsslich 

Rad.  Rubiae 1 91 

„ Liquiritiae 194  u.  199 


C.  Geschmack  vorwaltend  ad- 


stringirend 

Rhiz.  Bistortae 202 

Rad  Ratanliiae 203 


D.  Geschmack  bitterlich  oder 
bitter 

1.  Wurzelbildungen  ohne  Milchsaft 


Rad.  Rhei 209 

„ Rhapontici 221 

Rhiz.  Rhei  Monachorum 223 

Rad.  Lapathi 224 

„ Bardanae 226 

„ Ipecacuauhae 228 

„ Caincae  230 

„ Gentianae 233 

„ Calumbo 236 

2.  Wurzeln  mit  eigenon  Milchsaft- 
gefüssen 

Rad.  Cichorii 240 

„ Taraxaci 241 

„ Scammoniae 244 

„ Jalapae  248 

„ orizabens.  (Stipites  Jalapae)  254 

„ Turpethi 256 

E.  Geschmack  kratzend,  kein 
A m y 1 u m 

Rad.  Saponariae 259 

, Senegac 262 

F.  Geschmack  sehr  scharf  bren- 
nend, höchst  gefährlich 

Rad.  Belladonuae 267 

Rhiz.  Ilellebori 270  u.  274 

Tuber  Aconiti 281 


G. 


Geschmack  aromatisc li 
1.  amylumfreio  Wurzelbildungen 

Rad.  Enulae 287 

, Pyrethri 289  u.  291 

Rh.  Arnicae 292 

Rad.  Carlinae 294 


2. 


araylumhaltige 
Rh.  Valeriauae.  . 

„ Serpcntariac 
Rad.  Sassafras . . 
, Pitnpinellao 


295 

297 

299 

301 


i)  strenge  genommen  zu  den  Blättern  gehörig. 


Inhalts-Uebersicht. 


XI 


P«g- 

Rad.  Levistici 303 

„ Angelicae  305 

„ Sumbnl 307 

Rh.  Imperatoriae 310 


fff  Oberirdische  Pflanzentheile. 


I.  Stengel. 

Stipes  Dulcamarae  313 

II.  Hölzer. 

Lign.  Jnniperi 315 

„ Sassafras 299 

„ Santali 316 

„ Quassiae 319  u.  321 

, Guajaci . . 326 


III.  Rinden. 

A.  Kork. 

Suber  querciuum 334 

B.  Adstringirende  Rinden 

Cort.  Ulrai 337 

, Quercus 338 

„ Granati ..340 

C.  Bittere  Rinden 

Cort.  Chinae 343 

„ Strychni 427 

„ Frangulae  429 

„ Quassiae 319 

„ Angosturao 431 

I).  Aromatische  Rinden 

Cort.  Cascarillae ,..435 

n Cort.  Cinnamomi  439  u.  446 
„ Sassafras 299 

E.  Brennend  scharfe  Rinden 

Cort.  Mezerei 447 


IV.  Blätter  und  Kräuter. 

A.  mit  Fruchthäufchen  verse- 


hene (Blätter  der  Farne) 

Folia  Capilli 449 

» Scolopendrii 450 

B.  ausschliesslich  frisch  in  Ge- 
brauch gezogene 

Hba.  Taraxaci 243 

, Chelidonii 451 

„ Cochleariae 452 

Fol.  Laurocerasi 454 

C.  Blätter  und  Kräuter  von  in- 


differentem oder  doch  nicht 
bedeutendem  Geschmack,  ohne 


Geruch 

Fol.  Althacae 

» Malvae 

Hba.  Jaceae 

„ Fumariae  


pag- 

D.  vor  waltend  adstringirender 


Geschmack 

Fol.  Uvae  ursi 459 

, Toxicodendri 461 

E.  Geschmack  bitter 

Fol.  Sennae  463 

Hba.  Millefolii 474 

„ Absinthii 475 

„ Cardui  benedicti 478 

„ Centaurii 480 

Fol.  Trifolii  fibrini  482 

„ Digitalis 483 

Hba.  Gratiolac 486 

Fol.  Stramonii  488 

„ Hyoscyami 489 

„ Belladonnae 490 

F.  G es  chm  ack  sch  arf  o de  r wider- 
lich salzig  bitterlich 

Fol.  Nicotianae 491 

Hba.  Lobeliae  ' 496 

„ Conii 497 

Fol.  Aconiti 499 


G.  Kräuter  und  Blätter  der  La- 
biaten, von  aromatischem,  oft 
bitterlichem,  seltener  indif- 
ferentem Geschmacke.  Blätter 


gegenständig. 

Fol  Menthac .-.500  n.  502 

„ Salviae 505 

„ Rosmarini  506 

„ Thymi 508 

Hba.  Serpylli 510 

„ Hyssopi 511 

Fol.  Melissas 513 

Hba.  Galeopsidis 514 

, Marrubii 515 

H.  Kräuter  und  Blätter  von  aro- 
matischem Gerüche  und  Ge- 
schmacke 

Snmmitates  Sabinae  517 

Hba.  Matico 520 

„ Cannabis  521 

„ Chenopodii  ambrosioidis  .525 

* Fol.  Lauri 526 

„ Aurantii 526 

„ Juglandis  527 

, Bucco 528 

„ Rutae 530 

Hba.  Meliloti 532 

V.  Blütlien. 

A.  Blüthont heile 

Crocus 533 

Fl.  Verbasci. 536 

. Rhoeados 538 

, Rosae  539.540 

B.  Vollständige  Blüthen 

Fl.  Chamomillac 541 

» Chamomill.  rom . .543 


XII 


Inhalts  - Uebersicht. 


P»g. 

Fl.  Millefolii 474 

„ Cinae 544 

„ Arnicae 548 

, Sambuci 550 

„ Lavandulae 55  L 

, Malvae 553 

„ Tiliae 554 

Caryophylli 556 

Kosso 562 


VI.  Früchte. 

A.  Fr uch t schal en 

Cort.  Citri 565 

„ Anrantiorum 567 

„ Granati 568 

B.  Fruchtmus 

Tamarindi 570 

C.  Früchte  und  Fruchtstände 

1.  von  öligem  oder  von  süssem  Ge- 
schmacke 

Fr.  Cannabis  574 

Caricac 576 

Fr.  Sambuci 580 

Jujubae 581 

Siliqua  dulcis 582 

2.  von  bitterem  Geschmacke 

Fr.  Cocculi 587 

„ Papaveris 589 

„ Colocyuthidis . . . . *. 593 

Aurantia  immatura  597 

Fr.  Rharnni  catharticao 600 

Fr.  Sabadillae 602 

3.  von  breunend  scharfem  Geschmacke 

Fr.  Capsici 603 

4.  aromatische  Früchte  und  Frucht- 
stände 

Fr.  Juniperi 606 

Vanilla 607 

Cardamomum 611 

Cubebae 612 

Piper  nigrurn 615 


P»g. 

Piper  longum 619 

Strobili  Lupuli 620 

Fr.  Lauri 623 

„ Petrosclini 623 

, Carvi 625 

„ Anisi 627 

, Phellandrii  628 

„ Foeniculi 631 

, Conii 633 

, Coriaudri  636 

„ Anisi  stellati 638 


VII.  Samen. 

A.  von  süsslichem,  öligem,  mil- 
dem oder  etwas  adstringiren d 
bitterlichem  Geschmacke,  oder 


Schleim  gebend 

S.  Quercus 642 

„ Papaveris 643 

, Cacao  645 

, Lini 655 

, Cydoniac 659 

„ Foeni  graeci 662 

Amygdalae  dulces 664 

B.  von  entschieden  bitterem  Ge- 
schmacke 

Amygdalae  amarae 669 

S.  Colchici 673 

„ Strychni 675 

„ Ignatii  678 

, Stramonii 680 

, Uyoscyami 682 

C.  von  scharfem  oder  kratzendem 
Gesch  macke 

S.  Sinapis  albae  684 

„ „ nigrae 687 

„ Ricini 692 

, Tiglii 696 

D.  aromatische  Samen 

S.  Paradisi 699 

Piper  albuin  700 


S.  Myristieae  (und  Macis)  ..702.  706 


Uebersiclit  der  behandelten  Drogen  nach  natürlichen  Pflanzenfamilien. 


XIII 


Uebersicht  der  behandelten  Drogen  nach  natür- 
lichen Pflanzenfamilien. 


Thallophyta. 


Secale  cornntum 129 

Fuugus  Laricis 136 

Lichenes. 

Lichen  islandicns 137 

„ parietinns 139 

Algnc. 

Carrageen 140 


Cryptogamae  vasculosae. 


Lycopodiaceac 

Lycopodinm  121 

Filiccs 

Rhizoma  Filic.is 151 

„ Polypodii  154 

Folia  Capilli  449 

„ Scolopeudrii 450 

Paleae  Cibotii  (Pengawar.) 142 


pag. 

Smilaceae 

Rad.  Sarsaparillae 160 

„ Chinae 169 

Irideae 

Rhiz.  Iridis  171 

Crocus 533 

Orchideae 

Tub.  Salcp 183 

Vanilla 607 

Zingiberaccae  ( Amomeae ) 

Rh.  Ziugiberis 172 

, Curcumae 174 

, Zedoariae 176 

, Galangae 177 

Cardamomum 611 

Sem.  Paradisi  699 

Cannaceae  (Marantaceae ) 

Amylum  Marantae 709 

A roideae 

Rhiz.  Calami 179 


C.  Dicotyledones. 


Phauerog'amae.  L Apetalae. 

° Jriperaceae 

A.  Gymnospermae.  Piper  nigrum 


Coniferae 

, album  

Lignum  Jnniperi 

, longum 

Frtict.  Juniperi  

Cubebae 

Summitates  Sabinae 

Herba  Matico 

Sandaraca 

Cupuli/erae 
Cort.  Quercus 

Terebintbina  veneta  ...  , 

» communis 

Sem.  Quercus 

Colophonium  und  Resina  Pini  . 

-.74. 75 

Gallae  balepenscs 

B.  Monoeotyledones. 

Ulmaceae 

Cort.  Ulmi 

Rhiz.  Grarainis 

Moreac 

Cyperaceae 
Rhiz . Caricis 

Cannabinae 

Melantliaceae 

Rhiz.  Voratri 

Fructus  Cannabis  .... 

Fruct.  Sabadillae  . . 
T uh.  Colcliici . . 

Glandulae  Lupuli 

Sem.  Colchici  

Balsamifluac 

J-jiLiaccae 
Aloe 

Chenopodcae 

Asphodeleae 

Bulbus  Scillae  . . . 

Ilba.  Cbenopodii  ambrosioidis 
Polygoneae 

209 


XIV 


Uebersicht  der  behandelten  Drogen  nnrh  natürlichen  Vflauzcnfamilieii. 


paff- 

Rad.  Rhapontici ....  221 

Rhiz.  Rbei  Monachor 223 

Rad.  Lapathi .224 

Rhiz.  Bistortae 202 

Laurineae 

Camphora 97 

Cort.  Ciunamomi  zeylanici 439 

» , chinensis.. 446 

Fol.  Lauri 526 

Fruct.  Lauri  622 

Rad  Sassafras 299 

Santalaceae 

Lign.  Sautali 316 

Daphnoidcac 

Cort.  Mezerei  447 

Aristolochicae 

Rhiz.  Serpeutariae 297 

II.  Gamopetalae. 

Valerianeae 

Rhiz.  Valerianae 295 

Compositae 

Rad.  Enulae 287 

Fl.  Chamomillae  rom 543 

Rad.  Pyrethr.  rom 289 

„ „ germau 291 

Fl.  Chamomillae  vulg 541 

Hba.  Millefolii 474 

Hba.  Absinthii 475 

Fl.  Ciuae 544 

Fl.  Arnicae 548 

Rhiz.  Arnicae 292 

Rad.  Bardanae 226 

Rad.  Carlinae 294 

Hba.  Cardui  benedicti 478 

Rad.  Cichorii 240 

Lactucarium 37 

Rad.  Taraxaci 241 

Lobeliaceae 

Hba.  Lobeliae 496 

Eubiaceae 

Rad.  Rubiae 191 

, Ipecacuanhae 228 

, Caincae  230 

Cort.  Chinae 343 — 426 

Gambir 1 1 4 

Lonicereae 

Fl.  Sambuci  550 

Fr.  Sambuci 580 

Oleaccae 

Mauna 13 

Loganiaceae 

Cort.  Strychni 427 

Sem.  Strychni 675 

„ Ignatii 678 

Gentianeae 

Rad.  Gentianae 233 

Folia  Trifolii  fibr 482 

Hba.  Centnurii 480 


pag. 

babiatae 

Flor.  Lavandulae  551 

Folia  Menthae  piperitae 500 

» , crispae 502 

„ Salviae 505 

, Rosmarini 506 

, Thymi 508 

Hba.  Serpylli  510 

, Hyssopi 511 

Fol.  Melissac 513 

Hba.  Galeopsidis  514 

„ Marrubii  5 ] 5 

Convolvulaceae 

Rad.  Scammoniae 244 

Tuh.  Jalapae 248 

Rad.  orizabeusis 254 

„ Turpethi 256 

Solanaceae 

Fol.  Nicotianae 491 

, Stramonii 488 

Sem  Stramonii 680 

Hba.  Hyoscyami 489 

Semen  , 682 

Stipes  Dulcamarae 313 

Fruct.  Capsici 603 

Rad.  Belladonnae 267 

Fol 490 

Sceoplwlariaceac 

Fl.  Verbasci  536 

Fol.  Digitalis  . . 483 

Hba.  Gratiolae 486 

Styraceae 

Benzoe 61 

Ericaceac 

Fol.  Uvae  ursi 459 

III.  Dialypetalae. 

Umbelliferac 

Fr.  Petroselini  623 

, Carvi 625 

R.  Pimpinellae 301 

Fr.  Anisi 627 

, Phellandrii 628 

, Focniculi 631 

R.  Levistici 303 

, Angelicae 305 

„ Sumbul  807 

Rhiz.  Imporatoriae  310 

Asa  foetida  20 

Galbanum 25 

Ammoniacum 28 

Hba.  Conii 497 

Fr.  Couii 633 

„ Coriandri 636 

Me  i)  ispermacae 

R.  Calumbo 236 

Fr.  Cocculi 687 

Myristiceae 

Sem.  Myristicae ?02 

Macis  706 


Uebcrsieht  der  behandelten  Drogen  nach  natürlichen  Pflanzenfainilien. 


XV 


pag- 

Maynoliaccac 

Fr.  Anisi  stcllati  

638 

Ranunculaceae 

Rh.  Hellebori  nigri 

274 

» , viridis 

270 

Tub.  Aconiti 

281 

Folia  „ 

499 

Papaveraceae 

Hba.  Cbelidonii . . . 

451 

Fruct.  Papaveris 

589 

Sem.  

643 

Opium  

40 

Fl.  Rboeados  

538 

Hba.  Fumariae  

458 

Cruciferae 

Hba.  Cochleariae 

. .% 452 

Sem.  Sinapis  albae  

684 

| » , nigrae  

Violarieae 

Hba.  Jaceae 

Cucurbitaceae 

Fr.  Colocynthidis 

Caryophylleae 

R.  Saponariae 

, „ levanticae  . . . 

261 

Malvaccae 

R.  Altliaeae 

Fol.  „ 1 

, Malvae  ) 

Fl.  Malvae  sylvestr.  ) 

„ „ arborcac  J 

Biittneviaceae 

Sem.  Cacao 

Tiliaceae 

Fl.  Tiliae  

Clusiaceae 

Gutti 

Aurantiaceae 

Cort.  Citri  fructus 

Fol.  Anrantii 

Aurantia  immatura 

Cort.  Aurantiorum  

Polygaleae 

R.  Seneuae 

, Ratanhiae ooq 

Rhamneae 

Jujubae 

Fr.  Rhamni  catb 

Cort.  Frangulae 

Euphorbiaceae 

Euphorbium 

Sem.  Ricini gqo 

» Tielii car. 

Cort.  Cascarillae  .... 

K'amala 

Jutjlundeac 

Fol.  Juglandis  . . . 

Terebintliaceae 

Mastix  

Fol.  Toxicodendri 

Burseraceae 

Olibanum 

Myrrha 

Elemi 

Simarubeae 

Lignmn  Quassiac  surinamense 
» » jamaicense  . 

Diosmcae 

Cort.  Angostnrae 

Fol.  ßucco 

Rutaceae 

Fol.  Rutae 

Zygdjphylleae 

Lign.  Guajaci  

Lineae 

Sem.  Lini 

Myrtaceae 

01.  Cajeputi 

Fr.  Amomi 

Caryophylli 

Cort.  Granati  rad 

, , fruct 

Pomaceae 

Sem.  Cydoniae 

Rosaceae 

01.  Rosae  

Fl.  Rosae  centifol 

» » gall 

„ Kosso 

Amygdaleae 

Amvgdalae  dulces 

,,  amarae  

Fol.  Laurocerasi 

Papilionaceae 

Sem.  Foeni  graeci 

Hba.  Meliloti 

Rad.  Liquiritiae  hisp 

» » rossic 

Tragacantha 

Kino 

Lign.  Santali  

Bals.  peruvianum 

» tolutanum  . . . 

Caesalpinieae 

Tamarindi 

Bals.  Copaivae  

Siliqna  dnlcis 

Folia  Sennae 

Mimoseae 

Gummi  arabicum 

„ senegaleuse 

Catechu 


pag. 


64 

461 


31 

34 

77 


.319 

.321 

.431 

.528 

.530 


326 

655 


. 93 
561 
556 
340 
568 


659 


95 

539 

540 
562 


664 

669 

454 


662 

532 

194 

199 

7 

118 

316 

88 

92 


570 

SO 

582 

463 

1 

6 

116 


XVI 


Uebersicht  nach  praktischen  Merkmalen. 


UcJ)  ersieht  nach  praktischen  Merkmalen. 


Erster  Kreis:  nicht  aus  Zellen  bestehende  Stoffe. 

I.  Flüssigkeiten. 

A.  vollkommen  flüchtige 

farblos  oder  gelblich  in  der  Kälte  krystallinisch Oleum  Rosae. 

grünlich,  nicht  erstarrend Oleum  Oajepnt. 

B.  nur  teilweise  flüchtige  oder  gar  nicht  ohne  Zerset- 
zung destillirbare 

gelb  oft  etwas  dickflüssig Buhamnn i Copaivac. 

schwarzbraun  ziemlich  dünnflüssig Baisamum  peruvianum. 

II.  Sehr  dickflüssige  zähe  Stoffe. 

A.  klar  oder  opalisirend,  ohne  krystallinischen  Absatz  . Terebintliina  veneta. 

B.  krystallhaltig  trübe 

weiss  oder  gelblich,  Gernch  an  Macis  und  Anis  erinnernd  Elemi. 

gelblich;  Terpenthingernch Terebintliina  communis. 

grau  oder  schwarzbraun;  Benzoegeruch .Styrax  liquidus. 

III.  Feste  Stoffe. 

A.  formlose  gleichartige  Massen 

1)  ohne  Geruch  und  Geschmack,  farblose  eckige 


rissige  Stücke Gummi  arabicum. 

2)  vonsüsssem  Geschmackc Succus  Liquiritiae. 

3)  von  adstringirendem  Geschmackc 

spröde  braune  Massen Catechu. 

dunkel  braunrothe  eckige  Körner Kino. 

4)  von  bittterem  Geschraacke 


a.  grau  gelblich,  innen  weisslich,  narkotisch  riechend  . . Lactucarium. 

b.  braunroth,  von  eigentümlichem  Gerüche 
homogene  geflossene  Masse,  in  Weingeist,  aber  nur 

zum  Theil  in  Wasser  löslich Aloe  (lucxda). 

mehr  oder  weniger  aus  Körnern  gebildete  Masse  mit 
Hohlräumen,  weder  in  Wasser  noch  in  Weingeist 

ganz  löslich Myrrha. 

extractartig , Feuchtigkeit  anziehend,  in  Wasser  und 

Weingeist  löslich Lactucarium  gallicnm. 

5)  von  kratzendem  Gosch  macke,  ohne  erheblichen 
Geruch 

von  gelbrothcr  Farbe Gntti. 

braungrün Retina  Guajaci. 

B . unverbundene  birn-  oder  mandelförmige  (gerundete)  Körner 

1)  wenig  oder  gar  nicht  gefärbt 

a.  in  Wasser  langsam  löslich,  etwas  rissig  im  Innern  . . .Gummi,  seneyalense. 

b.  in  kochendem  Alcohol  vollständig  löslich 

kugelige,  im  Munde  erweichende  Körner Mastix. 

verlängerte  Formen,  im  Munde  nicht  erweichend  . . Sandaraca. 

c.  weder  in  Wasser  noch  in  Alcohol  ganz  löslich Olibanum. 

2)  bräunlich  gelblich  oder  röthlich 

a.  in  Weingeist  lösliches  balsamisches  Harz Benzoe  (siche  unten  E.2). 


Uebersiclit  nach  praktischen  Merkmalen. 


XVII 


b.  in  Weingeist  und  in  Wasser  nur  zum  Tlieil  lösliche 
Gummiharze 

stinkend,  an  der  Luft  roth  anlaufend Asa  foetida. 

nicht  eben  unangenehm  riechend,  balsamisch,  innen 

weisslich,  aussen  grau  gelblich Ammoniacum. 

balsamisch,  gelblich  bräunlich,  oft  schmierig,  sich 

mit  Salzsäure  schön  roth  färbend Galbanum. 

rothbraun,  innen  oft  weiss,  nicht  unangenehm  bitter  Myrrha  (siehe  unten  III.  A.) 

C.  Körner,  Mandeln  oder  Thränen,  verklebt  oder  in  dichte 
Massen  eingesprengt 

in  Weingeist  löslich Benzoe,  (siehe  unten  E.  2) 

in  Weingeist  und  in  Wasser  nur  zum  Theil  lösliche 

'*  Gummiharze (siehe  oben  B.2) 

D.  Characteristische  Formen 

meist  zweihörnige  Stücke  mit  Pflanzenresten Euphorbium. 

geschichtete  bandförmige,  wurmartig  gedrehte  oder  flach 

muschelige  Stücke Tragacantha. 

E.  Krystallisirte  oder  zum  Theil  krystallinische  Stoffe 

1)  unmittelbar  kenntliches  Kry  stall  gef  iige 

aromatische  farblose  Masse Camphora. 

süsse,  weissliche  Masse Manna  ( canellata ). 

2)  mikrokrystallinisches  (nur  unter  dem  Mikroskop 
sichtbares)  Gefüge 

a)  süsse  schmierige  Masse Manna  {communis). 

b)  adstringirendo  Würfel Gambir. 

c)  bittere  Stoffe 

von  aromatischem  aber  eigenthümlichem  Gerüche, 

in  kaltem  Wasser  wenig  veränderlich Aloe  ( hepatica ). 

von  narkotischem  Gerüche,  in  kaltem  Wasser  er- 
weichend   Opium. 

d.  balsamische  Stoffe 

weissliche  Körner  oder  Mandeln  in  gelblich  grauer 
bis  bräunlicher  Masse,  erst  gegen  80  — 90°  C. 
schmelzend,  bei  40  — 50°  nicht  erweichend.  .Benzoe. 
homogene  braun  gelbliche  Masse,  bei  GO  — 65° 

schmelzend  und  schon  bei  30°  erweichend  . .Baisamum  tolutanum. 
weiss  oder  schwach  gelblich,  homogen,  nach  Ma- 

cis  und  Anis  riechend Elemi  (siehe  oben  II.) 


Zweiter  Kreis : Drogen  von  zeitigem  aber  erst  durch  das 
Mikroskop  erkennbarem  Baue. 


geschmack-  und  farblos 
geschmacklos,  hellgelb 
» roth . . . 

balsamisch,  braun. . . . 


Amylum  Marantae. 
Ly  copodium. 
Kamala. 

Glandulae  Lupuli. 


Dritter  Kreis:  unmittelbar  als  Pflanzengewebe  kenntliche 

Drogen. 

Erste  Reihe.  Pflanzen  oder  Pflanzentheile  mit  gefässlosem  Gewebe. 

I.  haarförmige  Gebilde PalSr Cibotii. 

graulich,  grünlich  oder  bräunlich,  bitter Liche{  ülandicus. 

Lichen  parietinus. 


XYTTI 


Uebersicht  nach  praktischen  Merkmalen. 


III  derb  cvlindrisclie,  hornartige  schwärzliche  innen 

weissliche  Gebilde _ Secale  cornutum. 

IV.  kopfförmiger  oder  kalbconiscker  Pilz,  korkig 

mürbe,  farblos  oder  schwach  bräunlich  gelb Fungus  Lamcis. 


Zweite  Reihe:  Pflanzentheile  aus  Gewebe,  welches  von  Gefässen 

durchzogen  ist. 

f Gebilde  ohne  morphologische  Bedeutung. 

Kugelige  höckerige  sehr  feste  nussartige  Gebilde  Gallae  halepenses. 

Blaseu  mit  hornartigen  Auftreibungen Gallae  chmenses. 

j-f  Gebilde  von  leicht  erkennbarer  morphologischer  Bedeutung. 

Erste  Abtheilung: 

■Wurzeln  (Radices), 

unterirdische  einfache  oder  verzweigte  Axen,  welchen  Blätter,  Blattrestc  oder  Knospen  fehlen. 

I.  Grenze  der  Rinde  und  des  centralen  Theilcs  durch  eine  Kern- 
scheide1) bezeichnet 

lange  dünne  ganz  einfache  Wurzeln  (mit  oder  ohne  Wurzel- 

ö,  , v Bad  Sarsapanllae. 

dicke,  stellenweise  knollige  oder  abgeplattete  Wurzeln.  . .Rad.  (Tuber)  Chmae. 
rübenförmige  zu  zwei  (oder  mehr)  verwachsene  Wurzeln. . Tuber  Acomti , s.u.  II. A. 

II.  Grenze  der  Rinde  und  des  Holzkörpers  durch  eine  Cambium; 
schicht  von  meist  dunklerer  Färbung  eingenommen,  gewöhnlich 
sind  auch  Baststrahlen  bemerklich. 

A.  Gestalt  der  Wurzel  knollig,  konisch,  jedenfalls  sehr 
vsrkiirzt 

1)  weiss  aderig  schwammig  nach  Moschus  riechend. . .R.  Sumbul. 

2)  gelb,  innen  weiss,  aber  roth  geadert R.  Rhei. 

3)  missfarbig,  graulich  oder  bräunlich 

kleine  oben  quer  verbundene  rübenförmige  Knollen. . Tuber  Aconit i. 
bis  faustgrosse,  höchst  unregelmässige  Stücke Tuber  Ja  lapae. 

4)  schön  gelbe  Querscheiben R-  Calumbo. 

B.  Wurzeln  verlängert  conisch,  schlank  cylindrisch  oder 
hin-  und  hergebogen,  einfach  oder  ästig 

1)  Farbe  entschieden  gelb 

a.  rein  gelb , dünne  Schnitte  mit  Kalilauge  befeuchtet 
werden  carminroth 

ästige  holzige  Wurzeln  mit  braunem  Korke,  (im 

Kleinhandel  meist  geschnitten) R-  Lapathx. 

einfache  vorherrschend  cylindrische  und  meist  ge-  _ . 

schälte  Wurzeln • • Rhaponttc. 

b.  gelb  mit  grau  oder  bräunlich,  durch  Kali  nicht  roth 

werdend  _ _ . . ..  • 

von  süssem  Geschmacke *■  Liqutntiae. 

von  bitterem  Geschmacke en  ,anae- 

2)  Farbe  roth 

sehr  ästige  knorrige  und  holzige  Wurzel  von  adstrin- 

girendem  Geschmacke,  braunroth  oder  violcttroth . R.  Ratanhiae. 

schwache  brüchige  Wurzeln,  süsslich  oder  bitterlich, 

wenig  zusammenziehend,  roth  bis  gelbroth M 

brüchige  aussen  braunrothe  innen  schön  hellgelbe^ 

Wurzeln,  nicht  strablig “ 


l)  vergl.  pg.  1G4. 


Ucbersirht  nach  praktischen  Merkmalen. 


XIX 


3)  Wurzeln  von  wcisscr  Farbe,  wenigstens  im 
Innern 

faserige  schleimige  W R-  Althaeae. 

derb  hornartig,  süsslich  bitterlich  und  kratzend  . . . .R.  Saponariae  levanticae. 

4)  Wurzeln  von  unbestimmter  Färbung:  grau- 
lich, bräunlich,  missfarbig,  nicht  entschieden  gelb 
oder  roth 

a.  von  arom  atischem  Geschmacke 

* einfache,  nicht  oder  wenig  verästelte  Wurzeln, 
nicht  Amylum  enthaltend 

cylindrisch  bis  2 Millimeter  dick,  meist  von 

Blatt-  und  Stengelresten  gekrönt R.  Pyrethri  rjcrmanici. 

cylindrisch,  bis  2 Centimeter  dick,  sehr  fest . .R.  Pyrethri  romani. 
etwas  kantig,  der  Länge  nach  netzig  aufgerissen 

und  zerklüftet,  oft  um  die  Axe  gedreht R.  Carlinae. 

**  ästige  amylumhaltige  Wurzeln  mit  dunklem 
Harzpunkten  in  der  Rinde 
a)  Geschmack  heissend,  Geruch  unangenehm 

bockartig R • Pimpinellae. 

ß)  Geschmack  scharf  aromatisch,  Geruch  nicht 
unangenehm  balsamisch 
Balsamräume  (Harzpunkte)  weiter  als  die 
Gefäss«,  Nebcnwurzeln  klein  und  zahl- 
reich  R.  Anyelicae. 

Balsamräume  nicht  weiter  als  die  Gefässe, 

Holz  gelb Ri  Levistici. 

***  ästige  amylumfreie  Wurzel,  meist  auch  in  horn- 
artigen graulichen  Querscheiben R.  Enulae. 

b.  nicht  aromatische  Wurzeln 

* amylumhaltige 

a)  dicke  sehr  grobfaserige  zähe  unregel- 
mässige seltener  deutlich  strahlige  Stücke 

von  brauner  Farbe R.  orizabensis 

(R.  Jalapae  levis). 

ß)  vorwaltend  cylindrische  Wurzeln  von 
'einfach  strahligem  Querschnitte 

geringelt,  einfach,  nur  bis  5 Millim.  dick  R.  Ipecacuanhae. 
meist  geschält  und  gespalten,  missfarbig 
hell  graugelblich , sehr  brüchig , gefähr- 
lich scharf R . Belladonnae. 

Y)  cylindrische  oder  beinahe  möhren- 
förmige Wurzeln  mit  sekundären  Holz- 
körpern1) im  Centrum  oder  in  der  Rinde 
. sehr  ästige,  sehr  holzige  Wurzel,  oft  hin- 
und  hergebogen,  aussen  braun  bis  roth- 
braun,  oft  mit  Hohlkehlen,  auf  dem 
Querschnitte  sehr  fein  strahlig,  ohne 
Harz , secundäre  Holzkörper  in  der 

^‘Ul^e Caincae. 

• einfache  oder  wenig  ästige  Wurzeln,  von 
weniger  dichtem,  sehr  grob  porösem 
Holzkörper,  worin  secundäre  Büudel 
abgegrenzt  sind. 

Holzbündel  auch  in  der  Rindo.  . .R.  Turpethi. 

Holzkörper  auf  das  Centrum  be- 

schränkt R.  Scammoniae. 


) Pg-  231. 


XX 


Uebersicht  nach  praktischen  Merkmalen. 


a mylumfreie  nicht  aromatische  Wurzeln 
a)  von  sftsslich- bitterlichem  Geschmacke  und 
conccutrisch  geschichteter  dicker  Kinde, 

höchstens  15  Millim.  stark  R.  Taraxaci. 

ß)  bitterlich,  von  strahlig-blätterigern  Bau,  innen 

markig,  oft  über  20  Millim.  dick  ......  .R.  Bardanae. 

y ) bitter,  strahlig,  hell  gelblich,  sehr  derb 

holzig li.  C'ichorii. 

o)  sehr  bitter,  aussen  rothbraun,  innen  gelb- 

bräinnlicli,  biegsam  R.  Gentianae  (s.  obeuB.l.) 

c)  bitterlich,  sehr  widerlich  kratzend;  schwache 
ästige  gedrehte  Wurzel  mit  sehr  dickem 
röthlichem  Wurzelkopfe R.  Senegae. 


C.  Sehr  grosse  knorrige  braunrothe  Wurzel  mit  miss- 
farbigem leichtem  Holze,  von  angenehmem  Anis-  oder 

1'enchel  Geruche.  (Im  Kleinhandel  fast  nur  geschnitten)  R.  Sassafras  (siehe  bei  den 

Hölzern  und  bei  d.  Rin- 

D.  Knorrige  braunrothe  Wurzel,  mit  dickem  Wurzel-  den  III.  B.) 

köpfe  und  langen  ziemlich  einfachen  Wurzelästen, 

ohne  Aroma,  von  stark  adstriugirendem  Geschmacke  . .R.Ratanhiae  (s.obcnB.  2.) 


Zweite  Abtheilung: 


'Wiix*  vielst  ticke  (Ehizomata), 

halb  oder  ganz  unterirdische  Axen  mit  Ansätzen,  Narben  oder  Resten  von  Blättern,  oft  auch 

von  Nebeuwurzeln. 

I.  Gefässhündel  zerstreut,  weder  strahlig,  noch  zu  einem  ge- 
schlossenen Ringe  geordnet. 

laug  gestreckt,  ohne  Schuppen,  höchstens  4 bis  7 Millim. 

dick Rh.  Polypodii. 

kurz  zusammengeschoben,  dicker,  mit  braunen  Schüppchen, 

sofern  die  Rinde  nicht  weggeschält  ist Rh.  Filicis. 


11 


Gclassbüudel  von  einer  Kernscheide1)  umschlossen. 


A.  sehr  lang  gestreckte,  2 bis  3 Millim.  dicke  Rhizome 


(im  Kleinhandel  nur  geschnitten) 

strohgelb,  hohl , ohne  Amylurn Sh.  Graminis. 

graulich  bis  bräunlich,  derb  holzig,  amylumhaltig Rh.  Caricis. 


B.  dickere,  gestreckte,  mehr  oder  weniger  plattgedriickte 
Rhizome 

1)  von  sehr  geringem  feinem  Wohlgeruche  und 

unbedeutendem  Geschmacke,  innen  weiss,  mehlig, 

derb  Rh ■ Iridis. 

2)  sehr  aromatisch,  von  brennendem  Geschmacke 

auf  der  oberen  Seite  mit  zickzackförmigen  Blatt- 
narben, unterseits  mit  ebenso  gestellten  Narben 
der  Nebenwnrzeln,  nicht  verästeltes,  fast  cylindri- 

aches  Rhizom,  brüchig Uh-  Calami. 

stark  platt  gedrückt,  mit  gerundeten  Aesten, 
ohne  Nebenwurzelnarben  . . . • • - Uh.  Zingiberis. 

C.  Knollen  oder  stellenweise  etwas  knollig  verdickte 
cylindrische  Rhizome  von  sehr  aromatischem  Gerüche 


und  Geschmacke 

gelb,  hornartig,  meist  ganze  Knollen • ■ -Uh.  ( urcumae. 

brnunroth,  holzig,  gestreckt,  nur  stellenweise  verdickt  Rh.  Galangae. 
graulich,  Querscheiben  oder  Längsviertcl  von  Knollen  Rh.  Zedoanae. 


l)  vgl.  pg.  164. 


Uebersicht  nach  praktischen  Merkmalen. 


XXI 


D.  stumpf  conischer  schwärzlicher  Wurzelstock,  mit 
zahlreichen  strohartigen  Nebenwurzeln  oder  auch  nur  mit 
den  Narben  derselben Rh.  Veratri. 


III.  Gefässbiindel  kreisförmig  gestellt,  durch  Cambium  vou  der 
Rinde  abgegrenzt,  in  welcher  keine  Gefässe  Vorkommen.  Im 
Centrum  des  Wurzelstockes,  nicht  in  den  Nebenwurzeln , ein 
Mark. 

A.  nicht  aromatische  Rhizome. 

1)  von  adstringirendem  Ges ch macke 

innen  röthlich , c-o  förmig  gekrümmt Rh.  Bistortae. 

innen  gelb , etwas  platt  gedrückt,  nnterseits  mit  Nar- 
ben zahlreicher  Nebenwurzeln;  von  bitterlichem 

Beigeschmäcke Rh.  Rhci  Monachorum. 

2)  Geschmack  bitter,  etwas  scharf.  Cylindrische, 

auf-  und  absteigende,  verzweigte  und  bewurzelte  Rhi- 
zome von  dunkel  graubrauner  bis  schwärzlicher  Farbe. 

Querschnitt  der  Nebenwurzeln  nicht  ein  strahligcs  oder 
lappig  getheiltes  Gefässbündel  zeigend 

oft  von  lederartigen  fussförmig  getheilten  Blättern 

begleitet  Rh.  Hellebori  nigri. 

Blätter  papierartig,  scharf  gesägt.  Rhizom  sehr  bitter  Rh.  Hellebori  viridis. 

B.  Rhizome  von  aromatischem  Gerüche  und  Geschmacke 

1)  dünn,  bogenförmig  gekrümmt,  holzig,  bewurzelt, 

amylumfrei  Rh.  Arnicae. 

2)  starkes  stellenweise  etwas  knollig  aufgetriebe- 

nes verzweigtes  Rhizom  meist  ohne  Nebenwurzeln,  amy- 

lumhaltig Rh.  Imperatoriae. 

3)  Rhizom  sehr  kurz  zusaramengeschoben,  äus- 

serst  dicht  mit  Nebenwurzeln  und  oberseits  mit  Narben 

von  Stengeln  und  Blättern  besetzt.  Holz  gelb,  excentrisch  Rh.  Serpentariac. 

4)  W nrzelstock  aufrecht,  bewurzelt,  fast  immer  ganz 

einfach,  im  Innern  hohl,  mit  Querscheidewänden  . . . .Rh.  Valerianae. 

Dritte  Abtheilung: 

Zwiebeln  und  Knollen 

(vergl.  auch  Wurzeln  II.  A) 

I.  blätterige  Zwiebel,  oder  fleischig -hornartige  Stücke 
der  iunern  Zwiebelschalen  von  rother  oder  weisser  Farbe, 

amylumfrei Bulbus  Scillae. 

II.  hornartig  spröde  durchscheinende  eiförmige 
oder  auch  handförmige  Knollen  reich  an  (aufgequolle- 
nem) Amylum Tuber  Salep. 

III.  mehliger  herzförmiger  Knollen  oder  nierenför- 
mige Querscheiben  desselben Tuber  Colchici. 


Vierte  Abtheiluig. 

Stengel 

kurzgeschnitten,  chlorophyllhaltig,  hohl stipes  Dulcamarae. 

Fünfte  Abtheilung: 

T , Hölzer 

I.  ohne  bedeutende  Färbung 

ohne  Geschmack  oder  sehr  schwach  aromatisch L.  Juniperi. 

s«hr  bitt°f Quassiae. 

II,  missfarbig,  braunröthlich,  angenehm  aromatisch L.  Sassafras. 

III.  grünlich,  bräunlich,  gelblich,  nicht  spaltbar L.  Guajaci. 

IV1  schön  roth,  geschmacklos L.  Santali. 


XXII 


Uebcrsicht  nach  praktischen  Merkmalen. 


Sechste  Abtheilung: 


Binden. 

I.  reiner  Kork Suber  quercinum. 

II.  sehr  langfaserige  zähe  Rinden 

vorherrschend  schleimig,  braunröthlich Cortex  ütmi. 

adstringirend,  bräunlich,  Aussenrinde  weisslich  bis  dunkel- 

C.  Quercus. 

gefährlich  brennend,  innen  glänzend  gri'mlichgelb,  bandartig 
aufgcrollt C.  Mezerei. 

III.  mehr  oder  weniger  brüchige  kurzfaserige  Rinden 
A.  kürzere  oder  längere  Röhren 

1)  aromatische 


geschälte  lange  Röhren  von  brauner  Farbe C.  Cinnamomi. 

bedeckte  kurze  grauliche  Röhren G.  Cascarillae. 

2)  nicht  aromatisch 

widerlich  bitter;  wässeriger  Auszug  von  gelber  Farbe, 
nach  Zusatz  von  Kali  schön  carminroth,  durch 

Eisonchlorid  nicht  verändert C.  Frnmjulae. 

rein  bitter;  kalter  wässeriger  Auszug  kaum  gefärbt,  durch 
Eisenchlorid  grün  gefällt.  Rinde  beim  Erhitzen  im 
Glasrohr  die  Grahe’schc  Reaction  (pg.  410)  ge- 
bend. Baströhren  dick,  kurz,  fast  ohne  Höhlung1)  G.  Chinae  fuscus. 

B.  offene  rinnenförmige  Stücke 

1)  graulich,  stellenweise  schwarzblau  angelaufen, 

höchstens  2 Millim.  dick,  spröde,  sehr  bitter C.  Quassiae surinainensis 

2)  schwärzlich  braun,  bis  lOMillinj.  dick,  zähe,  sehr 

bitter G.  Quassiae  jamaicensis. 

3)  gelbbräunlich 

a.  kalter  wässeriger  Auszug  durch  Eisenchlorid  grün- 
lich gefällt  oder  gefärbt G.  Chinae  fuscus  (siehe 

oben  A. 2)) 

b.  Verhalten  zu  Eisenchlorid  ebenso;  die  Grahe’sche 
Reaction  tritt  aber  nicht  ein,  Gewebe  im  Innern  mit 
dichtem  Steinzellenring,  ohne  verholzte  Baströhren, 
oft  von  schön  rothgelbem  Korke  bedeckt.  Geschmack 
gefährlich  bitter  (Rinde  nicht  mehr  im  Handel)  — . C Strychni. 

c.  kalter  wässeriger  Auszug  durch  Eisenchlorid  roth- 
braun  gefällt.  Rinde  bitter  und  etwas  aromatisch, 
auf  der  Innenfläche  abblätternd,  im  Gewebe  Oel- 

zellen C.  Angosturae. 

d.  kalter  wässeriger  Auszug  durch  Eisenchlorid  blau  ge- 
fällt. Geschmack  stark  adstringirend,  Querschnitt 
mehr  fein  gefeldert  als  strahlig.  Rindenstückc  klein, 
verbogen,  oft  mit  fest  anhaftenden  Ilolzspäncn  . ...  C.  Granati. 

4)  rein  gelbe  oder  ein  wenig  in  das  rothe  spie- 

lende, etwas  faserige  Rinden,  von  rein  bitterem  nicht 

aromatischem  Geschuiacke  C.iCVwiflC  (s.  bei A. 2obcn.) 

5)  braunrothe,  sehr  aromatische  schwammig  - korkige 

Rinde,  deren  wässeriger  Auszug  durch  Eisenchlorid 

nicht  verändert  wird C.  Sassafras. 

C.  Fast  oder  völlig  flache  dickere  oder  dünnere,  oft  sehr 
breite  Rinden,  mit  oder  ohne  Kork,  von  gelber,  gclbrother 
oder  dunkclrothcr  Farbe.  Goschmack  roin  bitter.  Anato- 
mischer Bau  und  chemisches  Verhalten  wio  oben  bei  A.2)  G.  Chinae  (vorzüglich  C h. 

Calis  aya  und  Ch.  rubra. 


1)  cf.  Seite  389. 


Ucbcrsicht  nach  praktischen  Merkmalen. 


XXIII 


Siebente  Abtheilung: 


Blätter. 

I.  Frisch  iu  Gebrauch  gezogene Folia  Laurocerasi. 

II.  Unterseits  mit  Fruchthäufclien  versehene 

zart  gefiederte F.  Capilli. 

ungetheilte F.  Scolopendrii. 

119.  nadelförmige  Blättchen 

bis  0,030ra  lang F.  Rosmarini. 

bis  0,01 2ra  lang F.  Thymi. 

IV.  lederige,  nur  wenig  eingerollte  oder  ganz  flache  Blätter 

A.  geruchlose,  von  adstringirendem  Geschmncke F.  Uvae  ursi. 

B.  von  bitterlichem  Geschmacke F.  Sennae. 

C.  aromatische 

gesägte  oder  gekerbto F.  Rucco. 

ganzrandige,  mit  welligem  Rande F.  Lauri. 

ganzrandige,  mit  geflügeltem  Blattstiele F.  Aurnntii. 


V.  krautige  runzelig  zusaminengeschrumpfte  Blätter 

A.  einfache 


1)  ganzrandige  höchstens  gegen  0,20"'  lange F.  Relladunnae. 

2)  ganzrandige  mehr  als  fusslange  F.  Nicotianac. 

3)  gelappte  oder gobuch tote 


a.  schleimige  wenig  oder  nicht  behaarte F.  Mahne. 

b.  schleimige  dicht  filzige F.  Althaeae. 

c.  von  widerlichem  salzig  bitterlichem  Ge-** 
schmacke 

in  den  Blattstiel  verschmälert,  kahl F.  Strninonii. 

die  meisten  Blätter  sitzend,  stengelumfassend, 

zottig F.  Hyoscyami. 

4)  gesägto  oder  gekerbte 


a.  von  bi tte rem  Geschmacke , Aroma  fehlend  oder 
zurücktretend 

filzig  behaart,  lang  gestielt,  bis  fusslang F.  Digitalis. 

filzig  behaart,  länger  oder  kürzer  gestielt,  von 
kreisförmigem  Umrisse,  Durchmesser  nur 

0,04m  F.  Marruhii. 

spinne webig- zottig,  oft  von  gelben  stacheligen 

Bliithenköpfchen  begleitet F.  Card  ui  benedicti  (siehe 

unten  Kränter  IV.  B) 

b.  von  vorwalteud  aromatischem  Gerüche  und  Ge- 
schmacke, höchstens  ein  wenig  bitterlich 

graulich  bis  weissfilzig,  grob  geadert F.  Sahiae. 

grünlich,  fein  aderuetzig,  von  Pfeffcrmünzgeruch  F.  Menthae  piper itae. 

» „ „ » Krausemünzgeruch  F.  Menthae  crispae. 

» n v „ schwachem  feinem 

Wohlgcruche,  Blatt  eiherzförmig  F.  Melissae. 

B.  zusammengesetzte  Blätter 

1)  drei t heilige  von  adstringirendem  Geschmacke  F.  Toxicodendri. 

2)  d reitheilige  von  bitterem  Geschmacke F.  Trifolii fibrini 

3)  breit  bandförmig,  in  lineale  Zipfel  zerschlitzt  . . F.  Aconit  i. 

4)  geli  ederte  B lütter 


a.  mit  5 bis  9 ganz  räudigen  sehr  ansehulichou  Ab- 

aehnUUn F.  Juylandis. 

b.  dreifach  oder  mehrfach  fio.dortheilig,  Ab- 
schnitte sehr  zahlreich,  klein 

sehr  bitter  und  sehr  aromatisch,  Abschnitto 

kahl,  lederartig,  drüsig  punktirt F.  Rutae. 


XXIV 


Ucbersicht  nach  praktischen  Merkmalen. 


**  sehr  bitter  und  aromatisch,  scidcnhaarig,  düuuF.  Ab&inthii 


***  widerlich  narkotisch , kahl F.  Conii 

’"**  bitterlich,  fast  geruchlos F.  Millefolü 


(s.  Kräuter 
VII.) 


Achte  Abtheilung : 

Kräuter. 

Von  Stengeln,  Blüthen  oder  Früchten  begleitete  Blätter;  in  die  vorige  Abtheilung  gehörig, 

wenn  die  Blätter  allein  vorliegen. 


I.  Frisch  in  Gebrauch  gezogene 


Ilba.  Chelidonii. 
II.  Cochlearine. 


II.  Mehr  oder  weniger  cylimlrische  oder  schuppige  Blätter. 

_ , ...  , ,,  . i II.  Rosmarini  (s.  Blätter  III.) 

A.  am  Stengel  gegenständig  und  entfernt J Thymi  „ 

B.  gegenständig,  sich  deckend,  den  Stengel  dicht  einhüllend, 

damit  ohne  Gliederung  verwachsen II.  Sabinae. 

III.  Blätter  sehr  schmal,  eingerollt,  beinahe 

riunig Fl.  Ilyssopi  (s.  unt.  IV.  A.3) 

IV.  Flach  ausgebreitete  dünne  eingeschrumpfte  Blätter. 

A.  gegenständig,  einfach 

1)  stumpf,  höchstens  0,010m  lang  und  oft  eben  so  breit. 

Blüthen  purpurn  oder  weisslich II.  Serpylli. 

2)  stumpf  eiförmig  oder  fast  kreisrund.  Blüthen- 

quirle  iveiss,  kugelig,  sehr  dichtgedrängt II.  Marrubii  (siehe  oben 

Blätter  V.  A.  4) 


3)  spitz  eiförmige  bis  lanzettliche  Blätter 

a.  rein  und  stark  bitter,  ohne  Aroma,  gegen  0,02m 
breit 

Trugdolden  von  rothen  Blüthen  FL.  Cßiitauru. 

Langgestielte  weissliche  gelb  gefleckte  Einzel- 

blüthen H Gvo-tiolüß . 

b.  fast  gcruch-  und  geschmacklose,  lanzettliche 
bis  0,015m  breite  oder  borstliche  Blätter.  Schön 

gelbe  Lippenbliithen  mit  stechendem  Kelche II.  Galeopsidis. 

c.  angenehm  aromatische  Kräuter 

* schmal  lanzettliche,  5 Millirn.  breite  eingerollte, 
fast  rinnige  Blätter , Blüthen  blau,  ährenartig 

geordnet II • Hyssopi. 

**  breit  eiförmige  Blätter 

von  weissen  Blüthen  begleitet II.  MeltSSae  j (s.  Blätter 

von  blassviolett-röthl.  Blüthen  begleitet  . .11.  Ment/iae  I V.  A.  i, 

B.  zerstreute  einfache  oder  fingerig  getheilte  nicht  ge- 


II.  Jaceae. 


flederte  Blätter. 

1)  mit  leierförmig  fiederspaltigen  Nebenblättchen 

von  der  Grösse  des  Hauptblattes.  Blüthen  violett  ‘ 
gelb 

2)  Blatt  fingerig  3 bis  9theilig,  rauh,  narkotisch,  mit 

holzigen  Stengeln,  missfarbig,  oft  verklebt  nud  zer' 

knittert.  Blüthen  unscheinbar Cannabis. 

3)  Blätter  einfach 

a.  aromatisch  ...  , 

schön  grün,  kahl,  Blüthen  unansehnlich  und  grün  II.  Chcnopodn  ambi . 
dunkelgraugrün,  uuterscits  filzig,  von  sehr  lan- 
gen cylindrischen  Frucht-  oder  Blüthcnähren 
begleitet MatlC0- 

b.  von  sehr  scharf  kratzendem  Gcschmacke,  ohne 

Aroma,  Fruchtkapsel  bauchig.  (Im  Handel  in  ta- 
felförmige  Pakete  gepresst) 11  Lobehae. 


Uebersicht  nach  praktischen  Merkmalen. 


XXV 


c.  von  rein  bitterem  Geschmacke,  zottig,  spinne- 

webig,  stechend  sägezähnig.  Blütben  gelb,  stachelig  II.  Cardul  benedich. 

V.  kleine  gedreite  Blättchen,  kaum  4 Millim.  lang,  immer  von 

{reihen  Bliitheuträubchen  begleitet,  sehr  angenehm 

riechend H-  Mehlotl‘ 

VI.  in  lineale  Zipfel  zerschlitztes  handförmiges 

sprödes  Blatt H.  Acomti  (s.  Blatt,  v.  B.) 

VII.  gefiederte  Blätter 

A.  von  Bliithenköpfchen  der  Compositen  begleitet 

schwach  aromatisch,  bitterlich,  Blüthen  ansehnlich,  weiss  II.  Millefolii . 
sehr  aromatisch,  stark  bitter,  Blüthen  unansehnlich, 
bräunlich , Blätter  seidenhaarig  II  Absinthü. 

B.  von  zarten  breit  sackartig  gespornten  röthlichen  Blüthen 

und  glatten  kugeligen  2 Millim.  messenden  grünen  Frücht- 
chen begleitet . ; H.  Fumariae. 

C.  von  weissen  Blüthendolden  oder  wellig  gerippten 
3 Millim.  grossen  Früchtchen  begleitet.  Beim  Befeuchten 

mit  Kalilauge  stark  narkotisch  riechend H.  Conii. 


Neunte  Abtheilung: 


Bliitlien. 

I.  Blüthentheile 

A.  ßöthliche  Blumenblätter Flores  Rosae  centi/oliae. 

B.  Dunkelrothe  etwas  steife  Blumenblätter  von  Rosengeruch  Fl.  Rosae  gallicae. 

C.  Dunkelrothe  sehr  weiche,  fettig  anzufühlende  Blumen- 
blätter ohne  Aroma Fl.  Rhoeados. 

D.  Fünflappige  schön  gelbe  Blumenkronen FL  Verbasci. 

E.  Rothe  fadenförmige  sehr  aromatische  Narben  (und  gelbe 

Griffel) Crocus. 


II.  Nicht  aufgeblühte  Blüthen 

A.  ohne  Kelch Fl.  Rosae  gallicae  { s.ob.I.) 

B.  vollständige  sehr  kleine  grünlichgelbe  Blüthenköpfchen.  .Fl.  Cinae  (s.  unten  IV.  A.) 

C.  vollständige  braune  sehr  aromatische  vierzähnige  Blüthen- 

knospen -. Caryophylli. 

III.  vollständige  und  entwickelte  Einzelnblütlien 

von  blauer  Farbe,  aromatisch Fl,  Lavandulae. 

von  blauer  Farbe,  schleimig,  ohne  Aroma Fl.  Malvae  sylvestris. 

von  violettschwarzer  Farbe,  schleimig,  ohne  Aroma Fl.  Malvae  arboreae. 


IV.  Bliithenstände. 

A.  Köpfchen  von  Compositen. 

1)  gelblichgrünlich  bis  bräunlich,  nur  3 Millim. 

lang,  geschlossen,  widerlich  aromatisch Fl.  Ginne. 

2)  Blüthen  des  Randes  (Strahl enblüthen.  Zungen- 
blüthen)  weiss 

Köpfchen  in  ganzen  Trngdöldchen,  Randblüthen  nur  5 Fl.  Millefolii  (s.  Kräuter 

VII.) 

Köpfchen  einzeln,  Bliithenboden  kahl,  hohl Fl.  Chamomillae. 

Köpfchen  einzeln,  Bliithenboden  mit  Spreublättchen 

besetzt,  nicht  hohl Fl.  Chamomillae  roman. 

3)  Sämmtliche  Blüthen  gelbroth,  mit  gelblichem 

_ Haarkelch  (Pappus) Fl.  Arnicae. 

B.  Doldige  Blüthenstände. 


I rugdolde  höchstens  9 blüthig ; Stiel  meif^  mit  einem 


grossen  Deckblatte  verwachsen  Fl.  Tiliae. 

Sehr  reichbliithige  wiederholt  gabeligo  ausgobreiteto 

r Rok  J.r"ic!?.1<!c. Fl.  Sambuci. 

0.  Sehr  reichbluthige  grosse  Rispe Fl.  Kosso. 


XXVI 


Ucbcrsicht  nach  praktischen  Merkmalen. 


Zehnte  Abtheilung: 

ITViielite. 

I.  Tlieile  voll  Früchten  (mit  Ausschluss  der  Samen) 

A.  Fruchtschalen 

aromatische , in  Spiralbändern  C.  Citri. 

aromatische , in  spitz  elliptischen  Stücken C.  Aurantiorum. 

adstringirende , ohne  Aroma C.  Granati. 

B.  Fruchtmus  (Pulpa)  von  schwarzer  Farbe  und  saurem 

Geschmacke Tamarindi. 

II.  Einzelfrüchte 

A.  Früchtchen  von  Umbelliferen , bisweilen  in  ihre  beiden 
Hälften  getrennt 

1)  kugelig  aromatisch Fr.  Coriandri. 

2)  eiförmig  länglich,  höchstens  4 Millim.  lang 

a.  sehr  fein  behaart,  angenehm  süss  aromatisch,  gegen 

4 Millim.  hoch  (lang) Fr.  Anisi. 

b.  kahl,  mit  welligen  Rippen,  bis  3 Millim.  hoch. . . .Fr.  Conii. 

c.  kahl  zweiknöpfig,  2 Mülim.  hoch Fr.  Fetroselini. 

3)  5 bis  8 Millimeter  lang,  Fruchthälften  sehr 
schlank 

a.  Fruchthälften  fast  immer  getrennt,  sichelförmig, 

1 Millim.  dick,  grau  bräunlich,  mit  je  4 grossen 
Oelgängen Fr.  Carvi. 

b.  Fruchthälften  nicht  gekrümmt,  über  1 Millim. 
dick,  weniger  leicht  auseinander  fallend 

* aussen  braunschwärzlich,  Fugenfläche  weiss, 

schwach  gefurcht.  Geschmack  widerlich.  . . .Fr.  Phellandrii. 
"*  gelblichgrünlich  bis  bräunlich,  8 bis  12  Millim. 


lang,  sehr  angenehm  süss  aromatisch Fr.  Foeniculi. 

B.  Einfache  annähernd  kugelförmige  Früchtchen,  nicht 
über  15  Millim.  gross 

1)  gestielt,  5 Millim.  gross,  aromatisch Cubebae. 

2)  ungestielt,  oder  Stiel  leicht  abfallend 

a.  einsamige  Früchtchen 

* aromatische,  heissend  scharfe,  runzelige.-. . . .Piper  nigrum. 
**  aromatische,  bitterliche,  etwas  längliche  Fr. 

bis  15  Millim.  lang Fr.  Lauri. 


***  nicht  aromatische  bittere  Fr.,  1 Centim.  gross  Fr.  Cocculi. 

*"**  nicht  aromatisch,  ölig,  nur  5 Millim.  messend  Fr.  Cannabis. 
b.  m e hrsamige  Früchte 

* weich,  runzelig,  schwärzlich  oder  dunkelblau 

ekelhaft  bitter,  Kelch  unterständig Fr.  Rhamni  catharticae. 

süsslich  ohne  Aroma,  Kelch  oberständig  . . .Fr.  Sambuci. 
süsslich  aromatisch,  zugleich  oft  säuerlich.  .Fr.Juniperi  (s.unt,  III.A.) 
**  trockene  harte  Früchte 

Frucht  oberstäudig,  bis  über  1 Centim.  gross, 

aromatisch  bitter Aurantia  vnmatura. 

F rucht  unterständig,  von  der  Kelchnarbe  ge- 
krönt, 4Millim.  gross,  aromatisch,  anNel- 
ken  und  Pfeffer  erinnernd.  Fruchtgehäuse 
zerbrechlich,  oft  einsamig Fr.  Amomi. 

C.  Einfache  kugelig-eiförmige  Kapselfrucht,  3 bis  6 Centi- 
meter  gross,  von  der  8 bis  20strahligcn  Narbe  gekrönt. 

Fruchtgehäuse  dünn,  mürbe,  zerbrechlich Fr.  Papaveris. 

D.  Kugelige  6 bis  10  Centim.  flösse  geschälte  Fr.,  Mark 

weiss,  schwammig,  äusserst  bitter Fr.  Colocyntliidis. 

E.  Dreikantige  oder  gerundet  - dreikantige  geschnäbelte 
Frucht  mit  strohartigem  geschmacklosem  Gehäuse  und 

zahlreichen  höckerigen  aromatischen  Samen Fr.  Cardamomi. 


r 


Uebersicht  nach  praktischen  Merkmalen. 


XXVII 


F.  Eiförmige  weiche  lederige  oder  fleischige  Früchte,  roth 
oder  rothbraun 

einsamig,  süss,  mit  Steinkern,  3 Centim.  lang Tr.  Jujubae. 

vielsamig,  brennend  scharf,  bis  10  Centim.  lang Fr.  Capsici. 

G.  Früchte  von  2 bis  3 Decim.  Länge 

flache  mürbe  Gliederhülse,  Fleisch  süss,  Samen  gegen 

1 Centimeter  breit Siligua  dulcis. 

stengelig,  weich,  zähe,  zahllose  schwarze  Samen  von 

\ Millimeter  Grösse,  lieblich  riechend Vanilla. 

III.  Sammelfrüchte 

A.  Fleischige 

1)  beerenartige  scheinbare  Einzelfrncht,  schwarzblau, 

am  Grunde  mit  6 kleinen  braunen  Schuppen.  Drei  knö- 
cherne aufrechte  Samen Fr.  Jumpen. 

2)  bimförmige  (im  Handel  gewöhnlich  zu  dicken  platten 
Scheiben  gedrückte)  lederige  Frucht,  sehr  zahlreiche 

kleine  Samen  einschliessend Caricac. 

B.  Trockene  mehrtheilige  Sammelfrüchte 

1)  dreitheilig  (oft  getrennt);  3 vielsamige,  aufrechte, 

aufspringende  papierartige  Schläuche  mit  braunen  oder 
braunschwarzen  Samen  (siehe  bei  Samen  E.5.) Fr.  Sabadillae. 

2) achtstrahlig;  8 einsamige  horizontale  oder  aufstre- 
bende holzige  Schläuche  von  aromatischem  Gerüche  und 

Geschmacke Fr.  Anisi  stellati. 

3)  Früchtchen  äusserst  zahlreich,  sehr  klein 

a.  in  eine  gemeinschaftliche  Spindeleingesenkt,  dicht 

gedrängt;  Fruchtstand  cylindrisch,  heissend  aro- 
matisch   Piper  longum. 

b.  in  den  Winkeln  zahlreicher  sehr  ansehnlicher  papier- 
dünnerDeckblätter  von  grünlich  gelberFarbe;  Frucht- 
stand einen  lockern  schwach  aromatischen  Zapfen 

darstellend Strobili  Lupuli. 


Eilfte  Abtheilung: 

Samen. 

I.  Samenkerne  ohne  Schale 

A.  amylumhaltigo 

aromatische,  von  länglich  runder  Form Semen  Myristicae. 

adstringirend-süssliche,  von  halbeiförmiger  Gestalt  . . .S.  Quercus. 

B.  amylumfreie 

von  ölig-süsslichem  Geschmacke Amygdalae  dulces. 

ölig,  sehr  bitter Amygdalae  amarae. 

II.  Vollständige  Samen 

A.  klein,  annähernd  kugelig,  nicht  in  die  Länge  gezogen 

1)  brennend  aromatisch 

weisslich,  fast  genau  kugelig,  fein  gerippt  (geschält)  .Piper  album. 
braun,  kantig-höckerig,  glänzend S.  Paradisi. 

2)  scharf  ohne  Aroma 

gelb  über  2 Millim.  im  Durchmesser S.  Sinapis  albae. 

31  i • *?Dn’  l m<  gr°S/ ■ Sinapis  nigrae. 

3)  bitter,  braun,  matt,  fein  runzelig,  ohne  Aroma S.  Colchici. 

B.  verkehrt-eiförmig,  flach,  scharfrandig,  ölig-schleimig  . S.  Lini. 

C.  nierenförmig,  netzig  überstrickt 

oder  blauschwarz,  milde  ölig,  kaum 

2 graugelblich , ölig  und  bitter,  1 Millim.  gross  . S.  Hyoscyami. 

3)  schwarz,  ölig  und  bitter,  4 Millim.  erreichend  .S.  Stramonii 


XXVIII 


Uebersicht  nach  praktischen  Merkmalen. 


D.  scheibenförmig,  2%  Centim.  im  Durchmesser,  mit  strah- 

lig  gerichteten  angedrückten  und  glänzenden  Haaren  . . . S.  Strychni. 

E.  unregelmässig  kantig  oder  abgeplattet  länglich 

1)  he  llgelblich  bis  graulich,  widerlich  ölig- 
schleimig, 3mm  lang S.  Foenigraeci. 

2)  braun,  milde  schleimig,  zu  8 bis  14  verklebt,  bis 

1 Centim.  lang S.  Cydoniae. 

3)  braungrau,  gerundet  kantig,  abgerieben,  sehr  hart, 

sehr  gefährlich  bitter,  bis  0,025m  lang S.  Ianatii. 

4)  glänzend  rothbraun,  höckerig,  aromatisch.  . . . S.  Paradisi  (s.  oben  Al) 

5)  bräunlich  bis  braunschwarz,  runzelig,  bis  7mm 
lang,  spitzig,  am  andern  Ende  schräg  abgeflacht,  höchst 
widerlich  bitter  (meist  noch  im  schlauchförmigen 
mehrsamigen  Fruchtgehäuse,  siehe  Früchte  III.  B.). . . . S.  Sabadiltae. 

F.  Samen  in  zerbrechlicher  leicht  und  vollständig  trenn- 
barer Schale  von  länglich  eiförmiger  Gestalt  oder  et- 
was abgeplattet 

1)  ohne  Eiweiss,  Kern  braun,  sehr  leicht  zerbröckelnd, 

angenehm  oder  etwas  bitterlich  schmeckend S.  Cacao. 

2)  mit  blattartigcn  Kotyledonen  in  sehr  ansehnlichem 
Eiweisse  von  öligem  kratzendem  Geschmacke 

a.  ungefähr  10  Millim.  lang,  braun,  matt S.  Tiglii. 

b.  ungefähr  1 5 Mill.  lang , braunschwarz , weiss  mar- 

morirt,  am  Nabel  mit  einer  weissen  Wulst S.  Ricini. 

G.  Samen  in  zerbrechlicher  oder  sehr  harter  löcheriger 
Schale  von  spitz  eiförmiger  Gestalt,  scharfrandig.  Kern 
weiss,  ohne  Eiweiss,  hornartig,  amylumfrei,  milde  ölig 

und  süss Ämygdalae  dulc.  (siehe 

oben  I.B.) 


Zwölfte  Abtheilung: 

Stimenliiillen  (Arillus). 

Glockenförmig,  aber  blattaitig  zerschlitzt,  gelbröthlich,  aro- 
matisch fettig Macis. 


* 


r 


Erste  Classe. 

Pflanzenstoffe  ohne  organische  Strnctnr. 


Gummi  arabicum. 

Gummi  Acaciae  v.  Mimosae.  Arabisches  Gummi.  Kordofan-  Gummi. 

Gomme  arabique.  Arabic  gum. 

1.  Acacia  nilotica  Delile.  — Mimoseae. 

Syn.  A.  arabica  Willdenow. 

Mimosa  arabica  Lamarck. 

2.  Acacia  Seyal  Delile. 

3.  Acacia  tortilis  Hayne. 

4.  Acacia  Ehreubei'giaua  Hayne. 

Diese  uud  uoch  mehrere  andere  Gummibäume  sind  über  Nordafrika  vom 

Senegal  durch  Sudan  bis  Aegypten  und  über  das  Gebiet  des  Rothen  Meeres 
verbreitet. 

Die  erste  Art,  ein  hoher  Baum  mit  unregelmässigem  knorrigem  Ast- 
werke, der  oft  bei  niederem  Wüchse  der  langen  weisslichen  Stacheln  wegen x) 
ein  undurchdringliches  Gestrüppe  bildet,  ist  der  im  ganzen  Nilthale  wohl 
bekannte  Sant,  Sont  oder  Schont.  Sein  dauerhaftes  Holz  dient  zu  vielen 
technischen  Zwecken.  Der  Sant  liebt  sandigen  Boden  und  bildet  jetzt  in 
Aegypten  nur  noch  hier  und  da  kleine  Wäldchen,  tritt  aber  kolossal  auf  in 
den  vegetationsreicheren  Ländern  Kordofan  und  Sennaar  und  ganze  Wälder 
bildend  in  Abyssinien. 

Die  drei  anderen  Arten  sind  durch  weite  ästige  Kronen  ausgezeichnet, 
welche  besonders  bei  der  hochstämmigen  A.  tortilis  einen  Schirm  darstellt 
Dieser  Baum,  und  nicht  die  zweitgenanute  Art  (Talch  arabisch)  wird  eigent- 
leh  in  Aegypten  unter  der  Bezeichnung  Sejaleh,  Sijaleh  öder  Seyäl  ver- 
standen Sie  scheint  am  Rothen  Meere  auf  der  diesseitigen  Küste  nicht  über 
Suakim  hinauszugehen,  aber  wieder  mit  A.  Seyal  in  Arabien  (bei  Loheia  und 

und  Acacitu  °Ut ' kopt,9ch  = Dorn-  Griechisch  ikautha,  damit  zusammenhängend : Traganth 
Flückiger,  Pharmakognosie. 


2 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


anderswo)  aufzutreten.  In  den  Felsenthälem  des  mittleren  Nilgebietes  ist  A. 
tortilis  der  höchste  Waldbaum,  scheint  aber  nicht  westwärts  über  die  Ba- 
hiuda-Steppe  hinaus  verbreitet  zu  sein. 

A.  Ehrenbergiana , Seghah  am  obern  Nil,  bleibt  immer  strauchig  3 bis 
4m  hoch. 

A.  Seyal  findet  sich  am  Senegal  so  gut  wie  am  Nil. 

A.  guvimiferci  Willdenow,  der  Talhah-Baum,  ist  bei  Khartum,  aber 
auch  in  Marocco  häufig  und  liefert  kein  werthvolles  Gummi.  Doch  wird 
es  in  nicht  unerheblicher  Menge  in  Mogador  als  berberisches  oder  marok- 
kanisches Gummi  verschifft. 

Die  Acacieu  sind  durch  doppelt  gefiederte  Blätter1)  mit  paarigen  Fie- 
dern ausgezeichnet.  Die  letztem  tragen,  wenigstens  bei  den  hier  in  Betracht 
gezogenen  Arten,  8 bis  13  Paar  kleiner  länglich  linealer  Fiederblättchen. 
Die  starren,  weissen,  über  0,04 m langen  Dornen  überragen  oft  das  Blatt, 
eben  so  die  einzeln  oder  zu  mehrern  auf  schlanken  Stielchen  aus  den  Win- 
keln hervortretenden  und  zu  zierlichen  gelben  kugeligen  Köpfchen  zusam- 
mengedrängten Blüthen. 

Ueber  die  Entstehung  des  Gummis  in  den  Mimoseen  liegen  Beobach- 
tungen wie  die  Mohl’schen  über  Traganth  noch  nicht  vor.  In  der  Rinde 
jüngerer  Zweige  aus  Herbarien  traf  Berg2)  die  Markstrahlen  unverändert, 
aber  freilich  auch  im  übrigen  Rindenpareuchym  keine  Gummibilduug.  Es 
lässt  sich  daher  mit  vollem  Recht  vermuthen,  dass  das  Auftreten  des  Gummis 
auch  hier  auf  dem  bei  Gummi  Senegal  erörterten  Vorgänge  beruhe. 

Es  scheint,  dass  das  Gummi  in  der  Regel  freiwillig  reichlich  genug 
austritt,  um  Einschnitte  in  die  Stämme  überflüssig  zu  machen.  Man  schlägt, 
wenigstens  in  Kordofan  nach  Hartmann’s3)  Berichten,  die  Klumpen  mit 
der  sudanischen  Holzaxt  los  und  sammelt  sie  in  Körbe.  Das  am  höchsten 
geschätzte  kordofanisclie  Produkt  der  Provinz  Dejara  geht  nördlich  aus 
Bara  und  Obed  (el  Obeid)  nach  Dabbeh  am  Nil  und  von  da  zu  Wasser 
stromabwärts.  Geringer  ist  das  Gummi  aus  Senuaar  am  Blauen  Nil,  von 
der  wüsten  Hochebene  Takka  am  Atbara  und  Mareb  und  der  Hochsteppe 
der  Bischarin  (Besari)  zwischen  dem  Unterlaufe  des  Blauen  Flusses  und 
dem  Rothen  Meere.  Es  schlägt  den  Strom  weg  über  Khartum  ein  oder  wird 
in  Suakin  (Savakim)  am  Rothen  Meere  verschifft,  daher  das  schlechteste 
Gummi  in  Aegypten  als  Samagh  (Gummi)  Savakumi  bekannt  ist.  Besseres 
liefert  das  südlichste  Gebiet  des  Rothen  Meeres  von  Massua  oder  Arkiko 
an,  die  ganze  Samkara-Kiiste  bis  gegen  Berbera,  die  voller  Gummisträucher 
ist  (Münz in ger).  Dieses  und  das  abyssinische  Produkt  gelangt  über  Mas- 
sua und  Dscliiddah  (im  arabischen  Küstenstriche Hidsclnaz)  nach  Aegypten, 
wo  es  daher  als  Samagh  Hidschazi  bezeichnet  wird.  Aber  auch  Zeila  und 

0 Bei  manchen  Arten,  namentlich  in  Australien,  verkümmert  das  Blatt  7,n  einem  soge- 
nannten Phyllodium. 

2)  Bei  seiner  Abbildung  von  Acacia  Seyal. 

3)  Reise  des  Frhrn.  von  Barnim  1859 — 18G0.  Berliu  18G3.  S.29.  und  Anhang  S.30. 


Gummi  arabicum. 


3 


Berbera  ausserhalb  der  Meerenge  am  Busen  von  Aden  liefern  noch  Gummi 
nach  Dschidda,  das  als  berberisches  oder  Gummi  von  Dschidda  (Gedda) 
bekannt  ist.  Wohl  der  grössere  Theil  des  Produktes  aus  dem  äussersten 
Nordosten  Afrikas  schlägt  aber  wie  Myrrhe  und  Weihrauch  den  Seeweg 
über  Ostindien  ein,  um  Europa  zu  erreichen. 

Arabien  selbst  erzeugt  keine  namhafte  Menge  Gummi. 

Alexandrien  ist  hiernach  der  Hauptplatz  für  ostafrikanisches  Gummi; 
auf  dem  Nil  allein  gingen  z.  B.  1860  durch  Assuan  60,000  Kantar  zu 
44,4  Kilogr. 1). 

Es  ist  wohl  begreiflich,  dass  das  Gummi  je  nach  Herkunft  in  Form 
und  Farbe  wechseln  muss,  doch  sind  diese  Unterschiede  noch  nicht  auf 
die  einzelnen  Stammpflanzen  zurückgeführt.  Im  allgemeinen  bietet  es  im 
Gegensätze  zu  Traganth  wenig  eigenthümliche  Formen. 

Das  allein  zum  officinellen  Gebrauche  zulässige  Gummi  aus  Kordofan 
bildet  weit  überwiegend  länglich  runde  oder  kugelige  bis  nussgrosse,  seltener 
wurmförmige  Stücke , von  etwas  abgerieben  rundlicher  oder  mehr  kantiger 
Oberfläche.  Sie  sind  von  zahlreichen  Rissen  durchsetzt,  brechen  leicht  und 
vollkommen  glasartig;  das  Iuuere  ist  oft  weniger  rissig,  doch  finden  sich 
grössere  Stückchen  selten  frei  von  Risschen.  Bei  100°  erweitern  und  ver- 
längern sich  dieselben,  so  dass  das  Gummi  äusserst  bröckelig  w'ird.  In 
leinster  borm  vollkommen  klar  und  farblos,  bietet  das  Kordofan-Gummi  in 
geringerer  Sortirung  braunröthliche  oder  gelbliche  Färbung.  Weit  mehr 
dunkel  rothbraune  Körner  mischen  sich  dem  staubigen  Suakin-Guinmi  bei. 
— An  sich  farblose  rissige  Stücke  zeigen  sich  durch  Interferenz  der  Licht- 
strahlen irisirend. 

Die  von  Roussin2)  beobachteten  Farbenerscheinungen  des  Gummis  im 
polansirten  Lichte  sind  durchaus  nichts  diesem  Stoffe  eigentümliches, 
sondern  rühren  einfach  von  starken,  infolge  des  Eintrocknens  im  Innern  der 
Masse  eintretenden  Spannungen  her.  Lässt  man  filtrirte  Gummilösung  auf 
dem  Objektglase  freiwillig  eintrocknen,  so  beobachtet  man  unter  dem  Pola- 
risationsmikroskop dieselben  Doppelbrechungen.  Sie  sind  daher  nur  auf 
die  schon  vonBrewster  z.  B.  an  Gallerte  und  Hausenblase  wahrgenom- 
menen Verhältnisse  zurückzuführen 3). 

Das  specifische  Gewicht  des  Gummis,  zwischen  1,35  und  1,60  schwan- 
kend, ist  der  eingeschlossenen  Luftblasen  wegen  nicht  leicht  mit  Genauig- 
keit zu  bestimmen. 

Das  Gummi  lost  sich  bei  gewöhnlicher  Temperatur,  ohne  Aenderung  der- 
selben und  sehr  langsam  im  gleichen  Gewichte  Wasser  zu  einer  opalisiren- 
den  dicken  kleberigen,  immer  entschieden  sauer  reagirenden  Flüssigkeit  von 


0 v.  Krem  er  in  dem  bei  Herba  Cannabis  angeführten  Werke 
) Jou™-  de  Pharm.  37.  S.  401  (1860). 

3)  vergl.  Valentin,  Pflanzen-  und  Thiergewebe  im  pol.  Lichte.  Lpzg.  1861.  S.  172. 

1* 


4 


I.  Pflanzenstoft'e  ohne  organische  Structur. 


In  der  Wärme  erfolgt  die  Lösung  nur  wenig  rascher  und  das  Wasser 
nimmt  selbst  bei  100°  nicht  viel  mehr  Gummi  auf.  Bei  100°C.  getrockne- 
tes Gummi  von  möglichster  Reinheit  gibt  mit  2 Th.  Wasser  einen  Schleim 
von  1,149  spec.  Gew.  bei  15°  C.,  verglichen  mit  Wasser  von  derselben  Tem- 
peratur. 

Die  Gummilösung  mischt  sich  mit  Glycerin  und  lässt  sich  ohne  Aus- 
scheidung des  Gummis  bis  zur  Gallertconsistenz  eindampfen.  Auf  festes 
Gummi  dagegen  wirkt  concentrirtes  Glycerin  nur  wenig. 

In  andern  Flüssigkeiten  ist  das  Gummi  nicht  oder  nur  wenig  löslich,  so- 
bald nicht  das  Wasser  bedeutend  vorwaltet.  So  vermögen  100  Theile  ver- 
dünnten Weingeistes,  der  22  Volum-Procente  Alcohol  enthält,  57  Theile 
Gummi  zu  lösen,  bei  40  pC.  Alcoholgehalt  aber  nur  noch  10  Theile,  bei 
50  pC.  4 Theile.  Ein  wässeriger  Weingeist  von  60  Vol.-Proc.  nimmt  schon 
kein  Gummi  mehr  auf,  sondern  entzieht  demselben  je  nach  der  Sorte  nur 
noch  eine  kleine  Menge  (ungefähr  Vs  bis  VspC.)  Harz , Farbstoff,  Trauben- 
zucker, Chlorcalcium  und  andere  Salze. 

Die  wässerige  Lösung  des  Gummis  dreht  die  Polarisationsebene  des 
Lichtes  um  ungefähr  4°  nach  links,  wird  aber  bei  sehr  langem  Stehen  unter 
Zuckerbildung  stark  sauer  und  rotivt  dann  nach  Fermond,  nicht  nach 
Mau  mene,  im  entgegengesetzten  Sinne.  Alkalisches  Kupfertartrat  wird 
auch  beim  Kochen  durch  Gummilösung  nicht  reducirt,  wenn  das  Gummi 
nicht  etwa  eine  erheblichere  Menge  (durch  Weingeist  ausziehbaren)  Zucker 
enthielt. 

Wässerige  neutrale  Bleizuckerlösuug  fällt  den  Gummischleim  nicht,  wohl 
aber  wird  durch  Bleiessig  noch  in  höchst  verdünnter  Gummilösung  eine 
Verbindung  von  bestimmter  Zusammensetzung  niedergeschlagen. 

Lösliche  Silicate , Borate  und  Eisenoxydsalze,  beim  Kochen  auch  ange- 
säuerte Albuminlösung  trüben  die  Gummilösung  oder  verdicken  sie  zur  Gal- 
lerte. Keine  Veränderung  bewirken  Silbersalze,  Quecksilberchlorid,  Jodlö- 
sung. Oxalsaures  Ammoniak  fällt  daraus  den  Kalkgehalt.  Wässeriges 
Kupferoxydammoniak  löst  das  Gummi  auf. 

Das  Gummi  zieht  nicht  begierig  Feuchtigkeit  an,  in  einer  mit  Wasser- 
dampfgesättigten Atmosphäre  nehmen  dünne  Splitter  in  8 Tagen  um  6,8  pC. 
zu.  Bei  100°  C.  verlieren  kleine  lufttrockene  Stückchen  12  bis  16  pC,  Gibt 
man  dem  Gummi,  von  seinem  Kalkgehalte  abgesehen,  die  Formel 

£12  H22  011  + 3H2  O, 

so  würde  der  Austritt  der  3 Molecüle  Wasser  einer  Gewichtsabnahme  von 
13,6  pC.  entsprechen;  ich  finde  bei  sorgfältigst  ausgesuchten  farblosen 
Stücken  13,14pC.  Schon  bei  längerem  vollständigem  Austrocknen  in  einer 
Temperatur,  welche  100°  C.  durchaus  nicht  übersteigt,  uimmt  das  Gummi 
einen  leichten  Röstgeschmack  an.  In  höherer  Temperatur,  bis  etwa  150  C., 
wo  noch  1 Molecül  H2  -0  weggeht,  Misst  es  seine  Löslichkeit  ein. 

Wird  arabisches  Gummi  in  kaltem  Wasser  gelöst  und  mit  etwas  Salz- 
säure augesäuert,  so  entsteht  durch  Alkohol  eine  Pallung  von  Arabin  odei 


Gummi  arabicum. 


Arabin  säure.  Diese  Substanz  löst  sich  nach  völliger  Beseitigung  der 
Salzsäure  in  Wasser  zu  einer  durch  Alkohol  nicht  mehr  fällbaren  Flüssig- 
keit, welche  alle  Eigenschaften  einer  Säure  besitzt.  Einmal  getrocknet,  quillt 
sie  in  reinem  Wasser  nur  noch  auf,  löst  sich  aber  durchaus  und  selbst  beim 
Kochen  nicht  wieder,  bis  wässerige  Alkalien  zugesetzt  werden,  welche  nun 
einen  dem  gewöhnlichen  Gummischleime  gleiche  Auflösung  bilden. 

Neubauer,  der  (1854 — 1857)  diese Thatsachen  ermittelt  hat,  zeigte, 
dass  das  arabische  Gummi  wesentlich  nichts  anderes  ist,  als  ein  saures 
Kalksalz  der  Arabinsäure. 

Die  letztere  entspricht  bei  100° C.  der  Formel  G12H22G1!  und  verliert 
bei  der  Vereinigung  mit  Basen  H2  G.  Jedoch  verbinden  sich  vorzugsweise 
mehrere  Aequivalente  Arabinsäure  mit  1 Aeq.  Basis.  Ein  derartiges  Kalksalz 
etwa  von  der  Zusammensetzung: 

G12  H20  Ca2  Ön-F  6(G12  H22  Gu) 

würde  1 ,63  pC.  Calcium  enthalten,  entsprechend  3,4  pC.  Kalkcarbonat.  Neu- 
bauer, so  wie  Heckmeijer  haben  ähnliche  Salze  dargestellt. 

Nun  liefern  in  der  That  die  ausgesuchtesten  farblosen  Stücke  arabischen 
Gummis  immer  ungefähr  2,7  bis  gegen  4pC.  einer  grossentheils  aus  Kalk- 
carbonat bestehenden  Asche,  worin  indessen  auch  Kali  und  Magnesia  uicht 
fehlen.  Dagegen  scheint  Phosphorsäure  niemals  vorzukommen;  Gummilö- 
sung wird  desshalb  auch  durch  Ammoniakzusatz  nicht  getrübt. 

Es  unterliegt  daher  keinem  Zweifel,  dass  das  natürliche  Gummi  wirk- 
lich ein  Arabinsäure-Salz  mit  weit  vorwiegender  Säure  ist,  oder  vermuthlich 
ein  Gemenge  solcher  Salze  des  Calciums,  Kaliums  und  Magnesiums.  Nur  der 
Gegenwart  der  Basen  verdankt  das  Gummi  seine  Löslichkeit;  dieselben 
stammen  wohl  ohne  Zweifel  von  der  Zellwand  her,  aus  welcher  der  Gummi 
hervorgegangen  sein  mag.  Die  Cellulose  selbst  vermag  vielleicht  schon  als 
schwache  Säure  zu  fungiren. 

Unerklärt  bleibt  hierbei,  warum  nichtlösliche,  sondern  nur  aufquellende 
Gummiarten  und  Pflanzenschleime , die  doch  auch  nicht  frei  von  minera- 
lischen Stoffen  sind,  ein  so  abweichendes  Verhalten  zum  Wasser  darbieten. 

Als  Typus  derartiger  Gummisorten  wird  das  sogenannte  Bassora- 
Gummi  Guibourt’s  betrachtet,  dessen  Abstammung  ganz  ungewiss  ist. 
Nach  M a r ti  ny  ist  dieses  Basra-Gummi  (auch  Gummi  von  Tor,  oder  Pseudo- 
Traganth  geheissen)  einer  geringeren  bräunlichen  Tragantlisorte  zu  ver- 
gleichen und  ebenfalls  stärkmehlhaltig.  Doch  zeichnet  sich  das  Bassora-Gummi 
durch  Klarheit,  zitzenförmige  Gestalt  und  schwach  aromatischen  Geschmack 
aus.  Wigand  zeigte,  dass  es  eben  so  gut  wie  Traganth  aus  geschichteten 
A ei  dickungsschichten  von  Zellwänden  besteht,  welche  Amylum  einscldiessen. 

Es  scheint  verschieden  zu  sein  von  dem  oftmals  damit  zusammengewor- 
fenen Kutira-Gummi1)  dem  sogenannten  sauren  Traganth  aus  Ostindien. 
Ei  zeifällt  in  Wasser  zu  stark  aufquellenden  Flocken,  welche  sich  auch  beim 


’)  Ketira  ist  der  persische  Name  des  Traganths. 


6 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


Kochen  nicht  lösen  und  kein  Amylum  enthalten.  Die  stark  saure  Reaktion, 
welche  dieses  Gummi  zeigt,  erinnert  an  Arabin. 

Sogenanntes  geflossenes  ostindisches  Gummi,  welches  sich  in  neuester 
Zeit  im  Handel  findet,  besteht  aus  nussgrossen  glänzenden  klaren  Stücken, 
welche  entweder  farblos  oder  bräunlich  ausselien  und  zu  grösseren  Klumpen 
verklebt  sind.  In  Wasser  zergehen  sie  zu  einer  wenig  klebenden,  nicht  sauren 
Gallerte,  worin  das  Mikroskop  nur  sehr  vereinzelte  Stärkekörner  ohne  Zell- 
fragmente zeigt. 

In  unserem  Handel  nehmen  alle  diese  letztgenannten  Gummisorten, 
denen  sich  noch  sehr  viele  andere  von  zum  Theil  ebenso  ungewisser  Herkunft 
anreihen  Hessen,  keine  Stelle  ein.  Ludwig1)  hat  nicht  weniger  als  15  Ar- 
ten genauer  charakterisirt. 

Das  Gummi,  auch  die  adstringirenden  Früchte  und  Rinden  der  Acacien 
waren  schon  im  Alterthum  gebräuchlich.  Auch  die  wohlriechenden  Blüthen 
der  A.  nilotica  dienten  zu  Salben.  Yon  jeher  war  Aegypten  das  Hauptland, 
wenn  nicht  gerade  für  die  Produktion,  doch  für  den  Bezug  des  Gummis, 
darauf  deuten  die  antiken  Bezeichnungen  des  Gummis  als  G.  acanthinum 
(nach  der  Stadt  Akanthos,  welche  von  Acacienhainen  umgeben  war),  G. 
alexandrinum,  G.  thebaicum. 

Erst  Serapion,  vermuthlich  im  XIH.  Jahrhundert,  sprach  von  ara- 
bischem Gummi,  das  aber  wohl  auch  damals  nicht  oder  nur  zum  kleinsten 
Theile  aus  Arabien  stammte. 

Gummi  senegalense. 

Gummi  Senegal.  Senegal-Gummi.  Gomme  du  Senegal. 

1.  Acacia  Verek  Guillemin  und  Perrottet.  — Mmoseae. 

2.  Acacia  Adansonii  Guill.  und  Perr. 

Diese  westafrikanischen  Acacien  gleichen  den  bei  Gummi  arabicum  er- 
wähnten Arten ; namentlich  die  erstere  bildet  in  der  frauzösichen  Colonie 
und  den  anstossenden  Gegenden  am  Senegal  ganze  Wälder.  Ausser  den 
beiden  obigen  Bäumen  wird  aber  uoch  eine  ganze  Reihe  anderer  genannt, 
welche  eine  Menge  verschiedener  Gummisorteu  liefern,  wovon  seit  einigen 
Jahrzehnten  im  Ganzen  jährlich  etwa  2 bis  über  3 Millionen  Kilogr.  ausge- 
führt werden.  Das  Produkt  Senegambiens  dürfte  somit  der  Quantität  nach 
dem  ostafrikanischen  nahe  kommen. 

Was  die  Entstehung  des  Senegal -Gummis  betrifft,  so  verdanken  wir 
Wigand2)  den  Nachweis,  dass  sie  mit  derjenigen  des  Kirschgummis  über- 
einstimmend auf  einer  Verflüssigung  der  peripherischen  Schichten  des  Horu- 
bastproseuchyms  beruht.  Der  allmälige  Uebergaug  des  Gewebes  in  Gummi 


1)  Archiv  der  Pharm.  LXXXII.  (1855)  S.  88  u.  153. 

2)  In  der  bei  Tragacantha  angeführten  Arbeit. 


Gummi  Senegal  ense.  — Tragacantha. 


7 


lässt  sich  an  Rindenstücken  verfolgen,  welche  man  in  der  Haudelswaaare 
trifft,  ist  aber  so  vollständig,  dass  das  einmal  ausgestossene  Gummi  selbst 
weder  Amylum  noch  Ge websfragmente  einhüllt. 

Das  meiste  Senegal-Gummi  scheint  von  A.  Verek  zu  stammen  und  bil- 
det runzelige  eiförmige,  kugelige  oder  auch  wurmförmige,  bis  etwa  0,06 m 
grosse,  im  Innern  oft  hohle  Stücke.  Yom  arabischen  Gummi  sind  sie  ver- 
schieden durch  geringere  Zerklüftung  und  glanzloses  Aussehen.  Der  Mangel 
an  Risschen  bedingt  auch,  dass  diese  Sorte  seltener  irisiit.  Obwohl  das  Se 
negal-Gummi  der  besten  Sorte  sich  etwas  langsamer  als  das  arabische  löst, 
so  verhält  es  sich  doch  chemisch  vollkommen  dem  letzteien  gleich  und  löst 
sich  vollständig  im  Wasser  auf. 

Das  Gummi  der  A.  Adansonii,  Gonake  genannt,  schildert  Soubeiran 
als  roth  und  bitter  schmeckend,  dasjenige  von  A.  Senegal  Willdenow  (A. 
albida  Delile)  als  kleinen  Grus  oder  thränenförmige  Stückchen  von  grüner, 
gelber  oder  rother  Farbe  und  ebenfalls  bitterem  Geschmacke. 

Aus  Galam,  am  Zusammenflüsse  des  Faleme  mit  dem  Senegal,  und  aus 
Bondu,  etwas  südlich  von  ersterem  Landstriche,  gehen  noch  andere  Sorten 
stromabwärts.  Diese  Sorten  vom  oberen  Gebiete  des  Senegal  werden  als 
Gomme  du  haut  du  fleuve  unterschieden  von  denjenigen  des  unteren  Fluss- 
gebietes, welche  ihres  besseren  Aussehens  wegen  als  Gomme  du  bas  du 
fleuve  vorgezogen  werden.  Was  ich  als  Galam  besitze,  besteht  aus  schönen 
wurmförmigen  leicht  löslichen  und  geschmacklosen  Stücken. 

Das  Senegal-Gummi  ist  erst  seit  Anfang  des  XVII.  Jahrhunderts  im  euro- 
päischen Handel  bekannt.  Eine  eigene  Compagnie  de  la  gomme,  welche  1 7 84 
das  Privilegium  des  Gummihandels  erhalten  hatte,  ging  in  der  französischen 
Revolution  alsbald  unter.  Eine  spätere  Compagnie  du  Galam  scheint  auch 
das  Schicksal  aller  derartiger  französischer  Unternehmungen  getheilt  zu 
haben.  Neuerdings  (1865)  wird  das  Senegal-Gummi  wieder  von  Bordeaux 
aus  faktisch  monopolisirt. 


Tragacantha. 

Gummi  Tragacantha,  Traganth.  Gomme  adraganthe.  Tragacanth. 

1.  Asträgalus  creticus  Lamarek.  — Papilionaceae. 

2.  A.  veiuis  Olivier. 

3.  A.  Parnassi  Var.  Cyllenea  Boissier  und  Heldreich. 

Die  erstere  Art  ist  einheimisch  auf  den  Gebirgen  Griechenlands  und 
Kreta’s  bis  5000  F.  Meereshöhe,  die  zweite  in  Kleinasien,  Armenien,  Nord- 
persien1). Die  zuletzt  genannte  Art  bewohnt  in  grosser  Menge  alle  Berge 
des  nördlichen  Peloponnes,  wo  Traganth  meist  auf  den  Bergen  Phteri  und 
Boidias  (Panachaikon  im  Alterthum)  bei  Vostizza  und  Patras  gesammelt 

1)  Traganth  (Ketira)  in  Persien  nur  zwischen  Ispahan  und  Kaschnn.  Polak,  in  dem  hei 
Manna  angeführten  Werke  II.  S.  287. 


8 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Struetur. 


wird.  Astragalus  gummifer  Labillardiere  liefert  wahrscheinlich  keinen 
verkäuflichen  Traganth,  wohl  aber  vermuthlich  noch  andere  der  vielleicht 
10  bis  13  Arten,  welche  ausserdem  in  Kleinasien  Vorkommen. 

Die  Tragauthpflanzen  sind  kleine  bis  etwa  l"1  hohe  und  sehr  ästige 
Sträucher  mit  holzigen  zusammengeschobeuen  Stämmchen  und  Aesten.  Die 
Spindeln  der  uupaarigen  Fiederblättchen  überdauern  dieselben  und  wachsen 
zu  derben  bis  0,03  m langen  holzigen  und  sehr  spitzen  Stacheln  aus,  welche 
die  Aeste  dicht  besetzen  und  erst  sehr  allmälig  absterben. 

Der  schönste  Traganth  wird  über  Smyrna  ausgeführt  und  stammt  aus 
dem  Innern  Kleinasiens , vorzüglich  aus  der  Gegend  von  Kaisarieh , der 
Hauptstadt  des  alten  Kappadociens,  aus  Angura  im  westlichen  Galatia,  dann 
aus  den  Landschaften  bei  Jalobatsch,  Buldur  und  Isbarta,  im  Norden  des 
Busens  von  Adalia,  dem  jetzigen  Bezirke  Hamid  (früher  z.  Th.  Pisidien). 

Nach  den  Berichten  von  Maltass  (1855)  erhält  man  den  am  höchsten 
geschätzten  Blättertraganth  besonders  bei  Jalobatsch  und  Kaisarieh  durch 
Einschnitte,  welche  im  Juli  und  August  der  Länge  nach  in  die  unteren  Stamm- 
theile  gemacht  werden,  nachdem  ihr  Grund  von  Erde  befreit  ist.  Schon  nach 
3 bis  4 Tagen  kann  der  schichtenweise  herausquellende  und  rasch  erhär- 
tende Schleim  gesammelt  werden.  Er  fällt  bei  trockener  windstiller  Witte- 
rung am  schönsten  aus. 


Eine  geringere  Sorte  liefern  einfache  Stiche , welche  vielleicht  eben  nur 
da  angebracht  werden,  wo  Längschnitte  nicht  leicht  zu  ziehen  sind.  Frei- 
willig ausgetretener  Traganth  bildet  wie  es  scheint  die  unansehnlichste  Waare. 
Ueberhaupt  sieht  dieselbe  äuserst  verschieden  aus  und  wird  an  den  See- 
plätzen erst  sortirt. 

Kützing  (1851),  H.  von  Mo  hl  (1857),  am  überzeugendsten  und  aus- 
führlichsten aber  W igand1)  (1862)  haben  gezeigt,  dass  der  Traganth  ähn- 
lich wie  die  verwandten  Gummi-  und  Schleimarten  überhaupt  durch  eine  Um- 
bildung der  Zellmembran  entsteht.  Schon  Kützing  machte  auf  unverkenn- 
bare Reste  der  Zellen  und  auf  die  ursprünglich  darin  abgelagerten  Stärke- 
körnchen aufmerksam,  welche  im  Traganth  noch  erhalten  sind. 

Nach  Mohl  wird  von  dieser  Umwandlung  in  Schleim  das  Parenchym 
des  Markes  in  seinen  centralen  Theileu  betroffen,  so  wie  die  mittleren  Schich- 
ten der  Markstrahlen.  Die  ursprüngliche  Zellwand  wird  mit  vielen  sehr 
dünnen  Schichten  ausgekleidet,  welche  allmälig  mehr  und  mehr  mit  einan- 
der verschmelzen  und  zuletzt  als  structurlose  Masse  die  Ueberbleibsel  der 
früheren  Zelleu  und  ihres  Inhaltes  einhüllen  und  nun  im  W asser  ausseror- 
dentlich aufzuquellen  vermögen. 

Durch  Behandlung  dünner  Schnitte  des  Stammes  mit  Jodzink  lässt  sich 
der  Fortschritt  der  Veränderung  leicht  verfolgen,  da  die  Zellmembran,  nicht 
aber  der  Traganth,  dadurch  violett  gefärbt  wird. 

1)  In  der  ausgezeichneten  Arbeit  über  Deorganisation  der  Pflanzenzelle,  in  Pringsheim 


Jahrbuch  für  wissenschaftl. 


Botanik  III. 


Tragacantha. 


9 


Nicht  alle  Markstrahlen  einer  bestimmten  Strecke  des  Stammes  erliegen 
gleichzeitig  der  Umwandlung,  so  dass  wohl  das  Durchbrechen  des  Traganths 
am  gleichen  Stammstücke  mehrere  Jahre  hindurch  auhalten  kann.  Das 
Mark  dagegen  wird  wohl  ein  für  allemal  an  einer  Stelle  die  Metamorphose 
durchmachen  und  dann  für  immer  geschwunden  sein. 

Mohl  hat  die  Traganthbilduug  bei  30  Astragalus-Arten  aus  der  Abthei- 
lung  Tragacanthae  verfolgt,  auch  bei  einigen  aus  der  Abtheilung  Incani;  bei 
vier  Arten  der  ersteren  war  keine  Spur  der  Tragauth-Metamorphose  aufzu- 
finden. 

Bei  seinem  Besuche  Kretas  (zwischen  1700  und  1702)  hatte  bereits 
Tour  ne  fort  die  ersten  genaueren  Beobachtungen  über  das  Austreten  des 
Traganths  auf  dem  Ida  angestellt  und  wenigstens  den  Sitz  der  Bildung  rich- 
tig angegeben.  Auch  Pierre  Be  Ion  hatte  um  1550  schon  im  Norden 
Kleinasiens  (Bithynien)  die  Einsammlung  der  Droge  mit  angesehen  und  be- 
schrieben. Durch  Wigand  sind  Mohl’s  Ansichten  sehr  erweitert  und  in 
allgemeiner  Fassung  auch  auf  die  eigentlichen  Gummiarten,  die  Harze  und 
Gummiharze  übertragen  worden.  Eben  so  gut,  ja  zum  Theil  noch  weit  besser 
als  bei  Traganth  lassen  sich  bei  allen  diesen  Ausscheidungen  Einschlüsse  auf- 
finden, welche  den  Uebergang  der  Zellmembranen  in  die  genannten  Produkte 
darbieten.  Nirgends  aber  ist  auch  nur  die  Wahrscheinlichkeit  nachgewiesen, 
dass  Gummi  oder  Harz  durch  die  Zellwände  hindurch  gehen  kann , im  Ge- 
gentheil  hat  Hofmeister  direkt  die  Undurchdringlichkeit  derselben  z.  B. 
für  Gummilösung  bewiesen. 

Alle  diese  Produkte  siud  daher  mit  Wigand  im  wahren  Sinne  des  Wor- 
tes nicht  einer  exosmotischeu  Absonderung  (Secretion)  des  Gewebes  zuzu- 
schreiben, sondern  der  Umbildung  der  Cellulose  selbst.  Die  frühere  Vorstel- 
lung besonderer  Gummi-  oder  Harzgänge,  in  welche  sich  solche  „Secrete“ 
ergössen,  ist  daher  beseitigt.  In  den  Traganthsträuchern  ist  eine  ganze  Ge- 
websform  mit  einem  Theile  ihres  Inhaltes  der  Rückbildung  in  Schleim  fähig, 
während  z.  B.  bei  Radix  AJthaeae  und  bei  Salep,  auch  bei  Cortex  Ciunamomi 
nur  gewisse  einzelne,  oft  etwas  grössere,  aber  im  übrigen  gar  nicht  ausge- 
zeichneten Zellen  in  der  Weise  dieser  Metamorphose  anheim  fallen,  dass  nur 
die  Yerdickungschichten  sich  verflüssigen , die  Zellwände  aber  vorerst  we- 
nigstens unangetastet  bleiben.  Scheinbare  Schleimgänge  oder  Gummigänge 
entstehen  da,  wo  diese  Metamorphose  sich  auf  grössere  Zellenpartieen  und 
die  Zellenwände  selbst  erstreckt,  ohue  jedoch  geradezu  ganze  Gewebsele- 
meute,  wie  im  falle  des  Traganths,  zu  umfassen.  Beispiele  hierfür  bieten 
Gortex  hhamni  Fraugulae,  einigermassen  auch  Semen  Foenigraeci,  die 
Kirschbäume. 

Bei  vielen  Samen  hingegen  ist  es  wieder  eine  bestimmte  Gewebsform, 
die  Oberhaut  nämlich,  deren  sämmtliche  Zellen  den  Schleim  liefern.  Die 
Verdickungsschichten  nehmen  Wasser  auf,  schwellen  an  und  sprengen  die 
piimäie  Wand,  sofern  dieselbe  nicht  ebenfalls  löslich  oder  doch  quellbar  ge- 
worden ist.  So  bei  Semen  Oydoniae,  Lini,  Psyllii,  Sinapis  albae  u.  s.  f. 


10 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


In  noch  andern  Fällen  hingegen  scheint  die  ganze  Zellwand  von  vornher- 
ein in  ihren  Eigenschaften  sich  mehr  dem  Schleime  (Bassoriu)  als  der  eigent- 
lichen Cellulose  zu  nähern.  So  bei  Carrageen , bei  der  Mittelschicht  des 
Lichen  islandicus,  im  Parenchym  der  Wurzel  von  Symphytum  officinale. 

Ueber  den  Austritt  des  Traganths  fehlen  neuere  sorgfältige  Untersu- 
chungen. Nach  älteren  Berichten  soll  die  Hitze  denselben  begünstigen,  wo- 
gegen Labillardiere  (1768 — 1787)  auf  dem  Libanon  wolkige  Nächte 
und  starken  Thau  nothwendig  fand. 

Ohne  Zweifel  ist  die  Beschaffenheit  der  Atmosphäre  von  grossem  Ein- 
flüsse auf  die  Ausstossung  des  Traganths.  Nach  der  Auflockerung  der  Mark- 
strablen  muss  beim  Eintritte  grosser  Hitze  durch  Wasserentziehuug  ein  Ein- 
schrumpfeu,  vielleicht  auch  eine  Drehung  der  Holzstränge  stattfinden,  wo- 
durch eine  Zerfaserung  der  Stämme  entsteht,  wie  wir  sie  au  Herbarien-Exem- 
plaren  von  Traganthpflanzeu  wahrnehmen.  Hierauf  folgender  Regen  dringt, 
namentlich  wenn  etwa  die  Rinde  auch  zerrissen,  angestochen  oder  ange- 
schnitten ist,  leicht  ein,  sättigt  die  in  der  Schleimbildung  begriffenen  Ge- 
webe, schwellt  sie  an  und  treibt  sie  durch  den  eigenen  gegenseitigen  Druck 
aus  den  den  Markstrahlen  entsprechenden  Spalten  heraus. 

Hierdurch  erklären  sich  auch  die  eigenthümlichen  Formen  des  Traganths. 
Die  ausgezeichnetste  derselben,  welche  der  am  höchsten  geschätzte  Blät- 
ter-Traganth  Kleinasiens  (Smyrna)  darbietet,  besteht  aus  flachen  halb- 
mondförmigen Stücken,  welche  in  grosser  Zahl  aneinander , zum  Theil 
auch  übereinander  gereiht  sind.  Sie  liegen  entweder  alle  in  derselben  Ebene 
oder  sind  zum  Theil  zu  derselben  etwas  geneigt. 

Die  Form  derselben  wird  leicht  verständlich,  wenn  man  auuimmt,  dass 
aus  den  Vertikal-Spalten  oder  Einschnitten  der  Ausfluss  des  zähen  Schleimes 
in  ihrer  unteren  Hälfte  reichlicher  erfolgt.  Die  etwas  grössere  Geschwindig- 
keit, welche  die  Masse  dadurch  hier  erlangt,  muss  die  Curven  bedingen, 
welche  die  schönsten  bis  0,05 m laugen  Stücke  des  Blätter- Traganths  in 
hohem  Grade  cliarakterisiren.  Bisweilen  zeigt  sich  auch  an  fast  farblosen 
durchscheinenden  und  gleichmässigen  Stücken  eine  feine  Längsstreifung, 
welche  oft  durch  Luftblasen  bedingt  ist,  die  beim  Aufquellen  der  Blätter 
zum  Vorschein  kommen.  Die  dünne  und  fast  gerbstofffreie  Rinde  der  Astra- 
galus-Arten lässt  diese  schönste  Sorte  fast  farblos  austreten.  Die  hornartige 
Masse  ist  sehr  dicht,  ohne  Risse  und  nicht  irisirend. 

Denselben  Charakter  bietet  im  Grunde  auch  die  geringere  Waare  dar 
welche  als  syrischer  Traganth  bezeichnet  wird.  Seine  Schichten  sind 
aber  nicht  getrennt,  sondern  zu  mehr  kugeligen,  knolligen,  traubcnförmigeu 
oder  stalaktitenartigen  Massen  von  bräunlicher  oder  gelblicher  Färbung  und 
beschränkter  Durchsichtigkeit  zusamracngeflosseu.  Sehr  oft  haften  noch 
Rindenstückchen  an.  Vielleicht  sind  diese  Massen  freiwillig  ausgetreten. 

Griechenland  erzeugt  mehr  faden-  oder  wurmförmigen  Traganth,  ira-  j 
nacantha  vermicularis  (Vermicelli).  Er  besteht  eigentlich  nur  aus  schma- 
len Streifen  von  derselben  Bildung  wie  die  Blättersorte,  . eiten  sind  cy  m 


Tragacantha. 


11 


drische  Stücke  vorhanden,  dagegen  die  fast  bandartigen  Streifen  häufig  in 
zierlichster  Weise  geknäuelt  oder  mehr  traubenähnlich  oder  knollenförmig 
zusammengeflossen.  Manche  Stücke  sind  aber  so  ungefärbt  und  durch- 
sichtig, wie  die  des  schönsten  Blättertraganths,  während  sich  dieser  Faden- 
oder Morea-S  orte  auch  oft  gelblich  bis  fast  braunröthlicb  gefärbte  Klümp- 
chen beimischen. 

In  sehr  unförmlichen  grossen  grauen  bis  dunkelbraunen  Knollen  erscheint 
der  sogenannte  Traganton,  die  unreinste  Sorte,  welche  aber  durch  ihre 
Schichtung  und  den  Stärkegehalt  auch  noch  das  gemeinschaftliche  Gepräge 
des  Traganths  zeigt. 

Zum  Tragauth  gehört  ferner  das  sogenannte  Bassora- Gummi  (siehe 
Seite  5). 

Der  Traganth  ist  zähe  schneidbar  und  lässt  sich  selbst  nach  dem  Trock- 
nen nur  schwierig  pulvern. 

Unter  dem  Mikroskop  zeigen  die  verschiedenen  Traganthsorten  bei  Be- 
feuchtung mit  Wasser  sehr  verdickte  geschichtete  Zellen,  in  deren  kleiner 
Höhlung  Sehr  häufig  noch  Gruppen  kugeliger  oder  halbkugeliger  Stärke- 
körner von  etwa  15  bis  20  Mikromillimeter  Durchmesser  stecken.  Durch 
längere  Einwirkung  von  mehr  Wasser  quellen  die  Zellen  stark  auf,  so  dass 
zuletzt  nur  da  und  dort  einzelne  Streifen  der  Wand,  sowie  die  Stärkekörn- 
chen sichtbar  bleiben.  Die  letzteren  sind  in  den  geringsten  Sorten,  nament- 
lich im  Traganton  am  häufigsten.  Je  weiter  die  Metamorphose  fortgeschrit- 
ten , desto  reiner  ist  das  Produkt, 

Die  Betrachtung  des  Traganths  im  polarisirten  Lichte  gewährt  keine 
weiteren  Aufschlüsse,  da  es  sich  hierbei  nicht  um  Spannungen,  sondern 
gerade  um  Auflockerung  der  Zellmembranen  handelt. 

Bei  der  Traganthbildung  scheint  wohl  das  Amylum,  soweit  es  nicht  er- 
halten bleibt,  die  gleiche  Veränderung  zu  erleiden,  wie  die  Zellwände.  Rührt 
man  gepulverten  Blätter -Traganth  rasch  mit  viel  Wasser  an  und  filtrirt 
nach  Kurzem,  so  zeigt  Jod  im  klar  ablaufenden  Filtrate  kein  Amylum  oder 
Dextrin  an,  während  der  auf  dem  Filtrum  gebliebene  Schleim  sich  stark  bläut. 

In  alkalischem  Kupfertartrat  erzeugt  das  Filtrat  bei  sehr  gelinder  Er- 
Wärmung  eine  Reduktion,  so  dass  also  wohl  eine  geringe  Menge  von  Zucker 
vorhanden  zu  sein  scheint.  Ludwig  fand  durch  direktes  Ausziehen  mit 
Weingeist  im  wurmförmigen  Traganth,  nicht  im  blätterigen,  Spuren  von 
Zucker.  Im  Filtrate,  das  vollkommeu  klar  vom  Traganthsclileime  abläuft, 
ei  zeugt  einei  Bleizucker  sowohl  als  absoluter  Alkohol  einen  Niederschlag 
von  wirklich  aufgelöstem  Gummi,  der  ansehnlichere  Theil  des  Traganths 
a ei  ei  t a s nicht  sehr  trüber,  schliipferiger,  doch  nicht  klebender  Schleim 
^,Ura<i  ’ er  nach  dem  trocknen  sehr  stark  bindet.  Noch  mit  dem 

Un.  ac  l0n  Gewichte  Wasser  bildet  der  Traganth  einen  dicken  Schleim, 
??  C l°r’,  Wie  c^c  Lösung  des  arabischen  Gummis,  Lakmuspapier  röthet. 
Aber  erst  nach  sehr  langem  Stehen  verflüssigt  sich  der  Schleim  vollständig, 
mcem  er  den  Geruch  der  Buttersäure  annimmt  und  die  Zelleureste  und 


12 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


Stärkekörner  absetzt.  Kochen  mit  wässrigen  Alkalien,  auch  mit  verdünn- 
ten Säuren  führt  rasch  die  gänzliche  Verflüssigung  herbei. 

Der  von  kaltem  Wasser  gelöste  Theil  des  Traganths  besteht,  abgesehen 
von  einer  geringen  Menge  Zucker  (und  Dextrin  ?)  aus  Gummi,  das  wegen 
seiner  Fällbarkeit  durch  Bleizucker  vom  arabischen  Gummi  unterschieden 
werden  muss.  Das  übrige  dagegen  kommt  mit  dem  Bassorin  überein, 
ist  aber  auch  als  Traganthin  oder  Adraganthin  bezeichnet  worden. 

Da  das  Gummi,  wenigstens  das  Arabin,  durch  ein  plus  von  H2<L  vom 
Bassorin  GIJH20O10  abweicht,  so  ist  erklärlich,  dass  die  Analyse  des  gan- 
zen Traganths  nicht  constante  Zahlen  geben  kann.  Denn  aus  der  Entste- 
hung desselben  folgt  von  selbst,  dass  er  ein  der  Hauptsache  nach  wechseln- 
des Gemisch  von  Bassorin  und  Gummi  sein  muss.  Je  weiter  die  Metamor- 
phose fortschreitet,  desto  mehr  dürfte  wohl  das  letztere  zunehmen.  Nach 
Guerin-Varry  und  nach  Bucliolz  soll  dasselbe  sogar  mehr  als  die 
Hälfte  ausinachen  können.  Bei  der  Unmöglichkeit,  die  Gränze  zwischen 
eigentlicher  Lösung  und  blosser  Aufquellung  zu  ziehen , ist  aber  bis  jetzt 
eine  genauere  Trennung  von  Gummi  und  Bassorin  unausführbar.  Das  letz- 
tere ist  nicht  unlöslich  , sondern  nur  schwer  löslich.  Schüttelt  man  Stücke 
des  reinsten  Traganths  mit  dem  tausendfachen  Gewichte  Wasser  tagelang, 
so  lösen  sie  sich  vollständig  zu  einer  klar  wenn  auch  langsam  filtrirbaren 
Flüssigkeit,  während  die  nicht  umgewandelten  Zellreste  als  leichte  gar  nicht 
ins  Gewicht  fallende  Flöckchen  Zurückbleiben.  Es  kommt  also  sehr  auf  das 
Verhältniss  des  Lösungsmittels  an.  — Schmidt  fand  in  ausgesuchtem  Tra- 
ganth  1,75  pC.  Asche,  Guerin-Varry  2,5,  Löwenthal  und  Haus- 
mann (nach  Abzug  von  Sand)  3,19  pC.,  worin  über  die  Hälfte  kohlensau- 
rer Kalk,  auch  gegen  3 pC.  Phosphorsäure. 

Ausgesuchte  Stücke  des  schönsten  Blätter- Traganths,  die  ich  während 
4 Tagen  einer  mit  'Wasserdampf  gesättigten  Atmosphäre  bei  -+-  5°  aus- 
setzte, nahmen  nur  4,5  Feuchtigkeit  auf.  Dieselbe  Waare,  lufttrocken  ge- 
nommen und  bei  100°  C.  vollkommen  ausgetrocknet,  verlor  14,67  pC. 

Blätter- Traganth,  zuvor  bei  100°  C.  getrocknet,  verbrannte  langsam 
unter  Beibehaltung  seiner  Form  und  liess  3,16  pC.  Asche. 

Während  reinster  Traganth  geschmacklos  ist,  zeigen ' sich  unreinere 
Stücke  etwas  bitterlich.  Der  Bitterstoff  nebst  einer  Spur  Zucker  lässt  sich, 
beide  jedoch  in  äusserst  geringen  Mengen,  durch  kochenden  Weingeist  aus- 
zieh en. 

Die  Bekanntschaft  mit  dem  Traganth  geht  bis  in  das  höchste  Alterthum 
zurück.  Theo  ph rast us  nennt  schon  im  III.  Jahrhundert  v.  Chr.  Kreta, 
den  Peloponnes  und  Nordpersien  (Medien)  als  Vaterland.  Iü  Deutschland 
begegnen  wir  der  Droge  im  zwölften  Jahrhundert  z.  B.  unter  dem  Namen 
Draganti.  _ 


Manna. 


13 


Manna. 

Manna.  Manne. 

Fräxinus  Ornus  L.  — Oleaceae. 
Syn.  Ornus  europaea  Persoon. 


Die  Mannaesche  ist  ein  kleines  im  nördlichen  und  östlichen  Gebiete  des 
Mittelmeeres  einheimisches  Bäumchen,  das  aber  auch  in  Mitteleuropa  als 
Zierbaum  gezogen  und  hier  sogar  noch  stärker,  bis  30  Fuss  hoch  wird. 
Durch  die  zahlreichen  überhängenden  gel blich weissen  Blüthen- Rispen  ge- 
währt derselbe  im  Frühjahr  einen  sehr  schönen  Anblick. 

Nicht  das  wildwachsende  Bäumchen,  sondern  nur  gewisse,  fast  aus- 
schliesslich in  Calabrien  und  Sicilien  durch  Pfropfen  erzielte  und  cultivirte 
Abarten  derselben  ( Fräxinus  rotundifolici  Lamarck,  Ornus  rotundifolia 
Persoon)  liefern  die  Manna.  Diese  letzteren  sind  z.  B.  in  Griechenland,  wo 
Fräxinus  Ornus  technisch  benutzt  wird,  ganz  unbekannt. 

Die  ausgedehntesten  Manna-Pflanzungen  finden  sich  längs  der  Ostküste 
der  drei  calabrischen  Provinzen,  vorzüglich  bei  Cariati,  Campana,  Stron- 
goli,  dann  besonders  bei  Gerace  (zwischen  Castelvetere  und  Cap  Sparti- 
vento),  endlich  auf  Sicilien  bei  Capace,  Cinesi,  Fabarotta.  Unter- Italien 
und  Sicilien  scheinen  die  Einführung  der  Manna- Cultur  der  arabischen 
Herrschaft  im  Mittelalter  zu  verdanken. 


Die  Mannaesche  wird  in  den  Pflanzungen  mehr  buschartig  gehalten, 
doch  liefern  erst  kräftigere,  ungefähr  8 Jahre  alte  und  bis  20  Fuss  hohe 
Stämmchen  etwa  10  bis  12  Jahre  hindurch  eine  lohnende  Ausbeute,  indem 
man  immer  wieder  im  Vorjahr  unberührte  Stellen  oder  Seiten  der  Stämm- 
chen in  Angriff  nimmt.  An  denselben  werden  während  der  Sommer-  und 
Herbstmonate  nach  dem  Aufhören  des  Blatttriebes  in  Menge  Schnitte  in 
die  Rinde  gemacht,  aus  welchen  sich  ziemlich  reichlich  und  nicht  eben 


sehr  langsam  der  klare,  zähe  und  süsse  Saft  ergiesst  und  entweder  am 
Bäumchen  selbst  gesteht  oder  sich , über  eingeschobene  Eschenblätter  oder 
Grashalme  herabträufelnd,  am  Grunde  auf  hingelegten  Blättern  (oft  von 
Opuntia)  ansammelt.  Aeltere  Stämmchen,  so  wie  die  unteren  Regionen  der 
jüngeren  geben  einen  unreineren,  trotz  des  Nachtrocknens  immer  mehr  oder 
weniger  schmierig  bleibenden  Saft  und  nur  die  oberen  Wunden  jüngerer 
Stämme  liefern  ein  reines  klares,  zu  fast  farblosen  kantigen  Stalaktiten  von 
krystallinisckem  Gefüge  erstarrendes  Produkt. 

Die  Menge  und  mehr  noch  die  Beschaffenheit  der  Manna  ist  demnach 
sehr  durch  den  Betrieb  der  Cultur  bedingt,  aber  auch  in  hohem  Grade  von 
der  Gunst  der  Witterung  abhängig.  Beständige  trockene  Wärme  befördert 
nothwendig  die  regelmässige  Erhärtung  der  am  höchsten  geschätzten,  schon 
ani  Bäumchen  erstarrenden- reinen  Stücke,  vermuthlich  aber  überhaupt  die 
leichhchere  Bildung  der  Manna  selbst. 


Es  steht  ausser  Zweifel,  dass  die  wild  wachsende  Mannaesche  wie  viele 
andere  Pflanzen,  auch  freiwillig  in  geringer  Menge  Manna  heraustropfen 


14 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


lässt,  namentlich  wenn  die  vermuthlich  gerade  deshalb  diese  Esche  liebende 
Ci  ca  da  Omi  L,  (Tettigonia  Orni  Fabricius)  die  Blätter  und  die  zarten 
Zweige  derselben  mit  dem  Säugrüssel  ansticht  oder  vermittelst  des  Lege- 
stachels ihre  Eier  hineinseukt.  Die  Körnchen  der  auf  diese  Weise  ausge- 
flossenen Manna  sind  aber  nicht  Gegenstand  des  Grosshandels. 

Bei  der  beschriebenen  Manna-Cultur  spielt  jene  Cicade  durchaus  keine 
Rolle,  sondern  die  vermehrte  Bildung  des  süssen  Saftes  ist  wahrscheinlich 
im  Sinne  von  Wi  g a n d’s  i)  Ansichten  die  F olge  einer  Umbildung  der  Cellulose. 

Jedoch  ist  hier  der  Vorgang  noch  vollständig  unaufgeklärt,  und  als  ein- 
ziger höchst  zweifelhafter  Anhaltspunkt  liegt  nur  das  vielleicht  bloss  zufäl- 
lige, höchst  spärliche  Vorkommen  von  Stärke  in  der  Manna  vor.  Nach 
Analogie  der  z.  B.  bei  Tragacantha  erörterten  Erscheinungen  dürfte  freilich 
auch  für  Manna  ein  ähnlicher  Ursprung  anzunehmen  sein. 

Der  Handel  liefert  hauptsächlich  zwei  Sorten : l)Stengelige  Manna, 
Manna  in  Stücken,  Manna  longa , s.  canneliata.  Bei  langsamem  aber 
reichlichem  und  gleichmässigem  Austreten  des  Saftes  aus  den  oberen  oder 
überhaupt  aus  jüngeren  Stammtheilen  entsteht  diese  Sorte , wenn  ruhige 
warme  Witterung  zugleich  das  Eintrocknen  befördert  und  kein  Wind  Schmutz 
herbeiführt.  Der  Saft  erstarrt  alsdann  durch  und  durch  krystallinisch  in 
unregelmässig  concentrischeu  sehr  locker  aufeinander  folgenden  Schichten 
von  schwach  gelblicher  Färbung.  In  Folge  des  allmälig  nachlassenden  Aus- 
flusses entsteht  eine  sehr  unebene  oft  fast  kantige  oder  flach  rinneuförmige 
Oberfläche , während  die  Innenseite  der  Stücke  die  flache  Rundung  nebst 
etwaigen  kleineren  Eindrücken  oder  Erhöhungen  des  Stammes  wiedergibt 
und  deutlich  die  Wege  des  zuerst  ausgetretenen  Saftes  erkennen  lässt.  Die 
Masse  dieser  Stücke  ist  sehr  locker,  trocken,  leicht  brüchig  und  besonders 
in  den  zahlreichen  Höhlungen  mit  Krystallsäulchen  erfüllt.  In  schönster 
Waare  erscheint  diese  Sorte  als  fast  dreikantige  oder  bisweilen  riuueuför- 
mige  bis  über  0,15  ra  lauge  und  3 — 4 Centimeter  breite,  von  Rindenstückeu 
freie,  nur  auf  der  Innenseite  etwas  gelbliche  Stengel,  aber  keineswegs  eigent- 
liche Röhren  bildend.  Was  sich  nicht  leicht  und  in  grösseren  Stücken  von 
den  Stämmen  wegnehmen  lässt,  wird  abgekratzt  und  gibt  die  Manna  can- 
neliata in  fragmentis.  _ . 

In  etwa  6 Theilen  Wasser  von  gewöhnlicher  Temperatur,  in  weniger 
heissem , löst  sich  die  stengelige  Masse  zu  einer  klaren  neutralen  Flüssig- 
keit von  rein  süssem  Gesclimacke.  Sie  enthält  neben  dem  Maunit  nur  ge- 
ringe Mengen  Zucker  und  Gummi. 


D In  Pringshcim,  Jahrbuch  für  Wissenschaft!.  Botanik  III.  (1862)  S.164.  In  dem 
verschwindend  kleinen  unlöslichen  Antheile  stengeligcr  Manna  finde  ich  so  gut  wie  keine 
Amylumkörner,  im  Rückstände  gewöhnlicher  Sorte  da  und  dort  allerdings  einzelne  sehr  grosse 
Körner,  deren  Abstammung  aber  doch  erst  noch  zu  erforschen  wäre,  In  beiden  Sorten  aber 
verhältnissmässig  in  grosser  Menge  nur  wenige  Mikromillim.  grosse  Körnchen,  welchen  Jod  eine 
gelbe  Farbe  ertheilt  (Hefezellen?  Proteinstoffe?),  so  wie  P.lzfäden  von  schwach  violett 

Färbung. 


Manna. 


15 


2)  Weiche  Manna,  M.  in  Klumpen,  Manna  communis  s.  pinguis , 
gemeine  oder  fette  Manna,  Aeltere  Stämme , überhaupt  die  älteren  unteren 
Theile  auch  jüngerer  Bäumchen  liefern  nicht  mehr  den  reinen  fast  aus- 
schliesslich Mannit  enthaltenden,  sondern  einen  mit  mehr  oder  weniger  be- 
deutenden Mengen  von  Gummi  und  gährungsfähigem  Zucker  gemischten 
Saft,  welcher  ausserdem  noch  verschiedene  Unreinigkeiten  einschliessen 
kann.  Die  ungünstigere  Witterung  des  Spätsommers  und  Herbstes  befördert 
in  hohem  Grade  diese  Veränderung  in  der  Zusammensetzung  des  Saftes, 
wodurch  derselbe  die  Fähigkeit,  zu  einer  wenig  gefärbten  trockenen  zer- 
reiblichen und  ganz  krystallinischen  Masse  zu  gestehen,  verliert.  Nur  ein- 
zelne kleinere  oder  grössere  Körner  oder  Klumpen  der  letzteren  erscheinen 
alsdann  eingebettet  in  der  im  übrigen  weichen  schmierigen  und  missfarbi- 
gen Manna,  die  nun  auch  einen  schleimigen  kratzenden  Beigeschmack  zeigt. 

Das  Verhältniss  der  einzelnen  Gemengtheile  dieser  weichen  Manna 
wechselt  sehr  in  den  verschiedenen  Sorten  dieser  Art , wovon  die  besseren 
als  Manna  grauulosa,  Manna  calabriua,  M.  in  sortis,  M.  Capace  oder  Ge- 
race,  M.  vulgaris  bezeichnet  zu  werden  pflegen.  Herrschen  Zucker  und 
Gummi  noch  mehr  vor  und  gesellen  sich  beträchtliche  Mengen  von  Unrei- 
nigkeiten bei,  so  heisst  die  Waare  Manna  crassa,  M.  spissa,  M.  sordida  oder 


vorzugsweise  Manna  pinguis. 

Vorwaltender  Bestandtheil , wenigstens  der  besseren  Mannasorten  ist 
der  Mannazucker  oder  Mannit  GßHuG6,  der  auch,  obwohl  bei  weitem  spar- 
samer in  vielen  andern  Pflanzen1)  vorkommt  und  künstlich  durch  direkte 
Reduktion  des  gewöhnlichen  Zuckers  vermittelst  Natrium-Amalgams  oder 
indirect  bei  der  Gährung  desselben  entsteht.  Er  ist  isomer  mit  Dulcit  (Me- 
lampyiin.  Evonymin.).  Der  Mannit  krystallisirt  in  glänzenden  Prismen  oder 
Tafeln  des  rhombischen  Systems,  schmilzt  bei  165°  und  kann  in  sehr  klei- 
ner Menge  bei  grosser  Vorsicht  unzersetzt  sublimirt  werden.  Er  löst  sich 
bei  gewöhnlicher  Temperatur  in  6 1h.  Wasser,  schwieriger  in  wässerigem 
und  sehr  wenig  in  absolutem  Weingeist,  nicht  in  Aether.  Die  Lösung  dreht 
die  Polarisationsebene  nicht  und  erleidet  durch  Kochen  mit  verdünnten 
Säuren  oder  Alkalien  oder  mit  alkalischem  Kupfertartrat  keine  Veränderung. 
Berthelot  hat  gezeigt,  dass  der  Mannit  gährungsfähig  ist,  wenn  auch 
nicht  so  leicht  wie  die  zu  den  Kohlehydraten  gehörigen  Zuckerarten.  Mit 
feuchtem  Platinmohr  gemengt,  erhitzt  sich  der  Mannit  sehr’  stark  und  liefert 
unkrystallisirbare  Mannitsäure  G6Hl2Q7  und  Mannitose,  einen  dem  Trau- 
benzucker höchst  ähnlichen  und  damit  vermutlich  isomeren,  jedoch  optisch 
unwirksamen  Zucker,  der  noch  nicht  krystallisirt  erhalten  wurde. 

Mit  Salpetersäure  gibt  der  reine  Mannit  weder  Weinsäure  noch  Schleim- 
saure, sondern  Zucker-  und  Kleesäure  neben  etwas  Traubensäure.  Bei  der 
i ockenen  Destillation  werden  Acrolein,  Ameisensäure  u.s.f.  erhalten. 


U Iu  der  gleichen  Familie  z.  B. 
in  den  unreifen  Oliven. 


in  den  Blättern  von  Phillyrea,  Syringa,  Ligustrum, 


sowie 


16 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


Das  gesammte  chemische  Verhalten  des  Mannits  weist  demselben  eine 
Stelle  in  der  Classe  der  Alkohole  an;  er  ist  am  nächsten  mit  dem  Glycerin 
vergleichbar. 

Der  Mannitgehalt  der  besten  Manna  schwankt  zwischen  ungefähr  60 
bis  über  80  pC. 

Wird  eine  Mannalösung  mit  alkalischem  Kupfertartrat  versetzt,  so  tritt 
schon  in  der  Kälte  sehr  bald  Reduction  von  Kupferoxydulhydrat  ein,  ver- 
anlasst durch  die  Gegenwart  eines  eigentlichen  Zuckers,  welcher  nach  Back- 
haus gewöhnlicher  Rechts-Traubenzucker  ist.  Er  kann  bis  16pCt.  betra- 
gen und  kömmt  schon  iu  der  frischen  Manna  vor,  am  reichlichsten  in  den 
schmierigen  Sorten,  aber  immer  auch  iu  den  besten  stengeligen. 

Bleizucker  schlägt  aus  Maunalösung  die  Bleiverbindung  eines  darin  vor- 
handenen schleim-  oder  gummiartigen  Stoffes  nieder,  welcher  auch  durch 
Fällung  mit  Weingeist  erhalten  werden  kann.  Backhaus,  wie  früher 
L euch tw eis s,  fand  diesen  Schleim  (in  der  Verbindung  mit  3PbO)  der 
Formel  O12 H1GÖ10  entsprechend,  also  von  gewöhnlichem  Gummi  abwei- 
chend und  dem  Leiusamenschleime  nahe  kommend.  Dieser  btoff  gibt  bei 
der  Behandlung  mit  Salpetersäure  Schleimsäure,  welche  sich  daher  unter 
den  Oxydationsprodukten  der  Manna  oder  des  unreinen  Mannits  findet. 

Die  Menge  dieses  Schleimes  oder  Gummis  scheint  immer  nur  wenige 
Procente  zu  betragen.  Nicht  bedeutender  ist  die  Summe  der  Aschenbestand- 
theile  in  der  Manna.  Aether  nimmt  aus  wässeriger  Mannalösuug  eine  sehr 
geringe  Menge  rothbraunen  widrig  riechenden  und  kratzend  schmeckenden 
Harzes  auf,  begleitet  von  Spuren  einer  Säure,  welche  Silbersalze  reducirt 
und  leicht  zu  verharzen  scheint. 

Der  Wassergehalt  der  geringeren  Mannasorten  beläuft  sich  leicht  auf 
10  bis  15  pC. 

Die  grünliche  Färbung  einzelner  Mannaproben  wurde  von  Kupfergehalt 
abgeleitet,  bis  Gmelin  sie  wegen  der  Fluoresceuz  ihrer  Lösungen  dem  Aes- 
culin  zuschrieb.  Sie  ist  bedingt  durch  einen  dem  letzteren  sehr  ähnlichen 
Körper  F raxin  (Fraxiniu,  Paviin)  £16HlsGlu,  welcher  der  Rinde  der 
Mannaesche,  sowie  auch  derjenigen  der  gewöhnlichen  Esche  augehört  und, 
neben  Aesculin,  auch  in  Aesculus  Hippocastauum  und  Pavia  rubra  Lam. 
enthalten  ist.  Das  Fraxin  krystallisirt  in  weissen  schwach  gelblichen  Pris- 
men von  schwach  herbem  und  bitterem  Geschmacke,  die  sich  in  heissem 
Wasser  und  Weingeist  leicht  lösen.  Verdünnte  Säuren  spalten  es  iu  Fraxe- 

tin  G10HHO5  und  G,!H1206  (Zucker). 

Die  Gegenwart  einer  kleinen  Menge  dieses  Fraxins  verräth  sich  durch 
das  allerdings  nur  schwach  bläuliche  Schillern  der  Manna-Auflösuug,  na- 
mentlich bei  den  geringsten  Sorten.  Lässt  mau  aus  einer  concentrirten  u 
lösung  in  der  Kälte  den  meisten  Mannit  anschiesseu  und  richtet  nun  ver- 
mittelst einer  gewöhnlichen  Sammellinse  einen  Lichtkegel  unter  die  Ober- 
fläche der  Flüssigkeit,  so  zeigt  sich  die  Fluoresceuz  am  deutlichsten.  - eu- 
gelige  Manna  pflegt  frei  von  t raxin  zu  sein. 


Manna. 


17 


Die  (richtiger  das)  Manna  der  Bibel  ist,  wie  schon  Ritter  (Erdkunde 
XIV.  S.  665 — 695)  in  anziehender  Weise  erörtert  und  neuerdings  wieder 
Tischendor  f1)  überzeugend  bestätigt  hat,  die  durch  Stiche  einer  Schild- 
laus, Coccus  manniparus  Ehrenberg,  hervorgerufene  Ausschwitzung  der 
zarten  Zweige  des  Tarfa Strauches,  Tamarix  gallica  Var.  mannifera  Ehren- 
berg. Der  etwa  20  Fuss  hohe  Strauch  kommt  auch  anderwärts  im  Oriente 
vor2),  gibt  aber  nur  in  der  Sinaitischen  Wüste  Manna  und  zwar  auch  hier 
gerade  nur  an  der  von  den  Israeliten  auf  dem  Auszuge  aus  Aegypten  berühr- 
ten Stelle.  Die  glänzend  weissen  honigdicken  Tropfen  dieser  eigenthümlich 
angenehm  riechenden  Tamarisken-Manna  träufeln  in  der  Sonnenwärme  des 
Juni  und  Juli  von  den  obersten  Zweigen  herunter,  werden  von  den  Leuten 
des  St.  Katharinaklosters  am  Sinai  in  lederne  Schläuche  gesammelt  und 
seit  Jahrhunderten  theils  genossen,  theils  den  Sinaipilgern  theuer  verkauft, 
da  die  ganze  Ernte  im  günstigsten  Jahre  nur  500  bis  600  Pfund  beträgt. 
Auf  Brot  schmeckt  diese  Manna  trefflich.  Sie  enthält,  von  vielem  Wasser 
abgesehen,  nach  Berthelot  55  pC.  Rohrzucker,  25  pC.  Invertzucker, 
20  pC.  Dextrin  und  Umwandlungsprodukte  desselben,  welche  letzteren  wohl 
auch  hiei  auf  einen  den  oben  erwähnten  Ansichten  Wigan  d s entsprechen- 
den Vorgang  deuten. 

Manche  ganz  anderen  Familien  als  den  Oleaceen  angehörige  Pflanzen 
sondern,  zumal  in  wärmeren  Gegenden,  ebenfalls  süsse  Säfte  aus,  welche 
da  und  dort  wenigstens  als  Zuspeise  genossen  werden  oder  zum  Arznei 
gebrauche  dienen.  So  z.  B.  die  strauchige  Legumiuose,  Alhaqi  Maurorum 
Tournefort  (Hedysarum  Alliagi  L.)  in  Aegypten,  Syrien,  Arabien,  Nordost- 
Persien  bis  Buchara.  Die  grünlich  gelben  Brote,  welche  aus  dieser  Manna 
ge  oimt  werden,  riechen  nach  Senna,  schmecken  süss  und  wirken  leicht  ab- 
führend. In  Persien,  wo  dieses  Produkt  Terengebin  (Feuchthonig)  heisst, 
ersetzt  es  unsere  Manna  und  wird  sogar  Kameelen  verfüttert3). 

In  Mesopotamien  (Diarbekir),  Kurdistan  und  Persien  schwitzen  Zwer<*- 
eichen , besonders  Quercvs  mfectoria  (vergl.  bei  Gallae  halepenses),  Q 
mannifera  Kotschy,  Q.  Aegi/ops,  Q.  coccifera  L.,  eine  angenehm  süsse 
oimge  Manna  aus,  welche  für  den  Küchengebrauch  gesammelt  wird.  Ihre 
Zusammensetzung  entspricht  der  Tamarisken-Manna. 

In  sehr  reichlicher  Menge  geben  einige  auf  dem  australischen  Continente 
sowie  auf  Tasmama häufige  Eucalyptus- Arten,  besonderst,  dvmosa  Cun- 

etwf  1832  be"°nt?  Smith,  die  sogenannte,  seit 

Stli  Vü  m Lerp'MaaUa’  we,che  gewissen  Zeiten  die 

Blläu  n fl  1 fr6’’  Myrtar  ganZ  bedeckt  und  d»rch  den  Stich  von 
lattlausen  (Psylla)  hervorgerufen  wird.  Sie  sieht  der  Eschenmanna  sehr 

’)  Aus  dem  heiligen  Lande.  Lpzg.  18G2.  S VI  u 54 

lÄf*  h',r  b”  “h“  » -I“  Kcrrnnn 

?,rr”‘Art”  vctei-  p«ui- **».  *•»  ^ 

Pliickiger,  Pharmakognosie. 


18 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


ähnlich,  schmeckt  weniger  süss  und  gibt  mit  Wasser  gekocht  eine  trübe 
schleimige  Auflösung,  in  welcher  nach  Hanbury  durch  Jod  eine  tiefblaue 
Färbung  hervorgerufen  wird.  Au  Aether  tritt  sie  etwas  Wachs  ab.  Die 
Lerp-Manna  enthält  nicht  Manuit,  sondern  Berthelot  zufolge  einen  eigen- 
thümlichen  rechts  rotirenden  Zucker  Melitose  G12  H22  0 11  -f-  H2 O (bei 
100°),  der  alkalisches  Kupfertartrat  nicht  verändert.  Mit  Bierhefe  in  Be- 
rührung erleidet  die  Melitose  die  Weingährung,  aber  nur  zur  Hälfte,  indem 
hierbei  ein  nicht  gährungsfähiger  Zucker,  das  syrupartige  Eucalyn  G6H120G 
frei  wird.  Auch  verdünnte  Schwefelsäure  zerlegt  die  Melitose  in  gleiche 
Theile  Traubenzucker  und  Eucalyn.  — Die  Manua  der  einzelnen  Eucalvp- 
tus-Arten  scheint  jedoch  nicht  übereinstimmend  zu  sein. 

Auch  Coniferen  schwitzen  ganz  eigenthümliche  Zuckersäfte  aus.  So  in 
bedeutender  Menge  die  kalifornische  Pinus  Lambertiana  Douglas  den 
hauptsächlich  aus  Pinit  012H24G10  bestehenden  Fichtenzucker.  In  gerin- 
gerer Menge  liefern  kleinasiatische  Cedern  die  Cedern- Manna.  In  der  sehr 
seltenen  ’)  sogenannten  Manna  von  Briarnjon  (Departement  des  Hautes  Alpes), 
welche  an  Lar  ix  decid.ua , der  gemeinen  Lärche,  entsteht,  hat  Berthelot 
gleichfalls  einen  besonderen  nur  schwierig  gährenden  Zucker  G12  H22  0" 
(bei  110°),  die  Melezitose,  nachgewiesen.  Im  Ural  sondert  derselbe 
Baum  das  sogenannte  Orenburgische  Gummi  aus,  das  möglicherweise  eine 
ähnliche  Zusammensetzung  besitzt. 

Endlich  führen  auch  süss  schmeckende  Auswüchse  verschiedener  Art 
oder  ganz  andere  Gebilde  den  Namen  Manna.  So  die  Trehala1 2)  oder  Tri- 
cala,  eine  den  Galläpfeln  nicht  ganz  unähnliche  Auftreibung,  welche  in  der 
syrisch-mesopotamischen  Wüste  durch  den  Stich  vou  Rüsselkäfern,  beson- 
ders von  Larinus  subrugosus  Chevrolat  (Coleoptere)  auf  einem  Echinops 
entsteht.  Berthelot  hat  auch  hier  einen  eigenthiimlichen  Zucker  Treha- 
lose  G12H22Ö11  (bei  100°)  gefunden,  den  er  später  identisch  mit  Mycose 
(vgl.  bei  Secale  cornutum)  erklärte.  In  noch  grösserer  Menge,  bis  über 
66  pC.,  enthält  jedoch  die  Trehala  Stärke,  auch  4,6  pC.  Gummi  uud  die 
Cocons  der  Käfer. 

Im  Neugriechischen  heissen  die  als  Naschwerk  beliebten  Wurzel- 
knöllchen vou  Cyperus  escidentus  L.,  welche  im  Wüstenboden  Aegyptens 
trefflich  gedeihen,  auch  Manna.  Nach  dem  oben  über  die  Tamariskeu- 
oder  Tarfa- Manna  angeführten  ist  es  nicht  wahrscheinlich,  dass  diese 
Knollen  die  biblische  Manna  sind.  Dasselbe  gilt  auch  von  den  merkwürdigen 
kleinen  Manna-Flechten,  Lecanora  esculenta  Eversmann  uud  L.  affinis 
Ev.  (Parmelia  Acharius),  welche  in  den  W iisten  und  Steppen  Nordafrikas, 
Südrusslands  uud  Hochasiens  oft  massenhaft  vorkommeu  und  vom  Winde 


1)  Mit  Mühe  vermochte  sich  Hanhury  an  Ort  und  Stelle  Proben  davon  zu  verschaffen. 
Pharm.  Journ  und  Transact.  VI.  p.  248. 

2)  Abgebildet  in  Büchners  N.  Repertor.  VIII.  S.  585  (1859),  sowie  m Moquiu- 
Tandon,  Zoolog,  midie.  (1860)  p.  138. 


Gutti. 


19 


weithin  getragen  werden.  Sie  sind  erdig,  quellen  ixn  Wasser  auf  und 
schmecken  dann  fade,  etwas  an  Pilze  erinnernd.  Kalkoxalat  und  eine  theil- 
weise  lösliche  Form  der  Cellulose  (vergl.  bei  Lichen  islandicus)  scheinen 
die  Hauptbestandtheile  dieser  Flechten1)  zu  sein,  welche  ein  geringes 
Nahrungsmittel  abgeben. 

Gutti. 

Gummi-resina  Gutti.  Cambogia.  Gummigutt.  Gommme-gutte.  Gamboge. 

Garcinia  Morella  Desrousseaux.  — Clusiaceae. 

Syn.  G.  elliptica  Wallich. 

G.  Gutta  Wight. 

Hebradendron  gambogioides  Graham. 

Yon  diesem  bis  öOFuss  hohen  Baume,  der  in  Siam,  in  den  Wäldern 
Ceylons,  auch  wohl  in  Vorderindien  einheimisch  ist  und  in  einer  Varietät 
(ß.  pedicellata)  mit  gestielten  männlichen  Blüthen  auf  Singapore  cultivirt 
wird,  leitet  Hanbury  (1864)  das  Gutti  ab  und  löst  endlich,  wie  es 
scheint  mit  zureichenden  Gründen,  die  früheren  Zweifel  über  die  Stamm- 
pflanze dieser  Droge. 

Clusius  erhielt  1603  durch  den  Holländer  Garet  zuerst  dieses  Pro- 
dukt als  Flechtenmittel  unter  dem  Namen  Ghittajemon  aus  China  und 
beschrieb  es  1605,  worauf  es  bald  Eingang  in  den  Arzneischatz  fand. 

Ueber  die  Gewinnung  des  Gutti  in  Hinterindien  liegen  ungenügende 
Berichte  von  König  aus  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  vor,  die  der- 
selbe in  Indien  von  einem  Missionär  aus  Cochinchina  erhalten  hatte.  Hier- 
nach würde  der  beim  Brechen  der  Zweige  reichlich  austretende  Milchsaft 
auf  Blättern  oder  Cocosschalen  aufgefangen  und  in  irdenen  Schalen  ein- 
getrocknet. Nach  Walker  und  Graham  werden  auf  Ceylon  vielmehr 
grosse  Streifen  der  Stammrinde  abgeschält  und  der  Saft  am  Baume  selbst 
erhärten  gelassen.  Laut  den  neuesten  Erkundigungen  von  Schomburgk 
(1861)  wird  in  Cambodscha  der  in  Folge  von  Einschnitten  ausfliessende 
Saft  in  Bambusrohren  aufgefangen  und  diese  nach  dem  Trocknen  zerschlagen. 

Hiermit  stimmt  nun  auch  die  Form  der  jetzt  vorzugsweise  zu  uns  gelan- 
genden Waare  überein,  deren  bis  armsdicke  walzenförmige  Stücke  gewöhnlich 
Längsstreifen  zeigen,  welche  sehr  wohl  von  jeuen  Röhren  herrühren  mögen. 
Bisweilen  sind  sie  in  Blätter  eingerollt  und  zu  mehreren  verklebt.  Auch 
kömmt  wenigstens  diese  beste  Sorte  nach  allen  Berichten  aus  den  östlichen 
Ländern  der  hinterindischen  Halbinsel,  nach  einigen  aus  Gebirgswäldern 
der  Ost-Küste  des  Golfes  von  Siam  unweit  Schantibun  (Tschentabon).  Eine 
geringere  Sorte  soll  auch,  wie  die  Benzoe,  aus  Laos  stammen.  Die  Haupt- 
ausfuhrplätze sind  Singapore,  Penang  und  Canton. 


berichUMO  w,"  WwtStei“’S  Iiertcljahl'SSch,ift  X-  S-  86’  oder  Wiggers’  Jahres- 
beucht  1860  S.  45,  auch  Journ.  de  Pharm.  Yol.  37,  p.  413  und  Ausland  1864  S.  886,  959. 


20 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


Das  walzenförmige  Gutti  ist  sehr  dicht  und  vollkommen  gleichförmig, 
von  schön  rothgelber,  auf  der  bestäubten  Oberfläche  fast  etwas  grünlich- 
gelber Farbe  und  bricht  gehr  leicht  und  grossmuschelig  glänzend.  Selbst 
kleine  Splitter  sind  kaum  durchscheinend.  Es  ist  ein  Gemenge  von  Harz 
mit  wenig  Gummi,  das  indessen  doch  hinreicht,  um  sofort  bei  der 
geringsten  Benetzung  das  erstere  in  klebrige  gelbe  Emulsion  zu  bringen. 
Das  Harz  löst  sich  in  Weingeist  sehr  leicht  mit  schön  gelbrother  Farbe 
zur  klaren  Flüssigkeit,  welche  zwar  nicht  oder  nur  schwach  sauer  reagirt, 
aber  mit  Ammoniak  und  fixen  Alkalien  dunklere  klare  Lösungen,  mit  Blei- 
essig eine  reichliche  Fällung  gibt.  Eiseuchlorid  färbt  die  Lösung  der 
„ Cambogiasäure“  tief  braunschwarz.  Die  Formel  dieser  Harzsäure 
steht  noch  nicht  fest.  Beim  Schmelzen  des  gereinigten  Guttiharzes  mit 
Kali  erhielten  Hlasiwetz  u.  Barth  (1866)  neben  Fettsäuren  nnd  eigen- 
thümlichen  Säuren  auch  ungefähr  1 pC.  Phloroglucin  (siehe  bei  Kiuo).  In 
dem  vou  Weingeist  nicht  gelösten  Gummi  zeigt  das  Mikroskop  nur  ganz 
unbestimmbare  Andeutungen  von  Pflanzentheilen  und  keine  Stärkekörner. 
Geringere  Guttisorten  in  Klumpen  oder  Kuchen,  welche  indessen  bei  uns 
seltener  gehalten  werden,  enthalten  verschiedene  fremde  Beimengungen, 
worunter  nach  C h r i s t i s o n auch  gewöhnlich  etwas  A mylum . Doch  kömmt 
auch  die  geringste  Waare  oft  in  Walzenform  vor  und  zeigt  sich  porös,  von 
schmutzig  gelber  Farbe. 

Gutti  schmeckt  brennend  scharf  und  äussert  schon  bei  wenigen  Grammen 
sehr  gefährliche  Wirkungen  von  kaum  geringerer  Intensität  als  die  des 
Crotonöles.  Vergiftungsfälle,  welche  durch  die  berüchtigten  Morisonpillen 
veranlasst  werden,  dürften  meist  auf  Rechnung  des  Gutti  zu  schreiben  sein. 

Ob  verschiedene,  nur  in  Indien  und  China,  zum  Theil  auch  als  Farb- 
stoff verwertete  Gutti-Sorten  von  andern  Bäumen  abstammen  und  abwei- 
chende Eigenschaften  zeigen,  ist  noch  nicht  genügend  ermittelt. 

Asa  foetida. 

Gummi-resiua  Asa  foetida.  Asant.  Stinkasant.  Teufelsdreck.  Ase  fetide. 

Asafoetida. 

Scorodosma1)  foetidum  Bunge.  — Umbelliferae-Peucedaneae. 

Syn.  Ferula  Assa  foetida  L. 

Diese  bis  über  2 hohe  mächtige,  schön  gelb  blühende  Dolde  wächst 
gruppenweise  und  in  den  wenigen  Wochen  der  Dauer  ihres  steif  aufrechten 
Stengels  auf  unabsehbaren  Strecken  förmliche  Wäldchen  bildend,  in  den 
Steppen  zwischen  dem  persischen  Meerbusen  und  dem  Aralsee  und  zwar 


1)  Skorodon  Knoblauch,  osmc  Geruch. 


Asa  foetida. 


21 


ausschliesslich  auf  kieselsandigem1)  Boden  mit  wasserdichtem,  salzreichem 
Untergründe.  Im  Südwesten  Persiens,  im  Berglande  der  Bachtijari2)  (Pro- 
vinz Luristan),  sowie  in  der  Gegend  des  alten  Persepolis  erreicht  Scoro- 
dosma  nicht  ganz  das  nördliche  Gestade  des  persischen  Busens  und  hält 
sich  hier  mehr  an  Hochregionen  von  ungefähr  1000™  über  Meer,  während 
die  centralpersischen  und  aralo-caspischen  Hauptstandorte  mehr  im  Norden 
sich  sehr  bedeutend  senken  und  z B.  am  Nordostufer  des  Caspimeeres 
tiefer  liegen  als  der  Meeresspiegel.  Zwischen  Caspi-  und  Aral-See,  in  der 
Hochsteppe  Ust-iirt,  fehlt  Scorodosma,  findet  sich  aber  von  den  persischen 
feiidwestprovinzen  Luristan  und  Farsistan  an,  durch  gauz  Persien  bis  gegen 
das  untere  und  mittlere  Gebiet  des  Ssyr-Darja  (Jaxartes)  und  von  hier  süd- 
ostwärts  über  Samarkand  hinaus  noch  au  den  Abdachungen  des  Pamir 
(westlich  vom  Belut-Tag).  In  Chorassan  (bei  Turschiz),  Herat  uud  Chiwa 
scheint  die  Pflanze  am  massenhaftesten  vorhanden  zu  sein.  Wo  der  Kiesel- 
boden in  die  vegetationsarme  Lehmwüste  übergeht,  fehlt  Scorodosma  und 
ist  durch  andere  verwandte  Umbelliferen,  vorzüglich  Ferula  persica  Willd., 
ersetzt.  Den  Ssyr-Darja  überschreitet  das  Scorodosma  nicht. 

Die  fleischige,  stark  beschopfte  Wurzel,  einfach  von  der  Gestalt  und 
Grösse  einer  Rübe  oder  schenkeldick  und  sparrige  Aeste  aussendend,  ent- 
wickelt sich  während  einer  Reihe  von  Jahren  und  treibt  alljährlich  einen 
blaugrünen,  flaumigen  Blätterbüschel,  aber  zuletzt  erst,  um  Buchara  z.  B. 
gegen  Ende  März,  den  blühbareu,  wenig  beblätterten  Stengel.  Schon  in 
der  Mitte  des  April  erreichen  die  behaarten  Früchtchen  ihre  Reife  j die 
Stengelblätter  und  die  grossen  wiederholt  dreitheiligen  Wurzelblätter  werden 
schlaff  und  im  Mai  stirbt  die  ganze  Pflanze  vollständig  ab.  Der  welke 
Stengel  erhält  sich  noch  einige  Zeit  und  rings  herum  gehen  bald  wieder 
neue  Blätterbüschel  auf.  Die  Blätter  werden  von  den  Schafen  sehr  gerne 
gefressen,  ertheilen  aber  der  Milch  den  unerträglichen  Asantgestank.  Doch 

werden  die  zarteren  Theile  der  Pflanze  z.  B.  von  den  Afghanen  als  Lecker- 
bissen genossen. 


Die  bräunlichgelbe  bis  violette  Wurzel  der  Asantpflanze  ist  sehr  fleischig 
und  von  zahlreichen  Milchgefässen  durchzogen,  welche  zu  starken  in  mehrere 
Kreise  geordneten  Bündeln  zusammengestellt3)  uud  besonders  im  Frühjahr 
sehr  saftreich  sind.  Auch  die  übrigen  Theile  der  Pflanze  enthalten  'die- 
selben Saftgefässe,  wenigstens  finden  sich  an  den  Doldenstielen  auch  erhär- 
tende  Tröpfchen  von  gelbrother  Farbe  und  fürchterlichem  Asantgeruche. 
Es  scheint  demnach  das  ätherische  Oel  in  der  Pflanze  schon  fertig  gebildet 
vorzukommen  und  nicht  erst  wie  andere  schwefelhaltige  Oele  in  Folge  von 


2 ^tfrRf°°tida  iD  K'U“Pen  fiudet  Sich  häl,fiS  auch  kohlensaurer  Kalk  in  Menge, 
heim  s f.  Wissenschaft!.  Botanik  III.  S.  147)  vermutket,  in  das  Mark 


22 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


Zersetzungen  aufzutreten.  Grössere  braune  Harz -Klumpen  pflegt  der 
ansehnlich  aus  dem  Boden  hervorragende  Wurzelschopf  zu  bergen.  Der  ekel- 
hafte in  der  Nähe  kaum  erträgliche  Geruch  erhält  sich  auch  nach  dem 
Absterben  noch  lange  in  der  Wurzel.  Die  Pflanze  führt  im  aralo-caspischen 
Gebiete  den  Namen  stinkendes  Rohr  (Keurök-Kurai),  bei  den  Persern 
Anguzeh,  woraus  unser  Asa  entstanden  zu  sein  scheint,1)  sowie  auch  das 
chinesische  Awei. 

Nach  Kämpfer  s älteren  Berichten  wird  zur  Zeit  des  Abblühens  der 
Stengel  und  Wurzelschopf  der  etwa  4 jährigen  Pflanze  weggeschnitten,  aber 
der  Wurzelkopf  zum  Schutze  vor  der  Sonne  wieder  mit  Blättern  und  Erde 
gedeckt,  nachdem  er  innerhalb  der  Hülle  blos  gelegt  worden.  Erst  nach 
Monatsfrist  wird  nun  der  Wurzelkopf  angeschnitten,  wieder  bedeckt  und 
am  zweitfolgenden  Tage  das  ausgetretene  erhärtende  Gummiharz  gesam- 
melt, worauf  in  gleichen  Zwischenräumen  von  derselben  Wurzel  noch 
zweimal  Querscheiben  abgeschnitten  werden.  Nach  dieser  dreimaligen  Aus- 
beutung lässt  man  die  Wurzel  1 0 Tage  ruhen  und  schneidet  sie  alsdann 
wieder  wie  angegeben  dreimal  an.  Diesen  beiden  Operationen  folgen  in 
gleichen  Abständen  noch  zwei  weitere  von  je  3 Schnitten. 

Mit  diesen  auf  Luristan  bezüglichen  Angaben  stimmen  ungefähr  die 
neuesten  Berichte  Bellew’s2)  (1863)  sowie  Co ok  e’s3)  aus  Afghanistan 
überein,  welche  aber  eine  andere  gleichfalls  Asant  gebende  Umbellifere, 
N arthex  Asa  foetida  Falconer  betreffen.  Hiernach  werden  im  April  und 
Mai  um  Herat  und  Furrah  auch  jüngere  noch  stengellose  Wurzeln  bearbei- 
tet, nachdem  rings  um  dieselben  eine  kleine  Grube  gemacht  ist.  Die  ge- 
waltige Wurzel,  welche  weit  über  den  Boden  hervorzurageu  scheint,4)  wird 
in  Zwischenräumen  von  3 — 4 Tagen  an  mehreren  Stellen  angeschnitten, 
worauf  der  Saft  während  7 bis  15  Tagen  unaufhörlich  ausfliesst  und  theils 
an  den  oberen  Theilen  zu  Körnern  erstarrt,  theils  sich  rings  um  die  Wurzel 
in  der  Grube  massig  ansammelt.  In  der  Zwischenzeit  während  dieser  Be- 
handlung der  Wurzel  wird  dieselbe  durch  Blätter,  Zweige  oder  Gras  vor 
dem  allzu  raschen  Vertrocknen  geschützt.  Je  nach  ihrer  Grösse  wechselt 
die  Ausbeute  bei  einer  einzelnen  Wurzel  von  wenigen  Unzen  bis  zu  ein  paar 
Pfunden.  Nach  Coolce  wird  immer  an  Ort  uud  Stelle  Gerstenmehl  oder 
Gyps  zugesetzt  und  nur  das  feinste  Produkt,  das  aus  dem  Centrum  des 
Blattbüschels  junger  Wurzeln  gewonnen  wird,  unverfälscht  und  zu  weit 
höherem  Preise  zu  Markte  gebracht.  Nach  dem  nordwestlichen  Indien  ge- 


D Polak,  in  der  bei  Manna  angeführten  Schrift  II.  S.  282.  Andere  leiten,  nicht  viel 
einleuchtender,  von  Laser  ab  und  dieses  wieder  von  Silphion,  Silphi,  Sirphi,  Sirpe,  woraus 
lac  serpicium  und  zuletzt  laserpitium.  Vergl.  Schroff  in  Büchners  N.  Repertor.  XI. 
S.  145  über  Silphium. 

2)  Wittsteins  Viertcljahrsschrift.  XIII  S.  233. 

3)  Pharm.  Journ.  uud  Transact.  V.  p.  583.  (1864).  t 

4)  wie  sich  aus  der  bildlichen  Darstellung  der  Asautgewiuuung  im  Pereira  scheu  Ma- 
nual of  Materia  medica  von  F arre  (London  1865  p.  373)  ergibt. 


Asa  foetida. 


23 


langt  aus  diesen  Gegenden  jährlich  für  2200  Pfd.  Sterling  Asa  foetida,  die 
hier  meist  zu  Küchenzwecken  dient. 

B orszczow  hat  im  Aralgebiete  die  Gewinnung  der  Droge  nicht  ge- 
sehen. Aus  Persien  geht  der  Asant  theils  (wie  bei  Flores  Chinae  erwähnt)  über 
das  Caspi-Meer  nach  Astrachan  zur  grossen  Messe  von  Nischnei-Nowgorod, 
oder  über  Bombay  nach  Europa,  theils  auch  durch  das  Rothe  Meer  nach 
Aegypten.  Der  Betrag  der  letzteren  Ausfuhr  über  Dschedda  erreicht  etwa 
4000  Francs  jährlich. 

Der  weisse  Milchsaft  des  Scorodosma  nimmt  an  der  Luft  sehr  bald  eine 
oberflächliche  zart  rothe , dann  rothviolette,  später  in  braun  übergehende 
Farbe  an,  welche  sich  in  der  käuflichen  Waare  nach  dem  Trocknen  nur 
bis  zu  geringer  Tiefe  fortgeschritten  zeigt,  so  dass  der  wachsglänzende  Kern 
wöiss  bleibt. 

Die  beste  Sorte,  Asa  foetida  in  granis , erscheint  weniger  häufig  im 
Handel  und  besteht  aus  sehr  ungleichen  meist  gelblichen  oder  braunen,  ganz 
unregelmässig  abgerundeten,  bis  etwa  0,03  ra  grossen  Körnern  oder  mehr 
abgeplatteten  Stücken,  welche  je  nach  dem  Grade  ihrer  Weichheit  etwas 
zusammeukleben  oder  nicht.  Im  Innern  sind  sie  wie  Wachs  schneidbar,  in 
nur  wenig  höherer  Temperatur  erweichend  und  klebend,  in  der  Kälte  spröde 
und  ein  Pulver  liefernd,  das  mit  Wasser  leicht  eine  Emulsion  giebt.  Die 
reinsten  Körner  zeigen  sich  unter  dem  Mikroskop  vollkommen  gleichmässig 
aus  feinen  Tröpfchen  gebildet  und  hinterlassen  beim  Verbrenuen  nur  sein- 
wenig  Asche. 

Die  gewöhnlichere  Sorte,  Asa  foetida  amygdaloides , s.  in  massa,  ent- 
hält in  einer  mehr  körnigen  Grundmasse  einzelne  grössere  oder  kleinere  der 
vorigen  Sorte  entsprechende  Stücke  eingebettet,  begleitet  von  mancherlei 
fremden  Beimengungen,  welche  oft  die  Hälfte  des  Gewichtes  betragen.  Sie 
bestehen  aus  Erde,  kohlensaurem  Kalk,  krystallisirtem  Gyps  und  verschie- 
denartigen Pflanzentheilen1).  Die  Farbe  der  ganzen  Masse  wechselt  sehr 
von  schmutzigem  Grau  bis  dunkel  violettbraun.  Oft  sind  die  Mandeln  oder 
Körner  etwas  heller,  bisweilen  fehlen  sie  auch  fast.  Im  Innern  ist  die  Masse 
sowohl  als  die  der  Körner  oder  Mandeln  milchweiss,  an  der  Luft  sehr  bald 
schon  röthhcli  anlaufend,  dann  braun  bleibend.  Das  Auftreten  der  rothen 
Färbung  wird  nicht  durch  Wasser,  wohl  aber  durch  Chlor  beschleunigt, 
während  Salzsäure  und  noch  besser  Salpetersäure  eine  stellenweise  prächtig 
malachitgrüne  Färbung  hervorrufeu.  Wird  Asa  foetida  mit  Vitriolöl  ange- 
rieben, der  Brei  verdünnt  und  die  wenig  gefärbte  Lösung  neutralisirt,  °so 
nimmt  sie  eine  schöne  Fluorescenz  an,  wie  dies  bei  gleicher  Behandlung 
bei  manchen  organischen  Stoffen  der  Fall  ist. 

Der  höchst  unangenehme  Geruch  des  Stinkasants  erinnert  an  Knob- 
lauch. Der  Geschmack  ist  sehr  widerlich,  scharf  bitter  und  aromatisch, 


R Es  dürfte  doch  wohl  schwer  fallen,  hier  den  Beweis  zu  führen,  dass  ein 
Gewebes  in  Gummiharz  vorliege,  wie  Wigand  annimmt. 


Uebergang  des 


24 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


lange  anhaltend.  Meist  zeigt  sich  die  zweite  Sorte  in  Geruch  und  Ge- 
schmack kräftiger  als  die  Körner.  Der  Geruch  der  letzteren  erinnert  bei 
vorsichtigem  Schmelzen  bisweilen  etwas  an  Benzoe. 

Der  Asant  besteht  aus  Harz,  Gummi  und  ätherischem  Oele  in  wechseln- 
der Menge,  welche  das  Verhalten  der  Droge  zu  den  Lösungsmitteln  bedingt. 
Auch  die  in  den  Umbelliferen  vielverbreitete  Aepfelsäure  fehlt  nicht  und 
das  wässerige  Destillat  hält  Essig-  und  Ameisensäure.  Zucker  lässt  sich  in 
dem  Gummiharze  nicht  nachweiseu.  Nur  das  ätherische  Oel  der  Asa  ist 
näher  untersucht.  Es  beträgt  etwa  3 bis  gegen  5 pC.,  das  Harz  meist  über 
die  Hälfte  der  Waare. 

Seines  Schwefelgehaltes  wegen  muss  das  Asa-foetida-Oel  aus  Glasge- 
fässen  destillirt  werden.  Es  ist  hellgelb,  vou  höchst  widrigem  sehr  durch- 
dringendem und  lange  haftendem  Asantgeruche , ohne  Reaction  rflif 
Lakmus,  schmeckt  erst  milde,  dann  kratzend  und  wirkt  äusserlick  nicht 
scharf  wie  das  Senföl.  In  Wasser  ist  das  Asa-Oel  etwas  löslich.  Es  nimmt 
an  der  Luft  saure  Reaktion  au;  verändert  seinen  Geruch  und  gibt,  wie 
übrigens  auch  schon  das  Gummiharz  selbst,  Schwefelwasserstoff  aus.  Frisch 
ist  das  Oel  sauerstofffrei;  es  beginnt  bei  135 — 140°  zu  sieden,  aber  unter 
fortwährender  Entwickelung  von  Schwefelwasserstoff,  so  dass  selbst  Hla- 
siwetz  die  Darstellung  eines  Oeles  von  bestimmter  Zusammensetzung 
nicht  gelang;  der  Schwefelgehalt  wechselte  von  20  bis  25,4  pC.  Es  scheint 
ein  Gemenge  von  Schwefelverbindungen  eines  Radikals  G^H11  zu  sein, 
dessen  Beziehungen  etwa  zum  Allyl  G3H5  (vergl.  bei  Senföl  unter  Semen 
Siuapis  nigrae)  noch  weiterer  Aufklärung  bedürfen,  welcher  der  unerträg- 
liche Geruch  des  rohen  Oeles  sehr  im  Wege  steht.  Das  Asa-Oel  liefert  bei 
Behandlung  mit  Oxydationsmitteln  ausser  Oxalsäure  die  Säuren  der  Fett- 
säurereihe bis  zur  Baldriansäure;  Kalium  bildet  mit  dem  Oele  unter  Gas- 
entwickelung Schwefelkalium,  nach  dessen  Zersetzung  durch  Essigsäure 
das  rückständige  Oel  nun  Zimmtgeruch  besitzt. 

Das  Harz  der  Asa  besteht  grossentheils  aus  der  (1866)  vou  Hlasiwetz 
und  Barth  entdeckten  Ferulas äure  G10  Hlü  O4,  welche  in  irisirenden 
rhombischen  Nadeln  krystallisirt  und  sich  in  kochendem  Wasser  löst.  Mit 
Kali  geschmolzen  liefert  sie  Oxalsäure,  Kohlensäure,  Fettsäuren  und  auch 
Protocateckusäure.  Von  der  Ferulasäure  ist  die  oben  erwähnte  I luoreseuz 
der  schwefelsauren  Asa -foetida- Lösung  bedingt.  Das  Harz  selbst  gibt  in 
gleicher  Weise  ausserdem  auch  Resorcin  wie  Galbanum  (S.  28),  wenn  es 
zuvor  durch  AVeiugeist  und  Wasser  vom  Gummi  befreit  war.  So  gerei- 
nigtes Harz  gibt  beim  Schmelzen  für  sich  grün,  blau,  roth  bis  violett  ge- 
färbte Oele.  Bei  der  unter  Radix  Sumbul  angegebenen  Behandlung  gewinnt 
man  aus  dem  Harze  etwa  0,28  pC.  Umbelliferou. 

Es  bleibt  noch  zu  untersuchen,  ob  zwischen  den  Produkten  von  Scoro- 
dosma  und  von  Narthex  ein  chemischer  Unterschied  besteht. 

Der  Asant  ist  vermuthlich  im  Orient  seit  sehr  langer  Zeit  gebräuchlich 
und  war  auch  den  arabischen  Aerzten  des  XIII.  Jahrhunderts,  nicht  aber 


Asa  foetida. 


25 


den  alten  Griechen  und  Römern  bekannt.  Nach  Borszczow  wenigstens 
ist  es  durchaus  zweifelhaft,  dass  das  Silphion  oder  Laser  der  Alten  unserer 
Asa  entsprach.  Die  europäischen  Berichte  des  XYI.  und  XVII.  Jahrhun- 
derts über  die  Pflanze  und  ihr  Produkt  sind  mangelhaft  bis  auf  Kämpfer, 
den  deutschen  Reisenden,  welcher  1684  in  Südwestpersien  die  Gewinnung 
des  Gummiharzes  sah  und  die  Pflanze  als  Asa  foetida  Disgunensis 
beschrieb.  Linne  nahm  sie  später  als  Ferula  Assa  foetida  auf.  Nach 
Borszczow2),  welcher  1857  und  1858  die  aralo- caspischen  Länder 
durchzog  und  interessante  Nachforschungen  über  die  Asa  foetida  anstellte, 
lässt  sich  aus  Kämpfers  Nachforschungen  und  Angaben  mit  Bestimmt- 
heit die  Identität  seiner  Pflanze  mit  Scorodosma  foetidum  erweisen.  Die 
Pflanze  wurde  erst  1841  durch  Lehmann  östlich  von  Samarkand  wieder 
aufgefunden,  1846  von  Bunge  veröffentlicht  und  1858  und  1859  von 
dem  Letzteren  selbst  in  Persien  beobachtet. 

Inzwischen  hatte  Falconer  1838  in  Kaschmir  eine  riesige  nach  Stink- 
asant riechende  Umbellifere  gefunden,  1846  als  N arthex  Asa  foetida  be- 
schrieben und  mit  Kämpfer ’s  Asautpflanze  identisch  erklärt.  Schon  der 
blattlose  Stengel  unterscheidet  jedoch  Falconer’s  Pflanze  hinlänglich  von 
Scorodosma.  Aber  es  ist  sehr  wohl  möglich,  dass  Narthex  in  der  That, 
wie  oben  nachBellew  undCooke  angeführt,  diejenige  Asa  foetida  ganz 
oder  zum  Theil  liefert,  welche  aus  Afghanistan  und  dem  Pandschab  nach 
Indien  geht.  Schon  Ritter  hatte  angegeben,  dass  Asa  foetida  aus  Sind 
(am  unteren  Indus)  mit  Ochsenkaravanen  nach  Marwar  (oder  Joudpoor)  in 
Radschputana  gehe,  auch  westlich  von  Sind  bei  Kelat  in  Balutschistan 
vorkomme.  Beides  dürfte  sich  auf  Narthex  beziehen,  wie  überhaupt  noch 
andere  Umbelliteren  der  iranisch  - turanischen  Steppen  denselben  oder  doch 
ähnlichen  stinkenden  Milchsaft  führen. 

Die  Früchte  der  Ferula  teterrima  Ivarelin  & Kirilow , einer  noch 
wenig  bekannten  weit  nördlicher  in  der  Dsungarei  vorkommenden  Umbelli- 
feie,  sollen  ebenfalls  sehr  stark  wie  Scorodosma  riechen. 


Galbänum 

Gummi- resina  Galbanum.  Mutterharz.  Gomrne  - resine  galbanum. 

Galbanum. 


Ferula  erubesceus  Boissier.  - Umbelliferae-Peucedaneae. 
Syn.  I . gummosa  Boissier  et  F.  rubricanlis  Boiss. 


Das  häufigere  Vorkommen  dieser  etwa  mannshohen  kräftigen  Doldeu- 
pflanze,  deren  Kenntniss  übrigens  noch  sehr  viel  zu  wünschen  übrig  lässt, 
scheint  sich  auf  den  nördlichen  und  mittleren  Strich  Persiens  zu  beschräu- 


D Disful,  Fluss  und  Stadt  nördlich  von  der  Euphrat-Tigris-  (Schatt-el-Arab)  Mündung. 

J le  pliaimaceutisch  wichtigen  Ferulaceen  der  aralo-caspischeu  Wüste.  Petersbg.  1860. 


26 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


ken.  Sie  wird  angegeben  an  den  Abhängen  des  Eiwend  (unweit  der  Gränze 
Kurdistans  bei  Hamadan),  bei  Chaf  am  Nordostrande  der  grossen  Salz- 
wüste von  Ckorassan,  in  den  Bergen  bei  Subzawar  (Ssäbsewar)  südlich 
von  Herat.  Ganz  isolirt,  aber  in  Menge,  tritt  sie  ferner  am  Demawend  bis 
8000  Fuss  hoch  auf,  stellenweise  auch  im  Nordgebiete  Persiens. 

In  ihrem  Habitus  nähert  sich  diese  Pflanze  mehr  dem  Scorodosma  als 
Dorema,  ist  aber  schwächer  als  beide,  der  Stengel  am  Grunde  zolldick, 
die  sehr  grossen  vierfach  gefiederten  Blätter  mit  grossen  aufgeblasenen 
Scheiden  versehen,  auf  welche  sich  die  obersten  Blätter  beschränken.  Die 
kleinen  Fiederlappen  der  Blätter  herablaufend  und  gewirapert;  Blattschei- 
den, Stengel  und  Früchte  zuletzt  rosenroth  angelaufen. 

Das  Gummiharz  dieser  Ümbellifere  tritt  an)  untern  Theile  des  Stengels 
und  an  den  Blattscheiden  in  grossen  gelben  Tropfen  aus.  Es  wird  nach 
Buhse  am  Demawend,  nach  Borszczow’s  immerhin  nicht  auf  eigener 
Anschauung  beruhenden  Augaben  jedoch  nur  bei  Hamadan  (dem  alten 
Ekbätana)  für  die  Ausfuhr  gesammelt,  Nach  dem  Letzteren  ist  dieses 
Galbanum- Gummiharz  bernsteingelb,  von  stark  aromatischem  Gerüche, 
schwach  bitterem  Geschmacke  und  zwischen  den  Fingern  erweichend.  — 
Da  auch  Buhse  nicht  Augenzeuge  der  Einsammlung  der  Droge  war , so 
bedürfen  alle  diese  Nachrichten  noch  sehr  der  Bestätigung. 

Eine  andere  stark  nach  Galbanum  riechende , etwa  1 Meter  hohe  Um- 
bellifere,  Ferula  Schair,  entdeckte  Borszczow  in  der  lehmigeu  Salz- 
wüste unweit  Fort  Per offski  (Ak  - Metschid)  am  Ssyr-Darja,  östlich  vom 
Aralsee.  Die  Pflanze  heisst  hier  Schair,  was  in  der  Kirgisen-Sprache  Harz 
bedeutet.  Der  Entdecker  hat  von  derselben  in  seinem  bei  Asa  foetida  er- 
wähnten Werke  eine  sehr  schöne  Abbildung  gegeben.  Die  Wachsthums- 
verhältnisse  der  Sckai'r-Dolde  scheinen  mit  denen  des  Scorodosma  überein- 
zustimmen. Freiwillig  ausgetretenes  Gummiharz  bemerkte  Borszczow 
au  der  Pflanze  nicht,  wohl  aber  beim  Anschneiden  des  Stengels  zähen 
aromatisch  bittern  Milchsaft  vom  Gerüche  des  Galbanum. 

Es  bleibt  demnach  dahingestellt,  ob  diese  nicht  weiter  beobachtete 
Dolde  vielleicht  irgendwo  auch  unsere  Droge  liefert. 

Das  persische  Mutterharz  gelaugt  seltener  zu  uns,  häufiger  auf  dem 
schon  bei  Asa  foetida  augedeuteteu  Wege  nach  Russland.  Silier  in  Dor- 
pat 1)  beschreibt  davon  eine  Sorte  in  meist  nur  erbsengrossen  oder  kleine- 
reu Körnern  uud  eine  in  Klumpen  von  sehr  verschiedener  Beschaffenheit. 
Die  hell-  bis  dunkelgelbcu  Körner  backen  etwas  zusammen,  namentlich 
sehr  leicht  beim  Kneten  zwischen  den  Fingern.  Die  gewöhnlich  stark  ver- 
unreinigten  Massen  der  zweiten  Sorte  sind  nach  Silier  von  gelbbräuulicher, 
olivengrüner  bis  grüulichbrauuer  Färbung,  oft  durchsetzt  von  zahlreichen 
gelblichen  Stückchen.  Frische  sehr  kleberige  uud  fast  teigartige  Waare 
riecht  ungemein  scharf  uud  durchdi'iugend,  ältere  bedeutend  schwächer. 


1)  Lehrl).  d.  Pharmacie  (1850)  II.  641. 


Galbanum. 


27 


Nach  Wiggers1)  soll  das  persische  Produkt  niemals  grünlich  aus- 
sehen,  im  Gerüche  aber  an  Stinkasant  erinnern. 

Das  bei  uns  gewöhnlich  vorkommende  Galbanum  besteht  aus  mehr  oder 
weniger  verklebten  kleinen  unregelmässigen,  höchstens  0,0 10m  grossen 
Körnern  von  bräunlich  gelber,  ein  wenig  ins  grünliche  fallender,  selbst 
innen  nur  schmutzig  weisslicher  Färbung.  Der  schwäche  Stich  in  s grün- 
liche unterscheidet  sie  namentlich  von  den  wenigstens  im  Innern  milch- 
weissen  Körnern  des  Ammoniaks,  welches  sich  durchaus  nicht  grünlich  zeigt. 

Eine  geringere  Sorte  in  weichen  Massen  scheint  vollkommen  der  obi- 
gen Schilderung  Siller’s  zu  entsprechen.  In  einer  solchen  finde  ich  Um- 
belliferen-Früchte,  welche  in  jedem  Thälchen  nur  einen  Oelgang  besitzen, 
also  jedenfalls  nicht  einer  Ferula  angehören.  Nach  Wiggers  käme  diese 
bei  uns  gebräuchlichere  Waare,  deren  Verschiedenheit  von  der  in  Russland 
verwendeten  nicht  einleuchtet,  aus  Mittel- Afrika 2 *)  (?)  über  Triest  und  Mar- 
seille. Die  englische  Pharmacopoeia  lässt  ihre  ebenfalls  grünliche  Sorte  aus 
Indien  und  der  Levante  eingeführt  werden,  andere  aus  Arabien. 

Der  eigentliümliche  Geruch  des  Galbanums  ist  sehr  stark  aromatisch, 
weit  weniger  widerlich  als  der  des  Ammoniaks  und  nicht  der  Asa  ähnlich. 
Ebenso  ist  die  Bitterkeit  des  Galbanums  nicht  so  scharf  und  unangenehm, 
zugleich  an  Terpenthin  erinnernd. 

Mit  Wasser  gibt  das  Galbanum  leicht  eine  weisse  Emulsion ; es  ist  reich 
an  ätherischem  Oele,  wovon  Mössmer  (1861)  aus  einer  festen,  aber  nicht 
näher  characterisirten  Waare  etwa  7 pG.  erhielt  und  dasselbe  rechts  roti- 
rend,  mit  Terpenthinöl  gleich  zusammengesetzt  und  zunächst  verwandt 
befand. 

Das  Harz  ist  sehr  weich;  es  beträgt  meist  über  die  Hälfte  und  löst  sich 
nach  Mössmer  in  Kalkmilch  und  Aether.  Bei  100°  längere  Zeit  hindurch 
mit  Salzsäure  erhitzt,  gibt  es  ohne  Bildung  von  Zucker  nach  Sommer 
etwa  0,8  pC.  Umbelliferon  (vgl.  bei  Radix  Sumbul)  und  bei  der  trocke- 
nen Destillation  für  sich  ausser  Umbelliferon  auch  ein  aromatisches  pracht- 
voll blau  gefärbtes  Oel  G20H30G,  welches  constaut  bei  289°  siedet.  Das- 
selbe wird  durch  Natrium  entfärbt  und  zu  farblosem  schwach  riechendem 
Oele  G2uH30  von  254°  Siedepunkt  reducirt.  Wahrscheinlich  steht  jenes 
blaue  Oel  in  Beziehung  zu  dem  Azulen  oder  Coerulein  der  Flores  Charno- 
millae  (vergl.  diese).  Nach  Hlasiwetz  wäre  eine  Spaltung  des  Gal- 
banumharzes  G26H3805  unter  Austritt  von  2H20  in  jenes  blaue  Oel  — 
£20H30G  und  Umbelliferon  = GG  Iil  O2  nicht  unwahrscheinlich.  Die  For- 
mel des  Harzes  würde  verlangen:  C 72,5  pC.,  H 8,8.  Gefunden  wurde: 
C 71,9  bis  72  und  H 8 bis  8,2. 

Durch  Schmelzen  des  Galbanumharzes  mit  Kali  erhielten  Hlasiwetz 


0 Vermuthlich  früheren  Angaben  Ludewig’s  folgend. 

2)  ^as  ma£  die  „Asa  foetida“  sein,  welche  aus  Timbuktu  nach  Marocco  ausgeführt  wird, 

wie  Barth,  Reisen  in  Afrika  V.  37  Note  angibt? 


28 


I.  Püanzenstoffu  ohne  organische  Structur. 


u.  Barth  Krystalle  von  Resorciu  (ungefähr  G pC.)  neben  Oxalsäure 
und  flüchtigen  Fettsäuren.  Die  Formel  des  Resorcius  GßHßG2  ist  zugleich 
die  des  Brenzcatechins  und  des  Hydrochinons  (vergl.  bei  Garnbir  und  bei 
Folia  Uvae  ursi)  und  homolog  mit  der  des  Orcins. 

Das  Gummi  des  Galbanums  ist  nicht  näher  untersucht.  Im  harzig- 
schleimigen  Rückstände  nach  dem  Abdestilliren  des  mit  Terpenthinöl  iso- 
meren Kohlenwasserstoffes  fand  Mössmer  flüchtige  Fettsäuren. 

Salpetersäure  liefert  mit  dem  Harze  des  Galbanums  Camphresin-  und 
Styphninsäure. 

Durch  kalte,  mässig  concentrirte  Salpetersäure  oder  besser  durch  Salz- 
säure wird  mit  Weingeist  befeuchtetes  Galbauum  nach  kurzem  prachtvoll 
violett  gefärbt,  Asa  und  Ammoniak  nicht.  Jedoch  tritt  diese  ausgezeich- 
nete Reaction  nur  bei  der  schönsten  Köruersorte  ein , bei  der  massigen 
nicht,  daher  wohl  zu  vermuthen  ist,  dass  dieselbe  verschiedenen  Ursprun- 
ges ist.  Die  durch  Salzsäure  hervorgerufene  Farbe  hält  sich  einige  Tage. 
Ohne  Zweifel  sind  diese  Reactionen  von  Resorcin  abzuleiten. 

Die  weingeistige  Auflösung  des  Galbanumharzes  reagirt  sauer;  wird 
sie  vorsichtig  mit  Ammoniak  neutralisirt,  so  fluorescirt  sie;  weiterer  Zusatz 
von  Ammoniak  veranlasst  aber  die  Ausfällung  des  Harzes.  — Das  letztere 
für  sich  gibt  die  Salzsäure-Reaetion  am  reinsten. 

Zucker  in  Galbauum  nachzuweisen  gelang  mir  nicht.  Wird  der  wässe- 
rige Auszug  mit  Bleiessig  gefällt,  so  schmeckt  das  von  Blei  befreite  Fil- 
trat nach  dem  Eindampfen  nicht  süss  und  vermag  nicht  Kupferoxyd  zu  re- 
duciren. 

Die  Chalbane  der  Alten  lässt  sich  nicht  zuverlässig  mit  unserem  Gal- 
banum  identificiren ; die  Benennung  stammt  aus  dem  Hebräischen,  wo 
chalob  Milch  bedeutet,  zusammenhängend  mit  halab  im  Arabischen,  'gala 
im  Griechischen,  ebenfalls  für  Milch. 


Ammouiacum. 

Gummi  - resina  Ammouiacum.  Ammoniak  - Gummiharz.  Gomine  - resiue 

ammoniaque.  Ammoniac. 

Dorema  Ainmöuiaeüni  Don.  — Umbelliferae-  Peucedaneae. 

Syn.  Diserneston  gummiferum  Jaubert  und  Spach. 

Die  Ainmoniakpflauze  ist  eine  starke,  nur  wenig  niedrigere  Dolde  als 
Scorodosma  und  ebenso  ausschliesslich  sandigen1)  Standorten  derselben 
Gegenden  angehörig.  Doch  stellt  sich  der  Yerbreitungsbezirk  der  erstereu 
wenigstens  ostwärts  etwas  beschränkter  heraus.  Die  Westgräuze  derselben 
verläuft  vom  Ostufer  des  Aralsees  ungefähr  iu  die  südöstliche  Nachbarschaft 
von  Isfahau , wo  z.  B.  zwischen  der  merkwürdigen  Stadt  Jezdechast  und 


*)  Aomios,  Saud. 


Ammoniacuin. 


29 


Aminabcad  ganze  Dorema- Wäldchen  getroffen  werden  (Polak).  Die  Süd- 
gränze  scheint  hier  zugleich  ihren  äussersten  Punkt  zu  erreichen  und  geht 
von  hier  durch  die  grosse  Salzwiiste  in  gerader  Richtung  nach  Herat.  In 
grosser  Menge  und  immer  von  Scorodosma  begleitet,  tritt  Dorema  dann  be- 
sonders in  den  ungeheuren  Wüsten  westlich  vom  Aral  auf,  besonders 
zwischen  den  Flussbetten  des  Dschang-Darja  und  Kuwan.  Im  Gegensätze 
zu  Scorodosma  überschreitet  jedoch  die  Ammoniakpflanze  den  unteren  Lauf 
des  Ssyr-Darja  (des  alten  Jaxartes)  und  verbreitet  sich  nordöstlich  nach 
dem  südlichsten  Sibirien,  in  die  Kirgisen-Wüsten  um  die  Seen  von  Balchasch 
und  Alakul,  oder  selbst  in  die  chinesische  Dsungarei,  während  sie  dem  Ge- 
biete zwischen  dem  oberen  Ssyr-Darja  und  dem  oberen  Oxus  (Amu-Darja) 
zu  fehlen  scheint.  Zwischen  Caspi-  und  Aral- See  findet  sich  Dorema  so 
wenig  wie  Scorodosma.  In  die  ostpersischen  Hochebenen  und  Gebirge  ge- 
gen die  Gränze  von  Herat  erhebt  sich  Dorema  wenigstens  so  hoch , wenn 
nicht  höher  als  Scorodosma.  Die  kleinen  einfachen  kopfigen  und  weiss- 
lichen  Dolden  des  Dorema  sind  kurz  gestielt  und  ohne  alle  Deckblätter  an 
nicht  sehr  langen  einfachen  ruthenförmigen  Aesten  zerstreut  oder  fast  ge- 
knäuelt  zu  einer  lockeren  endständigen  traubenartigen  Rispe  geordnet.  Die- 
ser Bliithenstand  unterscheidet  sich  demnach  sehr  von  den  grossen  lang- 
gestielten  und  zusammengesetzten  Dolden  des  Scorodosma.  Der  ganze  nur 
Blattschuppen  tragende  Stengel  und  der  Blüthenstand,  auch  die  Unterseite 
der  grossen  bodenständigen  Blätter  sind  reichlich  mit  weissen  Sternhaaren 
bestreut. 

Der  starke  Stengel  ist  aufrecht1),  obwohl  nach  Borszczow’s  schönen 
Abbildungen  zu  schliessen,  bisweilen  wenigstens  etwas  hiu  und  her  gebogen. 

Aus  dem  Wurzelkopfe  entwickelt  sich  jedes  Frühjahr  ein  Büschel  drei- 
theilig  fiederspaltiger  Blätter,  welche  allmälig  einen  dichten  Schopf  ihrer 
abgestorbenen  Theile  zurücklassen. 

Die  graue  oder  schwärzliche  rübenförmige  schwammige  Wurzel  ist  ent- 
wedei  oben  mit  einigen  wenigen  starken  Aesten  versehen  oder  theilt  sich 
an  der  Spitze  in  dünnere  Aeste.  Sie  scheint  durchschnittlich  schwächer 
zu  sein  als  die  Wurzel  des  Scorodosma,  zeigt  aber  dieselben  Vegetations- 
Verhältnisse  und  ist  gleichfalls  bis  nach  dem  Abschlüsse  der  Stengel-  und 
luchtbildung  sehr  reich  an  Milchsaft.  Aber  auch  der  Stengel  und  seine 
Aeste  strotzen  nach  Borszczo  w von  Milchsaft,  welcher  freiwillig , oder 
nach  anderen  Angaben  auch  wohl  in  Folge  des  Stiches  von  Insekten  sehr 
reichlich  anstatt  und  zu  weissen  Körnern  erstarrt,  die  in  verschiedener 
Grosse  von  wenigen  Millimetern  an  bis  zum  Umfange  einer  Nuss,  die  feinste 
b°rte  der  Droge,  Ammoniacum  in  granis , darstellen. 

Aus  der  Untersuchung  eines  zwei  Fuss  langen  in  einer  Wiener  Samm- 
hiug  vorhandenen  Stengels  der  Ammoniakpflanze  schliesst  Vogl,  dass 
jedenfalls  dieser  vorzugsweise  das  Gummiharz  liefere.  Die  Harzgänge  sind 

L Daher  der  Gattungsname:  A<$pu  die  Lanze. 


30 


I,  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


auch  hier  aus  der  Desorganisation  ganzer  Zellstränge  der  verschiedenen 
Gewebe  hervorgegangen,  hauptsächlich  aus  den  Gefässbündeln  des  Markes, 
von  wo  die  Umbildung  nach  aussen  hin  fortzuschreiten  scheint. 

Im  Wurzelschopfe  oder  au  dem  über  den  Boden  herausragenden  Tkeile 
der  W urzel  sammelt  sich,  ebenfalls  wie  es  scheint  nur  freiwillig,  das  Gum- 
miharz in  Klumpen,  Ammoniacum  amygdaloides  s.  A.  in  massa  an. 

Yon  einer  Bearbeitung  der  Wurzel  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  der  Ge- 
winnung des  Stinkasants  ist  nichts  bekannt ; vermuthlich  würde  sich  eine 
solche  wegen  der  geringen  Grösse  hier  nicht  lohnen.  Das  Ammoniak 
scheint  in  der  Gegend  von  Jezdechast  gesammelt  zu  werden,  nach  British 
Pharmacop.  auch  im  Pandschab1),  nach  Borszczow  nur  in  Persien. 

Die  etwas  durchscheinenden  Körner  des  Ammoniaks  sind  von  weisser, 
aussen  bräunlicher,  niemals  röthlicher  oder  grünlicher  Farbe,  wachsglän- 
zend und  wenigstens  in  der  Kälte  spröde  und  lose  oder  etwas  zusammen- 
geklebt. Schon  zwischen  den  Fingern  lassen  sie  sich  erweichen  und  durch 
Wasser  leicht  zur  Emulsion  anreiben.  Der  Geruch  des  Ammoniaks  ist 
eigenthiimlich,  bei  weitem  nicht  so  unangenehm  wie  der  des  Asants,  der 
Geschmack  bitter  und  etwas  scharf,  widerlich  aromatisch.  Frisch  soll  das 
Gummiharz  süsslich  riechen 2).  Grössere  weissliche  Körner  oder  Mandeln 
finden  sich  mit  kleineren  durch  eine  oft  sehr  zurücktretende  gleiche  Grund- 
masse zu  den  äusserlich  etwas  braunen  Klumpen  oder  Kuchen  der  zweiten 
Sorte  dicht  verbunden.  Stengelreste,  Früchte  von  Dorema  und  fremdartige 
Pflanzenreste  pflegen  durchschnittlich  in  nur  geringer  Menge  beigemischt 
zu  sein.  Die  Blätter  der  Pflanze  dienen  frisch  als  Schaffutter. 

Das  Ammoniak  ist  ein  Gemenge  von  ätherischem  Oele  mit  Harz  und 
Gummi  in  wechselnden  Yerhältnissen.  Die  grössere  oder  geringere  Weich- 
heit der  Waare  ist,  wie  bei  allen  ähnlichen  Gemischen,  zum  Theil  auch 
durch  Wassergehalt  bedingt. 

Das  ätherische  Oel  bis  etwa  4 pC.  betragend,  ist  farblos  und  frei  von 
Schwefel , jedoch  ebenso  wenig  näher  untersucht  als  das  Gummi  und  Harz, 
welches  letztere  gewöhnlich  ungefähr  70  pC.  der  Waare  ausmacht. 

Im  Gegensätze  zu  den  meisten  anderen  Umbelliferen  liefert  das  (gerei- 
nigte) Harz  des  Ammoniaks  nach  Sommer  kein  Umbelliferou . hingegen 
in  der  S.  27  erwähnten  Weise  etwas  Resorcin. 

Die  Geschichte  des  Ammoniaks  ist  eben  so  wenig  sicher  herzustellen 
wie  die  der  Asa  foetida,  da  in  keiner  Weise  ermittelt,  überhaupt  gar  nicht 
wahrscheinlich  ist,  dass  das  Amoniakon  des  Dioskorides  aus  der  Oase 
Siwah  (westsüdwestlich  von  Cairo),  wo  im  Alterthum  Jupiter  A m m o n verehrt 
wurde,  mit  dem  Produkte  von  Dorema  Ammoniacum  identificirt  werden 


1)  Bei  Bumiau  westlich  von  Kabul  nach  Percira’s  Manual  of  mnt.  mcd.  Ausgabe  von 
F arre  (Lond.  1865). 

2)  weshalb  bei  den  Kirgisen  die  Stammpflanze  Bal-Kurai,  Honigrohr,  heisst.  In  Persien 
Oscliak  oder  Weschak. 


Olibanum. 


31 


darf.  Dieses  letztere  ist  bis  jetzt  wenigstens  nicht  in  Afrika  aufgefunden, 
sondern  wahrscheinlich  auf  die  erwähnten  iranisch-turanischen  Steppen 
beschränkt.  Hier  wurde  es  erst  durch  Wright  bei  Jezdechast  entdeckt 
und  von  Don  1829  beschrieben. 

Andere  später  in  Persien  beobachtete  Dorema-Arten  scheinen  weniger 
verbreitet  zu  sein  und  kein  Gummiharz  in  den  Handel  zu  liefern.  So  z.  B. 
D.  glabrum  Fischer  & Meyer  und  D.  A.ucheri  Boissier,  welche  mehr  im 
Westen  einheimisch  sind,  auch  noch  in  Armenien,  wo  D.  Ammoniacum 
ganz  fehlt.  D.  paniculatum  Karelin  & Kirilow  in  der  Dsungarei  hält 
B orszczow  für  nicht  verschieden  von  dem  letzteren. 


Olibanum. 

Gummi -resina  Olibanum.  Thus.  Weihrauch.  Encens.  Incence. 

1.  Boswellia  papyrifera  Hochstetter.  — Burseraceae. 

Syn,  Amyris  papyrifera  Delile 

Ploesslea  floribunda  Endlicher 
Boswellia  floribunda  Royle. 

2.  Boswellia  sacra  nov.  spec. 

Boswellia  papyrifera  gehört  dem  Nordosten  Afrikas  an  und  ist  schon 
seit  Her  odot  nachgewiesen  längs  der  Somaliküste  vom  Cap  Guardafui  an  bis 
in  einigen  Abstand  von  Berbera  und  durch  das  Flussgebiet  des  Blauen  Nils 
(Fatsokl)  mit  Mimosen  ganze  Wälder  bildend  bis  Kordofan.  Bei  Chartum 
und  weiter  abwärts  scheint  der  Baum  zu  fehlen. 

Ein  zweiter  Weihrauchbaum,  der  hier  als  Boswellia  sacra  einge- 
führt werden  möge,  findet  sich  in  ungeheurer  Menge  in  dem  uralten  Weih- 
rauchlande, einem  beschränkten  Saume  (Sahil  arabisch)  der  mittleren  Süd- 
ostküste Arabiens,  heutzutage  meist  Mahrah , in  der  Bibel  Scheba  genannt. 
Dieser  schmale,  durch  Fruchtbarkeit  höchst  ausgezeichnete  Landstrich 
zwischen  Cap  (Ras)  Nus  und  Cap  Schedscher  (Seger,  Sajar,  Schär,  Dsched- 
scher)  erhebt  sich  gegen  das  Innere  allmälig  zu  vegetationsreichen  Hügeln 
und  steigt  endlich  durch  ein  nur  von  Weihrauchbäumen  bestandenes  sonst 
kahles  bis  5000  Fuss  hohes  Kalkgebirge  (Nedschdi)  zu  der  grossen  centralen 
Wüste  Arabiens  hinan.  Morbat,  al  Ahmar,  Thafar1)  und  weiterhin  Dunkot 
sind  als  Hauptplätze  dieser  Weihrauchproduktion  zu  bezeichnen  und  bis  in 
das  höchste  Alterthum  zu  verfolgen. 

Durch  Russegger,  Hochstetter,  Schimper  und  Yaughan  ist 
Ohwe  la  papyrifeia.  hinreichend  bekannt  geworden,  da  der  massenhaft 
au  re  en  e aum  sich  höchst  phantastisch  und  eigentümlich  darstellt. 

9nV  rUfen  onanUSdickeU’  °ben  etwa  nur  1 Fuss  starken  und  höchstens 

nss  o en  Stamme  streckt  er  lange  ruthenförmige  Zweige  aus,  welche 


0 Dhofar  auf  der  englischen  Admiralitätskarte,  Sephftr  oder  Zafar  im  Alterthum. 


32 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 

im  December  blühen  und  im  April  reife  Früchte,  aber  wenig  zahlreiche 
Blätter  nur  vom  Juni  bis  October  tragen.  Vom  Stamme  lässt  sich  die 
braune,  geöltem  Papier  ähnliche  Aussenrinde  in  äusserst  dünnen  festen 
Blättern  leicht  abziehen. 

Nach  einer  Vermuthung  Henkel ’s1)  wäre  der  Weihrauchbaum  von 
der  Somaliküste  nicht  identisch  mit  B.  papyrifera.  Hanbury  besitzt,  zu- 
folge  gütiger  Privatmittheilung  (Juni  1864),  von  dort  drei  verschiedene 
Boswellia- Arten,  wovon  eine  den  unten  zu  erwähnenden  Matti- Weihrauch 
liefert. 

Von  Boswellia  sacra  liegt  nur  eine  dürftige  Abbildung  und  Beschrei- 
bung 2 3)  Carter  s vor,  welcher  bei  Gelegenheit  der  englischen  Küstenauf- 
nahme den  Baum  Ende  Mai  1846  mit  Blättern,  Bliithen  und  Früch- 
ten bei  Rakheote  an  dem  oben  genannten  Cap  Schedscher  traf.  Die  Ge- 
stalt der  unpaarigen,  etwas  krausen ")  stumpf  eiförmigen  Fiederblättchen, 
7 bis  1 3 an  der  Zahl,  scheint  mir  offenbar  von  denen  der  B.  papyrifera, 
welche  entschieden  lanzettlich  und  viel  länger  sind,  abzuweichen.  Vielleicht 
ist  auch  der  Bliithenstand  der  B.  sacra  einfacher  und  die  bimförmige  Frucht 
von  halber  Grösse  einer  Olive,  mehr  gedrungen.  Das  gleichzeitige  Vorkom- 
men von  Blättern,  Blüthen  und  Früchten  dürfte  auch  sehr  ins  Gewicht  fallen. 

In  der  uralten  Cultur  der  Länder  zwischen  dem  persischen  Busen,  dem 
rothen  und  mittelländischen  Meere  mit  Einschluss  Aegyptens  war  Weih- 
rauch das  am  allgemeinsten  und  frühesten  gebrauchte  Genussmittel  aus  der 
Klasse  des  Rauchwerkes. 

W ährend  im  hohen  Alterthum  der  Weihrauch  aus  Mahrah  durch  Kameel- 
karavanen,  deren  Richtung  Sprenger4)  festgestellt  hat,  ganz  zu  Lande 
nach  den  phönikisch-hebräischen  Gegenden,  besonders  nach  Gaza,  bezogen 
wurde  und  später,  vermischt  mit  dem  ostafrikanischen  Produkte,  seinen  Weg 
durch  das  Rothe  Meer  über  Suez  nach  dem  Abendlande  nahm , schlägt  er 
jetzt,  wie  auch  die  Myrrhe,  durch  ausschliessliche  Vermittelung  der  Englän- 
der fast  immer  den  Weg  über  Bombay  ein.  Die  afrikanische  Waare  wird 
zum  Theil  aus  Berbera  und  Zeila  erst  uach  Aden  oder  Makalla  geschafft. 
Die  Somaliküste  liefert  jetzt  jährlich  nur  für  ungefähr  300,000  Francs  Weih- 
rauch nordwestwärts  durch  das  Rothe  Meer  über  Dschidda5). 

Der  meiste  Weihrauch  stammt  heutzutage  nach  Hanbury ’s  Ermitte- 
lungen von  der  Somaliküste  und  gelangt  über  Indien  nach  Europa.  Daher 
wurde  hier  seit  der  Festsetzung  dieser  Bezugsrichtung  von  einem  indi- 


1)  Tn  Büchner  s Repertor.  XIII.  10.  (1864).  — Vcrgl.  auch  Vaughan  in  Cannstatt’ s 
(Wiggers)  Jahresbericht  1852.  S.  83. 

2)  Die  Abbildung  genau  wiedergegeben  in  der  Schweiz.  Wochenschrift  für  Pharm.  18G4. 
No.  20.  — Auch  Wittsteins  Vierteljahrsschrift  XIII.,  S.  526,  doch  ohne  die  Abbildung. 

3)  Als  kraus,  kurz  und  breit  hatte  auch  Cruttendcn  (1837)  schon  die  Blätter  des  bei 
Dhofar  gefundenen  Weihrauchbäumes  bezeichnet. 

4)  Ausland  1866.  S.  350. 

■r’)  v.  Krem  er,  in  dem  bei  Herba  Cannabis  angeführten  Werke. 


Olibanum. 


33 


sclien  Weihrauch  gesprochen,  über  dessen  Herkunft  sich  dann  ein  völli- 
ges Missverständnis  einschlich,  als  Colebrooke  1809  bei  Nagpur  mitten 
in  Vorderindien  die  Boswellia  serrata  auffand.  Diese  vom  Ganges-Gebiet 
bis  zur  Coromandelküste  verbreitete  und  den  ächten  Weihrauchbäumen  nahe 
verwandte  Art  gibt  ebenfalls  ein  aromatisches  Harz  oder  Gummiharz,  das 
in  jenen  Gegenden  den  Weihrauch  ersetzt,  aber  niemals  in  grösserer  Menge 
in  den  europäischen  Handel  gelangt  ist.  Trotzdem  wurde  bis  in  die  neueste 
Zeit  B.  serrata  als  Quelle  eines  angeblich  aus  Indien  nach  Europa  kom- 
menden Weihrauches  betrachtet. 

In  Folge  von  Einschnitten  in  den  Stamm  des  Weihrauchbaumes  fliesst 
der  milch weisse  Q Saft  sehr  reichlich  aus  und  wird  nach  dem  Eintrocknen 
theils  als  beste  Sorte  vom  Baume  selbst  gesammelt,  theils  weniger  rein  vom 
Boden  aufgelesen.  Hierauf  sind  wohl  je  nach  der  Auswahl  die  fünf  Sorten 
der  somalisch -arabischen  Waare  hauptsächlich  zurückzuführen,  welche 
Vaughan  aufgezählt  hat.  Ob  die  von  demselben  hervorgehobeue  Thatsache, 
dass  der  arabische  Weihrauch  aus  Malirah  in  Bombay  am  höchsten  bezahlt 
werde,  in  einer  bedeutenderen  Verschiedenheit  des  Produktes  der  B.  sacra 
ihren  Grund  habe,  ist  vorerst  nicht  ersichtlich. 


. NtUh  H a u b u ry  ’s  Beurtheiluug  der  von  Vaughan  erhaltenen  Proben 
ist  wenigstens  die  eine,  Luban-Matti  genannt  und  von  der  Somaliküste  stam- 
mend, durch  Citronengeruch2)  sehr  ausgezeichnet,  worin  eine  Bestätigung 
der  Angabe  hegt,  dass  Nordostafrika  verschiedene  Weihrauchbäume  berge. 
Darunter  mag  auch  wohl  B.  sacra  sein. 

Die  schönste  Sorte  des  in  unserm  Handel  vorkommenden  Weihrauchs 
bildet  sehr  unregelmässige  lose,  bis  einige  Centimeter  grosse  Körner  oder 
mehr  m die  Lange  geflossene  Stalaktiten,  abwechselnd  mit  kleinen  kuge- 
ligen. bim-  oder  keulenförmigen  oder  traubenartigen  Stücken.  Oft  sind  sie 
von  ansehnlichen  Spalten  durchsetzt  und  tragen  auch  da  und  dort  noch 
anhangende  Rinde  oder  Lappen  des  braunen  Papierkorkes,  der  die  Boswellia 
auszeichnet.  Nach  Wigand3)  gibt  es  auch  dickwandiges,  Harz  ein- 
schhessendes  Rindengewebe,  welches  unverkennbare  üebergänge  in  die 
homogene  Gummiharzmasse  darbietet  oder  unregelmässig  von  letzterer 
wUeiss  'U7m  1St  -5S*“be  des  Weihrauches  schwankt  zwischen  gelblich- 

durchsrh  C-  J T 7haCrWeiSS‘  KklUere  weuiS  gefarbte  Körner  sind  trübe 
durchscheinend  die  Splitter  ziemlich  durchsichtig;  grösseren  fehlt  auch 

abgesehen  von  der  weisslicken  Bestäubung,  die  Dichtigkeit  gl  m 

l hB  T"*“”1  ',achs8'to"‘l-  Geringere  Sorten 

In  f ““umeiihängeiid  und  mitPflanzenresteu  verunreinigt. 

In  Wasser  zerfallt  der  Weihrauch  hei  nur  wenig  erhöhter  Temperatur 


»ad  du  d*L“  d*S  B“chi'ch<l  ,,b"”b  «rabische  lubin 

3!  fnChr  h - T0111101  fttUd  das  01ibanumül  «ach  Citronen  riechend 
3)  In  der  bei  Tragacantha  erwähnten  Abhandlung  p.  146. 

Vluckiger  Pharmakognosie. 


34 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


leicht  und  gibt  eine  neutrale  trübe  Flüssigkeit,  worin  das  Mikroskop  grosse 
Oeltropfen  zeigt.  Schon  im  Munde  wird  er  knetbar  und  schmeckt  dabei 
nicht  uuaugeuehm  aromatisch,  kaum  merklich  bitterlich  und  schleimig. 
Deutlicher  tritt  der  angenehme  Geruch  beim  Schmelzen  des  Weihrauches 
auf,  welches  nur  unter  theilweiser  Zersetzung  vor  sich  geht.  Das  specifi- 
sche  Gewicht  ist  ungefähr  1,2. 

Das  Harz  scheint  durchschnittlich  mehr  als  die  Hälfte  auszumachen. 
Die  weingeistige  Lösung  reagirt  schwach  sauer,  trübt  sich  aber  bleibend 
mit  Kalilauge.  Das  ätherische  Oel,  uach  Eraconnot  8pC.,  nach  Sten- 
liouse  4pC.  betragend  und  bei  162°  C.  kochend,  ist  vermuthlich  grössten- 
theils  ein  mit  Terpenthiuöl  isomerer  Kohlenwasserstoff. 

Das  Gummi  scheint  zum  Theil  als  Bassorin  vorhanden  zu  sein.  Beim 
Verbrennen  bleiben  3 pC.  Asche  zurück. 

Mit  Weingeist  und  Salzsäure  oder  Salpetersäure  befeuchtet,  zeigt  der 
Weihrauch  keine  auffallende  Veränderung. 


Myrrha. 

Gummi- resina  Myrrha.  Myrrhe.  Myrrhe.  Myrrh. 

Balsainodeudrou  Ehrenbergianum  Berg.  — Burseraceae. 

Diese  unzweifelhaft,  wenn  auch  vielleicht  nicht  ausschliesslich  unsere 
Myrrhe  liefernde  Art  ist  von  E hrenberg  1825  im  südarabischen  Küsten- 
striche (el  Tehameh)  am  Rothen  Meere,  unweit  Dschison  (Gison.  Dizon), 
der  Insel  Farsau  Kebir  gegenüber,  sowie  auf  den  nahen  Bergen  Djara  und 
Kara  aufgefunden  worden. 

Vor  der  Eh renberg’schen  Reise  (1820—1826)  galt  Balsamophloeos 
KatafBerg,  die  frühere  Amyris  Kataf  Forskol’s,  als  Stammpflanze,  scheint 
aber  keine  Myrrhe  zu  liefern. 

Als  Myrrhenpflanze  hatte  Nees  von  Ehrenberg  eine  ebenfalls  durch 
diesen  in  der  arabischen  Wüste  gesammelte  Art  erhalten  und  in  der  be- 
kannten Düsseldorfer  Sammlung  officineller  Pflanzen  (Tafel  357)  als  IJal- 
samodendron  Myrrha  Nees  abgebildet.  Erst  Berg  hat  (1862)  den  Nach- 
weis geliefert,  dass  im  Ehre nberg’schen  Herbarium  zwei  ähnliche  Arteu 
vorhanden  sind,  wovon  gerade  die  durch  N ees  beschriebene  und  abgebildete 
nicht  als  Myrrhe  liefernd  bezeichnet  ist.  Die  andere  von  Berg  entdeckte, 
in  seiner  Darstellung  und  Beschreibung  officineller  Gewächse  vortrefflich 
charakterisirte  und  nach  Ehrenberg  benannte  Art  hingegen  trägt  von  des 
letztem  Hand  eine  Bemerkung1),  welche  zur  Annahme  berechtigt,  dass  in 
derselben  die  wahre  Stammpflanze  der  Myrrhe  anzuerkennen  ist. 

Wenn  neuerdings  Hartmann2)  sowie  Schweinfurtli3)  den  ächten 


1)  „ex  hinc  simillima  arbore  ad  Gison  ipse  Myrrliam  effluentem  legi.‘  (Berg.) 

2)  Reisen  des  Frhrn.  v.  Barnim. 

3)  Flora  1865.  No.  81  p.  493  und  Petermanu's  Mittlieiluugen  IX.  S.  384. 


Myrrha. 


35 


Myrrhenbauin  auch  in  Abyssinien,  letzterer  Botaniker  z.  B.  in  den  gramti- 
schen und  basaltischen  Bischarin-Bergen  unweit  der  Küste  zwischen  Suakin 
und  Cap  Edineb  (Elba  oder  Olba),  gefunden  haben  wollen,  so  bezieht  sich 
dieses  Vorkommen  wohl  auf  Bahamodendron  Güeademe  Kuuth  (Amyris 
Opobalsamum  Forskol),  dessen  Harzsaft  der  früher  so  hochberühmte  Mekka- 
Balsam  ist.  Bisher  war  diese  Art  nur  aus  Arabien  bekannt1). 

Balsamodendron  Ehrenbergianum  ist  ein  ästiges  Bäumchen  mit  büsche- 
ligen  gedreiten  und  feinbehaarten  ganzrandigen  Blättern.  B.  Myrrha  unter- 
scheidet sich  durch  stachelige  Zweige , kahle , ungestielte  und  gesägte 
Blättchen. 

Schweinfurth  schildert  seinen  Myrrhenbaum  zur  Zeit  des  Blatt- 
wechsels einer  entlaubten  Birke  oder  Trauerweide  ähnlich,  die  duften- 
den Ruthenzweige  von  köstlichem  Harze  strotzend,  die  zarte  Rinde  ab- 
blätternd. 

Nach  Bergs  Untersuchung  lässt  sich  das  Vorkommen  der  Balsam- 
gänge, wenigstens  in  B.  Ehrenbergianum  völlig  mit  dem  der  entsprechenden 
Gange  m älteren  Stämmen  von  Pistacia  Lentiscus  (vergl.  bei  Mastix)  ver- 
gleichen. Wie  hier  der  Mastix,  so  scheint  auch  die  Myrrhe  nur  dem  Bast- 
parenchym anzugehöreu. 

Nach  Ehreuberg  fliesst  die  Myrrhe  freiwillig  als  dicklicher  blassgelber 
Satt  aus  und  nimmt  erst  beim  Trocknen  röthliche  oder  braune  Färbung  an. 
Ub  das  Austreten  des  Gummiharzes  irgendwo  auch  durch  Einschnitte  be- 
iordert werde,  ist  nicht  bekannt. 


Aus  dem  westlichen  Südarabien  geht  die  Myrrhe  grösstentheils  über 
Bombay  nach  Europa,  nur  ein  sehr  geringer  Theil  heutzutage  noch  über 
Dschidda  und  Suez.  Da  nach  Vaughan  die  Myrrhe  auch  auf  der  grossen 
Messe  zu  Berbera  an  der  Somali-Küste  erscheint  und  von  da  nach  dem 

tie  schon  sT  t*  Weiter  Dach  Bombay)  geht,  so  muss  auch, 

e schon  Strabo  und  Dioskorides  erwähnten,  das  gegenüberliegende 

Nordostafrika  gleichfalls  etwas  von  dieser  Droge  liefern"  obgleich  uns 

genaue16  Aufschlüsse  von  hier  noch  mehr  als  aus  Arabien  abgehen.  Mög- 

ÄhaSÄ16  PflaDZen  dUe  %rrhe  “ 

Das  Aussehen  der  MyiThe  ist  wenig  gleichmässig.  Sie  bildet  uimestaltete 
löcherig  MaS8' V{7v  mehr  als  f-"StgroSse 

bm™  tademX  qrt  , ' “ “ ’Wankt  zwische"  8<™ich,  röthlich  und 
oft  wei  Mer  .ff  entweder  gleichförmig  oder  aussen  dunkler,  innen 

BrU  st fe  TT  u W6iSS  Seflee^t  oder  geadert  sind.  Der 
" l • ’ g mend’  eher  klemkörnig  als  glatt  und  grossmuschelig-  die 
Splitter  wenig  durchscheinend.  Wasser  löst  den  grössten  Theifzu  ein  r 

ungefärbten  Tropfen  bestehenden  Emulsion  auf  worin 
ooter  dem  Mikroskop  schön  gelbe  Körnchen  des  Harzes  sichtbar  werden 


1}  VergL  Ubei'  dieselbe  Bor8  iü  Zeitung  XX.  (1862)  S.  153.  162. 


8* 


36 


I.  Pflanzenstoife  ohne  organische  Structur. 


Weingeist  lässt  eckige  nicht  krystalliuische  Stückchen  zurück  und  löst  das 
Harz.  Hierbei  kommen  auch  braune  Stückchen  der  Borke  des  Myrrhen- 
bäumchens zum  Vorschein,  welche  nach  Wigand  einzelne  Gewebspartieeu 
in  unverkennbarer  Metamorphose  darbieten,  so  dass  auch  hier  die  Ent- 
stehung des  balsamischen  Gummiharzes  auf  einer  Umbildung  und  Verflüs- 
sigung der  Zellwand  beruht  wie  bei  Tragantli.  Ich  finde  im  Parenchym  nur 
zahlreiche  kleine  Balsamgänge,  welche  ganz  an  die  entsprechenden  Gebilde 
in  den  Wurzeln  der  Compositen  oder  Umbelliferen  erinnern.  Der  Geruch 
der  Myrrhe  ist  eigenthümlich,  schwach  aromatisch  und  nicht  unangenehm. 
Sie  schmeckt  bitterlich  und  anhaltend  kratzend.  Beim  Kauen  klebt  sie  ver- 
möge ihres  bedeutenden  Gehaltes  an  Gummi  stark  au  den  Zähnen.  Das- 
selbe beträgt  in  der  That  40  bis  60  pC.  der  Droge,  das  Harz  gegen  die 
Hälfte  oder  weniger.  Das  Gummi  ist  zum  Theil  durch  Bleizuckerlösung 
fällbar,  also  vom  arabischen  Gummi  verschieden.  Mit  Weingeist  und  etwas 
Salpetersäure  oder  Salzsäure  befeuchtet  nimmt  das  Harz  langsam  eine  trüb 
violette  Färbung  au,  ähnlich,  doch  lauge  nicht  so  schön  wie  das  Galbauum- 
Harz.  Doch  scheint  nach  vorläufiger  Mittheilung  vonHlasiwetz  u.  Barth 
(1864)  die  Myrrhe  beim  Schmelzen  mit  Kali  in  der  bei  Galbanuin  augedeu- 
teten Art  nicht  Resorcin , sondern  einen  andern  krystallisirbaren  Körper  zu 
liefern.  Das  Harz  ist  zum  Theil  löslich  in  Alkalien,  auch  in  Schwefelkohlen- 
stoff. Nur  die  von  letzterem  gelöste  Hälfte  gibt  die  Reactiou  mit  Salpeter- 
säure (Hager).  In  Chloroform  und  Weingeist  löst  sich  das  Harz  ganz; 
durch  Eisenchlorid  wird  die  letztere  Lösung  nur  wenig  dunkler  gefärbt. 

Die  farbigen  Reactionen  mit  Salzsäure  und  Salpetersäure  kommen  auch 
dem  ätherischen  Oele  zu,  wovon  die  Myrrhe  2 bis  bis  3 pC.  liefert.  Dieses 
Myrrhol  scheint  nach  Ruickoldt  der  Formel  Glu  H14  G zu  entsprechen, 
wonach  es  mit  Thymol  (vergl.  bei  Folia  Thymi)  und  Carvol  isomer  wäre. 
Die  chemischen  Eigenschaften  des  Myrrhols  sind  aber  sehr  abweichend. 
Es  zieht  Sauerstoff  an,  wird  dunkler,  verdickt  sich  und  enthält  schliesslich 
Ameisensäure.  Daher  gibt  auch  ältere  Myrrhe  ein  saures  Destillat. 

Nach  Gladstone  (1863)  zeigt  das  Myrrhenöl  1,018  spec.  Gewicht 
und  eine  ganz  auffallende  Linksdrehung  der  Rotatiousebeue  (136°). 

Beim  Erwärmen  der  Myrrhe  mit  Kalilauge  entwickelt  sich  Ammoniak. 

Ob  in  der  Myrrhe  auch  ein  eigener  Bitterstoff  vorkömmt,  ist  noch  zu 
ermitteln.  Zucker  ist  wenigstens  iu  irgend  erheblicher  Menge  nicht  uaeli- 
zuweisen. 

Die  Myrrhe  ist  seit  den  ältesten  Zeiten  neben  Weihrauch  als  Räucheruugs- 
mittel  und  Medicament  in  Anwendung  gewesen.  Der  Name  scheint  aus 
dem  Hebräischen  zu  stammen  und  findet  sich  schon  im  alten  Testament.1) 
Dunkel  ist,  was  im  ersten  Jahrhundert  nach  Christus  der  berühmte  Periplus 
(Umschiffung)  des  Rothen  Meeres  über  die  hier  Stakte  genannte  Myrrhe 


1)  Exodus  XXX,  28.  --  Hohelied  V,  5 u.  13. 


Lactucarinm. 


37 


berichtet  und  Doch  unklarer  die  Beschreibung  der  acht  Sorten  Myrrhe, 
welche  Dioskorides  gegeben. 

Der  Myrrhe  beigemischt  finden  sich  oft  Stücke  arabischen  Gummis, 
welche  den  Geruch  und  Geschmack  der  ersteren  angenommen  haben. 

Als  Bdellium  bezeichnet  man  Stücke  eines  ebenfalls  hier  und  da  unter 
der  Myrrhe  vorkommenden  Gummiharzes,  das  dunkler  ist,  schärfer 
bitter  schmeckt  als  Myrrhe  und  sich  von  derselben  bei  aller  Aehnlichkeit 
doch  leicht  dadurch  unterscheidet,  dass  weder  die  weingeistige  Lösung 
noch  die  Substanz  selbst  mit  Salpetersäure  oder  Salzsäure  die  rothviolette 
Farbe  gibt.  Auch  tritt  die  als  aus  Afrika  stammend  bezeichnete  Sorte  des 
Bdellium  an  Wasser  nur  etwa  lOpC.  ab,  da  das  Gummi  in  der  Form  von 
Bassorin  vorhanden  ist. 

Man  leitet  das  Bdellium  ah  von  Balsamodendron  africanum  Arnott 
(Heudelotia  africana  Guillemin  u.  Perrottet),  welcher  Strauch  aber  Sene- 
gambien  angehört,  oder  von  B.  Mu.kul  Hooker,  in  Sindh  (am  untern  Indus) 
und  dem  benachbarten  Balutschistau.  Wie  sich  Bdellium  aus  so  entlegenen 
Ländern  unserer  Myrrhe  beimischen  könnte,  ist  aber  schwer  einzusehen. 

Schon  in  der  alten  Welt  spielte  Bdella  oder  Bdellion  aus  Indien  und 
Gedrosia  (Südpersien)  eiue  Rolle  neben  der  Myrrhe.  Seine  Geschichte  ist 
noch  dunkler  als  die  der  letztem. 


Lactucarium.  , 

Lactuca  virosa  L.  — Compositae-Cichoriaceae. 

Der  Giftlattich  ist  an  felsigen  Stellen  und  in  Hecken  des  westlichen  und 
südlichen  Europas  durch  Frankreich  bis  nach  dem  südlichen  England  zu 
Hause,  doch  bei  weitem  nicht  allgemein  verbreitet.  In  Deutschland  ist  sein 
Vorkommen  auf  wenige  Punkte  des  südlichen  und  mittleren  Rheingebietes 
beschränkt,  in  der  Schweiz  auf  das  Wallis  und  den  südwestlichen  Jura. 
Dem  Norden,  auch  schon  Südsibirien,  scheint  der  Giftlattich  zu  fehlen. 

Die  mannshohen  einjährigen  Stengel  sind  mit  zahlreichen  zerstreuten, 
scharf  gezähnten  Blättern  besetzt,  welche  der  Pflanze  auch  dadurch  ein 
besonderes  Aussehen  verleihen,  dass  sie,  vom  Stengel  fast  wagerecht 
abstehend,  mit  der  breiten  eiförmigen  Fläche  etwas  um  ihre  Axe  gedreht 
sind  und  am  Grand  den  Stengel  mit  tief  herzförmiger  Basis  umfassen  Die 
zahlreichen  kleinen  gelben  Blüthenköpfchen  bilden  eine  sehr  verzweigte 
Rispe. 

Alle  grünen  Theile  der  Pflanze,  auch  derBlüthenboden,  sind  von  einem 
Gefasststem  durchzogen,  welches  bei  der  Verwundung,  zumal  während 
der  Bluthezeit,  augenblicklich  weisseu  Milchsaft1)  hervorquellen  lässt.  Der 
anfangs  derb  markige,  später  hohle  Stengel  verdankt  seine  Festigkeit  einem 
zwar  schmalen,  aber  völlig  geschlossenen  Kreise  von  etwa  30  kurz  radialen 


L Daher  auch  der  Name  der  Pflanze:  lac,  die  Milch. 


38 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


Holzbündeln.  Vor  jedem  derselben  steht  eiu  Cambialstrang,  der  durch  Aus- 
läufer mit  den  benachbarten  verbunden  ist  und  gewöhnlich  auch  ein  Bast- 
bündel  enthält.  Au  der  Gränze  zwischen  dieser  Cambium-  und  Bastzone  und  der 
Mittelrinde  streicht  das  System  der  Milchsaftgefässe  ’),  auf  dein  Querschnitte 
einen  einfachen  oder  doppelten  Kreis  dünnwandiger  Röhren  darbietend, 
dereu  Höhlung  dunkelbraune  Klumpen  des  geronnenen  Saftes  zeigt.  Auf 
dem  Längsschnitte  erweisen  sie  sich  in  ganz  ähnlicher  Art  verzweigt  und 
quer  verbunden,  wie  die  Milchsaftgefässe  von  Taraxacum.  Die  ansehnlich- 
sten dieser  Röhren,  von  35  Mikromillimeter  Durchmesser,  entsprechen  in 
Lactuca  ihrer  Stellung  nach  ziemlich  regelmässig  den  Gefässbnndeln.  Von 
dem  weitmaschigen  Markgewebe  ist  jeder  der  letzteren  ebenfalls  durch  einen 
Strang  oder  Bogen  von  Cambium  abgegränzt,  in  dessen  Peripherie  sich  ein- 
zelne schwächere  Milchgefässe  auch  vorfinden.  Das  System  derselben  ist 
also  ein  doppeltes,  einerseits  dem  Marke,  anderseits  der  Rinde  angehörig, 
beide  durch  das  saftfreie  Holz  geschieden.  Die  Milchsaftgefässe  der  Rinde 
sind  von  nur  4 bis  6 Reihen  nach  aussen  an  Grösse  rasch  abnehmender  Pa- 
reuchymzellen  der  Mittelrinde  und  diese  selbst  von  einer  nicht  sehr  dick- 
wandigen Oberhaut  bedeckt,  so  dass  leicht  ersichtlich  ist,  wie  der  geringste 
Schnitt  oder  Stich  gerade  die  reichsten  Milchsaftschläuche  treffen  kann. 

An  der  Luft  erhärten  die  Tropfen  des  Milchsaftes  bald  zu  dunkel  gelb- 
braunen innen  weisslicken  Klümpchen,  welche  in  grösserer  Menge  von  kul- 
tivirtem  Giftlattich  gesammelt,  zu  Kugeln  von  etwa  0,()4m  Durchmesser  ver- 
einigt und  vor  dem  völligen  Trocknen  in  acht  ungefähr  gleiche  Theile  zer- 
schnitten werden.  In  derartigen  Kugelsegmenten,  oder  auch  in  weniger 
regelmässigen,  ziemlich  harten  zerreiblichen  Stücken  von  graubrauner,  nur 
im  Innern  noch  weisslicker  Farbe  pflegt  das  Lactucarium  germanicum 
im  Handel  vorzukommen. 

Es  besitzt  in  hohem  Grade  den  eigenthümlicken  narkotischen  Geruch 
der  Pflanze  und  schmeckt  äusserst  bitter.  Mit  Ausnahme  einzelner  gelber 
Harzklümpchen  lassen  sich  im  Lactucarium  durch  das  Mikroskop  besondere 
Bestandtheile  nicht  unterscheiden ; im  polarisirten  Lichte  verräth  sich  aber 
die  krystalliniscke  Beschaffenheit  der  Masse  durch  die  Doppelbrechung, 
welche  viele  Tlieilchen  darbieten.  Es  ist  ein  Gemenge  sehr  verschiedener 
organischer  Stoffe,  denen  sich  bis  zu  8 pC.  (auf  Trockensubstanz  bezogen) 
anorganische  beigesellen,  weshalb  es  auch  von  keinem  Lösungsmittel  voll- 
ständig aufgenommen  wird  und  in  der  Wärme  nur  erweicht,  nicht  schmilzt. 
Unter  Zusatz  von  Gummi  kann  es  in  Emulsion  gebracht  werden.  Durch 
Weingeist,  Aether  oder  ätherische  Gele  lässt  sich  dem  Lactucarium  bis  zur 
Hälfte  seines  Gewichtes  Lactuceriu  oder  Lactucon  G16H2,i0  entziehen 
und  in  schmelzbaren  Krystallen  erhalten.  Dasselbe  ist  völlig  indifferent  und 
seine  chemischen  Funktionen  noch  nicht  erforscht.  Weingeist  nimmt  ferner 


1)  sehr  schön  dargestellt  in  Haustein,  die  Milchsaftgefässe  und  verwandten  Organe  der 
Rinde.  Berlin  1864.  S.  68.  Taf.  VIII.  1—5  und  Taf.  IX.  13—15. 


Lactucarium. 


39 


etwa  0,3  pC.  eines lcrystallisirbaren Bitterstoffes  L a ctu c i n ö11  H1203 H-H* 2 0 
auf;  welcher,  obwohl  alkalisches  Kupfertartrat  reducirend,  keine  gepaarte 
Zuckerverbindung  ist.  Beides  gilt  auch  von  der  nach  Ludwig  eigen- 
thümlichen  ebenfalls  krystallisirenden  und  bitter  schmeckenden  Lactuca- 
säure.  In  geringer  Menge  findet  sich  endlich  das,  wie  es  scheint,  aus 
Lactucin  entstandene  amorphe  Lactucopicrin  044Hl,4ö21,  nach  Kro- 
mayer  ebenfalls  sehr  bitter  und  in  Wasser  löslicli.  Die  Lactucasäure  dürfte 
ein  Derivat  des  Lactucopicrins  sein,  vielleicht  alle  3 Stoffe  von  Lactucerin 
abstammen.  Von  den  allgemeiner  verbreiteten  Stoffen  enthält  das  Lactu- 
carium auch  Harz,  gegen  7 pC.  Eiweiss,  Gummi,  Oxalsäure,  Citron-  und 
Aepfelsäure,  Bernsteinsäure,  Zucker,  Mannit  (2pC.  nach  Ludwig),  Aspa- 
ragin,  dann  Kali,  Kalk-  und  Magnesiasalze  der  Salpetersäure  und  Phosphor- 
säure. Die  Asche  beträgt  bis  10  pC.  Bei  der  Destillation  mit  Wasser  geht 
ein  ätherisches  Oel  vom  Gerüche  des  Lactucariums  in  sehr  geringer  Menge 
über;  es  soll  bisweilen  Schwefel  absetzen. 

DemLactucin  kömmt  einTheil  der  schlafmachenden  übrigens  ungefähr- 
lichen Wirkungen  des  Lactucariums  zu,  welche  dasselbe  sehr  lange  zu 
behalten  vermag.  Das  Lactucarium  anylicuui  in  dunkleren  unregel- 
mässigen und  spröderen,  sonst  dem  deutschen  Produkte  gleichen  Klumpen, 
steht  ümal  höher  im  Preise,  ohne  dass  entsprechende  Unterschiede  nach- 
gewiesen wären. 

Nicht  nur  Lactuca  virosa,  sondern  auch  die  nahe  verwandten  Arten 
L.  Scariola  L.  und  die  durch  Kultur  vielleicht  daraus  hervorgegangene 
L.  satioa  enthalten  denselben  bittern  Saft,  obwohl  weniger  reichlich.  Das 
englische  Lactucarium  soll  ohne  Unterschied  aus  der  letzteren  sowohl  als 
aus  L.  virosa  gewonnen  werden.  Eine  Kulturform  ist  auch  vermuthlich  die 
bis  3 m hohe  Lactuca  altissima^)  welche  Au  b er  gier  in  Clermont-Ferrand 
im  Grossen  baut  und  auf  Lactucarium  benutzt. 

In  Frankreich  wird  sonst  Lactuca  sativa  bevorzugt  und  hauptsächlich 
aus  ihren  Stengeln  durch  Pressen  und  Eindampfen  des  Saftes  ein  dunkel- 
braunes hygroskopisches  Extract  gewonnen,  das  meist  als  Thridax,2) 
auch  Lactucarium  cjallicum  s.  parisiense  geht.  Die  Hauptmasse  dieses 
noch  mehr  gemengten  Präparates  besteht  aus  Gummi,  Zucker  und  Salzen, 
während  die  wirksamen  Stoffe  des  Milchsaftes  in  relativ  viel  geringerer 
Menge  vorhanden  sind.  Eine  Prüfung  dieser  Droge  ist  noch  weit  weniger 
ausführbar,  daher  leicht  Verfälschungen  derselben  Vorkommen.  Ein  Gehalt 
von  20 pC.  Traubenzucker,  den  Magnes-Lahens  z.  B.  gefunden,  dürfte 
wohl  kaum  ursprünglich  vorhanden  sein. 

Samen  und  Saft  des  Giftlattichs  wurden  schon  von  den  Alten  gebraucht 
und  letzterer  bereits  mit  dem  Opium  verglichen.  In  allgemeinere  Anwen- 
dung kam  das  Lactucarium  jedoch,  wenigstens  in  Deutschland,  erst  im 
vorigen  Jahrhundert. 


D angeblich  aus  dem  Caucasus  stammend. 

2)  Der  griechische  Name  der  Pflanze  schon  im  III.  Jahrh.  v.  Chr.  bei  Theophrast. 


40 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


Opium. 

Laudamm).  Meconium. 

Unter  den  bei  Fructus  Papaveris  genannten  Gegenden  der  Mohncultur 
kömmt  in  rein  pbrarmakognostischer  Hinsicht  nur  Kleinasien  in  Betracht,  indem 
gegenwärtig  die  Pliarmacopöen  das  dortige,  am  gewöhnlichsten  in  Smyrna 
oder  Konstantinopel  verschiffte  Opium  allein  vorschreiben. 

Die  Opi  um -Bereitung  findet  durch  ganz  Kleinasien,  besonders  in  den 
höher  gelegenen  Landstrichen,  meist  durch  kleine  Bauern  statt,  da  die  Pflanze 
eine  sehr  sorgfältige  Pflege  und  reichlich  gedüngten  Boden  bedarf.  Die 
Aussaat  geschieht  nach  den  Herbstregen  bis  zum  November.  Frühjahrs- 
fröste, anhaltend  regenloser  Sommer,  auch  die  Heuschrecken  können  ganze 
Felder  vernichten. 

Dei  kleinasiatische  Mohn  entspricht  der  Varietät  oc)  Papaver  nic/rum 
DC.;1)  seine  fast  ganz  kugeligen  Früchte  werden  nicht  grösser  als  anderswo. 
Man  verwundet  sie  wenige  Tage  nach  dem  Abfallen  der  Blumenblätter 
mittelst  eines  Messers  so,  dass  das  Fruchtgehäuse  nicht  ganz  durchschnitten 
wird.  Das  Messer  wird  zu  diesem  Zwecke  bis  auf  die  Spitze  mit  Bindfaden 
umwickelt  und  nur  in  der  unteren  Hälfte  der  Kapsel  mehrmals  rund  um 
dieselbe  herumgeführt,  jede  Frucht  aber  nur  einmal  angeschnitten.  Ein 
einziger  oder  ein  paar  ringsuralaufende  Schnitte  genügen  vollkommen. 
Längsschnitte,  so  wie  überhaupt  mehrmalige  Behandlung  der  gleichen 
Frucht  lohnt  sich  nicht,  wie  Bourlier  als  Augenzeuge  (1858)  berichtet. 
Werden  die  Schnitte  des  Nachmittags  gemacht,  so  kann  der  Saft  schon  am 
folgenden  Morgen  abgeschabt  und  auf  Blätter  gestrichen  werden.  Er  fällt 
am  reinsten  in  windstillen,  trockenen  Nächten  aus.  Nach  dieser  Behandlung 
der  Früchte  reifen  sie  immer  noch  ihre  Samen,  welche  jedoch  zur  Aussaat 
nicht  brauchbar  sein  sollen.  Schliesslich  dient  das  Kraut  als  Viehfutter. 
Eine  Kapsel  vermag  ungefähr  2 Centigr.  Opium  zu  liefern. 

Die  mit  Hülfe  hölzerner  Keulen  zu  kleinen  Broten  vereinigten  Klümpchen 
(Thränen)  des  etwas  erhärteten  und  an  der  Luft  getrockneten  Mohnsaftes 
werden  in  Blätter  der  gleichen  Pflanze  geschlagen,  in  kleine  baumwollene 
Säcke  verpackt  und  versiegelt.  Maulthiere  bringen  je  zwei  mit  diesen  Säcken 
gefüllte  Körbe  nach  Smyrna  oder  im  Norden  an  Küstenplätze  desMarmara- 
Meeres  oder  des  Schwarzen  Meeres.  In  Smyrna  und  Konstantinopel  erst 
scheint  hauptsächlich  die  Verfälschung  des  Opiums,  vorzüglich  durch  Zusatz 
geringer  Traganth-  oder  Gummisorten  vorgenommeu  zu  werden  und  eben  so 
die  Verpackung  mit  Rumex-Früchten.  Das  erstere  setzt  eine  nachträgliche 


')  Nach  Guibonrt  (Journ.  de  Pharm.  41.  p.  7)  gehört  aller  Mohn  Kleinasieus,  Aegyptcus, 
Persiens  und  Indiens  im  Gegenthcil  der  Var.  ß)  album  au.  Maltass  (1853)  gibt  dem  klein- 
asiatischen Mohn  ganz,  bestimmt  fast  ganz  runde,  nur  wenig  längliche  Früchte  und  weisse 
oder  purpurne  Blumen,  so  wie  schwarze,  gelbe,  braune  oder  — weisse  Samen. 


Opium. 


41 


Umformung  der  Brote  voraus,  wobei  also  auch  neue  Mohnblätter  zur  Haud 
sein  müssten. 

Nach  einigen  Angaben  soll  auch  schon  von  den  Producenten  selbst  das 
Opium  mit  Traubensaft  und  Mehl  verfälscht  werden,  was  aber  schwerlich  in 
grösserem  Umfange  möglich  ist,  da  z.  B.  nach  Maltass  (1854)  in  Smyrna 
die  Waare  von  öffentlichen  Opmm-Kennern  einer  im  Ganzen  sehr  richtigen 
Prüfung  unterzogen  wird,  bevor  man  definitiv  handelt.  Dem  zu  uns  gelan- 
genden Opium  pflegt  auch  Stärke  zu  fehlen. 

Afjun  (Opium)  — Kara  (schwarz)  — Hissar  (Schloss)  und  Uschack  im 
alten  Phrygieu,  jetzt  Kermian,  so  wie  etwas  südlich  davon  Isbarta  und  Bul- 
dur1)  liegen  im  Centrum  der  bedeutendsten  Opium-Produktion:  doch  scheinen 
in  letzter  Zeit  der  nördliche  Theil  Klein-Asiens,  nämlich  die  Gegenden  von 
Amasia  und  Angora  (Engurieh),  so  wie  der  äusserste  Nordwesten,  Haupt- 
sitze dieser  Kultur  zu  werden  und  erzeugen  bereits  (1  864)  jährlich  bis  etwa 
400,000  Kilogr.  Namentlich  zeichnet  sich  seit  kurzem  besonders  Geiwa 
(Geive,  Gueve)  am  Unterlaufe  des  ins  Schwarze  Meer  mündenden  Sa- 
karia  (Saugarius)  aus  und  liefert  eine  ganz  vorzügliche  Sorte  über  Iskimid 
(Nikomedia)  am  Marmara-Meer  nach  Konstantinopel.  Ebenso  Lidscha  in 
der  Nähe  von  Geiwa.  Die  Ausfuhr  Smyrna’s  beträgt  durchschnittlich  eben- 
falls über  400,000  Kilogr.  und  wurde  z.  B.  1858  auf  ungefähr  6 Millionen 
Francs  gewerthet.  In  der  unmittelbaren  Nähe  Smyrna’s  wird  so  gut  wie 
kein  Opium  erzeugt. 

Das  klein  asiatische  oder  Smyrnaische  Opium,  von  welchem  ein  be- 
sonderes konstantinopolitanisches  durchaus  nicht  zu  unterscheiden  ist,  bildet 
runde  mehr  oder  weniger  abgeplattete  oder  etwas  kantige  ungleiche  Kuchen 
von  ungefähr  300  bis  700  Gramm  Gewicht.  Die  Mohnblätter,  welche  be- 
sonders die  kleineren  sorgfältiger  bereiteten  Brote  umhüllen , sind  gewöhn- 
lich mit  lose  haftenden  Ampferfrüchten  (Rumex)  bestreut.  Wo  die  Hülle 
abgescheuert  ist,  erscheint  die  braune  Farbe  des  Opiums,  welches  sich  be- 
sonders im  Innern  grösserer  Brote  sehr  häufig  noch  feucht  und  kleberig 
zeigt.  Völlig  ausgetrocknete  Brote  hingegen  springen  unter  dem  Hammer. 
Aut  dem  grobkörnig  unregelmässigen  Bruche  sind  Andeutungen  von  Schich- 
tung gewöhnlich  nicht  zu  verkennen  und  da  und  dort  treten  aus  der  porösen 
übrigens  gleichartigen  Masse  einzelne  etwas  hellere  fast  durchscheinende 
Körner  oder  Linsen,  sogenannte  Thränen,  heraus. 

I rem  de  Körper  sind  in  guter  Waare  nicht  ohne  weiteres  sichtbar;  das 
Miluoskop  dagegen  zeigt  unmittelbar  die  nicht  eben  sehr  charakteristischen 
kleinen  Bruchstücke  der  Mohnkapsel,  welche  nach  der  bei  Fructus  Papa- 
veris  gegebenen  Beschreibung  unschwer  kenntlich  siud,  wenn  man  etwas 
trockenes  Opium  abschabt  und  unter  Benzol  betrachtet.  Meist  erweisen 
sich  diese  Stückchen  als  ausschliesslich  der  Fruchtoberhaut  angehörig,  so 
dass  sie  wohl  nicht  von  absichtlicher  Beimengung  herrühren. 


t)  schon  bei  Tragacantha  (S.  8)  genannt. 


42 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 

Nach  W iggers1)  wird  in  der  europäischen  Türkei  ein  schlechtes  Opium 
in  Salonik  (Makedonien)  dargestellt,  unter  türkischem  Opium  wird  jedoch 
das  klein  asiatische  verstanden. 

\on  jeher  wird  auch  ein  ägyptisches  Opium  aufgeführt,  wie  denn 
früher  das  Opium  überhaupt  mit  Bezug  auf  die  oberägyptische  Stadt 
Theben  (unweit  des  heutigen  Karnak  und  Luksor)  als  Opium  thebaicum 
bezeichnet  zu  werden  pflegte. 

Der  Ruf  des  ägyptischen  Opiums  datirt  aus  dem  späteren  Alterthum 
oder  aus  dem  Mittelalter;  wenigstens  war  es  den  alten  Einwohnern  des  Lan- 
des nach  Unger  unbekannt. 

Gegenwärtig  findet  sich  im  Handel  noch  bisweilen  ein  ägyptisches 
Opium  in  sehr  harten,  ziemlich  flachen  und  ungefähr  0,05  bis  0,10 ra  im 
Durchmesser  erreichenden  Kuchen,  bis  etwa  170  Gramm  schwer,  welche 
in  eiu  dünnes  fein  geadertes  Blatt  von  lebhaft  grüner  Farbe  gewickelt  sind. 
Dasselbe  mag  wohl,  wie  Allen  und  auch  Bentley  vermuthet,  von  Plata- 
nus  orientalis  stammen.  Auf  dem  Bruche  erscheinen  solche  Brote  klein- 
porig, dunkel  leberfarbig,  stellenweise  durch  eingesprengte  Quarzsplitterchen, 
auch  durch  Gummi,  glänzend.  Da  und  dort  komraeu  auch  rothgelbe  Pünkt- 
chen (Harz?)  vor.  Das  Mikroskop  zeigt  in  den  mir  vorliegenden  Broten 
zahlreiche  Stärkekörner.  Diese  fehlen  einer  anderen,  angeblich  ebenfalls 
ägyptischen  Sorte  in  grösseren  Broten,  welche  ich  von  Merck  erhalten 
habe.  Sie  siud  in  Mohublätter  gehüllt,  aber  nicht  mit  Ampferfrüchten  be- 
streut, auf  dem  Bruche  matter  als  gutes  Opium  aus  Smyrna.  Der  Morpliin- 
gehalt  beträgt  G pC. 

Wie  von  Krem  er2)  anführt,  sind  gegenwärtig  in  Ober-Aegypten  bei 
Esneh,  Kenneh  (Gegend  der  alten  Thebais)  Siut  10,000  Feddan3)  Landes 
mit  Mohn  bestellt,  woraus  im  März  Opium,  im  April  Samen  gewonnen  wird. 
Nach  HartmaDn4)  wird  jedoch  diese  Kultur  von  der  Regierung  und  nur 
für  den  Bedarf  des  Sanitätsdienstes  betrieben.  Noch  1833  führte  Aegypten 
etwa  1 8,000  Kilogr.  Opium  aus,  heut  zu  Tage  aber  so  gut  wie  keines  mehr. 
Gastinel,  Direktor  des  Versuchsgartens  in  Cairo  und  viceköniglicher  Apo- 
theken-Inspektor,  hat  (18G5)  gezeigt,  dass  die  Opium-Gewinnung  in  Aegyp- 
ten ein  recht  gutes  Produkt  mit  10  bis  12  pC.  Morphin  liefern  könnte,  dass 
aber  an  der  schlechten  Beschaffenheit  desselben  gegenwärtig  die  allzu  reich- 
liche Bewässerung  der  Pflanze  und  das  zu  frühe  Anschneideu  der  Frucht 
schuld  ist,  wodurch  der  Gehalt,  ganz  abgesehen  von  der  üblichen  Verfäl- 
schung, auf  3 bis  4 pC.  fällt. 

Stafford  Allen  hat  1861  die  Opiumbereitung  etwa  400  Meilen  (?) 
oberhalb  Cairo  bei  Gheuch  (?)  am  Nil  mit  augesehen.  Mau  baut  dort  weiss- 
blumigen Mohn,  um  dessen  Kapsel  ein  zweimal  ringsumlaufeuder  Horizontal- 

1)  Jahresb.  1863.  43  u.  1864.  92. 

2)  in  dem  bei  Herba  Cannabis  erwähnten  Werke. 

3)  5 Feddan=2  Hectaren. 

4)  naturgesckichtl.  medicin.  Skizze  d.  Nilländer.  Berlin  1866.  S.  358. 


Opium. 


43 


schnitt  geführt  wird.  Nach  4-  bis  ömaligem  Abkratzen  ist  die  Frucht 
erschöpft.  Die  spärliche  Ausbeute  reicht  kaum  für  den  inländischen  Be- 
darf hin. 

Auch  von  anderer  Seite1)  wird  bestätigt,  dass  die  Ausfuhr  ägyptischen 
Opiums  aufgehört  hat  und  die  jetzt  so  genannte  Sorte  nichts  anderes  ist  als 
in  Smyrna  oder  Konstantinopel  hergerichtetes  anderweitiges  Produkt,  welches 
niemals  mit  Ampferfrüchten  oder  mit  Samen  bestreut  ist. 

Persien,  vermuthlich  die  eigentliche  Heimat  des  verderblichen  Opium- 
genusses, baut  gegenwärtig  Mohn  vorzüglich  in  den  mittleren  Provinzen. 
Yon  Yezd  und  Ispahan  ist  die  Ausfuhr  von  Opium  nach  Indien  und  auch 
nach  dem  Abendlande  nicht  unbedeutend.  Das  stärkste  Opium  (Teriak  in 
Persien  und  Turkestan)  liefert  die  Gegend  von  Disful  und  Schuschter  öst- 
lich vom  unteren  Tigris;  auch  dasjenige  aus  Sari  und  Barfurusch,  Proviuz 
Masenderän  am  Caspi-See,  ist  sehr  gut,  wogegen  in  Kaschan  Stärke  zu- 
gesetzt wird2).  Sehr  viel  Opium  scheint  ferner  in  Turkestan  um  Chokand 
erzeugt  zu  werden. 

Das  persische  Opium  gelangt  auch,  ungefähr  seit  1856  häufiger,  wie- 
wohl wenig  regelmässig,  vermuthlich  über  Trapezunt  nach  Konstantinopel, 
wo  es  nach  Merck3)  in  die  gewöhnliche  Form  des  kleiuasiatischen  Opiums 
umgearbeitet,  aber  mit  Zusätzen  versehen  wird.  Unverändert  soll  es  von 
hier  zum  Theil  auch  nach  China  gehen.  In  einer  Probe  solchen  vermuthlich 
umgearbeiteten  persischen  Opiums  in  Kugelform  ohne  alle  Hülle  finde  ich 
etwas  Arnylum. 

In  ursprünglicher  Form  gelangt  persisches  Opium  nach  Merck  nur 
ganz  ausnahmsweise  auf  andere  Plätze.  Es  bildet  entweder  0, 1 5m  lange, 
gegen  0,010'”  dicke  Stängelchen  oder  oft  sehr  weiche  etwa  0,03 m grosse 
Kugeln,  in  weisses  oder  auf  der  Aussenseite  rothes  Papier  eingewickelt, 
welches  bei  den  Cylindern  in  der  Mitte  durch  Baumwollgarn  festgehalten 
wird.  Auf  dem  rothen  Papier  finden  sich  oft  chinesische  (nicht  persische) 
Charaktere  in  Golddruck. 

Dieses  persische  Produkt  in  Stangen  und  Kugeln  ist  von  reiner  Leber- 
farbe, vollkommen  homogen,  an  der  Luft  rasch  erweichend  und  fast  zer- 
fliessend.  Unter  dem  Mikroskop  zeigt  es  sich  ausgezeichnet  krystallinisch 
und  so  weit  meine  Proben  reichen,  frei  von  Stärke,  überhaupt  ohne  auffal- 
lende Beimengungen.  Dieselben  sollen  meist  in  Aprikosensaft  bestehen, 
indessen  durchaus  nicht  immer  in  betrügerischer  Absicht  gemacht  werden. 
So  gab  schon  Kämpfer  (1712)  an,  dass  eiu  eigenes  Präparat  aus  Opium 
und  Honig,  gewürzt  mit  Cardarnomen,  Macis,  Muskatnuss  und  Zimint, 
üblich  sei.  In  weichen  Laiben  persischen  Opiums  fand  Re  veil  (1860)  ein- 
mal 31,6  pG.  Traubenzucker;  er  hält  es  für  wahrscheinlich,  dass  man  in 
Persien  oft  auch  Brot  in  den  Mohnsaft  knete. 

!)  Wiggers,  Jahresb.  1864.  91. 

2)  Polak,  in  dem  S.  17  citirten  Werke  II.  248. 

3)  briefliche  Angabe  1863. 


44 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Strnctur. 


Auch  Kandahar  in  Afghanistan  scheint  etwas  Opium  auszuführen.  Ein 
arabisches  Opium  gibt  es  nicht  mehr;  es  wird  in  Arabien  im  Gegen- 
theil  welches  aus  Indien  eingeführt. 

Tu  Algerien  ist  schon  seit  1828  auf  die  Anregung  des  Generals  La- 
marque  zum  Theil  ganz  vortreffliches  Opium  aus  weissblühendem  und 
weissamigem  Mohn  gewonnen  worden,  aber  immerhin  noch  nicht  in  einer 
zur  Ausfuhr  genügenden  Menge. 

In  neuester  Zeit  (1865)  traf  Gerhard  Rohlfs1)  auch  in  der  nördlichen 
Sahara,  in  der  Oase  Tuat,  starke  Opiumkultur. 

Durch  vielfache  Versuche  in  Griechenland,  Italien,  Frankreich,  in  der 
Schweiz,  in  Deutschland,  England,  selbst  in  Schweden  ist  hinlänglich  er- 
wiesen, dass  auch  in  diesen  Ländern  ein  nicht  minder  gutes,  ja  sehr  oft  ein 
gehaltreicheres  Opium  erzielt  werden  kann  als  im  Orient. 

Am  meisten  hat  man  sich  in  den  verschiedensten  Gegenden  Frankreichs 
vom  Departement  des  Landes  an  bis  zum  Kanal  mit  Opiumgewinnung  be- 
fasst, wozu  schon  1553  Pierre  Belon  nach  seiner  Heimkehr  aus  Klein- 
asien geratheu  hatte.  Trotzdem  dass  Guibourt2)  dieses  Geschäft  aufs 
wärmste  empfohlen  und  sogar  in  einem  Opium  aus  dem  Norden  (Puche- 
villers,  Departement  de  la  Somme)  den  höchsten  bis  jetzt  irgend  beobach- 
teten Morphingehalt  (22,88  pC.,  auf  getrocknete  Substanz  bezogen)  nach- 
gewiesen hat,  scheinen  doch  auch  in  Frankreich  grössere  Mengen  noch 
nicht  dargestellt  worden  zu  sein 3).  Mit  grosser  Ausdauer  jedoch  betreibt 
seit  1844  der  schon  S.  39  genannte  Aubergier  in  Clermont  die  Opium- 
gewinnung. Zu  der  Pariser  Ausstellung  1855  lieferte  derselbe  ein  Produkt 
von  beinahe  15  pC.  Morphingehalt  aus  rothblühendem  Mohn  in  kleinen 
Kuchen  von  ungefähr  48  Gramm. 

Obwohl  das  iu  verschiedenen  Ländern  Afrikas  und  Europas  gewonnene 
Opium  sich  mit  dem  kleinasiatischen  übereinstimmend  zeigt,  so  wird  eine 
schwunghaftere  Erzeugung  desselben,  wenigstens  in  Europa,  vermuthlich 
immer  an  der  grösseren  Höhe  des  Arbeitslohnes  scheitern.  ') 

Für  den  Arzneibedarf  Europas  fallen  diese  Länder  daher  nicht  in  die 
Wagschale  und  eben  so  wenig  Ostindien,  wo  die  allergrössten  Mengen 
Opium  dargestellt  werden,  aber  nicht  einmal  auf  den  englischen  Markt  ge- 
langen. British  Pharmacopoeia  (1864)  kennt  nur  kleinasiatisches. 

Die  Opiumproduktion  Indiens  ist  gegenwärtig  durch  das  ganze 
mittlere  Gangesgebiet,  ungefähr  von  Murschidabad  (genauer  Hazaribagh) 
bis  Schahabad  und  Agra  in  Nord  westen  und  Gorakpur  im  Norden  verbrei- 
tet, am  ausgedehntesten  iu  den  dicht  bevölkerten  ebenen  Provinzen  Behar 

B Petermann,  Geogr.  Mitthlgn.  1805.  414. 

2)  Journ.  de  Pbarra.  ct  de  Chim.  41.  (1802)  p.  184,  201. 

3)  Dass  wirklich  1857  im  genannten  Departement  für  1,900,000  Francs  Opium  gewonnen 
worden,  wie  Journ.  de  Pharm,  d Anvers  XVI.  477  angibt,  wird  von  Guibourt  nicht  crw&hnt. 

4)  gegentheilige  Hoffnungen  suchte  ueulich  wieder  Odoph  in  Luaraeil  (Dtipart.  Hantc- 
Saöne)  zu  begründen. 


Opium. 


45 


(Bahar)  und  Benares.  In  zweiter  Linie,  und  zwar  in  neuester  Zeit  mit 
sehr  bedeutender  Zunahme  steht  das  weite  gebirgige  Tafelland  von  Malwa, 
besonders  die  Holkar-Länder  am  Nordabhange  des  Windhja.  Schon  im 
XVI.  Jahrhundert  und  wohl  noch  früher  wurde  in  Malwa  Opium  gebaut  und 
1861 — 1862  überflügelte  dieser  Landstrich  in  Betreff  der  Quantität  sogar 
ganz  Bengalen.  Was  ausserhalb  dieser  Bezirke,  in  der  Präsidentschaft 
Bombay,  im  Pandschab,  in  Radschputana  (Mewar)  und  auf  Ceylon  noch  ge- 
wonnen wird,  ist  nicht  von  Belang. 

Die  wenigstens  1200  englische  Quadratmeilen  umfassenden  Opium- 
bezirke Bengalens  sind  von  der  englischen  Verwaltung  in  die  Agentschaften 
Behar  und  Benares  mit  den  Hauptfaktoreieu  Patna  und  Ghazipur  und  zahl- 
reichen Unterfaktoreien  eingetheilt.  Behar  liefert  dreimal  so  viel  wie  Be- 
nares. In  beiden  Bezirken  wird  ausschliesslich  die  bei  Fruct.  Papaveris  be- 
zeichnete  Varietät  ß)  des  Mohns  angebaut'). 

Wie  iu  Kleinasien  ist  auch  in  Indien  ein  gut  gedüngter  und  bewässerter 
Boden  für  das  Gedeihen  des  Mohns  unerlässlich  und  derselbe  durch 
Insekten,  übermässigen  Regen,  Hagel  oder  gar  durch  die  lästige  Orobanche 
indica  oft  bedroht.  Iu  Behar  wird  er  Anfangs  November  gesäet  und  im  Fe- 
bruar oder  März  (März  oder  April  iu  Malwa)  angeschnitten , wenn  die  Blu- 
men abgefallen  oder  abgestreift  sind,  die  Kapsel  aber  noch  nicht  reif  ist. 
Hierzu  bedient  man  sich  eines  besonderen  Instrumentes  aus  Eisenblech, 
Naschtarl 2)  genannt,  das  aus  spatelförmigen,  aber  vorn  tief  gekerbten  und 
geschärften  Klingen  gebildet  ist , welche  man  zu  3 , 4 oder  seltener  5 pa- 
rallel durch  Bindfaden  getrennt  aufeinander  bindet.  Jede  Kapsel  wird  nun 
dreimal  oder,  wenn  sie  sehr  gross  ist,  sogar  bis  sechsmal  geritzt,  indem 
man  jenes  Lanzetteubündel  an  der  herabgebogenen  Frucht  4 bis  6 Mal  senk- 
recht von  unten  nach  oben  herauf  führt.  Doch  scheint  man  in  manchen 
Bezirken  Bengalens  nur  Querschnitte  zu  machen,  wie  in  Klein-Asien.  Be- 
merkenswerth ist  aber,  dass  dort  die  Kapsel  nicht  nur  mit  dem  weit  zweck- 
massigeren  Naschtar,  sondern  auch  mehrmals  angeschnitten  wird.  Damit 
zusammenhängend  wird  der  Durchschnittsertrag  einer  bengalischen  Kapsel 
weit  höher,  bis  zu  8 Centigr.,  angegeben.  Die  Spitzen  des  Naschtar  besitzen, 
wie  es  scheint,  nur  eben  die  Länge,  die  zum  Anschneiden  des  Frucht- 
gehäuses erforderlich  ist,  aber  das  Durchschneiden  nicht  leicht  zulässt. 

Die  Verwundung  geschieht  in  den  heissesten  Nachmittagsstunden, 
wo  der  ausfliessende  anfangs  weissliclie  Milchsaft  sich  bald  mit  einem 
dunkelen  Häutchen  überzieht,  das  den  Verlust,  nicht  aber  das  Nach- 
flicssen  während  der  Nacht  hindert.  Am  folgenden  Morgen  werden  die 
Thräueu  mit  einem  von  Zeit  zu  Zeit  reichlich  geölten  kellenartigen  Schabe- 
eisen (Situah)  gesammelt  und  von  demselben  auf  flache  irdene  Schalen  ge- 


l Eatwell,  Ann.  d.  Ch.  u.  Pli.  84.  389  - nach  Royle  „schwarzer“  Mohn  (?) 

) abgebildet  im  W i gge r s’schen  Jahresberichte  1852.  63  und  Annalen  der  Chem 
Pharm.  84  S.  390—403.  Naschtar  heisst  ein  scharfes  Messer,  vorzüglich  das  Rasirmesser. 


u. 


46 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


strichen,  dann  öfter  durchgearbeitet  und  endlich  in  die  Faktoreien  gebracht. 
Hier  formt  man  daraus  in  ziemlich  umständlicher  Weise')  Kugeln  von  etwa 
2 Kilogr.  Schweie,  indem  man  das  Opium  noch  weich  in  eine  schalen- 
aitige  Umhüllung  drückt,  die  zuvor  in  einer  messingenen  Hohlkugel  be- 
reitet wird.  Diese  Schale  erhält  man  vermittelst  der  Blumenblätter  des 
Mohns  (poppy  leaves),  welche  vor  der  Opiumernte  abgestreift  und  durch 
schwaches  Erwärmen  zu  vielen  miteinander  verklebt  werden.  Die  kleinen 
so  dargestellten  Kuchen  werden  sortirt,  je  nachdem  sie  für  die  innere  oder 
äussere  Wand  der  Schale  oder  für  deren  Masse  besser  passen.  Ihre  Festig- 
keit verdanken  sie  einem  Brei  „Lewa“* 2),  wozu  man  geringes  Opium  und 
„Passewa“  sowie  das  Waschwasser  der  Opiumgefässe  nimmt.  Der  benga- 
lische Mohnsatt  scheint  nämlich  flüssiger  zu  sein  als  der  kleinasiatische; 
in  den  flachen  Gefässeu,  welche  den  ersteren  zunächst  aufnehroen,  sammelt 
sich  eine  anfangs  röthliche,  daun  tief  dunkelbraune  saure  Flüssigkeit  an, 
welche  Passewa3)  heisst  und  sorgfältig  zu  dem  angegebenen  Zwecke  ge- 
sammelt wird,  für  die  Neuerung,  statt  der  Tabaksblätter  Mohnblumen  mit 
Lewa  zu  verarbeiten,  wurde  f lemming  von  der  Compagnie  mit  ungefähr 
120,000  Francs  belohnt. 

Die  fertigen  Opiumkugeln  (cakes)  rollt  man  in  poppy  trash,  zerkleinerten 
Stengeln,  Kapseln  und  Stengelblättern  des  Mohns  und  trocknet  sie  erst  in 
irdenen  Sclmsselchen  an  Luft  und  Sonne,  dann  auf  Hürden  in  eigenen 
Trockenräumen.  Tritt  Gähruug  ein,  so  werden  die  betreffenden  Kugeln  oder 
Brote  aufs  Neue  in  Arbeit  genommen.  Im  Juli  ist  die  Opiumbereitung  be- 
endet, die  Kugeln  erfordern  aber  immer  noch  gute  Aufsicht  und  werden  erst 
im  Oktober  zu  je  40  mit  poppy  trash  in  Kisten  mit  ebenso  vielen  Fächern 
verpackt.  Die  Schale  wird  zuletzt  sehr  hart.  Mit  grösserer  Sorgfalt  bereitet 
man  in  Patna  auch  quadratische,  uugefähr  1 Kilogr.  wiegende  und  ganz  ein- 
fach in  geöltes  Papier  gewickelte  Kuchen,  die  nur  für  den  inländischen  Ge- 
brauch dienen  und  reicher  au  Morphin  zu  sein  scheinen.  Malwa  liefert  auch 
flache  kreisrunde  Laibe  von  vorzüglicher  Güte. 

Das  indische  Opium  in  Kugeln,”  welche  Form  allein  ausgeführt  wird,  ist 
im  Innern  noch  ziemlich  weich,  da  die  schliesslich  sehr  feste  schaleuartige 
Umhüllung , welche  oft  1 Centimeter  dick  angebracht  wird , die  Masse  vor 
Verdunstung  noch  weit  vollständiger  schützt,  als  die  kleinasiatische  Ver- 
packung. Der  rohe  Milchsaft,  welcher  mit  einem  Wassergehalte  von  minde- 
stens 32  bis  36  pC.  in  die  Manufakturen  abgeliefert  wird,  gelangt  daraus 
immerhin  noch  mit  einem  Gehalte  von  durchschnittlich  25  bis  30  pC.4)  in 


0 sehr  genau  beschrieben  von  Eatwell,  Ann.  der  Chem.  u.  Phann.  84.  S.  385—409. 

2)  „Iewa  = plttster  that  which  is  sprcad  on  the  outside  of  a new  put.“  Shakcspear, 
diction.  engl,  and  hindi.  Das  Wort  bedeutet  also  wohl  die  letzte  Lehmschicht,  womit  Töpfe 
überzogen  werden. 

3)  vielleicht  zusammenhängend  mit  dem  Hindi -Worte  pasana= abschöpfen,  abgiessen. 

4)  Diese  Angabe  dürfte  denn  doch  viel  zu  hoch  gegriffen  sein.  Guibourt  wenigstens 
fand  im  indischen  Opium  nur  8,5  bis  lOpC.  Wasser. 


Opium. 


47 


den  Handel.  Die  oft  nicht  unbeträchtliche  Menge  Leinöl,  welche,  wie  oben 
erwähnt,  wenigstens  in  Malwa,  beim  Abkratzen  des  Opiums  in  dasselbe  ge- 
langt, trägt  gleichfalls  dazu  bei,  die  fertige  Waare  im  Innern  weich  zu  er- 
halten. Namentlich  verräth  sich,  nach  Wiggers,  bei  den  in  Bombay  vor- 
kommenden Sorten  aus  Malwa  und  dem  Pandschab,  ein  bedeutender  Oel- 
gehalt  schon  beim  Drücken  auf  Papier. 

Iu  Kugeln  aus  Patna  fiude  ich  dagegen  unter  dem  Mikroskop  kein  Oel. 

Das  indische  Opium  zeigt  im  allgemeinen  das  Aussehen  und  den  Geruch 
der  kleinasiatischen  Sorten. 

In  Malwa  ist  die  Gewinnung  des  Opiums  (1802)  frei,  aber  indirekt  durch 
Ausfuhrbewilligungen  beschränkt,  iu  Bengalen  dagegen  Monopol  der  Regie- 
rung, früher  der  Compagnie.  Die  Licenzen,  welche  dazu  ermächtigen,  sind 
au  die  Bedingung  gekuiipft,  den  Ertrag  nur  an  die  Faktoreien  der  Regierung 
zu  verkaufen.  Die  früher  durch  Hindostau  viel  weiter  verbreitete  Opium- 
cultur  ist  deshalb  auch  von  der  euglischeu  Verwaltung  seit  1797  auf  Beliar 
und  Benares  eingeschränkt  worden  ‘).  Das  von  derselben  bereitete  Opium 
wird  endlich  in  Calcutta  an  die  Grosshändler  versteigert. 

Nicht  nur  das  sämmtliche  in  Indien  erzeugte  Opium , sondern  auch  eia 
guter  Theil  des  vorderasiatischen  geht  nach  China.  Ursrpünglich  scheint 
dasselbe  diesem  Lande  durchaus  fremd  gewesen  zu  sein,  wie  denn  auch  der 
chinesichen  Sprache  so  gut  wie  dem  Sanskrit  ein  eigener  Ausdruck  dafür 
fehlt.  Erstere  bildete  nach  dem  arabischen  Afjun  die  Bezeichnung  a-pien 
oder  o-fu-jung  2).  Die  chinesische  Naturwissenschaft  schildert  auch  das 
Opium  als  Produkt  ludiens  und  Persiens.  Die  Araber,  welche  seit  Beginn 
des  IX.  Jahrhunderts  (vergl.  die  geschichtlichen  Bemerkungen  bei  Cortex 
Cinnamoni  zeylauici)  die  Südkreise  des  chinesischen  Reiches  besuchten, 
brachten  schon  frühe  Opium  dorthin.  Später,  wenigstens  bis  ins  sechs- 
zehute  Jahrhundert  nahmen  die  Chinesen  selbst  welches  als  Rückfracht  auf 
ihien  Dschunken  aus  Indien  mit3).  Doch  diente  das  Opium  bis  gegen  das 
XVII.  Jahrhundert  immer  nur  als  Heilmittel  gegen  die  Ruhr.  Als  es  aber 
im  Westen  begann  die  Rolle  eines  Genussmittels  zu  spielen,  hob  sich  auch, 
seit  1717,  die  bis  dahin  nur  etwa  jährlich  200  Kisten  zu  140  Pfund  betra- 
gende Ausfuhr  Indiens  nach  China.  Die  Portugiesen , welche  beinahe 
ausschliesslich  diesen  Geschäftszweig  betrieben,  setzten  schon  i.  J 1717 
und  in  den  nächstfolgenden  Jahren  1000  Kisten  mit  bedeutendem  Gewinn 
m Macao,  dem  damals  allein  zugänglichen  Hafen  Chinas,  ab.  Das  oft 
wiederholte  Einfuhrverbot  der  chinesischen  Regierung,  welche  das  üebel 


D Ritter,  Asien  IV.  2.  783. 

. 2)  °"S  Zl,nachst  folgende  grösstentheils  nach  Neumann,  Ostasiatische  Geschichte  vom 
ersten  chmes.  Kriege  bis  zu  den  Verträgen  in  Peking.  Lpzg.  1861.  S.  8 und  318.  - Die 
Angaben  der  No  vara  stimmen  mehrfach  nicht  ganz  damit  überein. 

i-  ASleD  II1-  853  U'  781‘  — tn  diesem  letztem  Bande,  2.  Abthlg  S 773 

bis  800  findet  sich  eine  vielseitige  anregende  Schilderung  des  Opiums  überhaupt.  ° 


48 


!•  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Struetur. 


richtig  erkannte '),  hatte  nur  vermehrte  Nachfrage  und  die  Einrichtung  des 
Schmuggels  zur  Folge,  was  dann  die  Aufmerksamkeit  der  englisch-ostiu- 
dischen  Compagnie  herausforderte  und  sie  veraulasste,  die  Opium-Cultur 
iu  Bengalen  an  die  Hand  zu  nehmen  und  1773  zu  monopolisiren.  Ihr  erster 
Versuch  der  direkten  Einfuhr  in  China  mit  einem  kleinen  Posten  scheint 
1773  stattgefunden  zu  haben1 2).  1 778  folgten  schon  2800Kistenzu  140  Pfund, 
welche  jedoch  nicht  ganz  Absatz  fauden,  1829  über  5000,  1835  über 
9600  Kisten  und  seit  1820  ausserdem  noch  jährlich  über  4000  Kisten  aus 
Malwa. 

Gegen  Ende  des  XVIII.  Jahrhunderts  verbreitete  sich  die  Unsitte  des 
„Opiumtrinkens“  wie  die  Pest  von  den  Südprovinzen  aus  über  das  ganze 
ungeheure  Reich  der  Mitte  und  iu  gleichem  Masse  die  gewinnreiche  Ausfuhr 
des  Giftes  aus  Indien.  Von  1798  an,  wo  die  Compagnie  bereits  4170 
Kisten  an  Mann  brachte,  gestaltete  sich  das  Geschäft  ganz  regelmässig  und 
wie  bekannt  trotz  aller  Massregelu  der  chinesischen  Regierung  mit  wissen- 
der Zunahme,  so  dass  die  Gesammtmenge  der  bengalischen  Lieferungen 
nach  China  von  1798  bis  1855  auf  1,197,000  Kisten3)  verauschlagt  wird. 
Im  letzten  Jahre  erscheint  Bombay  mit  12500  Kisten,  Malwa  mit  16500, 
Bengalen  mit  29000,  zusammen  aus  Indien  67000  Kisten4),  nicht  gerech- 
net was  ausserdem  von  Smyrna  und  Konstautiuopel  nach  China  verschifft 
wurde.  Die  j ährliche  indische  Ausfuhr  nach  China  betrug  zwischen  1852 
und  1862  von  70000  bis  71000  Kisten  im  Verkaufswerthe  von  153  Mill. 
bis  275  Mill.  Francs!  Der  jährliche  Reingewinn  belief  sich  1858  auf 
100  Mill.  Francs.  China  bezahlte  1858  über  160  Mill.  für  Opium  an  den 
englischen  Handel,  theils  allerdings  iu  Seide  und  Thee.  1862  setzte  die 
iudische  Regierung  die  Opium-Lieferungen  aus  Malwa  (inclusive  Bombay?) 
auf  40000,  diejenigen  aus  Bengalen  auf  50000  Kisten  jährlich  fest. 

Nicht  nur  dem  auswärtigen  Drucke  der  englischen  Spekulation  erlag 
zuletzt  die  chinesische  Regierung5),  sondern  sie  konnte  sogar  den  Anbau 
des  Mohns  im  eigenen  Lande  nicht  hindern ; im  Gegeutheil  empfahlen  (1853) 
die  revolutionären  Taipings  denselben  aus  volkswirtschaftlichen  Gründen 
öffentlich  mit  der  Bemerkung,  dass  er  heimlich  bisher  schon  stark  betrieben 


1)  ein  merkwürdiger  kaiserlicher  Erlass  vom  Jahre  1801  (abgedruckt  bei  Reich.  Nahrungs- 
und  Genussmittelkunde.  Güttgn.  1860.  II.  2.  273.)  schildert  dasselbe  sehr  wTarm. 

2)  So  nach  den  Berichten  der  Novara,  auders  nach  Ritter  IV.  797. 

3)  ausser  den  Kisten  von  40  Kugeln  (Ballen)  zu  2 Kilogr.  scheinen  auch  wohl  solche  von 
nur  80  Pfund  vorzukommen,  daher  die  Gewichtsberechuungen  nicht  immer  richtig  sind,  die 
in  statistischen  Angaben  flguriren.  Mau  scheint  bisweilen  Kugeln  und  Pfunde  verwechselt  zu 
haben,  so  z.  B.  Novara  II.  114  u.  115,  wo  das  übliche  Gewicht  der  aus  Bengalen  nach  Singa- 
pore  kommenden  Kisten  zu  40  Pfunden  angegeben  wird. 

4)  Ausland  1862,  S.  839. 

5)  Erlass  des  chines.  Kaisers  vom  Jahre  1840:  „...ich  kauu  die  Einfuhr  des  Giftes  nicht 
„hindern. . .,  aber  nichts  wird  mich  bewegen,  aus  dem  Laster  und  dem  Elende  meines  Volkes 
Gewinn  zu  ziehen.“  Novara  II.  118.  — Jetzt  geschieht  letzteres  iu  Form  eines  ansehnlichen 
Eingangszolles. 


Opium. 


49 


worden.  Das  in  Jünnan  im  Süden,  auch  in  den  Provinzen  der  Südostküste  so 
wie  am  mittleren  Kiang  (Yangtsekiang)  gewonnene  chinesische  Opium, 
jetzt  schon  jährlich  auf  20,000  bis  30,000  Kisten  veranschlagt,  hat  bereits 
die  Aufmerksamkeit  des  indischen  Finanzministeriums  auf  sich  gezogen. 
Doch  wird  es  vorläufig  amtlich  für  sehr  gering  erklärt ').  Sogar  im  äusser- 
sten  Nordwesten  des  Reiches,  am  Iliflusse  unweit  der  sibirischen  Grenze 
scheint  Opium  von  Tartaren  gebaut  zu  werden  2). 

Die  Chinesen  bereiten  daraus  in  ganz  kunstgerechter  Weise  zum  Theil 
durch  gelindes  Rösten,  nochmaliges  Auflösen  und  Wiedereinkocheu  ein 
steifes  Extract,  Tschandu  genannt.  Diese  Arbeit  wird  durch  gut  bezahlte 
Leute  mit  sehr  grosser  Genauigkeit  ausgeführt,  um  ja  den  kostbaren  Roh- 
stoff nicht  zu  gefährden.  Sie  gibt  nur  die  Hälfte  bis  gegen  drei  Viertel 
rauchbares  Tschandu  von  gehöriger  Zähigkeit.  In  Singapore  wird  es  ge- 
radezu mit  Silber  aufgewogen.  Davon  wird  ein  Stückchen  von  der  Grösse 
einer  Erbse  auf  die  eigenthümlich  geformte  Pfeife  genommen  und  von  Zeit 
zu  Zeit  durch  Annäherung  an  die  Flamme  eines  Lämpchens  die  sehr  man- 
gelhafte Verbrennung  unterhalten.  Was  halb  verkohlt  zurückbleibt,  wird 
unter  dem  Namen  Tye  oder  Tiuco  an  weniger  bemittelte  Raucher  verkauft, 
und  was  auch  hier  noch  der  Verbrennung  entgeht  (Samscliing),  geniesst 
schliesslich  die  ärmste  Klasse  der  Opiumfreunde.  Wenige  Gramme  Tschandu 
genügen  zu  einer  starken  Narkose. 

Das  ganze  Verfahren  beim  Opiumrauchen,  die  Einrichtung  der  dazu 
dienenden  Anstalten  (Papan  Meras)  und  die  Wirkungen  des  Genusses  finden 
sich  in  höchst  geistreicher  Weise  geschildert  von  Cooke:  The  seven  sisters 
of  sleep 3). 

Im  Rauche  des  Opiums  hat  Reveil  Cyanammonium  und  Dech armes 
(1861)  Morphin  nachgewiesen,  was  wohl  begreiflich  erscheint,  wenn  mau 
bedenkt,  dass  sich  das  Alkoloid  bei  grosser  Vorsicht  auf  kurze  Entfernungen 
siiblimiren  lässt.  Aber  auch  direkt  in  Pillenform  oder  als  Latwerge 
dient  im  Orient,  sogar  auch  in  Amerika,  das  Opium  in  ungeheurer  Menge 
als  Berauschungsmittel. 

Das  Opium  riecht  eigenthümlich  narkotisch  und  schmeckt  rein  und 
scharf  bitter,  brennend,  aber  nicht  kratzend.  Das  durchschnittliche  speci- 
fische  Gewicht  beträgt  ungefähr  1,3.  Ueber  ein  Drittel  des  Opiums  besteht, 
wie  unten  gezeigt  ist,  aus  eigentlnimlichen  Stoffen,  welche  in  reinem  Zu- 
stande meist  gut  krystallisiren  und  zum  Theil  schon  in  der  Droge  selbst 
sic  in  dieser  Form  vorfinden.  Alle  Opiumsorten  erweisen  sich  in  der 
a jei  etiac  itung  durch  das  Mikroskop  mehr  oder  weniger  krystal- 
huisch,  wenn  man  trockene  Stückchen  mit  Benzol  zerreibt.  In  Betreff  der 


2 A"S,a"d  18®2,  S‘  889‘  — Nach  c°ol<c  (S.  161)  ist  cs  keineswegs  so  gering 

Pet^rZ  fr  o f,°rt  °piUmfel(,0r  auf  der  Karte  des  Iligebietes  in 

1 etermanns  Geogr.  Mittheiluugen  1866,  Heft  Ili 

3)  London  1862  (?)  S.  132—198. 

Fleckiger , Pharmakognosie.  . 


50 


I.  Pflanzenstoffe  oline  organische  Structur. 


Formen  zeigeu  sich  Verschiedenheiten;  Nadeln  und  kurze  ganz  uuausgebil- 
dete  Kryställchen  enthält  das  kleinasiatische  Opium  meist  in  nicht  sehr 
grosser  Menge,  während  das  indische  und  mehr  noch  das  persische  in  Stan- 
gen und  Kugeln  nicht  nur  durch  und  durch  krystallinisch  erscheinen,  sondern 
auch  verschiedene  Formen  darbieten,  welche  sich  bei  Anwendung  des  Pola- 
risationsmikroskops sehr  schön  ausnehmeu.  In  der  persischen  Sorte  lasseu 
sich  neben  Nadeln  und  Prismen  auch  rhombische  oder  vielleicht  rectanguläre 
Tafelu  und  wetzsteinartige  Krystalle  unterscheiden.  Letztere  gehören  viel- 
leicht der  Meconsäure  oder  ihrem  Morphinsalze  an , die  Tafeln  dem  Codein 
oder  Thebain,  die  Nadeln  vielleicht  dem  Narcotin.  Jedoch  sind  die  Formen 
zu  wenig  ausgebildet,  um  sichere  Schlüsse  zu  gestatten;  auch  vermögen  die 
reinen  Opium-Stoffe  unter  wenig  veränderten  Umständen  sehr  abweichende 
Formen,  die  oft  wenig  charakteristisch  sind,  auzuuehmeu.  Daran  schei- 
tert das  Bestreben,  durch  Ausziehen  des  Opiums  mit  Wasser  oder  Wein- 
geist und  Eindampfen  Krystalle  zu  gewinnen,  welche  sich  mit  den  reinen 
Stoffen  vergleichen  Hessen.  Einen  immerhin  sehr  interessanten  derartigen 
Versuch  haben  Deane  und  Brady1)  gemacht. 

Der  Mohnsaft  ist  wie  alle  derartigen  milchigen  Flüssigkeiten  ein  Gemisch 
sehr  verschiedenartiger  Stoffe,  die  allerdings  hier  in  höchster  Zahl  uud  Ab- 
wechslung vereinigt  sind.  Wahrscheinlich  beeinflussen  auch  äussere  Bedin- 
gungen die  Zusammensetzung  des  Opiums  in  der  Weise,  dass  einzelne 
Bestaudtheile  manchen  Sorten  fehlen  oder  in  geringerer  Menge  darin  vor- 
handen sind. 

Noch  aUzu  wenig  erforscht  sind  diejenigen  allgemeiner  verbreite- 
ten Stoffe,  welche  den  grössten  Theil  des  Opiums  ausmachen.  In  erster 
Linie,  vom  Wasser  abgesehen,  scheint  darin  ein  bassoriuartiges  Gummi 
(Pektin?)  vorzukommen,  oft  zugleich  mit  löslichem  Gummi  und  Albumin. 
Dass  letzteres  bisweilen  vorherrsche,  wie  aus  Analysen  von  Biltz  (1829) 
hervorgeheu  würde,  erheischt  wohl  noch  Bestätigung.  Die  Gesammtlieit 
dieser  Körper  (mit  Einschluss  unvermeidlicher  Kapselstücke)  dürfte  durch- 
schnittlich wohl  die  Hälfte  des  Opiums  übersteigen.  Gelöst  findet  sich  neben 
diesen  Stoffen  im  Mohnsafte  noch  Zucker,  wovon  z.  B.  im  französischen 
Opium  6,5  bis  8 pC.  Vorkommen  und  zwar,  wie  es  scheint,  immer  Trauben- 
zucker. Bei  ausländischer  Waare  ist  es  freilich  nicht  ausgemacht,  wie  weit 
derselbe  als  Zusatz  zu  betrachten  ist.  Die  Salze  der  anorganischen  Basen, 
hauptsächlich  des  Kalkes,  der  Magnesia  und  des  Kalis  gehören  theils  all- 
gemeiner verbreiteten,  theils  eigeuthümlichen  Säuren  an.  Von  ersteren  sind 
Phosphorsäure,  Schwefelsäure  und  Salzsäure  zu  nennen.  Gutes  kleiuasiati- 
sches  Opium,  bei  100°  getrocknet,  gibt  an  Asckenbestaudtheileu  im  Ganzen 


1)  Pharm.  Jonrn.  und  Transact.  VI.  p.  234  u.  VII.  p.  183  (1864 — 1865)  mit  4 schönen 
Tafeln  Abbildungen  der  Krystallauschüsse  aus  Extr.  uud  Tiuct.  opii,  so  wie  der  reinen  Stoffe 
selbst.  --  Wird  der  Saft  des  in  unseru  Gegenden  gezogenen  Mohns  durch  geringen  Glycerin- 
zusatz  vor  raschem  Eintrockueu  geschützt,  so  schiesseu  dariu  auch  Krystalle  au. 


Opium. 


51 


8 pC.  Bei  weitem  reicher  daran  sind  die  Mohnkapseln  (vergl.  bei  Fructus 
Papaveris).  Auch  der  grösste  Theil,  wenn  nicht  die  ganze  Menge  der  orga- 
nischen Salze  ist  in  dem  immer  sauer  reagireuden  Safte  gelöst. 

Die  wässerige  Flüssigkeit  hält  in  Emulsion  einige  ebenfalls  noch  nicht 
genau  genug  gekannte  Stoffe,  welche  mit  Kautschuk,  Harz,  Wachs  oder 
Fett  verglichen  werden.  Ihre  Menge  darf  auf  ungefähr  10  pC.  angesetzt 
werden.  Sie  bleiben  mit  Bassorin,  Albumin,  unlöslichen  Erdsalzen  im  Rück- 
stände, wenn  das  Opium  mit  Wasser  behandelt  wird.  Ueber  den  Farbstoff 
und  eine  äusserst  kleine  Menge  eines  pfefferartig  riechenden  flüchtigen  Kör- 
pers fehlen  genügende  Kenntnisse  vollends.  Fällt  man  den  ersteren  durch 
Bleiessig  aus  dem  wässrigen  Opium-Auszuge , so  färbt  sich  letzterer  doch 
wieder  an  der  Luft.  Stärkmehl  fehlt  dem  Mohnsafte,  ebenso  die  Gerbsäure. 
Das  Vorkommen  dieser  leicht  nachweisbaren  Stoffe  gibt  oft  schon  einen  An- 
halt zur  Beurtheilung  der  Reinheit  des  käuflichen  Opiums. 

Der  Wassergehalt  desselben  ist,  wie  aus  der  Bereituugsweise  hervor- 
geht, ein  sehr  wechselnder.  Gutes  kleinasiatisches  Opium  gibt  bei  100° 
leicht  noch  9 bis  14  pC.  ab,  wenn  es  sich  durch  und  durch  ziemlich 
tiocken  anfühlt.  Im  Innern  grösserer  Laibe  bleibt  es  lange  weich  und  kann 
bis  24  pC.  Wasser  zurückhalten.  Trägt  man  diesem  Umstande  nicht  Rech- 
nung, so  werden  natürlich  analytische  Resultate  nicht  vergleichbar. 

Da  die  wirksamen  Stoffe,  wenigstens  das  Morphin,  sich  durch  Wasser 
allein  schon  vollständig  ausziehen  lassen,  so  ist  die  Gewichtsbestimmung 
ihrer  Gesammtheit  von  praktischer  Wichtigkeit.  Dieses  Extract  beträgt 
(auf  100  C.  bezogen)  bei  gutem  klein  asiatischem  Opium  immer  55  bis 
66  pC.,  meist  über  60  pC. 

Die  eigentümlichen  Bestandtheile  des  Opiums  sind  theils 
indifferent,  theils  saurer  oder  basischer  Natur. 


Schon  im  XVII.  und  XVIII.  Jahrhundert  wurden  derartige  Stoffe  be- 
meikt  und  als  Magisterium  opii  bezeichnet.  Vergebens  suchte  Bucholz 
1802  aus  dem  Extracte  ein  Salz  durch  Krystallisation  zu  gewinnen.  Beim 
ei  dünnen  des  syrupdicken  wässrigen  Auszuges  bemerkte  dagegen  1803 
eiosne,  Apotheker  in  Paris,  Krystalle  (das  nachmalige  Narkotin),  die 
er  rem  darstellte  und  den  gleichen  Körper  glaubte  er  auch  durch  Fällung  der 
Mutterlauge  mit  Alkali  zu  erhalten  (Morphin).  Einem  nicht  wieder  abzu- 
sc  eideuden  Gehalte  an  letzterem  schrieb  er  es  zu , dass  dieses  nach  der 
zweiten  Methode  dargestellte  .Opiumsalz“  Veilchensyrup  grün  färbte.  Und 
doch  gelang  es  ihm  nicht,  dem  zuerst  erhaltenen  durch  Fällung  aus  saurer 
Losung  ebenfalls  dieselbe  Wirkung  auf  Pflanzenfarbstoff  zu  ertheilen.  Das 
auf  die  eine  oder  andere  Weise  dargestellte  Opiumsalz  fand  Der osne  von 
gleicher  physiologischer  Wirkung,  wie  grössere  Mengen  Opium. 

o scharfsinnig  auch  diese  Beobachtungen  waren,  so  blieb  doch  dem 
potheker  Sertürner  zu  Eimbeck  (gestorben  1841  zu  Hameln  in  Han- 

mirjen  O Deut^ng1V0JehalteQ-  ^hon  seit  1805  hatte  er  sich  ebenfalls 
dem  Opium  beschäftigt,  und  fasste  nun  1816  (December)  seine  Erfah- 


52 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


rungeu  in  dem  Satze  zusammen1)  dass  er  die  Wissenschaft  bereichert  habe 
„nicht  nur  mit  der  Kenntniss  einer  merkwürdigen  neuen  Pflanzensäure 
(Meconsäure  — bereits  1806  von  ihm  bekannt  gemacht  als  Opiumsäure), 
„sondern  auch  mit  der  Entdeckung  einer  neuen  alkalischen  salzfähigeu 
„Grundlage,  dem  Morphium,  einer  der  sonderbarsten  Substanzen,  welche 
„sich  dem  Ammoniak  zunächst  anzuschliessen  scheint.“  Mit  aller 
Bestimmtheit  erkannte  Sertürner  demnach  die  basische  Natur  und  die 
organische  Zusammensetzung  des  Morphins  und  stellte  eine  Reihe  seiner 
krystallisirten  Salze  dar.  Auch  die  Giftigkeit  des  Körpers  setzte  er  durch 
Versuche  an  sich  selbst  und  an  Anderen  ausser  Zweifel.  Endlich  wies  Ser- 
türner auch,  wiewohl  zunächst  ungenau2),  den  Unterschied  zwischen  seinem 
Morphin  und  dem  sogenannten  Opiumsalze  (Narcotin)  von  Derosne  nach. 
Es  ist  möglich,  dass  letzterer  gleichzeitig  mit  Sertürner  oder  noch  früher 
Morphin  in  Händen  gehabt  hat  und  das  Gleiche  wurde  auch  später  für  Se- 
guin  in  Anspruch  genommen,  welcher  merkwürdigerweise  eine  Unter- 
suchung des  Opiums  von  1804  erst  1 8 1 4 3)  veröffentlichte. 

Unbestrittenes  Eigenthum  Sertürner’s  ist  aber  die  höchst  folgenreiche 
Erkenntniss  alkalischer  Körper  im  Pflauzenreiclie.  Das  Morphin  eröffnete 
die  unabsehbare  Reihe  der  Alkaloide  und  das  Opium  selbst  ist  dadurch  eine 
reiche,  immer  noch  nicht  erschöpfte  Fundgrube  interessanter  Stoffe  geworden. 

Die  Reaktion  des  Morphins  auf  Pflanzenfarben  und  die  Eigeutkümlich- 
keit  (des  Hydrats),  in  kurzen  Säulen  (des  zweigliedrigen  Systems)  zu  kry- 
stallisiren,  hob  schon  Sertürner  hervor.  Seine  Lösungen  in  Säuren  und 
Alkalien  zeigen  Molecularrotation  nach  links.  Das  Alkaloid  gehört  zu  den 
Aminbasen,  indem  sich  darin  Wasserstoff  durch  Alcoholradicale  ersetzen 
lässt. 

Während  das  Morphin  im  Opium  an  Meconsäure  gebunden  ist  und  sich 
deshalb  leicht  in  Wasser  löst,  ist  das  Narcotin  (oder  Opi  an)  in  freiem 
Zustande  vorhanden  und  kann  leicht  durch  kochenden  Weingeist,  durch 
Aether,  Chloroform  und  ätherische  Oele  ausgezogen  werden.  Es  löst  sich 
in  20  Th.  des  ersteren,  in  40  kochendem  Aether,  in  3 Chloroform.  Bei 
seinen  zweifelhaften  oder  doch  schwach  alkalischen  Eigenschaften,  die  sich 
z.  B.  auf  Pflanzenfarben  gar  nicht  äussern,  vermag  selbst  die  freie  Säure 
des  Opiums  das  Narcotin  nicht  zu  lösen.  Seine  meist  amorphen,  sauer 
reagirenden  bitteren  Salze  sind  leicht  zersetzbar;  es  krystallisirt  aus  kochen- 
dem Weingeist  in  Nadeln  und  besitzt  Rotationsvermögen  nach  links.  Durch 
Zersetzung  vermittelst  Schwefelsäure  liefert  das  Narcotin  die  unzweifelhafte 
Base  Cotaruin  neben  Opiansäure  uud  weiteren  Derivaten  der  letzteren. 

Merkwürdigerweise  ist  das  Narcotin  auch  in  Tuber  Aconiti  (vgl.  dieses) 
aufgefunden  worden;  dass  es  verschiedene  homologe  Arten  desselben  gebe, 

1)  iu  Gilbert  s Annalen  der  Physik.  Lpzg.  1817.  55.  S.  57. 

2)  besser  Robiquot.  Gilberts  Auualcn  57.  S.  177  (1817). 

3)  Annalcs  de  Ckiraio  92.  p.  225. 


Opium. 


53 


ist  von  Matthiessen  und  Foster  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  wider, 
legt  worden. 

Die  Entdeckung  einer  weiteren  Base,  des  Codeins,  folgte  erst  1832 
durch  Robiqu et.  Es  krystallisirt  mit  und  ohne  Krystallwasser,  löst  sich 
in  17  Theilen  kochenden  Wassers  zu  einer  stark  alkalischen  Flüssigkeit, 
welche  nach  links  rotirt.  Dieses  Alkaloid  sättigt  die  Säuren  vollkommen 
und  reagirt  stark  alkalisch. 

Ebenfalls  1832  fand  Pelletier  das  Narcei'n,  welches,  obwohl  in 
wässeriger  Lösung  nicht  alkalisch  reagirend,  doch  mit  Säuren  krystallisirbare, 
freilich  zum  Theil  nicht  sehr  beständige  Verbindungen  gibt.  Seine  Mole- 
kularrotation nach  links  ist  bedeutend  schwächer,  als  bei  Narcotiu.  Das 
Narcei'n  schmeckt  schwach  bitter,  mehr  styptisch,  und  löst  sich  sehr  leicht 
in  kochendem  Wasser. 

Unvollständig  bekannt  und  überhaupt  nur  drei  Male  gefunden,  ist  das 
1835  von  Pelletier  und  Thiboumery  dargestellte  Pseudomorphin. 
Es  scheint  eine  schwache  Base  zu  sein. 

Im  gleichen  Jahre  fand  der  zuletzt  genannte  Chemiker  das  Thebain, 
auch  Paramorphin  genannt,  eine  entschiedene  Base  von  mehr  scharfem 
und  metallischem  als  bitterem  Geschmacke. 

Von  zweifelhafter  chemischer  Fuuktion ist  das  zuerst  1838  von  E.  Merck 


in  bengalischem,  später  auch  von  Riegel  in  türkischem  Opium  bemerkte 
Porphyroxin,  ausgezeichnet  durch  die  rothe  Färbung,  welche  seine  an- 
fangs farblosen  Lösungen  in  Mineralsäuren  beim  Kochen  annehmen. 

Bestimmt  alkalischer  Natur  ist  das  Papaverin,  1848  von  G.  Merck 
aufgefunden.  Die  Base  selbst  und  ihre  Salze  sind  schwer  löslich,  von  ge- 
ringem Rotationsvermögen.  — Ganz  andere  Eigenschaften  zeigt  das  bei 
Fructus  Papaveris  erwähnte  Papaverin  von  Deschamps. 

1851  wies  Hinterberger  im  Opianin  eine  bestimmte  alkalisch 
reagirende  bitter  schmeckende  Base  nach,  die  für  sich  selbst  in  kochendem 
Weingeist  sehr  wenig  löslich  ist  und  sich  in  salpetersäurehaltiger  Schwefel- 
säure blutroth  löst.  Von  Gerhardt  und  von  Weltzien  wurde  das 
Opianin  für  identisch  mit  Narcotin  erklärt;  der  hohe  Sauerstoffgehalt  spricht 
jedenfalls  gegen  die  Basicität. 

Nur  einmal  aus  Opiumrückständen  von  der  Tinkturbereitung  erhielt 
Wittstein  18G0  das  Metamorphin  von  schwach  heissendem  nicht 
bitterem  Geschmacke,  bemerkens werth  durch  seine  leichte  Löslichkeit  in 
kaustischen  und  kohlensauren  Alkalien,  so  dass  es  aus  den  Salzen  aar  nicht 
gefällt  werden  kann. 


Ein  neues  Alkaloid  ermittelten  18641)  T.undH.  Smith;  durch  Schwe- 
felsäure wird  es  tief  blau,  ein  Splitter  Kalisalpeter  ruft  schön  blaue  Fär- 
bung hervor. 


p.  240. 


*)  Pharm.  Joum.  und  Transact.  VI 


54 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


Das  (bei  Fructus  Papaveris  erwähnte)  Papaverosin  müsste  sich  auch 
im  Opium  finden,  wenn  sich  seine  Existenz  bestätigt. 

1865  endlich  hat  Hesse  im  Opium  auch  das  Rhoeadin  (s.  bei  Flores 
Rhoeados)  angegeben,  das  vielleicht  in  Beziehung  zu  Porphyroxin  steht. 

Unter  den  eigenthümliclien  nicht  basischen  Bestandteilen  des  Opiums 
ist  wie  oben  angedeutet  die  merkwürdige  M ec  on  säure  (Opi  um  säure) 
€‘H40‘  schon  1805  von  Sertürner  entdeckt  worden.  Sie  ist  durch  die 
rothe  Farbe  ausgezeichnet,  welche  sie  und  ihre  Salze  auch  bei  grosser  Ver- 
dünnung den  Eisenoxydlösungen  ertheileu.  In  4 Theilen  kochenden  Wassers 
löst  sich  die  Säure,  aber  es  tritt  alsbald  GO2  aus  und  statt  der  glimmer- 
artigen Krystallschuppen  der  Meconsäure  schiessen  aus  der  (am  besten  mit 
Salzsäure  gekochten)  Flüssigkeit  beim  Erkalten  harte  körnige  Krystalle  von 
Comensäure  GKH4Q5  an. 

Aus  mehr  als  zwanzig  verschiedenen  Opiumproben  haben  T.  und 
H.  Smith1)  eine  zweite,  wie  es  scheint  eigentümliche  Säure,  die  The- 
bolactinsäure,  gewonneu  und  1862  nebst  ihrem  Kupfer-  und  Morphin- 
salz in  London  ausgestellt. 

Als  unzweifelhaft  indifferenter  Bestandtheil  des  Opiums  ist  das 
Meconin  (oder  Opianyl)  Gl0H10O4,  1832  von  Dublanc  aufgefunden, 
zu  nennen.  Es  krystallisirt  in  sechsseitigen,  unter  Wasser  bei  77°  C. 
schmelzbaren  Säulen,  welche  sich  bei  100°  in  etwa  20  Theilen  Wasser  zu 
einer  bitter  schmeckenden  Flüssigkeit  lösen.  Künstlich  lässt  es  sich  auch 
durch  Erwärmen  des  Narcotius  mit  Salpetersäure  erhalten.  Durch  Chlor 
wird  das  Meconin  zu  Mechloinsäure  oxydirt. 

Die  bis  jetzt  feststehenden  Formeln  der  Opium- Alkaloide  zeigen  un- 
verkennbare Beziehungen  unter  sich,  wie  aus  folgender  Uebersicht  hervor- 
geht: 


G 

H 

N 

0 

* f Morphin 

17 

19 

1 

3 

unzweifelhafte  Basen:  | ^oc^in 

18 

21 

1 

3 

Thebain 

19 

21 

1 

3 

[ Papaverin 

20 

21 

1 

4 

, ^ 1 Narcotin 

22 

23 

1 

7 

schwache  Basen:  ; Nareeto 

23 

29 

1 

9 

nicht  sicher:  Opianin 

33 

37 

1 

11 

nicht  analysirt * Metamorphiu,  Porphy 

roxiu, 

Pseudomorphin. 

Die  eigeuthümlichen  Stoffe  des  Mohnsaftes  sind  in  sehr  verschiedener 
Menge  vorhanden.  In  erster  Linie  steht  das  Morphin,  wovon  Guibourt 
in  dem  schon  erwähnten  Opium  des  Departement  de  la  Somme  (bei 
100°  C.  getrocknet)  nicht  weniger  als  22,88  pC.  gefunden  hat,  welche  Zahl 
als  Maximum  dasteht.  Doch  fand  Guibourt  auf  genau  gleiche  Weise 


!)  Pharm.  Jonrn.  und  Transact.  VII.  p.  50. 


Opium. 


55 


auch  in  einem  kleinasiatischen  21,46  pC.,  Biltz  in  deutschem  Opium  bis 
20  pC.  Indessen  fällt  der  Morphingehalt  oft  bis  unter  1 2 pO.  Erweist  er 
sich  geringer  als  10  pC.,  so  muss,  wenigstens  bei  kleinasiatischer  Waare, 
eine  Fälschung  angenommen  werden.  Als  Mittelzahl  für  gutes  officinelles 
kleinasiatisches  (oder  auch  französisches)  Opium  ist  daher  12  bis  15  pC. 
zu  betrachten.  Die  englische  Pharmacopöe  begnügt  sich  mit  6 bis  8 pC. 
Gehalt,  Pharmacopoea  -Germaniae  verlangt  mindestens  10  pC.  von  ge- 
trockneter Waare. 

Aermer  an  Morphin  erscheint  durchschnittlich  das  ostindische  Opium. 
Guibourt,  so  wie  De  Vrij,  auch  Haines,  fanden  nur  5 bis  9 pC.  Ob 
daran  nur  die  Eigenthümlichkeit  der  Darstellung  des  Opiums  Schuld  ist, 
bleibt  noch  dahingestellt.  Es  ist  denkbar,  dass  ein  Theil  des  Morphins 
im  „Passewa“  (siehe  oben  S.  46)  verloren  geht,  da  diese  Flüssigkeit  oft 
lange  herumsteht  und  durch  Gährung  oder  den  Sauerstoff  der  Luft  ver- 
ändert wird.  Fast  scheint  es,  dass  Opium  aus  Malwa  und  dem  Pandschab, 
wo  vielleicht  anders  verfahren  wird  als  in  Bengalen,  durchschnittlich  mehr 
Morphin  enthält  als  das  vom  Ganges,  wie  denn  überhaupt  das  Produkt  der 
Berggegenden  in  Indien  bevorzugt  wird.  Leider  fehlen  noch  genügende 
Vergleichungen  in  dieser  Hinsicht,  namentlich  auch  genauere  Untersuchung 
des  Passewa.  Zusatz  von  Wasser  soll  dasselbe  trüben.  Persisches  Opium 
kömmt  trotz  des  sehr  gewöhnlichen  Zusatzes  von  Zucker  doch  auch  mit 
llpC.  bis  13,4pO.  Morphin  vor,  freilich  aber  auch  oft  sehr  arm  daran. 

Keinem  ächten  Opium  fehlt  das  Morphin.  Das  Codein  ist  in  klein- 
asiatischem, französischem  und  indischem  Opium  nur  zu  Vs  bis  %pC. 
gefunden  worden.  Das  Patua- Opium  scheint  bisweilen  verhältnissmässig 
reich  daran  zu  sein;  Christison’s  Angabe  von  8pC.  Codei'n  in  solchem 
steht  aber  ganz  vereinzelt  da  und  hat  keine  Bestätigung  gefunden.  Etwas 
mehr,  ungefähr  1 pC.  nach  Merck,  beträgt  das  auch  in  französischem 
Produkte  schon  nachgewiesene  Thebain.  In  kleinasiatischem  fanden  T.  u. 
H.  femith  nur  1 V2  p-  Mille,  dagegen  1 pC.  Papaverin. 

Auf  weit  beträchtlichere  Mengen  beläuft  sich  der  Gehalt  an  Narcotin. 
Kleinasiatisches  Opium,  nur  ausnahmsweise  ärmer  an  Morphin  als  an 
Narcotin,1)  liefert  6 bis  gegen  10  pC.,  sehr  häufig  4pC.  des  letzteren.  Aus 
Opiumtinctur  setzt  sich  dasselbe  bisweilen  vorzugsweise  ab.  Auf  irgend 
einem  Versehen  beruhen  ohne  Zweifel  die  33  pC.  Narcotin.  welche  Biltz 
(1829)  in  einem  bei  Erfurt  erzielten  Opium  angab. 

In  französischem  Opium  aus  Papaver  somniferum  Var.  a)  nigrum 
(Pavot-oeillette)  ist  mehrmals  die  Abwesenheit  des  Narcotius  und  auch  des 
Thebains  dargethan  worden. 

In  indischem  Opium  hingegen  scheint  es  ganz  regelmässig  reichlicher 
vorzukommen,  als  das  Morphin,  indessen  doch  nicht  viel  6pC.  zu  über- 


U S ü p u t (Journ.  de  Pharm,  et  de  Ch.  39.  p.  165)  erwähnt  eines 
mit  7,7  Narcotin  neben  nur  2,5  Morphin. 


Smyrnaischen  Opiums 


56 


I.  Pflanzonstoffe  ohne  organische  Strnctur. 

steigen.  Eatwell  (1850),  Opiumprüfer  des  Benares-Distriktes,  fand  in 
frischem,  ganz  unverändertem  indischem  Mohnsafte,  den  er  noch  am  gleichen 
Tage  untersuchte,  0,55  pC.  Morphin  neben  1,63  pC.  Narcotin.  Einen  weit 
geringeren  Unterschied  weisen  die  Analysen  auf,  welche  1845  bis  1849  in 
dei  Opium- Agentur  Benares  ausgeführt  wurden.  Als  Durchschnitt  berechnet 
sich  (auf  getrocknetes  Opium  bezogen)  6,7  pC.  Narcotin  und  3,5  Morphin. 
— Auch  in  zwei,  Proben  persischen  Opiums  hat  Reveil  (1860)  mehr 
Narcotin  als  Morphin  getroffen. 

Von  Narcein  erhielt  Couerbe  1 p.  Mille,  T.  u.  H.  Smith  ’/s  p.  Mille, 
Schindler  0,71  pC.,  Mul  der  dagegen  6 bis  13  pC.  (?!)  Ohne  Zweifel 
hatte  der  Letztere  nicht  das  wahre  Narcein  dargestellt. 

Nimmt  man  im  Opium  einen  Durchschnittsgehalt  von  15pC.  Morphin 
an  und  setzt  es  als  drittelsaures  Meconat1)  voraus,  so  würden  3,4  pC.  Mecon- 
säure  schon  zur  Sättigung  genügen. 

Wittstein  erhielt  etwas  über  3 pC.  derselben,  T.u.H.  Smith2)  4pC. 
Die  von  den  übrigen  muthmasslich  auch  als  Salze  vorhandenen  Basen, 
namentlich  von  dem  Thebain  und  Papaverin  beanspruchte  Säuremenge  ist 
demnach  verschwindend  klein  und  zum  Theil  vielleicht  auf  Rechnung  der 
Thebomilchsäure  zu  setzen.  Von  dieser  fanden  die  zuletzt  genannten 
Chemiker  1 V)  pC. 

Die  Angaben  über  die  Menge  des  Meconius  wechseln  von  Vio  P-  Mille 
(Smith),  3 p.  Mille  (Schindler)  bis  1,3  pC.  (Mulder) 

Die  Werthbestimmung  des  Opiums  muss  daher  auf  die  Abscheidung 
des  Morphins  ausgehen,  wozu  eine  Menge  von  Vorschlägen  gemacht  worden 
sind.  Sie  beruhen  darauf,  das  Morphiusalz  entweder  mit  Wasser  oder  mit 
verdünntem  Weingeist  auszuziehen  und  mit  Alkali  die  Base  zu  fällen. 
Ueberschuss  des  Fällungsmittels  wirkt  nicht  nur  lösend,  sondern  auch  bei 
längerer  Berührung  durch  Begünstigung  der  Sauerstoffaufnahme  zersetzend 
auf  das  Morphin.  Eine  Schwierigkeit  liegt  hierbei  darin,  dass  das  letztere 
doch  nur  nach  mehreren  Stunden  vollständig  fällt.  Das  so  herauskrystaili- 
sirte  Morphin  muss  durch  Chloroform  von  Narcotin  und  durch  Umkrystal- 
lisireu  aus  kochendem  90  pC.  Alkohol  von  den  Meconateu  des  Kalkes,  der 
Magnesia  und  des  Kalis  befreit  werden.  Der  Kalkgehalt  lässt  sich  auch 
zuvor  durch  Oxalsäure  beseitigen. 

Aus  den  Untersuchungen  Claude  Bernard’s3)  (1864)  folgt,  dass 
die  schlafmachende  Wirkung  des  Opiums  im  höchsten  Grade  dem 
Narcein  zukömmt,  in  Mächtigkeit  und  Qualität  derselben  weichen  sowohl 
Morphin  als  Codein  von  ersterem  ab.  Als  Gift  nimmt  das  Thebain  den 
ersten,  das  Codein  den  zweiten  Rang  ein,  hierauf  folgen  Papaverin,  Narcein, 

1)  Wohl  mag  ein  süurureiches  Morphiuincconat  vorhanden  sein,  vielleicht  aber  auch  Sulfat 
neben  freier  Meconsäurc.  Einen  Theil  der  letztem  erhält  tuon  bei  der  Darstellung  der  Alka- 
loide auch  als  krystalliui.sches  Kalium-,  Calcium-  und  Magnesiumsalz. 

2)  Pharm.  Journ.  and  Transact.  VH'.  p.  1811. 

3)  Journ.  de  Pharm,  et  de  Chiin.  46.  p.  241  —252  u.  298. 


Euphorbium. 


57 


Morphin,  Narcotin.  In  anderer  Hinsicht  befolgt  der  Wirkungswerth  der 
Alkaloide  wieder  eine  andere  Ordnung.  Als  krampferregend  scheint  nach 
A 1 b e r s das  Morphin  obenan  zu  stehen.  Nach  demselben  sind  auch  Porphyr- 
oxin, Meconsäure  und  Meconin  physiologisch  wirksam.  Es  ergibt  sich 
hieraus,  wie  sehr  verschieden  die  Gesammtwirkung  des  Opiums  von  der- 
jenigen seiner  einzelnen  Stoffe  sein  muss. 

Die  Bekanntschaft  mit  den  medicinischen  Eigenschaften  des  Mohns 
geht  in  das  höchste  Alterthum  zurück.  Schon  Theophrast  (im  Anfänge 
des  III.  Jahrhunderts  vor  Chr.),  dann  auch  Dioskorides,  Plinius, 
Galen  (I.  und  II.  Jahrhundert  nach  Chr.)  beschreiben  die  Gewinnung  des 
Mohnsaftes  Mekönion,  Opös  oder  allgemeiner  Opion  (07:0;  = Saft,  Milch- 
saft), woraus  Araber  und  Perser  Afjuu  bildeten,  welcher  Klang  in  Indien 
und  China1)  Eingang  gefunden  hat,  wo  das  Opium  wenigstens  als  Genuss- 
mittel nicht  ursprünglich  im  Gebrauche  stand.  Die  Einführung  desselben 
dürfte  in  den  erstereu  Gegenden  mit  der  Ausbreitung  des  Islam  Zusammen- 
hängen und  durch  das  mohammedanische  Verbot  des  Weintriukens  begün- 
stigtworden sein.  Wohl  mag  sich  die  Mohnkultur  von  Persien  her  in  Indien 
zunächst  in  Malwa  festgesetzt  haben2)  und  zu  dem  Einzuge  mohamme- 
danischer Herrscher  in  der  Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts  in  Beziehung  stehen. 

Garcia  d’Orta  kannte  in  der  Mitte  des  XVI.  Jahrhunderts  Opium  aus 
Malwa,  dessen  Genuss  in  Indien  und  Persien  damals  schon  allgemein  - 
gebräuchlich  war.  Der  Portugiese  erwähnte  auch  ägyptisches  Opium  aus 
Thebae  und  arabisches,  das  seine  Landsleute  in  Aden  kauften. 

Euphorbium. 

Eiipliörbia  resinifera  Berg.  — Euphorbiaceae. 

Mehrere  westafrikanische  Euphorbien  zeichnen  sich  durch  kantige  flei- 
schige am  Grunde  verholzende  Stengel  aus,  wTelche  in  kurzen  regelmässigen 
Abständen  an  den  Kauten  ein  wenig  erhöhte  zahlreiche  Polster  tragen , aus 
denen  sich  je  ein  kurzes  auseinander  fahrendes  Stachelpaar,  aber  niemals 
ein  eigentliches  Blatt  entwickelt.  Zwischen  zwei  Stachelhöckercheu  findet 
sich  immer  eine  kleine  scharf  umschriebene  Vertiefung,  aus  welcher  zu 
oberst  au  den  blühbaren  Aesten  der  oft  sehr  stark  verzweigten  Pflanze  der 
kuiz  gestielte,  wenn  nicht  sitzende  unscheinbare  Blüthenstand  hervorgeht. 
Die  unteren  Vertiefungen  des  altern  Stengels  dagegen  treiben  Aeste.  Die 
durch  Schacht2)  bei  seinem  Aufenthalte  auf  Madeira  genau  untersuchte 
ihuphorbia  canariensis  L.  zeigt  im  höchsten  Grade  diesen  völlig  an  Cactus 
erinnernden  Habitus,  der  auch  vielen  andern  Arten  der  tropischen  und  sub- 
tropischen  Länder  zukömmt.  Aus  der  ausserordentlich  weithin  verzweigten 


L Selbst  bei  den  heutigen  Griechen  heisst  der  Mohn  ’Acpiwvt. 

2)  Ritter,  Asien  IV.  j).  781.  786. 

8)  Madeira  und  Tenerife  mit  ihrer  Vegetation.  Berlin  1859.  S.  127  (Flabitusbild). 


58 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


Pfahlwurzel  der  E.  canariensis  erhebt  sich  ein  anfangs  ganz  einfacher  Säulen- 
schaft, der  nach  einigen  Jahren  aus  den  Achseln  der  Stachelhöcker  ganz 
regellos  armsdicke  Aeste  aussendet,  welche  sich  in  geringer  Entfernung 
senkrecht  bis  5 111  hoch  anfrichten,  so  dass  eine  einzige  Pflanze  ein  starres 
undurchdringliches , bis  20  Fuss  im  Durchmesser  erreichendes  blaugrünes 
Buschwerk  bilden  kann  und  ein  Hauptstamm  nicht  mehr  zu  erkennen  ist. 

Die  Rinde  und  auch  die  Peripherie  des  Markes  ist  von  zahlreichen  ästi- 
gen und  dickwandigen  Milch saftgefässen  durchzogen,  welche  bei  der  gering- 
sten Verwundung  in  Menge  dicken  scharfen  weissen  Saft  austreten  lasseu 
oder  sogar  ausspritzen.  Ein  Einschnitt  kann  in  5 Minuten  eine  Theetasse 
davon  liefern.  Der  Saft  trocknet  leicht  zu  einer  weisslichen  spröden  ')  Masse 
ein,  welche  auf  Teneriffa  von  den  Eingebornen  übermässig  gefürchtet  und, 
wie  es  scheint,  gar  nicht  gesammelt  wird.  Euphorbia  canariensis  gibt  auf 
Teneriffa  und  Lanzarote,  wo  sie  sich  hoch  in  das  Gebirge  erhebt,  hauptsäch- 
lich Feuerungsmaterial  ab. 

Das  officinelle  Euphorbium  wird  aus  Sale  und  Mogador  ausgeführt  und 
im  marokkanischen  Atlas  in  geringer  Menge  gesammelt,  indem  man  die 
Pflanze  anschneidet  und  den  herabträufelnden  Saft  an  derselben  eintrocknen 
lässt.  Nach  älteren  Berichten  von  Jackson  soll  jede  Pflanze  nur  je  alle 
4 Jahre  reichliche  Ausbeute  gewähren  und  die  Arbeit  sehr  gefährlich  sein. 

Das  käufliche  Euphorbium  enthält  in  reichlicher  Menge  Reste  der  Stamm- 
pflanze, worin  Berg  eine  von  Euphorbia  canariensis  verschiedene  Art  er- 
kannt und  alsE.  resinifera  beschrieben  hat.  Sie  zeichnet  sich,  im  Gegensätze 
zu  der  erstem , so  weit  jene  Bruchstücke  urtheilen  lassen , hauptsächlich 
dadurch  aus,  dass  die  Blüthenstände  nicht  sitzend  oder  nur  kurz  gestielt 
sind,  sondern  von  einem  bis  0,015 m langen  Stielchen  getragen  werden. 
Dasselbe  endigt  meist  dreitheilig  gabelig  in  3 fast  sitzenden  Bliithenküllen 
(Kelchkätzchen),  seltener  sind  deren  bis  7 vorhanden.  Sie  zeigen  den  ge- 
wöhnlichen Bau  der  Euphorbien-Bliithe.  Die  etwa  5 Millim.  -hohe  fein  run- 
zelige graugelbliche  Fruchtkapsel  besteht  aus  3 auseinander  fahrenden  zwei- 
klappig  aufspringenden  derben  Fächern.  Jedes  enthält  einen  kugeligen 
3 Millim.  grossen  Samen,  der  mit  hellgraulichen  Schülfern  besetzt  ist  und 
einen  feinen  dunklem  Nabelstreifen  zeigt.  Während  die  Blatt-  oder  Stachel- 
polster der  Euphorbia  canariensis  sehr  stark  gewölbt  aus  den  Steugelkanten 
hervortreten,  sind  die  rothbraunen  oder  grau  angelaufenen  Polster  der 
E.  resinifera  zwischen  den  Stacheln  selbst  am  Scheitel  der  Axe,  wo  sie  sehr 
genähert  stehen,  beinahe  flach  und  nicht  gewölbt. 

Ohne  Zweifel  ist  das  Aussehen  der  E.  resinifera  mit  dem  der  E.  cana- 
riensis übereinstimmend.  Die  Stengel-  oder  Aststücke  der  erstereu,  die  sich 
in  der  käuflichen  Waare  vorfinden,  bieten  trocken  einen  rhombischen  Quer- 

!)  Die  auf  Gran  Canaria  häufige  Euphorbia  balsamifera,  eine  huschige  aber  blättertragende 
Art,  ergiesst  eben  so  reichlich  einen  weniger  dicken  süsslichen,  durchaus  nicht  scharfen  Milch- 
saft, der  nur  zum  zähen  Firniss,  nie  zu  zerroiblichcr  Masse  eintrocknet. 


Euphorbium. 


59 


schnitt  von  ungefähr  0,02 m Diagonale  dar;  die  Seiten  sind  jedoch  immer 
sehr  stark,  beinahe  bis  auf  die  rautenförmig  gestellten  Gefässbündel  ein- 
gesunken. Die  Aeste  der  E.  canariensis  hingegen  werden  nach  Schacht 
armsdick.  Die  Milchsaftschläuche  der  E.  resinifera  sind  sehr  einfach,  un- 
gefähr 70  Mikromill.  dick,  mit  sehr  starken  Wänden  versehen. 

Der  über  die  Pflanze  herabträufelnde  Saft  erhärtet  an  derselben,  indem 
er  ihre  verschiedenen  Theile  überzieht.  Beim  Abreissen  des  Euphorbiums 
werden  dann  sehr  unregelmässige  1 bis  3 Centimeter  grosse  oder  kleinere 
Stücke  erhalten,  deren  Formen  den  zweistacheligen  Blattpolstern,  den 
Bliithengabeln,  oder  den  dreiknöpflgen  Früchten  entsprechen.  Seltener  fin- 
den sich  auch  kleinere  ganz  reine  Stücke  des  erhärteten  Saftes,  dagegen  ist 
die  Droge  ausserdem  immer  von  zahlreichen  bald  grün  berindeten,  bald 
mit  gelblichem  Korke  bedeckten  Resten  der  Euphorbia , so  wie  auch  von 
Trümmern  anderer  Pflanzen  begleitet. 

Das  Euphorbium  bildet  eine  matt  hell  gelbliche  zerreibliche  Masse,  deren 
dünne  Splitter  unter  dem  Mikroskop,  selbst  im  polarisirten  Lichte  keine 
besondere  Struktur  oder  Gemengtheile  wahrnehmen  lassen,  namentlich  kein 
Amylum,  welches  doch  z.  B.  der  Milch  unserer  einheimischen  Euphorbien 
nicht  fehlt.  Erst  bei  grösseren  Mengen  oder  beim  Ei*wärmen  wird  der  an 
Weihrauch  erinnernde  Geruch  des  Euphorbiums  deutlich. 

Es  schmeckt  sehr  anhaltend  und  gefährlich  brennend  scharf;  der  Staub 
bewirkt  heftiges  Niesen,  Entzündung  und  Blasen. 

An  Wasser  gibt  das  Euphorbium  nur  wenig  durch  Weingeist  fällbares 
Gummi  ab  und  bildet  keine  Emulsion. 

Alkohol  nimmt  daraus  40  bis  60  pC.  eines  hell  gelbbraunen  spröden 
Harzes,  vermuthlich  Träger  der  Wirkung,  auf.  Das  Harz  besitzt  nur 
schwach  saure  Eigenschaften,  die  weingeistige  Lösung  wird  durch  Alkalien 
bleibend  getrübt,  von  Eisenchlorid  wenig  verdunkelt.  Es  ist  ein  Gemenge 
mehrerer  Harze,  deren  eines,  das  Gammaharz  von  Rose,  nur  in  siedendem 
Alkohol,  nicht  in  Alkalien  löslich  ist  und  sich  in  unkrystallinischen  fast 
geschmacklosen  Flocken  ausscheidet.  Zwei  andere  Harze  dagegen  lösen 
sich  in  Alkalien  und  sind  von  scharfem  Geschmacke.  Ob  Krystallwarzen, 
welche  Dragendorff  und  Alberti  (1864)  in  alter  Tinctura  Euphorbii 
beobachteten,  mit  jenem  Rose’schen  Harze  übereinstimmen,  ist  noch  nicht 
erwiesen. 

13  bis  19  pC.  des  Euphorbiums  bestehen  aus  einem  nicht  näher  unter- 
suchten wachsartigen  Stoffe  und  ebenso  viel  betragen  ungefähr  die  äpfel- 
sauren Salze,  vorzüglich  Kalkmalat,  wovon  Braconnot  schon  1809  über 
20  pC.  nachgewiesen  hat. 

Zucker  fehlt  in  dem  wässerigen  Auszuge.  Kleinere  sorgfältig  ausge- 
lesene von  Pflanzentheilen  ganz  freie  Stücke  gaben  mir  9,2  pC.  zerfliess- 
licher  Asche,  worin  neben  Kalisalzen  Phosphate  vorhanden  waren.  Das 

Euphorbium  verbrennt  nur  schwer  vollständig  und  stösst  einen  scharfen 
Rauch  aus. 


60 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structnr. 


Es  war  schon  den  Alten  bekannt;  Dioskorides 
dessen  Gewinnung. 


beschrieb  bereits 


Sandaräca. 

Resina  Sandaraca.  Sandarak.  Sandaraque. 

Callxtris  quadrivalvis  Ventenat.  — Coniferae-Cwpressineae. 

Syn.  Thuja  articulata  Vahl. 

Dieses  strauchartige  bis  etwa  20  Fuss  hohe  vom  Grunde  an  sparrig 
ästige  Bäumchen  ist  eines  der  gewöhnlichen  Nutzhölzer  Algeriens,  des  At- 
las und  der  übrigen  nordwest-afrikanischen  Gebirge,  kömmt  aber,  zu  uns 
verpflanzt,  im  Freien  nicht  fort.  Das  Sandarakharz  fliesst  theils  freiwillig 
theds  häufiger  in  Folge  von  Einschnitten  aus  der  Stammrinde  und  erstarrt 
wie  es  scheint,  sehr  rasch  zu  schwach  gelblichen  bis  fast  bräunlichen  durch- 
sichtigen Tropfen  von  bald  mehr  kugeliger  oder  bimförmiger,  bald  mehr 
verlängerter  stalaktitischer  Gestalt.  Ausgesuchte  fast  cylindrische  Stücke 
erreichen  bis  0,03 : m Länge  bei  etwa  0,005  m Dicke,  fliessen  aber  häufig  zu- 
sammen und  breiten  sich  platt  aus.  In  den  schönsten  Sorten  sind  dieselben 
vollkommen  klar  und  durchsichtig,  nur  schwach  weingelb  gefärbt.  Der  San- 
aiak  ist  sein  spi öde,  bricht  scharfkantig  muschelig  und  glasglänzend, 
daher  die  käufliche  Waare  pulverig  bestäubt  ist.  Das  speeifische  Gewicht  der 
leinsteu  Stücke  ergibt  sich  zu  1,066,  sie  erweichen  erst  über  100°  und 
schmelzen  unter  Aul  blähen  bei  135°  C,  wobei  sich  ein  aromatischer  nicht 
eben  feiner  Geruch  entwickelt.  Stärker  erhitzt  verbrennt  der  Sandarak  an 
der  Luft  rasch  und  vollständig.  Im  Munde  zerkaut  er  sich  ohne  Erweichung 
sandig  und  schmeckt  schwach  bitterlich  aromatisch. 

Dei  Sandarak  löst  sich  leicht  in  heissem  absolutem  Alkohol,  weniger 
leicht  und  nur  theilweise  in  ätherischen  Oelen  und  Benzol.  Man  hat  durch 
successive  Behandlung  der  alkoholischen  Lösung  mit  Kali,  Wasser,  Salz- 
sfiiue  das  Harz  in  drei  Antheile  zerlegt,  welche  zu  Lösungsmitteln  etwas 
verschiedenes  Verhalten  zeigen,  sonst  aber  noch  nicht  näher  untersucht  sind. 

Dieses  Harz  scheint  schon  beim  Ausfliessen  wohl  nur  von  sehr  wenig 
ätherischem  Oele  begleitet  zu  sein ; im  käuflichen  Sandarak  kommen  nur 
Spuren  davon  vor. 

Der  Sandarakbaum  hiess  bei  den  Alten  kleiner  phönikischer  Kedros 
(Dioskorides),  das  Harz  daher  Kedria,  bei  den  Arabern  Sandarüs  oder  auch 
Kiträn.  Es  diente  den  Aegyptern  zum  Eiubalsamircn.  Aristoteles,  im 
IV.  Jahi hundert  vor  Ohr.,  später  auch  Dioskorides  und  Andere,  be- 
schrieben jedoch  unter  dem  Namen  Sandaräclie  unzweifelhaft  das  natürliche 
rothe  Schwefelarsen,  Realgar. 

Das  heutige  Sandarakharz  scheint  fast  nur  in  Mogador  verschifft  zu 
werden. 


Benzoe. 


61 


Benzoe. 

Benzoi'num.  Resina  Benzoe.  Benzoeharz.  Benjoin.  Benzoin. 

Styrax  Benzoin  Dryander.  — Styraceae. 

Syn.  Benzoin  officinale  Hayne. 

Der  ächte  Benzoebaum  ist  von  mittlerer  Grösse  mit  mannsdickem 
Stamme  und  hübscher  Krone , welche  dadurch  eine  sehr  eigenthümliche 
Färbung  erhält,  dass  die  ansehnlichen  lang  zugespitzten  Blätter  unterseits 
mit  kurzen  angedrückteu  weissen  Sternhaaren  dicht  besetzt  sind.  Die 
starken  Nerven  und  das  feine  Adernetz  tragen  rostfarbene  Schülfern,  wäh- 
rend die  dunkelgrüne  kahle  Oberseite  schwach  glänzt.  Auch  die  Blattstiele 
und  Blüthenrispen  erscheinen  weisslich  bis  bräunlich  filzig,  letztere  durch 
gehäufte  und  zierlich  gebüschelte  Haare;  die  Blüthen  selbst  aussen  glänzend 
weiss,  innen  ebenfalls  bräunlich. 

Der  Baum  wächst  hauptsächlich  auf  der  hinterindischen  Halbinsel, 
sowohl  in  Cochinchina  oder  Annam,  als  auch  tief  im  Innern  Siams,  im  Berg- 
lande der  Lauas  oder  Laos  im  oberen  Stromgebiete  des  Salain  und  Mekhong 
(Cambodscha).  Auch  Sumatra,  wie  es  scheint  die  Batta-Länder  des  Innern, 
liefert  etwas  Benzoe,  nicht  aber  Java  und  Borneo,  wo  der  Baum  ebenfalls 
vorkömmt.  • 

Durch  Einschnitte  in  den  gefällten  Baum  erhält  man  ungefähr  von 
seinem  fünften  bis  gegen  das  zwanzigste  Jahr  das  sehr  langsam  und  in  ge- 
ringer Menge  ausfliessende  und  nur  allmälig  erhärtende  Benzoeharz.  Ob  es 
in  ätherischem  Oele  gelöst  als  Balsam  austritt  und  durch  Abdunstung  oder 
etwa  durch  Oxydation  des  ersteren  fest  wird,  findet  sich  nicht  angegeben. 
Doch  erwähnt  Sthomburgk1),  dass  das  auf  natürlichem  Wege  aus- 
schwitzende Harz  stärker  rieche,  als  das  aus  Einschnitten  gewonnene,  und 
Hlasiwetz2)  hat  in  überraschender  Weise  auf  synthetischem  Wege  That- 
sachen  ermittelt,  welche  zur  Ueberzeugung  führen,  dass  Styrax  Benzoin 
Bittermandelöl  und  daraus  einen  Theil  des  Benzoeharzes  erzeugen  müsse. 
Jüngere  Bäume  sollen  ein  nur  wenig  gefärbtes  Harz  liefern,  das  vorzugs- 
weise zu  einzelnen  Körnern  (Thränen  oder  Mandeln)  oder  grösseren  ab- 
geplatteten Stücken  erstarrt,  während  das  Produkt  älterer  Bäume  mehr 
bräunliche  Massen  bildet,  in  denen  eingesprengte  hellere  Mandeln  zurück- 
treten. Man  unterscheidet  demnach  im  Handel: 

1)  Benzoe  in  losen  Stücken,  Benzoe  in  la er ymis.  Häufiger  als  die 
kleinen  fast  röthlichen  durchsichtigen  Tropfen  oder  Thränen  sind  flache  bis 
über  20  Quadrat-Centimeter  grosse,  aussen  braungelbe,  innen  milchweisse 
wachsartige  doch  spröde  Stücke.  Sie  sindbis  0,010™  dick  und  auf  der 
einen  Seite  häufig  mit  kleinen  anhaftenden  Kork-  oder  Holzstückchen  ver- 


*)  Büchners  Repertorium  XI.  (1861)  S.  202. 
2)  Ann.  der  Chem.  u.  Ph.  CXXXIX.  S.  89. 


62 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Slructur. 


sehen.  Auch  durch  die  Andeutung  von  Schichtung  itn  Inneren  und  durch 
die  gerundeten  Ränder  charakterisiren  sie  sich  als  geflossene,  vermuthlich 
an  dicken  sanft  gerundeten  Stämmen  erstarrte  Massen.  Diese  schönste  wie 
es  scheint  aus  Siam  stammende  Sorte  ist  vollkommen  homogen,  erweicht 
beim  Kauen  und  schmilzt  schon  bei  75°  C zur  klaren  wasserhellen  Flüssig- 
keit, welche  beim  Erkalten  nicht  krystallinisch  erstarrt. 

2)  Mandelbenzoe,  Benzoe  amygdoloides.  Die  mehr  gerundeten  hellen 
mit  der  Zeit  nachdunkeluden,  bis  etwa  0,030 m grossen  opalartigen 
Körner  breccienartig  von  einer  mehr  oder  weniger  graulichen  bis  schwach 
bräunlichen  Masse  dicht  eiugeschlossen.  Das  relative  Verlkiltniss  beider 
Antheile  schwankt.  Der  Schmelzpunkt  der  letzteren  scheint  durchschnittlich 
etwas  höher,  bei  95°  C,  zu  liegen,  als  der  der  Mandeln  (85°  C.). 

3)  ßlockbeuzoe,  Benzoe  communis.  Weniger  zahlreiche  und 
kleinere  Körner,  eingebettet  in  einer  bräunlichen  bis  fast  gelbröthlichen, 
oft  von  Höhlungen  durchsetzten  Masse,  welche  durch  allerlei  Pflanzen- 
trümmer verunreinigt  ist  und  in  grossen  Blöcken  über  Calcutta  in  den 
Handel  gelangt.  Die  Pflanzenreste  werden  ohne  Zweifel  dem  Harze  durch 
eine  Art  von  Schmelzung  eiuverleibt. 

4)  Seit  etwa  10  Jahren  wird,  anfangs  unter  dem  Namen  Penang- Ben- 
zoe, später  als  Sumatra-Benzoe,  eine  Sorte  eingeführt,  die  entweder 
mit  der  vorigen  Aehnlichkeit  hafr,  oder  aber  mehr  aus  ansehnlichen  schmutzig 
gelblichen  innen  weissen  Körnern  besteht,  wrelche  durch  eine  etwas  blasige 
lichtbraune  Masse  verkittet  sind.  Ihr  Geruch  erinnert,  doch  nicht  eben  sehr 
auffallend  an  Storax. 

Die  Benzoe  riecht  besonders  beim  Erwärmen  eigenthümlich  und  sehr 
angenehm  und  schmeckt  kratzend  aromatisch.  Stärker  erhitzt,  gibt  sie 
stechende,  erstickende  Dämpfe  aus  und  liefert  eine  etwas  schwer  verbrenn- 
liche Kohle,  welche  aber  schliesslich  keine  Asche  hiuterlässt. 

Die  Hauptmasse  der  Benzoe  besteht  aus  in  Weingeist  und  in  Kali  völlig 
löslichen  Harzen  von  schwach  sauren  Eigenschaften,  welche  sich  zu  Lösungs- 
mitteln etwas  verschieden  verhalten,  daher  als  Alphaharz,  Betaharz  u.  s.  f. 
bezeichnet  wurden,  aber  im  Wesentlichen  übereinzustimmen  scheinen.  Beim 
Schmelzen  der  Benzoe  in  der  bei  Aloe  erwähnten  Weise  wird  der  geringere 
Theil  derselben  angegriffen  und  liefert  nach  Hlasiwitz  u.  Barth  uuter 
anderem  Protocatechusäure  (über  5 pC.),  Paraoxybenzoesäure  und  Breuz- 
catechin  (vergl.  bei  Gambir).  Bei  der  trockenen  Destillation  der  Benzoe  wird 
neben  nicht  genauer  untersuchten  Breuzprodukten  hauptsächlich  Benzoe- 
säure erhalten.  Dieselbe  ist  aber  schon  in  wechselnder  Menge,  zu  14 
bis  18  pG.  oder  darüber,  fertig  gebildet  in  der  Droge  vorhanden,  wie  die 
mikroskopische  Betrachtung  etwas  grösserer  dünner  Splitter  derselben  unter 
Terpenthinöl  sogleich  zeigt.  Mau  nimmt  diese  Kry stalle  ebenso  gut  wahr 
in  der  Masse,  welche  die  helleren  Mandeln  verbindet,  als  in  diesen  letzteren 
selbst  oder  in  den  losen  flachen  Stücken. 

Die  Benzoesäure  G7H6Os  ist  in  heissem  Wasser  ziemlich  reichlich 


Benzoe. 


63 


löslich,  doch  ist  das  umhüllende  Harz  der  Einwirkung  des  Wassers  hinderlich. 
Vollständig  wird  die  Säure  erst  durch  Alkalien,  am  zweckmässigsteu  durch 
Kalkhydrat  ausgezogen.  Die  meisten  Pharmacopöen  verlangen  aber  nicht 
die  reine  Säure,  sondern  die  durch  Sublimation  gewonnene,  welcher  empy- 
reumatische  Produkte  anhängen.  Durch  wiederholte  Behandlung  des  Harzes 
liefert  dieses  Verfahren  auch  bis  14  pC.  Säure.  Sie  ist  nicht  vorzugsweise 
in  den  Mandeln  enthalten,  und  nach  manchen  Angaben  scheint  sogar  die 
erstgenannte  nur  aus  losen  Stücken  bestehende  Sorte  nicht  einmal  die 
säurepeichste  zu  sein. 

Das  vielleicht  ursprünglich  vorlmudene  Bittermandelöl  fehlt  der  käuf- 
lichen Benzoe,  wie  überhaupt  ätherisches  Oel. 

Der  weingeistigen  Lösung  von  Benzoe  ertheilt  Eisenchlorid  eine  tief 
dunkelbraune  etwas  grünliche  Färbuug,  welche  der  wässerige  Auszug  des 
gepulverten  Harzes  nicht  annimmt.  Die  Reaction  rührt  daher  nicht  von  Gerb- 
stoff her.  In  kalter  concentrirter  Schwefelsäure  löst  sich  die  Benzoe  mit 
prächtiger  Carminfarbe;  Wasser  scheidet  aus  der  Lösung  Krystalle  von 
Benzoesäure  ab. 

Kolbe  u.  Lautemann  entdeckten  (1860)  in  Benzoe  der  Sorten  4 u.  1 
neben  der  Benzoesäure  eine  davon  verschiedene  Säure,  welche  sie  (1861) 
als  Zimmtsäure  pH8G2  erkannten.  Aschoff  fand  (1861)  in  einer 
Sumatra-Benzoe  ausschliesslich  nur  die  letztere  (11,2  pC.),  in  einer  Penang- 
Sorte,  sowie  in  siamesischer  Mandelbenzoe  und  in  losen  Stücken  derselben 
Herkunft  ausschliesslich  nur  Benzoesäure.  In  einer  Probe  der  letzteren  Waare, 
welche  ich,  wie  Aschoff,  dem  Hause  Gehe  u.  Comp,  in  Dresden  ver- 
danke, finde  ich  Zimmtsäure,  doch  nur  in  einzelnen  Stücken.  Zerreibt  man 
dergleichen  mit  wenigstens  gleich  viel  Bleihyperoxyd  und  kocht  anhaltend 
mit  viel  Wasser,  so  entwickelt  sich  deutlich  der  Geruch  des  durch  Oxy- 
dation der  Zimmtsäure  entstehenden  Bittermandelöles  CTH';-G.  Schärfer 
lässt  sich  letzteres  uachweisen,  wenn  aus  der  weingeistigen  Lösung  der  zu 
prüfenden  Benzoe  alles  Harz  durch  Wasser  gefällt  und  die  Auflösung  der 
Säuren  zuletzt  unter  Zusatz  von  übermangansaurem  Kali  gekocht  wird. 

Möchte  auch  das  Vorkommen  der  Zimmtsäure  in  Benzoe  der  zuerst 
von  Wiggers1)  geäusserten  und  später  von  Henkel2)  allerdings  mit 
guten  Gründen  unterstützten  Vermutlmng  Raum  geben,  dass  diejenigen 
Sorten,  welche  sie  enthalten,  eher  einem  andern  Baume,  wie  z.  B.  dem 
Rasamala  angehören  könnten,  so  spricht  doch  das  gleichzeitige  Vorkommen 


) C anstatt  s .Jahresbericht  1861.  84.  - Die  beschränkte  Verbreitung  des  Liquidambar 
rogiannm  und  che  nicht  eben  reichliche  Menge  seines  Harzes  oder  Balsams  (vergl.  unter 

stemme ^ Cmi  ^ knnabmo'  d“S  V°n  ih“  zimn>ts&urehaltige  Benzoe  ab- 

2)  Zeitschr.  d.  österr.  Apoth.-Vereins  1865.  - Wenn  Garcia  d’Orta  anführte  dass  di, 
ti  ‘“?e“  dCD  StJraX  llq"ldus  Baqamalha  nennen,  so  konnte  darunter  immer  noch  unser  Styrax 

sTyf:: sr tz  r t-  t gibt  der3eibe  aucb  - S 

J iquiaa  et  Algalia.  Diese  Verwirrung  ist  kaum  mehr  zu  lösen. 


64 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


der  beiden  Säuren  in  einigen  Fällen,  sowie  in  andern  das  Fehlen  derZimmt- 
säure  bei  Sorten,  die  sie  manchmal  wieder  darbieten,  eben  nur  dafür,  dass 
eiu  und  dasselbe  Harz  unter  Umständen,  die  freilich  noch  nicht  erklärt 
sind,  von  der  einen  oder  der  anderen  oder  von  beiden  Säuren  zugleich 
begleitet  sein  kann.  In  einer  Penang-Sorte  hat  Henkel  auch  ätherisches 
Oel  (Styrol?)  und  Styracin  nachgewiesen,  welche  im  Piasamala-Balsam 
oder  Harze  neben  Zimmtsäure  gleichfalls  vorhanden  sein  sollen.  Mir  gelang 
der  Nachweis  von  Styracin  nicht,  wohl  aber  erhielt  ich  bei  der  Destillation 
von  250  Gramm  Penang-Benzoe  wenige  Tropfen  sehr  angenehm,  doch  nicht 
ganz  nach  Styrax  liquidus  riechenden  Oeles. 

Für  den  medicinischen  Gebrauch  ist  z i rn m tsäureh altige  Waare  auszu- 
schliessen,  was  um  so  leichter  durchzuführen  ist,  als  die  billigeren  Sorten 
2 u.  3 reich  au  Benzoesäure  zu  sein  pflegen. 

Die  Benzoe  wurde  erst  im  XV.  Jahrhundert,  seit  der  Entdeckung  des 
Seeweges  nach  Iudien,  in  Europa  bekannt  und  im  folgenden  Jahrhundert 
von  spanischen  und  portugiesischen  Aerzten  gebraucht. 

Schon  Ros  eil  o um  1557  und  Libavius  um  1595  unterwarfen  die 
Benzoe  der  trockenen  Destillation,  aber  erst  B.  de  Vigenere  bemerkte 
gegen  Ende  desselben  Jahrhunderts  hierbei  die  krystallisirte  Benzoesäure. 
Turquet  de  Mayerne  aus  Genf  (1573 — 1655)  lehrte  dieselbe  durch 
Erhitzung  der  mit  Saud  gemischten  Benzoe  in  eine  übergestülpte  Tüte  subli- 
miren,  Hagendorn  zog  sie  1671  zuerst  mit  (Weingeist und)  Wasser  aus. 

Mastix. 

Mastiche.  Resina  Mastix.  Mastix.  Mastic.  Mastich. 

Pistacia  Leutiscus  L.  — Terebinthaceae. 

0 

Die  Mastix-Pistacie  ist  als  kleines  ästiges  bis  5 hohes  Bäumchen  oder 
als  kräftiger  Strauch  au  den  Küsten  des  Mittelmeeres  und  des  Oceaus  von 
Portugal  und  Algerien  bis  Cypern  verbreitet;  in  Griechenland  z.  B.  in 
grosser  Menge  bis  300 m in  der  untern  und  mittlern  immergrünen  Region 
und  hier  oft  zu  einem  ziemlich  ansehnlichen  Baume  erstarkend.  Auch  auf 
Capri  im  Golf  von  Neapel  bildet  der  Mastix-Strauch  eiuen  Hauptbestand- 
teil des  immergrünen  Buschwerkes. 

Die  lederigen  lebhaft  glänzenden  Blätter  tragen  au  der  starken  gemein- 
schaftlichen kantig  geflügelten  Spindel  drei  bis  sieben  (meistens  vier  oder 
fünf)  Paare  lanzettlicher  bis  eiförmiger  Fiederblättchen.  Die  Spielart  y.-c/ua 
De  Caud.  unterscheidet  sich  namentlich  ein  wenig  durch  vorherrschend 
eiförmige,  gegen  0,02 m in  der  Breite  und  0,03 111  in  der  Länge  erreichende 
vorn  gerundete  und  kurz  bespitzte  Blattabsclmitte. 

Nur  diese  baumartige  übrigens  kaum  abweichende  Spielart,  nicht  der 
Strauch,  ist  es,  welche  zum  Zwecke  der  Mastix-Gewinnung  schon  seit  Pli' 
nius  Zeit  ausschliesslich  in  den  Mastixdörfern  (Mastichöchora)  des  nörd- 


Mastix. 


65 


liehen  Theiles  der  Insel  Chios,  unweit  der  kleinasiatisclien  Küste  gebaut 
wird.  Die  Türken  nennen  dieselbe  auch  Sakkis-Ada,  die  Mastix-Insel,  ihr 
Siidkap  heisst  Mastiko.  Die  Mastix-Pistacien  des  griechischen  Festlandes 
geben  wenig  Harz  oder  dasselbe  ist  zu  hart  oder  zu  wTeich;  doch  haben  auf 
Amorgos  und  Antiparos  angestellte  Yersuche  gezeigt,  dass  auch  andere 
Inseln  als  Chios  ein  gleiches  Produkt  recht  wohl  liefern  können.  Die  letztere 
nimmt  für  ihre  jährlich  über  50000  Ctr.  betragende,  aber  allerdings  oft 
auch  bedeutend  geringere  Ernte  leicht  ungefähr  1%  Million  Francs  ein. 

Der  Harzsaft  des  Mastix-Baumes  hat,  im  Gegensätze  zu  Styrax  liquidus, 
seinen  Sitz  in  eigenen  Gängen,  welche  der  Innenrinde  allein  angehören. 
Bei  den  jüngsten  Zweigen  ist  dieselbe  durch  einen  schmalen  aber  fest  zu- 
sammenhängenden Kreis  ansehnlicher  Steinzellen  von  der  Mittelrinde  ab- 


gegrenzt. Einen  nicht  minder  dichten  Kreis  stellt  auf  dem  Querschnitte  die 
vorherrschend  aus  dünnen  verdickten  Röhren  gebildete  Bastschicht  dar. 
An  einzelnen  Stellen,  etwa  10  bis  15  an  der  Zahl,  jedoch  buchtet  sich  dieser 
Bastkreis  stark  aus  und  in  diesen  kreisförmigen  oder  quer  elliptischen 
Lücken  findet  sich  je  ein  Harzgang,  umgeben  von  zartem,  bald  mehr  bald 
weniger  dickem  Parenchym,  das  durch  die  geringe  Grösse  seiner  Zellen  mit 
dem  übrigen  dickwandigen  groben  Rindengewebe  kontrastiv. 

In  der  Rinde  der  gemeinschaftlichen  Blattspindel  kommen  nur  5 bis  7, 
im  Blattstielchen  des  Fiederblättchens  nur  1 bis  3 Harzgänge,  immer  in  der- 
selben Weise  hinter  einem  vortretenden  Bastbogen  in  zarteres  Parenchym 
eingebettet  vor.  Auch  im  starken  Mittelnerv  der  Blättchen  ist  die  gleiche 
Bildung  von  Harzgängen  wenigstens  augedeutet. 

In  jüngeren  Zweigen  und  in  den  Blattstielen  treten  somit  die  Harzgänge  als 
ansehnliche,  zu  einem  weitläufigen  Kreise  geordnete  Lücken  der  Bastschicht 
aui.  In  der  Stammrinde  selbst  hingegen  weicht  die  Bastschicht  durch  reich- 
liche Entwickelung  krystallführenden  Bastparenchyms  zu  mehrfachen  con- 
centrischen  Lagen  auseinander,  welche  von  schmalen  geschlängelten  Mark- 
strahlen durchschnitten  werden.  In  den  parenchymatischen  Zonen  zwischen 
den  Gruppen  der  Baströhren  oder  noch  ganz  von  solchen  umschlossen, 
erscheint  auch  m älterer  Rinde  jenes  zartere  Gewebe  der  Harzgänge,  dessen 
kleine  tafelförmige  Zellen  in  Beziehung  zu  den  Gängen  dieselbe  tangentiale 
Anordnung  zeigen^  wie  etwa  bei  den  Balsamgängen  der  Compositen-  oder 
der  Umbelhferen-Wurzeln,  auch  bei  Myrrha. 

In  der  altern  Mastix-Rinde  findet  man  neben  ausgebildeten  Harzräumen 
auch  S teilen  jenes  zarten  Parenchyms,  welche  noch  keinen  grösseren  Raum 
im  Innern  umschhessen.  Dieses  Yerhältniss  scheint  doch  wohl  darauf  hiu- 
. ivveisen  dass  die  Harzgauge  auf  Kosten  des  zarten  Bastgewebes  entstehen. 

nicht  imS  rT  16r’  da“* dlC,  Harzbllduug  in  keiuem  anderen  Gewebe  auch 

X V n ’ " 1Ch  dIe  Sadie  verfolSeu  kann,  auftritt,  wodurch 
allerdings  Unger  s Ansicht1)  unterstützt  wird,  dass  das  Harz  hier  nicht  ein 


’).  ÜDger  u>  Kot8cäy.  Die  Insel  Cypern,  Wien  1865,  p.  424. 
Pliickiger  Pharmakognosie. 


66 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


Umwandlungsprodukt  der  Zellenwände  selbst  sei,  sondern  durch  bestimmte 
Zellen  abgesondert  und  in  die  Harzgänge  ergossen  werde.  — Anders  ver- 
hält sich  die  Balsambildung  in  Liquidambar  orientale  (vergl.  bei  Styrax 
liquid  us). 

Die  Borkenbildung  scheint  bei  dem  Mastixbaume  nicht  sehr  tief  zu  grei- 
fen, wenigstens  findet  sich  der  Steinzellenring  in  der  Rinde  der  Stämmcheu 
von  einigen  Centimetern  Durchmesser1)  noch  erhalten.  Immerhin  werden 
die  Harzgänge  durch  das  Abwerfen  der  Borkenschuppen  der  Aussenrinde 
so  nahe  gerückt,  das  eine  geringe  Verwundung  derselben  genügt,  um  das 
Ausfliesseu  des  Harzsaftes  herbeizuführen. 

Auf  Chios2)  ritzt  man  die  Stämmchen  von  der  Wurzel  bis  an  die  Aeste. 
Aus  den  senkrechten,  in  grosser  Zahl  nahe  bei  einander  gezogenen  Ein- 
schnitten fliesst  der  klare  aromatische  Saft  nach  wenigen  Stunden  vollstän- 
dig aus  und  erstarrt  bald  zu  fast  kugeligen  oder  ein  wenig  in  die  Länge 
gezogenen  Körnern,  welche  indessen  doch  erst  nach  15  bis  20  Tagen  in 
kleinen  mit  Papier  oder  Baumwollzeug  ausgelegten  Körbchen  gesammelt 
werden  können.  Au  den  Zweigen  schwitzen  auch  von  selbst  Thräneu 
(f)ax.pua)  von  vorzüglicher  Reinheit  aus.  Das  herabträufelnde  Harz  (-Yj-rra) 
wird  von  Steinplatten,  die  unter  die  Bäume  gelegt  werden,  aufgehoben. 
Was  dazwischen  auf  die  Erde  selbst  fällt,  gibt  die  geringste  Sorte  (<pXou^a). 
Die  Eiusammlung  nimmt  zwei  Monate  in  Anspruch , ein  Baum  liefert  bis 
8 — 10  Pfund  Mastix.  Gegen  Frost  sind  die  Bäume  empfindlich,  selbst  auf 
Chios  erfroren  sie  z.  B.  1850  sämmtlich. 

Die  strauchartige  Mastix-Pi stacie  gibt  kein  Harz.  Dennoch  finde  ich  in 
Aesten  derselben  (von  Capri)  die  Harzgänge  wenigstens  der  Anlage  nach, 
aber  weit  kleiner,  auch  vor.  Die  Mastix-Erzeugung  ist  daher  wohl  nur  des- 
halb auf  Chios  beschränkt,  weil  man  anderswo  das  Bäumchen  nicht  gehörig 
erstarken  lässt. 

Die  schönstenSorten  des  Mastix  sind  nur  ungefähr  1 Centimetermessende 
kugelige  vollkommen  durchsichtige  Körner  oder  etwas  verlängerte  dün- 
nere walzen-  oder  bimförmige  Stücke.  Vollkommen  frisch  zeigen  sie,  ver- 
muthlich  von  dem  Chlorophyll  der  Rinde  her,  einen  schwachen  Stich  ins 
grünliche,  der  sich  mit  der  Zeit  verliert  und  völliger  Farblosigkeit  oder 
einem  gelblichen  Tone  Platz  macht. 

Geringere  Waare  ist  von  vornherein  mehr  trübe  gelblich  und  mit  Pflau- 
zentrümmern  und  Staub  verunreinigt;  die  Stücke  sind  weniger  regelmässig 
und  grösser. 

Das  specifisehe  Gewicht  ausgesuchter  Körner  ist  unbedeutend  höher  als 
das  des  Wassers.  Sie  erweichen  bei  99°  und  schmelzen  erst  bei  108°  C. 
Gewöhnlicher  Mastix  erweicht  schon  bei  93°  und  schmilzt  bei  103°.  Den- 
noch wird  er  schliesslich  bei  langsamem  Kauen  schon  im  Munde  knetbar. 


1)  wovon  ich  Querscheiben  ans  Chios  selbst  Herrn  Oberdörffer  in  Hamburg  verdanke. 

2)  v.  Held  reich.  Nutzpflanzen  Griechenlands,  Athen  1862.  S.  60. 


Resina  Guajaci. 


67 


Die  Körner  sind  spröde  und  bieten  muschelige  glänzende  Bruchflächen 
dar.  Erst  beim  Erwärmen  entwickelt  sich  ein  balsamischer  Geruch,  bedingt 
durch  eine  nur  äusserst  geringe  Menge  ätherischen  Oeles.  Den  Blättern 


fehlt  ätherisches  Oel  ganz ; in  ihrem  Parenchym  finden  sich  keine  Oelräume. 

Der  grössere  Theil  des  Mastix  bis  90  pC.  löst  sich  in  kaltem  Weingeist 
auf,  der  Rückstand  (Masticin)  ist  nach  Johnston  ärmer  an  Sauerstoff 
und  indifferent,  während  dem  ersteren  Antheile  (Mastixsäure)  saure 
Eigenschaften  zukommen. 

Im  Orient  dient  der  Mastix  als  Kaumittel1),  auch  iu  geringer  Menge 
gelöst  als  Zusatz  zu  einem  besonders  in  Griechenland  sehr  beliebten  Brannt- 
wein Raki  oder  Mastichi,  womit  häufig  schlechtes  Trinkwasser  verbessert 
wird.  Zum  Kauen  dienen  aber  auch  die  ähnlichen  Harze  anderer  Pistacia- 
Arten,  in  Persien  z.  B.  unter  dem  Namen  Sakkis  die  bernsteinähnlicheu 
schon  bei  40°  C.  knetbaren  Körner  von  P.  mutica,  noch  andere  in  Afgha- 
nistan und  Balutschistan.  Die  Gegend  vonAngura  (Eugurich,  ün  Westen  des 
alten  Galatia)  im  Innern  Kleinasiens  liefert  auch  eine  Art  Mastix. 


Ob  von  Pistacien  oder  vielleicht  von  einer  Boswellia  (vergl.  bei  Oliba- 
num) der  sogenannte  Mastix  von  Bombay  stammt,  ist  nicht  ermittelt. 
Unter  dieser  Bezeichnung  kommen  kleine  Körner  vor,  welche  ihrer  vor- 
herrschend gelbbräunlichen  Farbe  wegen  kaum  der  geringsten  Sorte  des 
chiotischeu  Mastix  ähnlich  sehen , beim  Schmelzen  unangenehm  terpeuthin- 
artig  riechen  und  sich  in  warmem  Weingeist  lösen. 

Dem  im  Alterthum  wohlbekannten  Mastix  begegnen  wir  z.  B.  als  ^gra- 
nomastice“  auch  im  NIL  Jahrhundert,  im  deutschen  Mittelalter  in  dem  bei 
Sem.  Hyoscyami  erwähnten  Arzneibuche.  Pierre  Belon  aus  Mans  schil- 
derte  uach  eigener  Anschauung  (1546-1549)  die  grosse  Sorgfalt,  womit 

. “Ch,“te” lUe  Mastix-Terebintlie  pflegen,  und  erwähnte  schon,  dass  dieselbe 
in  budhaukreich  und  Italien  nicht  Mastix  gebe. 


Resina  Guajaci. 

Guajacum.  Guajakharz.  Resine  de  gai'ac.  Guaiac  resin. 

Z'  Öberhaul>t  die  älteren  Schichten  des  Gnajakholzes  sind 
(wie  bei  Liguurn  Guajaci  erwähnt)  mit  reichlichen  Harzablagerungen  yer- 

austeete»  und'  0*r  “ **  ™*  dem  Stamme 

streten  und  zu  Kornern  erstarren  können.  Doch  sollen  solche  Körner  bis 

zu  Nussgrosse  von  Guajacum  sanctum  abstammen.  Im  Handel  trifft  man 

fast  ausschliesslich  nur  das  Harz  in  Massen,  welche  entweder  vermittelst 

tr»  Holze  ausgekocht  und  abgeschöpft  oder  “ 

bohlt  " ",  LTelSe  «ew™ue“  werden,  dass  man  der  Länge  nach  durch- 

thmlend  ZI  r“;  **"*  “ «rmt  und  das  ans- 

jmelzende  Haiz  m talebassen  auffangt.  Resina  Guajaci  in  granis  besteht 


’’  D*h”  *1"1  d,r  B*"“:  wil  de»  Zähucn  knir.cli.,,. 


5* 


68  I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 

aus  unregelmässig  kugeligen,  1 — 3 Ceutimeter  grossen,  trübe  grünlichbrauu 
bestäubten  Stücken,  welche  im  Innern  oft  sehr  hell  und  gleichartig  aus- 
sehen,  aber  meist  durch  Riudenstückcheu  verunreinigt  zu  sein  pflegen. 

Von  mehr  oder  weniger  zahlreich  beigemeugten  Holz-  und  Rindenstück- 
chen  abgesehen,  erscheint  das  Guajakharz  gewöhnlich  als  spröde,  dunkel- 
grüne bis  braunschwarze,  gleichförmige  oder  etwas  rissige  Masse.  Kleine 
Splitter  sind  vollkommen  durchsichtig,  glänzend  und  von  bräunlicher  oder 
grünlicher  Färbung,  das  frische  Pulver  trübe  bräunlich  grau.  Das  Harz  be- 
sitzt ein  specifisches  Gewicht  von  über  1,2*  und  schmilzt  bei  85°  C. , wobei 
es  eigentümlich , etwas  an  Benzoe  erinnernd,  riecht.  Es  schmeckt  scharf  . 
kratzend  und  klebt  an  den  Zähnen. 

Aceton,  Aether,  Alkalien,  Amylalkohol,  Chloroform,  Kreosot,  Weingeist 
lösen  das  Harz  leicht  mit  brauner  Farbe  auf,  nicht  aber,  oder  doch  nur  sehr 
schwierig  wird  es  angegriffen  von  fetten  und  ätherischen  Oeleu  und  von 
Benzol. 

Durch  die  allerverschiedensten  oxydireudeu  Einflüsse,  nach  einiger  Zeit 
auch  schon  durch  die  Atmosphäre,  wird  das  Harz  prächtig  blau  oder  grün 
gefärbt,  aufs  schönste  z.  B.,  wenn  es  gepulvert  mit  Eisenchloridlösuug  und 
hierauf  mit  Weingeist  besprengt  wird.  Reducireude  Agentien  aller  Art,  auch 
Erhitzung  bewirken  Entfärbung.  Mit  der  weingeistigen  Harzlösung  kann 
diese  abwechselnde  Bläuung  und  Entfärbung  vielmals  wiederholt  werden, 
zuletzt  aber  verliert  die  Tiuctur  diese  Fähigkeit. 

Die  Zusammensetzung  des  Guajakharzes  gibtHadelich  (1862)  folgen- 


dermaassen  an: 

Guajakonsäure 70,3 

Guajakharzsäure 10,5 

Guajak-Beta-Harz 9,8 

Gummi 3,7 

Aschenbestandtheile 0,8 

Guajak-  (Guajacyl-)  Säure,  Farbstoff 
(Guajakgelb),  Unreinigkeiten  ....  4,9 


100,0 

Wird  die  Mutterlauge  von  der  Darstellung  des  guajakharzsauren  Kalis 
mit  Salzsäure  zersetzt  und  der  Niederschlag  mit  Wasser  gewaschen,  so 
entzieht  Aether  der  Masse  die  von  Hadelich  entdeckte  Guajakonsäure 
von  der  Formel  O38H40GU°  (bei  100°).  Sie  ist  amorph,  hellbräunlich,  unter 
100°  C.  schmelzend,  ohne  saure  Reaktion,  mit  Alkalien,  unter  Austreibung 
der  Kohlensäure  zu  uukrystallisirbareu,  in  Wasser  und  Weingeist  leicht  lös- 
lichen Salzen  zusammentretend.  Die  Säure  löst  sich  nicht  in  Wasser,  Benzol 
und  Schwefelkohlenstoff,  wohl  aber  in  Aether,  Chloroform,  Essigsäure  und 
Weingeist.  Durch  Oxydationsmittel  wird  sie  vorübergehend  gebläut. 

Die  1859  von  Hlasiwetz  entdeckte  Guajakharzsäure  G2oH2r’04 
kann  dem  rohen  Harze  durch  weiugeistiges  Kali  oder  auch  durch  Aetzkalk 
entzogen  werden.  Mit  ersteigern  verbunden  bildet  sie  ein  krystallisirendes 


Resina  Guajaci. 


69 


Salz,  mit  Kalk  eineu  amorphen  Niederschlag;  von  beiden  lässt  sich  die 
hauptsächlich  aus  Guajakonsäure  - Salz  bestehende  Flüssigkeit  gut  ab- 
giesseu.  Die  Guajakharzsäure  selbst  krystallisirt  aus  Weingeist  oder  Essig- 
säure und  löst  sich  auch  in  Aether.  Benzol.  Chloroform  und  Schwefelkohlen- 
stoff, nicht  in  Ammoniak  und  Wasser.  Die  Krystalle  schmelzen  unter  80°  C. 
und  lassen  sich  unzersetzt  verflüchtigen , wenn  rasch  destillirt  wird.  Oxy- 
dationsmittel färben  diese  Säure  nicht  blau. 

Beim  Ausziehen  der  Guajakonsäure  bleibt  als  in  Aether  unlöslicher 
Rückstand  das  Gua jak-Betakarz  zurück.  Es  löst  sich  in  Weingeist, 
Essigsäure  und  Alkalien.  Aether,  Benzol,  Chloroform,  Schwefelkohlenstoff 
fallen  es  in  braunen  Flocken , deren  Zusammensetzung  nicht  sehr  von  der 
der  Guajakonsäure  abzuweichen  scheint. 

Die  Guajaksäure  G12H1606,  schon  1841  von  Thierry  aus  Guajak- 
holz  oder  aus  dem  Harze  dargestellt,  krystallisirt  in  farblosen  Nadeln. 
Hadelich  konnte  aus  20000  Th.  Harz  erst  1 Th.  dieser  Säure  erhalten. 

Der  schon  von  Pelletier  bemerkte  Farbstoff,  Hadelich’s  G ua jak- 
gelb, krystallisirt  in  blassgelben  quadratischen  Oktaedern  von  bitterem 
Geschmacke.  Das  Guajakgelb  ist  eben  so  wenig  eine  gepaarte  Zuckerver- 
binduug,  wie  die  obigen  Bestandtheile  des  Harzes.  Kosmann  will  nach 
dem  Kochen  des  durch  Alkohol  ausgezogenen  Harzes  mit  verdünnter 
Schwefelsäure  Zucker  gefunden  haben. 


Von  besonderem  Interesse  sind  die  Zersetzungsprodukte  des  Guajak- 
harzes.  Unterwirft  man  es  aus  eiserner  Retorte  der  trockenen  Destillation 
und  rectificirt,  so  geht  zuerst  bei  118°  Guajacen  (oder  Guajol)  GA  H8  0, 
eine  indifferente  brennend  aromatische  farblose  Flüssigkeit  über,  die  durch 
Austiitt  von  2 G 0“  (Kohlensäure)  aus  der  Guajaksäure  entsteht. 

Bei  etwa  205-210°  folgt  hierauf  das  Guajakol  (Pyrojaksäure. 
Guajacyhge  Säure.  Guajacylhydrür)  nach  Hl asi wetz  ein  Gemenge  von 
Z H:  0 (Alphaguajakol)  mit  G8  H10  G2  (Betaguajakol 1),  eine  farblose 
dickliche  aromatische  Flüssigkeit,  die  durch  kaustische  Alkalien  grün,  durch 
alkalische  Erden  blau  gefärbt  wird  und  sich  chemisch  der  Nelkeusäure 
(siehe  bei  Caryophylli)  ähnlich  verhält. 

Zuletzt  sublimiren  perlglänzende  erst  bei  180°  schmelzende  Krystalle 
des  geruchlosen  Pyroguajacins  G38  H44  O6 , welches  (neben  Guajakol) 
auch  bei  der  trockenen  Destillation  der  Guajakharzsäure  erhalten  ‘ wird. 
Das  I yroguajacm  färbt  sich  mit  Eisenchlorid  grün,  mit  Schwefelsäure  beim 
Erwärmen  blau.  Die  ähnlichen  Reaktionen  der  weingeistigen  Lösung  des 
lohen  Harzes  durften  hiermit  Zusammenhängen  (Hl  asi  wetz). 

Sehr  schöne  farbige  Reaktionen  zeigen  auch  zwei  neue  Säuren , welche 

• ^S1v,etZ  , L iroh  (1864)  uebeu  Spuren  flachtieer  Fettsäuren  in  ge- 
ringei  Menge  durch  Schmelzen  des  gereinigten  Harzes  mit  Kalihydrat  er- 
halten haben.  Die  eine  ist  mit  Protocatechusäure  isomer. 

1}  Di0SC  letZteiC  Vcrbiudnng  lasst  Rich  anch  aus  d™  Kreosot  des  Buchenholzes  abscheiden 


70 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


Seit  dem  Anfänge-  unseres  Jahrzehnts  hat  das  Haus  Gehe  & Co.  in 
Dresden  zu  Parfümerie-Zwecken  eine  Resinct  Giuijuci  Peruviana  <ivo- 
matica  in  Aufnahme  gebracht,  deren  Abstammung  nicht  ermittelt  ist. 
Yom  ächten  Guajakharze  ist  diese  Waare  durch  gelblich  bräunliche,  in 
dünnen  Splittern  rein  weingelbe  Farbe  verschieden.  Weder  durch  längeres 
Verweilen  an  der  Luft,  noch  durch  Eisenchlorid,  Salpetersäure,  Jodwasser 
oder  Chlorwasser  nimmt  das  aromatische  Harz  jemals  grüne  oder  blaue 
Färbung  an.  Es  löst  sich  fast  ganz  in  Weingeist  zu  einer  schwach  gelb- 
lichen Flüssigkeit  von  saurer  Reaktion,  welche  jedoch  von  Alkalien  bleibend 
gefällt  wird.  Beim  Kochen  nimmt  kaustisches  Kali  den  grössten  Theil  auf. 
Der  starke  an  Raute  und  Anis  erinnernde  Geruch  rührt  von  einer  geringen 
Menge  ätherischen  Oeles  her. 

Das  Guajakharz  scheint  erst  viel  später  als  das  Holz  in  medicinischen 
Gebrauch  gezogen  worden  zu  sein. 

TereMntliina  veneta. 

Terebinthinalaricina.  Venetianischer  Terpenthin  oder  Terbentin.  Lärchen- 
terpenthin.  Lerget  in  Südtirol,  Lörtsch  in  der  deutschen  Schweiz.1)  Tere- 
benthine  deBrianQon  ou  de  Venise  ou  du  meleze.  Turpentine  ofVenice. 

Larix  (lecidua  Miller.  — Goniferae-Abietineae. 

Syn.:  Pinus  Larix  L. 

Larix  europaea  DC. 

Die  meisten  Coniferen  aus  den  Abtheilungen  der  Abietineen  und  Cupres- 
sineen  enthalten  in  fast  allen  ihren  Theilen  ätherisches  Oel  von  der  Zusammen- 
setzung ü10H1B,  worin  in  sehr  wechselnder  Menge  Harz  gelöst  ist.  Auf 
dieses  dickflüssige  Gemenge,  das  beim  Anbohren2)  oder  Anschneiden  der 
Stämme  mancher  Arten  der  gemässigten  Zonen  reichlich  heraussickert, 
hat  man  den  Namen  Terpenthin  übertragen,  worunter  ursprünglich  das 
entsprechende  Produkt  von  Pistacia  Terebinthus  L.,  der  jetzt  aus  dem 
Handel  verschwundene  chiotisejie  oder  cyprische  Terpenthin  verstanden 
wurde.  Die  Terpeuthine  fallen  somit  unter  den  Begriff  der  Balsame,  wie 
ihn  die  neuere  Chemie  auffasst;  indessen  pflegt  blos  der  durch  Wohlgeruch, 
höchste  und  beständige  Klarheit  ausgezeichnete  Terpenthin  der  Abies 
balsamea  Miller,  die  in  Cauada,  Neu-Schottland  und  den  nördlichen  Unions- 
staaten einheimisch  ist,  als  (Canada-)  Balsam  bezeichnet  zu  werden. 

Statt  dieses  in  Amerika  viel  gebrauchten,  auch  in  der  englischen  Pharma- 
copoeia  1864  allein  aufgenommeneu  schön  grünlich  gelben  canadischen 
Terpenthins,  dient  in  Europa  meist  derjenige  der  Lärchentanne,  welcher  in 
den  südlichen  Alpen,  hauptsächlich  um  Meran,  Botzen,  Trient,  auch  bei  Bri- 
anQon  (Dauphine)  und  in  Piemont  (Waideuser  Tliäler),  sehrweuig  in  Wallis, 


1)  Latsche  heisst  auch  in  Oberbaiem  die  Krummfölrro,  Pinus  Pumilio. 

2)  Daher  das  Wort  Terebinthus  von  Xtpito,  ich  bohre  au. 


Terebinthina  vcneta. 


71 


gewonnen  wird.  Am  Nordabhange  der  Alpen,  wenigstens  der  tirolischen, 
fehlt  diese  Industrie  trotz  ausgedehnter  Lärchenwaldungen. 

Im  Gegensätze  zu  andern  Coniferen  (vergl.  unter  Terebinthina  communis) 
ist  es  hier  das  Kernholz  und  nicht  die  Rinde,  welches  den  Terpentliin  liefert. 
Mau  treibt  nämlich  im  Frühjahr  etwa  einen  Fuss  über  dem  Boden  ein  enges 
Bohrloch  bis  in  das  Centrum  des  Stammes,  pfropft  es  zu  und  schöpft  nur 
einmal  im  Herbste  des  gleichen  und  der  folgenden  Jahre  den  angesammelten 
Balsam  mit  eisernen  Löffeln  heraus.  Wird  nur  ein  Loch  gebohrt  und  in 
der  Zwischenzeit  verstopft  gelassen,  so  fliesst  ihm  doch  aus  dem  ganzen 
Stamm  der  Terpenthin  zu,  der  Baum  leidet  nicht  und  gibt  auch  unbeschadet 
der  Güte  seines  Holzes  lange  Jahre  hindurch  jeweilen  etwa  Kilogr. 
Terpenthin.  Bringt  man  mehr  und  weitere  Bohrlöcher  an,  wie  das  früher 
geschah  und  wohl  noch  jetzt  in  den  französischen  und  piemontesischen 
Alpen  üblich  zu  sein  scheint,  so  erhält  man  allerdings  reichlichere  Aus- 
beute, bis  zu  4 Kilogr.  jährlich,  die  aber  dem  Baume  schadet  und  nach  etwa 
40  Jahren,  nach  andern  schon  nach  6 bis  10  Jahren  ganz  aufhören  kann, 
namentlich  wenn  die  Löcher  offen  bleiben.  Mo  hl1)  hat  diese  Tcrpenthiu- 
gewinnuug  in  Südtirol  selbst  beobachtet  und  gezeigt,  dass  beim  Durch- 
sägen eines  frischen  Lärchenstammes  der  Balsam  sich  am  reichlichsten  aus 
dem  Kernholze,  weniger,  obwohl  etwas  rascher,  aus  dem  Splinte  ergiesst. 
Die  Rinde  enthält  nur  wenige  Balsamgänge,  was  vielleicht  mit  dem  diesem 
Baume  eigen thiünlichen  Abwerfen  der  Nadeln  zusammenhäugt.  Sitz  der 
Bildung  des  ätherischen  Oeles  und  des  Harzes  scheint  demnach  das  junge 
Holz  (Splint)  zu  sein,  aber  das  Gemenge  derselben  sammelt  sich  am  reich- 
lichsten im  Kernholze  an. 

Dass  man  bei  der  Gewinnung  dieses  Terpenthins  die  Bohrlöcher  ver- 
schlossen hält,  dürfte  von  der  Schonung  des  Holzes  und  der  grossem 
Bequemlichkeit  abgesehen,  auch  darin  seineu  Grund  haben,  dass  hierdurch 
noch  vollständiger  das  Auskrystallisiren  der  Abietinsäure  und  damit  die 
grössere  Trübung  des  Produktes  gehindert  wird,  indem  der  Handel  dasselbe 
fast  völlig  klar  verlangt. 

Der  venetianische  Terpenthin  ist  bei  gewöhnlicher  Temperatur  noch 
eben  etwas  flüssig,  so  dass  er  fadenziehend  langsam  vom  Spatel  abläuft. 
Obwohl  er  niemals  krystallinisch-körnig  und  undurchsichtig  erstarrt,  ist  er 
doch  gewöhnlich,  besonders  in  frischem  Zustande,  nicht  vollständig  klar, 
sondern  ein  wenig  trübe  und  von  schwach  bräunlichgelblicher  Farbe.  Der 
nicht  eben  sehr  angenehme  Geruch  erinnert  zunächst  an  Muskatnuss, 
der  bitter  aromatische  Geschmack  ist  vermuthlich  dem  Pinipicriu  zuzu- 
schreiben, einem  (1853)  von  Kawalier  in  der  Rinde  und  den  Nadeln  von 
Pinus  sylvestris  und  Thuja  occidentalis  aufgefimdenen  Glykoside. 

In  gewöhnlichem  Weingeist  löst  sich  der  Terpenthin  zu  einer  klaren 


’)  Botan.  Zeitung  XVII  (1859)  S.  329..3S7.  - Vergl.  auch  Wigand  in  der  bei  Traga- 
cantha  angeführten  Abhandlung  p.  I 64. 


•2  I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 

Lakmus  röthenden  Flüssigkeit,  auch  heisses  Wasser,  das  damit  geschüttelt 
wird,  nimmt  schwach  saure  Reaktion  an,  von  Ameisensäure  und  wahr- 
scheinlich auch  von  Bernsteinsäure  herrührend.  Er  gibt  bei  der  Destillation 
bis  ungefähr  V4  seines  Gewichtes  von  ätherischem  Oele,1)  das  noch  nicht 
genauer  untersucht  ist,  aber  ohne  Zweifel  einer  der  verschiedenen  Modifi- 
cationen  des  Terpenthinöles  angehört.  Die  zurückbleibende  Harzmasse  ist 
nach  Maly  nicht  verschieden  vorn  Harze  anderer  Terpenthinarten.  jedoch 
ist  auffallend,  dass  der  Lärchenterpeuthin  nicht  die  Neigung  hat,  durch 
Auskrystallisiren  der  Abietinsäure  (vergl.  bei  Terebinthina  communis) 
krümelig  zu  werden.  Au  der  Luft  verdickt  er  sich  nur  langsam,  etwas 
rascher  in  dünnen  Schichten  zum  klaren  Firnisse,  mit  Magnesia  erhärtet  er 
nicht.  Er  dreht  die  Polarisationsebene  des  Lichtes  nach  rechts,  das  daraus 
abdestillirte  Terpenthinöl  aber  rotirt  nach  links. 

Terebmtliina  communis. 

Gemeiner  Terpenthin.  Terebenthine  commune,  Terebeuthiue  de  sapius. 

Turpentine. 

Eine  Menge  Abietineen  lassen  beim  Verwunden  ihrer  Rinde  oder  beim 
Anbohren  der  Stämme  Terpenthin  ausfliessen,  welcher  selbst  bei  langem 
Stehen  immer  trübe  bleibt,  zum  Theil  sogar  krümelig  oder  kryställinisch 
erstarrt.  Je  nach  der  Herkunft  tragen  diese  Sorten  verschiedene  Namen 
und  zeigen  in  ihrer  Consistenz,  in  Farbe  und  Geruch  unter  sich  ziemliche 
Abweichungen.  Mangel  an  Klarheit  und  meist  auch  weniger  angenehmer 
Geruch  unterscheiden  sie  von  den  feinen  venetianischen  und  canadischen 
Terpen thinen  (vergl.  Terebinthina  veneta). 

Das  Vorkommen  der  gemeinen  Terpenthine  scheint  mehr  auf  die  Rinde 
und  den  Splint  beschränkt  zu  sein , doch  treten  sie  auch  durch  Infiltration 
bei  manchen  Arten  reichlich  in  das  Holz  über;  sie  bestehen  aus  Harz  und 
Terpenthinöl  in  sehr  wechselndem  Verhältnisse.  Ihr  trübes  Aussehen  ist 
durch  Wassergehalt  bedingt,  nach  dessen  Beseitigung  Klärung  eintritt. 
Umgekehrt  fliessen  manche  dieser  Harzsäfte  der  Nadelhölzer  vollkommen 
klar  aus  und  trüben  sich  erst  an  der  Luft  durch  Wasseraufnahme.  Ihi- 
ätherisches  Oel,  das  Terpenthinöl . etwa  Vu,  bis  V3  betragend,  entspricht 
immer  der  Formel  Glü  Hlü,  zeigt  jedoch  je  nach  der  Abstammung  manche 
physikalische  Verschiedenheiten.  Eine  und  dieselbe  Pflanze  kann  sogar 
aus  verschiedenen  Organen  Oel  von  abweichenden  Eigenschaften  liefern. 
Oetherische  Oele  von  gleicher  Zusammensetzung  sind  in  der  ganzen  phane- 
rogamischen  Pflanzenwelt  ausserordentlich  verbreitet  und  zeigen  zum  Theil 
sehr  verschiedenes  Verhalten , das  bei  den  zahlreichen  Modifikationen  des 
Terpenthinöls  weniger  weit  auseinander  geht.  Der  Siedepunkt  z.  B, 
schwankt  zwischen  152°  C und  172°  bei  den  Coniferen-Oelen , während  er 


1)  eine  Probe  von  richtiger  Consistenz,  wie  oben  erwähnt,  lieferte  mir  14,8  pC.  Oel. 


Terebinthina  communis. 


73 


sich  bei  dem  gleich  zusammengesetzten  Bergamottöl  auf  190°,  bei  Copaivaöl 
über  245°. erhebt.  Das  specifische  Gewicht  hält  sich  zwischen  0,856  und 

O, 87  bei  Mitteltemperatur,  grössere  Verschiedenheiten  treten  aber  im  opti- 
schen Verhalten  ein,  indem  die  einen  Modifikationen  des  Terpenthinöls  die 
Polarisationsebene  nach  links  drehen,  die  anderen  nach  rechts.  Dieses  Ro- 
tationsvermögen stimmt  oft  nicht  überein  mit  dem  des  Terpenthins  ’).  aus 
welchem  das  Oel  dargestellt  ist,  erleidet  übrigens  durch  die  Destillations- 
wärme Aenderungen.  Die  grössten  Verschiedenheiten  aber  kommen  in  Be- 
treff' des  Geruches  vor.  Das  Oel  mancher  Abietineen , z.  B.  der  Abies  pec- 
tinata  oder  der  Pinus  Pumilio  Hänke  (P.  Mughus  Scopoli)  riecht  sehr 
lieblich  nach  Citronen  und  Melisse,  während  die  gewöhnlichen  Sorten  des 
Terpenthinöls,  welche  meist  von  der  französischen  Seestrandskiefer  P.  Pi- 
nasteioder  den  nordamerikanischen  Arten  P.  australis  P.  Taeda, 

P.  Strobus  stammen,  widrig  riechen.  Solchen  Oeleu  verdanken  auch  die  ge- 
meinen Terpenthine  ihren  unangenehmen  Geruch. 

Es  ergibt  sich  aus  diesen  Thatsachen  und  besonders  aus  den  scharf- 
sinnigen Versuchen  Berthelot’s,  dass  der  Begriff  Terpenthinöl  eine  an- 
sehnliche Zahl  verschiedener  den  Coniferen  eigenthiimlicher  Kohlenwasser- 
stoffe eiuschliesst,  welchen  allerdings  die  empirische  Formel  O10  H16 
zukömmt,  obwohl  sie  wahrscheinlich  Gemische  verschiedener  isomerer  und 
polymerer  Moleküle  sind , deren  Trennung  durch  ihre  grosse  Aehnlichkeit 
sehr  erschwert  ist.  Aehnlich  verhält  es  sich  mit  den  nicht  minder  zahl- 
reichen Oelen  der  Aurantiaceeu.  Unter  den  Produkten  der  trockenen  De- 
stillation des  Colophoniums  befindet  sich  auch  ein  bei  160°  C.  siedender 
Kohlenwasserstoff  vom  Gerüche  und  der  Zusammensetzung  des  Terpenthin- 
öles,  jedoch  ohne  Einfluss  auf  die  Polarisationsebene 

Betrachtet  man  dünne  Schichten  trüber  krümeliger  Terpenthine  unter 
dem  Mikroskop,  zumal  in  polarisirtem  Lichte,  so  findet  man,  dass  sie 
grösstentheils  aus  kleinen  zum  Theil  krummen  wetzsteinartigen  sehr  eigen- 
thiimlichen  Kryställchen  bestehen.  Maly  hat  (1864)  darin  eine  zwei- 
basische Säure  Abietin  säure  G44  Hfi4  Q5  erkannt,  welche  krystalli- 
siit  ) erhalten  wird,  wenn  man  das  ätherische  Oel  aus  dem  Terpenthin 
mit  Wasser  wegkocht,  das  geruchlose  Harz  in  heissem  Weingeist  löst  und 
mit  Wasser  fällt;  ihre  Salze  sind  amorph.  Obwohl  für  sich  erst  bei  etwa 
165  C.  ohne  Veränderung  vollständig  schmelzend,  verflüssigen  sich  doch 
die  Krystalle  der  Abietinsäure  schon , wenn  der  Terpenthin  im  Wasserbade 
ei  wärmt  wird,  indem  er  sich  selbst  bei  sehr  geringem  Oelgehalte  vollkom- 
i men  klärt  und  nun  klar  bleibt,  wenn  auch  alles  Oel  verjagt  ist.  Hierbei 
hat  daher  die  Säure  ihr  Krystallisatiousvennögen  wenigstens  vorübergehend 


L wen  die  Harnsäuren  des  Terpenthins  ebenfalls  die  Polarisationsebene  zu  drehen  ver- 
mögen.  Sylv.nsaure  und  Pimarsänre  z.  B.  drehen  nach  links  (Sie wert) 

fcÄ’Ä* 


74 


T.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


eingebiisst,  ähnlich  wie  das  Aloin  in  der  durchsichtigen  Aloe  amorph  ist. 
Wird  einem  solchen  entwässerten  Terpenthin  wieder  Wasser  zugesetzt,  so 
trübt  er  sich  aufs  neue,  jedoch  ohne  sogleich  wieder  Abietinsäurekrystalle 
zu  zeigen. 

Wird  der  rohe  Terpenthin  mit  Wasser  der  Destillation  unterworfen , so 
geht  das  Terpenthinöl  bis  auf  einen  kleinen  Rest  über,  während  das  Harz 
zurückbleibt  und  geringen  Mengen  von  Oel  und  Wasser  noch  eine  weiche 
Consistenz  verdankt  und  die  sogenannte  Terebinthina  cocta  darstellt. 
Wenn  durch  Erhitzen  das  Oel  und  Wasser  vollständig  verjagt  sind,  so 
heisst  das  schon  bei  80°  C.  erweichende,  bei  100°  vollständig  klar  schmel- 
zende gelbe,  oder  bei  stärkerem  Erhitzen  bis  etwa  150°  C.  ohne  weitern 
Gewichtsverlust  etwas  dunkler  ausfallende  Harz  Colophonium.  Noch 
weiter  erhitzt  nimmt  es  unter  allmäliger  Zersetzung  röthliche  bis  braune 
Farbe  an,  nach  dem  Erkalten  ist  es  vollkommen  homogen,  durchsichtig, 
amorph  und  sehr  spröde,  von  etwa  1,07  specif.  Gewichte.  Es  bedarf  bei 
15 — 20°  C.  8 Theile  Weingeist  von  71  Volumprocenten  und  52  Theile 
dergleichen  von  45  Yol.  Proc.  zur  Lösung.  In  Wasser  ist  das  Colophonium 
unlöslich,  nimmt  aber,  in  verdünntem  Weingeist  gelöst,  3,82.  pC.  Wasser 
auf  und  geht  in  krystallisirte  Abietiusäure  über.  Das  gebundene  Wasser 
entspricht  einem  Molekül  H2  G , tritt  als  Constitutionswasser,  nicht  nur 
als  Krystallwasser  ein  und  kann  deshalb  nicht  wieder  verjagt  werden. 
Das  Colophonium  G44  He2  O4  ist  daher  nach  M a 1 y des  Anhydrid  der  Abie- 
tinsäure und  gibt  leicht  über  80  pC.  der  letztem , so  dass  in  der  That  das 
Colophonium  der  Hauptsache  nach  nur  aus  jenem  Anhydrid  besteht  und 
zwar  vermuthlich  bei  allen  Abietineen ,')  auch  bei  Larix.  Die  Natur  der 
übrigen  10  bis  20  pC.,  welche  aus  dem  Colophonium  nicht  als  Abietin- 
säure erhalten  werden,  bleibt  demnach  noch  zu  erforschen;  vielleicht  rührt 
der  Ausfall  nur  von  nicht  vollständig  durchzuführender  Hydratation  des 
Anhydrids  her. 

Die  lebende  Pflanze  enthält  nur  das  Anhydrid,  denn  der  frische  Harz- 
saft ist  klar  und  nach  dem  Verjagen  des  Oeles  amorph ; er  verliert  aber  an 
der  Luft  Oel,  nimmt  dagegen  Wasser  auf  und  erstarrt  zu  krystallisirter 
Säure,  wie  sich  das  bei  einzelnen  Harztropfen  noch  an  den  Stämmen  selbst, 
namentlich  mit  Hülfe  des  Mikroskops  gut  verfolgen  lässt.  Das  amorphe 
Colophonium  behält  selbst  in  feuchter  Atmosphäre  vollkommen  seine  Durch 
sichtigkeit  und  ist  wie  es  scheint  nur  dann  im  Stande  reichlich  oder  völlig 
in  Abietinsäure  überzugehen , wenn  die  Aufnahme  des  fehlenden  Moleküls 
Wasser  durch  Gegenwart  von  ätherischem  Oele  in  der  Natur  oder  künst- 
lich durch  Weingeist  vermittelt  wird.  Beim  Kochen  mit  alkalischen  Lö- 
sungen gibt  das  Colophonium  schmierige  Salze  der  Abietinsäure,  sogenannte 
Harzseifen,  welche  technisch  als  Zusatz  zu  den  gewöhnlichen  Seifen  ver 
werthet  werden.  Die  Sylvinsäure  Sie  Werts  hält  Maly  iür  ein  Zer 

1)  yergl.  in  Betreff  analoger  Verhältnisse  auch  hei  Balsam.  Copaivac  und  bei  Elomi. 


Terebinthina  communis. 


75 


setzungsprodukt  seiner  Abietinsiiure , die  Pimar  säure,  Pinin  saure  und 
Sylvinsäure  früherer  Untersuchungen  für  unreine  Abietinsäure.1) 

Der  heraussickernde  Harzsaft  verändert  sich  im  Freien  gleichzeitig  durch 
Uebergang  in  Abietinsäure , durch  Oxydation  und  durch  mehr  oder  weniger 
vollständige  Verdunstung  des  Oeles.  Hieraus,  so  wie  durch  die  etwaige 
weitere  Behandlung,  wie  Coliren,  Destillation  zur  mehr  oder  weniger  voll- 
ständigen Gewinnung  des  Terpenthinöles  oder  einfaches  Schmelzen,  erklärt 
sich  das  sehr  verschiedene  Aussehen  des  käuflichen  Rohproduktes,  der 
Resina  Pini  s.  communis.  Dieselbe  bildet  bald  mehr  oder  weniger  trübe 
dunkle,  bald  durchscheinende  geflossene  Massen  wie  z.  B.  die  Pix  burgun- 
dica , oder  besitzt  bei  etwas  hellerer  Farbe  und  ziemlicher  Sprödigkeit 
körnige  mikrokrystallinische  Textur,  wie  der  Galipot  der  Franzosen, 
das  unveränderte,  an  den  Stämmen  selbst  krystallinisch  erstarrte  fast  öl- 
freie Harz. 

An  der  Luft  erleidet  das  Terpenthinöl , wie  überhaupt  die  ätherischen 
Oele  Veränderungen,  welche  man  als  „Verharzung“  bezeichnet.  Die  hier- 
bei in  geringer  Menge  auftretende  Ameisensäure  charakterisirt  den  Vorgang 
im  allgemeinen  als  eine  Oxydation,  jedoch  sind  die  Hauptprodukte  noch 
nicht  genauer  bekannt  und  namentlich  hat  sich  noch  keines  derselben  als 
i identisch  mit  einem  natürlichen  Harze  erwiesen.  Die  gewöhnliche  An- 
nahme, dass  die  Harze  aus  den  ätherischen  Oelen  entständen,  ist  daher 
j keineswegs  gerechtfertigt  oder  jedenfalls  ist  ein  derartiger  Process  nur  dem 
Pflanzenorgauismus  selbst  Vorbehalten,  scheint  sich  aber  in  weniger  ein- 
facher Weise  zu  machen,  als  die  Annahme  einer  Verharzung  vermuthen 
lässt.  Im  vorliegenden  Falle  wenigstens  fehlt  eine  augenscheinliche  Be- 
ziehung zwischen  der  Formel  des  Terpenthinöls  und  derjenigen  der  Abietin- 
I säure  oder  ihres  Anhydrids.  Auch  ist  auffallend,  dass  das  letztere  hier  in 
der  Pflanze  selbst  das  Wasser  nicht  aufnimmt,  das  es  sich  ausserhalb  der- 
selben so  leicht  aneignet.  Es  wäre  möglich,  dass  der  Vorgang  im  Organis- 
mus gerade  umgekehrt  verliefe , dass  nämlich  die  ätherischen  Oele  aus  der 
: Spaltung  complicirterer  Verbindungen  hervorgiugen , während  die  Harz- 
j bildung  auf  einer  rückschreitenden  Metamorphose  der  Zellwand  beruht. 
Sollten  daher  durch  „Verharzung“  ätherischer  Oele  wirklich  Harze  ent- 
stehen, so  müssten  denselben,  wie  eine  verschiedene  physiologische  Bedeu- 
tung, so  auch  abweichende  Eigenschaften  zukommen.  Nach  diesen  von 
Wigand2)  höchst  lehrreich  entwickelten  Ansichten  hat  man  sich  auch 
die  Vermischung  ätherischer  Oele  mit  Harzen  zu  Balsamen  nicht  als  eine 
Secretion  der  letztem  in  eigene  Gänge  zu  denken , sondern  als  viel  wahr- 
scheinlicher anzunehmen,  dass  die  Oele  erst  durch  Umbildung  der  Zell 


!)  Im  nördlichen  Schweden  wild  ein  besonderes  Fichtenharz  Spännkoda  oder  Tuggkoda 
gekaut.  Es  gibt  an  kocheudes  Wasser  eine  krystallisirbare  Säure  ab,  welche  nach  Berlins 
Angaben  sehr  von  der  Abietinsänrc  abweicht. 

2)  in  der  unter  Tragacantha  erwähnten  Abhandlung  pg.  164 — 170. 


7(5 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


wände,  die  sie  schon  frühzeitig  eiusch Hessen,  frei  werden  und  sich  den 
aus  andern  Geweben  selbst  hervorgegangenen  Harzen  beimischen. 

Das  relative  Verhältnis  des  Harzes  zum  Terpcnthiuöl,  die  verschiedene 
Behandlung  bei  der  Gewinnung,  etwaige  Verunreinigungen,  der  Wasser- 
gehalt bedingen  die  Mannigfaltigkeit  der  Consistenz  und  der  Farbe  der  ge- 
meinen Terpenthinsorten  weit  mehr  als  die  Abstammung  von  den  verschie- 
denen Nadelhölzern.  Der  Geruch  hängt  vom  Terpenthinöl  ab,  das  von  Art 
zu  Art  verschieden  ist,  während  das  Harz  bei  allen  Coniferen  oder  doch  bei 
den  Abietineen  der  Hauptsache  nach  identisch  zu  sein  scheint.  Die  Eigen- 
schaften der  verschiedenen  gemeinen  Terpenthine  sind  demnach  so  schwan- 
kend und  zeigen  so  viele  Uebergänge,  dass  die  Handelssorten  nicht  sicher 
auf  die  Stammpflanze  zurückgeführt  werden  können. 

Die  ursprüngliche  Bildung  der  Harzkanäle  in  der  Riude  und  die  nach- 
herige  Verbreitung  des  Harzsaftes  in  Kernholz,  Splint  und  Rinde  zeigen 
grosse  Verschiedenheiten  bei  den  einzelnen  Coniferen.  welche  von  Mo  hl1) 
ausführlich  untersucht  worden  sind.  Nach  diesen  besonderen  Verhältnissen 
richtet  sich  auch  empirisch  die  Art  des  Anbohrens , welche  die  Praxis  für 
die  verschiedenen  Bäume  eingeschlagen  hat.  Dem  Holze  der  Abies  pecti- 
nata  z.  B.  fehlen  die  Harzkanäle  ganz,  bei  Pinus  sylvestris  sind  sie  dort  be- 
deutender als  in  der  Rinde. 

Hauptproduktionsgegendeh  des  Terpenthins,  des  Fichtenharzes,  des  Co- 
lophoniums  und  des  Terpen thiuöles  sind  gegenwärtig  erstens  das  Depar- 
tement des  Landes,  zwischen  Bordeaux  und  Bayonue,  wo  die  im  ganzen 
Mittelmeergebiete  einheimische  Pinus  Pinaster  Solander  (P.  maritima  La- 
marck)  grosse  Wälder  bildet.  100  Stämme  derselben  lieferten  (1861) 
359  Kilogr.  Terpenthin,  welcher  17  pC.  Oel  durch  Destillation  gab.  Ein- 
zelne Bäume  sollen  96  Jahre  hindurch  ausgebeutet  worden  sein.  — In 
zweiter  Linie,  oder  demnächst  wohl  wieder  in  erster,  steht  Virginien:  hier 
werden  besonders  benutzt:  P.  australis  Michaux  (P.  palustris  Miller), 
welche  von  Florida  bis  Nordcaroliua  geht,  P.  Taeda  L.  (Florida  bis  Vir- 
ginien) und  die  von  Virginien  bis  Canada  gedeihende,  auch  bei  uns  einge- 
bürgerte Weymouths-  Kiefer  P.  Strobus  L. 

In  Oesterreich  stammen  jene  Produkte2)  wohl  meist  von  der  ausser- 
ordentlich harzreichen  Schwarzkiefer  P.  laricio  Poiret  (P.  nigricans  Link), 
im  Schwarzwalde  und  dem  übrigen  Deutschland  von  der  weit  weniger 
reicheu  Abies  excelsa  DG,  der  Rothtanue,  von  P.  sijlvestris  L,  auch  von 
Abies  pectinata  DC,  der  Weisstanne. 

Der  Terpenthin  der  letzteren , Terebinthina  argentoratensis,  Strass- 
burger Terpenthin,  steht  an  Klarheit  dem  venetianischen  nahe  und  riecht 
sehr  fein  nach  Citronen.  Er  kann  nur  im  mittleren  Alter  des  Baumes  ge- 


1)  fn  der  bei  Terebinthina  venctn  angeführten  Abhandlung. 

2)  i,„  Betrage  von  jährlich  (1802)  etwa  250000  Ctr.,  welche  jedoch  für  den  österreichischen 
Bedarf  nicht  ausreichen. 


Elemi. 


77 


vvonnen  werden,  da  die  zu  sogenannten  Harzbeuleu  erweiterten  Harzkanäle 
der  Rinde  nicht  sehr  frühe  auftreteu  und  zuletzt  in  die  Borke,  nicht  in  das 
Holz  übergehen  und  verschwinden. 

Ausser  den  genannten  werden  aber  noch  zahlreiche  andere  Couifereu 
iu  ähnlicher  Weise  beuutzt. 

Die  Harzsäfte  und  ihre  Bestandteile  waren  schon  den  Alten  bekannt, 
namentlich,  wie  es  scheint,  der  Lärclienterpenthiu.  Dioscorides  sowie 
Pliuius  beschrieben  eine  rohe  Behandlung  des  Terpentins,  Marcus 
Graecus  im  VIII.  Jahrhundert  bestimmter  die  eigentliche  Destillation 
des  Terpentinöles,  der  aqua  ardens  — wie  es  auch  noch  später,  z.  B.  bei 
Libavius  (1595)  hiess. 

Elemi. 

Resina  Elemi.  Elemi.  Elemi. 

Unter  diesem  Namen  verstanden  die  Alten  ein  scharfes  Pflanzensekret 
aus  Aethiopieu.  Fs  wurde  mit  Scammonium  und  mit  Ammoniacum,  also 
I zwei  nach  unseren  Begriffen  sehr  verschiedenen  Dingen  verglichen,  so  dass 
die  Natur  des  alten  Elemi  nicht  mehr  festzustellen  ist.  Man  leitete  es  später 
ab  von  dem  äthiopischen  wilden  Oelbaume,  welcher  aber  auch  bald  als  die 
wilde  dornige  Form  des  Olivenbaumes  aufgefasst,  bald  für  eine  Elaeagnus- 
Art  erklärt  wurde. 

Im  XVI.  Jahrhundert  übertrug  man  merkwürdigerweise  die  völlig  zweifel- 
hafte Benennung  Elemi  auf  Harze  oder  erhärtete  Balsame,  welche  aus 
Amerika  kamen.  Pisou.  Marcgraf  (1636  — 1641)  ermittelten  in  Brasilien 
! die  Abstammung  eines  solchen  sogenannten  falschen  Elemi,  das  dort  Icica 
heisse.  Hiernach  benannten  sie  den  Baum  Icicariba;  er  ist  jetzt  als  Icica 
Icicariba  DC.  den  Burseraceen  zugetheilt  und  findet  sich  iu  der  Provinz 
| Rio.  Dieses  Icica-Harz  wird  als  unreine  gelblichgrünliche  weiche  oder  bei 
i längerer  Aufbewahrung  spröde  trübe  Masse  von  bitterlich -aromatischem, 

I an  Macis  erinnernden  Geschmacke  beschrieben,  scheint  aber  jetzt  nicht 
mehr  im  Handel  vorzukommen. 

Sehr  ähnlich  oder  etwas  gelbröthlich  und  nicht  minder  durchdringend 
liechend  wird  das  westindische  oder  Yukatau-Elemi  geschildert  und  gleich- 
falls von  Burseraceen  abgeleitet. 

Einem  Baume  derselben  Familie,  vermuthlich  einem  (Janavium , muss 
auch  das  jetzt  seit  einigen  Jahren  am  gewöhnlichsten  in  unserem  Handel 
erscheinende  Elemi  aus  Manila  zugeschrieben  werden. 

Ueber  die  Gewinnung  dieser  Sorte  ist  nichts  bekannt;  sie  stellt  einen 
trüben,  zähen,  gelblichweissen,  dicken  Balsam  vor,  der  ziemlich  stark  mit 
Pflanzenresten  vermischt  ist  und  nach  und  nach  etwas  erhärtet.  Er  riecht 
und  schmeckt  sehr  stark  aromatisch,  an  Macis  und  Fenchel  erinnernd  und 
ist  nur  wenig  bitter.  In  kaltem  Weingeist  zerfällt  das  Manila -Elemi  zu 
einem  krystallinischen  Absätze  und  einer  trüben  Flüssigkeit  von  saurer 


78 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


Reaction.  Befeuchtet  man  ein  wenig  dieses  Elemi  mit  Benzol,  so  zergeht 
es  und  erweist  sich  unter  dem  Mikroskop  als  grösstentheils  aus  Krystall- 
nadeln  und  Prismen  bestehend,  welche  sehr  gut  ausgebildet  sind  uud  seltener 
die  rundlichen  Formen  der  Abietinsäure  (vergl.  bei  Terebinthina  communis) 
zeigen.  Die  Krystalle  lassen  sich  leicht  durch  kalten  Weingeist,  worin  sie 
sich  nicht  lösen,  abscheiden.  Längere  Zeit  bis  100°  erwärmt,  wird  das  Ma- 
nila-Elemi  spröde,  etwas  durchscheinend,  verliert  aber  nicht  die  krystalli- 
nische  Structur. 

Als  mexicanisclies  Elemi  liegt  mir  eine  spröde,  festeSortein  grossen 
graugelblichen,  nicht  grünlichen,  rauhen  Stücken  vor,  welche  entweder 
flache  oder  gewölbte  Platten  oder  aber  mehr  Stalaktiten  bildet,  die  offenbar 
au  einem  starken  Stamme  heruntergeflosseu  sein  müssen.  Sie  brechen 
grossmuschelig  mit  wachsglänzender,  schwachgelblicher  Bruchfläche,  die 
an  den  Kanten  trübe  durchscheint.  Wo  aber  die  Flächen  längere  Zeit  der 
Luft  ausgesetzt  sind,  wird  das  Harz  milchweiss  und  fast  mehlig.  Dieser 
Staub  besteht  dann  aus  äusserst  feinen  büscheligeu  Krystallnädelcheu, 
welche  im  polarisirten  Lichte  unter  Terpenthinöl  die  prachtvollsten  Farben 
zeigen.  — Geruch  uud  Geschmack  dieser  Sorte  entsprechen  dem  Manila- 
Elemi,  sind  aber  weit  schwächer,  vielleicht  nur  zufällig  wegen  der  Abdunstung 
des  ätherischen  Oeles.  In  gelindester  Wärme  erweicht  auch  diese  spröde 
Sorte  leicht. 

Unter  dem  Namen  Elemi  sind  somit,  wie  aus  dem  Obigen  erhellt,  mit 
richtigem  Gefühle  terpenthinartige  Balsame  von  Burseraceen  der  verschie- 
densten Länder  zusammengefasst  worden,  mag  nun  auch  das  ursprüngliche 
Elemi  etwas  ganz  anderes  gewesen  sein.  Höchst  bemerkenswerth  sind 
unsere  modernen  Elemibalsame  oder  Elemiharze  durch  ihr  ausgezeichnetes 
Krystallisationsvermögen.  Sie  bestehen,  vom  ätherischen  Oele  abgesehen, 
aus  weichem  amorphem  und  in  kaltem  Weingeiste  leicht  lösüchem  Harze 
von  saurer  Natur  und  einem,  schon  vermittelst  des  Mikroskops  wahrnehm- 
baren krystallisirten  Antheile,  der  leicht  aus  kochendem  Alkohol  in  Nadeln 
anschiesst.  B au p wollte  aus  dem  letzteru  bei  1 74°  C . schmelzendes  Axn  y r in 
uud  erst  bei  200°  sich  verflüssigendes  Elemin  isolirt  haben.  Nach  den 
ausgedehnten  Untersuchungen  von  Rose,  Hess,  Marchaud  (1839)  wäre 
das  krystallisirte  nicht  saure  Harz  der  Formel  G'10  H66  0 entsprechend 
zusammengesetzt.  Rose  hat  gezeigt,  dass  bei  raschem  Abdampfen  der 
weingeistigen  Lösung  der  Krystalle  zum  Theil  nur  amorphe  Massen  von 
geringerem  Kohlen stoffgehalte  wiedergewonnen  werden,  während  die  beiden 
übrigen  Bestandtheile  im  Yerhältniss  von  II2  G (Wasser)  zunehmen. 

Es  liegt  also  hier  vermuthlich  dieselbe  Beziehung  zu  Gruude,  wie  bei 
dem  Uebergange  des  Colophoniums  in  Abietinsäure  (vergl.  bei  Terebinthina 
communis  so  wie  bei  Baisamum  Copaivae),  und  es  ist  wohl  möglich,  dass 
eine  neue  Untersuchung  des  krystallisirbaren  Elemiharzes  dessen  Iudentität 
mit  Abietinsäure  ergeben  würde. 

Allerdings  wäre  nach  Rose  beim  Elemi  der  Vorgang  umgekehrt,  indem 


Elemi. 


79 


hier  gerade  der  Verlust  der  Krystallisirbarkeit  mit  Wasseraufnahme  ver- 
bunden sein  soll.  Die  zahlreichen  Analysen  dieses  Chemikers  bieten  jedoch 
höchst  sonderbare  Abweichungen,  zum  Theil  auch  Zahlen,  welche  nahezu 
mit  den  von  Maly  für  Abietiusäure  gefundenen  stimmen. 

Auffallend  bleibt  die  obige  von  drei  Chemikern  bekräftigte  Formel  des 
krystallisirten  Elemiharzes;  durch  ihren  hohen  Kohleustoffgehalt  und  die 
geringe  Menge  Sauerstoff  erscheint  sie  vorerst  mit  der  Abietinsäure  unver- 
einbar. 

Noch  andere  Formeln  für  Krystalle  des  Icicaharzes  aus  Cayenne, 
Brean  und  Icican  genannt,  hat  Scribe  ermittelt.  Sie  lassen  vermuthen, 
dass  diese  Körper  sich  von  Colophouium  vielleicht  durch  ein  minus  von 
H2  0 unterscheiden. 

Wie  viel  bei  allen  diesen  Widersprüchen  auf  Rechnung  etwaiger  Ver- 
schiedenheit der  Waare  von  so  ungleicher  Herkunft  zu  setzen  ist,  lässt  sich 
nicht  beurtheilen,  da  nähere  Angaben  über  die  zur  Untersuchung  verwen- 
deten Sorten  oft  fehlen. 

Es  ist  demnach  eine  vergleichende  Wiederaufnahme  des  Gegenstandes 
sehr  wünschenswerth,  gauz  besonders  auch  im  Hinblicke  auf  die  folgenden 
1 Angaben  über  das  Arbolharz. 

Die  Menge  des  ätherischen  Oeles  der  Elemibalsame  wechselt  sehr  je 
: nach  dem  Alter  und  wohl  auch  nach  ihrer  Abkunft.  Stenhouse  erhielt 
! 3,5,  Deville  13  pC.  Es  bietet  aber  übereinstimmend  die  grösste  Aehn- 
lichkeit  mit  Terpenthiuöl  dar,  siedet  bei  166 — 174°  C.,  rotirt  stark  links 
und  scheint  völlig  frei  von  Sauerstoff  der  Formel  G10H16  zu  entsprechen. 

Die  an  dem  Elemiöle  von  Mannkopf  wahrgenommenen  schwach  gifti- 
gen Wirkungen  dürften  wohl  schwerlich  eigentlich  specifischer  Art  sein. 

Um  1820  oder  schon  früher  gelangte,  zuerst  durch  Perrottet  aus  Ma- 
i nila  das  dort  zum  Kalfatern  dienende  Harz  oder  der  Balsam  des  sogenann- 
ten Pechbaumes,  Arbol  a brea,  nach  Europa.  Vermuthlich  ist  derselbe  eine 
Canarium-Art,  und  aus  den  älteren  Beschreibungen  dieses  Arbol-a-brea- 
: Harzes  lässt  sich  entnehmen,  dass  es  unser  heutiges  Elemi  aus  Manila  war; 
denn  die  gelegentliche  schwarze  Färbung  des  ersteren  rührte  vom  An- 
brennen der  Stämme  (Schwelen)  her.  Baup  hat  das  Arbolharz  seit  1825 
untersucht  und  darin  vier  verschiedene  krystallisirende , durch  ungleiche 
Schmelzbarkeit,  so  wie  durch  grössere  oder  geringere  Löslichkeit  in  Wein- 
j Seist  abweichende  Verbindungen  gefunden,  welche  er  Amyrin,  Brei'n, 
Brei d in  und  Bryoidin  nannte.  Das  erstere  wäre  identisch  mit  dem 
Amyrin  des  Elemi. 

Eine  von  Henry  und  Plisson  ausgeführte  Analyse  des  Brems  weist 
demselben  die  Formel  der  Abietinsäure  an,  während  die  Resultate  von  Du- 
’ mas  ganz  mit  der  oben  mitgetheilten  Zusammensetzung  des  von  Rose, 

Hess  und  Marchand  untersuchten  krystallisirten  Elemiharzes  überein- 
stimmen. 

Baup  hatte  sein  Arbolharz  durch  Vermittelung  von  DeCandollevon 


80 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


Pater  Llanos  iu  Manila  erhalten.  Eine  Probe  des  Harzes,  aus  Baup’s 
Nachlasse1)  finde  ich  mikroskopisch  mit  dem  heutigen  Manila-Elemi  über- 
einstimmend bis  auf  eingemeugte  Stückchen  Kohle,  welche  das  Harz  schwarz- 
grau  erscheinen  lassen.  Der  Geruch  ist  noch  kräftig  muskatartig,  obwohl 
die  Masse  völlig  trocken  und  zerreiblich  ist. 

Baisamum  Copaivae. 

Copaiva-Balsam.  Baume  de  copahu.  Copaiva. 

1.  Copaifera  rnultijuga  Hayne.  — Caesalpiniaceae. 

2.  €.  Langsdorftu  Desfontaines. 

3.  C.  coriacea  Martius. 

4.  C.  Jacquini  Desf. 

Syn. : C.  officinalis  L. 

Die  Copaivabäume  sind  in  etwa  20  Arten  von  Brasilien,  Paraguay  und 
Bolivia  bis  Costa  Rica  und  Westindien  verbreitet.  Sie  stelleu  meist  statt- 
liche Bäume  mit  reich  belaubter  Krone  und  schönen  weissen  vielblüthigen 
Rispen  dar;  die  nicht  sehr  grossen  lederigen  und  eiufach  iu  gerader  Zahl 
bis  zehnpaarig  gefiederten  Blätter  erscheinen  von  zahlreichen  Oeldrüscheu 
punktirt. 

Die  erste  Art  gehört  den  Nordprovinzen  Brasiliens,  Alto  Amazonas  und 
Gran  Para,  d.  h.  dem  unteren  Gebiete  des  Amazonenstromes  und  des  Rio 
negro  an;  die  zweitgenannte  den  Provinzen  Sau  Paulo  und  Miuas  Geraes  im 
Westen  und  Norden  der  Hauptstadt.  In  denselben  Gegenden  bis  Bahia  findet 
sich  C.  coriacea,  während  C.  Jacquini  sich  auf  den  Norden  Südamerika  s, 
vorzüglich  Venezuela,  zu  beschränken  scheint,  doch  auch  nach  Westiudieu 
geht  und  schon  auf  Trinidad  vorkömmt. 

Aber  noch  andere  Arten  liefern  ebenfalls,  wiewohl  in  geringerer  Menge  Bal- 
sam, der  zum  Theil  iu  den  entlegensten  Gegenden  Bolivia’s  und  Paraguay ’s 
nur  technisch  als  Firniss  gebraucht  wird. 

Nach  Berg  bieten  wenigstens  die  Zweige  der  Copaivabäume  an  der 
Grenze  der  Mittel-  und  der  Iunenrinde  einen  weitläufigen  Kreis  tangential 
gedehnter  Balsamgänge  dar.  Doch  deuten  alle  Berichte  über  die  Gewinnung 
des  Balsams  im  Grossen  darauf,  dass  das  Holz  der  Stämme  Hauptsitz  des- 
selben ist,  und  im  Holze  einer  nicht  näher  bestimmten  Copaifera  finde  ich  viele 
der  nicht  sehr  grossen  Gefässe  mit  erhärtetem  Harze.  So  gibt  z.  B.  auch 
Schomburgk  an,  dass  im  unteren  Theile  des  Stammes  halbrunde  Oeffnuu- 
gen  bis  in  das  Kernholz  getrieben  werden.  Der  Harzsaft  ergiesst  sich  oft  iu 
grosser  Menge,  so  dass  er  nach  Martius  in  wenigen  Stunden  pfundweise 
aus  einem  einzigen  Stamme  erhalten  werden  kann.  Welche  Verschieden- 
heiten in  dieser  Hinsicht,  sowie  überhaupt  in  Betreff  der  Eigenschaften  des 
Balsams  von  Art  zu  Art  vorkommeu,  ist  nicht  ermittelt. 


1)  welche  ich  der  Güte  des  Herrn  Apotheker  Roux  in  Nyou  verdanke. 


Baisamum  Copaivae. 


81 


Para  sowie  Maranham  (Beiern)  sind  die  Hauptausfuhrhäfen  des  Copaiva- 
Balsams,  dann  Carthagena,  Maracaibo  und  Sabanilla  am  caribischen  Meere. 
Weniger  wird  aus  Rio  Janeiro  und  von  den  Antillen  ausgeführt.  Auf  den 
letzteren  scheinen  die  Bäume  nicht  wild  vorzukommen. 

Der  Copaivabalsam  ist  eine  klare  Auflösung  eines  Harzes  von  zum 
Theil  stark  saurer  und  eines  zweiten  von  indifferenter  Natur  in  sehr  wech- 
selnder Menge  ätherischen  Oeles.  Aromatische  Säuren  fehlen,  so  dass  sich 
der  Copaivabalsam  zunächst  den  Terpenthinen  der  Coniferen  anreiht, 
worunter  auch  einige  Vorkommen  (vergl.  bei  Terebinthina  veneta),  die  sich 
durch  geringe  oder  ganz  mangelnde  Krystallisationsfähigkeit  ihrer  Harz- 
säuren — wenn  sie  überhaupt  vorhanden  sind  — auszeicliuen  und  daher 
vorzugsweise  klar  bleiben. 

Die  Consistenz  des  Copaivabalsams  wechselt  bedeutend  je  nach  dem 
Verhältnisse  seiner  Bestandteile.  Da  das  specifische  Gewicht  des  äthe- 
rischen Oeles  bei  gewöhnlicher  Temperatur  0,88  bis  0,91  beträgt  und  das- 
selbe oft  bei  weitem  vorwaltet,  in  älterer  Waare  dagegen  oft  durch  Ab- 
dunstung oder  Verharzung  bis  gegen  30  pC.  vermindert  ist,  so  schwankt 
auch  das  specifische  Gewicht  des  Balsams  zwischen  0,94  und  0,98  oder 
überschreitet  sogar  bisweilen  noch  diese  Zahlen. 

Die  Ansicht  Pro  cter’s,  dass  nur  ältere  Bäume  Balsame  liefern,  die  reich 
an  Harzsäure  sind,  bedarf  noch  des  Beweises. 

Die  Farbe  des  Balsams  ist  hell  gelblich;  an  der  Luft  wird  er  nur  wenig 
dunkler.  Der  Geruch  ist  eigenthümlich  aromatisch,  nicht  eben  angenehm* 
der  Geschmack  sehr  scharf  kratzend  und  bitterlich. 


_ Das  ätherische  Oel,  je  nach  Alter  und  Herkunft  der  Waare  30  bis  60 
ja  80  pC.  betragend,  lässt  sich  nur  durch  mehrmalige  Destillation  gewin- 
nen. Es  besitzt  die  Zusammensetzung  der  Ternentliinöle  und  ih™  „11  <tp- 


82  pC.  Oel  gab,  fehlte  nach  Pos 
während  Fehling  die  Krystalle 


aus  Para,  welche 


stückiger , Pharmakognosie. 


os seit  ein  Harz  von  saurer  Natur  gänzlich, 
le  eines  freiwilligen  Absatzes  aus  derselben 


G 


82 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


Sorte  sauer,  der  Formel  G20H28G3  eutspreclieud  fand  und  als  Oxycopai- 
vasäure  bezeichnete.  Dieselben  schmolzen  bei  120°  und  gingen  durch 
Aufnahme  von  H20  in  eine  unter  100°  erweichende  amorphe  Masse  über, 
ähnlich  wie  in  dem  von  Rose  bei  Elemi  (vgl.  bei  diesem)  beobachteten 
Vorgänge. 

Die  Copaivasäure  schmeckt  bitter,  reagirt  sauer  und  bildet  mit  Blei  und 
Silber  unlösliche  krystallinische  mit  Alkalien  amorphe,  leicht  lösliche  Salze. 
Die  Zusammensetzung  der  letzteren  und  die  der  Säure  selbst  zeigt  völlige 
Uebereinstimmung  mit  Abietinsäure  (vergl.  bei  Terebinthiua  communis). 
Beide  Säuren  dürften  demnach  wohl  identisch  sein,  obwohl  bisher  der 

Copaivasäure  die  Formel  G20H30O- gegeben  wurde. 

Von  der  Menge  dieser  Harzsäure  hängt  es  ab,  ob  sich  der  Gopaiva- 
balsam  klar  mit  wässerigen  Alkalien  mischt  oder  nicht.  Ist  die  Copaivasäure 
reichlich  vorhanden,  so  lösen  sich  dieSalze,  auch  das  des  Ammoniaks,  völlig 
im  ätherischen  Oele,  wenn  nicht  das  Alkali  allzusehr  vorwaltet.  Bei  der 
Mischung  des  Ammoniaks  mit  3 bis  7 Theilen  Balsam  tritt  eine  merkliche 
Temperaturerhöhung  ein. 

. Copaivabalsam,  der  sich  mit  Alkalien  klar  mischt,  darf  deshalb  nnt 
einigem  Grund  als  rein  betrachtet  werden,  nicht  aber  umgekehrt.  Der 
Balsam  aus  Para,  der  jetzt  sehr  häufig  auf  den  Markt  gelangt,  gibt  regel- 
mässig ein  trübes  Gemisch.  Säurereiche  Sorten  verbinden  sich  mit  den 
alkalischen  Erden  zu  allmälig  ganz  erhärtenden  Massen,  sofern  eine  geringe 
Menge  Wasser  zugegen  ist.  Auf  8 bis  16  Theile  des  Balsams  genügt  z.  B. 
1 Th.  etwas  befeuchteter  Magnesia,  um  nach  einiger  Zeit  bei  gewöhnlicher 
Temperatur  oder  rascher  beim  Erwärmen  eine  steife  oder  harte  Verbindung 
zu  Stande  zu  bringen.  Energischer  verbinden  sich  Kalk  und  Baryt  mit  der 


Der  Copaivabalsam  löst  sich  erst  im  mehrfachen  Gewichte  gewöhnlichen, 
in  weniger  stärkeren  Weingeistes  und  mischt  sich  in  jedem  Verhältnisse  mit 
Aceton,  Schwefelkohlenstoff  und  mit  absolutem  Alkohol.  Er  nimmt  auch 
fette  und  ätherische  Oele  auf;  erstere  verrathen  sich  in  einem  verfälschten 
Balsam  dadurch,  dass  derselbe  sich  mit  wenig  absolutem  Alkohol  nicht 
mehr  klar  mischt.  Doch  lässt  sich  in  dieser  Weise  das  im  Alkohol  so  leicht 
lösliche  Ricinusöl  nicht  finden.  Mau  muss  zu  diesem  Ende  erst  das  äthe- 
rische Oel  durch  sehr  anhaltendes  Kochen  entfernen,  worauf  sich  der 
Rückstand  bei  etwas  beträchtlichem  Gehalte  an  tettem  Oele  auch  nach  dem 
Erkalten  Schmierig  zeigt  und  auf  Papier  Fettflecken  gibt Bei 
Mengen  verseift  man  und  erhält  nach  dem  Aussalzen  und  Wiederauflösen 
der  Seife  die  Fettsäuren  (Ricinölsäure)  als  auischwimmende  Schicht,  wenn 

mit  Salzsäure  übersättigt  wird.  . 

Die  Beimengung  ätherischer  Oele  ist  schwierig  und  fast  nur  durch  den 

Geruch  zu  erkennen,  der  sich  beim  vorsichtigen  Erwärmen  leichter  unter- 
scheiden lässt  Dabei  ist  zu  berücksichtigen,  dass  westindischer  Copaiva- 
ba^sam^efbst  terpenthinartig  riechen  soll.  In  Amerika  scheint  das  Oel  von 


Baisamum  Copaivae. 


83 


Radix  Sassafras  (vergl.  diese)  in  grossem  Massstabe  zur  Verfälschung  des 
Balsams  zu  dienen.  Bei  langsamer  Destillation  müsste  sich  das  Sassafrasöl 
in  den  ersten  Antheilen  finden,  da  es  schon  weit  unterhalb  200°  C.  zu  sieden 
beginnt.  Wasser,  das  mit  einem  durch  ätherische  Oele  verfälschten  Balsam 
geschüttelt  wird,  nimmt  in  sehr  geringer  Menge  vorzugsweise  erstere  auf. 

Lässt  man  einen  Tropfen  Copaivabalsam  auf  reines  Wasser  fallen,  so 
erscheinen  sogleich  farbige  Ringe  und  der  Tropfen  breitet  sich  zu  einer 
scharf  umschriebenen  Scheibe  aus.  Ein  Tropfen  Ricinusöl  zerfliesst  zu 
einer  Scheibe,  welche  nicht  scharf  abgeschnitten  ist,  sondern  sich  mit  einem 
breiten  Netzwerke  umgibt.  Ein  Gemenge  von  Ricinusöl  und  Copaivabalsam, 
worin  % des  ersteren,  weicht  unter  denselben  Umständen  vou  den  beschrie- 
benen Figuren  ab.  Andere  fette  und  ätherische  Oele  geben  noch  weniger 
ähnliche  Figuren.  T o m 1 ins  on  hat  (1 864)  auf  diese  Cohäsiouserscheiuungen 
zur  ungefähren  Beurtheilung,  namentlich  auch  des  Copaivabalsams,  auf- 
merksam gemacht. 


Wie  in  Südamerika  Copaivabalsam  als  natürlicher  Firniss  verwerthet 
wird,1)  so  dient  in  ganz  Indien  ein  ähnlicher  Balsam,  Holzöl  (Wood-oil) 
genannt,  welcher  jedoch  vou  gewaltigen  Bäumen  aus  der  Familie  derDipte- 
rocarpeen 2)  abstammt  und  durch  Anbohren  und  Anschwelen  der  Stämme 
in  ganz  erstaunlicher  Menge,  mehrere  Jahre  hindurch  zu  300  bis  400  Pfund 
von  einem  einzigen,  erhalten  werden  kann.  Man  nennt  als  Hauptquelle 
dieses  Holzöles  oder  Gurjun- Balsams  Dipterocarpus  incahus  Roxburgh 
V.  turbmatus  Gärtner,  D.  alatus  Roxb.,  D.  costcitus  Roxb.,  D.  laevis  3j 

D.  tnnervis  Blume  und  noch  andere  auf  den  Inseln  und  dem  Festlande 
Indiens  verbreitete  Arten. 

S®lt  etwa  25  Jahren  in  Europa  bekannt,  ist  dieser  dem  Copaivabalsam 
höchst  ähnliche  Harzsaft  unter  dem  Namen  Baisamum  Capivi  in  neuester 
Zeit  auf  dem  Londoner  Markte  vorgekommen.  Er  unterscheidet  sich  vom 
Copaivabalsam  durch  trübes,  besonders  nach  dem  Verdünnen  mit  Benzol 
grünlich  schillerndes  Aussehen,  etwas  dunklere  Farbe,  höheres  specifisches 
Gewicht  und  stark  bittern  Geschmack.  Ganz  besonders  aber  charakterisirt 

2? dm'Ch  d6U  ümstand’  dass  er  ^ch  bei  110° 
bis  oO  C.  vorübergehend  gallertartig  verdickt.  Mit  wässerigen  Alkalien 

ischt  ei  sich  nicht  oder  doch  gewöhnlich  nicht  klar;  aber  es  scheinen  auch 
ie  bei  Copaivabalsam  lösliche  und  unlösliche  Sorten  zu  existiren 
Das  ätherische  Oel,  welches  20  bis  gegen  70  pC.  betragen  kann  ist  mit 
dem  des  Copaivabalsams  übereinstimmend.  Das  Harz  des  Holzöles  ist  theils 

a86r)TtTaHiOShCh,  UDd  iU  Fl0ckeu  durch  Salzsäure  fällbar.  Werner 
( 63)  ertheüt  dieser  krystalhnischen  G u rj  u n s ä u r e die  Formel  G41H«8Os 

E-pnngt  in  die  Augen,  dass  sie  in  nächster  Beziehung  zur  AbietLäTre 


0 nach  Wed  de  11  in  Histoire  nat.  d.  Quinquinas  p.  5 

3 Tr r Th  °ryf°balan0pS  Sehört-  Siehe  bei  Camphora. 
) nach  andern  l.efert  dieser  Riesenbaum  keinen  Balsam. 


6* 


g4r  I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 

(vergl.  bei  Terebinthina  communis)  stehen  dürfte.  Die  1‘  ormel  G44  H'4  0 
3 H2  0 lässt  die  Gurjuusäure  als  Hydrat  der  Abietinsäure  erscheinen  und 
passt  zu  den  analytischen  Daten  Werners.  Die  Auffindung  einer  nicht 
allzugrossen  Beimischung  von  Dipterocarpus-Balsam  in  Copaivabalsam,  ei 
wenig  Säure  enthält,  ist  nicht  wohl  möglich.  Die  medicinischen  Eigen- 
schaften des  letzteren  scheinen  aber  auch  dem  Gurjuubalsam  zuzukommen. 
Für  sich  löst  sich  der  Gurjuubalsam  nicht  klar  in  Benzol,  selbst  wenn  er 

durch  langes  Stehen  völlig  geklärt  ist. 

Die  ersten  Nachrichten  über  einen  Copaivabaum,  vermuthhch  C.  bijuga 
Willdeuow  u.  Hoffmannsegg,  und  dessen  Balsam  rühren  von  der  brasilia- 
nischen Reise  Piso’s  u.  Marcgraf’s  (1648)  her. 


Styrax  liquidus. 

Baisamum  Styrax.  Storax  liquidus  seu  liquida.  Storax,  flüssiger.  Styrax 

liquide.  Liquid  storax. 

Liquidämbar  orientale  Miller.  — Balsamifluae. 

Syn.:  L.  imberbe1)  Aiton. 

Platanus  orientalis  Pococke. 

Dieser  stattliche  20  bis  30  oder  besonders  an  feuchten  Stellen  über 
40  Fuss  hohe,  der  Platane  ähnliche  Baum  ist  auf  den  südlichen  Theil  Kle 
asiens  und  Nordsyrien  beschränkt.  Er  bildet  dichte  schöne  Wälder  in  den 
Küstenlandschaften  der  Meerbusen  von  Kos  udc l Mermendscheh  (Marmo- 
rizza)  den  Inseln  Rhodos  und  Kos  gegenüber.  So  besonders  in  der  Nahe 
des  alten  Halikarnassos,  jetzt  Budrun,  dann  bei  Melasso,  Giova  Mughla, 
auch  am  Abflüsse  des  Orontes  (Nahr-el-Asy)  unweit  Antiochia  in  Syriern 
EMge  wenige  Bäume  trafen  Unger  u.  Kotschy  auch  186  noch  au 
Cvpern  Nach  einer  Notiz  von  Martins2)  scheint  der  Storaxbaum  auch 
wohl  noch  in  Kaschmir  vorzukommen  (?)•  Die  Rinde  wird  ähnlich  wie  be 
der  Platane  durch  fortwährende  Borkenbilduug  abgestossen  und  erreich 
, 1 Ptwo  0 01 ra  Dicke  Erst  in  den  absterbenden  durch  Korkbaudei 

Geweben  de,-  Rinde  älterer  Stämme  tritt 
i Balsam  massenhaft  auf,  sowohl  in  den  sehr  zahlreichen  dickwandigen 
Baströhren  als  auch  hn  Parenchym  der  Inuenrinde  mit  Einschluss  der  Mar  - 
strahlen  An  Aesten  oder  jüngeren  Stämmen  finden  sich  nur  vereinze 
Balsam-  oder  Harzzellen  in  der  Mittelrinde.  Der  Storax  verdankt  sonnt 
nach  Unger  seinen  Ursprung  einer  rückschreitenden  Metamorphose  ver 
i i n<rer  7p11pu  uud  wird  nicht  in  eigenen  Orgaueu  gebildet. 
SCh'm“L  G wi  g 1 ««-ige,,  Storax  beschäftigen  sich  in  Kleinasien 
T t Tnrkmanen  welche  im  Juni  und  Juli,  wie  cs  scl.emt,  haupt- 
sächlteT^dÜM dünneren  ’noch  fester  am  Baume  haftenden  Riudeustiicke  ,m 


Styrax  liquidus. 


85 


Gegensätze  zu  der  schon  völlig  abgestorbenen  Borke  ablösen  und  daraus 
mit  Hülfe  warmen  Wassers  den  Balsam  ausschmelzen,  wohl  nicht  auskochen, 
wie  angegeben  wird.* 1)  Volles  Sieden  müsste  zu  erheblichen  Verlust  an 
Styrol  herbeiführen  und  zu  viel  Zimmtsäure  in  Lösung  bringen.  Von  dem 
Balsam  werden  die  Rindenstücke  in  Pferdehaarsäcke  abgeschöpft,  gepresst 
und  dieses  Produkt  mit  dem  ersteren  in  Fässer  oder  Schläuche  aus  Ziegen- 
fell gegossen.  Die  Rinde,  wohl  meist  die  gepresste,  wird  in  der  Sonne 
getrocknet  und  dient  mit  der  nicht  gepressten  Borke  in  der  griechischen 
Kirche  unter  dem  Namen  Christholz  neben  Weihrauch  zum  Räuchern. 
Diese  theils  korkartig  brüchigen,  theils  mehr  zähen,  bastreichen  Press- 
riickstände  sehen  ziemlich  der  officinellen  Ulmenrinde  (Cortex  Ulmi  interior) 
ähnlich  und  gelangten  früher  auch  unter  dem  Namen  Cortex  Thymiamatis 
zu  uns,  jetzt  aber  seltener  mehr.  Sie  riechen  immer  noch,  besonders  in  der 
Wärme,  sehr  angenehm  und  bedecken  sich  oft  mit  filzig  efflorescirendem 
Styracin,  das  sich  durch  Benzol  leicht  rein  ausziehen  lässt. 

Der  genannte  Bezirk  des  südwestlichen  Kleinasiens  liefert  jährlich  bei 
800  Centner  Storax,  der  meist  über  Kos  (Stanchio),  Syra  und  Smyrna 
nach  Triest  geht.  Ein  kleiner  Theil  gelangt  auch  durch  das  Rothe  Meer 
nach  Bombay  und  nimmt  dort,  wie  schon  Garcia  d’Orta  in  der  Mitte  des 
XVI.  Jahrhunderts  angab,  den  Namen  Rossamalha,  Rose  Mallus  an,  der  aber 
eigentlich  dem  analogen  Produkte  des  majestätischen  indischen  Rasamala- 
Baumes,  Altingia  excelsa  Noronha  (Liquidambar  Altingianum  Blume), 
zukömmt,  welcher  hauptsächlich  in  Bantam  und  den  Preanger  Regentschaften 
in  Westjava  wächst.  Sein  wohlriechendes  Harz,  das  sich  in  den  Höhlungen 
abgestorbener  Bäume  findet,2)  ist  nicht  Gegenstand  des  europäischen  Handels. 

Der  kleinasiatische  Storax  ist  zähe,  dickflüssig,  in  Wasser  untersinkend, 
von  graulicher  etwas  grünbräunlicher  Farbe  und  undurchsichtig.  Durch 
sehr  langes  Stehen,  rascher  durch  Erwärmung,  wird  er  klar  und  dunkel- 
braun, indem  das  Wasser  verdunstet  und  die  gewöhnlich  nur  geringen 
festen  Unreinigkeiten  sich  absetzen.  Nur  in  sehr  dünnen  Schichten  und 
erst  nach  langer  Zeit  trocknet  der  Storax  eiuigermassen  ein,  bleibt  aber 
immer  kleberig.  In  Terpenthinöl  und  Benzol  löst  er  sich  schon  deshalb 
nicht  klar,  weil  ein  Theil  der  Bestandtheile  in  wässeriger  Lösung  im  Balsam 
vorhanden  ist.  Weingeist  gibt  eine  klare  dunkelbraune  Lösung,  indem  nur 
| die  beigemengteu  Pflanzenreste  und  andere  Unreinigkeiten  Zurückbleiben. 
Die  englische  Pharmacopöe  lässt  ihn  so  reinigen  (Styrax  praeparatus) 

Unter  dem  Mikroskop  sieht  man  im  gewöhnlichen  trüben  Balsam  kleine 
bräunliche  Körnchen  oder  zähe  Tröpfchen  in  einer  diclceu,  zähen,  farblosen 
| und  klaren  Flüssigkeit,  sowie  da  und  dort  grosse  helle  Tropfen.  Von  Pflanzen- 


D noch  weniger  wahrscheinlich  klingt  der  Bericht,  dass  zuerst  die  Rinde  für  sich  allein 
gepresst,  nachher  erst  mit  Wasser  behandelt  und  wieder  gepresst  würde. 

I S 27  Uneh"  hU’  Java(1852)Sl  819-—  Zollinger,  Syst.  Verzeichnis  etc.  (Zürich  1854) 


86 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


resten  sind  bisweilen  verdickte  Baströhren  kenntlich.  Im  polarisirten  Lichte 
zeigen  sich  zahlreiche  sehr  kleine  Krystallbruchstücke  und  nur  wenige 
grössere  Tafeln.  Setzt  man  aber  dünne  Schichten  des  Balsams  auf  dem 
Objektträger  an  eine  massig  warme  Stelle,  so  schiessen  sehr  bald  am  Rande 
der  klaren  Flüssigkeit  federige  oder  spiessige  Krystalle  (Styracin)  an,  in 
jenen  grossen  scharf  umschriebenen  Tropfen  dagegen  rechtwinkelige  Tafeln 
und  kurze  Prismen  (Zimmtsäure).  Bei  stärkerer  Erwärmung  vereinigt  sich 
alles  bis  auf  die  fremdartigen  Theile  zu  einer  klaren,  tief  dunkelbraunen, 
dicken  Flüssigkeit,  welche  beim  Erkalten  nicht  oder  doch  erst  nach  langer 
Zeit  krystallisirt. 

DerStorax  besitzt  einen  sehr  angenehmen,  eigenthiimlichen  •Geruch  und 
schmeckt  scharf  aromatisch  kratzend.  Hauptbestandtheil  desselben  ist  ein 
1839  zuerst  von  Simon  dargestellter  Kohlenwasserstoff  von  der  Formel 
G8H8,  welcher  darin  in  einer  flüssigen  und  in  einer  festen  Modifikation 
enthalten  ist.  Die  erstere,  das  Styrol,  Cinnamen  oder  Cinnamol, 
bei  146°  C.  siedend,  von  0,924  specifischem  Gewichte,  kann  schon  mittelst 
Wasser  aus  dem  Balsam  abdestillirt  werden,  dessen  Geruch  und  brennenden 
Geschmack  es  auch  besitzt.  Wird  es  längere  Zeit  bei  100°  C.,  oder  kürzer, 
im  geschlossenen  Rohre,  bei  200°  C.  erhalten,  so  verwandelt  es  sich  ohne 
weiteres  in  die  feste,  stark  lichtbrechende  Modifikation  Metastyrol, 
welches  nun  in  Aether  und  Weingeist  nicht  mehr  löslich  ist  wie  das  Styrol, 
sich  pulverisiren  lässt  und  1,054  specifisches  Gewicht  zeigt.  Durch  längeres 
Erhitzen  geht  es  jedoch  wieder  in  die  flüssige  Form  über.  Das  Styrol 
absorbirt  Sauerstoff  unter  Bildung  einer  noch  nicht  bestimmten  Säure.  Das 
merkwürdige  Verhalten  dieses  den  ätherischen  Oelen  ähnlichen  Körpers 
erklärt  die  sehr  verschiedene  Ausbeute,  die  wohl  nicht  dem  ganzen  ursprüng-  j 
liehen  Gehalte  des  Balsams  an  Styrol  entspricht,  da  nach  den  höchsten 
Angaben  nur  5 pC.  davon  erhalten  wurden.  Kovalevsky  tand  1,6  bis 
2,8  pC.  Metastyrol.  Dasselbe  entsteht  vielleicht  erst  bei  der  Darstellung 
der  Handelswaare  oder  bei  der  Destillation  des  Styrols. 

Die  übrigen  Stoffe  des  Storax,  die  Zimmtsäure  und  das  Styracin, 
gehören  dem  Radikal  G9H70  (Cinnamyl)  an.  Die  erstere  Gy  H8  O2  lässt 
sich  dem  Balsam  leicht  durch  Auskochen  mit  Wasser,  vollständiger  unter 
Zusatz  von  Soda  und  Kalk  entziehen,  wobei  das  Styrol  abdestillirt;  man 
gewinnt  6 bis  12  pC.,  ja  nach  Löwe  bis  23,5  pC.  krystallisirter  Zimmt- 
säure. Sie  löst  sich  reichlich  in  Aether,  Weingeist  und  heissem,  wenig  in 
kaltem  Wasser,  ist  fast  geruchlos,  schmeckt  aber  kratzend.  In  der  Glüh- 
hitze wird  aus  derselben  unter  Austritt  von  Kohlensäure  Styrol  erhalten, 
welches  daher  zur  Zimmtsäure  in  der  gleichen  Beziehung  steht,  wie  das 
Benzol  zur  Benzoesäure. 

n . G9H70  n . .. 

Das  1827  von  Bonastre  entdeckte  Styracin  ^ Zimmtsäure-  . 

Zimmtäther,  wird  von  Aether  oder  Weingeist  gelöst,  nachdem  Styrol  und 
Zimmtsäure,  wie  angegeben,  aus  dem  Balsam  abgeschieden  sind,  da  es  in 


i • ■ 

Styrax  liquidus.  87 

l 

Wasser  unlöslich  und  erst  in  überhitztem  Wasserdampf\$ücktig  ist.  Das 
Styracin  krystallisirt  in  Büscheln  und  schmilzt  bei  38°  C.  (Zimmtsäure erst 
bei  1 29°  C.),  erstarrt  aber  oft  nicht  oder  erst  nach  langer  Zeit  m^dnifjcv, 
krystalhnisch  oder  beharrt  überhaupt  in  ölartig  flüssiger  Form.  Es  ist  in 
reinstem  Zustande  geruch-  und  geschmacklos.  Durch  concentrirtes  Kali 
zersetzt  sich  das  Styracin  in  Zimmtsäuresalz  und  Styron  G°H10O  (Zirnrnt- 
alkohol,  Styracon  oder  Styracol),  das  im  unveränderten  Storax  nicht  vor- 
kömmt. Harz  ist  nur  in  geringer  Menge  vorhanden. 

Der  flüssige  Storax  enthält  demnach  die  Zimmtsäure  zum  Theil  in 
Wasser,  grösstentheils  aber  wohl  nebst  dem  Styracin  in  Styrol  gelöst. 
Durch  Verdunstung  des  Wassers  und  eines  Theiles  des  Styrols  wird  die 
Krystallisation  der  Säure  und  des  Styracins  eingeleitet,  aber  für  das  letztere 
wieder  gehindert,  wenn  die  Erwärmung  bis  zu  seinem  Schmelzpunkte  steigt. 

Da  dies  bei  der  Gewinnung  des  Balsams  der  Fall  sein  muss,  so  ist  das  Sty- 
racin in  der  Handelswaare  nicht  auskrystallisirt , sondern  nur  ein  Theil  der 
Zimmtsäure. 

Durch  Oxydationsmittel,  wie  Salpetersäure,  Bleihyperoxyd,  Chromsäure, 
wird  dem  Styrol  und  den  Cinnamylverbindungen  leicht  G oder  G2  und 
Wasserstoff  in  Form  von  Kohlensäure  und  Wasser  entzogen,  wobei  dann 
Benzoesäure,  Bittermandelöl  und  Blausäure  auftreten,  die  sich  schon  reich- 
lich entwickeln,  wenn  z.  B.  der  rohe  Balsam  mit  chromsaurem  Kali  und 
Schwefelsäure  gekocht  wird. 

Neben  dem  beschriebenen  Balsam  kömmt  auch  unter  dem  Namen  Sto- 
rax cälämitus  ein  schmieriges  oder  ziemlich  trockenes  Gemenge  von  flüs- 
sigem Storax  mit  zerkleinerter  Rinde  desselben  Baumes  (Cortex  Thymia- 
matis)  oder  einfach  mit  Sägespänen  im  Handel  vor,  das  besonders  in  Triest 
dargestellt  wird.  Es  besitzt  in  geringerem  Grade  den  Wohlgeruch  des  rei- 
nen Balsams  und  ist  oft  von  Krystallisationen  des  Styracins  erfüllt.  Früher 
kam  als  Storax  calamitus  ein  in  Röhren ')  aus  Schilf-  oder  Palmblättern  ver- 
packter Balsam  in  Körnern  oder  geflossenen  Stücken  vor , der  besonders 
beim  Erwärmen  sehr  lieblich  roch,  doch  immer  sehr  selten  war.  Er  scheint 
wohl  ohne  Zweifel  durch  Verwundung  der  Rinde  von  Styrax  officinalis  L. 
(Fam.  Styraceae)  gewonnen  worden  zu  sein,  ist  aber  längst  aus  dem  Handel 
verschwunden,  hauptsächlich  wohl  deshalb,  weil  heutzutage  die  holzarmen 
Länder  Südeuropas  (Provence,  Italien,  Dalmatien,  Griechenland,  Cypern) 
und  des  Orientes,  wo  dieser  zierliche  Strauch  oder  kleine  Baum  einheimisch 
ist,  ihn  selten  mehr  gehörig  bis  zu  dem  erst  spät  eiutretenden  Beginne  der 
Harzabsonderung  erstarken  lassen.  An  schenkeldicken  Bäumchen  im  Ama- 
nusgebirge unweit  Alexandrette  (Iskenderum)  westlich  von  Aleppo  sali  aber 
Kotschy  in  neuester  Zeit  Harzausfluss,  wie  er  im  Alterthum  häufiger  ge- 
wesen zu  sein  scheint. 

) calamut  = Halm,  Rohr.  — Man  findet  aber  häufiger  die  Bezeichnung  Storax  calamitcs 
oder  calaraita. 


88 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


Hanbury’s  gründlichen  Nachforschungen  ( 1 »57.  1 863),  so  wie  der 
Reise  ünger’s  und  Kotschy’s  nach  Cypern  (18G5)  verdanken  wir  erst 
die  Feststellung  der  Herkunft  des  Storaxbalsams.  Schon  Guillemin  hatte 
darüber  allerdings  das  Richtige  angenommen. 

Liquiclambar  styraciflua  L.,  einer  der  grössten  Bäume  feuchter  Wäl- 
der der  mittleren  und  südlichen  Staaten  Nordamerikas,  etwa  vom  40°  nördl. 
Br.  an,  bis  Mexico  und  Centralamerika,  läst  einen  an  der  Luft  erhärtenden 
wohlriechenden  Balsam  hervorquellen  (etwa  3 Pfd.  jährlich) , welcher  aber 
selbst  in  Amerika  nur  wenig  gebraucht  wird x).  Er  scheint  Benzoesäure  und 
Zimmtsäure  zu  enthalten. 

Unter  dem  Styrax  der  Alten,  z.  B.  bei  Plinius  und  Dioskorides,  ist 
daher  nur  das  feste  Produkt  des  Styrax  officiualis  zu  verstehen,  welchen 
charakteristischen,  dem  Quittenbaum  ähnlichen* 2),  filzig  behaarten  Baum 
sie  auch  unverkennbar  beschrieben.  Niemand  hat  eine  feste  oder  doch 
erhärtende  Ausschwitzung  von  Liquidambar  orientale  beobachtet.  Erst 
Aetius  im  YI.  und  Paulus  Aegineta  im  VII.  Jahrhundert  berichten  von 
flüssigem  Storax.  Was  sich  in  älteren  Sammlungen  noch  als  Styrax  in  gra- 
nis  oder  in  massa  von  festem  Storax  vorfindet,  ist  entweder  nur  Gemenge 
von  flüssigem  Balsam  mit  viel  Rindenpulver  oder  gehört  überhaupt  nicht 
hierher. 


Balsamum  peruvianum. 

Baisamum  indicum  nigrum.  Perubalsam.  Baume  du  Perou.  Balsam  of  Peru. 

Myröxylon  Sonsonatense  Klotzsch.  — Papilionaceae-Sophoreae. 

Syn. : Myrospermum  Sonsonatense  Pereira. 

Myrospermum  Pereirae  Royle. 

Der  oben  genannte  Baum,  vielleicht  aber  noch  andere  verwandte  Arten, 
worunter  namentlich  auch  M.  peruiferum  Mutis,  liefern  den  heutigen  Peru- 
balsam. Er  scheint  zwar  jetzt  ausschliesslich  auf  dem  schmalen  vulka- 
nischen Küstenstriche  des  centralamerikanischen  Staates  San  Salvador  ge- 
wonnen zu  werden , welcher  zwischen  den  Häfen  Acahutla  und  Libertad  be- 
griffen und  unter  dem  Namen  Balsamküste  bekannt  genug  ist.  Hier  gibt 
allein  M.  Sonsonatense  Balsam,  während  mehrere  andere  Arten,  welche 
aber  dem  nördlichen  Theile  Südamerikas  angehören,  wenigstens  keinen 
Balsam  zu  Markte  bringen. 

Es  sind  ansehnliche,  unpaarig  gefiederte  Blätter  tragende  Bäume  mit 
sehr  harzreicher  Rinde  und  einsamigeu,  durch  flache  lederartige  Flügelränder 
höchst  eigenthümlich  aussehenden  Hülsen,  wovou  1853  kleine  Mengen  zu 
Parfümerie-Zwecken  aus  Carthagena  nach  Liverpool  gelangten.  Der  Same 
wird  grösstentheils  von  zwei  grossen  rinneuförmigen  Hohlräumeu  um- 


*)  Parrish,  Practical  Pharmacy.  Philadelphia  1859.  p.  353. 

2)  daher  auch  jetzt  noch  in  Griechenland  Agria  Kydonii,  wilder  Quittcubaum,  genanut. 


Balsamum  peruvianum. 


89 


schlossen,  deren  terpenthinartiger  wenig  gefärbter  Inhalt  als  Balsam  von 
San  Salvador  oder  Sansonate  durch  Auspressen  erhalten  wird.  Er  riecht 
nach  Melilotus  und  setzt  mit  der  Zeit  neutrale  Krystalle  von  Myroxocarpin 
ab.  Dergleichen  (oder  vielleicht  ein  dem  Cumarin  verwandter  Körper?) 
finden  sich  auch  schon  in  länger  aufbewahrten  Früchten,  sowohl  in  den 
Balsambehältern  als  auch  im  Samen  selbst  angeschossen.  Auch  die  Blüthen 
der  Myroxylonbäume  sind  wohlriechend  und  die  Blättchen  mit  zahlreichen 
Oelräumen  versehen.  — Freiwillig  tritt  aus  M.  Sonsonatense  allerdings 
nach  dem  6.  — 8.  Altersjahre  nicht  selten,  aber  immer  nur  in  geringer  Menge 
ein  bitterliches,  durchaus  nicht  aromatisches  Gummiharz  von  blassgelblicher, 
zuletzt  grünlicher  Farbe  aus,  welches  nach  Attfield  nur  eine  Spur  äthe- 
rischen Oeles,  17  pC.  Gummi  und  77  pC.  sauren  unkrystallisirbaren  Har- 
zes enthält,  woraus  keine  Zimmtsäure  erhalten  wurde.  Eben  so  sehr  ver- 
schieden vom  käuflichen  Balsam  zeigte  sich  das  Harz,  welches  Attfield 
(1864)  durch  Aether  aus  den  in  London  vorhandenen  Stammstücken  aus- 
zog. Am  meisten  dieses  röthbräunlichen  Harzes  lieferte  das  Kernholz,  we- 
niger der  Splint  und  die  Rinde ; allein  der  Geruch  erwies  sich  ganz  von  dem 
der  Handelswaare  abweichend  und  Zimmtsäure  fehlte.  Auch  bei  vorsichti- 
gem Erhitzern  liess  sich  aus  Holz  oder  Rinde  kein  Perubalsam  ausschmelzen. 

Die  neuesten  Erkundigungen  über  die  Gewinnung  des  Balsams  hat 
Hanbury  1863  von  Dorat,  einem  Bewohner  Sansonates’,  unweit  der 
Balsamküste,  eingezogen.  Yon  den  daselbst  in  Menge  vorkommenden,  zum 
Theil  angepflanzten  Balsambäumen  werden  in  zahlreichen  kleinen  Dörfern 
gegenwärtig  über  8000  ausgebeutet,  was  regelmässig  nach  den  Sommer- 
regen vom  November  bis  Mai  stattfindet.  Die  Indianer  beginnen  damit, 
durch  Axt-  oder  Hammerschläge  die  Rinde  des  Stammes  weich  zu  klopfen, 
wobei  einzelne  Seiten  jedoch  für  das  folgende  Jahr  verschont  bleiben.  Nach 
5 oder  6 Tagen  werden  die  bearbeiteten  Stellen  durch  Fackeln  angebrannt 
und  nach  weiteren  11  Tagen  entblösst,  wenn  nicht  die  Fetzen  der  Rinde 
von  selbst  abfallen.  In  wenigen  Tagen  beginnt  nun  der  hellgelbliche,  nach 
andeieu  etwas  grünliche  Balsam  auszuschwitzen,  worauf  sogleich  die 
Blossen  mit  den  ersten  besten  Zeuglappen  bedeckt  werden,  um  denselben 
aufzufangen.  Die  gesättigten  Lappen  erwärmt  man  in  einem  irdenen  Topfe 
mit  Wasser,  wodurch  der  Balsam  dunkler  wird  und  sich  beim  Erkalten  im 
Grunde  des  Topfes  absetzt.  Durch  Auspressen  der  Lappen  vermittelst  einer 
höchst  primitiven  Vorrichtung  wird  noch  viel  Balsam  gewonnen.  Nach 
kurzem  Absitzen  giesst  man  das  Produkt  in  flaschenförmige  Fruchtschalen 
(Tecomates)  meist  von  Crescentia  cucurbitina  L. , aus  der  Familie  der  Ges- 
neriaceen.  Ott  dienen  auch  thönerne  aus  Europa  herübergekommene  Krüge 
zur  Versendung. 

Ein  Baum  ist  bei  dieser  Behandlung  im  Stande,  dreissig  Jahre  hindurch 
Basam  zu  geben,  oder  selbst  länger,  wenn  ihm  eine  Ruhezeit  von  5 bis 
i Jahren  gegönnt  wird.  100  Bäume  gewähren  eine  jährliche  Ausbeute  von 


90 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


ungefähr  17  Arrobas,  was  etwa  250  Kilogr.  entsprechen  dürfte.  Im  Ganzen 
sollen  aber  jährlich  über  12000  Kilogr.  ausgeführt  werden. 

In  früherer  Zeit  wurden  Einschnitte  in  die  Stämme  gemacht  und  der 
zuerst  austretende  Balsam  angezündet.  Es  scheint  demnach,  dass  ein  reich- 
licherer Erguss  desselben  erst  nach  dem  Schwelen  eintritt,  ähnlich  wie 
dies  auch  bei  den  Dipterocarpus-Arten  (siehe  S.  83)  der  Fall  ist. 

Yor  der  Invasion  der  Europäer  fällten  die  Indianer  und  nachher  auch 
die  Spanier  bisweilen  die  Bäume  und  kochten  den  Balsam  direkt  aus,  wobei 
ohne  Zweifel,  nach  den  oben  erwähnten  Versuchen  Attfields,  ein  ver- 
schiedenes Produkt  erhalten  werden  musste.  Das  Fällen  wurde  durch  die 
Spanier  verboten;  das  Schwelen  ist  aber  jedenfalls  nach  dem  Zeugnisse 
von  De  Laet  schon  seit  Anfang  des  XVII.  Jahrhunderts  im  Gebrauche. 

Von  der  Balsamküste  ging  der  Balsam  zur  Zeit  der  spanischen  Herr- 
schaft mit  anderen  Erzeugnissen  zunächst  ausschliesslich  nach  Callao  und 
erhielt  daher  den  Namen  Peru-Balsam. 

In  Europa  wird  der  Balsam  nöthigenfalls  noch  durch  Zusammengiessen 
und  einfaches  Absitzenlassen  geklärt.  Er  ist  dann  eine  Flüssigkeit  vom 
Aussehen  der  Melasse,  klar,  braunroth  bis  tief  dunkelbraun,  in  dünneren 
Schichten  vollkommen  durchsichtig.  Trotz  des  bedeutenden  specifischen 
Gewichts  von  1,15  bis  1,16  ist  der  Balsam  ziemlich  dünnflüssig,  nicht  kle- 
bend und  hält  sich  an  der  Luft  Jahre  lang  unverändert  und  ohne  Krystalle 
abzusetzen. 

Er  reagirt  sauer;  100  Theile  gewöhnlichen  guten  Balsams  sättigen  6 bis 
8 Theile  krystallisirten  kohlensauren  Natrons.  In  verdünnter  alkoholischer 
Lösung  färbt  der  Balsam  sich  durch  Aetzlauge  grünlich. 

Wasser  nimmt  beim  Schütteln  mit  dem  Balsam  durch  ein  wenig  Zimmt- 
säure  saure  Reaction  an,  löst  aber  sonst  fast  gar  nichts.  Mit  Amylalkohol, 
Aceton  und  Chloroform,  auch  mit  absolutem  Alkohol  mischt  sich  der  Bal- 
sam völlig  oder  fast  klar.  Verdünnter  Alkohol,  Aether,  fette  und  ätherische 
Oele  lösen  den  Balsam  nur  zum  Theil  unter  Abscheidung  von  Harz.  Käuf- 
liches Benzol  färbt  sich  auch  beim  Erwärmen  damit  nur  sein  wenig  und 
eignet  sich  daher  am  besten  zur  Auffindung  betrügerischer  Zusätze,  iudem 
fette  und  flüchtige  Oele,  sowie  Copaiva-Balsam  und  Terpenthiu  sich  klar 
und  reichlich  in  Benzol  lösen. 

Die  Lösung  des  Balsams  in  Aceton  zeigt  kaum  eineSpur  von  Drehungs- 
vermögen für  das  polarisirte  Licht.  Der  eigenthüm liehe,  sehr  angenehme 
Geruch  des  Balsams  erinnert  an  Benzoe  uud  Vanille.  Er  schmeckt  aber 
sehr  scharf  kratzend  und  bitterlich. 

Der  Perubalsam  ist  nicht  ohne  Zersetzung  destillirbar  uud  enthält 
kein  ätherisches  Oel.  Die  gelblichbraune  Oelschicht,  welche  sich  über  den- 
selben bei  der  Digestion  mit  Aetzlauge  und  Aether  oder  Schwefelkohlenstoff 
erhebt,  das  sogenannte  Per ub alsam-Oel,  das  etwa  die  Hälfte  des  Bal- 
sams ausmacht,  ist  kein  einfacher  Körper,  besteht  aber  grössteutheils  aus 


Balsaraum  peruvianum. 


91 


Cinnamein  In  r6inGm  Zustande  ist  dasselbe  eine  farblose, 

schwach  aromatische  scharf  schmeckende  Flüssigkeit  von  1,098  specifischem 


I 


I 

I 


Gewicht,  welche  für  sich  nicht  ohne  Zersetzung  flüchtig  ist,  aber  von  über- 
hitztem Wasserdampfe  mit  fortgerissen  wird.  Das  Cinnamein  löst  sich  in 
Aether  und  Weingeist  und  wird  bei  langer  Berührung  mit  der  Luft  sauer 
und  iibelrichend.  Sehr  concentrirte  Kalilauge  zerlegt  in  der  Kälte  das  Cin- 
namein in  Benzalkohol  G7H 8 G (sogenanntes  Peru vin)  und  Zimmtsäure 
G9H802,  so  dass  ersteres  als  Zimmtsäure-Benzäther  (Benzyl- Cinnamat) 
aufzufassen  ist.  Das  Cinnamein  scheint  bisweilen  auch  in  einer  krystalli- 
sirten  Modification  (Metacinnamein  Scharling’s)  auftreten  zu  können, 
setzt  aber  auch  oft  Krystalle  von  Zimmtsäure  — Zimmtäther  (Cinnamyl- 
Cinnamat.  Metacinnamein  Fremy’s,)  ab,  identisch  mit  dem  Styracin  im 
Styrax  liquidus. 

Bei  der  Behandlung  des  Perubalsams  mit  Aetzlauge  bilden  die  iu  ge- 
ringer Menge  frei  vorhandene  Zimmtsäure  so  wie  die  Harze  mit  dem 
Akali  verbunden  die  untere  Schicht. 

Die  Harze  scheinen  nach  Fremy  als  Hydrate  des  Cinnameins  betrachtet 
werden  zu  können,  durch  dessen  Oxydation  auch  die  Zimmtsäure  entstanden 
sein  dürfte.  Es  wäre  hiernach  erklärlich,  dass  das  oben  geschilderte  von 
den  Indianern  ausgeübte  Verfahren  zur  Gewinnung  des  Balsams  von  wesent- 
lichem Einfluss  auf  die  chemische  Beschaffenheit  desselben  sein  muss. 

Unverändert  dem  Baume  entnommen  würde  der  Balsam  vielleicht  nahezu 
reines  Cinnamein  sein. 

Durch  trockene  Destillation  der  Harze  des  Perubalsams  erhält  man 
Benzoesäure,  Styrol  (Cinnamol.  Vergl.  bei  Styrax  liquidus)  und  wahrschein- 
lich ätherartige  Verbindungen  der  ersteren.  Auch  fanden  Wöhler  und 
Fr  er  ich  s nach  dem  innerlichen  Gebrauche  von  Penibalsara  im  Harne 
Hippursäure  wie  nach  dem  Genüsse  von  Benzoesäure. 

Die  Färbung  des  Balsams  ist  wohl  grösstentheils  der  Schwelung  zuzu- 
schreiben, welche  er  erleidet.  — Rebling  hat  darin  auch  1 pC.  Zucker  (?) 
getroffen. 

Feste  oder  doch  terpenthinartige  und  alhnälig  erhärtende,  zum  Thel  frei- 
willig ausfliessende  Balsame  von  Myrospermum-Arten,  welche  früher  als 
Baisamum  indicum  album,  B.  Peruvian.  siccum,  Opobalsamum  siccura  be- 
kannt waren,  kommen  jetzt,  mit  Ausnahme  des  Tolubalsams  nicht  mehr 


im  Grosshandel  vor. 

Aus  den  Berichten  Dorats  folgt,  dass  der  Balsam  schon  vor  der 
spanischen  Eroberung  von  den  Indianern  gewonnen  und  auch  als  Tribut 
an  die  Häuptlinge  abgeliefert  wurde.  Die  spanischen  Schriftsteller  der  fol- 
genden Jahrhunderte  rühmen  immer  den  Balsam  derselben  Küste  und  päpst- 
liche Bullen  aus  der  Mitte  des  XVI.  Jahrhunderts1)  verordueten  dessen  Ver- 
wendung zum  Chrisma  der  katholischen  Kirche. 


L Buchucr’s  Repertor.  X.  S.  302  (1861). 


92 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


Balsamum  tolutanum. 

Resina  tolutana.  Tolubalsam.  Baume  de  Tolu.  Balsam  of  Tolu. 

Myröxylou  toluiferum  Humboldt,  Bonpland  u.  Kunth.  — Papilionaceae- 

Sophoreae. 

Syn.:  Myrospermum  toluiferum  Richard. 

Diese  botanisch  nicht  hinreichend  bekannte  Art,  welche  den  bei  Balsam 
peruvianum  erwähnten  Balsambäumen  ähnlich  ist,  gehört  den  Bergen  der 
Nordküste  Südamerikas,  vorzüglich  dem  unteren  Gebiete  des  Magdalena- 
stromes an.  Der  Balsam  wird  besonders  in  der  Gegend  von  Turbaco,  dann 
bei  Mercedes  und  Plato,  längs  des  Flusses  bis  Mompax,  auch  wohl  bei 
Tolu,  südwestlich  von  Carthagena,  gewonnen.  Jedoch  liefern  vermuthlich 
auch  andere  Bäume  mehr,  möglicherweise  sogar  M.  peruiferum,  diesen  Bal- 
sam. Er  üiesst  aus  Bohrlöchern  ziemlich  dickflüssig  aus  und  wird  nach 
Weir  (1864)  ohne  weiteres  in  Calebassen  aufgefangen  und  flussabwärts 
verschifft.  Ganz  im  Gegensätze  zum  käuflichen  Perubalsam  ist  der  von 
Tolu  ausgezeichnet  durch  die  grosse  Neigung,  allmälig  aus  der  Terpenthin- 
consistenz  in  durch  und  durch  krystallinischen  harten  Zustand  überzugehen. 
Er  erinnert  hierdurch  an  das  Elemi. 

Frisch  ist  der  Tobubalsam  braungelb,  in  dünnen  Schichten,  von  unbe- 
deutenden Unreinigkeiten  abgesehen,  vollkommen  durchsichtig,  ohne.  Kry- 
stalle,  und  kann  sich  auch  einige  Jahre  so  halten.  In  letzter  Zeit  gelangten 
Proben  dieses  zähflüssigen  Balsams  zu  uns , gewöhnlicher  aber  findet  inan 
im  Handel  die  erhärtete  Waare,  deren  krystallinische  Struktur  sich  unter 
dem  Mikroskop,  zumal  im  polarisirteu  Licht,  aufs  deutlichste  zeigt.  Schmilzt 
man  solche  Rrystallmassen  vorsichtig,  so  erstarren  sie  formlos.  Specifisches 
Gewicht  des  krystallinischen  Balsams  ungefähr  1,2;  er  erweicht  schon  bei 
ungefähr  30°  C.  und  schmilzt  bei  60 — 65°  C. 

Fest  erhalten  wir  den  Balsam  in  krystallinisch  glänzenden,  zu  blass- 
gelblichem Pulver  zerreiblichen  Stücken  von  bräunlicher,  etwas  ins  Rötli- 
liche  spielender  Färbung  und  feinerem  Gerüche  als  der  Perubalsam,  dessen 
Schärfe  ersterem  fehlt.  Tolubalsam  schmeckt  nur  wenig  kratzend , aroma- 
tisch, kaum  säuerlich,  obwohl  die  Lösung  in  Weingeist  sauer  reagirt.  Er  löst 
sich  auch  leicht  und  vollständig  in  Aceton,  gewöhnlichem  Weingeist,  Chloro- 
form, Aetzlauge,  weniger  in  Aether,  kaum  in  flüchtigen  Oelen,  nicht  in  Benzol 
noch  in  Schwefelkohlenstoff.  Auch  der  noch  etwas  flüssige  nicht  krystal- 
üsirte  Balsam  wird  von  letzterem  kaum  angegriffen.  Hierin  liegt  das  Mittel 
zur  Entdeckung  einer  Reihe  etwaiger  Verfälschungen.  Colophonium  z.  B. 
löst  sich  in  Schwefelkohlenstoff,  Aether  und  flüchtigen  Oelen  leicht. 

Die  Lösungen  des  Tolubalsams  setzen  beim  Verdunsten  keine  Krystalle 
ab.  Wird  der  Balsam  mit  viel  Wasser  destillirt.  so  geht  etwa  1 pC.  Tolen. 
@io H«,  eine  für  sich  bei  160—  170°  siedende  Flüssigkeit  über,  welche 
begierig  Sauerstoff  aufzunehmen  im  Stande  ist.  Obwohl  die  Oxydations- 


Oleum  Cajeput. 


93 


Produkte  noch  uicht  verglichen  sind,  so  vermuthet  doch  Scharling  im 
Tolen  den  Hauptbestandtheil  des  ursprünglichen  Tolusaftes,  woraus  all- 
mälig  die  Harze  sowie  die  Zimmtsäure  und  Benzoesäure  entständen,  welche 
im  festen  Balsam  vorhanden  sind.  Digerirt  man  denselben  mit  wässerigem 
Kali,  so  verbinden  sich  die  Harze  und  die  Säuren  damit  und  das  Tolen 
schwimmt  an  der  Oberfläche.  Der  Rückstand  von  der  Destillation  des  Tolen 
gibt  bei  der  trockenen  Destillation  unter  starker  Entwickelung  von  Kohlen- 
oxyd und  Kohlensäure  Krystalle  von  Benzoe-  und  Zimmtsäure  und  eine 

I Flüssigkeit,  welche  grösstentheils  aus  Toluol  (Benzoen,  Dracyl),  07H8, 
Phenylsäure  (Carbolsäure)  und  aus  Aethern  der  Benzoesäure  besteht. 

Die  Harze  des  Tolubalsams,  welche  wohl  die  Hauptmasse  der  krystal- 
i linischen  Droge  ausmachen , sind  noch  nicht  befriedigend  isolirt  worden. 
Ein  in  Kali  löslicher  Autheil,  das  Betaharz,  würde  nach  Scharling 
der  Formel  G18H20-O5  entsprechen.  Mit  Salpetersäure  gibt  nach  E.  Ko  pp 
das  rohe  Toluharz  ein  Drittel  seines  Gewichtes  Benzoesäure  und  andere 
Verbindungen  des  gleichen  Radikals.  Fremy  hält  die  Harze  des  Peru- 
i und  Tolubalsams  für  identisch  mit  denen  der  Benzoe;  eine  Beziehung 
I derselben  zu  dem  Myroxocarpin  (siehe  bei  Bals.  peruvian.)  ist  einstweilen 
nicht  ersichtlich. 

Cinnamei'n  und  Styracin  fehlen  dem  Tolubalsam  ganz,  so  dass  seine 
! Zusammensetzung  sich  mehr  von  derjenigen  des  Perubajsams  unterscheidet, 
i als  sich  auf  Rechnung  der  von  dem  letzteren  erlittenen  Schwelung  setzen 
lässt.  Es  wäre  aber  offenbar  von  grossem  Interesse,  die  unveränderten 
Harzsäfte  dieser  Balsambäume  vergleichen  zu  können. 

Die  in  der  Mitte  des  XVI.  Jahrhunderts  von  Mouardes  beschriebene 
Resiua  Carthaginensis  dürfte  wohl  unser  jetziger  fester  Tolubalsam  ge- 
wesen sein. 


Oleum  Cajeput. 

Oleum  Cajuputi.  Cajeputöl.  Essence  de  cajeput.  Oil  of  cajuput. 

1)  Melaleuca  minor  Smith.  — Myrtaceae. 

Syn:  M.  Cajaputi  Roxburgk. 

M.  trinervis  Hamilton. 

2)  M.  Leucademlron  L. 

Diese  immergrünen  Bäume  und  Sträucher  gehören  in  grosser  Zahl 
hauptsächlich  den  Molukken  an  und  zeichnen  sich  durch  hellgrüne  spitz 
lanzettliche  etwas  durchscheinend  drüsige  Blätter  aus,  welche  am  Grunde 
last  parallel  zur  Axe  gedreht  sind.  Durch  die  dichten  weissen  Blüthenähren 
am  Ende  der  schlanken  Zweige  und  die  oben  weissliche,  zu  unterst  am 
otamine  schwarze  Borke  erhalten  die  Bäume  ein  sehr  zierliches  Aussehen1). 


R worauf  sich  auch  ihre  verschiedenen  Namen  beziehen , sowohl  das  raalaische  kaiu 
oss  und  putie  Holz,  als  das  griechische  pA«?  schwarz,  XeuxÖ?  glänzend  weiss. 


94 


I.  Pflanzenatoffe  ohne  organische  Structur. 


Die  Blätter  der  ersten  Art  sind  nur  wenig  über  0,0 1 m breit,  die  des 
zweiten  ohnehin  kräftigeren  ja  bis  50  — 60  Fuss  hohen  Baumes  beträchtlich 
breiter. 

In  sehr  einfacher  Weise  wird  aus  den  Zweigen,  vorzüglich  auf  der  Insel 
Buru  (holländisch  Boeroe)  in  der  Residente  Amboina , westlich  von  der 
gleichnamigen  kleineren  Insel,  das  ätherische  Oel  destillirt  und  in  kupfernen 
oder  gläsernen  Flaschen  ansgeführt.  Bei  der  Destillation  scheinen  auch 
flüchtige  Säuren  mit  iiberzugeheu,  welche  bei  Anwendung  kupferner 
Blasen  dem  Produkte  schon  von  Anfang  an  eine  grüne  Farbe  mitzu- 
theilen  vermögen. 

Für  sich  ist  das  Oel  nicht  grün,  sondern  gelblich,  bräunlich  oder  farb- 
los. Ich  besitze  eine  solche  authentische  Probe  von  Z ollinger  aus  Ambon 
selbst.  Doch  scheint  bisweilen  auch  wohl  ein  grünliches  Oel  vorzukommen, 
dessen  Farbe  nicht  durch  Kupfer  allein  bedingt  ist  und  bei  der  Rektifikation 
nicht  verschwindet.  Ob  es  in  anderer  Weise  absichtlich  gefärbt  ist,  oder 
von  anderen  Pflanzen  abstammt,  ist  nicht  festgestellt. 

Alles  zu  uns  gelangende  Cajuputöl  jedoch  verdankt  einem  sehr  geringen 
Kupfergehalte  seine  Farbe.  Ein  Tropfen  verdünnter  Salzsäure  genügt,  um 
dieselbe  aufzuheben.  Wird  nun  etwas  Weingeist  und  Blutlaugensalzlösung 
zugegeben,  so  entsteht  ein  sehr  unbedeutender  sich  langsam  absetzender 
Niederschlag  von  rothern  Ferrocyankupfer. 

Das  Oel  riecht  eigeuthümlich,  an  Campher,  Rosmarin  und  Minze  erin- 
nernd, doch  nicht  eben  unangenehm.  Spec.  Gewicht  0,926.  Es  erstarrt 
selbst  bei  —25°  C.  nicht  und  destillirt  zu  2/3  zwischen  175—  178°  ab. 
Diesen  farblosen  Autheil  fand  Sch  midi  ( 1860)  nach  der  Formel 
Q io  jj  ig  ~j_  h 2 G zusammengesetzt.  Durch  concentrirte  Schwefelsäure  kann 
diesem  flüssigen  Caj  eputenhydrat  die  Hälfte  seines  Wassers  entzogen 
werden,  während  es  nach  längerem  Schütteln  mit  verdünnter  Schwefelsäure 
Krystalle  von  GIÜ  H1B  -+-  3 H2  0 absetzt.  Wiederholt  über  wasserfreie 
Phosphorsäure  rektificirt,  liefert  jener  bei  175°  kochende  Autheil  zuletzt 
C ajeputen  G10H16,  eine  unter  165  0 siedende  Flüssigkeit  von  Hyaciuthen- 
Geruch  und  0,850  spec.  Gewicht,  die  sich  au  der  Luft  nicht  verän- 
dert, während  das  Cajeputenhydrat  selbst  leicht  sauer  wird  und  sich  mit 
Alkalien  verbindet.  Neben  dem  Cajeputeu  entstehen  auch  isomere  Kohlen- 
wasserstoffe von  höherem  specifischem  Gewichte  und  höherem  Siedepunkte, 
Isocajeputen  und  Paracajeputcn,  letzteres  blau  fluorescireud  und  rasch  ver- 
harzend. Schmidl  hat  auch  zum  Theü  krystallisirende  Verbindungen  des 
Caieputens  mit  Chor-,  Brom-  und  Jodwasserstoff  erhalten.  Mit  Salpeter- 
säure liefert  das  rohe  Oel  nach  Schwanert  hauptsächlich  Camphresiu- 
säure  keine  Camphersäure  (vergl.  bei  Camphora).  Es  löst  sich  ruhig  in 
Jod  und  vermag  keine  oder  nur  eine  höchst  geringe  Drehung  der  Rotation s- 
ebene  des  polarisirten  Lichtes  zu  bewirken,  wodurch  es  sich  sehr  von  Ter- 
penthinöl  und  manchen  anderen  Oelen  unterscheidet. 


Oleum  Rosae. 


95 


Es  scheinen  noch  andere  Melaleuca- Arten  gleiches  Oel  zuenthalten. 
Das  Cajeputöl  wurde  bei  uns  zuerst  1717  durch  Maximilian  Locher 
bekannt;  es  hiess  damals  auch  Wittneben’sches  Oel,  nach  M.  v.  Witt- 
ueben,  einem  Prediger  aus  Wolfenbüttel,  welcher  dessen  Darstellung 
zuerst  lehrte.  Doch  scheint  derselbe  vielmehr  Cardamomen-  als  Melaleuca- 
Blätter  verarbeitet  zu  haben.  — In  der  chinesischen  und  malai sehen  Medicin 
steht  das  Cajeput-Oel  schon  seit  langem  in  hohem  Ansehen. 


Oleum  Rosae. 

Oleum  Rosarum.  Rosenöl.  Essence  de  roses.  Otto  or  attar  of  roses. 

1)  Rosa  moschata  Miller.  — Rosaceae. 

2)  Rosa  damascena  Miller. 

Syn. : R.  bifera  Persoon. 

Diese  und  wohl  noch  andere  im  Oriente  einheimische  und  viel  kultivirte 
Arten  dienen  zur  Gewinnung  des  Rosenöles.  Die  Moschusrose  ist  ursprüng- 
lich in  den  Thälern  von  Nepal  am  Himalaja  zu  Hause,  aber  schon  seit  Jahr- 
hunderten westwärts  gewandert  und  jetzt  in  den  wärmeren  Mittelmeer- 
ländern verwildert.  In  unseren  Gärten  wird  sie  nicht  häufig  gezogen.  Im 
Vaterlande  erklimmt  diese  Art  hohe  Bäume  und  lässt  ihre  kleinen  weissen 
selten  röthlichen  Blumen  in  reicheu  Trauben  herabhängen.  Ihr  Wohlgeruch 
1 erinnert  schwach  an  Moschus;  sie  sind  einfach  oder  gefüllt. 

Die  Damascener-Rose,  deren  Heimath  nicht  mehr  genauer  zu  bestimmen 
i ist,  unterscheidet  sich  durch  mehr  längliche  Blüthenknospen  und  kräftiger 
duftende  Blumen  von  Rosa,  gallica,  welche  oft  auch  als  Damascener-Rose 
bezeichnet  wird.  Rosa  damascena  findet  sich  in  der  Cultur  in  einer  Menge 
meist  nicht  ganz  gefüllter  Spielarten,  welche  jährlich  mehr  als  einmal  blühen. 

Von  der  geringen  Produktion  Südfrankreichs  abgesehen,  ist  als  einer 
der  Hauptsitze  der  Destillation  von  Rosenöl  bekannt  die  Stadt  Ghazipur  am 
1 Ganges  (zwischen  Benares  und  Patna),  in  deren  Nähe  hunderte  von  Mor- 
gen (acres)  mit  regelmässigen  Reihen  purpurn  blühender  Rosenbüsche  be- 
setzt sind.  Das  dort  mitgewonnene  Rosenwasser  ist  in  Indien  so  allgemein 
im  Gebrauche,  wie  bei  uns  das  Kölnische  Wasser. 

. ,Die  ehemals  berühmte  Rosenzucht  von  Srinagar,  der  Hauptstadt  Kasch- 
mir s,  scheint  jetzt  im  Verfall  zu  sein.  Auch  Schiraz  in  Südpersien,  seiner 
Rosen  wegen  sonst  hoch  gefeiert,  liefert  kein  Rosenöl1),  sondern  höchstens 
Rosenwasser,  und  bezieht  das  erstere  aus  Indien. 

Medmet-Fajum,  südwestlich  von  Kairo,  deckt  den  grossen  Bedarf  Ae- 
gyptens an  Rosenöl,  Rosenessig  und  Rosenwasser.  Auch  Tunis  lieferte  diese 
Präparate. 

Für  den  europäischen  Handel  sind  jedoch  die  genannten  Produktions- 

1 ) Brugsch’  Reise  d-  Preu3S-  Gesandtschaft  nach  Persien.  Leipzig  18G3.  II.  S.  181. 


96 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


gegenden  ohne  alle  Bedeutung,  so  dass  es  z.  B.  selbst  Haubury  (1859) 
in  London  nicht  möglich  war,  eine  Probe  indischen  Rosenöles  aufzutreibeu. 

Es  sind  die  Südabhänge  des  Balkan  gegen  die  obere  Maritza,  wo  unge- 
fähr 150  Ortschaften  in  grossartigstem  Massstabe  die  Roseucultur  betreiben; 
vorzüglich  die  Gegenden  von  Kezaulyk,  Eski-Sagra,  .Jeni-Sagra,  Karlowa, 
Csirpau  und  Philippopel.  Die  Blüthezeit  fällt  hier  ziemlich  vollständig  in 
den  Mai  und  Juni,  so  dass  es  schwer  hält,  alle  Blumen  zu  benutzen.  Die  j 
Destillation  geschieht  aus  kupfernen  Blasen  von  massiger  Grösse.  Kezau- 
lyk lieferte  1857  allein  199,000  Midkäl1)  Oel  von  600,000  Francs  Werth;  j 
der  ganze  Bezirk  jährlich  etwa  300,000  bis  600,000  Midkäl.  Frost  und 
Raupen  können  die  Ernte  in  Grösse  und  Güte  sehr  herabdrücken. 

Das  Rosenöl  wird  in  Blechflaschen  nach  Konstantinopel  gebracht  und 
in  vergoldete  Gläser  von  deutschem  Fabrikate  umgefüllt,  dabei  aber  regel- 
mässig verfälscht.  Hierzu  dient  entweder  Walrath  oder  weit  häufiger  ein 
ätherisches,  rosenähnlich  riechendes  Oel,  türkisch  Idris  Yaghi  genannt, 
welches  über  Aegypten  und  Dschidda  (Hafen  von  Mekka)  in  sehr  grosser 
Menge  aus  Bombay  bezogen  wird.  Nach  Haubury  stammt  dieses  in  Indien 
Roschi-,  Rosia-,  Rusa-Oel,  in  London  Ingwer-Oel,  Geranium-  oder  Gras-Oel 
genannte  Destillat  von  verschiedenen  indischen  Gramineen  aus  dem  Genus 
Andropogon.  Schmarda  traf  (1861)  bei  Galle  auf  Ceylon  Pflanzungen 
solcher  aromatischer  Gräser  (Lemon-grass  und  Citronoil-grass)  und  in 
Kaschmir  wurden  dieselben  gleich  mit  den  Rosen  destillirt.  In  neuester 
Zeit  hat  dasIdris-Oel  (fälschlich  türkisches  Geranium-Oel)  seinen  Weg  auch 
nach  den  Rosendörfern  am  Balkan  gefunden,  so  dass  selbst  von  dort  kaum 
mehr  unverfälschte  Waare  auf  den  Markt  geht.  Anderweitige  Angaben, 
dass  Idris  Yaghi  von  Pelargonium  Radula  Aiton,  P.  rosewn  Willdenow, 
P.  capitatum  Aiton  und  noch  andern  Geraniaceen  gewonnen  werde,  wider- 
legte Haubury  durch  die  Beobachtung,  dass  dieses  in  Frankreich  und 
Algerien  zu  Parfümerie-Zwecken  allerdings  viel  bereitete  Oel  sich  im  Pieist 
höher  stellt,  als  das  Idris-Oel,  rechts  rotirt  und  verschieden  vom  Roschi- 
Oel  aus  Bombay  riecht,  welches  die  Rotationsebene  des  polarisirteu  Lichtes 
nicht  dreht  und  auch  von  Jod  wenig  angegriffen  wird. 

Das  Geranium  oder  Pelargonium-Oel  führt  auch  den  Namen  Palmarosa- 
Oel  und  riecht  sehr  angenehm  an  Rosen  erinnernd.  ^ 

Das  Rosenöl  besteht  aus  wechselnden  Mengen  eines  bis  -f-  35°  C.  festen, 
in  sechsseitigen  Blättchen  krystallisirten  Kohlenwasserstoffes  und  eines 
flüssigen,  sauerstoffhaltigen  Antheiles.  ln  einer,  wie  es  scheint,  unver- 
fälschten, vom  Fabrikanten  Herman  in  Kezaulyk  selbst  empfangenen 
Probe,  welche  bei  18,5°  C.  schmolz,  fand  Haubury  6,7  pC.  des  in  kaltem 
Weingeist  (0,838  sp.  G.)  unlöslichen,  festen  Stearopteus;  in  einem  in  Eng- 
land von  Allen  u.  Haubury  selbst  dargestellten,  bei  33°C.  schmelzenden 
Oele  dagegen  68  pC.  Stearopteu.  Auch  die  südfranzösischen  Proben  aus 


l)  1 Midkäl  = 4.794  Gramm. 


Campliora. 


97 


Cannes  und  Grasse  zeigten,  der  englischen  ähnlicher  als  der  türkischen, 
wenigstens  35 pC.  Stearopten.  Ein  deutsches  Oel,  von  Zeller  dargestellt, 
schmolz  sogar  erst  bei  3 7,5°.  — Der  Einfluss  des  Klimas  ist  daher  offenbar 
sehr  bedeutend. 

Das  Stearopten  scheint  nicht  der  Formel  der  Camphene  oder  Terebene 
zu  entsprechen,  sondern  die  Zusammensetzung  G16H32  zu  besitzen.  Es 
siedet  bei  280 — 300° C.  (Blanchet)  und  behält  den  Rosengeruch  auch 
bei  dreimaliger  Sublimation  über  geglühte  Holzkohle  oder  bei  Digestion  der 
Lösung  mit  Thierkohle. 

Noch  weniger  genau  untersucht  ist  der  sauerstoffhaltige  Bestandteil; 
er  scheint  saure  Eigenschaften  zu  besitzen  und  ein  wenig  links  zu  rotiren. 
Reines  Rosenöl  soll  sich  nach  Guibourt  bei  gewöhnlicher  Temperatur  in 
einer  Joddampf  Atmosphäre  nicht  verändern,  Idris-Oel  und  Geraniurn-Oel 
werden  braun.  Rosenöl  zeigt  ein  specifisches  Gewicht  von  0,87  oder 
selbst  0,89. 

Die  Ausbeute  beträgt  selbst  in  Indien  nur  Hundertstel  eines  Promille. 
100,000  Blumen  sollen  nur  etwa  10  Gramm  Oel  geben.  In  der  Gegend  von 
Philippopel  soll  etwa  V3  pro  Mille  gewonnen  werden. 

So  wichtig  auch  im  Alterthum  die  Rolle  der  Rosen  war,  so  wurde  doch 
damals  nur  ein  fettes  Oel  (oleum  coctum)  mit  Hülfe  derselben  dargestellt. 
In  Indien  jedoch  dürfte  die  Kenntniss  des  ätherischen  Rosenöles  älter  sein. 
Es  wird  wenigstens  schon  im  Anfänge  des  XVII.  Jahrhunderts  von  Kaschmir 
erwähnt.1)  Im  Orient  führt  es  den  arabischen  Namen  Atar  (Wohlgcruch) 
und  daiaus  verdorben  auch  Atir,  Uttir,  Otir,  Itr.  Der  englische  Spracli- 

genius  hat  schliesslich  „Otto  of  Roses“  als  Bezeichnung  für  Rosenöl  davon 
abgeleitet! 


Camphora. 

Campher.  Laurmeencampher.  Japanischer  oder  chinesischer  Campher. 

Camphre.  Camphor. 

Campliora  officinarum  C.  G.  Nees.  - Laurineae. 

Syn. : Laurus  Camphora  L. 

Cinnamomum  Camphora  Fr.  Nees. 

Persea  Camphora  Sprengel. 


,,, . Der  Campherbaum  ist  von  Cochincliina  und  den  südöstlichen  Provinzen 
Ohmas  (Kung-tung  oder  Guan-dun  und  Fukian)  an  bis  nördlich  vom  Amur 
unc  c uich  Japan  sehr  weit  verbreitet,  in  grösster  Menge  wächst  er  vielleicht 
in.  Kustenlande  zwischen  Schanghai  und  Amoy,  welche  letztere  Stadt  auch 
der  Hauptstapelplatz  für  den  Campherhandel  ist,  indem  auch  die  Berge  der 
gegenüberliegenden  Insel  Thaiwan  oder  Formosa  mit  dem  Campherbaum 


')  Martius  iu  Buchuor’s  Repcrtor.  VIII.  S.  387 
Flückiger,  Pharmakognosie. 


98 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


bedeckt  sind  und  jährlich  400,000  Kilogr.  Campher  liefern.  In  diesen 
Gegenden  bildet  der  schöne  hohe  Baum  dichte  Wälder  und  wird  auch  im 
Grossen  angebaut.  — Er  gedeiht  sehr  gut  in  allen  tropischen  und  sub- 
tropischen Ländern,  sogar  in  ganz  Italien,  schon  bei  Genua  (Villa  Pallaviciui) 
und  zeichnet  sich  durch  Zartheit  der  Belaubung  vor  den  übrigen  meist 
steifblätterigeu  Laurineen  aus. 

Alle  Theile  des  Baumes  enthalten  ein  ätherisches  Oel,  das  ohne  Zweifel 
Anfangs  nach  der  Formel  G10Hli;  zusammengesetzt  ist,  aber  leicht  Sauer- 
stoff aufnimmt  und  besonders  in  den  älteren  Theilen  des  Baumes  in  gewöhn- 
lichen Campher  Gl0Hl6G  übergeht.  Jenes  Campheröl  ist  nicht  eigentlich 
Gegenstand  des  Handels,  gelaugt  aber  doch  bisweilen  zu  uns  und  ist  vou 
Martius  u.  Riecker  (1838),  sowie  von  Lallemand  (1859)  untersucht 
worden.  Nimmt  man  an,  dass  der  Campherbildung  noch  Zwischenprodukte 
vorausgehen,  so  würde  die  von  den  ersteren  Chemikern  für  rektificirtes 
Campheröl  gefundene  Zusammensetzung  2 (G10  H1(')0  sehr  wohl  einem 
solchen  unvollständigen  Oxydationsprodukte  entsprechen,  das  noch  flüssig 
oder  halbflüssig  wäre.  Dieselbe  Formel  würde  aber  auch  auf  ein  Gemenge 
von  Campher  und  Campheröl  passen,  wenn  gerade  gleiche  Aequivalente 
beider  durch  die  Rektifikation  erhalten  würden.  So  wenig  das  nun  auch 
für  alle  Fälle  wahrscheinlich  ist,  so  ist  doch  eine  genaue  Trennung  des 
Oeles  vom  Campher  unausführbar.  Der  grössere  Theil  desselben  bleibt 
zurück,  ein  anderer  Antheil  aber  verdampft  mit.  Setzt  man  das  rohe  Oel 
der  Kälte  aus,  so  beginnt  die  Krystallisation  des  Camphers  schon  bei  etwa 
-j-  6°  C.  Es  ist  daher  am  wahrscheinlichsten,  dass  das  Oel  ein  Gemenge 
von  Campher  mit  einem  dem  Citronöl  am  nächsten  stehenden  Kohlen- 
wasserstoffe O10H16  ist.  Es  hinterlässt  bei  freiwilligem  Verdunsten  zuletzt 
auch  ein  wenig  schmieriges  Harz. 

Beim  Spalten  des  Holzes  finden  sich  im  Campherbaume  sehr  reine 
tropfenförmige  oder  krystallisirte  Ablagerungen  des  Camphers;  er  scheint 
aber  auch  aus  den  Blättern  und  jüngeren  Zweigen  erhalten  zu  werden. 
Man  kocht  zu  diesem  Zwecke  die  zerkleinerten  Pflanzentheile  mit  viel 
Wasser  in  Kesseln  aus,  wobei  der  Campher  sich  sehr  reichlich  mit  den 
Dämpfen  verflüchtigt,  obwohl  er  für  sich  erst  bei  204°  C.  kocht.  Er  subli- 
mirt  in  den  Helm , welcher  oftmals  in  einfachster  Art  aus  einem  irdenen 
mit  Reisig  ausgelegten  Topfe  oder  gar  nur  aus  einem  hölzernen  gewölbten 
oder  konischen  Deckel  besteht.  Ob  nicht  gleichzeitig  bei  zweckmässigerer 
Einrichtung  Campheröl  gewonnen  oder  ob  dasselbe  immer  eigens,  vielleicht 
nur  aus  Blättern,  destillirt  wird,  findet  sich  nicht  angegeben.  Debeaux1) 
erzählt  nach  Macartney,  dass  auch  wohl  die  beim  Auskochen  auf- 
schwimmenden Campherköruer  mit  Thon  und  Kalk  gemischt  sublimirt 
würden.  In  roherer  Weise  wird  angeblich  z.  B.  auf  Thaiwan  einfach  die 
gekochte  Masse  colirt.  Wie  durch  dieses  Verfahren  eine  erhebliche  Ausbeute 


1)  Essai  sur  la  Pliarm.  et  la  raat.  medic.  des  Chinois.  Paris,  Baillifcre,  18G6.  p.  23. 


Camphora. 


99 


zu  erzielen  ist,  lässt  sich  nicht  gut  einsehen.  Auch  Japan  liefert  Campher 
in  den  europäischen  Handel. 

Der  nach  Europa  gelangende  Rohcampher  besteht  aus  schon  ziemlich 
reinen  Körnern,  die  nur  etwas  graulich  oder  röthlich  aussehen,  aber  bei  der 
Auflösung  in  Weingeist  nur  wenig  Unreinigkeiten,  oft  z.  B.  etwas  Gyps  zu 
hinterlassen  pflegen.  Aus  Japan  kömmt  der  Rohcampher  über  Batavia  in 
grosse  durch  Stroh-  und  Rohrgeflecht  geschützte  Röhren  verpackt  nach 
Europa  (Röhrencampher),  aus  China  dagegen  über  Canton  in  mit  Blei  aus- 
geschlagenen Kisten  (Kistencampher).  Die  grauliche  chinesische  Waare  ist 
weniger  rein. 

In  Europa  wird  der  Rohcampher  mit  etwas  Kohle  oder  mit  Sand  und 
Aetzkalk  gemischt  umsublimirt  und  in  grossen  1 bis  2V2  Kilogr  schweren 
concav-convexen  Kuchen,  welche  in  der  Mitte  ein  der  Kolbeuöffuung  ent- 
sprechendes grosses  Loch  zeigen,  als  raffinirter  Campher  in  den  Handel 
gebracht.  Zur  Sublimation  nämlich  dienen  eigene,  sehr  flache  gläserne 
Kolben  ohne  Vorlage,  welche  im  Sand-  oder  Aschenbade  äusserst  langsam 
erhitzt  werden.  Nach  dem  Erkalten  werden  sie  zerschlagen  Der  Roh- 
campher reagirt  nicht  sauer,  so  dass  der  Zusatz  von  Kalk  wohl  nur  Spuren 
von  Harz  oder  empyreumatischeu  Oelen  zurückhält  und  vor  Zersetzung 
schützt.  In  England  und  Holland,  sowie  in  Hamburg  und  Paris  wird  der 
Campher  in  grösster  Menge  raffinirt,  was  der  leichten  Entzündlichkeit  und 
des  hohen  Preises  der  Waare  wegen  mit  grosser  Sorgfalt  geschieht  Auch 
muss  die  passende  Temperatur  durch  den  heissen  Sand  oder  die  Asche  genau 
emgehalten  werden,  damit  sich  dichte  Kuchen  oder  Brote,  nicht  nur  lockere 

““‘'^ns  Diin  stad 

»Ä  fr?  md  durchsichtig’  “hervon  sehr  zahlreichen 
Rissen  durchsetzt  und  daher  trotz  der  Zähigkeit  brüchig.  Bei  freiwilliger 

ausseist  langsamer  Verdampfung  in  gewöhnlicher  Temperatur  sublimirt  der 

gerbge^Härte^^  glänzenden  hexagonalen  Tafeln  oder  Säulchen  von  nur 
geringer  Halte  Erst  nach  der  Befeuchtung  mit  Weingeist  lässt  sich  der 
Campher  zerreiben.  Er  schmilzt  bei  175°C.  und  kocht  bei  204°  C»hne 
Zei  setzung,  verdampft  aber  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  ziemlich 

dem  ies  ^fcUvashn  t U“d  Ms  etwa  gege"  + 6°c-  gleich 

aus  so  dass  er  bei  10  oder  12°  nu“  0.9^^*’’“'  de‘m‘  ” raSC,Mr 

u Losung  oder  in  geschmolzenem  Zustande  dreht  der  Campher  wie 

7* 


100 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Struetur. 


auch  das  Oainpheröl  die  Polarisationsebene  des  Lichtes  stark  nach  rechts, 
während  die  meisten  übrigen  Laurineen  optisch  fast  oder  ganz  unwirksame 
Oele  enthalten.  Geschmack  und  Geruch  des  Camphers  sind  ziemlich  eigen- 
thümlich  brennend  gewürzhaft.  Durch  Mischung  mit  mancheu  Harzen  und 
Gummiharzen  oder  mit  Moschus  wird  der  Geruch  verdeckt.  Luft  und  Licht 
verändern  den  Campher  nicht;  er  verbrennt  leicht  und  vollständig. 

Dur’ch  Behandlung  mit  verschiedenen  Ageutien  liefert  er  eine  Menge 
interessanter  Produkte,  z . B.  durch  Glühhitze,  Chlorzink  oder  wasserfreie 
Phosphorsäure,  das  Cymen,  (Oymol  oder  Campheu)  CniH'',  welches  in 
vielen  ätherischen  Oelen  enthalten  oder  daraus  zu  gewiuuen  ist.  Kräftigen 
Oxydationsmitteln  entzieht  der  Campher  sowohl  als  auch  das  Campheröl 
Sauerstoff  und  geht  sehr  allmälig  zunächst  in  krystallisirte  Camphersäure 
G10  H16  Ol  (ungefähr  vom  Gewichte  des  Camphers)  und  weiter  in 
terpenthinartige  oder  körnig- krystalliuisclie  Camphresiusäure  G10H1,O' 
(etwa  halb  so  viel  wie  der  angewandte  Campher)  über,  indem  gleichzeitig 
Wasser  und  Kohlensäure  austreten.  Viele  ätherische  Oele,  Harze  und 
Gummiharze  geben  ebenfalls  bei  gleicher  Behandlung  dieselben  Säuren. 

Mehrere  ätherische  Oele,  z.  B.  das  der  Artemisia  Absinthium  und  des 
Pulegium  micrauthum  und  P.  vulgare  (Labiaten),  sind  bei  sehr  abweichenden 
Eigenschaften  gleich  zusammengesetzt  wie  der  Campher.  Ebenso  das  bei 
der  Spaltung  des  Ericolins  auftretende  Ericiuol  (siehe  Folia  uvae  ursi). 
Hingegen  enthält  das  Oel  vou  Chrysanthemum  Parthcnium  Persoon 
(Matricaria  Parthenium  L.  — Pyrethrum  Parthcnium  Smith)  bis  zu  V4 
seines  Gewichtes  von  einem  dem  Lauriueeucampher  vollkommen  gleichenden 
Körper  mit  dem  eiuzigen  Unterschiede,  dass  ersterer  die  Polarisationsebene 
um  gleich  viel  nach  links  dreht  wie  der  gemeine  Campher  nach  rechts 
rotirt.  C h a u.t  a r d ( 1 8 6 3)  spricht  deshalb  den  Gedanken  aus,  den  Partheuium- 
Campher  fabrikmässig  darzustelleu.1)  Sehr  viele  andere  ätherische  Oele 
vermögen  in  geringerer  Menge  ähnliche  Campherarten  abzusetzeu  oder 
durch  indirekte  oder  direkte  Oxydation  zu  liefern.  Sie  unterscheiden  sich 
aber  gewöhnlich  durch  abweichendes  Rotationsvermögen  oder  andere 
physikalische  Merkmale  vom  gemeinen  Campher.  Doch  stellte  L al  1 e m a n d 
vermittelst  Oxydation  des  sogenannten  Spik-Oeles  von  Lavaudula  Spica  Chaix 
einen  auch  optisch  vollkommen  mit  dem  Lauriueen-Campher  identischen 
Campher  dar  (vergl.  bei  Flores  Lavandulae). 

Dn/obalanops  Camphora  Colebrooke , ein  majestätischer,  über  150 
Fuss  hoher  Baum  aus  der  Familie  der  Dipterocarpeeu , einheimisch  im 
Innern  der  holländischen  Residentien,  zwischen  0°  und  3°  nördlicher  Breite 
auf  der  Nordwestküste  Sumatras,  vou  Ayer  Baugis  bis  Baros  und  Smgkel 
(Batta-Länder),  spärlicher  im  nördlichen  Borneo,  lässt  nach  dem  Anbohreu, 


D Die  frische  Pflanze  gab  ihm  im  Grossen  etwa  0,3  pC.  Oel,  das  im  günstigsten  Falle  nur 
>/4  Campher  absetzt.  Journ.  de  Pharm.  44  p.  IC.  22.  - Der  Laurineen- Campher  hat  also  wohl 
vorerst  die  Konkurrenz  nicht  zu  fürchten. 


Camphora. 


101 


oder  im  Alter  auch  freiwillig  in  geringer  Menge  und  sehr  langsam  einen 
röthlichen,  kleberigen  Balsam  herausickern.  Weniger  rein  kann  derselbe 
auch  durch  Auskochen  gewonnen  und  als  ölige  Schicht  vom  Wasser 
abgeschöpft  werden.  Er  besteht  neben  aufgelöstem  Harze  und  Campher 
hauptsächlich  aus  dem  Born  een,  einem  mit  Terpenthinöl  und  wohl  auch 
mit  dem  reinen  Campheröl  isomeren  und  gleichfalls  rechts  rotirenden 
ätherischen  Oele.  In  ähnlicher  Weise,  wie  das  Oel  von  Camphora  offici- 
narum,  geht  auch  das  Borneen,  sowohl  künstlich  als  in  der  Natur,  in  einen 
besonderen  Campher,  den  Baros-,  Borneo-  oder  Sumatra- Campher,  auch 
Borne ol  genannt,  über.  Er  entspricht  aber  der  Formel  O1OH180. 

Nur  einzelne  ältere  Stämme  des  Dryobalanops  enthalten  besonders  in 
ihrem  oberen  Theile,  öfter,  wie  es  scheint,  im  Innern  als  unmittelbar  unter 
der  Rinde,  in  geringer  Menge  den  Campher.  Ein  Baum  soll,  bei  allerdings 
sehr  rohem  Betriebe,  höchstens  ein  halbes,  nach  weniger  zuverlässigen 
Berichten  bis  11  Kilogr.  liefern.  Ein  guter  Theil  der  geringen  Ausbeute 
dient  im  Lande  selbst  zu  Beerdigungsfeierlichkeiten  der  Fürsten  und  zu 
anderen  religiösen  Zwecken,  so  dass  von  je  her  nur  sehr  wenig  Campher  zur 
Ausfuhr  gelangte1),  der  begierig  und,  wie  es  scheint,  schon  seit  alter  Zeit  von 
China  und  Japan  aufgekauft  und  über  hundert  mal  theurer  bezahlt  wird 2)  als 
Laurineen-Campher.  Dem  europäischen  Handel  ist  daher  dieser  übertrieben 
kostbare  Campher  zu  allen  Zeiten  ferne  geblieben.  Er  ist  etwas  härter, 
weniger  flüchtig,  erst  bei  198  flüssig,  aber  von  feinerem  Gerüche  als  der 
gemeine  Campher  und  soll  auch  milder  schmecken  und  wirken.  Es  scheint, 
dass  diese  imbestimmten  Merkmale  für  die  Liebhaber  zur  sicheren  Unter- 
scheidung des  Baros -Camphers  vollkommen  ausreichen.  Das  bei  der 
Destillation  desselben  oder  seines  Balsams  zurückbleibende  feste  Harz  ist 
ganz  dem  Colophonium  ähnlich,  doch  ohne  saure  Eigenschaften. 

In  chemischer  Hinsicht  steht  der  Baros -Campher  zum  gemeinen  in 
gleicher  Beziehung,  wie  der  Alkohol  zum  Aldehyd  und  lässt  sich  auch 
wirklich  durch  Salpetersäure  in  gewöhnlichen  Campher  überführen,  dessen 
meiste  physikalische  Eigenschaften  er  nahezu  theilt.  Umgekehrt  lässt  sich 
auch  aus  gemeinem  Campher  Borneol  darstellen,  wie  Berthelot  gezeigt 
hat.  Manche  Oele,  z.  B.  das  des  Coriauders,  des  Wurmsamens,  das  Cajeputöl 
u.  s f.  besitzen  die  gleiche  Zusammensetzung.  Aus  Krappwurzel  entsteht 
bei  der  Gahruug  em  gleich  zusammengesetzter  Campher,  der  sich  nur  durch 
entgegengesetztes  Rotationsvermögen,  nach  links,  unterscheidet,  so  dass 
Auflösungen  von  gleich  viel  Dryobalanops-  und  Krapp-Campher  gemischt, 
die  Polarisations.ebene  nicht  mehr  drehen.  Das  rohe  Baldrianöl  (vergl. 

R uzoma  N alerianae)  gibt  gleichfalls  Borneol,  wenn  man  es  mit  Kali  behandelt 


- lLbC“,i,M,ch'  -*  Sl"rs  - 1830 

II  K-,  Der.Plpkl1'  Seit  1783  immcr  mit  etwa  15000  Francs.,  nach  Mac  Cnlloch  (18361 
2 6r‘  CaUt0n  m,t  57  GuIden’  Das  0el  (^r  Balsam)  hingegen  nur  2 Gulden  die  Flasche 


102 


I.  PflanzenstofFe  ohne  organische  Structur. 


enthält  also  Borneen  oder  Borneol  fertig  gebildet.  Bei  demselben  Verfahren 
endlich  erhielt  Berthelot  auch  aus  Bernstein  (dessen  Zusammensetzung 
mitderdesLaurineen-Camphers  übereinstimmt)  einen  mit  Borneol  isomeren, 
nur  weniger  nach  rechts  rotirendeu  Campher. 

Der  Campher  ist  den  alten  Griechen  und  Römern,  deren  Beziehungen 
nicht  über  Ceylon  hinausreichten , unbekannt  geblieben.  Doch  scheint  es 
fast,  als  hätte  er  eher  das  Abendland  erreicht,  als  selbst  in  China  allge- 
meinere Beachtung  gefunden.  Aiitios  aus  Amyda  in  Kleinasien  soll  um 
540  nach  Chr.  bereits  den  Campher  gekannt  haben,  während  er  (d.  h.  ver- 
muthlich  wohl  der  Baros- Campher)  nach  Neumann1)  erst  im  Jahre  630 
nach  Chr.  in  China  eingeführt  wurde.  Die  von  Scherz  er  angegebenen 
dortigen  Bezeichnungen  des  Camphers  Tschang  näu  oder  Ping  pien,  was 
„Eiszapfenflocken“  bedeuten  soll,  sprechen  wohl  allerdings  eher  für  aus- 
ländische Herkunft,  während  der  Sanskritname  Kapura  die  Wurzel  unseres 
Wortes  Campher,  so  wie  des  arabischen  Kafur,  Kanfur2)  zu  sein  scheint. 
In  China  hat  vielleicht  die  anfängliche  Einfuhr  des  Baros -Camphers  den 
Anstoss  zur  Gewinnung  des  eigenen  gegeben.  Die  arabischen  Aerzte 
des  Mittelalters,  dann  auch  Simon  Seth  um  1070,  so  wie  die  deutsche 
Aebtissin  Hildegard  („Ganphora“)  um  1150  erwähnen  den  Campher, 
der  zur  Zeit  des  Paracelsus  schon  allgemein  gebraucht  wurde,  üeber 
seine  Natur  blieb  man  in  Europa  noch  lange  im  Unklaren,  obwohl  bereits 
vor  1572  der  Dichter  Luis  de  Camoens  ihm  den  richtigen  Ursprung 
zugeschrieben.  Noch  A gr  i c ol  a in  der  ersten  Hälfte  des  XVI.  Jahrhunderts 
hielt  ihn  für  ein  sublimirtes  Erdharz.  Libavius  behandelte  gegen  Ende 
desselben  Jahrhunderts  schon  die  „Caphura“  (Campher)  mit  Scheidewasser 
und  erhielt  so  Camphersaure. 

Lange  Zeit  hindurch  bildete  Campher  einen  Hauptgegenstand  des  merk- 
würdigen holländischen  Monopol -Verkehrs  auf  Desima  in  Japan.  Die 
Holländer  brachten  besonders  zwischen  1701  und  1715,  dann  wieder 
1734  bis  1736  Baros-Campher  dorthin  und  nahmen  gemeinen  Campher 
zurück.  D e Vrie  s e3)  hat  über  Dryobalauops  einevortreffliche  Monographie 
geschrieben. 


U Ostasiatische  Geschichte.  Leipzig  1861.  S.  482. 

2)  Damit  hängt  wohl  auch  der  räthselhafte  Name  Fansur  ganz  einfach  zusammen, 
welchen  Marco  Polo  am  Ende  des  XIII.  Jahrhunderts  dem  Lande  beilegte,  wo  der  beste 
Campher  vorkomme,  der  für  gleiches  Gewicht  Gold  vorkauft  werde.  „Quivi  nasce  la  canfora 
fansuri,  che  vale  piü  di  ogni  altra,  e si  vondo  a pcso  d'oro.“  S.  158  in  der  bei  Radix  Rhci 
erwähnten  Ausgabe.  — Wohl  mit  Rocht  deutet  man  Fansur  als  jenen  sumatranischcn  Küsten- 
strich bei  Baros.  Vergl.  auch  Poschei,  Gesch.  der  Erdkunde.  München  1865.  S.  107.  — 
Sumatranischen  und  hinteriudischcn  Campher  erwähnte  auch  Nicolo  Conti  im  XV.  Jahr- 
hundert. 

3)  Memoire  sur  lc  camphricr  de  Sumatra  et  de  Borneo.  Leide  1857.  23  S.  in  Quart,  mit 
Abbldg.  — Vergl.  auch  Martins,  Ann.  der  Pharm.  1838,  und  Lallemand,  Annales  de 
Chim.  et  de  Phys.  LVIL  (1859). 


Succus  Liquiritiae. 


103 


Succus  Liquiritiae. 

Succus  Glycyrrhizae  crudus.  Süssholzsaft.  Lakriz.  Jus  ou  suc  de 
reglisse.  Refined  liquorice.  Liquorice  juice. 

Das  unter  Radix  Liquiritiae  hispauicae  et  rossicae  beschriebene  Süss- 
holz wird  an  Ort  und  Stelle  geschnitten,  mit  Wasser  ausgekocht,  gepresst 
und  der  Saft  eingedampft.  Hat  derselbe  die  gehörige  Concentration  erreicht, 
so  formt  man  daraus,  oft  unter  Zusatz  von  Stärke  oder  anderen  mehligen 
Substanzen,  Stangen,  welche  schliesslich  in  warmer  Luft  getrocknet  werden. 

Die  Bereitung  dieses  Süssholzsaftes  geschieht  in  sehr  grossem  Maass- 
stabe in  Spanien , Südfrankreich , Sicilien , Calabrien , Griechenland , auch 
im  Innern  Südrusslands  bei  Astrachan  und  Kasan.  Den  Stangen  pflegt  von 
den  meisten  Fabrikanten  eine  Marke  aufgedrückt  zu  werden.  Beigepackte 
Lorber-  oder  in  Russland  Eichenblätter  verhindern  das  Zusammenkleben 
der  bei  guter  Bereitung  und  trockener  Lagerung  festen  brüchigen  Waare. 
Je  nach  der  Reinheit,  der  Form  und  der  Marke  giebt  es  eine  Menge  ver- 
schiedener Sorten,  welche  auch  in  Betreff  der  Süssigkeit  alle  möglichen  Ab- 
stufungen bis  zu  kratzendem  empyreumati schein  Beigeschmäcke  darbieten. 

Die  Stangen  sind  vou  schwarzer  Farbe  und  scharfkantigem  Bruche,  die 
grossmuscheligen  glänzenden  Flächen  im  Innern  oft  etwas  blasig.  In  der 
Wärme  erweicht  der  Süssholzsaft,  verbrennt  schwer  vollständig  und  hinter- 
lässt (bei  100°  C.  getrocknet),  z.  B.  bei  einer  ganz  vorzüglichen,  mir  eben 
vorliegenden  calabresischen  Sorte,  gestempelt  Duca  di  Corigliano,  5,5  pC. 
einer  von  Schwermetallen  freien  Asche. 

Der  Geschmack  auch  des  feinsten  Süssholzsaftes  ist  bei  Weitem  weniger 
angenehm  als  der  eines  im  Kleinen  selbst  bereiteten  Extractes  der  Wurzel; 
ja  Neese  nennt  z.  B.  den  wässerigen  Auszug  eines  von  ihm  sonst  als  ganz 
vorzüglich  erachteten  russischen  Fabrikats  rhabarberähnlich,  mehr  bitter 
als  süss.  Es  ergibt  sich  hieraus,  dass  der  Saft  bei  der  fabrikmässigen 
Bearbeitung  bedeutende  Veränderungen  erleidet,  auch  wenn  von  Zusätzen 
abgesehen  wird. 

Diese  Einflüsse  der  Luft  und  der  hohen  Temperatur  treffen  zunächst  die 
in  der  Wurzel  reichlich  vorhandene  Stärke,  welche  sich  in  reinen  Sorten 
der  Handelswaare  nur  zum  allergeringsten  Theil  im  Rückstände  findet,  wenn 
der  Saft  mit  kaltem  Wasser  vollkommen  ausgewaschen  wird.  Doch  bleiben 
die  nicht  gelösten  Stoffe  in  der  Form  der  Stangen  zurück.  Allein  im  Aus- 
züge wird  durch  Jodwasser  noch  Amylum  angezeigt,  wenn  das  Waschwasser 
nur  wenig  mehr  gefärbt  abläuft. 

Manchen  Sorten  wird  gegen  das  Ende  des  Einkochens  erst  Stärkemehl 
zugesetzt;  nicht  selten  finden  sich  ganz  unveränderte  weisse  Knöllchen  des- 
selben, wenn  man  eine  Anzahl  derartiger  Stangen  zerbricht. 

Nicht  genauer  bekannt  sind  die  etwaigen  Veränderungen  der  übrigen 
Stoffe,  welohe  aus  der  Wurzel  in  den  Saft  übergehen. 


104 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


Das  im  kalten  Wasser  nur  wenig  lösliche  Glycyrrhizin  bleibt  bei 
der  Auslaugung  des  Süssholzsaftes,  wo  zur  Darstellung  des  officinellen  Prä- 
parates nur  geringere  Mengen  kalten  Wassers  aufgegosseu  werden,  zum 
grossen  Theil  im  Rückstände  und  kann  nachträglich  durch  Alkalien  in 
Lösung  gebracht  werden,  womit  sich  das  Glycyrrhizin  leicht  verbindet. 
Mit  Ammoniak  z.  B.  färbt  sich  der  durch  Wasser  ganz  vollständig  erschöpfte 
Rückstand  des  käuflichen  Süssholzsaftes  aufs  Neue  und  tritt  an  das  erstere 
Glycyrrhizin  und  Farbstoff  ab. 

Den  Maassstab  zur  Beurtheilung  der  Waare  gibt  somit  nächst  dem 
Geschmacke  derselben  die  Bestimmung  des  in  kaltem  Wasser  löslichen 
Antheiles,  wozu  nach  Rump’s  Anregung  (1855)  auch  noch  das  von  ver- 
dünntem Ammoniak  weiter  zu  lösende  Glycyrrhizin  mitgerechnet  werden 
kann.  Der  Betrag  dieses  letzteren  Postens,  der  indessen  ohne  Erlaubniss 
der  Pharmakopoen  nicht  zulässig  ist,  wechselt  eben  so  sehr  wie  die  Ausbeute 
an  Extract.  Aber  die  beiden  Werthe  stehen  nicht  in  direkter  Beziehung  zu 
einander.  Ramdohr  fand  z.  B.  in  fünf  Sorten  59  bis  63  pC.  in  Wasser 
löslicher  Stoffe,  während  Ammoniak  aus  dem  Rückstände  noch  fernere 
8 bis  20  pC.  aufzunehmen  vermochte. 

In  russischem  Süssholzsafte  fand  Neese  sogar  40  bis  50  pC.  nur  in 
Ammoniak  und  nicht  in  reinem  Wasser  löslicher  Bestandtheile.  Diese 
Mengen  sind  indessen  bei  Weitem  nicht  als  reines  Glycyrrhizin  auzu- 
sprechen,  sondern,  nach  Neese,  nur  zu  etwa  Vs  bis  l/q.  Reicher  an  dem- 
selben ist  der  durch  Säuren  im  rein  wässerigen  Auszuge  entstehende  Nieder- 
schlag. Doch  ist  die  Reindarstellung  des  so  erhaltenen  Glycyrrhizins  nicht 
leicht  mit  Sicherheit  ausführbar  und  noch  weniger  bekannt  die  Natur  der 
mit  demselben  zugleich  in  ammouiakalische  Lösung  übergehenden  übrigen 
Stoffe.  Neese  denkt  sich  das  Glycyrrhizin  mit  aus  dem  Wasser  aufgenom- 
menen Kalke  zu  einer  unlöslichen  Verbindung  vereinigt,  welche  durch  Am- 
moniak leicht  zersetzt  werde. 

Die  oben  erwähnte  lufttrockene  und  vollkommen  spröde  Sorte  Corigliano 
verlor  bei  anhaltendem  Trocknen  im  Wasserbade  11,3  pC.  Feuchtigkeit. 

Der  Gehalt  des  käuflichen  Saftes  an  in  kaltem  Wasser  löslichen  Be- 
standtheilen  (Extract)  beträgt  im  besten  Falle  80  pC. , geht  aber  auch  öfter 
bis  60  pC.  herunter.  Der  von  Neese  untersuchte  Saft  aus  Astrachan  und 
Kasan  gab  nur  50  bis  56  pC.  an  Wasser,  aber  das  Uebrige  bis  auf  nur  1,3 
bis  2,6  pC.  an  verdünntes  Ammoniak  ab. 

Meine  Probe  Corigliano,  bei  100°  getrocknet,  trat  an  kaltes  Wasser, 
bis  dasselbe  vollkommen  farblos  ablief,  71,2  pC.  und  hierauf  an  verdünntes 
Ammoniak  noch  weitere  4,6  pC.  ab.  Aber  nur  73  der  letzteren  Menge 
stellte  sich  (durch  Fällung  mit  Essigsäure)  als  Glycyrrhizin  heraus,  ln  der 
rein  wässerigen  Auflösung  sind  neben  einem  Theile  des  Glycyrrhizins 
Traubenzucker  (bis  15  pC.  Neese),  dann  Gummi,  Farbstoff  und  die  Stärke 
oder  die  Umwaudluugsprodukte  der  letzteren  enthalten. 

Im  Rückstände  des  vollständig  mit  kaltem  Wasser  und  Ammoniak  er- 


Aloe. 


105 


schöpften  Saftes  zeigt  das  Mikroskop  in  nur  geringer  Menge  unveränderte 
Stärke,  wenige  dunklere  Körnchen,  vielleicht  Harz  oder  veränderter  Gerb- 
stoff und  vereinzelte  Pflanzentrümmer,  sofern  nicht  Zusätze  stattgefuuden 
haben.  Bisweilen  finden  sich  auch  Kupferspäne  vor,  da  noch  nicht  überall 
bei  der  Darstellung  des  Süssholzsaftes  kupferne  Gefässe  vermieden  werden. 

Der  Zusatz  grösserer  Mengen  von  Stärke  oder  stärkehaltiger  Pulver  ist 
durchaus  nicht  wegen  der  Wasseranziehung  des  eingetrockueten  Saftes  ge- 
boten. Es  lässt  sich  ein  solcher  vollkommen  rein  und  haltbar  herstellen, 
obwohl  das  im  Kleinen  aus  der  Wurzel  bereitete  Extract  immer  sehr  hygro- 
skopisch ist1),  wahrscheinlich  weil  ihm  das  Pektin  fehlt,  welches  bei  der 
fabrikmässigen  Bearbeitung  der  Wurzel  mit  ausgepresst  wird  und  den  käuf- 
lichen Süssholzsaft  luftbeständig  macht. 

Hager  (1861)  hat  es  wahrscheinlich  gemacht,  dass  auch  Verfälschun- 
gen des  Süssholzsaftes  mit  Dextrin  Vorkommen,  welche  sich  bei  grösseren 
Mengen  durch  hellere  Farbe  und  geringere  Siissigkeit  des  wässerigen  Aus. 
zuges  verrathen.  Kleinere  Zusätze  von  Dextrin  dürften  sich  jedoch  der 
Auffindung  entziehen,  da  die  im  Süssholze  vorhandene  Stärke  selbst  zur 
Bildung  von  Dextrin  Veranlassung  geben  könnte. 

Der  Gebrauch,  den  Süssholzsaft  in  feste  Form  zu  bringen,  scheint  sein- 
alt  zu  sein;  er  wurde  schon  zur  Zeit  von  Dioskorides  geübt. 

Aloe. 

Succus  Aloes  inspissatus.  Aloe.  Aloes.  Aloe. 

1.  Aloe  socotrina  Lamarck. 

2.  A.  vulgaris  Lamarck. 

3.  A.  purpurascens  Haworth. 

4.  A.  spicata  Tkunberg. 

5.  A.  mitraeformis  Lam. 

6.  A.  perfoliata  Thbg. 

7.  A.  africana  Haw. 

Syn. : Pachydendron  africanum  Haw. 

8.  A.  ferox  Miller. 

Syn. : Pachydendron  ferox  Haw. 

9.  A.  Lingua  Miller. 

Syn.:  Gasteria  Lingua  Miller. 

Die  hier  in  Betracht  kommenden,  der  Familie  Asphodeleae  angehörigen 
Aloe- Arten  sind  hauptsächlich  im  Gebiete  des  rothen  Meeres  und  längs  der 
Ost-  und  Südküste  Afrikas  einheimisch,  durch  Kultur  aber  jetzt  auch  nach 
Westindien  (Barbadoes.  Curaqao.  Jamaica)  verbreitet.  Die  von  No.  3 au 
genannten,  ganz  besonders  A.  perfoliata,  wachseu  in  sehr  grosser  Menge 
vorzüglich  auf  den  trockenen  heissen  Bergen  des  Caplandes.  A.  socotrina, 


D Vcrgl.  Wo  1 1 w c b c r , Arch.  der  Pharm.  CX.  u.  CXI.  oder  in  Wiggcrs-Cannstatt’s 
Jahrb.  1862.  S.  201. 


106 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Struetur. 


obwohl  auch  am  Cap  angegeben,  gehört  mehr  den  steilen  Bergen  der  Insel 
Socötöra  und  dem  benachbarten  Arabien  an.  A.  vulgaris  findet  sich  mehr 
in  Nordafrica  und  Ostindien,  wo  sie  nach  einigen  Angaben  ursprünglich  ein- 
heimisch wäre.  Sie  gedeiht  auch  noch  auf  Malta  und  Sicilien  neben  der  in 
Italien  schon  seit  dem  XVII.  Jahrhundert  eingeführten  und  dort  gewöhnlich 
als  Aloe  bezeichneten  Agave  americana.  In  Griechenland  scheint  Aloe  heut- 
zutage zu  fehlen. 

ln  systematischer  und  geographischer  Hinsicht  lässt  übrigens  die  Kennt- 
niss  dieser  Gattung  noch  viel  zu  wünschen  übrig. 

Ihre  zahlreichen  Species  sind  starke  lilienartige  strauchige  oder  krautige 
Pflanzen  mit  sehr  grossen  saftigen,  etwas  rinneuförmigen  und  stachelig  ge- 
zähnten Blättern.  Der  Stock  (Caulom)  ist  oft  stammartig  mehr  als  manns- 
hoch verlängert  und  verholzt,  bei  A.  socotriua  im  Alter  auch  wiederholt 
gabeltheilig,  bei  anderen,  z.  B.  bei  A.  spicata  und  A.  vulgaris  ganz  einfach 
und  niedriger.  Noch  anderen,  wie  der  unter  Nr.  9 angeführten,  fehlt  der 
Stengel  ganz. 

Die  dicken,  oft  weit  über  einen  Fuss  langen,  im  einzelnen  bei  den  ver- 
schiedenen Arten  etwas  abweichend  gestellten  und  gezähnten  Blätter  be- 
sitzen eine  sehr  starke  Cuticula  und  eine  dickwandige  Epidermis.  Das 
schliipferige  Innere  wird  von  einem  sehr  schlaffen  grosszeiligen  ungefärbten 
Marke  gebildet,  welches  zehnmal  die  Breite  der  chlorophyllhaltigeu  ziemlich 
kleinzelligen  Parenchymschicht  Übertritt,  die  das  Mark  von  der  Oberhaut 
trennt.  Bei  einem  der  grössten  Blätter  von  A.  vulgaris  z.  B.  misst  diese 
Chlorophyll  führende  Rindenschicht  im  frischem  Zustande  nur  1 mm,  während 
das  Mark  0,0 10 m dick  ist.  Die  Rinde  enthält  an  der  Grenze  des  Markes 
zahlreiche  schwache  Gefässbündel,  welche  auf  dem  Querschnitte  in  geringen 
gleichmässigen  Abständen  geordnet,  das  Mark  einfassen.  Der  innere  fast 
keilartig  in  das  letztere  eindringende  Theil  eines  jeden  Gefässbündelchens 
besteht  aus  zartem  engem  etwas  axial  verlängertem  Gewebe,  welches  2 oder 
3 gerade  abrollbare  Spiralgefässe  einschliesst.  Vor  diesem  Gefässtrange 
innerhalb  der  Rinde  breitet  sich  ein  lockeres  mehrreihiges  Gewebe  von  sehr 
weiten  dünnwandigen  Zellen  aus,  welches  sich  an  eine  auf  dem  Querschnitte 
bogenförmig  stark  convex  nach  innen  gekrümmte  Zellenreihe  anlegt.  Die- 
selbe ist  aus  kleinern  prismatischen,  tangential  etwas  gedehnten  und  gerade 
abgescliuittenen  nicht  sehr  langen  Zellen  gebaut,  welche  ihrerLage  nach  dem 
Baste  entsprechen,  aber  nur  wenig  in  die  Augen  fallen.  Sie  sind  ganz  ein- 
fach über  und  neben  einander  gestellt  und  erinnern  daher  in  keiner  Weise 
etwa  an  die  besondern  Gefässysteme  der  milchenden  Pflanzen. 

Die  Bastzellen,  bei  hier  gezogener  A.  socotriua  z.  B.  im  Sommer  unter- 
sucht, sind  mit  schön  gelbem  klarem  zähem  Inhalte  erfüllt,  welcher  leicht 
in  deutlichen  Tafeln  anschiesst,  wenn  ein  mit  Glycerin  befeuchteter  Quer- 
schnitt, oder  besser  ein  Längsschnitt,  einige  Tage  liegen  bleibt.  Die  übrige 
Rinde  strotzt  von  Chlorophyllkörneru  und  zeigt  zwischen  den  Zellen  Gar- 
ben von  Kalkoxalat- Nadeln.  Dergleichen  finden  sich  auch  obwohl  spar- 


Aloe. 


107 


lieber  im  Marke,  worin  ausserdem  das  Mikroskop  nur  äusserst  weuige  un- 
gefärbte Klümpchen  festen  Inhalts  zeigt.  Das  völiigdurchsichtige  Markgewebe 
ist  vielmehr  ganz  erfüllt  von  einem  fadenziehenden  färb-  und  geschmack- 
losen Schleime,  welcher  nach  einiger  Verdünnung  mit  Wasser  von  Blei- 
zuckerlösung gefällt  wird,  aber  beim  Kochen  selbst  nach  dem  Ansäuern  mit 
Salpetersäure  nicht  gerinnt.  In  alkalischem  Kupfertartrat  vermag  er  beim 
Erhitzen  eine  geringe  Reduktion  zu  bewirken.  Dieser  Inhalt  des  Markes  be- 
steht daher  vorwiegend  aus  Schleim,  nicht  aus  Eiweiss.  An  der  Luft  färbt 
er  sich  nicht.  Die  Zellstränge  in  der  Umgebung  der  Gefässe  hingegen  ent- 
halten, reichlich  in  A.  socotrina  und  A.  spicata,  weniger  in  A.  vulgaris  und 
A.  arboresceus,  farblosen  Saft,  welcher  an  der  Luft,  zumal  bei  der  Berüh- 
rung mit  Eisen  alsbald  eine  sehr  schöne  tief  violette  Farbe  annimmt.  Dass 
die  Gefässbündel  Sitz  dieses  Chromogens  sind,  lässt  sich  gut  erkennen, 
wenn  ein  zarter  Schnitt  durch  ein  frisches  Aloeblatt  rasch  Ammoniak- 
dämpfen ausgesetzt  wird.  Züsatz  von  Salzsäure  verhindert  die  Färbung 
des  Saftes. 

Die  Rinde  des  Blattes  ist  von  einem  dünnen  angenehm  säuerlichen  Safte 
durchdrungen,  welcher  nach  Verletzung  der  Oberhaut  herausquillt. 

Vermuthlich  ist  der  Gehalt  an  bitteren  Stoffen  in  den  Blättern  nicht  zu 
jeder  Jahreszeit  gleich;  Haaxman  z.  B.  erwähnt  auch  in  der  That,  dass 
auf  Curaqao  das  Maximum  durch  den  U ebergang  der  grünen  Farbe  der 
Blätter  in  die  braune  angezeigt  werde.  Bei  uns  gezogene  Blätter  schmecken 
nicht  sehr  bitter. 

Aus  dem  Bau  und  Inhalte  des  Aloeblattes , der  bei  den  einzelnen  Arten 
nicht  abzuweichen  scheint,  ergibt  sich  somit , dass  dessen  eigenthümliche 
Bestandtkeile  ihren  Sitz  in  den  Gefässträngen  haben.  Der  gelbe  Stoff  jener 
Bastbogen,  welche  die  Gefässbündel  umspannen,  ist  das  Aloin,  begleitet 
ohne  Zweifel  von  Harz  und  den  übrigen  besonderen  Stoffen  der  käuflichen 
Aloe.  Diesen  Gewebetheilen  allein  kömmt  der  specifische  Geschmack  und 
fast  safranartige  Geruch  zu,  welcher  letztere  auch  beim  Anschneiden  frischer 
in  unseren  Gewächshäusern  gezogener  Blätter  hervortritt.  In  quantitativer 
Hinsicht  können  nach  diesen  Verhältnissen  die  eigenthümlichen  Stoffe  nur 
einen  geringen  Theil  vom  Gewichte  der  Blätter  ausmachen,  der  allerdings 
duich  unvermeidliche  Beimengung  von  Markschleim  vermehrt  wird. 

Hiernach  ist  es  unzweifelhaft,  dass  es  zur  Gewinnung  der  officinellen 
Aloe  am  zweckmässigsten  sein  muss,  die  Rinde  des  Blattes  von  dem  weit 
überwiegenden  aber  werthlosen  Marke  abzuschälen  und  erstere  allein  aus- 
zupressen oder  auszukochen,  was  ohne  Schwierigkeiten,  freilich  mit  einigem 
Aufwande  von  Arbeitskraft  ausführbar  ist.  Diese  allein  rationelle  Methode 
wird  auch  in  der  That  nach  Dunsterville  im  jetzigen  Hauptproduktions- 
lande  der  Aloe,  in  der  Cap-Colonie  befolgt. 

freilich  wird  nach  anderen  Berichten  in  verschiedenen  Ländern  die 
Aloe  auf  weniger  vollkommene  Weise  gewonnen..  So  z.  B.  auf  Cura<?ao  wo 
man  nach  Haaxman  die  Blätter  einfach  auf  Rinnen  lege  und  den  Saft 


108 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Sfructur. 


freiwillig  aussickern  lasse.  Unmöglich  können  aber  bei  diesem  Verfahren 
andere  Bastzellen  ihren  bittern  Saft  abgeben,  als  eben  nur  die  beim  Ab- 
schneiden des  Blattes  getroffenen.  Sofern  hier  nicht  ein  Druck  zur  Mitwir- 
kung gelangt,  oder  etwa  der  Blattrinde  Schnittwunden  beigebracht  werden, 
ist  ein  lohnendes  Ergebniss  nicht  zu  begreifen.  Dennoch  belehrt  uns  neuer- 
dings wieder  der  so  höchst  competente  Ou  dem  ans1),  dass  in  der  That 
auf  Curagao  durchaus  nur  in  jener  höchst  einfachen  Weise  ohne  Druck  und 
Auskochen  verfahren  wird.  Die  grösste  Ausbeute  muss  erhalten  werden, 
wenn  man  die  zerschnittenen  und  zercpietschten  Blätter  presst  oder  auskocht, 
Hierbei  mischt  sich  aber  in  überwiegender  Menge  der  Saft  des  Markes  und 
des  Rindenparenchyms  bei,  dessen  Wassergehalt  nur  durch  längeres  Ab- 
dampfen zu  entfernen  ist,  was  nothwendig  Veränderungen  des  bittern  Saftes 
zur  Folge  hat.  Nach  manchen  Angaben  scheidet  sich  beim  Kochen  des 
Saftes  viel  Eiweiss  ab,  was  bei  hier  zu  Lande  gezogenen  Blättern  nicht  der 
ball  ist.  Wenn  das  Mark  mit  verarbeitet  wird,  so  muss  das  darin  reichlich 
vorhandene  Gummi  (oder  Schleim)  in  die  Aloe  übergehen;  merkwürdiger- 
weise aber  lässt  sich  in  der  Handelsware  kein  solches  nach  weisen.  Dagegen 
gibt  wenigstens^  die  Leberaloe  beim  Schmelzen  mit  Kali  Ammoniak  aus, 
das  vielleicht  von  Eiweiss  herrührt.  Sollten  die  Blätter  in  ihrem  Vaterlande 
weniger  Schleim  und  mehr  Eiweiss  bilden? 

Die  Verschiedenheit  der  käuflichen  Aloesorten  scheint  mehr  in  der  Be- 
handlung des  Saftes  selbst  ihren  Grund  zu  haben  als  in  der  Gewinnuugs- 
weise  oder  in  der  Herkunft  desselben  von  verschiedenen  Arten.  Die  Sorten 
dieser  Droge  lassen  sich  auf  zwei  Reihen  zurückführen,  nämlich  auf  dunklere 
von  undurchsichtigem  bräunlichem  leberähnlichem  oder  schwärzlichem 
Aussehen:  Aloe  hepatica , und  hellere,  in  dünneren  Splittern  durchsichtige 
mehr  röthlich-gelbliche : Aloe  lucida.  Der  eigenthümliche,  etwas  an  Myrrhe 
und  Safran  erinnernde  Geruch  ist  bei  beiden  Reihen  im  wesentlichen  derselbe. 

Trocken  ist  die  Aloe  spröde , ein  geringer  Wassergehalt  bewahrt  ihr 
aber  das  Vermögen,  allmälig  etwas  zusammenzufliessen  oder  zusammen- 
zubacken. Eine  solche  Probe  z.  B.  gab  bei  anhaltendem  Austrockneu  im 
Wasserbade  7,4  pC.  Wasser  ab. 

Bisweilen  gelangt  auch  der  unveränderte  oder  nur  wenig  eingedickte, 
flüssige  Saft  nach  Europa,  wo  durch  völliges  Eindampfen  und  Austrocknen 
daraus  eine  helle  Aloe  gewannen  wird.  Perei ra  hat  (1852)  gezeigt,  dass 
solcher  Saft,  der  aus  Arabien  stammte,  sich  bei  ruhigem  Stehen  in  eine 
untere  undurchsichtige  feinkörnige  Schicht  und  in  eine  weniger  betragende 
durchsichtige  dunklere  flüssige  trennt.  Als  Grund  der  Undurchsichtigkeit 
der  erstereu  erkannte  er  zahlreich  darin  angeschossene  mikroskopische 
Krystalle  von  Aloin.  Die  obere  durchsichtige  Schicht  lieferte  ihm  beim 
Eindampfen  helle  Aloe,  welche  ganz  mit  der  sogenannten  socotrinischeu 
übereinstimmte.  Pereira  hat  daraus  den  Schluss  gezogen,  dass  das  Aus- 


U Handloiding  tot  de  Pharmacognosio.  1865.  p.  816. 


Aloe. 


109 


sehen  der  Aloe  hauptsächlich  durch  den  Zustand  des  Aloins  bedingt  sei, 
in  welchem  dasselbe  darin  vorkömmt.  Erhält  dasselbe  durch  freiwilliges 
oder  überhaupt  sehr  langsames  Verdunsten  des  Saftes  Zeit  zu  krystallisiren, 
so  wird  die  Aloe  undurchsichtig  und  leberfarbig.  Bei  raschem  Eindampfen 
hingegen  findet  das  Aloin  nicht  Gelegenheit  anzuschiessen  und  sich  aus- 
zuscheiden, sondern  bleibt  amorph  und  mischt  sich  der  übrigen  Aloemasse 
völlig  gleichmässig  bei,  so  dass  nun  Aloe  lucida  entsteht.  Je  nach  der  Art 
des  Eintrocknens  wird  man  also  aus  einem  und  demselben  Safte  die  eine 
oder  die  andere  Sorte  erhalten  können,  vielleicht  auch  schon  durch  Abgiessen 
einer  helleren  Schicht  von  der  unteren,  worin  die  Ausscheidung  des  Aloins 
begonnen  oder  vollzogen  ist.  Diese  Ansicht  wird  dadurch  bestätigt,  dass 
in  der  That  das  Mikroskop  in  den  meisten  Sorten  der  Aloe  hepatica  Krystalle 
zeigt,  wenn  man  etwas  davon  abschabt  und  auf  dem  Objektträger  mit  wenig 
Wasser  befeuchtet.  Aloe  lucida  zerfällt  hierbei  in  Tropfen  oder  Kügelchen 
und  zeigt  niemals  Krystalle.  Vergleicht  man  ferner  düune  Splitter  im 
polarisirten  Lichte,  so  erscheinen  diejenigen  der  Leberaloe  doppelt  brechend 
mit  den  schönen  Farben,  welche  krystallinische  Beschaffenheit  andeuten, 
während  die  Splitter  der  Aloe  lucida  davon  nichts  zeigen,  sondern  wie 
andere  amorphe  Körper  dunkel  bleiben. 

Wird  Aloe  hepatica  in  wenig  heissem  WTasser  gelöst  und  nach  dem 
Erkalten  die  klare  Lösung  sehr  rasch  eingedampft,  so  erhält  man  allerdings 
zum  Theil  durchscheinende  Aloe,  aber  immerhin  auch  Krystallisationeu  von 
Aloin.  Absolut  krystallfreie  Aloe  hingegen  scheint  nicht  in  die  mikro- 
krystallinische  Form  übergeführt  werden  zu  können.  Eine  Probe  flüssigen, 
vollkommen  klaren  Aloesaftes  vom  Cap,  den  ich  ziemlich  frisch  Herrn 
Oberdör  ff  er  in  Hamburg  verdankte,  gab  mir  weder  bei  raschem,  noch 
bei  äusserst  langsamem  Verdunsten  Spuren  von  Krystallisation. 

Es  scheint  demnach  erwiesen,  dass  wirklich  die  krystallinische  oder 
amorphe  Beschaffenheit  des  Aloins  von  grösstem  Einflüsse  auf  das  Aussehen 
der  Waare  ist.  Jedoch  ist  die  Undurchsichtigkeit  und  eigentümliche 
Färbung  der  Leber- Aloe  nicht  allein  davon  abhängig,  dass  in  dieser  Sorte 
krystallinisches  Aloin  vorzukommen  pflegt,  denn  in  einzelnen  Proben  des- 
selben findet  man  es  nicht  oder  in  nur  sehr  geringer  Menge  in  dieser  Form 
und  umgekehrt  finden  sich  auch  in  durchsichtiger  Aloe  nach  Farre  öfter 
einzelne  dunkle  mikrokrystallinische  Autheile.  Welche  fernere  Umstände 
aber  bei  der  Gewinnung  der  Aloe  noch  von  Einfluss  auf  das  Aussehen  des 
Produktes  sind,  ist  noch  nicht  ermittelt.  Die  verschiedenen  Arten  der 
Stammpflanzen  scheinen  hierbei  nicht  von  besonderer  Bedeutung  zu  sein. 

Die  Aloe  lucida  wird  in  grösster  Menge  in  der  Herrenhuter  Kolonie 
Bethelsdorp  an  der  Algoa-Bai  (Caplaud)  gewonnen  und  sowohl  unter  dem 
Namen  vite  capensis  wie  auch  als  Aloe  socotrina  in  den  Handel  gebracht. 
Hauptsächlich  die  oben  unter  Nummer  4,  7,  8,  9 genannten,  aber  auch 
noch  einige  andere  Arten,  liefern  diese  Sorte,  indem  die  Blätter  geschält 
werden  und  der  ausgepresste  Saft  nach  dem  Absitzen  in  eisernen  Kesseln 


110 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


unter  Umrühren  eingekocht  wird.  Trocken  bildet  er  eine  stark  glasglänzende, 
ganz  gleichförmige,  in  kleinen  Splittern  durchsichtige  Masse  von  fast 
schwarzei  färbe  im  auffallenden  Lichte.  Sie  bricht  sehr  leicht  in  gross- 
muschelige, scharfkantige  Stücke  oder  in  kleine,  rötbliche  bis  hell  gelbbraune 
Splitter.  Bei  geringem  Wassergehalt  fliessen  nach  längerer  Zeit  die  Stücke 
in  den  Kisten,  worin  sie  versandt  werden,  zusammen,  vollständig  aus- 
getrocknet aber  erweicht  die  Aloe  nicht  bei  1 00°  C.  und  schmilzt  über- 
haupt nicht  mehr  ohne  Zersetzung.  Das  feine  Pulver  ist  von  trüb  hellgelber 
Farbe.  Feine  Splitter,  die  mau  unter  dem  Mikroskop  mit  wenig  Wasser 
befeuchtet,  zergehen  emulsionartig  zu  grösseren  oder  kleineren  Tropfen, 
ohne  alle  Krystalle.  Werden  kleine  Stücke  der  Aloe  lucida  tagelang  bei 
1 00°  erhalten,  so  uehmen  sie  keine  krystallinische  Structur  an. 

Die  Insel  Socötöra,  welche  früher  ausschliesslich  die  Aloe  lucida 
oder  socotrina  erzeugte,  liefert  gegenwärtig  (ihres  ungesunden  Klimas 
wegen?)  keine  oder  nur  wenig  Aloe  mehr;1)  meist  geht  die  von  Malindi, 
Zanzibar  oder  vom  Cap  unter  ihrem  Namen.  — Was  ich  vom  Hause 
Gehe  u.  Co.  in  Dresden  als  zuverlässig  von  Socotora  stammende  Probe 
besitze,  ist  jedoch  dunkel  leberfarbig,  in  feinsten  Splittern  nur  eben  noch 
durchscheinend  und  erweist  sich  unter  dem  Mikroskop  als  grösstentheils 
krystallinisch.  Diese  übrigens  sehr  unreine  Probe  gehört  daher  zu  Aloe 
hepatica,  obgleich  nach  den  meisten  Angaben  das  Produkt  vom  Caplande 
und  dasjenige  von  Socotora  übereinstimmen  sollen.  Nach  anderen  käme 
der  ersteren  ein  Stich  ins  grünliche  zu,  während  die  socotorinische  mehr 
ins  röthliche  fiele,  übrigens  sehr  verschieden,  oft  noch  sehr  weich  nach 
England  gelangen  soll.  British  Pharmacopoeia  (1864),  welche  immer 
noch  Socotora  als  Bezugsquelle  der  socotrinischen  Sorte  nennt,  verlangt 
von  ihr  ebenfalls  mikrokrystallmisclie  Structur.  Der  ostafrikauiscbe  Küsten- 
strich zwischen  Zanzibar  und  Malindi  (Meliuda)  erzeugt  eine  durchscheinende 
Aloe,  welche  mit  der  Sorte  vom  Cap  oder  von  Socotora  verglichen  wird. 
Nach  anderen  scheint  sie  aber  auch  leberfarbig  und  weich  vorzukommen. 
Früher,  wo  die  ostafrikanische  Aloe  durch  das  Rothe  Meer  nach  Smyrna 
und  von  da  erst  nach  Europa  gelangte,  hiess  sie  daher  auch  wohl 
türkische  Aloe. 

Seit  1837  haben  die  Holländer  begonnen,  die  Blätter  der  schon  vorher 
auf  Curatjao  angesiedelten  Aloe  vulgaris  zu  verarbeiten.  Dieselben  sollen, 
höchst  einfach  über  einander  geschichtet,  den  Saft  ausfliessen  lassen,  welcher 
dann  bis  zu  einem  gewissen  Grade  oder  ganz  vollständig  über  dem  Feuer 
eingedampft,  theils  zuletzt  freiwilliger  Verdunstung  überlassen  und  in  Kürbis- 
schalen gegossen  wird.  Da  das  Eisen  den  Saft  dunkel  färbt,  so  wurden 
sehr  bald  kupferne  verzinnte  Kessel  augewendet.  Aus  diesen  Aenderungen 

1)  Socotora  führte  z.  B.  1833  nach  Wellsted  nur  2 Tonnen  Aloe  aus.  Nach  Hunt 
(1840)  wird  auf  der  Insel  nur  ganz  gelegentlich  etwas  höchst  einfach  ausgedrückter  Saft  noch 
flüssig  zufällig  anlegenden  Schiffen  mitgegehen  und  ihnen  die  Sorge  freiwilliger  Verdun- 
stung desselben  überlassen. 


Aloe. 


111 


in  der  Darstellung  erklärt  sich  das  verschiedene  Aussehen  der  0 u r a c a o - 
Aloe,  welche  die  einen  leberartig  bis  schwarz,  die  anderen  „ capartig“ 
erhielten.  Die  Insel  erzeugte  1851  gegen  200  Ctr.,  1853  keine  120  mehr, 
1858  etwas  über  130,  so  dass  diese  Sorte  keine  bleibende  Stelle  im  Handel 
behauptet.  Neuerdings  scheint  sich  die  jährliche  Ausbeute  indessen  wieder 
bisweilen  auf  400  Ctr.  zu  belaufen.  Ou  dem  ans  findet  die  Curacao-Sorte 
von  allen  anderen  durch  eigenthümlichen  („an  Negersclnveiss  erinnernden“) 
Geruch  ausgezeichnet. 

Aloe  hepatica  wird  in  grösster  Menge  auf  Barbadoes  aus  Aloe  vulgaris 
gewonnen  und  zwar  wie  behauptet  wird , ohne  Schälung  und  Pressung  der 
Blätter.  Sie  wird  in  sehr  grossen  Kürbisschalen  hauptsächlich  nach  England 
gebracht,  wo  sie  besonders  beliebt  ist. 

Sie  bildet  trockene  schwärzliche  matt  fettgläuzende,  leicht  in  kleine 
eckige  Stücke  springende  Massen,  die  im  Innern  oft  noch  etwas  blasig  sind 
Nur  die  kleinsten  Körnchen  sind  gelblichbraun,  das  feine  Pulver  aber  mehr 
braungrau.  Befeuchtet  man  dasselbe  mit  wenigWasser,  so  zeigt  das  Mikros- 
kop keine  Tropfen,  sondern  lauter  eckige  Fragmente,  während  am  Bande 
des  Gesichtsfeldes  sehr  bald  deutliche  kurze  hellgelbe  Krystallprismen  au- 
schiessen.  Kleine  Stückchen  der  Leberaloe  zerfallen  bei  solcher  Behandlung 
fast  ganz  in  mikroskopische  Kryställchen.  Wird  ein  kleines  Stückchen  in 
sehr  weuig  lieissem  Wasser  gelöst,  so  bleibt  nach  anhaltendem  Erwärmen 
beim  Erkalten  eine  unkrystallinische  Masse  zurück,  welche  aber  immerhin 
weit  dunkler  aussieht  als  gleich  behandelte  Aloe  vom  Cap.  Es  gelingt  nicht, 
Leberaloe  in  Aloe  lucida  überzuführen. 

Eine  etwas  verschiedene  Aloe  hepatica  wird  aus  Südarabien  über  Bom- 
bay in  Kisten,  Häuten  oder  Fässern  ausgeführt,  daher  auch  als  indische 
oder  Bombay- Aloe  bezeichnet.  Sie  ist  von  mehr  bräunlichschwarzer, 
oft  auch  von  ziemlich  hell  leberbrauner  Farbe,  in  grosse  eckige  Stücke 
brechend.  Manche  aussen  schwärzliche  Proben  bleiben  im  Innern  schön 
leberfarben,  während  andere  nicht  nur  eine  dunkle  Rinde  besitzen,  sondern 
durch  und  durch  schwarz  sind.  Die  rein  leberfarbenen  Stücke  zerfallen  mehr 
in  drusenförmige  Krystallaggregate  als  in  einzelne  Krystalle.  Vielleicht  steht 
die  Farbenveränderung,  das  Nachdunkeln,  im  Zusammenhänge  mit  einer 
olekularanderung.  Das  Pulver  ist  braun  bis  braungelb  oder  fast  oramre 
weder  hellgelb  wiedas  der  Cap-Aloe,  noch  grau  wie  bei  derjenigen  von 
Barbadoes  Die  meisten  Proben  zeigen  unter  dem  Mikroskop  in' ausgezeich- 
netem Grade  das  Zerfallen  in  Krystalle  und  gewähren  auch  schon  dem  un- 
bewaffneten  Auge  wenigstens  stellenweise  ein  fast  krystallinisches  Aussehen 

tw  I , f ;lllUgegen’  und  zwar  oft  gerade  von  sehr  charakteristi- 
scher  Leberfarbe,  erweisen  sich  als  ganz  amorph.  Von  dieser  arabischen 

ntlr°rdie  r M0CCl:a’  Aden  und  Maskat  ausgeführte  Sorte  wohl 
i i h “e11.r  schwärzliche  Farbe  und  geringere  Reinheit  verschieden 

■ ,Sie  <j  a ei'  ei. 1 Aanzentheile  und  Erde  einschliesst.  Meist  ist  sie  aus- 
gezeichnet krystalhmsch.  Sie  scheint  aus  dem  Innern  Arabiens  zu  stammen. 


112 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


Alle  Aloesorten  besitzen  nahezu  denselben  eigentümlichen  Geruch  und 
bitteru  unangenehmen  Geschmack.  Ersterer  ist  oft  nicht  unangenehm  und 
stärker  au  Safran  erinnernd  ausgeprägt  bei  den  hellen  durchscheinenden 
Sorten.  Reine  Aloe  löst  sich  bis  auf  unbedeutende  Flocken  leicht  und 
klar  in  Weingeist,  iu  Wasser  aber  nur  beim  Erwärmen  vollständig,  die 
Leberaloe  pflegt  etwas  mehr  Rückstand  zu  geben.  Die  opalisirende  gelbe 
Lösung  iu  wenig  heissem  Wasser  trübt  sich  beim  Zusatz  von  mehr  Wasser 
durch  Ausscheidung  gelblicher  harziger  Tropfen.  Beim  Erkalten  der  coucen- 
trirten  oder  verdünnten  wässerigen  Auflösung  gehen  dieselben  zu  einem 
braunen  schmierigen  Absätze,  dem  sogenannten  Al  o e ha  r z e , zusammen.  Die 
klare  Auflösung  reagirt  schwach  sauer  und  wird  durch  Alkalien  dunkelbräun- 
lich, durch  Eisenchlorid  schwarz  gefärbt  und  von  Bleizucker  gelbgrau  gefällt. 
Kaltes  Wasser  löst  ungefähr  die  Hälfte  der  Aloe  zu  einer  sauer  reagireuden 
Flüssigkeit  auf,  welche  dasselbe  Verhalten  zeigt.  Durch  Weingeist  wild  sie 
nicht  gefällt,  enthält  also  kein  Gummi. 

Krystallinische  Aloe  wird  etwas  langsamer  gelöst  als  die  durchsichtigen 
amorphen  Sorten,  welche  sogleich  in  wenig  kaltem  Wasser  emulsionartig 
zu  zergehen  beginnen.  Die  klare  Lösung  der  Aloe  in  Kali  oder  Ammoniak 
wird  durch  Säuren,  aber  nicht  durch  Wasser  gefällt. 

Der  interessanteste  Bestaudtheil  ist  das  1851  von  T.  und  H.  Smith 
zuerst  aus  Barbadoes- Aloe  dargestellte  Al  oin  034H3G014-f-  H20,  welches 
die  Hauptmasse  der  Leberaloe  auszumachen,  in  den  andern  Sorten  aber 
theils  amorph,  theils  chemisch  verändert  vorzukommeu  scheint.  Es  krystalli- 
sirt  iu  kleinen  hellgelben  Prismen  oder  rhombischen  Blättchen,  welche  sich  im 
polarisirten  Lichte  als  doppelt  brechend  erweisen.  Feine  Splitter  der  durch- 
sichtigen Aloesorteu  zerspringen  oft  iu  kleine  Tafeln  von  fast  krystallinischem 
Ansehen,  bleiben  aber  im  polarisirtem  Lichte  dunkel,  während  Bruchstücke 
der  krystallinischen  Sorten  Doppelbrechung  zeigen. 

Das  Aloin  schmeckt  äusserst  bitter  und  wirkt  nach  Stenhouse  pur- 
girend,  nach  Robiquet  nur,  wenn  es  iu  die  amorphe  Modification  über- 
geführt wird.  Es  löst  sich  leicht  in  warmem  Wasser  und  noch  besser  in 
Weingeist,  die  Lösungeu  verändern  sich  beim  Kochen  rasch  und  benehmen 
dem  Aloin  zunächst  die Krystallisirbarkeit,  jedoch  lässt  es  sich  nach  Czurn- 
pelick  auch  aus  allen  amorphen  Aloesorteu  wieder  krystallisirt  herstelleu. 
Freilich  ist  das  manchen  Chemikern  nicht  geglückt  und  gelingt  wenigstens 
im  Kleinen  nicht.  Verdünnte  Schwefelsäure  spaltet  nach  Rochleder  das 
Aloin  in  Zucker  und  Rottierin  (vergl.  Kamala). 

Man  unterschied  früher  den  im  kalten  Wasser  unlöslichen  Autheil  der 
Aloe  als  Aloeharz , den  löslichen  (das  officinelle  Extractum  Aloes)  als  Aloe- 
bitter oder  Aloetin.  Nach  Kosmann  (1863)  käme  beiden  Theilen  unge- 
fähr dieselbe  Zusammensetzung  zu  und  jeder  wäre  durch  verdünnte  Schwefel- 
säure spaltbar  in  Zucker  und  harzartige  Säuren.  Der  lösliche  Theil  soll 
hierbei  die  A 1 o e r e s i u s ä u r e und  die  A 1 o e r e t i u s ä u r e , beide  krystallisir- 
bar,  liefern  und  ausserdem  das  indifferente  Aloeretin.  Der  iu  \N asser 


Aloe. 


113 


unlösliche  Antheil  der  Cap-Aloe  dagegen  gab  die  Aloeresinsäure.  Alle 
drei  Säuren  würden  in  sehr  einfacher  Beziehung  zu  einander  stehen. 

Was  den  Zucker  betrifft,  so  ist  indessen  nicht  zu  übersehen,  dass  die 
Aloe  schon  etwas  desselben  fertig  gebildet  enthält.  Die  unveränderte  flüssige 
Aloe,  welche  man  von  den  Aloinkrystallen  abgiesst,  reducirt  schon  in  der 
Kälte  alkolisches  Kupfertartrat,  ebenso  der  kalte  wässerige  Auszug  der  käuf- 
lichen Aloe  oder  das  durch  Dialyse  gewonnene  Diffusat  derselben. 

Bei  der  Destillation  mit  Wasser  gibt  die  Aloe  ein  geschmackloses,  aber 
nach  der  Droge  riechendes  Produkt. 

Durch  Behandlung  mit  verschiedenen  Agentien  liefert  die  Aloe  eine  Menge 
merkwürdiger  Stoffe.  So  nach  Rochleder  und  Czumpelick  (1861) 
beim  Kochen  mit  Natronlauge  zolllange  farblose  Krystalle,  welche  Paracumar- 
säure  zu  sein  scheinen,  neben  geringen  Mengen  wohlriechenden  ätherischen 
Oeles,  flüchtiger  Fettsäure  und  einer  flüchtigen  Base;  beim  Kochen  mit  ver- 
dünnter Schwefelsäure  Paracumarsäure,  woraus  durch  Schmelzen  mit  festem 
Aetzkali  so  gut  wie  direkt  aus  Aloe  nach  H 1 a s i w e tz  (1865)  Paraoxybenzoe- 
säure  (die  auch  aus  Benzoe  ebenso  gewonnen  werden  kann)  entsteht,  in 
letzterem  Falle  neben  Orcin.  Durch  Destillation  mitAetzkalk  erhielt  Robi- 
quet  das  Aloisol,  ein  farbloses  oder  gelbliches  nach  Amylalkohol  und 
Bittermandelöl  riechendes  Oel,  welches  bei  —20°  noch  flüssig  bleibt.  Rem- 
bold  gewann  aus  Aloe  1 pC.  dieser  Flüssigkeit,  welche  sich  als  ein  Ge- 
menge von  Xylylalcohol  mit  Aceton  und  Kohlenwasserstoffen  erwies.  Sal- 
petersäure gibt  mit  Aloe  oder  Aloin  erst  Aloetinsäure  G7H2(N202)03 
dann  Chrysamminsäure  G7H2  (N202)  ö4  und  schliesslich  Pikrinsäure 
neben  Oxalsäure.  Die  beiden  ersten  siud  durch  prächtige  Farben  auch  in 
ihren  Salzen  ausgezeichnet  und  deshalb  schon  in  der  Färberei  benutzt  worden 
(Aloepurpur).  Chlor  erzeugt  in  wässeriger  Aloelösung  verschiedene  Sub- 
stitutionsprodukte und  zuletzt  Chloranil  G6  CI4  02. 

Dass  sich  der  Aloe  bisweilen  wenigstens  auch  Proteinstoffe  der  Pflanze 
eimischeu,  geht  daraus  hervor,  dass  die  erstere  beim  Erhitzen  mit  kausti- 
schem Alkah  Ammoniak  ausgibt. 

Bei  stärkerem  Erhitzen  bläht  sich  die  Aloe  stark  auf  und  lässt  eine 
eichte  schwer  verbrennliche  Kohle,  welche  von  anorganischen  Bestand- 
teilen fast  frei  ist.  Gewöhnliche  Cap-Aloe  z.  B.,  bei  100°  C getrocknet 
hinterlässt  nur  1,1  pC.  Asche.  ' S 0cknet’ 

. ,Die  Way  Sch0n  der  alteü  Welt  bekaüQt>  ^s  Wort  scheint  vom  sy 
O ,enQ  Alwai  abzustammen-  Alexander  der  Grosse  soll  Griechen  nach 
Socotoragesandthaben,  um  die  Aloe-Produktion  zu  heben1),  Dioscorides 

Die  h|-T  kTteU  m.ehrere  S°rten’  S0  wie  auch  Verfärbungen  der  Aloe. 
Die  arabischen  Aerzte  des  IX.  Jahrhunderts,  auch  Edrisi  im  XII  Jahr- 

die  A'06  V0“  S0“tora  * a.S  die  a^che 


7)  Heu  gl  in  in  Petermanns  geogr.  Mitthlgn.  IV.  S.  149. 
Flückiger,  Pharmakognosie. 


aus 


Wird  von  anderen  bezweifelt. 
8 


114 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structnr. 


Die  Aloe  der  Bibel  jedoch  ist  keineswegs  unsere  Droge,  sondern  ver- 
muthlich  das  äusserst  harzreiche  lieblich  riechende  Holz  von  Aquilaria 
Agullocha  Roxburgh,  eiuem  grossen  Baume  im  Gebirge  von  Cochinchina, 
Assam,  Silbet  und  Laos.  Das  Holz,  Lignnm  Aloes,  s>.  Agallochi,  ist  noch 
jetzt  besonders  in  China1)  sehr  hoch  geschätzt.  Auf  eben  dasselbe  bezieht  ■ 
sich  z.  B.  auch  die  Aloe,  welche  der  Veuetiauer  Nicolo  Conti  (vergl.  bei 
Piper  nigrum)  im  XV.  Jahrhundert  in  Aunam  in  Hinteriudieu  traf. 

Gambir. 

Catechu  pallidum.  Extractum  Uncariae.  Gutta  Gambir.  Katagamba.  Terra 

japonica.  Gambir-Catechu.  Gambir-Extract.  Cachou  clair.  Gambir. 

Pale  catechu. 

Uncäria2)  Gambir  Roxburgh.  — Rubiaceae-Cinchoneae. 

Syn:  Nauclea  Gambir  Hunter. 

Die  Gambirpflauze  ist  ein  mit  Hülfe  der  zuletzt  in  kurze  hakenförmige 
Rauken  umgewandelteu  Bliitheustiele  hoch  kletternder  Strauch  der  indischen 
Inselwelt.  Er  findet  sich  auf  Ceylon  (sehr  häufig  bei  Colombo,  Deltotte, 
Dumbera)  aber  vorzüglich  auf  Sumatra,  an  der  Küste  von  Malacca  und  den 
benachbarten  Inseln,  z.  B.  Pulo  Pinang,  Battarn,  Lingga,  Da  er  mit  dem 
schlechtesten  Boden  vorlieb  nimmt  und  seine  Blätter  zur  Düngung  der 
Pflanzungen  von  Chavica  (Piper)  Betle  werthvoll  sind,  so  wird  der  Strauch 
auch  viel  und  mit  leichter  Mühe  angebaut,  so  ganz  besonders  um  Rhio  auf 
der  Insel  Biutang  südöstlich  von  Singapore,  wo  es  etwa  GO, 000  Pflanzungen 
der  Uncaria  gibt. 

Ihre  zahlreichen  abstehenden  gedrungenen  Aeste  tragen  gegenständige 
* lederige  und  glänzend  dunkelgrüne  spitzeiförmige  Blätter  mit  uugetheiltem 
Rande.  Aus  den  Blattwinkeln  brechen  kurze,  einzelne  gegliederte  und  mit 
4 sehr  kleinen  Deckblättchen  versehene  Blüthenstiele  hervor,  an  deren 
Ende  die  zahlreichen  schön  rotheu  Blümchen  zu  einem  kugeligen  Köpfchen 
gedrängt  stehen.  Bei  Singapore  lässt  man  den  Gambirstrauch  nicht  klet- 
tern und  ins  Holz  schiessen,  sondern  zwingt  ihn  durch  Zurückbiegung,  sich  \ 
seitlich  mehr  zu  entwickeln  und  möglichst  viele  Blätter  zu  treiben. 

Drei  bis  vier  Male  im  Jahre  werden  die  letzteren  so  wie  die  jüngeren  Triebe  : 
gebrochen,  in  eisernen  Kesseln  ausgekocht  und  der  klar  abgegosseue  Saft 
eingedampft,  bis  er  beim  Erkalten  eine  gewisse  körnig-gallertartige  Kon- 
sistenz zeigt,  worauf  er  nach  dem  Abkühlen  in  würfelförmige,  meist  unge-  \ 
fahr  0,03  grosse  Stücke  geschnitten  wird,  welche  man  im  Schatten  trock- 
net.  Diese  leichten  zcrreiblieheu  Würfel  sind  äusserlich  matt  rothbraun, 
von  körniger  Oberfläche  oder  von  Eindrücken  eines  Gewebes  gezeichnet, 
im  Innern  von  hell  gelblicher  Färbung.  Die  besseren  der  zahlreichen  Sorten 


1)  üanbury , Chinese  raat.  mcdica.  London  18G2.  pag.  35. 

2)  Uucus  der  Haken. 


Gambir. 


115 


dieses  Extractes  bilden  lose  Stücke  und  erweisen  sich  unter  dem  Mikroskop 
durch  und  durch  als  aus  kurzen,  in  polarisirtem  Lichte  lebhaft  farbigen 
Krystalluädelchen  bestehend.  Geringeren  Sorten,  zu  deren  Gewinnung  die 
ganze  Pflanze  genommeu  wird  und  deren  Stücke  mehr  zusaramenbacken, 
soll  auch  Sago  zugesetzt  werden.  In  sehr  wenig  heissem  Wasser,  nicht  in 
kaltem,  lösst  sich  das  Gambir  völlig  zu  einer  bräunlichen  etwas  trüben  uud 
dicklichen,  nur  wenig  oder  gar  nicht  Lakmus  röthenden  Flüssigkeit  vou 
adstriugirendem  und  zuletzt  süssem  Geschmacke  auf.  Sie  gibt  mit  Salzen 
des  Eisenoxyds  unter  Reduction  desselben  zu  Oxydul  einen  sehr  reichlichen 
grünen,  in  braun  übergehenden  Niederschlag  und  vermag  in  alkalischen 
Kupferlösungen  ein  rotlies  Pulver  auszuscheiden,  das  jedoch  nicht  Oxydul  zu 
sein  scheint.  Die  Krystalle,  welche  fast  ausschliesslich  das  Gambir  bilden,  kön- 
nen leicht  rein  erhalten  werden,  wenn  das  letztere  zuvor  mit  kaltem  Wasser 
erschöpft  wird.  Der  Rückstand  gibt  aus  3 bis  4 Theilen  heissem  Wasser 
krystallisirt  farblose  feine  weiche  Nadeln  von  gewässertem  Catechin  (Ca- 
techusäure,  Deutocatechusäure),  die  über  Yitriolöl  getrocknet  nach  Kraut 
und  van  D elden  der  Formel  012H1205  -+-  2H20  entsprechen1).  Durch 
geeignete  Behandlung  mit  Säuren  erleidet  das  (entwässerte)  Catechin  keine 
tiefere  Spaltung,  sondern  verliert  einfach  H2G  und  geht  in  braunes  amor- 
phes Catechuretin  über.  Wässerige  Catechinlösung  fällt  weder  die  Leim- 
auflösung, noch  Brech Weinstein  oder  die  Alkaloide,  hingegen  geschieht 
wenigstens  das  erstere,  nachdem  das  Catechin  sehr  anhaltend  mit  Wasser 
gekocht  worden.  Dem  Gambir  entzieht  kaltes  Wasser  einen  leimfällenden 
eisengrünenden  Gerbstoff,  die  noch  nicht  genauer  gekannte,  weil  schwer  vou 
Catechin  zu  trennende  Catecliu  gerb  säure,  in  welcher  Neubauer 
0855)  ein  Zersetzungsprodrukt  des  Catechins  vermuthet.  Dieser  Gerbstoff 
ist  ebenso  wenig  eine  gepaarte  Zuckerverbindung  wie  das  Catechin  selbst. 
Bei  der  trockenen  Destillation  des  Gambir  liefert  das  Catechin  (wie  übrigens 

neu«  ^ianclie  andere  Stoffe)  Brenzcatechin  (Pliänsäure,  Pyrocatecliin ) 
G H^O  . Sehr  schönes  Gambir  in  in  regelmässigen  Würfeln  gab  mir  beim 
Verbrennen,  das  nur  langsam  vollständig  erfolgt,  2,6  pC.  Asche,  welche 
vorwiegend  aus  Magnesia-  und  Kalk -Carbonat  bestand.  — Bestätigt  sich 
das  Vorkommen  des  Chinovins  (vergl.  unter  Cort.  Chinae)  in  den  Nauclea- 
(Uucana-)  Arten  ),  so  müsste  sich  dasselbe  auch  im  Gambir  finden. 

Das  Gambir  scheint  in  Indien  schon  seit  langer  Zeit  in  mannigfaltigen 
Formen  dargestellt  zu  werden,  da  es  mit  den  Blättern  von  Chavica  (Pi- 
per L.)Betle  Miquel  und  den  Früchten  der  Areca  Catechu  im  ausgedehn- 
testen Masse  gekaut  wird  (Betelhappen  oder  Betelkauen).  Unter  dem  Namen 
Latta  Gamba  ist  auch  das  Gambir  neben  dem  schon  früher  bekannten 
Catechu  seit  dem  XVII.  Jahrhundert  nach  Europa  gelaugt  und  zu  Anfang 
es  vorigen  Jahrhunderts  m den  Arzneischatz  eingeführt  worden;  es  findet 

2 ITv  H?aretVie“  H18  °8  wasserfreien  Zustande. 

) de  Vrij.  Pharm.  Journ.  u.  Tr.  VI.  pag.  19. 


8* 


116 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Strnctur. 


jedoch  jetzt  eine  ungleich  grossartigere  Verwendung  in  der  Gerberei  und 
Färberei.  Singapore,  der  Hauptplatz  für  Gambir,  verschiffte  davon  z.  B. 
ira  Jahre  1863  nicht  weniger  als  272,000  Pikuls  (1  Pikul  = 61,5  Kilogr.), 
wovon  England  über  die  Hälfte  nahm. 

Uncaria  acida  Roxburgh  (Nauclea  Hunter),  den  gleichen  Gegenden 
angehörig,  wie  U.  Gambir  und  derselben  sehr  ähulich,  besitzt  grössere,  bis 
0,1 5 m lange  scharf  zugespitzte  und  derb  geaderte  Blätter,  welche  wie  es 
scheint  in  ganz  gleicher  Weise  zu  Gambir  verarbeitet  werden  können. 


Catechu. 

Catechu  nigrum.  Terra  japonica1)  Extractum  s.  succus  Catechu.  Catechu. 

Pegu-Catechu.  Kutsch.  Cachou.  Terre  du  Japon.  Black  Catechu.  Cutch. 

Acacia  Catechu  Willdenow.  — Mimoteae. 

Syn.:  Mimosa  Catechu  L.  fil. 

Die  Catechu-Acacie,  ein  hoher  oder  oft  etwas  verkrüppelter  Baum  mit 
mächtiger,  sehr  reichblätteriger  Krone  und  rothbrauner,  herbe  schmeckender 
Rinde,  wächst  in  vielen  Gegenden  Indiens,  besonders  auf  den  Gebirgen  von 
Coromandel,  auf  Ceylon,  in  Bengalen,  in  Pegu  (Hinterindien),  von  wo  jetzt 
das  Catechu  hauptsächlich  ausgeführt  wird. 

Zur  Darstellung  der  Droge  dient,  mit  Ausschluss  des  wenig  gefärbten 
Splintes,  das  harte  dunkelbraune  bis  schwärzliche  Kernholz,  welches  klein 
geschnitten  ausgekocht  wird.2)  Das  eingedampfte  Extract  wird  auf  Blättern 
völlig  ausgetrocknet  und  in  sehr  grossen , centuerschweren  Klumpen  oder 
Blöcken,  in  Matten  eingeschlagen,  in  den  Handel  gebracht,  welche  von  oft 
sehr  zahlreichen  Blättern  durchsetzte  dichte  schwere  Massen  darstellen 
oder  stengelige  Schichtung,  oft  mit  Hohlräumen,  darbieten. 

Die  Substanz  selbst  bricht  grossmuschelig  glänzend,  scharfkantig  oder 
etwas  körnig  und  zeigt  sehr  dunkel  schwarzbraune,  stellenweise  rötliliche 
oder  leberartige,  selbst  in  diinnsteu  Splittern  nicht  durchscheinende  Farbe. 
Entweder  kommen  kleinere  Blasen  vor  oder  die  Masse  ist  völlig  gleichartig 
dicht,  in  keinem  Falle  aber  deutlich  krystallinisch.  Selbst  das  polarisirte 
Licht  verräth  keine  solche  Structur. 

In  warmem  Wasser  zergeht  das  Catechu  allmälig,  aber  erst  beim  Kochen 
wird  der  grösste  Theil  zu  einer  etwas  trüben  im  durchfallenden  Lichte 
nicht  sehr  tief  brauurothen  Flüssigkeit  von  sehr  schwach  saurer  Reaktion 
und  adstringirendem,  dann  süsslichem  Geschmacke  gelöst. 

Auch  Weingeist  löst  den  grössten  Theil.  Eisenchlorid  fällt  die  Auf- 
lösungen, besonders  die  weingeistige  dunkel  brauugrüu;  verdünnte  Säuren 


1)  gewöhnlicher  wird  jetzt  unter  Terra  japonica  das  Gambir  verstanden. 

2)  daher  die  hindostanische  Bezeichnung  cat-chu  = Baumsaft,  woraus  auch  wohl  cassu 
cutch,  wie  das  Catechu  noch  heisst. 


Catecliu. 


117 


erzeugen  in  der  wässerigen  Lösung  einen  weit  geringeren  Niederschlag,  als 
dies  bei  Kino  der  Fall  ist. 

Im  ungelösten  Rückstände  des  Catechus  zeigt  das  Mikroskop  zahlreiche 
Pflanzenreste,  auch  Krystalle  von  Kalk oxalat,  aber  keine  Stärkekörner, 
sondern  nur  wenige  braungefärbte  Körner,  vermuthlich  Chlorophyll. 

Das  Catechu  gibt  an  Aether  neben  einer  geringen  Menge  chlorophyll- 
artiger Substanz  ziemlich  reines  Catechin  oder  Catechusäure  (vergl. 
bei  Gambir)  ab,  während  in  der  Mutterlauge,  die  sich  mehr  und  mehr 
röthlichbraun  färbt,  eine  die  filtrirte  Lehnlösung  fällende  Substanz  enthalten 
ist.  Man  vermuthete  darin  früher  eine  eigene  Gerbsäure,  Catechu- 
gerbsäure,  aus  welcher  sich  das  Catechin  in  ähnücher  Weise  bilden 
sollte,  wie  die  Gallussäure  aus  dem  Galläpfelgerbstoffe.  Neubauer  (1855) 
zeigte  jedoch , dass  sich  weder  durch  Aether  eine  Gerbsäure  dem  Catechu 
entziehen  noch  durch  Säuren  aus  dessen  wässeriger  Lösung  fällen  lässt  und 
dass,  entgegen  der  bisherigen  Vorstellung,  gerade  umgekehrt,  das  farblose 
Catechin  sich  durch  sehr  lange  anhaltendes  Kochen  seiner  Auflösung  in 
eine  leimfällende  Substanz  verwandelt,  welche  ungefähr  das  Aussehen  des 
Catechu  besitzt. 

Die  Zusammensetzung  des  Catechu  stimmt  also  im  wesentlichen  über- 
ein mit  derjenigen  des  Gambir,  aber  mit  dem  Unterschiede,  dass  in  letzterem 
das  Catechin  bei  weitem  vorwaltet  und  in  krystallisirter  Form  vorhanden 
ist.  Wahrscheinlich  ist  das  im  frischen  Safte  der  Acacia  Catechu  auch  der 
Fall,  aber  durch  die  grössere  Hitze,  welcher  dasselbe  beim  Einkochen  aus- 
gesetzt wird,  büsst  das  Catechin  die  krystallinische  Form  ein  und  geht  auch 
zum  Theil  in  den  als  Catechugerbsäure  bezeichneten  Stoff  über. 

Ohne  Zweifel  hängt  die  Amorphie  des  Catechins  auch  mit  dem  Verluste 
des  Krystall wassers  zusammen;  wenigstens  gibt  das  vermittelst  Aether  der 
Droge  entzogene  Catechin  erst  bei  Behandlung  mit  Wasser  Krystalle  und 
anderseits  verwandelt  sich  das  käufliche  Catechu  bei  der  Digestion  mit 
wenig  Wasser  in  eine  nach  dem  Erkalten  durch  und  durch  krystallisirte 
Masse  vom  Aussehen  des  Gambir,  wenn  sie  durch  das  Mikroskop  betrachtet 
wird.  Nach  Kraut  u.  van  Delden  verbindet  sich  in  der  That das  Catechin 
in  mehreren  Verhältnissen  mit  (Krystall-)  Wasser. 

Zucker  fehlt  im  Catechu.  Die  Angabe  von  Sacc,  dass  daraus  durch 
Erwärmen  mit  verdünnter  Schwefelsäure  37  pC.  Zucker  erhalten  würden, 
scheint  sich  lediglich  auf  das  Catechuretin  (vergl.  bei  Gambir)  zu  beziehen. 
Wie  bei  Kino  erwähnt,  ist  aber  das  Catechu  im  Stande,  reichlich  Phloro- 
glucin  zu  liefern. 

Mit  dem  Catechu  stimmt  nicht  nur  das  Gambir  überein,  sondern  auch 
mehrere  andere  Extracte  verschiedener  Pflanzen.  Zunächst  scheinen  noch 
einige  der  Acacia  Catechu  nahestehende  Arten  ein  gleiches  oder  sehr  ähn- 
liches Produkt  zu  liefern.  Ferner  die  prachtvolle  Areca- Palme,  Areca 
Catechu  L.,  deren  Früchte  reich  an  Catechin  sind  und  unter  dem  Namen 
Betelnüsse  einen  sehr  grossartigen  Handelsartikel  Indiens,  vorzüglich  au 


118 


I.  Pflanzenstoffe  ohne  organische  Structur. 


der  Südspitze  Vorderindiens  (Travancore) , bilden.1)  So  unentbehrlich 
sie  den  Ostasiaten  beim  Betelhappen  sind,  so  gelangen  weder  diese  Areca- 
nüsse,  noch  ein  Präparat  derselben  auf  den  europäischen  Markt.  Nach 
Pereira  ist  ein  daraus  bereitetes  Extract  (Cassu)  krystallinisch  wie  Gainbir. 

Diese  und  zahlreiche  andere  catechinhaltige  Extracte,  welche  als  Genuss- 
mittel und  Farbstoffe  in  Indien  von  jeher  viel  benutzt  werden,  scheinen 
zuerst  durch  die  Portugiesen  nach  Europa  gelangt  zu  sein.  Um  die  Mitte 
des  XVI.  Jahrhunderts  wird  Catechu  zuerst  von  Garcia  d’Orta  bestimmter 
erwähnt.  Im  XVII.  Jahrhundert  gelangte  schon  das  jetzt  bei  uns  fast  aus- 
schliesslich gebrauchte  Produkt  aus  Pegu  nach  Europa,  bisweilen  allerdings 
auf  kurze  Zeit  (z.  B.  1816  und  1835)  durch  Gambir  oder  andere  Catechu- 
sorten  verdrängt. 


Kino. 

Pterocärpus  Marsupium  Martius.  — Papilionaceae-Dalbergieae. 

Hoher  schlanker  Baum  mit  aussen  brauner,  innen  rother  faseriger  Rinde 
von  adstringirendem  Geschmacke,  welcher  in  den  Wäldern  der  Malabar- 
Küste,  so  wie  in  den  Circar-Bergeu  (mittlere  Ostküste  Vorderindiens),  auch 
auf  Ceylon  und  in  Hinterindien  wächst.  • 

In  Folge  von  Einschnitten  fliesst  aus  der  Rinde  ein  schön  dunkelrother 
aromatischer  Saft2),  welcher  eingetrocknet  und  von  der  Malabarküste  in 
den  Handel  gebracht,  das  jetzt  am  meisten  verbreitete  Kino  darstellt.  Es 
heisst  auch  wohl  sonderbarerweise  Amboina-Kino. 

Die  Waare  besteht  aus  kleinen  dunkel  schwarzrothen  eckigen  Stückchen, 
welche  leicht  in  glänzende  scharfkantige  rothbraune  vollkommen  durchsich- 
tige und  unter  dem  Mikroskop  amorphe  Splitter  zerspringen.  In  kaltem  W asser 
sinken  sie  unter  und  lösen  sich  nur  zum  geringeren  Theil  zu  einer  trübe  brauu- 
rothen  nicht  sauren  Flüssigkeit  von  zusammenziehendem  zugleich  etwas 
süsslichem  Geschmacke;  der  Rückstand  klebt  etwas  zusammen.  Weingeist 
und  kochendes  Wasser  bewirken  fast  vollständige  Auflösung  von  äusserst 
gesättigt  rubinrother  Farbe  und  saurer  Reaktion.  Beim  Erkalten  der  Lö- 
sung in  heissem  Wasser  erfolgt  Trübung,  auch  die  w'eingeistige  Tiuctur  ge- 
steht bisweilen  durch  Ausscheidung  eines  vermuthlich  pektinartigen  Stoffes. 

Schon  der  kalte  wässerige  Auszug,  noch  weit  reichlicher  die  Auflösun- 
gen des  Kino  werden  durch  Metallsalze  stark  gefällt.  Eisenchlorid  gibt 
einen  schmutziggrünen  Niederschlag,  verdünnte  Mineralsäure  und  Alkalien 
erzeugen  keine  wesentliche  Farbenveränderung,  erstere  aber  eine  reichliche 
hell  braunröthliche  Füllung  vou  Kinogerbsäure.  Die  beschriebene  Kino- 
sorte bei  100°  getrocknet,  gibt  nur  1,3  pG.  Asche;  Zucker  ist  in  der  Waare 
nicht  nachzuweisen. 


*)  vorgl.  darübor  Ausland  1864  und  daraus  in  Büchners  Repertor.  XIII.  S.  310  — 320. 

2)  er  gelangt  neuerdings  auch  ganz  frisch  und  unverändert  in  den  englischen  Handel. 


Kino. 


119 


Die  Kinogerbsäure,  auf  oben  erwähnte  Weise  dargestellt,  ist  keine  reine 
Substanz;  sie  gibt  bei  der  trockenen  Destillation  wie  überhaupt  die  eisen- 
grünenden Gerbstoffe  keine  Pyrogallsäure , sondern  Brenzcatechin  (vergl. 
S.  1 1 5).  Das  durch  Säuren  niedergeschlagene  Gemenge  enthält  vielleicht 
auch  Catechugerbsäure. 

Die  Kinolösungen  nehmen  nach  Ger  ding  Sauerstoff  auf  und  scheiden 
Kinoroth  (Kinosäure)  ab,  welches  nach  Hennig  aus  einem  ursprüng- 
lich ungefärbten  Stoffe  entsteht,  wie'  denn  auch  der  frische  Saft  des  Baumes 
nur  schwach  röthlich  sein  soll. 

Aether  nimmt  aus  Kino  kleine  Mengen  Brenzcatechin  auf,  welche  E iss- 
feldt  erst  bei  der  Darstellung  des  käuflichen  Kino  entstanden  glaubt.  Die 
Quelle  dieses  Brenzcatechins  kann  wol  keine  andere  sein,  als  Catechin,  das 
im  Kino  vorhanden  sein  muss. 

Merkwürdigerweise  ist  aber  das  Catechin,  das  im  Gambir  so  ausgezeich- 
net krystallisirt  enthalten  ist,  im  Kino  amorph,  vielleicht  nur  in  Folge  der 
höheren  Temperatur,  welcher  der  Saft  beim  Eindampfen  ausgesetzt  wird. 

Das  Catechin  gibt,  wie  Hlasiwetz  (1865)  gezeigt  hat,  beim  Schmel- 
zen mit  Kalihydrat  Protocatechusäure  und  Phloroglucin  O6Hfi0ä,  einen  in 
Aether  löslichen,  gut  krystallireuden  und  sublimirbaren  Zucker,  dessen  Lö- 
sung isich  mit  Eisenchlorid  tief  violett  färbt.  Im  Kino  hat  nun  derselbe 
Chemiker  bei  gleicher  Behandlung  eine  ergiebige  Quelle  des  Phloroglucins 
erkannt.  Das  Kino  muss  demnach  in  ansehnlicher  Menge  Catechin  enthalten. 

Das  Kino  wurde  zuerst  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  aus  Sene- 
gambien  nach  Europa  gebracht,  stammt  jedoch  hier  von  Drepanocarpus 
senegalensis  Nees  (Pterocarpus  eriuaceus  Lamarck),  einer  dem  malabarischen 
Kinobaume  verwandten  Art.  Dieses  ursprüngliche  afrikanische  Kino  ist 
läugst  aus  dem  Handel  verschwunden  und  der  Name  auf  zahlreiche  andere 
freiwillig  ausfliessende  und  erhärtende,  oder  aber  durch  Einschnitte  oder 
durch  Auskochen  gewonnene  ähnliche  Produkte  übertragen  worden.  Das 
oben  beschriebene  malabarische  ist  jetzt  fast  ausschliesslich  im  Handel. 

Früher  fand  sich  auch  in  grösseren,  weniger  brüchigen,  etwas  blasigen 
und  mehr  braunen  als  röthlicheu  Massen  das  Kino  von  Jamaica,  das 
Extract  des  Holzes  von  Coccoloba  uvifera  L.,  welcher  ansehnliche  Baum 
aus  der  Familie  der  Polygoneae  in  Westindien  und  dem  benachbarten  Fest- 
lande Südamerikas  zu  Hause  ist.  Die  chemischen  Eigenschaften  dieses 
amerikanischen  Kino  sind  nicht  ermittelt.  Ich  finde  es  ebenfalls  amorph. 

Mit  dem  Pterocarpus-Kino  ist  das  beug ali che  oder  Butea-Kino  nicht 
zu  verwechseln.  Es  stammt  von  Butea  frondosa  Roxburgh  (Erythrina 
raonosperma  Lamarck),  einem  kleinen  ostindischen  Baume  aus  der  Familie 
der  Papilionaceae-P haseoleae.  Dieses  Butea-Kino  besitze  ich  aus  der  Ditt- 
r ich  sehen  Sammlung  in  Prag  in  kleinen  schwach  glänzenden  Tropfen  von 
schwarzer  Farbe,  denen  noch  Kork-  und  Blattstückchen  anhafteu.  An 
kochendes  Wasser  treten  diese  Körner  oder  Thränen  keinen  gefärbten  Stoff 
ab,  quellen  aber  auf.  Mit  Kalilauge  verwandeln  sie  sich  sofort  in  eine  schön 


120 


I.  Pfliinzeustoftc  ohne  organische  Structur. 

carminrothe  Gallerte,  die  sicli  mit  Wasser  zu  einer  flockigen  Lösung  ver- 
dünnen lässt.  Feine  Splitter  des  Butea-Kiuo  färben  sich  mit  Eisenvitriol 
nicht  blau,  sondern  grün. 

Die  bei  Manna  erwähnte  australische  Eucalyptus  resimfera  liefert 
ebenfalls  in  sehr  grosser  Menge  einen  als  Kino  bezeichnten  Saft,  der  früher 
gelegentlich  auch  nach  Europa  gebracht  wurde.  Er  scheint  wohl  nur  ein 
mit  Farbstoff  gemengtes  Gummi  zu  sein,  wie  das  Butea-Kino. 

Die  sogenannte  Kinogerbsäure  verhält  sich,  wenigstens  zu  Blei-  und 
Eisensalzen , nicht  anders  als  die  Gerbsäure  der  Ratanhia,  daher  ein  Zu- 
satz von  Kino  zu  dem  theueren  Extracte  jener  Wurzel  (siehe  hei  Radix  Ra- 
tanhiae)  nicht  auszumitteln  ist.  Das  Extract.  Ratanhiae  gibt  an  kaltes  Was- 
ser nur  sehr  wenig  ab  und  lässt  sich  hierdurch  am  einfachsten  unterschei- 
den. Es  ist  auch  bei  weitem  weniger  dunkel  schwarzroth,  mehr  braunroth 
und  matt. 


Lycopodium. 


121 


Zweite  Classe. 

Stoffe  yon  zeitigem,  aber  erst  durch  das  Mikroskop 

erkenn  barem  Hau. 


Lycopodium. 

Semen  Lycopotlii.  Sporae  Lycopodii.  Bärlappsamen.  Hexenmehl.  Streu- 
pulver. Trockenpulver.  Zäpfchenmehl.  Blitzpulver.  Lycopode. 

Lycopodium  clavatum  L.  — Lycopodiaceae. 


Der  Bärlapp  wächst  häufig  auf  Haiden  und  Gebirgen  (bis  zu  6000  Fuss 
ansteigend)  im  mittleren  und  nördlichen  Europa  (bis  Island),  Nordamerika 
und  Asien,  doch  nur  stellenweise  in  grosser  Menge.  — Das  nahe  verwandte 
Lycopodium  annötinum  geht  bis  Grinnell-Land  im  höchsten  Norden  (80°  N. 
Bi.).  Das  Lycopodium  wird  hauptsächlich  in  Russland,  Deutschland  und 
der  Schweiz  (Eminenthai.  Entlebuch)  gesammelt. 

Es  ist  der  staubförmige  Inhalt  der  in  den  F ruchtästen  den  Deckblättern  an 
der  innern  Seite  aufgewachsenen  nierenförmigen  in  2 Klappen  aufspringen- 
den Kapseln  (Sporangien)  und  wird  im  Juli  und  August  durch  Absieben  ge- 
wonnen; durch  häufiges  Fehlschlagen  fallen  aber  die  Ernten  von  Jahr  zu 
Jahr  der  Menge  nach  sehr  verschieden  aus. 


Eine  Weiterentwickelung  des  Lycopodiums  ist  noch  nicht  völlig  nach- 
gewiesen; es  scheint,  als  bilde  sich  daraus,  wie  aus  den  Sporen  der  Farne 

ein  or  eim.  Anderseits  stimmt  hingegen  die  Form  des  Lycopodiums  mehr 
mit  den  Antheridien  der  Selaginellen  überein,  welche  den  Lycopodien  so 
nahe  stehen  aber  zweierlei  Sporen  tragen,  (wovon  die  kleineren  die  Anthe- 
ridien enthalten)  während  Lycopodium  nur  einerlei  hat. 

Feines  sehr  bewegliches  geruch-  und  geschmackloses  Pulver  von  blass- 
ge  ber  Farbe,  auf  Wasser  schwimmend,  aber  nach  dem  Kochen  darin  unter- 

Abreibe»  wird  es  locker,  nimmt  allmälig  eine 
grauliche  Farbe  an  und  lässt  sich  jetzt  mit  Wasser  mischen.  Es  ist  wenig 

S1SC h UQd  verliert  bei  100°  nur  4 pC.  Feuchtigkeit.  Langsam  er 

Bh  h rb^enQ.t  ,eS  ruh,g ; ln  die  Flamme  geblasen  aber  mit  Explosion,  wie  dies 
überhaupt  mit  besonderer  Struktur  versehene  pulverförmige  Körper“ 


122 


II.  Stoffe  von  zeitigem,  erst  durch  das  Mikroskop  erkennbarem  Bau. 


Die  starken  Hüllen  des  Lycopodiums  veranlassen 
blitzähnliches  Zerplatzen. 


jedoch  ein  sehr  heftiges 


Unter  dem  Mikroskop  erscheint  das  Lycopodium  als  durchweg  gleich 
grosse  Körner  von  3 5 Mikromillimeter  Durchmesser,  von  4 Flächen  begränzt 
c eren  eine  (che  Basis)  stark  gewölbt  ist,  während  die  3 andern  flacheren  in 
einem  scharfen  Ecke  Zusammentreffen,  von  welchem  drei  gefurchte  Kanten 
nicht  ganz  bis  zur  Basis  herabgehen.  Diese  tetraedrischen  Körner  sind  durch 
Verdickung  der  äusseren  Membran  mit  linienförmigen  Erhöhungen  (Leisten) 
überstrickt,  welche  durch  ihre  Kreuzungen  weite  5 oder  6 seitige  ziemlich 
regelmässig  Maschen  bilden.  An  den  Durchschuittspuukten  entstehen  kleine 
i lölmngen,  welche  den  Körnern  bei  schwächerer  Vergrösserung  ein  gewim- 
pertes  Aussehen  geben. 

Untei  diesem  Netzwerke  liegt  eine  gelbe  zusammenhängende  dünne 
aber  sehr  feste  Hülle.  Ein  besonderer  Inhalt  der  Körner  des  Lycopodiums 
lasst  sich  nicht  erkennen;  beim  Zerreiben  treten  Oeltropfen  aus.  Die  gelbe 
Hülle  besitzt  eine  bedeutende  Widerstandskraft,  indem  sie  weder  durch 
kochendes  Wasser,  noch  durch  Kalilauge  gesprengt  wird.  Concentrirte 
Schwefelsäure  wirkt  in  der  Kälte  selbst  nach  mehreren  Tagen  nicht  ein, 
durchdringt  aber  die  Körner  sofort  und  macht  sie  vollkommen  durchsichtig. 
Concentrirte  Salzsäure  bewirkt  rascher  eine  Zertrümmerung  der  Körner. 
Weder  Jodziuk  noch  Schwefelsäure  und  Jod  färben  das  Lycopodium  blau; 
kocht  man  es  zerrieben  anhaltend  mit  \\  asser  oder  digerirt  man  es  mit  ver- 
dünnte! Salzsäure  oder  mit  Chlorcalcium,  so  geben  die  Filtrate  mit  Jod 
keine  blaue  Färbung.  Das  Lycopodium  enthält  demnach  kein  Amylnm. 
dagegen  nach  Bucholz  und  nach  Rebling  1V2— 3 pC. Zucker  und  6 pC. 
fettes  Oel.  Das  als  Hauptbestandtheil  aufgeführte  „Pollenin“  ist  nicht  hin- 
länglich charakterisirt  und  von  Cellulose  unterschieden  worden.  Durch 
trockene  Destillation  des  Lycopodiums  mit  oder  ohne  Alkali  erhielt  Sten- 
house  flüchtige  Basen  und  Muspratt  Essigsäure.  — Die  Asche  ist  nicht 
alkalisch  und  enthält,  wie  auch  das  Kraut  der  Pflanze,  Thonerde,  so  wie 
1 pC.  Phosphorsäure.  Die  Form  des  Lycopodiums  ist  so  eigenthümlich,  dass 
es  durch  das  Mikroskop,  von  jedem  anderen  Körper  bestimmt  zu  unter 
scheiden  ist.  Nur  die  dem  Lycopodium  clavatum,  auch  in  der  Grösse,  nahe 


stehenden  Arten  des  Bärlapps  können  ein  ähnliches  Produkt  liefern,  das 


aber  ohne  Bedenken  gleich  verwendet  werden  darf.  Höchstens  die  Körner  des 
Lycopodium  complanatuni  L.  stimmen  ganz  mit  deneu  des  L.  clavatum 
überein;  die  der  andern  können  trotz  der  gleichen  Grundgestalt  doch  unter- 
schieden werden.  So  sind  die  von  L.  annötinum  L.  etwas  kleiner  oder 
gleich  gross,  aber  mit  weiteren  rundlichen  Maschenräumen  versehen ; die  von 
L.  inuudatum  L.  bis  50  Mikromillimeter  gross  und  nur  undeutlich  tetrac- 
drisch,  mehr  rund;  die  Körner  von  L.  Selago  L.  meist  noch  grösser,  doch 
sehr  ungleich,  von  35  bis  65  Mikromillimeter  und  von  wellenförmiger,  nicht 
netzartiger  Oberfläche.  Die  Körner  des  L.  alpinum.  fast  deneu  des  L.  clava- 
tum ähnlich,  sind  nur  weniger  deutlich  tetraedrisek.  — Aber  nur  L.  com 


Glandulae  Lupuli. 


123 


planatum  und  L.  annotinum  sind  so  gross,  dass  sie  eine  lohnende  Ausbeute 
geben  können;  die  übrigen  genannten  Arten  sind  klein  und  dürften  schwer- 
lich irgendwo  auf  „Lycopodium“  benutzt  werden.  Bei  Lycopodium  Selago 
ist  es  nicht  wohl  denkbar,  weil  diese  Art  eine  besondere  Fruchtähre  nicht 
besitzt  und  daher  immer  nur  einige  wenige  Kapseln  gleichzeitig  zur  Reife 
gelangen. 

Jede  Beimischung  fremdartiger  Dinge  lässt  sich  durch  das  Mikroskop 
sicher  auffinden;  ausserdem  würden  Amylum  und  Dextrin  mit  Hülfe  der 
bekannten  Reactionen  zu  erkennen  sein,  anorganische  Beimengungen  (Gyps, 
Magnesia,  Schwefel,  Kalk)  dadurch,  dass  sie  in  Chloroform  zu  Boden  sinken, 
während  das  Lycopodium  sich  auf  die  Oberfläche  erhebt,  oder  durch  die 
Einäscherung.  Gute  käufliche  Waare  hinterlässt  ungefähr  4 pC.  Asche.  Der 
Blüthenstaub  (Pollen)  phanerogamiscker  Pflanzen  sieht  auf  den  ersten  Blick 
dem  Lycopodium  sehr  ähnlich,  fühlt  sich  aber  rauh  an,  zeigt  oft  Geruch  und 
hat  immer  einen  ganz  abweichenden  Bau  je  nach  seiner  Abstammung,  der 
ihn  unter  dem  Mikroskop  stets  von  Lycopodium  unterscheiden  lässt.  So  be- 
steht der  leicht  zu  beschaffende  Blüthenstaub  von  Pinus  sylvestris  aus  zwei 
dunkeln  Kugeln,  welche  durch  eine  hellere  Ellipse  verbunden  sind,  der  von 
Corylus  Avellana  bietet  unter  der  dünnen  äusseren  Membran  gleichsam 
einen  dreistahligen  gelben  Kern  dar. 

Das  Vorkommen  und  die  Einsammlung  des  Lycopodiums  bringen  übri- 
gens unvermeidlich  eine  sehr  geringe  Beimengung  von  Erde  und  Pflanzen- 
fragmenten mit  sich. 

Als  Hausmittel  war  das  Lycopodium  wohl  schon  sehr  lange  im  Gebrauche, 
bevor  es  im  Mittelalter  in  allgemeinere  Aufnahme  kam. 

Glandulae  Lupuli. 

Lupulin.  Hopfenmehl.  Hopfendrüsen.  Hopfenstaub.  Lupuline.  Hop  glands 

or  grains.  Lupulinic  grain. 

Abstammung  bei  Strobili  Lupuli. 

Die  gelben  glänzenden  Drüsen , welche  in  den  weiblichen  Blüthen-  oder 
Fruchtständen  des  Hopfens,  wie  bei  Strobili  Lupuli  angegeben,  Vorkommen 
und  daraus  durch  Absieben  gewonnen  werden. 

Das  Hoptenmehl  bildet,  in  Masse  gesehen,  ein  braungelbes,  nur  Anfangs 
| klebendes  I ulver,  das  von  Wasser  erst  allmälig  benetzt,  von  Aether  und 
Weingeist  sogleich,  nicht  aber  von  Kali  und  concentrirter  Schwefelsäure 
durchdrungen  wird. 

Es  besteht  aus  lauter  einzelnen,  ziemlich  gleichartigen  eiförmigen,  140 
bis  240  Mikromillimeter  messenden  Säckchen,  welche  eine  trübe  dunkel- 
brauue  oder  rothgelbe  dicke  Flüssigkeit  einschliessen.  Die  dünne  Membran 
der  Säckchen  oder  Drüsen  ist  aus  zarten  eckigen  tafelförmigen  Zellen  zu- 
sammengesetzt, wird  aber  gleichsam  durch  einen  Aequator  quer  in  zwei 
Halbkugeln  (vielmehr  Kugelschalen)  getheilt.  Die  eine,  häufig  etwas 


24  II.  Stofle  von  zelligem,  erst  durch  das  Mikroskop  erkennbarem  Bau. 


einen  7 .11  ‘ eme  derbere  Membran,  deren  einzelne  Zellen 

, ,..L  ,n6rn  enthalten,  wahrend  das  Gewebe  der  anderen,  gewöhnlich 

nehr  länglichen  Halbkugel  zarter,  etwas  gestreckt  und  inhaltslos  ist.  Sie 
tult  daher  leicht  zusammen,  biegt  oder  stülpt  sich  ein,  wenn  der  Inhalt  der 
ruse  selbst  fester  wird  und  ein  geringeres  Volumen  annimmt.  Die  Drüsen 
Jieten  demnach  trotz  ihres  einfachen  Baues  einen  sehr  verschiedenen  An- 
blick dar,  je  nachdem  sie  dem  Beobachter  ihre  Pole  oder  den  Aequator  zu- 
kehren und  je  nachdem  die  Membran  der  zarteren  Hemisphäre  straff  oder 
eingefallen  ist.  Es  entstehen  hierdurch  bald  fast  vollkommen  regelmässige 
Kugelgestalten,  bald  mehr  linsen-  oder  dick  scheibenförmige,  bald  endlich 
erblickt  man  eine  gestielte  Halbkugel  oder  Kugelschale.  Oft  sieht  man  den 
nhalt  der  Druse  zu  einer  frei  in  der  Höhlung  liegenden  dunkleren  Masse 
zusammengezogen.  Die  Umrisse  der  Zellen,  welche  die  Drüsenwaud  bilden, 
treten  erst  deutlich  hervor,  wenn  man  das  Hopfenmehl  durch  Aether  voll- 
kommen auszieht  und  dann  erst  in  Wasser  aufweicht.  Der  gelbe  Farbstoff, 
vermuthlich  Quercitrin,  hängt  der  zarteren  Halbkugel  hartnäckiger  an  als 
der  derbereD.  Der  Anheftungspunkt  der  nur  leicht  an  der  Unterlage  haf- 
tenden Drüse  findet  sich  im  Pole  der  letzteren  Hälfte,  ohne  eigentlichen 
Stiel.  Der  Inhalt  lässt  sich  in  feinen  Tröpfchen  heraustreiben,  wenn  die 
Drüse  durch  Erwärmung  (in  Glycerin)  gesprengt  wird;  Krystalle  kommen 
dabei  nicht  zum  Vorschein. 

Das  Hopfenmehl  riecht  nicht  unangenehm  aromatisch , betäubend  und 
schmeckt  bitter  aromatisch.  Es  hält  nur  etwa  gegen  2 pC.  hygroskopisches 
Wasser  zurück. 


Die  chemischen  Bestandtheile  der  Hopfendrüsen  sind  sehr  manigfaltig. 
Träger  des  Geruchs  ist  das  ätherische  Oel , wovon  die  Strobili  (nicht  die 
Drüsen  allein)  nach  Wagner  0,8  pC.,  nach  Payen  u.  Chevallier  2 pC. 
liefern.  Es  ist  nach  Ersterem  isomer  mit  Terpenthinöl , nach  Personne 
noch  gemengt  mit  Valerol  O12H20O2,  welches  in  Valeriansäure  übergeht, 
die  sich  in  den  Drüsen  in  der  That  (zu  1 pC.)  findet. 

Winklers  Hopfen-  oder  Lupulinsäure  ist  vielleicht  damit  iden- 
tisch. Den  bitteren  Bestandteil  der  Hopfendrüsen  hatte  man  als  Lupulin 
oder  Lupulit  bezeichnet;  aber  erst  Lermer  hat  ihn  (1863)  isolirt  und  als 
Hopfeubittersäure  bezeichnet.  Sie  krystallisirt  in  grossen  spröden 
rhombischen  Prismen  und  besitzt  in  hohem  Grade  den  specifischen  ange- 
nehm bitteren  Geschmack  des  Bieres,  worin  sie  aber  nur  in  sehr  geringer 
Menge  enthalten  ist,  indem  sie  sich  in  Wasser  fast  gar  nicht  löst,  sehr  leicht 
aber  in  den  meisten  anderen  Lösungsmitteln.  Die  Zusammensetzung  der 
Hopfenbittersäure  O32H5007  scheint  sie  dem  Absinthiin  zu  nähern;  sie  ist 
nur  in  geringer  Menge  im  Lupulin  enthalten;  noch  weniger  beträgt  ein  an- 
derer krystallisirbarer  Stoff,  den  Lermer  für  ein  Alkaloid  hält. 

Die  Hauptmasse  des  Inhaltes  der  Drüsen  besteht  aus  Wachs  (palmitin- 
saurem Myricyl  nach  Lermer)  und  Harzen,  wovon  eines  krystallisirt  und 
sich  mit  Basen  verbindet. 


Kamala 


125 


Das  ätherische  Oel  verharzt  sehr  leicht  und  das  Lupulin  verliert  da- 
durch sein  Aroma,  daher  es  sorgfältig  und  nicht  allzu  lange  aufzubewah- 
ren ist. 

Die  Drüsen  sind  immer  von  zufälligen  Unreinigkeiten  (Staub)  und  klei- 
nen wenig  charakteristischen  Bruchstücken  der  Organe  begleitet,  denen  sie 
auhaften.  Der  Aschengehalt  des  guten  käuflichen  Hopfenmehles  steigt  da- 
durch bis  auf  etwa  40  pC.  an.  — Eigentliche  Verfälschungen  sind  wegeu 
der  eigentümlichen  Gestalt  der  Dräschen  leicht  zu  finden. 

Die  Hopfendrüsen  für  sich  wurden  1813  durch  Planche  als  Heilmittel 
eingeführt. 


Kamala. 

Kamela.  Glandulae  Rottlerae.  Wurus.  Waras. 

Rottlera1)  tinctoria  Roxburgh.  — Euphorbiaceae. 

Kleiner  bis  gegen  20  Fuss  hoher  Baum,  der  hauptsächlich  in  ganz 
Vorderindien,  von  Birma  bis  zum  Indus  und  von  Ceylon  bis  in  die  heissen 
Thäler  des  Himalaya  zu  Hause  ist,  sich  aber  auch  in  Süd-Arabien,  auf  der 
gegenüberliegenden  Somaliküste,  sowie  in  Abyssinien,  ferner  auf  den  Philip- 
pinen, in  China  und  Nordost-Australien  findet. 

Die  dreiköpfige  Frucht  der  Euphorbiaceen  ist  bei  manchen  Arten  dieser 
zahlreichen  Familie  nicht  nackt,  sondern  oft  dicht  mit  Stachelu,  Sternhaaren 
oder  leicht  abwischbaren  Dräschen  besetzt,  was  namentlich  auch  bei  den 
Rottlera- Arten  der  Fall  ist.  Die  meisten  derselben  (ausgezeichnet  z.  B.  die 
Rottlera  Zippelii  Hassk.)  tragen  nur  grünliche  oder  graue,  flockig-pulverige 
Sternhaare,  bisweilen  mit  kleinen  Wärzchen;  bei  Rottlera  tinctoria  jedoch, 
abei  auch  bei  der  in  Ost-Java  und  auf  Sumatra  (Padang)  vorkommenden 
Rottlera  affinis  Hasskarl  sind  die  Sternhaare  klein , wenig  zahlreich  und 
ganz  zurücktretend  gegen  die  zinnoberrothen  Dräschen,  welche  die  bei  der 
erstgenannten  Art  kirschgrossen,  bei  der  zweiten  höchstens  0,0  80m  messenden 
Früchte  dicht  bedecken.  In  Indien  (z.  B.  in  Bustar,  in  den  Circars)  werden 
zur  Zeit  der  Fruchtreife  im  Februar  und  März  die  Dräschen  von  R.  tinctoria 
abgebürstet  und  ohne  Weiteres,  hauptsächlich  unter  dem  Namen  Kamala 
in  den  Handel  gebracht. 

Die  Kamala  ist  ein  leichtes , lockeres , schon  für  das  unbewaffnete  Auge 
nicht  ganz  gleichförmiges  Pulver,  dessen  Hauptmasse  aus  durchsichtigen 
scharlachrothen  Körnchen  besteht;  ihre  lebhafte  Farbe  wird  durch  mehr 
oder  weniger  zahlreich  beigemengte  gelblichgraue  Haare  und  kleine  Pflanzen- 
Bruchstucke  oder  durch  Staub  und  Sand  gedämpft.  Aus  dem  gleichen 
Grunde  erscheint  die  Kamala  auch  wohl  weniger  leicht  beweglich  als  etwa 
das  Lycopodium.  Sie  ist  fast  ganz  geruch-  und  geschmacklos2)  und  wird 


l) 

2) 


Rottier,  Dänischer  Missionar 
obwohl  die  Früchte  selbst  sehr 


und  Naturforscher  zu  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts, 
unangenehm  riechen  und  schmecken  sollen. 


126  II.  Stoffe  von  zeitigem,  erst  durch  das  Mikroskop  erkennbarem  Rau. 

auch  von  kochendem  Wasser  kaum  angegriffen.  Dagegen  gibt  sie  an 
Chloroform,  Benzin,  Aether  und  Alkohol,  sowie  an  alkalische  Lösungen 
prächtig  rothes  Harz  ab.  Schwefelsäure  und  Salpetersäure  sind  in  der  Kälte 

ohne  Einwirkung,  auch  Terpeuthiuöl  färbt  sich  damit  erst  in  der  Wärme. 

k iir  sich  erwärmt  gibt  sie  einen  nur  höchst  geringen  aromatischen  Geruch 
aus.  In  Terpenthinöl  siukt  die  Kamala  unter,  schwimmt  aber  wenigstens 
Aufaugs  grösstentheils  auf  Wasser,  indem  schwerere  Unreinigkeiten  sich 
absetzen.  In  der  Lichtflamme  blitzt  Kamala,  doch  nicht  so  heftig  wie  Lyco- 
podium,  dessen  Hülle  sehr  viel  fester  ist. 

Die  mikroskopische  Struktur  der  Kamala  ist  sehr  einfach;  die  Drüsen 
bestehen  aus  50  bis  100  Mikromillimeter  messenden,  auf  einer  Seite  etwas 
abgeplatteten  und  unmerklich  vertieften,  sehr  wenig  regelmässigen  Kugeln 
von  welliger  Oberfläche,  die  in  ihrer  zarten,  schwach  gelblichen  Membran 
eiue  strukturlose  gelbe  Masse  einschliessen , in  welche  zahlreiche  keulen- 
förmige, ganz  einfache  Zellen  mit  durchsichtigem,  homogenem,  rothem 
Inhalte  eingebettet  sind.  Dieselben  erscheinen  strahlenförmig  um  den 
dunkeln  Mittelpunkt  der  etwas  abgeflachten  Seite  gruppirt,  so  dass  auf  dem 
eben  dem  Beschauer  zugewendeten  Theile  der  Oberfläche  leicht  9 bis  30 
Zellcheu  gezählt  werden  können,  wonach  jede  einzelne  Kamala-Drüse  etwa 
40  bis  60  derselben  enthält.  Aeusserst  selteu  erblickt  man  im  Mittelpunkte 
der  Grundfläche  noch  eine  kurze  Stielzelle.  Werden  die  Drüsen  mit  W ein- 
geist und  Kali  erschöpft  und  unter  dem  Deckgläschen  zerdrückt,  so  zer- 
fallen sie  in  die  einzelnen  Zellchen,  welche  hierbei  nur  wenig  aufquellen, 
während  die  Hüllmembran  vollständig  aufgelockert  wird  und  sich  als  ein- 
faches, zusammenhängendes  Häutchen  darstellt.  Nach  dieser  Behandlung 
färben  sich  die  Zellchen,  nicht  aber  die  faltige  Membran  durch  längere 
Berührung  mit  conceutrirter  Schwefelsäure  und  Jodwasser,  mehr  oder 
weniger  braun  bis  blau.  Die  Wandungen  der  ersteren  entsprechen  also  der 
Cellulose,  die  gemeinschaftliche  Hülle  mehr  deu  Oberhautgebilden.  Diese 
letztere  ist  durch  ihren  einfachen  Bau  verschieden  z.  B.  von  der  aus  kleinen 
Tafelzellen  zusainmeugefügten  Hülle  der  Hopfendrüsen  (vergl.  Glandulae 
Lupuli).  Vogl  *)  vermuthet,  dass  eine  Zelle  der  Fruchtoberhaut  zuerst  eine 
Tochterzelle  entwickele,  welche  durch  weitere  Theilung  zur  Stielzelle  und 
zur  eigentlichen  Mutterzelle  der  kleinen,  keulenförmigen  Harzzellchen  der 
Kamala  werde.  Anfangs  erscheint  der  Inhalt  der  letzteren  nicht  verschieden 
von  der  Masse,  in  welche  sie  eingebettet  sind  und  geht  wohl  allmälig  erst 
durch  Metamorphose  des  Zellstoffes  in  Harz  über. 

Immer  sind  diese  Drüsen  der  Kamala  von  farblosen  oder  bräunlichen, 
oft  luftführenden,  sehr  dickwandigen  Sternhaaren  begleitet,  welche  in  ihrer 
Form  keine  Eigenthümlicbkeit  darbieten,  vielmehr  an  die  entsprechenden 
Organe  anderer  Pflanzen  erinnern,  z.  B.  au  die  Haare  von  Verbascnm  oder 
Althaea.  Doch  sind  die  einzelnen,  büschelig  zusammeugestellteu  Haare  der 


0 Wiener  Akadem.  1864. 


Kamala. 


127 


Kamala  nicht  ästig,  sondern  nur  schlängelig  oder  sichel-  und  hakenförmig 


gekrümmt,  2 bis  3 mal  so  gross  als  die  Drüseu  selbst.  Nach  Digestion  in 
alkoholischem  Aetzkali  färben  sich  ihre  Wände  durch  Jod  blau;  manch- 
mal führen  sie  einen  rothbräuulicheu  Inhalt,  nach  Yogi  identisch  mit  dem 
von  der  Hüllmembran  der  Harzzellen  umschlossenen,  nicht  mit  dem  in  den 
letzteren  selbst  enthaltenen.  Sowohl  die  Dräschen  als  auch  die  Stern- 
haare sind  hier  nach  der  gewöhnlichen  Handelswaare  geschildert,  welche 
allgemein  nur  der  Rottlera  tinctoria  zugeschriebeu  wird.  In  jeder  Hinsicht 
damit  übereinstimmend1)  finde  ich  aber  auch  den  Ueberzug  der  Früchte 
der  schon  erwähnten  Rottlera  affinis  ß)  sumatrana , welche  ich  an  einem 
von  Teijssman  1857  bei  Palerabang  auf  Sumatra  gesammelten  Exem- 
plare besitze. 

Dass  ausserdem  noch  kleine  Bruchstücke  der  Stamm  pflanze  sowie  ganz 
fremdartige  Dinge  von  unbestimmter  Gestalt  staubförmig,  wenn  nicht  gröber, 
unvermeidlich  der  käuflichen  Kamala  in  geringer  Menge  beigemischt  sein 
müssen,  ist  begreiflich.  Das  Mikroskop  lässt  dieselben  leicht  erkennen  und 
ihrer  Menge  nach  schätzen.  Unverhältnissmässig  starke  Beimengung  von 
Saud  gibt  sich  auch  durch  zu  bedeutenden  Glührückstand  zu  erkennen. 


Während  nämlich  reine  Kamala  nach  Anderson  nur  gegen  4 pC.  Asche 
liefert,  lässt  die  jetzt  vorkommende  Handelswaare  bisweilen  17  bis  30  pC. 
Asche,  ja  es  ist  .neulich  eine  äusserlich  immer  noch  gar  nicht  verdächtige 
Waare  erschienen,  welche  54  pC.  Asche  (Quarz  und  Eisenoxyd)  zurückliess. 
Durch  Sieben  sind  diese  Unreinigkeiten  nicht  zu  entfernen , ziemlich  voll- 
ständig duich  rasches  Abschlämmen,  aber  am  zweckmässigsten  dürfte  es 
sein,  die  Droge  in  Form  einer  Tinctur,  nicht  in  Substanz  anzuweuden. 

Die  Kamala  ist  wenig  hygroskopisch  und  gibt  nur  etwa  3V2  pC.  Wasser 
ab;  sie  enthält  Spuren  von  ätherischem  Oele,  Citronsäure,  Oxalsäure  und 
Protein  stoffen.  Alkoholisches  Eisenchlorid,  worin  sie  sich  dunkel  färbt 
zeigt  etwas  Gerbstoff  an.  Neben  ungefähr  7 pC.  Cellulose  besteht  die  reine 
Kamala  zu  etwa  7+  hauptsächlich  aus  Harzen,  welche  Anderson  durch 
lkohol  ausgezogen  hat.  Aether  entzieht  zuvor  einen  eigenthiimlicheu 
auch  m heissem  Alkohol  löslichen  Farbstoff,  das  Rottierin.  Es  ist  nur 
in  sehr  geringer  Menge  vorhanden,  hängt  aber  den  Harzen  hartnäckig  an. 
Durch  seine  Zusammensetzung  (G11  H10-O3)  scheint  es  sich  als  Glied  Einer 
homologen  Reihe  dem  Purpurin  des  Krapps  und  der  Chrysophausäure 
auzuschhessen  Die  Darstellung  des  in  gelben  Krystallen  anschiessenden 
nut  prächtig  rother  Farbe  m Alkalien  löslichen  Rottlerins  gelingt  nicht  leicht. 

Eines  der  von  Anderson  getrennten  Harze  scheint  grosse  Aehnlichkeit 

Kam!ln  Dn°USSmA  r?L  K°SS0)  ZU  besitzeü-  Nach  Leube  sind  die 
Kamala-Harze  in  Alkalien  mit  schön  rother  Farbe  löslich  und  nicht  gepaarte 

uckerverbindungen.  Die  von  letzterem  gefundene  Zusammensetzung  der- 


iSt  ’cU;,\Z°,Ilinger  (Act  S0C‘  Scient  ^o-Neerlaudic. 
) ttuigoiauen.  Vcrgl.  Schweiz.  Zeitschrift  f.  Phaimacie  1859.S.  264. 


128  II.  Stoffe  von  zeitigem,  erst  durch  das  Mikroskop  erkennbarem  Bau. 

selben  stimmt  nicht  mit  Anderson’s  Resultaten.  — Auch  die  Wurzel  des 
Baumes  soll  rotheu  Farbstoff  enthalten. 

Der  Name  Kamala  ist  in  Bengalen  üblich,  in  Aden  heisst  die  Substanz 
Waras  oder  Wurus,1)  in  Indien  sonst  noch  Kapila  oder  Kapilapodi  (loh- 
farbiger Blumeustaub),  in  Ceutralindien  (Bustar)  auch  Schendri.  Mit  Alaun, 
Soda  und  Sesamöl  diente  sie  schon  längst  in  Indien  zur  Herstellung  einer 
glänzenden  rothen  Farbe  auf  Seide,  nicht  aber  auf  Baumwolle  oder  Wolle; 
bei  den  Arabern  auch  innerlich  gegen  Leprose  und  äusserlich  gegen  Pusteln. 

Etwa  von  1848  an  wurden  englische  Aerzte  in  Indien  auf  die  Wirk- 
samkeit der  Kamalagegen  Bandwurm  aufmerksam,  namentlich  Mackinnon, 
Anderson,  Corbyn,  Gordon.  1851  wurde  sie  als  Farbmaterial  durch 
die  Londoner  Ausstellung  in  England  selbst  bekannt,  auch  ihre  Einführung 
als  „Drachenblut“  schon  versucht,  dann  1853  von  Hanbury  pharma- 
koguostisch  beschrieben  und  verbreitet. 


*)  zusammenhängend  mit  dem  dortigen  Namen  des  Safrans:  Wars. 


Secale  cornutum. 


129 


Dritte  Classe. 

Unmittelbar  als  Pflanzengewebe  kenntliche  Stoffe. 

Erste  Reihe. 

Pflanzen  oder  Pflanzentlieile  mit  gefässlosem  Gewebe. 


Secale  cornutum. 

Mater  secalis.  Clavis  secalinus.  Secale  clavatum.  Mutterkorn.  Wolfszalm. 
Hahnsporn.  Ergot.  Seigle  ergote.  Ble  cornu.  Ergot  of  rye. 
Clavieeps  purpurea  Tulasne  — Pyrenomycetes. 

Das  Mutterkorn  wird  ausschliesslich  vom  Roggen,  Secale  cereale  L 
gesammelt  m dessen  Aehren  es  vorzüglich  in  nassen  Sommern  entsteht.’ 
Dasselbe  Pilzgebilde  kömmt  ausserdem,  oft  etwas  verschieden  geformt  und 
meistens  kleiner,  auch  vor  auf  Arrhenatherum,  Calamagrostis,  Dactylis,  Lo- 
n+T1013yi+^m’  Tr!tiCUm’  Aveua’  Brachypodium,  Alopecurus,  Poa,  Glyce- 
s,;’ ffi  l10xaut  lun;-  Am;nopIlila  uud  andern  Gramineen1),  während  andere 
specifisch  verschiedene  aber  sehr  nahe  verwandte  Organismen  sich  auf  Phrag- 

Sotr  au?p  1 Ma’  SnW-6  CyperaCeeü  uud  aaf  Schpus  entwickeln.  - 
Sogar  auf  Palmen  soll  ein  Mutterkorn  Vorkommen. 

Das  Mutterkorn  des  Roggens  ist  bis  0,040 m lang  und  bis  0 006  m dick 

stumpf  dreikantig  prismatisch,  meist  bogenförmig  gekrümmt  auf  jeder  Seite 

i“„Ts:r;ftv " e inge— Läu“  ^ ££££ 

und  Von  dichtem ^ l6r  etwas  elastisch,  ist  es  trocken  spröde 

f.  , . , , Bi uche,  doch  schwer  zu  pulvern.  An  der  Spitze  sitzt 

t noch  cm  Mernes  weissliches  leicht  abfallendes  Anhängsel,  das  Mätzchen- 

1 iS‘,TSt.rS  abger“"‘let  -'-1  I die’ 

jyewlettechwatze  schwach  bereifte  Oberfläche.  Das  weissliche  Innere 

«1”!' “'■'‘»»e  ■»*  halbmondfarmig  ^ D„  Mat. 
D1.S  der  Araber)  wM  bi,  o 09 "l  at  T T“  P/“'0  teu.x  Huk.  - 

meist  vierseitg  und  von  srli  ’ i ••  f'  ^ ®pi,allS  gekrümmt,  an  der  inneren  Seite  gefurcht, 

■O  wirksam  ^ L*ll*»>*”*  **  dieser  Pilz  d.pp.li 

scheint,  z.  ß.  a,lc],  ;,q  , f A,u’  ° w°kl  er  von  gleicher  Zusammensetzung  zu  sein 
*M  - häufig  “VslS  ""d  8 ^ Auf  „er  MnU.rpfi,.,, 

Plückiger,  Pharmakoguosie. 


130 


III.  Pflanzen  oder  Pflanzentheile  mit  gefässlosem  Gewebe. 


ist  häufig  durch  tiefe  beim  Trocknen  entstandene  oder  doch  erweitertet,)  uer  risse 
* blos  gelegt.  Von  Wasser  wird  das  Gewebe  nicht  durchdrungen,  selbst  die 
feinsten  Schnitte  quellen  nur  wenig  auf. 

Am  ausgebildeten  Mutterkorne  lassen  sich,  von  jenem  Mützchen  abge- 
sehen, keinerlei  Organe  unterscheiden.  Es  besteht  aus  einem  ganz  gleich- 
förmigen sehr  dicht  verfilzten  Gewebe  kurz  fadenförmiger  etwas  dickwan- 
diger Zellen,  welche  unregelmässig  gelagert,  aber  so  innig  verwachsen  sind, 
dass  es  nur  durch  anhaltendes  Kochen  feiner  Schnitte  mit  Kali  und  durch 
abwechselnde  Behandlung  mit  Säuren  und  Acther  gelingt,  einzelne  Zellen 
zur  Anschauung  zu  bringen.  Sonst  erscheinen  die  ihrer  vielfach  und  dicht 
verschlungenen  Anordnung  wegen  meist  quer  durchschnittenen  kurzen  und 
weit  offenen  Zellen  auch  in  den  dünnsten  Scheibchen  wie  ein  ruudlich-polyed- 
risches  Parenchym,  in  welchem  die  einzelnen  Umrisse  sich;  der  Beobach- 
tung leicht  entziehen.  Dieses  Pseudoparenchym  des  Mutterkornes  bietet 
daher  einen  von  den  locker  verfilzten  weit  längeren  Fadenzellen  (Hyphae) 
anderer  Pilze  sehr  abweichenden  Anblick  dar.  Es  wird  auch  nach  längerer 
Zeit  durch  Jod  in  Jodkaliumlösung  nicht  blau  gefärbt,  selbst  daun  nicht, 
wenn  man  das  Gewebe  zuvor  mit  Schwefelsäure  behandelt  oder  in  geschlosse- 
ner Röhre  tagelang  mit  Aetzkali  und  absolutem  Alkohol  auf  100°  C.  erhält. 
Nur  wenige  der  äussersten  Zellenreihen  sind  violett  gefärbt,  sonst  aber  vom 
übrigen  farblosen  Gewebe  nicht  oder  nur  durch  etwas  grössere  Wanddicke 
als  besondere  Rinde  unterschieden.  Als  alleinigen  Inhalt  derselben  erblickt 
man  äusserst  zahlreiche  Tropfen  fetten  Oeles,  aber  weder  Amylum  noch 
Krystalle.  Es  ist  bemerkenswert!!,  wie  dieses  fast  inhaltslose  nicht  eigent- 
lich sehr  verdickte  Parenchym  ein  so  dichtes  festes  Gewebe  erzeugt. 

Das  Mutterkorn  riecht  eigentümlich  ranzig  und  dumpf;  es  schmeckt 
unangenehm  fade  oder  ranzig.  Besonders  in  gepulvertem  Zustande  verdirbt 
es  durch  Sauerstoffaufnahme  des  Oeles  rasch  und  wird  leicht  von  Milben 
aus  der  Gattung  Trombidium  zerfressen.  Es  soll  daher  scharf  getrocknet 
in  geringem  Vorräte  gepulvert  in  gut  verschlossenen  f laschen  aufbewahrt 

und  alljährlich  erneuert  werden.  8 

Ueber  das  Mutterkorn  wurden  seit  langem  vielerlei  Vermuthungen  auf- 
gestellt; aber  erst  Tulasne  verdanken  wir  Klarheit  über  seine  Eutwicke- 
lungsgeschichte , und  dieser  schönen  Untersuchung  (Annales  des  Sciences 
nat.  Botanique  T.  XX.  Paris  1853)  ist  das  Folgende  grosseutheils  ent- 
nommen. 

Die  Mutterkornbildung  befällt  oft  in  einer  Aehre  nur  einzelne  wenige, 
oft  aber  über  20  Fruchtknoten  zugleich.  Im  ersten  Falle  werden  die  übri- 
gen an  ihrer  gesunden  Ausbildung  nicht  gehindert;  sind  aber  zu  viele 
Fruchtknoten  ergriffen,  so  verkümmert  die  ganze  Aehre.  Mehr  vereinzelte 
Mutterkörner  werden  gewöhnlich  grösser,  am  grössten  wohl  auf  Roggen, 
der  da  und  dort  in  anderem  Getreide  aufgeht. 

Als  erstes  Symptom  der  Muttorkornbildung  erscheint  der  sogenannte 
Roggen-Honigthau,  ein  zäher  gelblicher  Schleim  von  intensiv  süssem  Ge- 


Secale  cornutum. 


131 


schmacke  und  dem  eigenthümlichen  unangenehmen  Gerüche,  den  so  viele 
Pilze  besitzen.  Ziemlich  grosse  Tropfen  dieses  Schleimes  zeigen  sich  da 
und  dort  auf  den  Aehren  in  der  Nähe  der  erkrankten  Fruchtknoten  und 
ziehen  Ameisen  und  verschiedene  Käfer,  namentlich  die  rothgelbe  Rhago- 
ni/cha  melanura F abric.  (Telephorus,  Malachius  oder  Cantharis  melauura), 
nicht  aber  Bienen,  in  auffallender  Weise  an.  Deshalb  wollte  jenem  Käfer 
auch  wohl  ein  Antheil  an  der  Mutterkornbildung  zugeschrieben  werden; 
aber  er  stellt  sich  eben  so  gut  auf  vielen  Pflanzen  ein,  welche  niemals 
Mutterkorn  tragen,  und  manche  andere  Pilze  sondern  gleichfalls  süssen 
Schleim  aus,  durch  dessen  Verschleppung  die  Insekten  höchstens  zur  Ver- 
breitung dieser  Organismen  beitragen. 

Der  Roggen-Honigthau  enthält  weder  Oeltropfen  noch  Amylum,  scheidet 
aber  nach  dem  Verdünnen  mit  kaltem  Wasser  sehr  bald  und  sehr  reichlich 
Kupferoxydul  aus  alkalischem  Kupfertartrat  aus.  Ueber  concentrirter  Schwe- 
felsäure getrocknet  erstarrt  der  süsse  Schleim  krystallinisch.  Er  ist  das 
Produkt  des  chemisch  und  anatomisch  veränderten  (erkrankten)  Frucht- 
knotens, welcher  in  der  That  um  diese  Zeit  völlig  aufgelockert  ist  und  sein 
Amylum  verliert.  Nach  einigen  Tagen  trocknen  die  Honigthautropfen  auf 

den  Spelzen  zur  unkrystallinischen  krümeligen  Masse  ein  und  verschwinden 
sehr  bald. 

. Em  schwammiges  weisses  Filzgewebe  (Mycelium)  überzieht  und  durch- 
dnngt  mit  seinen  zarten  Fäden  oder  Hyphen  grossentheils  den  zarten 
ruchtknoten,  indem  es  durch  seine  Buchten  und  Falten  eine  Menge  Hohl- 
kehlen (Spermogonien)  bildet,  welche  sich  nach  aussen  öffnen.  Aus  der 
ganzen  Zellenschicht  (Hymenium,  Spermatophorum),  welche  diese  Höh- 
lungen und  die  Aussenfläche  überzieht,  erheben  sich  längliche  radial  ab- 
stehende parallele  Zellen  (Sterigmata,  Basidia),  welche  in  ungeheurer  Zahl 
kleme  zusammenklebende,  höchstens  4 Mikromillim.  messende  längüche 
Körnchen  (Spermatien,  Stylosporen)  abschnüren,  wodurch  die  Blüthentheiie 
des  Roggens  weiss  bestäubt  werden.  Auch  der  Honigthau  enthält  die  Sper- 
matien  m grosser  Menge,  lässt  sie  aber  erst  beim  Verdünnen  mit  Wasser 
als  milchige  Trübung  fallen  und  deutlicher  wahrnehmen. 

Dieser  erste  Anfang  des  Mutterkorns,  nämlich  das  Spermogonium , ist 

den  Nlch  K" f selbststä^dig.er  Pilz  Sphacelia  segetum  betrachtet  wor- 
den  Nach  Kuhn  entwickeln  sich  die  Spermatien  zu  Keimkörnchen  (Goni- 

'“P“e  Sc“ge  »T«*™» 

nahml'dÄ?  d”eJdri,ngt  d<*  Fruchtknoten  mit  Aus- 

namentl  ch  d F .hmder‘  seine  weitere  Ausbildung,  indem 

FrSSe  Eiche“  ZerStört  whd-  lra  Grunde  <les 

m i ,Ve  n u , f a,m’  Wle  es  scheint  d“«*  Anschwellung  und  all 
m g Querthe.lung  der  Fadenzellen  der  Sphacelia,  ein  festerer  alen 

^S^Tvon“r<,wl,i*T  K7’ welcl,er  sich  ia  dem  Moas“  *** 

i Sphacelia  abschhesst,  als  das  ursprünglich  lockere 

9* 


132  III.  Pflanzen  oder  Pflanzentheile  mit  gefässlosem  Gewebe. 

Gewebe  der  letzteren  nach  Beendigung  ihrer  Verrichtungen  vertrocknet  und 
einschrumpft.  Dadurch  werden  die  nur  noch  an  der  Behaarung  und  den 
Griffelrudimenten  kenntlichen  Ueberbleibsel  des  Fruchtknotens  so  wie  die 
noch  nicht  zu  Grunde  gegangenen  Gewebstheile  der  Sphacelia  aus  den 
Spelzen  herausgeschoben  und  bekleiden  als  sogenanntes  Mätzchen  die 
Spitze  des  jetzt  aus  der  Aehre  weit  hervorragenden  fertigen  Mutterkornes. 
Au  der  Handelswaare  ist  das  Mätzchen  in  der  Regel  abgestosseu.  Nur 
äusserst  selten  kömmt  es  vor,  dass  das  Mutterkorn  von  einem  ausgebildeten 
Samen  gekröut  ist. 

Der  Fruchtknoten  des  Roggens  hat  also  bei  dem  geschilderten  Vorgänge 
keine  Umbildung  erfahren,  sondern  er  wurde  in  den  allermeisten  Fällen 
einfach  zerstört.  Weder  in  äusserer  Gestalt  noch  im  anatomischen  Bau 
zeigt  das  Mutterkorn  irgend  eine  Uebereinstimmung  mit  einem  Fruchtknoten 
oder  Samen,  obwohl  allerdings  seine  Entwickelung  in  den  Zeitraum  zwi- 
schen Bläthe  und  beginnender  Fruchtreife  des  Roggens  fällt.  Es  lassen  sich 
am  Mutterkorn  keinerlei  Organe  unterscheiden;  dennoch  war  es  fär  einen 
selbständigen  Pilz  Sclerotium  Clavus  DC.  oder  Spermoedia  Glavus  Fries 
erklärt  worden. 

Eine  weitere  Entwickelung  desselben  während  seines  Verweilens  in  der 
Aehre  ist  noch  nicht  beobachtet  worden,  wohl  aber  im  Herbste  des  gleichen 
oder  meist  erst  im  Frähling  des  folgenden  Jahres,  wenn  das  Sclerotium 
nach  dem  Ausfallen  gäustigen  Boden  findet,  den  man  ihm  auch  känstlich 
durch  Aussaat  in  feuchten,  etwa  noch  mit  feucht  erhaltenem  Moose  bedeckten 
Sande  bieten  kann.  Schon  eine  wasserreiche  Atmosphäre  allein  kann  genägen. 

Au  Stellen  des  Mutterkornes,  welche  wenig  von  Erde  bedeckt  sind  oder 
äber  dieselbe  hervorragen,  lösen  sich  dann  nach  einigen  Monaten1)  einzelne 
Läppchen  der  violetten  Oberfläche  ab,  sblagen  sich  zuräck  und  lassen  oft 
über  30  kleine  weisse  Köpfchen  nach  und  nach  hervortreten.  Diese  ver- 
grössern  sich  langsam,  während  das  benachbarte  Gewebe  an  der  Oberfläche 
allmälig  etwas  seinen  Halt  verliert  und  körnig  wird , indem  die  Zellen  sich 
entleeren  und  strecken.  Doch  behalten  sie  im  Innern  des  Mutterkornes  noch 
während  dieser  Zeit  ihre  Oeltropfen  unverändert.  Die  Köpfchen  nehmen 
eine  graugelbliche  zuletzt  schmutzig  purpurne  Färbung  au  und  erheben  sich 
nach  einigen  Wochen  endlich  auf  dünnen  geschlängelten  blass  violettrothen 
glänzenden  Stielchen  gegen  das  Licht.  Selten  sitzen  2 Köpfchen  auf  einem 
Stiele,  öfter  verwachsen  2 Stiele  und  2 Köpfchen  ganz.  Die  Länge  der  Stiel- 
chen scheint  durch  die  Entfernung  des  Fruchtlagers  (des  Mutterkornes)  vom 
Tageslichte  bedingt  und  erreicht  oft  0,040'"  bei  einer  Dicke  von  ungefähr 
1 ,nm.  Sie  bestehen  aus  parallelen  sehr  dicht  verfilzten  dünnen  Zellenfäden. 


1)  Von  mir  selbst  im  August  gesammeltes  Mutterkorn,  das  Mitte  September  in  einen  mit 
Gartenerde  gefüllten  Topf  gelegt  oder  gesteckt  und  ohne  Pflege  den  Winter  über  im  Freien  ge- 
lassen wurde,  zeigte  die  Claviceps-Köpfcken  am  20.  März ; ein  anderes  Mal  erst  am  20.  April 
und  gleichzeitig  erschienen  auch  die  Köpfchen  einer  Probo  von  derselben  Ernte,  die  erst  im 
Februar  ausgosäet  worden  war.  Starker  Frost  sekoint  wohl  die  Entwickelung  etwas  zu  verspäten. 


Secale  cornutum. 


133 


•Dieser  Weiter  ent  Wickelung  oder  Fruchtbildung  ist  das  Mutterkorn  nur 
so  lange  fähig  als  es  frisch  ist,  d.  h.  höchstens  bis  zur  nächsten  Bliithezeit 
des  Roggens.  Innerhalb  dieser  Zeit  aber  sind  selbst  zerfressene  oder  zer- 
brochene Körner  entwickelungsfähig,  was  wohl  am  besten  zeigt,  dass  das 
Sclerotium  völlig  homogen,  ohne  organische  Gliederung  ist.  Gleichzeitig 
mit  den  Köpfchen  treten  am  Mutterkorne  bisweilen  auch  strahlenförmig  um 
dieselben  geordnete  farblose  Schimmelfäden  auf,  welche  einem  anderen 
Pilze  angehörend,  mitunter  die  Claviceps  überwuchern. 

Wo  das  Stiel  eben  in  das  kugelige  oder  etwas  abgeplattete  Köpfchen 
eintritt,  ist  letzteres  vertieft,  mit  ringförmigem  Rande  den  Stiel  umschliesseud. 
Bald  zeigen  sich  an  der  Oberfläche  der  1 bis  3 mm  grossen  Köpfchen  eine 
Menge  feiner  bräunlicher  Wärzchen,  in  welche  die  Oeffnungen  kleiner  Höh- 
lungen (Sporenbehälter,  Conceptaculum , Perithecium)  münden.  Auf  dem 
Querschnitte  erscheinen  sie  in  strahlenförmiger  Anordnung  rings  in  der 
Peripherie  des  Köpfchens  steckend.  Jede  Höhlung  enthält  eine  grosse  Menge 
nur  3 bis  5 Mikromillimeter  dicker  äusserst  zarter  bis  100  Mikromillimeter 
langer  Schläuche  (Thecae,  Asci)  welche  je  8 Sporen  einschliessen.  Es  sind 
dies  einfache  fadenförmige  mit  homogener  fester  Masse  erfüllte  Zellchen. 

Noch  im  Innern  des  Peritheciums  öffnet  sich  das  dickere  Ende  des 
Sporen  Schlauches,  die  Sporen  treten  zu  einem  Bündel  vereinigt  aus  und 
werden  langsam  aus  der  Oeffnung  des  Peritheciums  herausgeschoben,  nicht 
wie  bei  anderen  Pilzen  mit  grosser  Kraft  herausgeschleudert.  Durch  ihre 
etwas  kleberige  Beschaffenheit  bleiben  die  Sporen  auch  nachher  noch  ver- 
einigt und  bilden  da  wo  sie  hinfallen  seidenartige  weisse  Flocken;  ihre  Zahl 
mag  bei  20  bis  30  aus  einem  einzigen  Mutterkorne  entstandenen  Köpfchen 
leicht  eine  Million  übersteigen.  Die  Köpfchen  selbst  sterben  2—3  Wochen  nach 
ihrem  Hervorbrechen  wieder  ab;  im  ihrem  Gewebe  und  in  deu  Stielchen 
findet  sich  kein  fettes  Oel  mehr  vor. 

Somit  stellen  die  beschriebenen  aus  dem  Mutterkorne  hervorgehenden 
Köpfchen  wahre  Pilzfrüchte  dar,  welche  schon  früher  alsSphaeria,  Cordiceps, 
Goidyliceps,  Kentrosporium  oder  Claviceps  purpurea  beschrieben,  doch 

erst  von  Tulas  ne  als  letztes  Eutwickeluugstadium  des  Mutterkornes  er- 
kannt wurden. 

Die  drei  verschiedenen  Formen  dieses  Gebildes,  die  Sphacelia,  das  offi- 
ciuelle  Mutterkorn  (Sclerotium)  und  die  fruchttragenden  Köpfchen  sind  also 
nur  aufeinander  folgende  Zustände  eines  und  desselben  zweijährigen  Pilzes 
welche  zweckmässiger  Weise  unter  dem  Namen  Claviceps  purpurea  Tulasne 
zusammengefasst  werden.  Der  mittlere  Zustand  stellt  das  sogenannte  bei 
einer  grossen  Anzahl  der  verschiedensten  Pilze  vorkommende  Dauermyce- 
biuii  oder  Sclerotium,  einen  besonderen  Ruhezustand  dieser  Pflanzen  dar. 
i ac  i c e ai)  ) ist  jedoch  die  Sphacelia,  welche  in  unserem  Falle  dem 

er  corne  vorausgeht,  eine  Eigenthümlichkeit,  welche  sich  bei  den  anderen 


P Morphol.  und  Physiol.  der  Pilze,  Flechten 


und  Myxomyccten.  Leipzig  1866.  pg.  38. 


134 


III.  Pflanzen  oder  Pflanzentheile  mit  gefässlosem  Gewebe. 

Sclerotien  nicht  findet.  Diese  alle  entstehen  nämlich  nur  aus  einfachen  fädi- 
gen  oder  flockigen  Mycelien. 

Der  direkte  Nachweis,  dass  aus  den  in  Roggenähren  ausgesäeten  Sporen 
des  Fruchtköpfchens  die  Sphacelia  entsteht,  ist  von  Kühn  beigebracht 
worden.  Schon  oben  wurde  erwähnt,  dass  dieselbe  auch  aus  den  Spermatien 
entsteht;  es  ist  somit  eine  zweifache  Bildung  des  Mutterkornes  innerhalb 
der  gleichen  Formenreihe  möglich,  ein  auch  sonst  bei  Pilzen’ beobachteter 
Vorgang. 

Der  Umstand,  dass  sich  das  Mutterkorn  nicht  während  seines  Verweilens 
in  der  Aehre  weiter  ausbildet,  hatte  Bonorden  hauptsächlich  zur  Annahme 
veranlasst,  es  diene  das  Sclerotium,  wenn  es  in  der  Erde  die  Köpfchen  der 
Claviceps  treibt,  dieser  Fruchtbildung  nur  zur  zufälligen  Unterlage.  Dagegen 
muss  aber  erinnert  werden,  dass  die  Entwickelung  des  Mutterkornes  immer 
dieselbe  bleibt,  aber  nur  wenu  es  höchstens  einjährig  ist  und  dass  ferner  der 
organische  Zusammenhang  der  Zellen  des  Claviceps-Stieles  mit  dem  Gewebe 
des  Mutterkornes  sich  leicht  erweisen  lässt.  Der  violette  Farbstoff  der  peripheri- 
schen Schicht  des  letzteren  geht  in  das  Stielchen  über  und  fiudet  sich  in  ganzen 
Zellenreihen  desselben,  nicht  aber  im  Fruchtköpfchen  selbst  abgelagert.  Das 
Mutterkorn  einiger  Gramineen , namentlich  von  Pliragmites  communis  und 
von  Molinia  coer,ulea,  entwickelt  ganz  ähnliche,  doch  immer  von  Claviceps 
pupurea  bestimmt  specifisch  verschiedene  Früchte,  nämlich  die  der  Clavi- 
ceps microcephalaTulasne.  Wieder  andere,  die  von  Claviceps  nigricans,  ent- 
stehen auf  Scirpeen,  und  es  sind  überhaupt  schon  gegen  20  verschiedene 
Claviceps-Arten  bekannt,  was  ebenfalls  für  den  geuetischen  Zusammenhang 
zwischen  dem  Sclerotium  und  der  Claviceps  des  Roggens  spricht. 

Die  chemische  Beschaffenheit  des  Mutterkornes  ist  vielfach  untersucht 
worden,  sehr  ausführlich  besonders  von  Wiggers  schon  1830.  Es  liefert 
1/i  bis  Vs  seines  Gewichtes  an  fettem  nicht  trocknendem  schwach  gelblichem 
Oele,  worin  eine  flüchtige  Fettsäure  an  Glycerin  gebunden  enthalten  zu  sein 
scheint.  Mit  Unrecht  wurden  diesem  Fette  die  giftigen  Eigenschaften 
des  Mutterkornes  zugeschrieben.  Das  Mutterkorn  des  Walzens  z.  B.  in  Süd- 
Frankreich  scheint  an  Fett  ärmer,  daher  reicher  au  dem  sogenannten  Er- 
go tin  zu  sein.  Man  hatte  unter  diesem  Namen  schon  früher  einen  nicht 
gehörig  isolirten,  doch  vielleicht  eigenthiimlichen  Stoff  verstanden,  dann 
das  wässerige  mit  Alkohol  behandelte  Extract , zu  dessen  Darstellung  die 
üblichste  Vorschrift  von  Apotheker  Bonjean  in  Chambery  herrührt.  Das- 
selbe enthält  neben  nicht  näher  gekannten  Substanzen  die  allgemeiner  ver- 
breiteten Pflanzenstofle,  Gummi,  Zucker,  Gerbstoff,  Farbstoff,  Salze  (Chlorcal- 
cium, Chlorkalium  und  Phosphate).  Das  Mutterkorn  liefert  3 bis  4 pC.  Asche, 
fast  nur  aus  Phosphaten,  ohne  Carbouate  und  fast  ohne  Sulfate  bestehend ; 
sein  Gehalt  au  Protei'nstoffen  ist  so  gross,  dass  es  etwa  3 pC.  Stickstoff  gibt. 

Durch  Behandlung  des  Mutterkornes  oder  seines  alkoholischen  Extractes 
mit  Alkalien  erhält  man  als  Zersetzungsprodukte  Ammoniak  und  Ammoniak- 
basen,  nach  Ludwig  und  Stall  1 Methylamin,  nach  anderen  Trimethylamin. 


Secale  cornutum. 


135 


W i n c k 1 er  hatte  in  letzteren  eine  besondere  Base  vermuthet  und  als  S e c a 1 i n 
bezeichnet.  — Nach  Wen  zell  enthält  jedoch  das  Mutterkorn  in  der  That 
zwei  eigenthürnliche,  durch  Kalilauge  nicht  zersetzbare  Alkaloide,  welche  er 
durch  Fällung  mit  Quecksilberchlorid  und  Phosphormolybdänsäure  darge- 
stellt und  Ecbolin  und  Ergotin  genannt  hat.  Sie  schmecken  bitterlich, 
lösen  sich  in  Wasser,  reagiren  alkalisch,  wurden  aber  nicht  fest,  sondern 
nur  als  bräunliche  Firnisse  erhalten,  welche  nur  amorphe  zerfliessliche  Salze 
bilden.  Das  erstere  Alkaloid  scheint  in  hohem  Grade  die  Wirkung  des  Mutter- 
kornes zu  besitzen. 

Die  beiden  Alkaloide  von  Wen  zell  sind  nach  ihm  an  eine  eigen  thiim- 
liclie  flüchtige  Säure,  Ergotsäure,  gebunden  und  der  durch  Alkohol 
im  wässerigen  Extracte  erzeugte  Niederschlag  würde  gerade  diese  Ver- 
bindungen enthalten.  Nach  Wenzell  wäre  ferner  ein  Trimethylaminsalz 
(Phosphat)  schon  im  wässerigen  Auszuge  des  Mutterkornes  vorhanden.  — 
Die  Krystalle,  welche  in  dem  officinellen  Extracte  nach  längerer  Zeit  reich- 
lich auschiessen,  habe  ich  als  saures  Natron-  und  Ammoniak-Phosphat  mit 
wenig  Sulfat  erkannt.  Stärkemehl  fehlt  dein  Mutterkorne  zu  allen  Zeiten 
gänzlich.  Es  enthält  einen  angenehm  süss  schmeckenden  eigenthümliclien 
Zucker,  Mycose,  G12H26013,  den  schon  Wiggers  beobachtet  hatte.  Mit- 
scherlich erhielt  davon  nur  1 p.  Mille.  Die  Mycose  steht  dem  Bohrzucker 
sehr  nahe,  mehr  noch  der  Trelialose1),  reducirt  Kupferoxyd  erst  nach  sehr 
langem  Kochen , krystallisirt  aber  in  rhombischen  Oktaedern.  Der  Haupt- 
sache nach  ist  daher  der  im  ersten  Stadium  des  Pilzes  durch  die  Sphacelia 
ausgeschiedene  Zucker  , der  sogenannte  Roggeuhonigthau,  jedenfalls  nicht 
Mycose.  Statt  der  letzteren  erhielt  übrigens  Mitscherlich,  sowie  auch 
Fiedler  und  Ludwig,  bisweilen Mannit  aus  dem  Mutterkorne,  zu  anderen 
Zeiten  aber  keines  von  beiden.  Stickel  fand  die  M)rcose  auch  neben  Bassorin 
in  dem  ehemals  officinellen  Fungus  Sambuci  (Exidia  Auricula  Judae  Fries). 
Aus  Fungus  Laricis  (Polyporus  officinalis)  erhielt  ich  dieselbe  nicht. 

Den  rothen  Farbstoff  der  oberflächlichen  Zellschicht  gibt  das  Mutter- 
korn sehr  leicht  an  Weingeist  ab,  der  mit  etwas  Ammoniak  oder  einer  Mineral- 
saure  (nicht  Essigsäure)  versetzt  ist.  Die  schöne  rothe  Färbung  der  Flüssig- 
keit kanu  zur  Erkennung  auch  kleiner  Mengen  des  Mutterkornes  z.  B.  in 
Getreidemehl  dienen.  Zum  gleichen  Zwecke  lässt  sich  auch  das  oben  er- 
wähnte Verhalten  zu  Kalilauge  verwenden,  welche  den  charakteristischen  Ge- 
ruch nach  Heringslake  erzeugt.  Ferner  ist  das  Ausziehen  des  fetten  Oeles  ver- 
mittelst Schwefelkohlenstoff  zu  empfehlen,  indem  gutes  Getreide  nur  weuige 
Procente  Fett  liefern  kann. 

Schon  früher,  z.  B.  in  Frankreich  im  VI.  und  XI.  Jahrhundert,  wurde 
das  Mutterkorn  als  eine  sehr  schädliche  Beimengung  des  Getreides  erkannt. 
Eigentümlich  gefährliche  Wirkungen  äussert  es  im  Mehle  doch  erst,  wenn 
es  in  sehr  grosser  Menge,  bis  zu  x/e — '/s  darin  verkömmt,  was  bei  der  heu- 


x)  Vergl.  diese  am  Schlüsse 


von  Manna.  — Die  Mycose  verliert  bei  130°  zwei  Mol.  Wasser. 


136 


III.  Pflanzen  oder  Pflanzentheile  mit  gefässlosem  Gewebe. 

tigen  verbesserten  Landwirtschaft  seltener  der  Fall  ist.  Die  Mutterkorn- 
vergiftung ist  als  Ergotismus-Epidemie  (Antonsfeuer,  Ignis  sacer  im  Mittel- 
alter)  bisweilen  furchtbar  verheerend  aufgetreteu,  so  z.  ß.  922  in  Spanien 
und  Frankreich,  wo  ihr  nicht  weniger  als  40,000  Menschen  erlagen.  Haupt- 
sächlich in  Frankreich  (Sologue,  Lothringen),  Hessen,  Schlesien,  Böhmen, 
Russland,  Finnland,  Schweden  hat  der  Ergotismus1)  furchtbar  gewüthet. 

Die  geburtsfördernde  und  blutstillende  Eigenschaft  des  Mutterkornes 
scheint  wohl  zuerst  die  Volksmedicin  in  Deutschland  benutzt  zu  haben.  1573 
erwähnte  es  Lonicer  als  Heilmittel  gegen  Hysterie,  Camerarius  empfahl 
es  1688  in  der  Geburtshülfe.  Später  in  Vergessenheit  gerathen,  kam  es 
gegenEnde  des  vorigen  Jahrhunderts,  um  1747  durch  Ratlilaw  inHolland 
und  besonders  1807  durch  Stearns  in  New-York  aufs  neue  empfohlen,  in 
allgemeine  Aufnahme. 

Die  Chinesen  sollen  es  nach  Stanis las  Julien  schon  in  ältester  Zeit 
als  Heilmittel  gekannt  haben. 

Fungus  Laricis. 

Agaricus  albus.  Agaricum.  Boletus  Laricis.  Lärchenschwamm.  Agaric 
blanc.  Bolet  du  meleze.  Larcli  fungus. 

Polyporus  ofticinalis  Fries.  — Hymenomycetes. 

Syn.:  Boletus  Laricis  L. 

Boletus  purgans  Persoon. 

Grosser,  seitlich  an  den  Stämmen  der  gewöhnlichen  Lärchentanne  La- 
rix decidua  Miller  sowohl,  als  an  ihrer  nordischen  Varietät  ß.  rossicci 
(Syn.:  Larix  sibirica  Ledebour.  Pinus  Ledebourii  Endlicher)  anwachseuder 
Hutpilz.  An  der  ersteren  findet  er  sich  vorzüglich  in  den  südlichen  Alpen  2). 
Von  der  durch  ganz  Nordrussland,  Sibirien  und  den  Altai  bis  Kamtschatka 
verbreiteten  L.  rossica  wird  derselbe  besonders  in  den  ausgedehnten  dich- 
ten Wäldern  des  Dorfes  Sqjena,  Kreis  Pinega,  westlich  von  Archangel  ge- 
sammelt. Nach  Marquis  sind  alle  Bäume,  welche  dort  diesen  Pilz  tragen, 
kernfaul.  An  derselben  Stelle,  wo  im  Frühjahr  ein  Exemplar  weggeschnitten 
wird,  entsteht  bis  zum  Herbste  schon  wieder  ein  gleich  grosses.  Von  der 
entblössten  Stelle  lassen  sich  schwärzliche  Kanäle  ins  Iunere  des  Holzes 
verfolgen,  so  dass  es  scheint  als  veranlasse  das  cindriugende  Pilzmycelium 
die  Erkrankung  des  Baumes.  Der  Pilz  wird  kopfgross  und  grösser,  ja  nach 
Marquis  bis  14  Pfund  schwer,  und  ist  durch  breite  wellenförmige  Zonen, 
welche  das  allmälige,  vermuthlieh  nicht  immer  gleich  rasche  Uebercinauder- 
wachsen  verschiedener  Schichten  audeuten,  etwas  uueben,  doch  immer  von 
voller  schwellender  Form,  meist  etwas  länglich  rund,  aber  sehr  verschieden 


1)  Heusinger,  Studien  über  den  Ergotismus.  Marburg  1856  — Auszug  inHuscmann 
Toxikologie.  Berlin  1862.  S.  364. 

2)  Im  Wallis  schon  im  XVI.  Jahrhundert  von  Simm ler  angegeben. 


Liehen  islandicus. 


137 


gestaltet.  Die  nach  unten  gerichtete  Seite  zeigt  unzählige  Löcher,  die  Poren 
des  Hymeniums.  Wie  bei  den  Pilzen  überhaupt , besteht  das  Gewebe  aus 
sehr  kleinen  fadenförmigen  dicht  verfilzten  Zellen.  Die  grossen  runden 
Poren  sind  von  gelben  radial  geordneten  Zellen  (unfruchtbaren  Basidien) 
umsäumt  und  enthalten  iu  der  Regel,  wenigstens  iu  der  Handelswaare,  keine 
entwickelte  Fortpflanzungsorgane.  Der  Pilz  ist  zähe,  korkig,  doch  brüchig, 
aber  nicht  leicht  zu  pulverisiren ; seine  holzige  Aussenfläche  wird  oft  von  den 
Sammlern  abgeschält. 

Geruch  unbestimmt  dumpf,  fris’ch  sehr  schwach  pilzartig;  Geschmack 
siisslich,  dann  widerlich  bitter.  Ein  Bohrkäfer,  Anobium  festivum  Panzer, 
zerfrisst  häufig  den  Lärchenschwamm. 

Chem.  Bestandtheile : ungefähr  30  pC.  (nach  Schoonbroodt  über 
60  pC.)  Harz,  das  aus  einem  (Laricin1)  geuannteu)  bitteren  und  einem 
geschmacklosen  Antheile  zu  bestehen  scheint  und  drastisch  wirkt.  Schoon- 
broodt erhielt  daraus  durch  Aether  einen  krystallisirten  stickstoflfeien 
Körper,  Agaricin.  Alkohol  löst  das  Harz  mit  rother  Farbe.  Ferner  Fu- 
marsäure, vermuthlich  auch  Aepfel-  und  Citronsäure,  welche  früher  für 
eigenthümliclie  (Bolet-  und  Schwammsäure  Braconnot’s)  Säuren  gehalten 
wurden.  Der  nach  völliger  Erschöpfung  des  Gewebes  dieses  und  anderer 
Pilze  zurückbleibende  Zellstoff  war  vonBraconnot  unter  demNamenFun- 
gin  als  eigenthümlich  bezeichnet  worden;  es  wird  durch  Schwefelsäure  und 
Jod  nicht  gebläut  und  weicht  dadurch  von  gewöhnlicher  Cellulose  ab. 

Die  Griechen  erhielten  den  Lärchenschwamm  Agarikon  aus  Agaria  im 
Lande  der  Sarmaten.  Im  Mittelalter  gelangte  viel  davon  aus  Mittelasien  oder 
Kleinasien  (Galatia,  Gilicia)  über  Aleppo  und  Venedig  nach  Europa,  vermuth- 
lich aber  eine  andere  vielleicht  an  Cedern  wachsende  Art,  da  Larix  decidua 
auf  Centraleuropa  beschränkt  ist,  auch  den  Pyrenäen  und  Spanien  fehlt. 


Lichen  islandicus. 

Isländisches  Moos.  Isländische  Flechte.  Lichen  ou  rnousse  d’Islande. 

Iceland  moss. 

Cetraria  Islantlica  Ach.  — Lichenes. 

Syn.:  Physcia  Islanclica  DC. 

Im  hohen  Norden,  z.  B.  in  Südgrönland,  Sibirien,  Skandinavien  und  Island 
ausserordentlich  häufig  und  zwar  in  der  Ebene;  in  gemässigten  Ländern 
.f  ta  i®n’  ^Pamea > auch  Virginien  auf  Gebirgen,  namentlich  auch  in  den 
pen  ferner  in  den  antarktischen  Gegenden.  Im  Norden  als  Nahrungs- 
mittel  langst  benutzt,  wurde  diese  Flechte  1673  von  Olaus  Borrichius 
683  von  Hjarne  als  Arzneimittel  erwähnt,  aber  erst  seit  1737  nach 
Lin  ne  s Empfehlung  in  allgemeinen  medicinischen  Gebrauch  gezogen. 

wig  ™DeiLtf?UZ  ClieSCR  V0U  MartiUS  auf6°stellt611  Bitterstoffes  ist  indessen  nach  Lnd- 


138 


III.  Pflanzen  oder  Pflanzentheile  mit  gefäsBlosem  Gewebe. 

Blattartige  handgrosse , immer  aufrecht  auf  dem  Boden  haftende , nicht 
bewurzelte  Hechte.  Laub  aufrecht,  manigfach  gelappt,  zerschlitzt,  gefaltet, 
kraus  oder  rinnenförmig  zusammengerollt,  mit  glatter,  stellenweise  durch 
kleinere  Vertiefungen  unterbrochener  Oberfläche.  Der  Rand  mit  weitläufig 
auseinander  gestellten  dicken  kurzen  Wimpern  besetzt,  welche  häufig  in 
eine  oder  mehrere  kleine  sackartige  Höhlungen  (Spermogouien)  enden, 
worin  eine  sehr  grosse  Zahl  stabförmiger  einfacher  Zellen  (Spermatien)  von 
nur  6 Mikromillim.  Länge  in  klarem  Schleime  enthalten  sind  und  durch 
den  Druck  des  Deckgläschens  herausgetrieben  werden  können. 

Man  sammelt  die  ganze  Flechte.  Ihre  Farbe  ist  olivengrün,  braun;  auf 
dei  Rückseite  ist  sie  heller  weiss  oder  grau  und  reichlich  mit  etwas  vertief- 
ten hellen  Flecken  besetzt. 

karbe  und  Theilung  des  Laubes  (Thallus)  wechseln  übrigens  sehr,  wo- 
nach man  bis  10  Varietäten  unterscheidet.  Selten  zeigen  sich  vorn  au  den 
Enden  der  Lappen  die  braunen  Früchte,  so  dass  man  dieselben,  wenigstens 
an  der  in  den  Alpen  gesammelten  Waare,  vergebens  suchen  würde. 

Auf  dem  Querschnitte  sieht  man  bei  starker  Vergrösserung  in  der  Mitte 
eine  Luft  enthaltende  breite  lockere  Schicht  langer  dickwandiger  ästiger 
Zellen,  welche  weite  Hohlräume  einschliessen.  Diese  Mittelschicht  birgt 
nicht  sehr  zahlreiche  grosse  hohle,  durch  Chlorophyll  gefärbte  Brutkörner 
(Gonidieu),  welche  durch  concentrirte  Schwefelsäure  oder  durch  Kochen 
mit  Kali  ihre  Form  nicht  verlieren.  Sie  nehmen  aber  intensiv  violette  Farbe 
an,  wenn  sie  in  der  bei  Semen  Lini  angegebenen  Weise  mit  Aetzkali  be- 
handelt und  dann  mit  Jod  in  Jodkaliumlösung  24  Stunden  in  Berührung 
gelassen  werden.  Das  Gewebe  zu  beiden  Seiten  dieser  Mittelschicht  besteht 
aus  sehr  kleinen  fadenförmigen  Zellen,  welche  sehr  dicht  und  ohne  Zwischen- 
räume verfilzt  sind  und  einen  besonderen  Inhalt  nicht  wahrnehmen  lassen. 
Dieses  ausserordentlich  dichte  zähe  Gewebe  geht  allmälig  nach  den  beiden 
Seiten  in  eine  schmale  Rindenschicht  über,  welche  aus  so  enge  verbundenen 
Zellen  besteht,  dass  ihre  Umrisse  im  einzelnen  nicht  zu  erkennen  sind. 
Die  Rindenschicht  beider  Seiten  zeigt  sich  deutlich  bei  der  Einwirkung  von 
Reagentien.  Beim  Benetzen  mit  concentrirter  Schwefelsäure  oder  Salzsäure 
z.  B.  löst  sie  sich  als  zusammenhängende  Membran  vom  übrigen  Gewebe 
ab  und  rollt  sich  bandartig  rückwärs  auf.  In  älteren  Exemplaren  zeigt  die 
Rindenschicht  im  Innern  oft  eine  Reihe  ziemlich  grosser  Lücken. 

Dünne  Schnitte  der  Flechte  werden  durch  Jodwasser  stellenweise  röth- 
lich  oder  schwach  bläulich  gefärbt,  deutlicher  blau  erst  nach  Behandlung 
mit  Schwefelsäure.  Die  Färbung  verbreitet  sich  gleichmässig  über  das 
innere  Gewebe,  ohne  dass  sich  Stärkekörner  bemerken  lassen.  Die  Rinden- 
schicht färbt  sich  mit  Jod  nur  braun.  Die  weisseu  Flecke  der  Aussenfläche 
des  Laubes  zerfallen  durch  den  Druck  unter  dem  Mikroskop  Lu  sehr  kleine 
runde  helle  Körner,  welche  durch  Jod  nicht  gefärbt  werden,  und  in  dicke 
ästige  Zellen,  gleich  denen  der  Mittelschicht. 

Die  Flechte  besitzt  keinen  Geruch  und  schmeckt  bitter  schleimig.  Sie 


Lichen  parietinus. 


139 


nimmt  begierig  Wasser  auf;  getrocknet  verdichtet  sie  davon  bis  Vs  ihres 
Gewichtes  und  die  käufliche  Waare  enthält  über  10  pC.  hygroskopisches 
Wasser.  Kochendes  Wasser  entzieht  der  Flechte  hauptsächlich  einen  stärke- 
mehlartigen  Stoff,  Lichenin  oder  Flechtenstärke  genannt;  dieselbe 
ist  vollkommen  strukturlos,  die -Abkochung  gelatinirt  beim  Erkalten,  färbt 
sich  aber  mit  Jod  nicht  immer.  Die  Zellen  selbst  erleiden  beim  Kochen 
keine  bedeutende  Ausdehnung,  sondern  mehr  nur  eine  Auflockerung,  und 
es  wird  zunächst  die  Rinde  abgesprengt.  Das  Lichenin  wird  durch  Jod  nur 
röthlich  oder  blass  blau  gefärbt,  was  sich  recht  gut  zeigt,  wenn  zarte 
Schnitte  der  ausgekochten  Flechte  einige  Stunden  in  Jodwasser  gelegt  wer- 
den , oder  oft  noch  besser , wenn  der  in  ihrer  verdünnten  Abkochung  durch 
Weingeist  erhaltene  Niederschlag  gesammelt  und  noch  feucht  in  heissem 
Wasser  gelöst  wird.  Jodwasser  erzeugt  in  dieser  Lösung  nach  dem  Er- 
kalten intensiv  blau  violette  Färbung;  doch  gelingt  der  Versuch  nicht  immer. 

Immerhin  ist  die  Bläuung  weder  so  dauerhaft  noch  so  stark  wie  bei 
Amylum,  dessen  procentische  Zusammensetzung  das  Lichenin  nach  Mul  der 
und  nach  Knop  u.  Schnedermann  besitzt.  Es  ist  als  lösliche  Modifi- 
kation der  Cellulose  zu  betrachten,  welche  in  sehr  geringer  Menge  die 
Zellen  auskleidet,  während  der  gelatinirende  Körper  vielleicht  eine  Gummi- 
oder Bassorinart  ist,  welche  auf  Jod  nur  wegen  der  geringen  Beimengung 
jener  löslichen  Cellulose  reagirt  und  deshalb  immer  nur  eine  geringe  Fär- 
bung gibt.  Das  Chlorophyll  der  Gonidien  ist  in  Salzsäure  nicht  löslich, 
daher  von  Knop  u.  Schnedermann  als  Thallochlor  unterschieden 
worden;  es  ist  nur  in  äusserst  geringer  Menge  vorhanden. 

Der  bittere  Bestandtheil  der  Cetraria  ist  die  in  Nadeln  krystallisirende, 
in  kaltem  W asser  fast  unlösliche  Cetrarsäure  (oder  C e t r a r i n) O18 H16 O8, 
die  mit  Alkalien  gelbe  leicht  lösliche  sehr  bitter  schmeckende  Salze  bildet.’ 
h einer  enthält  die  F lechte  Gummi,  Zucker,  Fett  (zum  Theil  in  rhombischen  Ta- 
feln als  Lichenstearinsäure  krystallisirend).  Die  früher  für  eigenthürn- 
lich  gehaltene,  1826  vonPfaff  in  Lichen  islandicus  gefundene  Flechtensäure 
hat  sich  als  F umarsäure  erwiesen  (vergl.  bei  Herba  Fumariae).  Auch  Oxalsäure 
gibt  Braconnot  in  Cetraria  an.  — Die  Asche,  etwa  1—2  pC.  betragend, 
besteht  zu  % aus  Kieselsäure,  hauptsächlich  an  Kali  und  Kalk  gebunden.  ’ 


Lichen  parietinus. 

Wandflechte.  Lichen  des  murs. 

J ai  meliä  p ai*i et i na  Acliarius.  — Ijic/igtigs, 

Syn. : Lichen  parietinus  L. 

Physcia  parictina  Korber. 

...  Aü  IIolzwänden  und  an  Rinden  freistehender  Bäume  und  Sträucher 
aberall  häufig  und  fast  über  die  ganze  Erde  verbreitet.  Das  Laub  flach 
lederartig,  der  Unterlage  anliegend,  oft  grössere  Flächen  bedeckend,  0 03 
bis  0,09"'  Durchmesser  erreichend.  Die  rundlichen  Lappen  kraus  und  in 


140 


III.  Pflanzen  oder  Pflanzentheile  mit  gefässlosem  Gewebe. 

verschiedenster  Weise  zertlieilt.  Die  Oberfläche  schön  röthlicli  gelb  mit 
zahlreichen  rothgelben  sohüsselförmigen  sitzenden  Früchten  (Apothecien), 
während  die  weissliche  Unterfläche  schwarze  Würzelchen  trägt. 

Geruchlos;  Geschmack  nur  schwach  bitterlich,  mehr  schleimig.  Das 
Gewebe  ist  ähnlich,  nur  dichter  als  das  der  Cetraria  Islandica.  Die  obere 
hindenschickt  enthält  bräunliche  Körner  (Farbstoff),  das  mittlere  und  untere 
Gewebe  grosse  Chlorophyllkörner.  Der  wulstige  Rand  der  Früchte  fasst 
eine  oberflächlich  gelegene  Schlauchschicht  (Hymenium)  ein,  welche  aus 
senkrecht  auf  die  Fläche  der  Frucht  gestellten  Schläuchen  (Thecae)  und 
unfruchtbaren  Fadenenden  (Paraphysen)  besteht.  Die  sehr  kleinen  Sporen, 
meist  zu  8 in  einem  Schlauche,  sind  farblos,  oval.  Durch  die  in  der  mitt- 
leren Zone  stark  verdickte  Membran  wird  der  Inhalt  in  2 an  beiden  Enden 
der  Spore  hängende,  nur  durch  einen  schmalen  Kanal  verbundene  Portionen 
getheilt. 

Das  Gewebe  unter  dem  Hymenium,  die  Schläuche  uud  die  Paraphysen 
werden  durch  Jod  blau,  das  übrige  Gewebe  nur  braun  gefärbt. 

Ausser  den  bei  Cetraria  genannten  Bestaudtheilen  enthält  die  Wand- 
flechte eine  Spur  ätherischen  Oeles,  Zucker  und  Chrysophansäure 
G14H'°G4  (oder  nach  Andern  GlüH803),  nur  durch  H2  mehr  von  Alizarin 
(siehe  Rad.  Rubiae)  verschieden  und  höchst  wahrscheinlich  identisch  mit 
dem  Rhein  der  Rhabarber  uud  mit  dem  Rumiciu  (siehe  Rad.  Lapathi). 
Auch  die  Sennesblätter  enthalten,  nach  C.  Martins,  vermuthlich  dieselbe 
Säure.  Die  Abkochung  der  Parmelia  parietina  gelatinirt  nicht , gibt  aber 
mit  Jodwasser  eine  tiefblaue  Färbung,  welche  wegeu  schwach  alkalischer 
Reaktion  der  Abkochung  bald  verschwindet,  aber  durch  erneuten  Zusatz 
von  Jod  wieder  hervorgerufeu  wird. 

Aus  Parinelia  parietina,  welche  an  Sandsteinfelsen  gesammelt,  aber 
erst  nach  Jahresfrist  verarbeitet  wurde,  erhielt  Stein  nicht  Chrysophan- 
säure, sondern  einen  neuen  bitteren  krystallisirten  Stoff  von  rother  Farbe, 
das  Chrysopikrin  G^’H11^4. 


Carrageen. 

Caragaheen.  Alga  Caragaheen.  F ucus  crispus.  Knorpeltang.  Irländisches  Moos. 

Perlmoos.  Mousse  marine  perlee.  Mousse  d’Irlaude.  Goemon.  Carrageen. 

- 

1)  Chondrus  crispus  Lyngbyo.  — Algae,  Florideae. 

Syn.:  Chondrus  polymorplius  Lamouroux. 

Fuchs  crispus  L. 

Sphaerococcus  Agardh. 

2)  Mastoearpus  inamillosus  Kützing. 

Syn.:  Sphaerococcus  Agardh;  Gigartina  Good.  u.  Woodw. 
Chondrus  Grev. 

Der  Kuorpeltang  wächst  auf  Steinen  an  deu  uordatlantischeu  Küsten 
bis  zu  den  Azoren;  er  wird  namentlich  an  den  Gestaden  von  Cläre  uud 


Carrageen. 


141 


Antrim  (West-  und  Nordostküste  Irlands),  auch  in  Schottland  und  Massa- 
chusetts gesammelt,  indem  der  Wellenschlag  ihn  ans  Ufer  treibt. 

Man  nimmt  die  ganzen  Algen,  welche  im  frischen  Zustande  gallertartig 
und  schön  gelblich  bis  violettroth  oder  grünlich  gefärbt  sind,  durch  das 
Trocknen  aber  hornartig  durchscheinend  werden  und  nur  noch  eine  gelb- 
liche Färbung  behalten.  Das  Laub  entsteht  aus  einer  kleinen  am  Gestein 
befestigten  Scheibe  und  ist  nach  oben  wiederholt  getheilt,  an  den  Spitzen 
zweispaltig  und  gewimpert.  Sehr  häufig  hängen,  namentlich  am  unteren 
Ende,  Polypen  (Flnstra  pilosa.)  an. 

Die  erstgenannte  Alge  macht  die  Hauptmasse  des  käuflichen  Carrageen 
■ aus  und  besitzt  ein  ganz  flaches  oder  am  Bande  wellig  krauses,  in  breiteren 
oder  schmäleren  Lappen  wiederholt  gabelig  gfetheiltes  Laub,  aus  dem  bei 
fertilen  Exemplaren  die  nicht  sehr  zahlreichen  halbkugeligen,  warzenförmigen 
Früchte  nur  sehr  wenig  hervorragen,  indem  sie  theils  im  Innern,  theils  in 
der  Riudenschicht  stecken.  Auf  der  Unterfläche  entsprechen  denselben 
(bei  der  trockenen  Alge)  kleine  Vertiefungen.  Die  Früchte  enthalten  zahl- 
reiche kleine,  in  Tochterzellen  grösserer  Zellen  eingeschlossene  Sporen; 
doch  tragen  nicht  alle  Exemplare  Früchte.  — Nach  der  ausserordentlich 
vielgestaltigen  Zertheilung  des  Laubes  lassen  sich  mehrere  Spielarten  des 
Chondrus  crispus  unterscheiden. 

Die  zweitgenannte,  ebenfalls  sehr  variirende  Alge  kömmt  immer  mit 
Chondrus  crispus  zusammen  vor  und  besitzt  ein  schmäleres,  unterwärts 
mehr  rinnenförmiges  Laub,  aus  welchem  beiderseits  sehr  zahlreiche  oft 
gestielte  Früchtchen  .hervortreten.  Gewöhnheb  findet  sich  im  Carrageen 
auch  in  geringer  Menge  Furcellctria  fastigiata  Lamour.  (Fucus  fastigiatus 
Huds.  j Fucus  lumbricalis  Lyngbye) , Cercimium  rubrum  Ag.  und  Chon- 
drus canaliculatus  Grev.  (Sphaerococcus  Ag.)  nebst  noch  andern  Algen. 

In  kaltem  Wasser  quillt  das  Carrageen  zu  seinem  ursprünglichen 
Umfange  auf  und  nimmt  deutlichen  Seegeruch  an.  Das  20-  bis  30fache 

Gewicht  Wasser  damit  gekocht,  erstarrt  beim  Erkalten  zu  einer  bitterlichen 
Gallerte. 

Auf  dem  Querschnitte  des  Chondrus  crispus  lassen  sich  die  einzelnen 
Zellen  vorzüglich  bei  schiefer  Beleuchtung  gut  unterscheiden;  die  dicken 
Wandungen  stossen  in  einer  feinen  Linie  an  einander,  sind  vollkommen 
homogen  und  nicht  geschichtet.  Die  runden  Höhlungen  sind  mit  körnigem 
eingeschrumpftem  Inhalte  (Schleim)  erfüllt,  im  Innern  sehr  gross  eiförmig 
nach  beiden  Seiten,  zuletzt  sehr  rasch,  an  Grösse  abnehmend,  so  dass  die 
aussersten  Zellen  nur  sehr  klein  sind  und  durch  ihre  dichte  radiale  Anord- 
nung eine  Art  bei  der  mikroskopischen  Präparation  leicht  trennbarer  Rinde 
bilden  , welcher  noch  eine  sehr  zarte  Cuticula  aufgelagert  ist.  Der  tangen- 
c e Schnitt  durch  die  Rinde  lässt  die  äusserst  kleinen  Zellhöhlungen  nur 
a s feme  Punkte  erscheinen.  Nach  dem  Auskochen  dünner  Schnitte  mit 
alkoholischer  Kahlösung  erscheint  das  Gewebe  vielmehr  aus  langen  ein- 
gesc  nur  en  Zellenfäden  bestehend  als  aus  einzelnen  kugeligen  Zellen. 


142 


III.  Pflanzen  oder  Pflanzentheile  mit  gefässlosem  Gewebe. 


Geschmack  fade  schleimig.  Die  chemischen  Bestandteile  sind  die  gewöhn- 
lich in  den  Meeresalgen  vorkommenden,  namentlich  Schleim.  Nach  Blon- 
de au1)  soll  sich  aus  dem  Decoct  durch  Alkohol  ein  Schleim  fällen  lassen, 
welcher  getrocknet  nicht  weniger  als  21  pC.  (?)  Stickstoff  enthält. 

Stärkekörner  fehlen  der  Alge;  die  inneren  Zellen  werden  durch  Jod- 
wasser violett  gefärbt,  ähnlich  wie  das  Gewebe  des  Lichen  islandicus. 
Werden  dünne  Schnitte  der  Alge  in  der  bei  Semen  Liui  augegebeuenWei.se 
mit  alkoholischer  Kalilauge  behandelt  und  nach  dem  Abwaschen  24  Stunden 
lang  mit  Jod  in  Jodkaliumlösung  in  Berührung  gelassen,  so  färbt  sich  der 
gesammte  Zellinhalt,  nicht  die  Wandungen,  aufs  tiefste  blau.  Beim  Abdunsten 
des  Jods  geht  das  Blau  durch  Violett  in  Gelb  über.  Die  Aschenbestandtheile 
sind  die  gewöhnlichen  der  Seepflanzen. 

Als  geringes  Nahrungsmittel  in  seiner  Heimat  längst  in  Gebrauch, 
wurde  der  Knorpeltang  seit  1831  vou  England  aus  in  den  Arzueischatz 
eingeführt  und  gelangte  seit  1833  auch  in  Deutschland  zu  einiger  Bedeutung. 

* 

Paleae  Cibotii. 

Pili  Cibotii.  Pengawar  Djarnbi.  Paku  Kidang.  Farnhaar. 

Die  Farne  sind  fast  alle  mehr  oder  weniger  mit  braunen  oder  gelben 
trockenen  Schuppen  (Paleae)  versehen , welche  bald  mehr  blattartig,  bald 
mehr  haarförmig  entwickelt  sind.  Letzteres  ist  namentlich  bei  den  Farueu 
der  Tropen länder  der  Fall,  dercu  Wurzelstöcke,  Blatt-  und  Stammbasen  bei 
manchen  Arten  ganz  dicht  durch  dergleichen  Spreuhaare  verhüllt  sind. 

Schon  im  Mittelalter  war  ihre  hämostatische  Wirkung  bekannt;  aus 
Mittelasien  gelangten  damals  solche  behaarte  Wurzelstöcke  unter  dem  Namen 
Frutex  tartareus  in  den  europäischen  Handel  und  gaben  zu  vielen  aber- 
gläubischen Fabeln  Anlass.  Bisweilen  wurde  der  Wurzelstock  so  gewählt 
oder  so  zugestutzt,  dass  er  in  passender  Anordnung  3 bis  5 der  bei  den 
grossen  tropischen  Farnen  sehr  starken  holzigen  Blattstiele  trug,  welche 
nun  Beine  und  Schwanz  eines  Thieres  vorstellteu,  dessen  Leib  durch  den 
länglichen  Wurzelstock  gebildet  war.  Fehlte  es  au  einem  geeigneten  natür- 
lichen Beine,  so  wurde  mit  einem  Bainbustäbchen  der  Phantasie  uach- 
geholfen.  So  zugerichtet  hiess  das  Heilmittel  in  früherer  Zeit  Agnus  scy- 
thicus , und  ein  solches  langbehaartes  Lamm  zeigt  eine  Abbildung  des 
„Herbarium  Blackwellianum,“  Nürnberg  1760.  Cent.  IV,  Tab.  360.  In 
Indien  hat  sich  der  Gebrauch  dieses  blutstillenden  Mittels  in  dieser  abson- 
derlichen Form  bis  auf  unsere  Zeit  erhalten;  ein  zur  Herstellung  dieses 
„Lammes“  vorzüglich  geeigneter  Farn  wächst  im  Reiche  Djarnbi,  auf  der 
Ostseite  Sumatras,  von  wo  arabische  Kaufleute  das  „Lamm“  immernoch 


1)  Journ  de  Pharm,  et  de  Chim.  August  1865.  pg.  160. 


Paleae  Cibotii. 


143 


z.  B.  auf  alle  Märkte  Javas  bringen,  so  dass  es  dort  ganz  einfach  den 
malaischen  Namen  Pengawar  (d.  h.  Heilmittel)  Djambi  (aus  Djambi) 
führt  und  zum  Preise  von  2 — 3 holländischen  Gulden  verkauft  wird.  Dieser 
sumatranische »Farn,  der  auf  Java  fehlt,  ist  das  Linne’sche  Polypodium 
Baromez  (Aspidium  Willdenow),  welches  in  neuerer  Zeit  zu  Cibotium 
gezählt  und  in  mehrere  Arten : C.  Baromez  Kunze,  C.  glaucescens  Kze., 
C.  Cumingii  Hasskarl,  C.  Assamicum  Hassk. , C.  Djambianum  Hassk., 
getrennt  wird.  Nach  anderen  wären  diese  5 Arten  nur  Formen  eines  und 
desselben  Farn,  der  auch  auf  Borneo,  den  Philippinen,  in  Cochinchina, 
China , sogar  im  Innern  Hochasieus  vorkömmt.  Sein  niederliegender,  nur 
zum  Theil  unterirdischer  Stamm  wird  höchstens  fusslang,  treibt  zahlreiche, 
sehr  starke,  1 — 2m  hohe  Blätter  und  viele  Nebenwurzeln  und  ist  dicht  in 
schöne  goldgelbe,  nicht  verfilzte,  0,02“  bis  0,03“  lange  Haare  eingehüllt. 

Ganz  ähnliche,  doch  wie  es  scheint  immer  dunklere  Haare  bekleiden 
auch  den  untersten  Theil  des  bis  3m  hohen  Stammes  und  der  Blattstielreste 
einiger  baumartiger  Farne  Javas,  besonders  der  Alsophila  lurida  BL, 
Chnoophora  tomentosa  BL,  Balantium  chrysotrichum  Hassk.  Die  Eingebornen 
belegen  bäum-  und  strauchartige  Farne  der  höheren  Bergregion,  deren 
Büsche  dem  javanischen  Reh  (Cervus  s.  Stylocerus  Muntjak  Horsf.  — 
Kidang  der  Eingebornen)  zum  Aufenthalt  dienen,  mit  dem  Namen  Paku 
und  wenden  unter  dem  Namen  Paku-Kidang  die  Haare  der  genannten 
Farne  gleich  an  wie  die  des  Pengawar,  welches  in  seiner  charakteristischen 
Form  allein  nur  aus  Djambi  kömmt.  Die  Haare  au  und  für  sich  sind  gleich 
beschaffen  und  von  gleicher  Wirkung  und  sehr  viele  andere  tropische  Farne 
können  dieselbe  Droge  auch  liefern,  wie  es  bereits  z.  B.  von  Cibotium 
Schiedeanum  Schlechtend.  in  Mexico,  Lophosoria  affinis  Presl.  in  Süd- 
amerika und  einigen  anderen  in  Centralamerika  angegeben  wird.  Wo  diese 
Farnhaare  in  grosser  Menge  und  von  besonderer  Feiuheit  und  Weichheit 
zu  haben  sind,  werden  sie  auch  zweckmässig  als  Ausfüllung  von  Kissen 
und  Matrazen  verwerthet.  So  unter  dem  Namen  Pulu  diejenigen  von 
Cibotium  glaucum  Hook.  u.  Arnott,  C.  Chamissoi  Kaulf.,  C.Menziesii  Hook, 
auf  den  Gebirgen  der  Sandwich-Inseln,  die  in  grosser  Menge  nach  Cali- 
fornien  und  Australien  gehen.  Ebenso  werden  die  Haare  von  Cibotium 
Siempay  Teijsman  auf  Sumatra,  die  von  Dicksonia  Culcita  auf  den  Azoren, 
Madeira,  Westindien,  Neu -Granada  u.  s.  f.  benutzt.  Es  ist  nicht  möglich’ 
alle  diese  verschiedenen  nur  wenig  abweichenden  Spreuhaare  zu  unter- 
scheiden, daher  denn  auch  die  Holländer  seit  1837  mit  Recht  die  am  leich- 
testen zu  beschaffenden  Haare  des  Paku  Kidang  statt  des  Pengawar  aus 
Djambi  wieder  in  den  europäischen  Arzneischatz  eingeführt  haben. 

Das  Paku  Kidang  des  holländischen  Handels  besteht  aus  glänzenden, 
zusammengeballten,  nicht  eigentlich  verfilzten  bis  0,05"'  langen  Haaren  von 
ic  it  hellgelber  bis  dunkelbrauner  Farbe,  denen  mehr  oder  weniger  Reste 
der  Blattbasen  oder  des  Rhizoms  beigemengt  sind.  Die  Haare  selbst  sind 


144 


III.  Pflanzen  oder  Pflanzentheile  mit  gefässlosem  Gewebe. 


einfache  sehr  dünnwandige,  daher  häufig  bandartig  zusammengefallene 
Röhren,  welche  an  einzelnen  ziemlich  weit  auseinander  liegenden  Stellen 
schwach  oder,  bei  den  dicksten  Haaren,  gar  nicht  aufgetrieben  sind  und  ganz 
allmälig  in  eine  dunkle  lange  stumpfliche  Spitze  auslaufen,  welche  gewöhn- 
lich abgebrochen  ist.  An  den  aufgetriebenen  Stellen  (Knoten)  sind  die  Röh- 
ren durch  eine  zarte  Querwand  geschlossen  und  aussen  durch  eine  schmale 
sehr  unregelmässig  gezähnte  und  zerschlitzte  Scheide  bezeichnet.  Die  Breite 
der  stärksten  Haare  erreicht  20  — 30  Mikromillimeter,  die  Querscheidewände 
stehen  40  — 50  Mikrom.  auseinander,  bei  dünneren  Haaren  jedoch 
60—80  Mikromillimeter.  Ein  besonderer  Inhalt,  ausser  Luftblasen  und 
wenigen  Oeltröpfchen  ist  nicht  wahrzunehmen.  Von  der  weit  beträchtlicheren 
Grösse  und  der  Färbung  abgesehen,  stimmen  diese  Gebilde  daher  im  wesent- 
lichen mit  der  Haarbekleidung  vieler  Phanerogamen  wohl  überein,  wie  z.  R. 
mit  dem  Filze  der  Stengel  vonCnicus  benedictus  oder  von  Marrubium  u.s.  f. 
Die  dunkleren,  verholzten  und  ohne  Zweifel  älteren  Haare  des  Paku  Kidang 
zeigen  häufig  ihrer  Länge  nach  dunkelbraune  Nerven  und  einige  kurze  zahn- 
artige einfache  Aestchen,  in  welche  sich  die  dunkeln  Nerven  fortsetzen,  wäh- 
rend die  Quertheiluug  zurückbleibt.  Sehr  häufig  sind  mehrere  dieser  gezahnten 
Haare  der  Länge  nach  wie  verwachsen  und  deuten  so  den  Uebergang  in  die 
gewöhnlichen  mehr  blattartig  entwickelten  Spreuschuppen  unserer  Farne  an. 
Solche  zusammengesetzte  Haare  namentlich  fallen  picht  zusammen,  wie  die 
dünnwandigen  weiten,  soliden  bleiben  starr.  Sie  lassen  sich  schon  durch  die 
Loupe  wahrnehmen.  Die  Elasticität  und  Weichheit  der  Waare  hängt  daher 
von  der  Menge  der  einfachen  Röhren  ab.  Im  ächten  Pengawar  trifft,  man 
keine  der  spröden  verholzten  Zahnhaare,  sondern  nur,  obwohl  nicht  in 
grosser  Menge,  im  Paku  Kidang , und  das  durch  Feinheit  und  Weichheit 
höchst  ausgezeichnete  Pulu  besteht  gleichfalls  nur  aus  den  einfachen  ganz 
dünnwandigen  Haaren,  deren  Scheidewände  bis  100  Mikrom.  ausein- 
ander stehen.  Ueberhaupt  sind  alle  diese  Farnhaare  bei  nur  etwas 
grösserer  Dicke  schon  spröde  und  zerbrechlich , nicht  so  elastisch  wie  thie- 
rische  Haare  oder  z.  B.  Baumwolle. 

Das  Paku  Kidang  verliert  bei  100°  C.  etwa  12  pC.  hygroskopischer 
Feuchtigkeit.  Es  schwimmt  anfangs  auf  Wasser,  saugt  aber  bald  so  Adel  ein, 
dass  es  untersiukt,  indem  sich  die  Röhren  durch  Capillarität,  auch  wohl 
durch  Endosmose  leicht  füllen.  Ganz  besonders  dem  Blute  entziehen  die  Farn- 
haare sehr  kräftigWasser, veranlassen  dadurch  schnelleCoagulation  desSerums 
und  Verstopfung  der  blutenden  Gefässöffnungen.  Die  zu  gleichem  Zwecke 
bisher  auch  angewandten  Mittel,  z.  B.  Bovist  (Fungus  chirurgorum,  von  Lyco- 
perdonBovista)  und  Badeschwamm  werden  von  den  Farnhaaren  an  Schnellig- 
keit und  Vollständigkeit  der  Wirkung,  nach  Vincke,  bei  weitem  übertroffen, 
so  dass  schon  0,3  Gr.  (5  Gran)  für  eine  bedeutende  Blutung  genügen1). 


1)  Das  von  Vincke  angegebene  bedeutende  Aufqucllen  dos  Pengawar  oder  Paku-Kidang 
konnte  ich  weder  in  Wasser  noch  in  Höhnereiweiss  bemerken. 


Gallae  lialepenses. 


145 


Diese  eigen  thiimliche  blutstillende  Wirkung  wird  sieb  um  so  kräftiger 
äussern  müssen,  je  weniger  die  Haare  des  Pengawar  oder  des  Paku-Kidang 
verbolzt  sind  und  je  mehr  Röhrenöffnungen  dem  Blute  dargeboten  werden, 
daher  die  Haare  vor  der  Anwendung  zu  zerreiben  sind. 

Die  chemischen  Bestandtheile  scheinen  demnach  hierbei  nicht  in  Be- 
tracht zu  kommen.  Nach  van  Bemmelen  enthalten  diese  Farnhaare  Gerb- 
stoff, Harz,  Wachs,  Quellsäure  und  Humussäure,  wonach  sie  als  degene- 
rirende  vermodernde  Cellulose  aufzufassen  sind.  Zucker  und  ätherisches 
Oel fehlen  nach  demselben.  Das  Mikroskop  indessen  zeigt  darin  Oeltröpfchen 
und  beim  Erwärmen  des  Paku-Kidang  im  Wasserbade  bemerkt  man  sehr 
deutlich  den  lieblichen  Geruch  eines  ätherischen  Oeles,  der  au  weisses 
Santelholz  erinnert. 


Zweite  Reihe. 

Von  Gefässen  durchzogene  Gewebe. 


Gebilde  ohne  morphologische  Bedeutung. 

Gallae  lialepenses. 

Gallae  turcicae.  Levantische,  türkische  oder  aleppische  Gallen  oder  Gall- 
äpfel. Noix  de  galle.  Galle  d’Alep.  Galls.  Nutgalls.  Levant  galls. 

Quercus  iuf  ectoria  Olivier.  — Amentaceae. 

Diese  meist  strauchartige  Eichenart  wächst  im  östlichen  Gebiete  des 
Mittelmeeres,  durch  Griechenland,  Kleinasien  und  Mesopotamien  bis  Persien 
(Urmia-See).  Wie  manche  andere  Pflanzen  von  gewissen  Insekten  gestochen 
werden  und  in  Folge  dessen  eigenthümliche  Auswüchse,  sogenannte  Gal- 
len bilden1),  so  geschieht  dieses  vorzüglich  häufig  bei  der  genannten  Färber- 
oder Galläpfeleiche  und  wohl  auch  bei  einigen  verwandten  Arten  durch  die 
a wespe,  Cynips  Gallae  tinctoriae  Olivier  (Cynips  Quercus  infectoriae 
Nees).  Das  Weibchen  dieser  Schlupfwespe  besitzt  am  Hinterleibe  einen 
am  Grunde  spiraligen,  an  der  Spitze  gezähnten  Legestachel,  womit  es  die 
Kinde  junger  Zweige  oder  die  Knospen  anbohrt  und  ein  oder  mehrere  Eier 
hinein  legt.  Der  unbedeutende  Stich  ruft  allmälig  eine  verhältnissmässig 
flr  a“S®hnllche  Anschwellung  hervor,  in  deren  hohlem  Centrum  die  nach 
bis  6 Monaten  ausschlüpfende  Larve  ihre  Entwickelung  durchläuft 
Die  vollkommen  ausgebildete  Wespe  bohrt  sich  aus  ihrer  Kammer  sehr 

D Eichen-Mauna  siehe  S.  17. 

Flücklger , Pharmakognosie.  , n 


146 


Gebilde  ohne  morphologische  Bedeutung. 


sauber  eineu  gewöhnlich  geraden  eylindrischen  Ausgang  mit  etwas  ver- 
engtem 3mm  weitem  Flugloche  und  verlässt  den  inzwischen  erhärteten  Gall- 
apfel, wenn  sie  nicht  in  demselben  zu  Grunde  geht,  was  sehr  häufig  der 
Fall  ist.  Auf  die  chemische  Beschaffenheit  der  Galleu  ist  das  Zurückbleiben 
der  Wespe  oder  das  Ausfliegen  derselben  ohne  Einfluss;  man  gibt  zwar 
häufig  den  nicht  durchbohrten  den  Vorzug.  Selten  findet  sich  in  diesen  das 
Insekt  in  vorgerückterer  Entwickelung,  zunächst  am  Flugloche  vor,  ge- 
wöhnlicher nur  in  unkenntlichen  Kesten. 

Die  allein  officinellen  kleinasiatischen  Galläpfel  erreichen  einen  Durch- 
messer von  höchstens  0;025m.  Sie  sind  kugelig  oder  bimförmig  und  kurz 
gestielt,  etwas  glänzend.  Die  obere  Hälfte  ist  mit  spitzigen  Höckern  und 
Falten  sehr  unregelmässig  und  weitläufig  besetzt,  die  untere  häufiger  glatt. 
Das  Flugloch  befindet  sich  nicht  auf  dem  Gipfel,  sondern  immer  in  der  Mit- 
telzone oder  näher  gegen  den  Stiel  zu  gerückt.  Bis  zum  Ausschlüpfen  der 
Wespe  sind  die  Gallen  meist  durch  Chlorophyll  dunkler  oder  heller  grau- 
grünlich, etwas  schwerer,  später  werden  sie  leichter  und  nehmen  eine  stroh- 
gelbe oder  gelblichrothe  Farbe  an,  -wonach  man  im  Handel  grüne  (oder 
schwarze)  und  weisse  unterscheidet.  Die  letzteren  sind  fast  immer  mit  dem 
Flugloche  versehen,  die  ersteren  seltener.  Grünliche  und  weissliche  kom- 
men aber  auch  gemischt  vor. 

Die  (kleinasiatischen)  Galleu  sind  hart  und  spröde,  unter  dem  Hammer 
springend , ihr  Bruch  bald  dicht  wachsartig  glänzend , bald  namentlich  ge- 
gen den  Kern  locker  körnig  uud  wie  strahlig  krystallinisch  oder  ganz  zer- 
klüftet; die  Farbe  des  Innern- weisslich  bis  dunkelbraun.  Die  bis  0,007 1,1 
weite  Höhlung,  welche  der  Wespe  zum  Aufenthalt  diente,  ist  mit  einer  dün- 
nen harten  Schale  ausgekleidet.  Oftmals  ist  aussen  rings  um  diese 
Kammer  (doch  mit  Ausnahme  einer  dem  Flugloche  entgegengesetzten 
Stelle)  im  Zellgewebe  noch  ein  Hohlraum  entstanden , der  dieselbe  isolirt. 
Gewöhnlich  ist  dieser  Kern  etwas  dunkler.  Ist  das  Insekt  noch  unentwickelt 
zu  Grunde  gegangen,  so  enthält  die  Kammer,  sowie  das  Flugloch,  wenn  es 
bereits  angelegt  war,  ein  sehr  lockeres  stärkemehlreiches  Zellgewebe  oder  pul- 
verige Trümmer  desselben.  War  das  Insekt  gar  nicht  zur  Entwickelung 
gelangt,  so  bleibt  die  Kammer  mit  diesem  Gewebe  ausgefüllt.  Das  Zellge-  ; 
webe  der  Gallen  ist  in  der  mittleren  Schicht  aus  grossen  kugeligen  Zellen 
mit  ziemlich  dicken  porösen  Wänden  gebildet,  welche  uach  der  Peripherie  j 
zu  bedeutend  kleiner  werden.  Die  äussersten  Reihen  besitzen  nur  noch  ein 
sehr  enges  Lumen  bei  verhältnissmässig  dicken  Wandungen , so  dass  sie  j 
den  Steiuzelleu  ähnlich  sehen  und  durch  ihre  grössere  Festigkeit  eine  Art 
Rinde  bilden.  Da  und  dort  im  ganzen  Gewebe  finden  sich  auch  vereinzelte 
Gefässbündel , welche  durch  den  Stiel  in  die  Gallen  eintreten.  Gegen  den 
Kern  zu  geht  das  Parenchym  allmülig  in  radial  gedehnte  weite  und  dünn- 
wandige Zellen  über,  deren  Wände  zarte  Spiralstreifen  zeigen.  Die  harte 
Schale  der  Kammer  ist  aus  grossen  radial  gestreckten  schwach  gelblichen 
oder  farblosen  Steinzellen  mit  sehr  zierlich  geschichteten  porösen  Wänden 


Gallae  halepenses. 


147 


zusammengesetzt.  Auf  der  Innenseite  dieser  dünnen  Steinschale  finden 
sich,  auch  nach  dem  Ausfliegen  der  Gallwespe,  noch  mehr  oder  weniger 
ansehnliche  Reste  des  sehr  engen  Stärkemehl  führenden  Gewebes  vor,  welches 
ursprünglich  die  Kammer  eingenommen  hatte  und  durch  das  Insekt  zerstör 
worden  war. 

Die  Parenchymzellen  ausserhalb  der  Schale  schliessen  Farbstoff  und 
Gerbstoff  ein,  letzteren  in  glashelleu  scharfkantigen  Stücken,  welche  sich 
langsam  in  Wasser,  rasch  in  Weingeist  auflösen.  Feine  mit  Glycerin 
getränkte  Schnitte  zeigen  sich  nach  längerer  Zeit  ganz  wie  bei  Gallae 
chinenses  erwähnt,  mit  zierlichen  Krystallen  besäet,  welche  vermuthlicb 
krystallisirte  Gerbsäure  sind,  obwohl  bisher  von  derselben  eine  Krystallform 
nicht  bekannt  war.  - Die  Steinzellen  und  die  benachbarten  radial  gestreckten 
gestreiften  Zellen  sind  reich  an  Kalkoxalat-Krystaflen,  (bis  40  Mikromill.) 
grossen  deutlichen  Quadrat-Oktaedern  oder  Combiuationen  derselben  mit 
dem  Prisma.  Sie  gehören  ohne  Zweifel  der  Verbindung  Ca2  Ö,  G2GH  -f-  3 H2  0 
an,  welche  man  auch  künstlich  durch  langsame  Krystallisation  gewinnt. 
In  der  Mehrzahl  der  Fälle,  wo  im  Pflanzengewebe  Kalkoxalat  auskrvstal- 
hsn-t,  scheint  es  die  im  monoklinischen  System  auftretende  Verbindung  mit 
1 Aeq.  H2G  zu  sein.  Das  Gewebe  der  Galläpfel  innerhalb  der  Steinzellen- 
schale enthalt  Amylum  in  dicht  gedrängten  grossen  (20  bis  40  Mikrom  ) 
Yorhemcheiid  kugeligen  Körnern;  ausserdem  einzelne  gesättigt  braunrothe 
(30  bis  40  Mikrom.  messende),  kugelige  Harzklumpen.  Das  Amylum,  das 
nur  m der  Höhlung  (Kammer)  und  dem  Flugloche  abgelagert  ist,'  nicht  im 
ubiigen  Gallapfel,  durfte  wohl  für  die  Ernährung  der  Wespe  vonWichtig- 
keit  sein;  die  grössten  Körner  (40  Mikrom.)  sind  sternförmig  oder  kreuz- 

hTkf  wgerlSSen "?  Tf be“  a"Cb  <laS  im  Fll,gIoclle  zn  Gr"“(le  Segangene 
Lek  T,  T S°  We“  entwicke“  ^t,  so  enthält  die  Kammer 

lockeres  gelbliches  Pulver,  das  ausschliesslich  aus  Steinzellen  der  Kammer- 
wandung besteht,  vermuthlicb  von  der  Stelle,  wo  das  Flugloch  -eljulirt 
wurde.  Ist  das  Insekt  noch  in  der  Kammer  selbst  geblieben,  so  erfüllt  dieses 

v "e  TmvTm  ™ F!"gl°Cb-  ürsPritaSlich  »Iso  enthält  die  Kammer 
viel  Amylum,  das,  wie  es  scheint,  von  der  Wespe  aufgezehrt,  zum  Theil  in 

enZris0t  0?  d0Pf‘  WVi  "V dCm  <l3S  "-h  das* Flugloch 

' Ü ist  Ob  dieses  mit  Amylum  oder  Steinzelleu  erfüllt  ist  würde  dem- 

Sc“  ThSchts  abbrichf16  ^ ^ ™ 

Den  zusammenziehenden,  herben  Geschmack  verdanken  die  GaUänfel 

2SÄS lär/rtMe’  d“  GaG"agerbsäntÄ 

Jedochlt  nach  W 51  T TyP“S  ™er  zaUreicl,e“  chemischen  Familie. 
Art  und  , r l Tagnebdlef r vPa^hologische“  Gerbstoff  einzig  in  seiner 
harnen  Ä 1 h Ver“h,fCura  6al1“.  »»ob  in  den  chinesischen,  voi- 
Manzenve  h T Gerbs‘°ff,!  °<Ier  G«bsäureu,  welche  in  normalen 
«h  d ngr  rlC°mme“’  die  -Physiologischen“  Gerbstoffe,  sind  ver 
schieden  zusammengesetzt.  Das  eigentliche  Tannin  allein  ist  eine  gepalrte 

10* 


148 


Gebilde  ohne  morphologische  Bedeutung. 

Zuckerverbindung,  nicht  die  Stoffe  der  zweiten  Gruppe,  welchen  dagegen 
ausschliesslich  das  Vermögen  zukömmt,  mit  Leim  eine  haltbare  Verbindung, 
wahres  Leder,  zu  bilden.  Die  besten  Galläpfel  (der  oben  beschriebenen 
Sorte)  geben  60  bis  70  pC.  Gerbsäure;  der  Gehalt  schwankt  bedeutend. 
Ein  pektinartiger  Stoff,  den  die  Galläpfel  neben  der  Gerbsäure  enthalten, 
veranlasst,  nach  Robiquet,  die  eigenthümliche  Gährung,  welche  den 
Gerbstoff  in  Gallussäure  und  Zucker  zerlegt.  — Fertig  gebildete  Gallus- 
säure, freien  Zucker,  Harz,  Gummi,  Proteiustoffe  und  ätherisches  Oel  ent- 
halten die  Galläpfel  in  geringer  Menge.  — Die  Gallussäure  lässt  sich  durch 
das  Mikroskop  nicht  uachweisen. 

Die  im  deutschen  Handel  verbreitetsten  Galläpfel  sind  die  oben  beschrie- 
benen aus  der  Gegend  von  Aleppo;1)  etwas  grösser  und  schwerer  sind 
die  von  Mösul  (am  Tigris),  den  ersteren  ähnlich,  nur  feiu  bestäubt.  — 
Ein  Hauptstapelplatz  ist  auch  Diarbekr,  wohin  sehr  viel  Gallen  aus  den 
benachbarten  kurdischen  Gebirgen,  nördlich  vom  oberen  Tigris,  gelangen. 

Sori an- Galläpfel  heissen  die  kleinsten  aus  den  aleppischen  heraus- 
gelesenen Exemplare.  — Geringere  Sorten,  welche  sich  meist  an  ihrer 
leichteren,  schwammigen  Beschaffenheit  erkennen  lassen,  werden  auch  um 
Bassora  und  Smyrna,  so  wie  in  Syrien  (Tarabulus,  Tripolis)  gesammelt.  — 
Die  vorderasiatischen  Galläpfel  wurden  schon  im  Alterthum  benutzt. 

Auch  auf  den  verschiedenen  europäischen  Eichenarten  entstehen  durch 
den  Stich  anderer  Gallwespen  (z.  B.  Cynips  Hayneana,  Cynips  Quercus 
folii,  C.  Quercus  Cerris  etc.)  Auswüchse,  welche  aber  von  den  vorder- 
asiatischen sehr  abweicheu.  Sie  sind  meistens  viel  kleiner,  leichter,  nicht 
mit  stacheligen  Höckern  oder  Falten  besetzt,  weit  ärmer  an  Gerbsäure, 
daher  für  den  pharmaceutischen  Gebrauch  nicht  zulässig.  Es  ist  merk 
würdig,  dass  jedem  Insekte  eine  besondere  Galläpfelart  entspricht.  — 

Als  ungarische  Knoppern  unterscheidet  man  die  höchst  unregelmässig 
gestalteten,  gleichsam  geflügelten  Auswüchse,  welche  durch  Cynips  Quercus 
calycis  am  jungen  Fruchtbecher  (Cupula)  oder  au  der  Frucht  selbst,  auf 
Quercus  pedunculata  und  sessiliflora  hervorgerufen  werden. 

Orientalische  Knoppern  oder  Valonea,  Velani,  Velaneda2) 
dagegen  sind  die  unveränderten  Fruchtbecher  von  Quercus  Vallonea 
Kotschy  in  Kleinasien  (Taurus).  Auch  Quercus  Aegilops  L.,  Q.  graeca  Kotschy 
und  andere  Arten  Griecheulauds  und  Kleiuasiens  liefern  Valouen ; oft  gehen 
auch  die  Früchte  selbst  mit.  DieValonen  bilden  einen  Hauptgegenstand 
der  Ausfuhr  Smyrnas:  sehr  viele  kommen  aus  der  Ebene  von  Troja,  aus 
Mi  ty lene  und  Chios. 

Der  Gerbstoffgehalt  der  Knoppern  ist  weit  geringer  (ungefähr  30  pC.) 
als  bei  den  officinelleu  Galläpfeln,  iudessen  für  die  Technik  von  Werth; 
besonders  finden  die  in  den  Handel  gebrachten  Extractc  der  ersteren 


1)  von  wo  jährlich  etwa  600,000  Kilogr.  ausgeführt  werden. 

2)  Vom  griechischen  B&Xocvo?,  Eiche);  Baiamut  bei  den  Türken. 


Gallae  chinenses. 


149 


Verwendung  als  Gerb-  und  Färbematerial.  Die  Gerbsäure  derValonen  ist 
nach  Stenliouse  nicht  Gallusgerbsäure. 

Ein  bedeutendes  Surrogat  der  Galläpfel  bilden  auch  die  Myrobalani, 
die  gerbstoffreichen,  ehemals  officinellen  Früchte  mehrerer  Terminalia- 
Arten  aus  der  Familie  der  Combretaceae,  welche  in  Ostindien  zu  Hause  sind. 


Gallae  cliinenses. 

Chinesische  oder  Japanische  Galläpfel.  Galles  de  Chine  ou  du  Japon. 

Chinese  Galls. 

1.  Rlius  semialata  Murray,  und  Var.  (3.  Osbeckii. 

2.  Rlius  japonica  Siebold. 

Syn. Rhus  javanica  L.  — Terebinthaceae. 

Die  chinesischen  Gallen  sind  blasige  Auftreibungen,  welche  an  den 
Blattstielen  der  genannten  in  China  und  Japan  so  wie  in  Nepal  und  Java  (?) 
einheimischen  Bäume1)  durch  den  Stich  einer  Blattlaus,  Aphw  cliinensis 
Doubleday,  hervorgerufen  werden.  Die  besten  kommen  nach  Debeaux2) 
aus  Schansi  und  Kuangtong,  so  wie  aus  Japan.  Es  sind  leichte  ganz  hohle 
Blasen,  bis  etwa  0,07ra  lang  und  0,04m  breit,  aber  von  ausserordentlich 
wechselnder  unregelmässiger  Gestalt;  im  einfachsten  Falle  verkehrt  eiförmig, 
am  verschmälerten  Grunde  noch  auf  einem  Stückchen  des  Blattstieles,  neben 
Resten  benachbarter  Blasen  sitzend  und  am  oberen  breiten  Ende  ein  paar 
kurze  runde  Höcker  tragend.  Selten  aber  ist  die  Gestalt  so  einfach,  sondern 
gewöhnlich  in  die  bizarrsten  Formen  verzerrt,  bald  durch  zahlreiche  höcke- 
rige oder  hornartige  Wucherungen,  bald  durch  Verästung,  Abplattung  oder 
Einschnürung,  so  dass  sich  eine  allgemein  zutreffende  Beschreibung  nicht 
geben  lässt.  Im  Ganzen  aber  ist  das  Gebilde  sehr  charakteristisch;  gegen 
die  Basis  zu  gestreift,  übrigens  ganz  mit  einem  dichten  kurzen  grauen  Filze 
bedeckt,  der  stellenweise  abgerieben  ist  und  die  gelbliche  oder  braunröth- 
liche  Farbe  der  Wand  selbst  durchblicken  lässt.  Diese  ist  ziemlich  gleich- 
mässig  0,001  bis  0,002m  dick,  durchscheinend,  hornartig,  doch  spröde; 
die  Innenfläehe  ziemlich  glatt,  etwas  heller  als  die  Aussenseite.  Der  Bruch 
glatt  glänzend. 

Die  chinesischen  Galläpfel  enthalten  eine  bedeutende  Menge  der  schwärz- 
lichen bis  0,001 1,1  langen  Blattläuse  und  daneben  grössere  aus  kurzen  dün- 
nen, locker  verfilzten  Fädchen  bestehende  weisse  Knäuelchen,  ohne  Zweifel 
Produkte  der  Insekten,  deren  Lebensweise  übrigens  nicht  genauer  bekanut 

ist.  Nur  ein  kleiner  Theil  der  Blasenhöhlung  wird  von  diesem  Inhalte  ein- 
genommen. 

Das  Gewebe  besteht  in  seiner  Mittelschicht  aus  grossen  zartwandigen 

0 uiclit  aber  an  Distyliuni  racemosum  (Hainamelideae),  wie  auch  angegeben  wurde. 

2)  in  der  bei  Carapher  angeführten  Schrift  S.  116. 


150 


Gebilde  ohne  morphologische  Bedeutung. 

kubischen  Zellen , welche  nach  beiden  Seiten  allmälig  an  Grösse  abnehmen 
und  sich  in  tangentialer  Richtung  strecken.  In  der  Nähe  der  Innenfläche 
zeigen  sich  kleine  Gefässbündel  und  grössere  Lücken  (Milchsaftschläuche). 
Die  3 oder  4 Reihen  flacher  tangential  gestreckter  tafelförmiger  Zellen  der 
Aussenseite  sind  von  einer  aus  kleinen  kubischen  Zellen  gebildeten  Ober- 
haut bedeckt;  sehr  viele  dieser  Oberhautzellen  verlängern  sich  zu  einfachen 
steifen  zugespitzten,  bisweilen  etwas  gekrümmten  Haaren.  Diese  sind  es, 
welche  den  sammetartigen  Filz  ausmachen. 

Die  meisten  Zellen  enthalten  färb-  und  formenlose  Massen  von  Gerb- 
säuie,  deren  Umrisse  sich  besser  unter  Glycerin  als  unter  Wasser  von  den 

zarten  Zellwänden  abheben.  Daneben  kommen  auch  grünliche  Körnchen 

vielleicht  durch  Chlorophyll  gefärbte  Gerbsäure  (?)  — vor,  welche  nach 
längerer  Aufbewahrung  feiner  mit  Glycerin  getränkter  Schnitte  in  schönen 
grünlichgelben  rhomboederartigen  Formen  oder  in  Prismen  krystallisiren. 
Auch  kleine  bis  10  Mikromillim.  messende  rundliche  Stärkekörnchen  finden 
sich  besonders  nach  beiden  Seiten  hin  im  Gewebe  reichlich  vor.  In  den 
grossen  der  Innenseite  benachbarten  Lücken  liegen  grosse  helle  Klumpen  — 
vermuthlich  eingetrockneter  Milchsaft. 

Der  Gehalt  an  Gerbsäure  scheint  durchschnittlich  bei  diesen  Gallen 
noch  höher  zu  sein  als  bei  den  besten  aleppischen  Galläpfeln.  Brande 
fand  (1817)  75  pC.  davon,  Büchner  77,  Guibourt  65,  Bley  69,  Feh- 
ling 70.  Daneben  enthalten  sie  auch  kleine  Mengen  von  Gallussäure,  Fett 
und  Harz.  Freier  Zucker  ist  noch  nicht  nachgewiesen  worden  und  nach 
Wittstein  fehlt  diesen  Gallen  auch  der  Pektinkörper,  welcher  in  den 
Eichengalläpfeln  (vergl.  Gallae  halepenses)  die  Gallnssäuregährung  veran- 
lasst. Diese  tritt  bei  Anwendung  chinesischer  Gallen  erst  ein,  wenn  ihnen 
aleppische  oder  Hefe  zugesetzt  werden.  Die  Gerbsäure  beider  Sorten  aber 
ist,  nach  Wittstein,  identisch;  nach  Stenhouse  dagegen  wäre  die  Gerb 
säure  der  chinesischen  Gallen  der  Eichengerbsäure  gleich. 

Neben  den  chinesischen  Galläpfeln  kommen  auch  japanische  in  den 
Handel,  welche  mit  ersteren  übereinstimmen.  Dass  sie  etwas  dichter  filzig 
zu  sein  und  mehr  geflügelte  Blattläuse  (Männchen)  zu  enthalten  pflegen, 
dürfte  Zufall  sein;  jedoch  sind  sie  billiger  zu  haben  als  die  chinesischen. 
Trotz  des  durchschnittlich  höheren  und  wie  es  scheint  auch  gleichruässige- 
ren  Gehaltes  sind  beide  Sorten  sonderbarerweise  weniger  geschätzt  als  die 
vorderasiatischen. 

Die  chinesischen  Galläpfel  waren  in  China  unter  dem  Namen  Wu-pei-tsze 
als  Heilmittel  und  Färbmaterial  von  Alters  her  bekaunt,  und  Kämpfer 
(1684)  scheint  sie  schon  gesehen  zu  haben;  doch  wurden  sie  in  Europa 
erst  durch  Geoffroy1)  (1724)  allgemeiner,  zunächst  nur  als  Merkwürdig- 
keit näher  bekannt.  Pereira  machte  1844  wieder  darauf  aufmerksam  und 
seitdem  gelangen  sie  erst  reichlicher  in  den  europäischen  Handel. 


')  treffend  als  „Orcilles  des  Indes“  bezeichnet. 


Khizoma  Filicis. 


151 


ff  Halb  oder  ganz  unterirdische  Axen. 

(Wurzeln  im  weitesten  Sinne.) 

I.  Gefässkryptogamen. 

Rliizoma  Filicis. 

Radix  filicis  maris.  Rhizoma  filicis  mundatum.  Farnwurzel.  Wurmfarn- 
wurzel. Johanniswurzel.  Racine  de  fougere  male.  Fern  root. 

Polystichum  Filix  mas  Roth.  — Filices. 

Syn.:  Polypodimn  Filix  mas  L. 

Nephrodium  F.  m.  Michaux. 

Aspidium  F.  m.  Swartz. 

Der  Wurmfarn  kömmt  gesellschaftlich  in  Menge  durch  fast  ganz  Europa1), 
Nordasien,  Nordamerika  und  Kaukasien  vor,  besonders  in  schattigen  stei- 
nigen Wäldern  und  Gebüschen,  auf  jedem  Gesteine,  von  der  Ebene  bis  zu 
6000  Fuss  über  Meer.  Er  findet  sich  noch  in  Island  und  New-Foundland, 
scheint  aber  in  den  Vereinigten  Staaten  mehr  durch  die  nahe  verwandten 
Aspidium  marginale  Swartz  und  A.  Goldieanum  Hooker  vertreten  zu  sein.  Der 
Stamm  (Rhizoma)  liegt  horizontal  etwas  aufsteigeud,  nur  wenig  tief  im 
Boden  und  erreicht  eine  Länge  von  etwa  0,20  bis  über  0,30m  bei  einem 
Gesammtdurchmesser  von  0,06"’.  Er  besteht  aus  dem  eigentlichen  Stamme 
oder  Wurzelstocke  von  ungefähr  0,02  Dicke,  welcher  nach  allen  Seiten 
Blätter  (Wedel)  treibt,  und  den  am  Ursprünge  0,005m  bis  0,010  dicken  und 
bis  0,03  langen  fleischigen  Resten  (Wedelbasen)  dieser  Blätter,  die  den 
Stamm  selbst  dicht  einhüllen  und  sich  von  der  Unterseite  und  den  Neben- 
seiten bogenförmig  nach  oben  erheben.  Es  ist  eine  Eigenthümlichkeit  dieser 
Blätter , dass  ihre  unterirdische  Basis  sich  nach  dem  Absterben  des  eigent- 
lichen Blattes  noch  längere  Zeit  hindurch  erhält.  Diese  kantigen  Blattstiel- 
reste sind  mit  einem  dichten  Filze  von  blattartigen  hellbraunen  Spreu- 
schuppen (Paleae)  überzogen  und  zwischen  ihnen  dringen,  namentlich  gegen 
die  hintere  Hälfte  des  Wurzelstockes  sehr  zahlreich,  lange  verästelte  0,001 
dicke  Neben  wurzeln  (Wurzelfasern)  an  den  Seiten  und  der  Unterfläche  hervor. 

Vorn,  wo  er  sich  über  den  Boden  erhebt,  trägt  der  Wurzelstock  in  der 
Eudknospe  einige  (nach  Art  der  jungen  Farnblätter  überhaupt)  spiralig  von 
den  Spitzen  zur  Basis  sowohl  im  ganzen  als  in  den  einzelnen  Lappen  ein- 
gerollte junge  Blätter , weiter  rückwärts  die  eben  in  voller  Entwickelung 
stehenden,  hierauf  die  erwähnten  noch  lebensthätigen  Reste  der  vorjährigen 
Blatter  und  zuletzt  abgestorbene  Blattbasen  am  hinteren , durch  Ein- 
schrumpfung aufwärts  gekrümmten  Ende  des  Rhizoms,  das  hierin  dem  Maasse 
abstirbt,  wie  es  sich  nach  vorn  weiter  entwickelt. 

büi  den  Arzneigebrauch  wird  nur  die  vordere  noch  kräftig  vegetirende 
Hälfte  des  Ganzen  genommen  und  von  allen  abgestorbenen  Theilen,  sowie 


U doch  weniger  im  Süden;  in  Griechenland  z.  B.  seltener. 


152 


Wurzeln  der  Gefässkryptogamen. 


von  Spreuschuppen,  Wurzeln  und  Rinde  befreit.  Da  das  Rhizom  jährlich 
etwa  12  Blätter  zu  treiben  pflegt,  so  kann  jede  einzelne  Pflanze  in  dieser 
Weise  ausser  dem  eigentlichen  Stamme  höchstens  20—  24  Blattbasen  liefern. 

Die  geschälte  Droge  ist  hellgrün,  verliert  aber  selbst  bei  sorgfältigstem 
Schutze  vor  Luft  und  Licht,  namentlich  gepulvert  bald  ihre  Farbe  und  geht 
in  braun  über,  so  dass  sie  jedes  Jahr  zu  erneuern  ist.  Wird  der  ganze 
Wurzelstock  aufbewahrt,  so  bleibt  das  Innere  jahrelang  unverändert  grün. 
Die  beste  Zeit  zur  Einsammlung  ist  nach  alleü Erfahrungen  der  Spätsommer. 
Auf  dem  Querschnitt  zeigt  der  Stock,  je  nach  der  Anzahl  der  gerade  an 
dieser  Stelle  durchschnittenen  Blattbasen  eine  3—  5 strahlige  Form.  Unter 
der  sehr  schwachen  diiunen  schwärzlichen  Rinde  wird  das  Zellge- 
webe des  Stammes  von  sehr  vereinzelten  kleineren  Gefässbündeln  durch- 
setzt, im  Innern  dagegen  stehen  ungefähr  10  grössere,  durch  ihre  weisse 
Farbe  scharf  unterschiedene  Gefässbündel  zu  einem  ununterbrochenen  Kreise 
geordnet.  Auch  auf  dem  Querschnitte  der  einzelnen  Blattbasen  findet  sich 
ein  Kreis  von  ungefähr  1 0 Gefässbündeln.  Auf  dem  Bruch  erscheint  das  Ge- 
webe körnig  porös,  von  wachsartiger  Konsistenz. 

Das  Gewebe,  sowohl  des  Stockes  als  der  Blattstielbasen,  hat  denselben 
Bau  und  Inhalt  wie  das  des  Rliizoma  Polypodii , nur  in  grössereu  Verhält- 
nissen. Doch  unterscheidet  sich  die  Rinde  des  Rhizoma  Filicis  dadurch, 
dass  sie  aus  6 — 8 Reihen  sehr  dickwandiger,  doch  nicht  korkartiger  Zellen 
besteht,  auch  sind  die  Parenchym-Zellen  hier  mehr  rund  als  polyedrisch 
und  auf  dem  Längsschnitt  weniger  verlängert.  Die  Stärkekörner  sind  nach 
Grösse  und  Form  sehr  verschieden,  erreichen  aber  höchstens  14  Mikro- 
millimeter Durchmesser.  Weit  spärlicher  liegen  zwischen  den  Zellen  grössere 
glänzende  durchsichtige  Harzklümpchen  von  grüner  Farbe. 

Sie  erscheinen  als  Ueberzug  eigener  luftführender  drüsenartiger  gestielter 
Secretionsorgane,  welche  nach  Schacht  frei  in  die  grösseren  Intercellular- 
räume des  jüngeren  Gewebes  l^ueinragen.  In  der  Regel  enthält  jeder  Raum 
nur  eine  Drüse,  welche  als  Tochterzelle  aus  einer  der  kugeligen  Wandzelten 
des  Intercellularraumes  hervorgeht  und  nach  ihrer  völligen  Ausbildung  und 
nach  dem  Auftreten  des  Amylums  im  benachbarten  Parenchym  das  Harz 
durch  ihre  Membran  absoudert.  Aehnliche  Drüsen,  doch  ohne  Harz,  finden 
sich  auch  zwischen  den  Spreuschuppen  unter  dem  Vegetationskegel  des 
Wurzelstockes.  Reichlich  kommt  diese  Harzabsonderung  nur  in  den  jün- 
geren Gewebstheilen  vor,  was  mit  der  Erfahrung  übereinstimmt,  dass  nur 
die  jüngere  Droge  wirksam  ist.  Diese  Drüsen  fehlen  den  Hhizonieu  von 
Asplenium  Filix  femina  und  Pteris  aquilina  und  dürften  demnach  an  der 
wurm  treibenden  Wirkung  Theil  haben.  Bei  längerer  Aufbewahrung  (in  Gly- 
cerin) erstarrt  das  Harz  krystallinisch  (Filixsäure?). 

Geschmack  schwach  siisslich  adstringirend , dann  widerlich  kratzend. 
Die  zahlreichen  chemischen  Untersuchungen  der  Wurmfarn wurzel,  nament- 
lich die  von  Bock  und  von  Luck,  haben  einen  eigenthüinlichen  Stoff  als 
Träger  der  wurmtreibenden  Wirkung  nicht  uachgewiesen , sondern  ausser 


Kliizoma  Filicis. 


153 


den  allgemeinem  verbreiteten  Pflanzenbestandtlieilen  fettes  Oel  (5 — 6 pC.) 
von  grüner  Farbe,  Spuren  von  ätherischem  Oel,  Harz,  Gei'bstoff  (Luck’s 
Tannaspidsäure,  Pteritannsäure),  krystallisirbaren  Zucker  (nach  Bock  ver- 
muthlich  Rohrzucker).  Das  officinelle  Aetherextrakt , wovon  man  ungefähr 
8 pC.  erhält,  setzt  eine  farblose  körnig-krystallinische  Substanz  ab , welche 
Luck  als  Fil ixsäure  bezeichnet  und  näher  untersucht  hat,  während  der 
grüne  flüssige  Theil  des  Extraktes  hauptsächlich  aus  Filixolin,  einem 
Glyceride  besteht,  woraus  Luck  durch  Verseifung  eine  flüchtige  (Filosmyl- 
säure)  und  eine  nicht  flüchtige  (Filixolinsäure)  eigentümliche  Fettsäure 
dargestellt  hat.  Der  Wurmfarn  scheint  sich  vor  allen  anderen  Farnen  durch 
bedeutenden  Gehalt  an  Fett,  Harz  und  ätherischem  Oele  auszuzeichnen.  — 
Das  von  Pavesi  für  den  wirksamen  Bestandtheil  erklärte  Aspidin  dürfte 
im  wesentlichen  Filixsäure  sein. 

Der  nicht  geschälte  Wurzelstock,  bei  100°  getrocknet,  gibt  nach  Bock 
2 pC.,  nach  Spies  3 pC.  Asche,  vorzüglich  aus  phosphorsaurem,  kohlen- 
saurem und  schwefelsaurem  Kalk,  Kali  und  Kieselerde  bestehend. 

Verwechslungen  des  Wurmfarns  mit  verwandten  Pflanzen,  besonders 
mit  Aspidium  spinulosum  Döll  oder  mit  Asplenium  Filix  femiua  Bernhardi 
und  besonders  mit  Aspidium  Oreopteris  Swartz  liegen  wegen  der  einiger- 
masseu  ähnlichen  Blätter  nahe;  auch  die  Wurzelstöcke  dieser  und  anderer 
Farn  zeigen  einige  Aehnlichkeit  mit  dem  von  Filix  mas,  unterscheiden  sich 
aber  praktisch  dadurch,  dass  sie  sowohl  in  den  Blattstielbasen  als  auch  im 
eigentlichen  Stamme  sehr  viel  schwächer,  dagegen  meist  mit  stärkerer  Rinde 
versehen  sind  und  nach  dem  Schälen  keine  irgend  lohnende  Ausbeute  an 
verwendbarer  Waare  zu  gewähren  vermögen.  Ganz  abgesehen  von  der 
Sicherheit,  mit  welcher  der  ächte  Wurzelstock  nach  der  obigen  Beschreibung 
zu  eikennen  ist,  wird  also  die  Einsammlung  anderer  in  Wirklichkeit  von 
selbst  unterbleiben. 

Die  Wirkung  des  tarnrhizoms  auf  den  Bandwurm  war  schon  den  Alten 
bekannt,  gerieth  aber  ziemlich  allgemein  in  Vergessenheit,  bis  er  sich  in 
neuerer  Zeit  wieder  (neben  Gutti,  Jalape,  Seammonium  u.  s.  w.)  als  Haupt- 
bestandtheil  berühmter  geheim  gehaltener  Bandwurmmittel  herausstellte. 
So  verlieh  Friedrich  der  Grosse  dem  Apotheker  Daniel  Matth  ieu  (aus  Neu- 
cbatel)  m Berlin  für  ein  solches  Titel  und  Jahrgehalt.  Grosses  Aufsehen 
machte  namentlich  auch  die  Methode  einer  Chirurgen- Wittwe  Nuffler  zu 
Murten  (Schweiz),  deren  Geheimniss  an  den  Wundarzt  Pouteau  zu  Lvon 
aberging,  welcher  dafür,  1775  nach  einer  Untersuchung  durch  Lassone, 
Macquer,  de  la  Motte,  A.  L.  de  Jussien  und  Carburi,  von  Louis XVI. 
die  Summe  von  80,000  Livres  erhielt1). 

\nn!])a  l Aterexlract  anstatt  des  voluminösen  Pulvers  wurde  von  dem  Genfer 

Apotheker  Pe schier  1826  eingeführt. 


Dlcl' m,t  4v- 4,a'  «•**•«  »•»«<« 


154 


Wurzeln  der  Gefässkryptogamen. 


Seit  1851  gelangte  aus  Port  Natal  und  vom  Cap  unter  dem  Namen 
Radix  Uncomocomo  und  Rad.  Pannae  ein  unserem  Rhizoma  Filicis 
maris  sehr  ähnlicher  und  gleich , nur  weit  kräftiger  wirkender  Wurzelstock 
über  Hamburg  und  London  nach  Deutschland. 

Diese  Pannabestehtvorherrschend  aus  dem  eigentlichen  Stamme  mit  oder 
ohne  Blattbasen.  Ersterer  ist  doppelt  so  stark  wie  bei  Filix  mas,  weit  dichter, 
auf  dem  Querschnitte  bis  1 3 zum  Theil  sehr  starke  Gefässbündel  und  viele 
schwarze  Punkte  (Harzbehälter)  darbietend,  welche  auch  in  den  Blattbasen 
reichlich  vorhanden  sind  und  mit  feinen  rothbraunen  Spreuschüppchen 
sammtartig  besetzt.  Das  im  frischem  Zustande  ebenfalls  grüne  Parenchym 
ist  an  der  Handelswaare  hellbräunlich.  Auf  dem  Längsschnitte  sind  die  Zellen 
der  Rinde  dickwandig  langgestreckt,  die  langen  charakteristischen  Harz- 
gänge sind  mit  dunkelbraunem  festem  Harze  erfüllt  und  das  innere  Paren- 
chym enthält  zahlreiche  grosse  grünlich  gelbe  Klumpen.  Die  Stammpflanze 
dieses  unserem  Wurmfarn  am  nächsten  stehenden  Wurzelstockes  ist  Aspi- 
clium  athamanticum  Kunze. 

Rhizoma  Polypodii. 

Radix  Polypodii.  Rad.  Filiculae  dulcis.  Engelsüss.  Polypode  de  chene. 

Fougere  douce. 

Polypodium  vulgare  L.  — Filices. 

Der  gemeine  Tüpfelfarn  wächst  häufig  in  Bergwäldern  der  gemässigteren 
Länder  der  nördlichen  Hemisphäre.  Er  ist  verbreitet  von  Nordafrika  au 
durch  Europa  bis  Island  und  Hammerfest,  in  Asien  von  Armenien  bis  Japan 
und  in  der  Mandschurei,  auch  jenseits  an  der  amerikanischen  Westküste  bis 
Mexico,  sogar  auf  den  Sandwich-Inseln.  Der  südlichen  Halbkugel  scheint 
er  mit  Ausnahme  des  Caplandes  zu  fehlen. 

Der  Wurzelstock  (ausdauernde  Stengel)  kriecht  horizontal  auf  Baum- 
strünkeu,  Felsen  und  Mauern,  nicht  in  der  Erde,  in  gerader  Richtung  vor- 
wärts, krümmt  sich  aber  stellenweise  etwas  wellenförmig  nach  oben  und 
erreicht  eine  Länge  von  etwa  0,20  bei  einer  Dicke  von  0,007™.  Er  ist 
walzlich,  jedoch  von  oben  her  etwas  platt  gedrückt  und  trägt  auf  der  oberen 
Seite  zweizeilig  weitläufig  auseinander  gestellte,  nur  etwa  0,003™  hohe 
schüsselförmige  Ueberreste  der  Blattstiele ').  Nach  unten  und  den  Seiten 
geht  ein  Filz  von  laugen  ästigen  haardünnen  braun  behaarten  W urzelu  aus, 
welche  entfernt  werden,  so  dass  blos  das  fleischige  Rhizom  selbst  gesam- 
melt wird,  an  "welchem  nur  noch  wenige  Wurzeln  und  gelbe  Spreublättchen 
(Paleae)  sitzen  bleiben.  Es  ist  heller  oder  dunkler  braun,  der  Länge  nach 
fein  gefurcht,  auf  dem  Querschnitt  dicht,  wachsglänzend,  vou  grünlicher, 
später  brauner  Farbe;  im  Innern  bisweilen  hohl.  Das  ganze  Gewebe  be- 
steht, im  Querschnitt,  aus  weiten  rundlich  polyedrischen  Zellen  mit  dicken 


l)  Daker  der  Name:  7to Xü;  viel,  roüStov  Füsschen. 


Rhizoma  Graminis. 


155 


häufig  porösen  Wandungen;  die  äussersten  Zellen  sind  braun  und  etwas 
kleiner,  aber  ohne  Aehnlichkeit  mit  eigentlicher  Korkbildung.  Etwas  inner- 
halb dieser  nur  aus  2 — 3 Zellenreihen  gebildeten  Rinde  stehen  in  einen 
weitläufigen  Kreis  geordnet  ungefähr  12  Gefässbündel , worin  gelbbraune 
Klümpchen  (Harz  und  Gerbstoff)  abgelagert  sind.  Das  übrige  Gewebe  ent- 
hält Amylum  in  sehr  wechselnder  Menge,  Oeltröpfchen  und  kleine  gelbliche 
Körnchen.  Auf  dem  Längsschnitt  erscheinen  die  Parenchymzellen  etwas 
gestreckt  polyedrisch,  zwischen  den  Wandungen  bisweilen  mit  sehr  kleinen 
Krystallen  von  oxalsaurem  Kalk.  Die  Gefässbündel  zeigen  in  einer  Scheide 
von  verholzten  braunen  Zellen  langgestrecktes  Prosenchym,  das  ungefähr 
1 2 grössere  mit  Querspalten  versehene  Gefässe  (Treppen gefässe)  einsehliesst. 
Geschmack  unangenehm  süss,  allmälig  bitterlich  kratzend,  wie  ranzig. 
Geruch  ölig-ranzig.  Bestandtheile : fettes  Oel,  Harz,  Gerbstoff,  Aepfelsäure, 
Zucker  (5  pC.  nach  Rebling).  Der  bald  mit  Mannit,  bald  mit  Glycyrrhizin 
verglichene  Zucker  ist  ein  Gemenge  von  unkrystallisirbarem  Zucker  und 
von  Rohrzucker,  woraus  letzterer  erst  nach  längerer  Zeit  anschiesst.  Das 
(gegohrene)  Decoct  lieferte  Desfosses  Mannit. 

Die  Wurzel  war  schon  bei  den  Alten  als  Arzneimitel  in  Gebrauch. 
Kraut  und  Wurzel  von  „Polipodion“  wurde  im  XIII.  Jahrhundert  (in  dem 
bei  Semen  Hyoscyami  erwähnten  Arzneibuche)  als  Wundmittel  empfohlen 
— ob  unser  Polypodium  vulgare?  Dem  Rhizoma  Polypodii  ähnliche  Rhi- 
zome dienen  unter  dem  Namen  Rad.  Calahualae  in  Peru  und  Chile,  nicht 
mehr  bei  uns,  zu  gleichem  Zwecke.  Sie  sind  bedeutend  stärker,  bis  0,01  m 
dick  und  führen  grosse  Amylumkörner.  Verschiedene  Farne,  namentlich 
Polypodium  Calaguala  Kze,  Goniophlebium  attenuatum  Presl.,  Acrostichum 
Huacsaro  Ruiz,  werden  als  Stammpflanzen  genannt. 

Die  Wurzelstöcke  anderer  Farne,  deren  Geschmack  weniger  durch  Fett 
und  Gerbstoffgehalt  beeinträchtigt  ist,  eignen  sich  zu  Nahrungsmitteln,  wie 
z.  B.  der  von  Pteris  aquilina  L.  auf  Gomera  und  Palma  (Canarien)  zu 
Brot  verbacken  und  der  von  Pteris  esculenta  Förster  auf  Neu-Seeland  ge- 
röstet genossen  wird.  Der  erstere  enthält  kein  Fett. 


II.  Monokotylen. 

A.  Wurzeln  und  Wurzelstöcke. 
I.  nicht-aromatische. 


Gras  wurzel. 


Rliizoma  Graminis. 

Rad.  Graminis.  Stolones  Graminis.  Queckenwurzel. 

Chiendent.  Grammont. 

Agropyrum  repens  Beauvais.  — Gramineae. 

Syn.:  Triticum  repens  L. 

Die  Quecke  ist  ein  auf  Aeckern  und  in  Hecken  der  Niederungen  und  der 
Gebirge  sehr  verbe, totes  Unkraut.  Sie  findet  sich  in  ganz  Europa,  doch 


156 


Wurzelbildnngen  der  Monokotylen. 

seltener  im  Süden,  in  Nordasien  bis  südlich  vom  Caspisee  (Dernaweud 
9000  tuss  hoch),  in  Nordamerika,  in  Patagonien  und  Feuerland.  Sie  treibt 
eineu  weithin  verzweigten,  dicht  unter  der  Oberfläche  kriechenden  Wurzel- 
stock, der  aus  etwa  0,050™  laugen,  0,003“  bis  0,004™  dicken  Gliedern 
besteht  und  nur  an  den  (nicht  verdickten)  Knoten  haardicke  Nebenwurzeln 
und  vertrocknete  Blattscheiden  trägt.  Der  Wurzelstock  soll  im  Herbste 
ausgegraben  werden  und  kömmt  von  Nebenwurzeln  und  Blattresten  befreit 
immer  zerschnitten  in  den  Handel.  Getrocknet  ist  er  glänzend , stroh- 
artig,  gelb  bis  grau,  vielkantig,  mit  einer  Höhlung,  deren  Durchmesser 
der  Hälfte  des  gesummten  Querschnittes  gleichkömmt.  Man  unterscheidet 
auf  dem  letzteren  eine  dünne  Aussenrinde,  ein  breites  lockeres  Gewebe 
(Mittelrinde),  einen  geschlossenen  schmalen  Holzring  und  das  hohle  Mark. 

Die  Aussenrinde  besteht  aus  gelben  dickwandigen,  etwas  tangential  ge- 
streckten (sog.  Epiblema-)  Zellen,  das  darauf  folgende  Gewebe  der  Mittelrinde 
aus  rundlich  polyedrischen  färb-  und  inhaltslosen  Zellen,  die  in  der  Mitte  ziem- 
lich gross  sind.  Vereinzelte  kleine  Bastbündel,  etwa  20  an  der  Zahl,  sind  im 
äussersten  Theile  der  Mittelrinde  zu  einem  weitläufigen  Kreise  geordnet. 
Ein  ununterbrochener  Ring  kleinerer,  nach  den  Seiten  und  nach  innen 
schichtenweise  sehr  verdickter  poröser,  gelblicher  Zellen  scheidet  das  Holz 
von  der  Mittelrinde,  welcher  diese  eigentümlichen  Zellen  ihre  dünne  Wand 
zukehren.  Innerhalb  dieses  bei  vielen  Monokotylen  vorkommenden  Iunen- 
rinden-Ringes  (Kern scheide)  finden  sich  ungefähr  20  kleine  Gefässbün- 
del , aus  je  2 oder  3 grossen  Tüpfelgefässen  bestehend , welche  von  einer 
nach  innen  bogenförmig  convex  abgegreuzteu  Gruppe  sehr  zahlreicher 
Holzzellen  umgeben  sind.  Zwischen  diesem  Kreise  von  Gefössbündeln  und 
der  Kernscheide  liegt  ein  schmaler  ununterbrochener  Kreis  desselben  ver- 
holzten Parenchyms.  Die  einzelnen  Gefässbündel  sind  durch  schmale  Strei- 
fen des  Markparenchyms  getrennt,  welches  aus  gleichen  Zellen  besteht  wie 
die  Mittelrinde. 

Auf  dem  Längsschnitt  erscheinen  alle  Zellen  bedeutend  in  die  Länge 
gestreckt,  auch  die  der  Mittelrinde  und  des  Markes.  Chemische  Bestand- 
teile der  Queckenwurzel  nur  die  allgemein  verbreiteten,  jedoch  weder 
Amylurn  noch  Harz.  Sie  schmeckt  schwach  süsslieh  ; ihr  Zucker  ist  nach  1 
Berzelius  und  Völcker  Mannit,  welcher  nicht  zu  allen  Zeiten  in  dem 
Wurzelstock  vorzukommen  scheint,  da  Stenhouse  nur  unkrystallisirbaren 
Zucker,  aber  Krystalle  von  oxalsaurem  Kali  daraus  enthielt.  Nach  Reb- 
ling beträgt  der  Zuckergehalt  nicht  weniger  als  22  pC.  Pektin  ist  noch 
nicht  darin  nachgewiesen.  — Je  nach  dem  Standorte  der  Pflanze  scheinen 
übrigens  ihre  Bestandteile,  namentlich  der  Zucker,  der  Menge  nach  bedeu- 
tend zu  schwanken.  Der  Nahrungswerth  der  Queckenwurzel  war  schon  den 
Alten  bekannt.  In  Südeuropa  dienen  auch  die  ganz  ähnlichen  Wurzelstöcke 
anderer  Agropyrum-Arten  (A.  acutum  R.  u.  S. , A.'  puugeus  R.  u.  b., 
A.  junceum  Beauv.)  und  besonders  die  zum  Theil  oberirdischen  Ausläufer 
von  Cynodon  Dactylon  Richard  (Panicum  Dactylon  L.,  Digitaria  sto- 


Rhizoma  Graminis. 


157 


louifera  Schräder),  welches  schöne  Gras  in  Südeuropa,  Cypern,  Aegypten, 
Nubien,  Persien,  Caucasien,  aber  auch  da  und  dort  in  Deutschland,  Oester- 
reich, Südengland  und  der  südlichen  Schweiz  vorkommt,  und  jetzt  auch 
schon  in  Nord-Peru  in  grosser  Menge  verwildert  ist.  Seine  Rhizome,  gros 
cbiendent  der  Franzosen,  Rhizoma  Graminis  italici , sind  bei  weitem  der- 
ber als  die  von  Agropyrum.  Auf  dem  Querschnitte  der  ersteren  beträgt  die 
Breite  der  Rinde  nur  etwa  Vi0  des  Gesammtdurchmessers,  das  hohle  Mark 
etwa  V't-  Dagegen  ist  das  schwach  gelbliche  Holz  stark  entwickelt  und  zu 
einem  nach  aussen  geschlossenen  Kreise  mit  etwa  30  Gefässbündeln  zusam- 
mengedrängt, welcher  nach  innen  noch  2 oder  3 weitläufige,  durch  Parenchym 
auseinander  gehaltene  Gefässbün deikreise  einschliesst.  Die  Gefässbündel 
bestehen  aus  je  2 bis  3 grossen  zierlichen  Tüpfel-  oder  Ringgefässen  und  lang- 
gestrecktem Holzprosenchym,  das  Parenchym  der  Rinde  und  des  Markes,  so 
weit  letzteres  noch  vorhanden,  aus  grossen  rechteckigen  axial  gestreckten 
Zellen  mit  ziemlich  dicken  porösen  Wänden.  Jedes  Gefässbündel  schliesst 
an  seiner  Peripherie  einen  dünnen  Strang  Cambialgewebe  ein.  Dem  Holz- 
kreise fehlt  eine  besondere  Kernscheide. 

Auch  durch  ihren  sehr  grossen  Amylumgehalt  unterscheiden  sich  die 
Rhizome  von  Cynodon  sehr  von  der  Quecke  und  nähern  sich  mehr  dem 
Rhizoma  Caricis.  Die  Stärkekörner  in  Cynodon  sind  entweder  einzelne, 
biru-  oder  eiförmige  und  bis  25  Mikromillimeter  lange  oder  zu  2 bis  3 ver- 
wachsene zusammengesetzte  Gestalten.  Unmöglich  kann  neben  diesem  be- 
deuteuden  Amylumgehalte  der  Zucker  dieser  Wurzelstöcke  sehr  ins  Gewicht 
fallen.  Sie  scheinen  auch  Asparagin  (Semmola’s  Cynodin)  zu  enthalten. 


Rhizoma  Caricis. 

Radix  Caricis  arenariae.  Sandsegge.  Rothe  Quecke.  Deutsche  Sarsaparilla. 
Laiche.  Chiendent  rouge.  Sea  sedge. 

Carex  arenaria  L.  — Cyperaceae. 

Die  Sandsegge  wächst  hauptsächlich  auf  den  Dünen  der  Nord-  und 
Ostsee  auch  noch  in  England,  Finnland  und  Island,  und  dient  häufig  zur 
Küstenbefestigung.  _ Au  der  ganzen  deutschen  Meeresküste  ist  sie  sehr  ver- 
breitet, aber  auch  in  trockenem  Sande  bis  in  das  Innere  Norddeutschlands 
q 7 N°fC?  UUd  7ordwestcn  Westfalens,  bei  Magdeburg,  Wittenberg’ 
Sachs®n  fast  nur  bei  Dresden , dann  in  der  Niederlausitz.  Sie  besitzt 

derT)  osoT*  nnT(v7geUVei'ZWeigtea’  im  Sande  kriechenden  Wurzelstock, 
bewurz.  ltP  7 t,05°-  flsemauder  liegende,  nur  wenig  verdickte,  spärlich 
ItZ  w 1 r ZG- S ’ an  denen  trockene  llailtige  Blattscheiden  und  haar- 
elffr  SUZ?j  DerWurzelst°ck  wird  in  langen  Bündeln  in  den 
< o(  nackt,  er  ist  hell  graugelblich,  etwas  längsrunzelig,  0,003ra  dick- 
d e schwarzbraunen  glänzenden  Blattscheiden  vorn  faserig  zerrissen  und 
p mehrfach  bis  auf  den  Grund  zerschlitzt,  umfassen  aber' den  Knoten  und 


158 


Wurzelbildungen  der  Monokotylen. 


erreichen  an  den  dicken  Stücken  die  Länge  der  Glieder  des  Stockes,  so 
dass  derselbe  oft  ganz  von  den  Scheiden  eiugehüllt  ist,  wo  sie  nicht  abge- 
scheuert sind. 

Der  Querschnitt  zeigt  eine  bräunlichgelbe  lockere  inhaltslose  Ausseu- 
rinde,  eine  breite  schwammige  lückige  Mittelrinde  und  einen  starken,  von 
zahlreichen  weiten  Gefässen  durchbrochenen  Holzkern,  der  ein  sehr  un- 
regelmässiges Mark  einscliliesst.  In  der  Mittelriude  sind  grössere  Partien 
des  Gewebes  ohne  Inhalt,  sehr  zusammengefallen  oder  ganz  geschwunden 
und  dadurch  sehr  grosse,  durch  schmale  radiale  Streifen  zusammengefalle- 
nen Gewebes  getrennte  Lücken  entstanden.  Nach  innen  folgen  5 — 6 Reihen 
braungelber  verdickter  poröser  Zellen , welche  durch  eine  Keruscheide  von 
ebenfalls  braungelben  etwas  grösseren  weiteren  und  radial  gestreckteu,  nach 
innen  mehr  verdickten  Zellen  vom  weissen  Holzkörper  getrennt  sind.  Der- 
selbe zeigt  30 — 40  scharf  umschriebene  Gefässbiindel,  isolirt  durch  arnylum- 
reiclies  lockeres  Parenchym.  Nur  die  äussersten  bilden  einen  ziemlich 
geschlossenen  Ring,  die  übrigen  zwei  unterbrochene  wenig  regelmässige 
Kreise.  Jedes  Gefässbündel  enthält  3 bis  7,  meist  5 weite  Treppen- 
oder Spiralgefässe  und  in  der  Mitte  einen  Strang  dünnwandigen  Caiubium- 


gewebes. 

Der  Wurzelstock  riecht  wegen  eines  geringen  Gehaltes  an  ätherischem 
Oel  schwach  gewürzhaft,  doch  nur  in  frischem  Zustande.  Geschmack 
schwach  süsslich,  bitterlich,  etwas  reizend.  Der  Kern,  sowohl  das  Prosen-  ■ 
chym  der  Gefässbündel  als  das  Markparenchym,  strotzen  von  ^leinen 
Araylumkörnern.  In  den  weiten  Gefässen  liegen  da  und  dort  grosse  tief- 
gelbe Harzklumpen.  Auf  dem  Längsschnitte  bemerkt  man  zwischen  den 
langgestreckten  Zellen  wenige  kleine  Gruppen  undeutlicher  Krystalle.  Gerb-  . 
stofif  fehlt. 

Die  Wurzelstöcke  anderer  Carex-Arten  sind  ähnlich  gebaut  wie  die  der 
C.  arenaria , aber  bei  weitem  nicht  so  lang  und  stark  und  nicht  mit  einer  I 
so  lückigen  Mittelrinde  versehen.  In  Süddeutschland,  wo  C.  arenaria  fehlt, 
werden  die  Rhizome  der  sehr  häufigen  Car  ex  hirta  L.  und  C.  mtermedia 
Good  (C.  disticha  Hudson)  bisweilen  gesammelt.  Die  innere  Hälfte  der 
Mittelrinde  ist  bei  den  letzteren  sehr  lückig,  aber  diese  Lücken  tragen  ein 
ganz  anderes  Gepräge,  sind  rundlich  und  nicht  radial  gestreckt,  auch  weni- 
ger umfangreich.  Das  Parenchym  waltet  immer  noch  vor  und  erhält  ein 
ähnliches  fast  rosenkranzähnliches  Aussehen  wie  in  Rhizoma  Calami.  Bei 
C.  hirta  L.  fehleu  der  sehr  amylnmreichen  Mittelriude  die  Lücken  über- 
haupt, die  Zwischenglieder  des  Wurzelstockes,  nicht  blos  dessen  Knoten, 
tragen  dünne  Wurzeln  und  die  Blattscheideu  sind  ganz  zerfetzt,  nicht 
regelmässig  geschlitzt. 

' Die  Seggen wurzel  wurde  von  Gleditsch  gegen  die  Mitte  des  vorigen 
Jahrhunderts  als  blutreinigendes  diuretisches  Mittel  eingeführt  und  nament- 
lich in  den  preussischeu  Feldspitäleru  als  wohlfeiler  Ersatz  der  Sarsaparilla 
gebraucht. 


Rhizoma  Veratri  albi. 


159 


Rhizoma  Veratri  albi. 

Radix  Hellebori  albi.  Weisse  Nieswurzel.  Germeinwurzel.  Germer. 
Racine  d’ellebore  blanc.  Racine  de  varaire.  White  ellebore. 
Veratrum  album  L.  — Melanthaceae. 


In  der  Bergregion  des  mittleren  und  südlichen  Europas,  in  den  Pyre- 
näen, der  Auvergne,  in  der  Schweiz  und  Oesterreich,  auch  in  Südsibirien, 
au  feuchten  Stellen  Ost-Finnlands,  nicht  in  Griechenland.  Der  0,05  bis 
0,08™  lange  senkrechte,  seltener  schief  oder  gar  horizontal  gerichtete,  nach 
unten  vermodernde  und  etwas  zugespitzte  Knollstock  ist  einfach  oder 
manchmal  nach  oben  gabelspaltig  (zweiköpfig),  ringsum  mit  0,20m  langen, 
0,002  bis  0,003"’  dicken,  spärlich  befaserten  fleischigen  Nebenwurzeln  be- 
setzt. Nach  oben  endet  er  in  einen  dicht  gedrängten  Schopf  von  Blatt- 
scheiden und  Blättern,  wovon  die  äussersten  braun  und  ganz  zerfasert  sind, 
während  die  innersten  noch  nicht  entwickelten  eine  Keimknospe  bergen. 
Die  Entwickelung  dieses  Wurzelstockes  schreitet  also  in  senkrechter  Linie 
fort;  bei  Colchicum  dagegen  in  derselben  Ebene. 


Die  Sammler  pflegen  die  Nebenwurzeln  und  den  Schopf  möglichst  zu 
entfernen,  so  dass  der  Wurzelstock  im  Handel  als  schwarzbrauner,  durch 
die  zahlreichen  weissen  Narben  sehr  höckeriger,  oben  kurz  beschopfter 
Kegel  erscheint.  Er  ist  ausserdem  schwach  geringelt  und  der  Länge  nach 
gerunzelt;  häufig  wird  er  in  letzterer  Richtung  gespalten. 

Querschnitt:  In  einem  Abstande  von  0,002—0,004™  von  der  dünnen 
braunen  Aussenrinde  umschliesst  eine  feine  braune,  vielfach  gezackte  Linie 
(Kernscheide)  das  Holz,  welches  nur  in  der  Mitte  ein  kleines  Mark  frei  lässt 
Das  untere  Ende  ist  abgestorben  und  löcherig.  Die  Zone  zwischen  Aussen- 
rmde  und  Kernscheide,  die  Mittelrinde,  ist  rein  weiss  bis  auf  einzelne  durch 
I Harz  oder  Farbstoff  ausgezeichnete  Zellen  und  die  vom  Holzkörper  ab- 
; gehende  Nebenwurzeln.  Diese  so  wie  der  ganze  Holzkern  mit  dem  Marke 

' ?md  f,TgeMch’  das  HoIz  wie  gesprenkelt  von  kurzen  dünnen  etwas  hel- 
leren Gefässbundeln,  welche  in  allen  Richtungen  wurmförmig  ganz  unregel- 

renflg  TlaU,fcn‘  DaS  Parencllym  des  ganzen  Stockes  ist  mit  Stärke  er- 
ful  ; auch  zahlreiche  zu  Bündeln  (Raphiden)  vereinigte  Krystallnadeln  von 
Kalkoxalat  finden  sich  vor. 

Die  gewöhnlich  weggeworfenen  Nebenwurzeln  sind  nur  bis  zur  Mitte 
des  Stockes  lebensthätig  und  vollsaftig;  die  untersten  runzelig  und  bis  auf 
den  Holzkern  abgestorben.  Auch  die  oberen  fallen  beim  Trocknen  sehr 
zusammen  bleiben  aber  schön  strohgelb.  Sie  zeigen  denselben  zierlichen 
Bau  und  Inhalt  wie  die  Sarsapariüwurzel,  doch  mit  dem  Unterschiede,  dass 

[ “n  n ?enT  ide  biS  auf  eiue  sehr  kleine  spaltenartige  Höhlung 
zhch  verholzt  sind.  Die  Kernscheidezellen  des  Rhizoms  dagegen  sind 

D e !!  Tn  S 1V6rdickt  Uüd  p0rös’  mehr  uach  ^t  von  Steinzeiten 
D 6 Weisse  Nieswurzel  ist  geruchlos,  aber  von  sehr  anhaltend  scharfem 


* 


IGO 


Wurzelbildungen  der  Monokotylen. 


bitterem  Gescbmacke,  beim  Pulvern  gefährliches  Niesen  erregend.  Nur 
im  frischen  Zustande  besitzt  sie  Knoblauchgeruch , ohne  Zweifel  wegen 
eines  flüchtigen Oeles  (Fettsäure?).  Pelletier  u.  Caventou  fauden  1819 
in  Veratrum  dasVeratriu  (vergl.  bei  Fruct.  Sabadillae)  auf,  Simon  später 
ein  zweites  Alkaloid,  das  Jervin,1)  dessen  Sulfat  sich  durch  geringe 
Löslichkeit  unterscheidet.  Das  Veratrin  wird  indessen  nicht  aus  Yeratrum 
album  gewonnen,  sondern  aus  Sabadilla. 

Das  Rhizom,  namentlich  der  Kern,  schmeckt  schwächer  als  die  davon 
ausgehenden  Nebenwurzeln.  Der  Sitz  des  Veratrins  ist  hier  nach  Schroff 
in  der  Rinde;  der  Holzkern  wirkungslos.  60  Tlieile  der  Nebenwurzeln  sind 
in  ihrer  Wirkung  gleich  1 Theil  reinem  Veratrin;  das  Rhizom  wirkt  schwächer 
und  in  etwas  andererWeise,  so  dass  es  durchaus  nicht  gleichgültig  ist,  ob 
der  Knollstock  mit  oder  ohne  Wurzel(fasern)  genommen  wird. 

Der  Veratrum-Knollen  war  schon  im  Alterthum  unter  dem  Namen  weisse 
Nieswurzel,  Helleborus  albus,  bekannt. 

Der  Knollstock  des  Veratrum  nigrum  L.,  das  mehr  im  Süden  wächst, 
ist  bedeutend  schwächer  in  Gestalt  und  Wirkung,  obwohl  sonst  dem  von 
V.  album  ähnlich;  er  riecht  frisch  nach  Orchisknollen  und  schmeckt  wenig 
bitter.  Seine  Rinde  ist  sehr  dünn.  In  Nordamerika  dient  als  Rad.  Hellebor i 
albi  das  ganze  Wurzelsystem  des  dortigen  Veratrum  viride  Aiton,  das 
hinsichtlich  seines  Baues  völlig  mit  unserer  Droge  übereinstimmt. 

Radix  Sarsaparillae. 

Rad.  Salsaparillae , Sassaparillae  s.  Zarzaparillae.  Zarza.  Stechwiudeu- 
wurzel.  Salsepareille.  Sarsaparilla. 

Die  Smilax- Arten,  Stechwinden,  sind  strauchige,  oft  hoch  klimmende 
Schlingpflanzen  mit  starkem,  knotigem,  hin-  und  hergebogenem,  holzigem 
Stengel,  welcher  mit  kurzen,  starken  Stacheln  besetzt  ist.  Auf  dieses  Wachs- 
thum bezieht  sich  der  Handelsname  der  Droge:  Zarza  heisst  spanisch,  Salsa  , 
portugiesisch,  eine  stachlige  Schlingpflanze,  eigentlich  der  Brombeerstrauch; 
Parra,  Diminutiv  Parilla,  die  Rebe.  — Der  knorrige  Wurzelstock  scheint 
etwa  fusslang  zu  werden,  in  gerader  Richtung,  bisweilen  etwas  auf-  und 
absteigend,  fortzuwachsen;  er  besteht  fast  nur  aus  dicht  au  einander 
gereihten  Knoten , welche  nach  oben  die  zahlreichen  starken  Stengel  aus- 
seuden , während  von  den  Seiten  und  besonders  vou  unten  sehr  zahlreich^ ! 
fleischige,  häufig  gegen  2m  lange  Nebenwurzeln  abgehen.2)  Diese  letzteren, 
nicht  der  Wurzelstock,  sind  die  officinelle  Sarsaparillwurzel. 

Die  Sarsaparill  liefernden  Smilax-Arten  sind  durch  etwa  30  Breitengrade 


1)  Jerva,  spanischer  Name  der  Pflanze.  > 

'■*)  Nicht  alle  Smilax-Arten  zeigen  diesen  Bau  des  Wurzelstockes;  vergl.  Tuber  (Rad.) 
Chiuao.  — Virey  u.  Martiny  haben  übrigens  in  mexicanischer  Sarsaparilla  ähnliche  Knollen 
gefunden,  wie  die  der  Rad.  Chinae. 


Kadix  Sarsaparillae. 


161 


über  das  ausgedehnte  Gebiet  der  nördlichen  Hälfte  Südamerikas  (mit  Aus- 
nahme der  Westküste,  wie  es  scheint),  durch  das  Festland  Centralamerikas 
bis  in  die  südlicheren  Küstenländer  Mexicos  an  beiden  Oceanen  einheimisch. 
Ihr  Standort  im  dichtesten  Walde  tropischer  Flussufer  und  Sümpfe,  ihre 
stacheligen  verworrenen  Stengel  und  das  ausserordentlich  starke  Wurzel- 
system erschweren  das  Sammeln  und  Trocknen  der  Wurzel  so  sehr,  dass 
ihr  hoher  Preis  begreiflich  ist. 

Die  Verbreitungsbezirke  der  fast  300  verschiedenen  Smilaxarten  sind 
noch  nicht  ausgeiuittelt  und  eben  so  wenig  weiss  man  zuverlässig,  welche 
davon  in  Wirklichkeit  Sarsaparillwurzel  liefern,  so  dass  die  Handelssorten 
derselben  bis  jetzt  noch  nicht  mit  Sicherheit  auf  ihre  Stammpflauzen  zurück- 
geführt sind.  Nur  Smilax  nie  die  a Schlechtendal  (bei  Tuxpan,  Mizautla, 
Papantla,  Nautla  im  klassischen  Lande  der  Vanille)  an  der  Ostküste 
Mexicos,  wild,  nach  Schiede  und  nach  Berg,  allgemein  für  die  Stamm- 
pflanze der  Vera-Cruz-Sarsaparilla  gehalten , liefert  aber  vielleicht  doch 
nicht  ausschliesslich  diese  Sorte,  da  Mexico  allein  über  20  Arten  Smilax 


Smilax  syphilitica  Humb.,  Bpld.  u.  Kth.,  sowie  Smilax  officinalis  Kth. 
werden  als  Stammpflanzen  der  Sorte  von  Caracas  (La  Guayra)  angegeben; 
Sm.  papyracea  Duhamel,  Sm.  cordato-ovata  Richard  und  Sm.  pseudo- 
sypMlitica  H.  B.  u.  Kth.,  im  Gebiete  des  Amazonenstromes,  sollen  die 
Para-Sorte  liefern.  Manche  andere  Arten  werden  noch  ohne  irgend  befrie- 
digenden Nachweis  genannt  und  scheinen  zum  Theil  sogar  botanisch  nicht 
gehörig  sicher  zu  stehen.  Smilax  Sarsaparilla  L. , eine  zweifelhafte  Art 
m iiginia,  liefert  keine  officinelle  Wurzel,  ebensowenig  Smilax  aspera  L., 
im  ganzen  Gebiete  des  Mittelmeeres,  die  einzige  europäische  Smilax. 

Der  Handel  liefert  entweder  das  ganze  Wurzelsystem  mit  den  stacheligen 
Stengelstumpfen  oder  die  eigentlichen  Wurzeln  allein.  Diese  sind  einfach 
nur  ausserst  selten  einzelne  gabelästig,  und  pflegen  in  der  Mitte  etwas 
dicker  (höchstens  in  trockenem  Zustande  0,007m.  selten  sn^r  n nno^  ™ 


besitzt. 


Fliickiger,  Pharmakognosie. 


aus  2 oder  3 Reihen  in  der  Richtung  der 

n 


162 


Wurzelbildungen  der  Monokotylen. 


Axe  langgestreckter,  einseitig  nach  aussen  verdickter  Zellen.  Die  Ver- 
dickung ist  geschichtet,  von  kleinen  Kanälen  (Poren)  durchbrochen,  in  der 
äussersten  Zellenreihe  am  stärksten  abgelagert  und  überall  von  tief  gelb- 
brauner Farbe. 

Sehr  viel  breiter  als  diese  Aussenrinde  ist  die  darauf  folgende  Mittel- 
riude  (von  Schleiden  als  Iuuenrinde  bezeichnet),  welche  durch  die  Kern- 
scheide scharf  vom  Holze  getrennt  ist.  Diese  Ker  n sc  beide  (Berg's  Iuueu- 
rinde)  ist  eine  geschlossene  Röhre,  gebildet  aus  einer  Reihe  axial  gestreckter, 
schief  abgeschnittener  Zellen,  welche  gleichen  Bau  und  gleiche  Farbe  zei- 
gen, wie  diejenigen  der  Aussenrinde,  jedoch  meist  nur  nach  innen  und  den 
Seiten,  nicht  nach  aussen  mehr  oder  weniger  starke  Verdickuugs- 
schichten  zeigen.  Ihre  Hohlräume  (Lumina)  erscheinen  daher  auf  dem 
Querschnitte  rundlich  oder  eckig,  bald  quadratisch,  bald  mehr  länglich. 

Die  Kernscheide  umschliesst  die  zu  einem  Holzringe  geordneten 
Gefässbündel,  welche  gegen  die  Kernscheide  durch  Cambiumstränge  von 
dünnwandigem  Proseuchym  auseinander  gehalten  werden.  Jedes  Gefäss- 
bündel zeigt  in  dickwandigem  eckigem  Holzparenchym  eine  kurze,  radial 
gestellte  Reihe  von  6 bis  10  grossen  Spiroi'den,  welche  nach  der  Kern- 
scheide hin  an  Grösse  abnehmen  und  öfters  in  zwei  Reihen  aufgelöst  sind, 
zwischen  welchen  ein  Cambiumstrang  auftritt. 

Innerhalb  dieses  breiten  Holzringes  steckt  das  Mark.  Es  sendet  nicht 
Markstrahlen  aus , sondern  dringt  nur  in  einzelnen  Zellenreihen  etwas  zwi- 
schen die  Gefässbündel  ein,  ohne  ihren  Kreis  zu  durchbrechen.  Das  Gewebe 
des  Markes  ist  gleich  gebaut  wie  das  der  Mittelrinde,  nämlich  aus  grossen, 
in  der  Richtung  der  Axe  nur  wenig  gestreckten  eckigen  oder  eiförmigen 
Zellen  mit  dünnen  getüpfelten  (porösen)  Wänden,  welche  dreiseitige  Gänge 
(Intercellularräume)  zwischen  sich  leer  lassen.  Die  Zellen  dieses  Paren- 
chyms sind  drei-  bis  fünfmal  weiter  als  die  der  Aussenrinde  und  der  Kern- 
scheide. Mittelrinde  und  Mark  sind  ganz  mit  Stärkemehl  erfüllt,  welchem 
sich  da  und  dort  Krystallbündel  (Raphiden)  von  Kalkoxalat  auch  Harzklum- 
pen  beimischen.  Harz  und  Amylum  kommeu  auch  in  wechselnder  Menge 
im  Holzprosenchym  vor;  sehr  grosse  schön  rothbraune  Harzklumpen  erfül- 
len oft  die  Spiroiden.  In  manchen  unansehnlichen  Sorten  ist  das  Harz  viel  . 
reichlicher  enthalten. 

Das  Amylum  besteht  aus  höchstens  20  Mikromillim.  messenden  Kugeln 
oder  Halbkugeln  von  ziemlich  gleicher  Grösse;  häufiger  sind  ihrer  3 bis  4 
wie  in  Tuber  Colcliici  vereinigt.  — Bisweilen  zeigt  die  Mittelriude  und  das 
Mark  eine  schwache  Färbung  von  zartem  rosa.  Oft  findet  sich  das  Amy-  j 
lum,  ohne  Zweifel  durch  das  Trocknen  am  Feuer,  formlos  zusammengeballt,  j 
wodurch  das  Gewebe  verkleistert  wird  und  hornartige  Beschaffenheit  an- 
nimmt. 

Die  Sarsaparillwurzelu  charakterisiren  sich  schon  gleich  bei  dem  Aus- 
tritte aus  dem  Wurzelstocke  durch  die  Kernscheide,  indem  eine  solche  den 
(oberirdischen)  Stengeln,  auch  au  ihrem  Ursprünge,  fehlt.  Dagegen  waltet 


Radix  Sarsaparillae. 


163 


in  den  letzteren  das  Holz  bei  weitem  vor  und  die  Rinde  ist  nur  schwach 
entwickelt.  Kalkoxalat  findet  sich  in  den  Stengeln  sowohl  in  Nadeln,  als 
auch  häufig  in  grossen  quadratischen  Oktaedern. 

Anhaltspunkte  zur  Unterscheidung  der  Handelssorten  der  Sarsa- 
parillwurzel  liegen  zunächst  in  ihrer  äusseren  Erscheinung.  Das  Braun  der 
Aussenrinde  kann  mehr  ins  Röthliche  oder  Grauliche  spielen , durch  Ab- 
waschen blosgelegt  sein  oder  durch  noch  anhängende  Erde  verdeckt,  be- 
sonders aber  auch  durch  das  Räuchern  verändert  sein,  welches  bei  meh- 
reren Sorten  vorgenommen  wird,  theils  oben  um  eine  beliebte  dunklere 
Färbung  zu  erzielen,  theils  um  die  Wurzel  vor  Insekten  zu  schützen  und 
rasch  der  verderblichen  Feuchtigkeit  der  Flussgegenden  zu  entziehen. 

Vollsaftige  Wurzeln  erhalten  durch  Einschrumpfen  beim  Trocknen  mehr 
oder  weniger  Längsfurchen,  namentlich  wohl,  wenn  sie  gerade  in  dem  Zeit- 
punkte ihres  Wachsthums  gesammelt  werden,  wo  sie  am  wenigsten  Stärke 
enthalten.  Im  ungünstigsten  Falle  trifft  man  alsdann  statt  der  mehlreichen 
vollen  Mittelrinde  ein  geringes  gänzlich  zusammengefallenes  schwammiges 
Gewebe,  arm  an  Amylum,  aber  manchmal  reich  an  Harz.  An  vielen  Steffen 
solcher  „mageren“  strohigen  Wurzeln  lösen  sich  ganze  Streifen  der  Rinde 
ab  und  entblössen  den  Holzkern. 


Auch  die  Art  der  Zurüstung  ist  bei  verschiedenen  Sorten  abweichend; 
geht  der  Wurzelstock  mit,  so  können 

A.  die  Wurzeln  entweder  in  ihrer  natürlichen  Lage  belassen,  höchstens 
zu  wenigen  zusammengelegt  und  mit  einigen  stärkeren  Wurzeln  leicht 
umwickelt  werden,  oder  sie  werden 

B.  nach  zwei  Seiten  horizontal  aufgebogen  und  zurückgeschlagen  so 
dass  sie  den  Wurzelstock  frei  in  der  Mitte  tragen,  oder  endlich 

C.  die  Wurzeln  werden  ganz  vertikal  nach  oben  umgeschlagen  und  kom- 
men so  auf  die  Seite  und  in  die  Richtung  der  Stengelstumpfe  zu  lie- 
gen , indem  sie  den  Wurzelstock  samrnt  den  bisweilen  gar  zu  zahl- 
reichen  und  zu  langen  werthlosen  Stengeln  umhüllen. 

Wird  aber  der  Wurzelstock  abgeschnitten,  so  finden  sich  die  Wurzeln 
■ dergestalt  umgebogen,  in  Bündel  zusammengelegt  und  in  der  Mitte 
mit  besonders  starken  vollen  Wurzeln  mehr  oder  weniger  fest  um- 
schnürt, dass  an  beiden  Seiten  nicht  die  dünnen  Enden  der  Wurzeln 
hervorragen,  sondern  die  Biegungen,  oder  endlich,  man  legt 
• ie  einzelnen  Wurzeln  ungebogen  in  sehr  grosse  (bis  lOKilogr  wie- 
gende etwa  1'"  lange,  bis  0,30™  dicke  Garben  zusammen,  umwickelt 
sie  sehr  kunstvoll  ganz  fest  mit  Lianen  und  schneidet  sie  oben  und 
unten  gerade  ab.  Diese  besonders  charakteristische  Form  ist  im 
Grosshandel  als  Puppe“  bekannt.  - Noch  mehr  als  bei  der  vorigen 

w!Tf  1Sm  eu+S?xrelraUm  fÜr  Betrug’  iudem  sich  iu  die  Mitte  un- 
bemerkt schlechte  Waare  unterbringen  lässt. 

Fallest  Bü"“  ,werdeu  «"Mi«*.  ™ dies  bei  mehreren  Drogen  der 

ball  ist,  zu  grosseren  Ballen  in  Häute  (Seronen,  Suronen)  eingenäht 


11  * 


164 


Wurzelbildungen  der  Monokotylen. 


Ein  fernerer  Unterschied  liegt  im  Verhältniss  des  Holzriuges  zum  Mark. 
Bald  ist  nämlich  der  Durchmesser  des  letzteren  ungefähr  gleich  der  Breite 
des  Holzringes,  bald  aber  bedeutend  grösser.  Mau  glaubte  gefunden  zu 
haben,  dass  die  aus  dem  Norden  des  angegebenen  Verbreitungsbezirkes 
kommenden  Sarsaparillwurzelu  das  erstere  Verhältuiss  darböteu,  dagegen 
das  Mark  der  aus  dem  Süden  stammenden  Sorten  bis  8 mal  dicker  sei  als 
der  Holzring.  Ist  auch  die  Entwickelung  des  letzteren  für  einzelne  Sorten 
charakteristisch,  so  scheiut  denn  doch  dieses  Verhältniss  iu  der  Natur  nicht 
geographisch  abgegrenzt  zu  seiu. 

Das  wichtigste  Merkmal  zur  Unterscheidung  der  Sarsaparillsorten  gibt 
die  Kernscheide  ab.  Iu  einer  meisterhaften  Untersuchung,  welche  als  erstes 
Beispiel  konsequenter  Benutzung  des  Mikroskops  zur  Erforschung  eiuer 
Droge  bahnbrechend  da  steht,  hat  Schleiden  (1847)  gezeigt,  dass  in  den 
langgestreckten  Zellen  dieser  Kernscheide  die  Verdickuugsschicht  eutweder 
vorzugsweise  auf  der  inneren , dem  Marke  zugekehrten  Wand  und  den  Sei- 
ten abgelagert  ist,  oder  aber  die  vier  Zellwände  gleichmässig  in  dünner  Lage 
auskleidet,  und  dass  der  Querschnitt  dieser  Zellen  eutweder  quadratisch 
oder  länglich  viereckig  ist.  Im  letzteren  Falle  ist  die  Form  eutweder  in  der 
Richtung  von  innen  nach  aussen  (radial)  gestreckt,  oder  nach  den  Seiten 
(tangential).  Durch  gegenseitigen  Druck,  den  diese  fest  verbundenen  Zellen 
auf  einander  ausüben,  sind  manche  zu  dreiseitigen  Prismen  gepresst,  so  dass 
sie  einen  mehr  oder  weniger  regelmässig  keilförmigen  dreiseitigen  Quer- 
schnitt darbieten.  Unabhängig  vom  äusseren  Umrisse  der  Zelle  kann  ihre 
Höhlung,  auf  dem  Querschnitte,  rundlich  oder  mehr  eckig  erscheinen. 

Diese  Eigenthümlichkeiten  im  Bau  der  Kernscheidezellen  treten  aber 
nicht  in  voller  Schärfe  und  Regelmässigkeit  auf;  es  finden  sich  in  einem 
und  demselben  Kreise  immer  auch  abweichende  Zellen  vor.  Es  ist  daher 
der  durchschnittliche  Typus , die  Gestalt  der  Mehrzahl  dieser  Zelleu , als 
Gesammteiudruck  massgebend  aufzufassen. 

In  dieser  Weise  sind  aber  die  Hauptsorteu  der  Sarsaparilla  durch  die 
Kernscheide  bestimmt  aus  einander  zu  halten,  namentlich  wenn  auch  noch 
die  relative  Breite  des  Holzringes  mit  berücksichtigt  wird. 

Die  Kernscheide  selbst  ist  übrigens  keine  Eigenthümlichkeit  der  barsa-  ; 
parille,  sondern  kömmt  bei  den  unterirdischen  Theileu  vieler  Monokotylen  ’)  ; 
in  ähnlicher  Weise  vor  (vergl.  Rhizoma  Caricis , Graminis,  Veratri,  Tuber  j 
Colchici;  — höchst  ausgezeichnet  auch  in  Rad.  Rusci  aculeati  und  Rhiz.9 
Vetiveriae;  abweichend  aber  bei  den  Scitamiueen ).  Wie  der  Bau  ihrer  ; 
Zellen  von  Art  zu  Art  innerhalb  derselben  Gattung  wechselt,  zeigen  die 
Rhizome  von  Cyperus.  Die  früher  officinelle  Rad.  Cyperi  rotundi  hat  (im 
Querschnitt)  radial  gestreckte,  bis  auf  eine  kleine  Höhlung  verdickte  Iveru- 
scheidezelleu,  Rad.  Cyperi  lougi  gleichfalls  etwas  radial  gestreckte,  aber  wenig 


1)  selbst  bei  Dikotylen,  vergl.  z.  B.  Rhizoma  Ueilebori  viridis,  Rhiz.  AcUeae  spicaUe, 
Tuber  Aconiti. 


Radix  Sarsaparillae. 


165 


verdickte,  weit  offene;  die  der  Rad.  Cyperi  esculenti  endlich  sind  (nach 
Berg)  dünnwandig  und  tangential  gestreckt. 

Bei  den  Sarsaparill  gebenden  Smilax-Arten  ist  nun  freilich  bis  jetzt 
nicht  nachgewiesen,  wie  in  jeder  einzelnen  Species  die  Kernscheide  be- 
schaffen ist;  einzig  und  allein  Berg  hat  Gelegenheit  gehabt,  lebende  Smilax 
medica  zu  untersuchen  und  ihre  Kernscheide  mit  der  Sarsaparilla  von  Vera- 
Cruz  übereinstimmend  gefunden. 

Wenn  aber  auch  in  der  über  Vera-Cruz  angeführten  Wurzel  die  Zellen 
der  Kernscheide  anders  gebaut  sind , als  in  der  über  Manzanillo  oder  aus 
Honduras  verschifften  Sorte , so  ist  damit  noch  nicht  bewiesen , dass  jede 
Sorte  nur  einer  einzigen  Smilax  angehöre;  es  ist  immer  noch  möglich,  ja 
wahrscheinlich,  dass  mehreren  Arten  zugleich  derselbe  Bau  der  Kernscheide 
zukomme. 

Je  nach  der  Herkunft,  je  nach  den  Ausfuhrhäfen,  deren  Namen  die 
Sarsaparilla  annimmt,  je  nach  anderen  äusseren  Merkmalen  hat  man  über 
1 2 verschiedene  Sorten  aufgestellt,  zum  Theil  aber  wieder  auf  wenige  Typen 
zurückgeführt.  Mit  Zugrundelegung  der  augeführten  positiven  anatomischen 
Merkmale  lassen  sich  die  wichtigsten  Sorten  folgendermassen  ordnen : 

I.  Zellen  der  Kernsc beide  im  Querschnitt  meistens  annähernd  quadra- 
tisch, nicht  radial  gestreckt,  Höhlung  weit,  Wände  wenig  verdickt, 
a.  Wände  der  Kernscheide-Zellen  ringsum,  auch  nach  aussen 
ziemlich  gleich  dick,  oft  etwas  schief.  Höhlung  im  Querschnitt 
rundlich. 

1.  Sarsaparilla  aus  Honduras. 

Scheint  sowohl  aus  dem  Staate  Honduras  über  Truxillo,  als  auch  aus 
der  britischen  Kolonie  Honduras  über  Balize  und  von  den  Südküsten  Gua- 
temalas und  Nicaraguas  (Hafen  von  Realejo)  ausgeführt  zu  werden. 

Verpackung  verschieden,  wie  oben  unter  A,  B und  C angegeben. 

Diese  Sorte  zeigt  meistens  volle  („fette“)  mehlige  oder  etwas  hornartige, 
nicht  tief  gefurchte,  rein  gewaschene  Wurzeln  von  gelblich  grauer  bis  dun- 
kelbrauner, nicht  röthlicher,  übrigens  sehr  schwankender  Farbe  der  Aussen- 
rinde.  Holzring  etwas  schmäler  als  der  Durchmesser  des  Markes;  Mittel- 
rinde bedeutend  breiter  als  der  Holzring,  sofern  die  Wurzeln  voll  sind. 
Auch  die  nach  aussen  gekehrten  Wände  der  Kernscheidezellen  sind  hier 
meiklich  verdickt,  während  sie  bei  den  anderen  Sorten  dünner  sind  als  die 
übrigen  Wände.  Abstammung  nicht  ermittelt. 

2.  Sarsa  von  J amaica  des  englischen  Handels. 

British  Pharmacopoeia  von  1864  führte  einzig  und  allein  diese  Sorte 
auf  und  leitet  sie  (mit  welchem  Rechte?)  von  Smilax  officinalis  Humb.  u. 
Bonpland  ab.  Die  Wurzel  werde  über  Jamaica  aus  Ceutral-Amerika  ein- 
gefuhrt;  sie  sei  von  der  Dicke  eines  Gänsekieles,  röthlich  braun,  meist 
mein  eie,  tuss  lang,  in  etwa  18  Zoll  lange  Bündel  zusammengebogen,  mit 
Neben  wurzeln  bedeckt. 

Eine  dieser  Beschreibung  entsprechende  Wurzel  habe  ich  'theils  vom 


166 


Wurzelbildungen  der  Monokotylen. 


Hause  Fried r.  Jobst,  theils  von  Prof.  Henkel  erhalten.  Sie  ist  höchst 
ausgezeichnet  dadurch,  dass  sie  in  der  That  sehr  reichlich  mit  bis  0,100'"  lan- 
gen verästelten  dünnen  Nebenwurzeln  besetzt  ist,  welche  bei  allen  übrigen 
Sarsaparill-Sorten  nur  sehr  selten  und  kürzer  Vorkommen.  Die  Farbe  mei- 
ner Proben  ist  mehr  graulich  als  röthlich,  die  Dicke  übersteigt  nicht  3mm, 
wovon  2 auf  den  Holzkörper  kommen.  Die  Rinde  sehr  zusammengefal- 
len, tief  und  scharfkantig  längsfurchig.  Diese  äusserlich  schon  so  leicht 
kenntliche,  der  „rothbärtigen“  (red  bearded)  Sarsaparilla  der  Engländer 
entsprechende  Sorte  gehört  in  Bezug  auf  die  Kernscheide  zu  der  Hon- 
duras-Sorte, indem  die  betreffenden  Zellen  im  Querschnitte  fast  quadratisch, 
mit  weiter  meist  rundlicher  Höhlung  versehen  und  ringsum  gleichmässig, 
aber  nicht  stark  verdickt  sind.  Die  sehr  zusammengefallene  Mittelrinde 
ist  arm  an  Stärke  und  letztere  meist  nur  im  Marke  noch  unversehrt,  in 
der  Rinde  oft  formlos.  Das  Holzprosenchym  bald  wenig,  bald  sehr  stark 
verdickt,  ohne  Harzgehalt.  Es  ergibt  sich  hieraus,  dass  die  von  Berg  als 
Sarsaparilla  rubra  seu  Jamaicensis  beschriebene  und  abgebildete  Sorte 
ganz  verschieden  ist. 

b.  Kernscheidezellen  im  Querschnitt  quadratisch  oder  ein  wenig  bald  in 
radialer,  bald  in  tangentialer  Richtung  gestreckt,  häufig  aber  auch 
dreiseitig.  Wände  ein  wenig  mehr,  hauptsächlich  auf  der  innern 
Seite  verdickt,  Höhlung  mehr  eckig,  noch  weiter  als  bei  der  Hon- 
duras-Sorte. 

3.  Sarsaparilla  von  Caracas  oder  La  Guayra. 

Aus  Venezuela;  Verpackung  wie  oben  unter  A beschrieben.  Diese  Sorte 
ist  ausgezeichnet  durch  ihre  hell  bräunliche  ins  röthliche  spielende  Aussen- 
rinde.  Mittelrinde  mehlig,  3 oder  4 mal  breiter  als  der  Holzriug,  welcher 
schmäler  ist  als  das  Mark.  Die  Spiroiden  ziemlich  enge.  Diese  Wurzeln 
sind  durchschnittlich  etwas  tiefer  furchig  als  die  Honduras-Sorte  und  mit 
stärkerer  Mittelrinde  versehen. 

Schöne  röthliche  Caracas  Sarsaparille  ist  besonders  in  Italien  unter 
dem  Namen  Fioretta  oder  Fiorettina  beliebt,  im  deutschen  Handel  aber 
seltener. 

II.  Die  überwiegende  Zahl  der  Kernscheidezellen  im  Querschnitte  ra- 
dial gestreckt,  andere  quadratisch  oder  oft  keilförmig, 
a.  Kernscheidezelleu  nach  innen  meistens  merklich  verdickt, 
Höhlung  meist  ziemlich  weit. 

4.  S arsapar illa  vo n Para,  Brasilien,  Marauhäo  oder  Lis- 

sabon (Sarsap.  lisbonensis). 

Aus  dem  Stromgebiete  des  Amazonas  über  Para  ( Belem ) Maranham 
(Maranhäo)  oder  auch  über  Bahia,  früher  immer  erst  über  Lissabon  aus- 
geführt. ln  Santarem,  am  Einflüsse  des  Tapajos  iu  den  Amazouenstrom, 
wird  die  am  ersteren  gesammelte  Sarsaparilla  höher  geschätzt  und  in  an- 
sehnlicher Menge  angebracht.  Verpackung  iu  den  oben  unter  E erwähnten 
höchst  eigen thüm liehen  Puppen.  Die  Aussenriqde  dieser  Sorte  hat  durch 


Kadix  Sarsaparillae. 


167 


anhängende  Erde,  hauptsächlich  aber  durch  Räucherung  eine  dunklere 
graue  Färbung  erhalten;  nur  an  abgescheuerten  Stellen  erscheint  die  ur- 
sprüngliche röthliche  Farbe.  Holzring  halb  so  breit  als  das  Mark,  oder  noch 
schwächer,  Mittelrinde  3 mal  breiter  als  das  Holz.  Die  Wurzel  ist  etwas 
gefurcht  und  trägt,  weil  sie  nicht  gewaschen  ist,  noch  reichlich  (mikro- 
skopische) Haare. 

Stammpflanze  vermuthlich  Sm.  cordato-ovata ; beigemischt  ist  eine  an- 
dere strohige  tiefer  gefurchte  Wurzel,  angeblich  von  Sm.  syphilitica,  deren 
Kernscheidezellen  und  Aussenrinde  mit  der  nächstfolgenden  Sorte  über- 
einstimmen. 

b.  Kernscheidezellen  fast  ausnahmslos  radial  gestreckt,  nach  innen 
stark  verdickt.  Höhlung  meist  sehr  enge,  oft  keilförmig. 

5.  Ost-mexicanisclie  Sarsapar illa,  Vera-Cruz  Sar- 
saparilla  oder  S.  della  Conta. 

Aus  den  mexicanischen  Küstenländern  am  Golf  über  Tampico,  Tuxpan 
und  Vera-Cruz  ausgeführt. 

Tief  gefurchte,  strohige,  meistens  fast  hornartige,  selten  mehlige  Wur- 
zeln von  rothbrauner  oder  graubrauner  Farbe , welche  aber  grösstentheils 
durch  anhängenden  Lehm  verdeckt  ist.  Grosse  Strecken  sind  von  der  sehr 
zerbrechlichen  Rinde  ringsum  bis  auf  den  Holzkörper  entblösst,  Zellen  der 
Aussenrinde  sehr  stark  verdickt.  Mittelrinde  durch  Verkleisterung  in  Folge 
des  Räucherns  hornartig  oder  ganz  zusammeugefallen  und  ohne  Amylum. 
Holzring  meist  breiter  als  das  Mark,  Spiroiden  sehr  gross.  Im  Parenchym 
sehr  oft  das  violette  Mycelium  eines  nicht  bestimmbaren  Pilzes.  Verpackung 
die  unter  C oben  aufgeführte ; gewöhnlich  ist  diese  Sorte  mit  starken  Wur- 
zelstöcken und  langen  Stengelresten  besetzt,  zum  Theil  verschimmelt,  durch 
anhängende  Erde  und  Steine  verunreinigt  — mit  einem  Worte,  wie  Schlei- 
den treffend  bemerkt,  „nachlässig  gesammelt  und  spitzbübisch  verpackt“. 
Diese  unansehnlichen  ostmexikanischen  Wurzeln  sind  gewöhnlich  reich 
an  Harz. 

Stammpflanze  Smilax  medica. 

III.  Die  meisten  Zellen  der  Kernscheide  tangential  gestreckt  oder 
quadratisch,  nach  innen  und  an  den  beiden  innern  Ecken  stark  verdickt, 
Höhlung  weit,  öfters  stumpf  keilförmig  (trapezoi'disch). 

6.  Dieser  Typus  der  Kernscheide  tritt  ziemlich  charakteristisch1) 

auf  in  einer  vermuthlich  von  der  Westküste  Mexicos  stammenden  Sorte, 
welche  nach  ihrem  Verschiffungsplatze  im  Territorium  Colima  als  Sarsa- 
parilla  von . Manzanillo  bezeichnet  wird.  Sie  sieht  der  besten  Vera-Cruz- 
Wurzel  ähnlich,  röthlichbraun , breitfurchig.  Aussenriudezellen  stark  ver- 


*)  Noch  weiter  ausgebildet  zeigt  die  Wurzel  von  Ruscus  aculoatus  diesen  Typus  der  Kern- 
schetde.  Hier  sind  die  Kernscheidezellen  an  der  inneren  Wand  und  auf  den  Seiten  sohr 
stark  verdickt. 


168 


Wurzelbildungen  der  Monokotylen. 


dickt,  Mittelrinde  mehlig  oder  hornartig,  doppelt  so  breit  als  der  Holzring, 
welcher  zwar  breit  aber  doch  meist  schmäler  als  das  Mark  ist.  Grosse  Spi- 
roiden,  auch  im  Marke  selbst. 

Die  Sarsaparillwurzel  bietet  keinen  besonderen  Geruch  dar,  schmeckt 
aber  erst  schleimig,  dann  kratzend. 

Chemische  Bestandtheile  : ausser  den  bereits  erwähnten  und  einer  Spur 
ätherischen  Oeles  hauptsächlich  1 bis  2 pC.  eines  eigentümlichen  scharf 
kratzend  schmeckenden  krystallisirten  Körpers,  den  Palotta  1824  ent- 
deckte und  als  Pariglin  beschrieb.  Fast  gleichzeitig  stellte  Folchi  sein 
S m i 1 a c i n aus  derselben  W urzel  dar,  später  Batkaeine  Parillinsäure, 
Thubeuf  das  Salseparin.  Poggiale  hat  es  wahrscheinlich  gemacht, 
dass  alle  diese  Körper  identisch  sind;  vermutlich  auch  noch  das  von 
Re  in  sch  aus  Tuber  Cliinae  erhaltene  Smilachin.  — Nach  Petersen 
wäre  die  Zusammensetzung  dieses  Pariglins  O15H2605. 

0.  Gmelin  zeigte  1859,  dass  es  durch  Salzsäure  in  Zucker  und  einen 
gallertförmigen  Stoff  zerfällt;  das  genauere  des  Vorganges  ist  noch  nicht 
ermittelt,  die  Spaltung  aber  von  Walz  bestätigt.  Das  Pariglin  löst  sich 
leicht  in  heissem  Wasser  und  Weingeist,  die  Lösungen  schäumen  stark 
beim  Schütteln,  wie  die  des  Saponins.  Das  Pariglin  scheint  der  Wurzel 
hauptsächlich  den  Geschmack  zu  verleihen  und  in  der  Rinde  am  reich 
lichsten  vorzukommen ; es  soll  Träger  der  Wirkung  dieser  Droge  sein. 

In  vielen  Sarsaparillwurzeln  über  wiegt  die  Stärke  bei  weitem,  in  an- 
deren dagegen  tritt  sie  zurück,  vielleicht  nur  weil  die  Wurzeln  einem  be- 
stimmten Stadium  der  Vegetation  entnommen  sind,  wobei  aber  auffällt,  dass 
die  ostmexikanischen  Sorten  z.  B.  regelmässig  arm  an  Stärke  zu  sein  pfle- 
gen. Das  Pariglin  nun  muss  demnach  in  letzteren  Sorten  relativ  reichlicher 
enthalten  sein  als  in  den  stärkereichen.  Der  allgemeine  Gebrauch  jedoch 
zieht  gerade  die  wenig  gefurchten,  mehlreichsten  vollsten  Sorten  von  Hon- 
duras, Para,  Caracas  vor  und  die  Pharmacopöen  schliessen  die  ostmexika- 
nischen (Vera-Cruz)  aus,  welche,  vielleicht  zum  Theil  auch  wegen  ihres 
Harzgehaltes,  kräftiger  schmecken. 

Diese  gesetzlichen  Vorschriften  müssen  daher  bis  auf  weiteres  einge- 
halten werden , und  um  eine  solche  Sorte  auszuwählen , wie  die  Pharmaco- 
pöen sie  wollen,  ist  ohne  Zweifel  eine  Berücksichtigung  des  anatomischen 
Baues  vorerst  überflüssig.  Die  Untersuchung  desselben  wird  aber  dann 
ihre  volle  Bedeutung  erlangen,  wenn  die  hier  augedeuteten  noch  offenen 
Fragen  über  Abstammung  und  Bau  der  Sarsaparillsorteu  im  Einzelnen, 
über  ihre  Wirkung  und  die  des  Pariglins,  über  dessen  Vorkommen  in  quan- 
titativer Hinsicht,  ihre  Lösung  gefunden  haben  werden. 

So  wie  man  aber  Anfangs  die  schönen  „feinen“  Loxa-Rinden  für  die 
beste  China  hielt  und  jetzt,  nach  unserer  heutigen  berichtigten  Erkenntuiss 
verwirft,  so  könnte  es  auch  möglich  sein,  dass  sich  einst  als  die  wirksamsten 
Sarsaparillsorten  gerade  die  unscheinbaren  ostmexikanischen  herausstellten. 
Jedenfalls  scheint  diese  Vermuthuug  auch  ihre  Anhänger  zu  haben,  insofern 


Radix  Chinae. 


169 


als  Vera-Cruz  allein  z.  B.  1860  über  1700  Centner  Sarsaparilla  exportirte, 
Tampico  1858  fiir  etwa  90,000  Francs. 

Die  Sarsaparilla  wurde  zuerst  gegen  1530  durch  die  Spanier  nach  Eu- 
ropa gebracht  und  zwar  die  Honduras-Sorte,  später  gelangten  die  Sorten 
von  Para  (Lissabon)  und  Caracas  in  Ruf,  kommen  jetzt  aber  häufig  so  ge- 
ring vor,  dass  gegenwärtig  unbedingt  Honduras  als  die  am  meisten  ge- 
schätzte und  verbreitete  zu  betrachten  ist. 

Verwechselungen  und  Verfälschungen  dieser  Droge  sind  durch  ihren 
so  sehr  charakteristischen  Bau  ausgeschlossen.  — Rhizoma  Caricis  arena- 
riae,  das  leicht  zu  unterscheiden  ist,  führt  bisweilen  den  unzweckmässigen 
Namen  Sarsaparilla  germanica. 

In  China  dienen  Smilax  lanceaefolia  Roxbgh.  und  Sin.  ovalifolia 
Roxbgh.,  welche  z.  B.  bei  Hongkong  sehr  häufig  sind. 


Radix  Cliinae. 

Tuber  Chinae.  Radix  Chinae  nodosae,  ponderosae  s.  orientalis.  Chinawurzel. 
Pockenwurzel.  Chinaknollen.  Squine.  Racine  de  Chine.  China  root. 

Smilax  China  L.  — Smilaceae. 


Die  Smilax- Arten  zeigen  ein  sehr  stark  enwickeltes  Wurzelsystem;  bald 
ist  der  V urzelstock  weniger  ansehnlich,  dafür  aber,  wie  bei  den  Sarsaparilla 
liefernden  Alten,  mit  sehr  zahlreichen  und  sehr  langen  Nebenwurzeln  ver- 
sehen, bald  aber  treten  letztere  zurück  und  das  Rhizom  treibt  ausläufer- 
artige  Zweige,  welche  stellenweise  zu  bedeutenden  Knollen  verdickt  sind. 
Letzteres  ist  der  Fall  bei  Smilax  China,  welche  in  Cochinchina,  China1) 

und  Japan  ausserordentlich  häufig  wächst,  nach  einer  Angabe  auch  um  das 
Kaspische  Meer.  (?) 

An  den  holzigen  hin  und  her  gebogenen,  bis  0,005  m dicken  Ausläufern 
entstehen  m kurzen  Zwischenräumen  runde  fleischige  Knöllchen,  welche  zu 
bedeutender  Grösse  auswachsen,  oft  kurze  dicke  Aeste  und  auch  ihrerseits 
wieder  sowohl  Ausläufer  als  dünne  Nebenwurzeln  aussenden,  aber  keine 
Blattnarben  zeigen.  In  der  käuflichen  Waare  finden  sich  nur  die  langen 
on  Ausläufern  und  Nebenwurzeln  befreiten  ausgebildeten  Knollen ; selten 
die  kleineren  kugeligen,  welche  noch  mit  einander  durch  die  Ausläufer  ver- 

te  W Vr  ? a"lgefMelt  sM'  Na*  letztem  zu  urtheilen,  scheint 
det  Wachsthum  dem  der  Kartoffeln  zu  gleichen.  Jene  Knollen  sind  bis 

oder  AbJcbnV  b‘S  °’° j dlck’  mcist  etwas  abgeplattet,  durch  Verästung 

h ef  A rrg,  STe  HSCkel'  ausserordentlich  unregelmässig  ge° 
“neLtT,  , brT?lbe  etwaS  “s  Röthlidw  spielende  glänzende  Rinde 
ltd  deT  a nZe,gt  d,e  ZaHreiche“  Narb®  der  Ausläufer.  Die  Knollen 
”“d  schwer’  so  dass  grössere  Exemplare  über  20«  Gramm  wiegen. 

‘)  Provinz  On.n.i  (Hon,,,?)  gros„t  M„g(,  UAch  4ills|i,. 


170 


Wurzelbildungen  der  Monokotylen. 


Querschnitt  dicht  körnig,  von  röthlicher  Farbe,  von  sehr  zahlreichen 
helleren  Gefässbftndeln  namentlich  in  der  Mitte  durchsetzt.  Eine  nicht 
immer  deutliche  nur  wenig  dunklere  Zone  trennt  die  schmale  Rinde  vom 
Holzkörper.  Dieselbe  besteht  aus  braunrothen  tangential  gestreckten,  von 
aussen  nach  innen  an  Grösse  zunehmenden  Zellen,  mit  porösen  dicken  Wan- 
dungen und  zahlreichen  Krystall-Bündelu  von  Kalkoxalat  nebst  rothbraunen 
Klumpen  von  Harz  oder  Farbstoff. 

Ohne  Kernscheide  ’)  folgt  sogleich  auf  die  Rinde  das  damit  bedeutend 
kontrastirende  Innenparenchym,  sehr  grosse  dünnwandige  poröse,  fast  wür- 
felige Zellen,  welche  von  Amylum  vollgestopft  sind,  nur  hier  und  da  Farb- 
stoff und  Krystallbündel  enthalten.  Das  Amylum  gehört  zu  den  grössten 
Sorten  (bis  50  Mikrom.),  ist  kugelig,  aber  durch  gegenseitigen  Druck  manig- 
fach  abgeplattet  und  eckig.  Wie  das  des  Colchicum  - Knollens  zeigt  es  eine 
strahlenförmige  Höhlung.  Sehr  häufig  aber  sind  die  Körner  geplatzt,  wie 
zusammengeflossen,  als  ob  der  Knollen  — vielleicht  des  Trocknens  wegen  — 
gebrüht  worden  wäre.  Die  ganz  zerstreuten  Gefässbündel  enthalten  2 grössere 
Treppen-  oder  Netzgefässe,  einen  Strang  zarten  dünnwandigen  Parenchyms 
und  zierliche1 2)  Holzzellen  mit  sehr  deutlichen  Ablagerungsschichten  und 
linienförmigen  Poren. 

Einen  Geruch  bietet  der  Chiuaknollen  nicht;  Geschmack  indifferent, 
dann  ein  wenig  kratzend,  nicht  unangenehm.  Chemische  Bestandtheile:  wie 
Rad.  Sarsaparillae.  Sehr  häufig  leidet  die  Chinawurzel  von  Insekten. 

Noch  andere  Smilax-Arten  (Sm.  glabra  und  zeylanica  in  Ostindien,  Sm. 
Pseudo-China  in  Nord-Amerika  von  New-Jersey  bis  Cuba,  Smilax  tamnoi'des 
in  den  Südstaaten  Nordamerikas  u.  s.  f.)  besitzen  ähnliche  Knollen,  die  sich 
durch  geringere  Schwere  vom  ächten  officinelleu  zu  unterscheiden  scheinen. 
Was  jetzt  im  Handel  vorkömmt,  ist  immer  übereinstimmend  der  beschrie- 
bene Knollen. 

Der  Portugiese  Vincenz  Gilius  von  Tristan  brachte  diese  Droge  1525 
als  Mittel  gegen  Lustseuche  nach  Europa,  wo  sie  seit  1535  durch  die  guten 
Wirkungen  an  dem  von  der  Gicht  leidenden  Kaiser  Karl  V.  zu  grosser  Be- 
rühmtheit gelangte.  Im  Oriente,  ganz  besonders  bei  den  Chinesen3)  und 
auch  bei  den  Persern  steht  sie  jetzt  noch  in  sehr  hohem  Ansehen  und  heisst 
hier  ihrer  Herkunft  wegen  einfach  Tschini.  Turkomanen  und  Mogulen  ge- 
messen die  Knollen  auch  als  Leckerbissen  (Polak). 

Der  Hafen  von  Singapore  spedirte  im  Jahre  1862  über  260,000  Kilogr., 
1863  nur  97,000  Kilogr.  Chinawurzel  (Novara). 


1)  Den  Ausläufern  fehlt  gleichfalls  die  Kernscheide,  so  dass  sie  nicht  den  Bau  der  Rad. 
Sarsaparillae,  sondern  vielmehr  den  der  Sarsaparillsteugel  zeigen;  sie  sind  daher  wahrschein- 
lich nicht  Wurzelfasern,  sondern  Verzweigungen  des  Wurzelstockes. 

2)  Das  Gewebe  des  China-Knollens  bietet  überhaupt  für  die  mikroskopische  Untersuchung 
eine  Menge  lehrreicher  und  schöner  Beispiele,  zumal  auch  im  polarisirten  Lichte. 

3)  Dcbeaux,  in  der  bei  Compiler  angef.  Schrift 


Rhizoma  Iridis. 


171 


Rhizoma  Iridis. 

Rad.  Iridis  s.  Ireos  florentinae.  Veilchenwurzel.  Racine  d’Iris  ou  de  Violette. 

Orris  root. 


1.  Iris  florentina  L. 

2.  Iris  pallida  L.  — Irideae. 


Diese  beiden  schönen  Arten  wachsen  an  trockenen  steinigen  Standorten 
in  Oberitalien,  Südtirol,  Krain,  Istrien,  Dalmatien,  Cypern,  und  werden 
in  der  Gegend  von  Florenz,  auch  in  Frankreich  (Gard  und  Ain)  angebaut. 

Sie  treiben  starke  bis  0,1 5 m lange  und  0,04 m breite  unterirdische 
Wurzelstöcke,  welche  horizontal  fortwachsen  und  sich  oft  gabelig  verzweigen, 
indem  auf  beiden  Seiten  des  abgeblühten  Stengels  an  seinem  Grunde  neue 
Glieder  entstehen.  Jeder  derartige  Jahrestrieb,  deren  die  Waare  4 — 5 auf- 
weist, enwickelt  sich  in  der  Mitte  seines  Wachsthums  kräftiger  und  zeigt 
demnach  an  beiden  Enden  eine  schwache  Einschnürung.  Der  ganze  Stock 
ist  etwas  hin-  und  hergebogen  und  merklich  plattgedrücht,  auf  der  oberen 
etwas  gewölbten  »Seite  durch  die  Blattnarben  geringelt  und  durch  vertiefte 
Punkte  — Austrittsstellen  der  Gefässbündel  in  das  Blatt  — bezeichnet. 
Auf  der  unteren  Seite  entspringen  zahlreiche  spiralig  geordnete  starke  Wurzel- 
fasern, welche  beim  Schälen  des  Stockes  erhöhte,  durch  die  Reste  der 
Aussenrinde  bräunlich  umschriebene  Narben  zurücklassen.  Der  frische 
Wurzelstock  ist  fleischig,  von  widerlichem  Gerüche  und  scharfem  bitterem 
Geschmacke;  er  wird  von  dreijährigen  Pflanzen  im  Herbste  ausgegraben, 
rasch  geschält  und  getrocknet,  wobei  die  Wachsthumsverhältnisse  auch  durch 
Einschrumpfung  undeutlich , der  Geruch  lieblich  veilchenai'tig  und  der  Ge- 
schmack milder  werden.  Querschnitt:  Die  weisse  höchstens  0,002  m breite 
Rinde  wird  durch  eine  feine  braune  Cambiumlinie  von  dem  etwas  gelblichen 
Holzkörper  getrennt,  was  aber  nur  auf  der  untern  Seite  recht  deutlich  hervor- 
tritt. Dei  Holzkörper  allein  ist  von  zahlreichen  kleinen  Gefässbündeln  in 
weitläufigen  sehr  unregelmässigen  Kreisen  durchsetzt  und  zeigt  hier  und  da 
kleine  glänzende  Krystalle.  Das  Gewebe  besteht  gleichmässig  aus  grossen 
dickwandigen  kugeligen  Zellen,  dadurch  ausgezeichnet,  dass  ihre  Wände 
von  zahlreichen  und  grossen  Poren  durchlöchert  sind.  Neben  ziemlich  (bis 
35  Mikrom.  langen)  grossen  ovalen  sehr  zahlreichen  Amylumkörnern 
findet  man  auch  bis  72  Milli m.  lange  Kalkoxalat- Prismen  mit  diagonalem 
Doma.  Die  Gefässe  sind  verliältuissmässig  klein  und  von  sehr  verschie- 
be11^1 ichtung.  Im  Handel  wird  zwischen  einer  grösseren  feiner 
riechenden  Sorte,  der  Livornesischen,  und  der  etwas  geringeren  Vero- 
nesischen  ein  Unterschied  gemacht.  Ob  derselbe  von  der  Kultur  oder  von 
spezifischer  Verschledenheit  der  beiden  Stammpflanzen  abhängt,  bleibt 

noch  genauer  zu  erweisen.  Nach  Berg  liefert  Iris  pallida  allein  die  Livorne- 


Der  liebliche  Geruch  rührt  von  einer  sehr  geringen  Menge  ätherischen 
Oe  es  beG  welches  zum  Theil  als  Campher  O8H1K02  krystallisirt;  ausser- 


172 


Wurzelbildungen  der  Monokotylen. 

dem  enthält  der  geschälte  Wurzelstock  viel  Gummi  und  wenig  Gerbstoff.  

Man  hat  darauf  zu  achten,  dass  die  für  Kinder  beim  Zahnen  bestimmte 
mundirte  Waare  nicht  mit  fremdartigen  Stoffen  (Kreide,  Bleiweiss)  ein- 
gerieben ist.  — In  grosser  Menge  werden  aus  dem  Holzkörper  der  Iris  die 
l"  ontanellkügelchen,  Pois  d’Iris,  pois  ä cauteres,  gedrechselt. 

Der  innen  röthliche  kurz  zusammengeschobene,  nicht  in  die  Länge 
entwickelte  Wurzelstock  von  Iris  Pseud-Acorus  L.  kann  nicht  mit  I.  floren- 
tina  verwechselt  werden. 

Den  Alten  war  die  Veilchenwurzel  wohl  bekannt,  Dioskorides  und 
schon  Theophrastos  erwähnten,  dass  ihr  Geruch  sich  in  wärmeren  Län- 
dern und  beim  Trocknen  kräftiger  entwickele.  Die  beste  kam  aus  Illyrien 
und  Macedonien,  geringere  aus  Nordafrika. 

2.  Aromatische  Wurzelstöcke. 

Rhizom  a Zingiberis. 

Rad.  Zingiberis.  Ingwer.  Ingber.  Gingembre.  Ginger. 

Zingiber  officinale  Roscoe.  — Zingiber  aceae. 

Syn.:  Amomum  Zingiber  L. 

Vermuthlich  iu  Südasieu  einheimisch1);  durch  Kultur  seit  alter  Zeit 
jetzt  daselbst  so  wie  auch  in  den  übrigen  Tropenländern  (Westiudien,  Süd- 
amerika, Westküste  Afrikas)  in  verschiedenen  Spielarteu  weit  verbreitet. 

Das  unterirdische  Wachsthum  dieser  Pflanze  ist  ähnlich,  wie  bei  Cur- 
cuma longa  und  C.  Zedoaria;  während  aber  von  letzterer  nur  der  ursprüng- 
liche zuerst  entwickelte  Knollstock  (Hauptwurzelstock  oder  Centralknollen) 
Gegenstand  des  Handels  ist  und  von  Curcuma  longa  noch  dessen  Verzwei- 
gungen (Nebenwurzelstöcke  oder  Seitenknollen)  mitgenommen  werden,  so 
dienen  von  Zingiber  nur  die  letzteren.  Sie  entwickeln  sich  nach  dem  Ab- 
sterben des  Hauptwurzelstockes  als  horizontale,  über  0,10"’  lange,  etwas 
abgeplattete , oft  gabelige  Aeste , welche  ihrerseits  wieder  einseitig  oder 
zweizeilig  fast  handförmig  verästelt  oder  wenigstens  mit  entsprechenden 
höckerartigen  breiten  Trieben,  seltener  auch  mit  Wurzelfasern,  besetzt  sind. 
Die  breiteren  Stellen  sind  kuolleuartig  angeschwollen;  die  Aeste  tragen 
noch  die  Stengelnarben  oder  Knospen  au  der  Spitze  und  ringsum  Blatt- 
scheidenreste,  die  aber  häufig  abgestossen  sind.  Diese  sehr  charakteristisch 
gestalteten  Rhizome  sind  mit  runzeligem  grauem  lockerem  Korke  bedeckt, 
welcher  sehr  häufig  abgescheuert  oder  bei  manchen  Sorten  absichtlich  weg- 
geschält ist  und  daun  die  dunklere  oder  durch  Zubereitung  weissliche  längs 
gestreifte  Mittelrinde  zu  Tage  treten  lässt. 

Der  Ingwer  ist  nicht  sehr  dicht,  er  bricht  leicht  und  sehr  uneben,  indem 

1)  vielleicht  ursprünglich  in  China,  wo  eine  Gegend  Gingi  als  Heimat  angegeben  wird 
(Ainslie). 


Rliizoma  Zingiberis. 


173 


die  Gefässbündel  nicht  glatt  abbrechen,  sondern  als  zähe  Fasern  oft  weit 
herausragen.  Der  Querschnitt  zeigt  eine  nur  0,001  m breite  braune  horn- 
artige Rinde,  die  durch  eine  feine  Linie  vom  weisslichen  mehligen  Kerne 
abgegrenzt  ist.  Zahlreiche  Gefässbündel  und  Harzzellen  sind  unregelmässig 
im  ganzen  Gewebe  zerstreut.  Der  Kork  besteht  aus  einer  äusseren  locke- 
ren Lage  und  einer  inneren  mit  regelmässigen  tafelförmigen  Zellen,  auf 
welche  eine  eigenthiimliche  Mittelrinde  aus  engen  kurz  prosen  chymati- 
schen  Zellen  folgt,  deren  auf  dem  Querschnitte  geschlängelte  und  stellen- 
weise verdickte  Wände  ihr  das  Aussehen  des  Hornbastes  (siehe  bei  Lignum 
Quassiae)  geben.  Dieses  sehr  zarte  verfilzte  Gewebe  bildet  die  gestreifte 
Oberfläche  des  geschälten  Ingwers  und  ist  der  Hauptsitz  des  Harzes  uud 
ätherischen  Oeles,  welche  hier  eigene  grosse  Räume  erfüllen.  Die  innere 
Schicht  der  Rinde  besteht  aus  dem  gewöhnlichen  grosszeiligen  Parenchym, 
wie  bei  Curcuma  und  Zedoaria,  das  mit  Stärke  erfüllt  ist  und  auch  zahl- 
reiche Harzklümpchen  und  Oeltropfen  enthält.  Das  Amylum  gleicht  dem 
der  Zedoaria,  ist  aber  mehr  kugelig  und  misst  höchstens  40  Mikrom. 
Nur  bei  wenigen  Sorten  ist  es  durch  Brühen  in  Kleister  übergegangen  und 
ertheilt  der  Waare  eine  hornartige  Cousistenz.  Der  Gefässbündelkreis, 
welcher  Rinde  und  Mark  trennt,  ist  schmal  und  hat  den  Bau  des  Krei- 
ses in  Rhiz.  Curcumae;  die  schmalen  Prosenchymstränge,  welche  die  Ge- 
fässbündel verbinden,  sind  gleich  beschaffen  wie  die  eigenthiimliche  Rinden- 
schicht unter  der  Korklage.  Der  Kern  (Mark)  stimmt  nach  Form  und  Inhalt 
mit  dem  Rindenparenchym. 

Geruch  angenehm  aromatisch,  Geschmack  besonders  in  der  Rinde  feurig 
gewürzhaft.  Das  nach  Morin  grünlich  blaue,  nach  Andern  röthlichgelbe, 
erst  bei  246  C.  siedende  Oel,  wovon  das  Rhizom  ungefähr  1 pC.  gibt,  ent- 
spricht nach  Pa  p o u s ek’s  Analysen  der  Formel  2 G10  H16+3  (G10  H16-h  H20) 
und  besitzt  in  hohem  Grade  den  specifischen  Geruch  und  Geschmack  des 
Ingwers.  Die  Zusammensetzung  erinnert  an  die  des  Kamillenöls  (siehe  Flo- 
res Chamomillae).  Je  nach  der  Zubereitung  und  der  grösseren  oder  gerin- 
geren Yerästung  erhält  man  verschiedene  Sorten  Ingwer ; vielleicht  liefern 
auch  mehrere  Zingiber-Arten  dieses  Gewürz.  Entweder  lässt  man  a)  die 
Rhizome  unverändert,  nachdem  sie  abgebrüht  worden  (schwarzer  Ingwer, 
Barbadoes-Sorte),  b)  oder  man  schält  sie  nur  an  den  flachen  Stellen  (Ben- 
galische Sorte),  c)  oder  sie  werden  vollständig  geschält,  was  in  frischem 
Zustande  sehr  leicht  geschieht,  und  d)  vermittelst  Chlor  uud  schwefliger 
Saure  gebleicht,  oder  ihnen  wenigstens  durch  Einlegen  in  Kalkwasser  eine 
weisse  Oberfläche  ertheilt  (weisser  Ingwer,  Jamaica-Sorte),  e)  endlich 
kommt  auch  zu  Küchenzwecken  in  Zucker  eingekochter  Ingwer,  CondÜum 
Zingiberis , besonders  aus  China,  Jamaica,  Barbadoes,  nach  Europa.  — 
anc  e > oite  schciuen  auch  in  den  Formen  a und  c gleichzeitig  vorzukom- 
men, wie  namentlich  die  Bengalische.  Die  am  wenigsten  holzigen  kräftig 
schmeckenden  daher  wohl  die  ungeschälten  Sorten  sind  vorzuziehen.  Eine 
sehr  schöne  volle  Sorte  liefert  auch  Cochinchina. 


174 


Wurzelbildungen  der  Monokotylen. 


Bei  Griechen  und  Römern  war  der  Ingwer  schon  diätetisch  und  arz- 
neilich im  Gebrauche.  Der  Name  Ziugiber  ist  indischen  Ursprunges  und 
soll  „horngestaltet“  bedeuten  (?)  Ingeber  findet  sich  in  Deutschland  schon 
um  1150  von  der  heiligen  Hildegard  beschrieben.  Im  Mittelalter  war 
Columbo  auf  der  Malabarküste  (nicht  auf  Ceylon)  wegen  des  besten  Ingwers 
so  berühmt,  dass  er  z.  B.  im  Florentiner  Zolltarif  von  1442  als  colombino 
bezeichnet  wurde1),  ebenso  führte  Pegolotti  (nach  1335)  zwei  Sorten 
Ingwer,  nämlich  Belledi  und  Colombino  auf2).  Der  Yeuetianer  Nicolo 
Conti  beschrieb  im  XY.  Jahrhundert  die  Pflanze  ziemlich  kenntlich  als 
mit  Alant  ähnlichen  Blättern  versehen  und  nannte  drei  Sorteu  ihrer  Wur- 
zeln, nämlich  Belledi,  Gebeli  und  Neli3). 

England  führte  1862  gegen  19,000  Ctr.  Ingwer  ein.  Jamaica  allein 
lieferte  im  Jahre  1797  gegen  36,000  Ctr.,  in  neuester  Zeit  weit  weniger, 
1857  z.  B.  nur  etwa  so  viele  Pfunde.  Der  Ingwer  nimmt  im  Gewürzhandel 
der  heutigen  Zeit  eine  hervorragende  Stelle  ein;  der  Gesammtwerth  der 
jährlichen  Production  desselben  erreicht  vermuthlich  23/4  Millionen  Francs. 

Rhizoma  Curcmnae. 

Radix  Curcumae  longa  et  rotunda.  Terra  merita.  Gilbwurzel.  Kurkuma. 

Curcuma.  Turmeric. 

Curcuma  longa  L.  — Zingiberaceae. 

Syn.:  Amomum  Curcuma  Murray. 

Die  Curcuma  ist  in  Südasien  zu  Hause  und  wird  dort,  auf  dem  Fest- 
lande und  den  Inseln,  häufig  angebaut,  seltener  in  Südamerika.  Die  unter- 
sten Stengelglieder  verdicken  sich  im  ersten  Jahre  zu  einem  länglich  runden 
Knollen  ( Centralknolleu  oder  Hauptwurzelstock),  welcher  später  seitlich 
mehr  gestreckte  Aeste  (Lateralknollen , Nebenwurzelstöcke)  treibt.  Dieses 
ganze  Rhizom  ist  durch  Narben  abgestorbener  Blätter  geringelt  und  mit 
zahlreichen  langen  dünnen  Wurzeln  besetzt,  welche  sich  entweder  in  feine 
Spitzen  verzweigen  oder  zu  farblosen  spindelförmigen  stärkereichen  Knöll- 
chen anschwellen.  Die  Seitenknollen  sind  ohne  Zweifel  im  Staude,  sich 
vom  Hauptknollen  zu  trennen  und  selbstständig  weiter  zu  entwickeln. 
Die  Centralknollen  geben  die  Curcuma  rotunda,  ihre  Aeste  die  Curcuma 
longa  des  Handels.  Die  ungefärbten  Knöllchen  werden  nur  auf  Stärke 
benutzt  und  nicht  in  den  Handel  gebracht.  Die  runde  Curcuma  ist 
meist  bimförmig,  bis  0,04 ™ Querdurchmesser  erreichend;  am  obereu 
stumpfem  Ende  lässt  sich  noch  die  Stengelnarbe  bemerken.  Ringsum  lau- 
fen mehr  oder  weniger  deutliche  Ringe,  Reste  der  Blattscheiden,  in  einem 
Abstande  von  etwa  0,005"'.  Jede  von  zwei  Ringen  abgegrenzte  Zone  (uuter- 


1)  Peschel,  Gesell,  d.  Erdkunde  (1865)  S.  162. 

2)  Kunstmann,  Kenutniss  Indiens  im  XV.  Jalirli.  München  1863.  S.  4. 

3)  Ibid.  S.  37.  46. 


Rhizoma  Curcumae. 


175 


irdisches  unentwickeltes  Stengelglied)  ist  durch  wenig  hervortretende 
Korkleistchen  schief  gestreift  und  diese  Streifung  richtet  sich  von  Zone  zu 
Zone  abwechselnd  links  und  rechts.  Die  äussere  Gestalt  des  Knollens  ist 
mehr  oder  weniger  unregelmässig  durch  die  grossen  Narben  seiner  Aeste, 
von  denen  öfter  noch  einer  stehen  geblieben.  Aus  den  Internodien  oder  an 
den  Blattscheiden  selbst  dringen  die  zahlreichen  dünnen  faserigen  Wurzeln 
hervor,  meist  kurz  abgeschnitten  und  von  Rinde  entblösst.  Die  lange  Cur- 
cuma (die  Lateralknollen)  ist  bis  0,06  “ lang  und  0,01 5 m dick,  oft  wieder 
verästelt,  weniger  bewurzelt,  undeutlich  geringelt  und  gestreift,  mehr  längs- 
runzelig. 

Das  Curcumarhizom  ist  sehr  dicht,  in  Wasser  sofort  untersinkend, 
hornartig  spröde,  aussen  graulich,  aber  gelb  bestäubt.  Der  Querschnitt 
körnig,  vom  gelbrothen  Aussehen  des  Safrans  Q,  oder  des  Gutti,  wachsglän- 
zend. Durch  eine  hellgelbe  feine  Linie,  gleichsam  eine  Kernscheide,  wird 
die  Rinde,  1/s  bis  7<t  so  breit  wie  der  Durchmesser  des  Innern,  abgegrenzt, 
lässt  sich  aber  nicht  ablösen.  Die  Aussenrinde  ist  von  8 bis  10  Reihen 
tafelförmiger  Korkzellen  gebildet,  das  Parenchym  der  Mittelrinde  aus 
grossen,  rundlich  polyedrischen  Zellen.  Die  hellere  Treunungslinie  besteht 
aus  einem  zusammenhängenden  Kreise  von  Gefässbündeln , welche  durch 
dünne  Stränge  von  zartem  Holzprosenchym  verbunden  sind;  eine  eigent- 
liche Kernscheide  fehlt  also.  Das  von  diesem  Holzringe  eingeschlossene 
Mark  ist  der  Mittelrinde  gleich,  wird  wie  diese  von  zerstreuten  Gefässbündeln 
durchsetzt  und  enthält  in  seinen  meisten  Zellen  Amylum  in  formlosen  ecki- 
gen oder  rundlichen  Klumpen , welche  so  weit  desorganisirt  sind , dass  sie 
im  polarisirten  Lichte  nicht  mehr  das  gewöhnliche  Verhalten  (kreuzförmige 
Schattirung)  des  Amylums  zeigen,  wohl  aber  durch  Jod  blau  werden. 
Das  Amylum  ist  durch  Brühen  in  diese  Kleisterballen  verwaudelt;  selbst 
die  innersten  Theile  grösserer  Knollen  enthalten  kein  unverändertes  Amy- 
lum mehr.  Das  Brühen  verhindert  das  Auswachsen  der  Knollen.  Neben 
dem  Amylum  kömmt  in  einzelnen  Zellen  auch  Harz  in  dunkel  gelbrothen 
Klümpchen  vor;  das  ganze  Gewebe  ist  von  gelbem  Farbstoffe  durch- 
drungen und  enthält  zahlreiche  Tropfen  ätherischen  Oeles.  Geruch  aro- 
matisch, Geschmack  feurig  gewürzhaft.  Das  ätherische  Oel  und  der  Farb- 
stoff sind  noch  nicht  näher  untersucht.  Letzterer,  als  Cure  umin  unter- 
schieden, ist  unkrystallisirbar , in  Masse  dunkelbraun,  im  durchfallenden 
Lichte  dunkelroth,  wenig  in  Wasser  löslich  und  im  Sonnenlichte  nicht 
beständig.  Seine  Formel  steht  noch  nicht  fest.  Alkalien  verändern  das 
Gelb  des  mit  Curcumin  gefärbten  Papieres  in  braunroth,  ebenso  reagiren 

' aU7 *f?rkWÜrdlger  Weise  die  Borsäm'e,  Eisenoxydsalze,  Zirkonerde,  Zinn- 
uud  Molybdänsäure. 


Durch  die  Kultur  entstehen  verschiedene  Handelssorten  der  Curcuma 
und  wahrscheinlich  werden  auch  noch  andere  Curcuma  - Arten  — man 

B Daher  der  Name  Clllxuma,  womit  im  Persischen  der  Safran  bezeichnet  wird. 


176 


Wurzelbildungen  der  Monokotylen. 


nennt  z.  B.  Curcuma  viridiflora  Roxburgk  auf  Sumatra  und  Ambon  — 
angebaut.  Wegen  besonderen  Reichtlmms  an  Farbe  ist  die  chinesische 
Wurzel  sehr  geschätzt;  sie  hat  grosse  und  viele  Centralknollen,  während 
andere  Sorten,  wie  die  bengalische  und  die  von  Madras,  vorherrschend  aus 
Lateralknollen  bestehen.  Bei  einigen  Sorten,  z.  B.  der  javanischen,  werden 
die  Centralknolleu  auch  wohl  quer,  die  Seitenknollen  der  Länge  nach  ge- 
spalten in  den  Handel  gebracht. 

Die  Intensität  des  Geschmackes  uud  der  Reichthum  au  Farbe  entschei- 
den über  den  Werth  der  im  übrigen  nicht  sehr  abweichenden  Sorten. 

Die  Curcuma  ist  neben  der  Verwendung  in  der  Färberei  in  ihrem  Vater- 
laude  als  Gewürz  und  Arznei  seit  dem  höchsten  Alterthum  sehr  beliebt. 
Auch  die  englische  Küche  hat  sie  als  Hauptingrediens  des  bekannten  Curry- 
powder  adoptirt.  — Die  Einfuhr  Englands  erreichte  18G4  fast  20,000  Ctr. 

Rliizoma  Zedoariae. 

Rad.  Zedoariae.  Zittwerwurzel.  Zedoaire.  Zedoary  root. 

Curcuma  Zedoaria  Roscoe.  — Zingiberaceae. 

Syn.:  Curcuma  Zerumbet  Roxbgh. 

Amomum  Zerumbet  Koenig. 

Wild  und  angebaut  iu  Südasien,  auch  auf  Madagascar.  Die  Wurzel- 
bildung dieser  Pflanze  kömmt  mit  der  von  Curcuma  longa  (siehe  Rhiz.  Cur- 
cuiuae)  überein,  jedoch  scheinen  von  Zedoaria  nur  Centralknollen  (Knoll- 
stöcke,  Hauptwurzelstöcke)  in  den  Handel  zu  kommen,  vielleicht  weil  die 
Einsammluug  schon  vor  der  Bildung  von  Lateralkuollen  geschieht.  Immer 
sind  sie  entweder  der  Länge  nach  kalbirt  oder  in  Viertel  geschnitten  oder 
aber  in  verschieden  grosse  Querscheiben  von  höchstens  0,040"'  Durch- 
messer und  gegen  0,01 0m  Dicke,  daher  man  unterschied  Zedoaria  iu  discis 
und  Zedoaria  longa  oder  rotunda1),  wenn  kleinere  Knollen  ganz  Vorlagen. 
Der  bimförmige  Knollen  erreicht  0,050 m Länge;  sein  äussere  Bau  stimmt 
mit  Rhiz.  Curcumae  überein,  zeigt  jedoch  nur  spiralig  gestellte  Wurzel- 
reste ohne  Aeste  (Lateralkuollen).  Die  Streifung  meist  verwischt,  weil  die 
Korkleistchen  gewöhnlich  abgescheuert  sind.  Farbe  graulich  weiss,  nicht 
gelb.  Querschnitt  grau  im  Innern , wenig  verschieden  oder  etwas  dunkler 
in  der  bis  0,005  m breiten,  oft  etwas  über  das  Mark  erhöhten  Rinde,  welche 
ausserdem  durch  eine  feine  helle  Linie  abgegrenzt  ist.  Der  frische  Kuollen 
scheint  im  Innern  etwas  rötklick  zu  sein.  Der  anatomische  Bau  der  Zedoaria 
stimmt  im  Allgemeinen  auch  mit  dem  der  Curcuma  überein,  zeigt  aber  doch 
folgende  Unterschiede.  Die  Rinde  hängt  nur  locker  mit  dem  Kern  zusammen; 
besonders  beim  Aufweicheu  des  Knollens  lässt  sie  sich  leicht  vollständig 
ablöseu.  Der  Holzring,  welcher  das  Mark  eiuschliesst,  besteht  wie  bei  Cur- 
cuma aus  Gefässen  und  Prosenchymzellen,  welche  aber  bei  Zedoaria  sehr 


1)  Zarnubum  lougurn  et  rotundum  der  alteren  PUarmacie. 


Rhizoma  Galangae. 


177 


viel  stärker,  dickwandiger  und  von  zahlreichen  Poren  durchsetzt  sind.  Zer- 
streute Gefässbiiudel  häufig  im  Mark , spärlicher  in  der  Rinde.  Das 
Amylum,  welches  beide  Gewebe  erfüllt,  bildet  länglich  runde  Scheiben  mit 
einer  stumpfen  etwas  zugeschärften  Spitze,  in  welcher  gewöhnlich  ein  Nabel 
bemerkbar  ist,  während  sich  am  entgegengesetzten  Ende  des  Kornes  deut- 


liche Schichtung  zeigt.  Diese  Amylumkörner  (bis  70  Mikrom.  messend) 
gehören  nächst  denen  der  Kartoffeln  zu  den  allergrössten.  Es  scheint  nicht, 
dass  sie  durch  kochendes  Wasser  bedeutend  verändert  sind;  jedenfalls 
zeigen  sie  im  polarisirteu  Lichte  ganz  die  normale  kreuzförmige  Schattirung; 
nur  sind,  wegen  der  flachen  Scheibengestalt  dieser  eigenthümlichen  Körner' 
nicht  alle  vier  Kreuzesarme  zugleich  sichtbar,  sondern  nur  einer  oder  zwei 
auf  der  einen  Scheibenfläche.  Farbstoff  fehlt  der  Zedoaria;  Harz  und  äthe- 
risches Oel  eifüllen  einzelne  Räume.  Der  Zedoariaknollen  ist  weniger  dicht, 
sein  Geruch  und  Geschmack  milder  als  bei  Curcuma,  mehr  kampkerartfe 
und  bitter.  ' 6 

Rhiz.  Zedoariae  wurde  im  Mittelalter  durch  die  Araber1)  in  Europa  ein- 
geführt und  mit  noch  anderen  ähnlichen  Wurzelstöcken  oder  Knollen  ver- 
wandter Arten  aus  der  zahlreichen  Familie  der  Scitamineae  früher  mehr 
angewandt  als  jetzt.  In  Deutschland  war  die  Droge  („Zituar“  oder  „Zit- 
war1) schon  um  1150  der  Aebtissin  Hildegard  von  Ruprechtsberge  bei 
Ringen  wohl  bekannt. 


Rliizoma  Galangae. 

Rad.  Galangae  minoris.  Galgant.  Galanga.  Galaugle. 

Dieser  aus  China2)  kommende  Wurzelstock  wird  von  Alpinia  clxinen- 
^ Roscoe,  Familie  der  Scitamineae,  abgeleitet,  ohne  dass  man  aber  dar- 
über hinlängliche  Gewissheit  hat.  Die  allgemeine  Übereinstimmung  dieses 
Rhizoms  mit  denen  von  Curcuma,  Zedoaria  undZingiber  spricht  dafür  dass 
Galanga  derselben  Familie  angehöre.  Sie  bildet  cyliudrische  knieförmig 
gezogene  ästige  langsstreifige  Rhizome  von  0,070 m Länge  und  0 020*" 

^DuSTfin’1  ih/e  braunrothe  Farbe  holzige  Beschaffen- 
ständen von  0 010  ™U  10 -6  8nranSte  Blattuarbeu  ist  das  Rhizom,  oft  in  Ab- 
ständen von  0,010  , geringelt;  es  sendet  ziemlich  zahlreiche  starke  W* 

rafraimtte“C , T1"  T ™d  iSt  Stelleuweise  auch  knollig  angeschwohen 
D,o  Galanga  «t  nicht  sehr  dicht,  aber  zähe,  von  holzig  faserigem  Bruche' 

Auf  dem  Querschnitte  fällt  die  bedeutende  Entwickelung  der  Rinde  auf-  der 
Durchmesser  des  Kerns  erreicht  oft  nicht  einmal  die  Brite  der  Rinde  Kn 

2 e “ hX^T  kf  GeTObe'  'Ve,Cle  “>'f  e™*  -bl- 

Harzpunkte  zeigen1  ^ gCS“Umte  °eßSSbtadel  ““d  « braunrothe 


2!  p“M.  AraTbiSGhen.  Djudwar  stammt  ™cli  der  Name  Zedoaria. 
) Provinz  Tschansi,  nach  Ainslie. 

lliickiger,  Pharmakognosie. 


12 


178 


Wurzelbildungen  der  Monokotylen. 


Der  Kork  bedeckt  in  dünner  Lage  das  Riudeuparenchyra  und  besteht  nicht 
aus  den  gewöhnlichen  tafelförmigen  Korkzellen,  wie  beiRhiz.  Curcumae  und 
Zingiberis,  sondern  aus  engem  tief  braunem  Gewebe  mit  geschlängelten  Wän- 
den. Die  Gefässbündel,  welche  4 — 1 5 grössere  Spiroi'den  nebst  einem  Strange 
zarteren  Proseuchyms,  in  einem  Kreise  poröser  Holzzellen  enthalten,  stehen 
dichter  im  Kern,  sind  aber  hier  kleiner  als  in  der  Rinde.  Die  dunkle  Tren- 
nungslinie zwischen  Kern  und  Rinde  besteht  aus  zartem  Prosencliym,  das 
auf  dem  Querschnitt  wenige  Reihen  häufig  tangential  gestreckter  enger 
Zellen  mit  dunkelbraunen,  dicken,  geschlängelten  Wänden  zeigt.  Dieser 
Kreis  verbindet  die  äussersten  Gefässbündel  des  Kerns  in  ähnlicher  Weise, 
wie  es  bei  Rhiz.  Curcumae  und  Rhiz.  Zingiberis  der  Fall  ist.  Kein  Gefäss- 
büudel  des  Kerns  ragt  über  diesen  scharf  gezogenen  Kreis  heraus  und  die 
der  Rinde  stehen  alle  weit  davon  ab , so  dass  eine  Lage  ganz  gleichartigen 
Rindenparenchyms  sich  zunächst  demselben  auschliesst.  — Durch  das  ganze 
Gewebe  sind  hellgelbe  Tropfen  ätherischen  Oeles,  dunkelbraune  Harzklum- 
pen und  besonders  Stärke  verbreitet.  Ersteres  füllt  namentlich  grosse  Lücken 
der  Aussenrinde.  Das  Amylum  ist  sehr  ausgezeichnet  durch  seine  höchst 
unregelmässigen  Formen,  meist  keulen-  oder  flaschenförmige  deutlich  ge- 
schichtete, bis  35  Mikrom.  lauge  Körner,  an  ihrem  breiteren  Ende  den 
Nabel  tragend. 

Geruch  aromatisch,  Geschmack  brennend  gewürzhaft.  Das  ätherische 
Oel  besitzt  die  Zusammensetzung  des  Cajeputöles  0luH16H1 2Q.  — Bran- 
des hat  mit  Aether  aus  der  Galanga  einen  eigenthümlichen  Körper,  der 
näherer  Untersuchung  werth  wäre,  das  Kämpfer  id1),  dargestellt.  Es  kry- 
stallisirt,  nimmt  mit  Schwefelsäure  eine  blaugrüne  Farbe  an,  löst  sich  iu 
Alkalien,  nicht  in  Wasser.  Zusammensetzung  nicht  hinlänglich  festgestellt. 

Unter  dem  Namen  Rad.  Galangae  majoris  kam  früher,  aber  längst 
nicht  mehr,  das  der  oben  beschriebenen  Galanga  ganz  ähnlich  gebaute 
Rhizom  von  Alpinia  Galanga  Swartz  aus  Java  iu  den  Handel.  Diese 
grössere  Galanga,  wie  sie  sich  noch  im  Sammlungen  findet,  ist  viel  stärker, 
jedoch  leichter,  innen  bedeutend  heller,  aussen  fast  violett.  Der  Quer- 
schnitt zeigt  sehr  grosse  Gefässbündel,  aber  nur  wenige  kleine  Harzpunkte. 
Das  Amylum  ist  gleich  wie  bei  der  gewöhnlichen  Galanga,  das  Parenchym 
grosszeiliger,  so  dass  an  der  verschiedenen  Abstammung  beider  Rhizome 
nicht  zu  zweifeln  ist.  Alpinia  Galanga  soll  nach  Scherzer2)  au  der  süd- 
lichsten Westküste  Vorderindiens  (Travancore),  sowie  bei  1 schittagoug  öst- 
lich von  den  Gauges-Mündungen  gebaut  werden  und  jährlich  mehrere  Hun- 
dert Centner  „Galgantwurzel“  nach  London  liefern  (?). 

Die  Galanga  scheint  den  Alten  nicht  bekannt  gewesen , sondern  durch . 
die  Araber  nach  Europa  gekommen  zu  sein.  Bei  ihnen  hiess  sie  Chauleu- 
gian  (Avicenna);  der  Name  Galanga  stammt  wohl  aus  der  malaiisckeu 


1)  Kämpferia  Galanga  L.  wurde  damals  für  die  Stammpflanze  der  Galanga  gehalten. 

2)  Reise  der  Novara.  Statistisch -commercieller  Theil  I.,  S.  255. 


ßhizoraa  Calami. 


179 


Sprache , welche  die  auf  Java  kultivirte  Alpiuia  Galanga  sowohl  als  das 
käufliche  Rhizom  Laukwas  nenut.  Im  Sanskrit  heisst  erstere  Sugandha. 
In  Deutschland  wurde  sie  schon  um  1150  von  der  heiligen  Hildegard 
erwähnt. 


Rhizoma  Calami. 

Rad.  Calami  aromatici.  Kalmus.  Acore  odorant  ou  vrai,  Roseau  aromatique. 

Sweet  flag  root. 

Acorus  Calamus1)  L.  — Aroideae. 

Der  Kalmus  ist  eine  vorzüglich  den  Küstenländern  des  Schwarzen 
Meeres  angehörende  Sumpfpflanze,  die  aber  auch  in  Mittelasien  bis  zum 
Altai  und  bis  Japan  wächst,  so  wie  jetzt  verwildert  im  grössten  Theile 
Europas,  bis  nach  England,  Skandinavien,  Nordrussland  und  Nordamerika 
verbreitet  ist. 

Der  bis  0,20  lange,  etwas  platt  gedrückte,  hin-  und  hergebogene 
Wurzelstock  kriecht  horizontal  fort;  er  ist  durch  ringsumlaufende  Narben 
dei  Blattscheiden  etwas  knotig  gegliedert,  auf  den  Seiten  mit  grösseren 
Stengelnaiben,  uuterseits  mit  kleinen  vertieften,  erhöht  gerundeten  Narben 
dei  Wuizelfasern  besetzt,  welche  beim  Einsammeln  entfernt  werden.  Die 
Blattnarben  sind  unterseits  weniger  entwickelt,  bilden  aber  auf  der  oberen 
Seite  des  Wurzelstockes  schmale  hellbraune  Dreiecke , deren  Spitze  regel- 
mässig abwechselnd  nach  links  und  nach  rechts  gekehrt  ist,  und  welche 
etwas  breitere,  dunkel  rötlilichbraune  Stengelglieder  zwischen  sich  frei 
lassen.  Kleine  Punkte  auf  deu  Blattnarben  bezeichnen  die  Austrittsstelle 
der  Gefässbündel.  Auch  die  Wurzelfasern  entspringen  auf  der  Unterseite 
des  Wurzelstockes  in  gesetzmässiger  Anordnung,  indem  ihre  Narben  eine 
Zickzacklinie  bilden,  deren  Regelmässigkeit  allerdings  bisweilen  durch 
etwas  abweichende  Entwickelung  einzelner  Stengelglieder,  sowie  durch  Ein- 
schrumpfung beim  Trocknen  gestört  ist.  Immerhin  lässt  sich  auch  an  dem 
geschälten  Wurzelstocke  stellenweise  diese  charakteristische  Narbenlinie 
noch  erkennen.  Der  frische  Wurzelstock  ist  braunröthlich  oder  grünlich 
innen  wmss  oder  röthlich,  durch  viele  Luftlücken  schwammig,  daher  nach 
dem  Trocknen  zusammengefallen  und  längsrunzlig,  bis  etwa  0,020m  breit. 
Der  Querschnitt  ziemlich  gleichmässig;  eine  feine  Linie  (Kernscheide) 
trennt  die  Rinde  von  einem  etwas  helleren  Marke,  dessen  Durchmesser  die 
doppelte  oder  dreifache  Breite  der  Rinde  erreicht. 

Das  ganze  Gewebe  ist  von  vielen  Luftlücken  durchbrochen ; daneben 
erkennt  man  in  der  Rinde  einzelne,  im  Marke,  besonders  an  der  Trenuungs- 
ime,  sehr  zahlreiche  Gefässbündel,  welche  beim  Befeuchten  des  scharfen 
Querschnittes  deutlicher  hervortreten.  Die  harz-  und  gerbstoffhaltige  Rinde 

belegt. LlnDL  bat  mit  dem  Gattuuesnamea  Calamus  die  schlingenden  Rotang-Palmen 


12* 


180 


Wurzelbildungen  der  Monokotylen. 


ist  von  kleinen,  etwas  radial  gestreckten  Epiblema-Zellen,  an  den  von  Blatt- 
narben freien  Stellen  von  Kork,  bedeckt  und  bestellt  aus  kugeligen  mit 
kleinen  (4 — GMikrom.)  Stärkekörnern  erfüllten  Zellen,  welche  nur  an  der 
Peripherie  ein  dichtes  Gewebe  bilden,  nach  innen  sehr  grosse  Luftlückeu 
frei  lassen.  Einzelne  Zellen  enthalten  grosse  blassgelbliche  Tropfen  äthe- 
rischen Oeles.  Die  Trennungslinie  zwischen  Rinde  und  Mark  besteht  aus 
dünnwandigen  prosenchymatischen  (Cambial-)  Zellen.  Einen  Strang  dieses 
Gewebes  schliessen  auch  die  Gefässbündel  innerhalb  eines  Kreises  von 
etwa  20  Spiroiden  ein.  Das  Mark  hat  denselben  Bau  wie  die  Rinde. 

Der  Kalmus  besitzt  einen  eigentümlichen  aromatisch  - bitterlichen 
Geschmack.  Er  enthält  getrocknet  ungefähr  1 pC.  ätherischen  Oeles, 
Gemisch  eines  sauerstoffhaltigen  und  eines  Oeles  von  der  Formel  Ol0Hlf>. 
Dasselbe  hat  seinen  Sitz  mehr  in  der  Rinde,  daher  der  noch  viel  geübte 
Handelsgebrauch,  den  Wurzelstock  zu  schälen  (Racl.  Calami  mundata) 
unzweckmässig  ist. 

Der  Kalmus  war  schon  in  der  altiudischcn  Mediciu  (Susrutas),  auch  bei 
den  Griechen,  Römern  und  Arabern  gebräuchlich.  Jedoch  ist  es  nicht  sicher, 
dass  Calamus  aromaticus  odoratus  der  ersteren  unser  Acorus  Calamus  war, 
sondern  wahrscheinlich,  dass  z.  B.  Dioskorides  und  Plinius  unter 
jenem  Namen  wohlriechende  Wurzelstöcke  indischer  Andropogon -Arten 
(Gramineen)  kannten1).  Später  bezeichnete  man  auch  als  Calamus  verus 
die  bittere  Chirata  (vergl.  unter  Herba  Ceutaurii).  Nach  dem  Zeuguisse 
von  Cordus  fehlte  übrigens  Acorus  Calamus  bis  gegen  Ende  des  XYI.  Jaln- 
handerts  gänzlich  in  Mittel-  und  Westeuropa.  Clusius  hatte  diese  Pflanze 
aus  Konstantin opel  1574  durch  den  österreichischen  Gesandten  beim  Sul- 
tan empfangen  und  kultivirte  sie  zuerst  in  Wien , von  wo  aus  sie  an  die 
botanischen  Gärten  abgegeben  wurde  und  sich  bald  überall  akklimatisirte. 
Jedoch  galt  die  Wurzel  noch  1725  als  ausländische  Droge  und  kam  zum 
Theil,  wie  es  scheint,  aus  Indien. 

Der  geschälte  Kalmuswurzelstock  sieht  einigermassen  der  Rad.  Bella- 
donnae  oder  Altliaeae  ähnlich  aus;  auch  das  Rhizom  von  Iris  Pseud-Acorus 
wird  als  Verwechslung  genannt.  Der  höchst  eigeutliümliehe  Bau  der  Kalmus- 
wurzel,  verbunden  mit  ihrem  specifischeu  Gerüche  und  Geschmacke,  genügen 
aber  immer,  auch  bei  der  geschälten  Waare,  zur  sicheren  Unterscheidung. 

B.  Knollen. 

Tuber  Coleliici. 

Bulbus  s.  corrnus  s.  radix  Colchici.  Zeitlosenzwiebel  oder  Wurzel.  Bulbe 
de  Colchique.  Meadow  saffron,  root. 

Colchicum  autumnale  L.  — Melanthaeeae. 

Die  Herbstzeitlose  wächst  im  mittleren  und  südlichen  Europa  (doch 
z.  B.  nicht  in  Griechenland),  auch  in  den  süd-  und  ostkaukasischen  Ländern 

1)  oder  des  im  centralen  uud  südlichen  China  sehr  h&ufigen  Acorus  gramineus  Aiton? 


Tuber  Colchici. 


181 


Imeretien  und  Mingrelien , dem  alten  Kolchis.  Sie  kömmt  noch  in  Eng- 
land vor,  fehlt  aber  dem  höheren  Norden,  z.  B.  Island,  oder  reift  ihre  Samen 
nicht  mehr.  Die  Pflanze  bewohnt  bewässerte  Wiesen  der  Ebenen  und  der 
niedrigeren  Gebirge. 

Der  Stengel  erhebt  sich  aus  braunen  zerschlitzten  mehrfach  concentrisch 
über  einander  liegenden  Hüllen , welche  ziemlich  tief  in  der  Erde  die  unter- 
irdischen Theile  der  Pflanze  bis  auf  die  zahlreichen , dicht  neben  einander 
am  Grunde  senkrecht  austretenden,  ganz  einfachen  weissen  Wurzelzasern 
umschliessen.  Innerhalb  dieser  Hüllen,  den  Ueberresten  des  Scheidentkeiles 
vorjähriger  Blätter,  findet  sich  — im  Beginn  des  Herbstes  — der  eiförmige 
Knollen  (I.),  welcher  oben  eine  vertiefte  gestutzte  Narbe  zeigt,  wo  noch  im 
Sommer  der  fruchttragende,  jetzt  abgestorbene  Stengel  gestanden. 

Nach  aussen  ist  der  Knollen  stark  bauchig  aufgetrieben,  auf  der  flachen 
inneren  Seite  hingegen  der  Länge  nach  von  einer  breiten  seichten  Rinne 
durchzogen,  aus  deren  Grunde  sich  der  kurze  jetzt  blühende  Stengel  (II.) 
als  entwickelte  Seitenknospe  erhebt,  indem  er  nur  an  einer  kleinen  runden 
Stelle  mit  dem  Knollen  zusammenhängt.  Die  Längsfurche  von  I.  ist  also 
durch  die  zwei  scheidenförmigen  Niederblätter  und  die  zur  Blüthezeit 
noch  eingeschlossenen  unentwickelten  Laubblätter  ausgefüllt,  aus  denen  die 
1 — 4 seitenständigen  Bliithen  hervorragen. 

Etwas  über  dem  untersten  Blattwinkel  von  II.  ist  bereits  das  Knöspchen 
(III.)  zur  nächstjährigen  Blüthe  angelegt. 

Nachdem  II.  verblüht  hat,  verlängern  sicherst  im  folgenden  Frühling 
seine  beiden  jetzt  lebhaft  gelb  gefärbten  oberen  Stengelglieder  und  schieben 
die  Bhätter  und  Fruchtstengel  über  den  Boden  empor.  Mit  der  Fortentwick- 
lung dieser  Theile  hält  die  Verkümmerung  von  I.  Schritt.  Im  Anfänge  des 
ommers  schon  wird  das  unterste  Internodium  zwischen  dem  ersten  und 
zweiten  Laubblatt  von  II.  fleischig  verdickt,  füllt  sich  mit  Stärkemehl  an  und 
verliert  die  gelbe  Farbe;  sehr  bald  erreicht  und  überholt  es  die  Grösse  des 
absterbenden  Knollens  I.  Gegen  den  Herbst  bildet  sich  daran  die  Längs- 
forche u.  s.  f.  aus  und  schliesslich  liegt  genau  wieder  der  Knollen  I. , aber 
in  zweiter  Generation  vor,  nachdem  die  erste  Generation  I.  völlig  abgegan- 
gen. Es  scheint  sich  dieser  ganze  2jährige  Lebenslauf  der  Zeitlose  ohne 
Ortsveränderung  zu  vollziehen. 

Der  unterirdische  Theil  der  Pflanze  besteht  daher  im  Spätsommer 

I.  aus  dem  voriges  Jahr  abgeblühten  Knollen, 

II.  dem  blühenden  Stengel, 

III.  dem  nur  eben  in  der  Anlage  vorhandenen  Knöspchen  des  im 
folgenden  Jahre  blühenden  Stengels. 

Im  Anfänge  des  Sommers  dagegen  ist  I.  welk;  II.  in  der  Verdickung  be- 
gntten  doch  noch  ohne  die  Längsrinne,  daher  eine  rundlich  ovalen  Quer- 
schnitt zeigend,  der  sich  vom  Querschnitte  des  vollkommen  entwickelten 

er  stknollens  unterscheidet,  indem  dieser  wegen  der  Längsriune  nieren- 
formig  ausfällt. 


182 


Wurzelbildungen  der  Monokotylen. 


Wie  erwähnt,  ist  der  Knollen  nur  ein  verdicktes  Stengelglied,  deshalb  in 
seiner  Textur  durch  und  durch  homogen , derb , wodurch  er  sich  von  den 
Zwiebeln  unterscheidet  (vergl.  Bulbus  Scillae), 

Zum  officinellen  Gebrauche  wird  der  ein  Gewicht  von  20  bis  40  Gramm l) 
erreichende  Knollen  I.  im  Spätsommer  gesammelt  und  von  den  übrigen 
Theilen  befreit,  bisweilen  lässt  man  auch  die  Hüllen.  Soll  er  getrocknet 
werden,  so  wird  er  häufig  in  Querscheiben  geschnitten,  die  unter  der 
sehr  dünnen  braunen  Aussenrinde  eine  nur  0,001  m davon  abstehende  zarte 
bräunliche  Linie  (Kernscheide,  Innenrinde)  zeigen,  innerhalb  welcher  ein 
mehliges  weisses  Parenchym  mit  zahlreichen  zerstreuten  Gefässbündeln  liegt. 
Auch  in  der  Mittelrinde  kommen  einzelne  Gefässbündel  vor. 

Hie  Aussenrinde  sowie  die  Kernscheide  besteht  aus  etwas  tangential 
gestreckten  Zellen  mit  dicken  bräunlichen  Wandungen ; das  übrige  Gewebe 
ist  aus  grossen  dünnwandigen  kugelig-polyedrischen  Zellen  gebildet,  welche 
von  Stärkemehl  strotzen  und  durch  Gefässbündel  mit  weiten  Spiral-  und 
Ringgefässen  unterbrochen  sind.  Die  (höchstens  10 — löMikrom.  erreichen- 
den) Stärkekörner  sind  rund,  oder  durch  Vereinigung  zu  Gruppen  von  2 bis 
4 Körnern  eckig  oder  flach  gestutzt  und  dadurch  ausgezeichnet,  dass  sie  im 
Innern  sternförmig  ausgehöhlt  sind. 

Der  frische  Knollen  I.  riecht  widrig  rettigartig  (flüchtige  Fettsäure?)  und 
schmeckt  erst  süsslich,  dann  scharf  bitter  und  kratzend  und  zwar  am  stärk- 
sten, wenn  eben  die  Blüthe  II.  sich  zu  entfalten  beginnt.  Durch  das  Trocknen 
geht  die  Schärfe  fast  völlig  verloren,  so  dass  namentlich  nach  dem  Zerschnei- 
den der  mehlige  geruchlose  getrocknete  Knollen  nur  noch  bitter  schmeckt. 

Die  Versuche  von  Schroff  haben  dargethan,  dass  die  Wirkung  der 
Knollen  je  nach  dem  Vegetationsstadium,  dem  sie  entnommen  werden,  ver- 
schieden, aber  zur  Bliithezeit  am  kräftigsten  ist.  Hiermit  stimmt  auch  die 
Verschiedenheit  im  Gehalte  an  Colchiciu  (siehe  bei  Sem.  Colchici).  In  diesem 
Zeitpunkte  allein  soll  der  Knollen  sogleich  frisch,  nicht  getrocknet,  zu  den 
flüssigen  Arzneiformen  verwendet  werdeu.  Der  Frühjahrsknollen  ist  wir- 
kungslos. — Nach  Copland  und  Coindet  wirken  auch  die  Blüthen 
sehr  kräftig;  sie  verlieren  beim  Trocknen  86  pC.  und  enthalten  nach  R ei th- 
n er  dieselben  Bestandteile  wie  die  Knollen.  Neben  Zucker,  Harz,  Gummi, 
Gerbstoff  und  Fett  enthält  der  Colchicumknollen  Colchiciu,  doch  in  gerin- 
gerer Menge  als  die  Samen  (vergl.  Semen  Colchici). 

Schon  Dioskorides  warnte  vor  der  giftigen  Wurzel  des  Kolchikön, 
das  in  Messenien  und  Kolchis  wachse.  Durch  das  ganze  Mittelalter  hiu- 
durch  waren  diese  gefährlichen  Wirkungen  wohl  bekannt  und  z.  B.  noch  von 
Tragus  (f  1554)  hervorgehoben.  Erst  Störck  zog  1763  die  Knollen  in 
arzneiliche  Anwendung. 

Unter  dem  Namen  Hermodactyli  kommen  heutzutage  nur  noch  als 
Antiquität  in  Sammlungen  etwas  abgeplattete  herzförmige,  von  allen  Hüllen 


1)  Durch  Kultur  bis  250  Gramm.  — ob  aber  auch  wirksam? 


Tuber  Salep. 


183 


befreite  Knollen  vor,  welche  sonst  ganz  den  Bau  und  das  Aussehen  unseres 
Colchicumknollens  zeigen,  aber  doppelt  so  grosse  Amylumkörner  enthalten. 
Erstere  stammen,  nach  Planch  on,  von  Colchicum  variegatum  L.  aus  Süd- 
Europa  und  Kleinasien.  Indessen  scheinen  unter  dem  Namen  Hermodactyli 
bei  den  Alten  und  im  Mittelalter  die  Knollen  mehrerer  Colchicum- Arten  und 
sogar  noch  anderer  Pflanzen  gebraucht  und  verwechselt  worden  zu  sein. 

Tuber  Salep. 

Radix  Salep  s.  Saleb.  Tuberidium  Orchidis.  Salepknollen.  Salepwurzel. 

Bulbe  de  Salep.  Salep. 

Die  einheimischen  Orchideen  bilden  entweder  Wurzelstöcke  oder  neben 
wenig  zahlreichen  Wurzelfasern  paarig  an  der  Stengelbasis  stehende  ganz 
einfache  Knollen,  welche  — nach  Ir  misch  — durch  Verdickung  der  früh- 
zeitig entwickelten  ersten  Nebenwurzel  eines  oft  gestielten  seitlichen  Knösp- 
chens  entstehen.  Zur  Blüthezeit  besitzt  die  Pflanze  alsdann  zwei  Knollen, 
einen  derben  vollsaftigen,  der  an  seiner  Spitze  das  Knöspchen  zeigt,  woraus 
sich  nächstes  Jahr  der  neue  Stengel  entwickelt,  und  einen  verwelkten  Knol- 
len. Letzterer  geht  dadurch  zu  Grunde,  dass  auf  seine  Kosten  hauptsäch- 
lich die  Ernährung  des  jetzt  blühenden  Stengels,  den  er  trägt,  erfolgt  ist. 
Diese  Art  der  Knollenbildung  findet  sich  bei  den  einheimischen  Orchideen 
aus  der  Abtheilung  der  Ophrydeen,  wobei  noch  der  Unterschied  zu  bemer- 
ken ist,  dass  bei  einigen  die  Knollen  kugelig,  ungetheilt,  bei  anderen  aber 
etwas  plattgedrückt  und  bandförmig  getheilt  oder  gelappt  sind.  Die  Knollen 
werden  nach  der  Blüthezeit  ausgegraben , die  verwelkten  beseitigt  und  nur 
die  vollsaftigen  als  Salep  gesammelt.  Nach  dem  Waschen  werden  sie  durch 
Abreiben  mit  Tüchern  von  der  braunen  lockeren  Aussenrinde  befreit,  an 
Fäden  aufgereiht  und  gebrüht.  Erst  durch  dieses  Verfahren  wird  es  mög- 
lich, sie  in  kurzer  Zeit  vollständig  zu  trocknen,  was  gewöhnlich  in  gelinder 
künstlicher  Wärme  geschieht.  Die  vorher  weissen  saftigen  Wurzeln  erlan- 
gen dadurch  eine  gelbliche  oder  grauliche  Farbe  und  infolge  der  Kleister- 
bildung, welcher  die  Stärke  unterliegt,  und  durch  den  Gummigehalt  eine 
hornartige  Beschaffenheit.  Der  bitterliche  Geschmack  und  der  unangenehme 
eigentümliche  Geruch  der  frischen  Knollen  verlieren  sich  durch  das  Trock- 
nen ebenfalls. 

Alle  Orchideenknollen  können  als  Salep  benutzt  werden,  am  häufigsten 

dienen , wie  es  scheint,  die  der  folgenden  in  Mitteleuropa  viel  verbreiteten 
Arten: 

A.  mit  ungeteilten  Knollen 

Orchis  Morio  L.  Auch  in  England. 

0.  rnascula  L.  Bis  in  die  Caucasusländer  und  Nordpersien , auch 
in  ganz  England  und  Schottland. 

0.  militaris  L.  Auch  in  England  und  im  Altai. 

0.  ustulata  L. 

Auacaraptis  pyramidalis  Rieh. 


184 


Wurzelbildungen  der  Monokotylen. 

B.  mit  abgeplatteten  geteilten  Knollen 

0.  maculata  L.  Bis  zum  Caucasus  und  Altai. 

0.  latifolia  L.  Auch  im  Altai. 

Gymnadenia  conopsea  R.  Brown. 

In  neuerer  Zeit  werden  diese  Knollen  häufig  in  Mitteldeutschland  (Tau- 
nus , Westerwald , Rhön , Odenwald)  und  Frankreich  gesammelt,  in  Grie- 
chenland auch  die  von  0.  papilionacea  L.;  seltener  jedoch  von  den  unter  B 
genannten  Arten,  weil  diese  handförmigen  Knollen  eine  unansehnliche  graue 
Farbe  anzunehmen  pflegen  und  ihrer  geringeren  Grösse  wegen  weniger  aus- 
geben. Die  ungeteilten  länglich  runden  Knollen  erreichen  getrocknet 
höchstens  eine  Länge  von  etwa  0,03 m bei  einem  Gewichte  von  etwa 
2 Gramm,  bleiben  aber  meistens  bedeutend  unter  diesen  Grössen.  Sie  sind 
hart  und  spröde,  gelblich  grau,  durch  Einschrumpfung  höchst  unregelmässig 
bald  rundlich,  bald  eckig  gestaltet,  zeigen  oben  noch  che  Narbe  des  Knösp- 
chens,  sonst  aber  keinerlei  Spur  von  Blattorganen,  unten  eiue  mehr  oder 
weniger  stumpfe  Spitze.  — Durch  die  Kultur  werden  die  Knollen  weit 
grösser.  Der  frische  uugebriihte  Knollen  bietet  auf  dem  Querschnitte  einige 
Reihen  dünnwandiger  brauner  stärkereicher  Rindenzellen , worauf  ein  Pa- 
renchym aus  farblosen  etwas  gestreckten  Zellen  folgt,  welche  gleichfalls 
Amylum  (länglich  runde  Körner,  bei  Orchis  mascula  und  0.  latifolia  z.  B. 
bis  25  Mikrom.  messend)  und  vereinzelte  -Bündel  von  Krystallnadeln  ent- 
halten. In  diesem  Parenchym  liegen  sehr  viel  grössere  rundlich  polyedri- 
sche,  mit  Schleim  (Gummi)  erfüllte  Lücken , die  mit  einer  äusserst  zarten 
Zellschicht  ausgekleidet  sind.  Sie  besteht  nämlich  aus  sehr  kleinen  viel- 
eckigen inhaltslosen  Zellen,  welche  nur  an  einzelnen  Stellen  bei  passender 
Beleuchtung  gut  sichtbar  werden.  Die  wenigen  Gefässbündel  sind  ganz  un- 
regelmässig einzeln  zerstreut.  In  den  getrockneten  gebrühten  Knollen  finden 
sich  die  Amylumkörner  zusammengeflossen  und  die  Zellwände  entstellt 
Geruch  und  Geschmack  des  trockenen  Salep  indifferent  fade,  nur  wenig 
mehr  an  den  frischen  Kuollen  erinnernd.  Hauptbestandtheil  ist,  neben 
27 pC.  Stärkmehl,  das  Gummi  oder  Bassorin  (48  pC.  nach  Drageudorff), 
woran  die  Knollen  so  reich  sind,  dass  1 Theil  Saleppulver  mit  dem  40  bis 
50 fachen  Gewichte  kochenden  Wassers  eiue  steife  Gallerte  bildet,  die  sich 
mit  Magnesia  oder  Borax  noch  mehr  verdickt  und  durch  Jod  und  Schwefel- 
säure blau  gefärbt  wird.  — Kaltes  Wasser  entzieht  das  Gummi  nicht.  Der 
Zucker  beträgt  nur  1 pC.,  das  Eiweiss  etwa  5 pC.  Der  Geruch  der  frischen 
Knollen  wird  von  einer  sehr  geringen  Menge  ätherischen  Oeles  bedingt.  Bei 
110°  getrocknete  Salepknollen  geben  nach  Drageudorff  2 pC.  Asche,  vor- 
wiegend aus  Phosphaten  und  Chlorüreu  von  Kalium  uud  Calcium  bestehend. 

Dioskorides  erwähnte  Orchis-Knollen,  hauptsächlich  diejenigen  von 
Orchis  papilionacea  L.  Der  Salep  kam  früher  nur  aus  dem  Orient,  beson- 
ders aus  Persien,  in  viel  grösseren  Kuollen,  welche  übrigens  nicht  andere 
Eigenschaften  haben  als  der  erst  seit  der  Mitte  des  vorigeu  Jahrhunderts 
in  Aufnahme  gekommene  europäische  Salep.  ln  Kaschmir  soll  eine  Eulo- 


Bulbus  Scillae. 


185 


pliia  Salep  liefern;  in  Vorderindien  Habenaria  pectinata  Don  den  berühmten 
Misri  (Zucker-)  Salep. 

Verwechselungen  der  Salepknollen  mit  denen  von  Colchicum  autumnale 
sind  schon  in  Deutschland  vorgekommen,  indem  diese  an  und  für  sich  sehr 
verschiedenen  Knollen  denen  des  Salep  ähnlich  präparirt  waren  (Metten- 
heimer).  Der  süssliche,  dann  bittere  und  scharfe  Geschmack  des  Colchi- 
cumknollens  genügt  aber  zur  Unterscheidung  von  dem  faden  Salep;  auch 
gibt  das  Colchicumdecoct  keine  Gallerte. 

Etwas  bitterlich  und  scharf  schmeckt  der  sonst  sehr  schleimige 
Badshah  (Königs-)  Salep,  der  in  Bombay  vorkömmt  und  auch  einmal 
nach  London  gelangte.  Es  besteht  aber  aus  einer  unverkennbaren  Zwiebel 
mit  deutlichen  Blattschuppen.  Die  Abstammung  dieser  Droge  ist  noch 
unbekannt  (Hanbury). 

C.  Zwiebeln. 


Bulbus  Scillae. 


Radix  Scillae  s.  Squillae.  Radix  Scillae  albae  et  rubrae.  Meerzwiebel. 

Scille.  Squille.  Ognon  marin.  Squames  de  Scille.  Squill. 

Scilla1)  maritima  L.  — Liliaceae. 

Syn.:  Urginea2)  Scilla  Steinheil. 

Squilla  maritima  Steinheil. 

Die  Meerzwiebel  wächst  sehr  häufig  und  oft  in  grosser  Menge  an 
sonnigen  Küsten  des  Mittelmeeres  und  in  den  benachbarten  pontischen  und 
atlantischen  (bis  in  die  Bretagne  und  Normandie)  Uferländern,  wie  es  scheint 
auch  am  Gap.  Sie  ist  jedoch  nicht  auf  die  unmittelbare  Nähe  des  Meeres 
beschränkt  uud  steigt  sogar,  z.  B.  in  Griechenland , auf  Cypern  und  durch 
den  grössten  Theil  Portugals  im  Innern  bis  gegen  1700  Fuss  hoch  hinan. 

Malta,  Calabrien  und  Spanien  liefern  fast  ausschliesslich  die  officinelle 
Zwiebel.  Sie  ist  aufrecht,  eiförmig,  kopfgross  und  erreicht  bis  4 Pfund  Ge- 
wicht. Entweder  ist  sie  ganz  in  den  Boden  eingesenkt  oder  ragt  daraus 
et  was  hervor.  Die  zahlreichen  scheidenartig  umfassenden  Schalen  schliessen 
in  ilnei  Axe  den  Blüthenstengel  und  die  Stengelkuospe  ein;  am  Grunde 
tritt  der  kurze  feste  ziemlich  stark  bewurzelte  Zwiebelstock  heraus.  Die 
aussersten  Zwiebelschalen  sind  braun  röthlich,  nervig  gestreift,  trocken- 
umtig,  che  Innern  saftig  und  fleischig,  die  innersten  sehr  weich.  Die  Scha- 
len des  Innern  sind  entweder  farblos  oder  rothbraun  gefärbt,  und  zwar  ist 
dreser  Farbenunterschied  wie  es  scheint  so  beständig,  dass  z.  B.  Portugal 
und  Malta  nur  che  weisszwiebelige  Varietät,  Frankreich  und  Calabrien  fast 
nui  die  rothe  besitzen,  während  in  Griechenland  beide,  in  Spanien,  Cypern 
leinasien  vorzugsweise  nur  die  weisse  Zwiebel  vorkömmt.  Anderweitige 


V0Q  lch  sielte,  wegen  der  leicht  trennbaren  Schalen,  oder  von  -jy.uXov 

) von  ärgere,  zusammendrücken,  mit  Bezug  auf  die  Gestalt  der  Samen. 


Haut, 


186 


Wurzelbildungen  der  Monokotylen. 


Unterschiede  bieten  die  beiden  Varietäten  der  Meerzwiebel  nicht  dar,  ja  es 
gibt  sogar  rothe  Exemplare,  deren  mittlere  Schalen  weiss  sind,  und  bei 
längerer  Aufbewahrung  der  weissen  Zwiebel,  wobei  sie  eine  grosse  Le- 
bensdauer zeigt,  röthen  sich  oftmals  die  Spitzen  der  ungefärbten  kleinen 
Blattschuppen,  welche  sich  nach  kurzem  selbst  aus  durchschnittenen  Zwie- 
beln zu  entwickeln  beginnen.  Die  Veränderlichkeit  im  Aussehen  der  Zwie- 
belschalen ist  demnach  in  chemischen  Veränderungen  des  Zellsaftes  be- 
gründet, welche  weder  nach  ihren  Bedingungen  noch  in  ihrem  Verlaufe 
erkannt  sind,  und  es  ist  auch  nicht  ausgemacht,  wie  beständig  über- 
haupt die  Färbung  ist. 

Zum  officinellen  Gebrauche  wird  die  Meerzwiebel  im  Herbste  gesam- 
melt und  von  den  äussersten  trockenen  Schalen,  so  wie  von  den  innersten 
und  den  Stengel-  und  Wurzelorganen  befreit.  Die  allein  brauchbaren  mitt- 
leren fleischigen  Schalen  werden  in  Längsstreifen  geschnitten  und  an  der 
Sonne  getrocknet.  In  manchen  dem  Meere  näher  gelegenen  Ländern  bringt 
man  sehr  zweckmässiger  Weise  die  ganze  Zwiebel  frisch  in  den  Handel, 
so  dass  z.  B.  die  österreichische  Militär- Pharmakopoe  sie  nur  in  dieser 
Form  aufgenommen  hat.  Die  Meerzwiebel  besitzt  wie  die  meisten  derarti- 
gen Gebilde  eine  grosse  Lebenskraft,  so  dass  sie  bei  trockener  Aufbewah- 
rung noch  über  ein  Jahr  lang  fortvegetirt  und  sehr  auf  Kosten  ihrer  Schärfe 
Triebe  erzeugt,  selbst  wenn  sie  durchschnitten  ist. 

Der  zwiebelartige  Geruch , der  vermuthlich  von  einer  geringen  Menge 
Knoblauchöl  herrührt,  verschwindet  beim  Trocknen  der  in  obiger  Weise 
zubereiteten  Waare.  Dieselbe  stellt  gelblich  weisse  hornartig  durchschei- 
nende oder  bei  der  rothen  Varietät  rothbraune,  etwa  0,003m  dicke  Stücke 
vor,  welche  querstreifig  und  zerbrechlich  sind,  so  lange  sie  trocken  auf- 
bewahrt werden.  Letzteres  ist  sehr  nothwendig,  da  die  Meerzwiebel 
begierig  Wasser  anzieht.  Eine  in  gewöhnlicher  Weise,  doch  ohne  ganz  be- 
sondere Sorgfalt  in  hölzernen  Kasten  aufbewahrte  (weisse)  Waare  z.  B. 
gibt  bei  100°  C.  14  pC.  Feuchtigkeit  ab.  Das  Pulver  besonders  backt  sehr 
leicht  zusammen. 

Die  Zwiebelschaleu  schmecken  schleimig  und  ekelhaft  bitter  mit  Aus- 
nahme der  innersten,  welche  nur  einen  faden  und  siisslichen  Geschmack  be- 
sitzen und  daher  mit  Recht  verworfen  werden.  Bei  der  rothbraunen  Abart 
scheint  die  Bitterkeit  schärfer  und  der  Zellinhalt  reichlicher  vorhanden  zu 
sein  als  bei  der  weissen,  daher  ersterer  der  Vorzug  gebührt,  obwohl  der 
Handelsgebrauch  sie  in  unseren  Gegenden  wenigstens  ausgeschlossen  hat 
und  wenige  Pharmakopoen  sie  bestimmt  fordern.  Im  Frühjahr  waltet  übri- 
gens der  Zuckergehalt  der  Meerzwiebel  so  sehr  vor,  dass  sie  z.  B.  in  Griechen- 
land alsdann  auf  Branntwein  verarbeitet  wird.  In  alkoholischen  oder 
wässerigen  Extracten  rother  und  weisser  Scilla  schiessen  Krystalle  des 
Zuckers  an. 

Das  Gewebe  der  officinellen  Meerzwiebelschalen  ist  aus  grossen  kugelig- 
eckigen, dünnwandigen,  etwas  axial  gestreckten  Zellen  gebildet,  welche 


Bulbus  Scillae. 


187 


neben  wenigen’Oeltröpfchen  kleine  rundliche  und  eckige  Körnchen  (Schleim 
und  Eiweissstoffe)  aber  kein  Amylum  enthalten.  Weite  Spiral-  und  Ring- 
gefässe  durchziehen  unregelmässig  dieses  Parenchym.  Ueberall  in  demselben 
sind  zahlreiche  Krystalle  abgelagert,  entweder  in  Büscheln  vereinigte  feine 
Nadeln  im  Innern  der  Zellen  (Raphiden)  oder  zwischen  denselben  einzelne 
oder  auch  concentrisch  gestellte  quadratische  Prismen,  welche  durch  ein 
sehr  spitzes  Oktaeder  immer  ausserordentlich  lang  zugeschärft,  jedoch  sehr 
brüchig  sind.  Manche  sind  über  y2  Millim.  lang,  bis  etwa  20  Mikrom.  dick 
und  zeigen  im  polarisirten  Lichte  die  prächtigsten  Farben.  Isolirt  man  die 
Krystalle,  löst  sie  in  verdünnter  Salzsäure  und  fügt  essigsaures  Natron  zu, 
so  erhällt  man  einen  krystallinischen  weissen  Niederschlag.  Die  Nadeln  sind 
demnach  Kalkoxalat.  Schüttelt  man  feinere  Schnitte  der  Zwiebel  mit  Wasser, 
so  setzen  sich  die  Krystalle  reichlich  genug  ab,  um  schon  dem  unbewaffneten 
Auge  sichtbar  zu  werden.  Trotzdem  ist  ihre  Menge  dem  Gewichte  nach 
unbedeutend.  Directe  Bestimmung  der  Oxalsäure  (durch  Titriren  mit 
Chamaeleon)  ergab  nur  3,07  pC.  Oxalat  Ga2  O,  G203-(-  3 H2Ö  für  weisse 
bei  100°  C.  getrocknete  Waare,  welche  mir  überhaupt  nur  4 pC.  Asche  lieferte. 

Jene  ausserordentlich  spitzigen  zerbrechlichen  Nadeln  des  Kalkoxalates 
sind  es  auch,  welche  auf  der  Haut  eingerieben  Jucken,  Brennen,  Ery- 
them, selbst  kleine  Bläschen  hervorrufen J).  Diese  mechanischen  Wirkungen, 
die  von  der  Zwiebel  selbst  längst  bekannt  sind,  wollte  man  früher  einem 
eigenthümlichen  scharfen  und  flüchtigen  Stoffe  zuschreiben;  Schroff  hat 
ihre  wahre  Ursache  erkannt. 

Gerbstoff  fehlt  wenigstens  den  mittleren  Schalen , da  feine  Schnitte  der- 
selben von  Eisensalzen  nicht  gefärbt  werden.  Gummi  und  Zucker  (22  pC. 
des  letzteren,  Rebling)  sind  der  Menge  nach  Hauptbestandtheile  der  Meer- 
zwiebel, deren  besonderer  Bitterstoff,  das  Scillitin,  merkwürdige  Eigen- 
schaften zu  besitzen  scheint,  aber  immer  noch  nicht  befriedigend  gekannt 
ist.  Tilloy  fand  das  Scillitin  harzartig,  giftig,  vermuthet  aber  daneben 
noch  einen  (anderen)  Bitterstoff.  Nach  Marais  wäre  das  Scillitin  ein 
giftiges  unkrystallisirbares  Alkaloid,  nach  M and  et  hingegen  unschäd- 
lich, von  diuretischer  Wirkung,  während  ein  zweiter  Stoff,  das  Skulein, 
giftig  sei. 

Auch  Schroff,  dem  wir  (1865)  eine  werthvolle  Monographie  der  Meer- 
zwiebel vei danken,  schliesst  aus  seinen  physiologischen  Versuchen  auf  die 
Gegenwart  eines  nicht  flüchtigen  scharfen  Stoffes  (Skulein?)  neben  Scillitin, 
das  ganz  besonders  in  den  äussersten  Schalen  der  rothbraunen  Zwiebel 
seineu  Sitz  habe,  in  den  innersten  Schalen  aber  fehle.  Im  Scillitin  vermuthet 
Schroff  ein  Glykosid. 

Die  Meerzwiebel  ist  eines  der  ältesten,  vor  Jahrtausendeu  schon  von  den 


’)  Die  Blätter  der  überall  cultivirten  Ampelopsis  hederacea  Michaux  (Canadische  Rebe 
strotzen  ebenfalls  von  solchen  Krystallnadeln  und  erregen  beim  Kauen  dasselbe  Gefühl,  nur 
ist  es  hier  nicht  mit  Bitterkeit  vorbundeu,  da  die  Blätter  angenehm  säuerlich  schmecken. 


188 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 

ägyptischen  Priestern  angewendeten  Arzneimittel.  Plinius  kannte  bereits 
die  beiden  Varietäten  und  gab  der  weissen  den  Vorzug.  J.  Bauliin  hob 
1 ich tig  hervor,  dass  sich  die  weisse  und  die  rothe  Meerzwiebel  nur  durch  die 
Färbung  unterscheiden,  während  spätere  Beobachter  Merkmale  wahrge- 
nommen haben  wollten,  welche  die  beiden  Spielarten  weiter  von  einander 
entfernen  würden.  Längere  Zeit  hindurch  war  auch  der  Irrthum  verbreitet, 
dass  die  jüngeren  inneren  und  kräftigeren  Schalen  weiss,  die  äusseren  ab- 
sterbenden, weniger  wirksamen  roth  gefärbt  seien  und  von  der  gleichen 
Pflanze  kämen,  während  die  rothbrauue  Varietät  mit  wenigen  Ausnahmen 
in  Wirklichkeit  durch  und  durch  roth  gefärbt  ist. 

Von  jeher  kannte  mau  auch  eine  kleine  mildere  nur  halb  so  grosse 
Meerzwiebel,  die  bei  den  Alten  Pankratium  hiess  und  vermuthlich  Pancra- 
tium  maritimum  L.  (Squilla  Pancratium  Steinheil)  war.  Sie  soll  reich 
an  Stärkemehl  sein,  dagegen  beim  Einreiben  in  die  Haut  kem  Jucken  und 
Brennen  bewirken. 


III.  Dikotylen. 

A.  Wurzelbildungen  ohne  erheblichen  Geschmack. 

Radix  Althaeae. 

Radix  Altheae.  Eibischwurzel.  Racine  de  Guimauve.  Marshmallow  root. 

Althaea  officinalis  L.  — Malvaceae. 

Der  Eibisch  findet  sich  an  feuchten  Stellen  durch  Mitteleuropa  sehr  zer- 
streut bis  zur  Ostsee,  auch  in  England,  scheint  jedoch  mehr  in  Südeuropa 
einheimisch  zu  sein,  wohl  auch  im  Oriente.  Buhse  z.  B.  fand  ihn  in  Per- 
sien, wo  er  einen  eigenen  Namen  führt,  Ledebour  in  den  südsibirisch- 
dsungariscken  Steppen.  Er  zieht  Meeresküsten  und  salzige  Standorte 
vor,  wie  z.  B.  die  griechischen  Küsten,  Salzsümpfe  bei  Zaragoza  in  Spa- 
nien, die  Nähe  von  Salinen  in  Frankreich  (Lons-le-Saulnier)  und  Deutsch- 
land (Dürkheim). 

Zum  officinellen  Gebrauche  dienen  wohl  nur  die  zweijährigen  Wurzeln 
der  cultivirten  Pflanze,  welche  z.  B.  vou  Nürnberg  und  von  Schweinfurt  in 
grosser  Menge  in  den  Handel  gebracht  werden.  Der  Eibisch  gedeiht  bis 
Throndhjem  in  Norwegen  und  hat  sich  auch  schon  in  Nordamerika  und 
Australien  angesiedelt. 

Die  perennirende  Wurzel  wird  fusslaug,  oben  bis  0,030"'  dick,  geht 
ziemlich  gerade,  bisweilen  um  ihre  Axe  gedreht  abwärts  und  theilt  sich  be- 
sonders nach  unten  in  eiuige  starke  Nebenwurzeln.  Die  hell  graugelbliche 
Oberfläche  ist  nach  dem  Trocknen  längsrunzelig,  mit  nicht  sehr  zahlreichen 
feinen  Querrissehen  und  vielen  Narben  abgestorbener  Zasern  und  Neben- 
wurzelu  versehen.  Im  Alter  wird  die  W urzel  holzig,  so  dass  sie  nur  brauch- 
bar ist,  so  lange  sie  ihre  fleischige  zarte,  auch  nach  dem  Trocknen  weiche 
Textur  besitzt.  Gewöhnlich  wird  die  dünne  gelblichgraue  Korkschicht  mit 


Radix  Altliaeae. 


189 


eiuem  Theil  der  Mittelrinde  abgeschält  und  die  kleinen  Wurzelzasern  be- 
seitigt, so  dass  die  Handelswaare  aus  einfachen  ziemlich  geraden,  bis  un- 
gefähr 0,20m  langen  und  bis  0,1 5ra  dicken  weisslicken  Stücken  zu  bestehen 
pflegt,  die  von  wenigen  starken  Längsfurchen  durchzogen  und  mit  bräun- 
lichen Narben  besetzt  sind.  Sehr  häufig  liefert  auch  schon  der  Grosshandel 
die  Wurzel  in  kleine  Würfelchen  geschuitteu.  — Der  Farbe  soll  bisweilen 
in  nicht  zu  billigender  Weise  durch  Kalk  oder  Kalkmilch  nachgeholfen  wer- 
den. Gut  beschaffene  Wurzel  ist  innen  rein  weiss,  ihr  Kern  bricht  uneben 
körnig,  die  ungefähr  2,  nach  dem  Aufweichen  3 Millimeter  dicke  Rinde 
dagegen  ist  sehr  zähe  und  bricht  langfaserig.  Dieselbe  wird  grösstentheils 
von  der  strakligen  und  nach  innen  sehr  deutlich  gefelderten  Bastschicht 
eingenommen,  welche  durch  eine  feine  bräunliche  Kreislinie  scharf  von  dem 
besonders  an  der  Peripherie  regelmässig  strakligen  Holzkerne  getrennt  ist. 
Das  Centrum  wird  nicht  von  Mark,  sondern  von  zerstreuten  Gefässträngen 
gebildet.  Der  Durchmesser  des  Kernes  beträgt  5 bis  6 mal  mehr  als  die 
Dicke  der  Rinde. 

Etwa  10  Reihen  ansehnlicher  dünnwandiger  gelblicher,  fast  kubischer 
Tafelzellen  von  gewöhnlicher  Form  bilden  die  Korkschicht,  welche  all- 
mälig  in  die  grösseren,  nur  wenig  tangential  gedehnten  Zellen  der  schmalen, 
da  und  dort  etwas  gelb  gefärbten  Mittelrinde  übergehen.  Einzelne  zu  weit- 
läufigen Kreisen  geordnete  aber  sehr  zerstreute  Gruppen  schwach  gelblicher 
Baströhren  bezeichnen  die  Innenrinde,  welche  vorwiegend  aus  kugelig- 
eiförmigem,  vom  Mittelrindengewebe  wenig  abweichendem  Bastparenchym 
gebaut  und  von  ein-  oder  zweireihigen  Markstrahlen  durchschnitten  ist, 
dereu  mehr  eckiges  Gewebe  sich  allmälig  in  die  Mittelrinde  verliert.  In  der 
Nähe  des  Cambiums  sind  die  Baströhrenstränge  zahlreicher  und  bedingen 
durch  ihre  regelmässigere  Anordnung  zwischen  den  Markstrahlen  und  dem 
Bastparenchym  das  gefelderte  Aussehen  der  Innenrinde.  Die  Röhren,  deren 
je  3 bis  30  zu  sehr  langen  Bündeln  verwachsen  die  ganze  Wurzel  durch- 
ziehen, unterscheiden  sich  durch  ihre  ästige  Gestalt  und  weite  Höhluno- 
von  der  sonst  ähnlichen  Baumwolle.  Die  einzelne  Faser  der  Altkaea 
erreicht  einen  Durchmesser  von  15  Mikromillim.  bei  einer  Wanddicke 
von  höchstens  3 Mikrom.  und  läuft  ganz  allmälig  in  eine  abgerundete 
bpitze  aus.  Die  Wände  sind  von  sehr  feinen,  spiralig  verlaufenden  Poren 
durchsetzt  und  biegsam,  so  dass  in  den  Bastbündeln  der  Querschnitt  der 
einzelnen  Faser  durch  gegenseitigen  Druck  eckig  erscheint.  Im  polarisirten 

Lichte  nimmt  die  Althaeafaser  den  lebhaften  Glanz,  aber  nicht  die  Farben 
der  Baumwolle  an. 

Die  Cambialzone  enthält  gegen  10  Reihen  zarter  inhaltsloser,  tangential 
Kern  d W e?'  Df  ™rherrsdiend  a*s  kugeligem  Gewebe  bestehende 

ziemlich*  +ZeiS,t  C c mul  f5ort  zw‘sclieii  den  schmalen  regelmässig  und 

ich  genähert  verlaufenden  Markstrahlen  bis  über  70  Mikromillim.  weite 

lupfel-  oder  Treppengefässe  von  gelber  Farbe,  die  besonderem  Centrum 
rnes  und  in  älteren  Wurzeln  von  einigen  weiten  spitzendigen , aber 


190 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


kurzen  Holzzellen  begleitet  werden.  Diese  schwachen  Holzbündel  sind  un- 
deutlich radial  geordnet  und  enthalten  jeweileu  1 bis  3 , im  Centrum  auch 
mehr  Gefässe. 

Als  Hauptinhalt  des  gesammten  pareuchymatischen  Gewebes  stellt  sich 
Stärke  heraus.  Sie  erscheint  in  ziemlich  ungleichen  bis  gegen  30Mikromill. 
grossen  eiförmigen  oder  annähernd  kugeligen,  nicht  deutlich  geschichteten 
Körnern  mit  bogenförmig , linien  - oder  sternförmig  aufgerisseuer  Höhlung. 
Statt  des  Stärkemehles  enthalten  einzelne  nicht  sehr  zahlreiche  Zellen  be- 
sonders in  der  Mittelrinde,  aber  auch  im  Holzparenchym  bis  ungefähr  35  Mi- 
kromillimeter erreichende  Krystallrosetteu  von  Kalkoxalat. 

Hier  und  da  kommen  einzelne , manchmal  etwas  grössere  leere  Zellen 
vor,  welche  auch  unter  Terpenthinöl  betrachtet  keinen  Inhalt  darbieteu. 
Es  lässt  sich  kaum  entscheiden,  ob  hier  vorzugsweise  der  Sitz  des  Schleims 
zu  suchen  ist,  oder  ob  sie  nur  durch  die  mikroskopische  Präparation  ihren 
luhalt  verloren  haben.  In  Form  und  Grösse  weichen  diese  leeren  Räume 
nicht  wesentlich  von  den  benachbarten  Parenchymzellen  ab.  Da  das  ganze 
Gewebe  in  Wasser  bedeutend  aufquillt,  so  ist  es  wohl  wahrscheinlicher, 
dass  der  Pflanzenschleim  gleichmässig  durch  das  Gewebe  verbreitet  ist. 

Die  Eibisch wurzel  besitzt  einen  eigenthümlichen,  wenn  auch  nur  sehr 
schwachen  Geruch  und  faden  schleimigen  Geschmack. 

Der  Eibischschleim  scheint  nach  den  allerdings  nicht  genau  über- 
einstimmenden Analysen  von  Schmidt  und  von  Mul  der  der  Formel 
G12H-°Ö1Ü  zu  entsprechen,  welche  durch  einen  Mindergehalt  von  1 Mol. 
Wasser  (H20)  vom  arabischen  Gummi  abweicht,  dessen  allgemeine  Eigen- 
schaften der  Schleim  zeigt.  Er  beträgt  über  35  pC.,  die  Stärke  eben  so  viel. 
Neben  Schleim  enthält  die  Wurzel  auch  Pektin  (11  pC.  Büchner)  und 
Zucker  (lOpC.  Rebling),  sowie  etwa  1 pC.  fettes  Oel  und  8pG.  phosphor- 
sauren Kalk.  Der  Zucker  ist  nach  W ittstock  Rohrzucker.  Gerbstoff  findet 
sich  höchstens  in  der  Aussenrinde  in  sehr  geringer  Menge  vor.  Bacon  in 
Caen  erhielt  1826  aus  der  Wurzel  Krystalle  eines  von  ihm  für  eigen  thürn- 
lich  gehaltenen  und  Althäin  (Altheine)  genannten  Stoffes,  den  Plisson 
1827  als  identisch  erkannte  mit  dem  schon  1805  von  Vauquelin  u.  Ro- 
b i q u e t aus  Spargel  dargestellten  A s p a r a g i n , G4  Hs  N 2 Ö ! -f-  H2  0,  welches 
sich  seitdem  als  ein  sehr  verbreiteter  Pflanzenbestandtheil  herausgestellt  hat 
(vergl.  z.  B.  Cynodon  Dactylon  unter  Rhizoma  Gramiuis,  Rad.  Liquiritiae). 
Gorup-Besanez  hat  es  auch  in  der  Wurzel  von  Scorzonera  hispanica  L. 
getroffen.  Die  Eibischwurzel  gibt  nicht  mehr  als  etwa  0,8  bis  2 pC.  Aspa- 
ragin,  das  fast  geschmacklos  ist  und  ohne  bedeutende  physiologische  Wir- 
kung zu  sein  scheint.  Es  krystallisirt  in  grossen  Prismen  oder  Oktaedern 
des  rhombischen  Systems,  welche  für  sich  und  in  Lösung  vollkommen  halt- 
bar sind,  aber  leicht  Zersetzung  erleiden,  wenn  die  Auflösung  noch  durch 
gewisse  andere  Bestandtheile  der  Wurzel  verunreinigt  ist,  welche  als  Ferment 
wirken.  Ahch  Saft  von  Wickenkeimen,  Hefe  oder  faulender  Käse  führen 
dieselben  Zersetzungen  herbei,  deren  Endprodukt  bernsteinsaures  Ammoniak 


Radix  Rubiae. 


191 


ist,  indem  die  Elemente  des  Wassers  und  durch  die  Gährung  entwickelter 
freier  Wasserstoff  eintreten: 

G4H8N2-03  + H2-G-f-H2  = 2 NH3,  04HÖ&4 
(krystallisirtes  Asparagin)  (bernsteinsaures  Ammoniak). 
Durch  den  Einfluss  von  Säuren  oder  Basen , auch  schon  durch  anhaltendes 
Kochen  der  wässerigen  Lösung  zerfällt  das  (krystallisirte)  Asparagin  in 
asparagsaures  Ammoniak  (NH3,  G4H7NG-4),  dessen  Elemente  es  geradeauf 
enthält. 

Diese  Zersetzungen,  namentlich  die  erstere,  erleidet  das  Asparagin 
schon  in  der  ziemlich  hygroskopischen  Wurzel  selbst,  wenn  dieselbe  allzu 
lange  und  nicht  sehr  trocken  aufbewahrt  wird.  Das  Asparagin  ist  zuletzt 
ganz  verschwunden,  und  die  Wurzel  gibt  jetzt  ein  gelb  gefärbtes,  zum  Theil 
durch  Buttersäure  übel  riechendes  Decoct.  Ohne  Zweifel  spielt  ein  Protein- 
körper hierbei  die  Rolle  des  Fermentes.  Scheidet  man  denselben  ab  und 
bringt  ihn  mit  Kreide  und  Zucker  zusammen,  so  entsteht  nach  Larocque 
Milchsäure  und  Buttersäure. 

Der  frühzeitigen  Anwendung  als  Heilmittel  (’A.XÖo?)  in  Griechen- 
land verdankt  die  Pflanze  ihren  Namen.  Zu  ihrer  grösseren  Verbreitung  in 
Deutschland  trug  die  Verordnung  Karls  des  Grossen  bei,  wonach  sie  in  den 
kaiserlichen  Gärten  angebaut  werden  sollte.  Sie  heisst  hier,  im  Capitulare 
de  villis,  Ibischa  (vom  alten  griechischen  Namen  'fßtcr/.o c)  oder  Bismalva, 
sonst  auch  im  Gegensätze  zu  den  eigentlichen  Malven  Mismalva. 

Die  Wurzeln  anderer  Althaea- Arten  stimmen  in  chemischer  Hinsicht 
mit  der  officinellen  nahezu  überein.  So  die  von  Büchner  untersuchte  und 
etwas  weniger  schleimig  befundene  Wurzel  von  A.  taurinensis  DC.  (oder 
A.  narbonensis  Pourr.?)  aus  Südeuropa,  welche  aber  nicht  in  den  Handel 
zu  gelangen  scheint. 

B.  Vorwaltend  süsslich  oder  süss  schmeckende 
W urzelbildungen. 


Radix  Rubiae. 

Krapp wurzel.  Färberröthe.  Garauce.  Madder. 

Rubia  tinctorum  L.  — Rubiaceae. 

Die  Färberröthe  ist  im  Ostgebiete  des  Mittelmeeres,  auch  in  Kaukasien 
einheimisch,  wird  aber  in  Süd-  und  Mitteleuropa  sehr  viel  angebaut  im 
grössten  Maasstabe  z.  B.  bei  Avignon,  im  Eisass,  in  Holland. 

Die  etwas  knorrige  kurze  cylindrische  Hauptwurzel  theilt  sich  in  zahl- 
reiche Aeste  und  treibt  auch  vierkantig-rundliche  gegliederte  Ausläufer ; die 
Handelswaare  besteht  hauptsächlich  aus  den  Wurzelästen  3-4  jähriger 
flanzen,  welche  etwa  fusslang  und  durchschnittlich  ungefähr  0,005  m dick 
weuen.  le  sind  unregelmässig  hin-  und  hergebogen,  mit  nur  spärlichen 
Wurzelzasern  besetzt  und  ziemlich  tief  längsrunzelig,  von  matter  graurother 


192 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


Oberfläche.  Die  dünne  Korkschicht  blättert  leicht  ab  und  entblösst  dann 
die  schmale  sehr  zusam inengefallene  dunkelrothe  Rinde,  welche  einen  weit 
mächtigeren  porösen  aber  nicht  strahligen  rothen  Holzkörper  einschliesst, 
worin  bisweilen  Jahresringe  zu  unterscheiden  sind.  Nur  die  Ausläufer  be- 
sitzen ein  bedeutendes  tief  duukelrothes  Mark,  dessen  Querschnitt  eine  oft 
sehr  spitzwinklige  Raute  bildet;  in  der  Wurzel  ist  das  Mark  enger,  meist 
hohl  und  in  ihren  Aesten  gar  nicht  vorhanden.  Nach  dem  Aufweichen 
nimmt  die  Rinde  im  Querschnitte  eine  dem  Holzkörper  nahe  kommende 
Breite  von  etwa  0,001 m an  und  zeigt  in  der  inneren  Hälfte  undeutlich 
strahligen  Bau. 

Die  anatomische  Beschaffenheit  der  Wurzel  ist  sehr  einfach.  Der  Kork 
besteht  aus  wenigen  Schichten  ansehnlicher,  fast  kubischer  oder  ein  wenig 
flacher  Zellen;  die  Mittelrinde  aus  weitem  dünnwandigem  tangential  ge- 
strecktem Parenchym,  welches  unmerklich  in  das  etwas  engere  Gewebe  der 
Iunenrinde  übergeht.  Markstrahlen,  Bast  und  Cambium  sind  nicht  scharf 
ausgeprägt,  doch  sind  die  Zellen  der  beiden  letzteren  Gewebe  oft  etwas 
dickwandig  und  im  Längsschnitte  mehr  axial  gestreckt.  Das  Holz  besteht 
gleiclnnässig,  ohne  Markstrahlen , aus  porösem,  nur  wenig  verholztem  Pro- 
senchym  und  weiten  Tüpfelgefässen.  Das  Mark,  wo  es  vorhanden,  zeigt 
grosse  dünnwandige  kugelig-eckige  Zellen.  Rinde  und  Mark  sind  im  frischen 
Zustande  mit  einer  wässerigen  tief  rothgelben  Flüssigkeit  erfüllt,  welche 
durch  Wasser,  nicht  aber  durch  Terpenthinöl,  rasch  weggeführt  wird.  Das 
Holz  dagegen  ist  von  einer  hellgelben  Flüssigkeit  durchdrungen,  welche  erst 
beim  Trocknen  der  Wurzel  die  schön  rothe  Farbe  ertheilt.  An  der  Grenze 
des  Holzkörpers  zeigt  schon  die  frische  Wurzel  auf  dem  Querschnitte  oft 
rosenrothe  Färbung;  Alkalien  färben  prachtvoll  purpurn. 

Einzelne  Zellen  der  Iunenrinde  sind  mit  senkrecht  zur  Axe  gestellteu 
Garben  von  Krystallnadelu  (Kalkoxalat)  gefüllt,  sonst  ist  ein  fester  Inhalt 
ausser  den  rothbraunen  Körnchen  des  eingetrockueten  Farbstoffes  nicht  be- 
merklich. 

Wegen  des  Mangels  an  Baströhren  und  derberen  Holzbüudeln  bricht 
die  Wurzel  kurz  und  ziemlich  glatt  ab.  — Sie  schmeckt  schwach  süsslich, 
zugleich  (besonders  im  frischen  Zustande  deutlich)  kratzend  bitterlich. 

Eine  weit  bedeutendere  Rolle  als  in  der  Medicin  spielt  die  Wurzel  in 
der  Färberei,  vorzüglich  zu  Türkischroth  auf  Baumwolle.  Der  gemahlenen, 
durch  Abschlägen  zum  Theil  vom  Korke  befreiten  Wurzel,  welche  in  unge- 
heuren Mengen  in  den  Handel  gelangt,  kömmt  der  Name  Krapp  zu;  die 
beste  Sorte,  aus  der  Levante,  heisst  Alizari  oder  Lizari ’). 

Die  grossartige  Bedeutung  des  Krapps  für  die  lechnik  hat  ausgezeich- 
nete Untersuchungen  desselben  vou  Chemikern  wie  Schuuck,  Colin, 
Robiquet,  Runge,  Strecker,  Rochleder  u.  A.  veranlasst.  Eine 
gute  Zahl  von  Bestandteilen  des  Krapps  oder  vou  Zersetzungsprodukten 


1)  'Piniol,  griechischer  Name  der  Färberröthe. 


Radix  Rubiae. 


193 


derselben  sind  durch  diese  Arbeiten  bekannt  geworden , deren  Hauptergeb- 
nis, von  manchen  noch  ungelösten  Widersprüchen  abgesehen,  in  folgen- 
dem besteht. 

Der  Hauptfarbstoff  des  Krapps,  das  Alizarin,  ist  in  der  Wurzel  nicht 
schon  fertig  gebildet,  sondern  mit  Zucker  gepaart  vorzüglich  als  Ru  bi  an 
(sonst  auch  als  Rubery  thrinsäure,  zum  Theil  auch  wohl  als  Xanthin 
bezeichnet)  vorhanden. 

Das  Rubian , wovon  die  (frische)  Wurzel  ungefähr  2 pC.  liefert '),  ist 
eine  braungelbe  gummiähnliche,  in  Wasser  sehr  leicht  lösliche  Masse 
von  geringem  Färbungsvermögen  und  von  sehr  bitterem  Geschmack©.  Die 
Spaltung  in  Zucker  und  Alizarin  oder  andere,  zum  Theil  erst  sekundär 
auftretende  Produkte,  erleidet  das  Rubian  durch  stärkere  Säuren , durch 
Chlor,  durch  Emulsin  (nicht  durch  Hefe),  ganz  besonders  aber  durch 
das  Erythrozym,  einen  der  Färberröthe  eigenthümliehen  Protein- 
stoft.  Die  Farben  Veränderung,  welche  die  Wurzel  schon  beim  Trocknen 
erleidet,  beruht  auf  der  durch  das  Erythrozym  eingeleiteten  Zersetzung 
(Gähruug)  des  Rubians,  welche  sich  genauer  in  einem  nicht  gekochten 
Krappauszuge  verfolgen  lässt.  Die  süss  und  zugleich  bitter  schmeckende 
rothbraune  Flüssigkeit  nämlich  wird  schon  nach  wenigen  Stunden  dick, 
gallertartig  und  verliert  ihre  Farbe  und  Bitterkeit.  Die  Gallerte  zeigt,  na- 
mentlich bei  einiger  Concentration , rothgelbe  Flocken  von  AlizariVund 
anderen  gelben  krystallisirbaren  Körpern  (Rubiacin,  Rubiafin,  Rubiacinsäure, 
Rubiadin,  Rubiagin)  in  geringer  Menge,  ferner  amorphe  Harze  (Rubiretin. 
und  Verantin2),  Pectin  und  ein  halbflüssiges  gelblichbraunes  Fett,  das  Ru- 
biadipin,  welches  sich  in  Alkalieu  mit  blutrother  Farbe  löst.  Aus  der  von 
der  Gallerte  getrennten  Flüssigkeit  fällt  Schwefelsäure  noch  mehr  Alizarin 
und  Purpurin;  erstere  enthält  überdies  den  freigewordenen  Zucker3). 

Das  Rubian  scheint  aber  nicht  das  einzige  Glykosid  des  Krapps  zu  sein 


welches  F arbstoffe  als  Paarlinge  enthält.  Auch  die  in  gelben  Nadeln  krystalli- 
sn-ende  Ruberythrinsäure  (Rochleder’s),  das  Rubihydran  und  Ru- 


B aber  doch  ohne  Zweifel  weit  mehr  enthält. 


im  Mittelalter,  woher  das  moderne  französische  Garance. 


gewinnen  bekanntlich  daraus  sehr  viel  Weiugeist.  Bei  der  Gähning 

auf  (rrtwr*  1 n \ 


13 


194 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


Austritt  von  Ameisensäure  grün  färbt.  — Die  Aschenbestandtlieile  der 
trockenen  Wurzel  betragen  etwa  5 pC. 

Das  Alizarin,  der  für  die  Praxis  fast  allein  werthvolle  Krappstoff, 
kann  nur  zu  etwa  2 — 3 pC.,  am  besten  vermittelst  schwefliger  Säure  in 
reinem  Zustande  aus  (Avignon-)  Krapp  gewonnen  worden.  Es  krystallisirt 
in  dunkelgelben,  durchaus  nicht  rothen  Prismen  O1ÜH<J03 -h  2 H20,  welche 
bei  100°  undurchsichtig  werden , ohne  weitere  Veränderung  ihr  Krystall- 
wasser  verlieren  und  prächtig  dunkelrothe  Farbe  annehmen.  Mit  Basen 
vereinigt  sich  das  Alizarin  („Lizarinsäure“)  zu  Verbindungen  von  prächtig 
rother,  oft  ins  blaue  spielender  Farbe,  worauf  die  Verwendung  des  Krapps 
als  Farbstoff  beruht.  Es  wurde  1826  durch  Colin  und  Robiquet  ent- 
deckt.  Stenhouse  zeigte  (1865),  dass  das  Alizarin  sehr  reiu  durch  Subli- 
mation des  Morindins  erhalten  wird,  welches  in  der  Wurzel  der  indischen 
Rubiacee  Morinda  citrifolia  L.  vorkömmt.  Ueberlässt  man  Krapp  der  Gäh- 
rung,  so  geht  das  Alizarin , wie  es  scheint  unter  Austritt  von  Kohlensäure, 
in  Purpurin  G!’Hö03,  über,  welches  sich  von  ersterem  durch  Löslichkeit 
in  heisser  Alaunlösung  und  durch  die  reiu  rothe,  niemals  blaue  tarbe  sei- 
ner alkalischen  Lösungen  sehr  unterscheidet.  Man  erhält  etwa  1 pC.  Pur- 
purin. Concentrirte  Schwefelsäure  zerstört  die  Farbstoffe  des  Krapps  nicht, 
sondern  nur  seine  werthlosen  Bestandtheile.  So  behandelter  Krapp  ist  da- 
her relativ  reicher  an  Farbstoff  und  wird  als  „Garancine"  viel  in  den 
Handel  gebracht. 

Die  Wurzel  von  Rubia  peregrina  L.  in  Süd -Europa  ist  von  der 
oben  beschriebenen  wenig  verschieden.  Noch  andere  Arten  derselben  Gat- 
tung dienen  in  Amerika  und  Indien  zum  Färben,  in  Bengalen  namentlich 
die  Stengel  der  Rubia  Munjista  Roxbgk.,  welche  den  Ausläufern  unserer 
Färberröthe  gleichen.  Diese  sogenannte  Radix  Mun) istae  enthält  nach 
Stenhouse  neben  Purpurin  das  Munjistin,  GsH603,  einen  dem  Alizarin 
und  Purpurin  nahe  stehenden,  aber  in  heissem  V asser  löslichen  Faibstoff. 

Unsere  Handelswaare,  namentlich  der  Krapp  selbst,  muss  durch  trockene 
Aufbewahrung  sorgfältig  vor  allzu  weit  gehender  Gährung  geschützt  wer- 
den, wodurch  die  Anfangs  entstandenen  Farbstoffe  schliesslich  wieder  zti 
stört  werden. 

Die  Färberröthe  war  schon  den  Griechen  vermuthlich  als  Erythroda- 
num,  den  Römern  als  Rubia  bekannt;  in  Mitteleuropa  und  Südfrankreich 
fand  ihr  Anbau  im  grossen  schon  im  XVI.  oder  im  XV.  Jahrhundert  statt. 

Radix  Liquiritiae  hispanicae. 

Radix  Glycyrrhizae  glabrae.  Süssholz,  spanisches  oder  deutsches.  Laknz- 
wurzel.  Reglisse.  Bois  doux.  Liquorice  root. 

Glycyrrhiza  glabra  L.  — Papihonaceae. 

Syn.:  Liquiritia  officinalis  Mönch. 

Das  gewöhnliche  Süssholz  ist  eine  mannshohe  Staude,  die  in  Südeuropa 
von  Spanien  bis  Ungarn  und  Südrussland , auch  in  Persien  (Ainslie, 


Radix  Liquiritiae  hispanicae. 


195 


Bu  kse)  einheimisch  ist.  In  Griechenland  z.  B.  findet  sie  sich  häufig  in  der 
Nähe  der  Küste,  doch  nicht  eben  im  feuchten  Grunde,  in  grosser  Menge 
vorzüglich  zwischen  Korinth  und  Patras1).  In  Italien  besitzt  namentlich 
Calabrien  viel  Süssholz,  in  Frankreich  die  Departements  Indre  et  Loire, 
Gard,  Herault,  die  Gegend  von  Bayonne,  auch  die  Touraine,  in  Spanien 
Sevilla,  Saragossa,  Valencia,  Alicante  und  Tortosa.  Es  wird  sehr  häufig 
im  grossen  angebaut,  sogar  in  Deutschland  (Znaym  in  Mähren,  Franken) 
und  England  (Yorkshire,  Northampton,  Mitcham  in  Surrey),  obwohl  es 
gegen  die  Kälte  empfindlich  ist. 


Das  ausdauernde  Wurzelsystem  dieser  Pflanze  ist  sehr  entwickelt.  Der 
starke,  gerade  in  die  Erde  dringende  Hauptstamm  ersetzt  alljährlich  die  ab- 
gestorbenen, nur  am  Grunde  eigentlich  verholzten  Stengel,  treibt  aber  auch 
abwärts  marklose  Neben  wurzeln  und  gerade  oder  schief  aufwärts  oder  nach 
den  Seiten  zahlreiche,  meist  ziemlich  einfache,  bis  fingerdicke  und  meist 
horizontal  weithin  kriechende  Ausläufer.  Beide  Formen  der  Verzweigung 
finden  sich  oft,  in  entgegengesetzter  Richtung  wachsend,  dicht  neben  ein- 
ander von  der  Hauptwurzel  abgehend.  Die  Ausläufer  sind  durch  ein  eckiges 
Mark  und  durch  mehr  oder  weniger  entfernte,  abwechselnd  hervorbrechende 
Stengelknospen  ausgezeichnet. 

In  unseren  Gegenden  ist  das  Süssholz  von  Tortosa  (Catalonien)  am 
meisten  geschätzt.  Es  kömmt  in  mehrere  Fuss  langen  Bündeln  von  durch- 
schnittlich 0,005™  bis  0,015™  dicken  Ausläufern  oder  Nebenwurzeln  vor, 
enen  die  Hauptwurzeln  seltener  beigegeben  zu  sein  pflegen.  Diese  Sorte 
besteht  aus  meist  geraden  oder  nur  wenig  hin  und  her  gebogenen  Stücken, 
welche  selten  da  und  dort  einen  vereinzelten  Ast  tragen  und  bei  bedeuten- 
der Lange  fast  die  gleiche  Stärke  bewahren. 

heäeld  £ °bTfläC+he  n°Ch  ,mit  dei'  äussersten  graugelblichen  Korklage 
P ••  ’ .®rsclJemt  .sie  ziemlich  glatt,  etwas  querrissig  und  längsrunzelig. 

Grosstentheils  aber  ist  dieses  Periderma  abgescheuert  und  die  inneren 
mehr  rothbraunen,  tief  längsfurchigen  Korkschichten  treten  dann  hervor’ 
Alter  vermehren  auch  zahlreiche  Korkwarzen  die  Unebenheit  der  Ober- 
fläche noch  sehr,  besonders  an  der  Hauptwurzel. 

D®1  Querschnitt  der  stärkeren  Ausläufer  bietet  eine  bis  0 003™  dicke 
bräunliche  oder  blass  gelbliche  Rinde  dar,  welche  deutliche  Bastkeile  erken 

“ 'z  zr  rf eine  febe  Cambi"miiuie  di™h  -» 

In  T et7?  ‘!fCimaI  dickere“  Holze  schinden  ist. 

“icbte  ™ seien  Xefcfen 

trtoZ  zo^n  rtlf  Ien  *'“*“*?  “d  auch  oft  durch  wellige  concen. 

genräet  Die  rvf  ■ S S * dert;  se  te“er  S1IK|  einige  wenige  Jahresringe  ans- 
gepid  t.  Die  Gefassoflhungen  zeigen  sich  besonders  in  den  äusseren  Hnl7 
bundeinziemlich  weit.  Die  Mitte  wird  durch  ein 


l)  v.  Hejdre ich,  Nutzpflanzen  Griechenlands.  1862. 


18* 


19G 


Wurzelbildungeu  der  Dikotylen. 


Mark  von  rundlichem  oder  drei-  bis  fünfeckigem  Umrisse  eingenommen.  Der 
Durchmesser  desselben  ist  verschwindend  klein  oder  bis  etwa  2 Millimeter  dick. 
Holz  und  Rinde,  mit  Ausnahme  des  Markes,  wo  dasselbe  vorkömmt,  brechen 
langfaserig  und  schneiden  sich  zähe,  fast  hornartig. 

Das  Süssholz  aus  Alicante  ist  nicht  wesentlich  verschieden,  obwohl  im 
ganzen  von  etwas  geringerem  Aussehen,  bisweilen  von  weniger  lebhaft 
gelbem  Querschnitte  und  öfter  von  holzigen  Hauptwurzeln  begleitet.  Ein- 
zelne Stücke  sind  aber  nicht  von  der  Tortosa- Sorte  zu  unterscheiden  und 
eben  so  wenig  das  nur  in  geringer  Menge  auf  den  Markt  gelangende  deutsche 
Produkt.  — Der  Grosshandel  liefert  alle  diese  Sorten  immer  ungeschält. 

Der  Kork  ist  aus  den  gewöhnlichen  braunen  Tafelzellen  in  etwa  10 
oder  mehr  Reihen  gebildet.  Die  äussersten  jedoch  sind  weit  aufgelockert 
und  in  der  Verwitterung  begriffen,  die  innersten,  noch  lebensthätigen,  enger, 
macuhmal  gewölbt  und  ungefärbt.  Die  Mittelrinde  bleibt  auf  2 bis  4 Reihen 
tangential  gestreckter,  aber  in  keiner  Weise  ausgezeichneter  Zellen  be- 
schränkt, das  ganze  übrige,  bei  weitem  vorherrschende  Rindengewebe  ge- 
hört der  Bastschicht  au.  Von  den  mit  3 bis  7 Reihen  aus  dem  Holze  in 
die  Rinde  übertretenden,  gegen  die  Peripherie  aber  erweiterten  Markstrahlen 
abgesehen,  besteht  der  Bast  aus  drei  verschiedenen  Gewebsformeu.  Die 
grösste  Ausdehnung  besitzt  das  ziemlich  weitmaschige  Parenchym,  dessen 
Zellen  jedoch  an  Grösse  von  denen  der  Markstrahlen  übertroffen  werden. 
Das  Prosenchym  des  Bastes  tritt  in  zwei  Formen  auf,  nämlich  erstens  in 
sehr  laugen  biegsamen,  bis  15  Mikromül.  dicken  Köhren  oder  vielmehr 
Fasern , indem  ihnen  oft  ein  deutliches  Lumen  abgeht.  Die  schön  gelben 
Wände  zeigen  bisweilen  sehr  feine , spiralförmig  aufsteigende  Streifen  oder 
Kanäle.  Diese  weichen  Bastfasern  sind  in  verschiedener,  oft  sehr  be- 
trächtlicher Anzahl  zu  Bündeln  vereinigt,  welche  um  so  mehr  einen  unregel- 
mässigen rundlichen  oder  radial  verlängerten  Querschnitt  darbieten,  als  sie 
nicht  genau  vertical  verlaufen,  sondern  ii?sauften  Biegungen  aufsteigen  und, 
wie  tangentiale  Längsschnitte  dartlmu,  häufig  durch  Abzweigungen  unter 
sich  verbunden  sind.  In  Folge  gegenseitigen  Druckes  fallen  die  Querschnitte 
der  einzelnen  Bastfasern  häufiger  eckig  als  rundlich  aus.  In  jedem  von 
zwei  Markstrahleu  eingefassten  Baststrahle  lassen  sich  zwei  Radialreihen 
vou  Bastbündeln  verfolgen,  die  manchmal  ziemlich  genau  paarweise  geord- 
net, häufiger  aber  in  ungleichen  Abständen  auftreteu.  Wo  nämlich  der 
Horizontalschnitt  einen  Seitenzweig  trifft,  wird  noch  ein  drittes  Bündel 
zwischen  zwei  benachbarten  Bastgruppen  erscheinen,  so  dass  ein  Baststrahl 
mitunter  drei  Radialreihen  derselben  aufzuweisen  hat.  Umgekehrt  ver- 
schmelzen sich  bisweilen  zwei  Bündel,  namentlich  treten  oft  die  beiden 
äussersten  eines  Baststrahles  dicht  unter  der  Korkschicht  bogen-  oder  sichel- 
förmig zusammen. 

Die  pareuchymatischeu  Zellen  des  Bastes  (wie  übrigens  auch  die  Mark- 
strahlen) zeigen  nach  dem  Auswaschen  des  Stärkemehles  zarte,  undeutlich 
spiralige  Ablagerungen  oder  Streilen  und  Löcher  auf  ihrer  Inneuvaud. 


Radix  Liqniritiae  hispanicae. 


197 


Damit  hängt  vielleicht  zusammen,  dass  diese  Wände  oft  so  verdickt,  mit 
benachbarten  Zellwandungen  verwachsen  und  so  verbogen  sind,  dass  die 
einzelne  Zelle  fast  gar  nicht  mehr  zu  unterscheiden  ist.  Durch  Schwinden 
der  Querwände  erhält  dieses  Gewebe  schliesslich  prosenchymatische  Form 
und  stellt  sich  als  die  zweite  Art  des  Bastprosenchyms,  als  Hornbast  dar, 
wie  er  bei  vielen  Rinden  vorkömmt.  Der  Hornbast  des  spanischen  Siiss- 
holzes  zieht  sich  sehr  unregelmässig  als  knorpeliges  Adernetz  zwischen  dein 
Parenchym  und  den  Faserbündeln  durch,  indem  seine  zahlreichen  geschlän- 
gelten Adern  oder  Bänder  die  verschiedenen  Bastbündel  bald  der  Quere 
nach  (tangential,  doch  selten  und  mehr  nur  im  Alter  bogenförmig),  bald  in 
radialer  Richtung  verbinden.  Gewöhnlich  sind  auch  die  Hornbastadern 
schwächer  gelb  gefärbt  als  die  Faserstränge  und  jedenfalls  ertheilt  Jod  in 
Jodkalium  den  letzteren  immer  eine  tiefer  braunrothe  Färbung. 

in  den  innersten  Schichten  der  Baststrahlen  ist  der  Hornbast  in  jüngeren 
Stücken  noch  nicht  ausgebildet  oder  geht  allraälig  in  die  Gambiumzone  über. 
Das  Holz  enthält  sehr  zahlreiche,  im  Maximum  etwa  180  Mikromill.  weite 
Tüpfelgefässe  von  sehr  verschiedenem  Durchmesser,  welche  bald  einzeln, 
bald  zu  2 oder  3 die  Breite  einer  Holzlamelle  (Holzstrahl  oder  Holzbündel) 
einnehmen  und  schön  gelb  gefärbte  Wände  besitzen.  Starke  oft  zersprengte 
Querwände  theilen  die  laugen  Gefässe  in  zahlreiche  kürzere,  sackförmige 
Stücke  ab.  'Das  Holzprosenchym  sieht  im  Querschnitte  den  Bastbündeln 
sehr  ähnlich  und  begleitet  in  cylindrischeu  oder  bogenförmigen  Strängen  die 
Gefässe.  Das  Lumen  ber  Holzzellen  ist  sehr  beschränkt,  ihre  Wände  nur 
sehr  fein  porös  und  die  spitzen  Enden  dicht  in  einander  gekeilt.  Die  Aus- 
füllung zwischen  den  Gefässen  und  dem  Holzprosenchym  übernimmt  ein 
würfelzeiliges  Gewebe,  das  dem  Bastparenchym  gleicht. 

Das  Mark  mit  seinen  ansehnlichen,  kugelig-eiförmigen  Zellen  ist,  wo  es 
vorkömmt,  scharf  vom  Holzringe  abgegränzt. 

Fast  das  gesammte  Parenchym  der  Süssholzwurzel  strotzt  von  Amylum 
in  kleinen,  höchstens  10  bis  15  Mikromill.  erreichenden  eiförmigen  Körnchen. 
Ganze  Stockwerke  des  Parenchyms,  welches  die  Bastbündel  begleitet, 
enthalten  in  ihren  Zellen  je  einen  Krystall  von  Kalkoxalat;  ebenso  die  Zellen 
des  Holzparenchyms.  Die  Kryst-alle  kommen  in  Form  und  Grösse  mit  denen 
von  Cortex  Strychni  überein,  die  ansehnlichsten  trifft  man  vereinzelt  im 
Marke.  In  den  Gefässen  finden  sich  nur  selten  braungelbe  Harzklumpen 
ausgeschieden. 

Frisch  besitzt  das  Siissholz  einen  sehr  geringen  unangenehmen  Geruch 
und  leicht  kratzenden  Beigeschmack.  Nach  dem  Trocknen  ist  es  fast,  ohne 
Geruch  und  von  ziemlich  rein  süssem,  etwas  schleimigem  Geschmacke. 
In  dem  kalten  wässerigen  Auszuge  bewirkt  Alkohol  eine  geringe  Fällung 
von  Gummi  (Pektin?);  beim  Kochen  gerinnt  ein  Eiweisstoff.  Auch  Gerb- 
stoff ist  in  der  Aussenrinde  in  unbedeutender  Menge  vorhanden.  Den  schön 
gelben  Farbstoff,  der  besonders  die  Gefässwände  durchdringt,  nimmt  Kali 
sehr  gut,  mit  intensiver,  anfangs  grünlicher,  zuletzt  rein  gelber,  nicht 


198 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


rother  Färbung  auf.  Der  Geschmack  der  Wurzel  ist  durch  Zucker  und 
Glycyrrhizin  bedingt.  Der  erstere,  vermuthlich  Traubenzucker,  wird  im 
kalten  wässerigen  Auszuge  durch  die  schon  in  der  Kälte  erfolgende  Reduk- 
tion des  zugesetzten  alkalischen  Kupfertartrats  angezeigt.  Vielleicht  aber 
entsteht  dieser  Zucker  beim  Trocknen  erst  aus  dem  Glycyrrhizin,  denn 
frische,  sehr  süss  schmeckende  Wurzel  gibt  mit  kaltem  Wasser  eine  in  der 
Kälte  gar  nicht  und  bei  anhaltendem  Kochen  nicht  einmal  reichlich  Kupfer- 
oxydulhydrat ausscheideude  Flüssigkeit. 

Schon  frühe  erkannte  man  neben  dem  Zucker  einen  eigenthümlichen 
süssen  Stoff,  Glycyrrhizin  (Süssholzzucker),  der  durch  den  geringsten 
Zusatz  von  Säure  oder  Weinsteinlösung,  auch  durch  Bleizucker,  aus  dem 
nur  sehr  schwach  sauer  reagirenden  Auszuge  gefällt  wird.  Die  hellgelben 
Flocken  gehen  nach  kurzem  zu  einer  zähen  braunen  Masse  zusammen,  die 
nach  der  Reinigung  als  amorphes,  gelblich  weisses  Pulver  von  stark 
bittersüssem  Geschmacke  und  saurer  Reaktion  erscheint.  Es  gibt  mit 
heissem  Wasser  eine  beim  Erkalten  gelatinireude  gelbliche  Lösung,  welche 
alkalisches  Kupfertartrat  nicht  reducirt,  nicht  gährungsfähig  ist  und  die 
Polarisationsebene  nicht  dreht.  Als  wahrscheinlichste  Formel  des  Glycyr- 
rhizins  ergibt  sich  nach  A.  Vogel’s  Analysen  und  nach  den  Versuchen  von 
Gorup  - B esanez  G24H3G09.  Der  letztere  spaltete  es  (1861)  durch 
Kochen  mit  verdünnter  Salzsäure,  wobei  sich  ein  eigenthiimlicher,  etwas 
aromatischer  Geruch  entwickelt,  in  bitteres,  harzartiges  und  amorphes  Gly- 
c y r r e ti  n und  unkrystallisirbaren  Zucker,  welcher  wie  Traubenzucker  reagirt. 

Alkalien  lösen  das  Glycyrrhizin  leicht  mit  rothgelber  Farbe,  wobei  ein 
eigenthümlicher  Geruch  auftritt.  Vielleicht  ist  es  in  der  Wurzel  zum  Theil 
mit  Ammoniak  verbunden  enthalten , indem  ihr  wässeriger  Auszug  durch 
schwaches  Erwärmen  mit  verdünnter  Kalilauge  schon  etwas  Ammoniak 
ausgibt.  Die  starken  gelben  Wände  der  Gefässe  und  der  prosenchyma- 
tischen  Zellen  scheinen  der  Hauptsitz  des  Glycyrrhizins  (und  Farbstoffes?) 
zu  sein,  doch  sieht  man  schon  im  Parenchym  frischer  Wurzel  das  Amylum 
in  gelbem  Zellsafte  liegen.  Robiquet  hat  aus  dem  Süssholze  auch  Aspa- 
ragin  gewonnen,  das  jedoch  erst  von  Plisson  richtig  erkannt  wurde. 
Der  erstere  fand  ferner  Aepfelsäure. 

Das  Süssholz  war  im  Alterthum  sowohl  in  Indien  (Susrutas)  als  im 
Abendlande  wohl  bekannt.,  doch  scheint  die  Droge  der  Griechen  eher  der 
Glycyrrhiza  glandulifera  Waldstein  u.  Kitaibel  angehört  zu  haben,  welche 
Art  ungefähr  in  demselben  Verbreitungsbezirke  wie  Gl.  glabra  vorkömmt, 
namentlich  auch  auf  Creta  sowie  in  Nordpersien  unkrautartig  wächst.  Die 
Griechen  nannten  die  Pflanze  bereits  FXuxuppiCa  (I  Vr/.ocpua  der  Neu- 
griechen), Süsswurzel,  ebenso  die  Römer,  z.  B.  Celsus,  Radix  dulcis. 
Das  deutsche  Mittelalter  kannte  sie  schon  sehr  frühe,  so  z.  B.  die 
heilige  Hildegard,  Aebtissin  von  Rupertsberge  bei  Bingen  (1098  bis 
1197).  Auch  eines  der  bei  Semen  Hyoscyami  erwähnten  deutschen  Arznei- 
bücher aus  dem  XIII.  Jahrhundert,  von  Tegernsee  in  Baiern,  empfiehlt 


Radix  Liquiritiae  rossicae. 


199 


„liquiricii“  zu  einer  Brustlatwerge.  — Liquiritia,  so  wie  das  deutsche  La- 
kriz  sind  aus  dem  griechischen  Namen  verdorben.  In  einem  lateinischen 
Manu scripte ')  der  Stiftsbibliothek  in  St.  Gallen  aus  dem  X.  oder  IX.  Jahr- 
hundert finden  wir  z.  B.  die  Uebergangsform  Gliquiricia. 

Radix  Liquiritiae  rossicae. 

Radix  Glycyrrhizae  echinatae.  Russisches  Süssholz.  Reglisse  de  Russie. 

Russian  liquorice. 

Glycyrrhiza  echinata  L.  — Papilionaceae. 

Das  stachelfrüchtige  Süssholz  gleicht  bis  auf  die  spitzigeren  Blätter  und 
die  bauchigen  nur  1-  oder  2 sämigen  Hülsen  dem  gewöhnlichen  und  gehört 
auch  ungefähr  dem  nämlichen  Verbreitungsbezirke  an , der  sich  jedoch  für 
erstere  Art  durch  das  ganze  südliche  Sibirien,  bis  jenseits  des  Baikalsees  und 
südlich  vom  Caspischen  See* 2)  erstreckt.  Sie  wächst  viel  in  den  südösterrei- 
chischen Ländern,  auch  im  Innern  Griechenlands  häufig  wild. 

Das  Wurzelsystem  dieser  Art  scheint  jedoch  ziemlich  verschieden  und 
vorherrschend  auf  eine  mehr  oder  weniger  ästige  Pfahlwurzel  beschränkt 
zu  sein.  Sie  soll  hauptsächlich  auf  den  Inseln  des  Wolga -Deltas  ausge- 
pflügt, roh  über  Astrachan  nach  Moskau  und  Petersburg  gebracht  und  hier 
erst  geschält  werden.  Im  deutschen  Handel  erscheint  sie  immer  geschält 
in  Form  hellgelber,  meist  ganz  einfacher  wenig  gebogener  bis  0,20  m langer 
spindelförmiger  Stücke.  Der  bis  zu  0,04  m und  mehr  verdickte  Wurzelkopf 
zeigt  die  Ansätze  mehrerer  Stengel. 

Der  Kork  des  russischen  Süssholzes  besitzt,  wie  die  wenigen  noch  vor- 
handenen Reste  zeigen,  dieselbe  Färbung  "Wie  bei  Glycyrrhiza  glabra.  Die 
Breite  der  Rinde  beträgt  selbst  bei  den  dicksten  Stücken  nicht  über  0,004  m, 
der  Durchmesser  des  Holzes  daher  häufig  das  6 — lOfache.  Der  letztere  ist 
sehr  deutlich  strahlig,  durch  fast  gelbrothe  Farbe  mit  dem  helleren  Baste  etwas 
kontrastirend,  dessen  geschlängelte  Keile  bis  an  die  Oberfläche  dringen  und 
hier  als  zähe  unter  sich  netzartig  verbundene  Fasern  erscheinen.  Durch 
Schwinden  des  umgebenden  Parenchyms  erhält  die  Oberfläche  der  geschäl- 
ten Wurzel  auch  häufig  stellenweise  ein  grubiges  gelockertes  Ansehen. 
Ebenso  fehlen  im  Innern  oft  die  Markstrahlen,  so  dass  das  zerklüftete  Holz 
sich  leicht  in  seine  einzelnen  Strahlen  oder  Lamellen  trennt.  Jahresringe 
sind  trotz  der  bedeutenden  Entwickelung  des  Holzes  nicht  wahrzunehmeu. 
In  grösseren  Stücken  ist  das  Mark  sehr  gering , in  dünneren  öeckig  und 
scharf  begräuzt.  Die  ganze  Wurzel  ist  hiernach  weit  leichter  und  lockerer 
als  das  spanische  Süssholz,  bricht  faseriger,  schneidet  sich  leichter,  nicht 
zähe  horuartig. 

Diesen  Eigenthümlichkeiten  liegen  entsprechende  Abweichungen  im 
anatomischen  Bau  zu  Grunde,  welcher  im  Ganzen  jedoch  immerhin  so  an- 


*)  Liber  medicinalis.  No.  105.  P.  182. 

2)  'wahrscheinlich  bis  in  dio  nordchinesischen  Provinzen. 


200 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


gelegt  ist  wie  bei  Gl.  glabra.  Die  Zellen  der  Markstrahlen  dehnen  sich  bei 
Gl.  echinata  mehr  aus,  und  es  setzen  auch  in  den  äusseren  Holzschichten 
häufig  sekundäre  Markstrahlen  ein,  welche  eben  die  grössere  Spaltbarkeit 
oder  sogar  Zerklüftung  des  Holzes  und  Bastes  bedingen.  Die  Gefässe  er- 
reichen wohl  auch  mitunter  eine  etwas  bedeutendere  Dicke,  der  Hauptunter- 
schied liegt  aber  darin,  dass  das  Prosenchym,  die  eigentlichen  Holzzellen, 
nicht  nur  mehr  oder  weniger  zahlreiche  Stränge  bildet,  sondern  bei  den 
stärkeren  W urzelu  in  den  Holzstrahlen  ganz  vorherrscht  und  das  Parenchym 
sowohl  als  die  Gefässe  zurückdrängt.  Die  Wände  der  Holzzellen  sind  hier 
nicht  nur  fein  porös,  sondern  getüpfelt  und  zum  Theil  sehr  dick. 

Im  Baste  erweitern  sich  die  ohnehin  zahlreicheren  Markstrahlen  mehr 
und  weichen  wellenförmig  von  der  radialen  Richtung  ab.  Dadurch  wird 
die  zweireihige  Anordnung  der  Faserbündel  in  den  Baststrahlen  sehr  ge- 
stört. Das  Hornbastprosenchym  bildet  sich  hier  ebenfalls  mehr  aus  und 
stellt  sehr  häufig  starke  coucentrische  Bogen  dar,  welche  ihre  convexe  Seite 
nach  aussen  wenden.  Mit  grosser  Regelmässigkeit  und  nur  durch  einreihige 
Parencliymstreifen  getrennt  folgen  diese  Hornbastbogen  im  innersten  Theile 
der  Bastkeile  bei  dünnen  Stücken  unmittelbar  nach  dem  Cambium  dicht 
aufeinander.  In  älteren  Wurzeln,  wo  sich  alle  Gewebe  erweitern,  dehnen 
sich  die  Bogen  auch  in  die  Breite  aus  und  werden  durch  sekundäre  Mark- 
strahlen vollends  in  mehr  vereinzelte  Stränge  aufgelöst.  Jüngere  Wurzeln, 
die  nicht  stärker  sind  als  die  dicksten  Wurzeläste  des  spauischen  Siiss- 
holzes,  zeigen  die  Hornbastbogen  deutlich;  aber  den  dünneren  Exemplaren 
der  letzteren  Sorte  fehlen  sie  ganz,  und  eine  Auflockerung  der  Markstrahlen 
findet  sich , wenigstens  in  der  käuflichen  Wurzel  der  Gl.  glabra  niemals. 
Hierin  liegen  die  Hauptunterschiede  beider  Sorten , wenn  man  von  der 
grösseren  Dicke  der  russischen  absieht. 

Im  russischen  Siissholze  ist  das  Amylum  weit  spärlicher  vorhanden, 
namentlich  wo  die  Markstrahlen  in  der  Auflösung  begriffen  sind,  finden 
sich  nur  wenige  und  sehr  kleine  Körner.  Umgekehrt  verhält  sich  das  Kalk- 
oxalat, das  hier,  sowohl  im  Parenchym  des  Holzes  und  des  Bastes,  als  auch 
besonders  in  den  Markstrahlen  der  Rinde  in  beträchtlicher  Menge  und  oft- 
mals mit  grossem  Formenreich thum  auftritt.  Sehr  grosse  scharf  ausgebil- 
dete monoklinische  Oktaeder  sind  nicht  selten. 

Der  Geschmack  des  russischen  Süssholzes  ist  von  dem  des  spanischen 
nicht  verschieden,  wie  überhaupt  die  chemische  Beschaffenheit  beider  Sorten 
übereinstimmt.  Der  ausschliessliche  Vorzug,  welcher  trotz  des  höheren 
Preises  der  ersteren  z.  B.  in  Norddeutschland  (Pharm.  Borussica  1863) 
eingeräumt  wird,  ist  wohl  nur  durch  das  bessere  Aussehen  der  Waare  be- 
gründet und  ein  etwaiger  Mehrgehalt  an  Glycyrrhizin  oder  Zucker  darin 
nicht  festgestellt1).  Russland,  das  diese  Sorte  allein  liefert,  verbraucht  auch 
gar  keine  andere. 

1)  Neese,  in  der  sogleich  anzuführendou  Arbeit,  behauptet,  die  russische  Wurzel  sei  viel 
reicher  an  Glycyrrhizin. 


Radix  Liquiritiae  rossicae. 


201 


Das  russische  Süssholz  wird  ganz  allgemein  von  Glycyrrhiza  echinata 
abgeleitet.  Es  ist  aber  sehr  auffallend,  dass  die  Wurzel  dieser  botanisch  so 
ausgezeichneten  Art,  die  bei  uns  besser  gedeiht,  wenigstens  häufiger  Früchte 
ansetzt,  als  Gl.  glabra,  von  jener  Droge  sehr  abweicht.  Eine  unter  meinen 
Augen  seit  etwa  5 Jahren  cultivirte  Pflanze  z.  B.  gab  eine  vielköpfige,  oben 
bis  über  0,050 111  dicke  sehr  ästige  Wurzel,  bedeckt  mit  einem  äusseren 
leicht  abblätternden  grau  gelblichen  Korkhäutchen  und  einer  inneren  mehr 
rothbrauneu  Korkschicht.  Die  Rinde  ist  selbst  bei  den  dickeren  Aesten  nur 
2 Millim.  dick  und  durch  breite  Markstrahlen  und  schmalere  Bastkeile 
strahlig.  Die  letzteren  reichen  nicht  ganz  zur  Peripherie,  so  dass  sich  etwa 
6 — 8 Reihen  tangential  gestreckter  dickwandiger  Zellen  als  Mittelrinde 
unterscheiden  lassen.  In  den  Bastkeileu  sind  die  Faserbiiudel  meist  zwei- 
reihig, der  Hornbast  weuiger  entwickelt,  doch  in  der  Nähe  des  Cambium 
ziemlich  deutlich  bogenförmig.  Das  Holz  trägt  ungefähr  das  Gepräge  der 
russischen  Wurzel,  jedoch  ist  das  Prosenchym  aus  noch  stärkeren  Zellen 
zusammengesetzt,  so  dass  meine  Wurzel  bei  weitem  fester,  holziger  und 
schwer  zu  schneiden  ist,  obwohl  die  Holzstrahlen  oft  schmäler  sind  als  die 
Markstrahlen.  Das  Holzparenchym  bildet  fast  tangentiale  Reihen,  die  Ge- 
fässe  sind  klein  und  wenig  zahlreich. 

Der  Inhalt  der  Gewebe  entspricht  dem  des  russischen  Süssholzes,  doch 
ist  die  Stärke  reichlich  und  in  Körnern  von  12  bis  20  Mikromill.  vorhanden. 

Auffallender  Weise  aber  ist  meine  Wurzel  im  Innern  von  ganz  weisser 
karbe,  die  an  der  Luft  einen  Stich  ins  rosenfarbene  aber  nicht  ins  gelbe 
annimmt.  Kali  färbt  das  Gewebe  nicht.  Jedoch  gibt  es  da  und  dort  rniss- 
faibige  dunkle  Stellen,  an  welchen  das  Mikroskop  reichliche  Ausscheidun- 
gen von  braungelbem  Harze  in  den  Gefässen  zeigt,  die  durch  Kali  tief  blut- 
roth  gefärbt  werden. 

Diese  kultivirte  Wurzel  schmeckte  frisch  und  getrocknet  unangenehm, 
fast  bitterlich  kratzend,  mit  kaum  wahrnehmbarem  siisslichem  Nachge- 
schmäcke. Der  Saft  einiger  Querscheiben  reducirte  alkalisches  Kupfertar- 
trat  selbst  nicht  in  der  Wärme,  während  gleich  viel  käufliches  russisches 
k/Ussholz  mit  kaltem  Wasser  eine  schon  ohne  alle  Erwärmung  reducirende 
Losung  gibt.  Es  fehlt  also  der  hier  gezogenen  Wurzel  der  Zucker  und  das 
Glycyrrhizin , sofern  nicht  vielleicht  etwas  des  letzteren  in  jenen  lokalen 
Harzabsonderungen  steckt.  Der  Gerbstoffgehalt  ist  nicht  vermehrt  Berg 
hat  in  Berlin  gewachsene  Wurzel  ebenfalls  kaum  gelb,  sehr  holzig  und  von 
kratzendem,  nicht  süssem  Geschmacke  gefunden.  Wiggers  hatte  dieselbe 
Beobachtung  gemacht  und  glaubt  deshalb  die  Abstammung  des  russischen 
kiiss  mlzes  von  der  angeführten  Art  bezweifeln  zu  müssen.  Von  anderen 

' ' ^ W!  “2er  That  au gegeben,  dass  um  Astrachan  z.  B.  (neben  Gly- 

jrrhiza  glanduhfera  ? ) auch  schon  die  südsibirischc  Glycyrrhiza  as- 

Xll.l^86  10  Ki°W-  ArC,‘-  d'  1>harm-  CXIL  S-  249,  auch  Wittstein’s  Viorteljahresschrift 


202 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


perrima  L.  fil.  vorkomme,  welche  gleichfalls  eine  süsse  Wurzel  besitze. 
Sollte  diese  vielleicht  in  den  Handel  gelangen  ? Da  die  russische  Pflanze 
wie  es  scheint  feuchte  Standorte  liebt,  so  dürfte  sich  hierdurch  das  abwei- 
chende Verhalten  ihrer  Wurzel  in  unseren  Gegenden  erklären,  wenn  wir 
wirklich  die  gleiche  Art  kultiviren.  Es  bliebe  aber  auffallend , dass  Glycyr- 
rhiza  glabra  von  denselben  Einflüssen  nicht  gleich  betroffen  wird.  Eine  neben 
der  beschriebenen  Gl.  echinata  hier  gewachsene  eben  so  alte  Staude  der  erste- 
ren  Art  gab  mir  (im  August)  eine  vom  gewöhnlichen  spanischen  Süssholze 
nicht  verschiedene  Wurzel  von  gelber  Farbe  und  ausgezeichneter  Süssigkeit. 

C.  Geschmack  vorwaltend  adstringirend. 

Rhizoma  Bistortae. 

Rad.  Bistortae.  Natterwurzel.  Kuöterichwurzel.  Bistorte.  Couleuvrine. 

Polygonum  Bistorta  L.  — Polygoneae. 

Auf  fetten  Wiesen  der  ganzen  nördlichen  Halbkugel  bis  China  und  Kam- 
tschatka, namentlich  auch  in  der  mittleren  Bergregion  unserer  Gegenden 
ziemlich  häufiges  Futterkrant. 

Es  treibt  einen  starken  vieljährigen,  bis  0,08ra  langen  Wurzelstock, 
welcher  gewöhnlich  mit  seinem  mittleren  Theile  horizontal  im  Boden  liegt, 
während  das  vordere,  aufwärts  gebogene  Ende  sich  in  den  Stengel  ver- 
schmälert und  das  hintere  absterbende  (gleichsam  abgebissene)  Ende  sich 
mehr  senkrecht  abwärts  in  die  Erde  krümmt.  Diese  doppelte  Biegung  (bis 
torta)  findet  sich  jedoch,  zum  Theil  durch  Steine  und  andere  Hindernisse 
bedingt,  auf  welche  der  Wurzelstock  trifft,  in  den  mannigfachsten  Abände- 
rungen vor.  Immer  aber  bleibt  der  Wurzelstock  wurmförmig  gekrümmt, 
rundlich  plattgedrückt  (der  längere  Querdurchmesser  bis  0,025m),  durch 
zahlreiche,  ringsum  laufende  Blattnarben  in  sehr  kurzen  Abständen  dicht 
geringelt  und  mit  dünnen  Nebenwurzelu  oder  ihren  vertieften  Narben  reich- 
lich besetzt.  Oft  ist  die  obere  Seite  des  Wurzelstockes  flach  oder  der  Länge 
nach  rinnenförniig  vertieft,  die  entgegengesetzte  mehr  gewölbt. 

Zwischen  den  etwas  dunkleren  Blattnarben  ist  der  Wurzelstock  glatt, 
glänzend  braunroth,  auf  dem  Querschnitt  schön  fleischroth.  Letzterer  ist  je 
nach  der  Stelle,  wo  er  gemacht  wird,  kreisförmig  oder  platt  elliptisch;  in 
einem  Abstande  von  0,00  lm  bis  0,002m  folgt  den  Contouren  der  Rinde  ein 
dichter  Ring  eiuzelner  hellerer,  oft  dunkler  begrenzter  Holzbündel.  Das 
ganze  übrige  Gewebe  ist  dicht  körnig,  aber  nicht  holzig.  Die  Rinde  besteht 
aus  einer  braunen  Korklage,  auf  welche  etwas  tangential  gedehnte  eckige, 
zum  Theil  braune  Zellen  folgen,  die  allmälig  in  der  Mittelrinde  grösser, 
mehr  kugelig  werden.  Die  Holzbündel  enthalten  sehr  zahlreiche  kleine 
punktirte  Gefässe  und  einen  dicken  Cambiumstrang ; sie  sind  der  Länge 
nach  in  einander  verflochten.  Das  Mark  gleicht  der  Mtttelriude.  Das  Pa- 
renchym zeigt  in  der  Rinde  zahlreiche  brauurothe,  mit  Farbstoff  (und  Gerb- 
stoff) gefüllte  Zellen  und  grosse  Oxalatdrusen;  der  Hauptinhalt  aber  besteht 


Radix  Ratanhiae. 


203 


aus  Stärke  in  eiförmigen  oder  fast  scheibenförmigen  Körnern  von  etwa 
20  MikromiU.  Länge.  Die  Krystallrosetten  sind  durchschnittlich  viermal 
grösser  und  wurden  schon  von  Scheele  1785  erkannt. 

Geschmack  des  Wurzelstockes  rein  adstringirend;  er  enthält  nach 
Uloth1)  eisenbläuenden  und  etwas  eisengrünenden  Gerbstoff,  nach  Sten- 
house  Schleim  und  eine  eigenthiimliche  Gerbsäure  neben  Gallusgerbsäure. 
In  Island  und  in  Nordasien  wird  er  bisweilen  genossen.  Bistorta  hat  einige  ent- 
fernte Aehnlichkeit  mit  dem  Wurzelstocke  der  Potentilla  Tormentilla  Sibth. 

Bistorta  wird  bei  uns  wenig  mehr  gebraucht;  nach  Debeaux  ist  dies 
in  China  noch  der  Fall. 


Radix  Ratanhiae. 

Badix  Ratanhae.  Ratanhiawurzel.  Peruanische  oder  Payta-Ratanhia. 

Racine  de  Ratanhia.  Rhatany. 

Krameria2)  triandra  Ruiz  et  Pavon.  — Krameriaceae. 

Kleiner,  sparrig  verzweigter  Strauch  mit  sehr  starken,  2 bis  3 Fuss 
langen  niederliegenden  unteren  Aesten,  während  die  oberen  sich  kaum 
fusshoch  erheben.  Er  liebt  sandige  unfruchtbare  Abhänge  der  brasiliani- 
schen und  besonders  der  peruanischen  Cordilleren,  wo  er  oft  in  sehr  grosser 
Menge  vorkömmt  und  durch  seine  schön  rothen  Blüthen  ein  Schmuck  der 
Gegend  ist. 

Die  Wurzel  wird  hauptsächlich  im  Westen  und  Nordosten  von  Lima 
gesammelt,  z.  B.  bei  Caxatambo,  Huanuco,  Tanna,  Jauja,  Huarochiri, 
Canta , aber  auch , wenigstens  zu  Zeiten , weiter  südöstlich  im  Hochlande 
des  Titicaca-Sees  und  ohne  Zweifel  auch  bedeutend  weiter  nördlich,  da 
gegenwärtig  neben  Callao  besonders  Payta  der  Ausfuhrhafen 3)  der  Ratanhia 
zu  sein  scheint. 

Es  ist  somit  der  centrale  Strich  des  ungeheuren  von  den  Chinabäumen 
bewohnten  Bogens,  welcher  uns  die  Ratanhia  liefert  und  zwar  die  mittlere 
Höhenregion  desselben,  etwa  3000  bis  8000  Fuss  über  dem  Meere. 

Die  Wui  zel  erreicht  im  Yerhältniss  zum  Strauche  selbst  sehr  bedeutende 
Grösse  und  besteht  aus  einem  kurzen  dicken,  oft  mehr  als  faustgrossen  und 
bisweilen  sehr  knorrigen  Hauptstamme,  welcher  sich  im  Boden  noch  mehr 
vei zweigt  als  über  der  Erde.  Manchmal  ist  die  Hauptwurzel  unförmlich 
knollenartig  verkürzt  und  verdickt.  Die  Wurzeläste  gehen,  oft  mehrere  Fuss 
lang  und  bis  über  0,01  dick,  nach  allen  Seiten  ab,  sehr  häufig  auch  hori- 
zontal. Das  spanische  Wort  Ratanhia , eine  horizontal  in  der  Erde  krie- 
chende ) Wurzel,  ist  indessen  durch  die  im  Handel  gewöhnlich  vorkommende 

B Arni.  d.  Chem.  u.  Pharm.  CXI.  p.  218. 

Wien  nii™01"'  österre'c^'sc^or  und  Botaniker,  Verfasser  eines  Tentamen  botanienm. 

3)  Nach  Martius  fuhrt  auch  Valparaiso  Ratanhia  aus.  Ob  aus  Chili  selbst’ 

) ratear  kriechen. 


204 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


Droge  keineswegs  immer  gerechtfertigt,  da  dieselbe  vorherrschend  ein  im 
ganzen  senkrechtes  oder  höchstens  gespreiztes  Wurzelsystem  darstellt. 

Die  Wurzeläste  sind  hin-  und  hergebogen , oft  nur  wenig  verzweigt  und 
kamen  früher  häufig  allein  vor,  während  jetzt  mehr  und  mehr  der  fast 
werthlose,  derb  holzige  Wurzelstamm  mit  allzu  ansehnlichen  holzigen 
Stengelresten  und  oft  ziemlich  kurz  abgerissenen  Wurzelästen  geboten 
wird  und  die  weit  werthvolleren  laugen  ausgewachsenen  Wurzeläste  selte- 
ner mehr  unversehrt  erhalten  sind.  Ganz  aus  dem  Handel  verschwunden 
ist  die  Rinde,  welche  noch  1830 — 1840  für  sich  allein  reichlich  zu  haben 
war. 

Die  höchstens  0,004'"  dicke  schuppige  und  sehr  holperige  Rinde  des 
oft  etwas  um  seine  Axe  gedrehten  Wurzelstammes  ist  sehr  dunkel  roth- 
braun,  die  der  Aeste  bedeutend  heller,  auf  Papier  abfärbend  und  schön 
roth,  nicht  leicht  viel  über  0,00 lm  dick  und  beim  Aufweichen  nur  wenig 
aufquellend.  Die  äusserst  lockere,  tief  rissige,  au  den  Aesten  vorherr- 
schend glatte  Korklage  häufig  abgescheuert,  so  dass  stellenweise  die  noch 
sehr  lebhaft  braunrothen  inneren  Rindenschichten  oder  selbst  das  blass 
röthliche  oder  braungelbliche,  übrigens  nicht  eben  fest  mit  der  Rinde  zu- 
sammenhängende Holz  zu  Tage  tritt.  Die  Rinde  bricht  zäh,  faserig,  doch 
ziemlich  kurz.  Das  Holz  ist  dicht  und  fest,  ohne  Mark,  mit  feinen,  zu 
concentrischen  Kreisen  (unächten  Jahresringen)  geordneten  Gefässen  und 
noch  weit  dünneren,  etwas  dunkleren  Markstrahlen  versehen;  die  Cambium- 
zone  nicht  deutlich  ausgeprägt. 

Die  Aussenrinde  ist  gebildet  aus  sehr  zahlreichen  Lagen  zarter  tafelförmi- 
ger Korkzellen,  mit  schlaffen  besonders  nach  aussen  stark  gewölbten  Wänden. 
Die  änsseren  Korkschichteu  strotzen  von  rothbraunem  Farbstoffe,  während 
die  inneren  noch  lebensthätigen  und  durch  tangentiale  Quertbeilung  in 
steter  Vermehrung  begriffenen  Korkzellen  grauliche  oder  ungefärbte  zer- 
knitterte Wände  zeigen  und  zum  Theil  grosse  Amylumkörner  führen.  Der 
allmälige  Uebergang  der  Korkbilduug  in  die  Mittelrinde  lässt  sich  hier  sehr 
gut  verfolgen.  Sekundäre  Korkstreifen  in  der  Mittel-  oder  Innenriude. 
d.  h.  eine  wahre  Borkenbildung  fehlt  gänzlich;  die  Schuppen  der  Aussen- 
rinde bestehen  rein  aus  verwittertem  Korke.  Die  Mittelrinde  beschränkt 
sich  auf  nur  wenige  Reihen  grosser  vorherrschend  tangential  gestreckter  Zel- 
len mit  gelben  porösen  Wänden,  welche  allmälig  in  die  Markstrahlen  der 
viel  breiteren  Innenrinde  übergehen.  Au  der  Grenze  der  letzteren  und  der 
Mittelrinde,  oft  sehr  weit  gegen  den  Kork  vorgeschoben,  finden  sich  zahl- 
reiche verdickte  gelbliche  Baströhren  von  etwa  20  Mikromill.  Dicke  eiuge- 
streut,  welche  mehr  nach  innen  zu  grösseren  von  Parenchym  unterbroche- 
nen Gruppen  zusammengedrängt  regelmässige  Baststrahlen  darstellen.  Die 
Röhren  sind  entweder  cylindrisch,  fast  ohne  Lumen,  oder  es  ist  ein  solches 
noch  vorhanden  und  die  alsdann  wenig  verdickten  Wände  sind  durch 
gegenseitigen  Druck  etwas  verbogen.  Im  Läugsschnitte  erscheinen  diese 
Baströhrengruppen  als  sehr  lange  anastomosirende  von  zartem  Proseuchvm 


Radix  Ratanliiae. 


205 


begleitete  Biiudel,  daher  auch  ihre  Stellung  im  Querschnitte  je  nach  der 
Höhe  wechselt. 

Die  Markstrahlen,  welche  die  Baststrahlen  auseinander  halten,  sind  aus 
1 bis  3 Reihen  ansehnlicher,  mehr  tangential  als  radial  gestreckter  oder  in 
den  innersten  Reihen  quadratischer  Zellen  gebildet;  weit  schmäler  und  nur 
einreihig  sind  dagegen  die  Markstrahlen  im  Holzkörper,  wo  sie  höchstens 
5 —6  Mikromill.  Breite  zeigen.  Derselbe  wird  durch  eine  schmale  wenig  in 
die  Augen  fallende  Schicht  zarter  Carabialzellen  von  der  Rinde  getrennt. 
Die  sehr  stark  verdickten  zahlreichen  Tiipfelgefässe  stehen  in  undeutlichen 
Reihen  und  erreichen  eine  bedeutende  Länge  bei  einem  mittleren  Durch- 
messer von  nur  30  — 40  Mikromill.  Sie  sind  aufs  dichteste  umgeben  von 
sehr  laugen  stark  verdickten  porösen  Holzzellen  und  schmalen  einreihigen 
Pareuchymzonen.  Im  centralen  Theile  des  Holzkörpers  der  Wurzeläste 
finden  sich  bisweilen  sämmtliche  Gefässe,  die  Höhlungen  des  Holzgewebes, 
so  wie  die  Markstrahlen  von  tief  dunkelbraunrothem  Harze  oder  Farbstoffe 
erfüllt. 

Das  Rindeuparenchym  bis  zu  den  innersten  Korklagen  ist  von  dunkel- 
braunrothem Farbstoffe  gesättigt  und  enthält  daueben  in  sehr  grosser 
Menge1)  einzelne  oder  weniger  häufig  zu  3 verwachsene  Amylumkörner 
von  vorherrschend  kugeliger  Gestalt  und  bis  etwa  15  oder  20  Mikromill. 
Durchmesser,  kleinere  führen  die  Markstrahlen  des  Holzes  und  des  Holz- 
parenchym. In  den  Baststrahlen  bemerkt  man  im  Bastprosenchym  in  der 
Nähe  der  Baströhren  da  und  dort  dunklere  Punkte,  welche  sich  bei  stär- 
kerer Yergrösseruug  vorzüglich  auf  dem  Längsschnitte  als  kleine  lange 
Prismen,  oft  Zwillingskry stalle  mit  einspringendem  Winkel  erweisen.  Sie 
lösen  sich  leicht  iu  Salzsäure,  nicht  iu  Essigsäure,  sind  daher  ohne  Zweifel 
Kalkoxalat.  — Man  gewinnt  erst  eine  Einsicht  in  den  Bau  dieser  stark 
gefärbten  Gewebe,  wenn  man  feine  Schnitte  mit  Ammoniak  auszieht. 

Der  Geschmack  der  Rinde  der  Ratanhiawurzel  ist  rein  abstringirend 
mit  einem  kaum  merkbaren  siisslichen  Nachgeschmäcke.  Das  Holz  ist  fast 
ganz  geschmacklos. 

Wittstein  hat  in  der  vom  Holze  abgeschälten  getrockneten  Rinde 
gegen  20  pC.  Ratanhiagerbsäure  gefunden,  welche  der  Catechu- 
gerbsäure  nahe  verwandt  zu  sein  scheint  und  bei  der  trockenen  Destil- 
lation Brenzcatechin  gibt  (Eisfeldt).  Sie  wird  als  rothes  amorphes 
Pulver  erhalten  und  erzeugt  mit  Brechweinstein  keinen,  mit  Eisen- 
chlorid einen  dunkelgrünlichen  Niederschlag.  Verdünnte  Säuren  zer- 
setzen diese  Ratanhiagerbsäure  in  Zucker  und  in  im  Wasser  fast  unlös- 
liches Ratankiaroth  G12H1203,  welches  auch  schon  in  der  Wurzelrinde 
vorhanden  ist.  Ausserdem  fand  Wittstein  Wachs,  Gummi  und  Zucker 
in  geringer  Menge,  aber  keine  Gallussäure,  welche  Pesehier  angegeben 

natte.  Die  von  letzterem  als  der  Ratanhia  eigenthümlich  beschriebene 

— 

0 jedenfalls  bei  weitem  mehr  als  >/a  pC.,  wie  Vogel  (1820)  in  der  Rinde  angegeben  ! 


206 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 

Kramersäure  existirt  nach  Wittstein  nicht,  sondern  ist  vielleicht  Tyrosin- 
schwefelsäure, oder  wie  Städeler  sowohl  als  Hlasiwetz  vermutheu, 
Sulfophloraminsäure , ein  Abkömmliug  des  in  manchen  Wurzelriuden  vor- 
kommenden Phlorrhizins,  das  freilich  in  der  Ratanhia  nicht  nachgewiesen  ist. 

Ein  in  Südamerika  dargestelltes  rothbraunes , trockenes  Extractum 
Ratanhiae,  über  dessen  Bereitung  genauere  Berichte  fehlen,  kömmt  in 
spröden  Stücken  in  den  Handel.  Es  löst  sich  nur  in  warmem  Wasser 
ziemlich  vollständig  und  besteht  grösstentheils  aus  Ratanhiagerbsäure  und 
Ratanhiaroth.  Daneben  fand  Wittstein  (1854)  merkwürdigerweise  in 
diesem  amerikanischen  Extracte,  nicht  aber  in  der  Wurzel  selbst,  Tyrosin 
09Hn  N O3,  jenes  interessante  Zersetzungsprodukt  eiweissartiger  Stoffe,  das 
im  Thierreiche  fertig  gebildet  vorkömmt,  z.  B.  in  der  Cochenille,  in  krank- 
hafter Leber  und  Milz,  im  Pflanzenreiche  aber  noch  nicht  nachgewiesen  war. 
Nach  Städeler  und  Rüge  besitzt  der  Körper  im  Ratauhia-Extracte  aber 
einen  höheren  Kohlenstoffgehalt,  entsprechend  der  Formel  O10H,3NG3 
und  ist  homolog,  nicht  identisch  mit  dem  Tyrosin  und  daher  als  Ratanhin 
bezeichnet  worden.  Rüge  erhielt  aus  dem  Extracte  höchstens  1,26  pC. 
desselben.  Wittstein  erinnert,  dass  der  Stickstoffgehalt  seines  Körpers 
(7,64  pC.)  besser  mit  dem  des  Tyrosins  (7,73)  als  mit  dem  des  Ratanhins 
(7,18)  stimmt  und  ebenso  das  Verhalten  zu  Reagentien.  — Die  Splitter  des 
Extractes  bieten  unter  dem  Mikroskop  keine  krystallisirten  Formen  dar  und 
Amylum  lässt  sich  auch  durch  Jod  darin  nicht  nachweisen.  Das  ameri- 
kanische Extract  enthält  jedenfalls  wegen  unsorgfältiger  Bereitung  die 
Bestandtheile  der  Wurzel  in  sehr  verändertem  Zustande;  schon  das  Vor- 
kommen des  Tyrosins  deutet  darauf.  Mit  Recht  verlangen  daher  die  Phar- 
macopöen  selbstbereitetes  Extract,  um  so  mehr,  als  es  sich  nicht  leicht  von 
Kino  (siehe  dieses)  unterscheiden  lässt. 

Ruiz,  der  auch  um  die  Cinchonen  hochverdiente  spanische  Botaniker, 
bemerkte  1784,  dass  die  Frauen  in  Huanuco  und  Lima  sich  seit  undenk- 
lichen Zeiten  einer  Wurzel  als  Zahnerhaltungsmittel  (raiz  para  los  dientes) 
bedienten,  welche  er  als  von  der  1779  durch  ihn  entdeckten  Krameria 
triandra  abstammend  erkannte.  Nach  Spanien  zurückgekehrt,  verschaffte 
Ruiz  derselben  von  1796  an  daselbst  Eingang  und  sie  wurde  von  hier  aus 
seit  1808  auch  allmälig  in  Frankreich  und  England  und  endlich  durch 
F.  J obst  und  v.  Klein  (Abhandlung  über  die  Ratanhia.  Aus  dem  Hollän- 
dischen, Englischen  und  Französischen  übersetzt.  Wien  1818)  in  Deutsch- 
land eingeführt. 

Von  den  übrigen  22  oder  23  verschiedenen  Krameria -Arten,  welche 
alle  Amerika  angehören,  liefern  mehrere  ähnliche,  in  einzelnen  Gegenden 
gleich  der  Ratanhia  benutzte  Wurzeln,  z.  B.  in  Brasilien  Krameria  argentea 
Martius,  in  Nordamerika  K.  lanceolata  Torrey.  Mehrere  derselben  gelangten 
auchschon  massenhaft  nachEuropa.  So  besonders  die  sogenannte  Savanilla- 
Ratanhia , welche  seit  einigen  Jahren  aus  Columbia  (Neu -Granada)  über 
Sabanilla  ausgeführt  wird.  Mettenheimer  hatte  bereits  1852  auf  dieselbe 


Radix  Ratanhiae. 


207 


aufmerksam  gemacht  und  schon  früher  war  sie  vom  Codex  gallicus  als 
antillische  Ratanhia  aufgenommen  und  von  Krameria  Ixina  L. 
abgeleitet  worden.  Hanbury  hat  1865  festgestellt,  dass  die  Savanilla- 
Sorte  von  derselben  Pflanze  Var.  ß)  granatensis  Triana  bei  Giron  oder 
Jiron  in  einem  Seitenthal  des  Magdalenenstromes,  westlich  von  Pamplona 
gesammelt  wird.  Der  4 bis  6 Fuss  hohe  Strauch  wächst  dort  auf  dürrem 
hartem  und  kiesigem  Boden  in  sehr  grosser  Menge,  sonst  aber  findet  sich 
Krameria  Ixina  auch  auf  den  Antillen  (Guadeloupe,  Martinique),  in  Vene- 
zuela und  in  den  Provinzen  Cearä  und  Pernambuco  des  nordöstlichen  Bra- 
siliens. — Diese  Savanilla-Sorte  verdrängt  mehr  und  mehr  die  ursprüngliche 
Peruanische  oder  Payta. 

Bei  der  Ratanhia  aus  S a v a n i 1 1 a oder  N e u - G r a n a d a ist  zunächst  der 
gewöhnlich  kurz  abgeschnittene  Stamm  im  Verhältnisse  zur  Wurzel  weit  stär- 
ker als  bei  der  peruanischen  Ratanhia.  Mässige  Wurzeln  der  ersteren  besitzen 
oft  gegen  0,04ra  dicke  Stengelstumpfe,  welche  gewöhnlich  sofort  in  zahlreiche 
ungefähr  gleich  starke,  am  Ursprünge  oft  0,0 lra  dicke  Wurzeläste  übergehen. 
Ein  eigentlicher  Wurzelstamm  oder  eine  Hauptwurzel  lässt  sich  seltener 
oder  doch  weniger  scharf  unterscheiden  als  in  der  wahren  Ratanhia  und 
knollige  Verdickung  der  Wurzel  kömmt  gar  nicht  vor.  Die  Wurzeläste  der 
Savanilla-Sorte  sind,  obwohl  weniger  gebogen  und  meist  etwas  kürzer, 
doch  von  derselben  Gestalt  und  Stärke  wie  bei  der  peruanischen,  aber  mehr 
längsfurchig  und  da  und  dort  auch  mit  vereinzelten  bis  auf  das  Holz  gehenden 
Querrissen  versehen. 

Sehi  ausgezeichnet  ist  die  Savanilla  durch  ihre  mattere,  allerdings 
unbestimmte,  aber  doch  in  Masse  unverkennbar  ins  violette  fallende  Fär- 
bung. Im  Querschnitte  zeigt  sich  ihre  oft  gegen  0,002m  oder  nach  dem 
Aufweichen  selbst  0,003m  dicke  Rinde  verhältnissmässig  weit  stärker,  da 
der  Durchmesser  des  Holzkernes , selbst  in  den  dicksten  Wurzelästen  die 
Breite  der  Rinde  nur  um  das  3-  bis  4fache  übersteigt  und  in  den  dünnen 
Aesten  häufig  nur  um  das  doppelte.  Näher  am  Ursprünge  der  Wurzeläste 
gewinnt  dann  allerdings  der  Holzkern  eine  weit  bedeutendere  Dicke.  In 
der  peruanischen  Sorte  tritt  die  Rinde  immer  weit  mehr  zurück,  ihre  Breite 
verhalt  sich  m den  mittelstarken  Wurzelästen  zum  Durchmesser  des  Holzes 

wie  1 zu  6 oder  zu  8.  Die  Rinde  der  Savanilla-Sorte  haftet  weit  fester 
am  Holze. 


le  nur  wenig  in  die  Augen  fallenden  Unterschiede  im  anatomischen 
aue  der  Savanilla -Ratanhia  liegen  hauptsächlich  darin,  dass  die  Kork- 
schicht  aus  engeren  dichter  gedrängten  und  mehr  mit  Farbstoff  gefüllten 
Zehen  gebaut,  daher  weit  derber  und  widerstandsfähiger  ist  und  z.  B. 
urc  i den  Fingernagel  ungleich  schwieriger  angegriffen  wird.  Die  Mittel- 
nnde  ist  breiter  und  besteht  aus  denselben  grossporigen  weiten  tangential 
gestreckten  Zellen,  wovon  aber  immer  etwa  10  oder  mehr  Lagen  vorhanden 
sind  welche  ganz  allmälig  in  die  Markstrahlen  übergehen.  Ihre  Quer- 
wände sind  auffallend  radial  gestellt.  Die  Baströhren  sind  mehr  vereinzelt 


208 


% Wuvzelbildungeu  der  Dikotylen. 

oder  doch  mir  zu  kleineren  Gruppen  vereinigt,  welche  aber  in  schmalen, 
ziemlich  regelmässigen  radialen  Reihen  stehen.  Die  Markstrahlen  im  Holz- 
körper siud  breiter  (bis  über  15  Mikromill.),  obwohl  auch  nur  einreihig  und 
mit  Amylum  und  Farbstoff  gefüllt.  Das  Holz  wird  hierdurch  deutlicher 
strahlig  als  in  der  peruanischen  Wurzel  und  seine  Gefässe  sind  dicker,  bis 
über  50  Mikromill.  im  Durchmesser. 

Der  Inhalt  der  einzelnen  Gewebe  ist  derselbe  wie  bei  der  peruanischen 
Ratanhia , auch  das  Kalkoxalat  fehlt  nicht  an  derselben  Stelle  und  ist  hier 
vielleicht  etwas  reichlicher  vorhanden.  Der  Geschmack  ist  gleich,  wie 
denn  auch  die  chemische  Untersuchung  von  Wittstein  dieselben  Bestand- 
theile,  obwohl  in  etwas  verschiedenen  Mengenverhältnissen,  ergeben  hat. 
Ein  Unterschied  liegt  jedoch  darin,  dass  die  peruanische  Wurzel  sich  nur 
graugrünlich  färbt,  wenn  man  feine  Schnitte  derselben  mit  Eiseuvitriol- 
lösuug  tränkt,  während  die  Savanilla-Sorte  sich  dunkel  schwarz  färbt,  so 
dass  hier  eisenbläuender  Gerbstoff  vorwaltet.  Es  ist  nicht  bekannt,  dass 
die  Wirkung  der  Savanilla- Ratanhia  eine  andere  sei  als  die  der  Peru-Sorte. 
Wenn  das  in  derThat  nicht,  der  Fall  ist,  so  würde  erstere  wegen  der  bedeu- 
tenderen Entwickelung  ihrer  Rinde  den  Vorzug  Verdienern  Die  Pharma- 
copöen  schliessen  sie  aber  vorläufig  noch  aus,  obwohl  die  peruanische  Sorte 
sehr  häufig  nicht  in  guter  Auswahl  zu  uns  gelaugt. 

Eine  andere  Ratanhia-Sorte,  von  Krameria  secundiftora  DG.,  ist  1854 
durch  Berliner  Drogisten  aus  Mexico,  Texas  und  Arkansas  in  Europa  ein- 
geführt und  von  Berg  1856  (wie  übrigens  auch  die  beiden  oben  be- 
schriebenen) gründlich  anatomisch  untersucht  worden.  Sie  weicht  darin 
sehr  ab,  dass  ihre  Mittelrinde  schon  früh  durch  bogenförmig  eindriugende 
sekundäre  Korkbänder  als  Borke  abgeschnitten  und  abgestossen  wird.1) 
Statt  der  Baströhren  enthält  sie  kurze,  nicht  stark  verdickte  Saftschläuche 
(ähnlich  wie  manche  Chinarinden).  Der  Holzkörper  ist  kaum  so  dick  oder 
dünner  als  die  Rinde,  welche  adstringireud , zugleich  aber  auch  bitter 
schmeckt,  daher  diese  Sorte  nicht  zulässig  sein  würde.  Sie  hat  sich  übrigens 
niemals  eine  Stelle  auf  dem  Markte  gemacht  und  ist  jetzt  (1865)  selbst  von 
dem  betreffenden  Hause  nicht  mehr  zu  erlangen. 

Von  Gehe  & C°.  in  Dresden  habe  ich  eine  Brasilianische  Ra- 
tanhia erhalten,  welche  der  Savanilla-Sorte  sehr  ähnlich  sieht,  doch  eine 
etwas  dunklere,  nicht  violette  Färbung  zeigt.  Die  mir  vorliegende  Probe 
besteht  aus  einfachen  Wurzelästen,  welche  etwas  weniger  gebogen,  reichlicher 
mit  nicht  ringsum  laufenden  tiefen  Querrissen  und  schwachen  Läugsruuzeln 
oder  auch  mitHöckerclien  besetzt  sind.  Nur  die  dünnsten  Stücke  zeigen  sich 
glatt.  Die  Dicke  des  Holzkörpers  ist  gleich  der  Breite  der  Rinde  oder  höch- 
stens drei-  bis  viermal  stärker.  Der  anatomische  Bau  stimmt  mit  dem  der 
Savanilla  überein,  höchstens  fallen  die  sehr  grossen,  tangential  gestreckten 
Zellen  der  Mittelriude  auf,  welche  im  Querschnitte  bis  150  Mikromill.  laug 


1)  Abgebildet  von  Berg,  Botau.  Zeitung  1856.  lab.  XIV. 


Eadix  Rhei. 


209 


und  in  radialer  Richtung  80  breit  sind  und  gewaltige , meist  kugelige  oder 
halbkugelige  Stärkeköruer,  oft  von  mehr  als  40  Mikromill.  Durchmesser 
einschliessen.  Dieses  sehr  grossmaschige  Gewebe  stösst  unmittelbar  an  die 
sehi  deiben  Korkzellen  und  kontrastirt  sehr  mit  der  weit  kleiozelligeren 
Innenriude.  Dieselbe  enthält  stark  verdickte,  auf  dem  Längsschnitte  starke 
Biegungen  zeigende  Baströhren,  welche  nicht  leicht  über  30  Mikromill.  dick 
werden.  Ob  der  gänzliche  Mangel  an  Krystallen  hier  ein  beständiges  Merkmal 
ist,  bedarf  noch  weiterer  Prüfung.  In  dem  vielleicht  ein  wenig  gröber  po- 
rösen Holze  sind  die  Markstrahlen  weniger  deutlich  ausgeprägt  und  seltener 
gefärbt  als  in  der  Savanilla-Ratanhia. 

Diese  von  dem  genaunten  Hause  1865  aus  Para  eingeführte  Sorte 
scheint  von  keiner  bekannten  Krameria-Art  abgeleitet  werden  zu  können. 

D.  Bitterliche  Wurzelbildungen. 

1.  ohne  Milchsaft. 


Radix  Rhei. 

Radix  Rhabarbari.  Rhabarberwurzel.  Rhubarbe.  Rhubarb. 

Die  Pflanzen,  welche  die  seit  langem  bei  uns  gebräuchliche  Rhabarber 
liefern,  sind  nicht  bekannt;  es  kann  jedoch  keinem  Zweifel  unterliegen  dass 
sie  der  Gattung  Rheum,  Familie  der  Polygoneen,  angehören,  welche  „n- 
sern  grossen  Ampfern  gleichen  und  sich  von  ihnen  hauptsächlich  durch 

’l0p<igen  Oicht  pinseligen)  Narben  und  die  9 
(nicht  6 wie  bei  Rumex)  Staubgefässe  unterscheiden.  Die  in  den  Gärten 
häufig  gezogenen  Rheum-Arten  aus  dem  Himalaya  und  dem  centralen  Asien 
welche  aber  nicht  unsere  Rhabarber  liefern,  sind  mannshohe  starke  Kram 
ter  mit  aufrechtem  armblätterigem  Stengel,  zahlreichen  sehr  grossen  buschi- 
gen  Wurzelblättern  und  ästiger  fleischiger  Wurzel 

der  MRteR  GMn bW  Rheum-Arte"  «<*ören  *n  Hochländern  in 

dei  Mitte  Chinas  an;  aber  nur  von  der  einen  Sorte,  der  nordwärts  durch 

Sibmen  nach  Russland  ausgeführten,  ist  die  Herkunft  bewiesen  Diese  dfe 

barber U(T^a 6 ' 5 m..0 skowitische  oder  russ i s c^h^Rha- 
firbei  (Ta-huang  ) der  Chinesen)  wird  in  dem  wilden  Alpenlande  Tan 

nicht  auf  die  hochliegenden  (12000  Fuss  Ritte t)  C P i ^ !!  jeAT°tcl1 
der  Schnees-ebiro-p  Tn»,  + i i , uss  Klttei)  Gegenden  m der  Nähe 

d.  h.  gross  und  gelb. 

Plückiger,  Pharmakognosie. 


14 


210 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


Hwaugho  und  iu  Suitschuan  (Sze-tschuen)  am  oberen  Kiang  wächst  Rha- 
barber, also  in  einem  sehr  grossen  Theile  des  centralen  Chinas.  Mittelpunkt 
und  Hauptstapelplatz  des  Geschäftes  ist  die  Stadt  Si-ning,  Provinz  Kansu 
oder  Gansu,  in  der  Gabel  der  beiden  Quellflüsse  des  Gelben  (Hwaugho-) 
Stromes,  südlich  von  der  grossen  Wüste  und  dem  Westende  der  chinesi- 
schen Mauer.  Marco  Polo  (1272  — 1295)  war  der  erste  Europäer , der 
als  Augenzeuge  über  dieses  Rhabarberland  berichtete;  kein  mit  den  erfor- 
derlichen Kenntnissen  ausgerüsteter  Reisender  ist  seither  in  jene  Gegenden 
vorgedrungen  und  die  dürftigen  Angaben  *)  des  berühmten  Venetianers  sind 
bis  jetzt  noch  nicht  durch  genaue  Berichte  über  die  Rhabarberpflauze  von 
Sining  ersetzt.  — Vor  ihm  hatte  1253  der  nur  bis  in  das  Karakorum-Ge- 
birge gelaugte  R.u  b r u q uis*  2)  zuerst  von  der  Heimat  der  Rhabarber  mangel- 
hafte Kunde  nach  dem  Occident  gebracht.  Weiter  zurück,  d.  h.  vielleicht  bis 
zum  Jahr  1000,  reichen  die  Berichte  des  „Pun-tsau“,  eines  alten  chinesischen 
Kräuterbuches,  woraus  Farre3)  Auszüge  mitgetheilt  hat,  welchen  zufolge 
die  oben  genannten  5 chinesischen  Provinzen  Rhabarber  liefern,  am  besten 
Suitschuan  und  Scliensi.  Eine  geringe  Sorte,  nur  zu  lokalem  Gebrauche  er- 
zeugt ausserdem  Kiang-su , die  zwischen  den  beiden  Hauptströmen  Chinas 
gelegene  Provinz;  diese  Sorte  heisst  Tu-ta-kwaug.  Auf  die  Breite  von  Sui- 
tschuan (ungefähr  28  — 32  ° nördl. ) weist  auch  die  neuliche  Angabe  des 
Hauses  Gehe  & C omp.  in  Dresden4)  hin,  wonach  die  beste  Rhabarber  aus 
dem  engen  Gebirgsthale  Tschin-tschu  (Chin-chu)  in  Tibet,  2000  Werst  süd- 
lich von  Kjachta,  stammen  soll5). 

Die  Rhabarber  wird  schon  beim  Einsamrneln  grösstentheils  geschält 
und  erleidet  später  noch  weitere  Zurüstung,  so  dass  wir  auch  über  die 
äussere  Beschaffenheit  der  Wurzel  wenig  wissen.  Nach  den  Dimensionen 
einzelner  Stücke  der  Handelswaare  zu  schliessen,  muss  sie  aber  sehr  gross, 
im  wesentlichen  wohl  eine  einfache  oder  wenige  starke  Aeste  tragende 
Pfahlwurzel  von  rübenförmiger  oder  rundlich  kuolliger  Gestalt  sein,  welche 
vermuthlich  nur  von  6 — 8jährigen  Pflanzen  gewonnen  werden  kann. 

Die  Gestalt  der  zu  uns  gelangenden  Wurzel  ist  sehr  verschiedenartig, 
bald  kugelig,  bald  cylindrisch,  kegelförmig,  plauconvex,  oder  eckig,  je  nach 
der  Sortirung  und  Bearbeitung  (dem  „Mundiren“) , welche  sie,  zum  Tlieil 


D sic  lauten  bei  Pasiui,  I viaggi  di  Marc  o Polo.  Venezia  1847.  pag.  49  u.  186:  -La 
„graude  provincia  . ...e  detta  Tangut.  Per  tutte  le  sue  montague  se  trova  il  rabarbaro  in 
„graude  abbondanza,  e quivi  lo  coniperano  i inercatanti  che  lo  portano  a venderc  per  tutto  il 

„mondo“.  „Sngui  e cittä  graude  e nobilissima Quivi  si  trovano  ricchissimi  negoziauti . . . . 

„Nelle  montague  viciue  nascono  si  abbondanti  il  rabarbaro  e il  gengiovo ' 

2)  Wilhelm  von  Ruysbroek,  ein  brabantischer  Franziskauer,  von  Ludwig  dem  Heiligen 
zu  politischen  Zwecken  nach  der  Dsungarei  und  Mongolei  gesandt. 

3)  Ph.  Journ.  and  Transact.  VII-  pag.  876. 

4)  Marktbericht  1 864. 

5)  Auch  nannte  schon  Edrisi  in  der  Mitte  des  XII.  .lahrli.  Tibet  als  Vaterland  der  Rha- 
barber, was  neuerdings  wieder  durch  R.  von  Schlagiutweit  (gütige  mündliche  Mittheilung) 
bestätigt  wird. 


Radix  Rhei. 


211 


auch  noch  in  Europa,  erfahren  hat.  Gute  gewöhnliche  AVaare  pflegt  unge- 
fähr 0,10,n  in  der  Längsrichtung  zu  erreichen,  ausgezeichnete  Stücke  etwa 
das  Doppelte. 

Die  vorherrschende  Farbe  des  äussern  ist  gelb,  bei  nicht  zu  starker 
Schälung  mit  kleinern  oder  grossem  dunklern  Resten  der  Rinde.  Aus 
der  gelben  Färbung  der  Aussenfläche  treten  weisse  körnig-krystallinische 
Felder  hervor,  welche  parallel  mit  der  Axe  von  glänzenden  gelben  bis  dun- 
kelbraunrothen  Adern  oder  Streifen  durchzogen  werden.  Diese  Zeichnung 
bietet  nur  in  den  äussern  Schichten  der  AVurzel  einige  Regelmässigkeit; 
die  weisse  Grundmasse  bildet  das  Gefässbündelsystem  und  Parenchym, 
die  rothgelben  Streifen  die  Markstrahlen,  welche  sonderbarerweise , und 
für  die  Rhabarber  sehr  bezeichnend  im  Innern  der  AVurzel  weit  un- 
bestimmter verlaufen.  Ihre  Gefässbiindel  liegen  in  einem  schlaffen  dünn- 
wandigen durchaus  nicht  verholzten  Parenchym , das  auf  unregelmässige 
AVeise  von  den  äusserst  zahlreichen  schmalen  Markstrahlen  durchschnitten 
wird.  Eine  Gesetzmässigkeit  in  der  Richtung  derselben  ist  nur  im  äusser- 
sten  Basttheile  der  AVurzel,  namentlich  in  ihrer  radialen  Anordnung,  auf 
dem  Querschnitte  wahrnehmbar.  Im  Innern  aber,  oder  wo  die  AVurzel  (wie 
bei  der  moskowitischen)  tief  geschält  ist,  schon  aussen  bietet  sie  ein  wenig 
regelmässiges  Gewirre  rother  zierlich  geschlängelter  Adern  in  der  weissen 
Grundmasse,  welche  Zeichnung  mit  dem  technischen  Ausdrucke  „inarmo- 
rirt  belegt  wird.  In  der  weissen  Grundmasse  findet  man  die  grossen  Ge- 
fässe  als  Poren  schon  durch  die  Loupe  auf  dem  Bruche.  Im  Marke  sind 
auf  dem  Querschnitte  mehr  nur  rothe  und  weisse  Puukte,  als  Streifen  oder 
Strahlen  zu  unterscheiden;  das  Mark  selbst  ist  aber  nicht  scharf  abge- 
grenzt. Die  Struktur  der  Rhabarber  lässt  sich  ihrer  körnigen  Beschaffen- 
heit wegen  besser  auf  dem  frischen  Bruche  als  auf  der  Schnittfläche  über- 
sehen. Möglichst  regelmässig  cylindrische  Stücke  der  „chinesischen“  Sorte, 
welche  weniger  tief  mundirt  ist,  zeigen  auf  dem  Querbruche  dicht  unter  der 
Aussenfläche  einen  schmalen  zusammenhängenden  gelblich  schwarzen  Cam- 
biumring,  der  indessen  gewöhnlich  nicht  im  ganzen  Umfange  erhalten  ist. 
Die  rothen  Markstrahlen  durchsetzen  ziemlich  regelmässig  diesen  Ring  bis 
auf  eine  Tiefe  von  etwa  0,01  m wo  sie  sich  iu  einer  schmalen  Zone  von 
der  Beschaffenheit  des  Markes  verlieren.  Innerhalb  dieser  Zone  nun  tritt 
erst  das  eigentliche  „marmorirte“  Gewebe  auf,  das  für  die  central-asiatische 
Rhabarber  so  höchst  characteristisch  ist.  Die  weisse  Grundmasse  herrscht 
nämlich  m diesem  Gewebe  vor  und  bildet,  im  Querschnitte,  einen  helleren 
ing,  der  aber  aus  lauter  einzelnen  kleinen,  häufig  etwa  0,01 m messenden, 
übrigens  bald  grösseren  bald  kleineren  Kreisen  oder  Ellipsen  zusammen- 
gesetzt ist.  Jeder  dieser  Kreise  oder  Masern  ist  für  sich  , wenn  auch  nicht 
scharf  abgegrenzt  und  stellt  ein  besonderes  anatomisches  System  dar.  Vom 
Mittelpunkte  jedes^  Systems  aus  laufen  feine  rothe  Adern,  deren  Anzahl  oft 

die  P S°'!1Wank  ’ lYiemhch  geb°gener,  häufig  geschlängelter  Linie  gegen 
die  Peripherie,-  m deren  Nähe,  sie  sich  verlieren  und  zwar  meistens  noch 

14* 


212 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


innerhalb  der  Maser  oder  des  weissen  „Systems“,  oft  aber  auch  erst  ausser- 
halb in  dem  mehr  gleichmässigen  Markparenchym,  Dicht  um  das  Centrum 
der  Maser  oder  in  einigem  Abstande  von  demselben  zieht  sich  ein  dunkler 
Kreis,  der  sich  von  dem  weissen  Felde  scharf  abhebt  und  ganz  das  Aus- 
sehen des  Cambiums  in  der  Wurzelperipherie  besitzt.  Die  rothen  Adern 
sind  durchaus  von  gleichem  Bau  und  Inhalte  wie  die  Markstrahlen;  zwischen 
ihnen  liegen  strahlenförmige  Gefässbündel,  ausgezeichnet  durch  die  Eigen- 
tümlichkeit, dass  ihre  grossen  Netz-  oder  Ringgefässe  ausserhalb  des  Cam- 
biums, also  nur  an  der  Peripherie  des  Masersystems,  liegen.  Innerhalb  des 
Cambiums  folgt  kleinzelliges  tangential  gestrecktes  Parenchym  in  radialer 
Anordnung,  (die  benachbarten  Markstrahlenzellen  hingegen  zeigen  mehr 
radiale  Streckung)  welches  allmälig  in  rundliche  ein  wenig  verdickte  Bast- 
zellen übergeht.  Die  Spitze  des  Gefässbündels,  im  Centrum  der  Maser,  ent- 
hält oftmals  Bast  von  eigentümlich  gekrümmtem  und  gewundenem  Quer- 
schnitte, wie  er  als  „Hornbast“  unterschieden  wird.  Mit  diesem  Ringe 
von  Masersystemen  kontrastirt  das  von  demselben  eingeschlossene  Mark, 
welches  meist  ziemlich  gleichmässig  aus  kleineren  rothen  und  weissen  Par- 
tien zusammengesetzt  ist  und  nur  auf  dem  Längsschnitte  einige  Regelmässig- 
keit im  Verlaufe  der  Markstrahlen  in  grossen  Curven  wahrnehmen  lässt, 
welche  ihre  convexe  Seite  der  etwas  vertieften  Stengelnarbe  zukehren  und 
gegen  dieselbe  hin  allmälig  eine  stärkere  Krümmung  erhalten.  Als  zu 
diesem  Marke  gehörig  muss  die  schmale  Zone  betrachtet  werden,  welche 
ausserhalb  des  Maserriuges  liegt,  so  dass  also  dieser  nach  aussen  und  nach 
innen  von  demselben  Gewebe  umgeben  ist.  Er  nimmt  die  Stelle  des  Holz- 
bündelkreises anderer  dikotyler  Wurzeln  ein,  z.  B.  der  verwandten  Rad. 
Lapathi  oder  des  Rhizoma  Rhei  Monachorum  (vergl.  diese). 

Auch  auf  dem  Längsschnitte , oder  besser  auf  dem  Längsbruche  zeigen 
sich  die  Masersysteme  zwischen  dem  breiten  centraleu  Marke  und  der  äus- 
seren schmalen  Markzone  als  zusammenhängendes  eigenartiges  Gewebe 
deutlich.  Ihr  Bau  ist  aber  auf  der  Längsansicht  im  einzelnen  weuiger  klar 
und  der  Verlauf  des  ganzen  öfter  dadurch  gestört,  dass  sich  einzelne  Ma- 
sern vom  ganzen  Strange  nach  aussen  seitlich  in  Wurzeläste  abzweigen; 
auch  nach  innen  gehen  häufig  Masern  ab.  Die  grosse  Unregelmässig- 
keit ihres  Baues  ist  aber  gerade,  was  die  Rhabarber  sehr  auszeichnet.  Der 
eben  geschilderte  Bau  lässt  sich  nicht  immer  mit  aller  Bestimmtheit  ver- 
folgen und  die  Aussenfläche  wechselt  in  ihrer  Zeiclmuug  schon  mit  dem 
Grade  der  Schälung.  Ist  nur  die  Aussenriude  entfernt  (wie  bei  der  Cautou- 
Rhabarber),  so  treten  die  weissen  Streifen  oft  mit  ziemlicher  Regelmässig- 
keit mit  den  schmalen  rothgelben  Markstrahleu  wechselnd  zu  Tage.  Nur 
wenig  tiefer  aber  biegen  sich  erstere  der  Läuge  nach  und  verflechten  sich 
zu  einem  Netzwerke  mit  rhombischeu  oder  ovalen  Maschen.  Die  Mark- 
strahlen erscheinen  alsdann  in  den  Maschen  als  kurze  glänzende,  parallel 
zur  Axe  gerichtete  Strichelchen,  getrennt  durch  schmale  weisse  Streif- 
chen.  Die  spitzen  Winkel  der  rautenförmigen  Maschen  liegen  ebenfalls  im 


Radix  Rhei. 


213 


Sinne  der  Axe  nach  oben  und  nach  unten,  nicht  in  der  horizontalen  Ebene. 
Das  Flechtwerk  erscheint  auch  sehr  deutlich  in  der  dunkeln  Cambiumschicht, 
wo  diese  biosgelegt  ist. 


Die  Masersysteme  treten  bisweilen,  durch  Abzweigung  vom  Hauptstrange, 
schon  in  den  äussersten  Schichten  zu  Tage;  regelmässiger  kreisförmig  und 
weit  zahlreicher  aber  erst,  wenn  die  Wurzel  bis  auf  die  eigentliche  Maser- 
schicht geschält,  mundirt  ist,  was  bei  der  moskowitischen  Sorte  stattfindet. 

Auf  dem  Querschnitte  bemerkt  man  immer,  dass  im  Innern  die  Ver- 
hältnisse weniger  klar  sind;  die  Masern  drängen  sich  oft  mit  in  den  Kern 
zwischen  die  anastomosirenden  Gefässbündel  ein. 

Der  Bau  der  einzelnen  Gewebe  in  der  Rhabarber  ist  einfacher  als  ihre 
Anordnung.  Das  weisse  Parenchym  besteht  aus  grossen  dünnwandigen, 
kugeligen  oder  eiförmigen  Zellen,  welche  mit  Amylura  und  Krystallrosetten 
von  Kalkoxalat  gefüllt  sind. 


Die  Amylumkörner  sind  ziemlich  regelmässig  kugelig  oder  durch  gegen- 
seitigen Druck  etwas  kantig,  mit  sternförmig  aufgerissener  Centralhöhle. 
Ihr  Durchmesser  geht  bis  etwa  20  Mikromill.  Wie  bei  andern  Pflanzen- 
organen wird  auch  in  der  Rhabarber  der  Stärkegehalt  je  nach  dem  Vege- 
tationsstadium schwanken;  daher  die  abweichenden  Angaben  über  denselben. 

Die  Krystalldrusen  bestehen  aus  sehr  zahlreichen,  concentrisch-strahlig 
zu  einer  stacheligen  Kugel  von  höchstens  140  Mikromill.  Durchmesser  ver- 
einigten Krystallen.  Die  herausragenden  Spitzen  der  einzelnen  Krystalle 
sind  häufig  abgerundet;  wohl  ausgebildete  isolirte  einzelne  Gestalten  kommen 
nicht  vor.  Der  Gehalt  an  Oxalat  scheint  bedeutend  zu  schwanken.  Gute 
Canton-Rhabarber,  bei  100°  getrocknet,  gab  7,3  pC.  Kalkoxalat1).  Dieses 
im  Pflanzenreiche  so  ungemein  verbreitete  Salz  wurde  gerade  in  der  Rha- 
barber zuerst  erkannt.  Model  hatte  es  1774  für  Gyps  erklärt,  Scheele 
aber  1784  seine  wahre  Natur  („calx  saccharata“)  ermittelt,  indem  er  die 
Identität  seiner  Säure  mit  der  durch  Salpetersäure  aus  Zucker  erhaltenen 
und  der  in  Oxalis  vorkommenden  nachwies.  — Das  Oxalat  der  Rhabarber 
ist  vermuthlich  Ca24>,  02  03-f-3H24>. 

Die  Gefässbündel  bestehen  aus  sehr  grossen  (Durchm.  bis  140Mikrom  ) 

rUmmteQiRiDggefäSSei]’  ^ °der  TrePPengefässen,  umgeben  von 
Rhnbn  h duDUWandl^m  zartem  Prosenchym;  eigentliches  Holz  fehlt  der 
Rhabarber  ganz.  Selbst  die  dicksten  Stränge  von  Gefässbündeln , welche 
bisweilen  aus  dem  Bruche  herausragen,  besitzen  kein  Holz 

zarter'6  nindhch  ^ ^ ^ Breite  geWÖhnlich  nur  2 oder  3 Reihen 

R.  , . ’ ” d ch  kubiscbcr  oder  etwas  verlängerter  Zellen;  in  vertikaler 

def  R^d  ,St  die  Mächti&keit  der  deinen  Strahlen  sehr  verschie- 

tZ  JS  T T e r 6 ZeUenreihen  über  einander  gestellt,  bald  aber 
bis  hrn  ^ ifarkstrahlen  enthalten  ausschliesslich  die  hellgelben 
bis  braunrothen  Stoffe,  welche  der  Rhabarber  ihre  Farbe  verleihen.  TheUs 


*)  Auf 


moino  Veranlassung  durch  Vock  bestimmt. 


214 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


ist  dieser  gefärbte  Inhalt  in  festen  splitterigen  Klumpen  abgelagert,  theils 
aber  auch  in  halbflüssiger  Form.  Einzelne  grössere,  vollkommen  klare 
Tropfen  finden  sich  schon  aus  den  Markstrahlen  ausgetreten,  wenn  man 
zarte  Schnitte  in  Terpenthinöl  betrachtet.  Wasser  greift  den  Inhalt  der 
Markstrahlen  an  und  veranlasst  ein  Zerfallen  desselben  in  sehr  kleine 
Tröpfchen  (Körnchen?),  die  in  lebhafter  Strömung  herausgeführt  werden. 

Verdunstet  diese  trübe  Flüssigkeit  sehr  langsam  unter  dem  Deck- 
gläschen, so  zeigen  sich  da  und  dort  etwas  deutlicher  krystallinische,  doch 
immerhin  nicht  gut  ausgebildete  Splitter,  im  polarisirten  Lichte  doppelt 
brechend. 

Kali  löst  den  gefärbten  Inhalt  der  Markstrahlen  mit  prächtig  violett- 
rother  Farbe. 

Gute  Canton-Rhabarber,  bei  100°  getrocknet,  gab  mir  13,87  pC.  Asche, 
welche  überwiegend  aus  Kalkcarbonat  (82  pC.  der  Asche)  und  Kalicarbonat 
neben  wenig  Thonerde  (1  pC.  der  Asche)  und  Magnesia  bestand.  — Eine 
andere  Probe  gab  12,9  pC.  Asche,  während  die  direkte  Bestimmung  der 
Oxalsäure  (durch  Chamaeleon  titrirt)  7,33  pC.  Oxalat,  Ca2 LI,  G203,  3H-0, 
herausstellte.  An  Oxalsäure  war  also  weniger  als  die  Hälfte  des  Kalkes  ge- 
bunden, da  jene  Menge  Oxalat  nur  5 pC.  Carbonat  entspricht. 

Die  Eigenthümlichkeit  im  Baue  der  Rhabarber  liegt  nach  dem  obigen 
hauptsächlich  im  abnormen  Verlaufe  der  Markstrahlen,  welcher  nur 
in  der  Rinde,  nicht  aber  im  Innern  Regelmässigkeit  zeigt,  ferner  in  dem 
merkwürdigen  Maserringe  und  endlich  in  dem  Mangel  eigentlicher  ver- 
dickter Holzzellen  und  Baströhren. 

Geruch  und  Geschmack  der  Rhabarber  sind,  wie  bekannt,  sehr  eigen- 
thümlich.  Das  Knirschen  beim  Kauen  wird  durch  das  Kalkoxalat  und  die 
Stärke  bedingt.  In  dem  gelbrothen  Inhalte  der  Markstrahlen  hat  man 
schon  lange  den  oder  die  wirksamen  Bestandtheile  der  W7urzel  vermuthet. 
Schräder  versuchte  bereits  1807  die  Darstellung  eines  Rhabarber- 
bitters; später  wurden  nach  verschiedenen  Methoden  und  unter  mancher- 
lei Namen  dergleichen  offenbar  nicht  hinlänglich  rein  erhaltene  Stoffe 
abgeschieden  und  beschrieben,  so  von  Trommsdorff  der  Rhab arber- 
stoff,  von  Büchner  u.  Herberger  das  Rhabarberin,  von  Horne- 
mann  das  Rheumin,  von  Brandes  ein  Rhabarbergelb  oder  Rhein, 
später  die  Rhabarbersäure. 

Erst  durch  Schlossberger  u.  Döpping  wurde  1841  in  diesen 
Gemengen  wenigstens  eine  genauer  festgestellte  chemische  Verbindung, 
nämlich  die  Chr  ysophau  säure  Gl4HU)  O4  (oder  GluH803?)  erkannt, 
welche  Rochleder  u.  Heidt  in  der  Wandflechte,  Parinelia  parietiua, 
gefunden  hatten  (vergl.  auch  Rad.  Lapathi).  Sie  bildet  deu  gelben  nicht 
deutlich  krystallinischen,  zum  Tlieil  noch  flüssigen  Inhalt  der  Markstrahlen, 
ist  aber  fähig,  in  goldgelben  Nadeln  zu  krystallisircu.  Nach  Schroff’s 
Beobachtungen  an  kultivirten  Rheum- Wurzeln  scheint  die  Chrysophansäure 
ursprünglich  in  flüssigem  Zustande  in  der  frischeu  Rhabarber  vorzukommen. 


Radix  Rhei. 


215 


Sie  löst  sich  in  Aether  und  Weingeist,  nicht  aber  in  Wasser;  aus  der  Rha- 
barber jedoch  wird  sie  von  letzterem,  wie  es  scheint,  durch  Vermittelung  der 
Harze  aufgenommen.  Alkalien  lösen  die  Chrysophansäure  mit  prächtig 
dunkelrother  Farbe;  sie  lässt  sich  mit  kalihaltigem  Weingeist  oder  mit 
Benzin  am  besten  ausziehen.  Obwohl  von  grosser  Beständigkeit,  ist  die 
Chrysophansäure  doch  eine  schwache  Säure;  durch  Desoxydation  wird  sie 
entfärbt.  — Durch  das  früher  von  einzelnen  Pharmacopöen  vorgeschriebene 
Rösten  der  Rhabarber  (Rad.  Rhei  tosta)  muss  die  Chrysophansäure  theils 
sublimirt,  theils  zerstört  werden.  Bei  der  Fällung  alkoholischer  Lösungen 
des  Rhabarberextraktes  mit  Aether  erhielten  Schlossberger  u.  Döpping 
neben  der  Chrysophansäure  noch  drei  harzartige,  nicht  genauer  uutei’suchte 
Körper  Aporetin,  Phaeoretin  und  Ery throretin 1).  Das  letztere 
wird  durch  Alkalien  roth  gefärbt,  wie  die  Crysophansäure ; das  Aporetin 
scheint  ähnliche  Oxydationsprodukte  zu  geben  wie  die  Aloe,  auch  die  Chry- 
sophansäure in  naher  Beziehung  zum  Aloin  zu  stehen.  Die  früher  aus  der 
Rhabarber  dargestellten  Körper  sind  hiernach  ohne  Zweifel  Gemenge 
der  Chrysophansäure  mit  den  harzartigen  Stoffen  gewesen  und  dergleichen 
Gemenge  setzen  sich  auch  in  den  officinellen  Rhabarbertinkturen  ab.  Nach 
Schroff  ist  die  Chrysophansäure  der  purgireud  wirkende  Bestaudtheil  der 
Rhabarber.  Wegen  der  leichteren  Löslichkeit  der  in  der  Wurzel  enthaltenen 
Säure  wirkt  diese  besser  als  die  isolirte  Chrysophansäure. 

Harze  und  Chrysophansäure,  der  farbige  Inhalt  der  Markstrahlen, 
scheinen  nach  Schroffs  Beobachtung  an  kultivirten  Rheum-Arten  in  der 
frischen  Wurzel  weit  weniger  intensiv  gefärbt  zu  sein;  das  tiefere  Gelbroth 
der  Rhabarber  dürfte  demnach  zum  Theil  durch  Oxydation  bedingt  sein 
(oder  durch  Ammoniakaufuahme?).  Die  Rhabarber  enthält  ferner  beträcht- 
liche Mengen  von  Zucker,  Gummi  und  Pectin,  etwas  Gerbsäure  und  Gallus- 
säure, so  wie  eine  Spur  ätherischen  Oeles.  Aepfelsäure  konnten  Schloss- 
berger u.  Döpping  nicht  finden. 

Warren  de  la  Rue  u.  Müller  erhielten  neben  der  Chrysophansäure 
noch  einen  ähnlichen,  in  langen  rothgelben  oder  rothen  monoklinischen 
Prismen  krystallisirten  Körper,  das  Emodin.2) 

Krön  - Rhabarber. 

Rad.  Rhei  optimi.  — Rad.  Rhei  Moscowitici.  Moskowitische  oder  russische 
Rhabarber ; in  Russland  chinesische,  auch  bucharische  Rhabarber. 

Diese  Sorte  entspricht  der  obigen  Beschreibung  insofern,  als  sie  sich 
speciell  dadurch  auszeichnet,  dass  Rinde  und  Cambium  abgeschält  und 
dadurch  entweder  der  Kreis  der  Masersysteme  oder  das  zwischen  demselben 
und  dem  Cambium  liegende  Gewebe  blosgelegt  sind.  Dieses  Muudiren 
geschieht  theils  an  der  russisch- chinesischen  Grenze,  theils  in  Europa  von 

B Au  Apothema,  Absatz  erinnernd.  schwärzlich  braun.  ’Kpuüpdc  roth. 

2)  Nach  Rheum  Emodi  Wallich  (Rh.  australe  Don). 


216 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


deu  Grosshändlern.  Die  genannten  Schichten  sind  von  weniger  derber 
Textur  als  die  Rinde,  daher  eine  so  tief  geschälte  Rhabarber  etwas  locke- 
rer, leichter  und  reichlicher  gelb  bestäubt  auszufallen  pflegt. 

Die  meisten  Stücke  haben  durch  das  Schälen  ein  sehr  reines  kantiges 
Ansehen  gewonnen,  indem  dunklere  Stellen,  z.B.  beim  Austritte  der  Wurzel- 
äste, ganz  entfernt  sind.  Ausserdem  ist  diese  Sorte  gewöhnlich  mit  weiten 
tiefen  Bohrlöchern  versehen,  so  dass  auch  das  Innere  der  Wurzel  der  Prüfung 
zugänglich  ist.  Es  vereinigt  also  diese  Sorte  alle  Kennzeichen  sorgfältiger 
Auswahl  und  Behandlung  und  muss  als  die  beste  anerkannt  werden. 

Aus  hiernach  zu  erörternden  Gründen  ist  sie  unverhältnissmässig  theuer 
und  in  neuerer  Zeit  auch  je  länger  je  seltener  geworden.  Nach  Berg  ist 
sogar  die  jetzt  unter  diesem  Namen  noch  vorkommende  Sorte  abweichend 
durch  kleine  vorherrschend  rothe  Stücke  mit  geringem  oder  ganz  fehlendem 
Stärkegehalte. 

Es  ist  nach  Ritter  wahrscheinlich,  dass  die  Rhabarber  schon  im 
Alterthum  aus  Tangut  nach  dem  Abendlande  gelangte.  Er  bezieht  dar- 
auf die  Angabe  von  Ammianus  Marcellinus,  welcher  einer  Wurzel  er- 
wähnte, die  am  Rha- Flusse  (Wolga)  wachsen  sollte,  wohl  eher  nur  über 
denselben  eingeführt  wurde;  dann  die  Rhacoma- Wurzel,  die  nachPlinius 
aus  den  Hochländern  im  Gebiete  des  Schwarzen  Meeres  (Pontus)  gebracht 
werde,  daher  auch  Radix  pontica  oder  Rha  ponticum  hiess  und  endlich 
auch  das  Rha  barbarum.  Andere  halten  diese  Wurzel,  auch  das  Rha, 
Rhaeon  oder  Rheion  des  Dioskorides  für  unsere  Radix  Rhapontici  und  glau- 
ben, die  wahre  Rhabarber  sei  erst  im  X.  Jahrhundert  durch  die  Araber  im 
Abendlande  bekannt  geworden.  Hierfür  spräche  auch  der  Umstand , dass 
Dioskorides  der  Rha-Wurzel  nur  adstringirende,  nicht  purgirende  Wirkung 
zuschreibt. 

Nach  Ritter  aber  deutet  die  doppelte  Benennung  Rha  barbarum  und 
Rha  ponticum  nur  auf  die  beiden  Handelsstrassen,  welche  im  Alterthum 
die  chinesischen  Produkte  nach  Westen  einschlugen,  nämlich  entweder 
durch  das  Indusland  und  das  Rothe  Meer  nach  Alexandria  oder  zweitens 
durch  die  wüsten  Steppen  Hochasiens  über  Jarkand,  Kaschgar,  das  Gebiet 
des  Oxus  (Amu-Darja-Flusses)  und  das  Caspische  Meer  nach  dem  Schwar- 
zen Meere. 

Von  den  Berbern  am  Eingänge  des  Rothen  Meeres  oder  einer  Nieder- 
lassung derselben  am  Indus  habe  die  Rha-Wurzel  auf  ihrer  südlichen  Reise 
den  Beinamen  „barbarum“  erhalten,  auf  der  nördlichen  Karawanenstrasse 
nach  dem  Schwarzen-Meere  (Pontus)  dagegen  hiess  sie  Rha  ponticum1). 
Der  Bezug  der  Rhabarber  auf  der  südlichen  Handelsstrasse  scheint  später 
ganz  aufgehört2)  zu  haben  und  die  nördliche  Handelsbewegung  wandte  sich 


1)  Neumann  hält  diese  Ableitungen  des  Wortes  Rhabarber  nicht  für  richtig. 

2)  noch  um  das  Jahr  700  finden  wir  Rheubarbarus  bei  Benedictus  Crispus,  Erz- 
bischof von  Mailand  wenigstens  besungen. 


Radix  Rhei. 


217 


vom  Schwarzen  Meere  ab,  noch  mehr  nordwärts  durch  Sibirien  über  To- 
bolsk  nach  Moskau,  von  wo  jedenfalls  seit  Anfang  des  XVI.  Jahrhunderts, 
vermuthlich  aber  schon  viel  früher,  die  Rhabarber  in  den  europäischen  Han- 
del gelaugte.  Sie  nahm  jetzt  ihren  Weg  von  Tangut  ebenfalls  durch  die 
Steppen  der  hohen  Gobi  aber  gerade  nordwärts,  wo  z.  B.  um  1719  Urga 
am  Nordrande  dieser  Wüste  als  Hauptumsatzplatz  für  Rhabarber  genannt 
wird.  Von  jeher  erscheinen  bucharische  Kaufleute  als  Vermittler  des  Ge- 
schäftes; niemals  besorgten  die  Producenten  selbst  die  Ausfuhr  der  Wurzel. 
Durch  die  Grenzbereinigung  von  1728  wurde  vertragsmässig  zwischen 
Russland  und  China  eine  sorgfältig  bewachte  Zollinie  festgestellt,  wodurch 
der  früher  uubeschränkte  internationale  Verkehr  auf  der  ganzen  ungeheu- 
ren Linie  nur  den  Regierungskaravanen  und  nur  an  zwei  Punkten,  Kjachta, 
südöstlich  vom  Baikal-See,  und  Zuruchaitu , südlich  von  Nertschinsk,  ge- 
stattet wurde.  Der  letztere  Platz  ist  ohne  Bedeutung  geblieben , Kjachta 
hingegen  und  der  ihm  gegenüber  liegende  chinesische  Posten  Maimaitschin 
(allgemeine  chinesische  Bezeichnung  für  geschlossene  Handelsplätze)  wur- 
den dadurch  die  ausschliesslichen  Stapelorte  der  Rhabarber. 

Diese  Wurzel  hatte  die  russische  Regierung  schon  1687  und  1697  un- 
ter besondere  Aufsicht  genommen  und  monopolisirte  sie  seit  1704  vollstän- 
dig. Die  von  der  Krone  ausgerüsteten  Karavanen  allein  brachten  von 
Kjachta  auch  die  Rhabarber  nach  Moskau,  bis  1762  der  Karavaneuhandel 
vorübergehend  frei  gegeben  wurde.  Erst  seit  dieser  Zeit  wurde  die  Aus- 
fuhr der  Rhabarber  bedeutend,  obwohl  die  1736  angeordnete  amtliche  Kon- 
trolle derselben  fortdauerte.  Diese  wurde  für  die  von  der  Krone  gekaufte 
Wurzel  an  der  Grenze  selbst,  für  die  übrige  zu  Kjachta  in  einem  eigenen 
Rhabarberhofe,  Brake  oder  Kaufhause,  gemäss  besonderer  Iustruktion  des 
russischen  Kriegsministeriums,  zu  dessen  Ressort  der  Rhabarberhandel  ge- 
hörte, durch  einen  von  der  Regierung  auf  sechs  Jahre  ernannten  Apotheker 
gehandhabt  und  hatte  zum  Zwecke,  alle  unansehnlichen,  verdorbenen  oder 
gar  fremdartigen  Stücke  zu  beseitigen,  die  ausgewählten  vollends  zu  schä- 
len, zu  säubern  und  anzubohren  oder  entzwei  zu  brechen.  Hierauf  wurde 
die  sehr  hygroskopische1)  Waare  sorgfältig  getrocknet,  da  sie  äusserst  leicht 
schimmelte,  kunstvoll  in  Kisten  verpackt,  diese  in  Leinwand  eingenäht  und 
mit  Harz  und  Häuten  vollends  wasserdicht  gemacht.  Es  wurden  jeweilen 
nur  Quantitäten  von  40000  Pfund,  einmal  jährlich  im  Winter,  über  den 
Baikal  und  Irkutsk  nach  Moskau  abgefertigt,  von  wo  sie  in  streng  chrono- 
logischer Reihenfolge  nach  Petersburg  gingen  und  an  die  Krön -Apotheken 
abgegeben,  zum  Theil  auch  an  Drogisten  verkauft  wurden. 

0 Naclx  Ca  lau  s Angabe  so  hygroskopisch,  dass  sie  drei  Tage  vor  Regenwetter  feucht 
und  weich  werde!  Gute  Rhabarber,  als  Pulver  mit  nicht  besonderer  Sorgfalt  aufgehoben, 
ergab  mir  nach  vollständigem  Trocknen  bei  100°  C.  nur  9,65  pC.  Verlust  und  zog,  U Tage 
lang  frei  der  feuchtesten  Herbstluft  ausgesetzt,  genau  so  viel  Feuchtigkeit  wieder  an.  Also  er- 
scheint die  Rhabarber  durchaus  nicht  mehr  hygroskopisch  als  andere  Pflanzenpulver,  sondern 
eher  weniger. 


218 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 

Wir  verdanken  diese  Berichte  hauptsächlich  einem  solchen  für  die  Rha- 
barber- Untersuchungen  angestellten  Apotheker  Oalau  (1842),  welcher 
längere  Zeit  in  Kjachta  lebte.  Staatsrath  v.  Schröders1)  gab  1864  eine 
aktenmassige  Darstelhmg  des  Ganges  dieser  merkwürdigen  handelspoliti- 
schen M assregpln  der  russischen  Regierung.  Cal  au  hatte  sich  alle  Mühe 
um  die  Rhabarberpflanze  selbst  und  um  genauere  Nachrichten  darüber  ge- 
geben. Erstere  zu  erlangen  war  ihm  infolge  chinesischer  Verbote  unmög- 
lich, wie  schon  dem  1791  — 1798  zum  gleichen  Zwecke  von  der  Regierung 
ausgesandten  Sievers,  welcher  Rhabarberpflanzen  in  Menge  traf  und  mit- 
nahm,  aber  nicht  die  wahren.  Bis  auf  den  heutigen  Tag  ist  die  Rheum-Art, 
welche  die  ächte  Rhabarber  liefert,  uns  unbekannt.  Die  bucharischen 
Kaufleute,  welche  allein  kontraktmässig  der  russischen  Behörde  Rhabarber 
nach  Kjachta  lieferten,  bestätigten  Calau  ganz  die  oben  angegebenen  Be- 
richte über  die  Herkunft  der  Rhabarber,  wie  sie  auch  Pallas  1770  in 
Erfahrung  gebracht  hatte.  Die  Wurzel  werde  im  Sommer  gesammelt, 
schon  ziemlich  stark  beschnitten,  an  Fäden  gereiht  in  der  Sonne  getrocknet 
und  im  Herbste  nach  Siniug  gebracht,  das  immer  noch,  also  seit  Jahrhun- 
derten Mittelpunkt  dieser  Produktion  war. 

So  lange  China  seine  Häfen  verschlossen  hielt,  kam,  bis  1781,  nur 
über  Russland  Rhabarber  nach  Europa.  Es  konnte  aber  bei  den  Unan- 
nehmlichkeiten der  russischen  Kontrolle  und  dem  ausserordentlich  lang- 
wierigen Landtransport  nicht  ausbleiben,  dass  die  Chinesen  ihrer  Waare 
doch  allmälig  einen  leichteren  Absatzweg  zu  eröffnen  lernten,  namentlich 
da  Russland  seine  Ansprüche  mit  übertriebener  Strenge  durchsetzte,  und 
sogar  1860  noch  auf  einmal  den  Chinesen  6000  Pfund  Rhabarber  als  zu 
klein  verbrennen  liess.  Schon  seit  dem  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts 
bahnte  sich  zunächst  die  in  Kjachta  verworfene,  bald  aber  auch  andere,  gut 
beschaffene  Wurzel  den  Weg  nach  den  einzigen  damals  offenen  Häfen  Chi- 
nas, Canton  und  Macao.  Dass  in  neuerer  Zeit  China  noch  mehr  Häfen  dem 
Auslande  erschloss,  musste  bedeutend  auf  den  Verkehr  in  Kjachta  drücken, 
und  als  seit  1852  der  grosse  Aufstand  im  Innern  China  s wüthete,  hörte 
dort  aller  Handel  auf.  Russland  liess  deshalb  1855  grosse  Erleichterungen 
eiutreten,  nur  nicht  in  der  Rhabarberbrake,  zog  1860  die  Zollstätte  nach 
Irkutsk  zurück  und  erklärte  Kjachta  zum  „Freihafen“,  indem  durch  den 
Vertrag  mit  China  vom  November  1860  alle  Verkehrsbeschränkuugen  von 
Seiten  dieses  Reiches  fallen  mussten.  Aber  die  Massregelu  der  russischen 
Regierung  unterdrückten  den  Rhabarberhandel  gänzlich.  Die  Chinesen 
Hessen  der  Wurzel  nicht  mehr  die  erforderliche  Zeit  zur  vollen  Ausbildung, 
um  der  vermehrten  Nachfrage  zu  genügen,  während  die  Russen  ihre  An- 
sprüche mit  der  äussersten  Strenge  festhielten.  So  wurde  denn  seit  1860 
gar  keine  Rhabarber  mehr  nach  Kjachta  geliefert,  weder  an  die  Krone,  noch 
an  Privatleute,  und  1863  folgte  die  Aufhebung  der  Brake,  so  dass  fortan 


!)  Wiggers  Jahresb.  1864,  S.  36 — 41,  aus  Pb.  Zeitscbr.  f.  Russld. 


Radix  Rhei. 


219 


die  Kron-Rhabarber  der  Geschichte  angehört  und  nur  noch  in  Sammlungen 
vorkömmt.  Russland  wird  daher  jetzt  die  Canton-Waare  zulassen  müssen. 
Trotz  der  Zollschranken  hat  sich  immer  auch  eine  geringere  Menge  Rha- 
barber auf  freiem  Wege  Eingang  nach  Russland,  nicht  nach  dem  übrigen 
Europa,  zu  verschaffen  gewusst.  So  namentlich  durch  die  Gegenden  süd- 
östlich vom  Aralsee,  aus  Taschkend  und  Buchara  über  Chiwa,  vielleicht 
auf  dem  früher  erwähnten  uralten  Landwege.  Es  ist  nicht  erwiesen,  dass 
diese  Waare  mit  der  über  Kjachta  gehenden  identisch  ist,  welchei  die 

Taschkend- Sorte  wenigstens  gleicht,  nur  weniger  ansehnlich  ist,  wäh- 
rend die  Bucharische  Rhabarber  schwammig,  leichter  und  dunkler 
als  die  Kron-Rhabarber  geschildert  wird  und  nach  Fero  bestimmt  eine 
eigene  Sorte  ist. 

Canton  - Rhabarber. 

Rad.  Rhei  cliinensis.  Chinesische,  ostindische  Rhabarber. 

Die  aus  chinesischen  Häfen  ausgeführte  Waare,  welche  früher  auch  je 
nach  den  Vermittlern  dieses  Seetransports  als  holländische,  dänische 
oder  englische  Rhabarber  bezeichnet  wurde,  jetzt  allgemein  chine- 
sische heisst,  obwohl  der  nordwärts  zu  Lande  ausgeführten  eben  so  gut 
diese  Benennung  zukäme.  Sie  wird  iu  Kisten  von  je  130  Pfund  verpackt,  die 
mit  Blech  ausgeschlagen  sind.  Diese  Sorte  entspricht  der  allgemeinen  Charak- 
teristik der  Rhabarber  mit  der  Einschränkung,  dass  an  ihr  eine  weit  gehende 
Beschneidung  und  ein  ausgiebiges  Anbohren  vermieden  ist,  so  dass  sie  mehr  die 
natürliche  Gestalt  der  Wurzel,  doch  immerhin  nur  mit  Resten  der  dunkeln 
Aussenrinde,  behalten  hat,  daher  weniger  eckig  ist.  Das  Cambium  und  die 
Bastschicht  (Innenrinde)  sind  meist  erhalten,  daher  diese  Sorte  im  Allgemeinen 
etwas  härter  und  weniger  bestäubt  zu  sein  pflegt  als  die  Kron-Rhabarber.  Das 
Bohrloch  ist,  wenn  vorhanden,  nur  eben  zum  Durchziehen  eines  starken 
Bindfadens  behufs  des  Trocknens  weit  genug,  übrigens  oft  schwärzlich. 

Je  nach  dem  geringeren  oder  stärkeren  Schälen  unterscheidet  man  hier, 
ungenau  genug,  ganz,  dreiviertel  und  halb  mundirte  Waare.  Ihre  Gestalt 
ist  bald  kugelig,  eiförmig,  bald  cylindrisch,  plan  convex,  konisch  oder  platt, 
die  Qualität  (Färbung)  sehr  wechselnd.  Häufig  sind  Stücke  von  gutem 
Aussehen  innen  schwarz  und  hohl  (kernfaul). 

Bau  und  Inhalt  der  Canton -Rhabarber  stimmen  nach  dem  Urtheile  der 
Meisten  mit  dem  der  Kron-Rhabarber  überein , wenn  man  der  offenbar  weit 
sorgsameren  Auswahl  und  Behandlung  der  letzteren  Rechnung  trägt.  Dass 
das  weisse  Netzwerk  an  der  Oberfläche  der  Canton-Sorte  weniger  Treppen- 
gelasse enthält  als  die  Moskowitische , erklärt  sich  aus  der  verschiedenen 
Natur  der  entblössten  Gewebe.  Bei  ersterer  ist  es  die  dem  Baste  entspre- 
chende Inneurinde,  welche  freilich  nur  kurze,  nicht  verdickte,  undeutlich 
poröse  Prosenchymzellen  und  nicht  eigentliche  Baströhren  enthält.  Im 
Innern  aber  besitzt  das  weisse  Gewebe  beider  Sorten  dieselben  Gefässbündel 


220 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 

mit  weiten,  schon  durch  die  Loupe  sichtbaren  Treppengefässen.  Die  durch- 
schnittlich mehr  ins  Rothe  ziehende  Farbe  der  Krön -Rhabarber,  welche 
bei  der  Vergleichung  des  Pulvers  beider  Sorten  hervortritt,  dürfte  wohl 
auch  nur  von  der  geringem  Auswahl  und  Sorgfalt  abzuleiten  sein , welche 
auf  die  Cauton-Sorte  verwendet  wird. 

Berg  dagegen  hält  die  hervorgehobenen  Unterschiede  dieser  beiden 
Sorten,  namentlich  auch  den  (nach  seiner,  von  Anderen  nicht  bestätigten 
Erfahrung)  geringen  Stärkegehalt  der  Moskowitischen  und  ihre  tiefer  ge|J>- 
rothe  Färbung  für  wesentliche  Merkmale  und  glaubt,  dieselben  gehören 
nicht  derselben  Pflanze  an.  Es  ist  indessen  nicht  zu  übersehen,  dass 
Berg  eine  Krön- Rhabarber  vorlag,  welche  er  von  der  früher  gewohnten 
abweichend  fand. 

Cal  au  berichtet,  dass  von  Sining  aus  Rhabarber  nicht  nur  nach 
Kjachta , sondern  auch  südlich  nach  Canton  und  Macao,  so  wie  nach  Pe- 
king versandt  werde,  was  von  Göbel  bestätigt  ist  und  für  den  gleichen 
Ursprung  beider  Sorten  spricht.  — Zur  Sommerszeit  bringen,  nach  Neu- 
mann1), die  Küstenbewohner  um  Schanghai  grosse  Massen  Eis  nach  dem 
Binnenlande  und  tauschen  dafür  Rhabarber  und  Thee  ein. 

Jedenfalls  ist  ein  absolut  höherer  Werth  der  Kronrhabarber  nicht  nach- 
gewiesen und  die  beste  Canton- Waare  derselben  gleich  zu  achten.  Der 
von  jeher  sehr  viel  höhere  Preis  der  dureh  Sibirien  ausgeführten  hat  sei- 
nen Grund  in  den  oben  erwähnten  Umständlichkeiten  in  Kjachta  und  der 
ungeheuren  Landreise. 

Diesen  Verhältnissen  entsprechend , ist  bereits  seit  kurzem  durch  die 
Macht  der  freien  Handelsbewegung  die  Kronrhabarber  zu  rein  historischer 
Bedeutuug  herabgedrückt  worden. 

An  Vermuthungen  über  die  Stammpflanze  der  Rhabarber  hat  es  nicht 
gefehlt.  Kein  urtheilsfähiger  Reisender  hat  der  Einsammlung  der  Wurzel 
beigewohnt  und  alle  Rheum-Arten,  die  man  sich  aus  Sibirien  und  dem  mitt- 
leren Hochasien  verschaffen  konnte,  haben  bei  uns  Wurzeln  getrieben,  welche 
mit  der  Rhabarber  nicht  übereinstimraten  (Vergl.  Rad.  Rhapontici).  So 
namentlich  Rheum  palmatuni  L.,  Rh.  undulatum  L.,  Rh.  compactum  L., 
die  der  Reihe  noch  als  Stammpflanzen  galten.  Die  beiden  ersteren  gingen 
aus  Samen  auf,  welche  die  russische  Regierung,  schon  um  die  Mitte  des 
vorigen  Jahrhunderts,  von  bucharischen  Händlern  als  Samen  der  ächten 
Pflanze  erhalten  hatte.  Aber  alle  auf  Geheiss  der  Regierung  z.  B.  1752, 
1777,  1791,  1795,  1811  in  Südsibirien  bei  Kolywan,  Krasnojarsk  u.  s.  w. 
unternommenen  Culturversuche  ergaben  keine  ächte  Rhabarber. 

Zu  Anfang  dieses  Jahrhuuderts  fanden  die  englischen  Botaniker  auch 
im  Himälaya  und  in  Tübet  mehrere  Rheum-Arten,  denen  man  ebenfalls  un- 
sere Droge  zuschrieb. 

Grosses  Aufsehen  machte  besonders  (seit  1826)  Rheum  australe  Don 


R Ostasiatische  Geschichte  S.  62  (Lpzg.  1861). 


Radix  Rhapontici. 


221 


(Rh.  Emodi1)  Wallich),  worin  man  die  wahre  Rhabarberpflanze  erkennen 
wollte.  Aber  auch  diese  liefert  nicht  die  officinelle  Wurzel. 

Eine  Himalaya-Rhabarber,  wovon  Pereira  ein  einziges  Mal  (1844) 
auf  dem  englischen  Markte  einen  kleinen  Posten  traf,  zeigte  sich  wenig  der 
ächten  ähnlich. 

Verfälschungen  und  Verwechslungen  der  Rhabarber  sind  nicht  leicht 
möglich,  wenn  der  frische  Bruch  der  Wurzel  untersucht  wird.  Der  unregel- 
mässige Bau  und  die  Masern  unterscheiden  sie  auch  von  den  sonst  nicht 
ganz  unähnlichen  in  Europa  gewachsenen  Wurzeln  der  uns  bis  jetzt  be- 
kannten Rheum-Arten  (siehe  Rad.  Rhei  europaei).  Dagegen  finden  sich 
häufig  in  den  geringeren  Sorten  asiatischer  Rhabarber  Stücke,  welche  im 
Innern  hohl  und  augefault  sind ; sehr  oft  werden  sie  auch  von  kleinen 
Käferchen,  Sinodendron  pusillum  Kirb.  (Lucanidae,  Schröter.)  angefressen. 

Radix  Rhapontici. 

Rad.  Rhei  sibirici.  Rhapontik.  Rhapontic. 

Rhenm  Rhaponticum  L.  — Polygoneae. 

Syn.:  Rheum  undulatum  und  Rh.  sibiricum  Pallas  (non  Linne). 

Diese  dem  Linne’schen  Rheum  undulatum  ähnliche  Art  wächst  in  den 
Gebirgen  des  oberen  Jenissei,  im  Altai,  im  südlichen  Ural,  an  der  Wolga- 
Mündung,  in  den  südkaspischen  Gebirgen,  in  Chorassan,  am  Schwarzen 
Meere  und  wird  häufig  gebaut.  Ihre  fleischige  Wurzel  ist  vielköpfig,  schwä- 
cher als  die  Rhabarber  und  kömmt  nur  geschält  in  den  Handel  als  meistens 
cylindrische,  oft  gekrümmte,  bis  0,10“  lange  und  0,02“  dicke  Stücke  von 
rhabarberähnlichem,  doch  matteren  Aussehen.  Sie  tragen  der  Länge  nach 
breite  und  tiefe  durch  Einschrumpfung  entstandene  Runzeln. 

Auf  dem  Querschnitt  nimmt  man  wie  bei  der  Canton-Rhabarber  einen 
feinen  dunkelen  Cambiumring  wahr  und  dieselbe  weisse  von  zahlreichen 
sehr  schmalen  Markstrahlen  durchzogene  Grundmasse.  In  der  Rhapontik 
aber  vei laufen  die  Markstrahlen  vollkommen  regelmässig  und  lassen  sich 
ununterbrochen  bis  in  das  Centrum  verfolgen,  ohne  durch  Masern  gestört 
zu  sein.  Dagegen  zeigen  sich  auf  dem  Querschnitte  wenigstens  2 nicht  sehr 
deutliche  weitläufige  Kreise  von  Gefässen,  von  welchen  eine  grössere  An- 
zahl im  Centrum  zusammengestellt  ist.  Ausserdem  sind  die  Gefässbündel 
sehr  zerstreut  und  enthalten  kein  eigentliches  Holz.  Die  einreihigen  Mark- 
stiahlen  erscheinen  auf  der  Aussenfläche,  im  tangentialen  Längsschnitte, 
m kurzen  Adern  oder  mehr  nur  punktförmig;  das  weisse  Gewebe  herrscht 
meistens  vor  und  bildet  nicht  das  zierliche  Netzwerk  wie  in  der  Rhabar- 
er,  indem  die  Gefässbündel  parallel  laufen,  nicht  anastomosiren.  Die 
Rhapontik  ist  mehr  schwammig  als  körnig,  etwas  biegsam. 

L Emodus  hiess  bei  Ptolemaeus  ein  Theil  des  Himilaya. 


222 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


Von  diesen  Unterschieden  abgesehen,  gleicht  der  Bau  und  Inhalt  der 
Rhapontik  ganz  dem  der  Rhabarber,  deren  Geruch  und  Geschmack  sie 
auch,  jedoch  in  geringerem  Masse  besitzt.  Die  chemischen  Bestand- 
theile  scheinen  dieselben,  nur  in  auderen  Verhältnissen  zu  sein;  Pektin, 
Zucker  und  Gerbstoff  walten  vor.  Das  in  dieser  Wurzel  von  Hornemann 
angegebeue  Rhaponticin  ist  ohne  Zweifel  Chrysophansäure  verunreinigt 
durch  die  auch  in  der  Rhabarber  enthaltenen  harzartigen  Bestandtheile. 

Es  ist,  wie  bei  Rad.  Rhei  erwähnt,  nicht  sicher  ermittelt,  ob  die  Alten 
unter  den  Namen  Rha  ponticum  unsere  heutige  Rhabarber  oder  nur  die 
Wurzel  des  Rheum  Rhaponticum  gekannt  haben.  Jedenfalls  wurde  in 
Deutschland  im  XVI.  Jahrhundert  die  ächte  Rhabarber  bestimmt  als  Rha 
barbarum  vom  Rha  ponticum  unterschieden. 

Das  letztere  ist  einer  geringen  Rhabarber  gleich  zu  achten ; seit  aber 
durch  den  Fortschritt  der  Handelsbeziehungen  die  ächte  Rhabarber  billiger 
geworden  ist,  hat  auch  die  Rhapontik  und  andere  Surrogate  ihre  Bedeutung 
fast  ganz  verloren.  In  Persien  dient  sie  noch  heutzutage  viel  statt  der  chi- 
nesischen Rhabarber. 

Anhang:  Radix  Rhei  europaei. 

Seitdem  Rheum-Arten  nach  Europa  gelaugten,  in  denen  man  anfangs 
die  Stammpflanzen  der  Rhabarber  vermuthete,  hat  man  sich  in  Europa 
da  und  dort  mit  dem  Anbau  derselben  und  des  Rheum  Rhaponticum 
befasst.  So  kultivirte  Apotheker  Hayward  seit  1777  bei  Banbury  in 
Oxfordshire  in  grösserem  Massstabe  Rheum  Rhaponticum  und  zog  daraus 
eine  der  oben  beschriebenen  asiatischen  Rhapontik  ähnliche  Wurzel.  Diese 
Kultur  wrird  noch  jetzt  fortgesetzt;  die  Londoner  Ausstellung  von  1862 
hatte  schön  präparirte  der  russischen  Rhabarber  äusserlich  ähnliche  Wurzel 
von  dort  aufzu weisen. 

Weit  allgemeiner  aber  wird  diese  Pflanze,  wenn  auch  nicht  im  grossen, 
ihrer  sehr  angenehmen  säuerlich-süss  schmeckenden  starken  saftigen  Blatt- 
stiele wegen  gebaut,  welche  wie  Obst  zubereitet  und  genossen  werden.  Sie 
enthalten  in  sehr  ansehnlicher  Menge  saures  äpfelsaures , citronsaures  und 
oxalsaures  Kali,  so  wie  Zucker,  welcher  sie  auch  zur  Darstellung  einer  Art 
Obstwein  geeignet  macht. 

Aehnliche  Kulturversuche  sind  auch  mit  Rheum  australe  Don,  Rh. 
compactum  L.,  Rh.  hybridum  Murray  (Bastard  von  Rh.  Rhaponticum  L. 
und  Rh.  palmatum)  Rh.  palmatum  L.,  Rh.  undulatum  L.  angestellt  wor- 
den. Immer  aber  hat  man  nur  Wurzeln  vom  Charakter  der  Rad.  Rhapou- 
tici  erhalten,  die  sich,  wie  dort  angegeben,  bestimmt  von  der  Rhabarber 
unterscheiden,  wenn  es  auch  gelingt,  ihnen  für  den  ersteu  Blick  das  An- 
sehen letzterer  zu  gebeu.  Zeigen  sie  auch  bisweilen  äusserlich  einige  der 
oben  ausführlich  beschriebenen  „Maseru“  au  der  Austrittsstelle  der  Wutzel- 
äste,  so  fehlt  doch  ein  eigentlicher  ausgebildeter  Maserriug  im  Innern,  und 
diese  Masern  zeigen  sich  dadurch  verschieden,  dass  sie  innerhalb  des  Cam- 


Rliizoma  Rhei  Monachorum. 


223 


biums  Gefässe  enthalten.  — Schroff  hat  zwar  einen  solchen,  völlig  über- 
einstimmend mit  Rad.  Rhei  moscowit. , einmal  an  knltivirter  Wurzel  von 
Rheum  palmatum  wahrgenommen,  so  dass  Wiggers  darin  eine  Stamm- 
pflanze der  ächten  Rhabarber  vermuthet,  die  aber  nur  in  ihrer  Heimat  die 
gewohnte  Handelswaare  zu  entwickeln  vermöge. 

Mit  besonderer  Vorliebe  wird  in  Oesterreichs  Gebirgsländern  schon  seit 
1775  diese  Pseudo -Rhabarber -Kultur  betrieben;  die  österreichische  Phar- 
macopöe  von  1812  (später  aber  nicht  mehr)  hatte  sogar  eine  Rad.  Rhei 
austriaci  neben  der  asiatischen  aufgenommen. 

In  Mähren  (Austerlitz  und  Auspitz)  wird  jetzt  noch  Rheum  compactum 
gebaut,  in  Ungarn  (Ilmitz,  Kremnitz,  Frauenkirchen)  Rheum  Rhaponticum, 
das  hier  eine  weit  dunklere,  vorherrschend  rothe,  mehr  rhabarberähnliche 
Wurzel  liefert  als  die  englische.  Einen  neuen  Aufschwung  nahm  in  Schle- 
sien durch  den  Apotheker  Johauny  in  Bielitz  diese  Kultur,  als  1840  der 
österreichische  Gewerbeverein  einen  Preis  darauf  setzte.  Hier  wurde  Rheum 
australe  Don  vorgeschrieben,  welche  Johanny  in  so  grossem  Masstabe 
baute,  dass  er  40  Centner  Wurzeln  erhielt,  welche  porös,  sehr  locker,  von 
schwachem  Rhabarber-Gerüche  waren,  sich  im  Geschmacke  aber  mehr  der 
Rhabarber  näherten. 

Auch  in  Norwegen,  kommen  die  genannten  Rkeurn-Arten  noch  bis  70° 
N.  Br.  gut  fort,  werden  aber  mehr  der  Blattstiele  wegen  gezogen. 

Frankreich  dagegen  erzeugt  immer  noch  ansehnliche  Mengen  der  so- 
genannten Rad.  Rhei  gallici,  äusserlich  achter  Rhabarber  oft  sehr  ähnlich, 
vorzüglich  in  der  Gegend  von  Paris,  im  Dept.  du  Morbihan  und  in  der  Pro- 
vence, meist  von  Rheum  Rhaponticum. 

Die  Bedeutung  aller  dieser  europäischen  Rhabarber-Kulturen  ist  jedoch 
nui  lokal.  Ihre  Produkte  finden  hauptsächlich  in  der  Veterinärmedicin  Ver- 
wendung und  sind  von  den  Pharmakopoen  nicht  zugelassen. 


Rliizoma  Rhei  Monachorum. 

Radix  seu  caudex  Rhei  Monachorum.  Mönchsrhabarber.  Rhubarbe  des 
moines.  Fausse  Rhubarbe.  Faux  Rhapontic. 

Rum  ex  alpiuus  L.  — Polygoneae. 


gasreichen  gedüngten  Stellen  der  Alpen,  besonders  in  der  Nähe  der 
Ställe,  auch  im  Kaukasus,  iu  Menge  wachsend. 

Der  graubraune  fleischige  vielköpfige  und  verzweigte  Wurzelstock  ist  etwas 

? a AgnoImC  d’  an  der  Spitze  mit  röthlichen  Blattscheiden  besetzt,  in  starke 
bis  0,025  breite  und  kaum  halb  so  dicke,  bis  0,30m  lange  Aeste  getheilt, 
welche  auf  der  oberen  Seite  durch  feine  Zasern  und  durch  die  Reste  der 
Blattscheideu  oder  ihrer  dunkelbraunen  Gefässbündel  dicht  geringelt  und 
fast  filzig  sind  Auf  der  unteren  Seite  treten  diese  ringförmigen  Leistchen 
neben  zahlreichen  tiefen  Längsfurchen  und  Runzeln  weniger  hervor ; aussei- 


224 


Wurzelbil düngen  der  Dikotylen. 


dem  ist  die  Unterseite  des  Wurzelstockes  und  seiner  Aeste  mit  unregel- 
mässig gestellten,  bis  0,005“  dicken,  längsstreifigen  hellbraunen  Wurzeln 
oder  gewöhnlich  nur  noch  mit  ihren  Narben  besetzt. 

Die  Aeste  des  Rhizoms  kriechen  in  wellenförmigem  Verlaufe  etwas  auf 
und  abwärts  gebogen , ziemlich  horizontal  fort.  Die  käufliche  Waare  be- 
steht fast  nur  aus  den  von  Nebenwurzeln  und  Blattstielen  befreiten  Aesteu 
des  Wurzelstockes.  Der  schön  gelbe,  flach  elliptische  Querschnitt  zeigt  in 
geringem  Abstande  von  der  schmutzig  schwärzlichgrauen  Aussenrinde  einen 
schmalen  geschlossenen  Ring  dunkler  Gefässbündel , von  denen  das  breite 
Mark  ganz  frei  ist. 

Inhalt  und  Form  der  Gewebe  stimmt  im  wesentlichen,  von  der  ganz 
verschiedenen  äusseren  Erscheinung  abgesehen,  mit  Rad.  Lapathi  übereiu; 
doch  sind  die  Baströhren  des  Rumex  alpiuus  kleiner,  aber  zu  grösseren, 
oft  bogenförmigen  Gruppen  vereinigt,  welche  durch  lange  Keile  von  Bast- 
prosenchym  von  den  weit  abstehenden  Holzbündeln  getrennt  sind.  Seltener 
treten  vereinzelte  Baströhren  in  der  Rinde  auf. 

Die  Krystallrosetten  sind  sehr  gross  (bis  60  Mikromill.),  das  Amylum 
etwas  kleiner  als  in  Rad.  Lapathi.  Geschmack  ähnlich,  doch  schärfer  als 
bei  der  ebengenannten;  Bestaudtheile  dieselben. 

Im  Mittelalter,  wo  die  Schwierigkeit  der  Handelsverbindungen  das 
Bestreben  hervorrief,  für  theuere  ausländische  Arzneistoffe  einheimischen 
Ersatz  zu  suchen , verfiel  man  mit  richtigem  Instinkt  auch  auf  Rumex  alpi- 
nus  als  Surrogat  der  Rhabarber.  Die  Kultur  desselben  fand  häufig  in  Kloster- 
gärten statt.  Heutzutage  dient  das  Rhizom  nur  noch  in  der  Veteriuärpraxis. 

Dem  beschriebenen  Wurzelsystem  gleicht  das  des  südeuropäischen,  in 
Gärten  auch  bei  uns  gepflanzten  Rumex  Patientia  L. ; vielleicht  ursprüng- 
lich die  eigentliche  „ Mönchsrhabarber“. 

Radix  Lapathi. 

Radix  Lapathi  acuti  s.  Oxylapathi.  Grindwurzel.  Rhubarbe  sauvage. 

Rumex  obtusifolius  L.  — Polygoneae. 

Diese  durch  Europa,  Nordasien,  den  Himalaya,  Westafrika  (Camerun) 
und  den  östlichen  Theil  Nordamerikas  in  der  Ebene  und  im  Gebirge  ver- 
breitete Wiesenpflanze,  die  jetzt  auch  in  Cuba  und  Brasilien  augesiedelt  ist, 
besitzt  eine  starke  vielköpfige  ästige  Wurzel.  Die  holzigen  Aeste  sind  hin 
und  her  gebogen,  bisweilen  um  ihre  Axe  gedreht  und  können  bis  0,30 ra 
Länge  und  0,030 IU  Durchmesser  am  Ursprünge  erreichen.  Sie  siud  längs- 
runzelig, graubraun,  glattbrüchig,  nur  spärlich  mit  Nebenwurzeln  oder  ihren 
Narben  besetzt  und  gelangen  gewöhnlich  geschnitten,  die  dickeren  auch 
der  Länge  nach  gespalten  in  den  Handel. 

Der  Querschnitt  zeigt  gelbliche,  in  der  Rinde  etwas  lebhaftere  Färbung. 
Die  Rinde,  0,001“  bis  0,002“  breit,  ist  durch  eine  dunklere  Cambium- 


Radix  Lapathi. 


225 


linie  vom  Holzkörper  geschieden.  Die  strahlenförmigen  Gefässbündel  stehen 
in  einem  dichten  von  breiten  Markstrahlen  durchsetzten  Ringe  und  den  Holz- 
bündeln entsprechend  dringen  in  die  Rinde  dunklere  keilförmige  Baststrah- 
len ein.  Das  Mark  ist  bald  mehr  bald  weniger  entwickelt.  — 4 bis  5 Rei- 
hen kleiner  eckiger  tief  brauner  Korkzellen  bedecken  die  Rinde,  welche  aus 
grossen  kugeligen  Parenchymzelleu  besteht  und  von  etwas  helleren  Mark- 
strahlen durchschnitten  wird.  Ziemlich  zahlreiche  schön  gelbe  einzelne  oder 
zu  kleinen  Gruppen  vereinigte  Baströhren  sind  unregelmässig  eingestreut;  sie 
besitzen  ein  bis  30  Mikromillim.  weites  eckiges  Lumen  bei  einer  Länge  von 
Vs  Millim.  im  Maximum.  Das  gelbliche  Holzprosenchym  umschliesst  zahl- 
reiche grosse  vereinzelte  radial  geordnete  Treppengefässe.  Das  Mark  gleicht 
dem  Rindenparenchym.  Beide  enthalten  die  gewöhnlichen  Kalkoxalat- 
drusen und  Araylum  in  unregelmässig  eiförmigen  durchschnittlich  20  Mi- 
krom.  langen  Körnern.  Im  Holze  liegen  da  und  dort  grosse  braungelbe 
Klumpen,  im  ganzen  Gewebe  sind  überdies  braune  Körnchen  verbreitet. 

Geschmack  unangenehm  bitter  und  adstringirend;  ausser  den  schon 
genannten  Stoffen  enthält  die  Wurzel  Gerbsäure,  Gummi,  Zucker,  Harz, 
Spuren  ätherischen  Oeles  und  einen  als  Lapathin  von  Büchner  und 
Herberger,  als  Rumicin  von  Riegel,  beschriebenen  Körper,  der  nach 
Thann  nichts  anderes  als  die  auch  in  der  Rhabarber  nachgewiesene  C liry- 
sophansäure  ist,  wie  schon  Geiger  vermuthet  hatte.  Ihr  verdankt  die 
Wurzel  die  goldgelbe  Farbe,  welche  durch  Alkalien  sofort  in  prachtvolles 
violettroth  übergeht. 

Auch  die  Wurzeln  anderer  verwandter  Rumex-Arten  werden  häufig  als 
Rad.  Lapathi  gegeben.  So  vorzüglich  diejenige  des  eben  so  häufigen  Ru- 
mex  crispus-  L. , welche  der  eben  beschriebenen  ganz  gleicht.  Nur  im 
Baste  zeigt  sich  der  Unterschied,  dass  bei  letzterer  die  Röhren  etwas  stär- 
ker, mehr  verdickt  zu  sein  pflegen  und  nur  einzeln  blos  in  der  Aussenrinde 
Vorkommen;  vielleicht  sind  auch  ihre  Stärkekörner  durchschnittlich  ein 
wenig  grösser. 

Die  Wurzeln  von  Rumex  nemorosus  Meyer,  R.  conglomeratus  Murray 
und  andere  werden  gleichfalls  als  Rad.  Lapathi  gesammelt  und  kommen 
ohne  Zweifel  mit  ihr  in  den  Eigenschaften  überein.  — Linne’s  Rumex  acu- 
tus, früher  als  Stammpflanze  der  Rad.  Lapathi  acuti  angeführt,  ist  eine  un- 
genügend definirte,  jetzt  aufgegebene  Art. 

Mau  trifft  die  Rad.  Lapathi  häufig  sehr  missfarbig  und  oft  wird  sie  mit 
anderen  Wurzeln  (Rad.  Ononidis,  Rad.  Bardanae)  verwechselt,  von  denen 
sie  sich  durch  die  obigen  Merkmale,  besonders  auch  durch  die  Benetzung 
mit  Kali  unterscheiden  lässt. 


Fliickiger,  Pharmakognosie. 


15 


226 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


Radix  Bardänae. 

Klettenwurzel.  Bardane. 

1.  Lappa  minor  DC.  — Compositae-  Cynareae. 

Syn.:  Arctium  minus  Schkuhr. 

2.  Lappa  major  Gärtner. 

Syn. : Lappa  officinalis  Allione. 

(Arctium  Lappa  a)  L.  umfasste  l und  2). 

3.  Lappa  tomentosa  Lamarck. 

Syn. : Arctium  Bardäna  Willd. 

Arctium  Lappa  ß)  L. 

Grosse  zweijährige  Kräuter,  durch  ganz  Europa  (in  Griechenland  z.  B. 
indessen  schon  selten),  Nordasien  und  Nordamerika  in  der  Ebene  und  der 
Bergregiou  weit  verbreitet,  gewöhnlich  in  der  Nähe  von  Wohnungen  oder 
Wegen.  Im  Norden  und  in  den  Gebirgen  Mitteleuropas  scheint  wohl  die 
dritte  Art  die  häufigste  zu  sein , die  zweite  im  Ganzen  die  seltenste.  Doch 
wird  letztere  auch  noch  im  mittleren  Finnland  getroffen. 

Die  im  frischen  Zustande  fleischige  Wurzel  aller  drei  Arten  ist  über- 
einstimmend (höchstens  von  der  ersten  etwas  kleiner) , eine  ziemlich  ein- 
fache spindelförmige,  bis  0,50m  lange,  oben  bis  über  0,02m  dicke  und  mit 
0,00 lm  starken  Nebenwurzeln  spärlich  besetzte  Pfahlwurzel.  Sie  zeigt  oft 
eine  Drehung  um  die  Axe  und  theilt  sich  besonders  an  der  Spitze  bisweilen 
in  2 — 3 Aeste.  Die  längsrunzelige  Oberfläche  hell  grau  braun,  wo  sie  nicht 
von  dem  dunkleren  leicht  schuppig  abfallenden  Korke  bedeckt  ist.  Das 
Holz  besitzt  einen  Stich  ins  gelbliche,  das  übrige  Gewebe  ist  rein  weiss, 
namentlich  das  flockige  markige  Centrum.  Der  Bruch  holzig;  auf  dem 
Querschnitte  nimmt  die  von  deutlichen  Baststrahlen  durchsetzte  Rinde 
eine  Breite  von  nur  etwa  0,00  lm  ein  und  wird  durch  eine  dunkle  Cambium- 
linie  scharf  vom  Holzkerne  getrennt,  dessen  breite  strahlige  oder  gebogene 
Gefässbündel  unmittelbar  innerhalb  des  Cambiums  die  grössten  und  zahl- 
reichsten Gefässöffnungen  in  dichtem  durch  ziemlich  schmale  Markstrahlen 
unterbrochenem  Kreise  zeigen.  Nur  einzelne  Holzstrahlen  reichen  (in 
jüngerer  Wurzel)  bis  ins  Centrum,  wo  einige  grössere  Gefässe  gruppirt 
sind.  Die  Gestalt  der  Gefässbündel  ist  sehr  verchieden , entweder  sind  sie 
einfach  oder  nehmen  gegen  aussen  eine  sehr  bedeutende  Breite  an  und 
theilen  sich  mehrmals,  indem  secundäre  Markstrahlen  in  das  Holz  eindrin- 
gen,  oder  weichen  weit  auseinander.  Wähi'end  in  der  Nähe  des  Cambiums 
die  Gefässe  dicht  gedrängt  stehen , sendet  jedes  Bündel  nur  eine  einzige 
Reihe  von  Gefässen  ins  Centrum,  das  somit  grösstentheils  aus  lockerem 
weissen  Markparenchym  besteht  und  von  einem  fast  geschlossenen  Holz- 
ringe eingefasst  wird,  dessen  Breite  sehr  schwankt,  aber  gewöhnlich  nicht 
die  Breite  der  Rinde  erreicht.  Das  Aussehen  des  Querschnittes  kann  daher 
je  nach  dem  Alter  des  Stückes  innerhalb  der  obigen  Charakteristik  bedeu- 
tend verschieden  ausfallen. 


Radix  Bardanae. 


227 


Vor  jedem  Gefässbündel  dringt  ein  kurzer  Bastkeil  in  die  Rinde  ein  und 
umschliesst  eine  kleinere  oft  bogenförmige  Gruppe  schwach  gelblicher  kur- 
zer Baströhren,  welche  nach  Vogl1)  in  der  Frühliugswurzel  durch  Sieb- 
röhren (vergl.  bei  Fructus  Papaveris)  ersetzt  sind. 

Die  Rinde  ist  von  mehreren  Reihen  fast  kubischer  brauner  Korkzellen 
bedeckt,  auf  welche  das  weitmaschige  etwas  tangential  gestreckte  lückige 
Parenchym  der  Mittelrinde  folgt,  innerhalb  dessen  bisweilen  sekundäre 
Korkbildung  (Borke)  vorkömmt.  Dieses  Rindengewebe  verliert  sich  allmälig 
in  die  breite  etwas  dunklere  Cambiumzone,  welche  den  Holzkern  umgibt 
und  von  den  aus  mehr  radial  gestreckten  porösen  oder  spiralig  gestreiften 
Zellen  bestehenden  Markstrahlen  durchschnitten  wird.  Häufig  fehlt  das 
Cambium  und  die  Rinde  hängt  nur  noch  lose  mit  dem  Holze  zusammen. 
Die  Gefässe  sind  punktirt  und  von  sehr  verschiedenem  Durchmesser;  das 
Holz  besteht  aus  nicht  stark  verdicktem  weitem  Prosenchym  von  der  Gestalt 
der  Baströhren,  nur  etwas  stärker,  und  aus  Parenchym.  Dasselbe  so  wie 
die  Mittelrinde  und  Markstrahlen  enthalten  Inulin  in  ähnlichen  Klumpen 
wie  die  Rad.  Enulae,  doch  trifft  man  in  der  käuflichen  Bardana  sehr  viele 
Wurzeln,  worin  sich  kein  Inulin  wahrnehmen  lässt.  Vogl  beobachtete  in 
den  Siebröhren  auch  Amylurn.  In  einzelnen  Gefässbfindeln  liegen  ferner 
gelbe  Harzklumpen. 

Im  zweiten  Jahre  wird  das  Centrum  der  Wurzel  schwammig  oder  ganz 
hohl  und  grossentheils  auch  das  Gewebe  der  Markstrahlen  bis  in  die  Mit- 
telrinde zerstört,  so  dass  schliesslich  nur  noch  schneeweisse  schwammige 
Reste  der  Rinde  und  lamellenartige  Holzstrahlen  übrig  bleiben,  welche 
kaum  mein-  mit  einander  verbunden  sind  und  ein  sehr  lockeres  weisses 
markartiges  Gewebe  (falsches  Mark)  einschliessen.  Die  Wurzel  ist  deshalb 
nicht  eist  im  zweiten  Jahre,  sondern  im  Herbste  des  ersten  zu  sammeln, 
wo  alle  Gewebe  noch  lebensthätig  sind. 

Fiisch  schmeckt  die  Wurzel  etwas  scharf;  getrocknet  nur  fade,  sehr 
schwach  schleimig  süsslich,  fast  salzig,  aber  nicht  unangenehm,  so  dass  sie 
auch  wohl  gegessen  wird2).  Kali  färbt  sie  gelblich  mit  einem  Stich  ins 
grunhche,  aber  nicht  rothviolett,  wie  die  Rad.  Läpathi,  womit  sie  verwech- 
selt") werden  kann,  da  beide  fast  nur  geschnitten  im  Handel  vorzukommen 
pflegen. 

Die  Klettenwurzel  enthält  etwas  Gerbstoff  und  Zucker.  Das  Inulin 
scheint  m sehr  veränderlicher  Menge  vorzukommen.  Fettes  Oel  fehlt 

Bei  den  Römern  war  die  Klette  als  Lappa,  bei  den  Griechen  unter  dem 
in  amen  Apanne  äusserlich  und  innerlich  gebraucht.  Bardana  hängt  viel- 
eicht  mit  dem  letzteren  Worte  zusammen.  Das  mittelalterliche  Parduna 
wird  ohne  hinreichenden  Nachweis  auch  auf  Lappa  bezogen. 

B Bot-  Zeitung  XXIV  (1866),  S.  196. 

2)  Lappa  edulis  in  Japan  dient  als  Gemüse. 


15* 


228 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


Radix  Ipecacuanhae. 

Radix  Ipecacuauliae  annulata  s.  grisea.  Brechwurzel.  Raciue  d’Ipecacuauha 

annelee.  Ipecacuan. 

Cephaölis  Ipecacuanha  Willdenow.  — Rubiaceae. 

Syn.:  Cephaelis  emetica  Persoon. 

Callicocca  Ipecacuanha  Brotero. 

Die  lialbstrauchige  Pflanze  wächst  vorzüglich  an  feuchten  Waldstellen 
der  brasilianischen  Thäler  zwischen  8 und  20  S.  Breite,  daun  auch  auf 
den  Bergen  von  San  Lucar  in  Neu-Granada,  sowie  in  Peru.  Die  meiste  Ipe- 
cacuanha1) liefert  die  Gegend  zwischen  Cuyaba,  Villa  Bella  und  Diarnau- 
tino,  Provinz  Matto  Grosso,  im  Quellgebiete  des  Paraguay,  unweit  der  boli- 
vianischen Grenze.  Die  Abgelegenheit  dieser  Gegend 2)  mag  wohl  der  Haupt- 
grund des  hohen  Preises  der  Wurzel  sein.  Sie  wird  dort  zur  Blüthezeit,  im 
Januar  bis  März,  gesammelt.  Die  kleinsten  im  Boden  zurückgebliebenen 
Wurzelfaseru  vermögen  wieder  neue  Stämmchen  zu  treiben.  Der  lange 
holzige  Theil  des  vierkantig-rundlichen  Stammes  kriecht  in  geringer  Tiefe 
in  der  Erde  und  sendet  einige  ziemlich  einfache  etwa  0,1 5m  lange,  meist 
wurmförmig  gekrümmte  Wurzeln  senkrecht  aus,  welche  allein  die  officinelle 
Ipecacuanha  ausmachen.  Sie  sind  am  Ursprünge  dünner  und  laufen  in 
eine  Spitze  aus,  so  dass  ihre  grösste  Dicke,  bis  etwa  0,005m,  in  der  Mitte 
ihres  Verlaufes  liegt.  Diese  Wurzeln  sind  mit  nur  wenigen  Zasern  besetzt, 
aber  ausgezeichnet  durch  ihre  geringelte  Rinde,  die  oft  bis  auf  den  Holz 
körper  eingeschnürt  ist.  Fast  überall  nämlich  erhebt  sich  die  Rinde  zu 
rundlichen,  höckerigen,  in  kurzen  Abständen  von  etwa  0,00 lm  auf  einander 
folgenden  schmalen  Wülsten,  welche  entweder  einmal  rings  herumlaufen  oder 
die  Peripherie  nur  zur  Hälfte  umspannen.  Jedenfalls  bilden  sie  nicht  einen 
geschlossenen  Kreis,  sondern  eine  kurze,  in  verschmälerte  Enden  aus- 
gehende Spirale.  Die  schmalen  Thälchen  zwischen  den  Wülsten  sowohl  als 
diese  selbst  sind  durch  feine,  sehr  zahlreiche  Längsrunzeln  dicht  gestreift. 
Durch  Einweichen  in  Wasser  und  rasches  Trocknen  schnüren  sich  einzelne 
Ringstücke  der  Rinde  rosenkranzartig  vom  Holzkörper  ab.  Derselbe  ist 
nicht  ganz  glatt  cylindrisch,  sondern  der  Länge  nach  häufig  etwas  zerklüftet. 
— Durch  das  Befeuchten  erhält  die  graue,  in  ihrer  Färbung  übrigens  etwas 
variirende  Oberfläche  der  Rinde  einen  Stich  ins  Braune.  Die  Dicke  des 
gelblich  weissen,  marklosen  Holzkörpers  beträgt  nur  0,00 1 also  gewöhnlich 
V4  oder  y5  des  Querschnittes.  Die  weisslich  graue  Rinde  ist  sehr  hart, 
horuartig,  im  Wasser  wenig  aufquelleud,  von  einer  äusserst  dünnen  Kork- 
lage bedeckt.  Alle  Gewebe  sind  sehr  engmaschig  und  nicht  von  strahhger 
Anordnung.  Die  Wurzel  bricht  kurz  uud  körnig,  nicht  faserig,  der  Holz- 

1)  jährlich  gegen  30,000  Arrohas  zu  ungefähr  14,7  Kilogr. 

2)  Waarentransporte  nach  Rio  de  Janeiro  dauern  5 Monate. 


Radix  Ipecacuanhae. 


229 


körper  etwas  zäher.  Die  Rinde  lässt  sich  leicht  vollständig  abtrennen  und 
wiegt  75  bis  80  pC.  der  ganzen  Wurzel. 

Der  braune  Kork  ist  aus  nur  wenigen  Reihen  sehr  dünner,  tafelförmiger, 
verhältnissmässig  dickwandiger  Zellen  gebildet,  das  ganze  Rindengewebe 
gleichförmig  aus  weitem,  kugelig  eckigem,  zartem  Parenchym,  das  nur 
allmälig  an  der  Grenze  des  Holzkörpers,  in  der  Cambialzoue  etwas  enger 
und  im  Sinne  der  Axe  gestreckt  ist.  Bast  und  Markstrahlen  sind  nicht  zu 
unterscheiden,  das  Cambium  bleibt  sehr  schmal. 

Der  Querschnitt  des  Holzkörpers  bietet  ein  ziemlich  gleichförmiges, 
etwas  dickwandiges  Gewebe  mit  Zellen  von  sehr  ungleichen  eckig  rund- 
lichen, meist  etwas  radial  gedehnten  Oeffnungen  dar,  welche  nur  im  Centrum 
dichter  stehen , aber  niemals  Mark  einschliessen.  Selten  nimmt  man  einen 
einzelnen  Markstrahl  wahr , dessen  übrigens  gleich  gestaltete  Zellen  poröse 
Wände  zeigen.  Im  Längsschnitte  erweist  sich  das  Holz  als  kurzes,  poröses, 
da  und  dort  etwas  spiralig  oder  netzig  gestreiftes  Prosenchym  von  höchstens 
löMikrom.  Durchmesser,  ohne  alle  Spiralgefässe.  Stellenweise  weicht 
dieses  Holzprosenchym  im  Längsschnitte  von  seinem  geraden  Verlaufe  ab, 
wölbt  sich  nach  aussen  und  tritt  als  kurzer  Keil  in  die  Rinde  ein.  Diese 
Keile  oder  unentwickelten  kleinen  Aeste  des  Holzkörpers  pflegen  aus  etwas 
verkürzten  Zellen  zu  bestehen ; sie  kommen  deutlich  zum  Vorschein,  wenn  die 
Wurzel  aufgeweicht  und  von  der  Rinde  befreit  wird.  Rinde  und  Holz  ent- 
halten sehr  reichlich  Stärke,  kugelig-eckige,  höchstens  lOMikrom.  messende 
einzelne  Körner  oder  aus  mehreren  dergleichen  zusammengesetzte  Gestalten. 
Die  Zellen  der  Rinde,  besonders  in  ihrem  inneren  Theile,  schliessen  bis- 
weilen Bündel  von  Krystallprismen  ein. 

Die  Ipecacuanha -Wurzel  riecht  dumpf  und  schmeckt  widerlich  bitter. 

Eigenthümliche  Stoffe  der  Ipecacuanha  sind , neben  einer  Spur  ekelhaft 
riechenden,  ätherischen  Oeles,  das  Emetin  und  die  Ipecacuanhasäure. 
Ersteres,  ein  giftiges,  sehr  heftiges  Brechen  erregendes  Alkaloid  von  deutlich 
alkalischer  Reaktion,  scheint  der  allein  wirksame  Stoff  zu  sein.  Das  Emetin 
wurde  1817  von  Pelletier  u.  Magendie  entdeckt;  es  ist  bitter,  geruchlos, 
nicht  reinweiss,  für  sich  und  in  seinen  Salzen  amorph;  nur  Reich  scheint 
Krystalle  der  Salzsäure -Verbindung  erhalten  zu  haben.  Derselbe  fand  es 
durch  kochende  Salzsäure  nicht  spaltbar.  Die  Wurzel  liefert  weniger  als 
1 pC.  des  reinen  Alkaloids;  vielfach  vorkommende  höhere  Angaben  beziehen 
sich  auf  unreines  Emetin.  Dasselbe  scheint  hauptsächlich  der  Rinde  anzu- 
gehören. Nach  der  Formel  von  Reich:  G2uH3oN205  unterscheidet  es  sich 
durch  Mehrgehalt  von  3 Molecülen  H20  (Elemente  des  Wassers)  vom 
Chinin. 

Die  Ipecacuanhasäure,  von  Pelletier  für  Gallussäure  gehalten, 
von  Willi gk  als  eigen thümlich  erkannt,  ist  röthlich-braun , amorph,  sehr 
hygroskopisch,  bitter  schmeckend,  der  Caffeegerbsäure  und  Chinasäure 
nahestehend;  Reich  zeigte,  dass  sie  ein  Glycosid  ist.  — Ausserdem  ent- 
halt die  Wurzel  geringe  Mengen  Harz  und  Fett,  Eiweiss,  gährungsfähigen 


230 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


krystallisirbaren  Zucker  (4V2  pC.  Reich),  dann  Gummi,  viel  Pectin;  in 
der  Rinde  gegen  30  und  im  Holze  über  7 pC.  Amylum  (Reich). 

Die  Ipecacuanha  wurde  1648  durch  Piso  u.  Marcgraf  genauer  in 
Europa  bekannt;  der  französische  Arzt  Le  Gras  brachte  sie  1672  zuerst  nach 
Paris.  Von  1686  an  wurde  sie  durch  Helvetius,  Arzt  in  Rheims,  weiter 
bekannt,  nachdem  er  das  Geheimniss  dieses  seines  Specificums  gegen  Ruhr 
für  1 000  Louisd’ors  an  Ludwig  XIV.  verkauft  hatte.  Die  Abstammung  stellten 
erst  1801  Gomezu,  Brotero  fest.  In  Brasilien  heisst  die  seit  langer 
Zeit  von  den  Eingebornen  angewandte  Wurzel  Poaya  oder  Qipö,  seltener 
Ipecacuanha,  was  nach  Martius  in  der  Tupi-Sprache  Brechen  erregendes 
Unkraut  bedeutet,  während  St.  Hilaire  — weniger  einleuchtend  — von 
ipe  (Rinde),  coa  (Pflanze),  cua  (wohlriechend),  nha  (strahlig)  ableitet. 
Wohlgeruch  und  strahlige  Beschaffenheit  passen  aber  nicht  auf  die  Pflanze 
und  die  Wurzel. 

Südamerika  lieferte  übrigens  früher  mehrere  verschiedene,  zum  Theil 
mit  der  beschriebenen  Ipecacuanha  vermischte  und  verwechselte,  obwohl 
sehr  leicht  zu  erkennende  Brechwurzeln , während  jetzt  ausschliesslich  die 
obige  sich  im  Handel  vorfindet.  Die  bekanntesten  dieser  u nächten  Wur- 
zeln sind: 

1)  Die  Rad.  Ipecacuanhae  nigra  s.  striata  von  Psychotria  emetica 
L.  fil.  (Ronabea Richard),  Familie  der  Rubiaceae,  in  Peru  undNeu-Granada. 
— Sie  ist  weit  stärker  als  die  graue  Ipecacuanha  und  von  • schwärzlich 
brauner  Oberfläche;  im  Uebrigen  derselben  ähnlich. 

2)  Rad.  Ipecacuanhae  alba , amylacea , farinosa  s.  undulata 
von  Richardsonia  scabra  St.  Hilaire,  Rubiaceae,  in  Brasilien  und  Mexico. 
Sie  istweisslich,  mit  deutlichem  Cambium  und  sehr  grossen  bis  35Mikrom. 
messenden  Stärkekörnern  versehen.  Das  Holz  enthält  grosse  Gefässe  und 
auch  Markstrahlen. 

3)  Rad.  Ipecacuanha  alba  lignosa  von  Jonidium  Ipecacuanha 
Ventenat,  Violarieae,  in  Brasilien  bis  Venezuela.  — Die  Rinde  ist  nur  dünn, 
der  Holzkörper  vorwaltend. 

Auch  China  besitzt  eine  Brechwurzel,  nach  Debeaux1)  vermuthlieh 
von  Psychotria  elliptica  Ker. 

Radix  Ca'incae. 

Radix  Cahincae  s.  Cainanae.  Caiucawurzel.  Racine  de  cai'nca,  Cainca  root. 

Cliiococca2)  racemosa  Jacquin  (non  Humb.  et  Bonpl.)  Rubiaceae. 

Auf  den  Antillen  und  Trinidad,  sowie  in  den  benachbarten  Küsten- 
ländern Floridas,  Mexicos  und  Südamerikas,  überhaupt  zwischen  33°  nörd- 
licher und  30°  südlicher  Breite  einheimischer  Strauch,  von  welchem  sowohl 


1)  in  dem  bei  Camphora  angcführteu  Schriftchen  S.  07. 

2)  Schnccfrucht  — weil  die  Frucht  weise  ist. 


Radix  Caincae. 


231 


die  untersten  Stammstücke  als  der  kurze  Wurzelkopf  und  seine  Aeste  die 
käufliche  Cainca  ausmachen.  Die  Wurzeläste  sind  bis  zu  0,02m  dick,  ziemlich 
gleichförmig  walzenrund  aber  sehr  häufig  wurmförmig  gekrümmt,  von 
bräunlicher  Oberfläche,  wo  der  matt  grauliche  oder  schwärzliche  Kork 
abgescheuert  ist.  Entweder  ist  die  Oberfläche  ziemlich  glatt,  nur  durch 
querlaufende  Korkleistchen  und  Wärzchen  oder  feine  Risschen  geringelt 
oder  es  machen  sich  auch  zugleich  bald  feinere  Längsstreifen,  bald  stärkere 
Schwielen  oder  Sehnen  bemerklich.  Diese  Schwielen  sind  besonders  an 
der  Hauptwurzel  und  dem  unteren  Stammtheile  stark  entwickelt  und  treten 
oft,  tiefe  Hohlkehlen  einschliessend,  so  sehr  hervor,  dass  die  Droge  schliesslich 
gleichsam  ein  Tauwerk  oder  Netzwerk  lose  verbundener,  sehr  ungleich 
dicker  einzelner  Stränge  darstellt.  Auf  dem  Querschnitte  der  einfachen 
Wurzeläste  nimmt  man  einen  sehr  starken  weisslichen  Holzkern  wahr,  der 
von  äusserst  feinen  Markstrahlen  durchschnitten  wird.  Die  sehr  zahlreichen 
Gefässe  sind  nicht  zu  deutlich  abgegrenzten  Ringen  (Jahresschichten) 
zusammengestellt;  doch  zeigt  das  Holz  im  Ganzen  abwechselnd  ein  wenig 
hellere  und  dunklere  Zonen.  Die  bis  0,003m  dicke  braune  Rinde  sitzt  fest 
am  Holzkörper,  dessen  Durchmesser  immer  weit  (5 — 8 mal)  beträchtlicher 
ist.  Die  Wurzeläste  besitzen  kein  Mark,  wohl  aber  die  stärkere  Hauptwurzel 
und  mehr  noch  die  Stämme.  Die  letzteren  sind  nicht  cylindrisch , sondern 
rundlich  vierkantig;  zwischen  den  Kanten  liegen  mehr  oder  weniger  tiefe 
Hohlkehlen,  so  dass  der  Querschnitt  in  der  Regel  aus  4 Lappen  besteht, 
welche  oft  ein  ungleichmässiges  Wachsthum  zeigen.  Die  Stammstücke  sind 
ausserdem  noch  an  den  gegenständigen  etwas  aufgetriebenen  Austrittsstellen 
der  Zweige  kenntlich.  Auf  dem  Querschnitte  der  Stämme  und  der  Haupt- 
wurzel, weniger  häufig  bei  den  Wurzelästen,  zeigen  sich  die  schon  beschrie- 
benen Schwielen  oder  Sehnen  als  selbständige,  dem  Hauptkerne  gleich 
gebildete,  nur  kleinere  Holzkörper,  welche  bald  vollständig  in  die  Rinde 
eingebettet,  bald  aber  aus  derselben  ganz  oder  halb  ausgetreten  sind.  Bis- 
weilen kommen  diese  sekundären  Holzkörper  sehr  zahlreich  und  von  der 
unbedeutendsten  Grösse  an  bis  zu  einem  Durchmesser  von  über  0,010ra 
vor.  Wenn  der  Hauptkern  selbst  noch,  wie  dies  bisweilen  geschieht,  durch 
tiefe  Einbuchtungen  beinahe  in  4 Stränge  zerklüftet  und  von  jenen  sekun- 
dären Holzkörpern  in  grösserer  Zahl  umgeben,  oft  fest  umschlungen  ist, 
so  erhält  die  Cainca  im  höchsten  Grade  ihr  bezeichnendes  fast  tauartiges 
Aussehen.  Ihre  sekundären  Holzkörper  pflegen  äusserlich  weit  auffallender 
zu  sein,  als  bei  der  Rad-  Turpethi,  wenn  sie  auch  nicht  die  regelmässige 
Entwickelung  erreichen,  wie  in  manchen  andern  tropischen  Schlingpflanzen 
(Lianen)  z.  B.  aus  der  Familie  der  Sapindaceen. 

Das  Holz  ist  aus  nicht  sehr  langen  fein  getüpfelten,  ziemlich  gleich- 
massig  etwa  70  bis  100  Mikromil],  weiten  Gefässen  gebildet,  umgeben  von 
sehr  langen  porösen  dickwandigen  Prosenchymzellen ; die  Markstrahlen  ent- 
halten nur  1 oder  2 Reihen  länglich  kubischer  mit  Amylum  oder  sehr  fein- 
körnigem Oxalat  (?)  gefüllter  Zellen  und  dringen  uicht  tief  in  die  Rinde 


232 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 

ein.  Diese  zeigt,  besonders  in  dünnen  Wurzelästen,  zunächst  um  den  Holz- 
körper ein  etwas  im  Sinne  der  Axe  gestrecktes  Gewebe  mit  dicken  horn- 
artigen gelbbraunen  Wänden  (Hornbast),  deren  Querschnitt  manigfache 
Biegungen  und  oft  eine  nur  geringe  Höhlung  darbietet.  An  der  Grenze 
zwischen  dieser  Innenrinde  und  dem,  im  Querschnitt,  mehr  tangential  ge- 
dehnten Gewebe  der  Mittelrinde , dessen  Zellwände  ebenfalls  aus-  und  ein- 
wärts gekrümmt  sind,  kommen  sehr  vereinzelte  schön  gelbe  Steinzellen 
vor,  welche  auch  in  älterer  Rinde  immer  nur  kleinere  Gruppen  bilden. 
Selten  finden  sich  auch  einzelne  kurze  Baströhren  und  Krystallrosetten. 
Vom  Korke  sind  meist  nur  wenige  Reihen  der  äusseren  tafelförmigen  brau- 
nen Zellen  erhalten , gewöhnlicher  blos  die  inneren  mehr  kubischen  farb- 
losen. Die  ganze  Rinde  ist  reich  an  Stärke  in  kugeligen  Körnern  von  un- 
gleicher Grösse  (bis  etwa  15  Mikrom.  Durchmesser) ; bisweilen  sind  dieselben 
kleisterartig  aufgequollen. 

Der  Bau  der  sekundären  Holzkörper  weicht  nicht  von  dem  des  centralen 
Holzkernes  ab. 

Die  Rinde,  nicht  aber  das  Holz,  schmeckt  anhaltend  kratzend  bitter; 
die  frische  Wurzel  soll  einen  ziemlich  starken  Geruch  nach  Castoreiun  be- 
sitzen, der  an  der  Handelswaare  nicht  mehr  wahrzunehmen  ist. 

Brandes  hatte  aus  derCainca  einen  krystallisirbaren  leichter  in  Wein- 
geist als  in  Wasser  löslichen  Stoff  Ca  in  ein  dargestellt  und  für  ein  Alkaloid 
gehalten,  während  Francis , Pelletier  und  Caventou  (1830)  dem- 
selben (schwach)  saure  Eigenschaften  und  daher  den  Namen  Cai'ncasäure 
beilegten.  Sie  wurde  (1852)  von  Röchle  der  und  Hlasiwetz  als  Gly- 
cosid  erkannt  und  in  der  Wurzel  neben  ihr  auch  Caffeegerbsäure  aufgefun- 
den. Beide  kommen  hauptsächlich  in  der  Rinde  , fast  gar  nicht  im  Holze 
vor.  Das  Caincin  (Cai'ncasäure)  spaltet  sich  durch  Alkalien  und  verdünnte 
Mineralsäuren  in  ein  Kohlehydrat  (unkrystallisirbaren  Zucker)  und  Cai'n- 
cetin  £30H46G-4,  welches  mit  Sapogenin  homolog  ist.  Aehnlich  wie  bei 
dem  Saponin  (vergl.  Radix  Saponariae)  ist  aber  auch  beim  Ca'fncin  die  voll- 
ständige Spaltung  nur  schwierig  zu  erreichen  und  es  treten  zuvor 
Zwischenprodukte  auf,  welche  noch  einen  Theil  des  Kohlehydrates  ein- 
schliessen.  Ein  solches  ist  die  zuerst  von  Rochleder  und  Hlasiwetz 
erhaltene  Chioc  occasäure  G,i(iHoG09,  welche  durch  Behandlung  mit 
Salzsäure-Gas  Caiucetin  und  Zucker  liefert.  Wahrscheinlich  ist  sie  iden- 
tisch mit  Chinovin  (siehe  dieses  unter  Cortex  Chiuae).  Das  Caincin  besitzt 
den  scharf  kratzenden  Geschmack  der  WurzeMude. 

Der  oben  beschriebenen  Cainca  ähnlich  sind  die  Wurzeln  zweier  bra- 
silianischer Arten  desselben  Geschlechtes,  der  Ckiococca  anguifuga  Mar- 
tius  (Ch.  racemosa  Humb.  u.  Bonpld.  — ) in  der  Provinz  Minas  Geraes 
und  Bahia 4)  und  der  Ch.  densifolia  Mart,  in  Urwäldern  der  Küsteugebirge 


*)  nach  De  Candolle  wächst  Ch.  anguifuga  Mart,  aber  auch  in  Guyana,  Peru,  Trinidad, 
Cumana  und  sogar  in  Cuba. 


Radix  Gentianae. 


233 


der  Provinz  Bahia.  Diese  beiden  Wurzeln  sind,  nach  M a r ti  u s , gleich ; nach 
der  (unvollkommenen)  Abbildung,  welche  Derselbe  (1824)  von  ersterer 
gegeben,  scheint  sie  der  antillischen  Cainca  ähnlich  zu  sein.  Auch  die 
Wirkung  soll  gleich  oder  heftiger  sein.  Berg  fand  die  brasilianischen 
Wurzeln  mehr  bräunlich-röthlich,  häufiger  querrissig  aber  ohne  Längs- 
leisten. — Die  gleichfalls  in  Minas  Geraes  wachsende  Chiococca  scan- 
dens  Riedel,  wurde  von  Einigen  für  identisch  mit  Ch.  racemosa  Jacq.  ge- 
halten, ihre  Wurzel  soll  nie  in  die  Tiefe  gehen. 

Die  Caincawurzeln,  besonders  die  der  Ch.  anguifuga,  wurden  von  den 
Eingeborenen  der  Provinz  Bahia  gegen  den  Biss  einer  dort  Cainana  ge- 
nannten Schlange  angewandt.  Von  Marti us  und  von  Langsdorff 
machten  die  Wurzel  seit  1825  in  Europa  bekannt.  Die  nach  Deutschland 
gelangende  scheint  jetzt  immer  die  antillische  zu  sein. 


Radix  Gentianae. 

Radix  Gentianae  rubrae.  Enzianwurzel.  Racine  de  Gentiane.  Gentian. 

Gentiana  lutea  L.  — Gentianeae. 

Diese  stattliche  ausdauernde  Pflanze  gehört  der  mittleren  Region  der 
Gebirge  Mittel-  und  auch  Südeuropas  an.  Sie  findet  sich  in  Portugal , in 
Arragonien,  in  den  Pyrenäen,  den  Cevennen,  in  der  Auvergne,  im  Jura, 
den  Yogesen,  im  Schwarzwalde,  durch  die  Alpenkette  bis  nach  Bosnien, 
nicht  in  Griechenland. 

Auf  den  deutschen  Mittelgebirgen  kömmt  sie  noch  vor  in  der  Schwäbi- 
schen Alp,  bei  Würzburg,  stellenweise  in  Thüringen,  aber  nicht  weiter 
nach  Norden,  auch  nicht  in  England. 

Die  Wurzel  ist  mehrköpfig,  wenig  ästig,  oft  gegen  4 Fuss  lang  und 
(trocken)  oben  etwa  0,02“  dick,  frisch  gelblich  grau,  trocken  von  roth- 
brauner,  innen  gelber  Farbe  ’). 

Die  im  frischen  Zustande  innen  hellere,  fleischige  und  volle  cylindrische 
Wurzel  erhält  durch  das  Trocknen  tiefe,  sehr  unregelmässige  Längsrunzeln; 
oben  ist  sie  fein  schwarzbraun  geringelt.  Sie  ist  sehr  hygroskopisch,  daher 
zähe  und  biegsam,  nur  unmittelbar  nach  dem  Trocknen  brüchig.  Eine 
Probe  gewöhnlicher  käuflicher  Wurzel  nahm  in  feuchter  Luft  noch  4 pC. 
Wasser  auf  und  gab  dann  (kleingeschnitten)  im  Wasserbade  vollständig  ge- 
trocknet 18  pC.  ab.  An  der  Luft  wurden  rasch  wieder  16  pC.  absorbirt. 
Im  Handel  findet  sie  sich  fast  immer  gespalten  vor. 

Auf  dem  Querschnitte  trennt  eine  dunkle  Cambiumzone  die  schwam- 
mige,  etwa  0,002  breite,  durch  das  Aufweichen  indessen  zu  doppelter 
Breite  anschwellende  Rinde  von  einem  lockeren  Kreise  kurzer,  durch  breite 


) Die  Bezeichnung  Rad.  Gentianae  rubrae  hatte  sie  mehr  nur  im  Gegensätze  zu  der 
iruhcr  sogenannten  Rad.  Gentianae  albae  (Laserpitium  latifolium)  und  der  Rad.  Gentianae 
nujrae  (Peucedanura  Cervaria)  erhalten. 


234 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 

Markstrahlen  aus  einander  gehaltener  schmaler  Holzstrahlen,  welche  bis 
gegen  das  Centrum  zu  laufen,  so  dass  ein  scharf  abgegrenztes  Mark  fehlt.  — 
Durch  das  abwechselnde  dunklere  und  hellere  Gewebe  der  Bast-  und  Mark- 
strahlen erscheint  die  Innenrinde  quer  gestrichelt  oder  fast  marmorirt;  es 
beruht  diese  Zeichnung  nicht  sowohl  auf  stärkerer  Färbung  des  einen  oder 
anderen  Gewebes,  als  vielmehr  auf  dichterem  oder  weniger  dichtem  Zu- 
sammenfallen. Beim  Aufweichen  in  Wasser  geht  sie  verloren. 

Die  schwache  Korkschicht  ist  aus  rundlich- tafelförmigen  bräunlichen 
Zellen  gebildet,  worauf  mehrere  Lagen  sehr  stark  tangential  gestreckter 
dickwandiger  grosser  Zellen  folgen,  welche  allmälig  in  die  kugelige  Form 
übergehen  und  nach  innen  an  Grösse  sehr  abnehmen. 

Die  Baststrahlen  sind  nur  durch  etwas  engeres,  noch  mehr  verdicktes 
Gewebe  angedeutet  und  enthalten  keine  Baströhren. 

Das  Gewebe  des  Kernes  gleicht  dem  der  Mittel-  und  Innenrinde.  Die 
hell  gelbwandigen  Netz-  oder  Ringgefässe  sind  lang,  aber  nur  von  mässiger 
Dicke  und  von  wenig  gestrecktem,  nicht  verholztem,  sehr  zart  spiralig  ge- 
streiftem Prosenchym  umgeben. 

Die  Enzianwurzel  ist  frei  von  Amylum ; ihr  Prosenchym,  namentlich  die 
äusseren  Rindenschichten  und  das  Centrum  enthält  in  nicht  sehr  reichlicher 
Menge  halbfeste,  in  Alkohol  und  Aether  lösliche  Fetttropfen,  die  auf  den 
ersten  Blick  dem  Stärkemehl  gleichen,  aber  durch  Jod  höchstens  etwas 
gelblich  gefärbt  werden.  Auch  die  im  Herbste  nach  dem  Absterben  der 
oberirdischen  Theile  gesammelte  Wurzel  erweist  sich  frei  von  Amy- 
lum. Der  Bruch  der  (trockenen)  Wurzel  ist  glatt;  sie  schneidet  sich  wachs- 
artig. 

Geruch  schwach  eigenthümlich ; ihren  sehr  stark  bitteren  Geschmack 
verdankt  die  Wurzel  dem  Gentiopikrin.  Nachdem  schon  frühere  Chemi- 
ker, wie  Henry  u.  Caventou,  Trommsdorff,  Leconte,  Dulk,  den 
Bitterstoff  der  Gentiana  in  weniger  reinem  Zustande  bald  als  Gentianin, 
bald  als  Gentisin  beschrieben  hatten,  stellte  (1862)  Kromayer  denselben 
rein  dar.  Sein  Gentiopikrin,  O20H30O18,  krystallisirt  in  farblosen,  in  Wasser 
leicht  löslichen  Nadeln.  Durch  organische  Säuren  oder  verdünnte  Mineral- 
Säuren,  nicht  aber  durch  Hefe,  spaltet  es  sich  in  Zucker  und  amorphes  gelb- 
braunes bitteres  Gentiogenin.  — Kaustisches  Kali  lost  das  Gentio- 
pikrin mit  gelber  Farbe. 

Frische  Wurzeln  lieferten  wenig  über  1 p.  Mille  reinen  Gentiopikrins ; 
aus  trockener  Wurzel  liess  es  sich  nicht  krystallisirt  gewinnen. 

Die  geschmacklose  Gentiansäure  (auch  Gentisinsäure,  Gentia- 
nin oder  Gentisin),  G14Hlo0-5,  ist  in  Wasser1)  und  Aether  unlöslich  und 
krystallisirt  in  gelben  Nadeln.  Trockene  Wurzel  gibt  deren  1 bis  2 p.  Mille. 
Die  Verbindungen  mit  Alkalien  krystallisiren  in  goldgelben  Nadeln,  obwohl 
die  sauren  Eigenschaften  der  Gentiansäure  nur  schwach  ausgeprägt  sind; 


1)  Dennoch  ist  der  kalte  wässerige  Auszug  der  Wurzel  schön  gelb;  Kali  färbt  ihn  dunkler. 


Radix  Gentianae. 


235 


sie  Lässt  sich  sublimiren  und  wird  durch  kochende  verdünnte  Säuren  nicht 
zersetzt. 

Die  Enzianwurzel  enthält  ferner  in  reichlicher  Menge  (nach  Rebling 
nur  6 pC.)  eine  wie  es  scheint  unkrystallisirbare  Zuckerart.  — Crawfnrd 
und  Wittstein  fanden,  dass  ein  alkoholisches  vergohrenes  Enzianextract 
nach  Monaten  die  Bitterkeit  verloren  und  (durch  Spaltung  des  Gentio- 
pikrins?)  krystallisirten  Traubenzucker  abgesetzt  hatte. 

Ein  heiss  bereiteter  wässeriger  Auszug  der  Wurzel  erstarrt  beim  Erkalten 
wegen  ihres  reichlichen  Gehaltes  an  Pektin  zur  Gallerte. 

Vorzüglich  in  den  Alpen  und  im  Jura  wird  durch  Gährung  aus  der 
Wurzel  ein  Branntwein  dargestellt,  der  vermuthlich  durch  die  gleichzeitige 
Entstehung  sogenannter  Fermentöle  einen  höchst  eigenthümlichen , nicht 
eben  angenehmen  Geruch  annimmt.  In  Folge  dieser  Verwerthung  ist  Gen- 
tiana lutea  in  manchen  Gebirgsgenden  zumal  der  Schweiz  nahezu  aus- 
gerottet. — Die  Wurzel  und  dieser  Branntwein  sollen  auch  wohl  schon 
gefährliche  Wirkungen  gezeigt  haben  — vermuthlich  nur  wegen  V erwechse- 
lung  (mit  Veratrum  album?)  oder  in  Folge  ungeeigneter  Zusätze. 

Häufig  wird  auch  die  Wurzel  der  weiter  nach  Norden  gehenden  Gen- 
tiana purpurea  L.  gesammelt,  besonders  in  den  westlichen  Gebirgen  Nor- 
wegens (wo  sie  sonderbarerweise  „Süsswurzel“  heisst!),  auch  in  Schottland 
und  in  den  Schweizer  Alpen  („spitzer  Enzian“),  in  Schlesien,  in  Oberitalien, 
in  den  Pyrenäen. 

Diese  Wurzel  ist  nur  Va  bis  V*  so  stark  wie  die  vorhergehende,  sonst 
aber  weder  äusserlich,  noch  durch  den  inneren  Bau  davon  abweichend,  so 
dass  sie  ohne  Bedenken  statt  der  Gentiana  lutea  gebraucht  wird,  welche  sie 
an  Bitterkeit  wohl  noch  übertrifft.  Sie  enthält  gleichfalls  in  den  äusseren 
Rindenschichten  und  im  Centrum  Oeltropfen,  aber  keine  Stärke. 

Ungefähr  dasselbe  gilt  von  Gentiana  punctata  L.,  welche  auf  den  süd- 
deutschen Gebirgen,  den  Sudeten,  im  Riesen gebirge,  Böhmerwalde,  ziemlich 
selten  in  der  Schweiz,  einheimisch  ist. 

Die  ebenso  benutzte  und  gleichfalls  sehr  ähnliche  Wurzel  der  in  den 
Alpen  Baierns  und  Oesterreichs,  in  den  Karpathen,  in  Siebenbürgen,  im 
Böhmerwalde  vorkommenden,  aber  der  Schweiz  fehlenden  Gentiana  pan- 
nonica  Scopoli  wird  (nach  Berg)  länger  als  die  der  G.  lutea,  bleibt  hin- 
gegen immer  schlanker,  ihr  Gewebe  dichter,  nicht  schwammig.  Nach  Wi- 
gand ist  G.  pannonica  ferner  nicht  geringelt. 

In  beiden  letztgenannten  Wurzeln  hat  Schnizlein  Oeltropfen  (wie  in 
der  G.  lutea),  aber  keine  Stärke  gefunden. 

Die  Alten  benutzten  eine  Enzianwurzel,  vermuthlich  aber  nicht  die  der 
G.  lutea. 


236 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


Radix  Calumbo. 

Radix  Colombo,  s.  Columbo,  s.  Calumbae.  Kalurnbowurzel.  Racine  de 

Colombo.  Calumbo  root. 

Jateorrhiza1)  Calumba  Miers.  — Menispermeae. 

Syn.:  Menispermum  Calumba  Roxburgh. 

Cocculus  palmatus  Wallich  (nee  De  Cand.) 

. findender  Strauch  mit  krautigen  jährlich  absterbenden  Stengeln,  ein- 
heimisch in  den  Urwäldern  des  mittleren  von  Portugal  kolonisirten  Striches 
der  afrikanischen  Ostküste,  bei  Oibo  (San  Joäo  de  Ibo)  und  Mosambik,  im 
Ueberflusse  auch  in  der  Gegend  von  Schupanga  am  untern  Zambesi.  Die 
Calumbopflanze  findet  sich  ferner  kultivirt  auf  den  Inseln  des  indi- 
schen Oceans  (Mauritius,  Seychellen)  und  auf  der  Malabarküste.  Der  in 
Ostafrika  einheimische  Name  des  Strauches,  Calumbo  oder  Colombo,  steht 
in  keiner  Beziehung  zu  der  gleichnamigen  Hauptstadt  Ceylons.  Erst  in 
der  neuesten  Zeit2)  wurde  vorgeschlagen,  die  Pflanze  nach  Ceylon  überzu- 
siedeln. 

Vom  kurzen  Wurzelkopfe  gehen  mehrere  ausdauernde  fusslange  gebo- 
gene etwas  gegliederte , fast  knollenförmig  verdickte  Nebenwurzeln  ab, 
welche  nur  wenige  kleinere  Aeste  tragen.  Diese  fleischigen  Nebenwurzeln’ 
in  gewöhnlich  etwa  0,01  dicke  Querscheiben,  seltener  der  Länge  nach 
zerschnitten,  bilden  die  käufliche  Waare.  Der  zuweilen  bis  0,08“  errei- 
chende Durchmesser  der  meist  mehr  elliptischen  als  kreisrunden  Schei- 
ben lässt  auf  sehr  bedeutende  Dimensionen  des  ganzen  Wurzelsystems 
schliessen. 

Eine  ansehnliche  sehr  unregelmässig  runzelige  Schicht  gelblich  braunen 
oft  fast  grünlichen  Korkes  bedeckt  die  durchschnittlich  etwa  0,005 ra  breite 
Rinde,  welche  durch  eine  sehr  feine  aber  scharf  ausgeprägte  dunkelbraune 
Cambiumlinie  vom  marklosen3)  Holzkörper  getrennt  ist,  der  das  ganze  In- 
nere einnimmt. 

Die  tiefgelben  nicht  eben  sehr  zahlreichen  Gefässe  sind  besonders  in 
der  Nähe  des  Cambiums  zu  schmalen,  nur  1 oder  2reihigen  Holzstrahlen 
geordnet , welchen  in  der  Rinde  mehr  oder  weniger  deutliche  linienförmige 
dunklere  Baststrahlen  entsprechen.  Das  Centrum  enthält  mehr  vereinzelte 
Gefässgruppen  in  einem  lockeren  Füllgewebe,  daher  sie  aus  dem  zusammen- 
gesunkenen Holzkcrne  meist  grobfaserig  herausragen.  Die  äussere  Hälfte 
des  Holzkörpers  dagegen  lässt  in  grösseren  Scheiben  2 bis  6 gleich  breite 
Jahresringe  unterscheiden. 

Die  peripherischen  Theile  der  Rinde  und  die  Gefässbündel  sind  haupt- 


!)  Iatcrios  heilend,  also  Heilwurzel. 

2)  Pharm.  Journ.  and  Trausact. VII.  523  (1866). 

3)  In  der  käuflichen  Wurzel  findet  man  keine  Stücke  mit  achtem  Marke.  In  den  Düssel- 
dorfer Abbildungen  (von  Necs),  Bd.  III,  tab.  104  ist  ein  solches  nach  Hookcr  dargcstellt. 


Radix  Calumbo. 


237 


sächlich  Sitz  des  gelben  Farbstoffes , welcher  sich  auch  sehr  häufig  gleich- 
rnässig,  obwohl  etwas  schwächer,  über  das  ganze  Parenchym  verbreitet. 
Mitunter  aber  ist  dasselbe  rein  weiss. 

Die  Wurzel  ist,  obgleich  nicht  holzig,  sondern  vorherrschend  mehlig, 
doch  von  ziemlich  derber  Textur,  aber  keineswegs  von  bedeutendem  speci- 
fischem  Gewicht. 

Sehr  zahlreiche  höchst  regelmässig  geschichtete  Lagen  zartwandiger 
gelber  Tafelzellen  bilden  die  Aussenrinde  (Kork),  auf  welche  das  einförmige 
schlaffe  grosszellige  Gewebe  der  Mittel-  und  der  Innenrinde  folgt.  Die  Zel- 
len der  ersteren  sind  etwas  tangential  gedehnt,  die  der  letzteren  mehr  ku- 
bisch und  radial  geordnet,  ohne  aber  eigentliche  Markstrahlen  darzustellen, 
Die  Innenrinde  ist  ungefähr  gleich  breit  wie  die  Mittelrinde,  in  deren  äussere 
Hälfte  sich  dicht  unter  dem  Korke  grosse  kubische  oder  längliche  hochgelbe 
Steinzellen  eingestreut  finden.  Sie  sind  mit  nicht  sehr  verdickten  grobpo- 
rösen Wandungen  versehen , erreichen  eine  Grösse  von  durchschnittlich 
etwa  150  Mikromill.  und  bilden  vereinzelt  oder  zu  kleineren  Gruppen  ver- 
einigt einen  sehr  weitläufigen  Kreis,  welcher  erst  nach  der  Entfernung  des 
Amylums  deutlich  hervortritt.  * 

Die  Innenriude  wird  von  lockeren  schmalen,  nur  etwa  200  Mikromill. 
breiten  kurz  prosenchymatischen  Baststrahlen  durchsetzt,  worin  grössere 
eigentliche  Baströhren  fehlen.  Eine  schmale  bräunlich  gelbe  Cambiumzone 
trennt  die  Rinde  vom  Holzkörper,  welcher  vorwiegend  aus  demselben  viel- 
leicht etwas  mehr  straffen  Gewebe  besteht  wie  die  Innenrinde. 

Zu  eigentlichen,  obwohl  immerhin  nur  schmalen  Holzstrahlen  vereinigte 
Gefässbiindel  finden  sich  nur  in  der  Nähe  des  Cambiums ; mehr  nach  dem 
Centrum  zu  treten  nur  zerstreute  Gruppen  von  immer  nur  wenigen  Gefässen 
auf.  Dieselben  sind  schön  hochgelb,  mit  netz-  oder  tüpfelförmigen  starken 
Verdickungsschichten  ausgekleidet,  von  höchstens  200  bis  300  Mikromill. 
Durchmesser.  Selten  bestehen  die  Holzstrahlen  aus  mehr  als  zwei  radialen 
Reihen  dieser  Gefässe,  die  nur  von  wenigen  nicht  stark  verdickten  gelben 
Holzzellen  umgeben  sind.  Im  Längsschnitte  zeigen  sich  che  Holzstrahlen 
oder  Holzstränge  mehr  krummläufig  als  regelmässig  vertikal  gestellt,  wie 
schon  das  unbewaffnete  Auge  besonders  im  Centrum  des  Holzkernes  wahr- 
nimmt. Die  Wurzel  besitzt  daher  einen  vorwiegend  körnigen,  nur  im  Holz- 
theile  undeutlich  kurzfaserigen  Bruch. 

Das  sämmtliche  Parenchym  der  Wurzel  (ausgenommen  die  Korkschicht) 
strotzt  von  grossen  Stärkekörnern,  deutlich  geschichteten  und  vorwiegend 
kugeligen  oder  eiförmigen  nicht  eben  charakteristischen  und  wenig  gleich- 
förmigen Gestalten,  welche  im  Maximum  oft  70—90  Mikromill.  erreichen,  also 
mit  dem  Amylum  des  Rhizoma  Zedoariae  und  des  Tuber  Jalapae  nächst 
dem  der  Kartoffel  zu  den  grössten  Formen  der  Stärke  gehören. 

Jene  gelben  Steinzellen  in  den  äussersten  Schichten  der  Mittelrinde 
schliessen  zahlreiche  sehr  gut  ausgebildete  Krystalle  von  Kalkoxalat  ein, 
welche  sehr  häufig  bis  30  Mikromül.,  mitunter  auch  das  doppelte  erreichen! 


238 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


Es  sind  immer  einzelne  gut  ausgebildete  Krystalle,  nicht  Drusen,  des  mono- 
klinischen  (klinorhombiscken)  Systems,  also  vermutblich  von  der  Zusam- 
mensetzung Ca20,  G203H-H20.  Am  häufigsten  kommen  rhomboedrische 
Formen  (Hendyoeder)  vor,  bisweilen  zu  kleinen  Prismen  verlängert,  seltener 
zu  klinorhombiscken  Tafeln  verkürzt.  Sehr  selten  sind  hemitropische  For- 
men mit  einspringendem  Winkel.  Weniger  reichlich  ist  dieses  Oxalat  im 
Holze  abgelagert,  und  den  übrigen  Geweben  fehlt  es  ganz.  Die  hier  vor- 
kommenden Formen  zeichnen  sich  demnach  durch  grosse  Einfachheit  aus, 
wenn  sie  mit  anderweitigen  Vorkommnissen  desselben  Oxalates,  z.  B.  in 
der  falschen  Angostura  (vgl.  Cort.  Strychni)  verglichen  werden. 

Die  Wurzel  schmeckt  rein  und  sehr  stark  bitter.  Wasser  färbt  sich  da- 
mit sogleich  hellgelb.  Der  bittere  Geschmack  ist  durch  drei  verschiedene 
Substanzen:  das  Columbiu,  das  Berberin  und  die  Columbosäure 
bedingt. 

Das  Columbiu  oder  Columbo bitter,  ein  sehr  indifferenter  aber  wie 
es  scheint  etwas  giftiger  Bitterstoff,  krystallisirt  in  farblosen  rhombischen 
Prismen,  welche  sich  in  kochendem  Aetker  und  Alkohol  lösen.  Es  wurde 
von  Wittstock  1830  entdeckt;  nach  Inj  deck  er  fände  es  sich  krystalli- 
sirt in  der  Innenrinde  abgelagert.  Seiner  Schwerlöslichkeit  wegen  wird  es 
sich  kaum  in  den  Decocten  der  Wurzel  finden,  sondern  vorzugsweise  das 
Berberin.  Letzteres,  1837  von  Büchner  aus  der  Wurzelrinde  (etwa 
1,3  pC.)  von  Berberis  vulgaris  reiner  dargestellt,  krystallisirt  in  gelben 
Nadeln,  gibt  mit  kochendem  Wasser  und  Alkohol  gelbe  nicht  alkalisch  rea- 
girende  Lösungen.  Dennoch  ist  es  durch  seinen  Stickstoffgehalt  uud  die 
Fähigkeit,  sich  mit  Säuren  zu  meist  krystallisirbaren  gelben  Salzen  zu  ver- 
binden, als  Pflanzenbase  ckarakterisirt.  Es  scheint  auf  den  Organismus 
nicht  energisch  zu  wirken.  — Auch  andere  Berberideen,  z.  B.  Podophyl- 
lum  peltatum  L.  und  Jeffersonia  (Podophyllum)  diphylla  Persoon  in 
Nordamerika,  enthalten  in  ihren  Wurzeln  Berberiu. 

Bödecker  hat  1848  gezeigt,  dass  der  Farbstoff  der  gelben  Zellwände 
in  der  Calumbowurzel  Berberin  ist  und  seither  hat  es  sich  noch  in  anderen 
Menispermeen  gefunden,  z.  B.  im  Colomboholz  aus  Ceylon  von  Pereivia 
medica  Lindley  (Syn. : Coscinium  fenestratum  Colebr. , Meuispermum  fene- 
stratum  Gaertn.),  vermuthlich  auch  in  der  Rinde  von  Anamirta  Coccultts , 
so  wie  in  der  Wurzel  von  Menispermum  canadense  Liun.  und  in  einem 
gelben  Farbholze  aus  Assam,  Wudunpar  genannt.  Stenhouse  fand  es 
in  einem  anderen  gelben  Farbholze  aus  Abeocouta  auf  der  Küste  von 
Sierra  Leone  (Yoruba)  in  Westafrika,  das  von  Coelocline  polycarpa 
De  Cand.  (Unona  polycarpa  Bennett)  aus  der  Familie  der  Anonaceae 
abgeleitet  wird. 

Der  erste  Entdecker  des  Berberins  ist  Hütten  Schmidt.  Das  von 
demselben  schon  1824  ans  den  Geoffroya-Rindeu  von  den  Caesalpiuieeu 
Geoffroya  (Andira)  jamaicensis  Murray  und  G.  surinamcnsis  Bondt  uud 
Murray  dargestellte  und  bereits  als  Base  erkauute  Jamaiciu  (und  Suriuamin) 


Radix  Calumbo. 


239 


hat  sich  durch  Gastell’s  Untersuchung  (1865)  als  identisch  mit  Berberin 
erwiesen. 

1826  hatten  Chevallier  und  Pelletan  einen  gelben  bitteren  krystal- 
lisirten  Stoff  aus  der  Rinde  von  Xanthoxylon  caribcieum  Lamarck.  (Xan- 
thoxyleae-Rutaceae)  unter  dem  Namen  Xanthopicrit  dargestellt,  1829  Sta- 
ples das  Xanthoxylin  aus  Xanthoxylon  fraxineum  Willd.  Auch  diese 
beiden  Stoffe  sind  schliesslich  als  Berberin  erkannt  worden. 

Am  weitesten  verbreitet  scheint  das  Berberin  in  der  Familie  der  Ranun- 
culaceae.  Hier  hat  man  es  z.  B.  sehr  reichlich  gefunden  in  den  Wurzeln 
von  Hydrastis  canadensis  L.  (Anemoneae)  und  Xanthorrhiza  apiifolia 
L’Heritier  (Paeonieae)  in  Nordamerika,  in  derjenigen  von  Coptis  Teeta 
Wallich  (Helleboreae)  aus  Ostindien  und  China  und  Coptis  trifolia  Salis- 
bury in  Nordamerika.  Aus  C.  Teeta  erhielt  Perrins  nicht  weniger  als 
8YspC.  Berberin,  aus  der  von  Hydrastis  4pC.  und  die  gelbe  Rinde  des  noch 
unbekannten  Pachnelo-Baumes  aus  Bogota  (Neu-Granada)  ergab  ebenfalls 
7 pC.  Demnach  ist  dieses  Alkaloid  sehr  weit  und  ungemein  reichlich 
verbreitet. 

Aus  der  Calumbowurzel  hat  B ödecker  (1849)  ferner  die  amorphe 
gelbliche,  firnissartige,  in  kaltem  Wasser  unlösliche  Columbosäure  dar- 
gestellt. Er  vermuthet,  dass  das  Berberin  in  jener  Wurzel  an  diese  Säure 
gebunden  vorhanden  sei.  Sie  schmeckt  etwas  weniger  bitter  als  das  Columbin. 

Bödecker  hat  auf  den  Zusammenhang  der  drei  bitteren  Substanzen 
in  der  Calumbowurzel  aufmerksam  gemacht.  Denkt  man  sich  zu  dem 
Columbin  G42H44G’4  ein  Atom  NH3  hinzutretend,  so  enthält  das  vereinigte 
Molekül  Berberin  G2OH17N04,  Columbosäure  G22H2407*)  plus  Wasser 
(H6  03). 

Es  dürften  demnach  die  beiden  letztgenannten  Bitterstoffe  erst  während 
der  Vegetation  durch  Einwirkung  von  Ammoniak  aus  dem  Columbin  ent- 
stehen, welche  Reaktion  indessen  künstlich  noch  nicht  gelungen  ist.  

Für  diese  Bildungsweise  würde  auch  sprechen,  dass  Berberin  in  den  älteren 
verdickten  Zellen  vorzugsweise  seinen  Sitz  hat. 

Von  allgemeiner  verbreiteten  Stoffen  enthält  die  Wurzel  auch  Pektin, 
Gummi,  Salpeter  und  gibt  etwa  6 pC.  Asche.  — Gerbsäure  fehlt.  Sehr 
häufig  wird  die  Wurzel  von  Insekten  zerfressen. 

Die  Calumbowurzel  wurde  zuerst  durch  Re  di  (1675)  als  giftwidrig  in 
Europa  bekannt,  später  aber  mit  Radix  Lopez , von  Toddalia  aculeata 
Pers.  (Xanthoxyleae)  verwechselt.  — Die  Stammpflanze  fand  im  dritten 
Viertel  des  vorigen  Jahrhunderts  Philibert  Commerson  auf  Ile  de  France 

(Mauritius).  Den  Eingebomen  des  Zambesi-Deltas  dient  die  Wurzel  als  Beize 
für  gewisse  Farben. 


lln  )f.D°,mB_erJ>e™  Sol)°n  wir  hier  die  Formel  von  Perrins  «von  Hlasiwetz  und  erlauben 
uns,  für  die  Columbosäure  eine  von  der  Bödecker’schon  abweichende  zu  wählen.  Die  obige 
ormel  dieser  Saure  verlangt  in  Procenten  66  Kohlenstoff  und  6 Wasserstoff;  Bödecker 
hatte  gefunden  66,6  und  6,2,  was  freilich  mit  seiner  Formel  stimmt. 


240 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


Radix  Calumbo  wurde  schon  mit  der  ihr  einigermassen  ähnlichen,  doch 
mehr  fahlgelben  oder  orangefarbenen  Wurzel  der  Frasera  carolinemis 
Walter  (Syn.:  Fr.  Walteri  Michaux),  einer  nordamerikanischen  Gentianee, 
verwechselt.  Dieselbe  schmeckt  weniger  bitter  als  die  Calumbo,  zugleich 
etwas  süsslich ; durch  Gerbstoffgehalt  und  gänzlichen  Mangel  des  Amylums 
stimmt  diese  sogenannte  amerikanische  Calumbowurzel  mit  unserer 
Radix  Gentianae,  nicht  aber  mit  achter  Calumbo,  wohl  überein  und  lässt 
sich  daher  schon  mit  Hülfe  von  Jodwasser  und  Eisenlösung  unterscheiden. 

2.  Milchsaft  führende  Wurzeln. 

Radix  Cichorii. 

Wegwartwurzel  Chicoree.  Succory  root. 

Cichorium  Intybus  L.  — Compositae-Cichoriaceae. 

Zweijährige  oder  ausdauernde  sehr  gemeine  Pflanze  trockener,  unbe- 
bauter Stellen,  von  Japan  und  China  durch  Persien,  Kaukasien,  Griechen- 
land über  ganz  Europa  bis  hoch  nach  Norwegen  verbreitet,  auch  in  Nord- 
amerika eingebürgert. 

Ihre  Wurzel  sieht  der  Radix  Taraxaci  äusserlich  in  Gestalt  und  Grösse 
ganz  ähnlich,  ist  jedoch  auch  nach  dem  Trocknen  strohgelb,  mehr  holzig, 
meistens  etwas  ästiger  und  namentlich  reichlicher  bezasert,  häufig  um  die 
Axe  gedreht.  Gewöhnlich  sind  auch  die  Wurzelköpfe  mehr  verlängert,  nicht 
so  dick,  wie  bei  Taraxacum,  daher  Radix  Cichorii  seltener  kegelförmig 
aussieht. 

Desto  grössere  Abweichung  von  Taraxacum  zeigt  die  Anordnung  der 
Gewebe  auf  dem  Querschnitte  der  Radix  Cichorii ; sie  hält  die  Mitte  zwischen 
den  Wurzeln  von  Taraxacum  und  Bardana.  Yon  ersterer  unterscheidet  sie 
sich  durch  deutlich  strahligen  Bau  und  die  etwas  schmälere  Rinde,  deren 
Breite  gewöhnlich  dem  Durchmesser  des  gelben  Holzkernes  gleichkömmt 
oder  etwas  nachsteht.  Die  Rinde  ist  nicht  concentrisch  geschichtet  wie  bei 
Taraxacum,  sondern  von  schmalen,  aber  sehr  langen  Baststrahlen  regelmässig 
bis  in  die  auch  hier  nur  wenig  entwickelte  Mittelrinde  durchsetzt.  In  diesen 
Baststrahlen  liegen  die  Milchsaftgefässe , weniger  zahlreich,  aber  gleich- 
gestaltet wie  in  Radix  Taraxaci. 

Yon  Radix  Bardanae,  mit  welcher  sie  durch  den  strahligen  Bau  des 
Holzkörpers  sehr  wohl  übereinstimmt,  unterscheidet  sich  Cichorium  durch 
weit  längere  schmale  Baststrahlen,  welche  nicht  verdickte  eigentliche  Bast- 
röhren enthalten  und  nicht  bogenförmig  vor  den  Holzbündelu  liegen  wie 
bei  älterer  Bardana,  sondern  immer  schmal  keil-  oder  flammenförmig.  Das 
Holz  ist  gelb  und  bildet  einen  breiten,  festen  Ring,  der  von  schmalen,  nur 
1-  oder  2reihigen,  porösen,  primären  und  sekundären  Markstrahlen  durch- 
schnitten ist.  Die  grossen  Gefässe  dieses  Ringes  sind  von  ziemlich  dick- 
wandigem Holz-Prosenchym  umgeben,  welches  im  Centrum  lockerem, 


Radix  Taraxaci. 


241 


dünnerem  Gewebe  mit  weniger  zahlreichen  grossen  Gefässen  Platz  macht. 
Die  lockere  Mittelrinde  entspricht  ganz  der  von  Bardana  und  erhält  eben- 
falls schon  sehr  früh  durch  grosse  Lücken  ein  schwammiges  Aussehen.  Die 
Markstrahlen  und  die  Mittelrinde  enthalten  hauptsächlich  Inulin,  aber  selten 
in  grosser  Menge,  häufig  fehlt  es.  Die  Aussenrinde  wird  von  einer  dünnen 
hellgelben  Korklage  gebildet. 

Die  Wurzel  schmeckt  unangenehm  und  viel  bitterer  als  Radix  Taraxaci, 
ihr  Infusum  wirkt  sogar  etwas  betäubend , obwohl  sie  an  Milchsaft  weniger 
reich  zu  sein  scheint.  Derselbe  erstarrt  beim  Trocknen  zu  nur  wenig  gelb- 
lich gefärbten  weisslichen  Tropfen. 

Häufig  wird  Cichorium  Intybus  im  grossen  augebaut,  um  diese  Wurzel 
als  Surrogat  oder  Verfälschung  des  Kaffee’s  zu  benutzen,  wozu  sie  sich  im 
Grunde  durch  gar  nichts  empfiehlt.  Sie  ist  stärker  als  die  wildgewachsene 
Wurzel,  fleischig  und  mit  verhältuissmässig  breiterer  Rinde  versehen. 
Bibra  hat  die  wild  gewachsene  (b)  und  die  cultivirte  Wurzel  (a),  im  Herbste 
gesammelt  und  getrocknet,  untersucht.  In  beiden  finden  sich  nur  Spuren 
von  Gerbstoff  und  ätherischem  Oele,  wenig  Eiweiss,  Fett1),  Harz  und  or- 
ganische Säuren,  dagegen 

in  a.  in  b. 

Inulin  ....  19,12  pC.  10,90  pC. 

Zucker  . . . 22,08  „ 37,81  „ 

Die  Asche  (von  a)  enthält  nach  Bauer  29  pC.  Phosphorsäure;  nach  An- 
derson, Graham,  Stenhouse,  Campbell  nur  6 bis  16  pC. , dagegen 
25  bis  55  pC.  Kali.  Die  Gesammtmenge  der  Asche  bestimmte  Anderson 
zu  3,6  bis  6,7  pC. 

Die  Anwendung  der  Cichorium-Wurzel  scheint  wohl  von  Flandern  oder 
Holland  ausgegangen  zu  sein.  Das  zweifelhafte  Verdienst,  sie  als  Kaffee- 
surrogat in  Aufnahme  gebracht  zu  haben,  gebührt  (ungefähr  um  1763) 
C.  G.  Förster  und  dem  Major  v.  Heine  zu  Braunschweig.  Hier  so  wie  bei 
Beilin  begannen  diese  beiden  zuerst  den  Anbau  und  die  Zubereitung  der 
Wurzel  im  grossen.  England  verbraucht  gegenwärtig  jährlich  etwa  % Mil- 
lion Centner  Cichorien  neben  '/2  Million  Centner  Kaffee. 

Radix  Taraxaci. 

Löwenzahnwurzel.  Pissenlit.  Dent  de  lion.  Dandelion  root. 

Taraxacum 2)  officinale  Weber.  — Compositae-Cichoriaceae. 

Syn. : Leontodou  Taraxacum  L. 

Taraxacum  Dens  leonis  Desf. 

Ueber  die  ganze  nördliche  Halbkugel,  von  Nordafrika,  Cypern,  Westasien 
(im  cilicischen  Taurus  bis  7000  Fuss),  Persien,  China,  bis  Island  und  La- 
brador ungemein  häufiges  Acker-  und  Wiesenkraut  mit  ausdauernder  spindel- 

R höchstens  1/2  PW  während  Kaffee  3 — 5 pC.  Fett  enthält. 

2)  Tdraxis  Störung,  Unruhe  und  ak^omai  heilen. 

Plückigcr,  Pharmakognosie.  i r* 


242 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


förmiger  einfacher  oder  ein  wenig  ästiger  Wurzel.  Die  Pflanze  selbst  wechselt 
je  nach  dem  Standorte  in  ihrem  Aussehen  bedeutend  und  steigt  von  unse- 
ren Niederungen  bis  in  die  höchsten  Alpen.  Die  im  frischen  Zustande  flei- 
schige vollsaftige  und  milchende,  gegen  0,20m,  seltener  bis  0,4Üm  lange 
Wurzel  fällt  beim  Trocknen  sehr  zusammen,  ihre  ursprünglich  hell  gelblich- 
braune Farbe  geht  in  etwas  dunkleres  braungrau  über  und  die  Rinde 
schrumpft  zu  dicken,  oft  spiralig  verlaufenden  Längsrunzeln  ein.  Nur  an 
dem  breit  kegelförmigen  Wurzelkopfe  zeigen  sich  auch  stärkere  Querrunzeln. 
Die  trockene  Wurzel  ist  höchstens  gegen  0,015ra  dick;  ihre  Aeste  selten 
stark  entwickelt,  schwächere  nicht  sehr  lauge  Zasern  kommen  häufiger  vor; 
in  der  Regel  ist  die  Wurzel  eine  einfache  oder  wenig  verzweigte  Pfahlwurzel. 

An  dem  Querschnitte  fällt  (uach  dem  Aufweichen)  vor  allem  die  Dicke 
der  Rinde  auf;  ihre  Breite  kömmt  mindestens  dem  Durchmesser  des  Holz- 
kernes gleich  oder  übertrifft  ihn  bedeutend.  Letzterer  bildet  einen  gelblichen, 
sehr  porösen,  aber  nicht  strahligeu  Kreis  ohne  Mark,  dessen  mässig  grosse 
Gefässe  bisweilen  gelbes  Harz  enthalten. 

Eine  ziemlich  breite,  aber  nicht  besonders  ausgezeichnete  Cambiumzone 
trennt  den  Kern  von  der  Rinde,  welche  12  bis  30  scharf  unterschiedene 
concentrische  Zonen  oder  Schichten  zeigt.  Sie  sind  entweder  auf  grösseren 
Strecken  ganz  zusammenhängend  oder  stellenweise  unterbrochen,  so  dass 
bisweilen  diese  Stellen  eine  den  Markstrahlen  entsprechende  radiale  An- 
ordnung darbieten.  Die  coucentrischen  Zonen  der  Rinde  bestehen  aus  ab- 
wechselnden dunkleren  und  aus  hellen , etwa  viermal  breiteren  Schichten, 
deren  äusserste  allein  die  nur  schwach  entwickelte  Mittelrinde  darstellt, 
welche  von  einer  schwachen  Korklage  bedeckt  ist. 

Die  Mittelrinde  enthält  gegen  20  Reihen  kugeliger  oder  eiförmiger 
grösserer  tangential  gestreckter  Zellen,  welche  allmälig  in  das  etwas  engere 
Gewebe  der  Innenrinde  übergehen.  Dieses  besteht  aus  ziemlich  gleich- 
mässigen , im  Querschnitte  nur  wenig  tangential  gestreckten  oder  rundlich 
eckigen,  aber  im  Sinne  der  Axe  verlängerten  und  fast  keilförmig  in  einander 
greifenden  Zellen,  so  dass  sie  besonders  auf  dem  radialen  Längsschnitte, 
weniger  im  Querschnitte,  eine  vollkommen  regelmässige  Anordnung  zeigen. 
Von  den  Mittelrindenzellen  sind  sie  durch  ihre  längliche  ovale  Streckung 
unterschieden.  Auf  je  ungefähr  6 bis  10  Reihen  dieser  Zellen  folgt  eine 
der  schmalen  Zonen  von  nur  2 bis  6 Reihen  ähnlicher,  doch  weit  engeren 
Zellen,  welche  zum  Tlieil  den  Milchsaft  führen,  den  die  frische  Wurzel  im 
Frühjahr  bei  jeder  Verletzung  ergiesst,  zum  Theil  aber  Inulin  enthalten. 
Der  Milchsaft  erfüllt  lauge  dünne,  sehr  reich  verzweigte  Schläuche  von  etwa 
13  Mikromill.  Weite,  die  sich  im  gauzeu  senkrecht,  aber  seitlich  vielfach 
anastomosirend  durch  das  Gewebe  dieser  Zonen  erstrecken  Q.  Die  Schläuche 


1)  Vorgl.  Haustein,  Milchsaftgefasse  und  verwandte  Organe  der  Rinde.  Berl.  1864. 
S.  72.  73.  u.  Tab.  IX.  und  die  vortreffliche  Abhandlung  von  Vogl  in  den  Sitzungsberichten 
d.  Wiener  Akademie  1863.  VI.  S.  668. 


Radix  Taraxäci. 


243 


Senden  ihre  Aeste  nur  nach  den  Seiten,  nicht  radial  nach  innen  oder  nach 
aussen;  doch  bleiben  die  Aeste  meist  kurz,  entweder  blind,  oder  biegen 
sich  um  ein  nahes  Zellenende  herum  und  schlagen  alsbald  wieder  selbst- 
ständig die  vertikale  Richtung  ein.  Die  Milchsaftschläuche  besitzen  eine 
sehr  zarte  Hülle  aus  einem  Zellstoffe,  der  nach  Yogi  in  der  Umwandlung 
zu  Pektose  begriffen  ist,  was  jedoch  Nägeli1)  bestreitet. 

In  den  inneren  Milchsaftzonen  sind  die  Schläuche  auch  von  kurzen 
Siebröhren  begleitet.  In  der  trockenen  Wurzel  zeigen  erstere  feinkörnigen 
bräunlichen  Inhalt,  den  erhärteten  Milchsaft,  der  durch  Wasser  nicht  wieder 
aufgeweicht  werden  kann  und  auch  dem  Weingeist  widersteht. 

Der  trübe  Milchsaft  und  der  grössere  Inulingehalt  der  benachbarten 
Zellen  bedingen  die  dunklere  Färbung  dieser  Zonen.  Das  dazwischen  lie- 
gende viel  breitere  Gewebe  ist  sehr  viel  weitmaschiger  und  ohne  festen  In- 
halt, daher  es  so  bedeutend  zusaramenfällt.  — Einzelne  Milchsaftschläuche 
finden  sich  auch  in  der  Mittelrinde.  Der  Holzkern  besteht  vorherrschend 
aus  grossen,  nicht  deutlich  strahlig  gestellten  Treppen-  oder  Netzgefässen, 
umgeben  von  spärlichem , nur  sehr  wenig  verdicktem  weitem  Parenchym 
ohne  Milchsaftschläuche. 

Die  Wurzel  kömmt  im  Kleinhandel  nur  geschnitten  vor,  ist  aber  an  ihrer 
weissen  hornartigen  breiten  und  coucentrisch  geschichteten  Rinde  und  dem 
schwachen  gelblichen  Holzkern  immer  leicht  kenntlich.  Ihr  siisslicher  und 
bitterer  Geschmack  ist  von  sehr  verschiedener  Intensität,  je  nach  der  Boden- 
beschaffenheit und  der  Jahreszeit. 

Im  Frühjahr  ist  die  ganze  Pflanze  reich  an  Milchsaft,  im  Herbste  fehlt 
er  und  es  tritt  jetzt  erst  in  der  Wurzel  reichlicher  Inulin  auf,  welches  vor 
dem  Blühen  fehlte.  Der  Zucker  dagegen  scheint  zur  Zeit  der  kräftigsten 
Entwickelung  der  Pflanze  in  grösster  Menge  erzeugt  zu  werden  und  gegen 
den  Herbst  abzunehmen , so  dass  vor  und  nach  der  Blütliezeit  der  bittere 
Geschmack  um  so  reiner  und  kräftiger  hervortritt. 

Fetter  Kulturboden  begünstigt  die  Zuckerbildung;  auf  magerem  Boden 
gewachsene  Pflanzen  schmecken  bitterer.  Auch  das  Trocknen  der  Wurzel 
scheint  die  Bitterkeit  zu  vermindern.  Die  frische  mit  dem  Kraute  beim 
Beginne  der  Bliithezeit  verarbeitete  Wurzel,  wie  manche  Pharmakopoen  sie 
verlangen,  muss  demnach  notliwendig  ein  anderes  Extract  liefern  als  die 
im  Spätjahr  ohne  das  Kraut  genommene  (und  getrocknete)  Wurzel.  Die 
betreffenden  gesetzlichen  Vorschriften  sind  daher  genau  einzuhalten. 

Vergleichende  Versuche  Frickhinger’s  über  die  den  verschiedenen 
Vegetationsperioden  entsprechenden  Wurzeln  verdienen  weitere  Ausführung. 
Derselbe  fand  in  der  Wurzel  auch  Spuren  von  Gerbstoff  und  Manuit, 
Smith  Pektin,  oder,  nach  Vogl,  vielmehr  Pektose,  welche  durch  Umbil- 
dung der  Cellulose  in  den  Zwischenzellenräumen  entsteht. 

Der  frische  Milchsaft  des  Löwenzahns  ist  sehr  bitter,  neutral  und  weiss, 

X)  Nägeli  u.  Schweudener.  Das  Mikroskop.  Leipzig  1867.  S.  510. 

16  * 


244 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


nimmt  aber  bald  saure  Reactiou  und  röthlich  braune  Färbung  au,  indem  er 
zu  bröckeligen  Massen  gerinnt,  die  Kromayer  als  Leontodonium  !) 
bezeichnet  und  daraus  durch  heisses  Wasser  den  Bitterstoff,  Taraxaciu, 
erhalten  hat.  Dasselbe  schmeckte  höchst  bitter  und  zeigte  die  Eigenschaften 
des  schon  früher  von  Pol  ex  auch  aus  Milchsaft  dargestellteu  Taraxacins. 
Kromayer  gelang  es  aber  nicht,  dasselbe  krystallisirt  zu  erhalten.  Der 
Milchsaft  ist  der  Hauptsache  nach  eine  Emulsion  von  Harz  und  einem 
wachsartigen  Stoffe,  welchen  Kromayer  krystalliuisch , der  empirischen 
Formel  G8H16G  entsprechend  zusammengesetzt  befunden  und,  au  das 
Lactucerin  erinnernd,  Taraxacerin  benannt  hat. 

Der  Bitterstoff  ist  auch  direkt  aus  der  Wurzel  selbst  in  äusserst  geringer 
Menge  zu  erhalten. 

In  den  Blättern  und  Stengeln,  nicht  in  deu  Wurzeln  und  Blüthen  des 
Löwenzahns  hatMarme  (1864)  den  der  Milchsäuregährung fähigen,  Kupfer- 
tartrat  nicht  reducireuden  Iuosit,  G'2H24G12,  nachgewieseu , der  in  den 
Papilionaceen  so  wie  in  thierischen  Muskeln  verbreitet  ist.  Die  Gegenwart 
eines  anderen  reducireuden  Zuckers  verräth  sich  bei  der  Behandlung  der 
Milchsaftschläuche  mit  alkalischem  Kupfertartrat  (Yogi). 

Im  Extracte  des  Löwenzahns  schiesst  bisweilen  körniger  milchsaurer 
Kalk  an,  wahrscheinlich,  nach  Ludwig’s  Yermuthung,  erst  aus  dem 
Zucker  durch  langsame  Gähruug  entstanden,  wie  auch  ohne  Zweifel  der 
von  Frickhinger  beobachtete  Mannit.  Nach  demselben  ist  die  Wurzel 
auch  reich  an  unorganischen  Bestandteilen;  sie  gab  im  Frühjahr  7,8  pC. 
Asche,  im  Herbste  5,5  pC. 

Bei  Theophrasthiess  die  Pflanze  Aphake  (Phake,  Sommerfleck),  doch 
steht  die  Identität  nicht  fest;  später  bei  Fuchsius  Hedypnois  (ruhiger 
Atliem  — wegen  der  Wirkung  des  „Leontodoniums“).  Auch  die  arabischen 
Aerzte  des  früheren  Mittelalters  benutzten  dieselbe. 


Radix  Scainmomae. 

Scammonia- Wurzel.  Racine  de  scammonee.  Scammony  root. 

Convolvulus  Scammonia  L.  — Convolvulaceae. 

Die  Scammonia- Winde  sieht  mit  Ausnahme  ihrer  etwas  grösseren  grüu- 
lich-gelbeu  Blume  unserem  Convolvulus  arvensis  ähnlich.  Sie  wächst  in 
Hecken  oder  an  Felsen  windend  in  Rumelien  und  der  Krim , im  Kaukasus, 
um  Trapezunt,  durch  ganz  Kleiuasieu  (am  Busen  von  Adalia  z.  B.  von  der 
Küste  an  in  das  Taurus-Gebirge  bis  5000  Fuss  über  Meer)  und  Syrien 
(Gegend  von  Marasch,  nördlich  von  Aleppo.  — Amanus- Kette)  bis  nach 
Mesopotamien,  auch  auf  Cypern,  Rhodus,  Kos  und  Kreta.  Besanders  häufig 


1)  schon  im  XVI.  Jahrhundert  dem  Lactucarium  analog  als  einschläferndes  Mittel  em- 
pfohlen. 


Radix  Scammoniae. 


245 


findet  sich  die  Pflanze  auch  in  der  näheren  und  weiteren  Umgebung 
Smyrna’s. 

Die  meist  ziemlich  einfach  möhrenförmige  mehrstengelige  Wurzel  er- 
reicht bis  1 m Länge,  zu  oberst  au  dem  starken  Wurzelkopfe  gegen  0,10 m 
Dicke  und  entsendet  gewöhnlich  nur  aus  dem  uutersten  Theile  einige  Neben- 
wurzeln. Meist  jedoch  scheint  die  Wurzel  weit  unter  der  angegebenen 
Stärke  zu  bleiben  und  zeigt  sich  mehr  walzenförmig;  der  Standort  ist  ohne 
Zweifel  vom  grössten  Einflüsse  auf  ihren  Umfang  und  Gehalt. 

Die  milchsaftreiche  Rinde  ist  im  Verhältnisse  zum  Holzkörper  nur  wenig 
entwickelt  und  schrumpft  beim  Trocknen  selbst  an  grösseren  Stücken  auf 
ein  paar  Millimeter  ein.  Sie  schmiegt  sich  hierbei  den  sanften  Vorsprüngen 
des  im  Querschnitte  übrigens  ungefähr  kreisförmigen  Holzes  enge  an,  so 
dass  die  hellbraune  Oberfläche  der  Wurzel  der  Länge  nach  von  gestreckten 
glatten  Runzeln  durchzogen  ist,  denen  sich  seltener  untergeordnete  Quer- 
höckerchen  beigesellen.  Der  Querschnitt  durch  die  Rinde  der  Hauptwurzel 
bietet  ziemlich  verworren  ineinander  greifende  Keile  dunkleren  Bastes  und 
hellerer  gegen  die  Peripherie  breit  in  die  sehr  schmale  Mittelrinde  ver- 
schwimmender  Markstrahlen  dar.  Zahlreiche  grössere  braungelbe  Harzzel- 
len unterbrechen  ohne  Regelmässigkeit  einzeln  oder  in  tangentialer  Rich- 
tung zu  mehreren  an  einander  gereiht  das  Gewebe  der  Innenrinde. 

Der  hell  bräunlich  graue  sehr  faserige  und  grossporige  Holzcylinder  ist 
aus  zahlreichen  einzelnen  Strängen  gebildet,  welche  von  schmalen  weissen 
oder  zum  Theil  braun  gefärbten  Parenchymstreifen  umschrieben  sind.  Die 
ersteren  nehmen  nur  gegen  die  Peripherie  einen  regelmässigeren  Verlauf 
an  und  treten  als  breite  Markstrahlen  in  die  Rinde  ein.  Sekundäre  nur  ein- 
reihige Markstrahlen,  welche  die  Holzbündel  geradlinig  durchschneiden, 
treten  gewöhnlich  nicht  in  die  Rinde  über.  In  ihrem  Verlaufe  durch  die 
Länge  der  oft  gedrehten  Wurzel  sind  die  einzelnen  Holzstränge  manigfach 
gekrümmt,  ihr  Bild  auf  dem  Querschnitte  daher  sehr  veränderlich. 

Der  Holzkörper  der  Wurzeläste  erscheint  fast  strahlig  und  etwas 
gelappt,  sein  ansehnliches  Mark  nimmt  gewöhnlich  nicht  genau  das  Cen- 
trum ein. 

Die  Mittelriude  beschränkt  sich  auf  wenige  Reihen  schlaffer  Zellen , oft 
zum  Theil  gefüllt  mit  kleinen  Rosetten  oder  vereinzelten  rhomboederähn- 
lichen Krystallen  von  Kalkoxalat,  zum  Theil  mit  kleinen  Stärkekörnchen. 
In  älteren  Wurzeln  finden  sich  da  und  dort  auch  wenig  auffallende  meist 
nur  mässig  verdickte  Steinzellen.  Die  Mittelrinde  pflegt  aber  schon  frühe 
der  Verkorkung  anheim  zu  fallen. 

Die  Innenrinde  ist  vorherrschend  aus  grosszelligem  etwas  axial  verlän- 
gertem Bastparenchym  gebildet,  welches  von  dünnen  Hornbaststrängen 
durchzogen  wird.  Auch  dünnwandige  Steinzelleu  finden  sich  hier  und  da  ein- 
gestreut. Die  Harzzellen  gehören  ebenfalls  dem  Parenchym  der  Innenrinde 
an  und  sind  beträchtlich  weiter  als  die  Zellen  des  übrigen  Gewebes.  Ihr 
höchst  einfacher  Bau  stimmt  mit  dem  der  Harzzellen  der  anderen  Convolvu- 


246 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


laceen  (vergl.  z.  B,  Rad.  Turpethi)  überein.  In  der  käuflichen  Wurzel  ent- 
halten die  Harz-  oder  Milchsaftzellen  schön  gelbes  festes  Harz.  In  dünnen 
Wurzelästen  erweisen  sich  diese  Saftzellen  als  ganz  einfache  kurze  Sieb- 
röliren,  nicht  unähnlich  denen  von  Fructus  Papaveris,  mit  halbflüssigem 
grau  bräunlichem  Inhalte.  Das  übrige  Bastparenchym  führt  entweder  kleine 
Amylumkörnchen  oder  rhomboederartige  Oxalatkrystalle  in  sehr  grosser 
Menge. 

Die  grossen  netzförmigen  oder  getüpfelten  Gefässe  des  Holzes  sind  von 
schief  abgeschnittenen,  stark  verdickten  und  grossporigen  liolzzellen  in 
grosser  Zahl  begleitet  und  bisweilen  gleichfalls  von  tief  gelbem  Harze  erfüllt. 
In  älteren  W urzeln , wo  die  einzelnen  Holzsysteme  reichlicher  von  Paren 
chyrn  umgeben  sind,  enthält  dasselbe  auch  Harzzellen,  zeigt  überhaupt  den 
Bau  des  Rindengewebes  und  strotzt  meist  von  Amylum  und  ansehnlichen 
einzelnen  Oxalatkrystallen,  nicht  Rosetten. 

So  sehr  hiernach  der  Bau  und  Inhalt  der  Scammonia-Wurzel  im  allge- 
meinen mit  demjenigen  der  übrigen  drastischen  Convolvulaceen -Wurzeln 
übereinstimmt,  so  unterscheidet  sie  sich  doch  bestimmt  durch  die  Anord- 
nung ihrer  Gewebe.  Die  Orizaba- Wurzel  (vergl.  Radix  Orizabensis)  pflegt 
vorherrschend  bei  weitem  grössere  unregelmässige  aber  unverkennbar  con- 
centrisch-strahlig  gebaute  Stücke  aufzuweiseu,  deren  Holzkörper  nicht  aus 
einzelnen  selbstständigen  Strängen,  sondern  aus  zusammengehörigen  durch 
Markstrahlen  getrennten  kurzen  Keilen  gebildet  ist. 

Auch  die  Turbithwurzel  (vergl.  Radix  Turpethi),  welche  derjenigen  von 
Scammonia  am  ähnlichsten  sieht,  besitzt  einen  centralen  strahligen  Holz- 
cyliuder,  neben  welchem  allerdings  sekundäre  Holzstränge  ziemlich  selbst- 
ständig anftreten.  Sie  sind  aber  immerhin  concentrisch  mit  unverkennbarer 
Beziehung  zum  Hauptkerne  geordnet.  Was  jedoch  die  Turbithwurzel  am 
meisten  kennzeichnet,  sind  die  auch  in  der  Rinde  vorhandenen  Holzstränge, 
welche  bei  Scammonia  fehlen.  Einzelne  Stücke  der  Turbithwurzel,  wo  die 
Holzstränge  in  der  Rinde  sehr  wenig  ausgebildet  sind,  können  der  Scammo- 
nia  sehr  nahe  kommen. 

Tuber  Jalapae  endlich  ist  schon  durch  die  äussere  Form  hinlänglich 
von  Scammonia  verschieden.  Die  Gewebe  beider  Wurzeln  stimmen  im  ein- 
zelnen wohl  überein,  aber  die  zonenweise  Abwechselung  von  Harzzellen 
und  harz-  oder  milchsaftfreiem  Parenchym  findet  sich  im  Kerne  der  Scam- 
moniawurzel  nicht,  wogegen  der  Jalape  eigentliches  Holz  abgeht. 

Yon  geringerem  Belauge  ist  der  grössere  Reichthum  der  Scammonia  an 
Kalkoxalat,  welches  liier  vorwiegeud  in  ansehnlichen  einzelnen  etwa  20  Mi- 
kromill.  grossen  Krystalleu  und  weniger  häufig  in  Drusen  (Rosetten)  abge- 
lagert ist,  wie  in  der  Jalape  und  der  Orizabawurzel.  Die  Stärkekörner  der 
Scammonia,  höchstens  etwa  10  bis  20  Mikromill.  erreichend,  bleiben  ob- 
wohl gleich  gestaltet  oder  ähnlich  zusammengesetzt,  au  Grösse  sehr  hinter 
denjenigen  der  verwandten  Wurzelu  zurück. 

Die  Zellen,  welche  den  Harz-  oder  Milchsaft  führen,  zeigen  in  der  Scam- 


Radix  Scainuioniae. 


247 


moniawurzel  denselben  Bau  wie  in  den  erwähnten  Wurzeln , kommen  aber 
weniger  häufig  vor1)  und  bleiben  durchschnittlich  nur  halb  so  weit  wie  etwa 
iu  der  Jalape.  Demgemäss  ist  auch  der  Geschmack  und  Geruch  der  ersteren 
höchst  unbedeutend. 

Der  getrocknete  Milchsaft  der  Scammonia,  welcher  vor  der  Blüthezeit  am 
reichlichsten  vorhanden  ist,  wird  seit  dem  Alterthum  unter  dem  Namen 
Scammönium  ( Gummi- resina  s.  resina  Scaminonium)  vorzüglich  aus 
Smyrna  und  Aleppo  in  den  Handel  gebracht.  Man  gräbt2)  zur  Blüthezeit 
die  Erde  rings  um  die  etwa  vierjährigen  Wurzeln  weg,  schneidet  diese  in 
schiefer  Richtung  an  oder  durch  und  schiebt  in  die  Wunden  flache  Muscheln 
ein,  auf  denen  der  Saft  bis  zu  ziemlicher  Dicke  getrocknet,  hierauf  zu 
grösseren  Massen  vereinigt  und  vollends  ausgetrocknet  wird.  Dieses  rohe 
Verfahren  ist  seit  undenklichen  Zeiten  üblich.  Eine  W urzel  soll  hierbei 
höchstens  etwa  8 Gramm,  meist  weit  weniger  trockenes  Produkt  geben, 
wächst  aber  bei  nicht  allzu  arger  Misshandlung  wieder  fort.  Dasselbe  sieht 
bräunlich  gelb  bis  dunkelbraun  oder  fast  schwarzgrün  aus  und  ist  mehr 
oder  weniger  durchscheinend,  häufig  etwas  blasig,  auf  der  Oberfläche  meist 
graulich  bestäubt.  Es  gibt  ein  hellgrauliches  kratzend  schmeckendes  Pul- 
ver; der  Geruch  beim  Reiben  erinnert  an  den  des  rohen  Jalapenharzes.  Mit 
sehr  wenig  Wasser  gibt  das  Scammönium  eine  Emulsion  oder  doch  eine 
kleberige  fadenziehende  Masse,  verhält  sich  also  in  dieser  Hinsicht  wie  der 
Inhalt  der  Milchsaftzellen  der  käuflichen  Jalape. 

Das  Scammonia-Harz , abgesehen  von  etwa  10  pC.  Gummi,  flüchtigen 
Fettsäuren  und  anderen  Stoffen,  welche  es  im  rohen  Milchsäfte  begleiten, 
hat  sich  durch  die  Untersuchung  von  Spirgatis  (1860)  als  identisch  er- 
wiesen mit  dem  Harze  der  Radix  Orizabensis  (vergl.  diese),  dem  sogenann- 
ten Jalapin  (besser  Orizabiu).  Auch  die  Löslichkeitsverhältnisse  des  S c am- 
monin s sind  die  gleichen,  während  das  eben  so  zusammengesetzte  Tur- 
pethin  sich  z.  B.  in  Aether  nicht  löst  (vergl.  bei  Rad.  Turpethi).  Frühere 
Untersuchungen  hatten  unklare  Resultate  ergeben,  vermuthlich  weil  sie  mit 
unreineren  Sorten  des  käuflichen  Scammoniurns  ausgeführt  worden  waren. 

Von  jeher,  schon  zur  Zeit  von  Dioskorides,  wird  dasselbe  nämlich 
auf  die  manigfaltigste  W?eise  verfälscht,  entweder  indem  man  die  schon 
durch  Anschneiden  des  Milchsaftes  grösstentheils  beraubte  Wurzel  noch 
auskocht  und  so  ein  harzarmes  Extract  erhält,  oder  indem  man  reinerem 
Milchsäfte  Mehl,  Kreide,  Gyps  u.  s.  f.  beimischt.  Der  Handel  bietet  daher 
Scammoniumsorten,  welche  an  Aether  bisweilen  nur  25  pC. , statt  80  bis 
90  pC.  des  reinen  Harzes  abgeben. 

Dieser  Unfug  veranlasste  1859  endlich  den  in  Kleinasien  ansässigen 
Engländer  Clark  eine  zweckmässigere  und  ehrlichere  Gewinnung  des  Har- 
zes anzuregen.  Er  sandte  getrocknete  Whirzeln  an  W'  i 1 1 i a m s o n in  London, 


J)  M arquart  fand  in  einer  zn  Bonn  gezogenen  Wurzel  nur  4 pC.  Harz. 

')  I/auij.a,  das  Gegrabene.  Datier  auch  das  arabische  Sukmuuia  für  Scammönium. 


248 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 

nach  dessen  Anleitung  das  Haus  MacAndrew&Son  sich  ein  Verfahren 
patentiren  liess,  um  das  Harz  in  der  für  Resina  Jalapac  allgemein  üblichen 
Weise  darzustellen.  Dieses  Patent-Scammonium  unterscheidet  sich  daher 
vom  besten  käuflichen  Scammonium  durch  die  Abwesenheit  des  wirkungs- 
losen, in  Weingeist  unlöslichen  Antheiles  des  Milchsaftes,  weshalb  es  sich 
nicht  in  Emulsion  bringen  aber  gänzlich  in  Aether  auflösen  lässt.  Es  zeigt 
auch  einen  weniger  unangenehmen  Geruch. 

British  Pharm acopoeia  (1864)  hat  sich  nicht  damit  begnügt  (neben 
käuflichem  Scammonium !)  das  reine  Harz  aufzunehmen , soudern  auch  die 
Wurzel  selbst,  aus  Syrien,  vorgeschrieben,  um  die  Darstellung  des  erstereu 
in  der  Pharmacie  einzubürgern.  — Pharm.  Germaniae  (1865)  folgt  ganz 
diesem  Vorgänge  und  es  ist  zu  hoffen,  dass  der  Anstoss  genüge,  um  regel- 
mässige Zufuhren  der  Wurzel,  vielleicht  auch  den  Anbau  der  Pflanze  im 
grossen,  in  Gang  zu  bringen.  Vermuthlich  wird  sich  die  Kultur  sogar  in 
Südeuropa  wohl  lohnen. 

Das  Scammonium  gehört  zu  den  ältesten  Arzneistoffen,  allein  die  Schil- 
derung von  Dioskorides  deutet  auf  eine  andere  Stammpflanze,  vielleicht 
Convolvulus  sagittaefolius  Sibthorp  hin. 

Tuber  Jalapae. 

Radix  s.  caudex  Jalapae  ponderosae  v.  tuberosae.  Jalapenknolleu.  Jalapa- 
wurzel.  Jalap.  Vrai  Jalap.  Jalap  tubereux.  Jalap. 

Ipomoea1)  Purga  Hayne.  — Convolvulaceae. 

Syn.:  Convolvulus  Purga  Wenderoth. 

Ipomoea  Schiedeana  Zuccarini  (non  Hamilt.). 

Exogonium  Purga  Bentharu. 

Ipomoea  Jalapa  Nuttal. 

Convolvulus  offieinalis  Pelletan. 

Die  Wurzeln  vieler  exotischer  Convolvulaceen  verdicken  sich  zu  aus- 
dauernden Knollen,  die  entweder  heftig  purgirenden  Milchsaft  führen  oder 
geniessbar  sind , wie  die  bekannten  Bataten  von  Convolvulus  Batatas  L. 
(Batatas  edulis  Choisy).  Von  ersteren  wurden  bald  nach  der  Entdeckung 
Amerikas,  besonders  aus  Mexico,  mehrere  verschiedene  Arten  in  den  euro- 
päischen Arzneigebrauch  eingeführt;  jetzt  sind  allein  die  Knollen  der  oben 
genannten  Winde 2)  noch  officinell. 

Die  Heimat  der  Jalapenwiude  ist  das  zerrissene  Bergland  der  ost- 
mexikanischen Cordillere,  welches  den  östlichen  Abhang  der  gewaltigen 


1)  Ipomoea  von  Ips , ipös , — Name  eines  Wurmes  — Anspielung  auf  den  windenden 
Stamm  der  Jalape. 

2)  Wohl  zu  unterscheiden  von  Batatas  Jalapa  Choisy  (Syn.:  Convolvulus  Jalapa  L., 
Ipom.  Jalapa  Pursli,  Convolv.  Mechoacan  Vand.),  welche  früher  als  Stammpflanze  unserer 
Jalapa  galt,  vermuthlich  aber  Bad.  Mechoacannae  liefert.  Sic  wächst  nicht  nur  in  Mexico, 
sondern  auch  in  Brasilien,  Florida,  Carolina,  Georgia. 


Tuber  Jalapae 


249 


Vulkankette  vom  Cofre  de  Perote  zum  Pik  von  Orizaba  bildet.  In  den 
feuchten,  schattigen  Wäldern  der  Höhenregion  von  5000  bis  6000  Fuss, 
der  Tierra  templada,  wächst  die  Winde  theils  hoch  an  Bäumen  empor- 
kletterud,  theils  kultivirt,  hauptsächlich  bei  Huachinango,  Cordoba,  Hua- 
tusco,  kaum  mehr  bei  Xalapa,  nicht  in  tieferen  Regionen.  Die  Pflanze  selbst 
wurde  erst  1829  durch  Schiede  bei  Chiconquiaco1)  uuweit  San  Salvador 
am  Cofre  de  Perote  aufgefunden. 

Die  Wurzeln  werden  das  ganze  Jahr  hindurch,  hauptsächlich  aber  nach 
der  Regenzeit  im  Mai,  gesammelt  und  über  Vera-Cruz  in  den  Handel  gebracht, 
welcher  Hafen  davon  z.  B.  1856  etwas  über  1000  Ctr.,  1860  über  1200  Ctr., 
imWerthe  von  etwa  xf \ Million  Franken,  ausführte.  Der  Export  von  Tam- 
pico erreichte  1858  nur  den  Werth  von  70,000  Franken. 

Das  Wurzelsystem  besteht  in  seiner  Grundform  aus  einem  ganz  einfachen 
kugeligen,  etwa  faustgrossen  Knollen  ohne  Spuren  von  Blattorganen. 
Nach  oben  treibt  er  mehrere  Stengel,  nach  unten  ist  er  plötzlich  in  eine 
schwanzartige,  lange,  ziemlich  dünne,  hin-  und  hergebogene,  gewöhnlich 
etwas  ästige  Wurzel  zusammengezogen  oder  endigt  in  .zwei  solcher  Wur- 
zeln. Die  Stengel  kriechen  oft  als  Ausläufer  weit  fort  und  sind  mit  kleineren 
sitzenden  Knollen  besetzt,  welche  mehr  länglich  und  oft  eingeschnürt,  sonst 
aber  dem  Hauptknollen  gleich  gebildet  sind.  Aus  demselben  entspringen 
bisweilen  auch  verlängerte  Wurzeläste,  welche  sich  ihrerseits  wieder  zu 
bewurzelten  Knollen  verdicken  können,  an  welchen  neue  Ausläufer  ent- 
stehen. Die  käufliche  Jalape  bietet  demnach  sehr  verschiedenartige,  höchst 
unregelmässige  Stücke  dar,  theils  eiförmige  oder  verlängerte  grössere  Knollen, 
theils  dickere  Ausläufer,  theils  kleine  Knöllchen.  Das  ganze  reichlich  mit 
klebrigem  Milchsäfte  erfüllte  fleischige  Wurzelsystem  muss  über  anhaltendem 
Feuer  getrocknet  werden,  was  bei  den  grösseren  Knollen  durch  mehr  oder 
weniger  tief  geführte  Einschnitte  befördert  wird.  Früher  wurden  sie  öfter 
in  Querscheiben  geschnitten.  Die  kleinen  Knollen  bleiben  ganz  und  unter- 
scheiden sich  gewöhnlich  durch  breite,  kurze,  verästelte  Längsleisten,  die 
durch  tiefe,  sehr  schmale  Längsfurchen  getrennt  werden.  Bei  den  grösseren 
Knollen  verlaufen  die  Furchen  und  Leisten  sehr  unregelmässig,  fast  netz- 
artig und  sind  mit  Kork  ziemlich  reichlich  bedeckt,  der  in  den  Furchen 
durch  das  von  der  Hitze  ausgetriebene  Hai’z  dunkelbraune,  auf  den  Längs- 
leisten graugelbliche,  matte  Färbung  zeigt,  während  die  (vielleicht  einer 
andern  Art  angehörenden)  kleineren  Knollen  eine  mehr  glänzende,  schwärzlich- 
braune Aussenfläche  darbieten.  — Eine  Querstreifung  findet  sich  seltener 
angedeutet. 

Im  Innern  lassen  die  Gewebe  selbst  der  grössten  Knollen  nur  Andeu- 
tungen von  strahlenförmiger  Anordnung  wahrnehmen.  Der  Querschnitt, 
von  ziemlich  gleichförmiger  graulicher  bis  bräunlicher  Färbung,  zeigt  in 
einem  Abstande  von  nur  0,00 lm  bis  0,002m  unter  der  Oberfläche  und 


')  Chiconquiera  nach  anderen. 


250 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


parallel  mit  derselben  wellenförmig  verlaufend  eine  einfache  oder  doppelte 
dunkle,  feine  Cambiumliuie.  Die  ausserhalb  derselben  liegende  Rinde 
zeichnet  sich  durch  eine  grosse  Menge  dunkler,  oft  in  der  Nähe  derCambium- 
linie  beinahe  zu  regelmässigen  Kreisen  geordneter  Harzpunkte  aus  und 
besitzt  überhaupt  meistens  eine  dunklere  Färbung. 

Aehnliche  Zonen  von  nur  etwa  3 — 4 Reihen  dunkler  Harzzellen  folgen 
nach  innen,  immer  mit  der  Rinde  gleichlaufend.  Sie  sind  durch  1 Millirn. 
breite  Zonen  helleren  Parenchyms  auseinander  gehalten,  in  welchen  noch 
(sekundäre)  einreihige,  weitläufige  Kreise  von  Harzpunkten  oder  ganz  ver- 
einzelte Harzzellen  auftreten.  Gegen  das  Centrum  zu  nimmt  der  Harzreich- 
thum sehr  ab  und  damit  auch  die  deutliche  Entwicklung  der  Kreise. 

Gefässbündel  kommen  nur  spärlich  und  ganz  unregelmässig  einge- 
streut vor. 

Harzärmere  Wurzeläste  oder  Knollen  enthalten  im  Innern  ganz  verein- 
zelte und  nur  in  der  Rinde  zahlreiche  Harzgänge;  bieten  also  einen  mehr 
einförmigen  als  durch  concentrische  Zonen  bezeiclmeten  Querschnitt  dar. 

Die  mit  sehr  regelmässigen  concentrischen  Harzringen  versehenen  Knollen 
lassen  sich , nach  dem  Einweichen , in  tangentialer  Richtung  leicht  in  die 
einzelnen  schalenartigeu  Schichten  spalten,  an  deren  Peripherie  die  Harz- 
gänge liegen.  Demnach  würden  die  einzelnen  Lagen  des  Knollens  Jahres- 
schichten entsprechen,  wobei  aber  auffällt,  dass  in  den  äussersten  das  Harz 
am  reichlichsten  abgelagert  ist.  — Bei  dem  sehr  harzreichen  Guajakholze 
sind  die  äusseren  Holzlageu  (Splint)  frei  von  Harz. 

Die  Jalape  ist  sehr  dicht  und  schwer;  faustgrosse  Stücke  von  100—200 
Gramm  sind  nicht  selten.  Der  Bruch  ist  gleichmässig  hornartig  oder  im 
Innern  mehlig;  bei  harzreichen  Stücken  fast  muschelig,  aber  nicht  holzig 
oder  faserig. 

Die  Korkschicht  besteht  aus  etwa  12  Lagen  gewöhnlicher  tafelförmiger 
Korkzellen,  deren  äussere  Hälfte  dunkelbraune,  die  innere  farblose  Wan- 
dungen besitzt.  Zahlreiche  braun  gefärbte  Klümpchen  oder  Körnchen  finden 
sich  da  gegen  zwischen  dem  Korke  und  der  anstossenden  äussersten  Parenchym- 
schicht der  Rinde  abgelagert,  zugleich  mit  kleinen  (20-  30  Mikromill. 
messenden)  Krystallrosetten  von  ähnlichem  Bau  wie  etwa  in  der  Rhabarber, 
nur  mehr  abgerundet.  Diese  Krystalle  sind  wenig  zahlreich  und  fehlen  im 
Innern.  Das  Parenchym  der  Rinde  besteht  sehr  gleichförmig  aus  grossen, 
etwas  dickwandigen,  tangential  gedehnten  Zellen,  die  gegen  den  Kork  hin 
kleiner  sind.  Markstrahlen  fehlen.  Die  sehr  zahlreichen  Harzgänge  erinnern 
bisweilen  durch  ihre  Gruppirung  eiuigermasseu  an  Bastkeile;  sie  erscheinen 
auf  dem  Querschnitte  als  runde,  von  zarten  gelblichen  W änden  eingefasste 
Hohlräume,  deren  Durchmesser  (Vio  bis  Vs  Millimeter)  weit  beträchtlicher 
ist  als  der  der  anstossenden  Parenchymzollen , welche  hier  keine  besondere 
Anordnung  oder  Form  besitzen. 

An  die  letzte  Reihe  der  Harzzellen  in  der  Rinde  stösst  das  Cambium, 
zarte,  prosenchymatiselie,  verworrene  Zellen,  deren  etwas  gelbliche  Wände 


Tuber  Jalapae. 


251 


auf  dem  Querschnitte  sehr  unregelmässige , schlängelige  Biegungen  zeigen. 
Etwa  3 — 6 Reihen  derselben  sind  in  einander  verfilzt,  und  bisweilen  findet 
sich  eine  zweite  schmalere  derartige  Cambialzone  noch  vor,  von  der  ersteren 
durch  einige  Reihen  mehr  parenchymatischer  Zellen  getrennt. 

Das  innerhalb  der  Cambiumzone  folgende  Gewebe  bietet  im  Gegensätze 
zur  Rinde  eine  deutlich  ausgesprochene  radiale  Anordnung  und  geringe 
radiale  Streckung  der  Parenchymzellen  dar,  obwohl  keine  bestimmten  Mark- 
strahlen. Ein  Streifen  dieses  Gewebes  von  der  ungefähren  Breite  der  Rinde 
ist  frei  von  Harzzellen  und  nach  innen  wieder  durch  eine  etwas  lockere 
bast-  oder  cambiumartige  Schicht  abgegrenzt,  an  welche  nun  erst  wieder 
ein  Kreis  von  Harzzellen  anstösst,  worin  auch  da  und  dort  Gefässbiiudel 
Vorkommen. 

Alle  weiteren  Harzzonen  sind  ähnlich  gebaut,  mit  einem  schmalen 
vorliegenden  Prosenchymgürtel. 

Die  höchstens  gegen  Vio  Millim.  starken  Netz-  oder  Tüpfelgefässe  sind 
von  spärlichem,  dünnem,  gelblichem,  nicht  verholztem  Prosenchym  umgeben 
und  gewöhnlich  von  krummem,  wurmförmigem  Verlaufe.  Diese  Gefäss- 
biindel  kommen  nur  ganz  vereinzelt,  nirgends  in  strahlenförmiger  Anord- 
nung vor. 

Das  ganze  Parenchym , sowohl  in  der  Rinde  als  im  Innern,  strotzt  von 
sehr  grossen  (bis  gegen  60  Mikromill.  messenden),  geschichteten,  vor- 
herrschend kugeligen  Amylumkörnern , die  sehr  häufig  zu  2 — 5 vereinigt 
zusammengesetzte  Körper  darstellen  und  zu  den  allergrössten  Stärkearten 
gehören.  Durch  die  beim  Trocknen  sehr  lange  auf  die  saftreiche  Wurzel 
einwirkende  Hitze  erleidet  die  Stärke  der  äusseren  Schichten  mehr  oder 
weniger  bedeutende  Veränderungen  oder  gänzliche  Verkleisterung,  welche 
mit  dem  ausgetretenen  Harze  die  hornartige  Beschaffenheit  der  Wurzel 
bedingt.  Häufig  trifft  man  daher  auch  in  der  Jalape  Stärkekörner , die  nur 
noch  eine  leere  aufgerissene  Kugelschale  darstellen.  Kleinere  Knollen 
scheinen  wohl  ohne  künstliche  Wärme  getrocknet  zu  werden,  da  sie  häufig 
ganz  unverändertes  Amylum  enthalten. 

Die  Anlage  der  Harzgänge  lässt  sich  auf  dem  Längsschnitte  deutlich 
erkennen.  Sie  durchziehen  parallel  mit  der  Axe  die  betreffenden  Schichten 
der  Knollen,  doch  in  ihrem  Verlaufe  häufig  durch  bogige  Krümmungen  von 
der  Senkrechten  abweichend,  wie  auf  dem  tangentialen  Längsschnitte  am 
besten  zu  erkennen  ist.  Die  Harzgänge  sind  nicht  sowohl  eigentliche  Gänge, 
wie  etwa  die  Behälter  des  ätherischen  Oeles  und  Balsams  in  denWurzelu 
der  Umbelliferen  (Angelica.  Levisticum)  und  Compositen  (Arnica.  Anacyclus. 
Enula),  sondern  nur  senkrecht  auf  einander  gestellte  einzelne  Zellen  von 
kubischer  oder  kugeliger  Form  mit  dünnen,  oft  etwas  eingefallenen,  schwach 
gelblichen  \\  änden , umgeben  von  gewöhnlichem,  nur  wenig  gestrecktem 
Parenchym  oder  von  der  erwähnten  mehr  prosenchymatischen  Zone.  Häufig 
aber  sind  die  zarten  Querwände  der  Zellenreihe  stellenweise  verschwunden, 
so  dass  dann  allerdings  die  übrig  gebliebenen  Seitenwände  einen  grösseren 


252 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 

gangartigen  Raum  darstellen.  Oft  sind  diese  Zellenreilien  sehr  lang,  oft 
aus  nur  10- — 20  Zellen  gebildet,  aber  niemals  verzweigt,  wie  etwa  die 
Milchsaftgefässe  von  Taraxacurn  oder  Lactuca.  Der  fast  farblose  Milchsaft 
ist  in  den  Zellen  der  getrockneten  Knollen  noch  in  halbflüssiger  Form  ent- 
halten; befeuchtet  man  einen  zarten  Schnitt,  so  wird  die  dunkle  Harzmasse 
heller,  rundet  sich  zu  einem  grossen  gelblichen,  trüben  Tropfen  ab,  der  sehr 
bald  austritt,  mit  dem  Inhalte  benachbarter  Zellen  zusammenfliesst  und  sich 
endlich  über  den  ganzen  Schnitt  verbreitet,  so  dass  die  harzführenden 
Zellenreihen  völlig  entleert  und  jetzt  sehr  deutlich  erkannt  werden.  Wasser, 
Glycerin,  Chlorcalciumlösung,  Schwefelsäure,  Kalilauge  wirken  gleich  auf 
das  Harz  und  stellen  die  Emulsion,  den  ursprünglichen  Milchsaft,  wieder 
hei.  Alkohol  und  ätherische  Oele  lösen  das  Harz  und  heben  die  Emulsion  auf. 

In  andern  Milchsaft  führenden  Wurzeln  lässt  sich  derselbe  nach  dem 
Eintrocknen  durch  Zusatz  von  Wasser  nicht  wieder  emulgiren.  'So  z.  B.  in 
Rad.  Taraxaci. 

Der  schwache  Geruch  der  Jalape  erinnert  an  Rauch;  sie  schmeckt  erst 
fade,  dann  kratzend. 

Die  hervorragenden  Bestandteile  der  Jalape,  Stärke  (bis  18  pC.), 
unkrystallisirbarer  Zucker  (bis  19  pC.,  Guibourt),  Gummi,  Farbstoff 
und  Harz,  scheinen  in  ihrer  Menge  bedeutenden  Schwankungen  unter- 
worfen zu  sein.  Der  Harzgehalt  wird  bisweilen  scheiubar  dadurch  erhöht, 
dass  das  Amylum  durch  Insektenfrass  vermindert  ist.  Das  Harz  beträgt 
10  bis  17  pC.  und  erscheint  unabhängig  vom  Alter  der  Knollen;  nach 
Marquart  gab  in  Bonn  gezogene  Wurzel  12  pC.  Harz,  nach  Widnmann 
eine  iu  München  cultivirte  sogar  22  pC. 

Das  Harz  ist  ausgezeichnet  durch  seine  grosseLöslichkeit  in  Weingeist, 
Essigsäure  und  Essigäther.  1 Theil  verdünnten  Weingeistes  von  70  Yol. 
pC.  löst  bei  gewöhnlicher  Temperatur  schon  1 Th.  des  Jalapenharzes,  von 
anderen  Harzen  weit  weniger.  Auch  in  allen  übrigen  Beziehungen  unter- 
scheidet sich  das  Jalapen  harz  so  sehr  von  den  Harzen,  dass  es  im  Grunde 
dieser  Klasse  von  Verbindungen  nicht  beigezählt  werden  darf.  Aether,  auch 
Chloroform,  entzieht  dem  durch  Weingeist  dargestellteu  rohen  Harze  5 bis 
7 pC.  eines  oft  mit  Jalapin  identificirten,  doch  noch  nicht  näher  untersuchten 
Harzes,  das  nach  längerer  Zeit  krystallisirt  (Sandrock's  „Gammaharz“). 
Der  nicht  gelöste  Theil  wurde  von  W.  Mayer  mit  dem  Namen  Convol- 
vuliu  ‘)  belegt  und  nach  der  Formel  G31H50O1G  zusammengesetzt  befunden. 
Es  ist  vollkommen  gereinigt  farblos,  dem  arabischen  Gummi  ähnlich,  löst 
sich  sehr  leicht  in  den  fixen  Alkalien  und  wird  durch  Zusatz  von  Säuren 
nicht  wieder  gefällt,  indem  es  sich  durch  Wasseraufnahme  in  die  in  Wasser 
lösliche  amorphe  Convolv ulinsäure  verwandelt.  Convolvulin  sowohl 
als  Convolvuliusäure  zerfallen  durch  mässiges  Erwärmen  mit  verdünnten 


D früher  Rhodeoretin;  zweckmässig  wäre  es  gewesen,  diesem  Körper  den  ursprünglichen 
Namen  Büchners  n,  Herberger’s,  Jalapin,  zu  lassen. 


Tuber  Jalapae. 


253 


Säuren  oder  auch  mit  Emulsin  in  das  krystallisirbare  Co  nvolvulinol 
G-cH50O-7  und  Zucker.  Jenes  geht  in  Berührung  mit  wässerigen  Alkalien 
in  die  krystallisirbare,  wenig  in  Wasser  lösliche  Convolvulinolsäure 
02ßHlsQ6  über.  Die  mit  der  Sebacylsäure  isomere  Ipomsäure  G1ÜH18-G'4 
wird  durch  Behandlung  des  Convolvulins  (und  auch  des  Jalapins)  oder 
seiner  Abkömmlinge  mit  Salpetersäure  neben  Oxalsäure  erhalten.  — Das 
Convolvulin  schmilzt  (nach  vollständigem  Trocknen)  bei  150°  C.,  ein  ge- 
ringer Wassergehalt  macht  es  jedoch  schon  unter  100°  schmelzbar.  Es  ist 
unlöslich  in  Terpenthinöl  und  Ammoniak,  löst  sich  (nach  dem  Reinigen 
durch  Aether)  ohne  Färbung  und  ohne  Gasentwickelung  in  kalter  verdünn- 
ter Salpetersäure.  Chloroform  darf  ihm  (nach  Hager)  nur  5 — 7 pC.  in 
der  Wärme  entziehen.  Dieses  Verhalten  des  Jalapenharzes  ermöglicht  seine 
Prüfung  und  sichere  Erkennung.  — Das  Convolvulin  besitzt  in  hohem  Grade 
die  purgirende  Wirkung  der  Jalape,  nicht  aber  das  Convolvulinol. 

Die  beschriebene  Jalapenwurzel  oder  andere  ähnliche  und  gleich  wir- 
kende Wurzeln  verwandter  Pflanzen  wurden  gegen  Ende  des  XVI.  Jahr- 
hunderts durch  die  Eingeborenen  Mexicos  deu  Spaniern  bekannt  und  1570 
zuerst  von  Monardes  beschrieben.  Solche  Wurzeln  von  mehr  weisslicher 
Farbe  führten  wegen  ihres  häufigen  Vorkommens  in  Michoacan  (oder 
Valladolid),  einer  der  westlichen  Provinzen  des  mittleren  Mexico,  den  Na- 
men Radix  Mechoacannae , so  dass  dann  unsere  etwas  später  bekannt 
gewordene  Jalapa  auch  wohl  Mechoacanna  nigra,  bei  Bauhin  (1620) 
Bryonia  mechoacanna  nigricans,  hiess  und  endlich  auch  umgekehrt  die 
Mechoacanna  als  Jalapa  alba  bezeichnet  wurde  (vergl.  bei  Rad.  orizabensis). 
Hierdurch  und  durch  die  damalige  Herbeiziehung  noch  anderer  ähnlicher 
Wurzeln  wird  es  unmöglich,  unsere  Jalapa  in  früherer  Zeit  bestimmt  zu  ver- 
folgen. Sicher  war  sie  bald  nach  dem  Jahre  1600,  nach  Caspar  Bauhin 
seit  1609  in  Frankreich  und  Deutschland  verbreitet  und  1634  ihr  Harz 
allgemein  im  Gebrauche.  Ihrer  Wirkung  wegen  hiess  sie  auch  wohl  Rha- 
barbarum  nigrum. 

Verwechselungen  der  Jalape  sind  nur  möglich  mit  Wurzeln  der  ver- 
wandten Convolvulaceen , welche  im  allgemeinen,  auch  in  chemischer  Hin- 
sicht, bedeutende  Aehnlichkeit  mit  ihr  besitzen  und  in  der  That  unter  der 
käuflichen  Jalape  bisweilen  Vorkommen.  So  wird  aus  Tampico  neuerdings 
eine  an  Harz  sehr  arme  leichte  und  holzige  Jalape  von  unbekannter  Ab- 
stammung ausgeführt.  Sie  ist  lang,  birnenförmig  und  sehr  stark  zusammen- 
gefallen, zum  Jh eil  sogar  hohl.  Guibourt  hat  auch  eine  finger-  oder  hand- 
förmige Wurzel  beschrieben.  Die  bereits  erwähnte  Mechoacanna  scheint 
schon  frühe  in  mehreren  Sorten  nach  Europa  gebracht  worden,  aber  schon 
m Mexico  selbst  manigfach  verwechselt  worden  zu  sein.  So  ganz  beson- 
ders mit  der  Wurzel  von  Asclepias  Contrayerva  ’) , auch  mit  der  soge- 
nannten Radix  Matalistae  oder  Metalistae.  Diese  wird  von  Mirabilis 

■ :)  Guibourt,  J.  de  Pli.  (1866)  IV.  p.  98. 


254 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


longiflora  L.  oder  auch  von  Mirabilis  Jalapa  L.,  Familie  der  Nyctagineen, 
abgeleitet,  deren  bei  uns  gezogene  (einjährige)  Wurzeln  mit  der  Jalape  keine 
Aehnlichkeit,  namentlich  keinen  Harzgehalt  besitzen.  Ihre  Stärke  ist  weit 
kleiner,  das  Kalkoxalat  in  grosser  Menge,  aber  in  Nadeln  krystallisirt  vor- 
handen. In  Europa  endlich  giug  häufig  die  Wurzel  von  Bryonia-Arten  als 
Mechoacanna  oder  weisse  Jalape. 

Wie  die  ächte  Jalape  werden  in  Brasilien  als  „Batata  purgante“  die 
noch  grösseren,  stark  bewurzelten  Knollen  der  in  Minas  Geraes,  Goyaz  und 
S.  Paulo  einheimischen  Ipomoea  operculata  Martius  (Syn. : Convolvulus 
operculatus  Gomez,  Piptostegia  Gomezii  et  Pisonis  Mart.)  angewandt.  Sie 
sind  locker,  aussen  hell  graubräunlich,  innen  gelb  oder  grünlichgelb  ge- 
streift., von  ähnlichem  Gerüche  und  Geschmacke  und  gleicher  Wirkung  wie 
die  mexikanische  Jalape.  Ihr  Harz,  nach  Peckolt  12pC.  betragend,  zeigt 
ähnliches  Verhalten  wie  das  Jalapenharz , im  einzelnen  aber  doch  Ab- 
weichungen. Das  brasilianische  Harz  scheint  in  Weingeist  und  Kali  weit 
weniger  löslich  zu  sein  und  an  Aether  nur  11  pC.  abzugeben.  Es  ist  dem- 
nach wohl  eher  homolog  als  identisch  mit  dem  Couvolvulin. 

Betrügerischer  Weise  werden  auch  Jalapenknollen  in  den  Handel  ge- 
bracht, denen  das  Harz  zum  Theil  entzogen  ist,  was  schon  durch  das  Mi- 
kroskop ersichtlich  ist.  — Knollen,  welche  weniger  als  1 0 pC.  Harz  liefern, 
sind  nach  dem  Vorgänge  der  Preussischen  Pharmakopoe  zu  verwerfen. 

Radix  orizabensis. 

Radix  Jalapae  fibrosae,  s.  levis,  s.  fusiformis.  Stipites  Jalapae.  Jalapen- 
stengel.  Spindelige  Jalape.  Orizabawurzel.  Jalap  fusiforme  ou  leger. 

Jalap  stalk  or  wood. 

Ipomoea  orizabensis  Le  Danois.  — Convolvulaceae. 

Syn.:  Convolvulus  orizabensis  Pelletan. 

Ipomoea  mestillauica  Clioisy? 

Ipomoea  batatoides  Bentham? 

Diese,  übrigens  botanisch  nicht  hinreichend  gekannte  Winde  gehört  der- 
selben ostmexikanischen  Gebirgslandschaft  an,  wie  Ipomoea  Purga,  in  deren 
Gesellschaft  sie  bis  in  die  Gegend  von  Orizaba  vorzukommen  pflegt.  Sie 
besitzt  eine  bis  2 Fuss  lange  spindelförmige,  nicht  kuollige  und  mehr  holzige 
und  faserige  als  saftige  Wurzel,  welche  nach  Le  Danoi  s und  nach  bchiede 
in  Xalapa  als  „Purgo  macho“  (männliche  Jalape)  unterschieden  wird. 

Diese  Wurzel,  vielleicht  aber  auch  ähnlich  beschaffene  Wurzeln  noch 
anderer  Ipomoea- Arten , gelangte  etwa  seit  1833  als  „Jalap  leger  nach 
Frankreich  und  bald  darauf  unter  dem  Namen  „ J alapen stenge  1 u 
nach  Deutschland.  Nach  Guibourt’s  Ansicht  (1866)  war  sie  aber  auch 
schon  in  früherer  Zeit,  jedoch  unter  der  Bezeichnung  Radix  Mechoacannae , 
aus  der  westmexikanischen  Provinz  Michoacau  nach  Europa  gekommen. 
DieWaare  erscheint  bald  als  höchst  unregelmässige  kantige,  gekrümmte 


Radix  orizabensis. 


255 


oder  plattenförmige,  auch  wohl  ästige  Stücke  einer  offenbar  sehr  grossen 
der  Länge  nach  getheilten  Wurzel,  bald  mehr  der  ächten  Jalape  ähnlich, 
in  ganzen,  aber  spindelförmigen  kleineren  Wurzeln , nicht  in  kugeligen 
Knollen.  Alle  diese  Orizaba -Wurzeln  pflegen  eine  etwas  hellere  Farbe  als 
die  Jalape  und  weit  tiefere  Längsrunzeln  zu  besitzen.  Grössere  Stücke 
zeigen  sowohl  auf  der  Innenfläche  als  auf  der  äusseren  Seite  öfters  tiefe 
Axt-  oder  Messerhiebe;  seltener  kommen  Querscheiben  vor. 

Obwohl  durchschnittlich  leichter  als  die  Jalape,  ist  die  Orizaba -Wurzel 
doch  von  sehr  dichtem,  oft  hornartigem  Gefüge.  Von  der  Jalapa  unter- 
scheidet sie  sich,  wenigstens  in  ihren  kleineren  Stücken,  sehr  durch  den 
strahligeu  Querschnitt  und  die  starken  zahlreichen,  aus  dem  Bruche  faserig 
herausragenden  Gefässbündel.  Dieselben  erscheinen  im  Querschnitt  als 
nicht  sehr  lange,  unregelmässige,  häufig  gabelspaltige  und  oft  etwas 
gekrümmte,  helle  Keile,  welche  zu  2 — 3 concentrischen  strahligeu  Kreisen 
zusammengestellt  sind.  Ausserhalb  jedes  Kreises  liegt  eine  feine  schwarze 
Linie  oder  eine  breitere  dunkle,  harzreichere  Zone;  aber  auch  das  vom  inner- 
sten Gefässbündelkreise  umschlossene  Gewebe  (Mark)  enthält  noch  viel  Harz. 

Bau  und  Inhalt  der  einzelnen  Gewebe  in  der  Orizaba-Wurzel  stim- 
men überein  mit  denen  der  Jalapa,  höchstens  mit  folgenden  geringen 
Abweichungen.  In  ersterer  sind  manche  Zellen  der  Korklage  und  des 
benachbarten  Parenchyms  ziemlich  stark  zu  weiten  Steinzellen  verdickt; 
Krystallrosetten  zahlreich,  auch  im  Innern  verbreitet,  die  meist  etwas 
weiteren  Harzgänge  übrigens  von  derselben  Beschaffenheit  wie  bei  Jalape. 
Das  Amylum  zeigt  sich  in  unversehrten  Körnern,  bis  etwa  gegen  20  Mikromill. 
messend.  Sehr  verschieden  sind  dagegen  die  Gefässbündel  der  Orizaba- 
Wurzel,  deren  grosse  zahlreiche  Netzgefässe  in  grösseren  strahlenförmigen 
Gruppen,  durch  reichliches  kurzes  und  stark  verdicktes  poröses  Holz- 
prosenchym  zusammengehalten  werden.  Diese  Holzstrahlen  bedingen  die 
faserige,  leichtere  Textur  der  Wurzel. 

Geruch  und  Geschmack  wie  bei  der  Jalapawurzel , doch  schwächer.  — 
Auch  die  chemischen  Bestandteile  stimmen  überein,  aber  das  von  W.  Mayer 
als  Jalapin1 *)  bezeichnete  Harz  der  Orizaba-Wurzel  ist  in  Aether  ganz 
löslich  und  von  der  Zusammensetzung  03*H56LD6,  also  mit  dem  Convol- 
vulin  nur  homolog ; die  durch  gleiche  Behandlung  erhaltenen  Zersetzungs- 
produkte des  Jalapins,  die  Jalapinsäure,  das  Jalapiuol,  so  wie  die  Jalapinol- 
säure  sind  gleichfalls  homolog  mit  den  betreffenden  aus  dem  Convolvulinol 
erhaltenen  Körpern.  Aus  allen  gewinnt  man  auch  durch  Salpetersäure  die 
Ipomsäure.  — Das  Jalapin  schmilzt  erst  über  150°  C.,  wenn  es  zuvor  voll- 
kommen getrocknet  war. 

Das  Orizaba- Harz  besitzt,  nach  Hagentorn,  dieselbe  drastische 
Wirkung,  wie  das  Con volvulin ; letzteres  wirkt  aber  doppelt,  nach  B e r n a t z i k 

1)  Zweckmässiger  wären  die  Namen  „Orizabin“  für  dieses  Harz  und  „Jalapin“  für 

aas  der  Ipomoea  Purga. 


256 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


nur  etwa  IV3  mal  so  stark.  Das  Jalapinol  („Orizabinol“)  ist  wirkungslos. 
— Die  im  obigen  beschriebene  Orizaba -Wurzel  gab  mir  1 1,8  pC.  bei  100°C. 
getrocknetes  Harz.  Vollkommen  ausgewaschen,  entfärbt  und  in  2 Theilen 
Weingeist  gelöst,  drehte  dieses  reine  Orizabin  die  Rotationsebene  des  po- 
larisirten  Lichtes  um  9,8°  nach  links  bei  einer  Säule  von  nur  50  Millim. 
Länge.  — Convolvulin  drehte  unter  gleichen  Umständen  nur  um  5,3°  links 
(d-Linie  der  Natriumflamme). 

Das  Orizabin  (Mayer’s  Jalapin)  löst  sich  in  fixen  Alkalien  wie  das 
Jalapenharz  (Mayer’s  Convolvulin)  und  wird  durch  Säuren  nicht  wieder 
ausgeschieden.  Im  Gegensätze  zum  letzteren  ist  es  im  Aether  vollständig 
und  in  allen  Verhältnissen  löslich,  überdies  auch  in  Benzol  und  Chloroform, 
aber  schwierig  in  Steinöl  und  Terpenthinöl. 

Das  Harz  des  Scammonia- Milchsaftes  (vergl.  Rad.  Scammouiae)  ist 
ideutisch  mit  dem  Orizabin. 

Radix  Turpethi. 

Turpithwurzel.  T urbith  vegetal. 

Ipomoea  Turpethum  ß.  Brown.  — Convolvulaceae. 

Syn.:  Couvolvulus  Turpethum  L. 

Diese  Winde,  in  Ostindien,  Australien  und  ganz  Polynesien1)  einhei- 
misch, treibt  eine  bis  6Fuss  tief  in  die  Erde  dringende  ziemlich  gerade,  innen 
röthliche  und  mit  gelbem  Milchsäfte  erfüllte  Wurzel,  die  sich  durch  ihre 
holzige  leichte  Beschaffenheit  und  hellere  Färbung  sehr  von  der  Jalapa-  uud 
der  Orizaba- Wurzel  unterscheidet.  Es  scheint  wohl  im  wesentlichen  eine  etwa 
armsdicke  knorrige  Pfahlwurzel  zu  sein,  die  sich  in  dünnere  cylindrische  bis- 
weilen um  die  Axe  gedrehte  Aeste2)  theilt,  welche  neben  der  Hauptwurzel  im 
Handel  0,01m  bis  0,04  dick  uud  bis  etwa  0,2,u  lang  vorzukommen  pflegen. 

Ihre  graugelbliche  ziemlich  glatte  Oberfläche  ist  gleichsam  von  starken 
oft  krumm  verlaufenden  Sehnen  durchzogen , daher  grob  und  breit  längs- 
runzlig, daneben  auch  mit  kleinen  Korkköckerchen  oder  Querleistcheu  be- 
setzt. — Die  sehr  unregelmässige  Hauptwurzel  gleicht  eiuigermasseu  der 
Orizaba-Wurzel. 

Der  anatomische  Bau  der  Turpeth- Wurzel  zeigt  in  seiner  Anlage  einige 
Analogie  mit  dem  der  Orizaba-Wurzel  durch  strahlige  Anordnung  der  Ge- 
fässbündel  uud  abwechselnde,  von  weuigeu  aber  breiten  uud  hellen  Mark- 
strahlen durchschnittene  Kreise  von  Gefässen  und  harzreichen  etwas  dunklem 
Zonen.  Jedoch  sind  die  Gefässbiiudel  der  Turbithwurzel  weit  zahlreicher, 
relativ  grösser  und  das  Holz  überwiegt  selbst  in  den  schwächsten  Stücken. 

Der  Querschnitt  sehr  dünner  Wurzeln  (Wurzeläste)  von  nur  0,004 
bis  0,005“  Durchmesser  bietet  einen  sehr  einfachen  Bau  dar.  Der  blass 
gelbliche  Holzkern,  etwa  die  Hälfte  des  gauzeu  Durchmessers  einnehmend, 

1)  Auf  den  Gescllschafts-  und  Frcundsckafts -Inseln,  den  Neuen  Hebriden , auf  Taheiti 
werden  die  saftigen  süssen  Stengel  der  Pflanze  von  Kindern  ausgesogen  (Unger). 

2)  unterirdische  Wurzelsprossen  nach  Vogl. 


Radix  Turpethi. 


257 


ist  durch  5 oder  6 ziemlich  schmale  weisse  Markstrahlen  in  eben  so  viele 
breite  Keile  getrennt.  Den  Holzkern  umgibt  ein  halb  so  breites  weisses 
von  Amylum  und  Oxalatdrusen  strotzendes  Rindenparenchym,  das  von  einer 
dünnen  hell  gelbbräunlichen  Korkschicht  bedeckt  ist.  Amylum  und  Oxalat 
erreichen  dieselbe  Grösse  wie  in  der  Jalapa-  oder  Orizaba Wurzel,  bleiben 
aber  doch  durchschnittlich  kleiner.  Im  Rindengewebe  finden  sich  in  sehr 
weitläufigen  unterbrochenen  Kreisen  weite  tangential  gestreckte  Harz-  oder 
Milchsaftgänge.  Ihrer  Lage  und  Anordnung  nach  vertreten  sie  den  Bast- 
theil  der  Gefässbündel,  indem  sie  keilförmig  am  zahlreichsten  und  grössten 
den  letzteren  gegenüber  Vorkommen,  dagegen  in  dem  von  den  Markstrahlen 
eingenommenen  Theile  der  Rinde  fehlen.  Cambium  und  ein  centrales  Mark 
lassen  sich  nicht  unterscheiden. 

Der  Kork  besteht  aus  mehr  kubischem  als  tafelförmigem  dünnwandi- 
gem und  nicht  (wie  in  der  Orizaba-Wurzel)  verdicktem  Gewebe,  das  Rinden- 
parenchym aus  dickwandigen,  in  den  äussersten  Schichten  tangential  ge- 
streckten eiförmigen  Zellen,  von  denen  sich  die  der  Markstrahlen  mehr  nur 
durch  radiale  Streckung  unterscheiden.  Die  Holzbündel  enthalten  sehr 
weite,  im  Durchmesser  bis  Vs  Millim.  erreichende  Netzgefässe,  umgeben 
von  sehr  zahlreichen  kurzen  prosenchymatischen  Holzzellen  mit  zierlichen 
grossen  Poren. 

Dieser  einfache  Bau  erleidet  aber  beim  weiteren  Auswachsen  der  Wur- 
zel bedeutende  Veränderungen.  Die  Markstrahlen  werden  mehr  und  mehr 
vom  Holze  verdrängt,  so  dass  oft  nur  noch  2,  zuletzt  oft  gar  keiner  mehr 
übrig  bleibt;  auch  in  der  Rinde  werden  sie  unkenntlich  und  die  Regelmässig- 
keit in  der  Anordnung  der  Harzgänge  verschwindet.  Bisweilen  finden  sich 
dann  einzelne  Reihen  ganz  verdickter  Baströhren  mit  Siebwänden  vor;  im- 
mer aber  treten  merkwürdiger  Weise  bei  etwas  älterer  Wurzel  ganz  selbst- 
ständige Holzstränge  mitten  im  äusseren  Rindengewebe  auf.  Sie  stehen, 
jeder  für  sich  von  weissem  mehligem  Parenchym  umschlossen  und  gewöhn- 
lich ungleich  entwickelt,  in  einem  weitläufigen  Kreise,  welcher  durch  eine 
mehr  oder  weniger  breite  harzreiche  oft  etwas  dunklere  Schicht  vom  ur- 
sprünglichen Holzkern  getrennt  ist.  Innerhalb  dieser  Schicht  wiederholt 
sich  bei  noch  höherem  Alter  die  Bildung  dieser  sekundären  Holzstränge, 
so  dass  die  Rinde  schliesslich  mehrere  Kreise  derselben  enthält.  Allmälig 
überwuchern  sie  das  Parenchym  und  machen  sich  auch  an  der  Oberfläche 
der  Wurzel  durch  sträng-  und  sehnenartige  Auftreibungen  der  Rinde  be- 
merklich , ähnlich  wie  bei  der  Cainca-Wurzel.  In  dieser  Weise  bietet  der 
Querschnitt  älterer  Stücke  innerhalb  der  schmalen  Rinde  einen  starken  oft 
hohlen  x),  oder  ganz  zusammenhängenden  oder  durch  2 bis  6 Markstrahlen 


, Jh,elnrch  s0  wic  durcb  die  vom  dikotylen  Typus  abweichende  Anordnung  der  Gefässe 
erhalt  die  Wurzel  mehr  das  Aussehen  monokotyler  Stämme,  worauf  schon  der  Araber  Mesue 
um  t as  a i 1000)  hingewieson,  indem  er  treffend  angab,  diese  einer  milchenden  Pflanze  an- 
gehörige  Wurzel  sei  oft  hohl  nnd  rohrartig. 

Flückiger,  Pharmakognosie.  ^7 


258 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


getlieilten  Holzkern  dar,  concentrisch  umgeben  von  1 bis  3 sehr  unregel- 
mässigen Kreisen  gleich  gebauter  kleinerer  Holzkerne  oder  Stränge,  welche 
von  oft  nur  sehr  schmalen  oder  oft  ganz  zerrissenen  Parenchymschichten 
umschrieben  sind.  An  der  Peripherie  des  centralen  Kernes  bleibt  immerhin 
der  Hauptsitz  des  Harzes,  dessen  Gänge  hier  bei  älteren  Wurzeln  in  zahl- 
reichen Kreisen  eine  fast  ununterbrochene  dunkle  Zone  von  etwa  0,001'“ 
Breite  darstellen.  Aber  auch  die  sekundären  Holzkörper  besitzen  sehr  häu- 
fig an  dem  nach  aussen  gerichteten  Tlieile  ihrer  Peripherie  eine  ähnliche 
Harzzone. 

Die  Gänge  dieses  Harzes  oder  Milchsaftes  sind  meistens  enger,  aber  von 
gleicher  Beschaffenheit  wie  in  Rad.  Jalapae;  doch  scheinen  in  der  Turpeth-  - 
Wurzel  die  siebartig  porösen  Querwände  schon  sehr  früh  zu  verschwunden, 
so  dass  dann  statt  der  Harz  (Milchsaft)  führenden  Zellenreihen  mehr  eigent-  \ 
liehe  Schläuche  Vorkommen.  Der  Inhalt  ist  wie  bei  Jalapa- und  bei  Orizaba-  .i 
Wurzel  nicht  ganz  fest;  dagegen  findet  man  häufig  an  der  Aussenfläche  der 
Turpethwurzel  grössere  Ausschwitzungen  des  völlig  erhärteten  blassgelb- 
lichen Harzes. 

Die  Wurzel  ist  ohne  Geruch,  aber  von  scharf  kratzendem,  kaum  an  Ja- 
lapa erinnerndem  Geschmacke.  Das  Harz,  ungefähr  4 pC.  betragend,  fand 
Spirgatis  gemengt  aus  einem  weichen  in  Aether  löslichen  Antheile  und 
. einem  in  Aether,  Benzol,  Schwefelkohlenstoff  und  ätherischen  Oelen  unlös- 
lichen Harze,  welches  er  Turpethin  nannte.  Das  erstere  beträgt  nur  ’/so 
und  besitzt  allein  den  Jalapengeruch.  Das  Turpethin  löst  sich  unverändert 
in  Essigsäure,  starke  Säuren  und  Alkalien  hingegen  spalten  dasselbe  in  glei- 
cher Weise  wie  das  Jalapin  (Orizabiu)  und  Scammonin.  Alle  drei  Harze 
besitzen  die  gleiche  Zusammensetzung  und  scheinen  in  ihren  Spaltungs- 
produkten höchstens  durch  verschiedenen  Wassergehalt  abzuweichen.  Die 
Eigentümlichkeit  des  Turpethins  beruht  auf  den  Löslichkeitsverhältuissen. 
Die  Wirksamkeit  des  rohen  Turpethharzes  ist  nach  Yogi  geringer  als  die 
des  Jalapen-  und  des  Orizabaharzes,  aber  stärker  als  die  des  Scammonium- 
harzes. 

Garcia  d’Orta  berichtete  (um  1563)  zuerst  über  die  Stammpflanze 
dieser  Droge,  welche  schon  früher  (doch  erst  seit  Ende  des  XYII.  Jahrhunderts 
in  grösserer  Menge)  aus  Indien,  wo  sie  jetzt  noch  als  Purgaus  dient,  durch 
die  arabischen  Aerzte  des  Mittelalters  nach  Europa  gelangte.  Ihr  Name 
(früher  auch  Terbat  oder  Turbat)  ist  arabischen  Ursprunges  oder  eigentlich 
vielleicht  aus  dem  Sanskrit  stammend.  Im  Laufe  der  Zeiten  verwechselte 
man  damit  andere  Wurzeln,  z.  B.  diejenige  von  Globularia  Alypum , Eu 
phorbia  Myrsinites  u.  s.  w.,  und  übertrug  bekanntlich  den  Namen  auch  auf 
das  basische  Quecksilberoxydsulfat  (Turpethum  minerale). 

In  Europa  wird  die  Turpitlnvurzel  wenig  mehr  gebraucht  ; sie  wurde 
seit  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  durch  die  Jalape  verdrängt.  Von  Djedda 
am  rothen  Meer  gingen  z.  B.  1860  noch  etwa  100  Ctr.  nach  Suez  (von 

Kremer). 


Radix  Saponariae. 


259 


Für  die  Turbith wurzel  ist  das  Vorwalten  des  Holzes  und  besonders  das 
Auftreten  selbstständiger  Stränge  desselben  mitten  im  Rindengewebe  im 
Vergleiche  mit  den  übrigen  Convolvulaceen  - Wurzeln  (vergl.  namentlich 
Radix  Scammoniae)  sehr  bezeichnend. 


E.  Wurzeln  von  kratzendem  Geschmacke,  ohne 

Amylum. 

Radix  Saponariae. 

Radix  Saponariae  rubrae.  Seifenwurzel.  Saponaire.  Savonniere.  Soap  wort. 

Saponäria  officinalis  L.  — Sileneae  (Caryophylleae). 

Syn.:  Silene  Saponaria  Fries. 

Durch  den  grössten  Theil  Europas,  auch  in  Kleiuasien,  in  sandigem, 
feuchtem  Boden,  in  Hecken  und  Gebüschen  einheimisch,  doch  wie  es  scheint, 
nicht  im  äussersten  Süden  und  Norden,  wenigstens  in  Griechenland  selten, 
auch  vermuthlich  in  Südsibirien  fehlend,  dagegen  noch  in  Aragonien  und 
Portugal  vorkommend.  In  England,  nach  DeCandolle,  ursprünglich  viel- 
leicht nur  eingewandert,  in  den  atlantischen  Staaten  Amerikas  von  Cauada 
bis  Georgia  jetzt  eingebürgert. 

Die  fusslange , mit  abblätterndem , längsfurchigem , rothbraunem  Korke 
bedeckte,  im  ersten  Jahre  nur  ganz  einfache  Wurzel  wird  bis  über  0,010“’ 
dick  und  trägt  zahlreiche  Warzen  und  starke  Aeste.  Von  gleichem  Aus- 
sehen, jedoch  anfangs,  weniger  röthlich,  ohne  Warzen  und  durch  0,01 0m 
bis  0,030m  aus  einander  liegende  Knoten  geringelt,  sind  die  starken,  weithin 
kriechenden,  besonders  in  sandigem  Boden  vorkommenden  Ausläufer,  welche 
aus  ihren  verdickten,  reich  bezaserten  Knoten  sowohl  Nebenwurzeln  als 
oberirdische,  blühbare  Stengel  treiben. 

Die  käufliche  W aare  pflegt  jetzt  meist  aus  jüngeren  Wurzeln  bis  zu  0,005m 
Dicke,  ohne  Ausläufer  zu  bestehen,  welchen  graugelbliche,  mit  stark  auf- 
getriebenen  Knoten  versehene  Stengelstumpfe  beigemengt  sind. 

Der  Kork  gelangt  zu  keiner  bedeutenden  Entwickelung,  sondern  wird 
schon  in  jüngern  Trieben  immer  in  Fetzen  abgestossen.  Die  ganze  Rinde 
erreicht  selbst  in  den  dicksten  Theilen  der  Wurzel  (nach  dem  Aufweichen) 
höchstens  0,002m  Breite  und  zeigt  nicht  strahligen  Bau.  Durch  ihre  rein 
weisse  Farbe  kontrastirt  sie  scharf  mit  dem  im  frischen  Zustande  schwach, 
trocken  aber  lebhaft  und  schön  gelben,  braun  gesäumten,  sehr  dichten  Holz- 
körper, worin  im  Alter  2 bis  4 Jahresringe  deutlicher  zu  unterscheiden 
sind  als  die  sehr  schmalen  unterbrochen  und  unregelmässig  verlaufenden 
Markstrahlen.  Der  Durchmesser  des  Holzes  erreicht  in  älteren  Wurzeln  das 
4fache  von  der  Breite  der  Rinde,  in  jüngeren,  wo  noch  Mark  vorhanden, 
theilt  sich  der  Querschnitt  ziemlich  gleichmässig  zwischen  Rinde,  Holz  und 
das  lockere,  oft  zum  Theil  resorbirte  Mark. 

17  * 


260 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


Die  Rinde  schneidet  sich  hornartig-mehlig,  das  Holz  spröde,  so  dass  die 
ganze  Wurzel  leicht  und  kurz  bricht. 

Die  Ausseurinde  ist  scharf  unterschieden  durch  die  tafelförmige  Gestalt 
ihrer  Zellen,  welche  in  2 Lagen  von  je  ungefähr  10  sehr  regelmässigen 
Reihen  getheilt  sind.  Die  äussere,  absterbende  Lage  besitzt  dünne,  roth- 
braune  Wände,  die  innere,  noch  lebensthätige  besteht  aus  farblosem,  dick- 
wandigem Korkgewebe  oder  fehlt  in  den  ausgewachsenen  Wurzeln. 

Die  Mittelrinde  enthält  nur  wenige  Reihen  grosser,  kugeliger  oder  läng- 
licher Zellen.  "Viel  breiter  ist  die  Innenrinde,  deren  einzelne  Bestandtheile 
uicht  bestimmt  geschieden  sind  und  allmälig  in  das  Cambium  übergehen. 
Die  Gefässe  des  Holzes  zeigen  in  Betreff  ihrer  Anordnung  und  Grösse  wenig 
Regelmässigkeit.  Die  älteren  Netz-  oder  Tüpfelgefässe  sind  von  verholzten 
Prosenchymsträngen  begleitet,  die  jüngeren  von  mehr  dünnwandigen.  In 
der  Peripherie  des  Holzkörpers  finden  sich  abrollbare  Spiralgefässe.  Das 
Mark  zeigt  den  Bau  der  Mittelrinde. 

In  der  Mittel-  und  InDenrinde  so  wie  im  Marke  sieht  man  unter  Terpen- 
thiuöl  das  Gewebe  grösstentheils  von  durchsichtigem,  formlosem  Inhalte 
erfüllt,  welchen  das  Wasser  sofort  auf  löst.  Daneben  sind  vereinzelte,  bis 
gegen  80  Mikromill.  messende  eckige  Krystallrosetten , besonders  in  der 
Mittelrinde,  eingestreut.  Amylum  fehlt  der  Wurzel  gänzlich,  sowohl  im 
Frühjahr  als  im  Herbste.  Die  älteren  Gefässe  sind  sehr  häufig  mit  gelbem, 
bisweilen  noch  halbflüssigem  Harze  getränkt.  Gerbstoff  ist  nicht  vorhanden. 

Die  Wurzel  schmeckt  erst  süsslich,  dann  aber  höchst  unangenehm 
kratzend.  Cultivirte  Wurzeln  werden  nicht  scharf. 

Als  Träger  des  Geschmackes  wurde  schon  1809  von  Schräder  ein 
eigen thümlicher  Stoff,  das  Saponin,  unterschieden,  dessen  ausgezeichnete 
Eigenschaft,  mit  Wasser  (selbst  noch  bei  Gegenwart  von  nur  Viooo  Saponin) 
eine  beim  Schütteln  schäumende  Lösung  zu  geben , längst  bekannt  war. 
Das  Saponin  ist  amorph,  geruchlos,  beim  Zerreiben  zum  heftigsten  Niesen 
reizend,  von  süsslichem,  dann  brennend  kratzendem  Geschmacke.  Die 
Lösung  wirkt  giftig  auf  kleinere  Tlriere  und  bewirkt  im  Auge  heftige 
Schmerzen  und  Erweiterung  der  Pupille.  In  Wasser  und  wässerigem  Wein- 
geist, nicht  in  absolutem,  noch  in  Aether,  löst  es  sich  leicht  zur  neutralen 
Flüssigkeit.  Verdünnte  Mineralsäuren  spalten  das  Saponin  in  ein  Kohle- 
hydrat und  Sapogenin,  jedoch  ist  die  Zersetzung  nur  bei  mehrstündigem 
Einleiten  von  Salzsäuregas  durch  kochende  Lösung  vollständig.  Alsdann 
erst  verwandelt  sich  das  austretende  Kohlehydrat  in  Zucker  und  das  Sapo- 
geniu  in  weisse,  in  Weingeist,  nicht  in  Wasser  lösliche  Krystalle.  Die 
Spaltung  verläuft  nach  Rochleder  (1862)  folgeudermasseu : 

Saponin  kryst.  Sapogenin  Zucker 

4 (H2  0)  = G28  EP2  LP  -+-  6 (G6  H12  0,;) 

Wird  die  Zersetzung  nicht  vollständig  zu  Ende  geführt,  so  treten  weniger 
als  6 Aeq.  Zucker  aus  und  es  entstehen  Zwischenprodukte,  unter  welche 


Radix  Saponariae. 


261 


z.  B.  Fremy’s  Aesculinsäure,  Overbeck’s  Saporetin  und  das  bei 
Cortex  Chinae  besprochene  Chinovin  zu  gehören  scheinen. 

Das  Saponin  hat  sich  nach  und  nach  als  ein  im  Pflanzeni eiche,  zumal 
in  der  Familie  der  Caryophylleen  (Sileneen)  weit  verbreiteter  Stoff’  heraus- 
gestellt. Martius1)  führt  über  20  Pflanzen  auf,  welche  in  Wurzeln, 
Blättern,  Rinden,  Blüthen  oder  Früchten  Saponin  enthalten.  Sie  gehören 
zu  den  Familien  der  Bromeliaceen , Liliaceen,  Mimoseen,  Caesalpinieen, 
1 Phytolacceen,  Spiraeaceen,  Polygaleen,  Berberideen,  Hippocastaneen,  Sapin- 
daceen,  Caryophylleen.  Am  besten  scheint  sich  zur  Gewinnung  des  Sapo- 
nins die  Rinde  des  chilenischen  Baumes  Quillcija  Saponaria 2)  Molina 
ä (Spiraeaceae)  zu  eignen. 

Das  Senegin  (vergl.  bei  Radix  Senegae)  ist  wahrscheinlich  von  Saponin 
nicht  verschieden  und  das  Caincin  (vergl.  Radix  Caincae)  damit  homolog. 

Die  übrigen  Bestandtheile  der  Seifenwurzel  sind  nicht  näher  gekannt, 
i so  namentlich  nicht  das  von  Osborne  angegebene  Saponarin,  ein 
angeblich  krystallisirbarer,  in  Aether  und  Weingeist  löslicher  Bitterstoff, 
der  sich  in  der  Wurzel  nur  vor  der  Blüthezeit  finden  soll. 

Die  deutschen  Botaniker  zu  Ende  des  Mittelalters  hatten  die  Saponaria 
für  die  im  Alterthum  sehr  hochgeschätzte  Arzneipflanze  Strüthion  erklärt. 
Wahrscheinlicher  ist  darunter  die  der  gleichen  Familie  ungehörige  peren- 
nirende  Gypsophila  Strüthium  L.  zu  verstehen,  welche  im  Gebiete  des 
Mittelmeeres  und  Schwarzen  Meeres,  von  Spanien  (la  Mancha  und  Castilien) 
bis  in  die  Krim  und  in  Nordafrika  vorkömmt.  Ihre  grosse,  schwere  Wurzel, 
Radix  Saponariae  aegyptiacae , s.  hispanicae  s.  levanticae , dient  in 
derselben  Weise  technisch  oder  ökonomisch  als  Ersatzmittel  der  Seife  wie 
die  unserer  Saponaria.  Sie  ist  eine  einfache,  mehrköpfige,  fusslauge  und 
bis  0,050ra  dicke,  spindelförmige  Pfahlwurzel,  bisweilen  etwas  um  ihre 
Axe  gedreht.  Die  graugelbliche  Oberfläche  ist  durch  meist  ziemlich  seichte 
Läugsfurchen  und  horizontale,  oft  abgescheuerte  Korkleisten  oder  Quer- 
risscheu  fast  gefeldert.  Den  Querschnitt  nimmt  vorwiegend  das  sehr  harte, 
dichte  und  feiustrahlige,  marklose,  gelbe  Holz  ein.  ln  dieweissebis  0,010m 
breite  Rinde  dringen  zahlreiche  keilförmige  oder  geschlängelte  braune  Bast- 
strahlen vor. 

Abgesehen  von  den  weit  grösseren  Dimensionen  und  der  deutlich  aus- 
gesprochenen regelmässig  strahligen  Anordnung  und  Unterscheidung  der 
einzelnen  Gewehe  stimmt  der  anatomische  Bau,  sowie  der  Zellinhalt  und 
das  chemische  Verhalten  der  Gypsophila -Wurzel  mit  dem  der  Saponaria 
überein.  Die  Innenrindenzellen  der  ersteren  sind  fein  spiralig  gestreift,  ihre 
grossen  Treppen-  oder  Netzgefässe  nicht  von  eigentlichen  Spiralgefässen 
begleitet.  Auch  die  Markstrahlen  des  Holzes  enthalten  grosse  Krystall- 
rosetten.  Nach  Bley  enthält  dieWurzel  Gummi,  Harz,  Zucker,  Aepfelsäure 
and  Kalisalze  neben  Saponin.  Röchle  der  fand  auch  etwas  Zucker. 

b Ruchncr  sRepert.  d.  Pharm.  Xt,S.  845.  2)  Wiggers’  (Cannstatt’ s)  Jahresb.  1863,  S.  64. 


262 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


Als  Radix  Saponariae  albae  waren  früher  die  Wurzeln  unserer  ein- 
heimischen Lychnis  diurna  Sibthorp  und  Lychnis  vespertina  Sibth. 
(Sileneae)  gebräuchlich.  Sie  sind  fast  von  der  Stärke  der  Saponaria- Wurzel, 
aber  weiss  oder  schwach  gelblich  und  weit  mehr  ästig,  doch  ohne  Aus- 
läufer. Sie  enthalten  grosse  Krystallrosetten,  kein  Amylum  und  in  der 
Mittelrinde  einen  weitläufigen  Kreis  gelber,  axial  gestreckter  Steinzellen. 
Das  gelbliche  Holz  ist  deutlich  strahlig  und  schliesst  Mark  ein. 

Radix  Senegae. 

Rad.  Polygalae  Senegae,  R.  Polygalae  virginianae.  Senegawurzel.  Racine 
de  polygala  de  Virginie.  Senega.  Senega  root. 

Polygala  Senega  L.  — Polygaleae. 

In  trockenen  felsigen  Wäldern  der  östlichen  Länder  Nordamerikas  von 
Canada  bis  Georgia,  besonders  in  Kentucky,  Ohio,  Tennessee  häufige  kleine 
Staude.  In  den  atlantischen  Staaten  ist  sie  schon  seltener  geworder,  so  dass 
die  Wurzel  in  neuester  Zeit  meist  aus  dem  Westen,  z.  B.  aus  Jowa,  kömmt. 

Der  kurze  sehr  knorrige  bis  0,04  m dicke  Wurzelkopf  treibt  zahlreiche 
beblätterte  nur  1 ,001 m dicke  einfache  Stengel,  deren  sehr  kurze  an  der 
käuflichen  Wurzel  noch  erhaltene  Reste  oft  mit  kleinen  röthlich  violetten 
schuppenartigen  Blättchen  besetzt  sind.  Die  Stengel  entspringen  auf  allen 
Seiten  der  wenigen  gewöhnlich  gar  nicht  entwickelten  Aeste  des  Wurzel- 
kopfes, so  dass  dadurch  in  der  That  die  Wurzel  in  sehr  charakteristischer 
Weise  einen  sogeuannteu  Kopf  erhält.  Dieselbe  erreicht  zu  oberst  höchstens 
0,01™  Dicke  und  läuft  seltener  ganz  allmälig  in  eine  einfache,  um  ihre  Axe 
gedrehte  und  gebogene  mit  nur  wenigen  schwächeren  Aesten  besetzte  bis 
0,03™  lauge  Hauptwurzel  aus.  Weit  häufiger  theilt  sich  die  Wurzel  schon 
dicht  unter  dem  Kopfe  in  2 oder  3 fast  gleich  starke  Aeste , welche  bald 
einen  mehr  oder  weniger  spitzen  Winkel  bildend  ungefähr  parallel  abgehen, 
bald  aber,  fast  wagerecht  auseinander  gespreizt,  entgegengesetzte  Rich- 
tungen einschlagen.  Feinere  Wurzelzasern  kommen  an  der  käuflichen  \\  ur- 
zel  nicht  eben  reichlich  vor. 

Die  hell  gelblich  graue  bis  braungraue  Oberfläche  der  Rinde  ist  mit 
tiefen  Längsrunzeln,  Schwielen  und  Höckern  besetzt  und  wenigstens  in 
ihren  oberen  Theilen  etwas  geringelt.  Sehr  häufig  tritt  eine  Schwiele  scharf 
kielförmig  hervor  und  lässt  sich,  wenn  auch  mit  stclleuweiser  Unterbrechung 
der  Länge  nach  um  die  ganze  Wurzel  herum  als  sehr  weitläufig  gewundene, 
oft  fast  vertikal  gerichtete  oder  doch  sehr  steile  Spirale  verfolgen.  NN  iirde 
der  Beobachter  in  derselben  abwärts  steigen,  so  läge  ihm  die  Axe  der  NN  ur- 
zel  zur  liukcn.  Wo  dieser  Kiel  besonders  scharf  ausgeprägt  ist,  zeigt  die 
entgegengesetzte  Hälfte  der  Rinde  oft  sehr  ansehnliche  Auftreibungen,  w eiche 
durch  weit  klaffende  bis  auf  den  Holzkörper  gehende  Querrisse  in  ähnlicher 
Weise  abgeschnürt  zu  sein  pflegen,  wie  dies  bei  Radix  Jpecacuanhae  legel- 
mässig  über  die  ganze  Rinde  der  l all  ist.  Jedoch  bilden  die  abgeschniiiten 


Radix  Senegae. 


263 


Rindenstüeke  der  Senega  weit  unregelmäßigere  Hocker  und  Wulste.  Au 
der  Stelle  dieser  Auftreibungen  findet  man  bisweilen  im  Gegenteil  die  Rinde 
zusammengefallen,  eine  Verschiedenheit,  welche  wohl  durch  die  Jahreszeit 
der  Einsammlung  bedingt  sein  dürfte.  Sehr  häufig  sitzen  diese  eingescbnur- 
tenRindenwuchernngen  gerade  an  den  stärksten  Krümmungen  und  zwar  auf 
der  convexen  Seite,  so  dass  der  auf  der  andern  Seite  wie  eine  straffe  Bogen- 
sehne  verlaufende  Kiel  auffallend  mit  der  Wölbung  der  aufgetriebenen  Rinde 
kontrastirt,  als  ob  durch  den  Widerstand  des  Kieles  die  Wurzel  zu  den 
Krümmungen  und  Drehungen  veranlasst  worden  wäre.  Die  an  der  trockenen 
Wurzel  sehr  zusammengefallene  Rinde  quillt  in  Wasser  stark  auf,  wobei 
die  Schärfe  selbst  des  ausgeprägtesten  Kieles  sehr  zurucktritt.  . en- 
bar  muss  derselbe  daher  an  der  frischen  Wurzel  weniger  auffallend  sein  und 
sich  beim  Trocknen  erst  dadurch  recht  bemerklich  machen,  dass  sein 
Gewebe  verhältnissmässig  weniger  zusammensinkt  als  das  grosszellige, 
lockere  Parenchym  der  Mittelrinde. 

Nach  dem  Aufweichen  in  Wasser  lässt  sich  die  Rinde  leicht  vom  schwach 
gelblichen  Holzkörper  losschälen,  dessen  Durchmesser  von  der  Rindenbreite 
nach  dem  Aufweichen  höchstens  an  den  aufgetriebenen  Stellen  erreicht 
wird.  Das  Holz  bildet  nur  im  allgemeinen  einen  glatten,  fest  geschlossenen 
Cylinder,  der  aber  voii  sehr  zahlreichen  kurzen  und  in  straffer  Spirale  ver- 
laufenden, allerdings  meist  nicht  tief  gehenden,  feinen  Längsspalten  zerklüftet 
ist.  Dieselben  nehmen  ihren  Ursprung  im  Innern  des  Holzkörpers  durch 
allmäliges  Auseinanderweichen  der  einzelnen  Holzkeile,  daher  man  im  Längs- 
schnitte durch  die  ganze  Wurzel  im  Holze  diese  Klüfte  deutlich  verfolgen 
kann.  Durch  Verschiebung  der  getrennten  Holzkeile  entstehen  oft  maser- 
artige  Verschlingungen.  Manche  dieser  Spalten  durchsetzen  den  ganzen 
Holzkörper  vom  Centrum  aus  bis  in  die  Rinde.  Oft  klaffen  ihre  Ränder 
weit  aus  einander,  legen  sich  zurück  und  verflachen  sich  schliesslich  ganz 
oder  wölben  sich  sogar  rückwärts,  so  dass  durch  dieses  einseitige  Schwinden 
des  Holzkörpers  zuletzt  an  solcheu  Stellen  der  ursprüngliche  Cylinder  auf 
die  Hälfte  oder  noch  weniger  reducirt  ist. 

Selten  ist  aber  die  in  solcherWeise  abgeflachte,  gleichsam  angefressene  Seite 


des  Cylinders  wirklich  flach,  sondern  ihre  Ränder  bleiben  häufiger  noch  durch 
einzelne  übrig  gebliebene  Querbänder  von  Holzgewebe  in  Zusammenhang. 

Alle  durch  das  Schwinden  des  Holzes  entstehenden  Ausschnitte,  Spalten 
oder  Lückeu  werden  durch  das  Parenchym  der  Markstrahlen  und  der  Mittel- 
rinde erfüllt;  ihre  Auftreibungen  bedecken  gerade  diejenigen  Strecken,  wo 
der  Holzcylinder  einseitig  abgeflacht  oder  doch  zerklüftet  ist.  Der  radiale 
Längsschnitt  durch  solche  Auftreibungen  der  Riude  zeigt  bisweilen  darin 
auch  die  Ansätze  unentwickelter  Aeste,  ähnlich  wie  bei  Radix  Ipecacuanhae. 
Der  Kiel  dagegen,  welcher  auf  der  Oberfläche  oft  so  stark  hervortritt,  zeigt 
sich  ohne  alle  Beziehung  zum  Holzkörper;  er  verdankt  sein  Entstehen  nur 
einer  einseitigen  Ausbildung  des  Bastes,  dessen  Gewebe  durch  dunklere 
Färbung  mit  dem  Parenchym  der  Markstrahlen  und  der  Mittelrinde  kontrastirt. 


264 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 

Nothwendig  müssen  demnach  die  Querschnitte  durch  die  Senegawurzel 
ein  sein-  verschiedenartiges  Bild  gewähren  je  nach  der  Stelle,  welcher  sie 
entnommen  werden.  Niemals  verläuft  der  Umriss  des  Holzkörpers  in  mathe- 
matisch genauer  Kreislinie  oder  Ellipse , sondern  er  ist  immer  durch  mehr 
oder  weniger  tief  eingreifende,  von  Rindengewebe  erfüllte,  seichte  Aus- 
schnitte oder  Spalten  unterbrochen.  Bisweilen  sind  diese  Riudenkeile  sehr 
schwach,  dei  Querschnitt  des  Holzes  daher  aunäherud  kreisrund,  weit 
häufiger  aber  bildeu  die  Keile  tiefe,  meist  ins  Centrum  gehende  Kreis- 
ausschnitte, oder  die  eine  Hälfte  des  Holzcylinders  ist  ganz  durch  die  Rinde 
verdrängt,  oder  endlich  es  bleibt  sogar  von  demselben  nicht  einmal  mehr 
dit  Hallte  iibiig.  In  diesem  Falle  bilden  die  Radien,  welche  den  übrig 
gebliebenen  Holzkörper  eiuschliessen,  einen  mehr  oder  weniger  stumpfen 
Winkel.  Der  Holzkörper  ist  durchschnittlich  so  dick  wie  die  Rinde  und 
besteht  aus  dicht  gedrängten  kleinen,  ziemlich  kurzen  Tiipfelgefässen , die 
nur  von  sehr  schmalen  Markstrahlen  durchsetzt  sind.  Das  Mark  fehlt,  das 
Cambium  ist  wenig  ausgeprägt,  die  breite  Innenrinde  durch  abwechselnde 
Markstrahlen  und  bogenförmig  vor  den  Gefassbündeln  zusammenstrebende, 
wenig  ausgezeichnete  schmale  Bastkeile  strahlig.  Die  Bastbildung  fehlt  auf 
denjenigen  Stellen,  welche  durch  Rindenkeile  eingenommen  sind. 

Die  Mittelrinde  ist  von  der  sehr  dünnen,  hellbräunlichen  Korkschicht 
bedeckt  und  im  Kiele  fast  ganz  von  der  Iunenrinde  verdrängt.  Au  den 
übrigen  Stellen  des  Riudenumfanges  erreicht  sie  dagegen  die  Breite  der 
Innenrinde. 

Die  in  das  Holz  eiugedrungenen  Rindenkeile  sind  durch  Auswachseu 
der  Markstrahlen  entstanden  und  enthalten  zartes,  grosszeiliges,  in  Reihen 
geordnetes  Parenchym , aber  keine  Baststrahlen , so  dass  sie  unmerklich  iu 
die  Mittelrinde  übergehen. 

Der  Kork  enthält  2 — 3 Reihen  ansehnlicher  Tafelzellen,  nach  innen 
einige  Lagen  noch  iu  der  Entwickelung  begriffener,  zarter,  farbloser  Kork- 
zellen. Das  ziemlich  dickwandige,  tangential  gedehnte  Mittelriudeuparenchym 
zeigt  dieselben  zarten,  spiralförmigen  Streifungen  wie  manche  andere  ent- 
sprechende Gewebe,  z.  B.  bei  Rhizoma  Aruicae,  Valerianae,  Hellebori  viridis, 
Tuber  Aconiti.  In  der  Rinde  der  Senegawurzel  sind  diese  zierlichen  Spiral- 
linien ziemlich  genähert,  steil  aufsteigeud  und  besonders  im  Längssckuitte 
deutlich  sichtbar. 

Das  Bastgewebe  ist,  ohne  eigentliche  Baströhreu,  aus  ziemlich  engem, 
doch  wenig  verdicktem,  das  Cambium  aus  dem  gewöhnlichen  zarten 
Prosenchym  gebildet. 

Die  in  etwa  12  bis  20  oder  mehr  concentrische  Kreise  gestellten  Tüpfel- 
gefiisse  sind  von  sehr  dünnem,  porösem  Holzprosenchym  sehr  dicht  umgeben. 
Iu  ungleichen  Abständen  dringen  schmale  Markstrahlen  durch  diesen 
festen  Holzkörper  und  theilen  denselben  in  ungleich  breite,  sehr  spitze  Keile, 
in  deren  äusserster  Reihe,  dicht  am  Cambium,  1 bis  6,  gewöhnlich  aber 
nur  2 grosse  Gefässe,  von  Holzprosenchym  umgeben,  stehen,  während  die 


Radix  Senegae. 


265 


Markstrahlen  (vor  dem  Auswachsen  zu  Rindenkeilen)  in  der  Breite  nur 
1 oder  2 Reihen  feinporiger,  radial  gestreckter,  eckiger  Zellen  enthalten. 

Der  sehr  dichte  Holzkörper  bricht  ziemlich  kurz  und  spröde  ab,  wo- 
bei die  Rinde  leicht  mitfolgt,  da  ihr  schwacher  Bast  nicht  widerstands- 
fähig ist. 

Im  Rindengewebe  und  in  den  Markstrahlen  sind  zahlreiche  grosse, 
gelbliche  Oeltropfen  verbreitet,  neben  denen  auch,  besonders  in  der  Iunen- 
rinde,  feinkörnige  Ablagerungen  (Proteinstoff?)  Vorkommen.  Amyliun  und 
Krystalle  fehlen  dieser  Wurzel  ganz.  Sie  riecht  eigenthümlicli  schwach 
ranzig  und  schmeckt  sehr  scharf  kratzend. 

Der  kratzende  Stoff  ist  schon  1804  von  Gehlen  als  Senegin  unter- 
schieden worden.  Damit  scheint  die  P oly gal a säure  von  Quevenne 
(1836) und  von  Procter  (1859) identisch  zu  sein  und  ebenso  nach  Bolley 
das  Saponinund  nachVogel  auch  das  (krystallisirbare)  Pikrolichenin 
aus  Yariolaria  amara. 

Das  Senegin  ist  amorph,  in  Aether,  so  wie  in  kaltem  Wasser  unlöslich, 
mit  kochendem  Wasser  eine  schäumende  Lösung  gebend,  von  sehr  schwach 
sauren  Eigenschaften  und  in  Alkalien1)  mit  grünlichgelber  Farbe  löslich. 
Es  erregt,  wie  das  Saponin,  heftiges,  gefährliches  Niesen. 

Verdünnte  anorganische  Säuren  fällen  beim  Erwärmen  aus  verdünnter 
Seneginlösung  eine  flockige  Gallerte  von  Sapogenin,2)  während  die  Flüssig- 
keit unkrystallisirbaren  Zucker  enthält.  Auch  Alkalien  veranlassen  die- 
selbe Spaltung  des  Senegins,  welche  aber  immer  nur  schwer  vollständig 
durchzuführen  ist.  Die  verschiedenen  für  das  Sapogenin  aufgestellteu 
Formeln  scheinen  in  unvollkommener  Zersetzuug  des  Senegins  ihren  Grund 
zu  haben.  Aber  auch  die  Formel  des  letzteren  selbst  steht  noch  nicht  fest; 
die  Wurzel  gibt  davon  nach  Procter  5V2pC. , nach  früheren  Angaben 
weit  mehr.  Die  Senegawurzel  enthält  ferner  eine  Spur  ätherischen  Oeles, 
etwas  Harz  (im  Centrum  des  Holzes)  und  Gummi,  Aepfelsäuresalze,  gelben 
Farbstoff  und  Zucker  (7  pC.  Rebling).  Die  von  Quevenne  darin 
angegebene  Virgin  säure  (vielleicht  eine  flüchtige  Fettsäure),  so  wie  ein 
von  Pe  schier  angenommener  Bitterstoff,  Iso  lusin,  sind  noch  ganz 
zweifelhafte  Körper.  — Auch  das  Fett  der  Senega  ist  nicht  näher  untersucht. 

Die  Senegawurzel  wurde  1736  von  John  Tennent  in  Philadelphia 
zuerst  wissenschaftlich  angewandt,  nachdem  er  in  Erfahrung  gebracht,  dass 
sie  schon  lange  zuvor,  ähnlich  wie  Rhiz.  Serpentariae,  von  den  Eiuge- 
bornen  gegen  Schlangenbiss  gebraucht  wurde.  Noch  1779  fand  sich  die 
V urzel  selten  in  den  deutschen  Apotheken,  trotz  Linne’s  Empfehlung  im 
Jahre  1749. 

Die  höchst  eigenthümliche  Gestalt  der  Senegawurzel  macht  jede  Ver- 
wechslung derselben  unmöglich.  — Die  schwache,  einfache,  höchstens 

L Kali  färbt  die  Wurzel  sofort  schön  gelb. 

2)  vergl.  bei  Radix  Saponariae. 


266 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


etwa  0,00 lm  dicke  Wurzel  unserer  einheimischen  Polygala  amara  L., 
(früher  als  Herba  cum  radice  Polygalae  amarae  officiuell)  besitzt  wohl 
einen  im  allgemeinen  ähnlichen  anatomischen  Bau,  jedoch  ohne  jene  für 
die  Senega  so  charakteristischen  Besonderheiten  des  Holzkörpers.  Aehnlicher 
sieht  der  letzteren  nach  der  Abbildung  von  Martius  die  Wurzel  der  in  den 
Hügelländern  von  S.  Paulo  und  Minas  Geraes  (Brasilien)  vorkomraenden 
und  dort  ähnlich  wie  Ipecacuanha  gebrauchten  Polygala  Poaya  Martius. 
Doch  scheint  die  Poayawurzel  häufiger  gerade  zu  verlaufen  als  die  Senega. 

Sehr  häufig  finden  sich  hingegen  der  käuflichen  Senega  andere  nicht 
mit  ihr  zu  verwechselnde  Wurzeln  in  geringer  Menge  beigemischt.  So  z.  B. 
diejenige  des  Panax  quinquefolius  L.,  einer  in  der  Heimat  der  Senega 
und  weiter  nach  Nordwest  häufigen  Araliacee.  Diese  sogenannte  Radix 
Ginseng  americ'ana  ist  eine  einfache  rübeuförmige , bis  über  0,01m  dicke 
Pfahlwurzel, welche  meistin  zwei  gleich  starke  gespreizte  oder  stark  gekrümmte 
Aeste  ausläuft,  so  dass  die  Gesammtlänge  derWurzel  oft  0,10m  erreicht. 
Sie  ist  vom  dünnen  Stengelreste  gekrönt,  besonders  oben  stark  geringelt,  von 
schwach  gelblich  grauer  Farbe  und  erst  bitterlichem,  daun  süssem  Geschmacke, 
welcher  von  einem  einigermassen  dem  Glycyrrhizin  ähnlichen,  nicht  genauer 
untersuchten  Stoffe,  dem  Panaquilon,  bedingt  zu  sein  scheint. 

Diese  amerikanische  Ginsengwurzel  sieht  der  in  China  so  ausser- 
ordentlich hochgeschätzten  ächten  Ginseng  von  Panax  Schin-seng  Nees 
(in  Nord -China  bis  zum  Amur  und  Ussuri  wild  und  cultivirt)  so  ähnlich, 
dass  schon  früher  von  Amerika  aus  versucht  wurde,  die  Chinesen  mit  der 
ersteren  zu  betrügen.  So  sollen  schon  1718  die  Jesuiten1)  damit  ein  gewinn- 
reiches Geschäft  gemacht  haben;  1779  wurde  die  Wurzel  aus  Nutka  in 
Britisch  Nordamerika  (Vancouver- Insel)  nach  China  ausgeführt,2 3)  1859 
dasselbe  wieder  aus  Minnesota :!)  unternommen.  Jetzt  freilich  sind  die  Chi- 
nesen, wie  übrigens  auch  schon  früher,  auf  den  Unterschied  aufmerksam 
geworden.4)  Die  chinesische  so  hoch  berühmte  Wurzel  ist  nach  einem  mir 
vorliegenden  Exemplare  der  Varietät  aus  Korea5 *)  länger,  weit  heller  und 
soll  oft  sogar  (ohne  Zweifel  durch  Brühen)  fast  durchscheinend  sein,  wie 
z.  B.  diejenigen  Proben,  welche  von  den  Franzosen  im  kaiserlichen  Palaste 
zu  Peking  (1860)  erbeutet  wurden.8)  — Trotz  der  fabelhaften  Preise,7) 
welche  für  die  angeblich  wunderbar  wirkende  Wurzel  in  China  bezahlt 
werden,  hat  sie  sich  in  Europa,  wo  sie  zuerst  durch  Bourdelin  1697 
bekannt  wurde,  als  indifferente,  schleimige,  zugleich  etwas  bitterlich  süsse 


1)  Martiny,  Itohwaarenkundc  II,  S.  481. 

2)  Neuunna,  Ostasiatiscke  Geschickte  (1861),  S.  150. 

3)  Proceedings  of  the  Atneric.  Pharm.  Associat.  1859,  S.  61. 

4)  Reiseberichte  der  österr.  Fregatte  Novara  (1859),  II,  818. 

5)  Dio  übrigen  Varietäten  haben  nach  der  Abbildung  in  der  Düsseldorfer  Sammlung 

(Nees  von  Esenbeck)  III,  Tab.  70,  mehr  Aeknlickkeit  mit  der  amerikanischen  Wurzel. 

6)  Comptes  rendus.  31.  Decbr.  1860,  S.  1101. 

7)  Ausland  1865,  S.  181,  548. 


Radix  Belladonnae. 


267 


werthlose  Droge  erwiesen.  - Einen  braunrothen  knotig  aufgetriebenen  und 
nach  allen  Seiten  reich  mit  hellen  dünnen  Neben  wurzeln  besetzten  W urze  - 
stock,  den  ich  schon  der  Senega  beigemengt  gefunden  habe,  vermag  ich 
mit  keiner  bezüglichen  Angabe  zu  identificiren.  Derselbe  ist  bis  0,10  lang, 
innen  weiss  , höchst  ausgezeichnet  durch  tief  trichterförmige,  über  0,010 
weite  Stengelnarben,  aus  welchen  starke  Gefässbundel  herausragen.  Er 
schmeckt  unangenehm  bitterlich  und  herbe.  Das  Rhizom  von  Gr illema 
trifoliata  Mönch,  welches  als  Beimischung  der  Senega  genannt  wird,  scheint, 
nach  den  dürftigen  Beschreibungen  zu  schliessen,  anders  auszusehen. 

F.  Scharf  brennend  schmeckende  Wurzelbildungen. 

Radix  Belladonnae. 

Belladonnawurzel.  Racine  de  Belladone.  Belladonna  root. 

Atropa1)  Belladonna  L.  — Solaneae. 

Die  Tollkirsche  wächst  von  England  und  Deutschland  an  durch  das 
ganze  mittlere  und  südliche  Europa  (doch  selten  in  Griechenland),  auch  in 
Kleinasien  (Taurus)  stellenweise  sehr  häutig  in  Gebüschen  und  Wäldern, 
bis  iu  die  Bergregion,  und  wird  auch  wohl  zuweilen  cultivirt.  Dem  Norden 
Europas  und  Asiens  scheint  sie  zu  fehlen. 

Die  gelblichweisse  ästige  Pfahlwurzel  ist  ausdauernd,  wird  gegen  0,50,n 
lang  und  oben  (im  trockenen  Zustande)  bis  etwa  0,05"'  dick.  Jüngere  Wur- 
zeln sind  im  Frühsommer  so  saftig,  dass  sie  beim  firockuen  einen  Gewichts- 
verlust von  85  pC.  erleiden,  im  Alter  mehr  verholzt,  daher  für  den 
Arzneigebrauch  Wurzeln  und  Wurzeläste  von  mittlerer  Stärke  und  zwar 
am  besten  während  oder  unmittelbar  nach  der  Blüthezeit  zu  sammeln  sind. 
Diese  im  frischen  Zustande  fleischigen  glatten  und  spindelförmigen  Wurzeln 
erhalten  durch  Zusammenfallen  ihres  Gewebes  beim  Austrocknen  sehr  zahl 
reiche  tiefe  Längsrunzeln;  nur  zu  oberst  kommen  auch  kurze  Querleisten  auf 
der  hell  bräunlichgrauen  Rinde  vor,  welche  gewöhnlich  durch  die  Sammler 
schon  beseitigt  ist.  Um  das  Trocknen  noch  mehr  zu  befördern , wird  die 
geschälte  Wurzel  meist  in  Stücke  von  0,10  bis  0,1 5m  Länge  zerschnitten 
und  der  Länge  nach  gespalten,  worauf  sie  sich  sehr  häufig  etwas  rück- 
wärts krümmen.  — Im  Innern  ist  die  Wurzel  schmutzig  weiss,  aber  trocken 
immer  mit  einem  deutlichen  missfarbigen  Stiche  ins  gelblichbraune. 

Der  Querschnitt  ist  deutlich  strahlig;  die  Breite  der  Rinde  pflegt  nicht 
0,001  bis  0,002“  zu  übersteigen,  also  nur  etwa  '/g  bis  Vio  des  Gesammt- 
durchmessers  zu  betragen.  Die  Hauptwurzel  enthält  ein  starkes,  sehr  weit- 
maschiges Mark , das  von  einem  nicht  sehr  breiten  dichten  Kreise  kurzer 
schön  gelber  Holzstrahlen  umschlossen  ist,  deren  verschmälerte  Fortsetzun- 
gen etwas  iu  das  Mark  eindringen.  Eine  doppelt  so  breite  Zone  zwischen 


!)  aipo7iOi;  (4tröpos)  unabwendbar,  unerbittlich  (d.  h.  giftig). 


268 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 

dem  nur  von  schmalen  porösen  Markstrahlen  durchsetzten  Holzkreise  und 
dem  Cambium  besteht  aus  Parenchym , das  nur  vereinzelte , sehr  schmale 
aber  lange  und  oft  etwas  geschlängelte  Holzstrahleu  enthält.  Das  etwas 
dunklere  Cambium  ist  wenig  auffallend;  die  Rinde  wird  zur  Hälfte  von  der 
Bastschicht,  zur  Hälfte  von  weitmaschigem,  etwas  tangential  gestrecktem 
Parenchym  (Mittelrinde)  gebildet.  Eigentliche  Baströhren  fehlen  in  der 
Bastschicht.  Die  dünne  lockere  gelbliche  Korklage  besteht  aus  schlaffen 
rundlich  kubischen  Zellen. 

Ein  ziemlich  verschiedenes  Bild  gewährt  der  Querschnitt  der  Wurzel- 
äste, deren  Centrum  von  einem  starken  Gefässbündel  statt  des  Markes 
eingenommen  wird.  Die  übrigen,  sehr  weitläufig  auseinander  gestellten 
Gefässbündel  bilden  nur  sehr  unregelmässig  strahlen-  oder  kreisförmig  ge- 
ordnete Gruppen  in  dem  schlaffen , vorherrschend  radial  gerichteten  Paren- 
chym, das  keine  besonderen  Markstrahlen  erkennen  lässt.  Die  Gefässbündel 
enthalten  nur  grosse  1 üpfelgefässe  ohne  eigentliches  Holzprosenchym  und 
sind  unmittelbar  an  der  feiueu  bräunlichen  Cambiumzone  zu  einem  schmaleu 
sehr  weitläufigen  Kreise  geordnet.  Die  Gefässe  sind  sehr  weit,  in  der 
Hauptwurzel  z.  B.  bis  175  Mikromill.  Durchmesser  erreichend. 

Das  Rindengewebe  geht  allmälig  in  die  weiten  tangential  gedehnten 
Mittelrindeuzellen  über. 

Während  die  Gefässgruppen  in  der  Regel  nur  aus  wenigen  Gefässen 
gebildet  sind , treten  sie  bisweilen  zahlreicher  zusammen  und  umgeben  sich 
mit  braungelben  prosenchymatischeu  Zellen , deren  dicke  Wände  auf  dem 
Querschnitte  sehr  zusammengefallen  oder  geschlängelt  erscheinen.  Oft  herr- 
schen solche  sehr  unregelmässig  gestellte , nicht  deutlich  strahlige  Gefäss- 
bündel auf  dem  Querschnitte  vor  und  sind  scharf  umschrieben  vou  dem 
helleren  Markstrahlengewebe.  Solche  Stücke  bieten  daher  in  Betreff  ihres 
anatomischen  Baues  wieder  im  Vergleich  mit  den  oben  geschilderten  Ver- 
hältnissen bedeutende  Abweichungen  dar. 

Alle  Gewebe  der  Belladonnawurzel,  hauptsächlich  aber  die  Rinde,  zei- 
gen im  Querschnitte  einzelne  schon  durch  die  Loupe  wahrnehmbare,  von 
weissem  pulverigem  Inhalte  erfüllte  Zellen.  Bei  stärkerer  Vergrösserung 
erweist  sich  derselbe  als  einzelne  lauter  sehr  kleine  (höchstens  etwa  5 bis 
7 Mikromill.,  gewöhnlich  weit  weniger  messende)  Quadratoktaeder,  die  sich 
in  Essigsäure  nicht  lösen , wohl  aber  in  Salzsäure  — also  wohl  Kalkoxalat 
sind.  Immer  sind  jene  Zellen  aufs  Dichteste  mit  diesen  an  und  für  sich 
durchsichtigen  Krystallen  erfüllt,  die  aber  in  ihrer  Häufung  und  Licht- 
brechung (unter  Wasser  oder  Glycerin)  ganz  dunkel  erscheinen.  Man  er- 
blickt gewöhnlich  nur  die  eine  (dreieckige)  Fläche  des  Oktaeders;  immer 
sind  dieselben  isolirt,  niemals  zu  Drusen  vereinigt.  Weit  reichlicher  ent- 
hält das  Gewebe  Stärkmehlkörner  von  vorherrschend  kugeliger  Gestalt 
und  sehr  ungleicher  Grösse  (bis  etwa  20  Mikromill.  im  Durchmesser). 

Wegen  des  Mangels  au  Baströhren  und  des  auch  iu  der  Hauptwurzel 
nur  kurzen,  in  denAesteu  aber  sehr  zarten  oder  fehlenden  Holzprosenchyms 


Radix  Belladonnae. 


269 


bricht  die  Belladonnawurzel  glatt,  nicht  faserig,  zugleich  durch  den  reich- 
lichen Gehalt  von  Stärke  und  Oxalat  stäubend. 

Die  Wurzel  ist  geruchlos  und  schmeckt  fade  siisslich , dann  bitter  und 
sehr  gefährlich  scharf. 

Mein  hat  (1831)  aus  derselben,  Geiger  u.  Hesse  dann  (1833)  aus 
dem  Kraute,  und  Büchner  später  auch  aus  dem  Samen  das  äusserst  giftige 
krystallisirbare  Alkaloid  Atropin  dargestellt.  In  der  Wurzel  scheint  es 
reichlicher  als  im  Kraute  und  im  Samen  vorzukommen , aber  doch  immer- 
hin nur  etwa  V)  pC.  zu  betragen.  Procter  erhielt  von  im  October  gesam- 
melter, zu  New-Lebanon,  New-York,  gepflanzter  Wurzel  3 p.  Mille. 

Yor  und  nach  der  Blüthezeit  ist,  nach  Schroff,  der  Gehalt  an  Atro- 
pin geringer. 

Planta  fand  die  Zusammensetzung  und  die  Eigenschaften  des  Atro- 
pins übereinstimmend  mit  denen  des  „Daturins“  (vergl.  Semen  Stramonii). 

Das  Atropin  ist  namentlich  in  Auflösung  sehr  zur  Zersetzung  geneigt. 
Hierbei,  so  wie  auch  bei  der  Behandlung  mit  concentrirter  Natronlauge  oder 
mit  chromsaurem  Kali  und  Schwefelsäure,  oder  bei  der  trockenen  Destilla- 
tion des  Atropins  treten  zum  Tlieil  angenehm  riechende  Zersetzungspro- 
dukte auf.  Schon  Richter  hatte  1837  bei  seiner  Darstellung  des  Atropins, 
wobei  vielleicht  eine  Spaltung  desselben  eintrat,  eine  der  Benzoesäure  ähn- 
liche Säure,  Atropasäure,  erhalten. 

Ludwig  u.  Pfeiffer  ermittelten  (1861),  dass  durch  Zersetzung  des 
Atropins  mit  chromsaurem  Kali  und  Schwefelsäure  in  der  That  Benzoesäure 
und  Propylamin  erhalten  werden.  Andere  Produkte  entstehen , wenn  die 
Spaltung  des  Atropins  mit  rauchender  Chlorwasserstoffsäure,  mit  Natron- 
lauge oder  mit  Barytwasser  vorgenommen  wird.  Bei  letzterer  Reaktion 
spaltet  sich  nach  Kraut  das  Atropin  G17NH23Ö3  unter  Aufnahme  von 
Wasser  (H* 2G)  in  Atropasäure *)  G9H802  und  eine  neue  Base  G8NH17G2, 
das  Tropin,  womit  wohl  das  von  Ludwig  u.  Pfeiffer  angegebene  Pro- 
pylamin identisch  sein  wird.  — Das  atropasaure  Tropin  scheint  nicht  die 
Eigenschaften  des  Atropins  zu  besitzen.  Kraut  fand  weder  in  der  Wurzel 
noch  in  den  Blättern  der  Belladonna  Atropasäure  oder  Tropin.  Schon  Ber- 
zelius  hatte  in  dem  widrigen  Gerüche,  den  das  in  feuchter  Luft  sich  zer- 
setzende Atropin  ausstösst,  eine  neue  Basis  vermuthet  und  Tropin  genannt. 

Hüb  sch  mann  hat  (1858)  in  der  Belladonnawurzel  ein  zweites  aber 
unkrystallisirbares  Alkaloid  von  harzartigem  Aussehen  und  deutlich  alka- 
lischer Natur,  das  Belladonnin 2)  nachgewiesen,  welches  ebenfalls  beim 
Erhitzen  den  „Geruch  der  Hippursäure“  verbreitet.  Die  Wurzel  scheint 
ferner,  nach  Richter  und  nach  Hübschmann,  einen  dem  Aesculin  ähn- 
lichen schillernden  Stoff,  nach  letzterem  auch  einen  rothen  Farbstoff,  Atro- 


7)  Nach  Lossen  treten  daneben  noch  andere  Säuren  auf. 

2)  Ein  von  Lübckind  (1839)  durch  die  Destillation  der  Blätter  mit  Kali  erhaltenes 
Belladonnin  war  vermuthlich  ein  Zersetzungsprodukt. 


270  Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 

sin,  zu  enthalten,  welcher  in  den  Früchten  der  Belladonna  mit  grösster 
Intensität  auftritt. 

Die  Belladonnawurzel  unterscheidet  sich  von  der  ihr  nicht  unähnlichen 
rein  weissen  Althaeawurzel  durch  den  glatten  nicht  faserigen  Bruch  und 
die  Missfarbe;  von  Rad.  Bardanae  schon  durch  Stärkegehalt  und  die  nicht 
holzige  Beschaffenheit. 

Den  Alten  scheint  die  Belladonna  unbekannt  geblieben  zu  sein.  Sie 
wurde  erst  von  den  deutschen  Botanikern  und  Aerzten  des  Mittelalters  be- 
nutzt. Conrad  Gessner  wandte  den  Saft  der  Blätter  an;  Matthiolus 
verbreitete  hauptsächlich  deu  heutigen,  aus  dem  Italienischen  stammenden 
Namen  der  Pflanze. 


Rhizoma  Hellebori  viridis. 

Radix  Hellebori  viridis.  Radix  Ellebori.  Grüne  Nieswurz.  Schwarze  Nies- 
wurz (Pharm.  Borussic.).  Racine  d’ellebore  vert. 

Hellehorus !)  viridis  L.  — Ranunculaceae. 

Diese  weit  verbreitete  aber  in  vielen  Gegenden  fehlende  oder  nur  sehr 
spärlich  vorkommende  Staude  gehört  den  gemässigteren  Strichen  Europas 
und  Nordamerikas  an.  Sie  findet  sich  von  den  Pyrenäen  an  durch  West- 
Frankreich  bis  Schottland,  zerstreut  durch  die  niedrigeren  Berggegenden 
der  Schweiz  (um  den  Genfer  See)  und  Süddeutschlands  bis  Westfalen,  Thü- 
ringen, Sachsen,  Schlesien,  zum  Harz,  dann  in  Tirol,  Steiermark,  Böhmen, 
auch  häufig  in  Italien  und  am  Kaukasus.  Dem  Norden  scheint  sie  zu  fehlen. 

Das  ein  paar  Jahre  hindurch  ausdauernde  Wurzelsystem  treibt  zahl- 
reiche, nur  spärlich  beblätterte,  fusshohe  Stengel,  welche  sich  aus  kur- 
zen, gerade  aufsteigenden  Aesten  des  Wurzelstockes  (sogenannten  Wurzel- 
köpfen) erheben.  Die  grünen  krautigen  Stengel  sterben  alljährlich  ab  und 
nur  die  mit  bräunlicher  Oberhaut  bekleideten  Wurzelköpfe  bleiben  erhalten 
und  sind  durch  die  vertieften  Stengelnarben  und  die  ringsum  laufenden 
Einfügungsstellen  abgestorbener  Blätter  bezeichnet.  Aus  diesen  obersten 
Gliedern  der  Wurzeläste  entwickeln  sich  im  Frühjahr  grosse  Wurzelblätter, 
welche  im  Herbste  absterben,  und  die  Knospen  neuer  Verzweigungen  des 
Wurzelsystems. 

Der  Wurzelstock  selbst  liegt  der  Hauptsache  nach  ziemlich  horizontal  in  der 
Erde  und  erreicht  etwa  0,10m  Länge  bei  ungefähr  0,010"'  Durchmesser.  Sehr 
gewöhnlich  lässt  sich  aber  bei  älteren  Exemplaren  ein  eigentlicher  Hauptstamm 
desselben  nicht  unterscheiden,  indem  die  einzelnen  mehrköpfigen  Aeste  sich 
oft  gleichmässig  entwickelt  zeigen.  Durch  reichliche  Verzweigung  des  W urzel- 


1)  Auch  wohl  Hellebonm;  angeblich  nach  dem  gleichnamigen  Flüsschen  unweit  der  Stadt 
Antikyra  (Antikirrku)  in  der  Nähe  des  heutigen  Meerbusens  von  Salona,  woher  die  alten 
Griechen  ihre  Wurzel  bezogen  hätten.  Andere  leiten  das  Wort  ab  von  illo , ich  wälze,  und 
borh,  Speise,  im  Hinblicke  auf  die  gefährliche  Wirkung  der  Hellcborus-Wurzeln. 


Rhizoraa  Hellebori  viridis. 


271 


Stockes  erleidet  derselbe  übrigens  in  der  Regel  sehr  bedeutende  seitliche 
oder  auf-  und  absteigende  Verkrümmungen  und  Ablenkungen  vom  wage- 
rechten  Verlaufe,  so  dass  eine  allgemein  zutreffende  Schilderung  seiner 
äusseren  Gestalt  nicht  durchgeführt  werden  kann.  Er  ist,  obwohl  durch 
zahlreiche  Blattnarben  geringelt,  doch  nicht  eigentlich  knotig  oder  gegliedert, 
aber  sammt  seinen  Aesten  auf  allen  Seiten  sehr  dicht  mit  (Neben-)  Wuizeln 
besetzt,  welche  nach  allen  Richtungen  gewöhnlich  in  unentwin barem  Knäuel 
gerade,  doch  etwas  hin-  und  hergebogen,  abwäits  diingen.  feie  sind  bis 
über0,10ra  lang,  fast  ganz  einfach  cylindrisch,  im  frischen  Zustande  fleischig, 
trocken  sehr  brüchig,  längsstreifig  und  am  Ursprünge  bis  0,002  , nach 
dem  Aufweichen  0,006m  dick.  Ein  mässig  starkes  Wurzelsystem  zeigt  leicht 
10 — 12  und  mehr  Stengelnarben,  so  dass  der  Wurzel  stock  mehrere  Gene- 
rationen durchlebt  und  am  hintern  Ende  verhältnissmässig  langsam  abstirbt. 

Die  Farbe  der  ganzen  Wurzelbildung  ist  braun,  bisweilen  schwarzbraun,1) 
im  Innern  bis  auf  das  gelbliche  oder  bräunliche  Holz  weiss,  besonders  in 
den  (Neben-)  Wurzeln  meist  rein  weiss.  Der  geringen  Entwickelung  des 
Holzes  wegen  lässt  sich  die  Wurzel  kurz  und  glatt  brechen  und  hornartig 
schneiden. 

Der  Querschnitt  des  Wurzelstockes  bietet  eine  nach  dem  Aufweichen 
etwa  0,003“  breite,  von  einer  sehr  dünnen  Oberhaut  bedeckte,  gleich- 
förmige, durchaus  nicht  strahlige Rinde  dar,  welche  einen  unregelmässig  unter- 
brochenen, meist  ziemlich  schmalen  Kreis  von  6 bis  10  Holzbündeln  ein- 
schliesst.  Wie  in  ihrer  Zahl  sind  dieselben  axich  in  der  Grösse  und  Gestalt 
verschieden.  Ihre  Länge  beträgt  im  Querschnitte  meistens  weniger  als 
0,001“  und  wird  oft  von  der  Breite  erreicht,  so  dass  sie  häufiger  die  Form 
eines  Quadrates  oder  eines  Rechteckes  zeigen  als  die  sonst  gewöhnlichere 
eines  nach  innen  gerichteten  Keiles.  Auch  die  von  nicht  scharf  hervor- 
tretenden Markstrahlen  eingenommenen  Abstände  der  einzelnen  Bündel 
sind  von  sehr  ungleicher  Breite,  sehr  häufig  ausgedehnter  als  die  Bündel 
selbst,  welche  auch  wohl  in  einzelne  lose  Stränge  zerstreut  sind. 

Der  Durchmesser  des  lockeren  Markes , welches  das  Centrum  des  Rhi- 
zomes  einnimmt,  kömmt  gewöhnlich  der  Breite  der  Rinde  gleich. 

Sehr  abweichend  gestaltet  sich  der  Querschnitt  der  Wurzeln,  welcher 
bis  auf  einen  höchstens  0,001“  dicken,  gewöhnlich  aber  bedeutend  dünneren 
Kern  nur  von  der  Rinde  gebildet  wird.  Letztere  ist  nicht  strahlig,  von 
einer  einzigen  Reihe  brauner  Oberhautzellen  bedeckt.  Der  Holzkern  wird 
von  der  Rinde  durch  ein  paar  Reihen  engerer  prosenchymatischer  Zellen 
getrennt,  deren  äusserste  mit  den  benachbarten  viel  weiteren  Riudenzellen 
bedeutend  zu  kontrastiren  pflegt,  so  dass  sie  an  die  Kernscheide  der  mono- 
kotylischen  Wurzelstöcke  und  Wurzeln  (vergl.  z.  B.  Rliizoma  Graminis, 
RhizomaVeratri,  Radix  Sarsaparillae)  erinnert.  Die  Gefässbündel  innerhalb 
dieser  stets  kreisrunden  Kernscheide  sind  von  sehr  wechselnder  Form  und 


*)  an  cnltivirten,  sehr  starken  Wurzelstöckcn  fällt  namentlich  die  schwärzlicho  Färbung  auf. 


272 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


Anordnung,  nämlich  entweder  mehr  in  kleinere  durch  Markparenchym, 
aber  nicht  durch  Markstrahlen,  getrennte  Gruppen  oder  gar  in  ganz  ver- 
einzelte Gefässe  aufgelöst,  oder  aber  zu  3,  4 oder  5 Bündeln  zusammen- 
gestellt. Da  keine  Markstrahlen  vorhanden  sind,  so  lassen  sich  aber 
diese  Gefässbündel  gewöhnlich  nicht  bestimmt  abgrenzen.  Sehr  oft  sind  sie 
so  nahe  an  einander  gerückt,  dass  auf  der  Berührungslinie  gar  kein  Mark- 
parenchym mehr  die  Trennung  andeutet.  Meistens  finden  sich  dann  gerade 
hier  die  grössten  Gefässe  zusammengehäuft  und  bilden  3 , 4 oder  am  häu- 
figsten 5 weit  gegen  die  Kernscheide  vorspringende  Kanten,  welche  durch 
mehr  oder  weniger  tief  ausgeschweifte  Buchten  verbunden  sind.  Dieser 
geschlossene  4-  oder  östrahlige  Holzkern  schliesst  oft  Mark  ein , manchmal 
aber  nicht.  Seine  Ausbuchtungen  werden  von  Baststrängen1)  eingenommen. 
Bilden  die  Gefässe  scharf  getrennte  Gruppen  oder  Bündel,  wie  namentlich 
da,  wo  ihrer  nur  3 vorhanden  und  durch  breite  Markpartieen  auseinander 
gehalten  sind,  so  kömmt  es  sonderbarerweise  da  und  dort  einmal  vor,  dass 
die  Baststränge  gerade  vor  jenen  Markpartieen  und  nicht  vor  den  zugehörigen 
Gefässbündeln  stehen.  — Anderen  Nebenwurzeln  pflegt  das  Mark  regel- 
mässig zu  fehlen. 

Wurzelstock  und  Nebenwurzeln  sind  mit  einer  Oberhaut  (Epiblema, 
Wurzeloberhaut)  bekleidet,  welche  aus  einer  einzigen  Reihe  kubisch-rund- 
licher Zellen  gebildet  ist,  deren  peripherische  und  Seitenwandungen  etwas 
verdickt  und  braun  gefärbt  sind.  Die  nach  aussen  gekehrten  Wandungen 
der  Oberhautzellen  des  Wurzelstockes  pflegen  gewölbt  zu  sein;  in  den 
Nebenwurzelu  nehmen  diese  Zellen  mehr  die  Tafelform  an. 

Die  Mittelrinde  besteht  im  Wurzelstocke  aus  ansehnlichen,  fein  porösen, 
kugelig-eckigen  Zellen,  in  den  Nebenwurzeln  aus  ähnlichem,  aber  etwas 
in  der  Richtung  der  Axe  gedehntem  Parenchym. 

Die  Cambiumzone  des  Wurzelstockes  ist  ziemlich  breit,  obwohl  übrigens 
nicht  durch  besondere  Färbung  auffallend,  diesseits  derselben  finden  sich, 
den  Gefässbündeln  entsprechend,  nur  eben  schwache,  im  Querschnitte 
bogenförmige  Andeutungen  des  Bastes.  Die  kurzen,  höchstens  20  bis 
30  Mikromill.  dickap , oft  krumm  verlaufenden,  bräunlichen  Netzgefässe, 
welche  meist  dicht  gedrängt  und  sehr  zahlreich  die  Bündel  zusammen- 
setzen, sind  von  sehr  spärlichem,  porösem,  kaum  verdicktem  Holzprosenchym, 
häufiger  von  Holzparenchym,  begleitet. 

Das  Mark  stimmt  mit  der  Mittelrinde  überein  und  besitzt  höchstens 
grössere  lind  in  den  Nebenwurzeln  mehr  in  der  Richtung  der  Axe  vertikal 
gestreckte  Zellen. 

Die  Kernscheide  der  Nebenwurzeln  ist  im  Längsschnitte  weit  weniger 
auffallend  als  im  Querschnitte,  da  sie  aus  dünnen,  im  Sinne  der  Axe  sehr 
lang  gestreckten , aber  nicht  verdickten , sondern  nur  zart  quergestreiften 
Zellen  zusammengefügt  ist.  Aehnliche  nur  wenig  kürzere  Zellen  umgeben 


D Canibinnistrange  nach  Berg. 


Rhizoma  Hellebori  viridis. 


273 


die  Gefässbündel,  die  gleiche  und  eben  so  grosse,  aber  mehr  gerade  Gefässe 
enthalten  wie  der  Wurzelstock.  Doch  fehlt  in  den  Nebenwurzeln  das  Holz- 
prosenchym  ganz,  der  dünne  Kern  lässt  sich  daher  nicht  aus  der  Rinde 
herausschälen,  sondern  bricht  mit  derselben  kurz  und  glatt  ab. 

Oeltropfeu  und  sehr  zahlreiche  Stärkekörner  bilden  den  Inhalt  des  Zell- 
gewebes. Letztere,  vorherrschend  kugelige  F orrnen,  messen  durchschnittlich 
etwa  6 Mikrom. , sind  aber  häufig  sehr  viel  kleiner,  bisweilen  auch  weit 
grösser;  Krystalle  fehlen. 

Bei  aller  Einfachheit  des  anatomischen  Baues  zeigt  die  obige  Wurzel 
doch  sehr  grosse  Eigentümlichkeit,  hauptsächlich  in  dem  einförmigen, 
deutlicher  Mark-  und  Baststrahlen  entbehrenden  breiten  Rindengewebe,  in 
der  grossen  Veränderlichkeit  der  Anordnung  ihrer  Gefässbündel,  im  Mangel 
eigentlichen  Holzprosenchyms , in  der  Kernscheide  und  in  dem  (sonst 
fehlenden)  Marke  der  Nebenwurzeln.  In  allen  diesen  Punkten  und  auch 
äusserlich  stimmt  sie  nur  mit  den  Wurzelsystemen  verwandter  Helleborus- 
Arten  überein,  besonders  mit  dein  des  Helleborus  uiger  (vergl.  Rhizoma 
Hellebori  nigri).  Mit  Recht  schreibt  daher  z.  B.  Pharmacopoea  Borus- 
sica  edit  VII.  vor,  dass  die  von  ihr  aufgenommene  Radix  Hellebori  viridis 
von  den  Wurzelblätteru  begleitet  sein  müsse.  Dieselben  sind  gebildet  aus 
7 bis  1 1 oft  ihrerseits  wieder  2-  oder  3theiligen,  handförmig  auseinander- 
fahrenden Blattabschnitten,  welche  alle  von  demselben  Punkte  ausgehen 
und  gegen  0,1 5m  Länge  erreichen.  Sie  sind  läuglich-lauzettlich , von  der 
Mitte  an,  wo  ihre  Breite  bis  0,03’“  beträgt,  nach  beiden  Seiten  spitz  zulau- 
fend und  am  Rande,  besonders  nach  vorn,  sehr  scharf  und  dicht  gesägt. 
Auf  der  etwas  helleren , glänzend  hellgrünen , unteren  Blattfläche  tritt 
der  starke  Mittelnerv  und  einige  unter  sehr  spitzem  Winkel  von  ihm  abgehende 
Seitennerven  stark  hervor.  Das  übrige  viel  feinere  Adernetz  bildet  ziemlich 
weite,  in  die  Länge  gezogene  Felder  mit  glatter,  nur  sehr  fein  gekörnter 
Oberfläche.  Im  Herbste  fallen  diese  Blätter  ab  und  sind  übrigens  trocken 
sehr  dünn  papierartig,  aber  brüchig,  somit  nach  allen  erwähnten  Merk- 
malen leicht  und  bestimmt  von  denjenigen  des  Helleborus  niger  zu  unter- 
scheiden. 

Der  rettigartige  Geruch  der  frischen  Wurzel  verliert  sich  beim  Trocknen. 
Sie  schmeckt  sehr  stark  und  rein  bitter,  nach  kurzem  aber  zugleich  bren- 
nend scharf.  Im  April  und  October  gesammelt,  zeigt  die  Wurzel,  aber  nur 
im  frischen  Zustande,  nach  Schroff  einen  vorübergehenden  süssen  Bei- 
geschmack. Die  Blätter  besitzen,  wenigstens  in  trockenem  Zustande,  nur 
den  bitteren  Geschmack  in  ziemlich  hohem  Grade. 

Die  chemischen  Bestandtheile  des  Helleborus  viridis  scheinen  dieselben 
zu  sein  wie  die  des  H.  niger,  jedoch  in  andern  Verhältnissen.  An  fettem 
Oele  ist  die  Wurzel  des  erstercn  namentlich  ärmer,  obwohl  sie  an  Wirksam- 
keit die  des  H.  niger  nach  Schroff  bei  weitem  übertrifft,  daher  wohl  an 
Helleborin  und  Helleboracrin  (vergl.  bei  Rhizoma  Hellebori  nigri)  reicher 
sein  muss.  Am  wirksamsten  erweist  sie  sich  nach  Schroff  im  Mai. 

Flückiger,  Pharmakognosie.  j 8 


274 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


Von  den  Botanikern  des  XVI.  Jahrhunderts  war  Helleborus  viridi8 
zwar  unter  dem  Namen  H.  niger  zum  Theil  auf  den  Helleboros  der  Alten 
bezogen,  indessen  doch  von  unserem  H.  niger  schon  bestimmt  unterschieden 
worden.  Die  Seltenheit  des  letzteren  in  manchen  Gegenden,  wo  dessen 
Wurzel  verlangt  wurde,  gab  aber  Veranlassung,  ihr  sehr  häufig  diejenige 
des  viel  weiter  verbreiteten  H.  viridis  unterzuschieben , deren  Unterschei- 
dung nicht  so  leicht  war,  wenn  die  Blätter  fehlten.  Einzelne  wenige  Pharma- 
copöen  hatten  schon  früher  bestimmt  Radix  Hellebori  viridis  vorgeschrieben, 
schon  bevor  Schroff’s  Untersuchungen  (1859)  sie  in  den  Vordergrund 
gestellt  haben. 


Rhizoma  Hellebori  nigri. 

Radix  Hellebori  nigri.  Radix Veratri  nigri  s.  Melampodii.  Schwarze  Nies- 
wurzel. Racine  d’ellebore  uoir.  Black  hellebore. 

Helleborus  niger  L.  — Ranunculaceae. 

Der  Verbreitungsbezirk  dieser  Art  scheint  beschränkter  und  mehr  südlich 
zu  sein  als  der  des  Helleborus  viridis.  Für  den  ersteren  ist  anzugeben  die 
Provence,  Piemont,  in  der  Schweiz  einzig  und  allein  der  Monte  Salvadore 
bei  Lugano,  dann  Oberbaiern,  Salzburg  (häufig)  Oesterreich,  Krain,  Böhmeu, 
Schlesien.  In  Griechenland  fehlt  Helleborus  niger  nach  H e 1 d r e i c h ; gegen- 
theilige  Angaben  dürften  auf  Verwechselung  mit  Helleborus  orientalis  Lamarck 
(Synonym:  H.  officinalis  Salisbury,  H.  antiquorum  A.  Braun)  beruhen. 

Dagegen  wird  H.  niger  seiner  schönen,  mitten  im  Winter  erscheinenden 
Blüthe  zuliebe  häufig  in  Gärten  gezogen.  — Hayne  hat  die  Varietäten 
altifolius  und  humilifolius  unterschieden,  welchen  nach  Berg  auch  einige 
Besonderheiten  im  Baue  der  Wurzel  entsprechen  sollen , die  von  andern 
nicht  bestätigt  gefunden  yvurdeu. 

Das  Wurzelsystem  gleicht  in  Bau  und  Aussehen  dem  des  Helleborus 
viridis,  erlangt  jedoch  bedeutendere  Stärke,  der  Wurzelstock  eine  mehr 
vertikale  oder  schief  aufsteigende  Richtung  und  die  Färbung  des  Ganzen 
ist  mehr  rein  braun. 

Der  Querschnitt  des  Wurzelstockes  unterscheidet  sich  einigermasseu 
von  dem  des  H.  viridis  durch  geringere  Entwickelung  der  Rinde,  welche 
durchschnittlich  nur  0,002,u  breit  ist,  während  der  Gefässbüudelkreis  sich 
meistens  gleich  breit  oder  etwas  breiter  erweist  als  bei  H.  viridis.  Oft 
erreichen  die  einzelnen  Gefässbündel  nämlich  im  Querschnitte  eine  Länge 
von  0,00 lm.  Die  Breite  dagegen  bleibt  bedeutend  zurück,  so  dass  die  Keil- 
form unter  den  Gefässbündeln  vorherrscht  und  quadratische  Querschnitte 
wie  bei  II.  viridis  nicht  oder  doch  nur  selten  Vorkommen.  Sie  sind  gewöhn- 
lich zahlreicher  und  einander  mehr  gleichmässig  nahe  gerückt,  die  einzelnen 
Gefässe  aber  mehr  durch  Holzparenchym  getrennt.  Immerhin  sind  diese 
Unterschiede  nur  für  die  Mehrzahl  der  Fälle  gültig,  im  einzelnen  aber  oft 
durch  Uebergänge  verwischt. 


Rhizoma  Hellebori  nigri. 


275 


Durch  die  mehr  gegen  das  Centrum  vorgeschobenen  Gefässkeile  ist  das 
Mark  etwas  beschränkt  und  erreicht  höchstens  in  seinem  Durchmesser  die 
Breite  der  Rinde. 

Der  Querschnitt  der  Nebenwurzeln  stimmt  nahezu  mit  dem  von  H.  viridis 
überein , jedoch  sind  die  Gefässbündel  fast  immer  zu  einem  geschlossenen 
Kreise  zusammengerückt,1)  welcher  wohl  mitunter  zu  mehr  vierkantiger, 
aber  nicht  zu  scharf  3-  bis  östrahliger  Form  ausgeschweift  ist.  Häufiger 
als  bei  H.  viridis  finden  sich  in  dem  übrigens  gleich  gebauten  Marke  ver- 
einzelte Gefässe.  Die  Kernscheide  ist  weniger  von  den  benachbarten  Zellen- 
lagen ausgezeichnet.  — Die  Nebenwurzeln  sind  mit  feinen,  braunen  Wurzel- 
haaren besetzt,  welche  an  der  käuflichen Waare  meist  abgestossen  sind. 

Der  anatomische  Bau  der  einzelnen  Gewebe  stimmt  mit  Helleborus 
viridis  überein. 

Die  Stärkekörner  des  H.  niger  sind  gewöhnlich  im  Durchschnitte  etwas 
grösser,  manchmal  aber  auch  sehr  klein.  Ihre  Menge  wechselt  gleich- 
falls sehr. 

An  Fettropfen  ist  das  Parenchym  des  H.  niger  wohl  immer  viel  reicher. 
In  älteren  Wurzeln  ist  das  Fett  von  gelblicher  Farbe. 

Die  Unterschiede  zwischen  den  beiden  oben  verglichenen  Wurzeln  sind, 
wie  erwähnt,  im  einzelnen  oft  nicht  scharf  genug  ausgeprägt  und  überhaupt 
erst  durch  genauere  Untersuchung  nachweisbar,  weshalb  mit  Recht  von 
manchen  Pharmakopoen  verlangt  wurde,  dass  Rhizoma  Hellebori  nigri 
von  seinen  2 oder  3 sehr  auffallenden  Blättern  begleitet  sein  müsse.  Das 
einzelne  Wurzelblatt  ist,  wie  bei  H.  viridis,  aus  7 bis  11  Blattabschnitten, 
immer  in  ungerader  Zahl,  gebildet,  welche  aber  nicht  vom  Endpunkte  des 
bis  0,401U  langen  Blattstieles  ausgehen.  Derselbe  ist  vielmehr  selber  getheilt 
und  auf  seinen  beiden  in  sehr  stumpfem  Winkel  ausgespreizten  Schenkeln 
sitzen  die  Blattabschnitte,  jeder  für  sich  kürzer  oder  länger  gestielt.  Der 
mittlere  Abschnitt  allein  bildet  die  gerade  Fortsetzung  des  Blattstieles  und 
erreicht  die  grösste  Länge,  bis  0,20m.  Die  übrigen  Abschnitte  oder  Theil- 
blätter  sind  meist  etwas  ungleichhälftig;  bei  sämmtlichen,  im  ganzen  länglich- 
lanzettlichen  Abschnitten  liegt  die  grösste  Breite,  gegen  0,05“  höchstens, 
etwas  ausserhalb  der  Mitte,  gegen  die  Blattspitze  zu.  Nur  dieser  äussere 
Theil  des  Blattes  ist  mit  wenig  zahlreichen , grossen  Sägezähnen  versehen, 
das  untere  Drittel  aber  ganzraudig.  Von  der  Form  abgesehen,  sind  die 
Blätter  des  H.  niger  auch  schon  durch  ihre  derb  lederartige  Beschaffenheit 
leicht  kenntlich. 

Die  Wurzel  besitzt  auch  in  frischem  Zustande  keinen  besonderen  Geruch. 
Ihr  Geschmack  ist  nicht  auffallend,  nur  etwas  kratzend  oder  ölig-ranzig  und 
süsslich,  entfernt  an  den  der  Senega  erinnernd.  Ein  bitterer  und  scharfer 


L »ach  Berg  bei  H.  niger,  Var.  humilijolius  durch  ziemlich  breite  Markstrahlen  getrennt, 
■wovon  ich  mich  nicht  überzeugen  konnte.  — Schroff,  so  wie  auch  Koch  finden  die  Auf- 
stellung von  Varietäten  bei  H.  niger  nicht  gerechtfertigt. 


18* 


276 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


Beigeschmack  fehlt,  oder  es  soll  sich  höchstens  die  Bitterkeit,  nach  S ch  roff, 
in  geringem  Masse  an  der  im  Mai  gesammelten  Wurzel  finden.  Hierin  liegt 
ein  sehr  wesentlicher  Unterschied  zwischen  H.  niger  und  H.  viridis. 

Die  älteren  Untersuchungen  der  (schwarzen)  Nieswurzel  durch  Gmelin, 
Feneulle  u.  Caprou,  daun  durch  Riegel,  hatten  nur  allgemein  verbrei- 
tete Stoffe  nachgewiesen.  Bastick  dagegen  wollte  (1853)  daraus  einen 
besonderen , nicht  flüchtigen , krystallisirbaren  Stoff  erhalten  haben , den  er 
Hellebor  in  nannte.  Dasselbe  soll  bitter  und  kratzend  schmecken,  sich  in 
Wasser  schwer  lösen,  zwar  stickstoffhaltig,  aber  doch  indifferent  sein. 
Eine  organische  Säure,  welche  das  Helleborin  begleitet,  hielt  Bas  tick  für 
Aconitsäure. 

Aus  der  Wirkungsweise  der  Wurzel  von  Helleborus  niger  und  andereu 
unten  genannten  Arten  schloss  Schroff  (1859),  dass  darin  zwei  eigeu- 
thümliche  Stoffe,  ein  narkotischer,  vorzugsweise  in  Wasser  löslicher  und 
ein  scharfer,  besser  durch  Aether  oder  Alkohol  ausziehbarer,  enthalten  sein 
müssen.  In  alkoholischen  Extracten  der  Helleborus -Wurzeln  nach  einiger 
Zeit,  oft  erst  nach  Jahren,  anschiessende  mikroskopische  Krystalle  von 
süsslich  bitterem  Geschmacke  erwiesen  sich  als  die  Träger  der  narkotischen 
Wirkung,  woran  das  fette  Oel  ganz  unbetheiligt  ist.  Nur  einmal  (bei  Helle- 
borus officinalis)  gelang  es  Schroff,  solche  Krystalle  schon  unmittelbar 
auf  einem  mikroskopischen  Schnitte  der  Wurzel  entstehen  zu  sehen. 

Marine  und  A.  Husemaun  glückte  (1864)  die  Reiudarstellung  dieser 
Schroff’schen  Krystalle  aus  Blättern  und  Wurzeln  der  beiden  oben 
genannten  Arten  durch  Fällung  mit  Phosphormolybdäusäure.  Sie  erkannten 
darin  ein  stickstofffreies , sehr  schwach  saures  Glykosid , unzweifelhaft  das 
schwach  giftige  Priucip  der  Nieswurzeln,  dem  sie  zuerst  den  Namen  Helle 
borin,  später  Helleborein  beilegten.  Verdünnte  Säuren  spalteu  beim 
Kochen  das  farblose  Helleborein  G2,i  Ilu  G15  ganz  einfach  iu  schön  veilchen- 
blaues Helle  boretin  GuH2oG3  und  Zucker  G12  H24012.  Das  Helleboretin 
ist  merkwürdigerweise  ohne  physiologische  Wirkung. 

Dem  fetten  Oele  aus  den  Wurzeln  beider  genannten  Helleborus  - Arten 
entzieht  heisses  Wasser  ein  zweites  Glykosid,  das  Helle boraciin 
£36h«2-Gc.*)  Es  krystallisirt  iu  Nadeln,  welche  sich  leicht  in  Alkohol  und 
Chloroform  lösen  und  scharf  bitter  kratzend  schmecken.  Coucentrirte 
Schwefelsäure  färbt  das  Helleboracriu  hochroth  und  spaltet  es  in  Zucker 
und  Hellebor esiu  G30H38-G4.  Vollständige  Spaltung  wird  jedoch  erst 
durch  Chlorzink  erreicht. 

Marine  u.  Husemanu  halten  dafür,  dass  Bastick  s Helleborin  nicht 
existire,  sondern  nichts  anderes  als  ihr  Helleboracriu  (Helleboriu  spütei)  sei. 
Gerbstoff  scheint  zu  fehlen. 

Die  alten  griechischen  Aerzte  kannten  einen  weissen  uud  einen  schwarzen 
Helleborus,  welche  die  Römer  als  Veratrum  album  uudV.  nigrum  bezeich- 


’)  Von  Marine  u.  Husemanu  später  als  Helleborin  bezeichnet. 


Rhizoma  Hellebori  nigri. 


277 


neten,  so  dass  auch  später  Helleboras  niger  undYeratrum  nigrum  völlig 
gleichbedeutend  genommen  wurden  und  die  Botaniker  und  Aerzte  zu  Ende 
des  Mittelalters  unsern  heutigen  Helleborus  niger  (vergl.  auch  Rhizoma 
Hellebori  viridis)  für  jene  Arzneipflanze  der  Alten  hielten  und  in  Gebrauch 
zogen.  Namentlich  geschah  dies  auf  die  Empfehlung  von  C 1 u s i u s (Charles 
de  l’Ecluse.  1526—1609).  Tournefort  (1700—1702)  schon  überzeugte 
sich  aber  im  Oriente  selbst  davon,  dass  unsere  Pflanze  nicht  der  Helleborus 
niger  der  Alten  gewesen  sein  konnte,  was  dann  (1853  und  1860)  durch 
die  schon  erwähnten  ausgezeichneten  Untersuchungen  Schroffs  zur 
Gewissheit  erhoben  worden  ist.  Unser  H.  niger  scheint  in  Griechenland 
(Parnassos,  Oeta,  Delphi,  Olenos)  durch  Helleborus  officinalis  Sibthorp 
(Syn.:  H.  orientalis  Lamarck,  vermuthlich  auch  H.  autiquorum  A.  Braun 
und  H.  olympicus  Bot.)  vertreten  zu  sein,  während  um  das  Schwarze  Meer, 
z.  B.  bei  Trapezunt,  B.  ponticus  A.  Braun  vorkömmt,  den  wohl  Tourne- 
fort mit  H.  officinalis  zusammengeworfen  hatte. 

Schroff  hat  gezeigt,  dass  die  Wirkungsweise  unseres  H.  niger  nicht 
mit  der  von  den  Alten  geschilderten  übereinstimmt,  wohl  aber  mit  derjenigen, 
welche  ihm  der  aus  Athen  bezogene  H.  officinalis  darbot.  Die  Alten  ver- 
wendeten ferner  nicht  die  ganze  Wurzel,  sondern  nur  die  vom  Holzkerne 
abgezogene  Rinde  derselben.  Wie  bei  Rhizoma  H.  viridis  erwähnt  wurde 
und  auch  für  Rhizoma  H.  nigri  gültig  ist,  wäre  bei  diesen  Wurzelsystemen 
eine  Schälung  der  Nebenwurzeln  oder  des  Wurzelstockes  nicht  möglich, 
wohl  aber  bei  H.  officinalis.  Diese  Art  allein  hat  die  Eigenthümlichkeit, 
dass  sich  die  Rinde  sehr  leichtvon  dem  stark  entwickelten  Holzkörper  trennt. 

Es  ist  demnach  ausser  allem  Zweifel,  dass  der  ursprüugliche  Ruf  der 
Nieswurz  nur  der  von  den  Alten  verwendeten  Art  II.  officinalis  Sibthorp 
zukömmt  und  daher  erklärlich,  dass  der  eigenthümlicherweise  bis  in  die 
neueste  Zeit  dafür  gebrauchte  H.  niger  die  Erwartungen  nicht  befriedigte. 
Nach  Schroff  besitzen  allerdings  die  vier  genannten  Arten  alle  die  wirk- 
samen Stoffe,  aber  in  sehr  verschiedener  Menge.  Bei  weitem  am  wirksamsten 
fand  er  H.  orientalis  und  demselben  sehr  nahestehend  H.  viridis.  — Il.  foe- 
tidus1)  L.  reiht  sich,  wiewohl  mit  Modifikationen,  zunächst  an,  daun 
H.  purpurascens Wählst,  u.  Kit.,  hierauf  folgt  li.  ponticus  und  die  aller- 
schwächste Wirkung  zeigt  gerade  H.  niger. 

Das  Wurzelsystem  des  H.  orientalis  weicht  hauptsächlich  nur  durch 
bedeutendere  Stärke  von  denjenigen  des  H.  niger  und  viridis  ab;  der  Holz- 
körper der  Nebenwurzeln  ist  4-  bis  7strahlig. 

So  wie  man  bei  dem  Bestreben,  den  Helleboros  melas  (niger)  der  Alten 

U DicWurzcl  dieser  vorzüglich  iu  deu  Kalkgebirgen  Mitteleuropas  einheimischen  Art  ist 
eine  reine  Pfahlwurzel,  bis  0,015™  dick  und  mit  ihren  starken  Aesten  gegen  0,20™  lang, 
also  aufs  bestimmteste  schon  äusserlich  von  den  geringelten  Wurzelstöcken  der  übrigen  erwähn- 
ten Hellcborus-Arten  abweichend.  Die  Rinde  ist  äussort  schmal,  das  Mark  fohlt,  so  dass  die 
Wurzel  fast  nur  aus  Holz  besteht  und  auch  wenig  Geschmack  besitzt.  Eine  Verwechselung 
mit  den  Rhizomen  von  H.  niger  oder  viridis  ist  unmöglich. 


278 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


auch  in  unseren  Gegenden  aufzufinden,  auf  H.  niger  und  viridis  gerathen 
hatte,  so  verfiel  mau  nebenbei  auf  noch  zwei  andere,  merkwürdigerweise  aber 
doch  zu  den  Rauunculaceen  gehörige  Pflanzen,  nämlich  auf  Adonis  ver- 
nalis  L.,  worin  schon  Hieronymus  Bock  (Tragus  1498 — 1554)  die 
berühmte  Arzneipflanze  der  Alten  erblicken  wollte,1)  und  auf  Actaea  spi- 
cata  L.  Die  Wurzelsysteme  beider  Pflanzen  sind  denen  der  Helleborus- 
Arten  sowohl  äusserlich  als  auch  in  Betreff  des  anatomischen  Baues  ähnlich 
und  wurden  daher  in  der  That  vielfach  damit  verwechselt. 

Adonis  vernalis  wächst  sehr  zerstreut,  doch  in  grösserer  Menge  gesell- 
schaftlich in  der  südlichen  Schweiz  (Wallis,  Tessin),  im  Eisass,  am  Rhein, 
in  Oberbaiern,  Böhmen,  Thüringen,  da  und  dort  in  Norddeutschland  bis 
nach  Nordasien. 

Die  Aeste  des  Wurzelstockes  trennen  sich  leicht  von  diesem  ab  und  ent- 
wickeln sich  selbständig  weiter,  so  dass  das  Wurzelsystem  der  Adonis  nicht 
so  stark,  nicht  so  vielköpfig  und  mit  dünneren,  kürzeren  Nebenwurzeln 
ringsum  versehen  ist  als  die  Rhizome  des  Helleborus  niger  und  viridis,  von 
welchen  es  sich  auch  durch  seine  mehr  schwarze  Farbe  unterscheidet.  Ein 
zuverlässigeres  Merkmal  aber  gewährt  der  Querschnitt  der  Nebenwurzeln, 
deren  Holzkern  durch  3 oder  4 von  breiten,  keilförmigen  Markstrahlen 
auseinandergehaltene  Gefässbündel  ein  3-  oder  4strahliges  Bild  zeigt. 

Geruch  und  Geschmack  der  Adoniswurzel  sind  nach  Berg  schärfer  als 
bei  Helleborus  niger;  sie  dient  in  Russland  als  drastisches  Purgirmittel , ist 
aber  noch  nicht  chemisch  untersucht. 

In  Griechenland  (am  Kyllene)  wird  auch  wohl  die  Wurzel  der  Adonis 
Cyllenea  Boissier  u.  Orph.  statt  derjenigen  des  dortigen  Helleborus  offici- 
nalis  gebraucht. 

Actaea  spicata  L.  ist  vorzugsweise  in  Nordeuropa  (bis  ins  mittlere 
Lappland),  in  Deutschland  und  der  Schweiz  bis  in  die  Alpenthäler  ver- 
breitet, aber  in  sehr  vielen  Gegenden  fehlend.  Ihr  Wurzelstock  war  früher 
als  Radix  Christophorianae  s.  Aconiti  racemosi,  für  sich  im  Gebrauch. 
Wenn  derselbe  auch  mit  Aesten  und  besonders  mit  Nebenwurzeln  reichlich 
versehen  ist,  so  .tritt  doch  der  wagerechte,  sehr  deutlich  geringelte  Haupt- 
wurzelstock, im  Gegensätze  zu  Helleborus  viridis  und  niger,  sehr  stark  her- 
vor, namentlich  da  die  Nebenwurzelu  vorherrschend  aus  seiner  unteren 
Hälfte  entspringen.  Er  erreicht  auch  einen  bedeutenderen  Durchmesser, 
bis  gegen  0,02m  und  oftmals,  da  er  seltener  von  der  geraden,  horizontalen 
Richtung  abgelenkt  wird,  eine  Länge  von  0,15'  . Die  schwärzlichen, 
gewöhnlich  etwas  kantigen  Nebenwurzeln  pflegen  nur  wenig  in  eiuander 
gewirrt  zu  sein,  obwohl  sie  gegen  ihre  Spitze  mit  zahlreichen  Zasern  besetzt 
sind.  Auf  den  ersten  Blick  fällt  hier  auf,  dass  das  Yerhältniss  des  Holz- 
körpers zur  Rinde  ein  von  den  eben  genannten  Helleborus -Wurzeln  ver- 
schiedenes ist.  Bei  Actaea  trennt  sich  nämlich  die  Rinde  unschwer  vom 


l)  daher  dieser  Wurzclstock  früher  Rad.  Hcllebori  Hippocratis  hiess. 


Rhizoma  Hellebori  nigri. 


279 


Holze  ab,  so  dass  beim  Trocknen  da  und  dort  der  weisse  Holzkern  zu  Tage 
tritt  Bricht  eine  Nebenwurzel  von  H.  niger  oder  viridis,  so  bricht  auch 
immer  der  schwache,  dünne  Holzcylinder  mit  ab.  In  den  Nebenwurzeln  der 
Actaea  aber  enthält  das  Holz  3 bis  5 strahlenförmig  oder  kreuzförmig  aus- 
einander fahrende  sehr  starke  holzreiche  widerstandsfähige  Gefassbundel, 
welche  durch  breite  Markstrahlen  getrennt  sind.  Bisweilen  umschliessefi 
die  Holzkeile  noch  ein  enges  Mark,  meistens  aber  wird  auch  das  Centrum 
selbst  von  grossen  Gefässen  und  Holzprosenchym  eingenommen  Eine  feine 
bräunliche,  oft  wenig  ausgeprägte  Cambiumzone  trennt  das  Holz  von  der 
schmalen  Innenrinde,  in  welcher  vor  jedem  Holzkeile  ein  eben  so  breiter 
bogenförmiger  oder  stumpf  dreieckiger  Strang  zarten  Bastgewebes  liegt. 
Eine  ähnliche  braune  Kernscheide,  wie  sie  in  den  Helleborus-N  eben  wurzeln 
vorkömmt,  trennt  auch  hier,  obwohl  nicht  so  scharf,  die  Innenriude  von 
der  Mittelrinde,  deren  äussere  Lagen  dickwandige  tangential  gesti eckte 
Zellen  mit  gestreiften  Wänden  und  häufig  mit  braunem  Inhalte  zeigen.  Der 
Querschnitt  dieser  Nebenwurzeln  ist  oftmals  von  vollkommener  mathemati- 
scher Regelmässigkeit  und  grosser  Zierlichkeit. 

Auch  der  Querschnitt  des  Actaea- Wurzelstockes  selbst  unterscheidet 
sich  zunächst  durch  seine  holzige  Beschaffenheit  bestimmt  von  Helleborus, 
indem  er  einen  unregelmässigen  Kreis  von  10  bis  20  starken,  mehr  geraden 
als  keilförmigen  Holzstrahlen  darbietet,  welche  durch  breite  Markstrahlen 
getrennt  sind.  Mit  dem  fortschreitenden  Wachsthum  des  Wurzelstockes 
setzen  immer  neue  sekundäre  Markstrahlen  ein,  so  dass  zuletzt  bei  stärke- 


ren Wurzeln  ein  gedrängter  Kreis  von  langen  schmalen  Holzlamellen  ent- 
steht, die  durch  zerklüftetes  Markparenchym  auseinander  gehalten  sind. 
In  der  ziemlich  schmalen  Mittelrinde  des  Wurzelstockes  liegt  vor  jedem 
Gefässbündel  und  davon  durch, eine  breite  Cambiumzone  getrennt  ein  gelbes 
bogenförmiges  Bündel  starker  Baströhren,  welche  in  den  Helleborus-Arten 
niemals  Vorkommen.  Die  Amylumkörner  der  Actaea  sind  vorherrschend 
vereinzelte,  selten  zusammengesetzte  kugelige,  höchstens  10  Mikrom.  mes- 
sende, aber  meistens  viel  kleinere  Gestalten.  — Fetttropfen  fehlen  der 
Actaeawurzel  gänzlich,  ebenso  der  bittere  und  scharte  Geschmack  der  Nies- 
wurzeln. Erstere  schmeckt  vielmehr  durch  ansehnlichen  Gerbstoffgehalt 
unangenehm  adstringirend  und  nachträglich  schwach  siisslich,  soll  aber 
emetisch -purgirend  wirken.  Scharf  giftig  scheinen  die  Samen  der  Actaea 
zu  sein. 

Aehuliche  Wachsthums  Verhältnisse  und  ähnliches  Aussehen  wie  Actaea 
spicata  zeigt  das  Wurzelsystem  der  in  Nordamerikas  Wäldern  von  Canada 
bis  Florida  einheimischen  Actaea  racemosa  L.  (Syn. : Cimicifuga  race- 
mosa  Torrey,  Cimicifuga  Serpentaria  Pursh,  Macrotis1)  racemosa  Eat.), 
welche  dort  seit  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  als  j Radix  Cimicifugae 


0 macr6tes , langgestreckt , ganz  treffond  auf  den  allerdings  langgestreckten  Wurzelstock 
zu  beziehen,  obwohl  das  Beiwort  noch  mehr  von  der  schönen  Blüthcntraube  gilt. 


280 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 

Serpentariae , black  snakeroot,  black  cohosh,  officinell  ist.  Es  erinnert 
in  seinem  Ban  an  Rhizoma  Arnicae,  scheint  aber  wohl  noch  stärker  zu 
werden  wie  dasjenige  von  Actaea  spicata.  Von  dem  letzteren  unterscheidet 
sich  das  noch  deutlicher  geringelte  Rhizoma  Cimicifugae  sehr  sicher  durch 
eine  ganz  abweichende  noch  stärkere  Holzbildung  und  sehr  bitteren 
0e schmack.  Der  ziemlich  schmale  Holzring  des  Wurzelstockes  nämlich 
ist  entweder  ganz  geschlossen  oder  von  nur  4 bis  6 schmalen  Markstrahlen 
durchschnitten,  so  dass  eben  so  viele  bogenförmige,  nicht  keilförmige  oder 
gar  lamellenförmige  Gefässbündel  entstehen,  welche  ein  breites,  ausge- 
schweift viereckiges  Mark  einschliessen.  Die  ziemlich  breite  Inneurinde 
und  die  Mittelrinde  werden  durch  eine  bräunliche  Kernscheide  getrennt, 
worin  zahlreiche  zerstreute  oder  zu  kleineren  2— 3reihigen  Gruppen  ver- 
einigte dickwandige  Baströhren  Vorkommen.  Hier  findet  sich  also  im  Gegen- 
sätze zu  den  oben  beschriebenen  Wurzel  bildungen  die  Kernscheide  im 
Hauptwurzelstocke  und  fehlt  den  Nebcnwuzeln  der  Cimicifuga  oder  ist  in 
letzteren  doch  fast  gar  nicht  ausgeprägt.  Sie  enthalten  ein  einziges  cen- 
trales, nicht  strahliges  (und  nicht  kreuzförmiges)  Holzbündel,  umgeben  von 
einer  schmalen  Cambium-  und  Bastzone,  so  dass  sich  hier  die  Rinde  noch 
leichter  vom  Holzkerue  ablöst  als  bei  den  Nebenwurzelu  der  Actaea  spicata. 

Das  von  Procter  aus  Rad.  Cimicifugae  dargestellte  Cimicifugiu  oder 
Macrotin,  wovon  die  Wurzel  gegen  5 pC.  gibt,  ist  wie  es  scheint  ein  un- 
reines Harz. 

Mit  den  Helleborus- Wurzeln  soll  auch  nach  einigen  Angaben  der  Wurzel- 
stock einer  auf  Bergwiesen  durch  fast  ganz  Europa  häufigen  Ranunculacee, 
des  TroJlius  europaeus  L.,  verwechselt  werden.  Derselbe  ist  aber  immer 
sehr  viel  schwächer,  nur  bis  etwa  0,02m  lang  und  0,004m  dick,  fast  senk- 
recht und  aufs  dichteste  von  dünnen  schwarzen  Nebenwurzelu  eiugehüllt. 
Das  ganze  Wurzelsystem  ist  sehr  brüchig,  der  Wurzelstock  oft  durch  früh- 
zeitiges Absterben  im  Innern  hohl.  Seine  Rinde  ist  durch  sehr  starke  kurze 
dickwandige  Baströhren  ausgezeichnet.  Zahlreiche  Reste  abgestorbener 
Blätter,  welche  als  dichter  fahlgelber  Schopf  den  Wurzelstock  krönen, 
machen  vollends  eine  Verkennung  desselben  unmöglich.  Frisch  ist  er  von 
äusserst  scharfem  brenuendeu  Geschmacke. 

Wenn  auch  noch  der  Wurzelstock  von  Astrantia  major  L.  ’),  einer  den- 
selben Standorten  wie  Trollius  angehörenden  Umbellifere , als  der  Ver- 
wechselung mit  Rhiz.  Hellebori  fähig  bezeichnet  wird,  so  darf  nur  erinnert 
werden,  dass  derselbe  ähnlich  wie  die  meisten  Umbelliferenwurzeln  auf  dem 
Querschnitte  schon  dem  unbewaffneten  Auge  einen  Kreis  ansehnlicher  Bal- 
samgänge darbietet. 


J)  vergl.  bei  Rhiz.  Imperatoriae. 


Tuber  Aconiti. 


281 


Tuber  Aconiti. 

Radix  Aconiti.  Eisenhutknollen.  Sturmhutknollen.  Racine  d’aconit. 

Aconite  root. 

Aconitum  Napellus  L.  — Ranunculaceae. 

Syn.:  A.  variabile  Hayne. 

Diese  weit  verbreitete  und  in  Menge  gesellschaftlich  wachsende  Art 
findet  sich  hauptsächlich  in  der  Bergregion  des  mittleren  Europas  und  Süd- 
sibiriens, namentlich  an  steinigen1)  gedüngten  Stellen,  oft  auch  in  die 
Thäler  hinabsteigend.  Sie  ist  sehr  häufig  durch  die  ganze  Alpenkette  und 
den  Jura,  auf  den  deutschen  Mittelgebirgen  bis  Siebenbürgen,  auch  noch 
in  England  (seltener),  Dänemark  und  Schweden,  fehlt  aber  dem  Süden. 
Als  Zierpflanze  zieht  man  diese  und  andere  Arten  auch  in  Gärten. 

Es  ist  nicht  erwiesen,  dass  die  grosse  Veränderlichkeit  im  Blüthenstande 
dieser  Pflanze  sich  auch  auf  ihre  unterirdischen  Theile  erstrecke.  Der  blü- 
hende oder  fruchttragende  Stengel  findet  sich  in  seinen  untersten  unent- 
wickelten Gliedern  rübenförmig* 3)  verdickt.  Dieser  fleischige  Knollen  ist 
mit  ziemlich  zahlreichen  einfachen  oder  gegen  ihre  Spitze  hin  bezaserten 
Nebenwurzeln  besetzt  und  läuft  allmälig,  bisweilen  aber  sehr  plötzlich  in 
eine  schwanzförmige  Spitze  aus.  Die  Länge  des  ganzen  Knollens  übersteigt 
mitunter  0,10™,  der  grösste  Durchmesser  (nach  dem  Trocknen)  0,02m. 
Aehnlich  wie  bei  manchen  Orchideen  (vergl.  Tuber  Salep)  entwickelt  sich 
aus  einem  sehr  kurzen,  an  der  Stengelbasis  entspringenden  und  aufstreben- 
den Aste  ein  zweiter  ganz  ähnlicher  Knollen,  gekrönt  von  einer  starken 
Knospe,  welche  in  trockenhäutiger  Umhüllung  schon  die  Anlage  zum  nächst- 
jährigen beblätterten  blühbaren  Stengel  enthält.  Dieser  Knollen  steht  ge- 
wöhnlich etwas  höher  und  ist  im  Spätsommer  vollsaftig,  während  der  zum 
eben  fruchttragenden  Stengel  gehörige  Knollen  langsam  einschrumpft  und 
oft  schon  hohl  ist.  Jedoch  stehen  beide  Knollen  einige  Zeit  ungefähr  gleich 
kräftig  neben  einander,  bald  sehr  genähert,  bald  stark  divergirend. 

Beim  Trocknen  erhält  die  matt  braungraue  Oberfläche  sehr  starke  Längs- 
runzeln, auch  die  gewöhnlich  helleren  und  glänzenden  Nebenwurzeln  wer- 
den fein  längsstreifig. 

Das  Innere,  ganz  besonders  das  Mark  des  kräftigeren  Knollens  ist  rein 
weiss,  mitunter  allerdings  missfarbig,  trocken  mehlig  und  glatt  brechend. 
Sein  Saft  färbt  sich  an  der  Luft  rasch  röthlich. 

Der  Querschnitt  bietet  ein  rundliches,  braun  umschriebenes  Mark  dar, 
dessen  Durchmesser  die  Breite  der  Rinde  etwas  übertrifft.  In  den  oberen 
Regionen  des  Knollens  ist  der  Querschnitt  des  Markkörpers  unregelmässig 


jj  ^ Daher  der  Name  dos  Genus  von  aköne  (ay.dvr))  Fels,  nach  andoren  eher  von  kone  (xovrj) 

3)  Daker  Napellus,  Diminutivnm  von  napns,  Rübe. 


282  Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 

rundlich  oder  elliptisch,  fünf-  bis  siebeneckig,  mit  oft  ziemlich  stark  hervor- 
tretenden Ecken. 

Im  absterbenden  Knollen  ist  das  Mark  bis  auf  den  schwachen  Gefäss- 
biindelkreis  geschwunden.  Derselbe  ist  aber  in  der  Regel  weder  durch 
Farbe  noch  durch  Consistenz  ausgezeichnet. 

In  der  Rinde  verläuft  dicht  unter  der  Oberfläche  eine  feine  braune 
Linie,  die  Kernscheide. 

Weit  schärfer  tritt  diese  Keruscheide  in  den  Nebenwurzeln  hervor  und 
schneidet  einen  dichten  Kern  von  gleichem  Durchmesser  wie  die  Breite  der 
Rinde  ab.  Im  Holzkerne  nimmt  man  5 bis  7 mehr  oder  weniger  deutlich 
getrennte  bogenförmige  Gefässbündel  wahr,  deren  Zwischenräume  mit  star- 
ken Holzbündeln  besetzt  sind.  Die  mit  ihrer  schwach  concaven  Seite  nach 
aussen  gerichteten  Gefässbündel  ragen  weit  in  die  von  der  Kernscheide 
scharf  begrenzte  Innenriude  hinein , während  das  Holz  ein  sehr  veränder- 
liches rundliches  oder  fünf-  bis  siebeneckiges  Mark  umschliesst. 

Die  Aussenriude  besteht  zunächst  aus  einer  Reihe  braunwandiger,  be- 
sonders in  den  Nebenwurzelu  stark  gewölbter  Wnrzeloberhautzellen  (Epi- 
blema),  worauf  in  den  Knollen  10  bis  12  Reihen  sehr  stark  tangential  ge- 
streckter Zellen  mit  dicken,  fein  porösen  Wänden  folgen.  Nicht  sehr  zahl- 
reiche ansehnliche  gelbliche  Steinzellen  sind  unregelmässig  in  dieses  Gewebe 
eingestreut,  sehr  oft  namentlich  in  der  Nähe  der  Kernscheide,  welche  das- 
selbe gegen  die  Mittelrinde  abgrenzt.  Die  Kernscheide  ist  aus  einer  Reihe 
bedeutend  kleinerer,  wenig  tangential  gestreckter  oder  im  Querschnitte  fast 
quadratischer  Zellen  gebildet,  welche  sich  namentlich  durch  dünne  Quer- 
wände sehr  unterscheiden.  Gewöhnlich  auch  noch  an  dunkelbräunlicher 
Färbung  leicht  kenntlich , ist  indessen  diese  Kernscheide  bisweilen  weniger 
in  die  Augen  fallend  und  kann  auch  wohl,  in  den  Knollen,  sammt  dem 
zwischen  ihr  und  der  Oberhaut  liegenden  Aussenrindengewebe  durch  Bor- 
kenbildung ganz  verschwinden. 

Die  bei  weitem  breitere  Iunenrinde  enthält  zunächst  innerhalb  der  Kern- 
scheide gleiche  Zellen  wie  die  Aussenrinde,  weiter  gegen  innen  zu  verlieren 
sie  mehr  und  mehr  die  tangentiale  Streckung  und  gehen  unmerklich  in  die 
mehr  kreisrunden  oder  etwas  radial  gedehnten  Formen  der  Markstrahlen 
und  Baststrahlen  über.  Dieses  letztere  übrigens  wenig  ausgezeichnete  Gewebe 
ist  durch  vereinzelte  zarte  kreisrunde  Baststränge  eharakterisirt.  Dieselben 
stehen  in  sehr  unregelmässiger  Anordnung  in  weiten  Kreisen  oder  lockeren, 
durch  breite  Bastparenchymstreifen  getrennten,  radialen  Reihen,  keineswegs 
genau  den  Gefässbündeln  entsprecheud. 

Eine  ziemlich  breite  mehrreihige  Zone  ansehnlicher,  sebr  regelmässiger 
Cambiumzellen  schliesst  die  Innenriude  ab.  Das  Cambium  beschreibt  im 
Querschnitte  der  unteren  Knolleuliälfte  annähernd  eiue  Kreislinie,  geht  aber 
oberhalb  meist  in  die  Form  eines  unregelmässigen,  wenig  ausgezackten 
Siebeneckes  über.  Zahl  und  Form  der  schwachen,  immer  dicht  an  die 
Cambiumzone  gerückten  Gefässbündel  sind  sehr  unbestimmt.  \No  das 


Tuber  Aconiti. 


283 


Cambimn  sich  der  Kreisform  nähert,  stehen  die  Gefässbündel  als  zwei- 
schenkelige  oder  dreischenkelige , nach  aussen  geöffnete  Bogen  einander 
ziemlich  gleichmässig  nahe.  Wo  dagegen  das  Siebeneck  auftritt  finden 
sich  die  Gefässbündel , wenigstens  die  stärkeren , immer  in  den  Ecken  unc 
zwar  mehr  in  einzelne  kurze  und  schmale  Keile  aufgelöst.  Die  Gefässbündel 
enthalten  nicht  sehr  zahlreiche,  manchmal  nur  sehr  wenige  Tüpfelgefasse 
von  mässiger  Grösse.  Eigentliches  Holz  fehlt  dem  Knollen  ganz , sein  Gen- 
trum wird  nur  von  grosszeiligem  kubischem  Markgewebe  eingenommen, 
wenn  es  nicht,  im  absterbenden  Knollen,  hohl  ist. 

In  den  Nebenwurzeln  ist  die  Rinde  von  der  Kernscheide  bis  zur  Ober 
haut  aus  gleichförmigen  grossen,  nur  wenig  tangential  gestreckten  Zellen 
gebaut.  Die  Aussenrinde  besteht  nur  aus  der  einzigen  Oberhautzellenreihe. 
In  der  übrigen  Rinde  finden  sich  zahlreiche  gelbe,  meist  kreisrunde  und 
fast  ganz  verdickte  Steinzellen  eingestreut,  welche  sich  durch  ihre  bedeu- 
tende Länge  von  den  immer  nur  ziemlich  kurzen  ähnlichen  Zellen  in  der 
Aussenrinde  des  Knollens  unterscheiden.  Diese  sehr  auffallenden  Stein- 
zellen der  Nebenwurzeln  erreichen  eine  Länge  von  270  bis  350  Mikromill. 
bei  etwa  35  Mikrom.  Durchmesser,  ihre  Wände  sind  sehr  deutlich  ge- 
schichtet und  von  Porenkanälen  durchzogen,  an  den  Enden  gerade  abge- 
stutzt oder  sehr  stumpf  abgerundet. 

Die  Kernscheide  zeigt  denselben  Bau  wie  im  Knollen  selbst  und  wird 
fast  von  den  Bastkeilen  berührt,  welche  den  Gefässbiindeln  entsprechen. 
Das  Bastgewebe  ist  aus  engem  Prosenchym  mit  ziemlich  dicken  verbogenen 
Wänden  gebildet  und  geht  allmälig  in  das  zartere,  nur  weuig  entwickelte 
Cambium  über.  Zwischen  den  Bastkeilen  erfüllen  ziemlich  deutliche,  nach 
aussen  bedeutend  an  Breite  zunehmende  Markstrahlen  das  von  der  Kern- 
scheide umgrenzte  Innenrindegewebe. 

Von  dem  braunen  Farbstoffe  der  Aussenrinde  des  Knollens  abgesehen, 
erblickt  man  im  ganzen  Parenchym  des  Aconitum  mit  Ausnahme  des  Cam- 
bium nur  Stärkekörner,  sehr  ungleich  grosse  (bis  15  Mikromill.  im  Maxi- 
mum) kugelige  oder  halbkugelige  Gestalten. 

Im  frischen  Zustande  besitzt  der  Aconitumknollen  einen  scharfen  Rettig- 
geruch,  der  bald  verschwindet.  Er  schmeckt  schwach  süsslich  und  alsbald 
auch  äusserst  gefährlich  brennend  scharf. 

Von  den  chemischen  Bestandtheilen  der  Aconitknollen  ist  am  besten 
bekannt  das  schon  von  Pe schier  vermuthete,  zuerst  aber  (1833)  von 
Hesse  aus  den  Blättern  dargestellte,  dann  von  Bley  auch  in  den  Knollen 
nachgewiesene  Alkaloid  Aconitin,  G3OH47N07  nach  Planta, 

Es  wird  meist  amorph,  seltener  undeutlich  krystallisirt  erhalten  und 
reagirt  stark  alkalisch ; auch  die  Salze  krystallisiren  nicht  leicht,  am  ehesten 
noch  das  Sulfat.  Das  Aconitin  scheint  immer  nur  etwa  72  p.  Mille,  auf 
frische  Knollen  bezogen,  zu  betragen,  obwohl  es  hier  viel  reichlicher  vor- 
kömmt als  im  Kraut  und  Samen.  Etwas  hoch  erscheint  die  Angabe 
Procter’s,  welcher  aus  in  New-Lebanon  (New-York)  gezogenen  Knollen 


284 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


0,85  pC.  Aconitin,  allerdings  auf  getrocknete  Substanz  berechnet, 
erhalten  hatte.  Aus  Deutschland  bezogene  schöne  Knollen  gaben  ihm  halb 
so  viel.  — Hager  fand  sogar  0,95  bis  1,25  pC.  und  selbst  in  sehr  alten 
Knollen  noch  0,64  pC.  Aconitin. 

Schroff  hat  (1854)  gezeigt,  dass  im  Aconitum  neben  dem  furchtbar 
giftigen  narkotischen  Aconitin  noch  ein  weit  gefährlicher  wirkender  scharfer 
Stoff  Vorkommen  muss.  Ein  in  England  von  Morsson,  wie  es  scheint, 
schon  seit  längerer  Zeit  dargestelltes  und  dort  vielfach  angewandtes  Aconitin 
hat  sich  durch  Schroffs  weitere  Versuche  (1857)  gerade  als  jener  scharfe 
Stoff  herausgestellt.  Mit  der  Wirkung  dieses  englischen1)  Aconitins  stimmt 
diejenige  der  Wurzel  des  Aconitum  ferox  Wallich  (A.  virosum  Don)  über- 
ein, welches  in  seinem  Vaterlande  Nepal  im  Himalaya  längst2)  als  äusserst 
heftiges  Gift  bekannt  und  als  Pfeilgift  benutzt  ist.  Nach  den  Beschreibungen 
von  Schroff  und  von  Berg  stimmen  die  Knollen  desselben  nahezu  mit 
denen  des  A.  Napellus  überein,  sind  aber  stärker  und  gelangen  gebrüht, 
daher  sehr  dicht  und  schwer  nach  England,  wo  sie  zur  Darstellung  des 
Aconitins  von  Morsson  zu  dienen  scheinen.  — In  Konstantinopel  wurden 
1865  solche  Knollen  sonderbarerweise  aus  Calcutta  als  Jalapa  eingeführt, 
welche  Verwechselung  mehrere  Vergiftungsfälle  zur  Folge  hatte.  0,2  Gramm 
der  Knollen  sind  nach  Schroff  unbedingt  tödtlich. 

Für  das  Morsson’ sehe  Präparat  hat  Wiggers  (1857)  die  Bezeich- 
nung Napellin  vorgeschlagen,  welche  von  Hübsch  mann  aber  schon 
1852  einem  anderen  Körper  beigelegt  worden  ist,  so  dass  es  wohl  zweck- 
mässiger wäre,  das  Präparat  von  Morsson  mit  Bezug  auf  die  Heimat  des 
Aconitum  ferox  etwa  Nepaliu  zu  benennen.  Hübschmann's  Napellin  hat 
Schroff  von  gleicher  Wirkung  wie  das  (deutsche)  Aconitin  befunden;  die 
von  Hübschmann3 *)  angegebenen  Löslichkeits Verhältnisse  desselben  sind 
aber  so  sehr  vom  Aconitin  abweichend,  dass  die  Existenz  dieses  Napellins 
denn  doch  nicht  ohne  weiteres  geläugnet  werden  darf.  Es  löst  sich  schwerer 
in  Aether,  leichter  in  Wasser  als  das  Aconitin,  krystallisirt  durchaus  nicht 
und  kömmt  in  nur  sehr  geringer  Menge  in  den  Knollen  vor  und  zwar  sowohl 
in  denen  des  A.  Napellus  als  auch  in  A.  Cammarum  (variegatum). 

T.  u.  H.  Smith  haben  1863  ein  ferneres,  durch  Krystallisationsfähigkeit 
ausgezeichnetes  Alkaloid  aus  den  Knollen  von  A.  Napellus  erhalten  und 
Aconelliu  genannt.  Es  scheint  aber  merkwürdigerweise  mit  dem  Nar- 
kotin G22H23N  O7  des  Opiums  identisch  zu  sein. 


1)  Poreira’s  Manual  of  Mat.  med.  (1865),  so  wie  British  Pliarmacop.  (1864)  ignoriren 
dasselbe.  Letztere  schreibt  nur  die  Wurzel  von  A.  Napellus  zur  Darstellung  ihres  Aconitins 
vor,  welchem  sie  auch  die  Planta’sche  Formel  beilegt. 

2)  wie  es  scheint,  schon  im  Xt.  Jahrhundert,  wo  Avicenna  unter  dem  Namen  Bisch 
(oder  Bikh)  vermuthlich  dieso  Pflauzo  verstand.  So  oder  Ativischa  wird  Aconitum  ferox  jetzt 
in  Nepal  genannt. 

3)  Schweizerische  Zeitschrift  für  Pharm.  1857,  S.  66,  auch  Wiggers  - Cannstatts 

Jahresbericht  1857,  S.  55. 


Tuber  Aconiti. 


285 


Die  von  Peschier  (1820)  in  den  Blättern  von  A.  Napellus  in  ziem- 
i lieber  Menge  entdeckte  Aconit  säure  06H606  dürfte  wohl  in  den  Knollen 
; ebenfalls  Vorkommen.  Sie  findet  sich  nach  Wicke  auch  in  den  Blättern 
von  Delphinium  Cousolida,  und  ist  nach  Liebig,  Baup,  Dessaignes 
identisch  mit  der  aus  mehreren  Equisetum-Arten  zu  gewinnenden  Equiset- 
säure  Braconnot’s  so  wie  mit  der  durch  Erhitzen  der  Citronsäure  von 
Baup  erhaltenen  Citridicsäure. 

Die  übrigen  Bestaudtheile  der  Aconitumknollen  sind  nicht  genauer 
bekannt;  bei  der  Darstellung  der  Alkaloide  erhält  man  reichlich  ein  duukel- 
: grünes  Gemenge  von  Harz  und  Fett.  Neben  Mannit  enthalten  die  Knollen 
Rohrzucker  und  einen  schon  in  der  Kälte  das  Kupferoxyd  reducirenden 
i Zucker.  Gerbstoff  fehlt  oder  ist  in  geringer  Menge  auf  das  Epiblema 
beschränkt.  An  Kalksalzen  ist  der  Knollen  weit  ärmer  als  die  Blätter. 

Erst  die  meisterhaften  pharmakologischen  Forschungen  Schroffs 
(seit  1853)  haben  zu  einer  allgemeineren  Anwendung  der  Aconitknollen 
• Anstoss  gegeben , indem  sie  zeigten , dass  dieselben , und  zwar  beide 
i Knollen  gleichmässig,  in  ihrer  Wirksamkeit  wenigstens  um  das  G fache  dem 
bisher  üblichen  (kurz  vor  dem  Blühen  gesammelten)  Kraute  überlegen  sind. 
Cultivirte  Pflanzen  sind  wegen  geringerer  Wirksamkeit1)  nach  Schroff 
unzulässig. 

Aconitum  Napellus  hat  sich  als  die  wirksamste  der  blau  blühenden 
europäischen  Arten  erwiesen-.  Bei  der  so  grossen  Aelinlichkeit  und  Ver- 
änderlichkeit derselben  und  bei  ihrem  gleichzeitigen  massenhaften  Vorkommen 
an  manchen  Standorten  wird  es  aber  in  der  Praxis  schwer  fallen , immer 
nur  die  Knollen  von  Napellus  mit  Ausschluss  aller  andern  Arten  zu  erlangen. 

Sehr  ausgezeichnet  ist  das  Wurzelsystem  des  in  den  Alpen  nicht  seltenen, 
dagegen  z.  B.  im  Jura  fehlenden  Aconitum  & körckeanum2)  Reichenbach. 
Hier  findet  eine  weit  reichlichere  Knollenbildung  statt,  indem  nicht  nur  zu 
beiden  Seiten  des  eben  blühenden  oder  fruchttragenden  Hauptknollens  schon 
zwei  weitere  oft  getheilte  Knollen  vorhanden  sind,  sondern  dergleichen  auch 
oft  noch  über  dem  ersteren  aus  den  untersten  Stengelgliedern  hervorbrechen. 
Sehr  häufig  stehen  die  beiden  Seitenknollen  mit  dem  rascher  als  bei  Napellus 
absterbenden  Hauptknollen  nicht  in  gerader  Front,  sondern  im  Dreieck; 
die  Knollen  pflegen  durchschnittlich  etwas  kräftiger  zu  sein  als  bei  A.  Napellus, 
sonst  aber  von  demselben  Aussehen.  Der  anatomische  Bau,  obwohl  im 
allgemeinen  mit  dem  des  letzteren  übereinstimmend,  zeigtdoch  bei  A.  Stoercke- 
anum  sehr  bestimmte  Unterschiede,  zumal  in  den  Nebenwurzeln.  Der  Quer- 
schnitt des  Markkörpers  ist  in  den  oberen  Theilen  des  Knollens  scharf 
siebeneckig  und  weit  tiefer  ausgeschweift  als  bei  Napellus.  Nach  unten 
zu  nimmt  dieser  Querschnitt  allmälig  fünfeckige,  zuletzt  mehr  nur  rundliche 
Form  an.  Das  Bild,  welches  die  Knollen  dieser  Art  darbieten,  wechselt 


')  vergl-  dagegen  die  oben  angeführten  Erfahrungen  Procter’s. 
2)  von  Stoerck  selbst  mit  A.  Napellus  verwechselt. 


286 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


also  sehr,  je  nach  der  Höhe,  in  welcher  der  Querschnitt  gemacht  wird. 
Dimension,  Bau  und  Inhalt  der  einzelnen  Gewebe  in  den  Knollen  des 
A.  Stoerckeanum  entsprechen  ganz  dem  A.  Napellus. 

Die  Nebenwurzeln  des  A.  Stoerckeanum  zeigen  bei  aller  sonstigen  sehr 
genauen  Uebereinstimmung  doch  einen  schmaleren , aber  mehr  zusammen- 
hängenden Gefässkreis,  worin  sich  kaum  einzelne  bestimmt  abgegrenzte 
Bündel  unterscheiden  lassen  und  welche  nicht  von  Holzprosenchym  begleitet 
sind.  Dagegen  ist  die  Cambiumzone  hier  viel  breiter.  Endlich  ist  die  Mittel- 
rinde in  den  Nebenwurzelu  des  A.  Stoerckeanum  frei  von  jenen  höchst 
ausgezeichneten  stabförmigen  Steiuzellen  des  Napellus. 

Die  botanische  Eigenthümlichkeit  jener  oft  verkannten  Art  ist  hierdurch 
fest  begründet.  Ob  ihre  chemischen  Verhältnisse  ebenfalls  eigenartig  sind, 
ist  nicht  ermittelt,  zumal  noch  Schroff  sie  zu  Aconitum  variegatum  L. 
gezogen  und  mit  diesem,  wenigstens  in  der  Gartenform,  wenig  wirksam 
gefunden  hat.  Hager  dagegen  gewann  aus  einer  solchen  0,75  pC.  Aconitin. 

Aconitum  variegatum  L.  (Syn. : A.  Cammarum  Jacquin)  ungefähr  in 
demselben  Verbreitungsbezirke  wie  A.  Stoerckeanum,  doch  vielleicht  noch 
etwas  weniger  häufig  vorkommend,  besitzt  ganz  ähnliche,  aber  kleinere 
namentlich  kürzere,  mehr  kugelig- eiförmige  Knollen.  Von  den  gelb- 
blühenden Arten  steht  die  Wurzelbildung  des  auf  das  südlichere  Gebiet 
Mittel-Europas  beschränkten  A.  Anthora  L.  den  oben  beschriebenen  nahe. 
Jedoch  sind  seine  nur  wenig  wirksamen  Knollen,  nach  Berg,  bedeutend 
kleiner,  mit  oft  ganz  engem  Marke  und  sehr  deutlich  strahliger  Innenrinde. 

Das  Wurzelsystem  des  Aconitum  Lycoctonum  L.,  welches  wohl  eben 
so  weit  oder  noch  weiter  verbreitet  ist  als  Napellus,  ist  dagegen  von  ganz 
anderer  Beschaffenheit.  Es  besteht  nicht  aus  Knollen , sondern  aus  einem 
aufrechten,  mehrköpfigen,  sehr  reichlich  bewurzelten  und  in  höchst  eigen- 
thümlicher  Weise  zerfaserten,  gleichsam  zerfressenen  Rhizom,  das  unmöglich 
mit  den  Knollen  von  Napellus  verwechselt  werden  kann.  Ihre  narkotische 
Wirkung  besitzt  jenes  Rhizom  in  noch  höherem  Grade,  nicht  aber  die 
Schärfe,  so  dass  nur  Aconitin  darin  enthalten  zu  sein  scheint  und  kein  oder 
nur  wenig  Nepaliu  (Napellin  von  Wiggers).  Zur  Darstellung  des  A(0- 
nitins  dürfte  sich  daher  nach  Schroff  das  Rhizom  von  A.  Lycoctonum 
vorzugsweise  eignen.  Hübsch  mann  hingegen  fand  (1865)  darin  kein 
Aconitin,  sondern  zwei  neue  Alkaloide,  Acolyctin  und  Ly coc tonin, 
welche  noch  genauerer  Untersuchung  harren. 

Die  Alten  kannten  die  Aconitum-Arten  jedenfalls  als  Giftpflanzen,  wennl 


auch  nicht  als  Heilmittel. 


Radix  Enulae. 


287 


G.  Wurzelbildungen  von  aromatischem  Geschmacke. 

1.  amylumfreie. 

Radix  Enulae. 

Radix  Helenii.  Radix  Inulae.  Alantwurzel.1)  Racine  d’aunee.  Elecampane. 

Inula  Helenium2)  L.  — Compositae- Aster eae. 

Diese  stattliche  perennirende  Pflanze  ist  sehr  weit  und  an  höchst  ver- 
schiedenen Standorten  verbreitet.  Wir  besitzen  sie  zuverlässig  wild  vom 
Olyinpos  in  Thessalien,  an  dessen  Fusse,  nicht  aber  in  Griechenland,  sie  in 
grosser  Menge  wächst.  Ebenso  unzweifelhaft  wild  findet  sie  sich  in  einzelnen 
Küsteugegenden  Englands,  so  wie  Finnlands  und  des  südlichen  Norwegens 
(Schübeler),  dann  im  Karadagh,  südlich  vom  Araxes,  unweit  des  Caspi- 
Sees  (Buhse).  In  Menge  traf  sie  auch  Ledebour  am  Altai,  z.  B.  um 
Buchtarminsk  an  Bächen.  Sie  findet  sich  ferner,  wiewohl  sehr  zerstreut, 
durch  Mittel-  und  Südeuropa  und  durch  Mittelasien.3)  In  Nordamerika  ist 
j sie  wohl  nicht  ursprünglich  einheimisch. 

Der  Alant  wird  zudem  als  Arzneipflanze,  früherauch  als  Kücheugewächs, 
sehr  häufig  in  Gärten  gezogen  und  ist  in  dieser  Weise  selbst  bis  Nordamerika 
und  Japan  gewandert.  In  etwas  grösserem  Massstabe  wird  er  in  Holland 
und  einzelnen  Gegenden  der  Schweiz  angebaut. 

Man  sammelt  die  Wurzel  2 — 3jähriger  Pflanzen;  in  höherem  Alter  ver- 
holzt sie  zu  sehr.  Frisch  ist  sie  fleischig,  innen  weisslich,  au  der  Luft  einen 
Stich  ins  Röthliche  annehmend.  Der  hellgraue  Kork  wird  häufig  entfernt 
und  die  dickeren  Wurzeln  in  Scheiben  geschnitten,  welche  sich  unregel- 
mässig krümmen  und  eine  gelblich-graue  Farbe  annehmen. 

Die  Hauptwurzel  ist  sehr  kurz  und  theilt  sich  sogleich  in  mehrere  starke, 
nach  dem  Trocknen  längsrunzelige,  hier  und  da  auch  quergeriu gelte  Aeste, 
welche  häufig  etwa  0,015m  dickund  0,1 5m  lang  werden.  Die  Wurzel  bricht 
glatt,  nicht  holzig  und  schneidet  sich  spröde  hornartig  oder  zähe,  wenn  sie 
etwas  feucht  ist.  Der  nicht  sehr  deutlich  strahlige  Querschnitt  der  Aeste 
zeigt  eine  gewöhnlich  etwas  dunklere  Cambiumzone,  welche  die  Rinde  von 
dem  3 — 4mal  dickeren  Holzkerne  trennt;  das  Mark  ist  nicht  scharf  abge- 
grenzt, oft  lückig  und  hohl.  Sehr  unregelmässig  im  ganzen  Gewebe  zerstreut 
finden  sich  mehr  oder  weniger  zahlreiche  grössere  Lücken , gelbbraunen 
Balsam  oder  glänzende,  farblose  Kry stallnadeln  enthaltend,  mit  welchen 
letzteren  übrigens  die  ganze  Schnittfläche  länger  aufbewahrter  Wurzel 
besäet  ist.  Weniger  in  die  Augen  fallend  sind  die  Oeffnungen  der  unregel- 

1)  vielleicht  deutet  der  Name  Alant  auf  die  finnischen  Alandsiuseln , wo  in  der  That  die 
Pflanze  viel  wächst.  Schwedisch  heisst  sie  Alandsrot. 

2)  Inula  von  ungewisser  Ableitung;  daher  der  Ausdruck  Ennla  der  salernitanischen  Schule 
immer  noch  sein  Recht  behaupten  mag.  Helenium  von  rjXto;  Sonne,  oder  von  Sumpf. 

3)  In  Indien  uud  Persien  ist  die  Wurzel  sehr  gebräuchlich  (Ainslie). 


288 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


massig  zerstreuten,  nicht  sehr  grossen  Gefässe.  In  der  Hauptwurzel  ist  die  ’ : 
Rinde  relativ  weit  schwächer,  der  ganze  Querschnitt  sehr  gleichförmig,  ; 
nicht  strahlig. 

Die  Aussenrinde  der  Alantwurzel  bilden  einige  Reihen  grosser,  fast 
kubischer  Korkzellen  von  nicht  sehr  regelmässigem  Bau.  Das  Rinden- 
parenchym besteht,  von  den  Oelgängen  abgesehen,  nur  aus  zartwaudigeu, 
in  den  äusseren  Schichten  sehr  grossen  kugeligen  oder  (im  Querschnitte)  ;] 
ein  wenig  tangential  gedehnten  Zellen , die  in  den  inneren,  dem  Baste  ent-  , 
sprechenden  Schichten  weit  kleiner  werden,  im  Sinne  der  Axe  gestreckt 
sind  und  unmerklich  in  das  zarte  Cambialgewebe  übergehen;  Baströhren  j 
fehlen.  Die  Gefässbündel  bestehen  aus  wenigen  oder  ganz  vereinzelteu 
Ring-  oderNetzgefässen,  umgeben  von  dünnwandigen  weiten,  nicht  porösen 
proseuchymatischen  Zellen  und  getrennt  durch  schmale  Markstrahlen,  deren 
kugelige  Zellen  im  Querschnitte  denen  der  äusseren  Riudenschichten  und 
des  Gefässbündelprosenchyms  gleichen.  Einige  grössere  Gefässe  finden 
sich  im  Marke  vereinigt  und  (in  der  käuflichen  jüngeren  Wurzel)  nur  hier 
von  eigentlichen  Holzzellen  begleitet.  Bisweilen  sind  die  Gefässbündel  der 
Wurzeläste  ganz  von  hellem  Harze  (amorphem  Helenin?)  durchdrungen  und 
erhalten  dadurch  ein  völlig  hornartiges  Aussehen;  ihre  strahlige  Anord- 
nung tritt  alsdann  zurück  und  die  Markstrahlen  zeigen  einen  sehr  unregel-1 
mässigeu  Verlauf. 

Die  Oelgänge , sowohl  iu  der  Rinde  als  im  Innern  unregelmässig  ein- 1 
gestreut,  sind  häufig  über  % Millimeter  weit,  aber  nur  etwa  doppelt  so  laug,  < 
und  von  kleineren  tangential  gestreckten,  tafelförmigen  Zellen  eingefasst. 
Erstere  enthalten  eiuen  braungelben  Balsam  oder  sehr  häufig  einzelne  oder  . 
büschelförmig  vereinigte  farblose  Prismen  von  Heleniu  (oder  Alant- 
camp her)  O21  H2S  G3,*)  welche  sich  durch  vorsichtiges  Erhitzen  eines 
feinen  Schnittes  verflüchtigen  lassen,  bei  72°  C.  schmelzen,  iu  Weingeist 
leicht  löslich  sind  und  nur  schwach  gewürzhaft  schmecken.  Nach  John 
kömmt  in  derW7urzel  0,4  pC. , nach  Schultz  nur  0,25  pC.  Heleuin  vor. 
Dasselbe  dürfte  wohl  in  naher  Beziehung  zu  dem  Balsame  oder  Harze 
stehen,  das  abwechselnd  mit  ihm  dieselben  Räume  einnimmt.  Iu  noch 
geringerer  Menge  (V2  P-  Mille,  Raybaud)  scheint  ätherisches  Oel  vor  ? 

handen  zu  sein.  I 

Hauptinhalt  des  mittleren  Rindenparenchyms,  der  Markstrahlen  und 
des  Markes  ist  das  Inulin.  Es  tritt  in  diesen  Zellen  in  glashelleu  Splittern 
oder  etwas  abgerundeten  Klumpen  von  etwa  70  Mikromill.  Grösse  au  bis 
zu  verschwindender  Kleinheit  aut,  woran  sich  keinerlei  bestimmte  form 
oder  Struktur  wahrnehmen  lässt  und  welche  sich  bei  50  G.  in  Wasser  klar  j 
lösen.  Ira  polarisirenden  Lichte  erweisen  sich  die  Splitter  nicht  doppelt- 
brechend,  zeigen  nicht  die  kreuzförmige  Schattirung  wie  das  Amylum  und 
werden  von  Jod  unter  keinen  Umständen  blau  gefärbt,  sondern  nur  gelblich. 


*)  nachHuyer  (1864)  H2S  GJ. 


Radix  Pyrethri  romani. 


289 


Schultz  fand  13  pC.  Inulin  in  der  Wurzel,  John  fast  das  dreifache.  — 
Wenn  auch  der  grösste  Theil  desselben  im  Zellsafte  gelöst  ist,  so  trifft  man 
es  doch  schon  während  des  Sommers  auch  in  fester  Form  im  Parenchym 
abgelagert;  niemals  aber  ist  das  Inulin  in  dieser  Wurzel,  oder  in  denjenigen 
anderer  Compositen,  von  Amylum  begleitet.  Anderseits  scheint  auch  das 
Inulin  nur  der  Familie  der  Compositen  anzugehören  und  mit  Bestimmtheit 
in  keiner  andern  Pflanze  nachgewiesen  zu  sein.  Selbst  für  das  von  Ander- 
son in  der  südaustralischen  Lerp -Manna  (vergl.  am  Schlüsse  von  Manna) 
j angegebene  Inulin  dürfte  noch  nähere  Vergleichung  abzuwarten  sein. 

Es  scheint  vielmehr  das  Inulin  trotz  übereinstimmenden  chemischen 
Charakters  und  gleicher  Zusammensetzung  (£12H20O10)  zu  dem  Amylum 
in  einem  bestimmten  Gegensätze  zu  stehen  und  dasselbe  in  den  Wurzel- 
systemen der  Compositen  zu  vertreten.  Nach  Yogi  tritt  jedoch  in  Rad. 
Bardanae  und  Rad.  Cichorii  auch  Amylum  auf.  (Yergl.  bei  Rad.  Bardanae.) 

— Yon  Valentin  Rose  1804  in  unserer  Wurzel  entdeckt,  wurde  das 
Inulin  nach  und  nach  in  manchen  andern  Compositen  gleichfalls  getroffen 
und  daher  auch  wohl  als  A 1 a n t i n , S y n a n t h e r i n oder  D a h 1 i n bezeichnet. 

— Sachs1)  zeigte,  dass  dasselbe  durch  geeignete  Behandlung  mit  Alcohol 
oder  Glycerin  in  Geweben  oder  aus  Lösungen  in  Form  kugeliger  Aggregate 
von  Krystallnadeln  niedergeschlagen  werden  kann , welche  nun  unter  dem 
Polarisationsmikroskop  ein  ähnliches  Kreuz  zeigen  wie  die  Stärkeköruer. 

Die  Alautwurzel  war  schon  Dioskorides  bekannt  und  stand  auch  bei 
der  Salernitanischen  Schule  als  Heilmittel , zum  Theil  auch  eingemacht  als 
Gewürz  im  Ansehen,  wie  sie  heute  noch  unter  anderm  auch  zur  Bereitung 
desWermuth  (Extrait  dAhsinthe)  Verwendung  findet.  In  Deutschland  war 
sie  schon  früher,  z.  B.  um  1150  der  heiligen  Hildegard  wohl  bekannt. 
Der  Name  Alant  findet  sich  schon  vor  dem  XII.  Jahrhundert.  Das  Helenin 
wurde  bereits  1660  von  Lefebvre  beobachtet. 

Der  höchst  eigenthiimliche , nicht  unangenehme,  gewürzhafte,  nur 
schwach  bitterliche  Geschmack  und  entsprechende  Geruch  der  Alantwurzel, 
vom  Harz  und  ätherischen  Oele  herrührend , lässt  dieselbe  leicht  von  der 
Radix  Belladonnae  unterscheiden , welche  den  Wurzelästen  von  Helenium 
ähnlich  sieht.  Doch  fehlen  der  Belladonnawurzel  die  grossen  Oelgänge  und 
sie  wird  durch  Jod  gebläut. 

Radix  Pyrethri  romani. 

Rad.  Pyrethri  veri.  Römische  Bertramswurzel.2)  Pyrethre.  Salivaire. 

Pellitory  of  Spain. 

Anacyclus  Pyrethrin«  De  Cand.  — Compositae-Senecionideae. 

Syn.:  Anthemis  Pyrethvum  L.  zum  Theil. 

Perennirendc  uiederliegende  Pflanze  Maroccos,  der  südlichen  Küsten- 

Botau.  Zeit.  1864,  S.  77.  — Nach  demselben  kömmt  Inulin  auch  unzweifelhaft  in  der 
Alge  Acetabularia  mediterranea  vor.  — 2)  Bertram  aus  Pyrethrum  verdorben.  Zwei  deutsche 
Arzneibücher  des  XII.  u.  XIII.  Jahrh.  (bei  Sem.  Hyosciami  erwähut)  haben  bald  piretrum,  bald 
pertheram,  die  heil.  Hildegard  um  1150  Bertram,  noch  früher  findet  sich  auch  Perchtram. 

Flückiger,  Pharmakognosio.  i o 


290 


Wnrzelbildungen  der  Dikotylen. 


länder  des  Mittelmeeres,  Arabiens  und  Syriens,  deren  Wurzel  hauptsächlich 
aus  Tunis  zu  uns  gelangt.  Sie  ist  gewöhnlich  ganz  einfach,  bis  0,10'“  lang 
und  bis  über  0,010"'  dick,  gerade  und  cylindrisch  oder  spindelförmig,  an 
beiden  Enden  abgestutzt,  oder  seltener  oben  noch  mit  weisslichfilzigen 
Stengelresten  versehen  und  nur  wenige  haardünne  Wurzelzasern  tragend. 
Durch  Einschrumpfung  ist  die  Wurzel  oft  breit  und  tief  furchig  oder  kantig. 
Die  braungraue,  sehr  unregelmässig  gerunzelte  Oberfläche  nur  zu  oberst 
etwas  geringelt;  die  Wurzel  selbst  sehr  fest  uud  hart,  auf  dem  Bruche 
strahlig  holzig,  ohne  Mark.  Die  höchstens  0,001'"  breite  Rinde  ist  fest  mit 
dem  Holzkörper  verbunden  und  davon  nicht  scharf  durch  eine  schmale 
Cambiumzone  geschieden.  Die  zahlreichen  gelben  Holzstrahlen  sind  durch 
ziemlich  breite,  weisse,  glänzende  Markstrahlen  getrennt  und,  in  diesen,  so 
wie  in  der  Rinde  zahlreiche  dunkelbraungelbe  Oelzellen  regellos  vertheilt. 

Der  anatomische  Bau  der  Bertramswurzel  entspricht  im  Allgemeinen  dem 
der  Rad.  Euulae , ausgezeichnet  ist  jedoch  die  starke  Ausseuriude  und  die 
mehr  holzige  Beschaffenheit  der  ersteren.  Die  Aussenrinde  verdankt  ihre 
Festigkeit  mehreren  mit  braunen  Lagen  von  krummwandigen,  kleinen  Kork- 
zellen abwechselnden  Reihen  ziemlich  grosser  farbloser,  kubischer  Steinzellen, 
die  nur  in  ihrer  sehr  kleinen  Höhlung  braunes  Harz  enthalten.  Das  übrige 
Rindengewebe  ist  so  beschaffen  wie  bei  Euula,  doch  pflegt  das  Inulin  in  der 
Rad.  Pyrethri  noch  weit  reichlicher  (57  pC.  Koene)  uud  in  verhältniss- 
mässig  grösseren  Klumpen  abgelagert  zu  sein , welche  die  Zellen  fast  ganz 
ausfüllen,  als  ob  nur  erst  das  Eiutrocknen  einen  geringen  Abstand  zwischen 
der  Zellwand  und  dem  Inulin  herbeigeführt  hätte.  Diese  Klumpen  bieten 
ganz  den  Anblick  des  in  manchen  Wurzeln  durch  Kochen  formlos  gewor- 
denen Amylums  (Rad.  Sarsaparillae  zum  Theil,  Rhiz.  Curcumae,  Tuber 
Chinae  zum  Theil),  erweisen  sich  aber  durch  das  Verhalten  zum  polarisirten 
Licht  uud  zu  Jod  als  Inulin. 

Die  Gefässe  sind  von  zartem,  wenig  gestrecktem  Prosenchym  umgeben, 
worin  einzelne  Stränge  poröser,  stark  verdickter,  gelber  Holzzellen  Vor- 
kommen. Die  Oelzellen  sind  kugelig,  kleiner  und  weniger  regelmässig 
gesäumt  als  in  Rad.  Euulae;  sie  enthalten  meist  noch  hell  braungelben 
Balsam,  aber  keine  Krystalle.  Im  Kern  der  Wurzel  findet  sich  ein  Holz- 
bündel. 

Die  geruchlose  Bertramswurzel  besitzt  einen  sehr  anhaltenden  bren- 
nenden1) und  speichelziehenden  Geschmack,  den  sie  dem  Harze  (uud  einer 
Spur  ätherischen  Oeles)  verdankt,  neben  welchem  sie  auch  Zucker,  Fett. 
Gummi,  7 pC.  Aschenbestaudtheile  uud  eine  Spur  Gerbsäure  enthält.  Das 
sogenannte  Pyrethrin  ist  ein  gemischter  Körper;  der  Menge  nach  ist 
unzweifelhaft  das  Inulin  Hauptbestandtheil. 

Sehr  häufig  findet  man  die  Bertramswurzel  von  Insekten  durchlöchert, 
aber  ohne  Beeinträchtigung  ihres  scharfen  Geschmackes.  Frisch  soll  ihr 


1)  daher  der  Name,  von  “5p,  Feuer. 


Radix  Pyrethri  germanici.  291 

Saft  wenig  scharf  schmecken;  sie  dient  in  Konstantinopel  und  Kairo  auch 
eingemacht  als  Gewürz. 

Das  Pyrethron  von  Dioskorides  war  nicht  die  hier  beschriebene 
Wurzel,  sondern  die  des  Thysselinum  palustre  Hoffrn.  (Umbelliferae).  Ana- 
cyclus  Pyrethrum  wurde  in  Deutschland  schon  im  XYI.  Jahrhundert  gezo- 
gen. — Die  Wurzel  ist  auch  in  Indien,  wohin  sie  aus  Arabien  zu  gelangen 
scheint,  wohlbekannt. 

Radix  Pyrethri  germanici. 

Deutsche  Bertramswurzel. 

Anacyclus  officinarum  Hayne.  — Compositae- Senecionideae. 

Ein-  oder  zweijährige,  übrigens  dem  Anacyclus  Pyrethrum  ähnliche, 
jedoch,  nach  Bischoff,  unzweifelhaft  davon  verschiedene  Pflanze,  deren 
Heimat  (vermuthlich  Süd -Europa)  nicht  sicher  bekannt  ist.  Man  hatte  sie 
auch  als  einjährige  Spielart  von  Anacyclus  Pyrethrum  betrachtet.  Sie  wird 
in  Böhmen  und  bei  Magdeburg,  nicht  in  Thüringen,  angebaut. 

Die  Wurzel  ist  heller  grau,  so  lang  oder  länger  wie  die  römische,  aber 
nur  halb  so  dick,  sehr  lang  zugespitzt,  durch  starkes  Zusammenfallen  beim 
Trocknen  mehr  längsfurchig  und  am  oberen  Ende  immer  noch  mit  einem 
langen,  reichlichen  Schopfe  von  (geschmacklosen)  Blatt-  und  Stengelresten, 
häufig  noch  mit  ganzen  Blättern  und  Blüthen  besetzt.  Auch  dünne  Wurzel- 
zasern kommen  bei  der  deutschen  Wurzel  häufiger  vor,  sogar  schwache 
Aeste.  Ihre  oft  etwas  dunklere  Rinde  ist  bis  0,002m  dick,  also  an 
sich  schon  doppelt  so  stark  wie  in  der  römischen  Bertramswurzel,  die 
Cambiumzone  und  Baststrahlen  nach  dem  Aufweichen  deutlich  wahr- 
nehmbar. Der  Holzkern  deutlich  schlängelig  strahlig,  mit  gelben  Gefäss- 
biindeln  und  weissen  Markstrahlen,  die  Gefässe  nach  aussen  zahlreicher; 
das  Mark  fehlt.  Nur  in  der  äussern  Rindenschicht,  unmittelbar  unter  dem 
Korke,  finden  sich  4 bis  8 ganz  regellos  gestellte  grosse  Oelzellen;  häufig 
sind  sie  durch  eine  feine  dunkle  Linie  harzreichen  Parenchyms  gleichsam 
mit  einander  verbunden. 

Der  Bruch  glatt,  stark  glänzend,  hornartig. 

Die  Aussenrinde  ist  nur  aus  einer  mehrreihigen  Korklage  von  zarten, 
braunen,  fast  kubischen  Zellen,  ohne  alle  Steinzellen,  gebildet,  das  Pro- 
senchym  der  Gefässbündel  nicht  verholzt;  die  übrigen  Gewebe  stimmen 
nach  Form  und  Inhalt  mit  denen  des  römischen  Bertrams  überein.  Ebenso 
der  Geschmack  und  die  chemischen  Bestand theile;  doch  scheint  die  deutsche 
Wurzel  schärfer,  reicher  an  ätherischem  Oele  zu  sein. 

Diese  Bertramswurzel  ist  nur  in  Deutschland,  Skandinavien  und  Russ- 
land gebräuchlich,  zum  Theil  neben  der  römischen. 


19* 


292 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


Rhizoma  Arnicae. 

Radix  Arnicae.  Arnicawurzel.  Wolferleiwurzel.1)  Racine  d Aruica. 

Aruica  root. 

Aruica  montaua  L.  — Compositae-Seneciomdeae. 

Perennirende  Wiesenpflanze  der  süd-  und  mitteleuropäischen  Gebirge, 
aber  in  einzelnen  Gegenden,  z.  B.  im  Jura  fehlend,  während  sie  in  den  Pyre- 
näen, den  Cevennen,  in  Auvergne,  in  den  Vogesen,  im  Schwarzwalde  und 
in  den  Alpen  häufig  vorkömmt.  Im  Norden,  schon  in  Norddeutschland, 
wächst  sie  in  der  Ebene  und  findet  sich  auch  in  Labrador,  nicht  aber,  wie 
es  scheint,  im  übrigen  Amerika. 

Der  schief  in  der  Erde  liegende  einfache  oder,  etwas  weniger  häufig, 
an  der  steil  aufstrebenden  Spitze  2 — 3theilige  und  alsdann  mehrköpfige 
Wurzelstock  erreicht  eine  Gesammtlänge  von  über  0,10"'  und  etwa  0,010"’ 
Dicke;  er  ist  röth  lieh  braun,  kurz  längsfurchig,  durch  schwarze,  den  abge- 
storbenen Blattscheiden  entsprechende  Bänder  dicht,  aber  nicht  sehr  regel- 
mässig geringelt.  Die  Kreuzung  dieser  etwas  erhabenen  Blattnarben  mit 
den  Längsrunzeln  verursacht  über  den  ganzen  Wurzelstock  kleine  Höckercheu. 
Zahlreiche  0,00 1“  dicke  und  etwa  bis  0,1 0m  lange,  hellere,  läugsstreifige 
Wurzeln  gehen  von  der  Unterseite  des  Rhizoms  ab.  Nach  dem  Abblühen 
des  Stengels  bleibt  an  der  Spitze  des  Wurzelstockes  eine  trichterförmige 
tiefe  Narbe  zurück  und  dicht  unter  derselben,  etwas  seitlich,  entwickelt 
sich  ein  einfacher  oder  ästiger  neuer  Jahrestrieb,  deren  ungefähr  3 die 
stärksten  Rhizome  („Sympodien“)  zusammenzusetzen  pflegen,  wenn  dieselben 
nicht  einfach  geblieben  sind.  Vorn  trägt  das  Rhizom  noch  die  Reste  der 
lederigen  Blätter  und  des  Stengels  mit  zahlreichen  weisslichen  oder  röth- 
lichen  wolligen  Haaren;  das  hintere  Ende  des  \\ urzelstockes  oder  seiner 
einzelnen  Triebe  ist  etwas  dünner  und  das  Ganze  nimmt  beim  Trocknen 
eine  sehr  starke  bogenförmige  Krümmung  an,  so  dass  die  Wurzeln  an  die 
nach  unten  gekehrte  convexe  Seite  zu  stehen  kommen. 

Ungeachtet  des  stark  entwickelten  schwammigen  Markes,  das  im  Rhizom 
2/3  des  Querschnittes  ausmacht,  ist  letzteres  sehr  hart  durch  den  festen, 
dicht  unter  der  nur  0,00 lm  dicken  Rinde  liegenden  Holzring.  Derselbe 
besteht  aus  unregelmässigen,  öfters  halbkreisförmigen,  nicht  strahligen 
Gruppen  stark  verholzten  Prosenchyms,  umgeben  von  zahlreichen  zerstreuten, 
nicht  sehr  weiten  Treppengefässen.  Die  Mittelrinde  enthält  dicht  vor  dem 
Cambium  einen  weitläufigen  Kreis  sehr  ungleicher,  ganz  unregelmässig 
gestellter  Lücken  (Oelgänge),  wovon  einzelne  auch  weiter  nach  aussen 
gerückt  sind.  Die  sehr  dünne  Aussenrinde  ist  braun,  die  Harzgänge  gelb- 
braun gesäumt,  der  ganze  übrige  Querschnitt  weisslich  oder  gelblich. 


0 mit  Wolf  zusammenhängend:  Wolfesgclcgeun  im  XII.  Jahrhundert  bei  Hildegard, 
Wolfesgelo  schon  vor  dem  XII.  Jahrhundert  — also  einfach  Wolfsgelb.  Aehnlich  wie  damals 
auch  Rintgele  für  Calendula. 


Rhizoma  Arnicae. 


293 


In  den  Wurzeln  waltet  die  Rinde  vor;  die  enge  eckige  Markrölire  ist 
durch  einen  schmalen  Holzring  von  der  Rinde  getrennt,  welche  nur  wenige 
kleine  Oelgänge  aufzuweisen  hat 

Die  Aussenrinde  wird  von  wenigen  Reihen  brauner  rundlicher,  nicht 
tafelförmiger,  oft  Harz  führender  Korkzellen  gebildet;  die  zunächstfolgenden 
Schichten  der  Mittelrinde  aus  etwas  gestrecktem,  inhaltslosem,  sehr  dick 
waudigem  Parenchym,  dessen  Zellen  nach  der  mittleren  Zone  der  Rinde 
etwas  an  Grösse  zunehmen;  die  Verdickungsschicht  ihrer  Wandungen  findet 
sich  in  Form  zierlicher  Spiralbänder  abgelagert.  Die  inneren  Rindenschichten 
bestehen  aus  kleineren,  weniger  verdickten  Zellen,  die  allmälig  in  das  nicht 
scharf  abgegrenzte  Cambiiim  übergehen.  Die  Gefässe  zeigen  häufig  krummen 
Verlauf;  das  Holzprosenchym  besteht  aus  nicht  sehr  langen,  bald  engeren, 
bald  weiteren  porösen  Zellen.  Das  Mark  besitzt  grössere,  mehr  eckig  kugelige, 
weniger  verdickte  Zellen  als  die  Mittelrinde;  auch  hier  zeigen  die  Wandungen 
ferne  spiralige  Streifung.  Die  Mittelrinde  der  Nebenwurzeln  besteht  aus 
ebenfalls  sehr  fein  spiralig  gestreiften,  im  Sinne  der  Axe  lang  gestreckten 
weiten  Zellen. 

Die  grossen  Oelgänge  der  Mittelrinde  sind  von  engerem,  zartem  Parenchym 
umgeben  und  besitzen  keine  eigene  Wand;  ihr  blassgelbes  Oel  ist  gewöhnlich 
ausgetreten  und  in  kleineren  und  grösseren  Tropfen  durch  das  ganze  benach- 
barte Gewebe  verbreitet. 

Inulin  ist  nicht  mit  Bestimmtheit  wahrzunehmen. 

Die  Arnicawurzel  riecht  schwach  aromatisch,  schmeckt  aber  anhaltend 
scharf  gewürzhaft,  zugleich  etwas  bitterlich.  Sie  enthält  Harz,  Gerbstoff, 
Fett,  Farbstoff  und  ungefähr  1 pC.  schweres  gelbliches,  ätherisches  Oel, 
das  von  dem  in  den  Bliithen  derselben  Pflanze  enthaltenen  verschieden  ist; 
Walz  fand  für  ersteres  die  Formel  G12  H2402,  welche  dem  capronsauren 
Caproyloxyd  entsprechen  würde.  Das  Fett  der  Wurzel  enthält  nach  dem- 
selben eine  Fettsäure  von  der  Formel  G13H26G2,  deren  Magnesiumsalz  aus 
den  Blättern  der  Arnica  erhalten  wurde.  Auch  der  scharfe  Bestandtheil, 
das  Arni  ein,  wurde  von  Walz  aus  dem  Wurzelstocke  dargestellt,  der  aber 
weniger  (nur  1 pC.)  davon  enthält  als  die  Blumen  (vergl.  Flores  Arnicae), 

Die  Arnica  war  den  Alten  nicht  bekannt  uud  kam  erst  im  vorigen  Jahr- 
hundert zu  allgemeinerer  medicinischer  Anwendung,  obwohl  schon  Mat- 
thiolus,  Gessner,  Camerarius  uud  T abern aem ontanu  s auf  ihre 
Heilkräfte  aufmerksam  gemacht  und  Clusius  die  Pflanze  zuerst  genauer 
beschrieben  hatte.  Als  Volksmittel  scheint  sie  in  Deutschland  schon  früher 
gebraucht  worden  zu  sein. 

Unter  allen  Wurzeln,  welche  als  Verwechselung  des  Rhizoma  Arnicae 
genannt  werden,  hat  blos  der  früher  gleichfalls  officinelle  Wurzelstock  von 
Fragaria  vesca  L.,  der  gewöhnlichen  Erdbeere,  bedeutende  Aehnlichkeit 
mit  Arnica. 

Rhizoma  Fragariae  zeigt  dieselben  Wrachsthumsverhältnisse  und  sehr 
ähnliches  Aussehen,  ist  aber  weit  fester,  holziger  und  dunkelbraun,  tief 


294 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


längsrunzelig,  nicht  geringelt,  und  weit  mehr  in  die  Länge  gezogen.  Ferner 
ist  der  Geschmack  der  Erdbeerwurzel  schwach  herbe,  nicht  im  mindesten 
scharf  oder  gewürzhaft,  wie  ihr  denn  auch  Oelgänge  ganz  fehlen.  Der  innere 
Bau  ist  völlig  abweichend  von  dem  der  Arnica;  es  genügt  anzuführen,  dass 
das  Erdbeer-Rhizom  von  Amylum  und  Oxalatdrusen  (wie  die  der  Rhabarber) 
strotzt  und  beide  der  Arnica  abgehen. 

Radix  Carlinae. 

Radix  Cardopatiae.  Eberswurzel.  Rosswurzel.  Racine  de  Carline  des  Alpes. 

Carlina  acaulis  L.  — Compositae-  Cynareae. 

Syn.:  Carlina  cauleseens  Lamarek. 

C.  subacaulis  DC. 

An  sonnigen  trockenen  Stellen  der  niedrigeren  Gebirge  und  der  Vor- 
alpen des  mittleren  Europa  strichweise  häufige  schöne  Distel,  vorzugsweise 
auf  Kalkboden;  nicht  im  Süden,  wenigstens  z.  B.  nicht  in  Griechenland; 
auch  nicht  in  England. 

Die  bis  über  0,20m  lange  und  0,02m  dicke,  gewöhnlich  einfache  Pfahl- 
wurzel ist  zweijährig  und  pflegt  an  den  ziemlich  langen  Wurzelköpfen  einen 
reichlichen  schopfigen  Besatz  von  filzigen  und  strahligen  Blatt-  und  Stengel- 
resten zu  tragen.  Sie  zeigt  meistens  eiue  Drehung  um  ihre  Axe  und  ein 
bis  auf  den  Kern  eingerissenes  Netz  von  Furchen  und  Leisten;  ältere  Wur- 
zeln bestehen  fast  nur  aus  dem  Kern  und  diesen  Resten  der  Rinde.  Die 
Wurzel  ist  aussen  bräunlich  oder  gelblich  grau,  innen  gelblich  mit  dunkel 
braungelben  Oel-  oder  Balsamgängen. 

Die  Rinde  erscheint  auf  dem  Querschnitte  jüngerer  Wurzeln  beinahe 
so  breit  wie  der  Durchmesser  des  Holzkerns,  doch  auch  hier  schon  in  ihrer 
mittleren  Schicht  durch  Absterben  der  den  Markstrahlen  entsprechenden 
Stellen  lückig,  im  übrigen  ist  der  ganze  Querschnitt  von  sehr  regelmässigem 
strahligem  Bau  ohne  eigentliches  Mark.  Nicht  sehr  zahlreiche  brauugelbe, 
ziemlich  weite  Oelgänge  sind  besonders  in  den  Markstrahlen  älterer  Rinde 
in  wenig  regelmässigen  Kreisen  zerstreut,  ausserdem  manche  der  grossen 
Gefässe  mit  braunem  Balsam  erfüllt.  Der  deutlich  heilige  Basttheil  der 
Rinde  ist  bedeutend  breiter  als  die  schwache  bräunliche  Korklage  und  die 
lockere  Mittelrinde.  Bei  ältereu  Wurzeln  stirbt  letztere  und  die  Markstrahlen 
fast  ganz  ab  (doch  weniger  regelmässig  als  bei  Radix  Bardanae) , so  dass 
nur  die  strahligen , durch  schmale  Reste  der  Markstrahlen  getrennten  Ge- 
fässbündel  übrig  bleiben,  lose  bedeckt  mit  den  als  erhabene  Längsrunzeln 
erscheinenden,  jetzt  etwas  dunkleren  Baststrängen  und  den  Resten  der 
Aussenriude. 

Eigentliche  Holzbildung  kömmt  in  der  Carlina  nicht  vor,  oder  es  finden 
sich  höchstens  im  Centrum  eiuige  Iiolzzellen;  das  Bastgewebe  enthält  keine 
Baströhren.  Die  Oelgänge  der  Rinde  erweisen  sich  als  vertikal  lang- 
gestreckte, von  zartem  Parenchym  umgebene  Intercellularräume,  welche 


Rhizoma  Valerianae. 


295 


blassgelbliche  Oel-  oder  dunklere  Balsamtropfen  enthalten.  In  der  Mittel- 
rinde, den  Markstrahlen  und  dem  Gewebe  der  Gefässbüudel  ist  häufig  Inulin 
abgelagert;  doch  trifft  man  es  nicht  immer  in  der  Wurzel.  Die  Gefässe  und 
manche  benachbarte  Prosenchymzellen  sind  von  gelbem  Harze  oder  Balsam 
durchdrungen. 

Geruch  eigentümlich,  nicht  gerade  angenehm  aromatisch  und  sehr  be- 
ständig, Geschmack  süsslich,  scharf  aromatisch.  Das  ätherische  Oel  be- 
trägt ungefähr  1 pC.,  Harz  und  Zucker  wohl  bedeutend  mehr. 

Zarte  Schnitte  frischer  Wurzeln  lassen  beim  Befeuchten  mit  einigen 
Tropfen  Wasser  einen  milchigen  Strom  austreten,  welcher  hauptsächlich 
äusserst  kleine  Nädelchen  von  Kalkoxalat,  wie  es  scheint  hauptsächlich 
aus  den  Markstrahlen  herausführt. 

Die  Sage  bringt  den  Namen  der  Pflanze  mit  Karl  dem  Grossen  in  Zu- 
sammenhang, doch  findet  sich  der  Name  Ebirwurz  im  Althochdeutschen 
schon  vor  dem  XII.  Jahrhundert. 

Die  holzige  Wurzel  der  Carlina  vulgaris  L.  ist  kriechend,  nicht  senk 
recht,  etwas  ästig,  dunkler,  hin  und  her  gebogen,  reich  an  Inulin,  aber  arm 
an  Harz  und  ätherischem  Oel. 

2.  amylumhaltige  aromatische  Wurzelbildungen. 

Rhizoma  Valerianae. 

Radix  Valerianae  minoris,  Cormus  Valerianae.  Baldrianwurzel.  Katzen- 
wurzel. Tannmark.  Racine  de  Valeriane.  Valerian. 

Valeriana  officinalis  L.  — Valerianeae. 

Durch  das  ganze  mittlere  und  nördliche  Europa,  von  Frankreich  bis 
Finnmarken,  in  Norwegen  und  Island,  in  Ebenen  und  mittleren  Gebirgen; 
in  Nordamerika  (Vermont)  gebaut,  doch  in  geringer  Güte.  Das  Wurzel- 
system zeigt,  wie  die  ganze  Pflanze,  je  nach  dem  Standorte  ziemliche  Ver- 
schiedenheiten; unter  mehreren  Varietäten  sind  hauptsächlich  a)  major , 
mit  höherem  Stengel  und  durchweg  gezähnten  Blättern,  und  ß)  minor  (Va- 
leriana ängustifolia  Tausch) , mit  ganzrandigen  oder  wenig  gezähnten  Blät- 
tern, zu  unterscheiden.  Letztere  liefert  vorzugsweise  die  officinelle  Wurzel. 
Sie  besteht  aus  der  aufrechten,  wenig  verdickten,  durch  die  Insertionsstellen 
abgestorbener  Blätter  dicht  aber  undeutlich  geringelten  Stengelbasis  und 
den  sehr  zahlreich  daraus  entspringenden  dünnen  Wurzeln  (Nebenwurzeln), 
deren  ursprünglich  regelmässige  Anordnung  selten  mehr  zu  erkennen  ist. 
Die  Stengelbasis  (Wurzelstock,  Knollstock),  bis  über  0,0 10m  dick  und  etwa 
doppelt  so  lang,  am  unteren  Ende  jeden  Herbst  an  bestimmter  Stelle  ab- 
sterbend (abgebissen),  treibt  häufig  kurze  seitliche  Ausläufer,  die  sich  all- 
nhilig  wieder  zu  einem  gleichen  Wurzelstocke  entwickeln  und  nach  ein  paar 
Jahren  zur  Blüthe  gelangen.  Bei  starken  Wurzelstöcken  ist  das  markige 


296 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


Innere  oft  ganz  aufgelockert  oder  bis  auf  einige  Querfächer  hohl.  Die  ge- 
wöhnlich bis  über  0,10m  langen,  aber  auch  oft  0,30m  erreichenden  und 
0,002ni  dicken  (Neben-)  Wurzeln  sind  längsstreifig  oder  furchig,  an  ihrer 
Austrittsstelle  ein  wenig  verdickt  und  laufen,  besonders  in  fruchtbarem 
Boden,  in  zahlreiche,  sehr  dünne  hellere  Seitenwürzelchen  aus. 

Die  im  frischen  Zustande  hell  bräunlichgelbe  Farbe  des  Wurzelsystems 
wird  durch  das  Trocknen  und  mehr  noch  durch  das  Alter  dunkler.  Der 
Querschnitt  ist  hornartig  glänzend  zähe,  nicht  holzig,  von  weisslichgelber 
Farbe,  im  Wurzelstocke  oft  dunkel  missfarbig.  Derselbe  besitzt  eine 
schmale,  durch  eine  tiefbraune  Cambiumzone  von  einem  weitläufigen 
Kreise  hellerer  unregelmässiger  Gefässbiiudel  getrennte  Rinde.  Dieser  Holz- 
kreis schliesst  ein  breites,  aber  sehr  oft  schwindendes  Mark  ein.  In  den  Wur- 
zeln ist  die  Rinde  drei-  bis  viermal  stärker  als  der  dünne,  von  einer  sehr 
engen  Markröhre  durchzogene  und  von  dunklem  Cambium  umschlossene 
rundliche  Holzkern. 

Dia  braune  Aussenriude  besteht  aus  kubischen , nicht  tafelförmig  ge- 
streckten Korkzellen;  die  Mittelrinde  aus  sehr  vielen  ruudlichen,  im  Sinne 
der  Axe  gestreckten  Zellen,  mit  ziemlich  dicken  und  sehr  fein  spiralig  ge- 
streiften Wandungen.  Diese  Zellen  nehmen  nach  beiden  Seiten  hin  an 
Grösse  ab  und  sind  auch  meist  etwas  tangential  gestreckt.  In  der  Rinde 
älterer  Wurzelstöcke  treten  bisweilen  Gruppen  von  Steinzellen  auf.  Das  Cam- 
bium bildet  eine  breite  Zone  zartwandigen , in  der  Mitte  farblosen,  nach 
aussen  und  innen  aber  braun  gefärbten  Gewebels. 

Die  Tüpfelgefässe  sind  in  den  Wurzeln  von  ansehnlicher  Länge,  im 
Wurzelstocke  kürzer  uud  hier  von  wenig  verdicktem  kurzem  Holzproseu- 
chym  umgeben,  in  welchem  sich  auf  dem  Querschnitte  die  Markstrahlen 
nur  undeutlich  verfolgen  lassen. 

Das  Rinden-  und  Markgewebe,  auch  die  Markstrahlen,  enthalten  zahl- 
reiche kugelige,  verschieden  grosse  Stärkekörner;  daneben,  besonders  in 
den  missfarbigen  stärkearmen  Gewebetlieilen,  in  grösserer  oder  geringerer 
Menge  kleinere  braungelbe  Körnchen  oder  Klumpen.  In  der  trockenen 
Waare  finden  sich  gelbliche  Tropfen  ätherischen  Oeles  oder  röthlichbraune 
Harzklumpen  nur  in  der  Aussenriude.  — Der  eigentümliche  kampherartige, 
nicht  eben  angenehme  Geruch  der  Wurzeln  entwickelt  sich  erst  beim 
Trocknen  kräftiger;  der  Geschmack  ist  süsslich-bitterlich  uud  gewürzhaft. 

Der  Träger  des  Geruches,  das  Baldrianöl,  ist  in  der  trockenen  Waare 
zu  V2  bis  2 pC.  enthalten;  die  bedeutenden  Schwankungen  in  dessen  Menge 
erklären  sich  zum  Theil  durch  die  verschiedene  Ausbildung  des  Wurzel- 
systems, das  wohl  in  den  Nebenwurzeln  relativ  mehr  Oel  erzeugt  als  im 
Wurzelstock;  von  noch  grösserem  Einflüsse  ist  aber  der  Standort  der 
Pflanze.  Steiniger  trockener  und  sonniger  Boden  liefert  eine  ölreichere 
Wurzel  als  die  der  Pflanze  sonst  gut  zusagenden  feuchten  Stellen.  Auch 
scheint,  nach  Zeller,  das  Oel  im  Herbste  reichlicher  vorhanden  zu  sein 
als  im  Frühjahr.  Das  Baldrianöl  ist  ein  Gemenge  von  Baldriansäure  (etwa 


Rhizoma  Serpentariae. 


297 


5pC  des  Oeles),  Valeren  oder  Borneen  (etwa  25  pC.)  O10H16,  und  (70  pC.) 
sauerstoffhaltigen,  bei  0°  zum  Theil  krystallisirenden , leicht  verharzenden 
Verbindungen,  deren  Natur  noch  nicht  ganz  feststeht.  Man  hat  in  denselben 
Valerol  G6IiluO  und  einen  mit  dem  Dryobalanops-Camphor,  dem  Borueol 
(vergl.  bei  Camphora)  0luHIS  (>  identischen  Campher  gefunden.  — Das 

Valeren  gleicht  sehr  dem  Terpenthinöl. 

Nach  der  Destillation  des  Oeles  bleibt  neben  viel  Harz  ein  stark  sauiei 
Rückstand,  der  nach  Asch  off  hauptsächlich  Aepfelsäure  enthält.  — Ein 
von  Trommsdorff  angegebener  „ Baldrianstofi  u ist  nicht  näher  ge- 
kannt. — Die  Baldriansäure  wurde  im  Baldrianöl  zuerst  1819  von  Pentz, 
dann  1830  von  Grote  bemerkt.  — Im  Cambium  findet  sich  etwas  Gerb- 
stoff (Vogl). 

Die  Baldrianwurzel  war  unter  dem  Namen  Nardus  gallicus  (Plinius), 
nicht  als  Valeriana,  schon  den  Alten  bekannt  und  auch  im  Mittelalter  und 
später  immer  sehr  viel  im  Gebrauche.  — Der  Name  dürfte  mit  valere,  ge- 
sund sein,  im  Zusammenhang  stehen,  nach  Jakob  Grimm  nicht  mit  dem 
altnordischen  Gotte  Balder.  — Im  deutschen  Mittelalter,  um  1150  z.  B.  bei 
der  heiligen  Hildegard,  hiess  die  Pflanze  übrigens  nicht  Baldrian,  sondern 
Denemarcha,  noch  früher  Tenemarg,  wie  noch  heutzutage  in  einem  Theile 
der  Schweiz. 

Die  nicht  mehr  gebräuchliche , weniger  aromatische  Rad.  Valeriancie 
majoris  ist  das  weit  stärkere,  schief  liegende,  entfernter  geringelte  und  nur 
nach  unten  bewurzelte  Rhizom  der  südeuropäischen  Valeriana  Phu  L.  — 
Verwechselungen  der  Baldrianwurzel  sind  bei  genauer  Vergleichung  ihres 
Baues  und  des  eigen thüm liehen  Geruches  nicht  wohl  möglich. 

Rliizoma  Serpentariae. 

Radix  Serpentariae  virginianae.  Schlangenwurzel.  Serpentaire  de  Virginie. 

Serpentary  root. 

Aristolochin  Serpentaria  L. 

In  feuchten  Bergwäldern  des  mittleren  Striches  der  östlichen  Staaten 
Nordamerikas  (Pennsylvania  bis  Carolina;  nördlicher,  z.B.  im  Staate  New7- 
York,  schon  seltener  und  in  den  atlantischen  Gegenden  nachgerade  fast  aus- 
gerottet) einheimische  Staude  mit  gewöhnlich  einfachem,  auf-  und  absteigen- 
dem, wurmförmig  gekrümmtem  Wurzelstocke  von  etwa  0,03m  Länge  und 
0,003m  Durchmesser.  Er  ist  etwas  plattgedrückt  und  auf  der  oberen  Seite 
mit  einer  dichten  Reihe  von  schief  aufsteigenden  Resten  der  abgestorbenen 
Stengel  besetzt.  Die  am  vorderen  Ende  stehenden  ein  oder  zwei  Stumpfe  der 
noch  lebenden  Stengel  tragen  häufig  einige  Blüthenstiele  und  Blätter.  Von 
den  übrigen  Seiten  des  Wurzel  Stockes  gehen  sehr  zahlreiche  dünne  zer- 
brechliche, hell  graugelbe,  bis  0,1 0m  lange  (Neben-)  Wurzeln  aus,  welche 
mit  feinen  Wurzelfasern  nicht  eben  reichlich  besetzt  sind. 

Der  Querschnitt  des  Wurzelstockes  zeigt  eine  dünne  braune  Rinde,  einen 


298 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 

gelben , aus  mehreren  breiten  Kreisen  bestehenden , excentrischen  Holzkern 
mit  grossen  Spiroideu,  durchbrochen  von  zahlreichen  wcissen  Markstrahlen 
von  sehr  verschiedener  Breite.  Im  Innern  ein  dünnes  weisses,  von  dem 
Centrum  weg  mehr  nach  oben  gerücktes  Mark.  Rinde,  Markstrahlen  und 
Mark  sind  mitAmylum  gefüllt;  im  ersteren  kommen  hier  und  da  grosse  Oel- 
zellen  vor;  das  Mark  besteht  aus  grossem  polyedrischem  porösem  Parenchym. 

Die  Wurzeln  besitzen  innerhalb  der  dicken  weissen  stärkereichen  Rinde 
einen  dünnen  gelben  cylindrischeu  oder  fünf-  bis  sechsseitigen  Holzkern; 
im  übrigen  den  Bau  und  Inhalt  des  Wurzelstockes  selbst.  Krystalle  schei- 
nen der  Serpentaria  zu  fehlen.  Geruch  an  Baldrian  erinnernd,  Geschmack 
mehr  kampherartig  und  bitter.  — Das  von  Chevallier  als  wirksamer 
Bestandteil  der  Wurzel  angegebene  Aristolochin  ist  eben  so  wenig  be- 
friedigend untersucht  als  das  vielleicht  damit  identische  Clematitin, 
welches  Walz  aus  den  Wurzeln  von  Aristolochia  Clematitis  L.  als  gelben 
amorphen  Bitterstoff  dargestellt  hat.  — Das  ätherische  Oel  beträgt  nach 
Bucholz  nur  V2  pC. , nach  anderen  noch  weniger.  Daneben  enthält  die 
Wurzel  auch  Harz.  Der  geringe  Gehalt  an  ätherischem  Oele  macht  eine 
sorgfältige  Aufbewahrung  dieser  Wurzel  notwendig. 

Die  Schlangenwurzel  wurde  wie  noch  mehrere  andere  Wurzeln  von  den 
Eingeborenen  Nordamerikas  gegen  Schlangenbiss  gebraucht  und  seit  1633 
durch  Jakob  Cornutus  und  den  Londoner  Apotheker  Thomas  Jonson 
auch  in  Europa,  zu  anderen  Heilzwecken,  bekannt. 

Aristolochia  Serpentaria  scheint  nicht  allein  diese  Wurzel  zu  liefern;  sie 
soll  auch  von  einigen  anderen,  zunächst  verwandten  nordamerikanischen 
Arten  (z.  B.  A.  reticulata  Nutt.,  A.  officinalis  Nees,  welche  letztere  indessen 
Berg  mit  A.  Serpentaria  vereinigt)  noch  gesammelt  werden,  welche  nicht 
abweichende  Wurzeln  zu  besitzen  scheinen.  Dagegen  finden  sich  in  der 
käuflichen  Serpentaria  auch  ganz  fremdartige  Wurzeln,  welche  leieht  zu 
erkennen  und  daraus  zu  entfernen  sind.  So  z.  B.  die  amerikanische  Gin- 
seng1), von  Panax  quinquefolius  L.  — Araliaceae,  eine  rübenförmige 
gabejtheilige  Hauptwurzel  ohne  Fasern,  von  süsslichem,  nicht  gewürzhaftein 
Geschmacke,  dann  das  schon  an  der  schwarzen  Farbe  kenntliche  Rhizom 
von  Asarum  virginicum  L.  Die  Wurzel  von  Spigelia  marylandica  L. 
unterscheidet  sich  durch  einen  kürzeren  Wurzelstock,  welcher  überdies 
dunkelbraun  ist  und  einen  bogenförmigen  Holzkörper  eiuschliesst.  Sie 
kömmt  meist  mit  den  Stengeln  und  daran  sitzenden  Blättern  vor,  die  sich 
sehr  von  den  langgestielten  Aristolochia- Blättern  unterscheiden.  Grössere 
Aehnlichkeit  mit  der  Rad.  Serpeutariae  hat  der  Wurzelstock  von  Cynanchum 
Vincetoxicum  Pers.  (Rad.  Hiruudiuariae).  Hier  ist  aber  die  Mittelrinde 
-weit  stärker  entwickelt,  dagegen  Mark  und  Markstrahlen  fast  fehleud. 
Ferner  besitzt  die  Rad.  Yincetoxici  sehr  zahlreiche  Krystallrosetten , ein 
weit  stärkeres  Rhizom  und  einen  widrigen  eigentliümlichen  Geruch. 


D Sic  findet  sich  auch  bisweilen  der  Rad.  Scnegac  bcigeraischt.  Vcrgl.  bei  dieser. 


Radix  Sassafras. 


299 


Radix  Sassafras. 

Lignum  et  cortex  Sassafras.  Sassafrasholz  und  Sassafrasrinde.  Fenchel- 
holz. Bois  et  ecorce  de  Sassafras.  Sassafras. 

Sassafras  officinalis  Nees  ab  Esenb.  — Laurinecie. 

Syn.:  Laurus  Sassafras  L. 

Schöner  Baum  der  atlantischen  Staaten  Nordamerikas,  vorzüglich  in 
den  mittleren  (New-Jersey,  Pennsylvania,  Virginia)  und  südlichen  (Carolina, 
Florida)  Gegenden,  wie  es  scheiut,  auch  noch  in  Central- Amerika,  Venezuela 
und  sogar  in  Paraguay,  in  Wäldern  und  an  Flussufern.  Der  Baum  daueit 
in  Mittel -Europa  im  Freien  aus;  er  besitzt  eine  sehr  grosse,  ästige,  zum 
Theil  kriechende,  knorrige,  bis  über  0,10m  dickeWurzel,  die  mit  reichlicher, 
schwammiger  Borke  bedeckt  ist. 

Die  äusserste  dünne  Schicht  der  Rinde  ist  grau,  durch  zahlreiche  Furchen 
und  Höcker  sehr  uneben.  Das  innere  rothbraune  Gewebe  bietet  je  nach 
der  mehr  oder  weniger  fortgeschrittenen  Borkenbildung  ein  etwas  verschie- 
denes Aussehen.  Bald  ist  die  äussere,  dunkel  rothbraune,  weiche  und 
abgestorbene  Borkenschicht  noch  reichlich  (bis  0,005m  dick)  vorhanden, 
bald  aber  bis  auf  die  hellere,  noch  lebensthätige  und  dichtere  Innenrinde 
abgeblättert.  Beide  sind  von  zahlreichen  schmalen  Markstrahlen  durch- 
zogen; vereinzelte  oder  nach  innen  etwas  zahlreichere  dunklere  Oelgänge 
und  glänzende  Bastzellen  finden  sich  unregelmässig  eingestreut.  Die  Rinde 
bricht  glatt;  sie  kömmt  für  sich  als  Cortex  Sassafras  in  kui’zen,  bis  etwa 
0,0 10m  dicken,  gegen  0,04m  breiten,  mehr  oder  weniger  rinnenförmigen  und 
gekrümmten  Stücken  in  den  Handel. 

Das  leichte,  lockere,  gut  spaltbare  Holz  ist  glänzend  graulichweiss  oder 
bräunlich  bis  fahl  röthlich.  Es  zeigt  concentrische  Jahresringe  und  zahl- 
reiche feine,  besonders  auf  dem  radialen  Schnitte  dunkler  röthliche  Mark- 
strahlen. Im  inneren  Theile  jedes  Jahresringes  sind  die  Gefässe  grösser  und 
zahlreicher.  Dieses  Wurzelholz  mit  oder  ohne  Rinde,  seltener  das  gehalt- 
lose Stammholz,  bildet  das  Lignum  Sassafras , welches  der  Kleinhandel 
gewöhnlich  zerschnitten  liefert. 

Der  äussere,  schwammige  Theil  der  Rinde  enthält  weite,  schlaffe,  poröse 
Zelleu  mit  dunkelrothem  Farbstoff;  einzelne  wenige  sind  auch  mit  gelbem, 
ätherischem  Oele  gefüllt.  Nach  inneu  geht  dieses  Parenchym  allmälig  in 
das  engere,  gleichfalls  braun  wandige  Gewebe  der  Innenrinde  über,  in  welchem 
neben  grossen  und  zahlreichen  Oelzellen  auch  vereinzelte  oder  zu  2 bis  4 
zusammeugestellte,  ziemlich  grosse,  im  Querschnitt  rundlich-eckige,  fast 
ganz  verholzte  Baströhren  Vorkommen.  In  jüngerer  Rinde  sind  dieselben 
zu  weitläufigen  Kreisen  geordnet  und  durch  tangentiale  Parenchymstreifen 
getrennt.  Auf  dem  radialen  Längsschnitte  zeigen  die  grösseren  Parenchym- 
zellen eine  rhombische  Gestalt  und  lassen  weite,  leere  Räume  zwischen 
sich,  die  hauptsächlich  auch  zur  Lockerheit  der  Rinde  beitragen.  Im  Rinden- 
gewebe entwickeln  sich  hellere  concentrische  Bänder  dünner,  tafelförmiger 


300 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 

Korkzellen,  welche  eine  eigentliche  Borkenbildung  durch  Absterbeu  der  an 
ihrer  Peripherie  liegenden  abgeschnürten  Gewebe  veranlassen.  Es  zeigen 
sich  im  Querschnitte  der  Sassafrasrinde  1 bis  3 solcher  Korkbänder  von 
wellenförmigem  Verlaufe;  jedes  derselben  aus  einer  grösseren  Zahl  (bis 
über  10)  von  Korkzellenreihen  gebildet. 

Das  gesammte  Rindengewebe  wird  in  radialer  Richtung  von  schmalen 
1 bis  3reibigeu  Markstrahlen  durchschnitten,  in  deren  getüpfelten  Zellen 
hauptsächlich  brauurother  Farbstoff  und  Amylurn  abgelagert  ist.  Letzteres 
ist  auch  reichlich  im  Inuenrindenparencbym  vorhanden;  Oxalatprismen 
hingegen  sehr  spärlich. 

Die  Kinde  tiennt  sich  leicht  vom  Holzkörper,  welcher  vorherrschend 
aus  vertikal  verlaufendem  Prosenchym  besteht  und  vorzüglich  an  der  Grenze 
der  Jahresringe  zahlreiche,  sehr  weite,  dicht  genäherte  Spiral-  oder  Gitter- 
gefässe  enthält.  Innerhalb  jeder  dieser  Gefässzonen  ist  das  Prosenchym 
enger  und  in  radialer  Richtung  sowohl  als  nach  den  Seiten  in  genau  regel- 
mässige Reihen  (Felder)  geordnet.  Das  lockere  Gewebe  entspricht  dem  im 
Frühjahr  gebildeten  Holze,  das  dichtere,  an  Gefässen  ärmere,  ist  das  Herbst- 
holz. Im  Längsschnitt  zeigen  die  zugespitzten , ziemlich  langen  Zellen  des 
Holzprosenchyms  zarte  Spiralstreifen.  Die  Markstrahlen  erscheinen  auf 
dem  tangentialen  Schnitt  als  lange,  spitz  zulaufende  Spalten,  welche  über 
einander  10  bis  30  Zellenreihen  von  rundlichem  Querschnitt  enthalten;  der 
radiale  Schnitt  zeigt  sie  von  mauerförmigem  Aussehen.  Auch  im  Holze 
sind  die  Markstrahlen  hauptsächlich  Sitz  der  Stärkekörner  und  des  Farb- 
stoffes; doch  strotzt  auch  das  Holzprosenchym  in  der  Regel  von  kugeligen, 
bis  20  Mikr.  messenden  Amylumköruern.  Weit  seltener  als  in  der  Rinde 
finden  sich  Oelzellen  im  Holze. 

Geruch  und  Geschmack  der  Sassafraswurzel  sind  eigenthümlich  ange- 
nehm süsslich  aromatisch,  an  Fenchel  erinnernd,  aber  weit  kräftiger  in  der 
ölreicheren  Rinde  als  im  Holze. 

Das  ätherische  Oel  scheint  in  sehr  schwankendem  Verhältnisse  vorzu- 
kommen. Das  Holz  liefert  nach  dem  Durchschnitte  verschiedener  Befunde 
etwa  1 V2  pC.,  die  Wurzelrinde  das  doppelte.  Stamm  und  Blätter  des  Baumes 
scheinen  daran  sehr  arm  zu  sein.  Das  Oel  besitzt  den  specifischen  Sassafras- 
Geruch,  ist  sauerstoffhaltig  (Q18H20O4,  empirische  Formel),  wahrscheinlich 
ein  Gemenge  verschiedener  Oele,  und  setzt  in  der  Kälte  Krystalle  eines 
Camphers  G"H'-"Ol  ab.  Baltimore  ist  der  Hauptplatz  für  Sassafras.  Es 
kommen  daselbst  jährlich  etwa  30,000  Pfund  Rinde  und  15,000  bis  20,000 
Pfund  Sassafras -Oel  zu  Markte.  Dasselbe  dient  in  Nord -Amerika  selbst 
grössten theils  zum  Aromatisiren  kohlensäurehaltiger  Wasser  und  zur  Ver- 
fälschung des  Copaiva-Balsams.  Es  ist  schwerer  als  Wasser,  und  ich  finde 
es  (selbst  dargestelltes  Oel)  optisch  unwirksam. 

Als  Sassafrid  hat  Reinsch  einen  durch  Alkohol  aus  der  von  Oel 
befreiten  Wurzelrinde  ausgezogenen  krystallisirenden  Körper  bezeichnet, 
aber  nicht  genauer  untersucht.  Er  steht  vielleicht  in  Beziehung  zu  der 


Radix  Pimpinellae. 


* 301 


Gerbsäure,  welche  die  Rinde  auch  in  geringer  Menge  enthält.  Noch  weniger 
gekannt  sind  die  von  Hare  als  Sassarubiu  und  Sassafrin  beschriebenen 
Zersetzungsprodukte  des  ätherischen  Oeles.  Endlich  enthält  die  Rinde 
auch  etwas  Harz. 

Den  Eingebornen  Floridas  war  das  Sassafrasholz  längst  bekannt,  bevor 
es  1555  durch  die  Franzosen  von  dort  in  Europa  eingeführt  wurde. 
Monar  des  in  Sevillagab  1565  die  frühesten  Berichte  darüber.  Später  erst 
erkannte  man  die  grössere  Wirksamkeit  der  Rinde. 

Den  Sassafras -Geruch  zeigen  die  Rinden  noch  anderer  Laurineen  und 
Sassafras-Nuss  heisst  aus  demselben  Grunde  der  Same  von  Nectandra 
Puchury,  die  sogenannte  Pichurim-Bohne. 

Radix  Pimpinellae. 

Rad.  Pimpinella  albae.  Bibernellwurzel.  Racine  de  boucage.  Burnet  root. 

1)  Pimpinella  Saxifraga  L.  — Umbelliferae. 

2)  Pimpinella  magna  Pollich. 

Ausdauernde,  in  mehreren  Yarietäten  von  Kleinasien  an  durch  ganz 
Europa  mit  Einschluss  Englands  und  Finnlands  bis  nach  Mittelasien  weit 
verbreitete  Wieseupflanzen ; die  zweite  besonders  erhebt  sich  auch,  häufig 
alsYar.  rosea,  hoch  in  die  Voralpen. 

Die  spindelförmige,  ziemlich  einfache  und  gerade  oder  etwas  ästige  und 
ein  wenig  gedrehte  Wurzel  wird  bis  über  0,20"'  lang,  an  dem  gewöhnlich 
mehrstengeligen  Wurzelkopfe  bis  über  0,015'"  dick  und  verjüngt  sich  ganz 
allmälig  in  das  lang  ausgezogene  Ende. 

Die  hell  graugelbliche  Oberfläche  ist  mehr  oder  weniger  tief  und  breit 
längsrunzelig,  oben  ziemlich  dicht  und  fein  geringelt,  gegen  die  Spitze  hin 
nur  cpierhöckerig.  An  verletzten  Stellen  der  Rinde  sind  auch  da  und  dort 
rothbraune  Flecken  von  ausgetretenem  Balsam  bemerklick. 

Die  Wurzel  der  erstgenannten  Art  pflegt  etwas  schwächer  zu  bleiben 
und  ist  nur  unmerklich  dunkler  als  die  der  zweiten. 

Das  Mark  beider  Wurzeln  verliert  sich  schon  in  geringer  Tiefe  unter- 
halb des  Wurzelkopfes;  die  breit-keilförmigen,  oft  zweischenkeligen  Gefäss- 
bündel,  durch  schmale  Markstrahlen  auseinander  gehalten,  reichen  alsdann 
bis  ins  Centrum.  Eine  sehr  schmale  oft  etwas  gelbliche  Cambiumzone  trennt 
den  Holzkern  von  der  Rinde,  deren  Breite  (nach  dem  Aufweichen)  bei 
P.  magna  den  Durchmesser  des  ersteren  erreicht  oder  übertrifft,  während 
der  Holzkern  der  P.  Saxifraga  dicker  ist  als  die  Rinde.  Letztere  besteht 
zum  grössten  Theile  aus  schlängelig-strakliger,  zu  äusserst  grosslückiger 
Innenrinde  und  nur  wenigen  Lagen  tangential  geordneten  Mittelrinden- 
Gewebes,  welches  von  einer  hellen,  dünnen  Korkschicht  bedeckt  ist,  Vor- 
züglich die  Bastsrahlen  der  Innenrinde,  seltener  der  Holzkern,  enthalten 
grosse  rothgelbe  Balsamgänge,  welche  einreihig  radial  geordnet  stehen  und 
in  P.  magna  weit  zahlreicher  Vorkommen.  Das  übrige  Rindengewebe  ist 
weiss;  die  Markstrahlen,  welche  in  den  äusseren  Lagen  der  Innenrinde  weit 


302  * Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 

breiter  werden  als  die  Baststrahlen , erscheinen  durch  ihre  mit  Amylum 
voll  gepfropften  Zellen  ganz  dunkel.  Das  Holz  ist  hellgelb. 

Die  bis  70  Mikromill.  weiten  Treppen-  und  Netzgefässe  sind  von  kurzem, 
nicht  eigentlich  verholztem  Prosenchym  umgeben;  die  Markstrahlen  ent- 
halten wenige  Reihen  radial  gestreckter  Zellen.  Die  Baststrahlen  sind  aus 
hier  und  da  etwas  verdicktem,  zierlich  spiralig  gestreiftem  Prosenchym, 
aber  ohne  eigentliche  Baströhren  gebildet;  das  weite  Parenchym  der  Mittel- 
rinde ist  in  den  peripherischen  Lagen  kleinzellig  und  dickwandig.  Der  Kork 
zeigt  die  gewöhnlichen,  ziemlich  weiten,  fast  kubischen  Tafelzellen. 

Die  Balsamgänge  besitzen  den  bei  Radix  Levistici  beschriebenen  Bau 
uud  Inhalt;  sie  pflegen  bis  höchstens  70—80  Mikromill.  weit  zu  sein.  Die 
grössten  finden  sich  unmittelbar  unter  der  Korkschicht  zu  einem  weit- 
läufigen Kreise  zusammengestellt. 

Die  auch  in  der  Rinde  sehr  reichlich  vorhandenen  kugeligen,  oft  etwas 
eckigen  Stärkmehlkörner  erreichen  etwa  12Mikrom.  im  Maximum.  Sie 
sind  am  zahlreichsten  in  den  Markstrahlen,  weniger  im  Basttheile  der  Rinde 
enthalten,  daneben  zeigen  sich  auch  da  und  dort  Oeltropfeu,  wenigstens  in 
der  P.  magna. 

In  Norddeutschland,  z.  B.  in  der  Gegend  von  Berlin  und  Frankfurt  an 
der  Oder,  findet  sich  häufig  die  Pimpinella  nigra  Willdenow’s,  eine  Varie- 
tät der  P.  Saxifraga,  deren  schwarze  oder  schwarzbraune  Wurzel  in  ihren 
Balsamgängen  besonders  im  Frühjahr  einen  schön  blauen  Balsam  in  grosser 
Menge  enthält,  im  Uebrigen  aber  mit  derjenigen  vou  P.  Saxifraga  überein- 
stiinmt.  Dieser  merkwürdige  blaue  Balsam  verliert  sich  in  der  aus- 
gegrabenen Wurzel  nach  wenigen  Tagen  allmälig  und  nach  dem  Trocknen 
vollständig.  Er  verdankt  seiue  Farbe  einem  blauen  ätherischen  Oele, 
das  aber  selbst  bei  sorgfältigster  Aufbewahrung  rasch  grün  und  miss- 
farbig wird. 

Die  Pimpinellwurzeln  sind  von  eigentümlichem,  bocksartigem  Gerüche 
und  sehr  starkem,  beissend  scharfem  Geschmacke.  Das  ätherische  Oel  fand 
Bley  nach  Petersilie  riechend,  bei  P.  nigra  0,38  pC.  betragend.  Daneben 
10  pC.  Harz  und  gegen  4 pC.  zum  Theil  krystallisirbaren  Zucker;  auch 
Benzoesäure,  jedoch  weniger  als  in  P.  Saxifraga.  Pimpinella  magna  dürfte 
der  verhältnissmässig  stärkeren  Rinde  und  der  zahlreicheren  Balsam- 
gänge wegen  kräftiger  sein  als  P.  Saxifraga,  deren  Balsamgäuge  auch  etwas 
enger  sind. 

Die  Bibernelhvurzel,  und  zwar  ursprünglich  die  der  P.  magna,  wurde 
durch  die  Botaniker  des  XVI.  Jahrhunderts,  vorzüglich  durch  Matthioli, 
Dodonaeus  und  Tabernaemoutanus  in  den  Arzneischatz  eingeführt.1) 
— Denselben  Namen  trugen  früher  übrigens  auch  die  nicht  aromatisch, 


■*)  Schon  im  Xlllten  Jahrhundert  finden  wir  in  einem  deutschen  (bei  Semen  Hyoscyami 
erwähnten)  Arzneibucho  pibinclln,  noch  früher  auch  boberolla.  boborellen.  Im  holländischen 
heutzutage  beveruel. 


Radix  Levistiei. 


303 


sondern,  adstringirend  und  bitterlich  schmeckenden  Wurzeln  von  Pote- 
rmm  Sanguisorba  und  Sanguisorba  officinalis  („Rad.  Pimpinellae 
italicae. u) 

Nach  Berg  gelangt  bisweilen  statt  der  Bibernellwurzeln  die  ihnen  nicht 
unähnliche  Wurzel  von  Heracleum  Sphondylium  in  den  Handel.  Gewöhn- 
lich besteht  letztere  mehr  aus  Wurzelästen  und  Wurzelstöcken  als  aus  der 
früh  absteigenden  Hauptwurzel.  Sie  ist  weit  heller,  von  scharfem  heissendem, 
aber  zugleich  bitterlichem  Geschmacke,  der  von  dem  der  Bibernellwurzeln 
sehr  abweicht.  Immer  ist  die  lockere  Rinde  viel  breiter  als  der  Durchmesser 
des  Holzkernes,  namentlich  in  den  Aesten  um  das  mehrfache.  Die  Rinde 
ist  undeutlich  strahlig  und  von  wenigen  zahlreichen  Balsamgängen  durch- 
setzt, welche  von  weiten,  nicht  tafelförmigen  Zellen  umgrenzt  sind.  Die 
Rinde  lässt  sich  leicht  vom  Holzkerue  trennen  und  letzterer  ist  vollständig 
als  fester  Cylinder  herauszuschälen,  was  bei  Pimpinella  nicht  der  Fall  ist. 
Das  Holzprosenchym  des  Heracleum  besteht  nämlich  grösstentheils  aus 
eigentlichen  dickwandigen,  porösen  Holzzellen,  welche  beim  Brechen  Wider- 
stand leisten,  während  die  Biberneilwurzel  ganz  glatt  abbricht. 

Radix  Levistiei. 

Radix  Ligustici.  Liebstöckel  wurzel.1)  Racine  de  Liveche.  Lovage. 

Levisticum  officinale  Koch.  — Umbelliferae. 

Syn Levisticum  vulgare  Rchbch. 

Ligusticum  Levisticum  L. 

Angelica  Levisticum  Allione. 

Diese  ausgezeichnete  Umbellifere  ist  in  den  Gebirgen  Süd-Europas  ein- 
heimisch, z.  B.  auf  den  Pyrenäen,  in  Südfrankreich,  auf  den  Apenniuen, 
(daher  der  frühere  Name  Ligusticum,  — von  den  ligurischeu  Apenninen)  in 
Savoien,  Siebenbürgen,  nach  einer  Angabe  auch  im  Lüttich’schen. 

Als  beliebte  Arzneipflanze  wird  sie  sehr  häufig  in  Bauerngärten  gezogen, 
besonders  in  Gebirgsgegenden,  in  der  Schweiz  (Graubünden,  Wallis  u.  s.  f.) 
bis  zu  5000  — 6000  Fuss  Meereshöhe,  auch  weit  nach  Norden. 

Die  bis  ungefähr  0,40m  erreichende  hell  braungraue  Wurzel  theilt  sich 
entweder  schon  ganz  oben , oder  erst  in  einiger  Entfernung  von  dem  mit 
häutigen  Blattresten  umgebenen  Wurzelkopfe  in  nicht  sehr  zahlreiche  Aeste. 
Fast  nur  das  ungetheilte  Stück,  welches  (trocken)  oft  über  0,02m  Dicke 
hat,  ist  ziemlich  dicht  und  fein  geringelt  und  die  ganze  Wurzel  überall 
längsrunzelig.  Sie  ist  weich,  kurz  und  glatt  brechend  und  schueidet  sich 
wachsartig;  sie  gelangt  meist  gespalten  und  aufgefädelt  in  den  Handel. 
Der  Querschnitt  zeigt  strahligen  Bau,  eine  starke  weissliche  Mittelrinde, 


1)  Lubestechenwurz , Lubestechil,  Lustecheu , auch  „rinde  ab  dem  lubstechen“  im  XIII. 
Jahrhundert,  in  den  Arzneibüchern  des  deutschen  Mittelalters,  Lubestuckel  bei  Hildegard 
um  1150,  lauter  Verstümmelungen  von  Aiyuatixov. 


304 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


duukelbraune  Inuenriude  und  Cambiumzone  und  einen  hellgelben  Holz 
körper;  sehr  häufig  aber  ist  das  Innere  etwas  missfarbig.  Die  Rinde  quillt 
beim  Aufweichen  sehr  stark  auf,  so  dass  alsdann  ihre  Breite,  auch  in  der 
Hauptwurzel,  den  Durchmesser  des  Holzkörpers  übertrifft.  Die  feinen  Mark- 
strahlen des  letzteren  setzen  bis  in  die  Mittelrinde  fort,  während  die  Innen- 
rinde auch  noch  kürzere  sekundäre  Markstrahlen  zeigt. 

Die  Baststrahleu  verlaufen  nach  aussen  etwas  schlängelig  und  zeigen 
beim  Uebergange  in  die  Mittelrinde  grosse  Lücken.  Das  ganze  eigentliche 
Rindeugewebe,  nicht  die  Markstrahlen,  enthält  zahlreiche  braungelbe  Balsam- 
gänge, deren  Durchmesser  den  der  Gefässe  übertrifft;  sie  sind  in  unregel- 
mässige Kreise  geordnet  und  am  häufigsten  in  kurzem  Abstande  vom  Carn- 
bium.  Nur  die  Hauptwurzel  enthält  ein  lockeres,  nicht  scharf  abgegrenztes 
Mark  von  geringem  Geschmacke. 

Die  wenig  entwickelte  Korklage  ist  aus  tafelförmigen  Zellen  mit  zarten» 
geschlängelten  Wänden  gebildet.  Damit  koutrastirt  sehr  die  unmittelbar 
folgende  äusserste  Schicht  der  Mittelrinde,  welche  besonders  in  den  Wurzel- 
ästen aus  sehr  dickwandigen,  hier  wenig,  in  der  Hauptwurzel  aber  stark  in 
tangentialer  Richtung  gestreckten  Zellen  besteht.  Die  Inuenriude  ist  in  den 
Wurzelästen  so  breit,  in  der  Hauptwurzel  breiter  als  die  Mittelrinde  und 
aus  (im  Querschnitte)  mehr  eckigen  als  kugeligen,  etwas  dickwaudigen, 
ziemlich  regelmässig  radial  geordneten  Zellen  gebildet,  welche  gegen  die 
Cambiumzone  zu  an  Grösse  sehr  abnehmen  und  im  Längsschnitte  axial 
gestreckt  sind,  ohne  aber  in  eigentliche  Baströhren  iiberzugeheu. 

Die  Balsamgänge  erscheinen  im  Querschnitte  als  rundlich -elliptische 
Höhlungen  von  höchstens  100  Mikromill.  Durchmesser,  welche  von  wenigen 
Reihen  platter  Zellen  mit  zarten  gelben  Wandungen  umgeben  sind.  Sie 
erreichen  eine  Länge  von  0,002  bis  0,003m,  bleiben  aber  ganz  einfach, 
ohne  Aeste  und  Querwände.  Der  Bau  dieser  Balsamgänge  kömmt  also  mit 
dem  der  entsprechenden  Bildungen  in  den  Compositen -Wurzeln  (z.  B.  Rad. 
Pyrethri,  Rhiz.  Arnicae  u.  s.  f.)  überein,  ebenso  der  klare,  dickflüssige 
Inhalt,  welcher  oft  grössteutheils  ausgetreten  ist  und  das  benachbarte 
Gewebe  mit  braunen  oder  rothgelben  erhärteten  Flocken  erfüllt.  Frisch  ist 
der  Balsam  farblos. 

Die  Markstrahlen,  welche  die  Innenrinde  durchsetzen,  enthalten  nur 
2 — 4 Reihen  schmaler,  radial  gestreckter  und  dadurch  vom  Riudengewebe 
scharf  unterschiedener  Zellen.  In  vertikaler  Richtung  sind  die  Markstrahlen 
meist  über  30  Reihen  mächtig. 

Die  Netzgefässe  oder  Spiralgefässe,  selten  über  40  Mikromill.  dick, 
stehen  in  radialen  Reihen  einzeln  oder  zu  mehreren  genähert;  sie  sind  von 
nur  wenig  gestrecktem,  spitzendigem  und  nicht  verholztem,  aber  gleich  dem 
Innenrinde-Prosenchym  äusserst  fein  spiralig  gestreiftem  Gewebe  umgeben, 
welches  keine  Balsamgänge  umschliesst,  wohl  aber  Stärkekörner  enthält. 
Letztere  sind  reichlicher  in  der  Rinde,  weniger  in  den  Markstrahleu  ent- 
halten, von  kugeliger  oder  halbkugeliger  Gestalt  und  bis  10  Mikromill.  Durclnn. 


Radix  Angelicae. 


305 


Kalkoxalat-Krystalle  fehlen  dieser  Wurzel,  wie  auch  den  übrigen  officinellen 
Wurzeln  der  Umbellifereu. 

Der  Geruch  der  Levisticum -Wurzel  ist  stark  und  sehr  eigenthümlich, 
der  Geschmack  scharf  aromatisch-bitterlich,  zugleich  etwas  süsslich. 

Aetherisches  Oel  und  Harz  in  geringer  Menge  bedingen  den  Geruch  und 
Geschmack;  ausserdem  enthält  die  Wurzel  die  gewöhnlichen  Bestandtheile 
der  Umbelliferen -Wurzeln,  Gummi,  Zucker,  Pektin,  Aepfelsäure  (letztere 
zur  Blüthezeit  sehr  reichlich,  Dessaignes),  wohl  auch  Angelicasäure. 

Die  Blätter  riechen  kräftiger  als  die  Wurzel,  welche  ungeachtet  ihres 
starken  Geruches  kaum  1 p.  Mille  ätherisches  Oel  gibt.  Das  Harz  liefert 
bei  der  trockenen  Destillation  auch  Umbelliferon  (vergl.  bei  Rad.  Sumbul). 

Der  Liebstöckel  wurde  im  Mittelalter  irrigerweise  für  das  Ligusticum 
der  Alten  (vermuthlich  Trochiscanthes  nodiflorus  Koch)  angesehen  und 
in  den  Arzneischatz  eingeführt.  Schon  Karl  der  Grosse  hatte  den  Anbau 
von  „Levisticum“  in  den  kaiserlichen  Gärten  befohlen.  Diese  Wurzel  ist 
sehr  dem  Insektenfrasse  ausgesetzt  und  zieht  leicht  Feuchtigkeit  an,  wes- 
halb sie  wohl  verschlossen  aufzubewahren  ist.  Ihr  Bau , weniger  ihr  Aus- 
sehen, gleicht  der  Rad.  Angelicae. 

Radix  Angelicae. 

Rad.  Angelicae  sativae.  Engelwurzel.  Racine  d’Angelique.  Angelica  root. 

Ueber  die  Stammpflanze  dieser  sehr  ausgezeichneten  Wurzel  herrschen 
noch  Zweifel.  Man  nimmt  gewöhnlich  Archangelica  officinalis  Hoffmann 
(Syn. : Augelica  sativa  der  Botaniker  des  XVI.  Jahrhunderts,  Angelica 
officinalis  Mönch,  Angelica  Archangelica  Linn.)  an,  eine  der  grössten  Umbelli- 
feren, welche  hauptsächlich  dem  hohen  Norden  angehört,  wo  sie  bis  zur 
Disko-Bai  in  West-Grönland,  in  70°  nördl.  Breite,  auf  Island,  in  ganz  Skan- 
dinavien bis  zum  Nordkap,  durch  Sibirien  bis  Kamtschatka,  vom  Meeres- 
ufer bis  über  die  Birkengrenze  in  den  Gebirgen  sehr  häufig  ist.  Nach  Süden 
scheint  sie  durch  Norddeutschland  nur  bis  zu  den  deutschen  Mittelgebirgen 
(Sudeten,  Böhmerwald,  Karpathen)  stellenweise  vorzukommen.  Süddeutsch- 
land, Frankreich  und  der  Schweiz  fehlt  sie  schon  ganz,  wird  indessen  noch 
für  Steiermark  und  Kärnthen  angegeben.  (?) 

Nach  Berlin  (1848)  ist  die  zweijährige,  in  der  Kultur,  wie  es  scheint, 
perennirende Wurzel  dieser  Pflanze  eine  schwammige,  lange,  mit  nur  3 bis 
6 dicken  Aesten  besetzte  Pfahlwurzel,  welche  weniger  aromatisch  ist  als 
die  officinelle  Engelwurzel.  Sch  übel  er1)  dagegen  findet  sie  aromatischer 
als  die  z.  B.  von  Hamburg  in  Norwegen  eingeführte  Wurzel  der  Apotheken 
und  hält  dafür,  dass  diese  kaum  von  Archangelica  officinalis  abstammen 
könne.  In  der  That  hat  auch  Fries  die  Stammpflanze  unserer  officinellen 


J)  Culturpflanzeu  Norwegens  S.  95. 
Flückiger,  Pharmakognosie. 


20 


306 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


Wurzel  als  Archangelica  scitiva  (Syn.:  Augelica  Arcliaugelica  Var.  sativa 
Linn.,  A.  sativa  Miller)  getrennt. 

Bei  den  durch  Kultur  veränderten  Wurzeln  der  Doldenpflanzen,  z.  B. 
bei  Daucus  Carota  und  Pastinaca  sativa  unterscheidet  sich  die  Kulturform 
durch  einfachere,  vollere  Gestalt  und  Mangel  au  Aesten.  Bei  Augelica 
würde  das  Gegentheil  stattfinden,  wenn  die  gewöhnliche  Annahme  richtig 
wäre,  dass  Archangelica  sativa  höchstens  eine  Varietät  der  in  der  arktischen 
Region  wildwachsenden  Archangelica  sei. 

Die  Handelswaare  stammt  von  Pflanzen,  welche  in  Thüringen  und  im 
Erzgebirge  gezogen  werden  und  ist,  im  Gegensätze  zu  der  skandinavischen 
Wurzel,  ausgezeichnet  durch  die  sehr  zahlreichen  und  starken  Aeste,  welche 
überall  aus  der  mit  Blattresten  besetzten  Stengelbasis  (Wurzelstock)  ent- 
springen, so  dass  die  eigentliche  Hauptwurzel  nur  kurz  bleibt,  oder  kaum 
zu  unterscheiden  ist.  Der  Wurzelkopf  ist  bis  0,050“,  die  Aeste  am  Ursprünge 
über  0,010“  dick  und  bis  0,30“  lang,  das  ganze  von  braungrauer,  oft 
etwas  röthlicher  Farbe,  zu  oberst  fein  geringelt  und  im  Uebrigen  breit  längs- 
furchig. Die  Wurzeläste  sind  abwärts  gebogen,  zu  einem  wirren  Zopfe 
vereinigt,  tragen  zahlreiche  vereinzelte  Querhöcker chen  und  lösen  sich 
oft  noch  in  zahlreiche  kleinere , zum  Theil  haarfeine  Zasern  auf.  Da  und 
dort  finden  sich  auch  rothbraune  Körner  ausgetretenen  Balsams  auf  der 
Oberfläche. 

Der  Querschnitt  (der  Wurzeläste)  erinnert  an  die  übrigen  officiuellen 
Umbell iferen -Wurzeln,  zunächst  etwa  an  Pimpiuella  Saxifraga.  Doch  ist 
Piad.  Angelicae  noch  regelmässiger  strahlig  gebaut,  besitzt  auffallend  weitere, 
in  den  Baststrahlen  zu  einfachen  radialen  Reihen  geordnete  Balsamgänge, 
ihr  gelblicher  Holzkern  ist  gleich  dick  oder  viel  dicker  als  die  Breite  der 
aufgeweichten  Rinde  und  die  Markstrahlen  pflegen  im  Holze  so  breit  oder 
breiter  zu  sein  als  die  oft  zweischenkligen  Gefässbüudel.  Bei  der  noch 
ähnlicheren  Rad.  Levistici  sind  die  Markstrahlen  nur  sehr  schmal,  der 
Durchmesser  des  Holzkernes  höchstens  von  der  Breite  der  Rinde,  die  Balsam- 
gänge vielleicht  zahlreicher  als  bei  Angelica , aber  mehr  zerstreut , nicht  in 
regelmässigen  radialen  Reihen  und  weniger  weit.  Die  Hauptwurzel  und  ihr 
Kopf  unterscheiden  sich  durch  noch  stärkere  Entwickelung  des  Holzkerues, 
welcher  hier  auch  noch  ein  lockeres  Mark  einschliesst. 

Die  einzelnen  Gewebe  der  Angelica  sind,  von  der  angegebenen  Verschie- 
denheit in  ihrer  Anordnung  und  relativen  Ausdehnung  abgesehen,  gleich  be- 
schaffen wie  bei  Rad.  Levistici  oder  Rad.  Pimpinellae.  Die  Stärkmehlkörner 
der  Angelica  pflegen  nur  3 bis  5 Mikromill.  zu  messen,  dieGefässe,  im  Durch- 
schnitt 60 — 70Mikrom.  weit,  werden  von  den  bis  200  Mikrom.  erreichenden 
Balsamgängen  übertroffen.  Die  grössten  derselben  stehen  sehr  vereinzelt 
an  der  äussersten  Grenze  der  liickigen  Inuenriude  und  zeigen  den  gewöhn- 
lichen Bau,  bisweilen  im  Innern  eine  Querfalte.  Der  Balsam  ist  im  frischen 
Zustande  licht  goldgelb. 

Die  Engelwurzel  ist  von  schwammiger  Consistenz,  schneidet  sich  wachs- 


Eadix  Sumbul. 


307 


artig  und  bricht,  wegeu  der  Abwesenheit  eines  eigentlichen  derben  Holz- 
körpers , glatt  ab.  Sie  ist  weniger  hygroskopisch  als  Rad.  Levistici , aber 
noch  weit  mehr  dem  Angriffe  der  Insekten  ausgesetzt  und  in  der  Tliat 
schwer,  vor  dem  kleinen  Bohrkäfer  Anobium  paniceum  Fabric.  (Ptinideae) 
zu  schützen. 

Geruch  und  Geschmack  der  Wurzel  stimmen  nahezu  mit  dem  Aroma 
der  Rad.  Levistici  überein,  doch  riecht  und  schmeckt  die  Engelwurzel  noch 
kräftiger  durchdringend  und  weit  angenehmer. 

Das  ätherische  Oel  beträgt  nur  lh  bis  3A  pC. , das  Harz  etwa  6 pC. 
Aus  dem  Gemenge  beider,  dem  Angelicabalsam,  erhielt  Büchner  durch 
Kali  das  harzartige,  krystallisirbare  Angelicin,  welches  den  Geschmack 
der  Wurzel  besitzt,  aber  nicht  näher  untersucht  ist.  Wird  die  alkalische 
Masse  mit  Schwefelsäure  destillirt,  so  geht  (etwa  7 3 pC.)  Angelicasäure 
G5  II8 1>-  über.  Sie  krystallisirt,  ist  mit  Oel- und  Acrylsäure  homolog  und 
kann  auch  aus  Radix  Sumbul  (siehe  diese),  aus  dem  ätherischen  Oele 
der  Anthemis  nobilis  (siehe  Flores  Chamomillae  romanae) , so  wie  durch 
Spaltung  des  Peucedauins  (siehe  Rhizoma  Imperatoriae)  und  des  Laser- 
pitins  erhalten  werden.  Das  Harz  liefert  in  ähnlicher  Weise.  Umbelliferon 
wie  das  der  Rad.  Sumbul. 

Bei  der  Darstellung  der  Angelicasäure  gewinnt  man  auch  Baldriansäure. 
Ferner  enthältdie  Wurzel  Zucker,  Fett,  Wachs,  Gerbstoff  und  wie  es  scheint, 
noch  einen  besonderen  Bitterstoff. 

Im  Norden  ist  dieWurzel  der  dortigen  Archangelica  officinalis  seit  den 
ältesten  Zeiten  eines  der  beliebtesten  Gewürze  und  Hausmittel.  In  Grön- 
land, Island  und  Skandinavien  werden  auch  die  Stengel  und  Blattstiele, 
vou  den  Lappen  sogar  die  Dolden  begierig  verzehrt;  es  wird  hauptsächlich 
der  süsse  Geschmack  der  Pflanze  hervorgehoben , welcher  unsere  Wurzel 
wenigstens  nicht  auszeiclmet.  Die  norwegische  und  isländische  Gesetz- 
gebung beschäftigte  sich  schon  im  XI.  Jahrhundert  mit  „Angelica- 
Gärten;“  im  Mittelalter  gelangte  solche  nordische  Wurzel  nach  Deutschland, 
wo  die  Mönche  sich  schon  frühe  gleichfalls  mit  dieser  Kultur  befassten. 

DieWurzel  der  in  ganz  Europa  sehr  gemeinen  Angelica  sylvestris  ist 
hellgelb,  nur  sehr  wenig  ästig,  aber  mit  einem  starken,  festen  Holzkörper 
versehen.  Die  Inuenrinde  allein  enthält  wenige  engere  Balsamgänge,  deren 
Inhalt  aber  bei  weitem  nicht  so  angenehm  und  kräftig  gewürzhaft  riecht  wie 
die  Eugelwurzel.  Schon  im  September  ist  dieWurzel  der  A.  sylvestris  sehr 
zusammengefallen  und  frei  von  Stärke. 

Radix  Sunibul. 

Rad.  Sunbul  s.  Sanbul.  Moschuswurzel.  Racine  de  musc  ou  de  Sumbul. 

Diese  Wurzel  wurde  etwa  seit  1835  aus  der  Bucharei  über  Nischni- 
Nowgorod  zunächst  zu  Parfümerie -Zwecken  als  Ersatz  des  Moschus,  dann 
als  Mittel  gegen  die  Cholera  in  Russland  eingeführt,  ohne  dass  aber  bis  jetzt 

20  * 


308 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


ihre  Heimat  und  Abstammung  ermittelt  wäre.  In  Deutschland  gab  zuerst 
Dierbach1)  Bericht  über  dieselbe. 

Es  ist  eine  einfache  oder  nur  in  einige  wenige  Aeste  ausgehende , bis 
gegen  0,1 00m  dicke,  und  wie  es  scheint,  etwa  eben  so  lange  rübenförmige 
Pfahlwurzel,  welche  besonders  oben  dicht  geringelt  und  mit  zahlreichen 
haardünnen,  hellgelblich  grauen  Zasern  besetzt  ist.  Selten  scheint  sie  mehr- 
köpfig zu  sein.  Die  grauliche  Oberfläche  ist  runzelig  und  höckerig,  an 
grösseren  Stücken  aber  etwas  bräunlich  mit  grünlichem  Schimmer,  glatt 
und  glänzend.  Der  Kork  lässt  sich  hier  in  grossen  papierartigen  Lappen 
abreissen.  Manche  Stücke  tragen  noch  die  vertiefte , wenig  oder  gar  nicht 
beschopfte  Stengelnarbe.  Eine  dichtere,  röthlichere  Sumbulwurzel  von 
schwächerem  Gerüche,  welche  aus  Bombay  nach  England  kam,  dürfte 
verschiedenen  Ursprunges  sein. 

Der  Querschnitt  zeigt  eine  ungefähr  0,005m  breite,  von  etwas  gebogenen 
Strahlen  durchsetzte,  schmutzig  weisse  Rinde,  eine  sehr  unregelmässig  ver- 
laufende schmale,  dunklere  Cambiumzone  und  innerhalb  derselben  ein 
höchst  charakteristisches,  unregelmässiges  Gewirre  von  schmalen  gelblichen, 
geraden  oder  manigfach  gekrümmten  Holzlamellen.  Das  mehlige,  schnee- 
weisse  oder  manchmal  etwas  missfarbige  Füllgewebe  (den  Markstrahlen 
entsprechend),  in  welches  das  Holz  eingebettet  ist,  zeigt  nicht  strahlige 
Anordnung,  und  im  Centrum  ist  ein  bestimmt  abgegrenztes  reines  Mark 
auch  nicht  zu  unterscheiden.  Gefässe  sind  fast  nur  in  der  äussersten  peri- 
pherischen Region  der  Holzlamellen  vorhanden , da  wo  dieselben  tief  aus- 
gezackt, fast  kammförmig  in  die  Innenrinde  eingreifen.  Einzelne  der  gelb- 
lichen Lamellen  des  Innern  convergiren  zu  geschlängelten,  strahligen  Wirbeln. 
Der  ganze  sonderbare  Bau  erinnert  an  den  der  Rhabarber  und  tritt  aufs 
zierlichste  zu  Tage,  wenn  man  einen  dünnen  Schnitt  mit  Jodwasser  tränkt, 
wodurch  sich  die  dem  Marke  und  deu  Markstrahleu  entsprechenden  Theile 
blau  färben.  Es  zeigt  sich  hierbei,  dass  in  der  Rinde  die  Markstrahlen  fast 
ganz  geschwunden  sind  und  häufig  an  ihrer  Stelle  nur  grosse  Lücken  die 
Baststrahlen  auseinander  halten  und  der  Rinde  eine  schwammige  Textur 
verleihen.  Auch  im  Innern  kommen  häufig  grosse  Lücken  vor. 

Die  Handelswaare  besteht  theils  aus  grösseren  und  kleineren  kegel- 
oder  rübenförmigen  Pfahlwurzeln,  theils  aus  Querscheiben  oder  der  Länge 
nach  gespaltenen  grösseren  Stücken.  Die  Schnittflächen  sind  oft  durch 
reichlich  ausgetretenes  Harz  hell  graulich  gefärbt  und  glänzend. 

Das  markige  Innere  der  Wurzel  ist  aus  sehr  grossen  (bis  100  Mikromill. 
messenden),  im  Wasser  stark  aufquellenden  kugeligen  Zellen  gebildet,  welche 
ganz  unregelmässig  nach  allen  Richtungen  von  dünnen  Lamellen  gelblichen 
Holzprosenchyms  durchsetzt  werden.  Die  Zellen  der  letzteren  sind  dicht 
gedrängt,  aber  nicht  porös  und  ziemlich  dünnwandig;  Gefässe  kommen 
selten  vor,  etwas  häufiger  Balsamgänge.  Eigentliche,  aber  immerhin  nicht 


J)  in  Geigers  pharm.  Botanik  1840. 


Radix  Sumbul. 


309 


ansehnliche  Gefässbündel  finden  sich  nur  an  der  Peripherie;  sie  enthalten 
eine  etwas  grössere  Zahl,  ungefähr  bis  70  Mikromill.  weiter,  häufig  stark 
gebogener  Tüpfelgefässe  und  greifen  strahlenförmig  in  die  Innenrinde  ein. 
In  derselben  entsprechen  grosse  Baststrahlen  den  Gefässbündeln  und 
nehmen  den  grössten  Theil  der  Rinde  ein.  Zwischen  den  Gefässbündeln 
durchbrechen  nur  schmale  Markstrahlen  das  Cambium , verbreitern  sich 
aber  etwas  in  der  Innenrinde  und  verlieren  sich  gegen  die  nur  sehr  schmale, 
kleinzellige  Mittelrinde.  In  der  Innenrinde  sind  die  Markstrahlen  aus  etwa 
2 Reihen  radial  gestreckter,  grosser,  eiförmig-eckiger  Zellen  gebaut,  der 
dunklere  Bast  aus  kurzen,  spitzendigen,  etwa  25  Mikrom.  dicken,  ästigen 
und  dicht  verfilzten,  biegsamen  Baströhren.  Ihr  Verlauf  erinnert  an  den 
des  Bastprosenchyms  der  Rhabarber,  indem  einzelne  starke  Baststränge 
sich  th eilen  und  um  ganze  Parenchympartieen  herumbiegen.  Immerhin  ist 
bei  Radix  Sumbul  diese  Anordnung  der  Baststränge  nicht  regelmässig 
genug,  um  der  Wurzel  ein  ähnliches  gefeldertes  Aussehen  zu  geben,  wie  es 
die  Rhabarber  aufweist.  Die  Baststrahlen  schlossen  nicht  sehr  zahlreiche 
vereinzelte  Balsam-  oder  Harzgänge  von  etwa  70  bis  140  Mikrom.  Durch- 
messer ein,  welche  den  gewöhnlichen  Bau  (vergl.  z.  B.  Rad.  Levistici) 
besitzen  und  häufiger  durchsichtige,  eckige,  gelbliche  Harzklümpchen  ein- 
schliessen  als  Balsamtropfen. 

Die  Aussenrinde  ist  aus  etwa  50  Lagen  brauner  Kork-  fafelzellen  gebil- 
det. Kleine  Kreise  derselben  (Rindenkapseln)  finden  sich  mitunter  in  der 
Mittelrinde. 

Das  Parenchym  der  Sumbulwurzel  enthält  sehr  zahlreiche  bis  40  Mikromill. 
messende,  eiförmige  oder  kugelige  Amylumkörner,  welche  also  weit  grösser 
sind  als  die  der  (officinellen)  Umbelliferenwurzeln. 

Der  Geruch  der  Sumbulwurzel  erinnert  sehr  an  Moschus  und  zugleich 
an  Radix  Angelicae.  Sie  schmeckt  aromatisch  und  bitterlich.  — Als  Speci- 
ficum  gegen  Cholera  hat  sie  sich  nicht  bewährt. 

Sie  liefert  gegen  9 pC.  eines  weichen  in  Aether  löslichen  Balsams,  der 
nur  sehr  wenig  ätherisches,  nach  Angelica  riechendes  Oel  gibt.  Den  Moschus- 
gernch  nimmt  der  Balsam  erst  durch  Berührung  mit  Wasser  recht  an.  Er 
löst  sich  mit  prächtig  blauer  Farbe  in  concentrirter  Schwefelsäure  und 
erhält  auch  bei  der  trockenen  Destillation  dieselbe  Farbe,  indem  ein  blaues 
Oel  übergeht.  Kalilauge  verwandelt  den  Balsam  in  eine  krystallinische 
Masse,  welche  grösstentheils  aus  dem  Kalisalze  der  von  Reinsch  (1844) 
krystallisirt  erhaltenen,  aber  nicht  näher  untersuchten  Sumbulamsäure 
besteht.  Sie  riecht  sehr  stark  nach  Moschus  und  scheint  verschieden  zu 
sein  von  einer  zweiten  Säure,  Sumbul-  oder  Sumbu lolsäure,  deren 
Kalisalz  sich  der  erwähnten  krystallinischen  Salzmasse  durch  Wasser  ent- 
ziehen lässt.  Nach  Ricker  u.  Reinsch  (1848)  ist  diese  Säure,  wovon 
die  Wurzel  ihnen  gegen  34  pC.  lieferte,  nichts  anderes  als  Angelicasäure, 
auch  hier  wie  in  Rad.  Angelicae  begleitet  von  etwas  Baldriansäure. 

Sehr  der  Bestätigung  bedürftig  ist  das  (1853)  von  Murawjeff 


310  Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 

dargestellte  S um  b ul  in,  welches  sich  mit  Säuren  zu  krystallisirten  Salzen 
verbinden  soll. 

Sommer  zeigte  (1859),  dass  bei  der  trockenen  Destillation  des 
Sumbulharzes  so  gut  wie  bei  gleicher  Behandlung  der  Harze  aus  Gal- 
banum , Sagapenum,  Asa  foetida,  oder  aus  Cortex  Mezerei,  so  wie  aus 
Rad.  Angelicae,  Meu,  Levistici  und  hhizoma  Imperatoriae  das  merkwürdige 
Umbelliferon  G6H+02  auftritt.  Obwohl  farblose  Krystalle  bildend,  gibt 
es  doch  blau  irisirende  Lösungen  und  ist  zum  Theil  Ursache  der  schon  von 
R e i n s c h wahrgenommenen  blauen  Färbung  der  Destillationsprodukte  seines 
Sumbulbalsams.  Das  Umbelliferon  ist  procentisch  gleich  zusammengesetzt 
wie  das  Chinon. 

Re  ins  ch  hatte  unter  der  Sumbulwurzel  Blüthen  und  Früchte  einer 
unbekannten  Dolde  gefunden,  welche  er  für  die  Stammpflanze  der  Wurzel 
hält  und  Sumbulus  moschatus  nennt.  Das  Vorkommen  der  Angelicasäure 
n der  Wurzel  und  ihr  übriges  chemisches  Verhalten  sprechen  gleichfalls  für 
die  Ableitung  der  Droge  aus  dieser  Pflanzenfamilie.  Auch  ihr  anatomischer 
Bau  bietet  im  allgemeinen  die  freilich  nicht  sehr  eigenthiirnlicheu  Verhält- 
nisse der  Umbelliferenwurzeln  dar. 

Sumbul  scheint  bei  den  Arabern  und  Persern  überhaupt  eine  wohl- 
riechende Droge  zu  bezeichnen.  Sie  nennen  z.  B.  auch  Valeriana  celtica  so 
oder  Simbil. 


Rliizoma  Imperatoriae. 

Rad.  Imperatoriae  s.  Ostruthii.  Rad.  Imperatoriae  albae.  Caudcx  Impe- 
ratoriae. Meisterwurzel.  WeisseAbstränze.  Racine  d’Imperatoire.  Master  wort. 

Imperatoria  Ostruthium  L.  — ümbelliferae. 

Syn.:  Peucedanum  Ostruthium  Koch. 

Ausdauernde  Doldenpflanze  der  mitteleuropäischen  Gebirge  (Auvergne, 
Alpen,  Erzgebirge),  auch  noch  in  Pommern  und  Island  vorkommend,  stellen- 
weise wie  z.  B.  im  Jura  fehlend.1)  Bisweilen  wird  sie  auch  cultivirt,  wobei 
aber  die  Wurzelbildung  abweicht. 

Das  Wurzelsystem  der  Imperatoria  ist  ziemlich  eigenthümlich,  wenigstens 
von  dem  der  übrigen  (officinellen)  Umbelliferen  sehr  abweichend.  Der 
Hauptsache  nach  besteht  es  aus  einem  bis  etwa  0,10'"  langen,  meist  stark 
plattgedrückten,  0,015"'  breiten  Wnrzelstocke  von  graubrauner  Farbe.  Der- 
selbe ist  gewöhnlich  unregelmässig  gekrümmt,  durch  Blattnarbeu  geringelt, 
kurz  längsfurchig  und  mit  zahlreichen  starken  Höckern  und  erhabenen 
Wurzelnarben  oder  Querwülsten  besetzt,  so  dass  die  Oberfläche  ein  sehr 
eigenthiimliches  Aussehen  darbietet,  das  entfernt  au  den  Wurzelstock  des 
Rumex  alpinus  (vergl.  Rliizoma  Rhei  Monachorum)  erinnert. 


1)  das  von  Sibthorp  augegebenu  Vorkommen  auf  Cypcrn  ist  nach  Unger  vcrmuthlich 
unrichtig. 


Rhizoma  Imperatoriae. 


311 


Gewöhnlich  ist  der  Wurzelstock  der  Imperatoria  ästig  oder  doch  mehr- 
köpfig; er  treibt  neben  kleineren  Wurzeln  mehrere  ihn  an  Länge  oft  über- 
treffende bis  0,005m  dicke,  cylindrische , holzige  Ausläufer,  welche  gerade 
oder  bogenförmig  zur  Erdoberfläche  dringen,  dort  neue  Stengel  entwickeln 
und  sich , nachdem  dieselben  abgestorben , an  der  Spitze  zu  selbständigen 
Wurzelstöcken  verdicken. 

Die  Ausläufer  sind  entfernt  knotig  gegliedert,  etwas  bewurzelt,  gegen 
die  Spitze  geringelt,  sehr  tief  längsrunzelig,  aber  nur  wenig  höckerig. 
Manchmal  sind  2 — 3 verkürzte,  etwas  aufgetriebene  Wurzelstöcke  durch 
nur  sehr  wenig  entwickelte  astförmige  Ausläufer  verbunden  und  erhalten 
dadurch  ein  unregelmässig  knollenartiges,  fast  den  Aconitum -Knollen 
(vergl.  Tuber  Aeoniti)  vergleichbares  Aussehen.  Die  Wurzelköpfe  oder 
Knollen  tragen  entweder  eine  vertiefte  Stengelnarbe  oder  sind  vom  Stengel- 
stumpfe  oder  von  wenig  zahlreichen  häutigen , rothbraunen  Blattresten 
gekrönt,  nicht  beschopft.  Niemals  trifft  man  in  der  Handelswaare  das  ganze 
Wurzelsytem  unversehrt  an. 

Der  Querschnitt  durch  den  Wurzelstock  bietet  einen  ganz  geschlossenen, 
sehr  schwach  gelblichen,  nur  ungefähr  0,001m  breiten  Holzring  dar,  dessen 
einzelne  breit  keilförmige  Gefässbündel  durch  etwas  schmalere  Markstrahlen 
auseinander  gehalten  sind. 

Die  Rinde,  wenig  breiter  als  der  Holzring,  enthält  in  der  inneren  Hälfte 
dunklere,  keil-  oder  bogenförmige,  glänzende  Bastpartien,  unterbrochen 
von  lockerem , oft  lückigem  Parenchym  der  Markstrahlen.  Die  Mittelrinde 
ist  von  wenigen  Lagen  bräunlicher  Korkzellen  bedeckt. 

Die  Gefässbündel  enthalten  nach  innen  zu  starke  Holzstränge , wovon 
oft  zwei  benachbarte  zusammenfliessen,  so  dass  zweischenklige  Gefäss- 
bündel mit  einfachen  abwechseln.  Den  Kern  des  Wurzelstockes  wie  auch 
der  Ausläufer  nimmt  ein  bedeutendes  lockeres  Mark  ein,  welches  sehr  weite, 
oft  im  Durchmesser  gegen  0,001'"  erreichende  Balsamgänge  besonders  in 
seinen  äusseren  Theilen  einschliesst.  Auch  im  Basttheile  der  Rinde,  so  wie 
in  der  Mittelrinde  finden  sich  dergleichen  doch  gewöhnlich  etwas  engere 
Balsamgänge,  welche  denselben  Bau  besitzen,  wie  in  andern  Umbelliferen- 
oder  Compositen  -Wurzeln. 

Einen  sehr  abweichenden  Querschnitt  bieten  die  nicht  zu  neuen  Wurzel- 
stöcken auslaufenden  (Neben-)Wurzeln.  Es  fehlt  ihnen  das  Mark,  so  dass 
sich  che  schmalen  Gefässbündel  bis  in  das  Centrum  verlängern,  von  welchem 
sehr  regelmässige  Markstrahlen  ausgeheu  und  sich  in  der  Rinde  zwischen 
den  Bastkeilen  ausbreiten.  Der  Holzkeru,  worin  auch  Jahresschichten 
angedeutet  sind,  ist  hier  ganz  frei  von  Balsamgängen,  welche  nur  in  den 
Bastkeilen  vereinzelt  zu  4 bis  6 in  radialer  Reihe  auftreten.  Der  Mangel 
an  Balsamgängen  in  dem  strahligen  Kerne  lässt  also  die  letztere  Neben- 
wurzeln von  den  Ausläufern,  Knollen  und  Wurzelstöcken  wohl  unter- 
scheiden. 

Immer  bleiben  die  Gefässe  an  Durchmesser  (höchstens  70  Mikromill.) 


312 


Wurzelbildungen  der  Dikotylen. 


weit  hinter  den  Balsamgängen  zurück,  welche  einen  dicken,  gelben  Balsam 
führen,  der  oft  auch  die  Gefässe  durchtränkt. 

Die  einzelnen  Gewebe  zeigen,  im  Vergleiche  mit  den  übrigen  Umbelli- 
feren , in  ihrem  Bau  keine  sehr  erhebliche  Besonderheit.  Die  Zellen  der 
Markstrahlen  sind  auffallend  kubisch,  Baströhren  fehlen,  die  Gefässe  sind 
gegen  innen  von  porösem,  stark  verdicktem  Holzprosenchym  begleitet; 
das  grosszeilige,  fein  poröse  Markparenchym  so  wie  die  Markstrahlen 
und  die  Mittelrinde  strotzen  von  kleinen  (höchstens  7 Mikromill.)  kugeligen 
oder  eiförmigen  Amylumkörnern , neben  welchen  auch  Oeltröpfchen  und 
bräunliche  Körnchen  (Farbstoff?  Gerbsäure?)  sichtbar  sind. 

Der  derbe  Holzring  verleiht  der  Meisterwurzel  bedeutende  Festigkeit 
und  kurzen  Bruch;  nur  die  marklosen,  im  Centrum  ganz  vom  Holzkerne 
eingenommenen  Nebenwurzeln  brechen  eigentlich  langfaserig  holzig. 

Die  Wurzel  besitzt  einen  starken  aromatischen , eigentümlichen , nicht 
unangenehmen  Geruch  und  entsprechend  beissend  scharfen  Geschmack. 

Sie  ist,  wie  die  meisten  Umbelliferen-Wurzeln,  arm  an  ätherischem  Oele, 
wovon  sie  etwa  % pC.  gibt.  Dasselbe  ist  ein  Gemenge  eines  mit  Terpen- 
tinöl isomeren  Kohlenwasserstoffes  mit  sauerstoffhaltigen  Oelen.  Weit 
grösser  ist  der  Harzgehalt  der  Wurzel.  Osann  erhielt  (1831)  daraus  das 
Imperatorin,  einen  nicht  sublimirbaren , in  Prismen  krystallisirenden, 
in  weingeistiger  Lösung  brennend  aromatisch  schmeckenden  Körper. 
Wagner  zeigte  (1854),  dass  dasselbe  identisch  ist  mit  dem  Peuce- 
danin  G12H1203,  aus  der  Wurzel  von  Peucedanum  officinale  L.  Das 
Peucedanin  oder  Imperatorin  spaltet  sich  durch  Kali  in  weingeistiger 
Lösung  in  Angelicasäure  G5H80-2  und  krystallisirbares,  nicht  flüch- 
tiges Oreoselonhydrat  £7H+0-f-aq.  Alte  Wurzel  gibt  mehr  Peuce- 
danin als  frische  junge.  Das  Mikroskop  lässt  im  Gewebe  selbst  keine 
Krystalle  desselben  wahrnehmen , wie  überhaupt  Krystallbildungen  in  den 
Umbelliferen-Wurzeln  zu  den  Ausnahmen  zu  gehören  scheinen.  Nur 
das  früher  auch  als  schwarze  Meisterwurzel  officinelle  Rhizom  von 
Astrantia  major  (Rad.  Imperatoriae  nigrae)  enthält  Drusen  von  Kalk- 
oxalat. — Durch  trockene  Destillation  der  Meisterwurzel  oder  ihres  Harzes 
erhält  man  Umbelliferou  (vergl.  bei  Radix  Sumbul). 

Aus  einem  stickstoffhaltigen  Körper,  den  Wagner  aus  Rhiz.  Impera- 
toriae darstellte,  erhielt  er  bei  der  Behandlung  mit  Kali  eine  flüchtige  Base, 
welche  er  für  Coniin  erklärte,  was  indessen  noch  der  Bestätigung  bedarf. 

Die  Meisterwurzel  wurde  im  Mittelalter  in  den  Arzneischatz  eingeführt, 
Macer  floridus  schilderte  im  IX.  Jahrhundert  ihre  Heilkräfte,  Fuchs 
und  Tragus  beschrieben  sie  oder  bildeten  die  Pflanze  in  der  ersten  Hälfte 
des  XVI.  Jahrhunderts  ab;  ersterer  als  Laserpitium  germanicum.  Sie  dient 
jetzt  fast  nur  noch  in  der  Veterinärpraxis. 


Stipes  Dulcamarae. 


313 


fff  Oberirdische  Pflanzentheile. 

I.  Stengel. 

Stipes  Dulcamarae. 

Stipites  Dulcamarae.  Bittersüss.  Douce-amere.  Morelle  grimpante. 

Bitter -sweet. 

Solanum  Dulcamara  L.  — Solaneae. 

Durch  ganz  Europa  von  Spanien  und  Portugal  bis  zum  Polarkreise, 
auch  in  Syrien  und  Kurdistan,  so  wie  jetzt  bereits  in  Nordamerika  ver- 
breitete ausdauernde  strauchartige  Pflanze,  vorzüglich  feuchte  schattige 
Standorte  liebend.  Ihre  am  Grunde  holzigen,  oberhalb  mehr  schlaffen 
Stämme  sind  entweder  niederliegend  oder  erheben  sich  mannshoch  klim- 
mend und  rechtsläufig  windend.  Nur  die  ein-  und  zweijährigen  Triebe 
werden  vor  der  Entwickelung  oder  im  Spätjahre  nach  dem  Abfallen  der 
Blätter  gesammelt.  Sie  sind  mehrere  Fuss  lang,  bis  ungefähr  0,005m  dick, 
hell  grünlichbraun,  bald  cylindrisch,  bald  undeutlich  fünf-  (oder  vier-)  kantig, 
schwach  längsfurchig  oder  auch  etwas  höckerig.  Der  Stengel  bildet  eine 
(aus  successive  von  einander  abstammenden  Zweigen  bestehende)  Schein- 
axe,  ein  sogenanntes  Sympodium,  woran  die  endständigen,  wickelartig  ver- 
zweigten Blüthenstände  überdies  durch  Anwachsungen  extraaxillar  erschei- 
nen1). In  sehr  ungleichen,  bis  höchstens  gegen  0,10m  weiten  Abständen 
gehen  Zweige  und  Blätter  vom  Stämmchen  ab.  Das  obere  und  untere  an- 
stossende  Stengelglied  (Internodium)  bilden  jeder  solchen  Austrittsstelle 
eines  Zweiges  (Knoten)  gegenüber  einen  sehr  stumpfen  Winkel.  Die  Knoten 
folgen  sich  in  abwechselnder  Stellung  am  Stengel,  so  dass  dessen  Axe  eine 
sehr  unregelmässige,  von  Knoten  zu  Knoten  in  verschiedener  Richtung  ge- 
knickte Linie  darstellt. 

Die  dünne  bräunlich  graue  glänzende  Korkschicht  blättert  leicht  ab  und 
lässt  die  chlorophyllreiche  Mittelrinde  zu  Tage  treten.  Im  Innern  sind  die 
Stengel  meist  hohl,  nur  zum  Theil  noch  mit  weissem  oder  missfarbigem 
Marke  versehen.  Der  Holzring  ist  etwa  V2  oder  73  so  breit  wie  der  Durch- 
messer der  Höhlung,  die  grüne  Rinde  noch  bedeutend  schmäler  als  das  gelbe 
deutlich  strahlige  poröse  Holz,  dessen  2 oder  3 Jahresringe  in  älteren  Sten- 
geln scharf  abgegrenzt  sind. 

Die  jüngeren  Triebe  sind  mit  einer  Lage  grüngelber  flacher  dickwandiger 
Epidermiszellen  bedeckt,  von  denen  manche  sich  zu  einem  kurzen  stumpfen 
Haare  ausstülpen.  Die  unter  der  Epidermis  liegende  Schicht  grosser  zart- 
wandiger  würfelförmiger  Zellen  bildet  sich  sehr  bald  zu  ungefähr  6 Schich- 

1}  ßenau  erörtert  von  Wydlor:  Mittheilungen  d.  Natnrf.  Gesellsch.  in  Bern  1861. 


314 


Stengel. 


ten  gewöhnlicher  Korkzellen  um , wobei  die  Oberhaut  noch  eine  Zeit  lang 
erhalten  bleibt;  ihre  Haare,  wo  sie  dichter  stehen,  sind  durch  die  Loupe 
schon  sichtbar. 

Die  Mittelrinde  enthält  ungefähr  10  Reihen  Chlorophyll  führender,  dick- 
wandiger tangential  gestreckter  Zellen,  die  in  den  mittleren  Reihen  am 
grössten  werden.  An  der  Grenze  der  Innenrinde,  zu  einem  sehr  weitläufigen 
Kreise  geordnet,  stehen  vereinzelte  farblose,  stark  verdickte  Baströhren, 
tangential  gestreckt  und  von  gleicher  Grösse  wie  die  Mittelrindenzellen. 

Das  enge,  aus  zahlreichen  Lagen  gebildete,  fast  prosenchymatische 
Gewebe  der  Inneurinde  ist  weniger  reich  an  Chlorophyll;  einzelne  Zellen- 
gruppen sind  mit  äusserst  kleinen  dunkeln  Körnchen  gefüllt,  die  bei  stär- 
kerer Vergrösserung  eckig  und  im  polarisirten  Lichte  doppelt  brechend  er- 
scheinen — also  vermuthlich  Kalkoxalat  von  der  Form  wie  z.  B.  in  der 
Belladonna -Wurzel. 

Das  Holz  enthält  stark  verdicktes  poröses,  im  frischen  Zustande  grün- 
liches Prosenchym  mit  sehr  zahlreichen  grossen  Gefässen,  die  in  radialen  und 
tangentialen  Reihen  stehen.  Die  Gefässbiiudel  werden  von  sehr  zahlreichen 
Markstrahlen  durchschnitten,  deren  poröse  ein-  oder  zweireihige  Zellen  auch 
oft  noch  Chlorophyll  enthalten.  Das  Gewebe  des  Markes  ist  zunächst  am 
Holze  noch  aus  dickwandigen  Zellen  gebildet,  zwischen  welchen  einzelne 
Baströhren  wie  in  der  Innenrinde  Vorkommen;  ausserdem  enthält  dieses 
Gewebe  Chlorophyll,  ferner  jenes  bei  der  Innenrinde  erwähnte  dunkle 
(muthmassliche)  Oxalat  und  Amylum  in  sehr  kleinen  kugeligen  Körnern, 
welche  meist  nur  4 — 5 Mikromill.  und  häufig  noch  weit  weniger  messen, 
also  zu  den  allerkleinsten  Formen  gehören.  Die  inneren  Theile  des  Markes 
bestehen  aus  grösseren  zartwandigen  kugeligen  Zellen. 

Der  narkotische  Geruch  der  Bittersüsstengel  verliert  sich  beim  Trocknen 
ziemlich;  sie  schmecken  bitterlich,  nach  kurzem  Verweilen  im  Munde  aber 
süss.  Die  Bitterkeit  herrscht  im  Frühjahr  mehr  vor  als  im  Herbst.  Das 
von  Pfaff  als  Träger  dieses  merkwürdigen  Geschmackes  angegebene  Pikro- 
glykion  (21,8  pC. !)  scheint  ein  Gemenge  von  nicht  näher  untersuchtem 
Zucker  mit  Solaniu  zu  sein.  Desfosses  wies  in  Blättern  und  Stengeln, 
Peschier  noch  mehr  in  den  Beeren  des  Solanum  Dulcamara  das  (1820) 
vom  ersteren  aus  den  Beeren  des  Solanum  nigrum  zuerst  dargestellte  So- 
lanin nach,  welches  sich  auch  (nachHaaf  1* bis  2 p.  Mille  der  lufttrockenen 
Substanz)  in  den  unreifen  Kartoffeln  findet.  Es  schmeckt  bitter  kratzend. 
Winckler  machte  (1841)  aber  darauf  aufmerksam,  dass  das  Alkaloid  der 
Bittersüsstengel  (V3  p.  Mille)  nur  amorph  zu  erhalten  sei  und  sich  auch 
gegen  Platinchlorid  und  Quecksilberchlorid  vom  Solauin  der  Kartoffel  ab- 
weichend verhalte.  Moitessier  bestätigte  (1856)  diese  Verschiedenheit 
und  erhielt  nur  amorphe  Salze  des  Dulcamara-Solanius.  Zw  enger  u.  Kind 
einerseits  und  0.  Gmelin  andererseits  fanden  (1859  u.  1858),  dass  das 
Solanin  eine  aus  Zucker  und  einem  eigenthümlichen  krystallisirbareu  Al- 
kaloid Solanidin  gepaarte  Verbindung  ist.  Letzteres  gibt  durch  Einwir- 


Lignmn  Juniperi. 


315 


kung  von  concentrirter  Salzsäure  unter  Wasserabscheidung  das  amorphe, 
gleichfalls  basische  Solanicin.  Endlich  ist  auch  von  Wittsteiu  (1852) 
in  den  Stipites  Dulcamarae  ein  von  Solanin  abweichendes  bittersüss 
schmeckendes  amorphes  Alkaloid  Dulcamarin1)  (kaum  1 p.  Mille)  beob- 
achtet worden , dessen  Reactionen  weder  mit  dem  Kartoffel-Solanin , noch 
mit  dem  Winckler’schen  aus  Dulcamara  übereinstimmen. 

Es  dürfte  wohl  nach  diesen  noch  nicht  hinlänglich  aufgeklärten  Ver- 
hältnissen die  Vermuthung  gerechtfertigt  sein,  dass  in  der  Natur  selbst  das 
Alkaloid  der  Dulcamara  Veränderungen  erleide  und  nicht  oder  nicht  zu 
jeder  Zeit  mit  dem  anderer  Solaneen  identisch  ist.  — Das  von  Jonas  in 
deu  Frühjahrsstengeln  angegebene  Inulin  mag  wohl  Pektin  sein. 

Die  dem  Bittersüss  einigermassen  ähnlichen  Ranken  von  Humulus  Lu- 
pulus  unterscheiden  sich  durch  ihre  scharfkantigen  Stengel  und  die  nicht 
abwechselnden,  sondern  gegenüberstehenden  Blattuarben.  Letzteres  Merk- 
mal besitzen  auch  die  Stengel  von  Lonicera  Periclymenum.  Diejenigen 
des  nur  einjährigen  Solanum  nigrum  bleiben  immer  krautig. 

Die  Bittersüsstengel  scheinen  nicht  von  den  Alten,  sondern  erst  von 
deutschen  Aerzten  im  XVII.  Jahrh.  verwendet  worden  zu  sein.  Sie  gelangen 
fast  nur  geschnitten  in  den  Handel. 


II.  Hölzer. 

Lignum  Juniperi. 

Reckholder-  oder  Wachholderholz.  Bois  „de  Genevrier.  Juniper  wood. 

Abstammung  siehe  bei  Fructus  Juniperi. 

Das  weisse  oder  röthliche  Holz  der  Wurzel  und  der  jüngeren  Aeste,  ge- 
wöhnlich (unzweckmässigerweise)  von  der  Rinde  befreit. 

Das  Holz  ist  sehr  dicht,  doch  leicht;  sein  Querschnitt  zeigt  hellere  und 
dunklere  Zonen  (Jahresringe)  und  feine  Markstrahlen.  Die  bräunliche,  leicht 
ablösbare  Rinde  besteht  (bei  jüngeren  Aesten)  zu  äusserst  aus  einer  zarten 
Korkschicht,  unter  welcher  grössere  mit  dunkelbraunem  Harz,  Gerbstoff 
und  Farbstoff  gefüllte  Zellen  folgen.  Die  Mittelrinde  enthält  Amylum  und 
Chlorophyll,  die  Innenrinde  abwechselnde  Lagen  von  dünnwandigem  Bast- 
prosenchym  und  eckigen,  fast  ganz  verdickten,  glänzenden  Baströhren,  wo- 
von einzelne  auch  in  die  Mittelriude  eingestreut  sind.  Die  verdickten  Zellen 
bilden  einreihige  unterbrochene  Kreise;  ein  zartes,  oft  bräunliches  Cam- 
biuin  trennt  sie  vom  Holze.  Dieses  besteht  aus  jenen  langgestreckten,  in 
einander  gekeilten,  für  die  Coniferen  bezeichnenden  Tüpfelzellen,  welche 
auf  ihren  Wänden  nicht  spiralige  Ablagerungen  zeigen , sondern  zahlreiche 
oren , die  sich  nach  aussen  trichterförmig  öffnen.  Der  äussere  Rand  er- 


) Denselben  Namen,  oder  Dulcarin,  führte  auch  das  Pihroglycion  von  Pf  aff. 


316 


Hölzer. 


scheint,  von  oben  gesehen,  als  Hof  der  eigentlichen  Pore.  Dieses  Holz- 
prosenchyra  wird  nur  von  schmalen,  gewöhnlich  einreihigen  Markstrahlen 
durchschnitten , welche  im  Winter  Arnylum  enthalten.  Die  Zellen  des  im 
Frühjahr  entstandenen  Holzes  sind  weiter,  die  des  Herbstholzes  kleiner, 
stärker  verdickt  und  oft  auch  etwas  tiefer  gelblich  [gefärbt.  Hierdurch  ent- 
stehen jene  auf  dem  Querschnitte  wahrnehmbaren  Zonen.  Das  Mark  ist 
sehr  unbedeutend  und  pflegt  Harz  zu  enthalten,  welches  im  Holzprosenchym 
nur  sehr  spärlich  und  nicht  in  eigenen  Gängen  auftritt. 

Die  Rinde  schmeckt  harzig,  schwach  adstringirend;  das  Holz  um  so 
weniger,  je  älter  es  ist.  Sein  schwach  balsamischer  Geruch  wird  erst  beim 
Erhitzen  deutlicher.  — Trockenes , von  Rinde  befreites , älteres  Holz  gibt 
0,6  pC.  Asche.  Das  weit  dichtere  Gefüge  unterscheidet  auch  das  von  Rinde 
befreite  Holz  des  Wachholders  von  demjenigen  anderer  Coniferen. 

In  der  Volksmedicin  ist  noch  durch  einen  grossen  Theil  Europas,  von 
Frankreich  bis  Norwegen,  der  durch  trockene  Destillation  erhaltene  schwarze 
dicke  Theer  des  Wachholderholzes  als  Oleum  Jumper  i ligni  s.  nigrum 
berühmt 1).  Im  Süden  wurde  er  ursprünglich  aus  [dem  um  das  Mittelmeer 
wachsenden  Juniperus  Oxycedrus  L.  (franz.  Cade  — vielleicht  mit  dem 
deutschen  Kaddig  zusammenhängend)  bereitet  nnd  als  Oleum  cadinum , 
huile  de  Cade,  unterschieden. 

Lignum  Santali. 

Lignum  Santali  rubrum.  Lignum  sandalinum.  Sandelholz.  Santelholz. 

Bois  de  santal  rouge.  Sandal  or’sauders  wood. 

Pterocarpus  santalinus»Linn.  fil.  — Papilionaceae-Dalbergieae. 

Ein  sehr  grosser  Baum  der  Gebirge  von  Coromandel,  Ceylon,  Malabar, 
auch  in  Malacca  und  auf  Timor  vorkommend.  Vielleicht  liefern  noch  an- 
dere Pterocarpus -Arten  gleichfalls  die  Droge. 

Das  Holz  wird  in  grossen , von  der  Rinde  und  dem  weisslichen  Splinte 
befreiten  Blöcken  in  den  Handel  gebracht,  im  Kleinverkehr  aber  gewöhnlich 
nur  in  geschnittener  oder  gepulverter  Form  gehalten.  Es  ist  sehr  dicht, 
doch  nicht  besonders  schwer,  schneidet  sich  leicht  und  ist  gut  spaltbar,  ob- 
wohl die  Holzfasern  schief  aufsteigen  und  in  verschiedenen  Schichten  nicht 
parallel  laufen.  Dunklere  schwerere,  in  Wasser  sogleich  untersinkende  und 
einer  besonders  schönen  Politur  fähige  Stücke  dienen 'unter  dem  Namen 
Caliaturholz  der  Kunsttischlerei. 

Das  officinelle  Holz  ist  auf  der  längere  Zeit  der  Luft  ausgesetzten  Ober- 
fläche schwärzlich  roth  mit  einem  sehr  schwache  Stiche  ins  grünliche,  im 
innern  satt  dunkelroth,  das  Pulver  von  noch  reinerer  tieferer  Farbe.  Quer- 
schnittflächen des  zerkleinerten  Holzes  zeigen  oft  lebhaften  grünen  Metall- 
glanz. 


1)  Wie  auch  in  Russland  der  Birkcnthecr,  oleum  Rusci,  schwarzer  Dägen. 


Lignum  Santali. 


317 


Der  polirte  Querschnitt  bietet  in  der  zonenweise  unregelmässig  heller 
und  dunkler  rothen  Grundmasse  sehr  zahlreiche  hellere  Gefässöffnungen 
(Poren)  dar,  welche  entweder  einzeln  stehen  oder  zu  Gruppen  von  2 bis 
4 vereinigt,  aber  ohne  Ordnung  zerstreut  sind.  Im  ganzen  sind  die  Gefässe 
allerdings  ziemlich  gleichmässig  durch  das  Holz  verbreitet.  Sehr  feine, 
äusserst  zahlreiche , oft  ziemlich  lang  fortlaufende , oft  kurz  abbrechende, 
hellere  Wellenlinien  stellen  zwischen  den  Gefässen  eine  Querverbindung 
her,  ohne  aber  zusammenhängende  Kreise  zu  bilden.  In  radialer  Richtung 
folgen  diese  Wellenlinien  so  nahe  auf  einander,  dass  ihre  übrigens  sehr 
ungleichen  Abstände  selten  1 Millimeter  betragen.  Die  noch  weit  zarteren, 
sehr  gerade  laufenden  Markstrahlen  entziehen  sich  dem  unbewaffneten 
Auge  fast  ganz,  ertheilen  jedoch  durch  ihre  grosse  Regelmässigkeit  dem 
seidenglänzenden  Längsschnitte,  sowohl  in  tangentialer  wie  in  radialer 
Richtung,  eine  feine,  rechtwinkelig  gefelderte  Zeichnung.  Hier  erblickt 
man  auch  schon  ohne  Loupe  stockwerkartig  über  einander  aufgestapelte 
Krystalle  von  Kalkoxalat,  deren  genau  vertikale  Reihen  sich  durch  ganze 
Stammstücke  hindurch  verfolgen  lassen. 

Die  Hauptmasse  des  Sandelholzes  besteht  aus  langen,  spitzendigen  Holz- 
zellen, deren  dicke,  rothe  Wände  nur  wenig  porös  sind  und  immer  noch 
eine  mehr  oder  weniger  ansehnliche,  im  Querschnitte  häufiger  querelliptische 
als  kreisrunde  Höhlung  einschliessen.  Die  Räume  zwischen  diesen  grösseren, 
etwas  weiteren,  radial  und  tangential  regelmässig  in  Reihen  gestellten 
Holzzellen  werden  von  bedeutend  engerem,  übrigens  gleichartigem  Pro- 
senchym  dicht  ausgefüllt. 

Die  dem  unbewaffneten  Auge  schon  sichtbaren  Wellenlinien  erweisen 
sich  als  weite,  kubische  oder  axial  gestreckte,  immer  rechtwinkelig  quer 
getheilte,  wenn  auch  spitzendige  Zellen,  deren  mässig  dicke  Wandungen 
von  grossen  Löchern  durchbohrt  oder  öfters  mit  zarten  Spiralbändern  belegt 
sind.  Die  Streifen  dieses  Holzparenchyms,  welche  sich  in  das  prosenchy- 
matische  Gewebe  einschieben,  sind  durchschnittlich  aus  3 bis  5 Zellen- 
reihen gebaut,  gewöhnlich  aber  in  der  Nähe  der  Gefässe  um  einige  Reihen 
vermehrt,  so  dass  jedes  Gefäss  ganz  von  Parenchymzellen  umgeben  ist, 
welche  dann  in  Beziehung  zu  demselben  (im  Querschnitte)  tangential 
gestreckt  sind. 

Die  bis  über  300  Mikromill.  weiten,  sehr  langen  Gefässe  sind  durch 
derbe,  oft  zertrümmerte  Wände  quer  getheilt  und  mit  ansehnlichen , dicht 
gedrängten,  von  einem  Hofe  umsäumten  Poren  versehen. 

Die  Markstrahlenzellen  füllen  zu  5 bis  1 1 einfachen  Reihen  über  ein- 
ander vertikale  Spalten  von  100  bis  200  Mikromill.  Höhe  und  höchstens 
35  Mikiomill.  Breite  aus.  Auf  dem  Querschnitte  erscheinen  die  Mark- 
strahlen mit  einfacher,  seltener  doppelter  Zellenreihe  so,  dass  sie  nur  2 bis 
4 Radialreihen  der  Parenchym  zellen  oder  des  weiteren  Holzprosenchyms 
einschliessen,  und  demnach  die  einzelne  Holzlamelle  immer  schmäler  bleibt 
als  eine  Gefässmündung.  Die  kleinen,  porösen,  höchstens  15  Mikromill. 


318 


Hölzer. 


breiten  Markstrahleuzellen  sind  in  radialer  Richtung  bedeutend  gestreckt 
und  ihre  Reihen  nur  durch  die  grossen  Gefässe,  welche  sich  über  die  Breite 
mehrerer  Holzlamellen  erstrecken , lokal  von  ihrem  geraden  Verlaufe 
abgelenkt. 

In  den  Gefässen  finden  sich  häufige  Splitter  des  rothen  Harzes  abgelagert, 
welches  die  Wände  auch  des  übrigen  Gewebes,  mehr  jedoch  diejenigen  des 
Prosenchyms  als  die  der  Markstrahlen  und  des  Holzparenchyms  durchdringt. 
Die  kubischen  Zellen  des  letzteren  schliessen  je  einen  grossen,  oft  bis 
Vs  Millimeter  erreichenden,  nicht  gut  ausgebildeten  Krystall  von  Kalkoxalat 
ein.  Im  ganzen  ist  jedoch  die  Menge  desselben  unerheblich,  und  das  bei 
100°  getrocknete  Holz  hinterlässt  nur  0,8  pC.  Asche. 

Das  rothe  Sandelholz  ist  geruch-  und  geschmacklos  und  gibt  an  kaltes 
Wasser  kaum  etwas  ab;  auch  lieisses  färbt  sich  damit  nur  wenig.  Die 
schwach  bräunlichrothe,  nach  der  Concentration  kratzend  und  nicht  süss, 
sondern  etwas  adstringirend  schmeckende  Lösung  wird  durch  Eisensalze 
dunkler,  enthält  aber  weder  Kalk  noch  Schwefelsäure  in  irgend  erheblicher 
Menge. 

Der  harzartige  Farbstoff  wird  von  Aether,  Weingeist,  Alkalien,  concen- 
trirter  Essigsäure  leicht  aufgenommen,  weniger  oder  fast  gar  nicht  von 
ätherischen  Oelen.  Trocken  besitzt  die  dunkelrothe  Masse  des  Farbstoffes 
einen  grünen  Schimmer.  Daraus  lässt  sich  in  rothen  mikroskopischen  Kry- 
stallen  die  Santalsäure  G15Hl405  gewinnen.  Ein  farbloses  krystal- 
liuisches  Santalin,  woraus  nach  Preisser  durch  Oxydation  erst  der 
rothe  Farbstoff  Santalei'n  entstehen  sollte,  scheint  Bolley’s  Versuchen 
zufolge  nicht  zu  existiren.  Ebenso  wurde  das  Sautaloxyd  Leo  Meyer’s 
von  andern  nicht  wieder  erhalten,  und  auch  die  von  demselben  durch  Wasser 
ausgezogenen  Stoffe  Sautalid,Santaloid  (gelbe  mikroskopische  Prismen), 
Santalidid  und  Santaloi'did  bedürfen  wiederholter  Untersuchung. 

Das  Sandelholz  scheint  durch  seine  prachtvolle  Farbe  schon  sehr  frühe 
bekannt  geworden  zu  sein,  wie  denn  auch  der  Name  aus  dem  Sanskrit 
(Zandama)  abgeleitet  wird.  Marco  Polo  gab  im  XIII.  Jahrhundert  den 
Baum  auf  den  Nikobaren  (isola  Necarau)  an.1)  Die  arabischen  Aerzte  des 
Mittelalters,  Avicenna  im  XI.  Jahrh.  zuerst,  führten  das  Holz  in  den 
Arzueischatz  ein. 

Mit  dem  sehr  wohlriechenden  weissen  bis  gelbröthlichen  Holze  vou 
Santalum  album  L.  aus  der  Familie  der  Santalaceae  hat  das  rothe  Sandel- 
holz ausser  dem  Namen  und  Vaterlande  nichts  gemein.  Das  weisse  oder 
gelbe  Sandelholz  wird  heutzutage  noch  weniger  gebraucht  als  das  eben 
beschriebene  rothe.  Welches  der  beiden  Masudi  (Mitte  des  X.  Jahrh.)  und 
Edrisi  (Mitte  des  XII.  Jahrh.)  im  indischen  Archipelagus  kennen  lernten, 
ist  nicht  mehr  zu  entscheiden;  vermuthlich  das  angenehm  riechende  erstere. 


J)  In  der  bei  Radix  Rhei  erwähnten  italienischen  Ausgabe  S.  159:  „i  loro  boschi  sono 
di  alberi  preziosi,  cioe  legno  di  sandalo  vermiylio,  noci  d Iudia,  garofani . . . .“ 


Lignum  Quassiae  surinamense. 


319 


Lignum  Quassiae  surinamense. 

Lignum  Quassiae  verum.  Quassiaholz.  Aechtes  Quassiaholz.  Surinam- 
Quassiaholz.  Fliegenholz.  Bitterholz.  Bois  de  Surinam.  Bois  amer. 

Quassie.  Quassia. 

Quassia  amara  L.  — Simarubeae. 

Kleiner  bis  15  Fuss  hoher  Baum  oder  Strauch,  in  Surinam  und  den 
Antillen  einheimisch,  auch  daselbst  sowie  in  Cayenne  und  im  nördlichen 
Brasilien  gezogen.  Er  ist  durch  seine  prächtig  rothen,  ansehnlichen 
Blüthen  ausgezeichnet. 

Wir  erhalten  davon  höchstens  0,10™  dicke  Stammstücke,  meist  aber 
nur  etwa  0,020  bis  über  0,030'"  starke,  oft  gabelige  Aeste,  bekleidet  mit 
der  1 oder  an  gröberen  Prügeln  höchstens  gegen  2 Milliin.  dicken,  mehr 
spröden  als  zähen  Binde,  deren  Färbung  zwischen  gelblich  braun  und  grau 
schwankt.  Die  Aussenfläche  ist  ziemlich  glatt  oder  ein  wenig  höckerig. 
Die  äusserste,  sehr  dünne,  lockere  Korkschicht  wird  nicht  leicht  abgescheuert, 
so  dass  die  schwärzliche  Mittelrinde  nur  an  seltenen  Stellen  von  sein- 
beschränktem  Umfange  zu  Tage  tritt.  Wenn  auch  Längsrisschen  nicht 
immer  fehlen,  so  bleiben  sie  doch  kurz  und  gehen  niemals  bis  auf  den 
Holzkörper , von  welchem  sich  die  Rinde  leicht  als  geschlossene  brüchige 
Röhre  ablöst. 

Die  Rinde  bricht  kurz  blätterig,  nur  in  der  innersten,  sehr  dünnen 
Schicht  lang  faserig  und  setzt  dem  Messer  einigen  Widerstand  entgegen. 
Der  Querschnitt  zeigt  eine  dunkelgraue  bis  schwärzliche,  nicht  strahlige 
Innenrinde,  worin  kaum  durch  die  Loupe  Bastkeile  sichtbar  werden.  Die 
hellgraue  Mittelrinde  ist  fast  doppelt  so  breit  als  die  Innenriude  und  enthält 
in  ihrer  inneren  Hälfte  eine  schmale,  zusammenhängende,  körnige,  lebhaft 
gelb  gefärbte  Zone.  Die  nicht  eben  glatte,  sehr  fein  längsstreifige,  aber 
nicht  gefelderte  Innenfläche  der  Rinde  zeigt  nur  an  wenigen  Stellen  noch 
ihre  eigentliche  hellgelblich  graue  Farbe,  sondern  pflegt  über  und  über 
blauschwarz  angelaufen  zu  sein. 

Das  Holz  gleicht  dem  Picrasma-Holze  (vergl.  Lignum  Quassiae  jamai- 
cense),  besitzt  aber  einen  etwas  feineren  Bau,  so  dass  Markstrahlen  für  das 
unbewaffnete  Auge  kaum  noch  wahrnehmbar  sind.  Die  scheinbaren  Jahres- 
ringe des  Surinam  - Holzes  folgen  sich  in  kürzeren  und  regelmässigeren 
Abständen  und  nähern  sich  in  ihrem  Verlaufe  mehr  der  Kreislinie,  °ohne 
die  wellenförmigen  Biegungen  der  Ringe  des  Jamaica-Holzes  zu  besitzen. 

Auch  der  ächten  Quassia  fehlen  die  bei  der  jamaikanischen  Sorte 
erwähnten  blauschwarzen  Pilzfäden  nicht,  besonders  häufig  bedecken  und 
durchziehen  sie,  wie  schon  angedeutet,  die  Innenfläche  der  Rinde  und  die 
Peripherie  des  Holzes.  Unter  den  dünnen  Fäden  finden  sich  hier  oft- 
mals bis  15  Mikromill.  dicke,  kurze  Stücke  von  gleicher  Farbe  vor,  welche 
durch  zarte,  gerade  Querwände  gegliedert  sind. 


320 


Hölzer. 


Die  Korkschicht  ist  mit  der  höchsten  Regelmässigkeit  aus  sehr  zahl- 
reichen Lagen  meist  dünnwandiger  Tafelzellen  zusammengesetzt,  ganze 
Reihen  derselben  sind  jedoch  mit  verdickten  gelblichen  Wänden  versehen. 
Auf  dem  tangentialen  Schnitte  erscheinen  die  Korkzellen  von  regelmässig 
sechseckiger  Form. 

Die  Mittelrinde  besteht  aus  ungefähr  25  Schichten  tangential  gedehnter 
Zellen,  welche  bisweilen  knorpelig  verdickte  und  etwas  verwachsene  oder 
gebogene,  meist  aber  dünnere,  ziemlich  straffe  Wände  besitzen.  Die  bereits 
erwähnte,  schon  ohne  Loupe  sichtbare,  schön  gelbe  Zone  erweist  sich  aus 
äusserst  dicht  gedrängten  kugeligen  oder  ein  wenig  verlängerten  oder  durch 
gegenseitigen  Druck  facettirten  Steiuzellen  mit  zahlreichen  Porenkanälen 
bestehend.  Die  Mächtigkeit  dieser  Zone  wechselt  zwischen  150  bis  250 
Mikromill.,  die  Grösse  der  einzelnen  Zellen  beträgt  wenigstens  30  Mikromill. 
Immer  sind  sie  fast  völlig  verdickt.  Die  gelbe  Zone  bezeichnet  die  Grenze 
der  Mittelrinde  und  der  Innenrinde;  einzelne  Steinzellen  oder  kleinere 
Gruppen  derselben  finden  sich  aber  auch  noch  ausserhalb  der  Zone  selbst. 
Trotz  seiner  grossen  Dichtigkeit  werden  doch  bisweilen  die  Intercellular- 
räume selbst  dieses  Steinzellenringes  von  den  Pilzfäden  durchsetzt. 

In  der  Iunenrinde  wechseln  Schichten  von  zarterem , kubischem  Bast- 
parenchym mit  verworrenem , sehr  dickwandigem , im  Sinne  der  Axe  sehr 
lang  gestrecktem  Prosenchym  (Hornbast)  unregelmässig  ab.  Die  ganze 
Bastschicht  wird  von  einreihigen,  kurzen,  weit  aus  einander  gerückten 
Markstrahlen  durchschnitten , von  denen  sich  einige  aber  sehr  bald  ansehn- 
lich erweitern  und  als  umgekehrte  Keile  mit  sehr  bedeutend  tangential 
gestreckten  Zellen  zwischen  die  Baststrahlen  einschieben,  welche  den  Stein- 
zellenring meist  erreichen. 

Das  Holz  besitzt  im  allgemeinen  denselben  Bau  wie  das  jamaikanische, 
jedoch  sind  die  Holzzellen  des  surinamischen  um  ein  geringes  enger,  aber 
mit  etwas  dickeren  Wänden  versehen  und  auf  dem  Querschnitte  von  mehr 
regelmässig  radialer  Anordnung.  Die  Markstrahlen  bestehen  hier  gewöhn- 
lich aus  nur  einer,  seltener  zwei  Reihen  Zellen,  deren  Breite  sehr  wechselt, 
aber  oft  30  Mikromill.  erreicht  oder  gar  übersteigt,  so  dass  sie  durch- 
schnittlich fast  weiter  sind  als  die  des  Jamaika-Holzes.  Auch  in  vertikaler 
Richtung  ist  der  einzelne  Markstrahl  oft  aus  1 2 — 20  Zellenreihen  aufgebaut. 
Der  Durchmesser  der  Tiipfelgefässe  bleibt  meist  unter  70  Mikrom.  und  sie 
nehmen  seltener  die  ganze  Breite  einer  Holzlamelle  ein.  Wo  dieses  nicht 
der  Fall  ist,  tritt  zwischen  dem  Gefässe  oder  der  Gelassgruppe  und  den 
Markstrahlen  Holzparenchym  auf,  welches  denselben  Bau  besitzt  wie  das 
entsprechende  Gewebe  im  jamaikanischen  Holze.  Die  Parenchymstreifen 
sind  aber  hier  mehr  auf  dieses  Vorkommen  beschränkt  und  treten  seltener 
unabhängig  von  den  Gefässbiindelu  auf.  Das  Holzparenchym  ist  also  über- 
haupt weniger  entwickelt  und  namentlich,  wenigstens  im  Querschnitte, 
nicht  so  sehr  in  die  Augen  fallend  und  oft  nicht  leicht  vom  Holzprosenchym 
zu  unterscheiden.  Darin  liegt  auch  der  Grund  der  etwas  grösseren  Regel- 


Lignum  Ouassiae  Jamaicense. 


321 


mässigkeit  der  scheinbaren  Jahresringe  dieses  Holzes,  die  sich  mit  der 
Loupe  besser  übersehen  lassen  als  bei  stärkerer  Yergrösseruug. 

Das  Mark  ist  gleich  gebaut  und  nicht  stärker  wie  im  Jamaica -Holze, 
enthält  aber  durchaus  nicht  dieselben  Krystalle,  sondern  nur  selten  da  und 
dort  einmal  eine  rosettenförmige  Druse.  Dieser  Unterschied  in  der  Form 
des  Kalkoxalates  ist  durchgreifend,  denn  auch  in  der  Mittelrinde  der  ächten 
Quassia  finden  sich,  besonders  zunächst  innerhalb  des  Korkes,  nur  Rosetten 
von  12  bis  30  Mikromill.  Durchmesser  in  sehr  grosser  Zahl,  niemals  einzelne 
wohl  ausgebildete  Krystallindividuen.  Dem  Holzparenchym  fehlen  aber  hier 
die  Oxalatablagerungen  ganz  und  gar.  Hiermit  steht  im  Einklänge,  dass 
dieses  Quassiaholz,  bei  100°  C.  getrocknet,  nur  3,6  pC.  Asche  gibt,  die 
Rinde  aber  17,8  pC.  In  der  Picrasma  (vergl.  Lignum  Quassiae  jamaicense) 
stellen  sich  diese  Werthe  sehr  abweichend  heraus. 

In  Betreff  des  Harzgehaltes  und  der  übrigen  chemischen  Verhältnisse, 
so  wie  des  Geschmackes  gilt  für  die  ächte  Quassia  das  beim  Picrasma-Holze 
angeführte.  . 

Es  scheint,  dass  die  Eingeborneu  Surinams  mit  den  mediciuischen  Eigen- 
schaften ihrer  Quassia  bekannt  waren  und  dass  dieser  Name  auch  aus  der 
Landessprache  stammt.  Schon  1714  werden  die  Blüthen  als  Magenmittel 
der  Eingebomen  erwähnt.  Die  Rinde  gelangte  bereits  1 730  nach  Amsterdam 
und  zu  Hallers  Zeit  (1742)  war  die  Quassia  etwas  allgemeiner  bekannt, 
obwohl  erst  eine  Abhandlung  Linne’s  1763  ihre  Kenntniss  mehr  ver- 
breitete. Von  Roland  er  aus  Surinam  nach  Stockholm  mitgebrachte 
Stücke  des  Holzes  erregten  1756  daselbst  noch  besondere  Aufmerksamkeit. 
Dahlberg  brachte  1760  einen  blühenden  Zweig,  welchen  er  in  Surinam 
von  einem  Negei  Quassi  erhalten  hatte,  der  das  Holz  als  Geheimmittel  gegen 
Fieber  gebrauchte.  Linne  benannte  die  Pflanze  nach  dem  Neger,  der  1772 
in  Paramaribo  noch  andern  Europäern  bekannt  war. 

Erst  später  scheint  das  Holz  der  Picrasma  aus  Jamaica  in  den  Handel 
gelangt  zu  sein. 


Lignum  Quassiae  jamaicense. 

Lignum  Picrasmae  s.  Picraenae.  Lignum  Quassiae  novae.  Jamaica- 
Quassiahqlz.  Bois  de  Quassia  de  la  Jamai'que.  Bois  amer.  Quassia. 

Picrasma  excelsa  Planchon.  — Sintarubeae. 

Syn.:  Picraena  excelsa  Lindley. 

Simaruba  excelsa  De  Candolle. 

Quassia  excelsa  Swartz. 

Das  jamaikanische  Bitterholz  ist  ein  60  bis  lOOFuss  hoher,  unserer 
Esche  ähnlicher  Baum  der  Gebirgswälder  Jamaikas  und  der  kleinen  Antillen 
mit  unscheinbaren  Blüthen. 

Bis  über  1 Fuss  dicke,  im  Querschnitte  rundlicheoderelliptischeStamm- 
s uc  e oder  Aeste  bilden  die  Haudelswaare,  welche  gewöhnlich  noch  mit 

Flückiger,  Pharmakognosie. 


322 


Hölzer. 


der  bis  0,01m  dicken,  schmutzig  braunschwarzen,  sehr  festen,  zähen  Rinde 
bekleidet  ist.  In  ihrer  äussersten  Lage  besteht  dieselbe  aus  einer  dunkeln, 
% Millimeter  starken,  spröden,  fast  hornartigen  Korkschicht,  welche  leicht 
abblättert  und  die  grünliche  oder  grauweisse  Mittelrinde  entblösst.  Die 
Aussenfläche  der  Rinde  ist  durch  sehnige,  wenig  erhöhte  gerundete,  gerade 
oder  etwas  schief  verlaufende  Längsrippen  geadert.  Die  helleren,  graulichen, 
breiten  Zwischenräume  sind  ziemlich  tief,  oft  bis  an  das  Holz  aufgerissen 
und  bilden  unregelmässige  Längsfurcheu. 

Die  Rinde  bricht  faserig,  lässt  sich  gut  schneiden  und  zeigt  auf  dem 
Querschnitte  eine  schwarzbraune,  feinstrahlige  Innenschicht,  welche  durch 
eine  stellenweise  nur  sehr  schmale  weisse  Mittelrinde  vom  Korke  getrenut 
ist.  Au  andern  Stellen  dagegen  werden  die  breiten  Bastkeile  durch  sehr 
ansehnliche  Partieen  der  hellen  Mittelrinde  aus  einander  gehalten.  Bisweilen 
zeigen  sich  einzelne  Stränge  der  letzteren  völlig  von  Bastkeileu  umschlossen, 
indem  diese  in  der  Anordnung  ihres  von  feinen,  hellen  Markstrahlen  durch- 
setzten Bastes  insofern  grosse  Unregelmässigkeiten  darbieten,  als  die  Mark- 
strahlen und  demgemäss  auch  die  etwas  breiteren  einzelnen  Baststrahlen 
nicht  gerade  radial  gerichtet,  sondern  zickzackförmig  oder  schlängelig 
gebogen  sind.  Da  endlich  auch  die  schwarze  oder  grünschwarze  Korkschicht 
tief  in  die  Mittelrinde  eingreift,  so  entsteht  eine  ziemlich  eigenthümliche, 
geflammte  und  feinstrahlige  Zeichnung  der  ganzen  Rinde.  Ihre  ziemlich 
glatte,  fein  längsstreifige,  braungrauliche  Innenfläche  erhält  zugleich  durch 
die  in  kurze  Vertikalreiheu  gestellten  hellen  Markstrahlen  ein  äusserst  fein 
gefeldertes  Ausehen. 

Das  leichte,  weisse  Holz  ist  gut  spaltbar,  von  dichtem  Gefüge,  dem 
unbewaffneten  Auge  eben  noch  die  äusserst  zahlreichen  genäherten , feinen 
und  gerade  laufenden  Mai'kstrahlen  darbietend,  welche  die  unregelmässig 
kreisförmig  auf  einander  folgenden  Grenzlinien  der  verschiedenen  Holz- 
schichten durchschueiden.  Diese  an  die  Jahresringe  unserer  einheimischen 
Hölzer  erinnernden  wellenförmigen  Kreislinien  folgen  sich  in  etwas  ungleichen 
Abständen  und  sind  sowohl  durch  sehr  geringe  Unterschiede  in  der  abwech- 
selnd ein  wenig  hellereu  oder  dunkleren,  sehr  schwach  gelblichen  Färbung 
als  auch  durch  die  Anordnung  der  feinen  Gefässe  und  nach  aussen  zu- 
nehmende Weite  ihrer  Höhlung  bezeichnet.  Das  Centrum  wild  %on  einem 
lockeren , helleren , nur  ein  paar  Millimeter  dicken  Markcylinder  ein- 
genommen. 

Der  Längsschnitt  sowohl  in  tangentialer  als  in  radialer  Richtung  er- 
scheint durch  die  geringe  Vertikalhöhe  der  Markstrahlen  quer  gestreift, 
glänzend. 

Ganz  unabhängig  von  diesen  Strukturverhältnissen  zeigen  sich  da  und 
dort  auf  dem  Querschnitte  durch  einen  ganzen  Stamm  blauschwarze,  zarte 
Zeichnungen,  entweder  leichte,  landkartenähnliche  Umrisse,  Zickzacklinien 
oder  grössere  zusammenhängende  Klekse.  Diese  Figuren  erscheinen  so- 
wohl in  der  Rinde,  besonders  auf  ihrer  Innenfläche,  als  in  der  Cambialzone 


Lignum  Quassiae  Jamaicense. 


323 


und  im  Innern  des  Holzes  bis  zum  Marke  und  lassen  sich  in  vertikaler 
Richtuug  durch  ganze  Stammstücke  hindurch  verfolgen,  wenn  dieselben  der 
Länge  nach  gespalten  werden. 

Der  Kork  enthält  sehr  zahlreiche  Lagen  tafelförmiger,  gewölbter  oder 
oft  fast  kubischer  Zellen,  welche  in  den  äusseren  Schichten  mit  dunkel- 
braunem Inhalte  versehen  sind  und  stark  verwittern , während  die  inneren 
zartere,  grünlich  braune,  die  innersten  aber  farblose  Wände  besitzen  und 
keinen  Inhalt  führen.  Obwohl  der  Kork  oft  in  tiefen  Buchten  in  die  Mittel- 
rinde eindringt,  so  kömmt  doch  nicht  eigentliche  Borkenbildung1)  vor  und 
die  Mittelrinde  ist  nirgends  ganz  verdrängt.  Sie  ist  aus  tangential  gestreckten 
Zellen  mit  oft  knorpelig  verdickten  und  manigfach  verbogenen  Wänden 
gebildet,  nur  die  an  den  Kork  grenzenden  Schichten  enthalten  mehr  kubische 
Zellen,  welche  mit  Krystallen  gefüllt  sind,  von  denen  selten  einer  im  Korke 
selbst  vorkömmt.  Vielleicht  steht  gerade  die  grosse  Anhäufung  der  Kry- 
stalle  in  dieser  niemals  fehlenden  Schicht  im  Zusammenhang  mit  der  Kork- 
bildung. Die  Innenrinde  ist  aus  dünnwandigem,  weitmaschigem  Bast- 
parenchym und  vorherrschendem  prosenchymatischem  oder  wenigstens  axial 
gestrecktem  Gewebe  zusammengesetzt.  Beide  Formen  bilden  auf  dem  Quer- 
schnitte abwechselnde,  doch  selten  scharf  begrenzte  Schichten.  Die  gelb- 
lichen Wände  des  gestreckten  Bastgewebes  sind  etwas  knorpelig  verdickt, 
mannigfach  verbogen  und  oft  fast  zahnartig  in  einander  greifend;  entweder 
umschliessen  sie  weitere  Höhlungen  baströhrenartiger,  zu  Gruppen  ver- 
einigter Zellen,  oder  aber  die  Wandungen  sind  so  sehr  eingesunken, 
dass  die  Zellhöhlung  kaum  mehr  zu  unterscheiden  ist,  namentlich  da  auch 
die  Wandungen  ganzer  Zellenreihen  dieses  eigentlichen  Hornbastes  Zusammen- 
flüssen. Noch  inniger  verwachsen  und  weniger  zu  entwirren  ist  dieses 
Gewebe  auf  dem  Längsschnitte,  wo  selbst  die  gerundeten  Enden  jener  zu 
Gruppen  oder  Bündeln  vereinigten  weiteren  Bastzellen  nicht  leicht  zu  er- 
kennen sind.  Sie  unterscheiden  sich  daher  bestimmt  von  den  eigentlichen, 
in  scharfe,  spitze  Enden  auslaufenden,  starren  und  mit  sehr  deutlichen 
Porenkanälen  versehenen  Baströhren  anderer  Rinden.  Diese  letztere  Zellen- 
form, sowie  auch  die  Steinzellen,  fehlt  der  Quassia  ganz. 

Bietet  dieses  Gewirre  von  Parenchym  und  Hornbast  der  Innenrinde 
schon  keine  grosse  Regelmässigkeit  dar , so  wird  dieselbe  durch  die  zahl- 

b Berg  dagegen  beschreibt  ausdrücklich  eine  wahre  Borkenbildung.  Auch  sonst  ergeben 
sich  einige  Abweichungen  zwischenBerg’s  Darstellung  und  den  hier  geschilderten  Verhältnissen, 
welche  sich  nur  daraus  erklären  lassen,  dass  vermuthlich  beiden  Beschreibungen  nicht  dieselbe 
Droge  zu  Grunde  gelegen  hat.  Schon  Bischof f (Med.  ph.  Botanik  1847,  Nachtrag  17)  ge- 
dachte einer  zweiten  , dunkelrindigen“  Sorte  jamaicanischon  Quassiaholzes,  welcher  vielleicht 
meine  Stücke  angehören.  Bisch  off  vermuthete,  dieses  Bitterholz  stamme  von  Simaruba 
medicinalis  Endlicher  (Quassia  Simaruba  Wright  — Simaruba  amara  Hayne) , welche  auch 
auf  Jamaica  wächst  und  deren  Wurzelriude  als  Cortex  Simarubae  vorkam.  Diese  letztere 
weicht  aber  jedenfalls  vollständig  von  der  hier  als  Jamaica-Quassia  beschriebenen  (Stamm-) 
Rinde  ab , welcher  die  ausgezeichneten  Steinzellen  der  Simaruba  schon  ganz  abgehen.  Zur 
vollständigen  Aufklärung  der  Sache  fehlt  mir  authentisches  Material. 


21  * 


324 


Hölzer. 


reichen  Markstrahlen  nicht  eben  erhöht,  welche  sich,  allerdings  unter  ein- 
ander einigermassen  parallel , in  vielfach  gekrümmter  Richtung  durch  die 
ganze  Bastschicht  schlängeln.  Die  Markstrahlen  sind  zwei-  oder  dreireihig, 
ihre  radial  gedehnten  Zelleu  20  bis  30  Mikromill.  breit,  die  Wände  zart, 
im  Umrisse  (auf  dem  Querschnitte)  im  gauzen  rechtwinkelig  oder  rhom- 
bisch , jedoch  sehr  oft  stark  wellig  verbogen.  In  der  Mittelrinde  verlieren 
sich  die  Markstrahlen,  ohne  sich  zu  erweitern. 

Die  Markstrahlen  pflegen  auch  die  Erklärung  der  schon  erwähnten 
blauschwarzen  Figuren  zu  gewähren,  welche  Holz  und  Rinde  stellenweise 
durchziehen.  Bei  etwas  stärkerer  Vergrösserung  sieht  man,  dass  diese 
Zeichnungen  durch  zarte,  fadenartig  an  einander  gereihte,  meistens  etwa 
5 Mikromill.  dicke  Zelleu  hervorgebracht  werden.  Die  einzelne  Zelle  ist 
meist  etwa  30  bis  50  Mikromill.  laug,  gerade  oder  stellenweise  etwas  auf- 
getrieben, durch  und  durch  von  klarer  eigentliümlicher  Färbung,  welche 
unter  dem  Mikroskop  schwarzbräunlich  mit  einem  violetten  Stiche  erscheint 
und  durch  Eisenlösung  nicht  verändert  wird.  Diese  Zellenfäden  lassen  sich 
beliebig  weit  verfolgen,  sind  unter  sich  vielfach  durch  Queräste  verbunden 
und  durchdringen  überall  die  Intercellulargänge,  in  der  Rinde  besonders 
die  der  Markstrahlen , wo  der  Widerstand  offenbar  am  geringsten  ist.  Im 
Holze  dringen  sie  auch  wohl  in  die  grossen  Tiipfelgefässe  ein.  Fast  jeder 
Schnitt  durch  die  Rinde  bringt  diese  blauschwarzen  Fäden  zur  Anschauung. 
Wo  sie,  oft  in  zierlicherWeise,  die  manchmal  schwierig  zu  verfolgenden 
Markstrahlen  durchwirken , heben  sich  dieselben  sehr  scharf  von  dem  hel- 
leren Baste  ab.  Die  Fäden  gehören  ohne  Zweifel  dem  Mycelium  eines  Pilzes 
au,  welcher,  wie  es  scheint,  hier  niemals  zu  weiterer  Ausbildung  gelangt. 
Ob  derselbe  sich  schon  in  dem  lebenden  Stamme  einnistet,  oder  etwa  erst 
in  Folge  von  Feuchtigkeit,  welcher  die  Waare  später  ausgesetzt  sein  kann, 
ist  noch  zu  ermitteln. 

Die  äusserste  würfelzeilige  Schicht  der  Mittelrinde  strotzt  von  Kalk- 
oxalat in  etwa  20  bis  50  Mikromill.  messenden  Hendyoedern.  Sehr  verein- 
zelt kommen  dergleichen,  meist  aber  weniger  gut  ausgebildete,  auch  im 
Bastparenchym  vor.  In  den  Markstrahlen  und  in  der  Mittelrinde  finden  sich 
sehr  kleine  Stärkekörnchen  in  geringer  Menge.  Eisensalze  zeigen  keinen 
Gerbstoff  an. 

Das  Holz  besteht  vorwiegend  aus  spitzendigen , ziemlich  weiten , sehr 
dicht  in  einander  gekeilten  Zellen  von  bedeutender  Länge  und  12  15  Mikrom. 

durchschnittlicher  Dicke.  Die  höchstens  3 — 4 Mikromill.  starken  Wände 
sind  nur  sehr  fein  porös.  Dieses  Holzprosenchym  wird  in  der  W eise  von 
geraden  ein-  bis  drei-  aber  nicht  vierreihigen  Markstrahlen  durchschnitten, 
dass  jede  von  je  zwei  der  letzteren  eiugesehlosseue  Holzlamelle  (Holzstrahl) 
3 bis  10  fast  parallele  Radialreihen  von  Holzzellen  enthält.  Die  Markstrahlen- 
zelleu  sind  lang  radial  gestreckt,  porös  und  oft  schiefwinkelig.  Im  tan- 
gentialen Längsschnitte  erscheint  einer  der  stärksten  Markstrahlen  etwa 
60  Mikromill.  breit  und  aus  ungefähr  15  Yertikalreihen  von  Zellen  gebaut. 


Lignum  Quassiae  Jamaicense. 


325 


Eine  einzelne  Zelle  des  Markstrahles  ist  höchstens  gegen  20  Mikromill. 
breit.  Die  bis  über  100  Mikromill.  weiten  dünnwandigen  und  fein  getüpfel- 
• teu  Spiroi'den  finden  sich  unregelmässig  bis  zu  4 zusammengestellt  in  sehr 
ungleichen  Abständen  meistens  fast  die  ganze  Breite  eines  Holzstrahles  ein- 
nehmend. Die  Tiipfelgefässe  sind  umgeben  von  nicht  sehr  zahlreichen  wür- 
feligen oder  im  Sinne  der  Axe  verlängerten  parenchymatischen  porösen 
Zellen , welche  oft  zwischen  den  Gefässen  und  den  Markstrahlen  enge  zu- 
sammen gepresst  erscheinen.  Nicht  sehr  scharf  abgegrenzte  Streifen  dieses 
Holzparenchyms  durchziehen  auch  in  tangentialer  Richtung  die  Holzstrahlen 
und  verbinden  so  die  durch  eine  Holzlamelle  getrennten  Gefässgruppen. 
Diese  Parenchym  streifen  sind  an  ihrer  beträchtlicheren  Höhlung  im  ganzen 
schon  auf  dem  Querschnitte  leicht  von  dem  engerem  Holzprosenchym  zu 
unterscheiden.  Der  Wechsel  beider  Gewebsformen  des  Holzes  bewirkt 
die  dem  unbewaffneten  Auge  schon  deutlich  auffallende,  annähernd  con- 
centrisch  kreisförmige  Zeichnung  des  Querschnittes  durch  den  Stamm. 
Dieselbe  entspricht  also  keineswegs  den  Jahresringen  der  Holzpflanzen  un- 
serer Klimate,  wo  im  Frühling  nach  einer  Periode  der  Ruhe  eine  energischere 
Neubildung  eintritt,  deren  Gewebe  wesentlich  gleichartig  wie  das  während 
der  vorausgegangenen  Jahreszeit  erzeugte  ist,  aber,  von  geringeren  Farben- 
unterschieden abgesehen,  reicher  und  weiter  angelegt  erscheint  und  dadurch 
allein  kontrastirt. 

Das  vom  Holze  scharf  abgegrenzte  Mark  enthält  ansehnliche  kugelig- 
eckige Zellen,  deren  derbe  poröse  Wände  durch  Jod  eine  braungelbe  Färbung 
annehmen.  Die  hier  zahlreich  abgelagerten  Oxalat-Krystalle  sind  noch  grösser 
als  che  der  äussersteu  Mittelrindenschicht. 

Auch  im  Holzparenchym  sind  diese  Krystalle  vorhanden.  Im  übrigen 
trifft  man  da  und  dort  im  Holze  in  geringer  Menge  braungelbe  Harztropfen 
oder,  namentlich  in  den  Gefässen  der  Peripherie,  schön  gelbe  feste  splitte- 
rige  Harzklumpen. 

Der  Geschmack  des  Quassiaholzes  und  seiner  Rinde  ist  rein  und  an- 
haltend bitter;  er  kömmt  im  höchsten  Grade  dem  von  Winkler  (1835) 
daraus  rein  dargestellten  Quassiin  (Quassit)  O10H12-O3  (nach  Wiggers) 
zu.  Dieser,  wie  es  scheint,  nicht  spaltbare  indifferente  Bitterstoff  krystal- 
lisirt  aus  verdünntem  Weingeist  und  löst  sich  nicht  in  Aether.  Das  Holz 
liefert  davon  nur  etwa  1 p.  Mille.  Aus  dem  officinellen  Extracte  ist  es 
nicht  mehr  gut  zu  erlangen.  Auch  die  Blüthen  und  Blätter  des  Baumes 
schmecken  bitter.  Die  Rinde1)  der  gleichfalls  den  Simarubeen  angehö- 
rigen  Samadera  indica  Gärtner  in  Ostindien,  vorzüglich  auf  Ceylon, 
soll  reicher  an  Quassiin  sein  (Dittrich).  Die  schwach  narkotischen  Wir- 
kungen des  Quassiins  zeigen  sich  bekanntlich  an  Insekten  (Fliegen)  deutlich. 
Nach  Bennerscheidt  liefert  das  Quassiaholz  bei  der  Destillation  eine 
gelinge  Menge  eines  krystallisirbaren  Kamphers.  Auf  dem  radialen  Läugs- 

h Von  Borg  beschrieben:  Zeitschr.  d.  allg.  Österreich.  Apoth.-Voroius  1865. 


320 


Hölzer. 


schnitte  des  Holzes  sieht  man  oft  grosse  farblose  Tropfen , vielleicht  äthe- 
risches Oel.  Das  Extract  scheint  Aepfelsäure,  auch  Weinsäure  zu  enthalten. 
Der  wässerige  Auszug  der  Quassia  fluorescirt  äusserst  schwach;  selbst  bei  • 
Anwendung  der  Rinde  von  Picrasma  allein  und  nach  Zusatz  von  Alkalien 
oder  Säuren  ist  das  Schillern  kaum  wahrnehmbar  und  entfernt  nicht  mit 
einem  Auszuge  der  Rinde  von  Aesculus  Hippocastanum  zu  vergleichen. 
Eine  weingeistige  Tinctur  dagegen  fluorescirt  recht  deutlich  und  scheint  sich 
spektroskopisch  vom  Aesculin  verschieden  zu  verhalten. 

Bei  100°  C.  völlig  getrocknetes  Holz  lieferte  mir  7,8  pC.  Asche,  die 
Rinde  9,8  pC. 

Das  Holz  der  jamaikanischen  Quassia  ist  schon  seit  Ende  des  vorigen 
Jahrhunderts  als  völlig  gleichwerthig  neben  demjenigen  aus  Surinam  in 
Gebrauch  gezogen  worden.  British  Pharmacopoeia  (1864)  hat  nur  das 
erstere  aufgenommen,  während  Pharm.  Borussica  (1862)  es  verbietet. 

Lignum  Guajaci. 

Lignum  benedictum  s.  sanctum.  Lignum  vitae.  Pockholz.  Franzosenholz. 

Guajakholz.  Bois  de  gaiac  ou  de  gayac.  Guaiac  wood. 

Gnajacum  officinale  L.  — Zygophylleae. 

Immergrüner  bis  40  Fuss  hoher  Baum  mit  schenkeldickem  Stamme  und 
gabeitheiligen  ausgebreiteten  Aesten,  vorzüglich  auf  Jamaika,  St.  Thomas, 
St.  Domingo  und  anderen  westindischen  Inseln  einheimisch. 

Der  Grosshandel  liefert  davon  bedeutende  oft  centnerschwere  Stamm- 
stücke oder  einfache  starke  Aeste,  welche  alle  gewöhnlich  der  Rinde  beraubt 
sind.  Das  Holz  ist  durch  sein  hohes,  wohl  von  keinem  anderen  Holze  über- 
troffenes  specifisches  Gewicht  (etwa  1,3)  und  seine  Dichtigkeit  auffallend  und 
lässt  sich  nur  sehr  unvollkommen  spalten  und  schneiden,  weshalb  es  auch 
im  Kleinhandel  nur  geschnitten  oder  geraspelt  gehalten  wird. 

Die  glatte  oder  etwas  querwulstige,  hell  graugelbliche  Oberfläche  mitt- 
lerer Stämme  von  ungefähr  0,20'"  Durchmesser,  wie  sie  von  der  Rinde  be- 
freit, aber  sonst  unversehrt  häufig  Vorkommen,  ist  von  sehr  zahlreichen 
genäherten,  wenig  aber  scharf  liervortretenden  Streifen  der  Länge  nach 
durchzogen,  welche  in  sehr  gestreckten  Curveu  oder  in  sanften  W ellenliuien 
verlaufen.  Die  Linien  eines  Wellensystems  sind  unter  sich  parallel,  nicht 
aber  die  verschiedenen  Systeme,  welche  sich  vielmehr  spitzwinkelig  schnei- 
den, so  dass  die  im  grossen  wellenförmige  Streifung  stellenweise  eine  aller- 
dings hier  weniger  auffallende  rhombische  Zeichnung  darbietet,  wie  sie  z.  B. 
auch  der  Oberfläche  der  Rhabarber  eigeu  ist.  Einzelne  Wellenlinien  erwei- 
tern sich  zu  feinen  Längsspalten. 

Der  Querschnitt  eines  Stückes  von  angegebener  Dimension  zeigt  eine 
hellgelbliche,  etwa  0,02m  breite  Zone  (Splint),  welche  vom  inneren  grünlich- 
braunen Kerne  scharf  abgegrenzt  ist.  Sowohl  in  diesem  letzteren  als  auch 


Lignum  Guajaci. 


327 


im  Spliute  finden  sich  abwechselnd  hellere  und  dunklere  Schichten,  welche 
besonders  im  Splinte  auch  noch  durch  die  schichtenweise  Gruppirung  der 
Gefässe  bezeichnet  sind.  Es  entstehen  dadurch  sehr  zahlreiche,  an  Jahres- 
ringe erinnernde  Kreise,  deren  Gesammtbild  sehr  deutlich  in  die  Augen 
fällt,  obgleich  die  Peripherie  der  einzelnen  Ringe  sich  nicht  gut  verfolgen 
lässt  und  auch  selten  einen  geschlossenen  Kreis  (oder  Ellipse)  beschreibt. 
Im  Splinte  jenes  Stückes  lassen  sich  z.  B.  über  20,  im  Kernholze  über  30 
solcher  Ringe  zählen;  das  gemeinschaftliche  marklose  Centrum  liegt  in  den 
meisten  Fällen  nicht  in  der  Axe  des  Stammes  oder  Astes. 

Die  feinen  Markstrahlen  des  Guajakholzes  sind  für  das  unbewaffnete 
Auge  nicht  sichtbar;  die  Loupe  zeigt  sie  in  sehr  grosser  Zahl  und  in 
äusserst  geringen  gleichmässigen  Abständen.  Die  Höhlungen  der  Gefässe 
(Poren  des  Holzes)  lassen  sich  bis  in  das  Centrum  wahrnehmen  und  ent- 
halten im  Kerne  und  in  den  inneren  Lagen  des  Splintes  bräunliches  Harz, 
während  die  unmerklich  weiteren  Gefässe  in  der  Peripherie  des  Splintes 
leer  sind. 

Den  dicksten  Stücken  fehlt  der  Splint;  schon  z.  B.  bei  0,25'n  Stamm- 
durchmesser ist  er  auf  0,005m  beschränkt. 

Seltener  und  weniger  auffallend  tritt  auch  im  Guajakholze  ein  ähnlicher 
oder  wahrscheinlich  derselbe  Pilz  auf  wie  in  Quassia  (vergl.  Lignum  Quas- 
siae  jamaicense).  Die  Zellenfäden  des  Guajakpilzes  sind,  vielleicht  nur  des 
grösseren  Widerstandes  wegen,  bedeutend  kürzer. 

Von  starken  Querscheiben  des  Guajakholzes  lassen  sich  in  der  Richtung 
der  concentrischen  Ringe  mit  Mühe  splitterige  zackige  Platten  von  geringer 
Ausdehnung  absprengen,  auf  denen  sich  die  wellenförmigen  Zeichnungen 
der  Stammoberfläche  (nach  Beseitigung  der  Rinde)  wiederholen.  Die  Holz- 
bündel sind  aufs  dichteste  mit  einander  verflochten  und  nur  auf  kurze 
Strecken  gerade  und  gleichlaufend.  Den  Scheinringen  entsprechend  folgen 
sich  Stränge  dieses  Flechtwerkes  von  innen  nach  aussen  in  eiuigermassen 
geordneten  Lagen,  obwohl  in  abweichender  Richtung  streichend.  Seitlich 
aber  greifen  die  Holzstränge  ihres  wellenförmigen  Verlaufes  wegen  sehr  un- 
regelmässig in  einander,  so  dass  das  Holz  sich  in  radialer  Richtung  nicht 
spalten  lässt.  Den  besten  Aufschluss  über  diese  Verhältnisse  gewähren 
dünnere  Querscheiben  ganzer  Stämme,  welche  man  zerschlägt.  Es  zeigt  sich 
dann  deutlich,  dass  in  jeder  der  concentrischen  Lagen  die  Holzbündel  un- 
gefähr in  derselben  Ebene  verlaufen,  aber  in  der  Projektion  auf  dieselbe 
(oder  eigentlich  auf  die  Cylinderfläche)  nicht  vertikal , sondern  mit  wellen- 
förmigen Aus-  und  Einbiegungen  aufsteigen.  Das  Wellensystem  eines  Ringes 
ist  ziemlich  unabhängig  von  demjenigen  der  benachbarten,  annähernd  pa- 
rallelen Holzlagen,  und  die  gefässreicheren  Ringe  sind  ja  überhaupt  durch 
Parenchymzonen  etwas  getrennt.  Indessen  erfolgt  auch  hier,  den  Schein- 
ringen entsprechend,  der  Bruch  oder  die  Spaltung  nicht  glatt,  da  die  Holz- 
handel auch  in  radialer  Richtung  eiuigermassen  verflochten  sind. 

Die  einzelnen  Markstrahlen  sind  immer  nur  einreihig,  besitzen  eine 


328 


Hölzer. 


geringe  Mächtigkeit  von  nur  60  bis  70  Mikronnil.  in  der  Vertikalen  und  siud 
häufig  um  die  Gefässe  herumgebogen , so  dass  sie  auf  die  Spaltbarkeit  des 
Holzes  ohne  Einfluss  sind.  Dieselbe  wird  vielmehr  in  radialer  Richtung 
durch  die  erwähnten  Wellensysteme  der  Holzstränge  bestimmt,  welche  von 
Schicht  zu  Schicht,  ohne  scharf  abgegrenzt  zu  sein,  doch  nicht  miteinander 
übereinstimmen.  Jede  durch  das  Ceutrum  eines  Stammes  oder  Astes  ge- 
legte, mit  der  Axe  parallele  Ebene  durchsetzt  daher  nicht  vertikale  Holz- 
bündel , sondern  links  und  rechts  ausbiegende  Curven  von  sehr  veränder- 
licher, oft  der  Vertikalen  genäherter  Richtung.  Zerbricht  man  nun  eine 
Querscheibe  mitteu  durch  ihr  Centrum,  so  wird  die  Richtung  der  Bruch- 
linie, nur  durch  die  Curven  der  Holzbüudel  bestimmt,  zickzackförmig  zur 
linken  und  zur  rechten  vom  Radius  abweichend  ausfallen  müssen.  Beide 
Hälften  der  zerbrochenen  Scheibe  passen  nicht  ohne  weiteres  zusammen, 
sondern  greifen  zahnartig  in  einander.  Nur  in  der  Mitte  des  Stammes  wer- 
den die  Curven  durchgängig  steiler,  mehr  gerade.  Ein  konstanter  Neigungs- 
winkel der  Holzbündel  lässt  sich  daher  nirgends  festhalten,  so  wenig 
als  für  die  Holzstränge  oder  Lamellen  eine  seitliche  Begrenzung  zu  fin- 
den ist. 

Auf  dem  radialen  Längsschnitte  durchsetzen  die  Markstrahlen  als  feine, 
ganz  regelmässige  Horizontalstreifen  die  Holzbündel  ziemlich  rechtwiukelig. 
Der  radiale  Schnitt  gibt  in  so  fern  Aufklärung  über  die  Richtung  der  letzte- 
ren, als  einige  derselben  der  Länge  nach , andere  schief  oder  quer  getroffen 
werden  und  man  daher  auch  die  Gefässe  in  allen  möglichen  Richtungen 
durchschnitten  findet.  Dagegen  erscheinen  nun  hier  nothwendig  keine  Cur- 
ven, indem  dieselben  ja  in  der  tangentialen  Ebene  (Cylinderoberfläche) 
nicht  in  der  radialen  aufsteigen. 

Der  tangentiale  Schnitt  lässt  die  Markstrahlen  weniger  hervortreten,  und 
hier  kreuzen  sich  die  Reihen  ihrer  quer  durchschnittenen  Spalten  schief- 
winkelig mit  den  Holzbündeln,  wo  dieselben  eben  eine  stark  gekrümmte 
oder  gar  geknickte  Curve  beschreiben.  Wo  die  Curve  mehr  gestreckt  ist, 
entstehen  mehr  recht  winkelige  Zeichnungen. 

Das  Holz  ist  für  die  mikroskopische  Untersuchung  schwer  zu  schneiden, 
doch  ist  der  Splint  weit  lockerer  und  schwimmt  auf  dem  Wasser,  während 
das  Kernholz  sogleich  uutersinkt. 

Die  Hauptmasse  des  Guajakholzes  besteht  aus  geraden  oder  gekrümm- 
ten, mässig  langen,  cylindrischen  spitzendigen  Holzzelleu,  welche  sehr  dicht 
in  einander  gekeilt  und  verwachsen  siud , und  nur  noch  eine  äusserst  be- 
schränkte Höhlung  besitzen,  von  welcher  aus  zahlreiche. enge  Kanäle  die 
fein  geschichteten  Wände  durchbrechen.  Die  Dicke  dieser  prosenchymati- 
schen  Zellen  beträgt  ungefähr  15  bis  20  Mikromill. , ihre  Länge  lässt  sich 
nur  schwer  verfolgen.  Im  Kernholze  sind  sie  gelbbräunlich,  im  Splinte  nur 
sehr  schwach  gelblich  gefärbt,  aber  von  gleichem  Baue.  Im  polarisirten 
Lichte  zeigen  sie  innerhalb  einer  hellen  Membran  einen  dunkeln  Kern,  der 
(im  Querschnitte)  ein  noch  dunkleres  Kreuz  auuimmt. 


Lignum  Guajaci. 


329 


Auf  dem  Querschnitte  bildet  das  Holzprosenchym  weder  in  tangentialer 
noch  in  radialer  Richtung  Reihen,  wie  sich  schon  aus  dem  bereits  geschil- 
derten Gesammtverlaufe  der  Holzbündel  mit  Nothwendigkeit  ergibt.  Die 
Markstrahlen  dagegen  erscheinen  ziemlich  gerade  und  unter  sich  parallel  und 
durchschneiden  das  Holz  in  der  Weise,  dass  jeweilen  etwa  3 bis  6 oder  10 
Holzzellen  von  einem  Markstrahle  zum  andern  gezählt  werden  können. 
Die  Zellen  der  letzteren  stehen  in  einer  einzigen , sehr  schmalen  Reihe  von 
2 bis  7 Mikrom.  Breite.  Ihre  ziemlich  dicken  Wände  sind  porös  und  durch 
den  Druck  der  benachbarten  Holzzellen  oder  der  grösseren  Gefässe  etwas 
verbogen.  Im  radialen  Längsschnitte  sind  die  Markstrahlen  von  der  gewöhn- 
lichen mauerförmigen  Gestalt,  auf  dem  tangentialen  Schnitte  erscheinen  sie 
als  höchstens  10  Mikrom.  breite,  von  3 bis  6 quer  durchschnittenen  über 
eiuander  gelagerten  Zellen  eingenommene  Spalten. 

Die  dickwandigen,  höchstens  bis  150  Mikromill.  weiten  cylindrischen 
Gefässe  (Spiroklen)  stehen  einzeln  und  nehmen,  mit  Ausnahme  der  kleinsten, 
die  ganze  Breite  einer  von  zwei  Markstrahlen  begrenzten  Holzlamelle  ein, 
sehr  oft  aber  sogar  die  Breite  mehrerer  Lamellen,  indem  die  Markstrahlen 
von  ihrem  geraden  Verlaufe  abweichend,  sich  um  die  Gefässe  herumbiegen 
oder  auch  vor  dem  Gefässe  abbrechen.  Schmale  Holzlamellen  sind  oft  auf 
grossen  Strecken  ganz  frei  von  Gefässen.  Die  letzteren  sind  durch  sehr 
zahlreiche  kleine  Poren  getüpfelt,  in  kurzen  Abständen  mit  dünnen  Quer- 
wänden versehen  und  oft  von  sehr  bedeutender  Länge. 

In  der  Nähe  der  Tüpfelgefässe  sieht  man  das  Holzprosenchym  da  und 
dort  unterbrochen  von  Lücken,  deren  Weite  durchschnittlich  der  Dicke  der 
Holzzellen  gleichkömmt.  Oft  sind  zwei  durch  einen  oder  mehrere  Mark- 
strahlen und  Holzlamellen  getrennte  Gefässe  durch  eine  Reihe  solcher  Lücken 
quer  verbunden.  Ueberhaupt  durchziehen  einreihige  Querbänder  dieser 
Lücken  oder  Zellen  da  und  dort  das  Holzparenchym  in  ziemlich  uuregel- 
mässiger  Weise.  Immer  bilden  sie  nur  einfache,  gerade  oder  etwas  gebogene 
Reihen,  welche  aber  sehr  häufig  wieder  durch  einzelne  prosenchymatische 
Holzzellen  unterbrochen  sind , so  dass  sie  die  Markstrahlen  sehr  oft  schief 
kreuzen.  Im  radialen  Längsschnitte  stellen  sich  diese  Lücken  als  senkrecht 
in  grösserer  Zahl  über  einauderstehende  kubische  oder  axial  gestreckte 
Zellen  mit  nicht  sehr  dicken  Wänden  dar.  Sie  entsprechen  also  dem  Holz- 
parenchym in  Lignum  Quassiae  surinamense,  sind  jedoch  schwächer  aus- 
geprägt. Die  concentrischen  Ringe  auf  dem  Querschnitte  des  Guajakstammes 
sind  noch  weniger  durch  die  Holzparenchym -Bänder  oder  Zonen  bedingt, 
als  bei  Quassia,  sondern  vielmehr  durch  die  Anordnung  der  Gefässe. 

Hauptbestandtheil  des  Guajakholzes  ist  das  Harz  (vergl.  Resina  Guajaci), 
welches  ungefähr  y4  des  Gesammtgewichtes  beträgt. 

Den  äusseren  Schichten  des  Splintes  fehlt  es  ganz  und  gar,  in  den 
inneren  erfüllt  es  die  Spiroiden  als  braungelbe,  splitterige  Masse,  oder,  auf 
dem  frischen  Bruche,  als  schön  rothgelbe,  klare  Körner,  welche,  im  polari- 
sirten  Lichte  geprüft,  keine  Krytallisation  erkennen  lassen.  Ebenso  ist  das 


330 


Hölzer. 


Harz  in  den  Gefässen  des  Kernholzes  und  in  dessen  Markstrahlen  abgelagert, 
im  Holzproseuchym  dagegen  weniger  reichlich  in  halbflüssiger  Form  als 
gelbbräunliche  Tropfen.  In  grosser  Menge  ausgesondert  trifft  man  es  auch 
auf  Spalten,  welche  sich  da  und  dort  im  Holze  finden. 

Das  Harz  färbt  sich  bekanntlich  durch  verschiedene  Oxydationsmittel 
schön  blau,  so  dass  das  längere  Zeit  der  Luft  ausgesetzte  Kernholz  einen 
Stich  ins  grünlich  blaue  annimrat,  was  in  ausgezeichneterWeise  auch  ein- 
tritt,  wenn  man  Splitter  oder  feine  Schnitte  mit  sehr  verdünnter  Eisen- 
chloridlösung tränkt  und  mit  etwas  Weingeist  befeuchtet.  Der  Splint  erleidet 
durch  diese  Behandlung  keine  Veränderung  oder  es  färben  sich  nur  die 
Spiroi'den  der  inneren  Schichten,  wo  die  Harzbildung  schon  begonnen  hat. 
Es  scheint  demnach,  dass  dieselbe  erst  nach  längerer  Zeit  eintritt  und  wohl 
nicht  auf  einer  Metamorphose  der  Zellwand  beruht,  indem  die  zu  äusserst 
stehenden  jüngeren  Gefässe,  welche  ganz  frei  von  Harz  sind,  im  übrigen 
vollkommen  den  harzhaltigen  Spiroi'den  des  Kernholzes  gleichen.  Da  harz- 
freie Schichten  (Splint)  den  dicksten  Stämmen  ganz  zu  fehlen  scheinen,  so 
muss  wohl  im  Alter  das  Gewebe  zu  einer  rascheren  Harzbildung  befähigt  sein. 

Auf  dem  radialen  Längsschnitte  sieht  man , dass  in  den  Vertikalreihen 
des  Holzparenchyms  die  Zellen  einzelne,  fast  kugelige,  nicht  gut  ausgebildete, 
gleichsam  abgeschliffene  Krystalle  einschliessen , ohne  Zweifel  Kalkoxalat, 
weil  sie  sich  ohne  Brausen  in  Salzsäure  lösen,  nicht  aber  in  Essigsäure.  Dem 
Splinte  fehlen  diese  Krystalle.  Sie  sind  aber  in  so  geringer  Menge  vor- 
handen, dass  sie  auf  den  Aschengehalt  ohne  Einfluss  sind.  Der  sorgfältig 
getrennte  Splint,  bei  100°  C.  getrocknet,  gab  mir  nur  0,91  pC.  Asche,  das 
Kernholz  0,60  pC.,  also  sogar  noch  weniger.  Die  anorganischen  Bestand- 
theile  sind  demnach  ohne  allen  Einfluss  auf  die  Schwere  und  Dichtigkeit 
dieses  Holzes. 

Landerer’s  Guajacin,  als  Krystallabsatz  aus  der  Tinctur  erhalten, 
so  wie  Righini’s  Guajak säure  waren  vermuthlich  Bestandtheile  des 
Harzes  (siehe  Resina  Guajaci)  in  unreiner  Form.  Denselben  Namen  gab 
Trommsdorff  auch  einem  unten  bei  der  Guajakrinde  zu  erwähnenden 
Bitterstoffe,  der  im  Holze  nur  in  geringer  Menge  vorkömmt. 

Der  Splint  ist  geschmacklos,  das  Kernholz  besitzt  einen  schwach  aroma- 
tischen, zugleich  ein  wenig  kratzenden  Geschmack  und  entwickelt  beim 
Erwärmen  einen  schwachen  angenehmen  Geruch,  der  übrigens  schon 
beim  Reiben  und  Schneiden  des  Holzes  merkbar  ist. 

Das  Wort  Guajak  ist  westindischen  Ursprunges  und  findet  sich  z.  B.  in 
den  Ortsbezeichnungen  Guajama,  Guanica,  Guayavas  auf  Porto  Rico  wieder, 
lautete  aber,  wie  Hutten  schon  erzählte,  eigentlich  Hujacum.  Die  Anwen- 
dung des  Holzes  lernten  die  Spanier  von  den  Eäugebornen  St.  Domiugos 
und  brachten  dasselbe  schon  1508  unter  dem  Namen  Palo  Santo  (lignum 
vitae,  lignum  sanctum)  nach  Europa,  wo  es  noch  1532  sehrtheuer  (1  Pfund 
1 1 Ducaten)  war.  In  Deutschland  trugen  Nicolaus  Poll  (1517)  und  Leon- 


Lignum  Guajaci.  001 

hard  Schmaus1)  zur  Verbreitung  des  .heiligen  oder  indischen  Holzes“  bei, 
ganz  vorzüglich  aber  Ritter  Ulrich  von  Hutten,11)  welcher  nach  langem, 
vergeblichem  Gebrauche  des  Quecksilbers  seine  Heilung  von  heftiger  Syphilis 
(1 50G— 1509)  dem  neuen,  hochgepriesenen  „Lebensholze“  verdankte.  Mau 
unterschied  aber  damals  von  dem  aus  St.  Domingo  kommenden  Holze  das- 
jenige aus  San  Juan  de  Puerto  Rico  (Portorico),  welches  in  dem  weit 
beträchtlicheren  weisslichen  Splinte  einen  nur  sehr  geringen,  fast  bläulichen 
Holzkern  einschloss,  unter  dem  Namen  Lignum  sanctum  sine  matnce,  als 
eigentliches  Heiligenholz.  Andere  nahmen  selbst  eine  dritte  Sorte  an. 

D Noch  jetzt  führen  in  Süd- Amerika  mehrere  verwandte  Bäume  den  Namen 
palo  (Holz)  Santo,  und  ersetzen  dort  unser  Guajacum  officinale.  So  vor- 
züglich Gr.  sanctum  L.,  auf  den  Bahamas,  den  Floridanischen  Inseln  (Key 
West),  auf  St.  Domingo,  in  Brasilien,  Paraguay,  welches  wohl  ursprünglich 
jenes  Lignum  sanctum  lieferte. 

Guajacum  jamaicense  Tausch  scheint  nur  eine  Abart  des  G.  officinale 
zu  sein. 

Die  sehr  spröde  Rinde  des  Guajaks  trennt  sich  leicht  vom  Holze  und 
kömmt  daher  nicht  oder  nur  selten  mit  demselben  im  Handel  vor.  beüher 
war  sie  seit  Linne’s  Empfehlung  bisweilen  als  Cortex  Guajaci  für  sich 
officinell,  ist  aber  ganz  in  Vergessenheit  gerathen.  Sie  bildet  schwere,  kurze, 
bis  0,10m  breite  und  0,002  bis  0,0 10m  dicke,  flache  oder  etwas  gerollte 
Stücke,  welche  entweder  mit  dem  blätterigen,  schmutzig  gelblich  grauen 
Korke  bekleidet  sind  oder,  wo  derselbe  abgestossen  ist,  die  dunkelgrüne 
Mittelrinde  zu  Tage  treten  lassen.  Dieselbe  ist  dann  häufig  mit  flachen  und 
v/enig  vertieften,  rundlichen  Narben  (ähnlich  den  „Concbas“  der  Calisaya 
China)  der  abgestossenen  Korkschuppen  besetzt.  Die  Aussenfläche  ist  sehr 
unregelmässig  höckerig  und  rissig,  wo  sie  noch  vom  Korke  bedeckt  ist,  die 
glatte  mit  hell  glänzenden  Pünktchen  flimmernde  Innenfläche  zeigt  oft  die- 
selbe feine  Längsstreifung  wie  die  Oberfläche  des  Splintes.  Je  nach  dem 
lokalen  Verlaufe  der  im  grossen  wellenförmigen  Streifen  kreuzen  sie  sich 
schief  oder  rechtwinkelig  mit  den  kurzen  Markstrahlen  (und  Krystallzellen) 
des  Bastes  und  erzeugen  damit  ein  sehr  feines,  dem  unbewaffneten 
Auge  kaum  mehr  sichtbares,  zierliches  Netzwerk.  Häufig  wird  die  hell 
gelbgraue  Farbe  der  Innenfläche  durch  dasselbe  blauschwarze  Pilzmy- 
celium  gefleckt,  welches  bei  Lignum  Quassiae  erwähnt  ist.  Die  sehr 


1)  Lucubratiuncula  de  morbo  gallico  et  cura  ejus  noviter  reperta  cum  ligno  indico. 
Aug.  Vindelicor.  1518. 

2)  durch  die  für  jene  Zeit  klassische  Schrift:  Ulrichi  de  Hutten  eq.  de  Guajaci  medi- 
cina  et  morbo  gallico  über  unus.  Moguntiae  in  aedib.  Joannis  Schcffer  1519,  43  S.  in  Quart. 
Es  erschienen  davon  andere  Ausgaben:  1521  zu  Bologna,  1523  und  1531  zu  Mainz,  dann, 
deutsche  (Strassbiirg  1519),  englische  (Loudonl536)  und  französische  (Paris)  Uobersetzungen. 
Hutten  verglich  den  Baum  nicht  unpassend  mit  der  Esche,  das  Holz  mit  dom  des  Buxos, 
Jedoch  sei  dasselbe  im  Innern  schwärzlich,  fettig,  sehr  schwer  und  hart,  nicht  spaltbar 
harzreich. 


332 


Hölzer. 


harte1)  Rrndc  bricht  ausgezeichnet  regelmässig  blätterig,  ohne  jenes  zahn 
art,ge  Eingreifen  Her  Schichten  zu  zeigen,  welchen  L 
ruch  des  Holzes  bedingt.  Der  Querschnitt  lässt  eiue  in  dickeren  Stücken 

erkennen  h//™’  gdbe  SteinzeIleü  körnige  Mittelrinde 

erkennen  wahrend  der  grösste  Theil  des  Schnittes  von  der  fein  gefelderten 
Innenrinde  eingenommen  ist. 

Der  anatomische  Bau  bietet  verschiedene  Eigentümlichkeiten  dar. 
er  Kork  besteht  zunächst  aus  vielen  Reihen  gelber  oder  gelbgrüner,  nach 
aussen  und  den  Seiten  sehr  auffallend  knorpelig  verdickter  Tafelzellen,  auf 
welche  einige  Reihen  etwas  gewölbter,  weniger  dickwandiger,  durch  Luft- 
gehalt gewöhnlich  etwas  dunkler  Korkzeüen  folgen.  Dieselben  bedecken 
eine  zusammengefallene  Schicht  tangential  gestreckten,  durch  Chlorophyll 
giun  gefärbten  Parenchyms.  Dergleichen  grüne  Zonen  wechseln  nach  innen 
mehrfach  ab  mit  sehr  dicht  gedrängten  Schichten  gelber  Steinzellen  von 
bald  würfeliger,  bald  mehr  kugelig-eckiger  oder  gestreckter  Form.  Die  regel- 
mässigsten  derselben  nehmen  auf  dünnen  Querschnitten  im  polarisirten 
Lichte  ein  scharf  ausgeprägtes  schwarzes  Kreuz  auf  hellem  Grunde  an 
ähnlich  wie  grosse  Stärkmehlkörner.  Deutliche  Markstrahlen  fehlen  hier' 
Weiter  nach  innen  findet  sich  zwischen  diesen  Steinzellenschichten  stärke- 
haltiges, etwa  3reihiges  Parenchym,  das  allmälig  in  die  Bastschicht  über- 
geht, welche  dieselben  Steinzellen,  jedoch  öfter  axial  gestreckt,  enthält. 
Hier  wechseln  ihre  dicht  gedrängten  Schichten  ab  mit  Bastparenchym 
dessen  nur  wenig  vertikal  gestreckte  Zehen  fast  immer  einen  KrystaU  von 
Kalkoxalat  einschliesseu.  Diese  in  sehr  grosser  Zahl  vorkommenden,  an 
beiden  Enden  zugespitzten  Prismen  erreichen  eine  Länge  von  etwa  100 
Mikromill.  bei  ungefähr  15  Mikromill.  Dicke.  Ihre  Länge  entspricht  nämlich 
den  Markstrahlen,  welche  aus  einer  einzigen  Vertikalreihe  von  4 bis  6 Zellen 
bestehen.  Ebenso  regelmässig  sind  auch  die  Oxalat- Prismen  vertikal 
gestellt  und  von  ziemlich  gleicher  Breite  wie  die  Markstrahlen.  Der  tangen- 
tiale Schnitt  aus  der  Innenfläche  der  Rinde , wo  die  Steinzellenschichten 
durch  Hornbast  ersetzt  sind,  zeigt  daher  vorwiegend  gleich  hohe,  hori- 
zontale oder  etwas  geneigte  Reihen  aus  sehr  regelmässig  abwechselnden 
Markstrahlen  und  krystallführendem  Bastparenchym,  da  und  dort  unter- 
brochen durch  mehr  kubische,  von  Oxalat  freie  Bastzellen.  Gegen  die 
Mittelrinde  hin  verlieren  sich  die  Markstrahlen,  ohne  sich  zu  erweitern. 

Besonders  auf  dem  radialen  Längsschnitte  durch  die  inuersten  Schichten 
des  Bastes  erscheinen  die  Prismen  oft  mit  einem  einspringenden  Winkel  von 
141  nach  Holzuer2)  versehen,  welcher  durch  Hemitropie  der  dem  mono- 
klinischen  System  augehörigen  Krystalle  entsteht.  Diese  Gestalt  des  Kalk- 
oxalates entspricht  daher  ohne  Zweifel  der  Formel  G2  Ca2  O4  -+-  H‘-  0. 


J)  Hutten  (1519)  nannte  sio  schon  ,haud  ita  densus,  sed  iminodicc  durus4 
gleiche  mit  dem  Holze. 

2)  in  der  bei  Cortox  Strychni  angeführten  Abhandlung  S.  16. 


im  Vor- 


Lignutn  Guajaci. 


333 


während  die  im  Parenchym  des  Kernholzes  sparsam  abgelagerten , freilich 
sehr  unvollkommen  ausgebildeten  Krystalle  vermuthlick  dem  quadratischen 
Systeme  angehören  und  3H20  halten  dürften.  Löst  man  die  schönen  Pris- 
men der  Guajakrinde  in  heisser  Salzsäure , so  schiessen  bei  langsamem  Er- 
kalten ausgezeichnete  Combinationen  der  quadratischen  Säule  mit  dem 
Quadratoktaeder  an;  bei  etwas  mangelhafter  Ausbildung  treten  sie  manch- 
mal zu  Drusen  zusammen , welche  an  die  so  viel  verbreiteten  Krystallroset- 
ten  erinuern,  wie  sie  z.  B.  in  der  Rhabarber  Vorkommen.  Das  Kalkoxalat 
der  Guajakrinde  (Cort.  ligni  sancti)  wurde  schon  1785  von  Scheele  er- 
kannt, dann  vielfach  für  Gyps,  Arragonit  oder  gar  für  Benzoesäure  gehalten 
und  erst  in  neuester  Zeit  chemisch  und  krystallographisch  festgestellt. 
Gleiche  Krystalle  wie  in  der  Guajakrinde  sind  bis  jetzt  nur  erst  in  der  Rinde 
von  Quillaja  Saponaria  Molina  (Rosaceae)  nachgewiesen. 

Wie  das  Mikroskop  zeigt,  ist  die  Guajakrinde  sehr  reich  an  Kalkoxalat. 
Sie  gibt  in  der  That  (bei  100°  C.  getrocknet)  nicht  weniger  als  23  pC. 
Asche,  also  etwa  dreissigmal  mehr  als  das  Holz.  Yock  hat  unter  meiner 
Leitung  die  Oxalsäure  direkt  titrirt.  4,587  Gramm,  bei  100°  C.  getrockneter 
Rinde  lieferten  ihm  0,819  krystallisirter  Säure  G2H606,  entsprechend 
(0,949  Gramm,  oder)  20,7  pC.  Oxalat  G2Ca2Q4  -|-H2G-.  Diese  Menge 
würde  beim  Einäscheru  14  pC.  kohlensauren  Kalk  geben,  während  15  bis 
20  pC.  davon  gefunden  wurden.  Der  Ueberschuss  des  Kalkes  scheint  an 
Weinsäure  gebunden  zu  sein.  Manche  Proben  der  Rinde  enthalten  überdies 
auch  kohlensauren  Kalk  und  brausen  stark  mit  Salzsäure. 

Der  Harzgehalt  der  Guajakrinde  ist  nur  höchst  unbedeutend,  da  er 
fast  ganz  auf  die  geringe  Höhlung  der  noch  nicht  vollständig  verholzten 
Steinzellen  beschränkt  ist,  sofern  der  Inhalt  derselben  nicht  vielmehr  aus 
Farbstoff  besteht.  Das  Harz  ist  verschieden  von  dem  des  Holzes  und  bläut 
sich  nicht  mit  Salpetersäure.  Die  Rinde  schmeckt  schleimig,  dann  ziemlich 
stark  bitter  und  entwickelt  weder  beim  Kauen  noch  beim  Erwärmen  das 
Aroma  des  Holzes.  Trommsdorff  hat  den  Bitterstoff  durch  Fällung  des 
alkoholischen  Auszuges  mit  Schwefelsäure  erhalten  und  Gu  aj  acin  genannt. 
Er  verdient  nähere  Untersuchung.  Die  chemische  Constitution  der  Rinde 
und  des  Holzes  geht  demnach  so  sehr  auseinander,  dass  sie  als  zwei  grund- 
verschiedene Drogen  zu  betrachten  sind. 

Bei  Guajacum  sanctum  scheint  auch  das  Holz,  nicht  nur  die  Rinde  einen 
Bitterstoff  zu  enthalten. 


334 


Rinden. 


III.  Rinden. 

A.  Kork. 

Silber  quercinum. 

Kork.  Liege.  Cork. 

1.  Quercus  Suber  L.  — Amentaceae. 

2.  Quercus  oceitleutalis  Gay. 

Nahe  verwandte  immergrüne  Bäume  von  mässiger  Höhe,  im  Gebiete 
des  Mittelmeers  und  der  benachbarten  atlantischen  Küsten  einheimisch ; 
der  zweitgenannte  in  Portugal  und  dem  südwestlichen  Frankreich  bis  Bor- 
deaux, der  erstgenannte  in  Nordafrika  (bis  ins  Innere  von  Marocco),  auf 
den  Balearen,  in  Ober-Estremadura  und  Vizeaya  in  Spanien,  dem  südöst- 
lichen Frankreich  und  Süditalien,  selten  in  Griechenland,  häufiger  in  Kleiu- 
asien.  In  neuester  Zeit  hat  man  die  Kultur  der  Korkeichen  in  Südaustralien 
begonnen. 

Obwohl  die  Korkbildung  mehr  oder  weniger  reichlich  an  sehr  vielen 
anderen  Bäumen  auftritt,  so  liefern  doch  nur  diese  beiden  Korkeichen  — 
man  nennt  höchstens  auch  noch  in  beschränktem  Masse  Quercus  Pseudo- 
Suber  Santi  in  Ligurien  — den  zur  technischen  Verwendung  brauchbaren 
Kork. 

Bis  zum  dritten  Jahre  ist  die  Rinde  der  Korkeiche  mit  einer  Oberhaut 
bekleidet,  unter  welcher  sich  schon  früh  eine  zarte  farblose  korkartige 
Schicht  bildet;  auf  diese  folgt  nach  innen  die  chlorophyllhaltige  Mittelrinde 
(Rindeuparenchym)  und  die  Innenrinde  (Bastschicht).  Erst  gegen  das  dritte 
oder  vierte  Jahr  vermag  die  Oberhaut  dem  Wachsthum  der  inneren  Rinden- 
schichten nicht  mehr  Schritt  zu  halten  und  wird  der  Länge  nach  gesprengt. 
Die  jetzt  zu  Tage  tretende  Korkschicht  enthält  in  ihren  äusseren  Lagen 
dünnwandige  kubische  verkorkte  und  abgestorbene  Zellen,  während  die 
Wandungen  der  inneren  noch  lebensthätigeu  und  saftigen  Zellen  aus  Cel- 
lulose bestehen.  In  diesen  letzteren,  dem  Korkcambium,  findet  eine  regel- 
mässige Vermehrung  der  Zellen  durch  Theilung  derselben  in  tangentialer 
Richtung  statt,  indem  sich  eine  zarte  Scheidewand  in  der  Mutterzelle  bildet. 
In  der  ganzen  Korkmasse  lassen  sich  deutliche  Jahresschichten  unterschei- 
den. Die  Zellen  der  zwei  oder  drei  innersten  Reihen  jedes  Jahresringes 
bleiben  nämlich  tafelförmig,  wachsen  nicht  zu  Würfeln  aus  und  erscheinen 
wegen  ihrer  genäherten  und  etwas  dickeren  Wände  als  dunklere  Zonen 
(Periderma).  Diese  Zonen  folgen  sich  bei  etwas  älteren  Bäumen  in  sehr 
geringer  Entfernung  von  höchstens  1 Millimeter  Abstand,  so  dass  das  ganze 
Gewebe  nicht  gleichmässig,  wenig  zusammenhängend  und  kaum  elastisch 
ist,  wozu  noch  die  häufig  darin  vorkommenden  Steinzellengruppen  bei- 
tragen. In  der  Richtung  der  Jahreszonen  lässt  sich  dieser  Kork  sehr  leicht 


Suber  quercinum. 


335 


zerreissen.  In  der  That  ist  auch  dieser  sogenannte  männliche  Kork  nicht 
brauchbar  und  dient  nur  zur  Feuerung  oder  zur  Bedachung.  Er  wird  daher 
in  der  Saftzeit,  wo  er  sich  sehr  leicht  vou  der  Mittelrinde  ablösen  lässt, 
durch  che  Axt  entfernt.  In  Algerien  geschieht  dieses  „demasclage“  nach 
Casimir  de  C an  dolle  vom  Mai  bis  zum  Herbste.  Die  Mittelrinde,  Bast- 
schicht und  das  Cambium  bleiben  hierbei  als  „Kork mutter“  zurück  und 
setzen  ihre  Entwickelung  nicht  nur  ungestört  fort,  sondern  die  Korkbildung 
geht  weit  reichlicher  vor  sich,  selbst  wenn  das  „demasclage“  gelegentlich 
durch  die  Eingeborenen  in  barbarischer  Weise  vermittelst  Feuer  geschieht; 
jedoch  in  etwas  abgeänderter  Weise.  Im  Innern  der  Korkmutter,  aber  in  sehr 
wechselnder  Tiefe  unter  der  Oberfläche,  bisweilen  sogar  in  die  Bastschicht 
eingreifend,  bildet  sich  schon  wenige  Monate  nach  dem  Schälen  (demas- 
clage) eine  zarte  Korkzone,  welche  rasch  fortwächst,  aber  viel  breitere 
Jahresschichten  ansetzt.  Die  dunkleren  wellenförmigen  (Periderm-)  Zonen, 
welche  diese  letzteren  trennen,  bestehen  meist  aus  Steinzellen  in  drei  bis 
vier  Reihen.  Neben  denselben  verlaufen  in  gleicher  Richtung  noch  andere 
ähnliche  Zonen,  aus  gewöhnlichen  kubischen  Korkzellen  gebaut,  deren 
Wände  aber  sehr  zusammengefallen  sind  und  nicht  zu  ihrer  vollen 
straffen  Ausdehnung  zu  gelangen  vermochten *).  Sie  bekommen  die- 
selbe durch  Erwärmung  in  kochendem  Wasser  und  behalten  sie  auch 
nach  dem  Erkalten  bei,  so  dass  diese  falschen  Jahresringe  im  käuflichen 
Korke  wenig  mehr  sichtbar  sind.  Hierin  liegt  ein  Hauptgrund  der  grösse- 
ren Elasticität  dieses  künstlich  erzeugten  Korkes , welcher  nun  erst  die  be- 
kannten werthvollen  Eigenschaften  des  Handelsgutes  zeigt.  Dieser  soge- 
nannte weibliche  Kork  unterscheidet  sich  also  vom  natürlichen  (männ- 
lichen) durch  abweichenden  Bau  der  Jahresringe  so  wie  durch  viel  grössere 
Gleichmässigkeit  und  Elasticität,  welche  hier  von  den  sehr  weit  aus  einan- 
der gerückten  Jahresringen  wenig  gestört  werden.  — Diesem  weiblichen 
Korke  gleicht  auch  die  ganze  Korkbildung  an  jüngeren  Bäumen. 

Die  Korkeiche  erreicht  ein  Alter  von  etwa  15  Jahren  bis  sie  weiblichen 
Kork  zu  liefern  beginnt.  Nach  der  ersten  Schälung  erneuert  sich  die  Kork- 
schicht allmälig  und  kann  nach  je  8 bis  10  Jahren  wieder  in  gleicher  Güte 
und  Stärke  gesammelt  werden,  bis  der  Baum  ungefähr  150  Jahre  zählt. 
In  Berggegenden  wächst  der  Kork  langsamer,  wird  aber  feiner.  Die  künst- 
liche Beförderung  der  Korkbildung  soll  die  Lebensdauer  der  Eiche  eher  er- 
höhen als  beeinträchtigen. 

Weitaus  den  meisten  Kork  liefern  Catalonien  und  Andalusien,  dann 
auch  Portugal , weniger  Sardinien  und  Toscana.  Nicht  viel  versprechend 
sind  die  Pflanzungen  an  der  biscayischen  Küste  Frankreichs,  bei  Castets 
uud  St.  Girons  (Departement  des  Landes). 


0 Der  Grund  dieser  Pressuug  dürfte  in  der  Art  der  Vermehrung  der  Korkzellen  liegen, 
welche  vermuthlich  in  centripetaler  Richtung  vor  sich  geht,  indem  von  zwei  durch  eine  tan- 
gentiale Theilung  der  Mutterzelle  entstandenen  Tochterzellen  immer  die  innere  sich  wieder  theilt. 


336 


Rinden. 


England  allein  verbraucht  jährlich  bei  5000  Tonnen  Kork. 

Die  Gewinnung  des  Korkes  findet  in  Algerien1),  wo  jetzt  seit  einigen 
Jahren  im  Sauhadscha-Gebiet  (Provinz  Constautine)  grosse  von  der  fran- 
zösischen Verwaltung  gepachtete  Korkwälder  durch  Deutsche  systematisch 
ausgebeutet  werden,  von  Mitte  April  bis  Mitte  August  Statt.  Die  Rinde 
wird  oben  und  unten  geringelt,  durch  zwei  Liiugsspalten  iu  gleiche  Hälften 
getheilt  und  nun  mit  dem  Stiele  der  Axt  in  der  Regel  mit  einem  Rucke 
leicht  abgelöst.  Erst  später  werden  in  den  Magazinen  die  mit  abgesprengten 
Reste  der  Korkmutter  beseitigt  (demerage)  und  der  Kork  zu  Platten 
gepresst. 

Die  Dicke  derselben  beträgt  höchstens  0,05m,  ihre  braune  Oberfläche 
ist  längsrissig,  runzelig,  die  Innenfläche  heller,  glatt  oder  stellenweise  durch 
die  ausgefallenen  Theile  der  Mittelrinde  etwas  vertieft.  Die  8 bis  10  Jahres- 
ringe sind  auch  auf  dem  radialen  Längsschnitte  der  Platten  deutlich  als 
wellenförmige  Zonen  wahrnehmbar.  Die  kleineren  Korkstöpfel  pflegen  in 
tangentialer  Richtung  aus  den  Platten  geschnitten  zu  werden , also  parallel 
mit  den  Jahresschichten;  die  grossen  hingegen  senkrecht  auf  dieselben.  — 
Iu  radialer  Richtung  ist  der  Kork  auch  von  Spalten  durchsetzt,  die  mit 
braunen  Resten  der  Mittelriude  und  mehr  noch  mit  dickwandigen  knorpe- 
ligen Steinzellen  ausgekleidet  sind.  Je  zahlreicher  uud  weiter  diese  Spalten, 
desto  geringer  der  Kork.  Die  Hauptmasse  desselben  ist  ganz  und  gar  aus 
mehr  oder  weniger  würfelförmigen,  radial  geordneten,  grossen,  70  bis 
100  Mikromill.  messenden  Zellen  mit  etwas  geschlängelten  Wänden  gebil- 
det; nur  die  dunkleren  Zonen,  welche  die  Jahresringe  nach  inneu  begrenzen, 
zeigen  sich  aus  1 bis  3 Reihen  dunkler  gelblicher  Steinzellen  bestehend, 
worin  braungelbe  Harzklumpen  sichtbar  sind.  Das  Korkgewebe  enthält  für 
die  unmittelbare  Wahrnehmung  nur  Luft,  welche  nicht  leicht  vollständig 
daraus  entfernt  werden  kaun.  Aber  selbst  dann  ist  es  immerhin  leichter 
als  Wasser.  Die  eigentliche  Korksubstauz  ist  mit  Wahrscheinlichkeit  als 
ein  sekundäres  Häutchen  zu  betrachten,  welches  sich  auf  der  Innenseite 
der  jungen  Zellwand  ablagert  und  von  der  Cellulose  physikalisch  und  che- 
misch verschieden  ist. 

Im  Gegensätze  zu  dieser  haben  direkte  Versuche  von  Sanio  die  Un- 
durchdringlichkeit des  Korkes  z.  B.  für  Zuckerlösung  dargethan,  wie  ja  auch 
seine  technische  Verwendung  gerade  auf  dem  Widerstande  beruht,  den  er 
dem  Durchgänge  der  Flüssigkeiten  uud  Gase  entgegensetzt,  so  wie  auf  seiner 
geringen  Hygroskopicität.  Iu  optischer  Hinsicht  ist  der  Kork  durch  starke 
Lichtbrechung  ausgezeichnet,  welche  seine  Zellwände  dunkel  und  scharf 
gezeichnet  erscheinen  lässt.  — Eben  so  sehr  unterscheidet  sich  der  Kork- 
stoff,  das  Suberin,  in  chemischer  Hinsicht  von  Cellulose.  Durch  Jodzink- 
lösung oder  durch  Jod  nach  vorgängiger  Behandlung  mit  Schwefelsäure 
nimmt  es  erst  nach  sehr  anhaltendem  Kochen  mit  Kali  eine  blaue 


D Ausfuhr  1861:  1 Million  Kilogr. 


Cortex  UJmi  interior. 


337 


Färbung  an,  löst  oder  verändert  sich  in  Kupferoxydammoniak  nicht  und 
gibt,  mit  Schwefelsäure  behandelt,  kein  lösliches  Kohlehydrat.  Auch  die 
durch  Salpetersäure  erhaltenen  Oxydatiousprodukte  unterscheiden  sich 
wesentlich  von  denen  der  Holzfaser  und  enthalten  neben  Oxalsäure  nament- 
lich auch  höhere  Glieder  ihrer  homologen  Reihe,  wie  Bernsteinsäure  und 
Korksäure  (10  pC.  vom  Kork),  dann  Spuren  von  Benzoesäure,  Ammoniak 
und  Bitterstoff.  Explosive  Verbindungen  fehlen.  Die  Formel  des  Korkes 
steht  nicht  fest;  er  enthält  weit  mehr  (über  60  pC.)  Kohlenstoff  und  weniger 
Sauerstoff  (unter  30  pC.)  als  die  Cellulose,  auch  1 */a  bis  3 pC.  Stickstoff, 
der  indessen  vielleicht  nur  als  Beimengung  zu  betrachten  ist. 

Der  Kork  verbrennt  mit  eigenthümlich  schwach  aromatischem  Gerüche 
und  hinterlässt  nur  etwa  V2  pC.  Asche. 

Durch  Aether  oder  Alkohol  lassen  sich  dem  Kork  nach  Che  vre  ul 
ungefähr  2V2  pC.  eines  wachsartigen  Stoffes,  Korkharz,  Oer  in1)  oder  Kork- 
wachs genannt,  entziehen,  das  in  gelblichen  Nadeln  krystallisirt.  Bous- 
singault  nannte  dieselben  Korkharz  und  erst  das  durch  Salpetersäure 
erhaltene  Oxydationsprodukt  Cerin  oder  Korkwachs.  Dieses  letztere  be- 
schrieb Döpp  ing  als  Cerinsäure. 

B.  Adstringirende  Rinden. 

Cortex  Ulmi  inferior. 

Ulmenrinde.  Rüsterriude.  Ecorce  d’orme  pyramidal.  Elm  bark. 

1)  Ulmus  campestris  L.  1 

2)  Ulmus  effusa  Willcl.  } Ulmaceae- 

Die  Rinde  jüngerer  Aeste  dieser  durch  fast  ganz  Europa  verbreiteten 
Bäume,  besonders  der  etwas  häufigeren  ersteren  Art,  wird  im  Frühjahre 
geschält  und  von  der  Kork-  oder  Borkenschicht  befreit. 

Die  übrig  bleibenden  Bastschichten  stellen  flache,  lange,  gewöhnlich 
etwa  0,03  bis  0,05'“  breite  und  bis  0,002m  dicke  Bänder  dar,  die  in  läng- 
liche Bün deichen  aufgerollt  werden.  Ihre  Farbe  wechselt  von  gelblich  oder 
röthlichweiss  bis  rothbraun;  die  Aussenfläche  trägt  häufig  noch  Reste  der 
biaunen  Mittelrinde  und  des  glänzenden,  hellgrauen  Korkes.  Die  etwas 
hellere  Innenfläche  ist  durch  zahlreiche , feine,  gerade  verlaufende  Längs- 
leistchen  dicht  gestreift;  der  glänzende  Querschnitt  im  Innern  etwas  heller, 
fein  gestrichelt  durch  zahlreiche  schmale  Markstrahlen.  Trotz  der  langfaserigen 
Textur  bricht  die  Ulmenrinde  ziemlich  leicht.  Bisweilen  bleibt  auf  jüngeren 
Rinden  die  Kork-  und  Mittelrindenschicht  noch  sitzen.  Hat  darin  die  Borken- 
bildung noch  nicht  begonnen,  so  zeigt  der  Kork  kleine  gelbliche,  ziemlich 
dickwandige,  flache,  die  Mittelrinde  grössere,  rothbraune  Zellen  mit  einzelnen 


U Nicht  zu  verwechseln  mit  dem  gleich  bonannten,  in  Alkohol  löslichen  Antheile  des 
Bienenwachses. 

Pliickiger,  Pharmakognosie. 


22 


338 


Rinden. 


Krystallro setten  und  Gruppen  gelber  Steinzellen.  Sind  aber  die  Rinden 
schon  in  das  Stadium  der  Borkenbildung  eingetreten,  so  wird  das  Gewebe 
unregelmässig  von  Peridermstreifen  durchschnitten. 

Die  Innenrinde,  der  eigentlich  allein  officinelle  Tlieil,  besteht  aus  dick- 
wandigem, ein  wenig  tangential  gedehntem  Parenchym,  in  welchem  einzelne 
etwas  grössere,  sonst  nicht  abweichend  gestaltete  Zellen  Schleim,  die  übrigen 
rothbraunen  Farbstoff  enthalten.  Grosse,  zu  unregelmässigen  Reihen 
geordnete,  hellgelbliche  Bastbündel  wechseln  mit  dem -Parenchym  ab  und 
werden  von  schmalen , röthlichen  Markstrahlen  durchschnitten.  Die  Bast- 
büudel  enthalten  zahlreiche,  lange,  bis  etwa  30  Mikromill.  dicke  Röhren 
mit  engem  Lumen.  Jede  einzelne  der  kubischen  Zellen  des  zunächst  an- 
stosseuden  Bastparenchyms  umschliesst  einen  grossen,  aber  selten  gut 
ausgebildeten,  häufig  abgerundeten  Krystall  von  Kalkoxalat, 

Der  schleimige,  adstringirende , dabei  etwas  süssliche  Geschmack  der 
Ulmenrinde  verräth  als  Hauptbestaudtheil  Gummi  (Schleim,  Bassorin)  und 
wenig  Gerbsäure.  Ersteres  scheint  mit  dem  Alter  der  Rinde  relativ  abzu- 
nehmen. Stärke  fehlt  (ob  zu  allen  Zeiten?). 

Im  Sommer  schwitzen  die  Ulmen  oft  einen  Schleim  aus,  welcher  sich 
an  der  Luft  in  eine  braune,  unlösliche  Masse,  Ulmin,  verwandelt.  Man 
hat  diesen  Namen  auf  verschiedene,  ähnlich  ausseheude,  aber  bis  jetzt  eben 
so  wenig  genau  erforschte , in  Alkalien  und  Säuren  unlösliche  Zersetzungs- 
produkte organischer  Stoffe  ausgedehnt. 

In  Nord- Amerika  verwendet  man  die  nach  Foenum  graecum  riechende, 
viel  schleimigere  Riude  von  Ulmus  fulva  Mich. 


Cortex  Quercus. 

Eichenrinde.  Ecorce  de  ebene.  Oak  hark. 

1)  Quercus  pedunculata  Ehrh.  — Amentaceae. 

Syn.:  Q.  racemosa  Lamarck. 

Q.  Robur  L. 

Stieleiche.  Sommereiche. 

2)  Quercus  sessiliflora  Martyn.  Smith. 

Q.  Robur  Willdenow. 

Steineiche.  Wintereiche. 

In  Mittel-Europa  sehr  verbreitete  Waldbäume,  besonders  die  erstere  Art, 
welche  sogar  von  Spanien  bis  England  und  Archangel  geht,  während  die 
zweite  hauptsächlich  auf  Deutschland  beschränkt  und  überhaupt  weniger 
häufig  ist.  Sie  findet  sich  indessen  auch  in  der  Krim  und  inTranscaucasien 
mit  der  erstgenannten  Art,  Zum  officiuelleu  Gebrauche  dieut  die  im  Früh- 
jahr gesammelte  Rinde  jüngerer  Aeste  oder  Stämme,  welche  etwas  ver- 
schieden aussieht,  je  nachdem  sie  älteren  Bäumen  oder  Wurzelausschlägen 
entnommen  wird.  Besonders  von  letzteren  ist  sie  glatt,  nicht  rissig,  höch- 
stens etwas  runzelig,  glänzend  silbergrau,  mit  Korkwärzchen  besetzt,  bis 


Cortex  Quercus. 


339 


0,001’"  dünn.  Innenfläche  hellbraun  bis  braunroth,  längsstreifig  oder 
höckerig,  besonders  im  Alter.  Bruch  zähe,  faserig.  An  älteren  Bäumen  ist 
die  Rinde  der  jüngeren  Zweige  aussen  dunkler,  bis  braunroth,  oft  rissig, 
und  noch  grössere  Unterschiede  zeigt  die  Rinde,  wenn  sie  bei  zunehmendem 
Alter  aufreisst  und  durch  Borkenbildung  theilweise  abgeworfen  wird.  — 
Sie  bildet  beim  Trocknen  wenig  gebogene  Röhren  oder  bandartige  Streifen. 
Auf  dem  Querschnitte  (junger  Rinde)  erkennt  man  eine  dünne,  braune  oder 
innen  grünliche  Korkschicht;  darunter  in  dem  braunen  Parenchym  zahl- 
reiche Reihen  weisser  Punkte. 

Die  Ausseurinde  (der  Zweige  von  Q.  pedunculata)  besteht  aus  kleinen, 
flachen,  ziemlich  dicken  Korkzellen , deren  mittlere,  gelbwandige  Lage  mit 
rotlibraunem  Inhalte  versehen  ist;  die  Mittelrinde  aus  grösseren,  dickwan- 
digen, nur  wenig  tangential  gedehnten  Zellen  mit  grünen  (Chlorophyll-) 
und  braunen  Körnern.  Dieses  Gewebe  geht  allmälig  in  das  zartere,  engere 
Parenchym  der  Innenrinde  über,  welches  sehr  unregelmässig  von  schmalen 
Markstrahlen  durchzogen  ist.  Rosettenförmige  Krystallgruppen  von  Kalk- 
oxalat sind  in  den  Zellen  der  Mittel-  und  Innenrinde  sehr  häufig;  der  Haupt- 
inhalt besteht  aber  in  braunen  Körnchen  und  Klümpchen  von  Farbstoff  und 
Gerbstoff. 

In  der  Mittelrinde  tritt  als  besonderes  Gewebe  ein  nur  wenig  unter- 
brochener Ring  von  farblosen,  dicht  gedrängten  Steiuzellen  auf,  welcher 
auch  einzelne  Gruppen  kleinerer,  glänzender  (auf  dem  Querschnitte),  kreis- 
runder, fast  ganz  verdickter  Baströhren  einschliesst.  Grössere  quadratische 
oder  längliche  Gruppen  der  letzteren,  reihenweise  in  der  Innenrinde  geordnet, 
werden  von  den  schmalen  Markstrahlen  radial  durchschnitten  und  durch 
einzelne  Parenchymstränge  aus  einander  gehalten.  — Nur  in  jüngeren 
Rinden  erscheinen  die  Steinzellen  und  Bastgruppen  mit  dieser  Regelmässig- 
keit; bei  zunehmender  Dicke  der  Rinde  rückt  der  Bast  mehr  nach  aussen, 
die  Steinzellengruppen  werden  mehr  getrennt,  die  Mittelrinde  durch  sekun- 
däre Korkbilduug  zum  Theil  abgeworfen. 

Die  jüngeren,  allein  officinellen  Rinden  sind  demnach  im  Bau  und  Aus- 
sehen sehr  von  den  älteren  verschieden. 

Geringere  Verschiedenheit  bieten  bei  gleichem  Alter  die  Rinden  der 
beiden  Anfangs  genannten  Eichenarten  unter  sich;  bei  sessiliflora  pflegt 
der  Steinzellenring  etwas  lockerer  zu  sein,  auch  die  Bastbündel  sind  weniger 
regelmässig  in  Reihen  geordnet. 

Der  Geruch  der  trockenen  Eichenrinde  ist  sehr  schwach;  befeuchtet 
entwickelt  sie  den  eigentliümlichen  Lohgeruch.  Geschmack  adstringirend 
bei  etwas  älteren  Rinden  zugleich  bitter,  bei  jüngeren  mehr  schleimig. 

Der  hervorragendste  Bestandtheil  ist  der  Gerbstoff  (Gerbsäure),  welcher 
nach  Stenhouse,  so  wie  auch  nach  Eckert  von  dem  der  Galläpfel  ab- 
weicht, aber  noch  nicht  genauer  gekannt  ist.  Der  Gehalt  der  Eichenrinde 
an  diesem  Gerbstoffe  wechselt,  je  nach  dem  Alter  der  Rinde,  wohl  auch 
nach  der  Jahreszeit,  von  4 bis  20  pC.  In  der  Praxis  der  Gerberei  gilt  der 

22* 


340 


Rinden. 


Satz,  dass  die  Frühlingsrinde  uud  zwar  aus  der  Altersstufe  zwischen  dem 
18.  und  30.  Jahre  am  reichsten  daran  ist.  Durch  den  Einfluss  der  Luft 
uud  Feuchtigkeit  erleidet  die  Rinde  bedeutenden  Verlust  an  Gerbstoff.  Die 
schönste  glatte  silberweisse,  sogenannte  „Spiegelrinde“  enthält  gegen  20  pC.; 
es  scheint,  dass  der  Bast  hauptsächlich  Sitz  desselben  ist. 

Neben  dem  Gerbstoffe  enthält  die  Eichenrinde  auch  Fett,  Pektin,  Spu1 
ren  von  Citronsäure,  Gummi  und  gibt  2 bis  5 pC.,  fast  nur  aus  Kalksalzen 
bestehender  Asche.  Zucker  scheint  zu  fehlen. 

Den  Bitterstoff  der  Eichenrinde  hat  Gerber,  unter  dem  Namen  Quer- 
ciu,  dargestellt  und  zwar,  dem  bereits  erwähnteu  stärker  bittern  Ge- 
schmacke  älterer  Rinden  entsprechend,  nur  iu  diesen,  nicht  in  jüngeren, 
gefunden.  Das  Quercin  krystallisirt,  ist  aber  noch  nicht  näher  untersucht. 
Es  scheint  in  nur  sehr  geringer  Menge  vorhanden  zu  sein;  Eckert  gelang 
es  nicht,  dasselbe  in  jüngerer  Rinde  zu  finden. 

Cortex  Granati  radicis. 

Granatwurzelrinde.  Ecorce  de  racine  de  grenadier.  Pomegranate , bark  of 

the  root. 

Punica  Granätum  L.  — Myrtaceae-Granateae. 

Die  Länder  zwischen  dem  kaspischen  Meere,  dem  persischen  Busen  und 
dem  Mittelmeer,  vorzüglich  vielleicht  Palästina,  sind  die  Urheimat  des  Gra- 
natbaumes. Schon  in  den  ältesten  Zeiten  als  beliebter  Obstbaum  sehr  viel  an- 
gebaut uud  leicht  verwildernd,  hat  sich  der  kleine  Baum  oder  Strauch  sehr  früh 
durch  das  wärmere  Asien,  bis  Nordindien,  Südsibirien,  durch  den  ganzen  Archi- 
pelagus  und  Nordchina,  auchwestwärts  über  ganz  Nordafrika  (bis  in  den  Atlas, 
in  die  Oasen  von  Tuat,  ja  nach  den  Azoren)  und  Südeuropa  verbreitet,  jetzt 
sogar  schon  in  Amerika,  z.  B.  in  Nordperu  angesiedelt.  In  Oberitalien,  bei 
Botzen  so  wie  in  der  südlichen  Schweiz  gedeiht  der  Granatbaum  noch  im 
Freien,  nicht  mehr  in  Lyon,  ziemlich  gut  in  Brüssel  und  sogar  in  Cornwall, 
dagegen  in  Saratow  (Südrussland)  z.  B.  nur  noch  unter  guter  Winter- 
bedeckung. 

Man  verwendet  vorzugsweise  die  Rinde  der  starken  holzigen  Wurzeln 
wild  wachsender  oder  verwilderter  Bäume  von  mittlerem  Alter.1)  Sie  bildet 
meist  ungefähr  0,1 0m  lange  oder  kürzere,  entweder  sehr  unregelmässig  ein- 
gerollte dünnere  Röhren  oder  mehr  flach  rinnenförmige,  oft  rückwärts  ge- 
krümmte und  verbogene,  bis  0,040™  breite,  höchstens  U/2  Millimeter  dicke 
Stücke.  Ihre  gelblich -grauliche  Oberfläche  ist  seltener  fein  läugsstreifig 
oder  netzig-runzelig , sondern  gewöhnlich  durch  breite,  schülferig  aufgeris- 
sene Korkleisten  gefurcht,  welche  nur  auf  deu  stärksten  Stücken  iu  breite 
flaclibödige  muschelartige  Abschuppuugeu  (die  „Couchas“  der  Chinarinde) 
zusammenfliessen.  Au  der  glatten  oder  nur  sehr  fein  der  Länge  nach  ge- 
strichelten hell  grünlich -gelblichen  bis  bräunlichen  Innenfläche  haften  bis- 


0 in  Frankreich  mitVorliebc  die  ans  Portugal  bezogene. 


Cortex  Granati  radicis. 


341 


weilen  noch  Streifen  des  weisslichen  zähen  Holzes.  Die  Rinde  bricht  kurz 
und  körnig  und  bietet  auch  auf  dem  hell  gelblichen  Querschnitte  keine  be- 
sondere Zeichnung  dar,  sofern  nicht  die  Loupe  zu  Hülfe  genommen  wird, 
welche  einen  fein  gefelderten  Bau  erkennen  lässt. 

Der  Kork  erreicht  keine  bedeutende  Ausdehnung , indem  er  immerfort 
abgestossen  wird.  Seine  inneren,  noch  lebensthätigen,  kubischen  oder  tafel- 
förmigen Zellenreihen  sind  ziemlich  dickwandig,  wie  auch  das  kugelig- 
eckige, nicht  stark  tangential  gestreckte  Gewebe  der  schmalen  Mittelrinde. 
Die  10  bis  20  Zellenreihen  derselben  gehen  allmälig  in  die  Innenrinde  über, 
deren  Breite  im  Mittel  mehr  als  % des  ganzen  Querschnittes  einnimmt. 

Die  Innenrinde  ist  aus  regelmässig  abwechselnden  concentrischen,  nach 
Form  und  Inhalt  unterschiedenen  Zellenlagen  gebildet.  Die  einen  nämlich 
bestehen  aus  einer  einzigen  Reihe  kleiner,  annähernd  würfeliger,  ungefähr 
'15  Mikromill.  messender  Zellen,  welche  genau  vertikal  über  einander  auf- 
gebaut und  nur  durch  zartere  horizontale  Querwände  stockwerkartig  ge- 
trennt sind.  Jede  Zelle  wird  von  einer  abgerundeten  Krystalldruse  ausgefüllt, 
welche  anfangs  durch  die  in  ihren  Zwischenräumen  enthaltene  Luft  dunkel 
erscheint.  Jede  einzelne  Schicht  dieser  Krystallzellen  ist  von  den  übrigen  ge- 
trennt durch  1 bis  3 Reihen  Stärkemehl  (nebst  Gerbstoff)  führender,  axial  ver- 
längerter Zellen,  welche  aber  eben  so  -wenig  den  gewöhnlichen  Formen  des 
Bastes  entsprechen.  Diese  Stärkezellen  zeigen  im  Querschnitte  dieselbe 
Form  und  Grösse  wie  die  Krystallzellen,  im  Längsschnitte  jedoch  erweisen 
sie  sich  drei-  bis  zehnmal  länger,  aber  nicht  zugespitzt,  sondern  gerade  quer 
abgeschlossen,  als  ob  sie  nur  durch  Resorption  der  Querwände  einer  An- 
zahl enger  verbundener  kubischer  Zellen  entstanden  wären. 

In  radialer  Richtung  wird  dieses  ganze  Innenrindengewebe  von  ein-  bis 
zweireihigen  mauerförmigen  stärkeführenden  Markstrahlen  durchschnitten, 
so  dass  eine  sehr  fein  gefelderte  Zeichnung  entsteht.  Zwischen  zwei  dieser 
in  gerader  Linie  oder  in  sanfter  Krümmung  verlaufenden  Markstrahlen  pflegen 
2 bis  6 Reihen  Krystallzellen  und  Stärkezellen  eingeschlossen  zu  sein,  welche 
sich  ganz  wie  die  gewöhnlichen  Baststrahlen  in  die  Mittelrinde  auskeilen. 
An  der  Grenze  finden  sich  sehr  zerstreut  einzelne  oder  zu  zwei  bis  drei  ver- 
einigte Steinzellen  von  sehr  unförmlichem  Umrisse,  bis  100  — 300  Mikromill. 
messend.  Aehuliche,  doch  mehr  im  Sinne  der  Axe  gestreckte  Steinzellen 
treten  auch  tiefer  in  der  Innenrinde  selbst  auf  und  nehmen  bisweilen  den 
ganzen  Raum  zwischen  zwei  Markstrahlen  ein.  Die  Steinzellen  fehlen 
stellenweise  ganz. 

Die  Mittelrinde  enthält  ebenfalls  Amylum  in  höchstens  etwa  8 Mikr. 
grossen  Körnern , daneben  kleinere  formlose  Körnchen , vermuthlich  Gerb- 
stoff, und  ausser  Krystalldrusen  auch  einzelne  grössere  hendyoedrische 
Krystalle  von  Kalkoxalat. 

Die  Rinde  eines  0,021'1  dicken  Granatstammes  (aus  Montpellier)  finde 
ich  gleich  gebaut  wie  die  der  ebenso  starken  Wurzel;  nur  sind  in  ersterer 
die  Steinzellen  im  ganzen  seltener  und  kleiner.  Aeusserlich  unterscheidet 


342 


Rinden. 


sich  die  Wurzelrinde  sehr  bestimmt  durch  weit  reichlichere  unebene  Kork- 
bildung von  bräunlicher  Farbe,  während  die  Stammrinde  mehr  gesonderte 
Korkleistchen  von  hell  graulicher  Färbung  aufweist. 

Die  Granatrinde  schmeckt  rein  adstringirend  und  enthält  viel  eiseu- 
bläuenden  Gerbstoff  (nach  Wackenroder  über  22  pC.),  der  noch  nicht 
näher  untersucht,  nach  Stenhouse  aber  vielleicht  eigenthümlich  ist,  neben 
wenig  Zucker  und  Gummi. 

Bei  100°  getrocknete  Rinde  gab  Spies  15  pC.  Asche,  wovon  9/10  aus 
Kalk-  und  (wenig)  Kali-Carbonat  bestanden. 

Das  als  eigentümlichen  Stoff  angegebene  Pu  nie  in  ist  ganz  zweifelhaft 
und  das  sogenannte  Granatin  scheint  Zucker  zu  sein. 

Die  Rinde  der  Wurzel  und  auch  wohl  die  des  Stammes  wurde  nach 
Dioskorides  und  Plinius  schon  im  Alterthum  innerlich  und  äusserlich 
gebraucht , besonders  gegen  Bandwurm,  welche  Verwendung  sich  in  Indien 
immer  erhalten  hat,  während  sie  in  Europa  ganz  in  Vergessenheit  gerieth. 
Erst  1807  machte  Buchanan  in  Calcutta  wieder  darauf  aufmerksam  und 
seit  1822  erlangte  sie  alknälig  ihre  heutige  Stelle  in  unserm  Arzneischatze. 

Die  einigermassen  ähnlichen  Rinden  von  Buxus  sempervirens  und  von 
Berberis  vulgaris  sind  frei  von  Gerbstoff;  ihre  Auszüge  reagiren  daher 
nicht  auf  Eisensalze,  wie  derjenige  der  Granatwurzel. 

C.  Bittere  Rinden. 

Cortices  Chinae. 

Chinarinden.  Ecorces  de  quinquina.  Cinchona  barks. 

§ 1.  Einleitung.  § 2.  Charakter  des  Genus  Cinchona.  § 3.  Blätter.  §4.  Gattung.  Arten. 
§ 5.  Zahl  der  Arten.  § 6.  Skizzen  der  wichtigsten  Arten.  § 7.  Weniger  wichtige  Arten. 

§ 8. Vegetationsbedingungen.  § 9.  China-Wälder.  §10.  Chemische  Beschaffenheit  des  Bodens. 
§ 11.  Vertikale  Verbreitung.  § 12.  Horizontale  Verbreitung.  § 13.  Cascariltos  bohos. 
§ 14.  Ausrottung.  § 15.  Sammlung  der  Rinden.  § 16.  Sortirung.  Verpackung.  § 17.  Aus- 
beute. § 18.  Transport.  Ausfuhrhäfen  in  Südamerika.  § 1 9.  Verarbeitung  im  Lande. 

§ 20.  Entwickelung  der  Rinde.  Aussehen  §21.  Studium  der  Rinden.  § 22.  Anatomischer 
Bau.  Ausscnrinde.  § 23.  Mittelrinde.  (Harzring  § 32.  2).  § 24.  Saftschläuche.  § 25.  Innen- 
rinde. §26.  Verholzte  Baströhren;  Gestalt  derselben.  §27.  Anordnung  der  Baströhren  im 
Parenchym.  § 28.  Inhalt  der  Gewebe.  § 29.  Falsche  Chinarinden.  § 30.  Bruch.  §81.  Wurzel- 
rinde. § 32.  Ban  der  einzelnen  Rinden.  § 33.  Verwerthnng  der  anatomischen  Merkmale. 
§ 34.  Uebcrsicht  derselben. 

§ 35.  Eiutheiluug  der  Rinden.  § 36.  Huanuco.  § 37.  Loxa.  § 38.  Pseudo-Loxa.  Hua. 
malies.  Jaen.  § 39.  Officinelle  Rinden. 

§ 40.  Geruch  und  Geschmack.  § 41.  Bestandtheilc.  Allgemeiner  verbreitete  Stoffe.  § 42. 
Phlobaphen.  Lignoin.  Gerbsäure.  Chinaroth.  § 43.  Chinasäure.  Chiuovin.  § 44.  Chinin. 
Cinchonin.  § 45.  Chinidin.  Cinchonidin.  § 46.  Paltochiu.  Aricin.  Paricin.  Chinoidin.  Quinio. 

§ 47.  Menge  der  Alkaloide.  § 48.  Vermehrung  durch  Cultur.  § 49.  Einfluss  des  Alters. 
§ 50.  Qualitative  Schwankungen.  § 51.  Durchschnitts-Gehalte.  § 52.  Werth  der  Wurzel- 
rinden. § 53.  Alkaloid  und  Chinoviniu  Blättorn  und  Holz.  § 54.  Grahe  sehe  Probe.  Gewichts- 
bestimmung der  Alkaloide.  § 55.  Sitz  der  Alkaloide.  Krystallo  in  den  Rinden.  § 56.  Sitz 
der  Alkaloide:  Wigands  Ansicht.  § 57.  Alkaloide  in  falschen  Rinden. 


Cortices  Chinae.  § 1. 


343 


§ 58.  Frühere  Geschichte  der  China.  § 59.  Botanische  Geschichte  der  China.  § GO.  Bota- 
nisch-pharniakognostische  Geschichte  nach  der  Entdeckung  der  Basen.  § 61.  Uebersicdclung 
nach  Java.  § 62.  Uebersiedelting  in  die  englischen  Cotonien.  Aussichten. 

Abkürzungen  zur  Bezeichnung  der  öfter  anzuführenden 

Werke: 

==  Berg.  Die  Chinarinden  der  pharmakogn.  Sammlung  zu  Berlin.  Berl.  1865.  4SS.  und 
10  Tafeln.  Quart. 

f)B.  — Delondre  u.  Bouchardat.  Quinologie.  Paris  1854.  48  S.  und  23  Tafeln.  Quart. 
Hd.  = Howard.  Illustr.  of  the  Nueva  Quinologia  of  Pavon.  London  1862.  163  S.  und 
30  Tafeln.  Folio. 

Kstn.  = Karsten.  Die  medicin.  Chinarinden  Neu-Granadas.  Berl.  1858.  68  S.  und  2 Ta- 
feln. Octav. 

Kstn.  Col.  = Karsten.  Florae  Columbiae  terrarumq.  adjac.  specim.  selecta.  Berl.  1858. 

Folio.  (Noch  unvollendet.) 

P.  = Pavon.  Vergl.  § 59. 

Phb.  ==  Phoebus.  Die  Delondre-Bouchardat’schen  Chinarinden.  Giessen  1864.  75  S. 
Pich.  = Planchon.  Des  Quinquinas.  Paris  et  Montpellier  1864.  150  S. 

RP.  = Ruiz  u.  Pavon.  Vergl.  § 59. 

Wdl.  = Weddel  1.  Histoire  naturelle  des  Quinquinas.  Paris  1849.  108  S.,  30  Tafeln  und 
1 Karte.  Folio. 


§ 1. 

Die  Chinarinden  stammen  von  zahlreichen  Arten  des  Genus  Cinchona 
ab,  dessen  erste  Kenntniss  die  Wissenschaft  dem  französischen  Akademiker 
Charles  Marie  de  la  Condamine  verdankt.  In  Gesellschaft  von  Bouguer 
und  Godin  von  1736  bis  1744  als  Astronom  mit  der  Gradmessung  in  Peru 
beschäftigt  und  zugleich  auch  jeden  Anlass  zur  Förderung  anderer  Zweige 
der  Naturwissenschaft  benutzend,  beobachtete  Condamine  nach  Anleitung 
von  Joseph  de  Jussieu  am  4.  Februar  1737  auf  der  Reise  von  Quito  über 
Cuenqa  nach  Lima  einen  der  Chinabäume  auf  dem  Berge  Cajanuma,  2'/2  Mei- 
len (lieues)  südlich  von  Loxa.  Im  folgenden  Jahre  wurde  Condamin e’s 
Beschreibung  und  Abbildung  seines  „arbre  de  quinquina“  der  Pariser  Aka- 
demie vorgelegt  und  1740  von  derselben  veröffentlicht1).  Nach  Howard 
ist  dieser  zuerst  geschilderte  Baum  die  heutige  Cinchona  Uritusinga.  Joseph 
de  Jussieu,  der  Botaniker  jener  französischen  Expedition,  sammelte  1739 
bei  Loxa  ebenfalls  eine  Cinchona,  die  nachmalige  C.  pubescens  Yahl.  Bald 
erhielt  auch  Mutis  vermuthlich  die  gleiche  aus  derselben  Gegend  und 
sandte  sie  an  Linne,  welcher  darauf  gestützt  1742  das  Genus  Cinchona 
aufstellte  und  1753  die  Art  C.  officinalis  aus  den  beiden  nicht  geniigeud 
erkannten  Pflanzen  bildete. 

Später  vorzüglich  durch  de  C an  dolle  und  durch  Klotzsch2)  schärfer 
gefasst,  ist  das  Genus  jetzt  in  folgender  Weise  bestimmt.  Es  enthält  einen 


1)  Hist,  de  l’acad.  roy.  dos  Sciences,  ann.  1738,  avec  les  mern.  de  math.  et  de  phys.  pour 
la  meine  annee.  Paris  1740.  p.  226 — 243. 

2)  in  Haynes  Darstellung  und  Beschr.  der  in  d.  Arzneikunde  gebr.  Gewächse.  Bd.  XIV. 


344 


Rinden. 


bis  mehrere  Meter  hohe  Sträucher  (z.  ß.  C.  carabayensis  Weddell,  0.  Cali- 
saya Yar.  ß)  Josephiana,  C.  glandulifera,  C.  hirsuta  Ruiz.  u.  Pavon,  C.  Oho- 
meliaua  Wdl),  oder  aber  stattliche  bis  über  20  oder  sogar  40  M.  hohe 
Bäume  (z.  B.  C.  Calisaya,  corymbosa,  laucifolia,  micrantha,  nitida,  peru- 
viana, succirubra) , welche  mit  einigen  sehr  nahe  verwandten  Gattungen  in 
der  Familie  der  Rubiaceen  die  höchst  natürliche  Ordnung  der  Cinchoneen 
bilden.  Die  hierher  gehörigen  Pflanzen  sind  durch  gegenständige,  nicht 
quirlige  Blätter,  durch  zweifächerige,  in  zwei  vertikalen  Klappen  aufsprin- 
gende Kapseln  mit  zahlreichen,  breit  geflügelten  Samen  charakterisirt. 
Die  Fruchtform  erinnert  einigermassen  an  manche  Umbelliferen. 

§2. 

Das  Genus  Cinchona  in  der  heutigen  Abgrenzung  ist  ausgezeichnet 
durch  hinfällige,  meist  nicht  sehr  ansehnliche  Nebenblättchen,1)  durch  einen 
kleinen  fiinfzähnigen  oberständigen  Kelch,  der  die  weit  längere  Kapsel  blei- 
bend krönt.  Die  letztere  springt  zuerst  am  Grunde  auf,  indem  sich  auch 
der  Fruchtstiel  spaltet  und  wird  an  der  Spitze  durch  den  derben  Kelch 
zusammengehalten,  nachdem  die  Samenträger  herausgefallen.  Die  30 — 40 
kleinen,  dachziegelartig  geordneten,  flachen  Samen  sind  durch  einen  sehr 
breiten,  pergamentartigen  Saum  ringsum  geflügelt;  der  letztere  gezähnt  und 
zerschlitzt,  aber  nur  bei  wenigen  Arten  (z.  B.  C.  cordifolia,  purpurea,  tucu- 
jensis2))  am  Rande  durchlöchert.  Die  trichterförmige,  oben  in  fünf  nicht 
sehr  ansehnliche  Lappen  ausgebreitete  Blumenkrone  ist  von  zarter  Beschaffen- 
heit, nicht  lederig,  an  den  Lappen  zierlich  bärtig,  von  weisser  bis  rosen- 
rother  oder  purpurner,  nur  bei  der  werthlosen  0.  viridiflora  von  grüner 
Färbung,  im  ganzen  an  Menyanthes  erinnernd.  Die  sehr  wohlriechenden 
Bliithen,  deren  Aufguss  angenehm  schmeckt,3)  stehen  ziemlich  kurzgestielt 
zu  ansehnlichen  Rispen  oder  gedrängten  trugdoldenartigen  (C.  corymbosa, 
C.  umbellulifera)  Trauben  vereinigt.  Die  fünf  Staubfäden  siud  mit  der 
Blumenkrone  verwachsen,  treten  nicht  weit  hervor  und  wechseln  übri- 
gens in  ihrer  Länge  bei  der  gleichen  Art  einigermassen;  ebenso  der  einfache 
Griffel. 

Obwohl  die  Blüthe  der  Cinchonen  vorherrschend  mit  der  trockenen 
Jahreszeit  zusammenfällt,  also  in  Neu-Granäda  hauptsächlich  vom  November 
bis  März,  in  Peru  und  Bolivia  vom  Mai  bis  August  dauert,  so  trifft  man 
doch  während  des  ganzen  Jahres  an  verschiedenen  Standorten  blühende 
und  fruchttragende  Stämme.  Doch  ist  das  nicht  so  zu  verstehen,  dass  ein  und 
derselbe  Baum  mehrmals  im  Jahre  zur  Blüthe  gelange.4) 

Die  übrigen  Cinchoueen  (Cascarilla,  Buena,  Lasionema,  Exostemma 
Ladenbergia  u.  s.  f.)  weichen  von  Cinchona  ab,  hauptsächlich  durch  die 

4)  von  auffallender  Grösse  erscheinen  sie  bei  C.  glandulifera. 

2)  Kstn.  S.  11. 

3)  Wdl.  S.  21. 

4)  vcrgl.  Martins  in  Büchners  Repertor.  XII.  355  u.  379. 


Cort.  Chinae.  § 2.  3. 


345 


Kapseln , welche  von  der  Spitze  nach  unten  hin *)  aufspringen  und  durch 
die  meist  grösseren,  derb  lederigen,  oft  filzigen  oder  papillösen  Corollen. 
Oefters  sind  auch  die  Samenflügel  durchlöchert. 

§3. 

Die  Fieberrindenbäume  sind  immergrün,  mit  meist  lederigen,  glänzenden, 
von  einer  starken  Mittelrippe  durchzogenen  und  durch  zartere  Seitennerven 
feiner  geaderten  Blättern.  Der  starke,  oft  schön  purpurne  Blattstiel  erreicht 
höchstens  ein  Drittel  der  Länge  des  Blattes , bleibt  aber  gewöhnlich  kürzer. 
Im  Umrisse  eiförmig , verkehrt  eiförmig  bis  beinahe  kreisrund , bei  einigen 
Arten  lanzettlich,  selten  etwas  herzförmig  (bei  C.  cordifolia,  auch  wohl  zum 
Theil  bei  C.  Condaminea,  hirsuta,  Mutisii,  pubescens),  sind  die  Blätter  glatt 
oder  höchstens  am  Rande  ein  wenig  zurückgebogen,  immer  ganzrandig, 
übrigens  oft  genug  am  gleichen  Baume  (z.  B.  bei  C.  heterophylla)  sehr  ver- 
änderlich. Auch  in  Betreff  der  Grösse  wechseln  die  Blätter  von  Art  zu  Art 
sehr  bedeutend,  und  fast  scheint  es , als  seien  den  werthvolleren  Arten 
( Cascarillos  finos)  Deben  kürzeren  Kapseln  durchgängig  kleinere,  starre 
Blätter  eigen.  Weniger  beständig  sind  die  guten  Arten  auch  ausgezeichnet 
durch  kleine  Grübchen,  welche  auf  der  Unterseite  der  Blätter  längs  der 
Mittelrippe  in  die  Winkel  der  Seitcuuerven  eingesenkt  sind.  Diese  Blatt- 
grübchen (scrobiculi)  schwitzen  bisweilen  einen  adstriugirenden  Saft  aus* 2) 
und  sind  übrigens  leicht  zu  verwechseln  mit  Haarbüscheln,  welche  bei 
einigen  Arten  an  denselben  Stellen  Vorkommen,  z.  B.  bei  C.  micrantha.3 4) 
Unter  den  hiernach  aufgezählten  wichtigsten  Cinchonen  sind  nur  die  durch 
= bezeichneten  mit  Blattgrübchen  versehen;  den  übrigen  (§  6 u.  7 genannten) 
fehlen  dieselben.  Der  Grund  der  Nebenblättchen  ist  auf  der  oberen  (inneren) 
Fläche  besetzt  mit  ansehnlichen  Drüsen  von  höchst  merkwürdigem  Bau/) 
welche  bei  den  Cinchoneen  klares  Gummi,  bei  andern  baumartigen  Rubia- 
ceen  Harz,  Gummiharz  oder  Wachs  absondern. 

Die  Blätter  der  Cinchonen  sind  ferner  meist  auffallend  durch  wellen- 
förmige Umrisse  ihrer  Oberhautzellen  ,5)  welche  zudem  bei  manchen  Arten 
von  Saft  strotzen,  nach  aussen  stark  gewölbt  vortreten  und  dadurch  dem 
Blatte  einen  schon  von  ferne  auffallenden  Schimmer  verleihen. 

Bisweilen  sinddie  jugendlichen  Blätter,  z.  B.  bei  C.  boliviana,  Unterseite  pur- 
purn oder  purpurviolett  (spanisch : morada)  und  ganz  regelmässig  nehmen 
die  ausgewachsenen  Blätter  mehrerer  Arten  unmittelbar  vor  dem  Abfallen 
diese  oft, sehr  reiche  dunkle  Farbe  an;  höchst  ausgezeichnet  z.  B.  C.  pur- 


U eine  Zwischenstellung  behauptet  Cinchona  heterocarpa  Karsten,  deren  1 bis  5 Conti- 
meter  lange  Kapseln  bisweilen  nach  Art  der  ächten  Cinchonen  von  unten  nach  oben  auf- 
springen,  gewöhnlich  aber  umgekehrt.  Die  Art  gehört  viel  eher  zu  Ladenbergia. 

2)  Wdl.  18. 

3)  Hd.  ad.  C.  peruvian.  4. 

4)  Wld.  III  u.  20;  auch  abgebildct  Taf.  I,  Fig.  12  — 17. 

5)  Wdl.  20.  19. 


346 


Rinden. 


purascens  Wdl.,  ferner  C.  cordifolia,  coryinbosa,  peruviana,  succirubra, 
tucuyensis,  Uritusinga,  violacea  P.  und  andere.  Diese  Röthung  zeigt  sich 
eben  so  stark,  wenn  nicht  auffallender,  bei  den  werthlosen  Cinchouen,  auch 
bei  den  Nebenblättchen  mancher  Arten.  Die  Insekten  zerfressen  mit  grosser 
Vorliebe  diese  roth  gefärbten  Blätter,  während  sie  dieselben  gewöhnlich  ver- 
schonen, so  lange  die  grüne  Farbe  vorwaltet.  Die  Blattläuse  färben  sich 
während  der  Verdauung  des  rothen  Saftes  gleichfalls  roth.1) 

§4. 

Die  Cinchonen  stellen  sich  hiernach  als  sehr  elegante,  wenn  auch  nicht 
eben  ausserordentlich  auffallende  Sträucher  oder  Bäume  des  tropischen 
Urwaldes  dar,  ungefähr  vom  Aussehen  unserer  Syringa.  Von  der  Bewun- 
derung, welche  die  Reisenden  den  mitunter  etwas  steifen  Chinabäumen 
zollen,  mag  freilich  ein  Tlieil  auf  Rechnung  des  ausserordentlichen  Inter- 
esses kommen,  das  sich  an  dieselben  knüpft. 

Die  ganze  Gattung  Cinchoua  ist  eine  so  natürliche  und  in  ihren  zahl- 
reichen Gliedern  so  sehr  übereinstimmende,  dass  eine  vollkommen  befrie- 
digende Feststellung  der  letzteren  noch  nicht  erreicht  ist.  Die  einzelnen 
Arten  sind  auch  vielfach  durch  Spielarten  mit  einander  verbunden , so  dass 
sie  nach  Howard’s  Ausdrucke2)  eine  ununterbrochene  Reihe  bilden,  deren 
Endglieder  überdies  kaum  schärfer  von  den  verwandten  Gattungen  zu 
trennen  sind,  als  von  den  Pflanzen  ihrer  eigenen  Reihe. 

§5. 

Die  Systematik  sieht  sich  daher  bei  den  Cinchonen  zur  Abgrenzung 
der  Art  oft  auf  sehr  geringfügige  Merkmale  angewiesen,  über  deren  Berech- 
tigung in  vielen  Fällen  Zweifel  herrscht.  Die  mikroskopische  Untersuchung 
der  Rinden,  welche  bereits  da  und  dort  schon  entscheidende  Aufschlüsse 
gegeben  hat,  ist  noch  nicht  vollständig  durchgeführt. 

Weddell3)  hatte  21  Species  angenommen,  unter  denen  aber  mehrere 
mitUnterarten,  welche  sich  bestimmt  als  eigene  Arten  heraussteilen.  So 
löst  Berg4)  die  Weddell’ sehe  C.  Condaminea  auf  in  C.  Chahuarguera, 
C.  stupea,  Uritusinga,  macrocalyx,  lucumaefolia , laucifolia,  pitayensis, 
Bonplandiana  Klotzsch,  also  in  8 selbständige  Arten. 

Berg5)  selbst  nannte  45  besser  und  9 weniger  gekannte  Arten,  denen 
sich  noch  aus  Karsten  u.  Howard  ungefähr  12  mehr  anreihen  lassen. 
Diese  Gesammtzahl  von  über  60  Arten  mag  nun  freilich  manche  unzulässige 


1)  Hd.  ad  Uritusinga  S.  2.  — Wdl.  60. 

2)  introduct.  VI. 

3)  Anu.  d.  scienc.  nat.  Botanique  XI.  (1849)  268. 

4)  S.  9. 

5)  Darstellung  und  Beschreibung  d.  offiz.  Gew.  Heft  XV.  1859. 


Cort.  Chinae.  § 5.  6. 


347 


enthalten,  wie  denn  auch  Berg1)  neuerdings  (1865)  seine  Schätzung  auf 
50  beschränkt.  Noch  weiter  im  Sinne  Wed dells,  doch  auch  auf  eigener 
Anschauung  fussend,  geht  Planchon,2)  welcher  wieder  eine  Reihe  von 
Arten  als  Varietäten  unterbringt  und  schliesslich  nur  27  gute  Species  auf- 
führt. Eine  so  bedeutende  Reduction  verstösst  indessen  gegen  die  anato- 
mischen Merkmale  allzusehr ; wenigstens  zeigen  sich  in  dieser  Hinsicht  z.  B. 
die  von  Planchon  zu  C.  Condaminea  gezogenen  C.  Chahuarguera,  Palton 
und  Uritusinga  mikroskopisch  in  ihren  Rinden  so  verschieden,  dass  an  ihrer 
Selbständigkeit  nicht  wohl  zu  zweifeln  ist. 

Ho  ward ’s  Prachtwerk  enthält  grösstentheils  auch  in  Abbildung  38 
Arten,  welche  aber  einerseits  beträchtlich  vermehrt,  anderseits  auch  durch 
Zusammenfassung  offenbarer  Unterarten  modificirt  werden  müssten. 

Berg’s  Annahme  von  50  Arten  dürfte  daher  vorläufig  als  jedenfalls 
nicht  zu  hoch  gegriffen  anzunehmen  sein,  bis  einmal  die  beschreibende 
Botanik  den  längst  ersehnten  Abschluss  bringt. 

Bei  weitem  nicht  von  allen  Cinchonen  kommen  nach  den  bisherigen 
Ermittelungen  Rinden  im  Handel  vor,  sei  es,  dass  einzelne  nur  in  geringer 
Zahl  auftreten,  sei  es,  dass  andere  erfahrungsgemäss  zu  arm  an  Alkaloiden 
sind,  oder  dass  nur  lokale  Verhältnisse  der  Ausbeutung  im  Wege  stehen. 
Die  Rinden  mancher  Arten,  deren  anatomische  Eigenthümlichkeit  noch 
nicht  festgestellt  ist,  mögen  sich  auch  wohl  noch  finden  lassen,  wenn  die 
Grundlagen  zuverlässiger  Vergleichung  einmal  gewonnen  sein  werden. 

§ 6. 

Als  wichtigste  Cinchonen  dürften  gegenwärtig  ungefähr  die  folgenden 
zu  betrachten  sein: 

1 ) ^Cinchona  Calisaya  Weddell.  Theils  als  grosser,  sehr  schöner 
Baum,  theils  strauchig  als  Varietät  ß)  Josephiana.  Ausgezeichnet  durch 
die  eiförmige  Kapsel,  welche  kaum  die  Länge  der  Blüthe  erreicht.  Weddell 
entdeckte  1847  bei  Apolobamba  in  Bolivia,  nordnordöstlich  vom  Titicaca- 
See  diese  reichhaltige  Art.  Sie  überschreitet  die  peruanische  Grenze  und 
verbreitet  sich  in  der  Provinz  Carabaya  (im  Departement  Puno),  aber  nicht 
weiter  nordwärts.  Auch  auf  bolivianischem  Gebiete  ist  Calisaya  auf  die 
heissen,  waldigen,  zwischen  1500  und  1800™  überM.  gelegenen  Hochthäler 
(Yungas)von  LaPaz  bis  zum  17°  südl.  Br.  beschränkt.  In  den  ungefähr  um 
300™  höher  ansteigenden  Grasregionen  bleibt  sie  strauchig,  nur  wenige 
Meter  hoch. 

Die  einheimische  Bezeichnung  der  Calisaya  leitet  Wdl.  ab  von  colli  = 
roth  in  der  Quichua-Sprache  und  saya,  geartet,  geformt,  mit  Bezug  auf  die 
Rinde  oder  vielleicht  auf  das  Blatt.  Poppig3)  erläutert:  calla  = Heil- 

0 S.  12. 

2)  S.  24. 

= auf  der  Unterseite  der  Blätter  längs  der  Hippe  mit  Grübchen  versehen. 

3)  Reise  II,  218. 


348 


Rinden. 


mittel,  salla  — felsiger  Grund;  Markliam  deutet  auf  die  Häuptlingsfamilie 
Calisaya,  welche  schon  im  vorigen  Jahrhundert  in  der  Provinz  Carabaya 
eine  Rolle  gespielt  habe.  J 

Abbildungen  der  Pflanze:  Wdl.  3.  3b  und  Bg.  Heft  XIY. 

Als  C.  boliviana  hatte  Wedd eil  anfangs  eine  mehr  auf  Bolivia  be- 
schränkte Yarität  der  Calisaya  beschrieben  und  abgebildet,  welche  sich 
hauptsächlich  durch  die  fast  immer  purpurne  Unterseite  der  Blätter  aus- 
zeichnet. Es  scheint,  dass  die  Merkmale  kaum  genügen , um  die  Pflanze 
als  Yarietät  festzuhalten  und  jedenfalls  nicht,  um  sie  zur  eigenen  Art  zu 
erheben.  Die  weit  in  die  bolivianischen  Thäler  herabsteigende  Calisaya 
verde  oder  alta  macht  sich  durch  ihre  Grösse  und  durch  rein  grüne,  nicht 
einmal  roth  geaderte  Blätter  bemerklich. 

2)  =C.  Chahuarguera  P.  (Syn. : C.  Condaminea  ß)  Chahuarguera  DC.) 
Baum  von  3 bis  8m  mit  ziemlich  veränderlichen  Blättern,  armblüthiger, 
beblätterter  Doldentraube,  eilänglicher  (in  Ho  ward ’s  Abbildung  lan  zeit- 
licher) Fruchtkapsel  und  spitzigen  Kelchzähneu.  Dieser  Art  war  ver- 
muthlich l)  die  zuerst  gebrauchte  und  in  den  Handel  gebrachte  Rinde  ent- 
nommen worden.  Der  Baum  wächst  in  der  Chinaregion  Ecuadors,  Provinz 
Loxa  und  Distrikt  Quito,  ist  aber  jetzt  in  der  Nähe  von  Loxa  schon  selten 
geworden  und  nicht  oft  mehr  baumartig. 

Die  Bedeutung  des  Quichuawortes  Chahuarguera  ist  unsicher;  chahuar 
bezeichnet  einen  Strick  aus  Aloefaser.  Es  scheint  nach  Mark  harn,  dass 
mit  dem  Namen  carhua-carhua  überhaupt  Rinden  von  geringerem  Werthe 
als  die  der  Calisaya  belegt  werden. 

Abbildungen:  Bg.  HeftXV“-  — Hd.  1.  Erstere  stellt  eine  breitblätte- 
rige, letztere  Tafel  eine  durch  schmale  und  langgestielte  Blätter  sehr  ver- 
schieden aussehende  Form  des  Baumes  dar,  beide  nach  Originalexemplaren 
von  Pavon,  wie  sie  sich  z.  B.  nach  Planchon  auch  im  Boissier’schen 
Herbarium  vorfinden.  — Die  Art  ist  noch  nicht  genügend  festgestellt; 
Hook  er  und  Howard  bringen  sie  neuerdings  nebst  der  folgenden  und 
C.  crispa,  so  wie  C.  Uritusinga  unter  C.  officinalis , welche  Art  demnach  in 
veränderter  Fassung  wiederhergestellt  würde,  nachdem  sie  längst  gestrichen 
war  (vergl.  § 1). 

3)  JLC.  Condaminea  Humboldt  u.  Bonpland.  Bis  15m  hoch.  Frucht- 
kapsel viel  länger  als  breit.  Die  Begrenzung  dieser  formenreichen  Art  ist 
immer  noch  unsicher;  sie  wächst  bei  Loxa. 

Abbild. : Wdl.  4. 

4)  C.  cordifolia  Mutis  (uec  Rohde).  Bis  8™  hoch.  Ausgezeichnet 
durch  rundliche  oder  herzförmige,  krautige  Blätter,  welche  bis  0,25,n  in  der 
Länge  und  beinahe  gleich  viel  in  der  Breite  erreichen.  Die  schmale  lanzett- 
liclie,  bis  0,025m  lauge  Kapsel  fast  doppelt  so  laug  als  die  Blume.  Diese 
zuerst  durch  Mutis  im  Hochlande  um  Santa  Fe  de  Bogota  bis  etwa  2400™ 


*)  Hd.  ad  C.  Chahuarg.  fol.  2. 


Cort.  Chinae.  § 6. 


349 


über  Meer  gefundene  Art  scheint  eine  der  verbreitetsten  zu  sein  und  nament- 
lich am  weitesten  nordwärts,  bis  in  die  Provinz  Caracas1)  zu  gehen.  Aber 
auch  bei  Loxa  tritt  sie  auf  und  erstreckt  sich  demnach  über  den  ganzen 
nördlichen  Halbbogen  der  gesaramten  Chinaregion,  oder  wie  es  scheint, 
selbst  in  ihre  südliche  Hälfte.  Karsten2)  zufolge  ist  jedoch  wenigstens  die 
bei  Cusco  gesammelte  Pflanze  schon  durch  längere  Kapseln  von  der  ächten 
Mutis’schen  verschieden. 

Abbild.:  Wdl.  17.  Krstn.,  Fl.  Columb.  I.  tab.  VIII. 

5) 4C.  heterophylla  P.  20  bis  30m  hoch.  Blätter  kurz  gestielt,  lederig, 
am  Rande  um  gerollt,  verkehrt  eiförmig  und  zugespitzt  bis  rundlich  eiförmig. 
Cuen^a  in  Ecuador. 

Abbild.  Hd.  18. 

6)  =C.  lancifolia  Mutis  (Syn. : C.  angustifolia  R.  P.)  Tuna  oderTunita 
der  Bogotenser.  Ueber  24m  hoch  und  iy2m  dick.  Blätter  spitz  lanzettlich, 
lederig,  meist  0,1 2m  lang,  an  üppigen  Schösslingen  bis  0,3 6m,  jedoch  sehr 
veränderlich  und  bisweilen,  wie  es  scheint,  sogar  der  Blattgrübchen  ent- 
behrend. (Nach  Karsten  wären  dieselben  nur  durch  Haare  verdeckt.)  Auf 
Columbia  (Neu-Granäda)  beschränkt,  vorzüglich  im  Süden  von  Bogota  bis 
Popayan,  in  2500  bis  3000m  Meereshöhe,  aber  auch  nordwärts  in  den 
Gebirgen  des  Magdalenenstromes  bei  Chiquinquirä,  Velez,  Socorro,  Pam- 
plona bis  Ocanna.  Nach  Howard3)  jedoch  auch  noch  in  Uchubamba 
unweit  Loxa. 

Abbild.  Kstn.,  fl.  Columb.  tab.  XI;  Var.  discolor  tab.  XII. 

7)  C.  lutea  P.  (Von  Planchon  und  anderen  zu  cordifolia  gezogen.) 
Bis  25"’  hoch.  Blätter  breit  eiförmig  und  bespitzt,  Kapseln  wie  auch  die 
Blätter  behaart. 

Im  nördlichen  Theile  von  Ecuador,  bei  Inta,  Otavolo  (Otobalo) , unweit 
Quito  und  im  nördlichen  Peru,  bei  Cliito,  unweit  Jaen.  Ausgezeichnet 
durch  Milchsaft,  der  sich  an  der  Luft  röthlichgelb  färbt. 

Abbild.  Hd.  14. 

8)  C.  macrocalyx  P.  (Nach  Wed  de  11,  DeCandolleund  andern  zu 
C.  Condaminea  ß)  Caudollii.)  6m  hoch,  Kelchzähne  sehr  lang,  über  ein  Drittel 
der  Blumenrohre  erreichend.  Samenflügel  am  Rande  sehr  stark  zerschlitzt. 
CuenQa  in  Ecuador. 

Abbild.  Hd.  7.  — Wdl.  4b- 

9)  «0.  micrantha  R.  P.  6 bis  10ra  (Wdl.),  nach  andern  (z.  B.  Hd.) 
bis  gegen  30  hoch.  Die  kleinen,  blassen  Bliithen  in  grosser,  vierfach 
zusammengesetzter,  pyramidaler  Rispe,  Blätter  sehr  ausehulich,  rundlich 
oder  länglich  eiförmig,  bis  0,20'"  lang. 

Diese  durch  den  ganzen  Habitus  ausgezeichnete  Art  liebt  vorzugsweise 


J)  Wdl.  s.  68. 

2)  Fl.  Columb.  fol.  16. 

3)  N.  Quinol.  Introduct.  YI. 


350 


Riiulen. 


feuchte,  schattige  Standorte  an  Berggewässern  der  Gegend  von  Huanuco  im 
mittleren  Peru,  wo  sie  1797  durch  Tafalla,  einen  Schüler  von  Ruiz  und 
Pa  von,  aufgefuudeu  wurde,  verbreitet  sich  aber  auch  durch  Carabaya 
(Süd-Peru)  bis  Larecaja  und  Caupolican  im  anstossenden  Bezirke  Bolivias. 

Abbild.  Wdl.  14.'  — Bg.  XIV.  f.  — Hd.  5. 

10)  »C.  nitida  R.  P.  Bis  12"'  nach  Wdl.,  mehr  als  doppelt  so  hoch  Hd. 
Blätter  stark  glänzend,  unterseits  kahl,  mit  bärtigen,  ausgezeichneten  Blatt- 
grübchen.1) Kapseln,  wenigstens  nach  Wdl.  sehr  dünn,  zehnstreifig. 

In  Menge  in  den  Gebirgswäldern  Mittel-Perus,  um  den  Gebirgsknoten 
Cerro  de  Paseo,  bei  Huanuco,  Tarrna,  Xauxa,  Cocheros  (Cuchero),Haamalies. 

Abbild.  Wdl.  10.  — Hd.  20. 

11)  C.  pitayensis  Wdl.2)  Ueber  20"’  hoch.  Die  kleinen  Blätter  lau- 
zettlich,  nach  oben  und  nach  unten  sehr  spitzig,  Kelchzähne  lineal.  Der 
C.  lancifolia  nahe  verwandt.  Im  südlichen  Theile  der  mittleren  ueu-grana- 
diuisclien  Cordiilere  beiPitayo  (nicht  Pitoya),  am  Westabhange  desHuanacas 
und  des  Vulkans  Purace,  über  Popayan,  auch  südlicher  bei  Almaguer  und 
Pasto.  Nach  Cross3)  jedoch  wäre  in  den  beiden  letzteren  Bezirken  nur 
C.  lancifolia  vorhanden. 

Abbild.  (Skizze)  Pharm.  Journ.  and  Trausact.  VI.  49. 

12)  JLC.  pubescens  Vahl  (Syn. : C.  officinalis  L.  zum  Tlieil).  6 — 12"' 
nach  Wdl.  Eine  bei  weitem  noch  nicht  befriedigend  gekannte  Art4)  Perus 
und  Bolivias,  mit  unterseits  flaumigen  Blättern  und  behaarten  Kapseln , die 
schon  von  Mutis  an  Linne  gesandt  und  auch  schon  früher  durch  Jussieu 
bei  Loxa  gesammelt  worden  war  (vergl.  oben  § 1).  — Wdl.  unterschied 
eine  Varietät  mit  beiderseits  grünen  Blättern  als  a)  Pelletieriana  von  ß)  pur- 
purea  mit  unterseits  purpurnem  Laube.  Erstere  scheint  selbständig  zu 
sein  und  nach  Berg  mit  G.  viridiflora  P.  zusammenzufallen. 

Abbild.  Wdl.  16. 

13)  =C.  scrobiculata  Humb.  u.  Bonpl.  15  — 20m  hoch.  Blätter  an- 
sehnlich, länglich  bis  lanzettlich,  spitz,  unterseits  mit  oft  nur  kleinen  durch 
Härchen  verhüllten  Grübchen  und  in  diesem  Falle  von  Wdl.  als  kleiublätte- 
rige  Var.  ß)  Delondriana  unterschieden. 

Durch  den  grössten  Theil  der  peruanischen  Chiuaregion  von  Caxamarca 
(Jaen)  bis  Cusco  (Wälder  von  Sta.  Ana  am  oberen  Pilcomayo)  und  Carabaya. 

Abbild.  Wdl.  7. 

14)  C.  succirubra  P.  15m  hoch.  Breite,  kaum  bespitzte,  eirunde  oder 
etwas  längliche  dünne  Blätter,  am  Rande  etwas  umgebogen,  das  Aderuetz 
der  matten  Unterseite  behaart.  Blüthenrispe  wenig  ansehnlich. 

Vom  westlichen  Abfalle  des  Chimborazo  (8.  Antonio  de  Huaranda) 

1)  so  nach  Hd.,  nicht  nach  Bg.  u.  Plane  hon. 

2)  Ann.  d.  sc.  nat.  Botaniq.  (1849)  XI.  269.  — Früher  von  Wdl.  selbst  als  C.  Couda- 
minca  e)  pitayensis  nufgcfiihrt. 

3)  Pharm.  J.  and  Transact.  VII.  121. 

4)  vergl.  Berg,  S.  10,  12,  37. 


Cort.  Cliinae.  § 6.  7. 


351 


südlich  durch  Riobamba,  Alausi,  Cuenea,  bis  Nord-Peru  (Provinz  Jaen  im 
Departement  Caxamarca)  tief  in  die  Thäler  herabsteigend. 

Nachdem  schon  Wed  d eil1)  in  dieser  ausgezeichneten  Art,  die  er  als 
C.  ovata  v)  erythro  derma  nicht  genau  genug  erkannt,  einen  Augenblick  die 
Stammpflanze  der  rothen  Chinarinde  vermuthet  hatte,  lieferten  Howard 
und  Klotzsch  die  Beweise  für  die  Selbständigkeit  der  Pflanze  und  ihre 
Wichtigkeit  (vergl.  unten  bei  China  rubra).  Der  farblose  Saft,  welcher  bei 
der  Verwundung  diesem  Baume  entquillt,  wird  an  der  Luft  erst  milchig, 
dann  sogleich  roth,  infolge  der  begierigen  Sauerstoffaufnahme  der  China- 
gerbsäure. 

Abbild.  Hd.  8. 

15)  =C.  umbellulifera  P.  Mehr  als  20m  erreichend.  Die  sehr  ansehn- 
lichen Blätter  dunkelgrün,  glänzend,  kurz  gestielt  und  etwas  herablaufend, 
breit  eiförmig  oder  etwas  länglich,  fast  herabhängend,  unterseits  wollig. 
Rispe  selbst  bei  der  F ruchtreife  gedrängt,  Kapseln  bauchig.  Jaen  in  N ordperu. 

Abbild.  Hd.  22. 

16)  =C.  Uritusinga  P.  (BeiWeddell  unter  C.  Condaminea.)  Ueber 
14m  hoch.  Die  Blätter  lang  gestielt,  spitz  eiförmig,  im  ausgewachsenen 
Zustande  nur  unterseits  längs  der  Nerven  etwas  behaart.  Die  Blüthen 
bilden  eine  schön  gewölbte,  ausgebreitete  Doldentraube  (Bg.  Heft  XII.  e) 
oder  eine  pyramidale  Rispe  (Hd.  19).  Erstere  Abbildung  gibt  eine  kurz 
eiförmige,  die  letztere  eine  viel  längere  Fruchtkapsel. 

Auf  den  Bergen  Cajanuma,  Uritusinga  bei  Loxa  und  Huancabamba,  in 
den  Grenzländern  von  Ecuador  und  Peru. 

Howard2)  hält  es  für  ausgemacht,  dass  diese  Art  es  war,  welche 
Condamine  (siehe  oben  § 1)  beschrieben  hat,  Guibourt’s  C.  academica. 
Dass  Condamine’s  Baum  die  jetzige  Chahuarguera  war,  ist  wegen  der 
geringen  Grösse  derselben  unwahrscheinlich.  Wenn  der  Baum  schon  zur 
Zeit  Condamine’s  um  Loxa  selten  war,  so  gilt  das  heute  noch  viel  mehr. 

§7. 

Ausser  den  hier  aufgeführten  16  Arten  könnten  in  zweiter  Linie  noch 
die  folgenden,  auch  in  den  Handelsrinden  z.  Th.  vertretenen  in  Betracht 
gezogen  werden: 

17)  6.  coccinea  P.  Abbild,  bei  Hd.  3.  — Gegend  von  Quito. 

18)  C.  conglomerata  P.  Abbild.  Hd.  15.  — Gegend  von  Quito. 

19)  AC.  corymbosa  Karsten.  Riesiger  bis  40m  hoher  und  lm  dicker 
Baum  mit  grossen  lederigen  und  häufig  durchlöcherten  Blättern.  West- 
abhang der  südcolumbischen Vulkane  Cumbal  und  Chiles  bis  zu  3500ra 
über  M.  — Abbild.  Krstn.,  fl.  Columb.  tab.  X. 


5)  S.  60,  62. 

fol.  3 ad  Urit.  und  11  ad  Chahuarguer. 


352 


Rinden. 


20)  LC.  glandulifera  RP. 

Abbild.  Wdl.  21.  — Hd.  26.  — Klotzsch  iuHayne  XIV.  Tab.  15. 
Mittel-Peru,  Gegend  von  Huauuco. 

21)  C.  lucumaefolia  P. 

Abbild.  Wdl.  4b.  als  C.  Condamiuea  Var.  y)  lucumaefolia.  Im  Süden 
von  Ecuador  (Neu-Granada?). 

22)  = C.  ovata  RP. 

Abbild.  Wdl.  11.  — Hd.  9.  Süd-Peru  (Carabaya)  und  benachbarte 
Distrikte  Bolivias. 

23)  = C.  Palalba  P.  — Abbild.  Hd.  4.  Provinz  Loxa. 

24)  = G.  Palton  P.  — Abbildung  Hd.  13.  Provinz  Loxa.  Vergl. 
unten  § 46. 

25)  C.  peruviana  Hd. 

Abbild.  Hd.  27.  Mittel-Peru,  Gegend  von  Huauuco  (Cuchero). 

26)  C.  'pur pur ea  RP. 

Abbild.  Hd.  11.  — Klotzsch  in  Hayne  XIV.  Tab.  14.  Gegend  von 
Huanuco.  Eine  viel  verkannte  Art,  indem  mehreren  Cinchonen  mit  besonders 
auffallend  gerötheten  Blättern  die  Bezeichnung  purpurea  beigelegt  wurde. 

27)  C.  tucuyensis  Karsten.  Im  ganzen  Gebirge  Meridas  von  Tucujo 
bis  Pamplona  (Nord-Columbien).  Der  vorigen  Art  ähnlich.  Von  Karsten 
entdeckt. 

Abbild.  Krstn.  fl.  Columb.  tab.  IX. 

§8. 

Die  Bedingungen,  unter  denen  die  Cinchonen  leben,  lassen  sich 
zum  Tlieil  schon  aus  den  obigen  Andeutungen  über  das  Vorkommen  der 
wichtigsten  Arten  erschliessen  und  sind  in  ansprechender  Form  weitläufig 
von  Martius1)  erörtert  worden.  Nur  das  äusserst  wechselvolle,  durch 
häufige  Regenschauer,  durch  Stürme,  dichte  Nebel  und  schattige  Be- 
wölkung unterbrochene  sonneureiche  Klima  der  tropischen  Bergregioueu 
mit  sehr  veränderlichem , aber  nicht  weit  ausschreiteudem  Gange  der  Tem- 
peratur entspricht  den  Fieberrindenbäumen.  Eine  rasch  vorübergehende 
Erkältung  bis  zum  Eispunkte  und  den  nicht  seltenen  Hagelfall  vermögen 
wenigstens  kräftige  Pflanzen  wohl  noch  zu  ertragen;  jedoch  darf  die  ihnen 
zusagende  Mitteltemperatur  auf  nicht  weniger  als  12°  bis  20°  C.  angeschla- 
gen werden.  Nach  der  Meinung  der  Rindeusammler  begünstigt  indesseu 
eine  verhältuissmässig  kältere  Lage  bis  zur  obereu  Grenze  der  Wald- 
vegetation die  Alkaloidbildung.  Eine  reichliche  ungehinderte  Besonnung 
scheint  jungen  Pflanzen  verderblich,  erstarkten  Bäumen  aber  entschieden 
förderlich  zu  sein , und  namentlich  auch  die  im  Handel  vielfach  geschätzte 
Intensität  der  Färbung  der  Rinde  zu  erhöhen.  Nach  den  Erfahrungen  in 


1)  Büchner  s Repertor.  XII.  (1868)  pg.  362.  373. 


Cortices  Chinae.  § 8.  9.  10. 


353 


Utacammid ')  gibt  C.  Pahudiana  dort  in  offenem  Sonnenschein  eine  ziem- 
lich dicke,  im  dichten  Schatten  eine  dünne  Rinde,  die  nicht  geschält  wer- 
den kann. 

Als  eigentliche  Heimat  der  Cascarilla  fina,  der  besten  Chinarinde,  be- 
zeichnet Karsten* 2)  geradezu  die  durch  tiefe  Schluchten  zerrissene  Nebel- 
region der  Andeskette  mit  12— 13°  C.  mittlerer  Temperatur,  wo  neun  Mo- 
nate hindurch  der  Regen  vorherrscht,  ein  eigentlicher  Wechsel  der  Jahres- 
zeiten aber  so  wenig  stattfindet,  dass  die  Cinchonen  fortwährend  Blütheu 
und  Früchte  tragen.  Die  tiefere  Region , in  der  sich  schon  eine  trockene 
Jahreszeit  unterscheiden  lässt,  besitzt  vorzugsweise  grossblätterige  grübchen- 
lose, weniger  heilkräftige  Chinabäume  neben  den  werthlosen  Ladenbergien. 

Aus  den  bereits  angeführten  Dimensionen  ergibt  sich,  dass  die  Cincho- 
nen zu  den  mittleren  und  höheren  Formen  des  tropischen  Urwaldes  gehören, 
aber  doch  von  den  weit  gewaltigeren  Vertretern  der  Artocarpeen,  Lecythi- 
deen,  Sapindaceen,  Terebinthaceen,  Pahnen  und  so  vielen  anderen  überragt 
werden.  Wo  der  Wald  allmälig  in  der  alpinen  Region  abnimmt  und  der 
Grasflur  (Ichu  der  Quichua-Sprache , Pajonal  oder  Campo  spanisch)  Raum 
gibt,  werden  stellenweise  die  Cinchonen  die  herrschenden  Gestalten,  wobei 
sie  freilich,  zum  Theil  auch  durch  den  Einfluss  der  Cultur,  bedeutende  Ver- 
änderungen in  ihrem  Aussehen  erleiden.  Solchen  Umständen  verdankt 
z.  B.  C.  Josephiana  (§  6 sub  1),  die  Ichu  - Cascarilla , Casc.  del  pajonal, 
ihre  Eigenthümlichkeit. 

§9. 

Der  Reichthum  der  Tropenflora  schliesst  einförmige  W aldbestände  aus 
und  demgemäss  leben  auch  die  Cinchonen  meist  zerstreut,  höchstens  da 
und  dort  kleinere  Gruppen  bildend,  welche  sich  in  der  Ferne  durch  beson- 
dere Färbung  mehr  als  durch  auffallende  Gestaltung  vom  Gesammtbilde 
des  Urwaldes  abheben.  Solche  Flecken  (manchas)  im  bunten  Teppiche  der 
Laubkronen  erspäht  das  geübte  Auge  des  Rindensammlers  (cascarillero)  in 
weitester  Ferne3),  selbst  zur  Zeit,  wo  sie  nicht  durch  die  reichen  Bliithen- 
sträusse  geschmückt  sind.  Ausgedehnte  Gruppen  der  gewaltigen  C.  corym- 
bosa,  welche  fast  den  Namen  von  Chinawäldern  verdienen,  traf  Karsten  4) 
auf  der  Grenze  von  Neu- Granada  und  Ecuador,  am  Westabhange  der  Vul- 
kane Cumbal  und  Chiles. 

§ io. 

Wenn  eine  bestimmte  Abhängigkeit  der  Cinchonen  von  meteorologi- 
schen Bedingungen  klar  hervortritt,  so  gilt  ein  gleiches  nicht  von  der  che- 
mischen Beschaffenheit  des  Bodens.  Nirgends  ist  bis  jetzt  in  der 
grossen  Manigfaltigkeit  geologischer  Verhältnisse  der  Cordilleren  eine  un- 

x)  Pharm.  Journ.  and  Transact.  VI.  18.  — vergl.  unten  § 62  u.  63. 

2)  pg.  12.  13. 

3)  Wdl.  9.  10. 

4)  Pg-  20. 

Flückiger,  Pharmakognosie. 


23 


354 


Rinden. 


zweifelhafte  direkte  Beziehung  zu  den  Chinabäumen  oder  zum  Gehalte  ihrer 
Rinden  erkannt.  Im  Gegentheil  hat  z.  B.  Karsten1)  auf  Verschiedenheiten 
im  Alkaloi'dgehalte  der  C.  lancifolia  bei  vollkommen  gleicher  Bodenbesehaf- 
tenheit  aufmerksam  gemacht,  welche  im  mitgetheilten  Falle  nur  mit  der 
Exposition  in  Zusammenhang  gebracht  werden  können. 

§ 11. 

Die  Cinchonen  dürfen  immerhin  als  ein  sehr  bemerkenswerthes  Glied 
im  Yegetationskleide  ihrer  Umgebung  bezeichnet  werden,  so  dass  Humboldt 
die  von  ihnen  bewohnte  Stufe  der  südamerikanischeu  Gebirgswelt  in  der 
Höhe  von  700  bis  2900  Meter  als  Region  der  tropischen  Eichen  und  der 
Cinchonen  bezeichnete. 

Weddel  1 schloss  die  durchschnittlich  tiefer  wohnenden  nicht  officinel- 
len  Cinchonen  (§  2 oben)  aus  und  zog  dem  Gürtel  der  eigentlichen  China- 
bäume die  Höhengrenzen  1600  und  2400,n.  Als  tiefstes  Vorkommen  wahrer 
Cinchonen  in  ihrem  Vaterlande  ist  die  Höhe  von  1200™,  als  oberste  Linie 
3270"‘  oder  sogar  mit  Karsten2)  3500ra  anzunehmen.  Mit  der  Entfernung 
vom  Aequator  nimmt  die  durchschnittliche  Erhebung  der  Chinazone  be- 
trächtlich ab,  doch  steigen  die  Cascarillos  finos  nicht  leicht  unter  2000™ 
herab.  C.  succirubra  tritt  ausnahmsweise  schon  wenig  über  800™  auf, 
widerspricht  aber  auch  überhaupt  durch  die  sehr  grossen,  griibchenlosen 
und,  wie  es  scheint,  nicht  eben  lederigen  Blätter,  so  wie  durch  die  langen 
Früchte  der  oben  (§  3)  gegebenen  allgemeinen  Definition  der  werthvollen 
Cinchonen.  Tiefer  geht  die  wenig  geschätzte  C.  cordifolia  (§  6.  4),  welche 
nach  Boussingault3)  im  Norden  der  Chinazone  selbst  in  600™  Höhe 
noch  reichlich  wächst.  Die  niedrigsten  Standorte  jedoch  nimmt  C.  bur- 
bacoewsis  Krstn.  ein,  welche  die  Wälder  von  Barbacoas  zwischen  100  und 
1000™  über  dem  nahen  Ocean  an  den  Grenzen  von  Neu- Granada  und 
Ecuador  bewohnt. 

§ 12. 

Die  Nähe  des  Meeres  trägt  dazu  bei,  den  Westabhängeri  der  Cordilleren 
ein  anderes  pflanzenphysioguomisches  Gepräge  zu  verleihen  als  der  Ostseite 
der  verschiedenen  Längenketteu.  In  weit  höherem  Grade  vereinigen  die 
ostwärts  abfallenden  Thalseiten  oder  Höheuziige  die  den  Cinchonen  günsti- 
gen meteorologischen  Bedingungen,  vorzüglich  durch  die  zahllosen  Wasser- 
adern, welche  sie  dem  Orinoco  und  dem  Amazouenstrome  zusenden.  In 
den  vom  Cauca,  Magdalena,  oder  vom  Huallaga  und  vom  obersten  Lauf  des 
Marannon  durchströmten  Läugenthälern,  in  welche  die  Cinchonen  gleich- 
falls eindringeu,  scheinen  sie  aber  wenigstens  nicht  immer  die  nach  Osten 


1)  1.  c.  19.  — vcrgl.  § 47  unten. 

2)  1.  c.  pg.  13. 

3)  von  Wdl.  pg.  58  (2)  erwähnt. 


Cortices  Chinae.  § 12. 


355 


geöffneten  Lagen  vorzuziehen  und  für  die  Gegend  von  Bogota  würde  sich 
z.  B.  nach  Weddell’s  Karte  gerade  das  Gegentheil  ergeben. 

Die  Westabfälle  der  Cordilleren  sind  im  allgemeinen  waldarm;  nur  das- 
jenige Stück  ihres  gewaltigen  südamerikanischen  Bogens,  wo  sie  am  weite- 
sten nach  Westen  vorspringen,  zeigt  sich  in  der  Nähe  des  Meeres  unweit 
des  Aequators  auch  westwärts  bewaldet  und  zugleich  im  Gegensätze  zu  den 
entsprechenden  Lagen  in  den  nördlicheren  und  südlicheren  Strichen  auch 
von  Cinchonen  bewohnt. 

Die  Chinapflanzen  sind  durchaus  auf  die  Cordilleren  beschränkt,  wäh- 
rend die  übrigen  Cinchoneen  ein  weit  umfangreicheres  Areal  unter  den  ver- 
schiedenartigsten klimatischen  Bedingungen  bewohnen.  In  anderen  Gegen- 
den Südamerikas,  welche  anscheinend  dieselben  physischen  Bedingungen 
erfüllen,  wie  jener  Chinagürtel  an  den  Cordilleren,  sind  doch  noch  keine 
wahren  Fieberrindenbäume  getroffen  worden. 

So  sehr  die  letzteren  auch  in  vertikaler  Richtung  zusammengedrängt 
sind,  so  begleiten  sie  doch  das  südamerikanische  Hauptgebirge  durch  den 
grössten  Theil  der  nördlichen  Hälfte  auf  einer  Strecke  von  ungefähr  30  Breite- 
graden. 

Als  nördlichster  Standort  von  Cinchonen,  ungefähr  unter  dem 
10.  Breitengrade,  erscheint  das  oben  (§  6.  4)  erwähnte  Vorkommen  der 
C.  cordifolia  SSW.  von  Caracas , welcher  Art  sich  hier  auch  C.  tucuyensis 
beigesellt. 

Weddell,  der  von  Südosten  her  in  die  Chinazone  vordrang,  stiess 
gegen  den  19°  S.  Br.  tief  im  Innern  Bolivias  auf  die  südlichste  Art,  die  er 
demgemäss  als  C.  australis  bezeichnete.  Die  Gegend  im  Westen  Cliuqni- 
sacas  (Sucre),  der  Hauptstadt  von  Bolivia,  würde  nach  Weddell  die  Süd- 
grenze der  Cinchonen  darstellen.  Es  scheint  jedoch,  dass  dieselbe  noch 
weiter  vorgerückt  werden  muss,  bis  ungefähr  zum  22°  südl.  Br.,  erzählt 
doch  Scherzer1)  von  einem  Pfarrer  in  Tarija  (an  der  argentinischen 
Grenze  im  Süden  Bolivias),  welcher  nicht  weniger  als  3000  Centner  vor- 
züglicher Rinde,  Sucupira  der  Indianer,  zum  Verkaufe  ausgeboten  habe,  die 
aus  den  Wäldern  zwischen  Tarija  und  Cochabamba,  also  von  der  Wasser- 
scheide zwischen  dem  Marannon  und  dem  la  Plata  stammte. 

Zwischen  diesen  äussersteu  Punkten  im  Süden  und  den  Gebirgen  von 
Caracas  unweit  des  caraibischen  Meeres  im  Norden  beschreibt  der  Gürtel 
der  Fieberrindenbäume,  den  gewaltigen  Kämmen  des  Gebirges  folgend, 
einen  nach  Osten  geöffneten  Halbmond  von  ungefähr  500  geogr.  Meilen 
Länge.  Stellenweise,  wo  sich  Parallelketten  des  Cordillerensystems  unter- 
scheiden lassen,  ist  auch  wohl  der  Cinchonengürtel  ein  doppelter  oder  mehr- 
facher, namentlich  scheint  er  im  Süden  Bolivias  an  Breite  zu  gewinnen. 

Als  eigentlicher  Mittelpunkt  der  besten  Cinchonen  muss  indessen  die 
Gegend  bezeichnet  werden,  wo  sie  zuerst  für  die  Wissenschaft  gefunden 

1)  Reise  der  österr.  Fregatte  Novara.  III.  S.  366. 

23  * 


356 


Rinden. 


worden,  mimlieh  die  Provinz  Loxa  (Loja)  im  südlichsten  Theile  von  Ecua- 
dor. Nur  durch  ungefähr  11  Breitengrade  nordwärts  und  eben  so  viel  süd- 
lich erstreckt  sich  der  Verbreitungsbezirk  des  Casearillos  üuos,  also  von 
7°  N.  Br.  (Quellgebiet  des  Rio  Meta  nach  Autioquia  am  Rio  Cauca)  bis 
15°  S.  Br.  (Umgebung  des  Titicaca-Sees). 

§ 13. 

Die  ausserhalb  dieses  Mittelstückes  im  Cinchonengürtel  wachsenden 
Arten  sind  vorherrschend,  so  viel  bis  jetzt  ermittelt  ist,  von  geringerem 
Gehalte.  Die  Sierra  nevada  de  Santa  Marta  hat  trotz  hinreichender , durch 
die  nahe  See  gemässigter  Wärme  ihrer  unteren  Stufen,  trotz  der  Sclmee- 
gipfel  keine  wahren  Fieberrindenbäume  mehr.  In  dem  isolirten  Gebirge 
verlaufen  die  grossen  meteorologischen  Processe  nicht  so,  wie  es  jenen  Bäu- 
men zusagt.  Es  ist  bemerkenswert!!,  dass  dieselben  überhaupt  die  unmittel- 
bare Nähe  des  Meeres  nicht  wohl  vertragen. 

Noch  weiter  verbreitet  als  die  geringen  Cinclionen,  die  „casearillos 
bobos“,  sind  die  übrigen  Glieder  der  Gruppe,  die  Ladenbergia-  (Cascarilla-) 
Arten,  die  Exostemmen,  die  Remijien.  Man  findet  sie  fast  in  allen  übrigen 
wärmeren  Theilen  Südamerikas,  die  beiden  letzteren  sogar  bis  an  die 
heisseste  Meeresküste. 


§ 14. 

Bedenkt  man  das  nicht  eigentlich  massenhafte  Auftreten  der  China- 
bäume, ihre  Beschränkung  auf  eine  durchschnittlich  nicht  viel  über  100Gm 
breite  Höhenstufe,  erwägt  man  ferner,  dass  unter  den  zahlreichen  Arten 
vielleicht  doch  die  Hälfte  oder  selbst  mehr  zu  den  Casearillos  bobos,  den 
alkaloidarmen , gehören  und  dass  von  einer  forstwirtschaftlichen  Behand- 
lung kaum  die  Rede  ist,  so  sind  Befürchtungen  in  Betreff  der  Ausrottung 
der  kostbaren  Bäume  wohl  begreiflich.  In  diesem  Sinne  hat  sich  W e d d e 1 1 l) 
sowohl  als  später  auch  Markham  (§  62)  ausgesprochen;  beide  mit  Bezug 
auf  Peru  und  Bolivia. 

Karsten2)  hingegen  fand  eine  Ausrottung  nur  da,  wo  überhaupt  der 
Wald  abgetrieben  wird  und  machte  darauf  aufmerksam , dass  die  Rinden- 
sammler der  Ansicht  sind , ihr  Geschäft  vermehre  die  Anzahl  der  Bäume. 
In  der  That  treiben  die  zurückgebliebenen  Stumpfe  sehr  bald  wieder  kräf- 
tige Stockausschläge,  sofern  sie  nicht  der  Rinde  beraubt  waren,  öderes 
keimen  eine  Menge  Samen,  begünstigt  durch  die  nach  der  Fällung  eines 
grösseren  Baumes  entstandene  oder  eigens  ausgehauene  Lichtung.  Dass 
gegenwärtig  überall  in  den  Chinagegenden,  Pitayo  allein  ausgenönimen,  ein 
im  angedeuteten  Sinne  vorsichtiges  Verfahren  eiugehalten  werde,  versicherte 


R pg. 13. 

2)  pg.  34. 


Cortices  Chinae.  § 14.  15. 


357 


neuerdings x)  ein  Augenzeuge  und  Mitbesitzer  betreffender  Waldungen,  Don 
Narciso  Lorenzano  in  Bogota. 

Es  gebt  hieraus  jedenfalls  hervor,  dass  eine  regelrechte  forstliche  Be- 
wirthschaftung  der  Cinchonen  in  ihrer  Heimat  die  günstigsten  Aussichten 
haben  müsste,  wenn  sie  durch  besser  geordnete  politische  und  sociale  Zu- 
stände unterstützt  würde. 

Die  Uebersiedelung  der  Cinchonen  nach  Ostindien  und  in  andere  Län- 
der (unten  § 61)  ist  daher  ein  in  mehrfacher  Hinsicht  ausserordentlich 
wichtiges  Unternehmen. 

§ 15. 

Den  Beschwerden  des  Rindensammelns  in  den  schwer  zugänglichen 
Urwäldern  Südamerikas  unterziehen  sich  nur  die  halbwilden  Indianer  und 
Mischlinge  im  Solde  grösserer  oder  kleinerer  Unternehmer  oder  Gesell- 
schaften, welche  in  den  Städten  ihren  Sitz  haben.  Alle,  die  sich  mit  dem 
Geschäfte  befassen,  vorzüglich  die  Sammler  selbst,  heissen  Cascarilleros, 
auch  wohl  cascadores,  vom  spanischen  cascara,  die  Rinde.  Ein  den  aus- 
ziehendeu  Sammlern  Vorgesetzter  Mayordomo  ordnet  und  beaufsichtigt  die 
Thätigkeit  der  einzelnen  Banden  im  Walde  selbst,  wo  in  leichten  Hütten 
die  Lebensmittel  und  zunächst  auch  die  Ausbeute  untergebracht  werden. 
Weddell* 2)  so  wie  Karsten3)  haben  in  anschaulicher  Weise  als  Augen- 
zeugen ein  Bild  dieses  Treibens  gegeben. 

Der  Cascarillero  entblösst  zuerst  mit  einem  säbelartigen  Messer  Machete 
(machiar  = kahl  werden)  die  Oberfläche  des  Stammes  von  den  oft  üppig 
wuchernden  Schling-  und  Schmarotzerpflanzen  und  beginnt  sofort  auch  in 
den  meisten  Fällen  das  Abschaben  der  saftlosen  Borkenschicht,  nachdem 
dieselbe  weich  geklopft  worden.  Um  die  innere  brauchbare  Rinde  selbst 
abzulösen,  werden  mit  Haudmeisseln  Längs-  und  Querschnitte  gehauen,  so 
weit  der  Stamm  erreichbar  ist,  endlich  derselbe  gefällt  und  sammt  den 
Aesten  getheilt,  um  die  vollständige  Schälung  zu  ermöglichen.  In  den 
meisten  Fällen,  zumal  aber  nach  vorherigem  Klopfen  mit  einem  Schlägel 
löst  sich  die  Rinde  trotz  ihres  bei  vielen  Arten  nur  geringen  Zusammen- 
hanges laicht  vom  Holze.  Irgend  grössere  Mengen  der  Rinden  müssen, 
wenigstens  in  vielen  Gegenden,  rasch  am  Feuer  getrocknet  werden,  das 
gewöhnlich  auf  dem  Boden  leichter  Hütten  angezündet  wird.  Ueber  dem- 
selben errichtet  man  mit  Hülfe  von  Palmblattstielen , Bambushalmen  oder 
anderen  geeigneten  Pflanzentheilen  grosse  Hürden , auf  denen  die  Rinden 
von  Zeit  zu  Zeit  umgelegt  werden.  Auch  die  Wände  der  Hütten  sind 
aus  gleichem  Lattenwerk  geflochten  und  nehmen  ebenfalls  dicke  Rinden- 


!)  März  1864.  — Pharm.  Journ.  and  Transact.  VI.  20.  — Auch  Scherzer’s  Erkundi- 
gungen in  Lima  (1859)  deuten  durchaus  auf  keinen  bevorstehenden  Mangel  der  Calisaya-Rinde 
(Reise  d.  österr.  Fregatte  Novara.  III.  S.  364.  366). 

2)  pg.  9 u.  flgde. 

3)  pg.  27.  31.  u.  ff. 


358 


Rinden. 


stücke  auf.  In  Neu-Grauada  findet  das  Austrocknen  der  Rinden  über  dein 
Feuer  fast  ganz  allgemein  statt. 

Wenn  es  auch  darauf  ankömmt,  die  Rinden  sogleich  vor  dem  Schimmeln 
zu  schützen,  so  darf  doch  das  Austrockneu  auch  nicht  übereilt  werden. 
Bei  der  unvollkommenen  Einrichtung,  welche  unter  den  gegebenen  Um- 
ständen allein  möglich  ist,  scheint  wenigstens  die  Waare  nur  daun  ein  ver- 
käufliches Aussehen  zu  erhalten,  wenn  auf  das  Trocknen  3 bis  4 Wochen 
verwendet  werden.  Dass  sogar  bei  ungeeigneter  Behandlung  der  Alkaloid- 
gehalt eine  Verminderung1)  erleiden  könnte,  ist  wahrscheinlich.  Der  genü- 
gende Grad  des  Austrocknens  wird  daran  erkannt , dass  die  Rinde  auch  im 
Innern  die  ursprüngliche  gelblichweisse  Farbe  verloren  hat  und  in  gelb, 
braun  oder  roth  übergegangen  ist. 

In  Südperu  und  Bolivia  werden  jedoch  nach  WeddeH’s  Darstellung 
selbst  die  dicksten  Calisaya-Rinden  nur  au  der  Sonne  getrocknet,  ohne  dass 
ein  Feuer  erforderlich  ist. 

Der  Handelsgebrauch  veranlasst  mancherlei  lokale  Eigenthümlichkeiten 
beim  Sammeln  der  Rinde.  Schon  in  Betreff  der  Auswahl  wurde  und  wird 
noch  jetzt  nicht  überall  nach  dem  gleichen  Grundsätze  verfahren.  Früher, 
besonders  vor  der  Entdeckung  der  Alkaloide,  schätzte  man  im  allgemeinen 
die  Zweigrinden  höher,  opferte  aber  doch  denselben  den  ganzen  Baum,  so 
dass  tausende  von  Centnern  der  reichsten  Stammrinden  zu  Grunde  gegan- 
gen sind.  Jetzt  hängt  es  eben  so  oft  von  Zufälligkeiten  ab,  ob  man  es 
lohnend  findet  oder  nicht,  die  Zweige  mehr  oder  weniger  vollständig  zu 
schälen. 

Aus  der  Gegend  von  Loxa  wird  berichtet,  dass  beim  Schälen  kleinerer 
Bäume  noch  ein  breiter  Rindenstreifen  verschont  wird,  von  welchem  aus 
sich  die  ganze  Rinde  allmälig  wieder  erneuert  und  eine  sehr  geschätzte 
Waare  erzeugt2). 

Dass  die  Zweigrinden  nicht  von  der  Korkschicht  befreit  werden,  ver- 
steht sich  von  selbst;  in  Betreff  der  Stammrinden  hängt  es  zum  Theil  vom 
Handelsgebrauche  ab , ob  man  sie  unverändert  oder  von  der  Aussenrinde 
(Periderma)  entblösst  liefert,  zum  Theil  aber  sind  wohl  auch  anato- 
mische Verhältnisse  von  Einfluss.  Wo  reichliche  und  tiefgehend?  Borken- 
bildung eingreift,  wie  bei  C.  Calisaya,  gelingt  die  Beseitigung  des  werth- 
losen Korkes  sehr  leicht  und  vollständig,  bei  anderen  Arten  hingegen  findet 
eine  solche  natürliche  Ablösung  der  Aussenrinde  nicht  in  gleichem  Masse 
statt  und  die  allzu  umständliche  Abschäluug  unterbleibt. 

Die  dünnere  Rinde  schwächerer  Stamm tlieile  rollt  sich  beim  Trocknen 
zu  Röhren  (canutos,  canutillos),  während  man  den  von  stärkeren  Stäm- 
men geschälten  Stücken  sehr  oft  dadurch  ihre  flache  Form  (plancha,  tabla) 


1)  vorgl.  Kstn.  pg.  23  u.  33.  Umgohaucne  Stämme  der  C.  corymbosa,  welche  sechs  Mo- 
nate hindurch  feucht  gelegen,  fand  derselbo  immer  noch  gleich  reich.  Vergl.  § 49  unten. 

2)  Hd.  bei  C.  Uritusiuga  fol.  8. 


Cort.  Chinae  § 15.  16.  17. 


359 


erhält,  dass  in  an  sie  kurze  Zeit  auf  einander  schichtet1)  und  belastet,  dann 
der  Sonne  aussetzt  und  diese  Behandlung  mehrmals  wiederholt. 

Karsten  erwähnt  in  Neu-Granada  nichts  von  einem  solchen  Verfahren. 

Die  Wurzelrinden  sind  früher  vernachlässigt  worden  und  erst  in  letzter 
Zeit  im  Handel  aufgetaucht  (vergl.  unten  § 31,  52). 

§ 16. 

Nach  dem  Trocknen  findet  entweder  eine  Sortirung  der  Rinden,  haupt- 
sächlich nach  ihrer  Grösse  statt,  oder  es  wird  alles  ohne  Unterschied  zu- 
sammen in  Säcken  von  Manilahanf  (Bast  der  Agave-artigen  Fourcroya), 
Leiuen  oder  Baumwollstoff  zu  Ballen  von  ungefähr  1 Centuer  verpackt.  Um  die- 
selben möglichst  zu  verkleinern , stampft  man  sogar  z.  B.  iuPopayau-)  die 
Rinden  zusammen.  Erst  die  Grosshändler  der  Hafenplätze  schlagen  die  Säcke 
in  Ochsenhäute  (Zurron),  deren  Haarseite  nach  innen  sieht,  während  die 
Lederstreifen  der  Nähte  mit  Pech  verschmiert  werden.  Die  zuvor  ange- 
feuchtete Haut  umschliesst  beim  Trocknen  den  Inhalt  auf  das  festeste.  Solche 
Suronen,  wie  die  Lederballen  heissen,  pflegen  60 — 80  Kilogr. , oft  auch 
weniger  zu  wiegen.  An  manchen  Plätzen , namentlich  in  der  Gegend  von 
Loxa,  werden  auch  sehr  häufig  Kisten  zur  Versendung  der  Rinde  genommen. 

Dass  Rinden  verschiedener  Cinclionen-Arten  zusammengepackt  werden, 
stellt  Karsten3)  für  Columbien  entschieden  in  Abrede.  Jede  Art  werde 
gesondert,  und  verschiedenes  Aussehen  rühre  nicht  von  specifisclier  Ver- 
schiedenheit her.  — Dass  der  Casearillero  immer  eine  solche  botanisch- 
pharmakognostische  Kritik  übe,  ist  doch  wohl  kaum  glaubüch. 

§ 17. 

In  Betreff  der  Ausbeute,  welche  einzelne  Bäume  zu  gewähren  ver- 
mögen, finden  sich  folgende  Anhaltspunkte.  Weddell  schätzt  den  Ertrag 
eines  der  stärksten  Calisaya-Bäume  auf  80  Kilogr.  getrockneter  Rinde, 
Markham  nennt  3 bis  4 Centner  flacher  Rinde  für  die  beste  Calisaya, 
6 bis  7 Centner  für  die  Varietät  Boliviana,  und  bis  10  Centner  für  Var. 
verde  oder  alta,4)  Karsten5)  gibt,  freilich  als  nicht  häufig  erreichte  Zahl, 
10  Centuer  trockener,  entsprechend  30  Centnern  frischer  Rinde,  für  60  Fuss 
hohe  und  5 Fuss  dicke  Stämme  von  C.  lancifolia  und  C.  corymbosa  an. 
Nach  Spruce  liefern  7 Theile  frischer  Rinde  bei  C.  succirubra  4 Theile 
trockener  Waare. 

Nach  mehrfachen  Erfahrungen  in  Ostindien  erreicht  die  Rinde  mancher 
Cinchonen  eine  weit  bedeutendere  Stärke , wenn  die  Stämme  mit  Moos 


0 Das  schöne  Titelbild  in  Weddell  s Hist.  nat.  d.  Quiuquinas  veranschaulicht  dieses 
Geschäft  im  Walde  von  San  Juan  del  Oro,  Provinz  Carabaya. 

2)  Kstn.  34. 

3)  S.  30. 

4)  Pharm.  J.  and  Transact.  VIII.  14. 

5)  S.  28. 


360 


Rinden. 


umwickelt  werden,  und  erneuert  sicli  auch  nach  dem  Schälen  sehr  rasch 
wieder  bei  gleicher  Behandlung.  Da  dergleichen  künstlich  vermehrte  Binde 
sich  alkaloidreich  zeigt,  so  liegt  darin  ein  höchst  wichtiger  Fingerzeig  Bil- 
den forstlichen  Betrieb  der  Rindensammlung,  sowohl  in  der  Heimat  als 
auch  in  den  neuen  Ansiedelungen  der  Cinchonen. 

§ 18. 

Im  Gebiete  der  Cordilleren  stösst  der  Transport  der  Rinden  über 
das  unwegsame  Gebirge  auf  grosse  Schwierigkeiten,  welche  häufig  verbieten 
die  gerade  Richtung  einzuschlagcn,  in  den  meisten  Fällen  aber  auch  die 
Ausfuhr  schlechter  Rinden,  die  sich  nicht  zahlen  würden,  verhindern  mögen. 
So  erörtert  Karsten1)  die  Gründe,  welche  die  Rindenhändler  des  oberen 
Caucathales,  in  der  Gegend  von  Popayan,  Pitayo,  Almaguer,  Pasto  bisweilen 
zwingen,  ihren  Weg  nicht  nach  dem  nächsten  Hafen  von  Buenaventura  zu 
nehmen,  und  nicht  direkt  den  kataraktenreichen  Cauca  abwärts,  sondern 
über  die  Hochpässe  von  Quindiu  (gegen  4000,n  über  M.)  und  Huanacas  in 
das  Thal  des  Magdalenenstromes.  Aber  auch  auf  diesem  letzteren  muss  bei 
Honda  eine  Umladung  stattfinden,  bevor  die  Barken  ihre  Fahrt  nach  Bar- 
ranquilla  an  der  Mündung  des  Stromes  fortsetzen  und  die  nahen  Häfen 
Sabanilla  und  Cartagena  erreichen  können.  In  neuerer  Zeit  ist  die  Ausfuhr 
dieser  columbischen  Plätze  sehr  bedeutend  geworden;  der  dortige  franzö- 
sische Consul  Rampon2)  nennt  jährlich  18000  Ballen.  Nur  ausnahms- 
weise scheinen  Chinarinden  z.  B.  aus  Huanuco3)  auf  dem  Ucayali  und 
Amazonas  nach  der  atlantischen  Küste  (Para)  befördert  zu  werden.  Im 
Jahre  1819  ging  Calisaya-Rinde  zu  Laude  an  den  Paraguay  oder  seine 
Zuflüsse  oder  stromabwärts  nach  Buenos- Ayres.4)  An  der  pacifischen  Küste 
ist  zunächst  der  Hafen  von  Guayaquil  wichtig,  dessen  Ausfuhr  au  China 
z.  B.  für  1855 — 1856  auf  7000  Centner  angegeben  wird. 

Eben  so  nahe  am  mittleren  Striche  der  Chinazone  liegt Payta,  der  nörd- 
lichste Seeplatz  Perus,  der  gegen  1000  Centner  verschifft. 

Callao,  der  Hafen  Limas,  natürlichster  Stapelplatz  der  mittelperuanischen 
Rinden  von  Huanuco  bis  Cusco,  scheint  in  neuerer  Zeit  für  dieses  Geschäft 
an  Bedeutung  nicht  zuzunehmen.  Den  ersten  Rang  nehmen  unstreitig 
Islay  uud  besonders  Arica  ein,  welche  die  werth vollsten  Rinden  von  Cara- 
baya  und  den  bolivianischen  Hoclithälern  (Yungas)  empfangen.  Arica  alleiu 
exportirt  jährlich  bis  14000  Ctr.5)  Nach  den  schon  oben  (§  12,  13)  er- 
wähnten Erhebungen  Scherzer’s  erscheint  es  sehr  wohl  möglich,  dass 


!)  S.  29.  — Vergl.  aber  auch  DB.,  S.  34. 

2)  nach  Berichten  an  Planchon,  S.  G2.  — Weddell  (S.  13,  Note)  gibt  für  1806  be- 
reits 1,200,000  Pfund  an,  die  aber  zn  seiner  Zeit  auf  wenige  Arrobcn  zurückgegangen  seien  (?) 

:l)  Henkel,  Büchners  Repert.  XIII.  207.  Vergl.  auch  § 40. 

4)  v.  Bergen,  Monogr.  287. 

•r’)  bisweilen  aber  auch  sehr  viel  weniger,  z.  B.  1859,  wo  Arica  und  Islay  zusammen  nur 
3290  und  1860  kaum  so  viel  Centner  verschifften  (Markham). 


Cort.  Chinae.  § 18.  19.  20. 


361 


jenes  Gebiet  im  nördlichen  und  östlichen  Umkreise  des  Titicaca-Sees  all- 
jährlich 8 — 10,000  Ctr.  Rinde  ohne  Gefährdung  des  Nachwuchses  liefere. 
Nicht  gering  scheint  auch  die  Menge  der  aus  den  südlichsten  Theilen 
Bolivias  in  Iquique  und  Cobija  verschifften  Rinde  zu  sein. 

Die  bolivianische  Regierung  hatte  1845  die  Gewinnung  der  Chinarinde 
zum  Monopol  gemacht,  welches  in  den  Händen  der  Pächter  und  unter  zu- 
nehmendem Drucke  von  staatlicher  Seite  grosse  Schwankungen  in  das 
Geschäft  brachte.  Es  handelte  sich  anfangs  um  4000  Centner  jährlich, 
später  um  7000,  1850  aber  erreichten  die  Ablieferungen  binnen  18  Monaten 
30,000  Centner,  worauf  weiteres  Schälen  vorübergehend  gänzlich  verboten 
und  endlich  1859  wieder  freigegeben  wurde.  Jetzt  ist  die  Rinde  mit  einer 
Steuer  von  V4  ihres  Werthes  belegt.  — Auf  jene  30,000  Centner,  welche 
nicht  eine  normale  wiederkehrende  Jahresausfuhr  Bolivias  darstellen,  sind 
Weddell’s  bezügliche  Angaben1)  zurückzuführen. 

Die  Gesammtausfuhr  von  China  aus  Südamerika  im  Zeiträume  von 
1830 — 18G0  wird  von  Scherzer  auf  200,000  Centner  angeschlagen. 

§ 19. 

Noch  hat  der  Unternehmungsgeist  der  Hispano-Amerikaner  sich  nicht 
ernstlich  darauf  verlegt,  die  Rinden  an  Ort  und  Stelle  zu  verarbeiten,  ob- 
wohl bereits  Boussingault2)  den  Vorschlag  gemacht  hatte,  den  Rio 
Vinagre  am  Vulkan  Purace  in  der  chinareichen  Gegend  von  Popayan  zur 
Alkaloidfabrikation  zu  benutzen , wozu  er  sich  seiner  freien  Schwefelsäure 
wegen  empfiehlt.  Auch  anderswo  in  dieser  Vulkanreihe  fehlt  es  nicht  an 
sauren  Bächen. 

Zu  Weddell’s  Zeit3)  lag  eine  Chininfabrik  in  Santa  Cruz  de  la  Sierra, 
im  Centrum  Bolivias,  im  Plane  und  1854  bestand  eine  solche  wenigstens 
vorübergehend  in  Santa  Fe4) 

§ 20. 

In  Betreff  der  Entwickelung  derRin  de  zeigen  die  Cinchonen  bedeu- 
tende Unterschiede.  Manche  sind  durch  reichliche  und  sehr  frühe  auf- 
tretende Abschuppung  ausgezeichnet,  wie  besonders  C.  Calisaya  mit  ihren 
bis  einen  Centim.  dicken  Schuppen,  auch  wohl  C.  micrantha,5)  bei  andern 
findet  ein  freiwilliges  Abstossen  der  Aussenrinde  in  geringerem  Masse  statt 
und  dieselbe  lässt  sich  auch  künstlich,  selbst  durch  Klopfen  nicht  so  leicht 
entfernen. 

Noch  andere  Arten  verfallen  nur  im  Alter  höchstens  an  den  unteren 
Stammtheilen  und  an  der  Wurzel  der  eigentlichen  Borkenbildung.  So  z.  B. 


U voyage  dans  le  nord  de  la  Bolivie. 

2)  Ann.  de  Chirn.  et  de  Physiq.  XX.  110  n.  111. 

3)  S.  5,  Note  2. 

4)  Wiggers  Jahresbericht  1854,  S.  143. 

5)  nach  Wdl.  53. 


362 


Rindeu. 


wird  bei  C.  ovata  häufig  uur  an  der  Westseite  der  Stämme  Borke  abge- 
schuppt,  nicht  an  der  entgegengesetzten,  wodurch  die  Rinde  eines  und  des- 
selben Baumes  in  dieser  Hinsicht  sehr  verschieden  ausfallen  kann.  Auch 
an  C.  lancifolia  ist  die  Wetterseite  der  unteren  Stammtheile  weit  mehr  zur 
Borkenbildung  geneigt.1) 

Bei  den  Rindeu  jüngerer  Stämme  oder  der  Zweige  herrscht  eine  grau- 
liche, bald  helle,  bald  schwärzliche  Färbung  vor,  die  Aussen  rinde  der 
dickeren  Stämme  dagegen  zeigt  mehr  charakteristische  braune,  gelbe  oder 
röthliche  Farbe,  welche  besonders  nach  Entfernung  der  Korkschichten 
deutlich  zu  Tage  tritt.  Wenn  auch  durch  den  Standort  und  besonders  durch 
die  Art  des  Trocknens  Verschiedenheiten  im  Colorit  der  Rinde  hervor- 
gebracht werden,  so  hebt  doch  Karsten2)  die  Beständigkeit  ihrer  inneren 
Grundfarbe  am  Stamme,  an  den  Aesteu  und  Zweigen  der  gleichen  Art  her- 
vor und  erklärt  es  für  unrichtig,  dass  der  gleiche  Baum  z.  B.  am  Stamme 
gelbe  oder  rothe,  an  den  Zweigen  graue  Riude  trage.3) 

Im  frischen  Zustaude  jedoch  sind  diese  Färbungen  sehr  blass  und  neh- 
meu  nach  dem  Schälen,  besonders  beim  Trocknen  erst  recht  ihren  eigen- 
thümlichen  Ton  an.  Die  hell  graugelbliche  oder  gelbröthliche  Riude  der 
C.  micrantha  beginnt  augenblicklich  nach  dem  Ablösen  sich  tief  blutroth  zu 
färben,  die  weisse  Farbe  derjenigen  von  C.  australis  geht  in  Rostfarbe  über, 
sobald  die  weich  geklopfte  Ausseurinde  abgerissen  ist.  Bei  Calisaya  ist  das 
frische  „Derma“  von  hell  grünlich  gelber  Färbung,  bei  0.  pubescens 
schmutzig  weisslichgrünlich. 

Allerdings  fallen  diese  Nüancen  schliesslich  etwas  verschieden  aus,  je 
nachdem  das  Trocknen  der  Rinde  mehr  oder  weniger  rasch  am  Feuer  vor- 
genommen wird  oder  der  Luft  und  Sonne  überlassen  bleibt,  wo  die  Rindeu 
oftmals  wieder  durch  Regen  und  Thau  benetzt  werden.  Immer  aber  bleibt 
die  auffallende  Farbenveränderung  der  frischen  Rinde  für  die  ächten  Ciu- 
chonen  ein  ganz  charakteristisches  Merkmal,  auf  welches  sich  der  Sammler 
noch  mehr  stützt  als  auf  die  oben  (§  9)  angegebenen. 

Es  gibt  überall  Bäume  und  Sträucher,  deren  Rinden  sich  durch  gleiche 
chemische  Veränderungen  dunkler  färben,  sobald  sie  dem  Kreise  ihrer 
Lebensbedingungen  entrückt  werden,  und  auch  Karsten  führt4)  aus  der 
Umgebung  der  Cinchonen  das  Beispiel  einer  Biguoniacee  (Codazzia)  an. 
welche  bitter  schmeckt,  sich  langsam  dunkler  färbt  und  daher  von  den 
Indianern  auch  mit  dem  Namen  Quina  belegt  wird.  Allein  von  den  mit 
Cinchona  so  nahe  verwandten  Ladenbergien,  wenigstens  von  L.macro- 
cai'pa  Klz.  hebt  er  ausdrücklich  hervor,  dass  ihre  Rinde  weisslich  bleibe 
und  als  Quina  blanca  sehr  wohl  von  achter  China  unterschieden  werde. 


1)  nach  Wdl.  62  u.  Kstu.  35. 

2)  S.  40. 

3)  cf.  Planchon  S.  29. 

4)  S.  24. 


Cort.  Chinae.  § 20.  21. 


363 


Die  Wurzelrinde  zeigt  sich  im  allgemeinen  ähnlich  derjenigen  Rinde  der 
unteren  Stammthcile,  welche  der  Wetterseite  (wohl  meist  der  westlichen) 
angeboren. 

Es  geht  aus  dem  obigen  hervor,  dass  in  der  Färbung  der  Rinde  nicht 
nur  ein  fiir  die  Cinchonen  im  allgemeinen  bezeichnendes  Merkmal  liegt, 
sondern  auch  ein  brauchbares  Hülfsmittel  zur  Charakterisirung  der  Rinden 
im  einzelnen  oder  doch  zur  Gruppirung  der  Sorten.  Nicht  mit  Unrecht 
haben  schon  die  älteren  Bearbeiter  dieses  Gegenstandes  mit  den  Sammlern 
selbst  Quina  amarilla  (gelbe),  blanca  (weisse),  colorada  (rothe),  naranjada 
(orange),  negrilla  (braune),  roja  (rothe)  u.  s.  w.  unterschieden. 

So  hohes  Gewicht  auch  frühere  Pharmakognosten  auf  das  Aussehen  und 
namentlich  auf  die  Farbe  der  zahlreichen  Handelssorten  der  Chinarinden 
legten,  so  wurde  doch  die  Unbestimmtheit  dieser  Kennzeichen  allmälig 
fühlbar,  und  nicht  grösserer  Werth  kann  in  systematischer  Hinsicht  den 
Eintheilungsgründen  zugesprochen  werden,  welche  sich  aus  der  geogra- 
phischen Herkunft  der  Sorten  ableiten  lassen.  Yon  der  Unmöglichkeit  ab- 
gesehen, dieselbe  immer  sicher  zu  ermitteln,  siud  mit  wenigen  Ausnahmen 
die  Verbreitungsbezirke  der  einzelnen  Cinchonen  noch  allzu  wenig  bekannt 
und  auch  mauigfach  in  einander  übergreifend. 

§21. 

Zum  Studium  der  Chinarinden  darf  gewiss  keine  andere  als  die  bei  den 
übrigen  Drogen  bewährte  Methode  befolgt  werden,  welche  die  anatomischen 
(histologischen)  und  die  chemischen  Verhältnisse  erörtert  und  feststellt. 
Das  erstere  wurde  auch  durch  bildliche  Darstellung  für  die  Chinarinden 
schon  1849  vonWeddell  begonnen,  1857  durch  Schleiden,1)  1858 
durch  Karsten,2)  1862  durch  Howard2)  mächtig  gefördert  und  1865 
endlich  durch  Berg2)  in  einen  Rahmen  zusammengefasst,  in  welchen  sich 
weitere  Bereicherungen  der  betreffenden  Kenntnisse  leicht  unterbringen 
lassen  werden. 

Ohne  Herbeiziehung  der  anatomischen  Verhältnisse  hatten  Delondre 
und  Bouchardat2)  mit  trefflichen  Abbildungen  der  Rinden  selbst  mehr 
die  chemische  Behandlung  der  Frage  verbunden.  Ihrem  Werke  wurde  durch 
Phoebus2)  1864  die  werthvollste  Ergänzung  zu  Theil,  indem  derselbe  die 
gleichen  aus  der  Hand  des  ersteren  empfangenen  Rinden  mikroskopisch 
bearbeitete. 

Durch  diese  Leistungen  (vergl.  weiter  § 60)  ist  nicht  nur  der  innere 
Bau  der  Chinarinden  im  allgemeinen  aufgeklärt  worden,  sondern  auch  die 
anatomische  Besonderheit  einer  Reihe  von  botanisch  ziemlich  feststehenden 
Ci nchona- Arten,  so  dass  die  Zurückführung  der  wichtigsten  Handelssorten 
auf  ihre  Stammpflauzen  gesichert  ist.  Ein  Abschluss  dieser  Bestrebungen 

0 Bot.  Pharmacognosie.  Leipzig  1857. 

0 in  dem  oben  S.  343  angeführten  Werko. 


364 


Rinden. 


wird  erst  daun  möglich  sein , wenn  die  systematische  Botanik  mit  voller 
Berücksichtigung  der  pharmakognostischen  Resultate  eine  befriedigende 
Classification  der  Ciuchonen  durchgeführt  haben  wird. 

§ 22. 

Die  Chinarinden  zeigen  in  ihrem  Bau  nicht  auffallendere  Eigentbüm- 
lichkeiten  als  so  viele  andere  Rinden.  Was  den  Cinchonen  ein  besonderes 
Gepräge  aufdrückt,  lässt  sich  ungefähr  im  folgenden  zusammenfassen. 

Von  der  Epidermis  im  anatomischen  Sinne  kann  hier  keine  Rede 
sein,  da  der  Kork,  welcher  sich  schon  in  den  jüngsten  Zweigen  dicht 
unter  der  Epidermis  in  geschlossenen  Schichten  bildet,  dieselbe  bald  ab- 
wirft und  sehr  früh  alleiu  oder  doch  vorherrschend  die  Ausseurinde  zusammen- 
setzt. Dieser  ganz  normale  Vorgang  der  Verkorkung  kann  sich  in  seinem 
weiteren  Verlaufe  entweder  nur  auf  die  Mittelriude  beschränken , so  dass 
von  derselben  innerhalb  der  Korkhülle  immer  noch  einige,  wenn  nicht  alle 
Schichten  erhalten  bleiben,  oder  aber  es  wird  auch  das  Gewebe  der  lunen- 
rinde  ergriffen.  Findet  das  letztere  am  ganzen  Umfange  der  betreffenden 
Axe  statt,  so  muss  alsbald  die  Mittelriude  vollständig  verschwinden.  Wenn 
dagegen  nur  einzelne  Strecken  der  Innenriude  von  schalenförmigen  ICork- 
bändern  (Binnenkork)  durchsetzt  werdeu,  so  lösen  sich  die  ausserhalb  der- 
selben gelegenen  Gewebetheile  allmälig  als  Borkenschuppen  ab,  während 
an  andern  Stellen  die  gleichen  Gewebe  sich  noch  kurze  Zeit  erhalten  können, 
um  erst  später  ebenfalls  abgestossen  zu  werden. 

Ganz  wie  andere  Rinden  haben  daher  diejenigen  der  Cinchonen  eben- 
falls eigentliche  B orkenbil  düng  aufzuweisen  und  nach  Karsten1)  wären 
derselben  alle  Arten  unterworfen.  Doch  ist  der  Beweis  hierfür  noch  lange 
nicht  beigebracht,  und  gewiss  zeigen  die  einzelnen  Ciuchonen  iu  dieser 
Hinsicht  so  wie  auch  wohl  in  der  Natur  des  eigentlichen  Korkgewebes  selbst 
Verschiedenheiten,  welche  noch  der  Untersuchung  harren.  Karsten  ist 
geneigt,  dieselben  von  klimatischen  Einflüssen  mehr  als  von  specifischer 
Anlage  abzuleiten.  Sehr  häufige  und  sehr  extreme  Schwankungen  im 
Wassergehalte  der  Atmosphäre  würden  durch  den  Wechsel  des  Austrock- 
nens und  Aufquelleus  der  Rinde  besonders  das  Auftreten  von  Borkeschuppen 
begünstigen,  wogegen  der  beständigeren  Feuchtigkeit  der  Nebelregion  eine 
mehr  regelmässigere  Entwickelung  von  reinem  Korke  (Schwammkork, 
Tafelkork)  oft  mit  warzigen  Wucherungen  und  Rissen  entspräche.  Beide 
Formen  fand  Karsten  je  nach  dem  Standorte  z.  B.  au  C.  corymbosa  aus- 
gebildet. 

C.  Calisaya  scheint  ganz  besonders  regelmässig  in  Standorten  mittlerer 
Höhe  (1600 — 1800“)  vorzukommen,  welche  iu  auffallender  Weise  die 
Borkenschuppen  begünstigen.2)  Sie  sind  ganz  den  entsprechenden  Bildungen 

1)  S.  46. 

2)  Markham  (Zwei  Reisen  in  Peru,  deutsche  Uobcrsetz.,  Leipzig  1865,  S.  266  u.  270.) 
schilderte  die  Meteorologie  des  Tarahopata-Thales  in  Carabaya  an  der  bolivianischen  Grenze, 
des  eigentlichen  Mittelpunktes  der  Calisaya-Rogion , über  1800 ,n  hoch.  Demnach  herrscht 
hier  Sonnenschein  im  Juni,  Juli  und  August  entschieden  vor,  Regen  im  October  bis  Februar. 


Cort.  Cliinae.  § 22.  23. 


365 


der  Platanen  zu  vergleichen,  jedoch  bedeutend  stärker,  aber  weit  wenigei 
umfangreich.  Treffend  bezeichnen  die  Cascarilleros  die  an  der  Rinde  da- 
durch entstehenden  seicht  muldenförmigen  Borkengruben  als  conchas 
wegen  der  Aehnlichkeit  mit  flachen  Muscheln.  Wo  sie  in  die  Länge  gezogen 
sind  und  auch  wohl  zusammenfliessen , sehen  sie  aus,  als  wären  sie  durch 
Fiugerein drücke  entstanden. 

Diese  Conchas  sind  am  auffallendsten  vorhanden  bei  Stammrinden  der 
C.  Calisaya  und  in  der  käuflichen  Rinde  immer  bis  auf  höchst  unbedeutende 
Reste  der  Borke  vollständig  blos  gelegt.  Aber  auch  andere  Cinchonen  be- 
sitzen ebenfalls  Conchas,  z.  B.  C.  lanceolata  RP. 

Eine  ganze  Reihe  von  Handelssorten  dagegen,  gewöhnlich  als  Loxa-, 
Pseudo -Loxa-  und  Huanuco- China  bezeichnet,  weist  reine  Korkbildung 
auf.  Es  fragt  sich , ob  bei  den  betreffenden  Stammpflanzen  die  eigentliche 
Borke  überhaupt  gar  nicht  oder  nur  erst  in  späterem  Alter  auftritt.  Für 
C.  micrantha  z.  B.  macht  Weddell  eine  einfache  Verwitterung  der  Mittel- 
rinde, aber  nicht  Borkenbildung  wahrscheinlich. 

Die  Korkzellen  der  Cinchonen,  wenigstens  die  der  käuflichen  Rinden, 
zeigen  die  gewöhnliche  Tafelform  und  radiale  Anordnung.  In  der  Borke 
schliesst  das  reine  Korkparenchym  noch  mehr  oder  weniger  kenntliche 
Reste  des  in  Folge  der  Bildung  von  Binnenkork  abgestorbenen  Gewebes  der 
Mittelrinde  oder  der  Inuenrinde  ein. 

Die  nicht  mehr  lebensthätige  Aussenrinde,  gleich  viel,  ob  aus  Borke 
oder  aus  reinem  Korke  allein  bestehend,  nennt  W e d d e 1 1 P e r i d e r m a , die 
übrige  Rinde  Derma  und  unterscheidet  in  letzterem  die  Mittelrinde,  wo  sie 
noch  vorhanden  ist,  als  tunique  oder  enveloppe  cellulaire  vom  Baste  (über). 

§ 23. 

Die  Mittelrinde  der  Cinchonen  ist  aus  ansehnlichen,  in  tangentialer 
Richtung  mehr  oder  weniger  gedehnten  Zellen  gebaut,  welche  sich  wie  ge- 
wöhnlich durch  radial  gerichtete  Scheidewände  vermehren.  Die  Einförmig- 
keit dieses  Gewebes  wird  (abgesehen  von  Binnenkorkbildung)  dadurch 
unterbrochen,  dass  einzelne  oder  zahlreiche  seiner  oft  grob  porösen  Zellen 
auf  ihren  Wandungen  Verdickungschichten  ablagern.  Bei  bedeutenderer 
Entwickelung  der  letzteren  entstehen  Steinzellen  (Schichtenzellen),  welche 
entweder  leer,  oder  mit  feinem  Krystallmehl  von  Kalkoxalat , oder  aber  mit 
rothbraunem,  festem,  bisweilen  gekörntem  Inhalte  erfüllt  sind,  welcher 
ohne  hinreichenden  Grund  als  Harz  bezeichnet  worden  ist.  Die  Steinzellen 
wechseln  in  ihrer  Form  ohne  Regelmässigkeit , so  dass  es  überflüssig  er- 
achtet werden  muss,  sie  als  Wiirfelzelleu,  als  kugelige  oder  stabförmige 
(tangential  gestreckte)  Steinzellen  zu  unterscheiden.  Nicht  belangreicher 
ist  die  Unterscheidung  derselben  nach  ihrem  Inhalte  in  Krystallzellen  und 
in  Harzzellen  oder  Saftzellen.1)  Im  Sinne  der  Axe  bieten  die  Steinzellen 
der  Chinarinden  keine  erhebliche  Streckung  dar. 


nicht  zu  verwechseln  mit  den  Saftrühren  (Saftschlänchen). 


366 


Rinden. 


Sie  erscheinen  in  der  Mittelrinde  entweder  einzeln  eingestreut  oder  zu  Grup- 
pen vereinigt,  niemals  aber  eigentlich  geschlossene,  umfangreiche  Kreise  dar- 
stellend wie  in  so  vielen  anderen  Rinden,  z.  B.  in  Cort.  Quassiae  oder  Gort. 
Guajaci.  Manchen  Chinarinden  fehlen  die  Steiuzellen  regelmässig  (z.  B. 
der  rothen),  in  andern  kommen  sie  spärlich,  in  manchen  (C.  ovata.  C.  Pal- 
ton) reichlich  und  auch  (z.  B.  bei  C.  lancifolia)  in  der  Innenrinde  vor.  In 
C.  umbellulifera  und  einigen  andern  sind  Steinzellen  bald  vorhanden , bald 
nicht.  Ganz  besonders  reichlich  und  fast  die  ganze  Mittelrinde  erfüllend 
weist  sie  C.  lucumaefolia  auf.  Mitunter  zeigen  die  Mittelrindenzellen  spiralig 
geordnete  Poren,  besonders  auffallend  z.  B die  röthliche  Pitayo-China.  Im 
übrigen  bleiben  diese  Zellen  dünnwandig,  sind  also  nicht  mit  den  Stein- 
zellen zu  verwechseln. 

§24. 

Au  der  Grenze  der  Mittelrinde  und  der  Innenriude  finden  sich  häufig 
einzelne  sehr  ansehnliche  Zellen,  welche  auf  dem  Querschnitte  eiueu  kreis- 
förmigen oder  tangential  gedehnten  Umriss  darbieteu,  der  an  Umfang,  nicht 
an  Wanddicke,  die  benachbarten  Parenchymzelleu  meist  übertrifft.  Der 
grössere  Durchmesser  erreicht  häufig  über  200  Mikromill.  (C.  succirubra), 
bei  C.  boliviaua  sogar  500,  geht  aber  auch  oft  (z.  B.  bei  Uritusinga)  unter 
50  bis  40  Mikromill.  herab. 

Im  Längsschnitte  erscheinen  diese  Zellen  nicht  ansehnlich  gestreckt, 
sondern  einfach  sackartig  zu  mehreren  über  einander  gestellt,  ungefähr  so 
wie  die  Harz-  oder  Milchsaftzellen  der  Jalape,  doch  lassen  sich  diese  Saft- 
röhren1) oder  Saftschläuche  der  China  nicht  auf  so  ansehnliche 
Strecken  verfolgen.  Sie  stehen  gewöhnlich  einzeln  oder  bisweilen  zu  zwei 
bis  drei  hinter  einander  vor  den  letzten  Ausstrahlungen  der  Bastkeile, 
jedoch  ohne  ganz  bestimmte  Beziehung  zu  denselben.  Im  Querschnitte  bilden 
sie  daher  einen  meist  einfachen,  lockeren  und  wenig  regelmässigen,  manchmal 
mehrfachen  und  oft  annähernd  geschlossenen  Kreis.  Eine  besondere  An- 
ordnung oder  abweichende  Form  der  Parenchymzellen,  welche  zunächst  diese 
Saftschläuche  umgeben,  etwa  in  der  Weise,  wie  bei  den  Balsamgäugen  der 
Compositen-  oder  Umbelliferen -Wurzeln,  ist  in  den  Chinarinden  nicht  er- 
sichtlich. — Wo  die  Saftschläuche  nicht  grösser  siud,  können  sie  leicht 
übersehen  werden,  wenn  mau  die  Schnitte  mit  Kali  statt  mit  dem  weniger 
eingreifenden  Ammoniak  aufweicht.  Wegen  des  brauurothen,  trüben, 
gummig-harzigen  Inhaltes,  wegen  ihres  Baues  und  ihrer  Stellung  lassen 
sich  diese  Schläuche  den  Milchsaftgefässen  so  vieler  anderer  Pflanzen  ver- 
gleichen, daher  sie  auch  von  manchen  geradezu  als  Milchsaftröhren 
bezeichnet  werden.  Nach  Karsten,  welcher  sie  als  Saftfasern  oder 
Saftbehälter  anführt,  kommen  sie  in  den  jüngsten  Zweigen  aller  oder 
fast  aller  Cinchonen  und  ihrer  nächsten  Verwandten  als  Abgrenzung  des 


0 lacuncs  oder  vaisseaux  laticifercs  Wdl.  n.  DB.,  laticifcrous  canals,  ducts  or  vesscls  Ild. 


Cort.  Chinae.  § 24.  25. 


367 


primären  Rindenparenchyms  vom  Cambium  vor,  bei  einzelnen  Arten  aber 
bleiben  sie  sehr  enge,  verschmelzen  nicht  durch  Resorption  der  Querwände 
zu  Gefässen  und  verkümmern  sehr  bald  gänzlich  und  zwar  zum  Theil,  wie 
es  scheint,  auch  dadurch,  dass  in  ihrem  Innern  Neubildung  (?)  parenchy- 
matischer  Zellen  stattfindet,  wie  z.  B.  in  mittelstarken  Röhren  der  China 
rubra  dura  leicht  zu  sehen  ist.  Auch  im  Marke  , zumal  in  der  Nähe  der 
Knoten  junger  Axen,  finden  sich  Saftschläuche  vor.1) 

Obwohl  also  diese  Saftschläuche  keine  Eigenthümlichkeit  einzelner  Cin 
chonen  sind,  so  fehlen  sie  doch  regelmässig  in  einigen  Rinden  des  Handels 
und  finden  sich  in  andern  erhalten,  sofern  nicht  überhaupt  die  ganze  Mittel- 
rinde durch  Borkenbildung  untergegangen  ist.  Wenn  die  angedeutete  Stel- 
lung und  die  spätere  Zerstörung  der  Saftschläuche  richtig  gewürdigt  wird, 
so  geben  sie  daher  in  manchen  Fällen  brauchbare  Merkmale  zur  Erkennung 
einzelner  Rinden  ab. 

§ 25. 

Wichtigere  Anhaltspunkte  gewährt  jedoch  die  Innenrinde,  welche 
infolge  Beseitigung  der  Borke  in  vielen  Fällen  ohnehin  ganz  allein  manche 
Sorten  käuflicher  Rinden  darstellt.  Sie  besteht,  wie  gewöhnlich,  aus  Bast- 
gewebe, durchschnitten  von  Markstrahlen,  welche  das  Holz  in  drei,  höch- 
stens vier  parallelen  Reihen  (grosse  Markstrahlen,  Hauptmarkstrahlen)  aus- 
sendet. Ihre  Zellen  sind  fast  immer  grösser  als  die  des  Bastparenchyms 
und  nehmen  jedenfalls  in  der  Nähe  der  Mittelrinde  an  Breite  wie  an  Zahl 
der  einzelnen  Reihen  zu;  die  Zellen  selbst  dehnen  sich  in  der  Richtung  der 
Tangente  und  verlieren  sich  zuletzt  unmerklich  in  die  Mittelrinde.  Im  tan- 
gentialen Längsschnitte  zeigen  sich  die  Markstrahlen  bis  ungefähr  20  Vertikal- 
schichten mächtig,  von  denen  die  obersten  und  untersten  nur  zweireihig 
oder  einreihig  sein  können. 

Ausserdem  gibt  es  auch  Nebenmarkstrahlen  (kleine  Markstrahlen)  mit 
nur  einer  oder  einer  gegen  die  Grenze  der  Mittelrinde  verdoppelten  und 
umgekehrt  keilförmig  erweiterten  Zellenreihe.  Bisweilen  bleiben  jedoc  hdiese 
sekundären  Markstrahlen  schon  früher  zurück. 

Im  Gewebe  der  Markstrahlen  verdicken  sich  oft  namentlich  in  den  äus- 
sersten  Schichten  einzelne  Zellen  zu  Steinzellen.  Noch  häufiger,  auch  ohne 
Verholzung,  führen  manche  Krystallmehl. 

Das  Bastgewebe  enthält  sowohl  Parenchym  (Zwischenparenchym  Phb., 
Füllgewebe  Bg.)  als  prosenchymatische,  im  Sinne  der  Axe  stark  gestreckte 
Zellen  in  wechselndem  Verhältnisse.  Immer  und  schon  sehr  frühe  verdicken 
sich  die  Wandungen  der  entschieden  axial  gestreckten  Zellen.  Wenn  das 
in  geiingerem  Grade  der  Fall  ist  und  die  Zellen  nicht  spitz  enden,  so  werden 
sie  als  S t a b z e 1 1 e n ,2)  stabförmige  Steinzellen  (Bg.)  Faser  zellen(Schlei- 


X)  Abbildung  bei  Wdl.,  Tab.  I.,  fig.  2G.  1. 

2)  cellules  fibreuscs,  imperfoct  liber-fibres. 


368 


Rinden. 


den)  unterschieden.  Phoebus1 2)  hält  sie  für  Baströhren,  welche  in  wei- 
terer Ausbildung  gehemmt  worden  seien;  auch  Karsten'-)  nimmt  sie  für 
Uebergangsformen.  Eine  andere  Auffassung  liegt  dem  Ausdrucke  Bergs 
vermuthlich  zu  Grunde  und  für  dieselbe  spricht  die  Thatsache,  dass  ganz 
ähnliche  Gebilde  z.  B.  in  der  Mittelrinde  des  Aconit-Knollens  (vergl.  bei 
Tuber  Aconiti  Napelli)  Vorkommen,  welche  gar  nicht  dem  Baste  angehören. 

Immerhin  ist  der  diagnostische  Werth  der  Stabzellen  gering,  da  sie  im 
ganzen  nicht  häufig  und  wenig  constant  Vorkommen.  Recht  zahlreich  treten 
sie  in  den  Baststrahlen  der  C.  lancifolia  auf,  auch  in  C.  Pelletiereaua,  ferner 
in  Cortex  Chinae  ruber  suberosns. 


§ 26. 

Wenn  die  Wandungen  der  prosenchymatischen  Bastzellen  sich  so  sehr 
verdicken,  dass  ihre  Höhlung  beinahe  ganz  verschwindet,  so  entstehen  die 
verholzten  Baströhren  oder  einfach  Bastzellen.3)  Ausser  der  bedeu- 
tenden Grösse  und  der  weiter  fortgeschrittenen  Verholzung  unterscheiden 
sie  sich  auch  durch  spitze  Enden  von  den  Stabzellen.  Jedoch  kommen  z.  B. 
in  der  Pitayo-China  auch  Baströhren  mit  breit  gerundeten,  stumpfen  Enden 
vor.  In  den  jüngeren  Rinden  finden  sich  die  Baströhren  bei  den  meisten 
Arten  nur  spärlich  eingestreut,  aber  mit  dem  zunehmenden  Alter  vermehren 
sie  sich  bedeutend,  verlieren  ihre  Höhlung,  etwa  mit  Ausnahme  der  jüngsten 
(innersten)  fast  vollständig  und  drängen  das  Bastparenchym  meist  sehr 
zurück.  Im  Querschnitte  erscheinen  diese  Baströhren  deutlich  und  sehr  ziei'- 
lich  concentrisch  geschichtet,  von  feinen  Porenkanälen  durchsetzt,  im  Um- 
risse rundlich  oder  etwas  eckig  und  häufig  in  radialer  Richtung,  oft  iufolge 
gegenseitiger  Pressung,  etwas  gestreckt,  die  Höhlung  meist  auf  eine  dunkle 
Ritze  oder  einen  Punkt  beschränkt.  Da  die  Baströhren  in  spitze,  doch 
nicht  eigentlich  geschärfte  Enden  auslaufen,  so  fällt  der  Umfang  des  Quer- 
schnittes in  verschiedener  Höhe  sehr  verschieden  aus.  Der  grössere  Durch- 
messer der  stärksten  Röhren  pflegt  ungefähr  200  Mikromill.  zu  erreichen, 
gewöhnlicher  aber  nur  die  Hälfte  oder  ein  Drittel  dieser  Grösse  zu  betragen. 

Im  Längsschnitte  erweisen  sich  die  Baströhren  der  China  verhältuiss- 
mässig  kürzer  als  die  entsprechenden  Zellen  so  vieler  anderer  Rinden,  ob- 
wohl ihre  Länge  immerhin  in  den  Bereich  gewöhnlicher  Messung  fällt  und 
leicht  2—6  Millimeter  beträgt.  Sie  zeigen  sich,  sofern  sie  nicht  völlig  isolirt 
stehen,  mit  ihren  spitzen  Enden  über  und  zwischen  einander  gekeilt,  aber 
niemals  quer  verbunden,  sondern  immer  ganz  einfach  oder  höchstens  säbel- 
förmig gebogen,  meist  aber  gerade.  Auch  ihre  glänzende,  gelbe  oder  gelb- 
rothe  Farbe  lässt  sie  in  dem  übrigen  Gewebe  sehr  gut  wahrnehmen. 


1)  S.  28. 

2)  g 42. 

3)  fibres  corticalcs  Wdl.,  libor-fibrcs  Hd.  — Karsten  nennt  diese  (und  nicht  unsere 
Stabzellen)  Bastzellcn,  Bastfascrzcllen,  Fascrzcllen. 


Cort.  Cliinae.  § 26.  27.  28. 


369 


Wahrhaft  prachtvoll  nehmen  sich  feinste  Querschnitte  starker  Bast- 
röhren im  polarisirten  Lichte  aus,  indem  sie  ein  schwarzes  Kreuz  zeigen, 
während  bei  nur  wenig  dickeren  Scheiben  daneben  in  den  Quadranten  die 
schönsten  Färbungen  auftreten.  Die  letzteren  verrathen  auch  bei  Betrach- 
tung von  Längsschnitten  die  bedeutenden  Spannungen,  welche  bei  der  Ablage- 
rung dieser  Yerholzungsschichten  stattgefunden  haben.  Die  feinere  spiralige 
Anlage  derselben  gelangt  erst  dann  zur  Anschauung,  wenn  die  Baströhren 
mit  Salzsäure  gekocht  und  hierauf  in  Kupferoxydammoniak  gelegt  werden. 

§ 27. 

Die  ansehnliche  Dicke  und  Verholzung,  so  wie  die  einfache  Gestalt 
zeichnen  die  Baströhren  der  Cinchonen  aus.  Anfangs  in  den  jüngsten  Axen 
vereinzelt  auftretend,  ordnen  sie  sich  später  in  verschiedener  Weise,  so  dass 
die  einzelnen  Cinchona-Arten  gerade  darin  auch  ihre  Eigenthümlichkeit 
ausprägen. 

Dem  ununterbrochenen  Pflanzenleben  ihrer  Heimat  entsprechend,  herrscht 
die  mehr  oder  weniger  regelmässige,  radiale  Aufeinanderfolge  der  Baströhren 
in  den  Rinden  der  Cinchonen  vor,  welcher  nicht  selten  auch  eine  Ueber- 
einstimmung  in  tangentialer  Richtung  wenigstens  einigermassen  entspricht, 
obwohl  eigentliche  geschlossene  (nämlich  nur  von  den  Markstrahlen  durch- 
setzte) Kreise  der  Baströhren,  abwechselnd  z.  B.  mit  concentrischen  Lagen 
pareuchymatischen  Bastes,  nicht  Vorkommen.  Der  Bast  der  Chinarinden 
sieht  deshalb  nicht  deutlich  gefeldert  aus.  Auch  da,  wo  verholzte  Bast- 
röhren in  grosser  Zahl  auftreten,  bilden  sie  nicht  umfangreichere  Gruppen 
oder  lange  und  derbe  Bündel,  und  besonders  in  der  Spitze  der  Bastkeile, 
au  der  Grenze  der  Mittelrinde,  stehen  sie  nur  sehr  zerstreut. 

Während  in  der  Jugend  das  Parenchym  der  Innenrinde  (Bastparenchym) 
vorherrscht,  ändert  sich  nach  und  nach  dieses  Verhältnis  bald  mehr,  bald 
weniger  zu  Gunsten  der  Baströhren.  Die  Rinde  der  gleichen  Art  muss  also 
in  verschiedenen  Altersstufen  in  dieser  Hinsicht  sehr  ungleiche  Bilder  und 
daher  nur  trügerische  Anhaltspunkte  für  die  Diagnose  darbieten,  wenn  auch 
innerhalb  gewisser  Gränzen  die  specifische  Eigenthümlichkeit  ihr  Recht 
behauptet.  Aber  auch  an  sich  betrachtet,  gewährt  das  Bastparenchym 
keine  ausgezeichneten  Merkmale.  Seine  Zellen  sind,  wie  gewöhnlich,  etwas 
vertikal  gedehnt  und  durchschnittlich  mit  dünneren  Wänden  versehen  als 
das  ähnliche  Gewebe  der  Mittelrinde.  Da,  wo  die  Baströhren  weit  aus  ein- 
ander gerückt  stehen , sind  sie  von  diesem  oft  beträchtlich  kleinzelligeren 
Parenchym  ganz  umgeben  uud  in  radialer  Richtung  durch  derartige  vom 
übrigen  Bastgewebe  und  den  Markstrahlen  wohl  unterschiedene  Streifen 
verbunden. 

§ 28. 

Die  meisten  der  nicht  oder  nicht  ganz  verholzten  Zellen  der  Chinarinde, 
ausgenommen  die  des  Korkcambiums  und  die  Oxalat  führenden,  sind  so 
reichlich  mit  dunkel  braunrothem  Farbstoffe  gefüllt,  dass  ihr  fernerer 
Inhal  t,  so  wie  ihr  Bau  erst  deutlich  wahrnehmbar  wird,  wenn  man  beginnt, 

Fliickiger,  Pharmakognosie.  24 


370 


Rinden. 


den  ersteren  durch  Ammoniak,  Weingeist,  Kali  oder  uoch  andere  Lösungs- 
mittel wegzuschaffen.  Sogar  der  Kork  enthält  häufig  Chinaroth  uud  iu  den 
innersten  noch  leben sthätigen  Lagen  Stärkekörner.  Dergleichen,  in  vor- 
herrschend einfachen  kugeligen,  bis  ungefähr  20  Mikromill.  messenden  Ge- 
stalten, liegen  auch  im  Parenchym  der  Mittel-  uud  Innenrinde  und  in  den 
Markstrahlen.  In  den  äusseren  Schichten  der  Mittelrinde  jüngerer  Rinden 
lassen  sich  auch  Chlorophyllkör  ne  r finden. 

Die  schon  erwähnten  äusserst  kleinen  und  wenig  ansgebildeten  Krystalle 
von  Kalkoxalat  sind  da  und  dort  in  einzelnen  Zellen  aller  drei  Parenchym- 
arten abgelagert,  so  dass  durchaus  nicht  alle  krystallhaltigen  Zellen  ver- 
holzte oder  auch  nur  verdickte  Wände  besitzen.  Die  der  letztem  Form,  die 
Oxalat  einschliessenden  Steiuzellen , sind  sogar  im  ganzen  weuiger  häufig. 
Grössere  oft  gut  ausgebildete  Oxalatkrystalle  und,  wie  es  scheint,  auch 
meist  in  reichlicherer  Menge,  führen  die  den  Ciuchonen  verwandten  Bäume 
in  ihren  Rinden.  Hier  finden  sich  iin  Baste  auch  ganze  Vertikalreihen 
krystallhaltiger  Zellen , während  die  Chiuariuden  nur  vereinzelte  Krystall- 
zellen  aufweisen. 

Neben  diesen  allgemein  verbreiteten  Stoffen  lassen  sich  die  eigenthüm- 
lichen  Bestaudtheile  der  Chinarinden  nicht  durch  unmittelbare  Betrachtung 
vermittelst  des  Mikroskops  wahrnehmen.  Howard’s  unten  (§  55)  zu  er- 
wähnende gegenteilige  Beobachtungen  bedürfen  noch  weiterer  Bestätigung. 

§ 29. 

Fasst  mau  die  anatomischen  Verhältnisse  der  Chinarinden  zusammen, 
so  ergibt  sich , dass  sie  sowohl  der  Gesammtheit  der  erstereu  als  auch  ins 
besondere  der  Natur  und  Stellung  ihrer  verholzten  Baströhren  ein  eigen- 
tümliches Gepräge  verdanken.  Dasselbe  tritt  besonders  deutlich  im  Gegen- 
sätze zu  den  übrigen  im  Systeme  so  nahe  stehenden  Cinchoueen  hervor. 

Bei  den  Ladenbergien  z.  B.  entwickeln  sich  die  Saftschläuche  weit  voll- 
kommener zu  grösseren,  zusammenhängenden  uud  auch  bis  in  höheres  Alter 
bleibenden  Get’ässeu,  während  die  Saftschläuche  der  wahren  Cinchonen  oft 
schon  im  zweiten  Jahre  verkümmern  und  älteren  Rinden  des  Handels  feh- 
len. Die  Mittelrinde  der  Ladenbergia- Arten  weist  auch  starke,  höchst 
umfangreiche  und  öfters  vertikal  gestreckte  Bündel  von  bteinzellengi  uppen 
auf,  am  meisten  aber  weicht  ihr  Bast  vom  oben  geschilderten  1 ypus  der 
Cinchonen  ab.  Gewöhnlich  fällt  die  luuenriude  der  Ladenbergien  schon 
durch  die  grünliche  Farbe  ihrer  Baströhren  auf,  welche  häufig  stellenweise 
durch  Steiuzellen  oder  Stabzellen  vertreten  sind.  Die  eigentlichen  Bast- 
röhren selbst  sind  dünn,  aber  bei  weitem  nicht  vollständig  verholzt,  im 
Querschnitte  ein  bedeutendes  Lumen  darbietend  und  gewöhnlich  rundlich, 
ohne  radiale  Streckung.  Im  Längsschnitte  zeigen  sie  die  gewöhnlichen  Ver- 
hältnisse der  meisten  Baströhren,  d.  h.  sie  sind  sehr  lang  und  ver- 
leihen als  starke,  oft  netzartig  querverbundene  Stränge  dem  ganzen  Gewebe 
einen  Zusammenhang,  welchen  die  kurzen  einfachen  Baströhreu  dei  Ciu 


Cortices  Chinae.  § 29.  30. 


371 


chonen  nicht  zu  geben  vermögen.  In  manchen  Ladenbergia-Rinden  spielt 
auch  das  Parenchym  des  Bastes  eine  bedeutendere  Rolle,  sei  es  dass  seine 
regelmässigen  tangentialen  Zonen,  mit  Baströhrengruppen  abwechselnd,  ein 
gefeldertes  Aussehen  der  Iunenrinde  bedingen,  sei  es,  dass  die  innere  Hälfte 
der  letzteren  bei  weitem  vorherrschend  aus  Parenchym  gebaut  ist.  Auch 
hierdurch  erhält  das  Gewebe  dieser  Rinden  eine  bei  weitem  grössere  Festig- 
keit und  Zähigkeit  als  die  mürben  Chinarinden. 

Diese  Unterschiede  reichen  denn  auch  vollkommen  aus,  um  die  Rinden 
ächter  Ciuchonen  und  diejenigen  der  übrigen  verwandten  Gattungen  aus 
einander  zu  halten.  (Yergl.  § 43.) 

§ 30. 

Da  in  den  käuflichen  Chinarinden  wenigstens  die  Bastschicht  immer 
erhalten  bleibt,  so  geben  in  der  Regel  die  ihrem  auffallendsten  Elemente, 
nämlich  den  verholzten  Baströhren,  entnommenen  Merkmale  die  brauch- 
barsten Anhaltspunkte  auch  zur  Erkennung  der  einzelnen  Sorten  ab.  Frei- 
lich sind  nur  erst  bei  wenigen  Cinchonen  die  Veränderungen  genügend 
ermittelt,  welche  die  gesammte  Bastschicht  der  Species  im  Laufe  der  Ent- 
wickelung des  Baumes  erleidet,  wir  kennen  nur  von  einer  beschränkten 
Zahl  den  Bau  der  Rinde  in  der  Wurzel,  am  Stamm  und  auch  an  den  Zwei- 
gen, allein  der  Handel  liefert  auch  sehr  häufig  von  einer  gewissen  Cinchone 
durchschnittlich  nur  Rinden  der  gleichen  Altersstufe  als  Sorte. 

Wie  bei  allen  Rinden  mit  einigermassen  ausgebildeter  Bastschicht  fällt 
der  Querbruch  auch  der  Chinarinden  verschieden  aus  in  den  inneren 
und  in  den  äusseren  Lagen.  Die  letzteren,  aus  dem  rein  parenchymatischen 
Gewebe  des  Korkes  und  der  Mittelrinde  bestehend,  brechen  gleichmässig 
und  kurz,  sofern  nicht  durch  Borkenbildung  abgestorbene  Theile  des  Bastes 
in  die  Bedeckung  (Periderma  Weddell’s)  hereingezogen  sind. 

Im  Gegensätze  zu  jenem  gleichmässigen , ziemlich  glatten,  dem  soge- 
nannten korkigen  Bruche,  bietet  die  Innenschicht  stärkerer  Rinden  nicht 
eine  ebene  Bruchfläche  dar,  sondern  es  ragen  daraus  einzelne  derbe  Bündel- 
chen  der  im  Sinne  der  Axe  gestreckten  Baströhren  heraus.  Weddell 
zuerst  hat  nachgewiesen,  dass  aber  namentlich  bei  den  Chinarinden  das 
Aussehen  des  Bruches  sehr  verschiedenartig  ist,  je  nach  der  Grösse  und 
der  Anordnung  der  Baströhren.  Sind  dieselben  nicht  nur  sehr  dick, 
z.  B.  200  Mikromill.  im  längeren  Durchmesser  des  keilförmig -elliptischen 
Querschnittes  erreichend,  sondern  zugleich  in  starke,  wenn  auch  (wie  immer 
bei  den  Cinchonen)  kurze  Bündel  zusammengepresst  und  gekeilt,  und  da- 
neben das  Bastparenchym  reichlich  entwickelt,  so  ist  hierdurch  ein  holzi- 
ger Bruch  bedingt,  den  Weddell  an  C.  pubescens  vortrefflich  erläutert 
hat.  Dieser  Typus  gewinnt  noch  weiter  an  Eigenthümlichkeit , wenn  die 
Bastbüudel  zugleich  auch  mehr  oder  weniger  vollständig  von  der  gewöhn- 
licheren radialen  Anordnung  abweichen  und,  zumal  in  den  inneren  Lagen 
des  Bastes,  einigermassen  concentrische  Kreise  darstellen.  Alsdann  starren 

24* 


372 


Rinden. 


kurze  aber  ziemlich  umfangreiche  und  sehr  fest  zusammenhängende,  nicht 
sehr  spitze  Bündel  aus  der  Bruchfläche  hervor.  Der  Querschnitt  eines  nach 
diesem  Typus  gebauten  Bastes  kann  eine  Abänderung  darbieten,  wenn  die 
Bündel  sich  mehr  in  radialer  Folge  zeigen. 

Anders  gestaltet  sich  das  Bild , wenn  etwas  schwächere , z.  B.  durch- 
schnittlich ungefähr  70  bis  150  Mikromill.  dicke  Baströhren  mehr  verein- 
zelt, aber  doch  zahlreicher  und  den  parenchymatischen  Theil  des  Gewebes 
oft  sehr  beschränkend,  in  unverkennbar  vorwiegend  radialer  Anordnung 
auftreten.  Auch  dieser  Grundplan  des  Bastes  vermag  bei  ausgewachsenen 
Rinden  in  verschiedener  Weise  zum  Ausdruck  zu  gelangen.  Wenn  nämlich 
die  Baströhren  immer  noch  durch  Parenchym  getrennt  und  auch  nicht  sehr 
strenge  in  geraden  radialen  Reihen  auf  einander  folgen,  so  ragen  aus  dem 
Bruche  nur  die  vereinzelten  spitzigen  Baströhren  heraus,  indem  sie  gleich- 
sam nach  W e d d e 1 1’  s Q treffender  Bemerkung  einzeln  im  parenchymatischen 
Gewebe  schweben.  Ein  derartiger  ausgezeichnet  faseriger  Bruch  zeigtsich 
ganz  besonders  bei  der  älteren  Calisaya -Rinde.  Yon  diesem  Typus  weicht 
der  Bast  der  C.  scrobiculata  durch  die  grössere  Zahl  seiner  verholzten 
Röhren  ab,  welche  das  Parenchym  weit  mehr  zurückdrängen  und  längere 
Radialreihen  bilden , worin  die  Baströhren  oft  nur  durch  eine  einzelne  Pa- 
renchymzelle  getrennt  sind.  Häufig  folgen  aber  auch  4 bis  10  Baströhren 
einer  Reihe  völlig  ohne  Zwischenparenchym  auf  einander.  Der  Bruch  er- 
scheint daher  hier  mit  langen  biegsamen  Fasern  ausgestattet,  welche  sich 
besonders  bei  drehendem  Zerreissen  der  Rinde  faden  artig  zeigen  (fracture 
filandreuse  Wdl.). 

Im  ganzen  verdanken  die  Chinarinden  ihren  verhältnissmässig  kurzen 
und  nicht  verflochtenen  Baströhren  besonders  die  grosse  Brüchigkeit.  Wed- 
dell2)  z.  B.  vergleicht  in  dieser  Beziehung  die  frische  Calisaya -Rinde  mit 
einem  fleischigen  Pilze,  Karsten3)  diejenige  der  C.  lancifolia  mit  steifer 
Pappe.  So  auffallend  sich  übrigens  die  drei  obigen  Weddel  1’ sehen  Typen 
des  Bruches  in  C.  pubescens,  C.  Calisaya  und  G.  scrobiculata  unter- 
scheiden , so  erscheinen  sie  doch  in  den  meisten  anderen  Rinden  vielfach 
modificirt,  sei  es  in  Folge  des  Alters,  welches  selbst  bei  einer  und  derselben 
Cinchone  den  Bast  umzugestalten  vermag,  sei  es  vielleicht  selbst,  wie 
Karsten4)  will,  in  Folge  individueller  oder  lokaler  klimatischer  Einflüsse, 
so  dass  nach  demselben  im  Grunde  die  specifische  Bedeutung  des  Bastes  eine 
sehr  geringe  wäre. 

Jedenfalls  ist  es  wünschenswerth , überhaupt  die  Entwickelung  der 
Rinden  sämmtlicher  Cinchonen  durch  ihre  verschiedenen  Altersstufen  ken- 
nen zu  lernen,  und  erst  die  Erfüllung  dieser  noch  kaum  in  Angriff  genom- 
menen Forderung  wird  unsere  Kenntniss  der  Chinarinden  zum  Abschlüsse 
zu  bringen  vermögen. 


D pg.  24.  2)  pg.  33.  3)  pg.  85.  4)  pg.  53.  55. 


Cortices  Chinae.  § 31.  32. 


373 


§ 31. 

Die  bis  in  die  neueste  Zeit  ganz  vernachlässigte  Wurzelrinde  der 
Cinchonen  scheint  im  allgemeinen  den  Bau  der  Stamm-  oder  Astrinde  zu 
besitzen  , namentlich  aber  sehr  zur  Borkenbildung  geneigt  zu  sein 1).  Bei 
C.  Calisaya  hebt  Berg2)  das  Fehlen  der  Saftschläuche  iu  einer verhältniss- 
mässig  noch  jungen  Wurzelrinde  hervor,  so  wie  das  zum  Theil  horizontale 
Streichen  der  Bastbündel,  die  in  den  oberirdischen  Axen  immer  vertikal 
verlaufen . 

§ 32. 

In  Betreff  der  oben  (§  6)  aufgeführten  wichtigsten  Arten,  welche  ent- 
weder für  sich  allein  oder  zu  mehreren  gemischt  die  hauptsächlichsten 
Sorten  des  Handels  liefern,  ist  nach  dem  gegenwärtigen  Stande  der  Dinge 
ungefähr  das  folgende  hinsichtlich  des  anatomischen  Baues  als  gesichert 
zu  betrachten: 

1.  C.  Calisaya. 

Nachdem  schon  Jussieu  die  Region  dieses  Baumes  betreten  hatte, 
machten  um  1776  Rubin  de  Celis  und  1791  der  in  Cochabamba  (Bolivia) 
ansässige  Böhme  Thaddäus  Hänke  auf  den  Werth  seiner  Rinde  aufmerk- 
sam, so  dass  sie  seit  ungefähr  1789  eine  immer  steigende  Bedeutung  ge- 
wann, obwohl  der  Baum  selbst  erst  durch  Wedd eil  genau  bekannt  wurde. 
Im  Handel  finden  sich  sowohl  die  vollständigen  Zweigrinden  in  Röhren  als 
auch  die  von  Borke  befreiten  platten  Stammrinden,  und  zwar: 

a)  die  erstere  unter  dem  Namen  Cortex  Chinae  regius , convolutus , 
China  Calisaya  cum  epidermide,  Calisaya  tecta  s.  tubulata,  gerollte  oder 
bedeckte  Königschina;  Quinquina  Calisaya  roule;  Quill  Calisaya. 

1 bis  4 Centimeter  starke  Röhren,  meist  von  beiden  Rändern  her  ein- 
gerollt (Doppelröhren),  dunkel  graubraun  bis  weisslich,  mit  groben  unregel- 
mässigen Längsleistchen  und  Furchen,  die  im  ganzen  doch  einigermassen 
übereinstimmend  gerichtet  sind  und  von  tiefen  oft  ringsum  laufenden  Quer- 
rissen gekreuzt  werden.  Hierdurch  entstehen  quadratische,  längliche  oder 
rhombische  Felder  mit  aufgeworfenen  Rändern  und  gewöhnlich  etwas  feiner 
gefurchter  Fläche,  welche  leicht  abspringen  und  auf  der  Oberfläche  der 
zimmtbraunen  Mittelrinde  ihre  Umrisse  noch  erkennen  lassen.  Innenfläche 
dunkler  braungelblich  durch  die  hellen  Baströhren  genau  vertikal  gestreift. 
Bruch  rein  faserig,  in  der  Aussenrinde  dunkler  und  flacher.  Der  anato- 
mische Bau  entspricht  dem  schon  (§  30)  geschilderten  Typus.  Die  Be- 
deckung besteht  aus  zahlreichen  Lagen  ansehnlicher  derber  braunrother 
Tafelzellen,  welche  schon  frühe  als  Binnenkork  (§  22)  in  die  Mittelrinde 
eingreifen.  Bei  einer  Dicke  von  0,005'u  bis  gegen  0,010m,  welche  die  Röh- 
ren an  aufgeweichten  Querschnitten  oft  zeigen,  beträgt  die  Mittelrinde  leicht 

1)  Kstn.  pg.  23.  35. 

2)  Pg-  24. 


374 


Rinden. 


die  Hälfte.  Sie  weist  nur  sehr  vereinzelte  oder  so  gut  wie  keine  Steinzellen, 
wohl  aber  einen  allerdings  frühzeitig  verschwindenden  einfachen  oder  dop- 
pelten Kreis  von  Saftschläuchen  auf.  Die  verholzten  gelben  Baströhren  oft 
noch  spärlich  und  klein,  sein-  häufig  von  15  bis  40  Mikromill  erreichendem 
quadratischem  oder  vieleckigem,  oft  etwas  radial  gestrecktem  Querschnitte. 

Aeusserlich  den  Röhren  der  Calisaya  vollkommen  ähnlich  erklärt  Ho- 
ward diejenigen  der  C.  peruviana. 

b)  Ch.  regia  plana , Ch.  regia  sine  epidermide,  Calisaya  nuda;  flache, 
platte,  unbedeckte  Königschina;  Calisaya  plat;  flat  Calisaya. 

Ein  oder  mehrere  Fuss  lange,  oft  gegen  0,2"'  breite  und  5 bis  15  Millim. 
dicke  flache  Stücke,  von  jener  besonderen  schönen  reinen  Färbung,  welche 
man  als  Typus  der  gelben  Chinasorten  bezeichnet;  in  der  That  ist  der  Stich 
ins  gelbröthliche  oft  kaum  wahrnehmbar.  Die  Oberfläche  häufig  durch  Ver- 
witterung wenigstens  stellenweise  dunkler,  mehr  oder  weniger,  oft  in  höch- 
stem Grade  durch  Conchas  (oben  § 22)  uneben,  Inneufläche  nicht  immer 
wie  bei  den  Astrinden  parallel,  sondern  oft  etwas  wellenförmig  gestreift.  In 
diesem  Falle  fahren  aus  der  Bruchfläche  die  Bastbündel  der  verschiedenen 
Schichten  bisweilen  in  divergenter  Richtung  auseinander,  ähnlich  wie  die 
Holzbündel  des  Guajaks  (siehe  bei  Lignum  Guajaci).  Diese  Sorte  ist  höchst 
ausgezeichnet  durch  ihr  mürbes  Gewebe,  dessen  Bruch  völlig  dem  W e d de  1 1 - 
sehen  Calisaya-Typus  entspricht.  Schon  der  Fingernagel  kratzt  ohne  Anstren- 
gung die  spitzigen  Baströhren  los,  welche  leicht  in  die  Haut  eindringen. 

Von  der  Aussenrinde  pflegen  an  den  Rändern  der  Conchas  nur  noch 
einzelne  leicht  abzulösende  Borkeschuppen  oder  F etzen  erhalten  zu  sein ; 
der  Bast,  welcher,  von  den  Bändern  des  Binnenkorkes  abgesehen,  allein  die 
Rinde  bildet,  zeigt  vollständig  den  oben  bei  a)  beschriebenen  Bau,  jedoch 
mit,  den  durch  das  Auswachsen  bedingten  Aenderungen.  Die  ziemlich  zer- 
streuten, bald  mehr  bald  weniger  deutlich  radial,  bisweilen  beinahe  auch 
etwas  tangential  gereihten  Baströhren  sind  nämlich  im  Querschnitte  nicht 
nur  grösser,  sondern  auch  etwas  mehr  radial  gestreckt.  Da  und  dort  be- 
rühren sich  einmal  2 bis  4 unmittelbar,  sonst  stehen  sie  immer  durch  reich- 
liches Bastparenchym  getrennt.  Die  Zellen  der  Markstrahlen  bleiben  hier 
noch  radial  gedehnt,  höchstens  kuboidisch,  nicht  wie  in  der  (abgeworfenen) 
Mittelrinde  breit  tangential  gestreckt,  daher  die  Markstrahlen  nirgends 
die  Breite  der  Baststrahlen  erreichen.  Im  Längsschnitte  zeigt  sich  das  Bast- 
parenchym etwas  gestreckt,  die  Baströhren  mit  den  Enden  au  eiuander 
gelegt. 

Die  schon  von  Jos.  de  Jussieu  bemerkte,  durch  Wed  de  11  ihm  zu 
Ehren  benannte  strauchige  Varietät  C.  Josephiana  (§  G No.  1 und  § 8)  gibt 
eine  dünne  röhrige  Rinde,  Ichu-Cascarilla  der  Eingeborenen.  Sie  wird  von 
denselben  viel  gebraucht,  gelangt  aber  nur  selten  in  den  Handel.  Eine 
Probe  davon,  welche  ich  Howard  verdanke,  stimmt  mit  der  Abbildung 
WeddeH’s  überein,  zeigt  das  Aussehen  dünnster  Röhren  gewöhnlicher 
Röhren-Calisaya,  höchstens  sind  die  Risse  noch  weniger  tief  eingeschuitten 


Cortices  Chinae.  § 32. 


375 


und  der  Innenfläche  haften  noch  Holzsplitterchen  an.  Anatomisch  entspricht 
diese  Ichu  der  gerollten  Calisaya,  namentlich  stehen  die  dickwandigen  Saft- 
schläuche sehr  genähert  in  einem  stellenweise  doppelten  Kreise,  die  blassen 
verholzten  Baströhren  meist  zwischen  zwei  Markstrahlen  in  einer  einzigen 
unterbrochenen  Radialreihe.  In  einer  nach  dem  Aufweichen  blos  1 Millim. 
dicken  Rinde  enthält  eine  solche  Reihe  schon  zehn  Baströhren,  welche 
bereits  einen  Durchmesser  von  50  bis  70  Mikromill.  erreichen;  nur  die 
innersten  schliessen  noch  eine  ansehnliche  Höhlung  ein.  Die  Stammrinden 
der  C.  Josephiana,  mehr  noch  die  der  Wurzel,  dürften  bei  der  Leichtigkeit, 
womit  sie  zu  beschaffen  sind,  eine  bedeutende  Zukunft  haben,  wie  bereits 
Weddell1)  voraussagte. 

Die  Staramrinden  der  oben  (§  6.  1)  erwähnten  C.  boliviana  sind  nach 
Weddell  dünner,  mit  weniger  tiefen  Borkegruben  versehen  und  oft 
etwas  heller  als  die  beschriebene  flache  Calisaya- Rinde,  welcher  sie  sonst 
gleichen.  In  Bolivia  heisseu  sie  jedoch  zum  Unterschiede  Calisaya  morada. 
Die  Zweigrinden  sind  nicht  von  gerollter  gewöhnlicher  Calisaya  zu  unter- 
scheiden. — You  dieser  C.  boliviana  leitet  Howard  seine  Calisaya  pallida 
ab.  Es  sind  5 Millim.  dicke  breite  Bastplatten,  welche  jener  Wed dell’- 
schen  Charakteristik  entsprechen.  Ihre  Baströhreu  finde  ich  so  geordnet, 
wie  in  gewöhnlicher  flacher  Calisaya.  Die  Röhren,  welche  Howard  als 
Calisaya  morada  bezeichnet  und  Berg  zu  C.  Uritusinga  zieht;  sehen  äusser- 
lich  völlig  der  Calisaya  ähnlich. 

Zu  dieser  Var.  boliviana  der  Calisaya -Rinde  gehören  auch  Howard’s 
Röhren  der  holzigen  (woody)  Calisaya  mit  ausgezeichneter  Schichten- 
borke. 

Von  anderer  Seite,  z.  B.  vom  Hause  Gehe  wird  als  Calisaya  boliviana 
eine  ausgezeichnete  flache  Rinde  in  den  Handel  gebracht,  die  ebenfalls  mit 
den  Weddel  Eschen  Angaben  übereinstimmt.  Die  Farbe  ist  die  der  gewöhn- 
lichen flachen  Calisaya,  der  Bruch  aber  derber  splitterig,  die  Textur  fester, 
die  Oberfläche  mit  seichten  Conchas  oder  mit  kleinen  abgescheuerten  Kork- 
warzen versehen , manche  der  dünneren  Stücke  rückwärts  gekrümmt. 
Die  Mittelrinde  pflegt  trotz  der  Borkegruben  noch  erhalten  zu  sein  und  weist 
dann  sehr  umfangreiche,  bis  V •>  Millim.  weite  Saftschläuche  auf,  aber  keine 
Steiuzellen.  Dergleichen  treten  jedoch  auf,  sobald  die  Mittelrinde  in  Kork 
überzugehen  beginnt,  so  dass  Querschnitte  einer  und  derselben  Rinde  bald 
Steinzellen  darbieten , bald  nicht.  Die  Baströhren  weichen  in  Anordnung 
und  Grösse  nicht  von  gewöhnlicher  Calisaya  ab.  Das  etwas  eigentümliche 
Aussehen  dieser  Bolivia-Calisaya  dürfte  daher  einem  schon  frühe  eintreten- 
den Abfallen  des  Korkes,  zunächst  ohue  Eingreifen  in  die  Mittelrinde,  zu- 
zuschreiben  sein.  Vielleicht  sind  bei  dieser  besonderen  Ausbildung  des 
Periderma  lokale  Einflüsse  im  Spiele. 

Der  C.  scrobiculata  darf  diese  Rinde  nicht  zugeschrieben  werden , weil 


x)  pg.  35.  — Vergl.  auch  Phb.  pg.  58. 


\ 


376 


Kiuden. 


die  Steinzellen  fast  immer  ganz  fehlen  und  die  Baströhren  nicht  vorherr- 
schend wenig  unterbrochene  Radialreihen,  sondern  mehr  lockere  Gr uppirung 
zeigen ; immerhin  mag  es  noch  dahin  gestellt  bleiben , ob  sie  der  C.  Cali- 
saya angehört. 

2.  G.  Chahuarguera.1) 

Starke  Aströhren,  trocken  bis  gegen  5 Millim.  dick,  bilden  einen  guten 
Theil  der  Loxa- China,  Quinquina  Loxa,  rusty  or  old  crown  bark,  während 
Berg  die  Stammrinden  in  der  flachen  Guayaquil- Rinde  von  Gehe  & C°. 
in  Dresden  findet,  welche  seit  einiger  Zeit  für  sich  zu  uns  gelangt.  Die 
Röhren  dunkelgrau,  innen  hell  zimmtfarben,  mit  genäherten  Querrissen  und 
Längsleistchen,  welche  aber  nicht  regelmässige  Felder  bilden,  sondern  oft 
mehr  oder  weniger  durch  Korkwarzen  zurückgedrängt  werden.  Mittelrinde 
ohne  Steinzellen  und  Saftschläuche,  letztere  schon  in  dünneren  Röhren  ver- 
schwunden. Verholzte  Baströhren  ungleich,  aber  oft  über  100  Mikromill. 
dick,  vorherrschend  radial  geordnet,  doch  mit  entschiedener  Neigung  zur 
Bilduug  kleiner  Gruppen,  welche  nicht  regelmässig  tangential  geordnet 
stehen.  Die  Baströhreu  übrigens  bisweilen  von  grossen  Stabzelleu  begleitet. 
Diese  von  Howard  als  „ älteste  Loxa-Rinde“  mitgetheilten Röhren  kommen 
in  anatomischer  Hinsicht  mit  Berg’s  Abbildung  von  Chahuarguera2)  über- 
ein und  keineswegs  z.  B.  mit  dem  Bau  von  C.  heterophylla,  micrantha  oder 
Uritusinga.  Vom  Hause  Gehe  gelieferte  Röhren  von  Guayaquil -Kron- 
China  sehen  den  Howard’schen  Röhren  ähnlich  und  unterscheiden  sich 
höchstens  ein  wenig  durch  gänzlichen  Mangel  von  Korkwärzchen.  Bei  fort- 
schreitender Korkbildung  geht  die  Farbe  der  Bedeckung  mehr  in  Braun 
über,  wie  Quinquina  gris  roule  auf  Taf.  XX  von  DB.  Der  Bau  entspricht 
der  obigen  Schilderung,  doch  finden  sich  bisweilen  in  der  Mittelriude  sehr 
vereinzelte  Steinzellen  und  zweifelhafte  Saftschläuche.  Der  Bast  erhält  oft 
beinahe  ein  gefeldertes  Ansehen  durch  ansehnliche,  in  tangentialer  Rich- 
tung zusammenhängende  Parenchymstreifen. 

Was  ich  als  flache  China  fusca  aus  Guayaquil  von  dem  oben  ge- 
nannten Hause  besitze,  besteht  in  fusslangeu,  schwach  riunenförmigen  Stücken 
von  5 Millim.  Dicke,  ein  paar  Centimeter  Breite  und  von  fein  rissiger,  fast 
ebener  Oberfläche,  fädig  brechend.  Schon  der  gänzliche  Mangel  oder  das 
vereinzelte  Vorkommen  von  Korkwarzeu  lässt  in  dieser  Guayaquil-Rinde  ein 
Gemenge  erkennen.  In  der  That  besitzen  die  warzeulosen  Stücke  keine  Saft- 
schläuche, aber  zahlreiche  Steinzellen  in  der  Mittelrinde,  welche  den  warzigen 
Exemplaren  ganz  fehlen.  Die  Mittelrinde  der  letzteren  besteht  aus  weit 
zahlreicheren,  oft  gegen  40  Lagen  kleiner,  schlaffer  Zellen.  An  der  trocke- 
nen Rinde  sind  dieselben  dicht  zusammengefallen  und  bilden  auf  dem  Quer- 
schnitte vermöge  ihres  rothbraunen  Inhaltes  (Chinaroth,  nicht  Harz)  eine 
dunkle  Zone,  den  sogenannten  „Harzring“.  Die  Baströhren  stehen  zer- 
streut, zum  Theil  in  kleineren  Gruppen  mit  Hinneigung  zu  tangentialer  An- 


Hook  er  zieht  neuerdings  diese  Art  als  Var.  Bonplandiana  nebst  der  folgenden  und 
Uritusinga  zu  der  von  ihm  wieder  hergestellten  C.  o/ßcinalis.  2)  Taf.  VI.  15. 


Cortices  Chinae.  § 32. 


377 


Ordnung;  in  den  warzenlosen  Stücken  nimmt  man  dagegen  entschieden 
radiale  Reihen  weit  zahlreicherer  Baströhren  wahr,  welche  da  und  dort 
auch  zu  kleineren  Gruppen  zusammen  treten.  Keine  der  beiden  hier  be- 
schriebenen Rinden  stimmt  daher  mit  den  von  Berg1)  in  derselben  Sorte 
beobachteten  Stammrinden  überein,  vielmehr  ist  wenigstens  die  Steinzellen 
führende  flache  Guayaquil-Rinde  gleich  gebaut  wie  die  hiernach  bei  C.  suc- 
cirubra  (sub  14  hiernach)  erwähnte  Rinde  der  C.  coccinea. 

3.  C.  Condaminea. 

Dünnere  Röhren  nach  Berg  aussen  grau,  stellenweise  weiss,  mit  reich- 
lichen, aber  zarten  Längs-  und  Querrissen,  die  Felder  mit  aufgeworfenen 
Rändern,  dickere  Röhren  „huamaliesartig“  (leberbraun  und  korkwarzig), 
mit  Borkeschuppen  und  Borkegruben.  Bastplatten  der  Stämme  der  Cali- 
saya ähnlich,  Bruch  faserig.  Steinzellen  fehlen,  Saftschläuche  nur  in  jün- 
geren Zweigen  noch  vorhanden.  Baströhren  in  unterbrochenen  Reihen. 
Berg  erblickt  die  dünneren  Röhren  als  China  Pseudo-Loxa,  dickere  als 
Huamalies,  die  Bastplatten  als  falsche  Calisaya  im  Handel. 

ln  den  dünnen  Röhren  der  von  Berg  hierher  gezogenen  Marcapata- 
Bark2)  Howards  finde  ich  entschieden  Steinzellen,  auch  Saftschläuche; 
ihr  Bau  stimmt  mit  dem  von  C.  purpurea,  von  welcher  sie  auch  Howard 
frageweise  ableitet. 

4.  C.  cordifolia. 

Mittelrinde  ohne  Saftschläuche,  Steinzellen  fehlend  oder  manchmal 
ziemlich  zahlreich  an  der  Grenze  des  Korkes  auftretend,  wenn  derselbe 
gegen  die  Bastschicht  vorrückt.  Baströhren  von  sehr  verschiedener  Dicke, 
oft  mit  Höhlung  versehen,  in  wenig  regelmässiger,  doch  eher  radialer  als 
tangentialer  Anordnung.  Der  anatomische  Bau  dieser  Art  bietet  somit  keine 
auffallende  Merkmale,  mehr  die  äussere  Erscheinung  der  Rinde,  welche 
sich  im  Handel  als  China  flava  dura  laevis  findet;  theils  in  flachen  oder 
rinnenförmigen,  oft  zurückgebogenen  oder  gedrehten  Stücken  von  heller, 
gelblicher  Zimmtfarbe  und  kurzem,  grobsplitterigem  Bruche,  theils  in  star- 
ken Röhren,  welche  noch  von  dem  weisslichen,  glänzenden  und  weichen 
Korke  stellenweise  bedeckt  sind.  Derselbe  fällt  schon  frühe  in  dicken 
Schuppen  ab,  ohne  eigentliche  Conchas  zu  hinterlassen.  Als  laevis  unter- 
scheidet Berg  diese  Rinde  von  der  unten  folgenden  der  C.  lutea;  erstere 
zeichnet  sich  in  der  That  durch  glatte,  nicht  querrissige  Oberfläche  aus. 
Authentische  Stücke  der  Rinde  von  C.  cordifolia  von  Rampou,  welche  ich 
Prof.  Plauchon  verdanke,  stimmen  besser  mit  der  Abbildung  von  Ber- 
ge n’s:'  China  flava  No.  1 — 5 auf  Taf.  IV,3)  als  mit  derjenigen  von  Quin- 
quina  Maracaibo  Taf.  18  von  DB.  überein. 

5.  C.  heterophylla. 

Kork  schwarzbraun,  Mittelrinde  zu  einem  sogenannten  Harzringe 


B s.  33. 

2)  ans  der  Provinz  Carabaya. 


3)  Monogr.  d.  Chinarinden. 


378 


Rinden. 


(oben  sub  No.  2)  zusammengefallen,  ohne  Steinzellen,  mit  spärlichen  kleinen 
Saftschläuchen.  Baströhren  in  geringer  Zahl,  dick,  sehr  zerstreut,  immer 
in  kleineren  Gruppen. 

Die  Astrinde  mit  graulicher,  oft  schwärzlicher,  zart  querrissiger  Be- 
deckung, innen  dunkelbraun,  kurz  und  grobsplitterig  brechend,  findet  sich 
als  Loxa- China,  nach  Howard  auch  unter  der  rührigen  Calisaya. 

6.  C.  lancifolia. 

Kork  erst  graulich , später  weisslich  bis  gelblich  , glänzend , weich  und 
leicht  abblätternd.  Der  Bast  gelb  bis  rothgelb,  die  Mittelrinde  selbst  bei 
den  ziemlich  starken , bis  1 Centimeter  dicken , flachen  Stammrinden , wie 
sie  im  Handel  meist  vorliegen,  noch  zum  Theil  erhalten,  indem  erst  spät 
eigentliche  Borkenbildung  eintritt.  Mittelrinde  höchst  ausgezeichnet  durch 
eine  Menge  tangential  gestreckter  Steinzellen,  welche  oft  fast  eine  zusammen- 
hängende Schicht  bilden.  Die  massig  dicken  Baströhren  in  streckenweise 
ganz  zusammenhängenden,  einfachen  oder  doppelten  Radialreihen,  im  Innern 
da  und  dort  mit  Andeutung  zu  tangentialer  Gruppirung.  Im  Bastparenchym 
zahlreiche  Stabzellen  und  nicht  selten  auch  gleiche  Steinzellen , wie  in  der 
Mittelrinde;  letztere  eben  so  häufig  in  den  Markstrahlen. 

Die  Rinde  bricht  feinsplitterig,  bald  kurz,  bald  langfadig  und  findet  sich 
in  einer  Anzahl  verschiedener  Varietäten,  die  durch  untergeordnete  Merk- 
male im  Aussehen  und  Bau  etwas  abweicheu.  Immerhin  ist  es  möglich, 
dass  sie  auf  mehrere  Cinchonen  zurückzuführen  wären. 

Hierher  gehören  die  als  flava  fibrosa  bezeichneten  Chinasorten,  dann 
die  Calisaya  von  Santa  Fe  de  Bogota,  Quina  anaranjada  von  Mutis, 
die  Caqueta-bark ')  der  Engländer,  Carthagene  ligneux  der  Fran- 
zosen u.  s.  f.  Manche  China  rubiginosa  (vergl.  unten  sub  12)  des  Handels 
stammt  ebenfalls  von  C.  lancifolia. 

Karsten* 2)  so  wie  der  gleichfalls  nach  eigener  Anschauung  an  Ort  und 
Stelle  urtheilende  Rampon3)  heben  hervor,  dass  die  botanisch  so  verän- 
derliche C.  lancifolia  in  der  That  auch  Rinden  von  sehr  verschiedenem 
Aussehen  zu  liefern  vermag,  je  nachdem  sie  von  klimatischen  Einflüssen 
beherrscht  wird.  Die  besten  Sorten  heissen  in  Neu-Granada  selbst  colum- 
bische,  die  geringeren  führen  den  Namen  Carthagena-Rinden. 

Bei  den  höchst  ausgezeichneten  anatomischen  Merkmalen  dieser  Art 
müssten  sich  in  ihrer  Heimat  die  angedeuteten  Zweifel  leicht  heben  lassen. 
Sämmtlichen  mir  vorliegenden,  als  der  C.  lancifolia  angehörend  bezeich- 
neten Rinden  von  Howard  und  von  Rampon  ist  die  grosse  Menge  stark 
tangential  gestreckter  Steinzellen  gemeinsam.  Sie  unterscheiden  sich  da- 
durch, dass  in  einigen,  ganz  besonders  z.  B.  in  der  sogenannten  C a lisaya 

J)  Der  Caqucta,  Nebenfluss  des  Amazonas,  auf  der  östlichen  Abdachung  der  siidgrana- 
dinischcn  Cordillerc;  nicht  zu  verwechseln  init  dem  Orte  Caqucsa  in  unmittelbarster  Nähe 
südlich  von  Bogota. 

2)  S.  35  u.  flgde. 

3)  bei  Planchon  S.  95. 


Cortices  Chinae.  § 32. 


379 


von  Santa  Fe  die  Baströhren  mehr  tangential  geordnet  sind,  wahrend  in 
andern  Sorten,  z.  B.  in  der  gelbrothen  (anaranjada)  von  Mutis,  die 
radiale  Folge  der  Baströhren  entschiedener  ausgeprägt  ist.  Doch  fehlt  es 
nicht  an  Uebergängen. 

7.  C.  lutea. 

In  anatomischer  Hinsicht  weicht  die  Rinde  dieser  Art  von  der  ihr 
äusserlich  ähnlichen  der  C.  cordifolia,  mit  welcher  sie  im  Handel  den  Namen 
China  flava  dura  theilt,  sehr  ab.  Berg  unterscheidet  sie  daher  als  flava 
dura  subevosa  und  charakterisirt  die  von  ihm  untersuchten  Astiinden  im 
Gegensätze  zu  denen  der  C.  cordifolia  durch  das  Vorkommen  von  Saft- 
schläuchen, durch  den  gänzlichen  Mangel  an  Steinzellen  und  dickere,  oft 
sehr  verkürzte  Baströhren.  Letztere  stehen  ziemlich  zerstreut,  in  dem  reich- 
lichen Parenchym  des  Bastes  oft  kleine  Gruppen  mit  tangentialer  Anord- 
nung darstellend,  dann  aber  auch  wieder,  zumal  im  jüngsten  Theile  des 
Bastes  abwechselnd  dünner,  länger  und  mehr  vereinzelt. 

Die  harten  Röhren  oder  flachen  Stücke  sind  gelbbräunlich,  von  kurz- 
splitterigem  Bruche,  mit  gelblich  weissem , glattem,  runzeligem  oder  war- 
zigem Korke  belegt. 

8.  C.  macrocalyx. 

Röhren  und  kleinere  flache  Stücke,  von  dunkelgrauer,  bräunlicher  bis 
schwärzlicher  Oberfläche,  innen  hellbräunlich,  wenig  und  zart  querrissig 
und  längsfurchig.  In  der  Mittelrinde  reichliche  Steinzellen,  oft  in  Gruppen, 
einzeln  auch  in  den  äussersten  Lagen  der  Innenrinde.  Baströhren  in  unter- 
brochenen Radialreihen  gruppirt,  welche  zwei  bis  4 Zellen  mächtig  sind; 
die  äussersten  Reihen  jedoch  unregelmässig  aufgelöst,  die  innersten  Gruppen 
zugleich  auch  tangential  geordnet.  Bruch  grobsplitterig. 

Aus  dieser  Rinde  besteht  sehr  häufig  die  Loxa- China  des  deutschen 
Handels,  Loxa  jaune  fibreux,  Loxa  cendre  der  Franzosen,  ashy  crown  bark 
des  Londoner  Marktes.  Auch  eine  sogenannte  Cuemja-Rinde 4)  scheint  der 
C.  macrocalyx  anzugehören. 

9.  C.  micrantha. 

Graue,  innen  gelbbraune,  vorherrschend  längsfurchige  und  fein  quer- 
rissige  Röhren  oder  flache  Stücke  mit  hellerem,  weichem,  oft  warzigem 
Korke,  welcher  leicht  abblättert,  aber  nach  Wed  d eil  nicht  Borke  bildet,2) 
obwohl  die  Mittelrinde  oft  früh  verschwindet.  Jüngere  Rinden  zeigen  auch 
den  Harzring.  Bruch  kurz  splitterig.  Der  Mittelrinde  fehlen  Saftschläuche 
und  gewöhnlich  auch  die  Steinzellen.3 4)  Baströhren  in  sehr  unterbrochenen, 
oft  doppelten  Radialreihen,  aber  auch  in  älteren  Rinden  zu  kleineren  Gruppen 
vereinigt,  bisweilen,  und  zwar  wie  es  scheint,4)  oft  nur  stellenweise  mit 
Neigung  zur  concentriscli  kreisförmigen  Anordnung. 

*)  Witt stein’s  Vierteljahrsschrift  XV,  181.  — 2)  S.  54. 

3)  So  nach  Bg.  Das  mir  vorliegende  bezügliche  Präparat  No.  5 von  Phb.  ist  ganz  ausser- 
ordentlich reich  an  Stcinzcllen!  Daneben  auch  (sehr  misshandelte)  Saftschläuche. 

4)  Phb.  S.  22. 


380 


Binden. 


Die  rührigen  Rinden  der  C.  micrantha  gelangen  reichlich  aus  der 
Gegend  von  Huanuco  als  Huanuco-China  in  den  Handel.  Bei  den  Fran- 
zosen Huanuco  roule  avec  epiderme;  grey  hark  oder  Lima-bark  der  Entr 
länder. 

Die  rundblätterige  Varietät  dieser  Art  (C.  micrantha  a.  rotundifolia 
Wdl.  = C.  cordifolia  Rohde,  nec  Mutis),  welche  auch  in  Bolivia  wächst, 
liefert  Rinden,  die  nach  Howard1)  im  höchsten  Grade  von  denjenigen  der 
gleichen  Art  aus  Peru  abweichen,  so  dass  sie  einerseits  der  rothen  China- 
rinde, anderseits  der  Calisaya  und  sogar  der  noch  viel  weiter  divergirenden 
„Calisaya  blanca“  gleichen! 

Bestätigt  sich , dass  eine  und  dieselbe  Art  in  solcher  Weise  die  augen- 
fälligsten und  unvereinbarsten  äusseren  Unterschiede  darbieten  kann,  so 
müssten  sie  wohl  auch  dergleichen  in  anatomischer  Hinsicht  im  Gefolge 
haben.  Vielleicht  aber  handelt  es  sich  doch  auch  hier  um  mehrere  bis  jetzt 
verwechselte  Cinchona-Arten.  Flache  Rinden  der  C.  micrantha  Var.  rotun- 
difolia von  Howard  unterscheiden  sich  durch  hell  graubräunlichen  Kork 
und  durch  bräunliche,  durchaus  nicht  gelbe  Farbe  des  Innern  sehr  bestimmt 
von  Calisaya,  deren  Bau  wenigstens  die  Bastschicht  annähernd  zeigt. 

10.  C.  nitida. 

Röhren  mit  dunkelbrauner,  regelmässig  und  tief  querrissiger  und  ver- 
zweigt längsrunzeliger  Oberfläche.  Die  Ränder  der  Risse  aufgeworfen  und 
abblätternd.  Selten  ist  die  Korkschicht  stellenweise  heller,  das  innere  Ge- 
webe immer  dunkelbraun.  Im  deutschen  Handel  als  China  Pseudo-Loxa, 
im  englischen  als  grey  bark  mit  anderen  Rinden  vorkommend. 

Berg  charakterisirt  die  Astrinden  durch  die  nach  innen  vorherrschend 
tangentiale  Anordnung  der  Baströhrengruppen,  hervorgerufen  durch  ab- 
wechselnd dickere  und  dünnere  Baströhren.  Saftschläuche  fehlen,  Stein- 
zellen nur  ausnahmsweise  in  der  Mittelrinde.  Das  von  Rodig  nach  Berg’s 
Anleitung  dargestellte  Präparat  enthält  Steinzellen,  noch  weit  mehr  ist  dies 
der  Fall  in  dem  von  Phöbus  ausgegebenen  Schnitte.  Vollkommen  ab- 
weichend stellt.  Hd.2)  die  Rinde  dieser  Art  dar,  welche  er  1860  von  Prit- 
chett  (§  62)  direkt  aus  Cocheros  (Cuchero)  bei  Huanuco  erhalten  hatte. 
Hier  wimmelt  die  Mittelrinde  von  Steinzellen,  Saftschläuche  reichlich  vor- 
handen ; sogar  in  die  äusseren  Lagen  der  Innenrinde  finden  sich  Steiuzellen 
eingestreut,  welche  dicker,  oder  wenigstens  auf  dem  Querschnitte  in  tangen- 
tialer Richtung  länger  siud  als  der  Durchmesser  der  Baströhren.  Mit  dieser 
Abbildung  stimmt  auch  Karsten’s3)  Unsersuchung  Pavon'scher  Original- 
stücke überein.  Nach  letzterem  heisst  oder  hiess  diese  Rinde  im  Handel 
auch  H u a n u c o - China. 

11.  C.  pitayensis. 

Die  von  Howard  dieser  Art  zugeschriebeue  gewöhnliche  Pitayo- Rinde 


sub  voc.  C.  micrantha.  fol.  6 n.  6. 

3)  pg.  57  Anmerkung. 


2)  microsc.  Taf.  I.  fig.  5. 


Cortices  Chinae.  § 32. 


381 


bildet  bis  über  0,0 15m  dicke,  flach  rinnenförmige,  grössere  und  kleinere 
Bruchstücke  von  hell  bräunlichgelber,  nur  wenig  ins  röthliche  spielender 
Farbe,  meist  noch  bedeckt  mit  weichem,  aussen  matt  graulichem,  innen 
braunem  oder  beinahe  röthlichem  Korke.  Innenfläche  etwas  grob  streifig, 
Bruch  kurz  und  mürbe.  Rampon1)  hebt  hervor,  dass  die  Bastbündel  sich 
beim  Befühlen  des  Pulvers  nicht  stechend  erweisen  und  in  der  That  finde 
ich  in  Stücken,  welche  von  demselben  herrühren2),  die  Baströhren  kurz, 
mit  abgerundeten  Enden  versehen  und  oft  nur  in  der  Mitte  ihrer  Länge 
annähernd  geschlossen.  Die  Mittelrinde  pflegt  wenigstens  theilweise  noch 
erhalten  und  von  farblosen  Korkzellen  bedeckt  zu  sein,  enthält  aber  nur 
äusserst  wenige  weite,  nicht  stark  verholzte  Steiuzellen;  Saftschläuche 
fehlen.  Der  Bast  in  den  äusseren  und  mittleren  Schichten  ausgezeichnet 
durch  bedeutende  Entwickelung  der  Hauptmarkstrahlen,  deren  Zellen  grösser 
sind  als  die  Querschnitte  der  Baströhren,  welche  70  bis  90  Mikromill.  er- 
reichen, meist  aber  unter  dieser  Stärke  bleiben.  Baströhren  sehr  zerstreut, 
besonders  an  der  Grenze  der  Mittelrinde  sehr  zurücktretend,  oft  sogar  kleiner 
als  die  Zellen  des  Bastparenchyms.  Nur  im  inneren  Theile  des  Bastes  ist 
im  ganzen  eine  immerhin  sehr  unterbrochene  radiale  Anordnung  der  Bast- 
röhren zu  erkennen.  Die  von  Rampon  als  Quinquina  Almaguer  (§  6. 
No.  11)  unterschiedene  Rinde  zeigt  anatomisch  keine  Abweichung.  Da- 
gegen findet  sich  die  Eigentümlichkeit  der  Pitayo  noch  wenig  ausgeprägt 
in  derjenigen  Pitayo -Sorte,  welche  jetzt  hauptsächlich  in  den  Handel  ge- 
langt. Sie  bildet  sehr  kurze , ein  paar  Millimeter  dicke , häufig  verbogene 
Stücke,  welchen  oft  Holzsplitter  anhängen.  Nach  Cross3)  dürfte  gerade 
diese  "Waare,  Rampon’s  „Pitayo  menu“,  Howard’s  „Pitayo  red  variety, 
rieh  in  alcaloids“,  die  wahre  Stammrinde  der  C.  pitayensis,  stärkere  Sorten 
aber  den  Wurzeln  (?)  entnommen  sein.  Jene  gebrochenen  Stücke  zeigen 
bisweilen  noch  Saftschläuche;  ihre  Baströhren  sind  wenig  charakteristisch, 
oft  zerstreut,  oft  in  Gruppen  gestellt,  verhältnissmässig  oft  sehr  dick.  Ram- 
pon4) unterscheidet  äusserlich  eine  gelbe  und  eine  rothbraune  Pitayo,  welche 
übrigens  nicht  verschieden  seien;  beide  Rinden  werden  in  vorzüglicher  Sorte 
im  nördlichen  Theile  des  Yerbreitungsbezirkes  der  Stammpflanze  gesam- 
melt, wo  jedoch  schon  Mangel  daran  eintritt.  Im  Süden,  bei  Pitayo  und  Al- 
maguer, aber  werden  oft  geringe  Rinden  beigemischt. 

Die  von  DB.  abgebüdete  Pitayo -Rinde  glaubt  Berg  auf  C.  cordifolia 
beziehen  zu  sollen;  in  der  That  finden  sich  im  Handel  sogenannte  Pitayo- 
Rinden,  welche  durch  sehr  viel  dickere  Baströhren,  aber  zugleich  auch 
durch  steinzellenreiche  Mittelrinde  abweichen.  Sie  dürften  daher  zum  Tlieil 
vielleicht  der  C.  lancifolia  angehören. 

Vorzügliche  Pitayo -Rinden  sind  in  letzter  Zeit  in  grosser  Menge  zum 

*)  bei  Pich.  pg.  102. 

• 2)  ich  verdanke  sie  der  Güte  des  Herrn  Prof.  Planchon  in  Paris. 

) Ph.  J.  and  Transact.  VII.  p.  120.  4)  sowie  auch  Cross,  im  Blaubuche  des 

eng  ischen  Parlaments  (East-India  Chinchona  Plant)  von  1866,  S.  264. 


382 


Rinden. 


Fabrikgebrauche  in  Europa  eingeführt  worden,  1864  und  1865  z.  B.  mehr 
als  Calisaya-Rinde.  — In  früheren  Zeiten,  wie  es  scheint  seit  ungefähr  1817, 
wurde  als  Pitoya-China  eine  später  China  bicolor  oder  Tecamez  genannte 
falsche  Chinarinde  bezeichnet,  welche  aus  Atacamez  (westlich  von  Ibarra 
im  nördlichsten  Theile  Ecuadors)  stammt  und  vermuthlich  einer  Pinkueya 
(Cinchoneae)  angehört.  Aussehen  und  innerer  Bau  dieser  Rinde  weichen 
vollständig  von  den  China-Rinden  ab. 

12.  C.  pubescem  (incl.  C.  Pelletieriana). 

Ziemlich  ebene  Röhren  oder  flach  riunenförmige , gegen  0,0 10m  dicke 
Stücke  mit  weisslichgrauer,  innen  brauner  Borke , welche  neben  vertieften, 
nicht  sehr  umfangreichen  Conchas  auch  kleinere  scharfrandige,  in  die  Länge 
gezogene  Grübchen  zeigt,  die  letzteren  entstanden  durch  das  Abfallen  klei- 
ner weicher  Korkwärzcheu.  Innenfläche  sehr  grob  und  häufig  krumm- 
faserig, Bruch  wie  oben  erwähnt,  auf  der  besonderen  Grösse  und  Anordnung 
der  starken  Baströhren  beruhend  (vergl.  § 30) , die  letzteren  auch  oft  von 
sechs-  bis  zehnmal  dünneren  Stabzellen  umgeben.  Mittelrinde  reich  au 
Steinzellen  und  bei  nicht  zu  alten  Stücken  auch  Saftschläuche  aufweisend. 
Diese  Rinde  findet  sich  unter  dem  Namen  braune  und  gelbe  Cusco- China 
im  Handel1).  Die  China  rubiginosa  von  Berge  ns  gehört  nach  einem 
authentischen  Stücke  seiner  Sammlung,  das  ich2)  besitze,  ebenfalls  hierher; 
nicht  aber  andere  gleich  bezeichnete  Rinden. 

Unter  der  flachen  Calisaya  findet  sich  bisweilen  eine  derselben  nicht 
unähnliche  Rinde,  Howard’s  Cascarlla  morada  de  Ambolo,  welche  der- 
selbe frageweise  von  C.  pubescens  ableitet.  Obwohl  die  Baströhren  dieser 
Rinde  eine  Neigung  zu  tangentialer  Anordnung  nicht  verkennen  lassen,  so 
bilden  sie  doch  vorherrschend  sehr  unterbrochene  Radialreiheu  und  keine 
Gruppen,  entsprechen  also  nicht  entfernt  dem  Typus  der  C.  pubescens. 
Die  Ambolo-Rinde  ist  übrigens  durch  derberes,  laugfädig  brechendes  Gewebe 
uud  besonders  durch  die  grob  seimige,  mehr  braune  als  gelbe  Oberfläche 
von  Calisaya  verschieden. 

13.  C.  scrobiculata. 

Die  graubraune,  stellenweise  weisslicke  Aussenriude  vorherrschend, 
doch  nicht  stark  längsrunzelig , mit  mehr  oder  weniger  zahlreichen  kurzen 
Querrissen,  welche  wie  bei  der  rührigen  Calisaya  bis  zur  Mittelrinde  drin- 
gen, bisweilen  auch  mit  Korkwarzen.  Später  bildet  sich  eine  anfangs  mit 
gefelderter  Zeichnung  und  schliesslich  mit  Hinterlassung  sehr  unregel- 
mässiger Vertiefungen  abfallende  Borke.  Diese  Conchas  sind  durchschnitt- 
lich vielleicht  weuiger  umfangreich  als  bei  C.  Calisaya,  aber  sehr  zahlreich. 
Die  unbedeckten  Bastplatten  der  C.  scrobiculata  sehen  der  Calisaya  höchst 
ähnlich,  unterscheiden  sich  aber  durch  ihre  besonders  beim  Anfeuchten 

1)  Nach  Hd.  (ad  C.  pubeso.)  wäreu  die  Riudeu  vou  C.  pubcsceus  uud  C.  Pelletieriaua 
wesentlich  verschieden;  erstcre  entspräche  der  Cusco  jauue,  letztere  der  Cusco  brun  von  DB. 
Wiggers  (Jahresb.  1855  S.  29)  vereinigt  beide  und  bildet  eine  neue,  wenigstens  in  der 
Färbung  von  beiden  völlig  abweichende  Rinde  als  Cusco  flava  ab. 

2)  durch  die  Gefälligkeit  des  Herrn  Prof.  Gastell. 


Cortices  Chinae.  § 32. 


383 


deutlich  ins  röhthliche  fallende  und  oft  sehr  feurige  Färbung,  durch  dich- 
teres Gefüge  und  deu  schon  (§  30)  beschriebenen  fädigen  Bruch. 

Die  Mittelrinde  ist  reich  an  Steinzellen  und  enthält  in  jüngeren  Stücken 
auch  Saftschläuche.  Keine  andere  Ciuchone  zeigt  einen  so  deutlich  radial 
geordneten  Bast;  nur  die  Rinde  der  übrigens  im  Handel  wohl  kaum  vor- 
kommenden C.  australis  steht  in  dieser  Hinsicht  der  C.  scrobiculata  nahe. 
Die  verholzten  Baströhren  bilden  auf  dem  Querschnitte  lange,  meist  einzeilige 
Radialreihen , in  welche  sich  oft  auf  grossen  Strecken  nur  da  und  dort  eine 
der  kleinen  Zellen  des  Bastparenchyms , hier  und  da  auch  eine  Stabzelle, 
zwischen  die  Baströhren  einschiebt.  Letztere  sind  in  so  grosser  Zahl  vor- 
handen, dass  sie  in  den  inneren  Schichten  bedeutend  vorherrschen.  Erst 
gegen  die  Grenze  der  Mittelrinde  hin  erlangen  die  sehr  genau  parallel  lau- 
fenden Hauptmarkstrahlen  eine  ansehnlichere  Breite  als  die  einzelnen  Reihen 
der  Baströhren.  Dieselben  zeigen  sich  im  Querschnitt  vorherrschend  qua- 
dratisch oder  gerundet,  weniger  häufig  in  die  Länge  gezogen  und  auch  in 
diesem  Falle  nicht  leicht  über  80  bis  100  Mikromill.  messend. 

Jüngere  Rinden  dieser  in  anatomischer  Hinsicht  unverkennbaren  Art 
kommen  zum  Theil  als  Huamalies-China  vor,  während  die  Bastplatten 
unter  mancherlei  Benennungen  sowohl  rein  als  mit  Calisaya  vermischt  ihren 
Weg  in  den  Handel  finden.  So  heisst  sie  in  Cusco  allgemein  Cascarilla  co- 
lorada  oder  Cascarilla  de  Santa  Ana,  in  Europa  ist  sie  als  leichte  Cali- 
saya, röthliche  Calisaya,  Carabaya- ')  oder  rothe  Cusco-Rinde,  China  peru- 
viana, Calisaya  fibrosa  u.  s.  f.  bekannt. 

In  den  Abbildungen  der  Rinde  ist  das  Colorit  von  DB.  Tafel  3 bei  weitem 
richtiger,  wenn  auch  nicht  völlig  genau  wiedergegeben,  als  vonWdl.  Tf.  XXVIII, 
wo  die  Färbung  allzusehr  mit  Calisaya  übereinstimmt. 

14.  C.  succirubra. 

Die  im  aufgeweichten  Zustande  nur  erst  1 Millim.  dicke  Rinde  andert- 
halbjähriger Stämmchen , wie  sie  mir  z.  B.  aus  Hakgalle  auf  Ceylon  vor- 
liegt, besteht  zu  nur  V3  aus  der  Bastschicht,  worin  sich  ganz  vereinzelt  oder 
zu  2 — 3 genäherte  Baströhren  vorfinden.  Die  meisten  sind  bereits  verholzt, 
durchschnittlich  30  Mikromill.  dick  und  ungefähr  500  Mikrom.  laug.  Die 
Grenze  der  Mittelrinde  wird  bezeichnet  durch  ungefähr  100  Mikromill. 
weite  Saftschläuche,  welche,  meist  zu  zwei  vor  einem  Baststrahle  stehend, 
einen  sehr  unterbrochenen  Kreis  darstellen.  Der  allmälig  durch  würfelige 
Formen  in  die  Tafelzellen  des  dunkelbraunen  Korkes  übergehenden  Mittel- 
rinde fehlen  Steiuzellen  ganz.  Die  grauliche  Oberfläche  bietet  äusserlich 
durchaus  keine  Eigenthümlichkeit  dar. 

Schon  bei  einer  Dicke  von  ungefähr  5 Millim.  ändert  sich  dasVerhält- 
niss  der  beiden  inneren  Rindenschichten  (Derma Wdl.)  so  sehr,  dass  der 


L Eine  Rinde  von  Howard:  from  Southern  Caravaya,  productive  in  alcaloids,  vou 
Huamaües-artigem  Aussehen  besitzt  eine  au  Steinzellen  sehr  reiche,  dagegen  der  Saftschläucha 
eutbehrende  Mittelriude,  kaun  also  nicht  sicher  zu  C.  scrobiculata  gezogen  werden. 


384 


Rinden. 


Bast  vorzuwalten  beginnt  und  seine  verholzten,  schön  dunkelrotheu  Röhren 
in  sehr  grosser  Zahl  einsetzen.  Sie  stehen  durch  schmale  Streifen  ziemlich 
kleinzelligen  Parenchyms  getrennt  in  unterbrochenen  Radialreihen,  nach 
innen  auch  zugleich  durch  tangentiale  Anordnung  stellenweise  ein  fast  ge- 
feldertes Bild  gewährend.  In  den  inneren  Schichten  treten  Stabzellen  auf; 
doch  fehlen  sie  auch  oft.  Die  Zellen  des  Bastparenchyms  und  die  der  Mark- 
strahlen sind  in  Grösse  nicht  sehr  von  einander  verschieden , aber  bedeu- 
tend enger  als  die  bis  100  Mikromill.  dicken  Baströhren.  Wo  die  Mark- 
strahlen in  die  Mittelrinde  übertreten,  nehmen  ihre  Zellen  schliesslich 
allerdings  an  Zahl  und  Breite  sehr  zu.  Eine  Vermehrung  der  Saftschläuche 
fällt  nicht  auf,  wohl  aber  erweitern  sie  sich  allmälig  und  bleiben  beim  Aus- 
wachsen der  Rinde  lange  erhalten,  da  erst  spät  eigentliche  Borkenbildung 
eiugreift.  Die  Saftschläuche  scheinen  vielmehr  oft  (oder  hier  regelmässig?) 
dadurch  zu  verschwinden,  dass  sich  darin  wieder  neue  parenchyraatische 
Zellen  bilden.  Rindenstücke  von  über  12  Millim.  Dicke  (in  trockenem  Zu- 
stande) wreisen  immer  noch  Saftschläuche  auf.  Gerollte  Riuden  dieser  Art, 
mitunter  bis  1 Centimeter  dick,  meist  aber  dünner  und  nur  von  der  Stärke 
eines  Fingers,  kommen  in  neuerer  Zeit  häufig  als  China  rubra  zum  Ersätze 
der  selten  gewordenen  Huanuco-Sorte  in  den  Handel.  Diese  schönen  Röhren 
sind  mit  weisslichem  Korke  bedeckt,  dessen  grosse,  im  ganzen  recht- 
winkelige  Felder  mehr  nur  durch  oft  sehr  zierlich  gezackte  Linien1)  als 
durch  tiefere  Risse  abgegränzt  sind.  Blättert  die  äusserste  fein  querrissige 
Korkschicht  ab,  was  nach  einiger  Zeit  regelmässig  eiutritt,  so  bietet  die 
entblösste  innere  Lage  der  Bedeckung  daher  auch  keine  bedeutenden  Risse 
oder  Furchen  dar.  Der  Kork  vermag  sich  übrigens  weiterhin  warzig, 
huamaliesartig  zu  entwickeln  oder  fällt  schliesslich  von  den  Stämmeu  in 
weichen,  brauurothen  Schuppen  unter  Hinterlassung  nicht  sehr  tiefgründiger 
Borkegruben  ab. 

Immerhin  geht  dieses  Ab  werfen  des  Periderms  weit  schwieriger  vor 
sich  als  bei  C.  Calisaya,  so  dass  selbst  mächtige  Stammrinden  der  rotheu 
China  noch  fest  haftende,  mehr  grauschwärzliche  als  rothe  Bekleidung 
tragen,  selbst  bei  ausgeprägter  Entwickelung  des  Binnenkorkes. 

Diese  von  Berg  als  China  rubra  dura  unterschiedene  Rinde  bricht  fein 
und  ziemlich  langfaserig.  Im  ganzen  zeigt  sie  innen  eine  unverkennbar 
rothe  Färbung,  welche  jedoch  in  einzelnen  röhrigen  Stücken,  die  man  ge- 
sondert betrachtet,  bis  beinahe  in  "zimmtbraun  abgeschwächt  erscheinen 
kann2).  Sehr  kräftig  tritt  das  schöne  Roth  in  den  oft  über  lVa  Centimeter 
dicken  flachen  oder  etwas  rinnenförmigen  Stücken  entgegen.  Die  Baströhren 
haben  an  dieser  rothen  Farbe  bei  weitem  weniger  Autheil  als  das  Parenchym. 

Howard’s  „spurious  red  bark,  C.  succiruba,  via  Cuchicara  (Spru  ce)“ 

1)  Dieselben  sind  eiuigormassen  angedeutet  auf  Taf.  VIII  von  DB.,  gar  zu  wenig  aber  die 
gefelderte  Zeichnung,  welche  freilich  mitunter  fehlt.  Die  Tafel  gibt  dagegen  das  Colorit  vor- 
trefflich wieder. 

2)  daher  auch  DB.  Quinquina  ronge  pale  et  vif  unterscheiden. 


Cortices  Chinae.  § 32. 


385 


weicht  äusserlich  durch  die  blasse,  beinahe  gelbe  Farbe  eben  so  sehr  von 
der  obigen  Rothen  China  ab , wie  in  anatomischer  Hinsicht  durch  die  zahl- 
reichen Steinzellen  und  durch  den  Mangel  an  Saftschläuchen.  Es  ist  un- 
begreiflich, dass  diese  Rinde  auch  der  C.  succirubra  angehören  soll. 

Die  rothe  Chinarinde  ist  schon  seit  1779  Q allgemein  bekannt,  aber 
erst  in  neuerer  Zeit  richtig  gewürdigt  worden.  Guajaquil  führte  davon  z.  B. 
1857  über  7000  Centner  aus.  — Sie  wurde  auf  Howard’s  Veranlassung 
1857  durch  Klotzsch  u.  Schacht2)  auf  C.  succirubra  zurückgeführt, 
wobei  jedoch  Verwechselungen  mit  unterliefen,  deren  Berichtigung  Berg3) 
Vorbehalten  blieb. 

Nachdem  derselbe  nämlich  schon  früher  eine  (flache)  China  rubra  su- 
berosa  von  der  obigen  Ch.  rubra  dura  unterschieden , wies  er  durch  Ver- 
gleichung der  Pavon’schen  Originalstücke  nach,  dass  nur  die  letztere  der 
C.  succirubra  angehört.  Pa  von  selbst  hatte  die  Rinde  dieser  Art  als  Cas- 
carilla  colorada  de  Huaranda  nach  einem  Standorte  der  Pflanze  benannt. 

China  rubra  suberosa  ist  in  derThat  bei  aller  Aehnlichkeit  mit  Ch.  r. 
dura  sehr  ausgezeichnet  durch  noch  reichlichere  Entwickelung  und  grössere 
Beständigkeit  des  schwammigen,  dunkel  braunrothen  Korkes,  welcher  in 
groben  Warzen  oder  beinahe  rechtwinkelig  begrenzten  höckerigen  Feldern 
auftritt.  Bruch  und  Farbe  der  inneren  Rindenschichten  sind  nicht  ab- 
weichend oder  letztere  bisweilen  lichter;  sehr  eigenthümlich  ist  dagegen 
das  '\  erhalten  der  Markstrahlen.  Schon  in  den  inneren  Schichten  der  Innen- 
rinde dehnen  sich  die  Zellen  der  Nebenmarkstrahlen  sehr  stark  hauptsäch- 
lich in  die  Quere  aus , so  dass  sie  bald  sowohl  im  einzelnen  als  im  ganzen 
an  Umfang  das  Bastparenchym  bedeutend  übertreffen.  Die  Baströhren 
stehen  vielleicht  etwas  mehr  zerstreut  und  reiner  radial  geordnet,  oft  eben- 
falls von  Stabzellen  begleitet.  Der  Mittelrinde  fehlen  Steinzeiten  und  auch 
Saftschläuche  finden  sich  nirgends  in  käuflicher  Rinde. 

Berg  vermuthet  in  C.  coccinea  die  Stammpflanze  der  Ch.  rubra  sube- 
rosa. Allein  Howard4)  beschreibt  die  Rinde  derselben  als  Cascarilla  ser- 
rana  acanelada  (zimmtfarbene  Bergrinde)  und  erkennt  sie  in  Quinquina 
jaune  de  Guayaquil  auf  Taf.  10  von  DB.  Eine  Probe  der  Howard’schen 
Rinde,  die  mir  vorliegt,  zeigt  in  der  That  blass  zimmtbraune  Farbe,  hell 
graugelblichen  bis  bräunlichen,  aber  ebenfalls  nicht  röthlichen  Kork  und 
entspricht  ganz  der  DB  .-Darstellung,  so  wie  der  schon  (§  32  No.  2)  beschrie- 
benen flachen  Guayaquil-Rinde  mit  Steinzellen.  Diese  sind  zwar  nur  selten 
m der  Howard’schen  Rinde;  sie  weicht  mehr  durch  den  Bau  der  Bast- 
schicht von  der  rothen  korkigen  China  ab.  Die  Rinde  der  coccinea  nämlich 
zeigt  nicht  jene  fast  schwammige  Erweiterung  der  Markstrahlen,  und  ihre 


) nach  v.  Bergen  wäre  sie  in  Norddeutschland  schon  zu  Anfang  des  XVIII.  Jahr- 
hunderts verbreitet  gewesen,  und  Condamine  erwähnte  ihrer  1737  als  der  besten  China. 

At  i ,,  Ir0'6  Abatammung  dM  im  Handel  vorkommenden  rothen  China-Rinde,  Abhandl.  d 
Akad.  d.  Wissensch.  zu  Berlin  1858.  S.  51 — 75. 

3)  ^«inden  pg.  26.  4)  ad  Cinch.  coccin.  pg.  1. 

Flückiger,  Pharmakognosie. 


386 


Rinden. 


Baströhren  bilden  in  den  inneren  Lagen  Gruppen  mit  Hinneigung  zu  tan- 
gentialer Anordnung,  in  den  äusseren  Schichten  dagegen  lockere  Radial- 
reihen zum  Theil  von  ansehnlicher  Länge,  zum  Theil  immer  wieder  von 
Parenchymstreifen  unterbrochen. 

Ist  die  Ableitung  dieser  Rinde  von  Howard  richtig  durchgeführt,  so 
kann  C.  coccinea  nicht  wohl  die  China  rubra  suberosa  liefern. 

Nach  Berg1)  wäre  China  rubra  suberosa  „die  eigentliche  rothe  China 
unserer  festländischen  Officinen“;  gegenwärtig  scheint  mir  jedoch  gerade 
die  dura  bei  weitem  häufiger  vorzukommen. 

15.  G.  umbellulifera. 

Mittelrinde  oft  reich  an  Steinzellen,  einzelne  auch  in  den  äussersten 
Theilen  der  Baststrahlen.  Saftschläuche  vorhanden.  Die  dickeu  Baströhren 
zerstreut,  vorherrschend  in  Radialrichtung  auf  einander  folgend,  auch  da 
und  dort,  namentlich  gegen  innen,  von  Stabzellen  begleitet. 

Die  oft  etwas  kantigen  Röhren  dieser  Art  sind  aussen  grau  oder  bräun- 
lich grau,  innen  gelbbräunlich,  anfangs  glatt,  später  zart  rissig,  und  kom- 
men nach  Berg  unter  der  Huanuco-China  vor,  nach  Howard  unter  der 
feinen  Loxa-China,  nicht  für  sich  allein.  Borkige  Stammrinden  sehen  nach 
ersterem  der  rothen  Cusco-Riude  ähnlich. 

16.  C.  Uritusinga.  (Vergl.  S.  376  Anmerk.) 

Mittelrinde  ohne  Steinzellen 2) , an  der  Grenze  der  Innenrinde  sehr  zer- 
streut Saftschläuche,  deren  Weite  gewöhnlich  nur  70  bis  90  Mikromill.,  oft 
nur  halb  so  viel  beträgt,  so  dass  sie  leicht  übersehen  werden.  Baströhren 
innen  in  Gruppen  mit  einigermassen  tangentialer  Anordnung,  nach  aussen 
in  sehr  unterbrochenen  Radialreihen  zerstreut.  In  dünnsten  Röhren  von 
nur  1 Millim.  Dicke  (aufgeweicht)  können  die  alsdann  noch  sehr  vereinzel- 
ten verholzten  Baströhren  doch  schon  gegen  100  Mikromill.  Durchmesser 
erreichen.  Röhren  dieser  Cinchone  mit  sehr  hartem , dunkel  graubraunem 
bis  schwärzlichem  Periderma,  welches  durch  fast  ringsum  laufende  Quer- 
risse und  kurze  Längsruuzeln  gefeldert  und  ausserdem  noch  höckerig  ist, 
kommen  als  Loxa-China  in  den  Handel,  d.  h.  heut  zu  Tage  nur  noch 
ausnahmsweise  unvermischt  in  ansehnlichen  Posten,  mehr  nur  als  unter- 
geordneter Gemengtheil  jener  Sorte.  Zur  Zeit  der  spanischen  Herrschaft 
jedoch  wurde  diese  werthvolle  Rinde  zugleich  mit  derjenigen  von  C.  Cha- 
huarguera  als  Königs-China  oder  Kron-China  ausgeführt. 

Berg  leitet  die  Howard’sche  Calisaya  morada 3)  ebenfalls  von  Uritu- 
singa ab.  Die  bis  fingerdicken  Röhren  ersterer,  die  ich  von  Howard  be- 
sitze , sehen  äusserlich  der  gerollten  Calisaya  ähnlicher  als  der  Uritusinga- 
Rinde,  obwohl  die  gelbe  Farbe  der  „morada“  etwas  ins  bräunliche  fällt. 
Die  schon  in  blos  4 Millim.  dicken  Röhren  bis  90  Mikromill.  erreichenden 


1)  Cimnannaen  pg. 

2)  yd,  bei  Uritusinga  fol.  3 erwähnt  selten  vorkommendo  Harzzellen,  bildet  jedoch  big.  2U 

keine  ab.  _ .. 

3)  nicht  zu  verwechseln  mit  Wed  doll 's  gleichnamiger  Varietät  der  ächten  Calisaya. 


Cortices  Chinae.  § 32.  33. 


387 


starken  Baströkren,  in  einem  Theile  des  Bastes  zu  tangentialer  Anordnung 
hinneigend,  so  wie  die  wenig  zahlreichen,  oft  schon  fehlenden  und  höchstens 
an  Dicke  den  Baströhren  gleich  kommenden  Saftschläuche  unterscheiden 
diese  „morada“  von  wahrer  Calisaya  und  unterstützen  Berg’s  Ansicht. 


§ 33. 


Aus  der  vorstehenden  Uebersicht  der  anatomischen  Verhältnisse  einer 
Reihe  der  wichtigsten  Cinchonarinden  geht  hervor,  dass  zur  ausreichenden 
Charakterisirung  derselben  noch  sehr  viel  fehlt.  Namentlich  ist  noch  nicht 
von  allen  die  ganzg  Entwickelungsgeschichte  festgestellt.  Von  mehreren 
Arten  sind  nur  Astrinden,  von  anderen  nur  Stammrinden  genauer  bekannt 
und  bei  einzelnen  Cinchonen,  z.  B.  bei  C.  lancifolia  lassen  sich  in  der  Rinde 
so  bedeutende  Abänderungen  des  anatomischen  Baues  nachweisen,  dass  die 
systematische  Begrenzung  der  Art  dringend  einer  erneuerten  botanischen 
Prüfung  bedarf. 

Wie  weit  überhaupt  anatomische  Merkmale  sichere  Anhaltspunkte  zur 
Unterscheidung  der  Art  abgeben,  ist  in  vielen  Fällen  zur  Zeit  gar  nicht  zu  ent- 
scheiden. Es  fehlt  z.  B.  noch  an  genügender  Kenntniss  der  Peridermbildung, 
welche  Aussehen  und  Bau  der  Rinden  gleich  sehr  bedingt  und  bleibt  noch 
zu  untersuchen,  ob  nicht,  wie  schon  (§  22)  angedeutet,  die  Ausbildung  des 
Korkes  unter  Umständen  eine  sehr  verschiedene  Richtung  in  der  gleichen 
Rinde  zu  verfolgen  im  Stande  ist.  Damit  hängt  unstreitig  sehr  oft  auch  das 
frühere  oder  spätere  Verschwinden  der  Saftschläuche  zusammen.  Noch  ist 
der  Zeitpunkt  nicht  anzugeben,  in  welchem  dieselben  bei  jeder  einzelnen 
Rinde  zu  Grunde  gehen  können,  und  es  wäre  wohl  denkbar,  dass  auch  hier 
individuelle  oder  lokale  Einflüsse  bestimmend  und  vielleicht  ebenso  tief  ein- 
griffen  wie  specifische  Eigentümlichkeiten.  Immerhin  muss  es  auffallen, 
dass  bei  einigen  Arten,  z.  B.  bei  Uritusinga,  die  Saftschläuche  unverkennbar 
sehr  frühe  eingehen,  bei  anderen,  wie  bei  C.  boliviana  und  C.  succirubra, 
hingegen  erhalten  bleiben,  bis  die  ganze  Mittelrinde  überhaupt,  sei  es  durch 
Borkenbildung  (Binnenkork),  sei  es  durch  einfache  Verkorkung  und  Ver- 
witterung, zerstört  wird.  Ebenso  verhalten  sich  die  Steinzellen,  einerseits 
nämlich  treten  sie  allerdings  in  mehreren  Arten  regelmässig  auf  und  fehlen 
anderen  ebenso  durchgängig,  anderseits  jedoch  kommen  auch  Rinden  vor 
(z.  B.  diejenige  von  C.  umbellulifera  und  von  C.  boliviana),  welche  in  dieser 
Hinsicht  eine  schwankende  Mittelstellung  eiunehmen,  bedingt  durch  die 
Richtung  und  den  Fortschritt  der  Kork-  oder  Borkenbildung  Bei  der  so- 
genannten bolivianischen  Calisaya  (S.  375)  wenigstens  finden  sich  sogar 
stellenweise  sehr  reichlich  Steinzellen,  während  sie  sonst  dieser  Rinde 


M.liS,afts<?hläuche  und  Steinzellen,  die  einzigen  auffallenden  Elemente  der 
Mittelrinde,  dürfen  daher  nur  im  Vereine  mit  anderen  Merkmalen  einen 
diagnostischen  Werth  beanspruchen. 

Wichtiger  erscheint  der  Bast  schon  deshalb,  weü  er  wenigstens  immer 


25' 


388 


Rinden. 


vorhanden  ist.  Aber  auch  hier  ist  nicht  zu  übersehen,  dass  die  Anordnung 
der  sonst  so  charakteristischen  verholzten  Baströhren  in  Wirklichkeit  viel 
häufiger  zwischen  den  Weddell’schen  Typen  (§  30)  liegt  als  mit  einem 
derselben  genau  zusammenfällt.  Zudem  ändert  sich  der  Typus  in  der 
gleichen  Rinde  einigermassen  mit  dem  Alter,  wenigstens  in  dem  Sinne, 
dass  bei  vorherrschend  radialer  Anordnung  der  Baströhren  doch  in  den 
innersten  Lagen  dicker  Stücke  auch  eine  Neigung  zur  Bildung  tangentialer 
(con centrischer)  Zonen  Geltung  erlangt,  welche  im  jugendlichen  Alter,  wo 
die  Baströhren  noch  spärlich  vorhanden  waren,  weniger  zum  Ausdruck 
gelangen  konnte. 

Es  ist  also  auch  bei  der  Beurtlieilung  der  Anordnung  der  Baströhren 
nothwendig,  der  Altersstufe  der  verglichenen  Rinden  Rechnung  zu  tragen. 
Berücksichtigung  verdienen  ferner  die  Grössenverhältnisse  der  Baströhren 
sowohl  als  der  parenchym atischen  Elemente  der  Innenrinde.  Manche  Cin- 
chonen  sind  in  der  Eutwickeluug  ihrer  Baströhren  auf  ein  durchschnitt- 
lich geringeres  Mass  (z.  B.  C.  pitayensis)  beschränkt  als  andere,  deren 
Baströhren  schon  von  Anfang  an  verhältuissmässig  weit  rascher  eine  be- 
trächtliche Dicke  erlangen. 

Ein  nicht  unerhebliches  Moment  gewähren  mitunter  die  Markstrahlen, 
deren  Zellen  gewönlich  weiter  sind  als  die  des  Bastparenchyms.  Wo  da- 
gegen letztere  entweder  den  ersteren  gleich  kommen  oder  aber  sehr  bedeu- 
tend enger  bleiben,  entstehen  brauchbare  Unterschiede  im  Bilde  des  ganzen 
Innenrindengewebes. 

§ 34. 

Was  die  Charakterisirung  der  Chinarinden  erschwert,  ist  hauptsächlich 
die  Veränderung,  welche  jede  derselben  im  Laufe  ihrer  Entwicke- 
lung erleidet.  Es  genügt  nicht,  hier  eine  jüngere  Stammrinde,  dort  die 
eines  Astes  oder  diejenige  eines  mächtigen  Stammes  zu  kennen,  sondern 
nur  die  sämmtlichen  Altersstufen  der  Rinde  würden  in  dieser  Hinsicht  ein 
wahres  Bild  jeder  Art  geben.  Besässeu  wir  diese  idealen  Bilder  vollständig, 
so  Hessen  sich  erst  die  wirklich  bedeutungsvollen  anatomischen  Verhältnisse 
herausgreifen  und  vieUeicht  mit  Sicherheit  zur  Bestimmung  aller  im  Handel 
vorkommenden  Sorten  verwerthen.  Zuverlässig  gehen  die  Unterschiede  im 
Alter  weit  mehr  aus  einander,  so  dass  Stammriuden  leichter  kenutUch  sind 
cils  Astrinden. 

Die  im  obigen  erörterten  Merkmale  der  wichtigsten  Rinden  würden  sich, 
unter  Vorbehalt  vielfacher,  noch  zu  erwartender  Berichtigungen,  ungefähr 
iu  nachstehender  Weise  übersichtlich  zusammenstellen  lassen,  wenn  teine 
Querschnitte  betrachtet  werden: 


CorticeB  Chinae.  § 34. 


389 


I.  Unverkennbare  und  vorherrschend  tangentiale  Anordnung  der  Bast- 
röhren oder  Baströhrengruppen,  wenigstens  in  den  inneren  und  mitt- 
leren Bastschichten. 

A.  Steinzellen  fehlend  oder  spärlich: 

C.  lutea.  \ Uritusinga. 

Saftschläuche  kleiu,  enger  als  der  Durch-  Saftscbläuche  klein,  aber  doch  lange  blei- 
messer  der  meisten  Baströhren.  Dieso  mehr  bend  und  oft  grösser  als  die  benachbarten 

vereinzelt,  im  Querschnitte  nicht  radial  ge-  Baströhren  im  Querschnitt.  Letztere  mehr  in 

streckt,  ungleich,  aber  bis  1 80  Mikromill.  dick.  Gruppen,  von  ziemlich  gleichmässiger  Stärke, 

| bis  90  Mikromill.  dick. 

B,  Steinzellen  reichlich  vorhanden. 


C.  macrocalyx 
(nur  Astrinden  im  Handel.) 

Saftschläuche  frühe  geschwunden.  Bast- 
röhren zugleich  auch  zweifache  bis  vierfache 
Radialreihen  darstellend. 


C.  pubescens. 

Steinzellen  bis  ziemlich  tief  in  die  Bast- 
strahleu  hinein  vorkommend.  Saftscbläuche 
lange  bleibend.  Bastrühren  nach  dem  oben 
§30  erörterten  Typus  angeordnet,  von  Stab- 
zelleh  begleitet  und  durchschnittlich  dicker 
als  der  längere  Durchmesser  der  Steinzellen. 


II.  Nicht  entschieden  tangentiale  Anordnung  der  Bastrohren;  die- 
selben stehen  häufig  in  Gruppen  oder  zerstreut,  mit  im  ganzen  vor- 
herrschend radialer  Anordnung. 

A.  ßteinzellen  fehlend  oder  spärlich. 

1.  Baströhren  weder  tangential  noch  eigentlich  radial  geordnet,  innen  in  Gruppen, 
nach  aussen  sehr  zerstreut. 

C.  heterophylla  (nur  Astrinden  im  Handel).  Saftscbläuche  in  geringer  Zahl  und  Grösse, 
wo  sie  noch  erhalten  sind. 


2.  Anordnung 

vorherrschend  radial: 

C.  micrantha. 

Saftschläuche  frühe  schwindend.  Zellen 
des  Innenriudenparenchyms  in  den  äusseren 
Schichten  oft  sehr  erweitert. 

Baströhren  von  mittlerer  Dicke,  bei  älteren 
Rinden  innen  in  kleinen  Gruppen. 

B.  Steinzellen  sehr 

0.  lancifolia.  China  flava  fibrosa 
(gelbe  odergelbröthliche  Ast-u.  Stammrinden. 

Steinzellen  gross,  tangential  gestreckt,  auch 
in  den  Baststrahlen  vorhanden.  Bruch  lang- 
splitterig,  Baströhren  gleichmiissig  ungefähr 
50 — 90  Mikromill.  dick,  kleiner  als  die  Stein- 
zellen. Stabzellen  vorhanden.  Mittclrindefast 
immer  erhalten;  ohne  Saftschläuche.  Bast- 
röhren bald  in  kürzeren  und  längeren  Radial- 
reihen, bald  auch  in  kleineren  Gruppen. 


der  Baströhren 

mit  Neigung  zu  tangentialer  Vertheilung: 

C.  C'hahuarguera 
(nur  in  Astrinden). 

Saftschläuche  frühe  schwindend.  Bast- 
röhren innen  in  kleinen  Gruppen,  im  Durch- 
messer ungefähr  60  bis  100  Mikromill.  er- 
reichend. 

reichlich  vorhanden. 

C.  cordifolia 

(hellgelblich  zimmtfarben,  grobsplitterig 
brechend). 

Saftschläuche  fehlend. 


390 


Rinden. 


III.  Baströhren  in  radialen,  aber  oft  vollständig  aufgelösten  Reihen 
seltener  in  Gruppen. 


A.  Rinden  von 

C.  succirubra. 

China  rubra  dura 
(Ast-  und  Stammrinden). 

Baströhren  nach  Behandlung  mit  Alkalien 
rothviolett,  ungefähr  30  Mikrom.  dick.  Saft- 
schläuche lange  erhalten  und  sehr  weit,  Stein- 
zellen fehlen.  Astrinden  mit  hellem  Korke 
bedeckt,  Stammrinden  mit  harter,  braunrother, 
stellenweise  noch  weisslicher  Borke.  Zellen 
der  Markstrahlen  und  des  Bastparenchyms 
ungefähr  gleich  gross. 


rother  Färbung. 

C.  coccineaf? 

China  rubra  suberosa. 

Baströhren  wie  bei  C.  succirubra,  Saft- 
schläuche fehlend,  Bedeckung  ans  weichem, 
dunkel  rothhraunem  Korke  gebildet.  Mark- 
strahlen auffallend  erweitert,  an  Grösse  der 
einzelnen  Zellen  das  Bastparenchym  weit 
übertreffend. 


B.  Rinden  von  bräunlicher  bis  gelbröthlicher  Färbung. 

C.  pitayensis.  Meist  kurze  Stücke  flacher,  dicker  Rinden,  oder  dünne,  verbogene,  kleine 
Bruchstücke,  seltener  Röhren.  Baströhren  dünn,  sehr  zerstreut,  wenig  hervortretend,  nicht 
stechend,  Bruch  kurz.  Mittelrinde  meist  noch  erhalten,  Steinzellen  fast  immer  fehlend,  jeden- 
falls nicht  sehr  dickwandig,  Saftschläuche  nur  in  den  dünnsten  Rinden  nachweisbar. 

C.  Gelbe  Rinden. 


O.  cordifolia. 

China  flava  dura  laevis. 

Mittelrinde  lange  bleibend,  eigentliche  Bor- 
kenbildung gar  nicht  bemerklich,  oder  viel- 
leicht überhaupt  nicht  vorkommeud.  Kork 
gelblich-weisslich.  Saftschläuche  fehlen.  Stein- 
zellen fehlend  oder  nur  an  der  Grenze  des 
Korkes,  nicht  in  den  Baststrahlen.  Baströhren 
sehr  ungleich,  oft  sehr  stark,  oft  nicht  ge- 
schlossen, in  unterbrochenen  Radialreihen 
oder  auch  da  und  dort  kleinere  Gruppen 
bildend. 


C.  Calisaya. 
a.  Mittelrinde  erhalten. 


a. 

Mit  graulicher,  ge- 
felderter Borke  be- 
deckte Röhren;  Kork 
nur  stellenweise  abge- 
worfen : 

China  regia  tu- 
bulata. 

Steinzellen  fehlen. 
Saftscliläuchc  ansehn- 
lich. 


ß- 

Dünne,  mcistflache 
Stücke  mit  Borkegru- 
ben. Kork  abgeworfen: 

Ch.  regia  boli- 
v i a n a. 

Steinzellen  ge- 
wöhnlich nicht  vor- 
handen, stellenweise 
aber  doch  ausgebildet. 

Saftschläuche  sehr 
weit,  mit  unbewaffne- 
tem Auge  erkennbar. 
Bruch  etwas  derb  und 
laug  splitterig. 


b . Reiue  Bastplattcn  mit  ausgezeichneten 
Borkegruben  (Conchas). 

Ch.  regia  plana. 

Bis  15  Millim.  dicke  mürbe,  flache  Stücke. 


Cortices  Chinae.  § 34.  35. 


391 


D.  Binden  von  gelblicher,  jedenfalls  nicht  ins  röthliche,  sondern  eher  ins  bräunliche 

spielender  Farbe. 

1.  Steinzellen  fehlend  oder  spärlich. 

C.  Condaminea.  (vgl.  S.  176  Anmerk.)  C.  Uritusinga. 

Saftschlänche  kleiner  als  die  benachbarten  Saftschläuche  klein  (vergl.  oben  I.A).  Bast- 
Zellen  und  frühe  verschwindend.  Baströhren  röhren  in  den  inneren  Lagen  tangential  ge- 
radial  geordnet.  I ordnet. 

2.  Steinzellen  reichlich  vorhanden. 

O.  umbellulifera.  (Astrinden.) 

Saftschläuche  im  längeren  Durchmesser 
über  200  Mikromill.  erreichend,  Steinzellen 
sehr  verschieden,  die  grössten  durchschnitt- 
lich kleiner  als  die  Saftschläuche,  aber  grös- 
ser als  die  Baströhren.  Letztere  nicht  in 
Gruppen,  höchstens  (wenigstens  in  Astrinden) 
zu  zwei  bis  drei  genähert  und  von  Stabzellen 
begleitet.  Auf  dem  Bruche  erscheint  (wegen 
der  zahlreichen  grossen  Saftschläuche)  ein 
Harzring. 

IV.  Baströhren  in  Radialreihen,  nicht  in  Gruppen. 

C.  scrobiculata.  Astrinden  mit  heller  Bedeckung  und  ziemlich  lange  bleibender  Mittel- 
rinde, worin  Steinzellen  und  Saftschläuche  enthalten  sind.  Stammrinden  der  flachen  Caiisaya 
ähnlich,  durch  schwachen  Stich  ins  röthliche,  so  wie  durch  langfaserigen,  derberen  Bruch 
verschieden. 

Eine  weit  vollständigere  Tabelle  zur  mikroskopischen  Bestimmung  der 
Chinarinden  verdanken  wir  bekanntlich  Berg.2)  Dieselbe  umfasst  gegen 
40  Cinchonen,  berücksichtigt  jedoch  die  Rinden  nur  in  so  fern  sie  noch 
bedeckt  sind,  was  allerdings  in  den  meisten  Fällen  stattfindet,  aber  nicht 
immer  unmittelbar  zu  ersehen  ist,  sofern  die  Oberfläche  aus  Mittelrinden- 
Gewebe  bestehen  kann. 

§ 35. 

Als  oberstes  Princip  der  herkömmlichen  Eintheilung  der  Chinarinden 
hat  allgemein  die  Farbe  gegolten,  bis  das  Studium  ihres  anatomischen 
Baues  in  den  Vordergrund  trat.  Gewiss  ist  der  Satz  Karsten’s  (§  20), 
dass  die  Grundfarbe  der  Rinden  einer  Art  sich  in  allen  ihren  Lebeusstufen 
gleich  bleibe,  nur  sehr  bedingt  richtig,  und  es  lässt  sich  z.  B.  an  C.  succi- 
rubra  aufs  bestimmteste  nach  weisen,  dass  die  Farbe  erst  im  Alter  mit  aller 
Deutlichkeit  auftritt.  Jüngere  Rinden  der  meisten  Arten  pflegen  mit  grau- 
lich weissem  bis  bräunlichem  oder  beinahe  schwärzlichem  Korke  bedeckt 
zu  sein,  der  nur  in  den  Extremen  seiner  Färbung  oder  seiner  Oberflächen- 
gestaltung Anhaltspunkte  zu  bieten  vermag.  Noch  unbestimmter  und  vor- 
herrschend bräunlich  ist  die  Farbe  des  inneren  Gewebes,  so  dass  Gemenge 


G.  nitida. 1)  (Astrinden). 

Saftschläuchc?  Baströhren  zur  Gruppen- 
bildung  und  einigermassen  tangentialer  An- 
ordnung hinneigend.  Kein  Harzring. 


t)  über  die  Stellung  dieser  Art  vergl.  oben  § 32,  No.  10. 

2)  Chinarinden  S.  44. 


392 


Rinden. 


der  verschiedensten  den  Aesten  oder  jüngeren  Stämmchen  entnommenen 
Rindenröhren  den  allgemeinen  Namen  Cortex  Chinae  fuacus  führen.  Als 
gleich  bedeutend  gilt  in  der  Regel  die  weniger  zutreffende  auf  die  Bedeckung 
gehende  Bezeichnung  C.  Chinae  griseus  seu  pallidus , so  wie  die  den 
Franzosen  ziemlich  geläufigen  Benennungen  Quinquinas  gris  ou  bruns  und 
die  englischen  Ausdrücke  pale  Cinchona  bark,  Crown  bark,  grey  bark. 

Diese  ganze  Klasse  der  vorherrschend  braunen  Rinden  umfasst  mehrere 
Handelssorten,  deren  Unterscheidung  auf  äusserlichen  Merkmalen  beruht, 
welche  sich  einer  wissenschaftlichen  Feststellung  um  so  mehr  entziehen, 
als  im  Laufe  der  Zeit  die  hergebrachten  Namen  bisweilen  auf  neue  Sorten 
übertragen  worden  sind , wenn  in  den  Handelsverhältnissen  Aenderungen 
eintraten. 

§ 36. 

Als  wichtigste  der  braunen  Sorten  ist  die  aus  der  Gegend  von  Huä- 
nuco  in  Mittelperu  über  L i m a ausgeführte  und  nach  diesen  beiden  Städten 
benannte  China.  Sie  pflegt  aus  durchschnittlich  1—2  Centimeter  starken 
Röhren  von  2 bis  5 Millim.  Querschnitt  (nach  dem  Aufweichen)  zu  bestehen. 
Die  graubräunliche,  im  ganzen  ziemlich  helle  Oberfläche  etwas  längsfurchig, 
mit  meist  nicht  sehr  tief  gehenden  und  nicht  ringsum  laufenden  Quer- 
rissen versehen  *),  oft  noch  mit  weisslichem  Korke  belegt.  Innenfläche  hell 
zimmtfarben,  häufig  durch  die  mit  Oxalat  gefüllten  Zellen  der  Markstrahlen 
sehr  fein  weiss  gesprenkelt.  Der  Querschnitt  bietet  dicht  unter  der  Aussen- 
rinde  einen  sogenannten  Harzring  (S.  376).  Bruch  ziemlich  langfaserig. 

Als  hauptsächlichste  Arten,  deren  Astrinden  die  Huanuco-China  bilden, 
lassen  sich  nach  dem  obigen  ungefähr  die  folgenden  nachweisen : C.  mi- 
crantha  in  erster  Linie,  ferner  C.  Condaminea,  macrocalyx,  peruviana, 
suberosa,  umbellulifera,  Uritusinga. 

In  neuester  Zeit  war  eine  fast  ganz  aus  starken  Röhren  der  micrantha 
bestehende  sehr  schöne  Huanuco -Sorte  im  deutschen  Handel  zu  haben, 
worunter  einzelne  durch  tiefe,  doch  nicht  völlig  ringsum  laufende  Querrisse 
sehr  der  röhrigen  Calisaya  ähnlich  sehen.  Mangel  an  Borkenhildung,  Ab- 
wesenheit der  Saftschläuche  (und  der  Steinzellen) , mehr  geschlossene 
Radialreihen  der  Baströhren  kennzeichnen  diese  Röhren  jedoch  bestimmt 
als  zu  C.  micrantha  gehörig.  In  letzter  Zeit  sind  aber  Zufuhren  dieser 
Sorte  ganz  ausgeblieben,  so  dass  statt  derselben,  wenn  durchaus  Huanuco- 
Rinde  verlangt  war,  bisweilen  mittelstarke  Röhren  der  C.  succirubra  ge- 
geben wurden. 

Eine  andere  sehr  schöne  Huanuco  der  neuesten  Zeit  gleicht  der  röhrigen 
rothen  China  äusserlich  sehr  bis  auf  die  helle  Zimmtfarbe.  Im  Bau  zeichnet 


t)  hierdurch,  so  wie  auch  durch  die  Sphneriaceen,  welche  sich  auf  diesen  Rinden  wie  auf 
vielen  anderen  findon,  entsteht  cino  cigcnthiimlichc  Zeichnung  der  Oberfläche,  die  man  in 
Peru  als  „Geiergriffe“,  pata  de  gallinazo,  bezeichnet.  Gallinazo  heisst  in  Lima  der  Aasgeier, 
Catharthes  footens. 


Cortices  Chinae.  § 36.  37. 


393 


sich  diese  helle  Huanuco  durch  zahlreiche  gegen  200  Mikromill.  weite 
Saftschläuche,  durch  Mangel  an  Steinzellen  und  durch  deutlich  tangentiale, 
sogar  zonenartige  Anordnung  der  mitteldicken  Baströhren  aus.  feie  passt 
somit  in  keine  Rubrik  der  Berg’schen  Tabelle  zur  Bestimmung  der  China- 
rinden. 

In  früherer  Zeit  bestand  die  Huanuco -Sorte  hauptsächlich  aus  Rinden 
der  C.  nitida,  welche  in  Menge  bei  Cocheros  unweit  Huanuco  wächst.  Die 
Rinden  dieser  Gegend  wurden  seit  1776  durch  Renquifo  u.  Alcarraz, 
dann  durch  Ruiz,  Pavon  u.  Dombey  bekannt  und  endlich  gegen  Ende 
des  Jahrhunderts  durch  Kaufleute  aus  Lima  als  graue  Rinde  von  Huanuco 
in  den  Handel  eingeführt. 

§ 37. 

Als  Loxa-  oder  Loja- China  gehen  Rinden,  welche  im  Gegensätze  zu 
der  vorigen  Sorte  vorherrschend  von  dunkler  bräunlicher  Farbe  sind,  eine 
mehr  graue  als  weissliche  Bedeckung  und  neben  Längsrunzeln  zahlreiche 
etwas  entfernte  Querrisschen  tragen.  Meistens  besteht  die  Loxa  aus  höch- 
stens 1 Centimeter  starken,  nur  1 bis  2 Millim.  dicken  Röhren,  welche  sehr 
häufig  mit  Flechten  reichlich  besetzt  sind.  Der  scharfe  Querschnitt  bietet 
bei  den  besseren  Loxa-Rinden  den  glänzenden  Harzring  dar. 

Wie  oben  (§  6 ad  No.  2)  erwähnt,  lieferte  die  Gegend  von  Loxa  die 
ersten  Chinarinden  und  zwar  vermuthlich  zuerst  von  C.  Chahuarguera. 
Zur  Zeit  der  spanischen  Herrschaft  war  die  beste  Auswahl  derselben,  eine 
gelbliche  und  eine  röthliche  Varietät,  Cascarilla  amarilla  del  Rey  und  Cas- 
carilla  colorada  del  Rey,  für  den  spanischen  Hof  Vorbehalten,  und  führte 
lange  den  Namen  China  coronalis,  der  sich  immer  noch  im  englischen 
Crown-bark  erhalten  hat,  während  das  Beiwort  regius  oder  regia  auf  Cali- 
saya übertragen  worden  ist.  Für  jene  ursprüngliche  Krön- China  schälte 
man  bei  Humboldt’s  Anwesenheit  in  Südamerika  sehr  junge  Bäumchen, 
deren  800  bis  900  erforderlich  waren,  um  die  geringe  Menge  von  110  Ctr. 
Rinde  zu  liefern,  welche  der  Hof  bedurfte. 

Schon  zur  Zeit  von  Condamine  mischte  sich  der  Loxa-Rinde  die  der 
C.  Uritusinga,  später  noch  andere  bei,  als  die  ursprünglichen  Cinchonen  in 
der  Nähe  Loxas  sich  verminderten.  Heutzutage  ist  das  unter  diesem  Namen 
vorkommende  Gemenge  junger  Rinden  in  anatomischer  Hinsicht  schwierig 
zu  charakterisiren,  weil  auf  dieser  Altersstufe  die  Eigenthümlichkeiten  noch 
wenig  ausgeprägt  sind. 

Howard  nennt  als  „Quelle  der  guten  Loxa-Rinde  des  heutigen  Han- 
dels die  botanisch  noch  nicht  fest  stehende  (jetzt  zu  C.  officinalis  ge- 
zogene) C.  crispa  Tafalla.  Von  Howard  mitgetheilte  Röhren  dieser 
Pflanze  zeigen  sich  denen  von  C.  Chahuarguera  ähnlich,  mit  etwas  tieferen, 
zum  Theil  umlaufenden,  aber  nicht  scharfrandigen  Querrissen.  Aeusserlich 
sind  sie  dunkler,  fast  schwärzlich  grau,  innen  nicht  so  hell  zimmtfarben, 
von  kurzem  derbem  Bruche.  Anatomisch  sind  diese  Rinden  wenig 


394 


Rinden. 


ausgezeichnet;  ihr  Bau  stimmt  mit  dem  der  Chahuarguera-Rinden  überein. 
Die  jüngsten,  aufgeweicht  nur  erst  1 Millira,  dicken  Stücke  weisen  Saft- 
schläuche auf,  die  jedoch  nicht  umfangreicher  als  die  benachbarten  Paren- 
chymzellen, daher  oft  schwer  zu  finden  sind  und  nur  ein  wenig  dickeren 
Rinden  schon  ganz  fehlen.. 

Besonders  häufig  kömmt  nach  Berg  die  Rinde  der  C.  macrocalyx  als 
Loxa  in  den  Handel,  ferner  diejenige  von  C.  heterophylla,  nach  andern  Be- 
obachtern liefern  noch  eine  Reihe  anderer  Arten  diese  schwankende  Sorte. 

§ 38. 

Als  China  Pseudo-Loxa  oder  Jaen  nigricans  werden  im  deutschen 
Handel  Röhren  unterschieden,  welche  dem  empirischen  Begriffe  der  Loxa- 
sorte  entsprechen,  jedoch  durch  dunklere  Färbung,  weit  unebenere  und 
genähert- rissige  Oberfläche,  so  wie  durch  den  Mangel  des  Harzringes  be- 
zeichnet sind.  Die  Farbe  der  Oberfläche  ist  meist  durch  üppigen  Besatz 
von  Kryptogamen  bedingt.  Die  Rinden  von  C.  villosa  P.  (C.  Humboldtiana 
Lamb.)  aus  Jaen,  von  C.  stupea  P.  aus  der  Gegend  von  Cuenga,  und  von 
C.  nitida  zeigen  diese  Merkmale  besonders  auffallend.  Diese  Pseudo-Loxa 
wird  von  den  Pharmacopöen  zum  officinellen  Gebrauche  nicht  gebilligt, 
während  die  geschilderten  Huanuco-  und  Loxa-Rinden  meist  als  gleichartig 
gelten  und  ohne  Unterschied  die  gewöhnliche  officinelle  Chinarinde,  Cortex 
Chinae  offcinalis  seu  fvscus  v.  griseus  darstellen. 

Es  dürfte  wohl  noch  einmal  möglich  werden , statt  dieser  wechselnden 
Gemenge  eine  oder  mehrere  bestimmte  und  alsdann  genau  zu  charakteri- 
sirende  Zweig-Rinden,  z.  B.  diejenigen  von  C.  micrantha  und  C.  succirubra 
oder  officinalis  festzuhalten.  Namentlich  im  Hinblicke  auf  die  jetzt  schon 
gesicherten  Culturen  der  besten  Cinchonen  ausserhalb  ihres  Vaterlandes 
erscheint  es  sehr  wohl  ausführbar,  dass  der  Handel  einer  derartigen  von 
Seiten  der  medieinisch-pharmaceutischen  Praxis  der  wichtigsten  Länder 
übereinstimmend  formulirten  Forderung  gerecht  werde. 

Braune  Astrinden  ungefähr  von  der  Stärke  mittlerer  Huanuco-China, 
doch  von  mehr  nelken brauner  oder  leberähnlicher  Farbe,  von  mehr  oder 
weniger  warziger  und  längsrunzeliger,  nicht  querrissiger  Oberfläche,  ohne 
Harzring  auf  dem  Bruche  heissen  nach  ihrem  Vorkommen  unweit  Tarma 
(Mittel-Peru)  Huamalies-China.  Sie  finden  sich  jetzt  seltener  allein,  als 
der  gewöhnlichen  Loxa  beigemengt.  Die  besondere  Gestaltung  der  Be- 
deckung kann  in  vielen  Fällen  (z.  B.  bei  C.  Condaminea,  micrantha,  scro- 
biculata  u.  s.  w.)  individuelle  oder  lokale  Gründe  haben,  in  anderen  von 
verschiedener  Abstammung  herrühren,  da  die  Farbe  des  inneren  Gewebes 
zwischen  braun  und  röthlich-braun  bedeutend  schwankt. 

Howard1)  leitet  die  ursprüngliche  schon  1826  durch  H.  von  Bergen 
abgebildete  Huamalies-China,  wie  sie  freilich  für  sich  nicht  mehr  vorzu- 
kommen pflegt,  von  C.  purpurea  ab. 


i)  N.  Quinol.  Addenda  ot  corrigenda. 


395 


Cortices  Chinae.  § 38.  39. 

Die  Huamalies-China  tauchte  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  oder  viel- 
leicht etwas  früher  und  zwar  oft  häufiger  als  die  Huanuco-Sorte  in  Europa 
auf.  1803  z.  B.  war  sie  in  Hamburg  reichlicher  vorhanden  als  die  letztere. 

Noch  unbestimmter  ist  endlich  der  Begriff  derjenigen  rohngen  China, 
welche  nach  der  gleichnamigen  nordperuanischen  Provinz  als  Jaen  )- 
China  bezeichnet  wird.  Man  versteht  darunter  dünnere,  oft  etwas  ge- 
krümmte, ziemlich  glatte  oder  längsrunzelige  Röhren  ohne  tiefere  Querrisse 
und  auf  dem  sehr  grob  und  langsplitterigen  Bruche  ohne  Harzring.  Der 
graubräunlichen,  innen  gelblich  zimmtbraunen  oder  etwas  ms  rothliche 
fallenden  Farbe  wegen,  unterscheidet  man  derartige  Röhren  als  Jaen  pallida 
im  Gegensätze  zu  der  schon  erwähnten  Pseudo-Loxa,  welche  auch  als 
dunkle  Jaen  geht.  Die  Jaen-Rinde  findet  sich  öfter  frei  von  Alkaloiden ; 
bisweilen  enthält  sie  Aricin. 


§39. 

So  wie  sich  die  heutige  pharmaceutische  Praxis  durchgängig  auf  die- 
jenigen röhrigen  Chinarinden  beschränkt,  welche  unter  den  allerdings  nicht 
sehr  bestimmten  Begriff  der  Huanuco-  oder  Loxa-Sorte  fallen , so  ist  auch 
von  den  Pharmacopöen  mit  grosser  Uebereinstimmung  die  Auswahl  der 
Stammrinden  festgesetzt.  Da  diese  meist  schärfer  ausgeprägte  Eigentüm- 
lichkeiten zeigen  und  öfter  unvermischt  in  den  Handel  gelangen,  so  ist  hier 
die  unzweideutigste  Bezeichnung  der  zum  medicinischen  Gebrauche  wünsch- 
baren Handelssorten  durchzuführen.  Als  solche  gelten  aus  der  Reihe  der 
gelben  Rinden  diejenige  der  C.  Calisaya  (deren  Zweigrinde  nirgends  als 
eigentlich  officinell  betrachtet  wird* 2),  aus  der  Reihe  der  rothen  neben  der 
Rinde  der  C.  succirubra  auch  die  China  rubra  suberosa. 

Diese  Rinden  sind  bereits  in  § 32  hinlänglich  geschildert,  auch  wurde 
auf  mögliche  Verwechslungen  der  Calisaya  z.  B.  mit  Rinden  von  C.  scro- 
biculata  und  pubescens  aufmerksam  gemacht.  Die  noch  reiner  gelben  Rin- 
den, welche  im  Handel  die  Namen  China  flava  fibrosa,  flava  dura  u.  s.  w. 
führen,  sind  hauptsächlich  an  ihrem  theils  weit  derberen,  theils  weit  zäher 
faserigen,  aber  nicht  kurz  und  mürbe  brechenden  Baste  kenntlich,  noch 
sicherer  an  den  anatomischen  Merkmalen. 

Der  Kreis  der  officinellen  Chinarinden  beschränkt  sich  somit 
einerseits  auf  die  mittleren  oder  jüngeren  Röhren  weniger  Arten,  indem,  wie 
oben  gezeigt,  zu  den  herkömmlichen  Sorten  im  Laufe  der  Zeiten  nicht 
immer  die  gleichen  Cinchonen  herbeigezogen  worden,  anderseits  auf  die 
beiden  rothen  Stammrinden  und  die  Bastplatten  der  Calisaya. 

Alle  übrigen  im  Handel  befindlichen  Sorten,  welcher  im  obigen  gele- 
gentlich gedacht  worden  ist,  gewähren  von  der  allgemein  wissenschaft- 
lichen Bedeutung  abgesehen,  überwiegend  nur  für  die  chemische  Industrie, 
nicht  für  die  Pharmacie,  ein  Interesse. 


1)  im  deutschen  zuerst  von  den  Hamburgern  öftor  zu  Ten  verdorben. 

2)  Brit.  Pharm,  lässt  sie  als  seltene  Beimengung  zu ; Ph.  Germaniae  schliesst  sie  aus. 


396 


Rinden. 


§ 40. 


Ein  Geruch  geht  den  Chinarinden  nicht  ganz  ab;  Weddell1)  fand 
denselben  z.  B.  bei  frischer  Calisaya  und  amygdalifolia  der  Holunderrinde 
ahuhch,  doch  schwächer.  Auch  einzelnen  Sorten  der  käuflichen  Rinden 
z.  B.  der  flava  fibrosa  (oben  § 32,  No.  6)  und  der  Loxa  lässt  sich  ein  ge- 
ringes Aroma  nicht  ganz  absprechen.  Dasselbe  scheint  durch  eine  ganz 
unbedeutende  Spur  ätherischen  Oeles  bedingt  zu  sein , welches  noch  nicht 
naher  gekannt  ist.  — Die  Rinden  einzelner  der  zunächst  den  Cinchonen 
verwandten  Rubiaceen  sind  an  wohlriechendem  Oele  weit  reicher,  z.  B.  die 
der  Gomphosia  chlorantha  Wdl. 


In  Betreff  des  Geschmackes  kommen  zum  Theil  bedeutende  Ver- 
schiedenheiten vor.  Jüngere  Rinden  schmecken  vorherrschend,  aber  nicht 
unangenehm  herbe  (saveur  styptique  DB.),  seltener,  wie  z.  B.  Huanuco  und 
Loxa,  zugleich  auch  eigentlich  in  geringerem  Grade  zusammenziehend 
(astringeut  DB.)  säuerlich.  Bei  Stammrinden  verliert  sich  der  herbe  Bei- 
geschmack mehr  und  mehr,  und  die  reine  Bitterkeit  tritt  stark  und  deutlich 
hervor.  Bei  flava  fibrosa  z.  B.  schmecken  aber  auch  schon  Astrinden  völlig 
rein  bitter.  Die  grössere  oder  geringere  Schnelligkeit,  mit  welcher  sich  der 
Geschmack  auf  der  Zunge  entwickelt,  dürfte  durch  das  Gefüge  der  Rinde 
bedingt  sein.  Jüngere,  zartere  Rinden  geben  beim  Kauen  ihre  Stoffe 
leichter  ab. 

In  der  vorzüglichen  Calisaya  tritt  die  reine  Bitterkeit  schon  bei  jungen 
Rinden  auf,  während  der  geringeren  C.  scrobiculata  immer  und  bisweilen 
vorwaltend  der  adstriugirende  Beigeschmack  zukömmt.2) 

Bei  der  ebenfalls  alkaloidarmen  C.  pubescens  bemerkte  Weddell3) 
selbst  an  (frischen)  Stammrinden  einen  nur  bitterlichen  und  zugleich  ekel- 
haften Geschmack.  Auch  die  an  Chinin  arme  Maracaibo  (DB.;  nicht  die 
gleichnamige  Rinde  vonKstn.)  und  die  noch  schlechtere  gelbe  Cusco-China4) 
des  Handels  schmecken  unangenehm.  Einen  ekelhaften  und  zugleich  etwas 
scharfen  Beigeschmack  bemerkt  man  auch  an  der  so  genannten  China  Ja  'en 
v.  Para  fusca,b)  welcher  die  Chinabasen  fehlen. 


J)  S.  33. 

2)  Wdl.  45. 

3)  S.  56,  Note  2. 

4)  § 32,  sub  No.  12. 

5)  eine  1845  aus  Para  nach  London  gelangte  Rinde  (vergl.  unten  bei  Paricin  § 46),  deren 
Abstammung  noch  zu  erweisen  ist.  Wiggers  leitet  sie  von  Bucua  hexandra  Pohl  ab,  allein 
sie  zeigt  durchaus  den  Bau  der  Cinchouenrinden.  Authentische  Exemplare,  die  ich  Prof. 
Gas  teil  verdanke  und  welche  mit  der  Beschreibung  von  Wiggers  (Handb.  d.  Pharmakogn.) 
übereinstimmen,  charakterisiren  sich  durch  fast  gänzlichen  Mangel  au  Steinzeiten,  durch  Saft- 
schläuche von  mitunter  gewaltigen  Dimensionen,  durch  sehr  kleine,  im  Querschnitte  quadra- 
tische, ganz  verholzte  Baströhren,  welche  entschieden  radiale  Reihen  bilden.  Das  Infus 
nimmt  durch  Eisenchlorid  eine  sehr  geringo  grünliche  Eärbuug  an,  wie  die  ächten  Chinarinden. 
Dass  die  Grahe’sche  Probe  (§  54)  nicht  eintritt,  spricht  noch  lange  nicht  gegen  die  Ableitung 
von  einer  Cinchona. 


Cortices  Chinae.  § 40. 


397 


§41. 

Unter  den  allgemeiner  verbreiteten  Stoffen  des  Pflanzenreiches, 
welche  auch  in  den  Cinchona- Rinden  Vorkommen,  sind  bereits  als  unmittelbar 
in  die  Augen  fallend  Stärkmehl  und  Kalkoxalat  hervorgehoben  worden. 
Ueber  die  Menge  des  ersteren,  weichein  den  noch  parenchymreichen  Rinden 
durchgängig  sehr  beträchtlich  ist,  jedoch  offenbar  den  grössten  Schwan- 
kungen unterliegt,  fehlen  noch  genaue  Ermittelungen.  Selbst  da,  wo  die 
verholzten  Baströhren  zur  höchsten  Entwickelung  gelangt  sind,  wie  z.  B. 
in  der  unbedeckten  Calisaya,  behalten  die  Parenchymzellen  des  Bastes  und 
der  Markstrahlen  immer  noch  eine  geringe  Menge  Amylum. 

Nicht  weniger  häufig,  aber  auch  in  sehr  schwankender  Menge  erscheint 
das  Kalkoxalat.  Da  es  immer  nur  in  kleinen  krystallinischen  Körnchen 
und  in  vereinzelten  Zellen  abgelagert  ist,  so  fällt  es  nicht  ins  Gewicht.  Der 
gesammte  Aschengehalt  bei  100°  getrockneter  Rinde  steigt  nach  Reich  - 
hardt1)  höchstens  auf  etwa  3 pC.  (bei  Ch.  rubra)  an,  der  Gehalt  an  Kalk 
auf  ungefähr  1 pC.  Howard2)  erhielt  aus  dem  inneren  Theile  des  Bastes 
von  C.  succirubra  0,91  pC.  Kalkcarbonat,  entsprechend  0,5  pC.  Kalk.  Ander- 
seits bestimmte  Reichel3)  die  Oxalsäure  im  Maximum  (bei  Huanuco)  zu 
0,29  pC.,  Reicbhardt  (in  Ch.  rubra)  zu  0,33  pC.,  woraus  gefolgert  wer- 
den darf,  dass  die  Menge  des  niemals  fehlenden  Kalkoxalates  nicht  leicht 
1 pC.  übersteigen  mag,  indem  vermuthlich  ein  Theil  des  Calciums  in  ander- 
weitigen Verbindungen  enthalten  ist. 

Andere  der  gewöhnlicheren  Pflanzensäuren  sind  noch  nicht  nachge- 
wiesen worden. 

In  sehr  geringer  Menge  enthalten  die  Chinarinden  nach  Reichel  auch 
Gummi,4)  wozu  wohl  der  von  demselben  angegebene  „Inulinkörper“  gleich- 
falls gerechnet  werden  darf,  so  wie  Zucker,  was  ich  bestätigen  kann. 
Die  besondere  Art  dieser  Stoffe  ist  nicht  genauer  ermittelt,  eben  so  wenig 
die  der  fett-  oder  wachsartigen  Substanzen,  welche  durch  Chlorophyll 
gefärbt  erhalten  werden.  Auch  die  Pektinkörper  scheinen,  Reichel  zu- 
folge, vertreten  zu  sein. 

Die  beim  Verbrennen  der  Chinarinden  zurückbleibende  Asche,  von 
3A  — 3 pC.  schwankend,  besteht  weitaus  zum  grössten  Theile  aus  Kalk- 
und  Kali-Carbonat,  welche  zusammen  z.  B.  in  der  flava  fibrosa  nach  Reich- 
hardt Vs  der  ganzen  Aschenmenge  ausmachen.  Weit  geringer  ist  die 
Quantität  des  Magnesia -Carbonates,  das  z.  B.  in  flacher  Calisaya  nur  V« 
der  Asche  beträgt.  Im  übrigen  zeigen  die  wenigen  bis  jetzt  vorliegenden 
Aschen  an  alysen  von  Chinarinden  die  gewöhnlichen  Bestandtheile,  nament- 


D Chem.  Bestandth.  d.  Chinarinden.  Braunschwg.  1855. 

2)  N.  Qninol.,  Microsc.  obs.  pg.  6. 

3)  Ch.  Rinden  und  deren  Bestandtheile.  Lpzg.  1856. 

0 Auch  Schwarz  hat  dasselbe  bemerkt. 


398 


Rinden. 


lieh  auch  sehr  geringe  Mengen  Phosphorsäure  und  Mangan.  Kaum  lässt 
sich  aus  den  bisherigen  Daten  die  Vermuthung  ableiten , dass  Zweigriuden 
reicher  an  anorganischen  Stoffen  sein  dürften,  als  die  (unbedeckten)  Staram- 
rinden.  Schlüsse  auf  die  Vertheil ung  der  Aschenbestandtheile  in  den  ein- 
zelnen Gewebeformen  der  Rinde  erscheinen  ganz  verfrüht;  arm  daran  fand 
ich  sorgfältig  isolirte  Baströhren. 

Die  Gegenwart  von  Ammoniaksalz  lässt  sich  in  den  Auszügen  der 
Chiuarinden  leicht  darthun,  obwohl  dessen  Betrag  gering  ist. 

Auch  das  Harz  enthalten  die  Rinden  in  nur  sehr  unbedeutender  Menge. 
Delondre  u.  Henry  fanden  dasselbe  in  dem  infolge  von  Einschnitten  in 
den  Stamm  austretenden  rothen  Safte. 

§ 42. 

Das  von  Stähelin  u.  Hofstetter  durch  Schwefelsäure  aus  wein- 
geistiger Tinctur  der  (gelben)  China  gefällte  Plilobaphen  (G’°H8-04?) 
ist  weniger  den  allgemeiner  verbreiteten  Stoffen  zuzuzählen , sondern  als 
Zersetzungsprodukt  zu  betrachten,  das  noch  weiterer  Untersuchung  bedarf. 

Ebenso  das  von  Reichel  dargestellte  Lignoin,  G2uH23N08  nach 
Hesse,  das  vermuthlich  in  naher  Beziehung  zu  Phlobaphen  steht.  Man 
erhält  es,  wenn  durch  Aether,  Weingeist  und  Wasser  erschöpfte  China  mit 
Aetzlauge  ausgezogen  wird  auf  Zusatz  von  Säure  als  schwarzbraunen 
Niederschlag,  welcher  getrocknet  2 — 19  (?)  pC.  der  Rinde  betragen  soll. 
Das  Lignoin  scheint  als  eigenthümliches  Glied  in  die  Reihe  der  trotz  viel- 
fältiger Untersuchungen  noch  nicht  hinlänglich  gekannten  Humin-  oder 
Ulmin-Substanzen  zu  gehören  und  vielleicht  aus  Kohlehydrat  (Cellulose?) 
durch  Verlust  der  Elemente  des  Wassers  und  Eintritt  von  NH3  hervorzu- 
gehen. Hesse  zeigte,  dass  das  Molekül  O20H20Q8,  welches  unter  Austritt 
des  letzteren  aus  Lignoin  entstehen  würde,  die  Zusammensetzung  des  Chi- 
novaroths  aus  China  nova  darstellt.  Der  Kohlenwasserstoff  G20H20  endlich, 
welcher  auch  im  Chinin  anzunehmen  ist,  dürfte  nach  Hesse  gleichfalls 
einen  Zusammenhang  des  Lignoins  mit  den  eigenthümlichen  Stoffen  der 
China  andeuten. 

In  weit  weniger  energischer,  doch  nicht  genauer  untersuchter  Weise 
wird  die  China  von  Ammoniak  angegriffen.  Das  letztere  ist  daher  in  vielen 
Fällen  dem  Kali  bei  der  Herstellung  mikroskopischer  Schnitte  der  China- 
rinden vorzuziehen,  wo  es  sich  darum  handelt,  das  Gewebe  einigermassen 
von  färbenden  Stoffen  zu  befreien  (§  28). 

Die  Chinarinden  enthalten  Gerbstoff,  welcher  Eisenoxydsalze  hellgrün, 
oder  wenn  noch  andere  färbende  Stoffe  der  Rinden  mitwirken,  dunkler  grün 
bräunlich1)  fällt.  Diese  Chinagerbsäure  erzeugt  auch  in  Leimlösung 


1)  Dass  es  auch  Chiuariuden  mit  eiseub lau  ende  m Gerbstoffe  gebe,  kann  ich  nicht  be- 
stätigen. Die  falschen  Chinarinden  aber,  wenigstens  die  Ch.  noTa,  enthalten  weit  reichlicher 
Gerbstoff,  welcher  durch  Eisenchlorid  mit  intensiv  dunkel  schwarzgrüncr  Farbe  gefällt  wird. 


Cortices  Chinae.  § 42.  43. 


399 


einen  Niederschlag,  weicht  aber  in  ihrem  Verhalten  und  in  der  Zusammen- 
setzung (=0UH1609  Schwarz)  von  der  Gallusgerbsäure  ab.  Reich- 
hardt fand  in  Ch.  flava  fibrosa  1 pC.,  in  flacher  Calisaya  3x/3,  in  rühriger 
Calisaya  2 pC.  Gerbsäure,  Reichel  in  flava  fibrosa  (der  oben  § 6,  No.  6 
erwähnten  Tunita- Rinde)  3,8  pC.  Aus  dem  Bleisalze  abgeschieden  stellt 
die  Chinagerbsäure  nach  Schwarz  eine  hellgelbliche,  sehr  hygroskopische 
Masse  von  säuerlichem,  zugleich  herbem,  aber  nicht  bitterem  Geschmacke 
dar.  Obwohl  in  Aether  löslich,  kann  sie  durch  denselben  den  Rinden  nicht 
entzogen  werden,  vermuthlich  weil  sie  darin  nicht  in  freiem  Zustande  ent- 
halten ist.  Einen  ganz  verschiedenen  Körper  hat  Howard1)  unter  dem 
Namen  Chinagerbsäure  (cinchotannic  acid)  in  Händen  gehabt.  — Beim 
Erhitzen  der  Chinagerbsäure  auf  nur  100°,  beim  Eindampfen  ihrer  wässe- 
rigen Lösung,  besonders  nach  Zusatz  von  Säuren  oder  Alkalien  entstehen 
rothe  Produkte,  im  letzteren  Falle  unter  ganz  ausserordentlich  begieriger 
Aufnahme  von  Sauerstoff,  der  zum  grössten  Theil  Kohlensäure  bildet. 
Durch  Fällung  des  rothbraunen  ammoniakalischen  Chinaauszuges  mit  Säure 
wird  das  Chinaroth  erhalten,  trocken  eine  dunkelrothe  bis  braunrothe 
geruch-  und  geschmacklose  Masse,  die  sich  in  Aether,  Wasser  und  ver- 
dünnten Säuren  nicht  auflöst,  wohl  aber  in  Weingeist.  Die  ammoniakalische 
Lösung  des  Chinaroths  gibt  mit  den  Salzen  der  Erden  schöne  rothe  Lacke. 
Denkt  man  sich  mit  Schwarz  30-  zur  Oxydation  der  Chinagerbsäure  ver- 
wendet, so  entsteht  dadurch  Chinaroth  GI2H1407 

Kohlensäure  G2  04 
und  Wasser  H2  0 

Am  meisten  Chinaroth,  nämlich  4 pC.,  fand  Reichardt  in  Ch.  rubra; 
gleichwohl  erscheint  der  Gehalt  an  Gerbsäure  in  dieser  Sorte  (3,1  pC.) 
immer  noch  verhältnissmässig  hoch.  — Der  Oxydation  des  Gerbstoffes  ist 
die  mehrfach  (§  20)  erwähnte  Färbung  frisch  geschälter  Rinden  zuzu- 
schreiben, vielleicht  auch  die  der  Blätter  (§  3). 

Das  Chinaroth  (rouge  cinchonique)  wurde  zuerst  1810  von  Reuss  in 
Moskau  bemerkt.  Ob  in  dem  Chinagelb  von  Henry  u.  Plisson,2)  das 
sich  in  Wasser  und  Weingeist,  nicht  in  Aether  löst,  ein  anderer  Körper 
steckt  als  verändertes  Chlorophyll,  bleibt  noch  zu  ermitteln. 

§43. 

Die  älteste  Beobachtung,  welche  den  Chinarinden  eigentümliche 
oder  doch  für  dieselben  charakteristische  Bestandtheile  betrifft, 
geht  bis  1745  zurück,  wo  de  la  Garaye  einen  Salzabsatz  aus  China- 
extrakt wahrgenommen  hatte.3)  Herrn bstädt  erkannte  denselben  1785 


x)  N.  Quinol.  sub  C.  succirubra  pg.  22. 

2)  Gmclin,  Organ.  Chem.  IV.  1735. 

3)  Kopp,  Gesch.  d.  Chemie  IV.  406. 


400 


Rinden. 


als  Bankverbindung  einer  Säure,  deren  Eigentümlichkeit  1790  Hofmann 
darlegte  und  sie  Chinasäure  benannte. 

Vau quelin  bestimmte  1806  genauer  die  Eigenschaften , Liebig  die 
Zusammensetzung  der  Chinasäure:  O7Hl206;  Zwenger  u.  Siebert  er- 
mittelten ihre  Verbreitung  im  Kaffee,  in  Blättern  der  Ericaceen,  Aquifolia- 
ceen  und  einer  Reihe  anderer  Pflanzen.  Hlasiwetz  fand  sie  auch  in  der 
falschen  China,  der  sogenannten  China  nova d)  In  den  ächten  China- 
rinden, wo  sie  niemals  fehlt  und  hauptsächlich  die  saure  Reaction  der 
Auszüge  bedingt,  beträgt  die  Chinasäure  5—9  pC.  Sie  bildet  harte,  grosse, 
monoklinische  Krystalle,  löslich  in  2 »/,  Th.  Wasser,  auch  in  Weingeist, 
kaum  in  Aetlier. 

In  den  Rinden  der  Cinchonen  und  der  zunächst  verwandten  Rubiaceen 
findet  sich  ein  unkrystallisirbarer  Bitterstoff,  das  Chinovin*  in  nicht 
bedeutender  Menge.  1821  von  Pelletier  u.  Caventou  zuerst  als  acide 
quinovique  in  Ch.  nova  surinamensis1)  gefunden,  dann  von  andern  als 
Chinovabitter  oder  Cinchouabitter  bezeichnet,  wurde  dieser  Körper 
1859  von  Hlasiwetz  als  Glucosid  erkannt.  Nach  demselben  spaltet  sich 


das  Chiuoviu C3ÜH4S08 

in  alkoholischer  Lösung  durch  Salzsäure  in  Chinovasäure  O24H3804 
und  eine  schmierige  Zuckerart 06H120S, 


wobei  H20  aufgenommnn  wird.  Die  Chinovasäure  tritt  in  rhombischen 
Blättchen  auf  und  ist  von  schwach  aber  unzweifelhaft  saurer  Natur,  welche 
bei  dem  Chinovin2)  kaum  augedeutet  ist.  Letzteres  löst  sich  in  Chloroform, 
das  Spaltungsprodukt  nicht,  beide  drehen  die  Polarisationsebene  nach  rechts. 
Das  Chinovin,  gemengt  mit  Chinovasäure,  ist  in  den  Cinchonen  nicht  auf 
die  Rinden  beschränkt,  sondern  in  allen  ihren  Theilen  verbreitet.  DeVrij 
fand  in  getrockneten  Blättern  von  in  Indien  cultivirten  Cinchonen  V4 — 2 pC. 
in  der  Stammriude  Va — 1,4,  in  der  Wurzelrinde  1 pC.  Chinovin,  das  Maxi- 
mum mit  272  pC.  aber  im  Holze  der  Wurzel.  Auch  Reichardt  erhielt  aus 
Huanuco-Rinde  l3/4  pC. ; ebensoviel  Reichel  aus  Ch.  flava  fibrosa. 

Ob  es  Chinarinden  gibt,  welchen  dieser  Bitterstoff  fehlt,  bedarf  noch 
des  Nachweises.  DeVrij  hält  es  für  wahrscheinlich,  dass  zwischen  dem 
Chinovin  und  den  Alkaloiden  ein  vermuthlicli  durch  das  atmosphärische 
Ammoniak  vermittelter  genetischer  Zusammenhang  bestehe.  Ersterem 
scheinen  auch  die  fieberwidrigen  Wirkungen  nicht  ganz  abzugeheu. 


P Als  China  nova  surinamensis  wnrdc  zu  Anfang  des  Jahrhunderts  massenhaft  und 
auch  seither  noch  bisweilen  die  Rindevon  Ladenbergia  magnifolia  Kl.  (Cinch.  Pavon;  Oasca- 
rilla  Endl.)  aus  Neu-Granüda,  nicht  aus  Surinam,  cingefiihrt.  Durch  den  Mangel  an  Alkaloid 
und  in  anatomischer  Hinsicht  (§  29)  unterscheidet  sie  sich  von  ächten  Chinarinden  auf  das 
bestimmteste.  Auch  noch  andere  Rinden  wurden  mit  dem  jetzt  gänzlich  bedeutungslosen 
Namen  China  nova  belegt. 

2)  Chinasäure  von  Pelletier  u.  Caventou  und  andern  Chemikern.  — Fernere  Bezie- 

hungen dieses  Körpers  sind  unter  Rad.  Caincae  uud  R.  Sapon&riae  angeführt. 


Cortices  Cliinae.  § 44. 


401 


§44. 

Zur  Auffindung  der  wirksamen  Stoffe  der  Chinarinden  wurden  schon 
im  vorigen  Jahrhundert  Versuche  gemacht,  allein  Gomez  in  Lissabon  war 
der  erste,  welchem  1811  die  annähernde  Reindarstellung  der  Alkaloide 
gelang.  Er  löste  weingeistiges  Chinaextract  in  Wasser  und  fällte  mit  Kali 
einen  nach  seiner  Meinung  indifferenten  Körper,  den  er  aus  Alkohol  um- 
krystallisirte  und  Cinchonin  nannte.  Die  basische  Natur  dieses  Präparates 
wurde  zuerst  von  Houtou-Labillar di&re  im  Thenard’schen  Labora- 
toriumwahrgenommen und  Pelletier  u.  Caventou  mitgetheilt.1)  Diesen 
Chemikern,  geleitet  von  Sertürners  glänzender  Entdeckung  (siehe 
S.  52),  verdanken  wir  die  genauere  Bekanntschaft  mit  dem  Gomez’schen 
Cinchonin  und  den  Nachweis  (1820),  dass  darin  zwei  basische  Stoffe, 
Chinin  und  Cinchonin,  enthalten  sind,  welchen  die  therapeutischen 
Wirkungen  der  China  zukommen.  Das  erstere  ist  es,  welches  fast  aus- 
schliesslich den  Werth  der  Chinarinden  bedingt. 

Lufttrocken  bestehen  die  feinen  vierseitigen,  bei  57°  schmelzbaren 
Prismen  des  Chinins  aus  C30H24N2G2-|- 3H20.  Bei  100°  oder  über 
Schwefelsäure  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  entweicht  das  Krystall- 
wasser  und  lässt  (bei  177°  C.  schmelzendes)  wasserfreies  Alkaloid  zurück. 
Dieses  löst  sich  in  ungefähr  400  Theilen  Wasser  von  gewöhnlicher  Tempe- 
ratur zu  einer  sehr  bitteren,  alkalisch  reagirenden  Flüssigkeit,  in  60 2)  Th. 
Aether,  weit  leichter  in  Chloroform  und  Alkohol.  Mit  Säuren  bildet  das 
Chinin  meist  krystallisirbare  bittere  Salze,  und  zwar  sowohl  einfach  saure 
(sogenannte  basische)  als  solche  mit  zwei  Aeq.  Säure  (saure  Salze).  Die 
letzteren  zeichnen  sich  aus  durch  die  Fluorescenz  ihrer  Lösungen,  welche 
z.  B.  am  Sulfat  noch  bei  nur  Vioo,ooo  Gehalt  an  Salz  wahrnehmbar  ist. 
Chininlösungen  drehen  die  Rotationsebene  des  Lichtes  nach  links.  Das 
Chinin  gehört  zu  den  tertiären  Diaminbasen.  Versetzt  man  Chininlösungen, 
zumal  die  ätherische,  mit  Chlorwasser  und  hierauf  mit  Ammoniak,  so  erhält 
man  eine  schön  grüne  Färbung.  In  Seignettesalz  - Lösung  ist  Chininsulfat 
nicht,  in  Glaubersalz  nur  sehr  wenig  löslich. 

Die  ziemlich  leichte  Löslichkeit  des  Chinins  in  Aether  und  das  verschie- 
dene Aussehen  seiner  Salze  hatte  die  Entdecker  darauf  geführt,  diese  aus 
gelber  China  dargestellte  Base  zu  unterscheiden  von  dem  unmittelbar  vor- 
her aus  der  grauen  China  gewonnenen  Alkaloid , welchem  sie  den  Namen 
Cinchonin  Hessen. 

Das  Cinchonin  bildet  kein  Hydrat,  sondern  krystallisirt  in  monoklinischen 
Nadeln  von  der  Formel  G20H24N2O,  welche  bei  150—160°  unzersetzt 
schmelzen  und  sich  nun  zum  Theil  sogar  sublimiren.  Zur  Lösung  bedarf 
das  Cinchonin  bei  20°  3670  Th.  Wasser,  3703)  Th.  Aether  und  20  Chlo- 


0 Ann.  de  Chim.  et  de  Phys.  XV.  (1820)  292. 

2)  nach  van  der  Bnrg  (1866)  lösen  schon  23  Th.  Aether  1 Th.  Chinin. 

3)  2118  van  der  B nrg  (1866). 

I1  lückiger,  Pharmakognosie. 


26 


402 


Rinden. 


roform;  es  bläut  Lakrnus  und  schmeckt  schwach  bitter.  Auch  vom  Cin- 
chonin kennt  mau  normale  und  saure  Salze  von  bitterem  Geschmacke, 
deren  Lösungen  aber  keine  Fluorescenz  zeigen  und  rechts  rotiren.  Im 
Gegensätze  zu  den  andern  Chinabasen  und  besonders  zum  Chinin  löst  sich 
das  Cinchonin  so  gut  wie  gar  nicht  in  Ammoniak.  Das  neutrale,  krystalli- 
sirte  Cinchonin-Tartrat  löst  sich  bei  16°  C.  schon  in  33  Th.  Wasser. 

Strecker  hat  durch  Einführung  von  0-  in  das  Molecül  des  Cinchonins 
eine  Base  von  der  Zusammensetzung  des  Chinins  dargestellt,  deren  Eigen- 
schaften aber  so  von  denen  der  letzteren  abwichen,  dass  er  sie  als  Oxy- 
cinchonin  bezeichnete. 


§ 45. 

Aus  gelben  Chinarinden  erhielten  Henry  u.  Delondre  1833  ein  neues 
Alkaloid,  das  Chinidin1)  von  der  Zusammensetzung  des  Chinins,  aber 
gewöhnlich  mit  2H20  in  verwitternden  Nadeln  krystallisirend.  Wasserfrei 
schmilzt  es  bei  160°,  löst  sich  in  1500  Th.  kalten  und  750  kochenden 
Wassers,  in  80  — 90  Aether,  45  Th.  absoluten  Alkohols  bei  8°  und  in 
3,7  Th.  kochenden  Alkohols.  Die  Lösungen  der  sauren  Chinidinsalze 
schillern  wie  die  des  Chinins,  schmecken  sehr  bitter  und  besitzen  ein  noch 
stärkeres  Drehungsvermögen  nach  rechts2)  als  selbst  die  Chiniusalze.  Die 
grüne  Färbung  durch  Chlor  und  Ammoniak  kömmt  dem  Chinidin  gleich- 
falls zu,  dagegen  löst  sich  sein  Sulfat  in  wässerigem  Seignettesalz  oder 
Glaubersalz. 

Das  Chinidin  herrscht  häufig  vor  in  den  Pitayo-Rinden  und  scheint  in 
nächster  Beziehung  zum  Cinchonin  zu  stehen. 

Das  Cinchonidin  im  Sinne  Pasteur’s  wurde  1847  von  Winckler 
entdeckt.3)  Aus  Alkohol  krystallisirt  es  in  grossen  Prismen  von  der 
Zusammensetzung  des  Cinchonins,  welche  nach  Hesse  bei  206,5°  C. 
schmelzen  und  bei  10°  zur  Lösung  1680  Th.  Wasser,  19,7  Weingeist 
(80  pC.)  und  76  Aether  bedürfen.  Die  bitter  schmeckenden  Lösungen 
drehen  die  Polarisationsebene  des  Lichtes  nach  links  und  schillern  auch 
bei  überschüssiger  Säure  kaum.  In  Chlorwasser  gelöstes  Cinchonidinsalz 
wird  durch  Ammoniak  nicht  verändert.  Das  neutrale  Weinsäuresalz  löst 
sich  erst  in  1200  Th.  Wasser,  gar  nicht  in  Seignettesalzlösung,  in  kochendem 
Wasser  nur  schwierig.  Auch  das  Sulfat  ist  in  Seignettesalz  nicht  löslich, 
wohl  aber  in  Glaubersalz.  Dieses  Verhalten  dient  daher  nach  Hesse  am 
besten  zur  Reindarstellung  des  Cinchonidins.  Es  findet  sich  neben  Chinin 
und  Cinchonin  in  vielen  Chinarinden,  besonders  in  den  columbischen. 


1)  so  nennt  es  Pasteur;  es  ist  das  Betachinin  vanHeijningen’s  und  Kochs, 
Cinchotin  nach  Hlasiwetz,  Conchinin  nach  Hesse. 

2)  links  nach  andern  Angaben , welche  das  ursprüngliche  Alkaloid  der  Entdecker 
betroffen  (?) 

3)  aber  Chinidin  genannt;  ebenso  von  Loors,  Hesse  u.  a. 


Cortices  Chinae.  § 46. 


403 


§46. 

Während  Cinchonin  und  Cinchonidin  der  Formel  G2oH  4N  -0-, 

Chinin  sowie  Chinidin  „ „ G20H24N* 2G2 

entsprechen,  behauptet  die  1856  von  Wittstein  als 
Cinchonidin  bezeichnete  Base  von  der  Zusammen- 
setzung G18H20NG 

eine  unverkennbare  Beziehung  zu  den  ersteren.  Witt  stein  entdeckte  sie 
in  der  sogenannten  China  rubra  von  Mutis,  Ch.  rubra  granatensis  nach 
Wiggers,1)  welche  davon  2V4  pC.  aber  weder  Chinin  noch  Cinchonin 
gab.  Das  neutrale  Chlorhydrat  dieses  Cinchonidins  krystallisirt  mit  7 H“  0 
und  ist  in  10  Th.  Aetlier  löslich;  das  entsprechende  Salz  des  Pasteur- 
schen soeben  erwähnten  Cinchonidins  nur  mit  1 Mol.  H2G  krystallisirend, 
erheischt  325  Th.  Aether  zur  Auflösung.  Die  reine  Wittstein  sehe  Base 
verlangt  400  Th.  Aether  zur  Lösung.  Wiggers  schlägt  für  dieselbe  den 
treffenden  Namen  Paltochin  vor;  Howard  hat  sie  später  auch  in  C.  peru- 
viana und  nitida  aufgefunden,  begleitet  von  Chinin.  — De  Vrij  hält  das 
„Paltochin“  für  unreines  Cinchonidin.  Weit  beträchtlicher  ist  die  Abwei- 
chung, welche  die  Formel  des  Aricins:2)  G23H2SN2-G4  darbietet.  Pel- 
letier u.  Coriol  trafen  1828  dasselbe  in  einer  über  Arica  ausgeführten 
brennend  bitter  schmeckenden  Rinde,3)  Leverköhn  gleichzeitig  in  einer 
sogenannten  Cuscorinde  und  endlich  Manzini  1842  in  der  blassen  Jaen- 
China  (§  38).  Die  wasserfreien  Krystalle  des  Aricins  schmelzen  bei  188° 
und  lösen  sich  in  Aether.  Das  neutrale  Sulfat  erstarrt  in  verdünnter  Lösung 
beim  Erkalten  gallertartig.  Merkwürdigerweise  ist  das  Aricin  isomer  mit 
Brucin.  Howard  traf  neuerdings  das  Aricin  auch  in  der  Rinde  von 
C.  micrantha,  welche  unten  (§  48)  erwähnt  wird,  sowie  in  der  Pseudo- 
Loxa  oder  Jaen  nigricans  (von  C.  villosa)  und  einigen  anderen.  Schoon- 
broodt  will  (1862)  das  Aricin  durch  Synthese  aus  Chinasäure  erhalten 
haben. 

In  der  merkwürdigen  China  aus  Para  (oben  § 40)  fand  Winckler  ein 
amorphes,  gelbliches,  in  Aether  leicht  lösliches  Alkaloid,  das  P aricin, 
welches  er  neuerdings  (1865)  für  identisch  hält  mit  Bebirin  GWH21NG3 
aus  der  Bebiru- Rinde  von  Nectandra  Rodiaei  (Laurineae)  und  auch  in 
China  Jaen  pallida  wiederfindet.  Es  wäre  demnach  isomer  mit  Thebain. 

Geringe  Abweichungen  im  Verhalten  der  eigentlichen  Chinabasen  deuten 
schon  jetzt  darauf,  dass  sich  ihre  Zahl  wohl  noch  vermehren  wird. 

Mit  dem  Namen  Chinoidin  hatte  schon  Sertürner  (1828)  ein 
unkrystallisirbares  basisches  Chinapräparat  belegt,  welches  seither  als 


*)  nach  Howard  von  Cinchona  Palton , welcher  Ableitung  ich  nach  mikroskopischer 
Vergleichung  authentischer  Stücke  der  Wittstein’schen  Rinde  mit  Proben  von  Howard  bei- 
stimme. — Vergl.  dagegen  Berg  S.  18  n.  36. 

a)  Leverköhn’s  Cusconin,  Manzini’s  Cinchovatin. 

3)  wahrscheinlich  von  Cinchona  lutea;  vielleicht  die  gelbe  Cuscorinde  von  DB. 

26  * 


404 


Rinden. 


dunkelbraune,  bittere,  spröde,  in  der  Wanne  erweichende  Masse  von  schwach 
alkalischer  Reaction  in  den  Haudel  gelaugt  und  meist  durch  Fällen  von 
braunen  Mutterlaugen  vermittelst  Ammoniak  in  den  Chininfabriken  ge- 
wannen wird.  Je  nach  der  Art  der  verarbeiteten  Rinden  muss  daher  ein  ab- 
weichendes Chinoi'din  erhalten  werden.  In  der  That  sind  darin  auch  die 
verschiedenen  oben  beschriebenen  Alkaloide  gefunden  worden;  der  Haupt- 
sache nach  aber  besteht  das  Präparat  aus  veränderten  Basen,  begleitet  von 
stickstofffreien  Zersetzungsprodukten,  ohne  ein  besonderes  Alkaloid.  Die 
Salze  des  Chinins  und  wohl  auch  anderer  Chiuabasen  nämlich  werden 
schon  durch  das  Sounenlicht  bräunlich  gefärbt  und  zersetzt,  indem  die 
Basen  in  amorphe  Modificationen  übergehen  zu  könuen  scheinen.  Derartige 
Veränderungen,  welche  allerdings  noch  nicht  genügend  aufgeklärt  sind, 
■werden  ohne  Zweifel  schon  im  Walde  durch  unzweckmässige  Behandlung 
der  Rinden  (§  15  oben)  hervorgerufen,  aber  auch  durch  den  Einfluss  der 
Wärme  bei  der  fabrikmässigen  Bearbeitung  derselben.  Darauf  beruht  die 
Entstehung  des  sogenannten  Chinoi'dins. 

Hiermit  nicht  zu  verwechseln  ist  ein  Extract,  das  vermittelst  Weingeist 
unter  Zusatz  von  Kalk  aus  Chinarinden  gewonnen  wird  und  somit  ein 
Gemenge  der  Basen  mit  Chinovin,  Chinaroth  und  anderen  Stoffen  sein 
muss.  Die  Franzosen  haben  versucht,  dieses  Quinivm  oder  Chinium  mit 
einem  Gehalte  von  annähernd  20  pC.  Chinin  und  10  pC.  Cinchonin  in  den 
Arzneischatz  einzuführen,  und  ein  entsprechendes  hellgelbes,  sehr  chinin- 
reiches Präparat  scheint  unter  dem  Namen  Quinio  in  Bolivia  (La  Paz) 
bekannt  zu  sein. 

§47. 

Die  Menge  der  Alkaloide,  welche  die  Chinarinden  enthalten,  unter- 
liegt bedeutenden  Schwankungen.  Karsten1)  verfolgte  dieselben  z.  B.  bei 
Cinchona  corymbosa,  deren  Stämme  von  den  höchsten  der  oben  (S.  351) 
angegebenen  Staudorte  durchaus  kein  Chinin  enthielten.  An  anderen 
Punkten  dieser  Gegend  gewachsene  Rinden  ergaben  % pC.  Chinin  und  die- 
jenigen aus  der  mittleren  Höhenregion , welche  diese  schöne  Art  bewohnt, 
iy4 — 3‘/2pC.  Chininsulfat.  — Cinchona  lancifolia,  in  der  Nähe  von  Bogota, 
einem  und  demselben  Bergrücken  entnommen,  lieferte  in  ihren  Zweigrinden 
kein  Chinin  oder  nur  unbedeutende  Spuren,  von  einer  audereu  Stelle  geholte 
(Stamm-)  Rinde  2,  sogar  4 Vs  pC.  Chininsulfat. 

Nicht  geringere  Schwankungen  hat  deVrij2)  bei  Ciuchonen  uach- 
gewiesen,  welche  auf  Java  gezogen  waren.  Calisaya-Stämme  von  7 Jahren 
gaben  0,64  pC.,  6V2jährige  von  einer  anderen  Pflanzung  5 pC.  Alkaloide 
im  ganzen.  C.  lancifolia  (nach  § 61  aus  Neu- Granada  eingefiihrt)  lieferte 
auf  Java  Stammrinde  mit  einem  Gehalte  von  4,1  pC.  Alkaloid,  nicht  Sulfat. 


!)  S.  20  u.  39. 

2)  Pharm.  Journ.  and  Transact.  VI.  16. 


Cortices  Chiüae.  § 47.  48.  49. 


405 


Cinchona  Pahudiana  (§  61)  in  4jähriger  Stammrinde  V2  pC.,  in  öjähriger 
Spuren,  in  anderer  734  Jahre  alter  Stammrinde  1,2  pC. 

Pitayo-  China  gibt  gewöhnlich  2 — 3 pC.  Sulfate  von  Chinin  und  Cin- 
chonin, Howard1)  erhielt  jedoch  aus  Stammrinde  von  Cinchona  pitayensis, 
welche  bei  Popayan  gesammelt  worden,  nicht  weniger  als  8,6  pC.  in  Aether 
löslicher  Alkaloide.  Doch  ist  es  nicht  unmöglich,  dass  die  untersuchte 
Probe  der  Wurzel  entnommen  war. 

Diese  Befunde,  welche  sich  noch  um  viele  vermehren  Hessen,  führen 
mit  Noth wendigkeit  zu  der  Annahme,  dass  Bodenverhältnisse,  klimatische 
Bedingungen  oder  vielleicht  mehr  noch  die  Exposition  den  grössten  Einfluss 
auf  die  Ausbildung  der  Alkaloide  ausüben  und  dass  von  einem  einiger- 
massen  beständigen  Gehalte  bei  einer  gegebenen  Cinchone  nur  sehr  bedingt 
die  Bede  sein  kann,  obwohl  vielleicht  einige  Arten  frei  von  Basen  und 
andere  (z.  B.  C.  cordifolia)  durchgängig  arm  daran  bleiben. 

§48. 

Eine  merkwürdige  schon  früher  beobachtete  hierher  gehörige  Thatsache 
ist  neuerdings2)  wieder  von  Howard  bekräftigt  worden.  Von  der  Rinde 
eines  beinahe  3V2  Jahre  alten  Stammes  der  C.  succirubra,  cultivirt  in 
Utacamund  auf  der  Malabarküste  (§  62)  erhielt  er  2,4  pC.  Alkaloid- 
sulfate, von  einem  gleich  alten  Stamme  derselben  Pflanzung,  welcher 
(nach  § 17)  mit  Moos  behandelt  worden  war,  aber  volle  6 pC.  Sulfate. 
Borke  eines  Baumes,  worin  de  Vrij  8,4  pC.  reine  Alkaloide  gefunden, 
hatte  sich  nach  zwei  Jahren  erneuert  und  lieferte  nun,  derselben  Stelle  wie 
früher  entnommen,  bereits  wieder  5pC.  Sulfate  (Howard).  C.  micrautha, 
in  erwähnter  Weise  mit  Moos  behandelt,  gab  ira  Alter  von  beinahe  2 V2 
Jahren  5,8  pC.  Sulfate,  ohne  diese  Behandlung  nur  1%  pC.  — Aehnlich 
bei  C.  succirubra,  von  welcher  ich  junge  Zweigrinden  aus  Hakgalla  (Ceylon) 
Howard  verdanke.  Bei  einer  Dicke  von  3“m  nach  dem  Aufweichen  finde 
ich  an  den  mit  Moos  behandelten  Stücken  (,.mossed  bark“)  nur  eine  reich- 
lichere Entwickelung  des  Korkes.  Dürfte  man  auf  diese  Beobachtung  allein 
schon  einen  Schluss  gründen , so  schiene  demnach  die  in  chemischer  Hin- 
sicht so  folgenreiche  Moosbedeckung  („mossing“  der  Engländer)  von 
keinen  erheblichen  anatomischen  Veränderungen  begleitet  zu  sein. 

§ 49. 

Von  nicht  geringerem  Einflüsse  auf  die  Gesammtmenge  der  Alkaloide 
erweist  sich  das  Alter  der  Rinden.  Mit  fortschreitendem  Wachsthum  stellt 
sich  eine,  wenn  auch  nicht  unbedingte  Zunahme  heraus.  Wenige  von 
de  Vrij  auf  Java  ermittelte  Beispiele  mögen  genügen.  Er  bestimmte  die 
procentische  Menge  der  Alkaloide 


A)  Ph.  J.  and  Tr.  VI.  pg.  49  et  VII,  121. 

2)  ibid.  VII.  (1866)  419. 


406 


Rinden. 


in  der  Astrinde  St&mmrinde 


desselben  Baumes 

von 

C.  Calisaya  zu  . 

. 2,60 

5,00 

eines  andern  „ 

??  95  >5  * 

. . 1,04 

3,44 

„ dritten  „ 

” 9?  5?  • 

. 0,05 

1,19 

„ Baumes 

C.  lancifolia  „ . 

. 0,18 

4,13; 

ferner  gab  C.  Calisaya  in  einer  2y2jährigen  Stammrinde  aus  Utacamund 
nur  0,70  pC.  Sulfate,  während  der  Betrag  der  reineu  Alkaloide  desselben 
Baumes  bei  7 jährigen  Stämmen  auf  Java  schon  5 pC.  erreicht  hat.  Aller- 
dings ist  es  nicht  möglich , in  diesem  Falle  die  Wirkung  des  so  verschie- 
denen Standortes  zu  trennen  von  dem  Einflüsse  der  Altersstufe;  beide 
Faktoren  mögen  sich  im  allgemeinen  vielfach  kreuzen,  wenn  alle  übrigen 
Bedingungen  gleich  bleiben. 

Aus  den  zahllosen  Analysen  der  verschiedenartigsten  Chinarinden  tritt 
unzweifelhaft  die  Thatsache  entgegen,  dass  die  Alkaloidbildung  erst  in  einer 
gewissen  Altersstufe  eintritt  und  die  Zweig-  und  Astrinden  durchgängig 
ärmer  sind  als  die  Stammrinden  und  unter  diesen  wieder  die  älteren  stär- 
keren mit  vorwaltendem  Baste  alkaloidreicher.  Es  muss  eine  höchst  dankens- 
werthe  Aufgabe  der  Chinapflanzungen  in  Indien  werden,  den  Gang  dieses 
chemischen  Processes  wenigstens  für  einige  der  wichtigsten  Cinchonen  fest- 
zustellen. Auf  Mar  kham’s  Anregung  hin  hat  die  englische  Regierung  ganz 
kürzlich  deVrij  mit  diesem  viel  versprechenden  Auftrage*nach  ihren  aus- 
gedehnten dortigen  Chinapflanzungen  gesandt. 

Es  erscheint  schon  jetzt  keineswegs  als  eine  übertriebene  Erwartung, 
wenn  sich  die  Engländer  von  der  Cultur  eine  Vermehrung  des  Alkaloi'd- 
gehaltes  im  allgemeinen,  ja  sogar  auch  noch  eine  relative  Zunahme  der 
heilkräftigsten  Base,  des  Chinins,  im  besonderen  versprechen.1) 

§ 50. 

In  Betreff  des  Alkaloidgehaltes  begegnen  wir  aber  nicht  nur  quanti- 
tativen, sondern  mehr  noch  qualitativen  Schwankungen,  und  zwar  eben- 
falls innerhalb  einer  und  derselben  Art.  Als  allgemeine  Wahrnehmung  lässt 
sich  der  Satz  festhalten,  dass  in  jüngeren  Rinden  Cinchonin  (nebst  Chinidin) 
verhältnissmässig  vorwaltet  und  in  älteren  Chinin , in  den  meisten  Fällen 
von  Cinchonidin  begleitet. 

Als  Ergebniss  grossartigen  Fabrikbetriebes  finden  wir  nach  Delondre 
die  Ausbeute  an  Procenten  von  Chininsulfat  Cinchoninsulfat 

bei  rühriger  Calisaya  zu  1,5  bis  2,0  0,8  bis  1,0 

in  flacher  „ „ 3,0  bis  3,2 2)  0,0  bis  0,8. 

Bidtel  erhielt  (1854)  aus  authentischer  von  Ruiz  herrührender  Rinde 
der  C.  lancifolia: 


*)  Blaubuch  1866.  161. 

2)  nach  Howard  ist  diese  Durchschnittszahl  zu  tief  gegriffen ; er  gewann  von  ausgesuchter 
Calisaya  bis  7 und  8 pC.  Chininsulfat. 


Cortices  Chinae.  § 50.  51. 


407 


Chinin  Cinchonin 

von  den  dünnen  Zweigen  1,0  1,9 

„ „ starken  Aesten  . 1,3  2,3 

„ dem  Stamme  ....  2,7  0,3. 

In  authentischen  Astrinden  der  C.  nitida  fand  Howard1)  gar  kein 
Chinin  und  Chinidin,  sondern  nur  2 pC.  Cinchonin. 

In  derselben  Richtung  legen  auch  de  Yrij’s  Analysen  ostindischer 
Rinden  Zeugniss  ab.  Ein  und  derselbe  Calisaya-Baum  z.  B.  lieferte  aus 

der  Astrinde  . . 1,18  pC.  Chinin  und  0,98  Cinchonin 
aus  Stammrinde  3,14  „ » „ 1546  „ 


Jedoch  fehlt  es  auch  nicht  an  Thatsachen  im  entgegengesetzten  Sinne. 
Reichel2)  z.  B.  untersuchte  Rinde  von  C.  lancifolia,  einem  und  demselben 
Baume  unweit  Bogota  von  Warszewicz  entnommen,  und  fand 


in  der  Rinde  schwacher  Aeste 
starker  „ 
des  Stammes  . . 


5?  77 

77  T> 


77 

77 


Chinin 

Chinidin 

' v ' 

Cinchonin 

0,3 

0,4 

0,2] 

0,4 

0,6 

0,8  \ 

0,1 

0,2 

0,5- j 

pC. 


In  Zweigrinden  von  C.  Uritusinga  traf  Howard3)  bereits  2 pG.  Chinin, 
während  die  übrigen  Basen  zusammen  nicht  so  viel  betiugen. 

Welcher  qualitativer  Veränderungen  der  Alkaloi’dgehalt  einer  Art  duich 
den  Einfluss  der  Cultur  fähig  ist,  zeigt  eine  von  Ho  w ard 4)  untersuchte 
2 V2 jährige  C.  micrantha  aus  ütacamund,  welche  fast  nur  Chinidin  und 
Spuren  von  Cinchonin  neben  etwas  Aricin  enthielt,  während  dieselbe  Art 
in  ihrem  Yaterlaude  (Huanuco)  als  eine  ganz  vorzugsweise  Cinchoninhaltige 
Rinde  bekannt  ist. 

In  der  rothen  China  aus  Ecuador  pflegt  das  Chinin  meist  vorzuwalten, 
in  ütacamund  cultivirte  C.  succirubra  jedoch  ergab  einmal  1,8  pC.  Cin- 
chonin neben  0,9  in  Aether  löslicher  Alkaloide  (Chinin  und  Cinchonidin). 


§ 51. 

Es  ist  nach  den  wenigen , aber  schlagenden  analytischen  Ergebnissen, 
welche  hier  zusammengestellt  sind,  einleuchtend,  dass  äussere  Merkmale  mit 
Einschluss  der  histologischen  Verhältnisse  nur  sehr  ungefähre  Anhaltspunkte 
zur  chemischen  Beurtheilung  der  Chinarinden  gewähren.  Wenn  wir  es  auf- 
geben müssen,  für  eine  und  dieselbe  Cinchona  einen  beständigen  Durchschnitts- 


*)  ad  C.  nitid.  3.  * 

2)  Ueber  Chinarinden  etc.  S.  47. 

3)  N.  Quinol.  ad  C.  Uritusing.  3. 

4)  Ph.  J.  and  Transact.  VII.  420. 


408 


Rinden. 


Sehalt  auszumitteln , so  gilt  das  in  noch  weit  höherem  Grade  von  den 
Handelssorten,  deren  Werthbestimmung  der  chemischen  Analyse  zufällt, 
indem  zwischen  gänzlichem  Mangel  au  Basen,  wie  ihn  allzu  junge  Rinden 
darbieten  und  dem  bis  jetzt  beobachteten  Maximum  von  8,6  pC.  (§  47)  in 
Quantität  und  Qualität  zahlreiche  Abstufungen  Vorkommen. 

Für  die  wenigen  officinellen  Rindensorten,  welche  oben  hervorgehoben 
wurden,  können  die  nachstehenden  Durchschnittszahlen  als  der  praktischen 
Erfahrung  einigermassen  entsprechend,  aufgestellt  werden.  An  Alkaloiden 
(nicht  Sulfaten1))  pflegt  enthalten  zu  sein  in  Procenten: 


Chinin 

Chinidin 

Cinchonin 

in  flacher  Calisaya 

2—4 

0,6 

0,4— 0,6 

„ Huanuco  .... 

0,1— 0,3 

0,6— 1,2 

1/0X3/ 

0,1— 0,6 

0,4— 0,8 

„ flach,  roth.  China 

1,5— 2,6 

0,6— 2,0 

und  aus  der  Reihe  nicht  officineller  gut  charakterisirter  Handelssorten 

ungefähr : 

Chinin 

Chinidin 

Cinchonin 

China  flava  dura  . . . 

0,05—0,7 

0,5 

0,1— 0,4 

„ „ fibrosa  . . 

0,7— 1,5 

0,2 

„ rubra  in  Röhren 

1,0— 1,4 

0,4 

0,5— 1,0 

„ Jaen  (pallida)  . 

0,5— 0,7 

0,3— 0,6 

„ Pitayo 

2—8 

1 

Wie  wenig  jedoch  diese  Zahlen  auf  allgemeine  Gültigkeit  Anspruch 
haben,  ist  genügend  erörtert  worden. 

§ 52. 

Ausser  den  oberirdischen  Rinden  der  Cinchonen  sind  in  neuester  Zeit 
auch  schon  gelegentlich  Wurzelrinden  im  Handel  erschienen.  Diese  so- 
wie auch  die  übrigen  Organe  der  Chinapflanzen  müssen  nothwendig  in  den 
Kreis  der  Betrachtung  gezogen  werden,  um  eine  tiefere  Einsicht  in  den 
chemischen  Haushalt  dieser  wichtigen  Gattung  zu  begründen. 

Ueber  den  Bau  der  Wurzelrinden  liegen  nur  von  C.  Calisaya  die  oben 
(§  31)  angeführten  Beobachtungen  vor,  in  Betreff  des  chemischen  Gehaltes 
hingegen  sind  unsere  Kenntnisse  bereits  durch  de  Vrij  und  durch  Howard 
beträchtlich  erweitert  worden.  Auch  Weddell2)  hatte  schon  auf  die 
Bitterkeit  der  Wurzelrinde  besonders  seiner  C.  Josephiana  aufmerksam 


J)  es  ist  za  bedauern,  dass  der  Gehalt  der  Chinarinden  so  off  in  Sulfaten  angegeben 
wird , da  diese  Salze  je  nach  der  Darstellung  von  verschiedener  Zusammensetzung  ausfallen 
müssen. 

2)  S.  21.  35. 


Cortices  Chinae.  § 52.  53. 


409 


gemacht  und  sie  im  Baue  mit  Calisayarinde  übereinstimmend  gefunden. 
Howard1)  traf  1864  und  früher  die  meisten  Zufuhren  bolivianischer  Cali- 
saya mit  leicht  kenntlichen  gekrümmten  Stücken  der  Wurzelrinde  gemengt. 
Die  Häute  (Suronen),  welche  solche  Waare  enthielten,  fanden  sich  oft  durch 
ein  aufgebrauntes  X besonders  bezeichnet.  Die  Wurzelrinde  lieferte  in  aus- 
gesuchten Stücken  nur  ungefähr  VipC.  Chinin  und  doppelt  so  viel  Chinidin, 
also  an  ersterer  Base  zehnmal  weniger  als  gute  Stammrinde.  Allein  schon 
in  demselben  Jahre  fand  deVrij2)  bei  seinem  Besuche  der  englischen 
Pflanzungen  auf  Ceylon  und  in  den  Nilagiris  die  Rinden  der  Wurzeln  von 
C.  Calisaya,  micrantha,  Pahudiana  und  succirubra  bei  weitem  alkaloid- 
reicher als  diejenigen  ihrer  Stämme.  Für  Calisaya  und  lancifolia  bestätigte 
die  Untersuchung  javanischer  Rinden  dieses  Yerhältniss  nicht  durchgängig, 
im  höchsten  Grade  aber  fand  es  sich  wieder  ausgeprägt  bei  C.  Pahudiana 
aus  Java.  Ein  3 7*  Jahre  altes  Bäumchen  zeigte  in  der  Wurzelrinde  1,9, 
in  der  Stammrinde  0,09  pC.  Alkaloid,  vorwiegend  Chinin,  und  100  Bäum- 
chen von  2V2  Jahren  durchschnittlich  2V3  pC.  in  der  Wurzelriude,  während 
der  Stamm  gar  keine  Basen  ergab.  Ein  4V2jähriges  Bäumchen,  5m  hoch 
und  am  Grunde  gegen  0,06m  dick,  in  2000m  Meereshöhe,  an  schattenlosem 
Standorte  gewachsen,  gab  in  Wurzelrinde  4,2,  in  der  Stammrinde  0,46  pC. 
Alkaloid.  Freilich  soll  Mul  der3)  im  Stammbaste  einer  achtjährigen  C.  Pahu- 
diana auch  3 pC.  Chinin  nachgewiesen  haben.  Die  Verhandlungen  über  den 
Werth  dieser  auf  Java  voreilig  so  ausserordentlich  stark  vermehrten  Art 
sind  mit  vieler  Bitterkeit  geführt  worden  und  die  Regierung  soll  weiterer 
Vermehrung  derselben  Einhalt  gethan  haben.4) 

Die  Wurzelrinde  von  C.  pitayensis  scheint  wenigstens  bei  jüngeren 
Bäumen  reicher  zu  sein  als  die  der  Stämme,  wie  denn  überhaupt  diese  Art 
vielleicht  die  allerwerthvollste  ist. 


§ 53. 

Das  fast  ganz  geschmacklose  Holz  enthält  Spuren  der  Basen5)  neben 
viel  Chinovin  (vergl.  oben  § 43) ; es  ist  übrigens  zu  technischer  Verwen- 
dung nicht  brauchbar. 

Die  Blätter  der  Cinchonen  schmecken  säuerlich  bitter  und  riechen 
auch  trocken  noch  theeähnlich.  Ein  unbedeutender  Gehalt  derselben  an 
Alkaloiden  steht  ausser  Zweifel;6)  ihre  Reindarstellung  gelingt  aber  hier 
schwieriger  als  aus  der  Rinde.  Nach  allerdings  nur  erst  wenig  zahlreichen 
Erfahrungen  englischer  Aerzte  in  Indien  verdienen  die  Blätter  der  C.  succi- 


0 Ph.  J.  and  Transact.  Y.  343. 

2)  ibid.  Y.  597. 

3)  nach  Oudemans,  Handl.  tot.  de  Pharmacogn.  106. 

4)  Hasskarl  in  Flora  1862,  No.  21. 

5)  de  VriJ>  Journ-  de  Pbarm.  et  de  Chim.  37  (1860)  256,  auch  Wiggers  Jahresb. 
1 860,  41. 

6)  Pharm.  J.  and  Tr.  V.  597  u.  513.  368. 


410 


Rinden. 


rubra  z.  B.  als  Fiebermittel  alle  Beachtung.1)  Sie  verdanken  ihren  Ge- 
schmack hauptsächlich  dem  Chinovin,  wovon  sie,  z.  B.  bei  letzterer  Art 
bis  2 pC.  und  durchschnittlich,  wie  es  scheint,  überhaupt  mehr  als  die 
Rinde  enthalten.  Die  Menge  des  Chinovins  steht  vermuthlich  im  umge- 
kehrten Verhältnisse  zum  Alkaloidgehalte. 

Noch  bitterer  als  die  Blätter  schmecken  die  Blüthen,  deren  Bitterkeit 
aber  nicht  in  den  wässerigen  Aufguss  übergeht.2) 

Ob  den  gleichfalls  bitter  schmeckenden3)  Cinchonen früchten  die 
Basen  ganz  fehlen,  wie  0.  Henry  (1835)  gefunden,  dürfte  noch  sehr  frag- 
lich sein. 

§ 54. 

Werden  Chinin  oder  Cinchonin  mit  flüchtigen  organischen  oder  anor- 
ganischen Säuren  oder  mit  solchen  Stoffen,  welche  dergleichen  zu  liefern 
vermögen,  vorsichtig  erhitzt,  so  tritt  ein  prächtig  rothes  Zersetzungsprodukt 
auf.  Grahe  hat  1858  gezeigt,  dass  sich  dasselbe  auch  aus  den  Chinarinden 
sehr  schön  und  einfach  darstellen  lässt.  Keine  anderen  Basen  verhalten  sich 
so,  auch  geben  Rinden,  welche  keine  Chinabasen  enthalten,  dieses  rothe 
Produkt  nicht.  Selbst  bei  Cinchonenblättern,  worin  Howard  0,1  pC. 
Chinin  fand,  zeigte  sich  die  Grahe’sche  Reaction  nicht,  so  dass  sie  ein 
ganz  vortreffliches  Mittel  abgibt,  um  z.  B.  in  Verbindung  mit  der  einfachsten 
mikroskopischen  Untersuchung  den  Beweis  zu  liefern , ob  eine  wirkliche 
Chinarinde  vorliegt  oder  nicht.  Bei  gänzlichem  Mangel  oder  äusserst  ge- 
ringem Gehalte  an  Chinabasen  muss  diese  Reaction  ausbleiben,  wenn  man 
auch  mit  einer  Cinchonarinde  zu  thun  hat;  so  z.  B.  bei  der  China  aus 
Para  (§  40). 

Zur  Gewichtsbestimmung  der  Alkaloide  dienen  am  besten  die 
von  Claus  (1863)  und  von  deVrij  (1864)  angegebenen  Methoden.  Ersterer 
erschöpft  bei  100°  getrocknete  Rinde  mit  kalter,  verdünnter  Schwefelsäure, 
dampft  den  Auszug  mit  überschüssiger  Magnesia  ein , zieht  mit  Aether  das 
Chinin  aus  und  mit  Alkohol  die  übrigen  Basen.  DeVrij  mischt  die  Rinde 
mit  y4  gelöschtem  Kalk,  kocht  mit  dem  lOfachen  Weingeist  mehrmals  aus, 
verdampft  mit  Ueberschuss  von  Essigsäure  zur  Trockne,  nimmt  mit  "W  asser 
auf,  concentrirt  und  versetzt  diese  Lösung  mit  etwas  Kalkhydrat.  Der 
Niederschlag  wird  mit  Wasser  gewaschen,  getrocknet  und  mit  Weingeist 
ausgekocht,  welcher  nach  dem  Eindampfen  die  Gesammtmenge  der  Alka- 
loide hinterlässt.  Man  löst  sie  in  wenig  verdünnter  Essigsäure,  schüttelt 
mit  Natronlauge  und  Aether,  welcher  (nach  einigen  Stunden)  Cinchouiu, 
Cinchonidiu  und  Chinidin  kaum  angreift,  während  Chinin  durch  Filtration 
erhalten  wird.  Der  von  Aether  nicht  aufgenommene  Rückstand  wird  in 


1)  Engi  Blaubuch  über  die  ostind.  Chinapflanzuugen  von  1868.  S.  264. 

2)  Wdl.  21.  — Yergl.  auch  oben  § 2 u.  § 40. 

3)  Markham  1.  c.  pg.  194. 


Cortices  Chinae.  § 54.  55. 


411 


Essigsäure  gelöst  und  mit  Jodkalium  versetzt,  worauf  (erst  in  1250  Th. 
Wasser  lösliches)  Hy driod- Chinidin  niederfällt,  wenn  dieses  Alkaloid  vor- 
handen ist.  Das  Filtrat  enthält  Cinchonin  und  Cinchonidin,  letzteres  kennt- 
lich durch  sein  Verhalten  zum  polarisirten  Lichte,  die  Unlöslichkeit  seines 
Tartrates  und  die  Leichtigkeit,  womit  das  Sulfat  von  Glaubersalzlösung 
(von  V4  Gehalt)  aufgenommen  wird.1) 

§ 55. 

Die  bereits  vorliegenden,  wenn  auch  noch  bei  weitem  nicht  abgeschlos- 
senen chemischen  Thatsachen  über  die  Verbreitung  der  Alkaloide  in  den 
Cinchonen,  im  Zusammenhänge  mit  den  anatomischen  Studien  haben  zu 
lehrreichen  Erörterungen  über  den  eigentlichen  Sitz  der  Alkaloide 
geführt. 

Wenn  die  Eigenschaften  so  mancher  Milchsäfte  berücksichtigt  werden, 
so  liegt  es  nahe,  auch  dem  Inhalte  der  Saftschläuche  der  Cinchonen 
eine  hervorragende  Bedeutung  im  chemischen  Haushalte  dieser  Bäume  zu- 
zuschreiben. Noch  ist  aber  zweifelhaft,  ob  in  der  That  die  Chinasaft- 
schläuche den  Milchsaftgefässen  anderer  Pflanzen  zugezählt  werden  dürfen 
(vergl.  z.  B.  bei  Caricae,  bei  Fructus  Papaveris,  Lactucarium,  Radix  Tara- 
xaci)  und  jedenfalls  ist  uns  die  Natur  des  vorläufig  sogenannten  Milchsaftes 
der  Chinarinden  noch  allzu  wenig  bekannt  und  zwar  namentlich  in  Betreff 
seiner  etwaigen  Beziehung  zu  den  Basen.  Während  z.  B.  Delondre  und 
Henry2)  (1835)  in  dem  nach  dem  Anschneiden  der  Rinde  ausfliessenden 
Safte  ausser  Harz  (?),  Fett  und  Chinaroth  auch  Basen  gefunden,  erwies 
sich  der  Saft  von  C.  succirubra  frei  von  solchen  und  enthielt  nur  Chinovin 
(de  Vrij,3)  1864).  Vor  weiterer  Bestätigung  darf  gewiss  aus  dem  letzteren 
Versuche  nicht  geschlossen  werden,  dass  die  Alkaloide  in  der  lebenden 
Pflanze  in  fester  Form  abgelagert  sein  müssen.  Jedenfalls  aber  spricht  die 
vollkommenere  oder  doch  reichlichere  Entwickelung  der  Saftschläuche  in 
den  Ladenbergia-  und  Cascarilla  - Arten  dagegen,  dass  dieser  Gewebeform 
in  den  basenhaltigen  Cinchonen  eine  besondere  Bedeutung  im  erwähnten 
Sinne  zukomme.  Nach  Karsten  verschwinden  die  Saftschläuche  sogar 
gerade  vorzugsweise  früher  in  den  werthvollsten  Arten.  Den  frischen  Saft 
lebender  Chinarinden,  welcher  meist  farblos  und  klar  zu  sein  scheint,  nennt 
übrigens  Weddell4)  mehr  adstringirend  als  bitter  und  nur  bisweilen  milchig 
(§  6,  No.  14). 

Weddell  hat  zuerst  versucht,  einen  direkten  Zusammenhang  zwischen 
dem  Bau  und  dem  Gehalte  der  Chinarinden  nachzuweisen.  Er  ging  dabei 


4)  wichtige  Einwürfe  van  derBurgs  gegen  diese  Methoden  in  Fresenius,  Zeitschr. 
für  analyt.  Ch.  IY.  273  (und  V.  199!) 

2)  Gmelin,  Handb.  d.  org.  Chemie  Y.  S.  55. 

3)  Ph.  J.  and  Tr.  V.  597. 

4)  19.  38. 


412 


Rinden. 


von  der  zu  seiner  Zeit  noch  voll  berechtigten  Ansicht  aus,  dass  die  Bast- 
platten der  Calisaya  unter  allen  Chinarinden  am  meisten  Chinin  enthalten 
und  dass  in  den  „grauen“,  oder  allgemeiner  in  den  jüngeren  gerollten 
Binden  verhältuissmässig  mehr  Cinchonin  vorkomme.  Hierin  schien  einer- 
seits eine  Beziehung  der  Bastschicht  zum  Chinin  und  anderseits  eine  solche 
des  Cinchonins  zur  Mittelriude  zu  liegen.  In  ersterer  Hinsicht  verlegte 
Weddel  den  Sitz  des  Chinins  in  das  Parenchym  des  Bastes,  da  ihm  die 
Dichtigkeit  der  verholzten  Baströhren  zu  gross  erschien,  um  darin  eine 
Ablagerung  von  Alkaloid  anzuuehmen.  Diese  Hypothese  musste  jedoch  so- 
gleich nach  zwei  Richtungen  hin  in  ihrer  allgemeinen  Gültigkeit  beschränkt 
werden.  Weddell  fügte  nämlich  bei,  dass  die  reichliche  Ausbildung  des 
Bastparenchyms  nur  bis  zu  einem  „gewissen  Grade“  das  Auftreten  des  Chi- 
nins zu  begünstigen  vermöge.  Sei  dieser  Punkt  überschritten , so  beginne 
der  Chemismus  des  überwuchernden  Bastparenchyms  sich  demjenigen  der 
Mittelrinde  zu  nähern , d.  h.  es  werde  nun  Cinchonin  entstehen.  Es  fällt 
auf,  dass  hierbei  die  Thätigkeit  der  Markstrahlen  nicht  in  Rechnung  gebracht 
wurde.1)  Dass  zweitens  ein  ausserordentliches  Vorwalten  der  Baströhren 
der  Alkaloidbildung  überhaupt  nicht  hinderlich  sein  müsse,  ergab  sich  aus 
den  Vordersätzen  von  selbst. 

Karsten , welcher  im  Laufe  seines  zwölfjährigen  Aufenthaltes  in  Colum- 
bien mit  botanischen  Beobachtungen  auch  zahlreiche  Bestimmungen  des 
Alkaloidgehaltes  der  Rinden  an  Ort  und  Stelle  verbunden  hatte,  erklärte 
gleichfalls  das  nicht  verholzte  Gewebe  der  Innenrinde  als  höchst  wahrschein- 
lichen Sitz  der  Alkaloide,  deren  „Behälter“  die  Baströhreu  nicht  sein 
könnten.  Den  Zusammenhang  der  anatomischen  Struktur  mit  dem  Gehalte 
fand  er  jedoch  darin  ausgedrückt,  dass  die  reichsten  Rinden  zugleich  auch 
die  dicksten  und  am  vollständigsten  verholzten  Baströhren  aufweiseu.  Wie 
oben  (§  8,  10,  47)  ausgeführt,  räumt  Karsten  aber  dem  Klima  und  der 
Witterung  den  grössten  Einfluss  auf  den  Gehalt  der  Rinden  ein  und  deutet 
sogar  die  Mögüchkeit  an,  dass  mit  dem  letzteren  gleichzeitig  auch  durch 
dieselben  kosmischen  Faktoren  die  Stärke  der  Baströhren  herabgedrückt 
werden  dürfte. 

Howard  hält  ebenfalls  den  pareuchymatischeu  Tlieil  der  Rinde  für  den 
Sitz  der  Alkaloide  und  findet  denselben  regelmässig  in  den  reichsten  Sorten 
am  meisten  ausgebildet.  Da  es  nun  hauptsächlich  die  verholzten  Baströhren 
sind,  welche  die  Struktur  einer  Rinde  bedingen  und  Howard  dieselben 
ausser  Beziehung  zu  den  Alkaloiden  glaubt,  so  ergibt  sich  mit  Nothwendig- 
keit  der  Schluss,  dass  analoger  Bau  der  Rinden  noch  keineswegs  auch 
einen  gleichen  chemischen  Gehalt  andeute.  In  so  fern  erwiesenermasseu 
kühlere  Standorte  der  reichlicheren  Entwickelung  des  Parenchyms  der 


!)  Wed  doll  hielt  eigentlich  Bastparenchym  uud  Markstrahlen  hier  nicht  auseinander 
und  sprach  ohne  nähere  Bezeichnung  nur  von  dem  zwischen  den  verholzten  Baströhren  gele- 
genen Parenchym. 


Cortices  Chinae.  § 55. 


413 


Innenrinde  günstig  siud,  gelangt  Howard1)  ebenfalls  zu  dem  durch  Kar 
sten  begründeten  Satze  von  dem  entscheidenden  Einflüsse  klimatischer 
Bedingungen  auf  die  Alkaloidbildung,  welcher  in  den  bereits  angeführten 
Ergebnissen  der  Chinaculturen  in  Indien  volle  Bestätigung  gefunden. 

Weddel’s  Lehre,  dass  das  Chinin  mehr  der  Innenrinde,  das  Cinchonin 
der  Mittelrinde  angehöre,  fand  Howard  wenigstens  bei  den  so  reichen 
C.  lancifolia  und  succirubra  nicht  bestätigt.  Er  theilte  z.  B.  flache  Stücke 
der  Rinde  dieser  Art  mechanisch  in  ihre  beiden  Hauptgewebe  und  fand  die 
Mittelrinde  nicht  nur  an  Chinin , sondern  auch  an  den  andern  Alkaloiden 
im  ganzen  reicher,  ja  sogar  die  Bastschicht  frei  von  Chinin.  Dünnere 
Röhren,  wo  die  letztere  noch  nicht  vorwaltete,  gaben  nicht  viel  weniger 
Cinchonin  (mit  Einschluss  des  Cinchonidins)  als  Chinin. 

Dass  die  Alkaloide , wenn  auch  vielleicht  nicht  ausschliesslich , so  doch 
hauptsächlich  im  Parenchym  enthalten  seien,  wird  durch  das  Auftreten 
von  Kryställchen  in  manchen  Chinasorten  unterstützt.  Werden  z.  B.  feine 
Schnitte  von  China  rubra  dura  oder  Ch.  Pitayo  mit  Ammoniak  oder  schwacher 
Kalilauge  befeuchtet  und  mit  Wasser  sofort  abgewaschen,  so  erblickt  man 
sehr  gewöhnlich  das  ganze  Gewebe,  vorzugsweise  das  der  Mittelrinde,  auch 
sogar  den  schon  durch  Binnenkork  abgeschuittenen  Theil  derselben  mit 
büschel-  oder  sternförmig  vereinigten  feinen  Nadeln  übersäet.2)  Ausserdem 
und  im  ganzen  eigentlich  häufiger  finden  sich  gerundete,  krystalliuische, 
oft  rotli  gefärbte  Körner  vor.  Vermuthlich  sind  die  Kry stalle  die  durch  das 
Alkali  aus  ihren  (amorphen)  Verbindungen  frei  gemachten  Chinabasen; 
denn  sie  zeigen  sich  erst  nach  der  angegebenen  Behandlung.  Dieser  Um- 
stand, so  wie  die  Form  der  Krystalle,  ihre  Löslichkeit  in  Aether,  Weingeist, 
Essigsäure  lässt  sie  bestimmt  von  dem  Kalk -Oxalat  unterscheiden,  das  oft 
auch  sehr  reichlich  abgelagert  ist.  Erinnert  man  sich,  dass  in  noch  andere'n 
alkaloidhaltigen  Pflanzengeweben  (z.  B.  in  Semen  Strychni)  bei  längerer 
Aufbewahrung  feiner  Schnitte  Krystalle  auftreten,  welche  ursprünglich  nicht 
ausgebildet  waren,  so  kann  wohl  in  dem  entsprechenden  Verhalten  der 
Chinarinden  auch  nichts  besonderes  gefunden  werden , als  die  Bestätigung 
der  Ansicht,  dass  die  Basen  nicht  in  freiem  Zustande  Vorhand^  seien. 

Howard,  welcher  die  Krystalle  in  der  rothen  China  abgebildet3)  hat, 
erklärt  sie  für  in  der  Rinde  präexistirende  Verbindungen  der  Alkaloide  mit 
Chinovasäure  (Chinovin?)  und  Chinovagerbsäure.  Da  nun  dergleichen  Ver- 
bindungen noch  nicht  untersucht  worden  sind,  so  ist  es  vorerst  nicht  mög- 
lich, diese  Vermuthung  näher  zu  erörtern. 


L Nueva  Qninol.  Microscop.  observ.  4. 

2)  Sie  wurden  vermuthlich  zuerst  von  Oudemans  (Aanteekeningen  etc.  der  Pharmacop. 
Neerlandica  pg.  221)  1854 — 1856  in  China  Calisaya  tfnd  Ch.  rubra  beobachtet. 

3)  N.  Quinol.  Taf.  2 und  Ph.  J.  and  Trans.  VI.  584.  — Vergl.  auch  Ph.  J.  and  Tr.  V.  76. 


414 


Rinden. 


§ 56. 

Eine  vollkommen  abweichende  Ansicht  über  den  Sitz  der  Alkaloide  ist 
vonW  igand’)  (1862)  entwickelt  und  durch  scharfsinnige  Versuche  gestützt 
worden.  Er  hält  es  für  ausgemacht,  dass  die  Baströhren  ausschliesslicher 
Sitz  der  Alkaloide  seien  und  daher  auch  unmittelbar  als  Werthmesser  der 
Rinden  dienen  können.  Dass  das  letztere  nicht  der  Fall  ist,  scheint  mir 
z.  B.  schon  aus  der  Untersuchung  anderthalbjähriger  Rinden  von  C.  succi- 
rubra  und  wahrscheinlich  nicht  älterer  von  C.  Pahudiana  hervorzugehen. 
Erstere  aus  Hakgalle  auf  Ceylon  verdanke  ich  Howard,  letztere  aus  Java 
der  besonderen  Gefälligkeit  von  Ou  dem  ans.  In  jener  Probe  von  C.  succi- 
rubra  und  zwar  sowohl  in  gewöhnlicher  als  auch  in  „gemooster“  (§  48) 
Rinde  sind  der  verholzten  Baströhren  nur  noch  äusserst  wenige;  auf  Ceylon 
und  in  den  Nilagiris  gezogene,  gleich  alte  Pflanzen  dieser  Art  hatten  aber 
deVriji) 2)  in  den  Stammrinden  2,  2,6  bis  8 pC.  Alkaloid  ergeben.  Umge- 
kehrt finde  ich,  ganz  übereinstimmend  mit  Howard,3)  bei  Pahudiana  eine 
sehr  grosse  Menge  der  stärksten  Baströhren,  während  sich  doch  die  (ober- 
irdische) Rinde  dieser  Art  auf  Java  unzweifelhaft  als  eine  sehr  arme  erwiesen 
hat,4)  wenigstens  bis  zum  Alter  von  7 Jahren. 

Die  rothe  China  ist  überhaupt  eine  sehr  alkaloidreiche  Rinde,  unbedingt 
reicher  als  die  der  C.  scrobiculata ; aber  die  Baströhren  sind  in  letzterer 
weit  häufiger.  Ebenso  gestaltet  sich  der  Vergleich  zwischen  der  äusserlich 
ähnlichen  Calisaya  mit  C.  scrobiculata.  Erstere  ist  wenigstens  nach  den 
meisten  Erfahrungen  bei  weitem  reicher  an  Alkaloiden,  letztere  durch- 
schnittlich ebenso  sehr  an  Zahl  der  Baströhren  überlegen.  Das  auffallendste 
Beispiel  liefert  aber  die  Pitayo-China,  welche  nach  allen  analytischen  Daten 
zu  den  allerreichsten  Sorten  gehört,  mag  sie  nun  auch  nicht  immer  von 
C.  pitayensis,  sondern  mitunter  von  C.  lancifolia  und  andern  Arten  her- 
rühren. Aus  verschiedenen  Bezugsquellen  mir  vorliegende  alkaloidreiche 
Pitayo- Rinde  zeichnet  sich  übereinstimmend  durch  die  auffallend  und  in 
jeder  Hinsicht  unbedeutende  Entwickelung  der  Baströhren  (oben  § 32,  No.  1 1 ) 
und  entschiedenes  Vorwiegen  des  Parenchyms  aus,  sowie  durch  regel- 
mässige Erhaltung  der  Mittelrinde.  Sehr  beraerkenswerth  ist  auch  das  be- 
reits (S.  413)  erwähnte  Auftreten  von  Krystallen  in  vollkommen  bastfreier 
Borke  von  C.  succirubra. 

Alle  diese  Tkatsachen  zusammengenommen  erscheinen  unvereinbar  mit 
einer  besonderen  Bedeutung  der  verholzten  Baströhren.  Immerhin  mögen 
dieselben  auch  Spuren  von  Alkaloid  enthalten,  da  sie  rings  umgeben  sind 
von  dem  parenchymatischen  Gewebe,  worin  die  angeführte  Behandlung  mit 
Kali  unmittelbar  die  Alkaloide  nachweist.  Den  direkten  Beweis  für  diese 


i)  Bot.  Ztg.  XX.  No.  18. 

a)  Ph.  J.  and  Trans.  V.  597. 

3)  Microsc.  obs.  Taf.  3 fig.  23.  24. 

*)  Ph.  J.  and  Trans.  VI.  17.  — Vergl.  jedoch  § 52. 


Cortices  Chinae.  § 56.  57. 


415 


Ansichten  habe  ich1)  an  der  auf  S.  375  beschriebenen  China  boliviana  zu 
führen  gesucht.  Sorgfältig  mit  Hülfe  von  wenig  kaltem  Wasser  daraus  iso- 
lirte  Baströhren , deren  fast  vollständige  Reinigung  mikroskopisch  verfolgt 
wurde,  zeigten  sich  z.  B.  vermittelst  der  Grahe  sehen  Reaction  (§  54)  frei 
von  Basen,  während  das  gleichzeitig  gewonnene  Parenchym  dei gleichen 
reichlich  enthielt.  Auch  für  C.  lancifolia  fand  sich  dieses  Verhältnis 
bestätigt.  — Zum  gleichen  Schlüsse  gelangte  auch  neuerdings  C.  Müller.2) 

§ 57. 

Auffallend  bleibt  es  freilich,  dass  alle  die  sogenannten  falschen 
Chinarinden,  welchen  Alkaloide  fehlen,  nicht  verholzte,  sondern 
noch  offene  Baströhren  besitzen.  Ihr  ganzer  Bau  ist  aber  überhaupt  abwei- 
chend. Man  hat  als  Ausdruck  aller  dieser  Verhältnisse  den  Satz  aufgestellt, 
dass  Chinaalkaloi'de  nur  in  denjenigen  Rinden  Vorkommen,  welche  nach 
den  hier  «entwickelten  morphologischen  und  anatomischen  Anschauungen 
der  Gruppe  der  Cinchonen  im  engeren  Sinne  angehören.  Phoebus3)  vor- 
züglich hat  denselben  angefochten,  gestützt  auf  wiederholte  Beobachtungen 
von  Delondre  u.  Bouchardat,  welche  6 Zehntausendstel  (!)  Cinchonin- 
sulfat, nebst  Spuren  (!)  von  Chinin  aus  einer  sogenannten  afrikanischen 
China  erhalten  hatten.  Diese  immer  noch  räthselhafte4)  Rinde  soll  von 
den  Lagos-Inseln  an  der  Bai  von  Benin  (Busen  von  Guinea)  herstammen; 
sie  hat  nicht  die  geringste  Aelmlichkeit  mit  ächten  Chinarinden.  Kloete- 
Nortier5)  hat  jedoch  in  5V2  Pfunden  dieser  ihm  von  Delondre  selbst 
gelieferten  Rinde  keine  Basen  gefunden,  so  dass  jene  Schlussfolgerung  zum 
mindesten  noch  bezweifelt  werden  darf.  Nicht  widersprochen  ist  bis  jetzt 
der  Angabe  von  DB.,6)  dass  columbische  Ladenbergia- Rinden  2 Zehn- 
tausendstel ( !)  Alkaloidsulfate  lieferten.  Aber  auch  für  diese  vereinzelte 
Wahrnehmung  so  geringer  Mengen  muss  noch  weitere  Aufklärung  verlangt 
werden,  bevor  sie  Beweiskraft  ansprechen  darf. 

Wenn  somit  ein  vollgültiger  Nachweis  der  Alkaloide  in  den  falschen 
Chinarinden  von  Ladenbergia -Arten  u.  s.  w.  noch  fehlt,  so  ist  umgekehrt 
(§  40)  erwiesen,  dass  den  wahren  Cinchonen  unter  Umständen  die  Basen 
auch  abgehen , und  leicht  möglich  ist  es , dass  einzelne  Arten  dergleichen 
niemals  zu  bilden  im  Stande  sind. 

Höchst  interessant  wäre  in  dieser  Hinsicht  die  chemische  Untersuchung 
z.  B.  der  in  § 2 (Anmerk. ^erwähnten  C.  heterocarpa,  welche  denüebergang 
zwischen  wahren  Cinchonen  und  den  zunächst  stehenden  Gattungen  bildet. 


L in  Schweiz.  Wochenschrift  f.  Pharm.  1866,  No.  47. 

2)  Pringsheim,  Jahrb.  f.  wiss.  Bot.  1866.  238. 

3)  S.  52,  56,  60,  63. 

4)  Berg  ist  geneigt,  sie  der  Nauclea  Cinchona  DC.  (Cinchona  globifera  P.)  zuzu 
schreiben. 

5)  Wiggers'  Jahresb.  1858.  59. 

6)  S.  40.  — Auch  Phb.  55.  56. 


416 


Rinden. 


§ 58. 

Es  wurde  schon  anfangs  erwähnt,  dass  die  wissenschaftliche  Kenntniss 
der  Cinchonen  mit  Condamine  beginnt.  Die  frühere  Geschichte  der 
Chinarinden  verliert  sich  in  ungewisse  Angaben.  Aus  der  Zeit  des 
spanischen  Einfalles  in  Peru  sind  keine  Beweise  alter  Bekanntschaft  des 
eingeborenen  Volkes  mit  der  Chinarinde  überliefert  worden,  obwohl  Con- 
damine so  wie  Jussieu  in  Loxa  davon  erzählen  hörten,  und  übereinstim- 
mend mit  Ruiz  u.  Pa  von  die  Berichte  glaubwürdig  fanden.  Diesen  zu- 
folge hätten  die  Peruaner  den  Spaniern  die  Heilkräfte  der  China  verschwie- 
gen und  in  Loxa  z.  B.  wären  dieselben  weit  früher  bekannt  gewesen,  als  in 
Lima.  Diese  Annahme  scheint  wenigstens  gegen  Ende  des  XVII.  Jahr- 
hunderts allgemein  verbreitet  gewesen  zu  sein1),  wo  die  Erinnerungen  aus 
der  Vorzeit  noch  lebendiger  waren.  Dass  genaue  Angaben  fehlen,  erklärt 
sieb  durch  den  gänzlichen  Mangel  geschriebener  Dokumente  au  Rudern  alten 
Reiche  der  Incas.  Ihrer  Sprache  gehört  jedoch  das  Wort  Quina  (Rinde) 
an  und  die  Verdoppelung  Quvia-quina  scheint  medicinische  Eigenschaften 
andeuten  zu  sollen2).  Während  diese  Bezeichnung  von  den  Europäern 
aufgenommen  wurde,  gewmnn  bei  den  Eingeborenen  schon  zu  Condami- 
ne’s  Zeit  der  Ausdruck  Cascarilla  die  Oberhand. 

Da  die  Peruaner  mit  grösster  Zähigkeit  au  überlieferten  Gebräuchen  fest- 
halten  und  heute  noch  die  China  nicht  anwenden,  im  Gegentheil  fürchten, 
so  schliesst  Humboldt,  dass  ähnliches  bei  ihren  Vorfahren  der  Fall  gewe- 
sen sein  müsse. 

Einer  der  neuesten  Augenzeugen,  Markham,  welcher  1859  Peru  be- 
reiste (§  62)  bestätigt3),  dass  in  den  Apotheken  der  nach  uraltem  Gebrauche 
im  ganzen  Lande,  ja  selbst  von  der  Plata- Mündung  bis  Ecuador  herumzie- 
henden eingeborenen  Aerzte4)  die  China  zu  fehlen  pflege,  obwohl  diese 
noch  heute  hochberühmten  „ Botanicos  del  Imperio  de  los  Incas “ in  der 
westbolivianischen  Provinz  Munecas , im  Bereiche  der  besten  Fieberrinden- 
bäume wohnen.  Ueberhaupt  herrscht,  wie  auch  Pöppig  (1830)  und 
Spruce  (1859)  fanden,  gerade  in  den  China-Gegenden  ein  starker  Wider- 
wille gegen  dieses  Heilmittel,  sogar  in  Guayaquil. 

Als  wahrscheinlichste  Ansicht  ergibt  sich  wohl,  dass  die  früheste  Kennt- 
niss der  China  auf  die  Gegend  von  Loxa  beschränkt  geblieben  war.  Hier, 
im  Dorfe  Malacatos,  soll  ein  vorüberreisender  Jesuite  durch  einen  Kaziken 
vermittelst  China  vom  Fieber  geheilt  worden  sein  und  die  Kunde  des  Heil- 
stoffes verbreitet  haben.  Demselben  Orte  und  Mittel  soll  auch  1630  der 
spanische  Corregidor  von  Loxa,  Don  Juan  Lopez  de  Canizares  seine 


D Wdl.  pag.  15. 

2)  bezieht  sich  aber  auch  auf  Myrospermum  perniferum  und  noch  andere  zu  Heilzwecken 
brauchbare  Bäume. 

3)  in  der  oben  § 22  Note  2 angef.  Schrift  186. 

*)  vergl.  über  dieselben  Reck  in  Petermann,  Geogr.  Mittheilungen.  1866.  877. 


Cortices  Chinae.  § 58.  59. 


417 


Genesung  vom  Wechselfieber  verdankt  haben.  Als  im  Jahre  1638  die 
Gemahlin  des  Vicekönigs  von  Peru,  Don  Geronimo  Fernandez  de  Cabrera 
y Mendoza,  Grafen  von  Chinchon,  im  Palaste  zu  Lima  am  Fieber 
darnieder  lag,  sandte  jener  Corregidor  von  Loxa  China  an  den  vicekönig- 
lichen  Leibarzt  Juan  de  Yega.  Auch  an  der  Gräfin  Chinchon  bewährte 
sich  das  Mittel , so  dass  sie  davon  in  Lima  austheilen  liess.  Schon  hier 
nahm  die  gepulverte  Rinde  den  Namen  Polvo  de  la  condesa  (Gräfin-Pulver) 
an , bald  aber  mehr  die  Bezeichnung  Polvo  de  los  Jesuitos , als  sich  die 
Jesuiten  des  Mittels  bemächtigten  und  1643  ihrem  Provincialen  einen 
Yorrath  desselben  nach  Rom  an  ihren  Ordensbruder,  Cardinal  de  Lugo 
mitgaben.  Inzwischen  hatte  aber  jener  Leibarzt  Vega  bei  der  Rückkehr 
des  Yicekönigs  nach  Spanien  schon  1640  ebenfalls  China  mitgenommen 
und  z.  B.  in  Sevilla  zu  100  Realen  das  Pfund  verkauft1).  Eine  Schrift  von 
Barba  in  Yalladolid,  welche  1642  erschien,  eröffnete  die  heute  unabseh- 
bare Reihe  der  China-Literatur. 

So  verbreitete  sich  der  Ruf  des  neuen  wichtigen  Heilmittels  sehr  rasch. 
Durch  die  Jesuiten  wurde  Rom  zu  dessen  erstem  Stapelplatze;  1650  galt 
es  dort  sein  gleiches  Gewicht  Silber,  nachdem  Papst  Innocens  X.  durch 
seinen  Leibarzt  die  China  hatte  begutachten  lassen.  Jedoch  gelangte  die 
Rinde  auch  schon  1658  nach  England  und  wurde  in  diesem  Jahre  durch  den 
Antwerpener  Kaufmann  Thompson  ausgeboten. 

In  London  beutete  der  Arzt  und  Apotheker  Robert  Talbor  1671  bis 
1681  die  China  aus  und  wandte  sie  zuerst  in  richtiger  Dosis  an.  1679 
soll  er  damit  den  Dauphin  von  Frankreich  geheilt  haben,  worauf  Louis  XIV. 
gegen  eine  hohe  Rente  und  sonstige  Entschädigung  das  Geheimniss  er- 
kaufte — ähnlich  wie  das  auch  bei  Rhizoma  Filicis  und  Rad.  Ipecacuanbae 
der  Fall  war.  Als  1681  nach  Talbors  Tode  der  König  die  Zusammen- 
setzung des  Mittels  bekannt  machen  liess,  stellte  sich  erst  China  als  dessen 
Hauptbestandtheil  heraus  und  zog  nun  die  erneute  Aufmerksamkeit  der 
Aerzte  auf  sich. 


§ 59. 

Bis  auf  die  Zeit  von  Condamine  kümmerte  sich  Niemand  um  die 
Abstammung  der  Chinarinden,  obwohl  der  Handel  sich  in  grossem 
Massstabe  damit  beschäftigte  und  z.  B.  schon  damals  in  Payta  eine  Prüfung 
der  Rinde  auf  Verfälschungen  stattfand,  welche  in  Loxa  eingerissen  waren. 
Man  glaubte  die  Chinabäume  auf  diese  Gegend  beschränkt,  bis  1752  der 
Intendant  der  Münze  zu  &anta  Fe,  Miguel  de  Santesteban,  dergleichen 
in  der  Gegend  von  Popayan  und  Pasto  nach  wies.  1760  langte  in  Cartha- 
gena  in  Neu-Granada  der  vicekönigliche  Leibarzt  Jose  Celestino  Mutis  aus 
Cadiz  an  und  nahm  sofort  die  Bearbeitung  der  Flora  dieses  Landes  in  An- 


L Nach  von  Bergen  scheint  aber  die  China  schon  1639  oder  gar  1632  in  Spanien  nicht 
unbekannt  gewesen  zu  sein. 

Flückiger,  Pharmakognosie. 


27 


418 


Rinden. 


griff.  Besonders  seit  1782  verfolgte  er,  erst  von  Real  del  Sapo  und  Mari- 
quita  am  Fusse  des  Quindiu , endlich  von  Santa  Fe  de  Bogota  aus  diese 
Aufgabe  unermüdlich  bis  zu  seinem  Lebensende  (1808).  Mutis  hatte 
1772  seinen  Posten  verlassen,  um  einem  geistlichen  Orden  beizutreten 
und  war  1782  von  der  Regierung  mit  der  Gründung  und  Leitung  eines 
grossen  naturgeschichtlichen  Museums  (Expedicion  real  botanica) , anfangs 
in  Mariquita,  dann  in  Santa  Fe,  beauftragt  worden.  Am  Collegium  der 
letzteren  Stadt  lehrte  er  zugleich  Mathematik  und  Astronomie.  Die  ersten 
Chinabäume  (C.  lancifolia)  entdeckte  Mutis  in  der  Nähe  von  Santa  Fe; 
im  folgenden  Jahre  auch  bei  Honda  im  Magdalenenthale. 

Eine  ähnüche  Stellung  wie  die  von  Mutis  in  Neu-Granäda  wurde  im 

südlichen  Peru  den  Botanikern  Hippolito  Ruiz  u.  Jose  Pavon  (1777 

1778)  angewiesen,  woraus  die  berühmte  Flora  Peruviana  et  Chilensis 
(1798—1802)  hervorging.  1776  hatte  Francisco  Renquizo1)  auch  in 
der  Gegend  von  Huanuco  Chinabäume  gefunden,  welche  alsbald  das  Mono- 
pol der  Gegend  von  Loxa  brachen , aber  zahlreichere  und  noch  weit  wichti- 
gere chinologische  Entdeckungen  gingen  um  diese  Zeit,  zum  Theil  schon 
früher,  von  Mutis  und  seinen  Schülern  Zea  u.  Cal  das,  sowie  von  Ruiz 
u.  Pa  von  und  ihren  Nachfolgern  T a fall a u.  Manzanilla  aus.  Während 
Mutis  zu  keinem  Abschlüsse  kam  und  sein  grossartiger  botanischer  Nach- 
lass, vielleicht  nicht  einmal  vollständig,  erst  gegen  1820  nach  Madrid  ge- 
langte und  dort  liegen  geblieben  ist2),  legte  Ruiz  1792  in  seiner  Quinolo- 
gia  und  1801  gemeinschaftlich  mit  Pavon  im  Supplement  dazu,  die  wich- 
tigsten hierher  gehörigen  Arbeiten  nieder.  Der  Nachlass  des  letztem  wurde 
in  unsern  Tagen  zur  Grundlage  des  Prachtwerkes  von  Howard.  Die 
äusserst  werthvolle  von  Mutis  aufgefundene  Cinchona  lancifolia  beschrieb 
er  1793  nebst  der  C.  cordifolia  in  einem  einfachen  Lokalblatte  von  Santa 
Fe.  Humboldt  u.  Bonpland  nahmen  1801  daselbst  von  seinen  Samm- 
lungen Einsicht  und  hoben  daraus  besonders  prachtvoll  ausgeführte,  ge- 
malte Darstellungen  der  Pflanzen  seiner  Gegend  hervor.  Humboldt  hat 
in  einer  mit  warmer  Anerkennung  geschriebenen  Biographie8)  dem  Manne 
ein  ehrenvolles  Denkmal  gewidmet,  weichen  schon  Lin  ne  „phytologorum 
americanorum  princeps“  genannt.  Zwischen  den  Schülern  von  Mutis 
einerseits  und  Ruiz  u.  Pavon  anderseits  wurde  ein  heftiger  Streit  über 
ihre  Entdeckungen  geführt,  in  welchem  sich  der  in  wissenschaftlicher  Hiu- 
sicht  ausgezeichnete  Caldas4)  in  wenig  edelmüthiger  Weise  zuletzt  gegen 
seinen  Lehrer  Mutis  wandte. 


•*)  auch  ReDquifo,  Renjifo  geschrieben. 

2)  vgl.  Pich.  pag.  14. 

3)  Biographie  universelle.  Tome  XXX.  Paris  1821.  — Ihre  berühmten  Plantes  equinoct- 
iales  haben  Humboldt  u.  Bonpland  mit  dem  schönen  Bildnisse  von  Mutis  geschmückt. 

4)  D.  B.  pag.  13.  — Andere  nehmen  Caldas  in  Schutz.  In  der  Revolution  liess  ihn 
1816  der  spanische  General  Morillo  erschiessen;  noch  existiren  werthvolle  Manuscripte  von 
ihm.  (Engl.  Blaubuch  1866.  262.) 


Cortices  Chinae.  § 59.  60. 


419 


Die  Forschungen  aller  dieser  Botaniker , welchen  wir  die  erste  Kennt- 
niss  der  meisten  Cinchonen  verdanken,  bewirkte  auch  einen  baldigen  Um- 
schwung in  den  Handels  Verhältnissen  der  Rinden,  indem  allmälig  gegen 
1785  Mittel-  und  Süd-Peru,  so  wie  Neu-Granäda  mit  der  Gegend  von  Loxa 
in  Konkurrenz  traten  und  Rinden  über  Callao  und  die  am  caraibischen 
Meere  gelegenen  Häfen  auszuführen  begannen. 

Die  Auswahl  der  damals  bevorzugten  Rinden  beschränkte  sich  auf  Ast- 
und  Zweigrinden,  obwohl  Condamine  in  Loxa  selbst  erfahren  hatte,  dass 
ursprünglich  die  stärksten,  also  vermuthlich  die  Stammrinden,  höher  ge- 
schätzt gewesen  seien.  Die  grössere  Schwierigkeit  des  Trocknens  scheint 
zu  dem  Vorurtheil  zu  Gunsten  der  dünnsten  Rinden  beigetragen  zu  haben. 
Als  unbegründet  liess  sich  dasselbe  erst  nach  der  Entdeckung  der  China- 
basen erkennen  und  beseitigen. 

§ 60. 

Aber  auch  die  botanische  und  pharmakognostische  Erforschung  des 
Gegenstandes  nahm  um  dieselbe  Zeit  einen  neuen  Aufschwung,  welchem 
wir  z.  B.  die  Bearbeitungen  von  Laubert1),  Lambert2)  und  besonders 
1826  Heinrich  von  Bergen’s  „Versuch  einer  Monographie  der  China- 
rinden“ verdanken.  Als  Drogenmakler  auf  dem  für  die  China  von  jeher 
sehr  wichtigen  Platze  Hamburg  verwerthete  dieser  fleissigeMann  in  seinem 
Werke  nicht  nur  langjährige  praktische  Erfahrung,  sondern  stellte  auch  in 
jeder  anderen  Hinsicht  alles  zusammen,  was  die  damalige  Wissenschaft 
über  den  Gegenstand  nur  irgend  bieten  konnte , namentlich  muss  auch  in 
Betreff  der  Geschichte  des  Heilmittels  auf  die  von  Bergen’ sehe  Monogra- 
phie verwiesen  werden3).  Nur  die  Aufzählung  der  einschlagenden  Litera- 
tur bis  1826  nimmt  hier  72  Quartseiten  in  Anspruch.  Eine  werthvolle 
Beigabe  sind  7 gemalte  Tafeln  mit  trefflichen  Abbildungen  von  China  rubra, 
Huanuco,  Calisaya,  flava,  Huamalies,  Loxa  und  Jaen  und  die  Beschreibungen 
dieser  Rinden  leisten  alles,  was  ohne  Hülfe  des  Mikroskops  erreichbar  ist. 

Die  Herbeiziehung  dieses  letztem  wichtigsten  Hülfsmittels  zum  Studium 
der  Chinarinden  und  die  ersten  bildlichen  Darstellungen  der  dadurch  ge- 
wonnenen anatomischen  Anschauungen  verdanken  wir  Weddell.  Die 
ungemeine  Bedeutung  seiner  Hist,  naturelle  des  Quinquinas,  der  Frucht 
ausgedehnter  Reisen  (1845  -1848)  in  Bolivia  und  Peru,  ist  im  vorstehen- 
den überall  hinlänglich  gewürdigt.  Ebenso  die  weitere  erfolgreiche  Aus- 
bildung dieser  Untersuchungsmethode  durch  Berg  und  Howard.  In  der- 
selben Richtung  behandelte  auch  Schleiden  1857  den  Gegenstand  in 
seinem  Handbuche  der  botanischen  Pharmakognosie,  wovon  ein  Sechstel 
den  Chinarinden  gewidmet  ist. 


*)  Recherches  bot.,  chim.  u.  pharm,  s.  1.  Quinquina  1816. 

2)  Illustr.  of  the  genus  Cinchona  1821. 

3)  vergl.  auch  Sprengel,  Gesell,  d.  Arzneikunde  Bd.  V. 


27* 


420 


Rinden. 


Wie  viel  die  Chinologie  den  beiden  oben  häufig  erwähnten  Werken 
Karsten  s verdankt,  ergibt  sich  aus  dieser  ganzen  Darstellung.  In  den 
hlor.  Columbiae  terrarumq.  adj.  specimina  sei.  gab  derselbe  (ausser  den 
schon  angeführten  C.  cordifolia,  lancifolia,  corymbosa,  tucuyensis)  pracht- 
volle Abbildungen  der  von  ihm  entdeckten  C.  barbacoensis,  Hen/eana , 
macrophylla,  pedunculata,  so  wie  einer  Reihe  nahe  verwandter  (von  ihm 
hier  auch  als  Cinchonen  aufgefasster!)  Arten. 

Eine  äusserst  wichtige  Bereicherung  erhielt  die  Kenntniss  der  China 
durch  die  gleichfalls  oben  erwähnte  „Quiuologie“,  zu  deren  Herausgabe 
sich  der  Chininfabrikant  Delondre  und  der  Chemiker  und  Apotheker 
Bouchardat  (1854)  vereinigt  hatten,  nachdem  ersterer  (zufällig)  in  Wed- 
dell’s  Gesellschaft  einen  Besuch  in  den  Wäldern  von  Santa  Ana  bei  Cusco 
gemacht  hatte.  Auf  den  23  Tafeln  dieser  Quinologie  finden  sich  nicht  nur 
die  officinellen,  sondern  überhaupt  sämmtliche  im  heutigen  Grosshandel  vor- 
kommende sammt  einigen  falschen  Chinarinden  sehr  naturgetreu  wieder- 
gegeben und  zugleich  die  fabrikmässige  Ausbeute  an  Alkaloiden  verzeich- 
net. Phoebus  (vergl.  § 21)  unternahm  später  die  Zurückführung  dieser 
Rinden  auf  ihre  Stammpflanzen. 

§ 61. 

Der  Abschluss  so  mancher  noch  offener  Fragen  in  Betreff  der  Cinchonen 
steht  zu  hoffen  von  der  for stwirthschaftlichen  Cultur  derselben. 
Schon  Condamine  hatte  versucht,  China-Pflänzlinge  nach  Europa  zu 
schaffen,  verlor  sie  aber  durch  die  Wellen  an  der  Mündung  des  Amazonen- 
stromes. Weddell1)  brachte  erst  wieder  Samen,  welche  im  Pariser  Gar- 
ten keimten  und  forderte  nachdrücklichst  zum  Anbau  der  Cinchonen  auf, 
welchen  Gedanken  zuerst  Royle  1835  in  seiner  Flora  des  Himalaya  aus- 
gesprochen und  wiederholt  (1839.  1847.  1852.  1853.  1856)  verfochten 
hatte.  Auch  für  Java  hatte  1837  Fritze,  der  Vorstand  des  dortigen 
Medicinalwesens,  und  1846  Miquel  die  Sache  angeregt,  in  Frankreich 
Fee,  doch  vorerst  ohne  Erfolg.  Durch  Vermittelung  der  Jesuiten  fand  1 85 1 
eine  Uebersiedelung  von  Cinchonen  nach  Algerien  statt,  welche  jedoch 
missglückt  zu  sein  scheint,  indem  1 863  die  Engländer  derselben  durch  Pflänz- 
linge  aus  Kew  nachhalfen  und  die  französische  Regierung  vom  August  1865 
bis  April  1866  dergleichen  wieder  zu  verschiedenen  Malen  aus  Ootacamuud 
kommen  liess.  Wie  diese  schwächlichen  Anläufe  zu  einem  Ergebnisse 
führen  können  (Frankreich  bezog  jeweilen  monatlich  45  juuge  Pflanzen  aus 
Indien,  während  z.  B.  der  einzige  englische  Gutsbesitzer  M on ey,  freilich 
in  Indien  selbst,  mehr  als  zehnmal  je  25,000  Stück  nahm!),  ist  um  so  we- 
niger einzusehen,  als  neuerdings  verlautet,  es  sei  für  diese  Cultur  eine  — 
algierische  Oase  Ghamra  ausersehen.  Geeigneter  erscheinen  jedenfalls  die 
Culturversuche  auf  der  französischen  Insel  Reunion  (Bourbon),  an  den 


*)  pag.  1 u.  13. 


Cortices  Chinae.  § 61. 


421 


Abhängen  ihrer  bis  9000  Fuss  ansteigenden  Vulkane , wo  im  Mai  1866 
Samen  aus  Paris  keimten. 

In  Holland  war  man  auf  die  algierischen  Versuche  aufmerksam  gewor- 
den, so  dass  endlich  1851  Miquel’s  wiederholte  Anregungen  den  Beifall 
des  Colonialministers  Pahud  erhielten,  welcher  nun  den  schönen  Gedanken 
verwirklichte,  auch  später,  1855  zum  General- Gouverneur  von  nieder- 
ländisch Indien  befördert,  kräftig  durchführen  half  und  so  in  schönster 
Weise  frühere  Verirrungen  der  holländischen  Handelspolitik  ’)  sühnte.  Zu- 
nächst veranlasste  Pahud  die  Sendung  des  Botanikers  Hasskarl  nach 
Süd-Amerika,  welcher  im  December  1852  von  Southampton  abging,  1853 
von  Lima  durch  die  Gegend  von  Cusco  bis  Sandia  an  der  bolivianischen 
Grenze  reiste  und  endlich  nach  einem  wiederholten  Besuche  Bolivias  die 
Ausbeute  glücklich  in  21  Ward’schen  Kästen  auf  einer  Fregatte  einschiffte, 
welche  die  Regierung  eigens  nach  Islay  geschickt  hatte.  Hasskarl  brachte 
trotzdem  die  Pflänzlinge  nicht  sehr  wohlbehalten  im  December  1854  nach 
Batavia  und  besorgte  ihre  Ansiedelung  auf  Java.  Von  ihm  mitgebrachte 
Samen  waren  gleichzeitig  den  üniversitätsgärten  in  Holland  übergeben 
worden.  Aber  auch  anderweitig  waren  die  Holländer  schon  thätig  gewesen 
und  hatten  1852  aus  dem  Pariser  Handelsgarten  von  Thibaut  u.  Kete- 
leer  bereits  C.  Calisaya  nach  Java  verpflanzt,  so  wie  auch  1854  von 
Karsten  aus  Neu-Granada  Samen  der  werthvollen  C.  lancifolia  Var.  dis- 
color  dorthin  bezogen.  Bald  lieferten  ferner  die  Gärten  in  Holland  aus 
Hasskarl’s  Samen  kräftige  junge  Pflanzen  nach  Java;  jedoch  entsprach 
der  erste  Erfolg  aller  dieser  Bestrebungen  wenig  den  Erwartungen.  Hass- 
karl,  der  im  Juni  1856  seine  Stellung  aufgab.  hinterliess  seinem  Nach- 
folger Junghuhn  als  Gesammtbestand  der  Chinapflanzungen  auf  Java  nur 

64  Stück  von  C.  Calisaya 

2 „ „ „ lancifolia 

5 „ „ „ lanceolata 

96  „ „ „ ovata 

im  ganzen  167  Pflänzlinge,  während  allein  von  Calisaya  400  Stück 
in  Islay  eingeschifft  worden  waren. 

Die  hier  als  C.  ovata  bezeichnete  Art,  welche  von  Hasskarl  in  Uchu- 
bamba  (Mittel -Peru)  unter  dem  Namen  Cascarilla  crespilla  chica  getroffen 
worden  war,  hielt  Junghuhn  für  C.  lucumaefolia,  bis  Howard  in  ihr 
eine  neue  Art  erkannte  und  sie  als  Cinchona  Pakudiana  beschrieb.  Sie 
unterscheidet  sich  durch  stumpfeiförmige  Blätter  von  der  mehr  spitzblätte- 
rigen G.  carcibayensis  Wdl. ; auch  bleibt  letztere  ein  höchstens  3m  errei 
ehender  Strauch,  während  C.  Pahudiana  bis  10m  hoch  wächst. 


1)  vergl.  bei  Cortex  CinnamoiDi  zeylanici,  bei  Macis  und  Caryophylli! 


422 


Binden. 


§ 62. 

Den  Anstoss  zu  energischer  Betreibung  der  Verpflanzung  von  China- 
baumen gab  auf  englischer  Seite  im  Juni  1852  ein  von  Roy le  an  die  ost- 
indische Compagnie  gerichtetes  Gutachten,  worin  derselbe  aufmerksam 
machte,  dass  ihre  Verwaltung  in  Indien  jährlich  jetzt  schon  über  175,000 
Francs  für  China  auszugeben  habe1)  und  dass  Bolivia  seit  Januar  1850 
seine  Rinden  monopolisire.  Der  kenntnissreiche  Botaniker  empfahl  für  die 
Ansiedelung  in  Indien  die  Blauen  Berge  (Nilagiris,  Neilgherries)  der  Malabar- 
küste und  die  südlichen  Vorberge  des  Himalaja. 

Nach  wenig  befriedigenden  Versuchen  der  Regierung,  durch  Vermitte- 
lung dei  englischen  Agenten  in  Süd -Amerika  zum  Ziele  zu  gelangen,  trat 
endlich  im  April  1859  Clemens  Markham  mit  dem  Anerbieten  hervor, 
sich  der  Sache  anzunehmen,  wozu  er  durch  genaue  Bekanntschaft  mit  Land 
und  Leuten  der  bolivianisch -peruanischen  Grenzgebiete  sowohl  als  mit  der 
spanischen  und  der  Quichua- Sprache  und  auch  schon  mit  den  wichtigsten 
Fieberrindenbäumen  befähigt  sei.  Wohl  bewusst  der  in  der  Natur  der  Sache 
hegenden  Schwierigkeiten  und  trotz  aller  Begeisterung  für  das  Unternehmen 
drang  Markham  umsichtig  darauf,  dass  nichts  versäumt  werde,  um  den 
Erfolg  zu  sichern2)  und  verlangte  namentlich  wiederholt  ein  eigenes  Dampf- 
schilf zur  schleunigen  Beförderung  der  Pflänzlinge  über  den  stillen  Ocean, 
was  unglücklicher  Weise  nicht  genehmigt  wurde.  Um  so  wichtiger  war  es, 
dass  er  die  Anstellung  des  damals  eben  in  Ecuador  reisenden  ausgezeich- 
neten Botanikers  Spruce  zur  Erlangung  der  C.  succirubra  durchsetzte, 
sowie  auch  des  in  Süd-Amerika  ebenfalls  schon  eingelebten  Pritchett  für 
die  Gegend  von  Huanuco.  Später  (1861)  wurde  noch  in  Cross,  einem 
ursprünglichen  Begleiter  Sprue  e’s , ein  sehr  tüchtiger  Gärtner  gewonnen, 
welcher  noch  mehr  C.  succirubra,  Calisaya  und  Condaminea  sammelte  und 
eigenhändig  in  Indien  ansiedelte.  Markham  selbst  hatte  sich  die  Greuzländer 
Perus  und  Bolivias  Vorbehalten,  um  auf  C.  Calisaya  auszugehen,  wozu  er 
im  März  1860  von  Islay  aus  auf  brach.  Ueber  Arequipa  und  Puno  Mitte 
April  in  Crucero , der  Hauptstadt  von  Caravaya , angelangt , traf  er  unweit 
Sandia  die  ersten  Büsche  der  C.  Josephiana,  dann  auch  C.  boliviana, 
C.  Calisaya,  micrantha,  ovata  und  pubescens,  wovon  456  Pflänzlinge  haupt- 
sächlich der  drei  ersteren  gegen  Ende  Juni  glücklich  in  Islay  eingeschifft 
werden  konnten.  Die  Samenreife  der  Calisaya,  welche  in  den  August  fällt, 
durfte  wegen  der  dem  Unternehmen  höchst  feindseligen  Stimmung3)  des 
ganzen  Landes  nicht  abgewartet  werden.  Ueberhaupt  galt  es  hierbei  sehr 
grosse  Schwierigkeiten  zu  besiegen , wovon  der  Leiter  der  ganzen  Expe- 


!)  dazu  aber  noch  z.  B.  für  die  Jahre  1857  und  1858  über  1,325,000  Francs  für  Chinin! 

2)  „if  the  thing  is  worth  doing  at  all,  itis  worth  doing  well  * — erklärte 
Markham  von  vornherein  den  Behörden! 

3)  Ecuador,  wo  Spruce  gesammelt  hatte,  erliess  1861  ein  Verbot,  Samen  oder  Pflänz- 
linge der  Cinchonen  auszuführen,  wie  früher  Markham  gegenüber  auch  die  Bolivianer. 


Cortices  Chinae.  § 62. 


423 


dition  ein  eben  so  lehrreiches  als  anschauliches  Bild  entworfen  hat.1)  Die 
Regierung  beging  den  unbegreiflichen  Missgriff,  die  werth volle  Ausbeute 
nicht  direkt  an  ihre  Bestimmung  zu  befördern,  sondern  über  Panama,  Eng- 
land, Suez  und  Bombay  nach  den  Nilagiris  zu  senden,  wo  sie,  obwohl  unter 
Markham’s  persönlicher  Obhut  im  October  1860  in  üblem  Zustande  ein- 
traf. Ein  unvorhergesehener  Aufenthalt  in  Bombay  hatte  namentlich  viel 
geschadet.  Aehnliches  Schicksal  hatten  die  Pflänzlinge  Pritchett’s;  doch 
gingen  seine  Samen  (von  C.  micrantha,  C.  nitida  und  peruviana)  sowohl 
im  Garten  von  Kew  (bei  London)  als  in  Ostindien,  auf  Trinidad  und  auf 
Jamaica  gut  auf.  Ebenso  keimten  von  Sprue e gesammelte  Samen  der 
C.  succirubra  in  Kew,  während  nicht  weniger  als  463  kräftige  Stämmchen 
derselben  Art  die  1861  zur  Chinacultur  ausersehenen  ostindischen  Regie- 
rungspflanzungen von  Utacamund  erreichten. 

Weitere  Ansiedelungen  der  kostbaren  Pflanzen  wurden  begonnen  1861 
in  Hakgalla,  im  centralen  bis  5000  Fuss  ansteigenden  Gebirgslande  Cey- 
lons; 1862  in  Dardschiling  (Darjeeling),  im  südlichen  Theile  Sikkims 
im  südöstlichen  Himalaya;  1865  in  Neu-Seeland  und  auf  dem  austra- 
lischen Continente ; 1 86  6 in  Brisbane  (Queensland,  Ostküste  Australiens) 
zum  Theil  durch  Privatleute.  Als  Mittelpunkt  des  ganzen  Unternehmens 
ragt  aber  Utacamund  (Ootacamund)  hervor  mit  seinen  Filialen  bis  zur 
Südspitze  der  vorderindischen  Halbinsel,  zum  Theil  auf  Höhen  bis  gegen 
7000  — 8000  Fuss  über  Meer.  Vor  der  Ankunft  Markhams  mit  den  ersten 
Pflänzlingen  aus  Bolivia  hatten  die  sorgfältigsten  Untersuchungen  in  meteo- 
rologischer und  geologischer  Hinsicht  auf  diese  Standorte  geführt.  Dazu 
kam  der  glückliche  Umstaud,  dass  die  Pflanzungen  hier  dem  eben  so  ge- 
wandten als  energischen  Gärtner  Mac  Ivor  übergeben  wurden,  welcher 
den  grössten  Eifer  darauf  verwandte  und  namentlich  die  trefflichsten  Metho- 
den zur  raschen  Vermehrung  der  Cinchonen  ausfindig  machte.  1864  ver- 
vollständigte Cross  die  indischen  Pflanzungen  durch  die  höchst  werthvolle 
Cinchona  pitayensis,  welche  sich  nach  seinem  Zeugnisse  durch  sehr  rasches 
Wachsthum  ausserdem  ganz  besonders  empfiehlt  und  vermuthlich  eine  be- 
deutende Zukunft  haben  wird. 

Welcher  Erfolg  diese  grossartigen  Leistungen  Englands2)  begleitet  hat, 
geht  daraus  hervor,  dass  Utacamund  im  August  1862  über  72000  China- 
bäumchen zählte,  worunter  beinahe  die  Hälfte  C.  succirubra,  1000  Calisaya 
und  nur  425  C.  Pahudiana.  Ende  October  1863  war  die  Gesammt- 
zahl  schon  auf  248,000  gestiegen.  Cinchona  Uritusinga , welche 


1)  Clements  R.  Markham.  Zwei  Reisen  in  Peru.  Deutsche  Uebersetzung,  Lpzg.  1865. 
Vergl.  auch  Wittstein’s  Viertel) ahrsschr.  XIII.  52.  — Vollständiger  und  höchst  anziehend 
aber  in  dem  englischen  Blue  book  (East-India,  Chinchona  Plant)  von  1863,  wo  auch  die  nicht 
minder  werthvollen  von  wahrhaft  wissenschaftlichem  Geiste  getragenen  Berichte  von  Spruce 
und  Cross. 

2)  eine  ansprechende  Uebersicht  derselben  hat  1866  R.  v.  Schlagintweit  in  der  Zeit- 
schrift der  Gesellsch.  1.  Erdkunde  zu  Berlin  I.  361  — 880  gegeben. 


424 


Rinden. 


Howard1)  1862  in  einem  einzigen  aus  Uritusinga  bei  Loxa  bezogenen 
Exemplare  beigesteuert  hatte,  ist  durch  Mac  Ivor’s  Geschicklichkeit  in 
Utacamund  im  Laufe  von  18  Monaten  auf  4733  Pflänzlinge  vermehrt  wor- 
den. Im  Mai  1866  war  der  Bestand  in  Utacamund  in  runden  Zahlen 

Cinchona  succirubra 297,000  Stück  ] zusammen,  mit 

„ Calisaya 37,000  „ Einschluss  einiger 

officinalis  (S.  376  Anmerk.)  758,000  „ weiterer  in  gerin- 

Graue  Rinden  liefernde  Arten 29,000  „ ger  Zahl  vertrete - 

Cinchona  lancifolia  und  pitayensis  . . 198  „ ner  Arten  = 

„ Pahudiana 425  „ 1,123,000  Stück. 

Hakgalla  auf  Ceylon  hatte  Ende  1863  in  ungefähr  gleicher  Mischung 
ebenfalls  22,000  Chinabäumchen,  im  November  1865  aber  über  500,000, 
worunter  C.  succirubra  und  C.  officinalis  (vereinigte  C.  Chahuarguera, 
Condaminea  und  Uritusinga)  am  zahlreichsten.  Darjeeling  und  Rungbee  in 
Sikkim  besassen  im  Mai  1866  über  300,000  Stück,  gleichfalls  vorherr- 
schend in  den  beiden  oben  genannten  Arten. 

Aus  Jamaika  wurde  1864  das  Gedeihen  von  C.  micrantha,  nitida  und 
succirubra  gemeldet. 

Zur  Vervollständigung  des  Bildes  dieser  segensreichen  Bestrebungen 
muss  hervorgehoben  werden,  dass  M’Ivor  aus  Utacamund,  so  wie 
Thwaites,  der  Vorsteher  der  Ceylon’schen  Pflanzschulen,  aus  Hakgalle, 
ganz  abgesehen  von  den  so  eben  aufgeführten  Beständen,  seit  1862  nach 
und  nach  schon  Hunderttausende  von  jungen  Chinabäumchen  au  Private 
abgegeben  haben,  von  denen  manche  zu  wiederholten  Malen  Hunderte  und 
Tausende  von  Stücken  bezogen  und  zwar  nicht  nur  nach  allen  Theilen 
Indiens,  dem  Pandschab,  nach  Assam,  Rangun,  Bengalen,  Mauritius,  Reu- 
nion, Java,  Burma,  sondern  auch  nach  Melbourne,  Neu- Seeland,  Jamaica 
u.  s.  f.  Eine  der  bedeutenderen  Privatpflanzungen  scheint  die  von  Neu- 
Quito  im  Kangra-Thale,  in  den  östlichen  Bergen  des  oberen  Pandschab, 
unweit  Dschallandhor  (Jullundhur) , dem  Capt.  Nassau  Lees  gehörig,  zu 
werden.  — Der  Verkaufspreis  für  das  Stück  junger  Cinchonen  ist  1866 
von  der  Regierung  in  Madras,  in  deren  Bezirk  Utacamund  liegt,  auf  1 Anna 
(=  14,2  franz.  Centimes)  herabgesetzt  worden  und  es  geschieht  überhaupt 
alles,  was  die  Privatthätigkeit  ermuntern  kann,  sich  auf  diese  Cultur  zu 
verlegen. 

So  ist  denn  die  Einführung  dieser  edlen  Bäume  in  allen  dazu  geeig- 
neten Gegenden  des  weiten  anglo- indischen  Reiches  bereits  jetzt  in  einer 
Weise  gelungen,  welche  Markham’s  enthusiastischen  Ausruf2)  wohl  recht- 
fertigen  mag,  er  habe  sich  in  Hakgalle  auf  die  peruanischen  China-Pajonales3) 


0 N.  Quinol.  pg.  XV.  uud  Ph.  J.  and  Tr.  V.  595. 

2)  Blaubach  1866.  S.  188,  214,  377. 

3)  vergl.  oben  S.  358. 


Cortices  Chinae.  § 62. 


425 


versetzt  geglaubt  oder  er  fiude  bei  nochmaligem  Besuche  Iudiens,  im  Februar 
18G6,  die  Nilagiris  zu  wahren  Cbiuabergen  mit  aller  Farbenpracht  der 
schönen  Bäume  umgewandelt.  Ganz  besonders  scheint  ütacamunds  Klima 
denselben  zuzusagen,  wenigstens  der  stattlichen  succirubra  mit  ihren  fuss- 
langen  Blättern , während  Ceylon  sich  besser  für  die  verschiedenen  Spiel- 
arten der  C.  officinalis  (S.  376,  Anmerk.  1)  anlässt. 

Ueber  einen  1859  vom  amerikanischen  Patentamte  angebahnten  Ver- 
such1) zur  Einführung  der  Cinchonen  in  Californien  fehlen  weitere 
Berichte;  auch  die  von  Martius2)  ausführlich  erörterte  Wahrscheinlichkeit 
des  Gedeihens  der  Fieberrindenbäume  in  Brasilien  scheint  daselbst  unbe- 
achtet geblieben  zu  sein.  Sogar  Kaiser  Maximilian  fand  im  April  1866 
noch  Zeit,  sich  um  China- Pflänzlinge  aus  Indien  für  Mexico  zu  be- 
mühen.3 *) 

Auf  Java  gestaltete  sich  der  mangelhafte  Zustand  der  von  Hasskarl 
begonnenen  Pflanzungen  unter  Junghuhn’s  Verwaltung  bald  in  so  fern 
günstiger,  als  im  December  1862  auf  10  verschiedenen  Plätzen  schon 
1,360,000  Setzlinge  und  Bäumchen  vorhanden  waren,  worunter  aber  die 
werthvollsten  in  Minderzahl,  nämlich  Calisaya  8984  Stück,  laucifolia  145, 
micrantha  1,  succirubra  71,  während  C.  Pahudiana  mit  über  1 Million  ver- 
tretenwar, obwohl  der  Werth  gerade  dieser  Art  noch  gar  nicht  feststeht  (§  56). 

Es  scheint,  dass  Hasskarl  hauptsächlich  in  der  Wahl  der  Standorte 
nicht  glücklich  war,  während  Junghuhn  vielleicht  mit  Unrecht  die  zuletzt 
genannte  Art  so  unverhältnissmässig  bevorzugte,  weil  sie  rasch  keimfähige 
Früchte  lieferte.  Allerdings  scheint  dieselbe  weit  besser  zu  gedeihen11)  als 
Calisaya,  welche  auch  in  den  englischen  Colonieu  bis  jetzt  immer  noch  sehr 
hinter  der  viel  härteren,  grossblätterigeu  C.  succirubra  zurückgeblieben  ist, 
ja  sogar  Ausartung  befürchten  lässt.  Junghuhn  huldigte  ferner  allzu  sehr 
der  verderblichen  Ansicht,  dass  die  Chinabäume  vorzugsweise  den  Schatten 
lieben,  während  die  oben  (§  8)  angeführten  Thatsachen  und  die  glänzenden 
Ergebnisse  in  Utacamund , ganz  abgesehen  vom  Zeugnisse  der  Reisenden, 
welche  die  Heimat  der  Cinchonen  besuchten,  wenigstens  für  erstarkte 
Pflanzen  einstimmig  das  Gegentheil  auf  das  bestimmteste  lehren.5)  Ferner 
wurde  in  Java  die  Vermehrung  durch  Ableger,  Steckreiser  und  Augen  ver- 
nachlässigt, welche  von  den  Engländern  (zuerst  durch  Mac  Ivor,  Direktor 
desGartens  vonUtacamund)  mit  so  ausserordentlichem  Erfolge  betrieben  wird. 

Alle  diese  Erfahrungen  auf  Java  haben  zu  lebhaften  und  theilweise  sehr 
bitteren  Erörterungen  geführt,6)  denen  einerseits  J u ngh  uh  n’s  Tod  (20.  April 


Proc.  of  the  Americ.  Pharm.  Ass.  1859.  385. 

2)  in  Büchners  Repertor.  XII.  386  —392. 

3)  Blue  book.  S.  198. 

) in  neuester  Zeit  begann  C.  Pahudiana  auf  Java  zu  erkranken.  (J  agor  1866.) 

5)  so  auch  Martius  in  Bnchner’s  Repertor.  XII.  367.  — Auch  zahlreiche  Stellen  der 
englischen  Blaubiicher. 

6)  vgl.  Ausland  1868.  952  u.  964.  — Oudemans,  Handl.  tot  de  Pharm.  102  — 109. 


426 


Rinden. 


1864)  und  anderseits  die  höchst  verdienstlichen  analytischen  Untersuchungen 
von  de  Vnj  ein  Ende  gemacht  haben.  Holland  hatte  1857  denselben 
eigens  nach  Java  abgeordnet,  um  die  ganze  Chinafrage  in  chemischer  Hin- 
sicht  zu  verfolgen.  Die  oben  gelegentlich  benutzten  Ergebnisse  dieser 
schonen  Mission  haben  bereits  bewiesen,  dass  die  Pflanzungen  unzweifelhaft 
zu  den  besten  Hoffnungen  berechtigen.  Gewiss  werden  weitere  chemische 
Studien  eine  Reihe  von  Frageu  lösen,  die  zur  Erweiterung  unserer  Kennt- 
mss  der  Cinchonen  sowohl  als  des  allgemeinen  phytochemischen  Wissens 
mächtig  beitragen  müssen.  In  praktischer  Hinsicht  geben  die  Engländer 
schon  jetzt  zu  verstehen,  dass  die  Cultur  sich  noch  lohnend  erweise,  wenn 
auch  der  gegenwärtige  Erlös  von  ungefähr  10  Francs  für  das  Kilogr. 
Calisaya- Rinde  auf  2V2  Fr.  herabgegangen  sein  werde.1)  Bereits  schicken 
sie  sich  an,  aus  indischen  Rinden  die  Alkaloide  in  der  Präsidentschaft 
Madras  fabrikmässig  darzustellen  und  den  dortigen  ungeheuren  Chinin- 
bedarf von  vielleicht  5000  bis  6000  Pfund  jährlich  im  Lande  selbst  zu 
gewinnen. 

Es  gewährt  eine  hohe  Befriedigung,  die  Aktenstösse  zu  durchmusteru, 
welche,  auf  Befehl  des  englischen  Unterhauses  gedruckt,2)  eine  vollständige 
Einsicht  in  den  ganzen  Gang  und  Stand  dieser  wichtigen  Unternehmung 
darbieten  und  ehrenvolles  Zeugniss  ablegen  für  den  humanen  Sinn,  die 
unerschütterliche  Ausdauer  und  Anstelligkeit  der  dabei  leitend  oder  aus- 
führend betheiligten  Männer,  welche  vom  Kolonialminister  au  bis  zum  Arzt 
und  Gärtner  herab  von  dem  Gedanken  beseelt  sind,  ein  für  die  Gesundheit 
der  indischen  Bevölkerungen  unschätzbares  Heilmittel  denselben,  zumal 
auch  in  den  untersten  Kreisen,  fast  unentgeldlich  zu  liefern.  Von  oberster 
amtlicher  Stelle3)  wurde  erklärt  uud  in  begeisterten  Worten  durch  den 
viel  verdienten  Mark h am  wiederholt,  dass  reichliche  Versorgung  der 
Arbeiterbevölkerung  und  ihrer  Familien  mit  dem  Fiebermittel  als  ein 
Hauptziel  ins  Auge  zu  fassen  sei  und  dass  die  Regierung  selbst  nur  eben 
gehörigen  Ersatz  der  aufgewendeten  Kosten  beanspruche,  das  übrige  aber 
alsdaun  mit  vollkommenster  Liberalität  der  Privatthätigkeit  anheimgebe. 
In  diesem  Sinne  wird  von  weiterer  Ausdehnung  der  Regierungspflanzungeu 
jetzt  abgesehen. 


1)  Ph.  Journ.  and  Tr.  VII.  521. 

2)  Papers  relating  to  the  introduction  of  the  Chinchona-Plaut  into  India.  — Die  im  obigen 
oft  angeführten  sogenannten  Blaubücher,  272  und  379  Folioseiten  umfassend. 

3)  Sir  Charles  Wood  s Weisung  an  die  Regierung  von  Madras,  30.  Sept.  1865. 


Cort.  Strychni. 


427 


Cortex  Strychni. 

Cortex  Angosturae  spurius.  Cortex  Pseud-Angosturae.  Falsche  Angostura- 
Rinde.  Fausse  Angusture.  False  Angostura. 

Bis  etwa  0,004m  dicke,  meist  nur  0,1 0m  lange,  oder  noch  kürzere 
Bruchstücke  der  Stammrinde  desselben  Baumes,  welcher  Semen  Strychni 
(vergl.  dieses)  liefert.  Es  kommen  sowohl  gerollte  als  auch  flache  oder 
rückwärts  gekrümmte  Stücke  vor,  immer  bedeckt  von  hellwarzigem  grau- 
lichem oder  gelblichem  lockerem  Korke,  welcher  aber  sehr  häufig,  stellen- 
weise sogar  ganz  vorherrschende  lebhaft  rothgelbe  Flecke  trägt.  Ober- 
fläche glatt  oder  etwas  querwulstig,  nicht  rissig.  Die  hellgrauliche  bis 
blauschwarze  glatte  Innenfläche  mit  zahlreichen  helleren  kurzen  Strichel- 
chen besetzt.  — Flechten  oder  Pilze  pflegen  auf  dieser  Rinde  nicht  oder 
nur  sehr  spärlich  vorzukommeu;  der  farbige  Kork  ist  frei  von  solchen. 

Der  Querschnitt  ist  besonders  nach  innen  deutlich  strahlig;  im  äussern 
Drittel  oder  Viertel  desselben,  auch  auf  der  Bruchfläche,  bezeichnet  eine 
schmale,  körnige,  gewöhnlich  hellere,  meist  ziemlich  parallel  mit  der  Ober- 
fläche verlaufende  Zone,  die  Grenze  zwischen  Mittel-  und  Iunenrinde.  Auch 
der  radiale  Längsschnitt  bietet  diese  Zone  als  ununterbrochene  Wellenlinie 
in  grösserer  oder  (bei  älteren  Stücken)  geringerer  Tiefe  unter  der  Kork- 
schicht dar.  Seltener  und  weniger  deutlich  tritt  bisweilen  in  der  Innen- 
rinde eine  ähnliche,  aber  unterbrochene  Zone  auf.  Die  falsche  Angostura- 
Rinde  ist  etwas  mürbe  und  bricht  kurz  und  körnig,  weder  blätterig,  noch 
faserig. 

Der  Kork  besteht  aus  zahlreichen  Lagen  weiter  kubischer  Zellen  mit 
dünnen  Wänden,  welche  besonders  da  rothgelbe  Färbung  zeigen,  wo  das 
Korkgewebe  die  reichlichste  Entwickelung  erlangt  hat.  Die  innerste  Schicht 
enthält  häufig  noch  lebensthätige,  dünne,  tafelförmige,  ungefärbte  Korkzellen. 

Das  ziemlich  weite  kubische  Parenchym  der  Mittelrinde,  in  regelmässige 
radiale  Reihen  geordnet,  ist  je  nach  dem  Alter  des  Stückes  bald  sehr  mäch- 
tig, bald  von  nur  geringer  Breite.  Nur  in  seiner  innersten  Lage  nehmen 
die  Zellen  eine  geringe  tangentiale  Streckung  an.  Eigentliche  Borkenbil- 
duug  scheint  nicht  vorzukommen,  sondern  nur  einfach  allmälige  Verkor- 
kung des  Mittelrinden- Gewebes.  Die  bereits  erwähnte,  schon  dem  unbe- 
waffneten Auge  auffallende  dichte  körnige  70  bis  200  Mikromill.  breite 
Zone  ist  aus  gelben,  kugelig -eckigen,  sehr  dicht  zusammengefügten  Stein- 
zellen gebildet.  Sie  messen  durchschnittlich  30 — 40  Mikromillim.  und 
sind  fast  ganz  durch  deutlich  geschichtete  poröse  Ablagerungen  verdickt. 
Aehnliche  aber  ganz  vereinzelte  oder  nur  zu  kleinen  Gruppen  vereinigte 
Steinzellen  finden  sich  auch  in  der  Innenrinde  eingestreut.  Das  Gewebe 
dieser  letztem  gleicht  im  übrigen  dem  der  Mittelrinde,  ist  aber  mehr  in 
tangentialer  Richtung  gedehnt,  vorzüglich  in  den  breiten,  obwohl  nicht  sein- 
ausgezeichneten  Markstrahlen.  Die  Baststrahlen  pflegen  jene  vereinzelten 
Steinzellen  zu  enthalten,  welche  in  den  inneren  Lagen  der  Bastschicht  oft 


428 


Rinden. 


etwas  axial  gestreckt,  bisweilen  senkrecht  zu  mehreren  übereinander  gestellt 
und  von  kurzen,  dünnen,  prosenchyrnatischen  Zellen , nicht  eigentlichen 
Baströhren,  umgeben  sind.  Im  Querschnitt  zeigen  einige  dieser  letzteren 
Baststellen  wellenförmig  gebogene  Wände  (Hornbast). 

Die  Mittel-  und  Innenriude  enthalten  kleine  nur  etwa  gegen  6 Mikrom. 
messende  kugelige  Amylumkörncheu  und  äusserst  zahlreiche  bis  30  Mikro- 
meter erreichende  monoklinische  Krystalle  von  Kalkoxalat,  meist  Hen- 
dyoeder  mit  abgestumpfter  Raudkante,  welche  durch  Verlängerung  in  der 
Richtung  der  Hauptaxe  ein  fast  oktaedrisches  Aussehen  haben.  Häufig 
sind  auch  Zwillingskrystalle  mit  eiuspringendem  Winkel1).  Manche  Kry- 
stalle sind  etwas  krummflächig,  wie  angefressen.  Sie  lösen  sich  ohne 
Brausen  in  Salpetersäure,  nicht  in  Essigsäure.  Die  Bastschicht  ist  noch 
reicher  daran  als  die  Mittelrinde;  jede  einzelue  Zelle  pflegt  nur  eiuen  grossen 
Krystall  eiuzuschliesseu.  In  der  Nähe  der  Korkschicht  treten  bisweilen 
auch  braunrothe  Körner  (oder  Tropfen?)  von  Farbstoff  oder  Harz  auf. 

Die  falsche  Augostura-Rinde  schmeckt  sehr  stark  und  anhaltend  bitter, 
gar  nicht  aromatisch.  Als  Träger  des  Geschmackes  uud  der  heftig  gifti- 
gen Wirkung  ermittelten  1819  Pelletier  u.  Caventou  das  nachher 
auch  in  den  Brechnüssen  und  den  Ignätiusbohnen  augetroffene  Alkaloid 
Brucin2)  0-3H26N'-  Q-4,  welches  auch  in  dieser  Rinde  von  Strychnin  be- 
gleitet ist.  — Diese  beiden  Alkaloide  wirken  in  gleicher  Weise  giftig,  das 
Brucin  jedoch  12  bis  20  mal  schwächer  als  Strychnin.  Wie  das  Igasurin 
(vgl.  Semen  Strychni)  soll  nach  Schützenberger  auch  das  Brucin  durch 
fraktionirte  Krystallisatiou  in  9 verschiedene  Basen  getrennt  werden  können. 
Die  Rinde  enthält  auch  Gerbstoff;  ihr  wässeriger  Auszug  gibt  daher  (vergl. 
Cort.  Angosturae)  mit  Eisenchloridlösung  eine  dunkelgrüne  Trübung.  Auf 
feinen  Schnitten,  die  man  mit  Eisenvitriollösuug  tränkt,  nimmt  besonders 
die  Mittelrinde,  nicht  die  Steinzellenschicht  eine  dunkle  Färbung  an.  Der 
rothgelbe  Farbstoff  des  Korkes  wird  durch  Alkalien  braun,  durch  Salpeter- 
säure und  Schwefelsäure  grün  gefärbt;  Pelletier  u.  Caventou  nannten 
ihn  Strychnochrom. 

Das  ätherische  Oel,  etwa  3/4  pCt.  der  Rinde  betragend,  hat  Herzog 
der  empirischen  Formel  £13H240  entsprechend  gefunden.  Es  kocht  wie 
das  der  ächten  Angostura  bei  266°  C. 

Die  falsche  Angostura- Riude  war  nie  eigentlich  ofticiuell;  sie  wurde 
zuerst  1804  von  Ramb ach,  Stadtphysikus  in  Hamburg,  unter  der  ächten 
Angostura- Rinde  (vergl.  Cortex  Angosturae)  aufgefunden,  nachdem  diese 
ungewohnte  giftige  Wirkung  gezeigt  hatte.  Der  Hamburger  Magistrat  be- 


!)  vergl.  Holzner,  Krystalle  in  den  Pflanzenzellen.  Inaugural-Abhaudl.  München  1S64. 

2)  von  Brucea  ferruginea  H6ritier  (Br.  antidysenterica  Miller),  einem  abyssinischen 

Strauche  aus  der  Familie  der  Xanthoxylcae  abgeleitet,  deu  man  für  die  Stammpflanze  der 
falschen  Angostura-Rinde  gehalten  hatte.  - Nach  der  Widerlegung  dieser  Ansicht  schlug 

Geiger  für  das  Alkaloid  den  Namen  Caniramin  vor,  der  nicht  Eingang  gefunden  hat. 


Cortex  Frangulae. 


429 


fahl  deshalb  am  11.  Mai  1804  genaue  Prüfung  der  Rinde.  Auch  ander- 
wärts wurde  diese  gefährliche  Beimischung  bemerkt  und  ihre  höchst  giftige 
Natur  von  der  Wiener  Fakultät  festgestellt,  ohne  dass  die  Urheber  dersel- 
ben je  ermittelt  werden  konnten.  Man  vermuthete,  die  Fälschung  wer  e 
in  Amerika  vorgenommen,  aber  die  Rinde  selbst  stamme  aus  Ostindien. 
Nach  andern  hätte  sie  ein  englischer  Grosshändler  an  Hamburger  Häuser 
geschickt.  Als  Pelletier  u.  Caventou  in  derselben  die  Strychneen- 
Alkaloide  nach  wiesen,  sprach  zuerst  B atk  a die  Ansicht  aus , Strychnos 
Nux  voinica  sei  die  Stammpflanze  dieser  räthselhaften  Rinde.  Andere 
stellten  abweichende  Vermuthungen  auf,  bis  Schleiden  (1857),  gestutzt 
auf  die  Vergleichung  eines  Stammstückes  von  Strychnos  Nux  vomica,  Bat- 
ka’s  Ansicht  bestätigte,  welcher  (1863)  Berg  ebenfalls,  nach  Untersuchung 
eines  solchen  Stammes,  beigetreten  ist.  Diese  Rinde  kömmt  in  neuerer 
Zeit  gar  nicht  mehr  vor. 


Cortex  Frangulae. 

Faulbaumrinde.  Ecorce  de  bourdaine  ou  d’aune  noir. 

Rhamnus  Frangula  L — Rhamneae. 

Schlanker , oft  fast  baumartiger  Strauch  feuchter  schattiger  Standorte 
durch  ganz  Europa  von  Spanien  an  bis  zum  Polarkreis  und  in  Mittelasien 
bis  zum  Altai. 

Man  sammelt  die  Rinde  des  Stämmchens  und  der  stärkeren  langge- 
streckten Zweige  in  fusslangen  gerollten  Stücken  von  höchstens  IV2  Millim. 
Dicke.  Ihre  Oberfläche  ist  matt  grau  bräunlich , im  Alter  mehr  grau  , die 
Innenfläche  mehr  oder  weniger  dunkelbraun,  der  kurzfaserige  Querbruch 
vorherrschend  gelblich.  Die  wenigstens  in  jüngerem  Zustande  glatte 
Korkschicht  ist  hübsch  besprengt  mit  weisslichen  aufgerissenen  Wärzchen, 
welche  an  älteren  Stücken  mehr  kurze  rissige  und  hellere  Querbänder  bil- 
den, denen  sich  schliesslich  noch  sanfte  Längsrunzeln  beigesellen. 

Die  Aussenrinde  trennt  sich  beim  Trocknen  stellenweise  durch  Ein- 
schrumpfung; in  der  Inneurinde  lässt  sich  durch  dieLoupe  kaum  schon  die 
fein  gefelderte  Zeichnung  des  sehr  kleinzelligen  Gewebes  wahrnehmen. 

Die  Aussenrinde  enthält  eine  grössere  Auzahl  zu  äusserst  flacher,  innen 
mehr  gewölbter  Tafelzellen , welche  besonders  an  der  Oberfläche  tief  pur- 
purroth  bis  braunroth  gefärbt  sind.  Auf  diese  kleinen  dicht  gedrängten 
Korkzellen  folgt  ohne  Uebergang  das  weitere  sehr  dickwandige  Parenchym 
der  Mittelrinde , dessen  anfangs  enge  verbundene  kugelige , oder  etwas  tan- 
gential gedehnte  Zellen  allmälig  an  Grösse  zunehmen,  sich  ein  wenig  im 
Sinne  der  Axe  strecken  und  grössere  Räume  (Schleimgänge)  zwischen  sich 
frei  lassen. 

An  der  Grenze  der  Innenrinde  finden  sich  gewöhnlich  ausgezeichnete 
Gruppen  von  Hornbast , mehr  nach  innen  starke  Bündel  gelber  verdickter 


430 


Rinden. 


und  sehr  langer  Baströhren  oder  auch  vereinzelte  Röhren.  Diese  im  Alter 
einigermassen  in  tangentiale  Reihen  geordneten  Bastbändel  sind  umgeben 
von  Strängen  krystallreichen  Parenchyms,  worin  kleine  rhomboederartige 
Gestalten  vorherrschen,  während  die  Krystalle,  welche  auch  in  der  Mittel- 
rinde und  im  übrigen  Bastparenchym  zahlreich  eingestreut  sind,  wenigstens 
in  jüngern  Rinden  mehr  rosettenförmige  Drusen  darstellen. 

Die  Innenrinde  wird  durchschnitten  von  schmalen  einreihigen  bis  drei- 
reihigen Markstrahlen  mit  radial  gestreckten  Zellen,  welche  Chlorophyll 
oder  gelben  körnigen  Inhalt  zeigen.  Auch  die  Mittelrinde  enthält  Chloro- 
phyll mit  kleinen  wenig  zahlreichen  Amylumkörnchen. 

Frisch  riecht  die  Rinde  widerlich  und  schmeckt  ekelhaft  bitterlich. 
An  Wasser  gibt  sie  sofort  einen  gelben  Farbstoff  ab,  der  durch  Eisensalze 
kaum  verändert  wird,  aber  nach  Zusatz  der  geringsten  Menge  von  Alkalien 
in  prächtiges  Karminroth  übergeht.  Es  wurde  (1849)  von  Binswanger 
und  Büchner  zuerst  aus  der  ätherischen  Lösung  in  gelben  sublimirbaren 
Krystallen  erhalten  und  Rhamnoxanthin  genannt.  Der  erstere  fand 
weiter  in  der  Stammrinde  eisengrüuenden  Gerbstoff,  Harz,  unkrystallisirten 
Zucker  und  Bitterstoff,  Aepfelsäure,  Fett,  so  wie  5,4  pCt.  Aschenbestand- 
theile.  Dem  wässerigen  Destillate  ertheilt  die  frische  Rinde  ihren  Geruch, 
ohne  dass  sich  ätherisches  Oel  oder  Blausäure  nachweisen  lässt. 

Büchner  zeigte,  dass  auf  der  Wurzelrinde  nach  längerer  Aufbewah- 
rung ebenfalls  Krystalle  des  Rhamnoxanthins  anschiessen,  und  Winkler 
wies  es  in  dem  Samen  nach.  Casselmanu  (1857)  fand  dasselbe  der 
Formel  O6Hß03  entsprechend  und  nannte  es  (zur  Verhütung  von  Ver- 
wechselung mit  andern  Rhamnus-Farbstoffen)  Frangulin.  Es  bildet  ge- 
schmack-  und  geruchlose  mikroskopische  Tafeln  oder  Nadeln  von  citrongel- 
ber  Farbe , die  sich  in  heissem  Alkohol , besser  in  Benzol  und  ätherischen 
Oelen,  fast  gar  nicht  in  Aether  und  Wasser  lösen.  Säuren  fallen  das  Fran- 
gulin unverändert  aus  der  schön  purpurnen  Lösung  in  den  Alkalien.  Noch 
schönere  Farben  zeigen  die  Salze  der  Nitro-Frangulinsäure,  welche  durch 
Salpetersäure  aus  dem  Frangulin  entsteht.  Nach  Phipson  lässt  sich  das 
letztere  aus  dem  alkoholischen  Extracte  durch  Sublimation  (es  schmilzt  bei 
249°) , oder  am  besten  aus  der  Rinde  durch  Schwefelkohlenstoff  gewinnen. 
Aeltere  Rinde  liefert  nach  Casselmann  mehr  Frangulin;  es  scheint  theil- 
weise  erst  beim  Liegen  derselben  gebildet  zu  werden. 

Das  Frangulin  scheint  nicht  eine  gepaarte  Zuckerverbindung  zu  sein, 
wie  das  Xanthorhamnin  023H28014  aus  den  Gelbbeeren,  den  Früchten  der 
Rhamnus  tinctoria  und  anderer  südeuropäischer  und  orientalischer  Rham- 
nus-Arten. 

Kubly  gewann  aus  der  Faulbaumrinde  (1865)  nach  der  gleichen  Me- 
thode, die  er  bei  der  Darstellung  der  Cathartinsäure  (siehe  unt.  Fol.  Sennae) 
befolgt,  eine  ganz  ähnliche,  vielleicht  identische  Substanz  von  gleicher  pur- 
girender  Wirkung.  Dieselbe  scheint  aber  in  Cortex  Frangulae  in  freiem 
Zustande  vorzukommen  und  ist  auch  von  wenig  Schleim  begleitet,  überhaupt 


Cortex  Angosturae. 


431 


reichlicher  vorhanden.  Die  Frangula- Substanz  enthält  gleichfaUs  Schwe- 
fel- und  Stickstoff  und  erweist  sich  als  Glykosid.  Aether  fällt  ans  der  alko- 
holischen Flüssigkeit  nach  der  Abscheiduug  jenes  wirksamen,  der  Cathartin- 
säure ähnlichen  Stoffes  das  amorphe  Glykosid,  Avornin  €^H90'. 
Salzsäure  erzeugt  daraus  die  in  schönen  rothen  Nadeln  krystallisirende 
Avorninsäure,  G^H^G4,  welche  in  naher  Beziehung  zum  Frangulin  stehen 
dürfte  und  sich  in  Alkalien  mit  prachtvoll  purpurrother  Farbe  löst. 

Die  Faulbaumrinde  wurde  gegen  Ende  des  Mittelalters,  zumal  von  deut- 
schen Aerzten , mit  richtigem  Blicke  als  Surrogat  der  Rhabarber  erkannt 
und  besonders  von  Dodonaeus  in  der  zweiten  Hälfte  des  XVI.  Jahrhun- 
derts empfohlen.  Später  gerieth  sie  ganz  in  Vergessenheit,  welcher  sie 
1843  durch  Gumprecht  wieder  entrissen  wurde. 

Die  Rinde  von  Rhamnus  cathartica  (vergl.  bei  Fructus  Rhamni  cath.) 
kann  wegen  der  bei  weitem  reicheren  Verzweigung  dieses  Strauches  nicht 
in  so  langen  Stücken  abgezogen  werden,  wie  von  Rh.  Frangula.  Auch  in 
trockenem  Zustande  ist  übrigens  die  Rinde  der  ersteren  stark  glänzend, 
mehr  rothbraun , querstreifig , an  den  Aesten  mit  nur  äusserst  zerstreuten 
wenigen  Korkwärzchen  versehen,  im  Bruche  viel  zäher,  der  Bast  aus  weit 
längeren  Fasern  gebildet.  In  chemischer  Hinsicht  scheinen  beide  Rinden 
übereinzustimmen;  doch  soll  diejenige  von  Rh.  cathartica  einen  krystallisir- 
baren  Bitterstoff  enthalten  (Binswanger).  Sie  schmeckt  sehr  scharf 
bitter. 

Die  ziemlich  ähnliche  Rinde  von  Prunus  Padus  ist  dünner,  nicht  so 
regelmässig  mit  Korkwärzchen  besetzt,  aber  stark  längsrunzelig,  mit  feine- 
rem weissem,  nicht  gelbem  Baste  versehen  und  von  adstringirendem  Ge- 
schmacke.  Sie  enthält  sehr  grosse  rhomboederartige  Oxalatkrystalle. 


Cortex  Angosturae. 

Cortex  Angusturae  verae.  Angostura- Rinde.  Ecorce  d’Angusture  vraie. 
Angostura  bark  (Cusparia  bark). 

Galipea  officinalis  Hancock.  — Diosmeae. 

Diese  Galipea  ist  ein  kleiner  bis  20  Fuss  hoher  Baum,  der  in  7°  bis  8° 
nördl.  Breite  im  Gebiete  des  Carony  (vorzüglich  bei  S.  Joaquin)  wächst, 
welcher  unterhalb  Angostura  auf  der  rechten  Seite  in  den  Orinoco  mündet. 
Auch  westwärts  von  Cumana  findet  sich  das  Bäumchen  am  Busen  von 
Santa  Fe  und  die  Insel  Trinidad  scheint  ebenfalls  diese  Rinde  zu  liefern. 

Sie  bildet  entweder  fingerdicke  Röhren  oder  gewöhnlicher  kurze, 
bis  0,060  und  darüber  breite,  flache,  halbgerollte  oder  auch  ein  wenig 
zurückgekrümmte  Stücke  von  höchstens  0,003™  (nach  dem  Aufweichen  bis 
0,006  ) Dicke.  Die  Röhren  sind  nicht  dünner  als  die  flacheren  Stücke. 
Die  Färbung  der  Aussenfläche  ist  ziemlich  eigenthümlich  hell  bräunlichgrau 
oder  gelblich  bis  grünlich,  niemals  gelbroth,  übrigens  ziemlich  verschieden 


432 


Rinden. 


je  nach  dem  Zustande  der  Korkschicht.  Dieselbe  ist  nämlich  entweder  dünner 
und  mehr  blätterig  oderein  wenig  reichlicher  entwickeltund  schwammig,  durch 
Längsfurchen  und  kurze  Querrisse  fast  gefeldert,  oder  durch  Höckerchen 
unregelmässig  bezeichnet.  Im  ganzen  haftet  der  Kork  ziemlich  fest,  wird  er 
aber  abgestossen,  so  zeigt  die  mehr  oder  weniger  braune  Mittelrinde  nicht 
undeutlich  die  oberflächlichen  Unebenheiten  der  Aussenrinde,  welche 
häufig  mit  kleinen  schwarzen  Flechten  besetzt  ist.  Die  hell  gelbbraune 
Innenfläche  ist  körnig-rauh,  fast  immer  blätterig  aufgerissen  und  haftet 
offenbar  fest  am  Holze,  wovon  oft  noch  einzelne  Streifen  an  der  Kinde  Vor- 
kommen. Die  schiefen  Sclmittflächeu  am  Rande  deuten  auch  darauf,  dass 
die  Rinde  nur  mit  einiger  Mühe  durch  das  Messer  abgelöst  werden  kann. 

Der  glänzende,  besonders  nach  innen  dunkelbraune  Querschnitt  zeigt  in 
der  inneren  Hälfte  einen  strahlig  gefelderten  Bau , die  äussere  Hälfte  oder 
oft  nur  ein  Drittel  ist  mehr  gleichmässig  körnig.  In  der  Innenrinde  bemerkt 
man  schon  mit  der  Loupe  derbe,  schön  gelbe  Baströhrengruppen , häufiger 
durch  das  ganze  Gewebe  eiförmige  braungelbe  Punkte  (Oelzellen),  am 
zahlreichsten  aber  und  schon  mit  unbewaffnetem  Auge  weisse  Strichelchen 
(Krystallbündel). 

Die  spröde,  harte  Rinde  bricht  sehr  leicht,  in  der  peripherischen  Hälfte 
kurz  und  körnig,  in  der  Bastschicht  blätterig,  nicht  faserig. 

Der  Kork  besteht  aus  zahlreichen  Lagen  ansehnlicher  kubischer  Zellen, 
welche  entweder  sehr  dünne,  ungefärbte  Wände  besitzen  oder  ringsum  stark 
verdickt  sind.  Eine  regelmässige  Yertheilung  der  dickwandigen,  gelblichen 
Zellen  ist  nicht  ersichtlich.  Die  innersten,  noch  lebensthätigen  Korkzellen- 
reihen gehen  unmerklich  in  das  tangential  gedehnte  Parenchym  der  Mittel- 
rinde über.  Ziemlich  zahlreiche,  etwas  grössere,  bis  100  Mikromill.  mes- 
sende, eiförmige  Zellen  enthalten  gelbliche  Tropfen  ätherischen  Oeles  oder 
bräunliche  Harzklümpchen,  andere  nicht  besonders  ausgezeichnete  Zellen 
dagegen  schliessen  eine  Garbe  äusserst  zahlreicher  Nadeln  von  Kalkoxalat 
ein,  welche  meist  parallel  mit  der  Längenaxe  liegen.  Selten  sind  auch  klei- 
nere, nicht  zusammenhängende  Gruppen  der  Mittelriude  zu  porösen  Stein- 
zellen verdickt  und  mit  braungelbem  Harze  getränkt.  An  der  Grenze  der 
Innenrinde  treten  gewöhnlich  vereinzelte  Gruppen  sehr  dicht  gedrängter, 
zahlreicher  Baströhren  von  prächtig  goldgelber  Farbe  auf.  Sie  sind  ganz 
verdickt  und  höchstens  30  Mikromill.  stark.  Noch  umfangreichere  derartige 
Bastgruppen  kommen  tiefer  in  der  Iuuenrinde,  aber  immer  nur  sehr  ver- 
einzelt vor.  Iu  manchen  Stücken  fehlen  sie  ganz  oder  sind  auf  die  innersten 
Lagen  der  Bastschicht  beschränkt  oder  auch  durch  einige  wenige  zerstreute 
Röhren  vertreten.  Dieser  Verschiedenheit  in  der  Ausbildung  des  Bastes  ent- 
sprechen keine  anderweitigen  Ungleichheiten.  Rinden,  welche  arm  an  Bast- 
röhrenbündeln sind,  sehen  solchen  durchaus  gleich,  welche  viele  dergleichen 
enthalten.  Die  Innenrinde  ist  gebaut  aus  etwas  im  Sinne  der  Axe  gestreck- 
ten, aber  gerade  abgeschnittenen,  nicht  spitzendigeu  Zellen,  welche  auf  dem 
Querschnitte  eine  regelmässige,  radiale  Anordnung  darbieteu.  Aul  je  etwa 


Cortex  Angosturae. 


433 


3 bis  10  Reihen  dieses  ungefärbten,  dünnwandigen  Bastgewebes  folgt  immer 
eine  gelbe,  sehr  viel  schmälere  Zone,  gebildet  aus  nur  1 — 3 gedrängten 
Reihen  sehr  zusammengefallener  Zellen  mit  dicken,  oft  stark  verbogenen 
Wänden  (Hornbast).  In  den  grösseren  Stücken  zählt  man  leicht  30  — 40 
solcher  dunkler  Zonen,  wodurch  die  ganze  Innenrinde  in  eben  so  viele 
concentrische  Schichten  abgetheilt  ist  und  ihr  blätteriges  Gefüge  erhält. 
Nicht  minder  regelmässig  wird  sie  aber  auch  von  zahlreichen  2-  oder 
3-reiliigen  primären  und  sekundären  Markstrahlen  durchsetzt,  so  dass  die 
von  zwei  der  letzteren  eingeschlossenen  Baststrahlen  häufig  nur  3 bis  10 
Radialreihen  einnehmen.  Durch,  die  Kreuzung  der  Markstrahlen  mit  den 
Hornbast- Zonen  ist  die  gefelderte  Zeichnung  der  Innenrinde  bedingt.  Die 
schon  erwähnten  Baströhrengruppen  erstrecken  sich , wo  sie  Vorkommen, 
bisweilen  über  mehrere  benachbarte  Felder  der  Innenrinde  und  werden  als- 
dann von  den  Markstrahlen  durchschnitten.  Die  hier  in  die  Baströhren 
eingekeilten  Zellen  der  Markstrahlen  verdicken  sich  oft  zu  gelben,  radial 
gestreckten  Steinzellen.  Die  verschiedenen  Theile  der  Innenrinde  sind  ziem- 
lich gleichmässig  von  Oel-  und  Krystallzellen  unterbrochen. 

Gegen  die  Grenze  der  Mittelrinde  hin  erweitern  sich  die  Markstrahlen 
sehr  plötzlich,  ihre  bisher  in  radialer  Richtung  gedehnten  Zellen  nehmen 
bedeutende  tangentiale  Streckung  an,  gehen  in  das  Mittelrindengewebe 
über  und  drängen  den  Bast  in  schmale,  sehr  spitz  auslaufende  Strahlen 
aus  einander.  Dennoch  lässt  sich  in  den  letzteren  immer  noch  die  regel- 
mässige Abwechslung  von  Hornbast  und  gewöhnlichem  Baste  verfolgen. 

Mittelrinde  und  Markstrahlen,  weniger  das  Bastgewebe,  enthalten  ziem- 
lich reichlich  Amylumkörner  von  kugeliger  Form  und  etwa  5 — 10  Mikromill. 
Durchmesser.  Die  Krystallnadeln  der  gleichmässig  durch  das  Gewebe  mit 
Ausnahme  des  Korkes  vertheilten  Oxalat-Drusen  erreichen  über  100  Mikrom. 
Länge  bei  verschwindender  Dicke.  Ausserdem  aber  finden  sich  in  den  Bast- 
zellen da  und  dort  auch  einzelne  oder  reihenförmig  auf  einander  folgende, 
bis  10  Mikromill.  dicke  kürzere  oder  längere  vierseitige  Prismen,  wie  es 
scheint,  durch  Oktaeder-Flächen  zugespitzt. 

Körnchen  von  braungelbem , in  Ammoniak  mit  gelber  Farbe  löslichem 
Farbstoffe  sind  vorzüglich  in  der  Mittelrinde  und  den  Markstrahlen  abge- 
lagert. 

Die  Rinde  riecht  schwach  gewürzhaft  und  schmeckt  sehr  anhaltend 
und  rein  bitter,  zugleich  ein  wenig  milde  aromatisch,  nicht  scharf. 

Das  ätherische  Oel,  wovon  die  Rinde  höchstens  % pC.  gibt,  riecht  nach 
Radix  Levistici.  Es  ist  ein  Gemenge  von  Kohlenwasserstoff  (G5H8?)  mit 
sauerstoffhaltigem  Oele  und  entspricht  nach  Herzog  der  empirischen 
Formel  G13H2+0-.  Mit  alkalischen  Bisulfiten  verbindet  es  sich  nicht. 

Als  Träger  des  bitteren  Geschmackes  der  Angostura  gab  Saladin 
(1834)  das  Cusparin  an,  einen  durch  Tannin  fällbaren,  in  Alkohol  und  in 
heissem "W asser  löslichen,  gut  krystallisirenden  Bitterstoff,  dessen  Zusammen- 
setzung der  Entdecker  nicht  ermittelt  hat.  Die  Rinde  soll  davon  1,3  pC. 

Flockiger,  Pharmakognosie.  28 


434 


Rinden. 


geben.  Herzog  gelang  (1858)  die  Darstellung  des  Cusparins  nicht;  es 
schien  ihm  sehr  wenig  beständig  zu  sein. 

Der  mit  kaltem  destillirtem  Wasser  erhaltene  Auszug  der  Rinde  wird 
durch  Eisenchlorid  reichlich  roth braun  gefällt,  feine  Schnitte  derselben 
nehmen  durch  Eisenvitriollösung  keine  Färbung  an,  so  dass  Gerbstoff  zu 
fehlen  scheint. 

Die  catalonischen  Kapuziner  in  den  südlichen  Missionen  am  Carony- 
Flusse  waren  zu  Ende  des  vorigen  und  anfangs  unseres  Jahrhunderts  mit 
der  Angostura-Rinde  so  wohl  bekannt,  dass  sie  sich  aus  dem  Verkauf  eines 
daraus  bereiteten  Extractes  eine  Erwerbsquelle  machten.  Vermuthlich  ver- 
dankten sie  diese  Kenntniss  den  caraibischen  Eingebornen,  welche  den 
Baum  Cuspare  oder  eigentlich  Cuspa  nannten.  Schon  1759  scheint  Mutis, 
der  spätere  Förderer  unserer  Kenntniss  der  China,  in  Madrid  mit  der  Ango- 
stura  bekannt  geworden  zu  sein,  1788  brachte  sie  Ewer,  Arzt  auf  Tri- 
nidad, aus  Dominica  nach  England,  von  wo  aus  sie  auch  bald  in  Deutsch- 
land Eingang  fand.  Sie  wurde  als  Fiebermittel  unter  dem  Namen  Quina 
de  Carony  oder  Cascarilla  del  Angostura,  China  von  Neu- Andalusien, 
empfohlen. 

Auf  Humboldt ’s1)  Veranlassung  nannte  Willdenow  den  Angostura- 
Baum  von  den  Hügeln  bei  Copapui,  Upata,  Alta  Gracia,  in  der  Gegend 
des  östlichen  Ufers  des  Carony  Bonplandia  trifoliata.  Nach  Hancock 
(1829)  aber,  welcher  sich  1810  lange  in  derselben  Gegend  als  Arzt  auf- 
hielt, wäre  bei  Humboldt’s  Nachforschungen  ein  Irrthum  vorgefallen  und 
der  ächte  Angostura-Baum  (nicht  Cuspa,  sondern  Orayuri  der  Eingebornen) 
zu  Galipea2)  gehörig,  während  die  Humboldt’sche  Pflanze,  jetzt  Galipea 
Cusparia  St.  Hilaire  mit  allerdings  sehr  ähnlicher  Rinde  in  Cumana , am 
unteren  Orinoco  und  in  Brasilien  zu  Hause  sei. 

Die  Vermischung  dieser  Rinde  mit  der  sogenannten  falschen  Angostura- 
Rinde  (vergl.  Cortex  Strychni)  kömmt  nicht  mehr  vor  und  wäre  übrigens 
durch  die  hier  angegebenen  Merkmale  beider  Rinden  mit  aller  Sicherheit 
an  jedem  einzelnen  Stücke  zu  erkennen.  Nur  wenige  Exemplare  der  Strychnos- 
Rinde  mit  ungefärbten  Korkhöckerchen  sehen  auf  den  ersten  Blick  der 
Angostura  ähnlich;  doch  verräth  sie  schon  die  dunkle,  glatte  Innenfläche 
und  der  Steinzellenring.  Auch  die  ächte  Rinde  ist  nur  wenig  mehr  gebräuch- 
lich und  wurde  sogar  z.  B.  in  Baden  (1815)  verboten,  um  die  gefährliche 
Verwechslung  unmöglich  zu  machen,  durch  welche  da  und  dort  Unglücks- 
fälle entstanden  waren. 


1)  Reiso  in  die  Aequinoct.  Gegenden.  Stnttg.  1860.  1.  300  u.  IV.  252. 

2)  Humboldt  selbst  hatte  den  Baum  zuerst  richtiger  als  Galipea  febrifuga  bezeichnet- 


Cortex  Cascarillae. 


435 


D.  Arom atische  Rinden. 

Cortex  Cascarillae. 

Cortex  Crotonis  s.  Eluteriae  s.  Eleutheriae.  Cascarill -Rinde.  Ecorce  de 
cascarille  ou  chacrille.  Cascarilla. 

1.  Croton  Eluteria  Bennett.  — Euphorbiaceae-Crotoneae. 

Syn.:  Clutia  Eluteria  L. 

2.  Croton  Cascarilla  Bennett. 

Syn.:  Clutia  Cascarilla  L. 

3.  Croton  Sloanei  Bennett. 

Syn. : Clutia  Eluteria  L. 

Croton  Eluteria  Swartz. 

Die  genannten  Sträucher  oder  Bäumchen  finden  sich  neben  wenigstens 
noch  3 nahe  verwandten  Arten  in  Westindien,  besonders  auf  den  Bahamas 
(Lucayos- Inseln)  und  zum  Theil  auch  in  den  benachbarten  Staaten  Nord- 
Amerikas. 

Daniell  hat  1857  und  1858  bei  seinem  Aufenthalte  in  jenem  Archipel 
diese  früher  unter  einander  viel  verwechselten  Croton-Arten  botanisch  fest- 
gestellt, im  Vereine  mit  Bennett  beschrieben  und  dabei  ermittelt,  dass 
die  gegenwärtig  in  den  Handel  gelangende  Cascarilla  von  der  ersten  Art 
abstammt.  Long-Island,  Audros  und  Eleuthera  führten  davon  z.  B.  im  Jahre 
1852  etwa  120  englische  Centner,  1857  dagegen  1370  Ctr.  aus.  Auf  Pro- 
vence und  mehreren  andern  Inseln  aber  ist  diese  Art  nahezu  ausgerottet. 
Die  ursprünglich  seit  dem  Ende  des  XVII.  Jahrhunderts  als  Cascarilla 
nach  Europa  gelangte  Rinde  scheint  der  zweitgenannten  Art  angehört  zu 
haben.  Ihre  anatomische  Struktur  ist  nicht  untersucht,  so  dass  sich  einst- 
weilen nicht  mit  Bestimmtheit  entscheiden  lässt,  ob  eine  der  in  neuerer  Zeit 
wieder  der  gewöhnlichen  Waare  beigemischte  etwas  abweichende  Rinde 
von  Croton  Cascarilla  herzuleiten  ist.  Dieser  kleine  Strauch  wächst  auf 
denselben  Inseln  wie  Cr.  Eluteria,  ausserdem  auch  auf  Hayti. 

Das  bäum-  oder  strauchartige  Croton  Sloanei,  auf  Jamaica,  nicht  auf 
den  Bahamas,  so  wie  Croton  lineare  Jacquin  (Syn.:  Clutia  Cascarilla  L.), 
eine  auf  den  Bahamas,  den  westindischen  Inseln  und  in  den  Südstaaten 
Nord-Amerikas  einheimische  klein strauchige  Art,  werden  auch  wohl  (z.  B. 
Ph.  Boruss.  ed.  VII  und  Ph.  Germaniae)  als  Cascarilla  liefernd  aufgeführt. 
Die  vollständige  Unkenntniss  des  anatomischen  Baues  der  Rinden  der  beiden 
Pflanzen  steht  diesen  Annahmen  im  Wege,  obwohl  es  richtig  sein  mag,  dass 
einzelne  nicht  eben  sehr  abweichende  Beimischungen  unserer  Droge  auf  die 
letztgenannten  Arten  zu  beziehen  wären. 

Die  gegenwärtige  Cascarill -Rinde  pflegt  aus  0,005m  — 0,01 5ra  dicken, 
geraden  oder  gebogenen  Röhren  zu  bestehen,  deren  Länge  selten  0,1 0m  viel 
ubersteigt.  Sehr  gewöhnlich  aber  erhalten  wir  weit  kleinere  Bruchstücke, 
denen  allerdings  bisweilen  auch  sehr  viel  stärkere  Röhren  beigemischt  sind! 

28  * 


436 


Rinden. 


Häufig  haften  noch  grössere  oder  kleinere  Splitter  sehr  dichten,  feinporigen 
Holzes  an  den  Rinden. 

Ein  sehr  hellgrauer  oder  durch  mancherlei  kleine  Flechteu  (Spluteria, 
Verrucaria,  Graphis)  und  Pilze  etwas  dunklerer  Kork  haftet  nur  an  den 
kleinsten  Stücken  fest,  wo  er  durch  feine  Längsfurchen  und  etwas  stärkere 
Querrisse  unregelmässig  gefeldert  ist.  Der  Kork  erreicht  höchstens  eine 
Mächtigkeit  von  0,002m  und  bietet  an  älteren  Stücken  mehr  regelmässig 
rechteckige  Felder  mit  etwas  aufgeworfenen  Rändern  dar.  Rinden,  welchen 
diese  Zeichnung  fehlt,  scheinen  wohl  abweichenden  Ursprunges  zu  sein. 
Von  stärkeren  Riudenstücken  springt  der  Kork  leicht  ab,  hinterlässt  aber 
auf  den  entblössten  graugelblichen  bis  braunen  Stellen  das  deutliche  netz- 
förmige Gepräge  seiner  oberflächlichen  Zeichnung.  Die  bräunliche  Innen- 
fläche der  Rinde  ist  gleichmässig  feinkörnig.  Sie  bricht  kurz  und  uneben 
und  zeigt  nur  im  inneren  Theile  des  etwas  ölglänzenden  Querschnittes  sehr 
feinstrahliges  Gefüge , das  in  den  erwähnten  stärkeren,  doppelt  so  dicken 
Rinden  sehr  deutlich  entwickelt  ist. 

Der  Kork  der  gewöhnlichen  Handelswaare  wird  von  zahlreichen  Schich- 
ten grossen  Würfelzellen  gebildet,  deren  nach  aussen  gerichtete,  schwach 
gelbliche  Wände  verdickt  sind.  In  den  inneren  Schichten  bleibt  eine  ansehn- 
liche mit  kleinen  Körnchen  gefüllte  Zellhöhlung  übrig,  während  die  weit 
beträchtlichere  Verdickung  der  äussersten  Zellen  das  Lumen  derselben  sehr 
einschränkt.  Bisweilen  umschliesst  der  Kork  wenig  ausgedehnte  Strecken 
des  Parenchyms  der  inneren  Rinde.  Wenn  auch  diese  Borkenbildung  nicht 
ausgezeichnet  ist,  so  tritt  sie  doch  so  frühe  auf,  dass  selbst  in  den  jüngsten 
Stücken  nur  wenige,  etwas  tangential  gedehnte  Zellenreihen  der  Mittelrinde 
zu  unterscheiden  sind.  In  stärkeren  Exemplaren  grenzt  die  Innenrinde  fast 
unmittelbar  an  den  Kork.  Die  gelben  Bastkeile  derselben  lassen  sich  durch 
die  Loupe  sehr  gut  verfolgen,  obwohl  sie  meist  nur  in  ihren  letzten  Aus- 
strahlungen vereinzelte  Gruppen  von  2 — 9 (seltener  mehr)  geschichteten 
und  ganz  verdickten,  15  — 30  Mikromill.  dicken  Baströhren  zeigen.  Das 
übrige  Gewebe  der  Innenrinde  ist  aus  kubischem  Parenchym  gebildet,  ab- 
wechselnd mit  axial  verlängerten,  doch  nicht  spitzendigen  Zellen,  deren 
wenig  verdickte  Wände  im  Querschnitt  oft  etwas  verbogen  sind  (Hornbast). 
Die  2-  bis  3reihigen  Markstrahlen,  welche  in  ungleichen  Abständen  die 
Innenrinde  durchsetzen  und  sich  im  peripherischen  Gewebe  bedeutend  er- 
weitern, sind  wenig  ausgezeichnet. 

Durch  das  ganze  Parenchym,  mit  Ausnahme  des  Korkes,  kommen  zahl- 
reiche, übrigens  nicht  abweichend  gebaute  Zellen  mit  festem,  dunkelbraunem 
Inhalte  vor,  besonders  zahlreich  und  ununterbrochene,  oft  sehr  ausgedehnte 
Streifen  oder  tangentiale  Reihen  darstellend,  sind  diese  Farbstoffzellen  in  den 
äussersten  Schichten,  aber  auch  in  den  verbreiterten  Markstrahlen  bilden 
sie  oft  radiale,  unterbrochene  Reihen.  Ihr  Inhalt  widersteht  dem  Kali  ziem- 
lich, wird  aber  von  Schwefelsäure  hellgelb,  von  Eisensalzeu  dunkler  gefäiht 
und  vou  Weingeist  nur  wenig  gelöst. 


Cortex  Cascavillae. 


437 


Zahlreiche  andere,  überall  zerstreute  Zellen  führen  mehr  oder  weniger 
gelb  gefärbtes  ätherisches  Oel.  Die  Markstrahlen  zellen  enthalten  sehr  häufig 
eine  Krystallrosette  von  Kalkoxalat,  aber  auch  in  dem  übrigen  Gewebe  sind 
dieselben  nicht  selten.  Statt  der  Krystalldrusen  scliliessen  manche  Zellen 
der  äussersten  Schichten  ein  einzelnes,  grösseres,  wohl  ausgebildetes  Krystall- 
individuum,  meist  kurzes  mouoklinisches  Prisma,  ein.  Die  grössten  der- 
selben messen  ungefähr  30  — 35  Mikromillimeter.  Drusen  und  einzelne 
Krystalle  kommen  oft  dicht  neben  einander  in  ganz  gleich  gebildeten  Zellen 
vor,  bisweilen  finden  sich  Prismen,  welche  im  Innern  die  Umrisse  kleinerer 
Krystalle  erkcunen  lassen,  als  ob  die  grösseren  Formen  einem  Aggregate 
kleinerer  ihren  Ursprung  zu  verdanken  hätten. 

Den  Hauptinhalt  des  ganzen  Gewebes  jedoch  bilden  kleine , höchstens 
6 — 8 Mikrom.  messende  kugelige  Stärkekörner,  welche  ziemlich  gleich- 
mässig  durch  die  ganze  Rinde  verbreitet  sind,  wo  nicht  Krystalle,  Farbstoff- 
zelleu  oder  ätherisches  Oel  den  Raum  einnehmen.  Sogar  die  innersten 
Zellenreihen  des  Korkes  enthalten  zum  Theil  Stärke. 

Die  Cascarill- Rinde  riecht  schwach,  aber  eigenthümlich , doch  nicht 
eben  angenehm  und  schmeckt  stark  bitter  und  aromatisch.  Stoffe  der 
letzteren  Art  sind  sonst  in  der  Familie  der  Euphorbiaceen  nicht  gerade 
häufig. 

Das  ätherische  Oel,  wovon  die  Rinde  höchstens  etwa  % — 1 pC.  liefert, 
riecht  eigenthümlich,  etwas  campherähulich  und  ist  nach  Völckel  ein 
Gemenge  von  schon  bei  173°C.  siedendem  Kohlenwasserstoffe  mit  einem 
sauerstoffhaltigen  Oele  von  höherem  Siedepunkte.  Es  scheint  bisweilen 
auch  von  blauer  Farbe  erhalten  zu  werden. 

Nach  Prommsdorff  enthält  die  Rinde  15  pC.  Harz,  aus  einem  sauren, 
d.  h.  in  Alkalien  löslichen  und  einem  indifferenten  Antheile  bestehend. 
Dasselbe  entspricht  vermuthlich  dem  Inhalte  der  oben  beschriebenen  Farb- 
stoffzellen. Ungefähr  gleichviel  beträgt,  wie  es  scheint,  das  Gummi  der 
Rinde. 

Duval  hat  (1845)  den  Bitterstoff  der  Rinde,  das  Cascarillin,  in 
höchst  bitteren,  farblosen  Nadeln  oder  sechsseitigen  Tafeln  erhalten,  welche 
sich  in  Wasser  wenig  lösen  und  deren  Zusammensetzung  und  chemische 
Funktionen  noch  unbekannt  sind. 

Die  Cascarilla  wurde  in  Europa  zuerst  1684  von  Stisser  in  Braun- 
schweig beschrieben  und  empfohlen,  1692  auch  von  Salat  in  Valence. 
Die  Spanier  brachten  damals  die  Rinde  etwa  seit  1670,  und  zwar  zunächst 
zum  Aromatisiren  des  1 abaks , nach  Europa  und  benannten  sie  mit  dem 
allgemeinen  Ausdrucke  Cascarilla,  feine  Rinde  (Diminutiv  von  Cascara, 
Kinde),  den  sie  auch  den  Chinarinden  beilegten.  Dieser  Umstand  und  das 
nicht  unähnliche  Aussehen  dünnerer  Chinarinden  magVeranlassung  gewor- 
den sein,  die  Cascarilla  als  falsche  oder  aromatische  Chinarinde  aufzuführen 
wie  das  schon  1693  von  Dale  geschah,  obwohl  der  Geschmack  allein  sie 


438 


Einden. 


leicht  unterscheiden  lässt.  Uebrigens  bedeutet  ja  auch  Quiua  (vergl.  S.  416) 
nichts  anderes  als  Rinde. 

Den  bei  uns  ganz  eingebürgerten  und  unzweideutigen  Rainen  Cascarilla 
verdrängen  zu  wollen,  ist  unzweckmässig. 

Eine  in  harten,  rinnen-  oder  röhrenförmigen,  bis  0,005"‘  dicken  Stücken 
unter  der  Cascarilla  vorkommende,  ihr  im  ganzen  ähnliche  Rinde  unter- 
scheidet sich  hauptsächlich  dadurch,  dass  die  dünne,  hellgraugelbliche  Kork- 
schicht fester  haftet  und  da,  wo  sie  etwas  abgescheuert  ist,  ein  feines  Netz- 
werk quer  gestreckter,  enger  Maschen  zeigt.  Die  hellgelbliche  Mittelrinde 
ist  höchstens  1 Millimeter  stark,  die  dunkelbraune,  deutlich  schlängelig- 
strahlige  und  kurzfaserig  brechende  Inuenrinde  daher  bei  weitem  vorherr- 
schend. Die  Mittelrinde  enthält  sehr  zahlreiche  Gruppen  von  ansehnlichen 
Steinzellen,  in  der  Iunenriude  kommen  nicht  nur  an  der  Grenze  grössere 
Bündel  schön  geschichteter,  ansehnlicher  Baströhren  vor,  sondern  kleinere 
Gruppen  derselben  finden  sich  zahlreich  in  jedem  Baststrahle.  Im  übrigen 
stimmt  das  Gewebe  nach  Inhalt  und  Form  mit  dem  der  Cascarilla  überein. 

Cortex  Copalchi  unterscheidet  sich  von  der  eben  beschriebenen  Rinde 
nur  durch  viel  feiuere,  neben  zahlreichen  seichten  und  kurzen  Längsfurchen 
schon  auf  der  Oberfläche  wahrnehmbare  Querrisschen.  Der  Kork  zeigt  den- 
selben Charakter  wie  bei  der  Cascarilla,  doch  sind  seine  Zellen  weniger 
verdickt.  In  der  Mittelrinde  sind  die  Steinzellen  vorherrschend,  sehr 
lang  in  tangentialer  Richtung  gestreckt  und  zu  dicht  gedrängten  Schichten 
vereinigt.  Der  Geschmack  etwas  feiner,  aber  ähnlich,  doch  schwächer, 
wie  bei  der  Cascarilla.  Die  Copalchi -Rinde  kam  1817  als  Cascarilla  de 
Trinidad  aus  Cuba  nach  Hamburg,  später  auch  aus  Mexico  und  Peru,  zum 
Theil  als  Quiua  blanca.  Nach  Schiede  (1829)  stammt  sie  von  dem  mexi- 
canischen  Strauche  Croton  Pseudo - China  Schlechtendal.  Cortex  Copalchi 
scheint  für  sich  nicht  mehr  im  Handel  vorzukommen,  sondern  nur,  wie  an- 
gedeutet, als  Beimengung  der  Cascarilla,  welcher  sie  sehr  nahe  steht.  Für 
Copalchi  muss  ich  auch  eiue  von  Jobst  als  falsche  Cascarilla  erhaltene 
Rinde  erklären,  welche  sogar  in  den  kleinsten  Stücken  sich  durch  faserigen 
Bruch  der  Iunenriude  schon  äusserlich  auszeichnet.  Eine  1 855  von  Howard 
in  der  Copalchi-Rinde  angegebene  Base  bedarf  sehr  der  Bestätigung. 

Unter  dem  Namen  Cortex  Malambo  oder  M a t i a s kommen  verschiedene, 
zum  Theil  der  Cascarilla  ähnliche  Rinden  vor.  Die  eine  stammt  nach  Karsten 
(1860)  von  einem  in  den  Küstengegenden  Yenezuelas  und  Neu-Granadas 
massenhaft  wachsenden  Bäumchen  Croton  Malambo  Karsten,  welches  dort 
Torco  oder  Palo  Matias  heisst.  Den  ausgezeichneten  Sammlungen  der 
Herren  Dittrich  in  Prag  und  Oberdörffer  in  Hamburg  verdanke  ich 
Malambo -Rinde,  welche  der  Abbildung  von  Karsten1)  wohl  entspricht. 
Sie  bildet  mehr  flache,  bis  über  0,005m  dicke,  mit  weichem,  hellgrauem, 
starkwarzigem  Korke  bedeckte  Stücke  von  gelblichem,  mehr  marmorirtem 


0 im  ersten  Hefte  der  Flor.  Columb. 


Cortex  Cinnamomi  zeylanici. 


439 


als  strahligem  Querschnitte.  Die  Korkschicht  ist  sehr  entwickelt  und 
besteht  — ira  Gegensätze  zur  Cascarilla  — aus  äusserst  zahlreichen  Lagen 
gewöhnlicher  würfeliger  oder  etwas  verlängerter  Zellen  mit  dünnen,  ver- 
bogenen Wänden.  Mittel-  und  Innenrinde  sind  reich  an  schön  gelben 
Steinzellen,  letztere  auch  an  verdickten  dünnen  Baströhren.  Die  dunkel- 
braunen Farbstoffzellen  der  Cascarilla  fehlen,  dagegen  enthält  diese  Rinde 
viel  ätherisches  Oel , führt  auch  kleine  Amylumkörner  und  Kalkoxalat  so- 
wohl in  Rosetten  als  in  grossen,  ausgebildeten  Einzelkrystallen.  Beim  Schnei- 
den riecht  die  Malambo -Rinde  angenehm  zimmtartig,  ihr  Geschmack  ist 
aber  scharf  aromatisch,  widrig  und  anhaltend  bitter. 

Schon  Bonpland  u.  Humboldt  hatten  (1814)  Angaben  über  die 
Abstammung  der  Malambo -Rinden  gemacht,  welche  der  Vergleichung  mit 
denen  von  Karsten  bedürftig  sind. 

Die  Malambo- Rinde  dient  jetzt  in  Nordamerika  in  grossem  Masstabe 
zur  Verfälschung  von  Gewürzen.1) 

Nach  dem  obigen  erscheint  für  die  Cascarill  - Rinde  besonders  bezeich- 
nend die  starke  Verdickung  der  Korkzellen , vorzüglich  in  den  äussersteu 
Schichten,  der  körnige  Inhalt  derselben,  die  dunkelbraunen  FarbstofFzellen, 
der  Mangel  an  Steinzelleu,  die  verhältnissmässig  schwache  Ausbildung  des 
Bastes,  vorzüglich  seine  Armuth  an  eigentlichen  Baströhren,  daher  auch  der 
mehr  körnige  und  ebene  als  splitterige  Bruch,  endlich  das  weitläufige,  nicht 
• engmaschig-cjuerfurchige  Netzwerk  der  Oberfläche  oder  der  von  dem  leicht 
abspringenden  Korke  entblössten  Mittelriude. 

Eine  genauere,  auf  ausreichendes  und  authentisches  Material  gestützte 
anatomische  und  chemische  Bearbeitung  aller  hier  unter  Cascarilla  erwähn- 
ten Rinden  bleibt  sehr  zu  wünschen  übrig. 


Cortex  Cinnamomi  zeylanici. 

Cinnamomum  acutum.  Zimmt.  Ceylon-Zimmt.  Kaueei.  Cannelle  de  Ceylan. 

Cinnamom. 

Cinnamomum  zeylanicum  Breyn.  — Laurineae . 

Syn.:  Laurus  Cinnamomum  LinnA 

Kleiner,  höchstens  50Fuss  hoher,  mit  schönen  immergrünen  Blättern 
i eich  besetzter  Baum,  hauptsächlich  im  südwestlichen  Küstenstriche  Cey- 
lons Gegenstand  grossartiger  Kultur.  Die  in  andern  Theilen  der  Insel  vor- 
kommenden Bäume  geben  eine  weniger  feine  Waare;  eben  so  wenig  gelingt 
es,  in  andern  Tropenländern,  wohin  der  Zimmtbaum  verpflanzt  wurde, 
z.  B.  in  Vorderindien,  Java,  Sumatra,  Malacca,  Cayenne,  Brasilien,  eine 
dem  Ceylon-Zimmt  gleichartige  Rinde  zu  erhalten. 

Obwohl,  nach  Emerson  Teunant  vielleicht  ursprünglich  eher  in 

D Proc.  of  the  American.  Pharm.  Ass.  1859.  255. 


440 


Rinden. 


Nordost-Afrika  (??)  als  auf  Ceylon  einheimisch,1)  scheint  dennoch  die  Pflanze 
nur  auf  letzterer  Insel  im  vollen  Masse  die  günstigsten  Kulturbedingungen 
zu  finden  und  zwar  ausschliesslich  in  jenem  beschränkten  Bezirke  der 
Insel.  Feiner  weisser  Quarzsand  oder  sehr  sandiger  Thonboden  mit  gutem 
Untergründe,  reichlich  der  Sonne  und  dem  Regen  ausgesetzt,  eignet  sich 
am  besten  für  die  „Zimmtgärteu“,  deren  verschiedene  Lage  und  Pflege 
aber  immerhin  noch  von  grossem  Einflüsse  auf  die  Güte  der  Sorte  ist  Die 
besten  Zimmtgärteu  liegen  ausschliesslich  in  dem  4 — 5 Stunden  breiten, 
ebenen  Küstensaume  zwischen  Negumbo,  Colombo  und  Matura  bis  höch- 
stens 1500  Fuss  über  Meer.  — Die  Erde  der  weitläufigen  Gärten  bei  Colombo 
fand  John  Davy  schneeweiss,  aus  98Va  pG.  Kieselerde  bestehend  und  erst 
in  einer  Tiefe  von  eiuigeu'Zolleu  grau.  Zu  üppiger  Boden  erzeugt  geringe, 
schwammige  Rinde. 

Die  Kultur  unterdrückt  durch  Zurückschneiden  die  eigentliche  Stamm- 
bildung des  Zimmtbaumes  und  erzieht  nur  jeweileu  einen  Busch  von  4 — 5 
etwa  10  Fuss  hohen  Schösslingen  (Stockausschlägeu),  welche  im  Alter  von 
l’A  — 2 Jahren  geschnitten  werden,  sobald  die  grau-grüne  Oberhaut  der 
Rinde  sich  durch  reichliche  Korkbildung  zu  bräunen  begiunt;  die  Triebe 
sind  alsdann  etwa  0,015“  dick.  Man  lässt  aber  auch,  wie  es  scheint,  die 
Wurzel  selbst  nicht  allzu  alt  werden,  sondern  erneuert  durch  Aussaat  oder 
durch  Stecklinge  von  Zeit  zu  Zeit  die  Pflanzung;  2 — 3 Jahre  genügen,  um 
aus  Samen  gute  Rinde  zu  gewinnen.  Schon  die  äusseren  Schösslinge  liefern 
eine  geringere  als  die  in  der  Mitte  des  Busches  stehenden;  namentlich 
die  Spitzen  der  letzteren  geben  die  feinste  Waare,  welche  durchaus  nur 
durch  eine  solche  Kultur  erzielt  werden  kann.  Aeltere  Triebe,  Aeste  oder 
gar  Stämme  bieten  in  ihren  Rinden  nicht  mehr  die  gewünschte  Mischung 
der  chemischen  Bestandteile  dar. 

In  Folge  vermehrten  Safttriebes,  welcher  nach  starken  Regengüssen  im 
Mai  und  Juni  und  dann  wieder  im  November  und  December  eiutritt,  lässt 
sich  in  diesen  zwei  Zeitpunkten  die  Rinde  leicht  vom  Holzkörper  ablösen, 
so  dass  im  Frühjahr  eine  Haupternte  und  im  Spätjahr  die  Nachernte,  kleine 
Ernte,  stattfindet. 

An  den  entlaubten  abgeschuittenen  Schösslingen  wird  iu  Entfernungen 
von  je  etwa  1 Fuss  die  Rinde  ringsherum  durchgeschnitteu,  hierauf  der 
Länge  nach  aufgeschlitzt  und  durch  Einschieben  eines  eigenen  Messers, 
nötigenfalls  nach  einigem  Klopfen  mit  dem  Hefte,  leicht  und  vollständig  - 
abgezogen.  Die  bitterlich-zusammenziehend  schmeckende  Oberhaut  (Ausscu- 
rinde)  wird  durch  sichelförmige  Schabeisen  abgeschält,  wobei  man  die 
Rinde  auf  oder  um  einen  Stock  von  entsprechender  Dicke  legt.  Die  im 

l)  Thwaitcs  (Enumcrat.  plaut.  zcylanic)  hält  dagegen  wohl  mit  mehr  Grund  Ciunam. 
zcylanicuni  für  unzweifelhaft  auf  Ceylon  einheimisch;  der  Baum  finde  sich  in  mehreren  Varie- 
täten von  der  Küste  bis  zu  8000  Fuss.  — Nach  Scherzor  wäre  er  auch  in  Cochinchina 
(Facton)  ursprünglich  zu  Hause.  — Tcnnant’s  Ansicht  gründet  sich  wohl  nur  auf  eine  uralte 
Hcrodotische  Eabel. 


Cortex  Cifitiaraomi  zeylanici.  441 

frischen  Zustande  weissliche  Farbe  der  Rinde  geht  erst  durch  das  Trocknen 
in  braun  über. 

Je  8 — 10  Halbröhren  werden  in  einander  gesteckt,  durch  die  Scheere 
in  bestimmter  Länge  abgeschnitten,  im  Schatten  getrocknet,  sortirt  und  in 
kleinere  Bündel  zusammengelegt,  woraus  schliesslich  grössere  Ballen  (Far- 
delen Q geformt  werden,  die  mau  häufig,  nach  einem  eigentümlichen  Handels- 
gebrauche, in  den  Schiffsräumen  mit  schwarzem  Pfeffer  bedeckt,  angeblich 
um  die  Feuchtigkeit  vom  Zimmt  abzuhalten.  — Nach  Schätzler  beträgt 
dieselbe  bei  lufttrockenem  Ceylon-Zimmt  12  pC. 

Auch  die  übrigen  Theile  des  Zimmtbusches  ausser  der  Rinde  werden 
verwertet.  Die  schwach,  aber  unangenehm  riechende  Blüte  entwickelt 
eine  kleine  wachliolderbeerartige  Frucht,  welche  ein  schwach  aromatisches, 
festes  Fett  liefert ; die  sehr  ästige  Wurzel  gibt  bei  der  Destillation  mit  Wasser 
Kamplier,  der  indessen  nicht  Gegenstand  des  Handels  ist.  Die  Blätter  riechen 
und  schmecken  beim  Zerreiben  nicht  nach  Zimmt,  sondern  nelkenartig;* 2) 
ihr  schweres,  dunkles,  ätherisches  Oel  ist  ein  Gemenge  von  Nelkeusäure, 
Benzoesäure  und  einem  mit  Terpenthinöl  isomeren  Oele  und  gleicht  sehr 
dem  Gewürznelkenöle,  unter  welchem  Namen  es  auch  in  den  Handel  zu 
gelangen  scheint. 

Die  Rindenabfälle  werden  zur  Destillation  des  ächten  Zimmtöles  benutzt 
und  dienen  auch  wohl  schliesslich  noch  zum  Düngen  der  Zimmtgärteu.  — 
Das  Holz  des  Zimrnts  ist  sehr  wenig  gewürzhaft. 

Der  käufliche  Ceylonzimmt  besteht  nach  dem  obigen  aus  der  Mittel- 
rinde und  Innenrinde  (Bastschicht)  mit  Ausschluss  der  Aussenrinde  und 
eiues  mitabgeschabten  kleinen  Theiles  der  Mittelrinde,  so  dass  die  Dicke 
der  trockenen  Waare  nur  etwa  V-t  Millimeter  erreicht.  Die  einzelnen,  dicht 
in  einander  steckenden  Rindeu  sind  nicht  einfach  spiralig,  sondern  von  bei- 
den Seiten  eingerollt  („Doppelröhren“)  und  bilden  zusammen  eine  etwa 
0,01m  dicke  und  bis  lm  lange,  etwas  platte  Röhre  von  hellbräunlich  ge- 
färbter, matter  Oberfläche,  welche  von  sehr  zahlreichen  glänzenden,  weissen 
Längsstreifen  durchzogen  ist  und  da  und  dort  Narben  oder  Löcher  an  der 
Abgangsstelle  der  Blätter  oder  Zweige  trägt.  Breite , Abstand  und  Rich- 
tung der  hellen  Streifen  von  Bastfasern  auf  der  Oberfläche  der  Handels- 
waare  wechseln  manigfach;  doch  sind  unregelmässige  Biegungen,  Wellen- 
linien oder  Kreuzungen  vielleicht  etwas  weniger  häufig  als  paralleler,  ziem- 
•lich  geradliniger  Verlauf.  Bisweilen  ist  auch  eine  Andeutung  von  Quer- 
streifung bemerklich , vermuthlich  den  Rissen  der  beseitigten  Aussenrinde 
entsprechend. 

Die  unebene  Innenfläche  der  Rinde  ist  etwas  dunkler,  stellenweise 
warzig;  der  Querschnitt  bietet  eine  äussere  helle,  scharf  abgegrenzte  und 


))  Fardclo,  fardello  der  romanischen  Sprachen  bedeutet  Bündel. 

2)  Die  Rinde  von  Cinnamomum  citriodorum  Thwaites  enthält  ein  Oel  von  Citronen 
geruch. 


442 


Rinden. 


eine  innere,  dunklere  Hälfte.  Aus  dem  kurzfaserigen  Bruche  ragen  zahl- 
reiche weisse  Bastbüudelchen  hervor. 

Die  Oberfläche  des  Ceylon-Zimmts  ist  gebildet  aus  einer  2 — 3reihigen 
Lage  braunrother,  etwas  tangential  gestreckter,  durch  das  Schälen  zum 
Theil  aufgerissener  Zellen  der  Mittelrinde.  Die  glänzeuden  weissen  Streifen, 
welche  diese  Reste  der  Mittelrinde  durchziehen,  sind  kleine,  in  grösserer 
Zahl  zu  vereinzelten  Bündeln  vereinigte,  farblose,  ganz  verholzte  Baströhren, 
die  aus  einer  hellen,  körnigen  Schicht  von  Steiuzellen  hervortreten.  Diese 
bilden  einen  ununterbrochenen,  fest  zusammenhängenden  Ring  von  1 — 3 
Reihen  grosser,  dickwandiger,  poröser,  eckig-kugeliger  oder  etwas  tangen- 
tial tafelförmig  gestreckter  Zellen,  zwischen  welche  nur  einzelne  Bastgruppen 
eingestreut  sind.  Dieser  schwach  gelbliche  Steinzelleuring  hebt  sich  sehr 
scharf  von  dem  nach  innen  folgenden  braunrothen  Mittelrinden-Parenchym 
ab,  welches  ganz  dem  dünnen,  die  Steinzellen  bedeckenden  Gewebe  gleicht, 
aber  noch  mehr  tangential  gestreckt  ist;  es  enthält  nur  ungefähr  10  Reihen 
verhältnissmässig  sehr  dickwandiger  Zellen  und  da  und  dort  einzelne  Bast- 
röhren. Diese  letzteren  treten  zahlreicher,  in  weitläufige  Reihen  geordnet, 
in  der  Innenrinde  auf,  die  ausserdem  vou  schmalen,  etwas  dunkleren  Mark- 
strahleu  durchschnitten  und  von  einzelnen,  sehr  grossen  Gummizellen  unter- 
brochen ist.  Das  ausfüllende  (Bast-)  Gewebe  der  Innenriude  besteht  beson- 
ders in  den  innersten  Schichten  aus  zartem  Prosenchym,  dessen  Wände  im 
Querschnitte  häufig  unregelmässige  Windungen  zeigen. 

Auf  dem  Längsschnitte  erscheinen  die  Baströhren  von  bedeutender 
Länge , besonders  zierlich  auf  dem  tangentialen  Schnitte  durch  die  Stein- 
zelleu,  welche  sie  durch  leichte  Biegungen  in  unregelmässige  Felder  abtheilen. 

Die  grossen  Gummigänge  der  Innenrinde  erblickt  man  im  Längsschnitte 
als  eiförmige,  nur  wenig  gestreckte,  meist  entleerte  Schläuche  mit  derber 
Wandung.  Sie  sind  nicht  von  besonderen,  zarteren  Zellen  umgeben,  wie 
z.  B.  die  Oelgänge  in  den  Wurzeln  der  Compositen. 

Die  Mittelrinde,  zum  Theil  auch  die  Steinzellen,  enthält  reichlich  kleine 
Amylumkömer;  braunrother  Farbstoff  durchdringt  alle  Zellwände  und 
Zwischenräume,  besonders  in  der  Mittelrinde  und  in  den  Markstrahlen,  mit 
Ausnahme  der  Steinzellen,  der  Baströhren  und  der  Gummigänge.  Diese 
letzteren  zeigen,  trüben,  feinkörnigen,  farblosen  oder  nur  schwach  gelblichen 
Inhalt,  vermuthlich  in  der  That  Gummi.  Eigene  Oelzelleu  fehlen;  das  äthe- 
rische Oel  dürfte  wohl,  vielleicht  mit  Harz,  in  den  tief  brauurothen  Zwischen-, 
räumen  und  den  dicken  Zellwänden  sitzen. 

Der  Geruch  des  Ceylon-Zimmts  zeigt  das  bekannte  feine,  specifische 
Aroma;  der  Geschmack  ist  feurig  gewürzhaft,  zugleich  süss  uud  sehr  wenig 
schleimig,  aber  nicht  zusammenziehend. 

Der  hervorragendste  Bestandtheil  des  Zimmts  ist  das  ätherische  Oel, 
wovon  nach  Schmarda  die  Abfälle  ungefähr  V«  pC.  geben.  Auch  nach 
andern  Angaben  scheint  die  Ausbeute  au  ätherischem  Oele  überhaupt  me 
1 pC.  zu  erreichen. 


Cortex  Cinnamomi  zeylanici. 


443 


Dieses  Oel  besteht  grösstentheils  aus  09H80  (Cinnamylwasserstoff), 
dem  Aldehyd  der  Zimmtsäure  (£9H3-02),  neben  einem  veränderlichen 
Autheile  von  Kohlenwasserstoffen;  es  ist  etwas  schwerer  als  Wasser.  Durch 
Sauerstoffaufnahme  geht  es,  zum  Theil  schon  in  der  Rinde,  leicht  in  Harz 
und  Zimmtsäure  über,  wie  Trommsdorff  schon  1780  bei  destillirtem 
Zimmtwasser  wahrnahm.  Es  unterscheidet  sich  also  wesentlich  vom  äthe- 
rischen Oele  der  Blätter. 

Auch  Zucker,  Gummi  und  Gerbsäure  kommen  in  der  Zimmtrinde  reich- 
lich vor;  letztere  wohl  in  grösster  Menge  in  der  (abgeschabten)  Aussenrinde. 
Der  feinste  Ceylonzimmt  gab  Schätzler  getrocknet  5 pC.  Asche,  vorherr- 
schend aus  Kalk-  und  Kali-Carbonat  bestehend. 

In  jedem  anderen  Lande,  wohin  Cinnamomum  zeylanicum  noch  ver- 
pflanzt wurde,  hat  man,  zum  Theil  wegen  seiner  Neigung  zum  Ausarten, 
zum  Theil  auch  wohl  wegen  nicht  sorgfältiger  Kultur,  eine  durch  grössere 
Dicke  oder  durch  abweichende  Mengenverhältnisse  der  chemischen  Bestand- 
theile  bestimmt  verschiedene  Rinde  erhalten.  So  besitzt  der  sonst  ähnliche 
oder  etwas  dickere  Java-Zimmt  schwächeren  Geruch  und  Geschmack; 
die  in  Cayenne  \md  Brasilien  gewonnenen  Sorten  sind  weit  stärker 
und  dunkler,  erstere  zumal  noch  mit  der  Aussenriude  bedeckt,  schmecken 
schleimig  und  scharf  adstringirend.  — Die  1825  begonnene  javanische 
Produktion,  von  1853 — 1857  durchschnittlich  jährlich  gegen  2000Centner, 
ergab  nicht  befriedigende  Resultate. 

Auf  dem  Festlande  Indiens  (Malabar,  Silhet  und  Ost- Bengalen)  artet 
Cinnamomum  zeylanicum,  obwohl  vielleicht  dort  ursprünglich  einheimisch, 
so  aus,  dass  schon  Linne  diese  Varietät  als  Laurus  Cassia  unterschied. 
Die  Rinde  dieses  50  — 60  Fuss  hohen  Baumes  kömmt  meist  noch  mit  dem 
grauen  Korke  bedeckt  und  nicht  in  einander  steckend,  als  Holzkassia, 
Malaba r-Zimmt,  Cassia  lignea  in  den  Handel  und  dient  wohl  nur  zur 
Verfälschung  des  (gepulverten)  ächten  Zimrnts.  Sie  riecht  und  schmeckt 
schwach  zimmtartig,  nicht  angenehm  (bisweilen  an  den  Wanzengeruch  der 
Cort.  Massoy  erinnernd),  vorherrschend  schleimig  und  herbe.  Es  fällt 
auf,  dass  in  dieser  Riude  der  Steinzellenring  nur  sehr  wenig  entwickelt  ist. 

Unter  dem  Namen  Cassia  vera  und  Cassia  lignea  finden  sich  übrigens 
im  Handel  äusserst  verschiedene  Rinden  von  nicht  näher  bekannter  Ab- 
stammung, welche  sich  zur  Verfälschung  des  Zimrnts  eignen,  obwohl  sie 
alle  mehr  schleimig  und  herbe  schmecken  als  gewürzhaft  süss  und  weit 
dicker  zu  sein  pflegen.  Manche  dieser  Rinden  kommen  aus  Canton  und 
mögen  wohl  Stämmen  oder  dickeren  Aesten  des  Cinnamomum  aromaticum 
entnommen  sein.  Eben  so  wenig  lässt  sich  der  Ausdruck  Caneel  genau 
definiren,  da  er  sowohl  dem  ceylonischen  als  auch  (seltener)  dem  chinesi- 
schen Zimmt  beigelegt  wird,  und  ursprünglich  in  der  Sprache  der  früheren 
Vermittler  des  Gewürzhandels,  der  Venetiauer  oder  Portugiesen,  canuella 
oder  canella  nur  eben  (aromatische)  Röhren  bezeichuete. 

Der  Name  Zimmt,  Cinnamomum,  scheint  aus  dem  Singhalesischen 


444 


Rinden. 


Kacyu  (Holz)  — naraa  (süss)  oder  dem  Malaischen  Kaiua  (Holz)  und 
manis  (süss)  zu  stammen  und  auf  den  liinteri ndisclien  Ursprung  des  Ge- 
würzes hinzudeuten,  welches  schon  Phöuicier  und  Hebräer  unter  Kinnamon,1) 
die  Griechen  unter  Kinnämömon  verstanden  und  das  später  die  Araber  und 
Perser  noch  deutlicher  als  Dar  (Holz  oder  Rinde)  Ohini  (der  Chinesen)  be- 
zeichnet hatten.  In  Indien  fehlt  ein  altes  Sanskritwort  für  Ceylon  -Zimmt. 
Schon  zu  Alexanders  des  Grossen  Zeit,  bis  ins  XI.  Jahrhundert,  gelangte 
Zimmt  durch  den  Persischen  Golf  und  durch  Mesopotamien  ins  Abendland. 
Woher  aber  die  damals  noch  seetüchtigen  Chinesen  oder  später,  wenigstens 
seit  dem  Y.  Jahrhundert,  die  Araber  den  Zimmt  brächten,  ist  nicht  ermit- 
telt; Ceylon  wird  so  früh  noch  nicht  als  sein  Vaterland  genannt.  Es  ist  da- 
• her  sehr  wohl  möglich,  dass  das  Alterthum  nur  unseru  heutigen  chinesischen 
Zimmt,  die  Zimmtcassia,  oder  aber  den  Malabarischen  Zimmt  hatte  und 
dass  erst  später  Zimmt  von  Ceylon  durch  die  Araber  geholt  wurde.  Unge- 
wiss ist  es,  ob  Ciunamomum  zeylanicum,  nach  Emerson  Tennant's 
Meinung,  ursprünglich  auf  Ceylon  fehlte,  oder  in  frühester  Zeit  eben  nur 
nicht  zum  Export  ausgebeutet  wurde. 

Ibn  Batuta  erwähnt  schon  1340  Zimmtbäume  bei  Colombo,  und  im 
folgenden  Jahrhundert  besuchte  und  schilderte  der  veuetianisehe  Kaufmann 
Nicolo  Conti2)  um  1444  die  Zimmtinsel  „Saillana“  (Ceylon).  Treffend 
sagt  er:  „Ciunamomum  quoque  fert  plurimum.  Arbor  ea  est  simillima 
„crassioribus  salicibus  nostris,  praeterquam  quod  rami  non  in  altum,  sed 
„patuli  extenduntur  in  latum:  folia  simillima  licet  raajora,  laurifoliis:  ra- 
„raorum  cortex  melior  est,  isque  subtilior:  trunci  crassior  in/eriorque 
„ sapore . Fructus  ejus  baccis  lauri  similis,  ex  quibus  elicitur  oleum  odori- 
„ferum  uuguentis  quibus  admodum  Iudi  utuntur  accomodatum.  Ligna  nndato 
„cortice  comburuntur.“ 

Die  Umschiffung  des  Caps  hatte  die  Auffindung  Ceylons  durch  die  Por- 
tugiesen (1505)  und,  hauptsächlich  des  Zimmts  wegen,  von  1518 — 1536 
ihre  dauernde  Niederlassung  auf  der  Insel  zur  Folge.  Erst  seit  dieser  Zeit 
beginnen  genauere  Nachrichten  über  den  Zimmt;  man  unterschied,  nun 
(Garcias  ab  Horto,  um  1600)  bestimmt  deu  „aus  feinen  Röhrchen  innerer 
Rinde“  bestehenden  ceylonischen  Zinnnt  von  dem  unächten  aus  Malabar 
und  Java.  Ersterer  war  damals  vierzigmal,  1644  nur  noch  fünfmal 
theurer  als  der  zweite.  Schon  1571  sah  Clusius  einen  Zimmtbaum  in  Brügge. 

Aber  dieser  Ceylonziramt  mag  wohl  unserer  heutigen  durch  die  Kultur 
veredelten  Waare  noch  nicht  gleich  gekommen  sein,  indem  er  in  den  Wäl- 
dern des  Kaudy -Reiches,  im  Innern  der  Insel,  geschnitten  wurde,  dessen 
Königen  die  Portugiesen  bedeutenden  Tribut  in  Zimmt  auferlegten.  Eine  be- 
sondere Kaste  von  Zimmtsckäleru,  Clialiahs,  welche  erst  gegen  Anfang 

1)  In  den  Recepten  des  unlängst  von  D ümichou  entdeckten  uralten  Tempollaboratoriums 
von  Edfu  in  Aegypten  erscheint  auch,  neben  Myrrhe  und  anderen  Gewürzen  Kaiua- maa 
(Brngsch  et  Diimiclien,  Recneil  de  monum.  egy.pt.  Lpzg.  1866). 

2)  Kunstmann,  Kenutniss  Indiens  im  XV.  Jahrh.  — München  1863,  S.  39. 


Cortex  Cinnaraomi  zeylanici. 


445 


des  XHI.  Jahrhunderts  nach  Ceylon  berufen  worden  sein  sollen,  lieferten 
den  Portugiesen  die  Rinde.  Die  unmenschliche  Sklaverei  dieser  Chaliahs 
wurde  durch  die  Holländer  nicht  erleichtert,  welche  von  1658  an  völlig 
Meister  der  Insel  waren  und  ihrer  ostindischen  Compagnie  den  Zimmthandel 
als  äusserst  einträgliches  Monopol  überliessen , das  sie  mit  grösster  Härte 
handhabte.  — Die  Rinde  wurde  durch  eigene  Revisoren , Apotheker  und 
Aerzte,  genau  untersucht,  um  Betrügereien  der  Chaliahs  zu  verhüten. 

De  Koke  hatte  um  1770  den  glücklichen  Gedanken,  im  Widerspruche 
mit  dem  allgemeinen  Vorurtheile  zu  Gunsten  des  wild  wachsenden  Zirmnts, 
dessen  künstlichen  Anbau  zu  versuchen,  was  unter  den  Gouverneuren 
Fa  Ick  und  van  der  Gr  aff  mit  ausserordentlichem  Erfolge  durchgeführt 
wurde,  so  dass  die  Holländer  jetzt  völlig  unabhängig  vom  Kandy- Reiche 
alljährlich  etwa  400,000  Pfund  zu  erzeugen,  damit  den  ganzen  europäischen 
Bedarf  zu  decken  und  dieses  Geschäft  völlig  zu  beherrschen  vermochten, 
so  dass  sogar  nach  einigen  Berichten  in  Holland  Zirnmt  verbrannt  wurde, 
nur  um  den  Preis  in  der  gewünschten  Höhe  zu  erhalten. 

Nach  der  Besitznahme  Ceylons  durch  England  (1796)  wurde  der  Zimint- 
haudel  Monopol  der  englisch- ostindischen  Compagnie,  welche  nun  wieder 
mehr  Zirnmt  aus  den  Wäldern  ausführte,  besonders  seit  1815,  wo  das  Reich 
Kaudy  eingezogen  wurde;  doch  scheint  die  jährliche  Ziinintproduktiou 
höchstens  Million  Pfund  erreicht  zu  haben  (ein  Ueberschuss  sollte  sogar 
verbrannt  werden) , obwohl  die  Zahl  der  Chaliahs  auf  16,000  gestiegen 
war.  Ihre  Lage  wurde  erst  besser,  als  1833  endlich  das  der  Compagnie 
verliehene  Monopol  aufgehoben  wurde.  Der  Zirnmt  blieb  aber  mit  einem 
Ausfuhrzölle  von  Va  — 7s  seines  Werth  es  belastet,  so  dass  die  Kultur  nach 
und  nach  unter  der  Konkurrenz  des  von  den  Holländern  auf  Java  erzeugten 
und  des  chinesischen  Zimmts  zu  leiden  begann.  Erst  1853  fiel  dieser  Zoll 
weg.  — Jetzt  nehmen  die  sämmtlichen  Zimmtgärten  Ceylons  etwa  1 geogr. 
Quadratmeile1)  ein  und  erzeugen  jährlich  gegen  900,000  Pfd.  Rinde,  im 
Werthe  von  über  1 Mill.  Franken.  Zwischen  1836  und  1857  producirte 
Ceylon  durchschnittlich  etwa  400,000  Zirnmt  jährlich ; zwischen  1855 
und  1860  über  700,000  jährlich;  1842  nur  121,000  /d , 1844  aber 
1 Million  M , 1860  wieder  675,000  f/ , 1861  ebenfalls  845,000  Pfd.  — 
Der  Gesammtwerth  der  ganzen  jährlichen  Ernten  an  Ceylon -Zirnmt  dürfte 
nach  Scherz  er  IV4  Million  Francs  kaum  mehr  übersteigen,  während  für 
die  Cassia  (Cortex  Ciuuamomi  chinensis  und  Surrogate)  7 '/s  Millionen  an- 
zunehmen sind. 

Der  Kaffee  beginnt  in  neuester  Zeit  den  Zirnmt  fast  von  Ceylon  zu 
verdrängen. 


0 Nach  anderen  Angaben  ans  den  Jahren  1860  1864  nur  14,400  Acres  = 5827 

Hcctares  = 23,000  preussische  Morgen. 


446 


Rinden. 


Cortex  Cinnamomi  chinensis. 

Gort.  Cinnamomi  Cassiae.  Cort.  Cassiae  cinnamomeae.  Chinesischer  Zimmt. 
Zimmtkassie.  Kaneel.  Cannelle  de  Chine.  Chinese  cinnamom.  Cassia  hark. 

Cinnamomum  Cassia^)  Blume.  — Laurineen i. 

Syn. : Cinnamomum  aromaticum  Chr.  Nees. 

In  Annam  (Cochinchina)  und  der  anstossenden  südlichsten  Provinz 
Chinas,  Kuangsi;* 2)  apch  noch  wenig  nördlich  in  der  Provinz  Hunan  ein- 
heimischer, dort  so  wie  auf  den  Sunda-Inseln  und  in  Vorderindien  (Malabar) 
cultivirter  Baum,  durch  höheren  Wuchs  und  hellgrüne,  lanzettliche,  3nervige 
Blätter  von  Cinnamomum  zeylanicum  verschieden,  dessen  dunkelgrüne, 
ovale  Blätter  3 — 5 Nerven  tragen. 

Der  chinesische  Zimmt  unterscheidet  sich  vom  ceylonischen  durch  be- 
deutend stärkere  und  festere  Röhren,  deren  Dicke  selten  weniger  als  0,00  lm, 
aber  oft  über  das  doppelte  beträgt.  Gewöhnlich  kommen  sie  einzeln,  sel- 
tener zu  mehreren  in  einander  gesteckt  vor  und  meist  nur  einfach  spiralig 
eingerollt. 

Die  Oberfläche  ist  weniger  glatt,  einförmig  und  etwas  dunkler  braun, 
stellenweise  noch  mit  grauem  Korke  bedeckt.  Noch  dunkler,  etwas  ins 
Röthliche  spielend,  ist  die  Innenfläche. 

Der  Bruch  ist  nicht  faserig;  in  der  Mitte  der  Rinde  erscheint  eine  feine 
weisse  Linie  und  einzelne  weisse  Punkte  ausserhalb  derselben. 

Die  Aussenrinde,  welche  besonders  die  Ränder  noch  stellenweise 
bedeckt,  besteht  aus  mehreren  Schichten  rundlich -eckiger,  flacher  Kork- 
zellen, von  denen  einzelne  Reihen  braunrothen  Farbstoff  enthalten.  Das 
lockere,  selbst  liickige  Parenchym  der  Mittelrinde  ist  aus  tangential  gestreck- 
ten, porösen,  braunen  Zellen  gebildet,  zwischen  denen  einzelne  grössere, 
dickwandige  Zellen,  sehr  vereinzelte  Baströhren  und  mehr  nach  innen 
Gruppen  von  zahlreichen  Baströhren  Vorkommen,  auf  welche  eine  Zone 
gleicher  Steiuzellen  folgt,  wie  im  ceylonischen  Zimmt.  ln  der  chinesischen 
Rinde  aber  bilden  diese  Steinzellen  nicht  einen  fest  zusammenhängenden 
Ring,  sondern  sind  häufig  durch  das  Parenchym  unterbrochen,  und  zer- 
streute Gruppen  von  Steinzellen  sind  auch  in  der  Innenrinde  nicht  selten. 
Dieselbe  besitzt  ausserdem  zerstreute  Baströhren  und  grosse  Gnmmigänge 
und  wird  von  ziemlich  breiten  Markstrahlen  durchschnitten.  Der  innerste 
Theil  der  Innenrinde  besteht  aus  im  Querschnitte  engen,  sehr  regelmässig 
geordneten  Zellen,  welche  allmälig  gegen  die  Steinzellenregion  hin  grösser 
werden,  so  dass  dieses  Gewebe  dem  entsprechenden  des  Ceylon -Zimmts 
nicht  gleicht. 

Der  Inhalt  der  Gewebe  des  chinesischen  Zimmts  ist  derselbe  wie  beim 
ceylonischen;  nur  ist  ersterer  an  Amylum  verhältnissmässig  reicher,  indem 

1)  nicht  zu  verwechseln  mit  den  verschiedenen  Laurus  Cassia  älterer  Antoren,  Spielarten 
von  C.  zeylanicum. 

2)  das  Wort  soll  Zimmtwald  bedeuten. 


Cortex  Mezerei. 


447 


das  ganze  Gewebe,  selbst  die  nicht  ganz  verholzten  Steinzellen,  davon  er- 
füllt ist.  Auch  die  Gummigänge  sind  im  chinesischen  Zimmt  zahlreicher 
und  die  Gerbsäure  in  grösserer  relativer  Menge  vorhanden. 

Dem  entsprechend  schmeckt  auch  dieser  Zimmt  weniger  fein  gewürz- 
haft, mehr  scharf  adstringirend  und  schleimig  als  süss.  Trotzdem  ist  der 
Verbrauch  desselben  sehr  gross.  Hamburg  allein  führte  z.  B.  1863  davon 
über  20,000  Kisten  und  33,000  Matten  ein.  In  England,  dessen  Bedarf 
etwa  172  Million  Pfund  jährlich  ausmacht,  hat  er  den  Ceylonzimmt  über- 
flügelt. 

Das  ätherische  Oel,  Oleum  Cassiae , beträgt  ungefähr  lpC.,  durch- 
schnittlich, wie  es  scheint,  etwas  mehr  als  im  ceylonischen  Zimmt  und 
stimmt  im  wesentlichen  mit  dem  des  letzteren  überein,1)  obwohl  sein  Geruch 
weit  weniger  fein  ist.  — Eine  sorgfältige  Kultur,  wie  die  ceylonische, 
scheint  auf  Cinnamomum  aromaticiun  nicht  verwandt  zu  werden,  dürfte 
aber  wohl  in  jüngeren  Trieben  auch  ein  feineres  Oel  ergeben. 

E.  Brennend  scharfe  Rinde. 

Cortex  Mezerei. 

Seidelbastrinde.  Kellerhalsrinde.  Zeiland.2)  Ecorce  de  Laureole  femelle  ou 
de  Garou,  bois  gentil.  Spurge  laurel  bark. 

Daphne  Mezereum  L.  — Daphnoideae. 

Die  Stammrinde,  bisweilen  auch  die  Wurzelrinde  dieses  in  den  meisten 
Ländern  Europas  und  Nordasiens  ziemlich  verbreiteten  Strauches.  Er  geht 
bis  gegen  den  Polarkreis  und  erhebt  sich  in  unsern  Breiten  hoch  in  die 
Voralpen,  ist  aber  seltener  in  England  (vielleicht  eingewandert?)  und  fehlt 
in  Irland. 

Die  sehr  zähe,  faserige  Rinde  lässt  sich  leicht  in  langen  Streifen  sowohl 
vom  Stämmchen  und  den  Zweigen  als  auch  von  der  langen  Wurzel  ab- 
ziehen.  Sie  wird  zur  Winterszeit  gesammelt  und  in  runde  oder  längliche 
Rollen  mit  etwa  0,02™  breitem  Bande  und  nach  aussen  gekehrtem  Baste 
aufgewickelt.  Die  Dicke  der  Rinde  übersteigt  nicht  leicht  0,001™ ; aussen 
ist  sie  mit  graubraunem,  je  nach  dem  Alter  plattem  oder  etwas  höckerigem 
und  rissigem  Korke  belegt,  welcher  sich  ablösen  lässt  und  eine  dünne, 
grüne  Schicht  bedeckt.  Die  schwach  gelblich  - grüne  Innenseite  der  Rinde 
ist  sehr  glatt  und  glänzend,  fein  und  kurz  längsstreifig.  Die  Seidelbastrinde 
lässt  sich  leicht  quer  schneiden,  aber  nicht  brechen,  sondern  nur  zerfasern. 

Die  Wurzelrinde  ist  hell  grau-gelblich  oder  bräunlich,  ohne  Chlorophyll- 
schicht, aber  etwas  dicker,  stark  längsrunzelig,  mit  schwammigem 
Korke.  Derselbe  bildet  sehr  zahlreiche  Lagen  dünner,  tangential" ge- 
streckter 1 afelzellen  mit  braunem  Inhalte , welche  zu  äusserst  durch  tan- 

')  nach  Bnignet  jedoch  (1861)  wären  die  Brechungsexponenten  wesentlich  verschieden. 

) Cilant  im  althochdeutschen  schon  vor  dem  XII.  Jahrhundert. 


448 


Rinden. 


gentialc  Theiluug  sehr  schmal,  im  Innern,  besonders  in  der  Wurzel,  etwas 
weiter  sind.  Die  letzte  Korkzellenreihe  ist  farblos  und  hängt  fest  zusammen 
mit  grossen,  tangential  gedehnten,  oft  etwas  gestreiften,  chlorophyllhaltigeu 
Parenchymzellen,  welche  in  etwa  10  Reihen  die  Mittelriude  bilden.  Diese 
hängt  nur  lose  mit  der  Innenrinde  zusammen,  in  welcher  zahlreiche  Grup- 
pen enger  Baströhren  auftrcteu,  die  weiter  nach  innen  völlig  in  glänzendes, 
farbloses  Bastprosenchym  übergehen,  das  von  schmalen,  einreihigen  Mark- 
strahlen durchschnitten  ist.  Dieser  Bast  zeigt  theils  weitere,  bandartige 
Zellen  mit  geschlängelten  Wänden,  abwechselnd  mit  lockerem  Parenchym, 
theils  dünne,  einfache  Baströhren  von  sehr  bedeutender  Länge. 

Die  Mittelrinde  enthält  nicht  sehr  reichlich  Amylumkörner,  doch  nur  in 
der  Wurzel  von  ansehnlicher  Grösse. 

Frisch  riecht  die  Rinde  unangenehm,  trocken  gar  nicht  mehr,  schmeckt 
aber  immer,  selbst  nach  langer  Aufbewahrung,  äusserst  scharf  und  anhal- 
tend brennend,  Röthung  der  Haut  bewirkend  oder  selbst  Blasen  ziehend. 
Der  blasenziehende  Bestandtheil,  vermuthlich  Harz  (Fett?),  scheint  in  der 
Mittelrinde  allein  enthalten  zu  sein;  die  Früchte  des  Seidelbastes  („ Semen 
Coccognidii“)  lieferten  Martins  über  40  pC.  fettes,  blasenziehendes  Oel, 
das  auch  in  der.  Stammriude  enthalten  zu  sein  scheint. 

Als  Daphnin  war  schon  ein  1808  von  Vauquelin  aus  Daphne  alpiua 
dargestellter  krystallisirter  Stoff  bezeichnet  worden,  den  später  L.  Gmelin 
und  Bär  auch  in  der  Rinde  von  D.  Mezereum  nach  wiesen.  Das  Daphnin 
wurde  1860  von  Zwenger  als  indifferentes,  nicht  flüchtiges  Glykosid  er- 
kannt, auch  das  Spaltungsprodukt  Daphnetin  näher  untersucht.  Das  Daphnin 
schmeckt  nur  bitter  und  adstringirend  und  ist  in  der  Rinde  in  so  sehr  ge- 
ringer Menge  enthalten,  dass  es  bei  ihrer  Wirkung  nicht  in  Betracht  kommen 
kann.  Aeltere  Rinde  enthält  weniger  Daphnin;  es  scheint  je  nach  den  Vege- 
tationsbedinguugen  in  sehr  wechselnder  Menge  aufzutreten.  Durch  trockene 
Destillation  des  Alcohoi-Extractes  der  Seidelbastrinde  erhielt  Zwenger, 
neben  Daphnetin  auch  Umbelliferon  (vergl.  bei  Radix  Sumbul). 

Nach  Länderer  lässt  sich  durch  Destillation  der  Rinde  mit  Wasser 
ein  scharfes,  Haut  röthendes  Oel  gewinnen,  das  schon  Vauquelin  bemerkt 
hatte.  Hoyer  erhielt  von  getrockneter  Rinde  4 pC.  vorwiegend  aus  Kalk- 
und  Kalisalzen  bestehender  Asche. 

In  Frankreich  und  ganz  Südeuropa  benutzt  man  mehr  die  Rinde  von 
Daphne  Gnidium  L.  (Garou.  Sain-bois),  auch  wohl  von  Daphne  Lau- 
reola  L.  (Laureole  male),  letztere  ist  aber  bedeutend  weniger  scharf.  Die 
Unterschiede  dieser  Rinden  wurden  von  Guibourt  (1867)  angedeutet, 
aber  nicht  festgestellt. 

Die  Alten  gebrauchten,  freilich  zu  andern  Wirkungen,  mehr  nur  die 
Früchte  von  Daphne  Gnidium.  Erst  Tragus  lieferte  zu  Anfang  des  XVI. 
Jahrhunderts  eine  Beschreibung  und  Abbildung  des  gemeinen  Seidelbastes 
unter  dem  Namen  Mezereum  germaniemu.  ErsteresWort  scheint  wohl  ara- 
bischen Ursprunges  zu  sein. 


Folia  Capilli. 


449 


IY.  Blätter  und  Kräuter. 

A.  Blätter  von  Farnen. 

Folia  Capilli. 

Folia  Adianti.  Herba  Capillorum  Veneris.  Frauenhaar.  Capillaire  de 

Montpellier.  Ladies  hair. 

Adiantum  Capillus  Veneris  L.  — Filices. 

Das  Frauenhaar  wächst  häufig  an  feuchten,1)  schattigen  Felsen  und 
Mauern  wärmerer  Gegenden,  namentlich  im  ganzen  Gebiete  des  Mittelmeeres, 
auf  den  Azoren,  Canarien  und  Cap  Verden,  sogar  in  den  milden  Küsten- 
strichen Südenglands  und  Irlands,  überschreitet  aber  vom  Süden  her  die 
Alpen  nicht.2)  Es  findet  sich  weiter  in  Abyssinieu,  Syrien,  im  Kaukasus, 
in  ganz  Hochasien,  am  Cap,  auf  Madagascar,  den  Sandwich -Inseln,  in 
Mexico,  Central-Amerika  und  Westindien.  Die  Blätter  (Wedel)  erheben  sich 
büschelförmig  bis  0,50m  hoch  aus  einem  kurzen  Wurzelstocke,  an  dem 
nur  0,001™  dicken,  sehr  elastischen , aussen  und  innen  glänzend  dunkel- 
braun-schwarzen Blattstiele,  der  frei  von  Spreuschuppeu  bleibt.  Sie  sind 
doppelt  gefiedert;  die  Stielchen,  welche  die  Fiedern  und  Blättchen  tragen, 
sehr  dünn,  so  dass  die  Blätter  von  Wänden  und  Decken  der  Grotten  und 
des  Gemäuers  sehr  zierlich  herabhängen  und  vom  leisesten  Windzuge  ge- 
schaukelt werden.  Die  sehr  dünnen,  hellgrünen  Blättchen  sitzen  auf  kurzen 
Stielchen  abwechselnd  auf  dem  Blattstiele  der  Fiedern , sind  fast  halbkreis- 
förmig, mit  ungleichem,  keilförmigem  Grunde,  3 lappig,  die  stumpfen  Lappen 
zweitheilig  und  gezähnt.  Das  Eudblättchen  der  Fieder  ist  grösser,  bis  0,03™ 
Durchmesser  erreichend,  und  tiefer  getheilt.  Die  Form  der  Blättchen  ist  im 
ganzen  sehr  unregelmässig  und  veränderlich.  Strahlenförmig  vom  Blatt- 
stiele ausgehende  feine,  blassgrüne  Nerven  durchziehen  die  Blattfläche, 
indem  sie  sich  3 — 5 mal  gabelig  theilen,  aber  nicht  wieder  zusammen- 
fliessen. 

Der  vordere  Baud  der  Blattlappen  entwickelt  ein  häutiges,  nur  0,001™ 
breites,  durchsichtiges  Schleierchen,  das  sich  auf  die  untere  Blattseite 
zurückfaltet  und  auf  seiner  inneren  Fläche  die  Früchtchen  (Sporangien) 
trägt,  welche  bei  der  Reife  das  Schleierchen  dunkelbraun  erscheinen  lassen. 

Die  Blätter  überwintern  nicht;  sie  werden  mit  den  Blattstielen  gesam- 
melt, verlieren  leicht  ihre  schöne  grüne  Farbe  und  zeigen  nur  beim  Zer- 
reiben einen  schwach  aromatischen  Geruch.  Geschmack  süsslich-bitterlich. 


*)  Ataivto  ich  benetze;  äStavxov  imbenetzbar. 

2)  In  der  Schweiz,  nördlich  von  den  Alpen,  nur  auf  einen  einzigen  Standpunkt  beschränkt; 
in  den  Alpen  selbst  an  den  Thermen  von  Bormio  (Veltlin),  1300ra  über  dom  Meer,  auch  bei 
Meran  und  Botzen. 

Flückiger,  Pharmakognosie.  29 


450 


Blätter  und  Kräuter. 


Enthalten  wie  alle  Farne  Gerbstoff  und  Zucker;  wohl  auch  Bitterstoff. 
Das  Frauenhaar  wurde  schon  von  den  griechischen  und  römischen  Aerzteu 
gebraucht. 

Statt  des  Adiantum  Capillus  Veneris  wird  in  Frankreich  häufig  das  deut- 
licher aromatische  Adiantum  pedatum  L.  aus  Canada  und  den  nördlichen 
Unionsstaaten  bis  Yirginien  unter  dem  Namen  Capillaire  du  Canada  ange- 
wendet und  sogar  höher  geschätzt.  Es  ist  einer  der  zierlichsten  nordamerikani- 
schen Farne,  grösser  als  das  Frauenhaar  und  durch  den  starken  hellbraun- 
rothen,  glänzenden,  innen  lebhaft  citrougelben  Blattstiel  ausgezeichnet, 
welcher  sich  in  zwei  kurze  Aeste  theilt,  deren  jeder  6 — 7 einfach  gefiederte 
Blätter  trägt,  welche  strahlenförmig  (fussförmig)  gegen  die  Gabelung  des 
Blattstieles  gestellt  sind.  Die  Blättchen  zeigen  dieselbe  Grundform  wie  die 
des  Frauenhaares,  sind  aber  weit  regelmässiger,  fast  dreieckig;  dem  durch 
zwei  sehr  ungleich  lange  geradlinige  Seiten  gebildeten  rechtwinkligen 
Grunde  gegenüber  liegt  eine  bogenförmig  gezähnte  oder  gekerbte  Seite, 
mit  ähnlichen  zurückgeschlagenen,  fruchttragenden  Schleierchen,  wie  bei 
Adiantum  Capillus  Veneris.  Dieses  kanadische  Frauenhaar  kömmt  zu  grossen 
parallelipedisclien  Kuchen  fest  zusammengepresst  nach  Europa.  Bisweilen 
geht  statt  desselben  auch  das  ähnliche  Adiantum  trapezifo?’me  L.  aus 
Mexico  und  Südamerika. 


Folia  Scolopendrii. 

Hirschzunge.1)  Zungenfarn.  Scolopendre.  Langue  de  cerf  ou  de  boeuf. 

Scolopendrium  officinaruin  Swartz.  — Filices. 

Wächst  an  ähnlichen  Standorten  wie  Adiantum  Capillus  Veneris  durch 
das  mittlere  und  südliche  Europa,  nicht  im  nördlichen.  Auch  in  Asien  und 
Nordamerika;  hier  jedoch  selten.  Die  etwas  lederartigen,  überwinternden 
Blätter  stehen  büschelförmig,  doch  nicht  zahlreich  spiralig  an  dem  fleischigen 
Wurzelstocke.  Die  am  Grunde  verdickten  Blattstiele  kürzer  als  das  Blatt, 
das  bis  0,50,n  lang  und  0,0G0m  breit  wird.  Es  ist  am  Grunde  tief  herz- 
förmig, länglich  lanzettlich,  spitz,  flach  uud  ganzraudig  (selten  gelappt, 
wellig- kraus  oder  gekerbt),  hellgrün,  oberseits  etwas  glänzend.  Die  Blatt- 
stiele tragen  bis  über  die  Mitte  des  Blattes  hinauf  braune,  zum  Theil  haar- 
förmige, doch  nicht  röhrige  Spreublättcheu.  Von  der  Mittelrippe  aus  gehen 
in  einem  spitzen  Winkel,  etwas  nach  oben  geneigt,  zahlreiche,  einmal  oder 
zweimal  gabelig  getheilte,  nicht  zusammenfliessende,  parallele  Nerven  gegen 
den  Rand  des  Blattes,  vor  welchem  sie  in  einen  etwas  verdickten,  blässeren 
Punkt  endigen. 

Auf  diesen  Nerven  und  parallel  mit  ilmeu  entstehen  die  liuicnförmigen 
Schleierchen,  welche  die  Fruchthäufchen  bergen.  Je  zwei  solcher  Schleierchen 


U hircescunga  im  althochdeutschen  des  XI.  Jahrhunderts. 


Herba  Clielidonii. 


451 


stehen  so  nahe,  dass  sie  einander  berühren  und  Zusammenflüssen.  Ihre 
Schleierchen  sind  an  der  äusseren  Seite  angeheftet  und  öffnen  sich  an  der 
Vereinigungslinie,  indem  sie  sich  wie  zwei  Klappen  nach  aussen  zurück- 
schlagen.  Geschmack  schwach  siisslich  adstringirend.  Nicht  genauer 
chemisch  untersucht. 

B.  ausschliesslich  frisch  in  Gebrauch  gezogene  Blätter 

und  Kräuter. 

Herba  Clielidonii. 

Schöllkraut.  Chelidoine.  Calandine. 

Chelidönium  majus1)  L.  — Papaveraceae. 

Schwaches  durch  ganz  Europa  gemeines  Kraut  mit  ansehnlicher  aus- 
dauernder Wurzel,  aus  welcher  sich  meist  melncie  etwa  1 hohe  hohle, 
behaarte  Steugel  erheben.  Die  zahlreichen  abwechselnden  Blätter  erscheinen 
an  den  Stengelknoten  den  gabeligen  Aesten  gegenüber.  Aus  den  Winkeln 
gehen  später  einzelne  lange  blütheutrageude , oben  am  Stengel  blattlose 
Aeste  hervor. 

Die  zarten  schlaffen,  im  ganzen  breit  eiförmigen  Blätter  sind  unpaarig, 
2-  bis  4jochig  entfernt  gefiedert,  die  ovalen  gekerbten  Lappen  gestielt  oder, 
wenigstens  die  oberen,  wieder  gelappt  und  mit  der  Spindel  zusammen- 
fliesseud,  das  bedeutend  grössere  Endstück  des  Blattes  oft  durch  seine 
beiden  tiefen  Einschnitte  fast  umgekehrt  herzförmig.  Die  schöne  grüne 
Farbe  der  Blätter  spielt  anderseits  stark  ins  matt  bläulichweisse. 

Die  erst  endstäudigen,  dann  durch  Auswachsen  der  Stengeläste  zur 
Seite  gedrängten  einfachen  Dolden  tragen  5 — 8 gelbe  vierblätterige  Blü- 
tlien,  womit  die  Pflanze  den  ganzen  Sommer  durch  versehen  ist;  die  beiden 
behaarten  Kelchblätter  fallen  sehr  bald  ab. 

Die  zweiklappig  aufspringende  schotenartige  Frucht  schliesst  in  ihrem 
einzigen  Fache  zahlreiche,  glänzend  braunschwarze,  etwa  1 Millim.  grosse 
Samen  ein,  die  sich  durch  eine  weisse  fleischige,  verhältnissrnässig  sehr 
ansehnliche  Nabelwulst  auszeichuen. 

Die  ganze  Pflanze  ist  von  einem  scharfen,  schon  beim  Austreteu  schön 
rothgelbeu  Milchsäfte  erfüllt,  welchem  sie  den  bitteren,  brennenden  Ge- 
schmack verdankt.  Der  widerliche  Geruch  ist  nach  dem  Trocknen  am 
Kraute  kaum  mehr  bemerklich. 

Po  lex  zuerst  stellte  aus  Chelidönium,  vorzüglich  aus  älteren  Wurzeln, 
ein  Alkaloid  Pyrrhopiu  dar,  welches  später  von  Probst  als  Chelery  thrin 
genauer  untersucht  wurde.  Schiel  zeigte  (1855),  dass  es  identisch  ist  mit 
dem  schon  1819  von  Dana  iu  der  Wurzel  der  nordamerikanischen  Papave- 
racee  Sanguinaria  cunadensis  L.  entdeckten  Sanguinarin  und  stellte 


B Chelidönium  minus  liiess  früher  Ranunculus  Ficaria  L. 

29  * 


452 


Blätter  und  Kräuter. 


dafür  die  Formel  G1!'H17NO'  auf.  Im  Schöllkraute  selbst  kömmt  dieses 
narkotisch  giftige  Alkaloid  nur  in  geringer  Menge  vor,  bedingt  aber  zum 
Theil  die  Farbe  des  Milchsaftes,  indem  es  sich  an  der  Luft  gelblich,  durch 
Säuren  rotli  färbt.  Nicht  giftig  ist  ein  zweites,  ebenfalls  in  der  Wurzel  reich- 
licher als  im  Kraute  enthaltenes  Alkaloid,  das  Chelidonin  (vielleicht 
G1;)H17N3G3),  das  (1838)  ebenfalls  von  Probst  rein  dargestellt  wurde. 
Es  schmeckt  bitter  und  liefert  bittere,  krystallisirende  Salze.  Als  Cheli- 
do xanthin  bezeichnete  derselbe  einen  indifferenten,  in  gelben  Nadeln 
krystallisirendeu  Bitterstoff  aus  der  gleichen  Pflanze,  der  nicht  näher  unter- 
sucht ist. 

Auch  verschiedene  Säuren  finden  sich  im  Kraute  und  der  Wurzel, 
namentlich  Aepfelsäure  (woraus  bei  der  Gährung  des  Krautes  Bernsteiu- 
säure  entseht)  und  Citronsäure,  so  wie  C helidonsäure  GUH1U013  und 
Chelidoninsäure  GUR22G-13,  beide  letztere  der  Pflanze  eigeuthümlich, 
aber  vielleicht  zu  Mekonsäure  (siehe  bei  Opium)  oder  Bernsteinsäure  in 
naher  Beziehung , übrigens  in  nur  sehr  geringer  Menge  vorhanden.  Die 
Chelidoninsäure  ist  sublimirbar  und  wird  nicht  von  neutralem,  sondern  nur 
von  basischem  Bleiacetat  gefüllt,  ist  aber  im  Uebersclmss  desselben  löslich 
(Z  wenger). 

Die  ganze  Pflanze  gibt  nach  Rüling  6,8  pC.  Asche,  hauptsächlich  aus 
Kali,  Kalk,  Phosphorsäure  und  Kohlensäure  bestehend. 

Ohelidouium  ist  schon  seit  dem  Alterthum  in  medicinischem  Gebrauche. 
Die  an  Alkaloiden  reichere  Wurzel  würde  eigentlich  den  Vorzug  verdienen. 

Herba  Coclileariae. 

Löffelkraut.  Skorbutkraut.  Cochlearia.  Scurvy-grass. 

Cochleäria  officinalis  L.  — Cruciferae,  Latisejptae. 

Das  Löffelkraut  findet  sich  in  Menge  durch  die  ganze  kalte  Zone  an  den 
Küsten  der  nordischen  Meere,  von  der  Nordsee  und  Ostsee  an  längs  der 
skandinavischen , so  wie  der  jenseitigen  arktischen  Gestade  bis  Labrador, 
ja  bis  Grinnell-Laud  unter  80°  n.  Br.  Es  ist  eine  der  am  weitesten  gegen 
den  Pol  gehenden  Phanerogamen.  Im  Innern  der  nordischen  Contiueute 
tritt  die  Pflanze  da  uud  dort  in  salzreichem  Grunde  auf,  merkwürdiger- 
weise auch  unzweifelhaft  wild  an  einzelnen  Stellen  der  Voralpeu  Berns, 
höher  als  1000'"  über  Meer. 

In  unsern  Gärten  gedeiht  sie  recht  wohl  uud  wird  zum  officinellen 
Gebrauche  gezogen. 

Die  zwei  Jahre  dauernde,  kräftige  Wurzel  treibt  erst  im  zweiten  Früh- 
ling etwa  fussliohe,  schwache,  kantige  Stengel,  welche  meist  schon  am 
Grunde  mit  aufsteigenden  Aesten  versehen  sind.  Im  ersten  Jahre  erscheint 
nur  ein  Büschel  zahlreicher,  sehr  laug  gestielter,  schön  grüner  Blätter  von 
stumpf  und  breit  eiförmiger  oder  herzförmiger  Gestalt.  Am  Rande  sind 
diese  etwas  dicklichen,  0,02"‘  bis  0,03'"  messenden  Blätter  sanft  ausge- 


Herba  Coclileariae. 


453 


schweift  oder  beinahe  gekerbt;  zur  Zeit  der  Blüthe  welken  sie.  Den  klei- 
neren, ziemlich  weit  aus  einander  gerückten  Stengelblättern  von  mehr  spitz- 
eiförmigem  Umrisse  fehlt  der  Stiel;  die  oberen  wenigstens  umfassen  pfeil- 
förmig den  Stengel  und  tragen  an  jedem  Rande  1 3 meist  wenig  hervoi- 

tretende  Sägezähne. 

Die  weissen  Bliithen,  vom  gewöhnlichen  Bau  der  Cruciferen,  bilden 
endständige,  unbeblätterte  Trauben , welche  sich  während  der  Fruchtreife 
noch  bedeutend  strecken.  Jedes  der  zwei  Fächer  des  gedunsenen,  aber  seit- 
lich ein  wenig  zusammengedrückten  Schötcheus  enthält  meist  4 kleine, 
rothbraune,  rauhe  Samen.  Die  Fruchtstielchen  übertreffen  an  Länge  mehr- 
mals die  kleinen  Schötcheu. 

Das  Löffelkraut  entwickelt  beim  Zerquetschen  einen  schwach  senfartigen 
Geruch  und  schmeckt  nicht  unangenehm  scharf  und  salzig.  Beim  Irocknen 
büsst  es  Geruch  und  Geschmack  ein. 

Das  frische,  blühende  Kraut  liefert  höchstens  etwa  7 t — Vs  P-  Mille 
ätherisches  Oel,  das  nach  Geiseier  (1858)  der  Formel  G'’HluS  0-  oder 

A3TJ5'1  . 

G3H5J^^  entspricht,  woraus  sich  sofort  die  Beziehungen  zum  Senföl 

(vergl.  bei  Semen  Siuapis  nigrae)  so  wie  zum  Knoblauchöle  OhHluS,  auch 
zu  demjenigen  der  Asa  foetida  ergeben.  In  der  That  verdankt  auch  das 
Löffelkrautöl  seine  Entstehung  einem  dein  Myrosin  des  schwarzen  und  des 
weissen  Senfs  ähnlichen  oder  damit  identischen  Eiweisstoffe.  Wird  Myrosin 
des  letzteren  mit  trockenem  Löffelkraute  zusaramengebracht,  so  erhält  man 
Löffelkrautöl,  nicht  aber  aus  dem  Kraute  für  sich,  wenn  es  einmal  getrocknet 
war.  Das  Löffelkrautöl  siedet  bei  148°  und  scheint  etwas  leichter  als  Wasser 
zu  sein  (nach  Will  von  1,009  specif.  Gew.  bei  +15°;  0,942  nach  Gei- 
sel er).  Mit  NH3  tritt  es  ohne  weiteres,  ganz  dem  Senföl  analog,  zu  einer 
krystallisirenden  Base  zusammen.  Aus  dem  officinellen  Spiritus  Cochle- 
ariae  setzen  sich  nach  längerer  Zeit  bisweilen  Nadeln  von  der  Zusammen- 
setzung GßHwG2,  oft  auch  Schwefelkrystalle  ab.  — Das  Oel  der  Wurzel  von 
Cochlearia  Armoracia  L.  (Meerrettig)  scheint  mit  Senföl  übereinzukommen. 
Das  Löffelkraut  hinterlässt  beim  Verbrennen  20  pC.  Asche  (Geiseier), 
welche  reich  an  Alkali  ist,  das  zum  Theil  an  organische  Säuren,  zum  Theil 
an  Salpetersäure  gebunden  war.  Je  nach  dem  Standorte  scheint  bald  Kali, 
bald  Natron  vorzuwalten. 

Das  Löffelkraut  wurde  1557  durch  Wi er  zuerst  gegen  Skorbut  em- 
pfohlen. 

Cochlearia  dcinica  L.  hat  lauter  gestielte  Blätter,  C.  anglica  weit 
grössere  Schötcheu  und  tief  herzförmige  Stengelblätter.  Beide  Pflanzen 
kommen  mit  C.  officinalis  zugleich  vor  und  dürften  dieselben  chemischen 
Eigenschaften  besitzen,  doch  soll  C.  anglica  milder  schmecken. 


454 


Blätter  und  Kräuter. 


Folia  Laurocerasi. 

Kirschlorbeerblätter.  Feuilles  de  laurier-cerise.  Cherry-laurel  leaves. 

Prunus  Lauro cerasus  L.  --  Amygdaleae. 

Syn .:  Cerasus  Lauro-Cerasus  Loiseleur. 

Der  Kirschlorbeer,  ein  bis  über  6m  hohes,  immergrünes  Bäumchen  der 
poutischen  Länder  und  Persiens,  ist  jetzt  durch  alle  gemässigten  Gegenden 
Europas  als  Zierpflanze  verbreitet.  Er  reift  noch  in  Holland  (Walcheren) 
seine  Früchte,  hält  das  englische,  bei  einigem  Schutze  selbst  das  süd- 
norwegische Klima  aus  und  gedeiht  z.  B.  am  Thuuer  See  bis  gegen  G00m 
über  Meer  ganz  frei. 

Die  einfachen,  abwechselnden,  glänzend  grünen,  lederigen  Blätter  er- 
reichen mehr  als  0,2 lm  Länge  und  0,07m  Breite,  meist  aber  nur  ungefähr 
die  Hälfte;  frisch  sind  sie  V2  Millim.  dick.  Der  derbe  Blattstiel  bleibt  unter 
0,01"'  lang  und  setzt  sich,  besonders  unterseits  sehr  hervortretend,  als  starke 
Mittelrippe  bis  in  die  kurze,  breite  Spitze  fort;  beide  Blatthälften  sind  meist 
etwas  zu  der  Rippe  geueigt.  Au  dein  ein  wenig  umgerollten  Rande  treten 
nach  unten  zu  immer  weiter  aus  einander  gerückte,  scharfe,  aber  sehr 
kurze  Sägezähne  etwas  hervor.  Am  Grunde  ist  das  Blatt  sanft  und  breit 
gerundet,  doch  pflegt  die  grösste  Breite  in  oder  über  der  Mitte  zu  liegen. 
Die  blässere  Unterseite  trägt  auf  jeder  Hälfte,  längs  der  Rippe  und  davon 
in  sanftem  Bogeu  aufsteigend,  ungefär  1 2 gegen  den  Rand  anastomosirende 
Nerven.  In  der  unmittelbaren  Nähe  des  untersten,  dicht  au  der  Mittelrippe, 
finden  sich  ein  bis  drei  flache,  nackte  Blattgrübchen,  welche  bald  eine 
bräunliche  Farbe  annehmen. 

Die  unversehrten  Blätter  sind  geruchlos,  entwickeln  aber,  so  lange  sie 
frisch  sind,  beim  Zerquetschen  einen  an  Bittermandclwasser  erinnernden 
Geruch,  welcher  sich  jedoch  au  getrockneten  Blättern  nicht  mehr  zeigt. 
Gekaut  schmecken  die  Blätter  bitterlich,  etwas  herbe  und  aromatisch, 
aber  kaum  adstringirend;  die  Bitterkeit  steigt  und  verschärft  sich  nach 
kurzem. 

Die  Mittelschicht  der  Blattfläche  enthält  die  zahlreichen  Gefässbündel- 
chen,  in  deren  Nähe  allein  Gerbstoff  in  sehr  geringer  Menge  vorkömmt, 
wie  die  blass-bräunliche  Färbung  andeutet,  welche  durch  Eiseuchlorid  auf 
dem  Querschnitte  hervorgerufen  wird.  Nach  oben  ist  das  Blattgewebe  aus 
länglichen,  in  drei  bis  vier  dichten  Reihen  senkrecht  über  einander  stehen- 
den Zellen  gebildet  und  bedeckt  von  einer  farblosen  Epidermis  aus  ansehn- 
lichen, würfeligen  oder  etwas  gewölbten,  nicht  sehr  dickwandigen  Zellen, 
über  welchen  ein  dünnes  Oberhäutchen  liegt.  Die  untere  Hälfte  des  Gewebes 
hingegen  besteht  aus  etwas  grösseren,  lockeren,  kugeligen  oder  schlauch- 
artig verlängerten  Zellen,  welche  ungefähr  6 — 8 unregelmässige  Schichten 
darstellen.  Sie  sind  ebenfalls  von  einer  ungefärbten  Epidermis  bedeckt. 
Sämmtliches  übrige  Gewebe  ist  mit  Chlorophyll  gefüllt,  doch  führen  nicht 
wenige  Zellen  sehr  ansehnliche  Drusen  oder  einzelne  gut  ausgebildete  heu- 


Folia  Laurocerasi. 


455 


dyoedriscke  Krystalle  von  Kalkoxalat  und  wenige  andere  röthlicke  Klumpen 
(Harz?).  Eigene  Oelräume  oder  Drüsen  fehlen  den  Blättern  ganz  und  gai. 

Mit  Wasser  der  Destillation  unterworfen , liefern  die  Blätter  blausäuie- 
lialtiges  Bittermandelöl,  liervorgegangen  aus  der  Zusammensetzung  von 
Amygdalin  (siehe  bei  Amygdalae  amarae),  welches  jedoch  aus  Kirsch- 
lorbeerblättern noch  nicht  krystallisirt  erhalten  werden  konnte.  Auch  ist 
der  Körper,  welcher  hier  die  Spaltung  veranlasst,  nicht  näher  gekannt. 
Der  Blausäuregehalt  des  Destillates  zeigt  nicht  so  grosse  Schwankungen, 
wie  bei  den  bitteren  Mandeln.  Kirschlorbeerblätter  vom  Thuner-See  z.  B. 
lieferten  zehnjähriger  Beobachtung  zufolge  bei  vollständiger  Erschöpfung 
durchschnittlich  ein  Destillat,  dessen  Gehalt  an  Cyanwasserstoff  0,120  Th. 
von  je  100  Th.  frischer  Blätter  betrug,  einmal  aber  auch  0,172.  Jedoch 
hält 'das  nicht  vom  Wasser  gelöste  ätherische  Oel  hartnäckig  Cyanwasser- 
stoff zurück.  Es  scheint,  dass  das  Maximum  des  Cyangehaltes  sich  unmittel 
bar  vor  der  Fruchtreife  einstellt.  Vergleicht  man  die  erwähnten  Beobach- 
tungen vom  Thuner-See,1)  so  wie  frühere  von  B ischo  ff  (1841)  ausZwickau 
in  Sachsen  mit  dem  von  Adrian2)  ermittelten  Gehalte  der  Blätter  aus 
Südfrankreich  und  Nizza,  so  ergibt  sich  keine  Abnahme  desselben  an  den 
nördlichen  Standorten  des  Kirchlorbeers , sondern  vielleicht  eher  eine  Zu- 
nahme des  Oeles  oder  wenigstens  des  Cyans. 

Nach  Lepage  und  nach  Hübsch  mann  entzieht  sich  bei  der  Destil- 
lation ein  Theil  des  Amygdalins  der  Zersetzung,  so  dass  der  Rückstand 
nach  Zusatz  von  Emulsin  (siehe  bei  Amygdalae  dulces)  aufs  neue  Bitter- 
mandelöl zu  entwickeln  vermag.  Nach  meinen  Erfahrungen  ist  das  jedoch 
sehr  oft  nicht  der  Fall. 

Auch  die  Rinde  und  Samen,  nicht  aber  das  Fruchtfleisch  geben  Bitter- 
mandelöl. 

Ausser  den  bei  der  Bildung  des  letzteren  betheiligten  Stoffen  enthalten 
die  Blätter  Zucker,  welcher  in  der  Kälte  Kupferoxyd  reducirt,  eine  geringe 
Menge  eisengrünenden  Gerbstoffes,  so  wie  einen  fett-  oder  wachsartigen  Stoff. 

Pierre  Belon  entdeckte  1546  den  Kirschlorbeer  in  der  Gegend  von 
Trapezunt  und  nannte  ihn  schon  Lauro-Cerasus  oder  Cerasus  trapezuntina. 

Clusius  erhielt  1576  durch  den  kaiserlichen  Gesandten  in  Konstan- 
tiuopel  die  Pflanze  und  verbreitete  sie  von  Wien  aus  in  die  deutschen  Gärten. 
Doch  gelangte  sie  auch  nicht  viel  später  aus  Florenz  durch  Cysat3)  in 
Luzern  nach  der  Schweiz  und  nach  Deutschland. 

Die  giftigen  Eigenschaften  des  Kirschlorbeers  wurden  wenigstens  im 
XVIII.  Jahrhundert  schon  erkannt  und  das  destillirte  Wasser  1746  von 
Langrisk  in  den  Arzneischatz  eingeführt.  1802  wies  Schräder  darin 
die  Blausäure  nach. 

D Schweiz.  Wochenschrift  für  Pharm.  1 864,  No.  46  und  daraus  in  Wiggers’  Jahresb. 
1864,  143. 

2)  Jouru.  de  Pharm,  et  de  Chim.  42,  177  (1862). 

3)  Schweiz.  Wochenschr.  f.  Pharm.  1866,  No.  22. 


45G 


Blätter  und  Kräuter. 


C.  Blätter  und  Kräuter  von  unbedeutendem  Gerüche 

und  Geschmacke. 

Folia  Althaeae. 

Eibischblätter.  Ibschenblätter.  Feuilles  de  guimauve.  Marshmallow  leaves. 

m Aus  der  Wurzel  des  Eibischs  (vergl.  bei  Radix  Althaeae)  gehen  über 
1”  llohe  kurzästige,  am  Grunde  verholzende  Stengel  hervor,  welche  mit  ab- 
wechselnden ansehnlichen  etwas  faltigen  Blättern  besetzt  sind.  Dieselben 
zeichnen  sich  aus  durch  ziemlich  derbe,  nach  dem  Trockneu  spröde  Beschaf- 
fenheit und  weichen  Filz  von  3-  bis  Sstrahligen,  nicht  ästigen  Sternhaaren, 
welcher  beide  Blattflächen  dicht  bedeckt.  In  ihrem  Umrisse  wechseln  die 
Blättei  von  rundlich  elliptischer  bis  spitz  drei-  oder  fünflappiger  Form,  mit 
gerade  abgeschnittenem,  herzförmigem  oder  seltener  fast  keilförmigem 
Grunde.  Der  Rand  ist  ungleich  gekerbt  bis  scharf  gesägt,  die  Lappen  der 
untern  Blätter  nur  eben  angedeutet,  an  den  obersten  Blättern  wenigstens 
der  Mittellappen  breit  und  scharf  entwickelt.  Die  grösseren  Blätter  pflegen 
etwa  0,08'“  zu  messen,  die  Blattstiele  halb  so  viel,  an  den  obern  Stengel- 
theilen  aber  bedeutend  weniger.  Die  schmal  linealen  Nebenblätter  fallen 
bald  ab. 

Die  graulich  grüne  Farbe  der  Blätter  erhält  sich  auch  nach  dem  Trock- 
neu gut.  Dieselben  schmecken  schleimig. 

Die  Blätter  der  Althaea  taurinensis  (vergl.  am  Schlüsse  von  Rad.  Al- 
thaeae) sind  von  derselben  Grundform,  aber  bei  weitem  schärfer  und  tiefer 
gelappt  und  gesägt. 

Folia  Malvae. 

Malveublätter.  Pappelkraut1).  Käsekraut.  Feuilles  de  mauve. 

Mallow  leaves. 

1.  Malva2)  vulgaris  Fries.  — Malvaceae. 

Syn. : M.  neglecta  Wallroth. 

M.  rotundifolia  C.  Bauhin. 

2.  Malva  sylvestris  L. 

Diese  einjährigen  oder  während  2 bis  3 Jahren  ausdauernden  Kräuter 
sind  von  Spanien  und  Griechenland  an  durch  fast  ganz  Europa  bis  in  das 
südliche  Skandinavien,  so  wie  in  Mittelasien  von  Cypern  an  bis  Persien 
und  Südsibirien  einheimisch,  jetzt  auch  in  Nordamerika  augesiedelt.  Die 
zweite,  überhaupt  weniger  gemeine  Art  geht  vielleicht  etwas  weniger  weit 
nach  Norden.  Beide  steigen  in  die  mittleru  Gebirge  au. 

Die  erste  besitzt  einen  ausgebreitet- ästigen  niederliegenden  gerillten 
und  spärlich  flaumhaarigeu  Stengel  und  schlanke  bogenförmig  gestreckte, 


!)  Papula,  altdeutsch  vor  dem  XII.  Jahrhundert,  auch  wegebapcle,  poppel. 

2)  jj.aXaxdi;  weich,  erweichend. 


Herba  Jaeeae. 


457 


mitunter  gegen  0,30,n  lange  Blattstiele.  Auch  die  obersten  Blätter  werden 
noch  an  Länge  von  ihren  Stielen  übertroffen.  Der  Umriss  der  Blättex  ist 
fast  kreisrund,  bis  etwa0,08,n  im  Durchmesser  erreichend,  oder  mehr  nieren- 
förmig, am  Grunde  jedoch  immer  sehr  tief  und  gerundet  herzförmig  aus- 
geschnitten. Ihr  genähert,  aber  ungleich  gekerbt-gesägter  Rand  zeigt  mehr 
oder  weniger  deutliche,  obwohl  nicht  tief  gehende  Neigung  zu  5-  oder 
7 lappiger  Theilung,  weicherauch,  wenigstens  bei  den  grossem  Blättern, 
eine  gleiche  Zahl  vom  Blattgrunde  ausstrahlender  starker  Nerven  entspricht. 

Die  Behaarung  der  Pflanzen  wechselt  etwas,  findet  sich  aber  regel- 
mässig reichlicher  in  Foi'm  weicher  anliegender  einfacher  Börstchen  am 
Blattgrunde,  am  Ende  des  Blattstieles,  so  wie  an  allen  Jüngern  Theilen  der 
Pflanze.  Hier  mischen  sich  auch  sternförmige  Härchen  bei. 

Die  aufrechte  oder  aufstrebende  bis  1™  hohe  weit  kräftigere  Malva 
sylvestris  besitzt  Blätter  von  gleicher  Anlage,  aber  durchschnittlich  etwas 
bedeutenderer  Grösse  wie  die  der  erstgenannten  Art.  Sie  entfernen  sich 
aber  von  unten  nach  oben  mehr  und  mehr  von  der  Kreisform.  Bei  den 
untersten  schon  öffnet  sich  der  herzförmige  Ausschnitt  am  Blattgrunde, 
spreizt  sich  bedeutend  bei  den  mittleren  und  ist  bei  den  obersten  nur  noch 
durch  einen  sehr  stumpfen  Winkel  angedeutet,  wenn  nicht  das  Blatt  gerade- 
zu senkrecht  zum  Blattstiel  abgeschnitten  erscheint.  Gleichzeitig  setzen 
auch  die  Einschnitte  tiefer  ein,  so  dass  die  obersten  Blätter  breit  fünflappig 
oder  fast  nur  dreilappig  erscheinen. 

Diese  Art  ist  auch  durchschnittlich  mehr  behaart,  die  Börstchen  aber 
länger,  starrer  und  gerade  abstehend.  Der  unteren  Blattfläche  finden  sich 
häufig  Sternhaare  eiugesenkt,  der  Blattgrund  ist  bisweilen  purpurn  bemalt. 

Ausser  dem  Schleime  (Gummi),  welchem  die  Malven -Blätter  ihren  in- 
differenten Geschmack  verdanken , sind  von  denselben  keine  besondern  Be- 
standtbeile  nachgewiesen. 

Die  Malven  waren  neben  Althaea  schon  im  Alterthum  gebräuchlich. 

Herba  Jaeeae.1) 

Freisamkraut.  Stiefmütterchen.  Panacee  sauvage.  Pansy. 

Viola  tricolor  L.  — Violarieae. 

Das  Ackerveilchen  ist  eines  der  gemeinsten  Unkräuter  fast  der  ganzen 
nördlichen  Halbkugel  bis  zum  Mittelmeergebiete,  das  hoch  in  die  Gebirge 
austeigt  und  je  nach  dem  Standorte  in  ziemlich  abweichenden  Spiejarten 
auftritt,  welche  sich  aber  nicht  schai'f  auseinander  halten  lassen. 

Aus  der  schwachen  ein-  oder  zweijährigen  Wurzel  gehen  aufrechte  oder 
doch  aufstrebende  kantige  etwa  fusshohe  Stengel  hervor,  welche  kahl  oder 
etwas  behaart  und  innen  hohl  sind.  Die  Knoten  der  Stengel  sind  nur  wenig 
verdickt  und  mit  gestielten  länglich  lanzettlichen,  zu  unterst  eiförmigen  oder 


1)  vielleicht  von  tov  Veilchen  und  ay.so}j.ai  heilen. 


458 


Blätter  nnd  Kräuter. 


nahezu  herzförmigen,  fast  ganz  kahlen  Blättern  besetzt.  Die  obern  gegen  0 04'“ 
langen  tragen  bis  5 Paare  kleiner  Sägezähne,  die  untern  sind  mehr  aus- 
geschweift und  deutlicher  gestielt.  Der  Blattstiel  wird  an  Länge  übertroffen 
von  den  beiden  leierförmig  fiederspaltigen  Nebenblättern,  deren  ansehn- 
licher Endlappen  oft  fast  dem  Hauptblatte  gleich  kömmt. 

Aus  den  Blattwinkeln  erheben  sich  die  schlanken  bis  0,08m  langen 
Blüthenstiele  mit  je  einer  ungleich  5 blätterigen  fast  lippenförmigen  Blume 
voii  vorherrschend  blass  violetter  oder  mehr  weisslich  gelber  Farbe  mit 
violetten  Streifen.  Noch  beträchtlichere  Abwechslungen  in  der  Färbung  und 
Grösse  der  Blumenkrone  entstehen  sehr  leicht  in  der  Kultur.  Der  fünf 
tlieilige  bleibende  Kelch  erhält  ein  eigenthümliches  Aussehen  durch  die 
5 Läppchen,  in  welche  seine  Abschnitte  nach  unten  endigen.  Sie  treten  um 
so  mehr  hervor,  als  das  oberste  Stück  des  Blüthenstieles  hakenförmig  ge- 
krümmt zu  sein  pflegt. 

Die  Pflanze  trägt  in  unsern  Gegenden  vom  Mai  bis  zum  Winter  Blüthen 
und  die  grünen  eiförmig -dreiseitigen  gleich  den  Blumen  abwärts  gebogenen 
Kapselfrüchte,  welche  sich  zuletzt  in  3 Klappen  öffnen  und  zahlreiche  Sa- 
men austreten  lassen. 

Die  trockene  Pflanze  zeigt  einen  sehr  schwachen  angenehmen  Geruch 
und  keinen  erheblichen  Geschmack.  Sie  enthält  die  allgemeiner  verbreite- 
ten Pflanzenstoffe,  auch  Salpeter.  Die  Wurzel  schmeckt  scharf. 

Die  schon  von  Alters  her  als  Zierpflanze  gezogene  Viola  tricolor  wurde 
von  Matthiolus  u.  Leouhard  Fuchs  schon  in  der  Mitte  des  XVI.  Jahr- 
hunderts gegen  Hautkrankheiten  empfohlen,  gelangte  aber  erst  durch 
Strack  in  Maiuz°(1776)  in  allgemeineren  Gebrauch,  der  sich  jedoch  kaum 
über  Deutschland  und  Holland  hinaus  erstreckt. 

Herba  Fumariae. 

Erdrauch.  Fumeterre.  Fumitory. 

Fumaria  officinalis  L.  — Fwnariaeeae. 

Kleines  einjähriges  Kraut,  das  durch  den  grössten  Theil  des  nördlichen 
gemässigten  und  kalten  Erdgürtels,  von  Portugal  und  Griechenland  bis 
Sibirien,  Finnland,  Skandinavien  und  Cauada  besonders  auf  den  Aeckern 
der  Ebenen  und  der  Gebirge  verbreitet  ist. 

Der  zarte  röhrig- kantige,  etwa  fusshohe  Stengel  ist  gewöhnlich  stark 
verzweigt,  vermag  sich  indessen  trotz  seiner  saftigen  und  brüchigen  Be- 
schaffenheit noch  eben  aufrecht  zu  erhalten. 

Die  meergrünen  schlaffen  langgestielten  Blätter  von  fast  dreieckigem 
Umrisse  sind  dreifach  oder  zweifach  unregelmässig  gefiedert,  die  schmalen 
Fiederläppchen  spatelig  oder  verkehrt  eiförmig  und  vorn  oft  kurz  zwei- 
zähnig. 

Die  schön  rothen  wagerecht  liegenden  Blüthen  ordnen  sich  zu  lockern 
blattgegeuständigen  Trauben;  ihre  vierblätterige  breit  sackartig  ge- 


Folia  Uvae  ursi. 


459 


spornte  Krone  überragt  um  das  doppelte  die  beiden  bald  abfallenden  Kelch- 
blätter; die  2 seitlichen  Blumenblätter  hängen  an  der  Spitze  zusammen  und 
sind  hier  nach  dem  Trocknen  von  dunkelrother  fast  schwärzlicher  Färbung. 

Das  grünliche  fast  kugelige,  etwa  2 Millim.  messende  einsam, ge  Schhess- 
früchtchen  ist  von  oben  etwas  abgeplattet  und  wird  von  einem  etwas  lan- 
gem feine,,  Stielchen  getragen.  Da  das  Kraut  den  ganzen  Sommer  hindurch 
blüht,  so  ist  es  immer  von  den  körnig  rauhen  Früchten  und  den  Blumen 

begleitet.  . . , , , . 

Der  etwas  widerliche  Geruch  der  frischen  Pflanze  verschwindet  beim 

Trocknen.  Der  Geschmack  ist  unangenehm  salzig  bitterlich,  ein  wenig 
schürf 

Winkler  hat  (1833)  im  Erdrauche  die  F u m ar säure  G4  H1  O4  nach- 
gewiesen, wovon  ihm  das  frische  Kraut  0,15  pC.  lieferte.  Sie  findet  sich 
auch  in  Lichen  islandicus,  in  Pilzen,  in  Glaucium  luteum , in  Corydahs- 
Arten  und  lässt  sich  künstlich  durch  Erhitzen  der  Aepfelsäure  oder  der 
Maleinsäure,  so  wie  durch  Behandlung  von  Eiweisskörpern  mit  Königs- 


wasser gewinnen. 

Im  Extracte  der  Fumaria  schiesst  nach  einiger  Zeit  fumarsamer  Kalk 
in  geringer  Menge  au.  Daneben  findet  sich  auch  Chlorkalium. 

Nach  Hannon  (1853)  wäre  die  Fumarsäure  im  Kraute  zum  Theil  mit 
einem  bitter  schmeckenden  krystallisirbaren  Alkaloid,  dem  F u marin,  ver- 
bunden, das  etwa  3 bis  6 pC.  des  (trockenen)  Krautes  betragen  soll.  Bei 
näherer  Prüfung  stellt  es  sich  vielleicht  als  identisch  heraus  mit  dem  eben- 
falls noch  nicht  genugsam  untersuchten  Corydalin  aus  den  Wurzeln  mehre- 
rer Gorydalis-  (Bulbocapnos-)  Arten. 

Die  weniger  häufige  Fumaria  Vaillantii  Loiseleur  ist  der  obigen  Art 
sehr  ähnlich  und  auch  wohl  in  chemischer  Hinsicht  nicht  abweichend.  F. 
Vaillantii  ist  weniger  reich blüthig , ihr  Kelch  sehr  unscheinbar  und  mehr- 
mals kürzer  als  die  Krone,  die  Frucht  kugelig  ohne  Abplattung. 

Den  Alten  scheint  F.  capreolata  bekannt  gewesen  zu  sein. 


D.  Blätter  von  adstringirendem  Geschmacke. 

Folia  Uvae  ursi. 

Bärentraube.  Busseroie.  Bearberry. 

Arctostäpliylos  uva  ursi  Sprengel.  — Ericaceae. 

Syn.:  A.  officinalis  Wimmer  u.  Grabowsky. 

Arbutus  uva  ursi  L. 

Kleiner  niederliegender  ausdauernder  Strauch,  über  den  grössten  Theil 
der  nördlichen  Hemisphäre  bis  Island  verbreitet,  im  mittlern  und  südlichen 


1)  eigentlich  scharf  scheint  die  südeuropäische  Fumaria  capreolata  L.  zu  sein;  ihre 
gleich  dem  Rauche  (Fumus)  zu  Thrüncn  reizende  Schärfe  hätte  der  Pflanze  deu  Namen  ver- 
schafft. Nach  andern  bezöge  sich  derselbe  eher  auf  die  rnnchgrüne  Farbe  des  Krautes. 


460 


Blätter  und  Kräuter. 


Gebiete  in  Gebirgen  im  Norden  z.  B.  durch  ganz  England  in  Nadelhölzern 
und  auf  Haiden  der  Niederung. 

Die  fasslangen  Stämmchen,  zu  mehreren  aus  der  Wurzel  entspringend 
sind  sehr  verästelt  und  im  Staude  sich  zu  bewurzeln , so  dass  der  Strauch 
umfangreiche,  besonders  im  Gebirge  ziemlich  dichte  Rasen  bildet.  Die  an- 
fangs krautigen  und  flaumigen  Zweigspitzen  verholzen  sehr  bald,  werden 
kahl  und  bedecken  sich  mit  dunkelbraunem  Korke,  der  später  in  grossen 
Blättern  oder  ringförmig  abgestosseu  wird  und  die  hell  braungelbe  glatte 
Innenrinde  entblösst.  Die  überwinternden,  erst  im  zweiten  Jahre  absterben- 
den Blätter  sind  nur  in  der  Jugend  und  mehr  nur  an  jüngeren  Trieben  zart 
gewimpert.  Sie  stehen  zerstreut,  im  ganzen  fast  zweizeilig,  sind  oben  breit 
gerundet,  selten  mit  Andeutung  einer  kurzen  Spitze,  nach  unten  ziemlich 
rasch  in  den  kurzen  Blattstiel  auslaufend.  Vorn  erscheinen  sie  oft  dadurch 
wie  ausgerandet,  dass  die  lederige  starre  und  oberseits  etwas  riuuige  Blatt- 
fläche hier  sanft  zurückgebogen  ist.  Durch  das  besonders  oberseits  sehr 
stark  ausgeprägte  Adernetz  erscheint  das  Blatt  fast  höckerig-geruuzelt,  am 
Rande  durch  die  Ausläufer  der  Adern  kaum  merklich  wellig  verdickt.  Die 


die  Länge  mit  Einschluss  des 


höchste  Breite  des  Blattes  beträgt  8 Millim. 

Stieles  durchschnittlich  0,02m. 

Die  urnenförmigen  nickenden  weisslichen  und  schön  roth  angelaufenen 
Blüthen  stehen  wenig  zahlreich  in  vereinzelten  Träubchen  am  Ende  der 
Zweige  und  bringen  kleine  glänzend  rotlie  unschmackhafte  Früchtchen  hervor. 

Mau  sammelt  die  blühenden  oder  schon  zum  Theil  fruchttragenden 
Zweigleiu.  Getrocknet  zeigen  die  glänzenden,  in  der  grossen  Mehrzahl  ganz 
kahlen  Blättchen  eine  dunkelgrüne,  unterseits  etwas  lebhaftere  Farbe  und 
schmecken  sehr  herbe  mit  fast  süsslichem  Nachgeschmäcke. 


Die  Blätter  des  ungefähr  gleich  verbreiteten,  der  Bärentraube  ähnlichen 
Vaccinium  vitis  idaea  L.  sind  am  Rande  umgebogen,  unterseits  matt  und 
punktirt,  nicht  netzaderig.  Die  Blätter  von  Bucus  semperoirens  L.  sind 
vorn  verschmälert,  nicht  breit  abgerundet.  Andere  den  Bärentraubenblättern 
ähnliche  Blätter  sind  von  zarterer,  nicht  spröde  lederartiger  Beschaffenheit. 
Arctostaphylos  alpina  Sprengel  hat  kleiugesägte  welkende  Blättchen. 

Die  Familie  der  Ericaceen  ist  in  neuester  Zeit  eine  wahre  Fundgrube 
merkwürdiger  Stoffe  geworden.  So  hat  Kawalier  (1852)  gezeigt,  dass 
die  Abkochung  der  Bärentraubenblätter  mit  Bleiessig  sofort  einen  Nieder- 
schlag von  gallussaurem  Bleioxyd  gibt,  dessen  Säure  demnach  unzweifel- 
haft fertig  gebildet  vorhauden  seiu  muss.  Die  filtrirte  Abkochung  lässt  bei 
gehöriger  Concentration  bitter  schmeckende  Nadelbüschel  von  Arbutin 
qm  jj32  _j_  jja  0 anschicsseu.  Durch  Emulsin  und  verdünnte  Säuren 
wird  dasselbe  nach  Strecker  in  Hydrochinon  (früher  Arctuvin  genannt) 
und  Traubenzucker  gespalten,  durch  Braunstein  und  Schwefelsäure  in  Chi- 
non  und  Ameisensäure.  Bei  längerem  Stehen  der  Auszüge  erhält  man  auch 
wohl  in  Folge  Zersetzung  der  Arbutins  schon  aus  dem  Kraute  etwas  Hydro- 


chinon O6  H,;  O2. 


Folia  Toxicodendri. 


461 


In  der  Mutterlauge,  woraus  das  Arbutin  krystallisirt.  bleibt  ein  dunkles 
durch  Säuren  fällbares  Harz,  das  vielleicht  durch  Austritt  von  Wasser  aus 
jenem  entstanden  ist.  Ausserdem  enthält  diese  Mutterlauge  in  geringer 
Menge  das  amorphe  äusserst  bittere  Ericolin,  welches  in  andern  Erica- 
ceen  reichlicher  vorkömmt.  Es  zerfällt  beim  Erwärmen  mit  verdünnter 
Schwefelsäure  in  Zucker  und  Ericinol,  ein  rasch  verharzendes  Oel,  das 
mit  Laurineencampher  isomer  ist. 

H.  Trommsdorff  erhielt  (1854)  durch  Aether  aus  den  Blättern  das 
krystallisirte,  bei  200°  schmelzende  Urson  G20H34  O2,  das  in  Wasser  un- 
löslich und  wie  es  scheint  unzersetzt  sublimirbar  ist.  Uloth  unterwarf  das 
Extract  der  Bärentraubenblätter  der  trockenen  Destillation,  entfernte  durch 
BleizüCker  das  übergegangene  Brenzcatechin  und  erhielt  durch  Eindampfen 
des  Filtrates  und  öftere  Sublimation  des  Rückstandes  Nadeln  von  Erici- 
non,  die  auch  aus  andern  Ericaceen  gewonnen  wurden  und  sich  später  als 
identisch  mit  Hydrochinon  erwiesen,  welches  auch  bei  der  trockenen  De- 
stillation des  Arbutins  auftritt.  Ohne  Zweifel  stehen  Chinon  und  Hydro- 
chinon im  Zusammenhänge  mit  Chinasäure,  welche  Zwenger  1860  in  den 
Ericaceen  nachgewiesen  hat. 

Neben  etwas  eisenbläuendem  Gerbstoffe  scheint  kein  besonderer  Gerb- 
stoff in  den  Bärentraubenblätteru  vorzukommen. 

Die  Bärentraube,  schon  von  Tragus  und  Clusius  beschrieben,  fand 
erst  in  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  Eingang  in  den  Arzneischatz. 

Folia  Toxicodendri. 

Folia  Rhois.  Giftsumachblätter.  Feuilles  de  sumac  veneueux.  Poison  oak. 

Rhus  Toxicodendron  Michaux.  — Terebinthaceae. 

In  Nordamerika  von  Canada  bis  Virginien  einheimischer  diöcischer 
Strauch,  der  ein  etwas  verschiedenes  Aussehen  zeigt,  je  nachdem  er  1 bis 
2™  hoch  bleibt  und  sich  selbstständig  etwas  aufrichtet  (Rhus  Toxicodendron 
L.  — Rh.  Toxicodendron  ß)  quer  cif olium  Michaux)  oder  aber  mehr  nieder- 
liegt und  aus  dem  Stämmchen  Wurzeln  treibt,  mit  deren  Hülfe  die  weitläu- 
figen Aeste  sich  bis  10™  hoch  an  Bäumen  oder  Felsen  und  Mauern  erheben 
können.  Diese  letztere  Yarietät  (a.  vulgare  Michaux)  hatte  Linne  als  Rhus 
radicans  unterschieden. 

Bei  uns  findet  sich  der  Giftsumach  bisweilen  halb  verwildert  in  der 
Nähe  von  Gärten,  wo  er  gezogen  wird. 

Die  Blätter  steheu  dreizählig  zusammengesetzt  auf  derben , halb  stiel- 
runden, häufig  über  0,20™  langen  Stielen.  Die  einzelnen  breit  eiförmigen 
Theilblätter , bis  0,15"'  in  der  Länge  und  0,10™  in  der  Breite  erreichend, 
sind  von  etwas  veränderlichem  Umrisse,  nämlich  entweder  ganzrandig, 
kurz  zugespitzt,  am  Grunde  beinahe  ungleichhälftig  herzförmig,  oder  hier 
etwas  keilförmig  verschmälert  und  oben  zur  langen  Spitze  ausgezogen.  Oft 
zeigt  sich  der  Rand  grob  und  weitläuftig  gekerbt,  mit  einem  einzelnen  spitz 


462 


Blätter  uud  Kräuter. 


aufgesetzten  Sägezahn  versehen  oder  selbst  fast  gelappt.  Das  gewöhnlich 
etwas  ansehnlichere  Endblatt  überragt  auf  seinem  ungefähr  0,05m  langen 
Stiele  die  beiden  andern  sitzenden  oder  kurzgestielten  Theilblätter  uud  ist 
am  Grunde  gleichhälftig. 

Die  parallel  nervige  Blattfläche  ist  von  zarter  Consistenz,  völlig  kahl 
oder  unterseits,  besonders  in  der  Jugend  und  längs  der  unter  50  bis  70° 
abgehenden  Nerven  etwas  flaumig. 

Die  Bastbündel  der  Rinde  sind  auf  ihrer  im  Querschnitte  bogenförmig 
convexen  Innenseite  von  eigenen  Saftschläuchen  begleitet,  welche  durch  die 
Blattstiele  in  die  Blattnerven  übertreten  und  eine  nicht  sehr  trübe  unge- 
färbte Flüssigkeit  enthalten.  Bei  der  Verwundung  der  Pflanze  tritt  dieser 
scharfe  Saft  nicht  besonders  reichlich  aus,  nimmt  alsbald  eine  schwarze 
sehr  beständige  Farbe  an  und  verdickt  sich. 

Die  Blätter  schmecken  adstringirend.  Obgleich  ein  Geruch  an  denselben 
nicht  wahrnehmbar  ist,  so  vermögen  doch  die  Ausdünstungen  des  Gift- 
sumachs  besonders  im  \ aterlande  oder  in  wärmeren  Gegenden  auf 
der  Haut  Jucken  und  Entzündung  hervorzurufeu.  Diese  Wirkungen 
treten  stärker  bei  unmittelbarer  Berührung  mit  dem  Milchsäfte  auf, 
jedoch  durchaus  nur  so  lange  derselbe  frisch  ist.  Die  Wirkung  frischer 
Blätter  steht  unzweifelhaft  fest,  ist  aber  je  nach  der  Individualität  und  wohl 
auch  je  nach  dem  Klima  sehr  verschieden  in  ihrer  Intensität,  während  nach 
Clarus  selbst  das  Extract  innerlich  indifferent  ist,  überhaupt  kein  Präpa- 
rat sich  als  giftig  erweist. 

Nach  Khittel  (1858)  enthalten  die  Blätter  eisengrünende  Gerbsäure 
und  die  übrigeu  allgemeiner  verbreiteten  Pflanzenstoffe  neben  einer  flüch- 
tigen Base  und  geben  (bei  100°  getrocknet)  gegen  8 pC.  Asche,  welche  fast 
ausschliesslich  aus  Kali  und  Kalksalzen  besteht.  Maisch  dagegen  fand 
(1865),  dass  eine  eigenthümliche  flüchtige  Säure  als  wirksames  Priucip  des 
Giftsumachs  angesehen  werden  muss  und  dass  ein  flüchtiges  Alkaloid 
durchaus  nicht  vorhanden  ist.  Jene  T oxi coden dron- Säure  scheint  der 
Ameisen-  und  der  Essigsäure  nahe  zu  stehen,  unterscheidet  sich  aber  be- 
stimmt von  beiden,  indem  sie  rothes  Quecksilberoxyd  nicht  reducirt,  wohl 
aber  aus  salpetersaurem  Silberoxyd  schon  in  der  Kälte  Metall  ausscheidet.  — 
Dass  der  Milchsaft  Cardol,  den  wirksamen  Stoff  der  Anacardia  (Früchte 
des  Anacardium  occulentale  L.)  enthalte,  bedarf  noch  sehr  des  Beweises. 

Die  medicinische  Verwendung  des  Giftsumachs  geht  bis  zum  Jahre 
1788  zurück. 

Pteiea  trifoliata  L.  (der  Hopfenbaum),  aus  der  Familie  der  Xantho- 
xyleae,  in  den  Südstaaten  Nordamerikas,  jetzt  auch  in  uusern  Anlagen  vor- 
kommend, besitzt  ganz  ähnliche  Blätter,  wie  Toxicodendrou.  Sie  sind  aber 
durchschnittlich  kleiner,  unterseits  filzig,  am  Rande  fein  gekerbt,  ihr  Eud- 
blatt  nicht  gestielt,  sondern  mit  keilförmig  verschmälertem  Grunde  sitzend. 
Alle  Theile  dieser  Pflanze  schmecken  aromatisch  bitter. 


Folia  Sennae. 


463 


E.  Blätter  und  Kräuter  von  bitterem  Geschmacke. 

Folia  Sennae. 

Sennesblätter.  Feuilles  de  sene.  Senna. 

1.  Cassia  lenitiva  Bischoff.  — Caesalpmieae. 

Syn.:  Senna  acutifolia  Batka. 

Cassia  acntifolia  Delile  (?) 

C.  alexandrina  autor.  veter.  nonnullor. 

C.  lanceolata  autor.  nonnullor. 

2.  Cassia  angustifolia  Vahl. 

Syn. : Senna  angustifolia  Batka. 

C.  lanceolata1)  autor. 

C.  ligustrinoides  Schrank. 

C.  medicinalis  Bischoff. 

3.  Cassia  obovata  Colladon. 

Syn. : Senna  obovata  Batka. 

C.  Senna  ß)  Linne. 

C.  italica  autor  veter. 

C.  obtusata  Hayne. 

Die  Abtheiluug  Senna  des  Genus  Cassia  zeichnet  sich  durch  breite, 
papierartige,  flach  zusammengedrückte  Früchte  aus,  welche  nur  von  den 
kleinen  Samen  ein  wenig  aufgetrieben  sind,  kein  saftiges  Fruchtfleisch  (Mus) 
einschliessen  und  bei  der  Reife  höchstens  am  Rande  durch  Ablösung  der 
Naht  etwas  klaffen,  nicht  aber  aufsprmgen.  Die  Samen  sind  durch  leicht 
zerreissende  Häutchen  getrennt  und  in  zwei  wechselnden  Reihen  umgekehrt 
an  langen,  haarförmigen  Nabelsträngen  hängend.  Diese  laufen  auf  die  ge- 
schnäbelte  Spitze  des  Samens  zu , krümmen  sich  aber  unmittelbar  vor  der- 
selben, um  dicht  darunter  in  den  schwieligen  Nabel  einzutreten. 

Die  6 — 10  Samen  sind  fast  spatel-  oder  umgekehrt  herzförmig,  am 
breiteren , freien  Ende  mehr  oder  weniger  ausgerandet,  ihre  braune,  weiss- 
liche  oder  grünliche  Schale  hornartig  und  runzelig.  Dicht  unter  dem  Nabel 
bezeichnet  eine  kleine  geschlitzte  Vertiefung  in  derselben  Schwiele  die 
Mikropyle.  Weniger  deutlich  tritt  vorn,  mitten  in  der  Ausrandung,  die  Cha- 
laza  hervor,  welche  durch  eine  randständige  Bauchnaht  (Raphe)  mit  der 
Mikropyle  verbunden  ist.  Das  kurze,  gerundete,  ein  wenig  gebogene  Schnä- 


J)  Die  wahre  Cassia  lanceolata  wurde  von  Forsltol  (1762  oder  1763)  in  Wadi  Snrdud 
und  bei  Mor,  in  der  nächsten  Umgebuug  Lohcias,  gefunden,  später  auch  von  Schimper  im 
südlichen  Hodschas,  Die  Blattspiudel  trägt  übor  der  Basis  in  ihrer  Rinne  eine  ansehnliche 
Drüse  und  die  schmale,  an  den  etwas  verdickten  Rändern  aufspringende  Frucht  sieht  wesent- 
lich anders  aus  als  die  der  eigentlichen  Senna- Arten , wie  Bischoff ’s  Abbildung  (Bot.  Zeit. 
1850,  Tab.  X)  zeigt.  Die  bald  stumpf  eiförmigen,  bald  spitz  lanzettlichcn  Blättchen  kommen 
nicht  unter  den  Sennesblättem  vor.  Cassia  lanceolata  aus  Südarabien  gehört  somit  nicht  in 
die  Unterordnung  Senna,  sondern  zu  Chamacsenna  De  Cand. 


464 


Blätter  und  Kräuter. 


beleben  des  Samens  sendet  auf  beiden  Flächen  desselben  je  eine  glatte, 
seichte  Furche  (Callas  lateralis)  aus,  welche  sich  gegen  die  Mitte  der  Samen- 
fluche  hm  etwas  erweitert  (das  Spiegelchen  Batka’s).  Endlich  zeichnen 
sich  die  bennapflanzeu  auch  dadurch  vor  andern  Cassien  aus,  dass  die  ge- 
meinschaftlichen Spindeln  ihrer  ansehnlichen  Fiederblätter,  so  wie  die 
kurzen  Stielchen  der  letzteren  selbst  nicht  mit  Drüsen  versehen  sind. 

Gestutzt  auf  diese  zum  Theil  recht  charakteristischen  Merkmale  ist 
schon  seft  Bauhin  und  To urnefort  mehrfach  vorgeschlagen  worden,  die 
Abtheilung  Senna  zu  einem  eigenen  Genus  , zu  erheben.  In  den  ausgezeich- 
neten monographischen  Arbeiten  von  Carl  Mart ius *)  und  noch  bestimmter 
in  derjenigen  von  Batka1 2)  ist  in  der  That  das  Genus  Senna  angenommen, 
wahrend  die  Mehrzahl  der  Botaniker  nicht  genügenden  Grund  zur  Trennung 
erblickt. 

Die  drei  au  der  Spitze  genannten  Arten  sind  mehr  krautige  als  strauch- 
artige Gewächse,  indem  die  ausdauernden  oder  doch  mehrjährigen  Pfahl- 
wurzeln  meist  zahlreiche,  gewöhnlich  runde  Stengel  aussenden,  welche 
0,75™  bei  No.  1.  erreichen,  während  C.  angustifolia  bis  lm  und  C.  obovata 
nach  Batka  auch  1,5™  hoch  wird. 


Von  den  Stengeln  gehen  zerstreute  ruthenartige,  aufwärts  strebende 
und  mit  ansehnlichen  gefiederten  Blättern  besetzte  Aeste  ab.  Die  Blatt- 
spindeln, am  Grunde  mit  zwei  halb  geohrten  Nebenblättchen  versehen  und 
etwas  verdickt,  oben  und  unten  gefurcht,  tragen  bis  3 — 9 Paare  einfacher, 
ganzrandiger,  ziemlich  steifer  Theilblättchen.  Vermöge  ihrer  etwas  lederigeu 
Beschaffenheit  erhalten  sie  sich  selbst  in  der  weitest  transportirten  Waare 
noch  flach.  Hinsichtlich  des  Umrisses  lassen  sich  die  Sennesblätter  unter- 
scheiden theils  als  lanzettliche  (C.  angustifolia)  oder  nur  spitz  eiförmige 
(C.  lenitiva),  theils  als  stumpfe,  sei  es  ovale  (C.  pubescens),  sei  es  geradezu 
gestumpfte  oder  verkehrt  eiförmige  bis  herzförmige  (C.  obovata).  Die  Fieder- 
blättchen mittlerer  Grösse  sind  am  Grunde  ungleichhälftig,  etwas  über 
0,010™  breit,  bei  angustifolia  bis  0,06™  lang,  bei  den  übrigen  bedeutend 
kürzer. 

Wie  sehr  aber  die  Form  der  Blättchen  auch  sogar  bei  der  gleichen  Art, 
selbst  bei  einer  und  derselben  Pflanze,  wechseln  kann,  hat  namentlich 
Bisch  off3)  eingehend  erörtert  und  deshalb  auch  mehrere  Varietäten  auf- 
gestellt, welche  früher  vielfach  verkannt  waren.  Daher  schreibt  sich  auch 
ein  Theil  der  ganz  ausserordentlich  verworrenen  Synonymik  der  Senna- 
Arteu,  welche  Batka  mit  grosser  Vollständigkeit  auseinaudergesetzt  hat. 

Von  den  achselständigen,  die  Blätter  meist  überragenden  Blüthentrauben 
mit  höchstens  etwa  1 6,  besonders  bei  No.  3.  recht  ansehnlichen  Blumen  findeu 
sich  in  der  käuflichen  Waare  bisweilen  einzelne  der  gelben,  roth  geaderten 
Blumenblätter  vor.  Häufiger  sind  die  Blätter  von  Früchten  begleitet. 


1)  Versuch  einer  Monographie  der  Scnncsbl&ttcr.  Loipz..  1857,  158  S. 

2)  Monographie  der  Cassien-Gruppc  Senna.  Prag  186G.  52  S.  mit  5 Tafeln. 

3)  Botan.  Ztg.  1850,  S.  833. 


Folia  Sennae. 


465 


Die  Droge  bestellt  daher  grösstentheils  nur  aus  den  Fiederblättchen  und 
Stücken  der  Blattspindel,  in  der  nubischen  Sorte  mit  einer  sehr  regel- 
mässigen, fremdartigen  Beimischung  (Solenostemma). 

Die  Sennapflanzen  gehören  dem  grossen  afrikanisch  - arabischen  Vege- 
tationsgebiete  an,  das  ungefähr  durch  den  28.  Parallel  imNorden  abgegrenzt 
ist  und  südlich  über  den  19.  oder  20.  Breitengrad  sich  bis  gegen  das  Capland 
erstreckt.  Als  nördlichste  Vorkommnisse  erscheinen  die  Sinai -Halbinsel, 
Esneh  in  Said  (Ober-Aegypten)  und  die  Oase  Tuat1)  in  der  nordwestlichen 
Sahara;  als  südlichste  Standorte  das  Capland  und  die  portugiesische  Colome 
Senna2)  am  Zambesi. 

Jedoch  ist  C.  angustifolia  auf  den  östlichen  Theil  des  genannten  Gebietes 
beschränkt.  Sie  geht  von  den  Südgestaden  des  Rothen  Meeres  längs  der 
afrikanischen  Ostkiiste  bis  Mosambik  hinab. 

Dass  sie  in  Vorderindien  ursprünglich  auch  einheimisch  war,  findet 
Batka  nicht  wahrscheinlich,3)  während  Martius  nach  Stocks  zu  ersterer 
Ansicht  hinneigt.  Die  beiden  Arten  3.  und  1.  gehören  ganz  besonders  der 
grossen  afrikanischen  Wüste  an,  von  der  äussersten  Nordostspitze  Afrikas 
durch  das  Nilthal  bis  in  den  mittleren  Sudan  (Sokoto,  Timbuktu)  und 
pflegen  sehr  gewöhnlich  neben  einander  vorzukommen.  Bei  weitem  das 
ausgedehnteste  Areal  bewohnt  C.  obovata;  sie  findet  sich  auf  der  Sinai- 
Halbinsel  (wenn  nicht  noch  weiter  ostwärts)  dann  bei  Cairo,  am  Senegal, 
im  Sudan,  im  Caplande  und,  wie  es  scheint,  auch  in  Ostindien  (?). 

Dieser  natürlichen  Verbreitung  der  Senna  reiht  sich  noch  die  Cultur  der 
angustifolia  im  südlichen  Theile Vorderindiens  an,  so  dass  auf  dem  Markte 
zu  unterscheiden  sind  a)  die  Blätter  aus  dem  oberen  und  östlichen  Nilgebiete 
im  weiteren  Sinne,  b)  diejenigen  aus  dem  Sudan  und  endlich  c)  die  ara- 
bischen, welche  letztere  zum  Theil  mit  den  in  Indien  gebauten  als  indische 
Sennesblätter  zusammeugefasst  werden.  Den  Hauptstapelplätzen  entspre- 
chend, werden  diese  Sorten  gewöhnlich  als  alexaudrinische,  tripolitanische, 
Mecca-  (und  Tinnivelly-)  Sennesblätter  bezeichnet. 

Die  über  Alexandria  ausgeführte  Waare,  früher  allgemein  auch  nach 
dem  italienischen  appalto  (Pacht)  als  Palt- Senna  bezeichnet,  war  unter 
MehemetAli  von  1808 — 1828  Monopol  der  ägyptischen  Regierung,  welche 
den  Handel  damit  verpachtete.  Was  nicht  in  den  Hafen  von  Bulak  bei  Cairo 
abgeliefert  wurde,  verfiel  der  Confiscation.  Diese  jetzt  frei  gegebene  Sorte 
stammt  theils  aus  den  nubischen  Landschaften  Sukkot,  Dar  Mahass,  Dar 
Dongola,  längs  des  Nils,  unterhalb  seiner  grossen  Südbiegung,  so  wie  aus 
Berber,  östlich  von  derselben,  theils  aber  aus  den  höher  gelegenen  Bischarin- 


D nach  Gerhard  Rohlfs  1865. 

2)  Livingstone  nennt  hier  Senna  acutifolia  ohne  nähere  Bezeichnung.  In  Mosambik 
wächst  zuverlässig  C.  angustifolia. 

3)  auch  Karre,  in  der  kleinen  Ausgabe  von  Pereira’s  Mat.  med.  London  1865,  419 
hält  die  Pflanze  für  vermuthlich  nur  kultivirt  in  Indien. 

Plückiger,  Pharmakognosie. 


30 


466 


Blätter  und  Kräuter. 


Distrikten , J)  so  dass  diese  Sorte  der  Sennesblätter  (wie  das  Gummi  ara- 
bicum) sowohl  stromabwärts  über  Assuan,  als  auch  über  Suakim  und  das 
Rothe  Meer  Alexandria  erreicht.  Auch  Karawanen  vom  Sinai  sollen  gele- 
gentlich Senna  nach  Bulak  bringen. 

In  Nubien  findet  die  Haupternte  im  August  und  September,  eine  etwas 
spärlichere  Mitte  März  statt.  Aegypten  erhielt  1860  über  Assuan  gegen 
140,000  Kilogr.  Sennesblätter  (v.  Krem  er). 

Dei  Hauptsache  nach  und  zwar  in  letzter  Zeit  oft  auschliesslich  gehören 
diese  Blätter  der  C.  lenitiva  und  gewöhnlich  fast  blos  der  Hauptform,  heut- 
zutage nur  noch  selten  ihrer  Spielart  ß)  Bischof fiana  Batka  (=C.  lenitiva 
,j)  acutifolia  Bischoff)  an.  Die  Pflanze  blüht  in  den  3 — 4 letzten  Monaten 
des  Jahres;  als  Eigenthümlichkeit  wird  hervorgehoben,  dass  ihre  Blätter 
sich  des  Abends  Zusammenlegen.  Die  Blättchen  siud  länglich  und  zuge- 
spitzt eiförmig,  1 — 2 oder  höchstens  3 Centimeter  lang  und  4 — 9 Milli- 
meter breit,  besonders  an  den  Nerven  etwas  abstehend  behaart  oder  im 
Alter  ziemlich  kahl.  Südlich  von  dem  angegebenen  nubischen  Bezirke, 
nämlich  oberhalb  Khartum,  in  Sennaar,  Kordofan,  Darfur,  aber  auch  schon 
in  Dongola  tritt  die  genannte  Spielart  auf,  ausgezeichnet  durch  lanzettliche, 
bis  0,036  — 0,040m  lange  und  stärker  behaarte  Blättchen.  Ihr  Rand  er- 
scheint durch  die  ziemlich  lang  hervorragenden  Härchen  gewimpert.  Bei 
der  breiteren  Hauptform  pflegt  der  Mittelnerv  durch  etwas  röthliche  Fär- 
bung sich  von  der  grünen,  unterseits  etwas  bläulich-grünen  Blattfläche  ab- 
zuheben. 

Früher  fanden  sich  unter  diesen  Blättchen  häufiger  auch  die  der  Var. 
Bischoffiana,  so  wie  die  der  C.  obovata,  seltener  die  der  angustifolia.  Die 
letzteren  sind  jetzt  so  gut  wie  gauz  verschwunden  und  die  stumpfen  Blätt- 
chen der  C.  obovata  fehlen  je  länger  je  mehr.  Immer  aber,  und  auch  heute 
noch  sind  die  alexandrinischen  Sennesblätter  begleitet  von  sehr  wechselnden 
Mengen  der  Blättchen  und  der  hübschen,  weissblühenden  Trugdöldchen  der 
Asclepiadee  Solenostemma  Arghel  Hayne  (Cynanchum  Arghel  Delile). 
Dieser  gewöhnlich  lm  hohe  Strauch  vom  Aussehen  unseres  Cynanchum 
Vincetoxicum  begleitet  im  oberen  Nilgebiete,  nicht  aber,  oder  doch  nur 
äusserst  spärlich  im  Sudan,  die  Senna-Cassien.  Auch  in  Arabien  fehlt  der 
Arghelstrauch  nicht  ganz. 

Seine  im  frischen  Zustande  etwas  fleischigen,  trocken  steif  lederigen 
Blätter  kommen  zwar  in  Gestalt  und  Grösse  mit  spitz-lauzettlichen  Senna- 
Blättern  wohl  überein.  Allein  die  Solenostemma -Blätter  sind  dicker,  von 
graulich  grüner  Farbe  und  sehr  runzeliger,  meist  verbogener  Oberfläche, 
welche  beiderseits  dicht  besetzt  ist  mit  kurzen,  starren,  ganz  einfachen, 
mehrzelligen  Härchen.  Dadurch  werden  die  Nerven  des  Blattes  sehr  ver 
deckt  und  nur  die  starke  Mittelrippe  bleibt,  zumal  unterseits,  deutlich  wahr- 


*)  deshalb  in  Aegypten  als  Berg  senna,  Sem-  dschebili , bekannt  und,  wie  cs  scheint, 
der  besseren  Besorgung  wegen  beliebt. 


Folia  Sennae. 


467 


nehmbar.  Auch  die  hohlen  Stengel,  so  wie  die  spitzen  Kapselfrüchte  des 
Solenostemma  sind  mituuter  in  dieser  Sorte  vorhanden. 

Zur  Zeit,  wo  das  Geschäft  von  der  ägyptischen  Regierung  monopolisirt 
war,  gab  der  Pächter  den  Sennesblättern  absichtlich  und  in  gewissen 
Verhältnissen  Arghel  - Blätter  bei  und  bildete  überhaupt  je  nach  den 
Umständen  bestimmte  Gemische  der  verschiedenen  Senna-Species.  Jetzt  ist 
der  alexandrinischen  Waare  bald  viel,  bald  wenig  Solenostemma  beigemengt, 
vermuthlich  weil  diese  Blätter  nur  noch  zufällig  mitgesammelt  werden. 
Bei  den  Arabern  sollen  sie  sehr  beliebt  sein. 

Die  Solenostemma-Blätter  besitzen  nach  Batka  einen  eigenthiunlicheu 
Geruch,  der  sich  den  Sennesblättern  mittheilt.  Erstere  schmecken  stark 
und  rein  bitter,  nachträglich  siisslich  und  geben  an  Wasser  viel  Schleim  ab. 
Das  Mikroskop  zeigt  darin  Krystallrosetten  von  Kalkoxalat.  Obwohl  dem 
Solenostemma  bedeutende  physiologische  Wirkung  abgeht,1)  sind  seine 
Blätter  in  grösserer  Menge  doch  als  eine  ungehörige  Beimischung  der 
Waare  zu  betrachten.  Bis  jetzt  haben  aber  alle  Aufforderungen  zur  allge- 
meinen Zurückweisung  der  arghelhaltigen  Sennesblütter  den  Ausschluss 
derselben,  so  leicht  er  auch  scheint,  nicht  herbeizuführen  vermocht. 

Nicht  der  Rede  werth  sind  anderweitige  gelegentliche  Beimengungen, 
wie  z.  B.  die  filzigen,  vielnervigen  Blätter  der  Tephrosia  Apollineci  DeC. 
(Leguminosen). 

Die  alexandrinischen  Sennesblätter  pflegen  ziemlich  zerknittert,  doch 
meist  noch  schön  grün  zu  uns  zu  gelangen.  Die  tripolitanischen  oder 
besser  sudanischen  Blätter  erhalten  wir  in  Folge  der  ungeheuren  drei- 
monatlichen Landreise,  welche  dieselben  in  losen  Ballen  aus  Binsenhalmen 
vom  mittleren  Niger  her,  z.  B.  aus  Timbuktu,  Sokoto  und  Katsena  (im 
Fellatah-Lande)  zurückzulegen  haben , gewöhnlich  noch  stärker  beschädigt 
und  sie  scheinen  auch  wohl  durchschnittlich  weniger  rein  gesammelt  zu 
werden.  Die  Sudan-Karawanen  bringen  diese  Blätter  durch  die  seit  Barth’s 
grossartiger  Reise  uns  bekannter  gewordenen  Tuareg-Gebiete  über  Murzuk 
nach  Tripoli,  hauptsächlich  auch,  wie  durch  Batka  ermittelt  ist , um  da- 
gegen Salz  einzutauschen.  Barth,  der  dem  äusserst  wichtigen  Salzhandel 
Sudans  alle  Aufmerksamkeit  geschenkt  hat,  erwähnt  indessen  der  Sennes- 
blätter nicht  und  berichtet  ausführlich,  dass  das  Salz  aus  Taodenni  (Tau- 
deny),  nördlich  von  Timbuktu,  geholt  wird.  Bekannt  ist  auch,  dass  Bilma, 
nördlich  vom  Tsad-See,  dergleichen  liefert.  Besondere  Verhältnisse  mögen 
freilich  auch  den  Bezug  des  Salzes  vom  Meere  her  gebieten. 

Die  Sudan-Senna  enthält  neben  Blättern  der  C.  lenitiva  in  wechselnder,2) 


!)  Nach  Pugnot  soll  es  so  gut  purgiren  wie  Senna  und  an  jungen  Trieben  scharfes,  aro- 
matisches Gummiharz  ausschwitzen. 

2)  Bischoff’s  Befund,  dass  die  Tripoli- Sorte  (1850)  ganz  der  C.  lenitiva  angehöre, 
erklärte  Batka  (1854.  — Bot.  Zeit.  109)  für  grundfalsch;  die  Sorte  bestehe  beinahe  ganz 
allein  ans  C.  obovata.  Gegenwärtig  sind  entschieden  die  der  letzteren  sehr  selten. 

30* 


468 


Blätter  und  Kräuter. 


aber  oft  sehr  geringer  Menge,  die  der  C.  obovata  nebst  Hülsen  und  Stengel- 
stucken, aber  nur  sehr  selten  hier  und  da  einmal  ein  Blatt  von  Soleno- 
stemma. Diese  Sorte  verdient  daher,  wenn  sie  gut  ausfällt,  vor  der  alexan- 
dr mischen  sogar  den  Vorzug.  Freilich  kömmt  sie  oft  sehr  unsauber  vor 

(..  obovata  ist  die  kräftigste  und  verbreitetste  Senna  und  in  ihrer  Blatt- 
form bedeutender  Abänderungen  fähig.  Die  Blättchen  sind  im  allgemeinen 
nämlich  schief  verkehrt -eiförmig,  mit  kurz  gestutztem  bis  kielförmigem 
Grunde  sitzend,  vorn  stumpf  gerundet  in  eine  sehr  kurze  Spitze  ausgehend 
(C.  obovata  a)  genuina  Bischof!),  oder  aber  ganz  gestutzt,  sogar  oft  aus- 
gerandet  und.  mit  sehr  kurz  aufgesetzten  Stachelspitzchen  (C.  obovata 
p)  obtusata  Bischoff)  versehen.  Höchst  ausgezeichnet  sind  die  Hülsen  dieser 
Art  durch  ihre  stark  sichelförmige  Krümmung  und  durch  gelappte,  fast 
ammfönnige  Auswüchse,  welche  den  dicken  Samen  entsprechend  die  etwas 
erhöhte  Mitte  beider  Flächen  der  Frucht  besetzen  und  in  deren  Nähe  die 
Samen  bei  der  Keife  herausfallen.  Von  den  Rändern  her  laufen  scharf  aus- 
geprägte gabelige  Aederchen  auf  den  Kamm  zu.  Ferner  fällt  auch  die 
dunkle  grau  grünliche  in  der  Mitte  röthliche  Farbe  dieser  Hülsen  in  die 
Augen.  Die  Blättchen  wechseln  in  ihrer  Behaarung  und  im  Grade  ihrer 
Steifheit  je  nach  dem  Standorte,  so  dass  z.  B.  die  Pflanze  von  der  Sinai- 
Halbinsel  und  aus  der  Gegend  von  Dschidda  sich  durch  kurze,  besonders 
unterseits  oft  dichte  angedrückte  Haare  auszeichnet  (Var.  pilosa  Batka). 

Diese  unverkennbare  und  so  sehr  verbreitete  Art  ist  auch  schon  frühe 
den  europäischen  Botanikern  bekannt  und  von  der  spitzblätterigen  unter- 
schieden worden.  Sie  findet  sich  z.  B.  als  Sena,  Seuet  dargestellt  bei 
Leonhard  Fuchs  1542  und  bereits  im  XI.  Jahrhundert  erwähnt  Mesue 
Senna  sativa  und  sylvestris.  Cassia  obovata  wurde  auch,  wie  es  scheint, 
in  der  ersten  Hälfte  des  XVI.  Jahrhunderts  schon,  in  Italien  eingeführt  und 
bei  Florenz  im  grossen  gebaut,  daher  sie  sich  noch  in  den  beiden  folgenden 
Jahrhunderten  als  Senna  italica,  florentina  s.  vulgaris  aufgeführt  findet. 
Die  Cultur  in  Italien  sowohl  als  die  ähnlichen  Versuche  in  Spanien  scheinen 
aber  längst  vollständig  aufgegeben  zu  sein.  Dagegen  ist  Cassia  obovata  in 
der  Gegend  von  Port- Royal  auf  Jamaica  so  gut  wie  verwildert  und  wird 
gegenwärtig  dort  gebraucht1).  — In  Europa  wird  die  Pflanze  einjährig. 

Pierre  Belon  aus  Maus  (1546—1549)  fand  schon  bei  seinem  Be- 


suche Aegyptens  zwei  Arten  Senuesblätter , die  geringere  von  C.  obovata, 
die  bessere  von  C.  lenitiva  stammend  und  beschrieb  die  sichelförmigen 
Früchte  der  ersteren.  Die  Senuesblätter  der  frühesten  Zeit  jedoch  gehörten 
nach  Batka ’s  Vermuthung  der  arabischen  C.  angustifolia,  wie  denn  auch 
Senna  aus  dem  arabischen  zu  stammen  scheint  und  die  in  Aegypten  jetzt 
noch  geläufige  Bezeichnung  der  Blätter,  Sene-Mekki,  auf  Arabien  hinweist. 

Erst  später  hätte  mau  in  Aegypten  die  nubische  C.  lenitiva  (und  C.  obo- 
vata) gesammelt  und  die  ursprüngliche  arabische  Waare  vergessen,  bis  das 


B Pliarin.  Journ.  und  Transact.  VII.  448. 


Folia  Sennae. 


469 


Monopol  in  Aegypten  oder  Missernten,  wohl  auch  Unruhen  in  Nubien,  ge- 
legentlich wieder  die  Einfuhr  aus  Dschidda  herüberlockten.  Die  Höhe  der 
vom  Yicekönig  willkürlich  geschraubten  Preise  veranlasste  auch  die  Eng- 
länder, sich  für  ihren  Bedarf  Arabien  zuzuwenden  und  die  Kultur  der  C. 
angustifolia  in  Vorderindien  einzuführen. 

Die  Fiederblättchen  der  C.  angustifolia  sind  derber,  länger  und  spitzer 
als  die  der  übrigen  Arten,  obwohl  'die  Spindel  zarter  bleibt.  Als  Hauptform 
(a.  genuina)  betrachten  sowohl  Bisch  off  als  Batka  die  Pflanze  aus 
dem  südarabischen  Küstenstriche  (el  Tehameh)  zwischen  Dschidda  und 
(dem  schon  bei  Myrrha  genannten)  Dscliison.  Ihre  Blättchen  verschmälern 
sich  nur  allmälig  und  erst  oberhalb  der  Mitte,  daher  Martius  sie  als 
schmal  breitbasig,  angustifolia  basi  dilatata,  bezeichnet.  Aus  diesen  Blätt- 
chen besteht  die  Mekka  Senna  hauptsächlich.  Pilger-Karawanen  beför- 
dern sie  nach  Dschidda,  dem  Hafen  Mekka’s,  welcher  z.  B.  1860  über  Suez 
165,000  Kilogr.  Senna  ausgeführt  hat,  also  mehr  als  Nubien  (v.  Kreme  r). 
Gelegentlich  gehen  diese  arabischen  Blätter  auch  aus  Dschidda  über  Kes- 
seir  und  Keneh  nach  Aegypten. 

Langgestreckt,  auch  am  Grunde  wenig  verbreitert,  daher  lineal-lanzett- 
lich  zugespitzt  zeigt  sich  eine  zweite,  vielleicht  besserem  Boden  entspre- 
chende Form,  welche  Martius  als  genuina  anspricht,  Bischoff  als  Var. 
y.  Ehrenbergii  unterscheidet.  Sie  wächst  auf  demselben  Küstensaume  in 
der  Landschaft  Abu-arisch  und  auf  den  Farsan-Inseln,  Dschison  gegenüber. 
In  Arabien  ist  übrigens,  Ritter’s  Nachweisungen  zufolge,  die  Senna 
keineswegs  auf  die  Küstengegenden  beschränkt,  sondern  auch  im  nördlichen 
Theile  des  Innern  (Nedschd)  so  gut  wie  im  Nordosten,  in  Oman,  verbreitet. 

Als  dritte  schmalblätterige  Form  tritt  in  Vorderindien  (Sind.  Delhi. 
Bombay.  Madras.  Tinnivelly)  Bischoff’s  Var.  ß)  Royleana  ( Cassia 
elongata  Lemaire-Lisancourt)  auf,  von  Martius  in  angustifolia  arcuata 
umgetauft.  Diese  Blättchen  sind  unterhalb  der  Mitte  am  breitesten  und 
nach  oben  rasch  zugespitzt,  dabei  etwas  weniger  derb.  Bischoff  und 
Batka,  nicht  aber  Martius,  halten  diese  Spielart  für  reine  Kulturform, 
deren  üppigere  Blattbildung  durch  Ausbrechen  der  Fruchtansätze  befördert 
werde.  Batka  schreibt  schon  der  wildwachsenden  C.  angustifolia  über- 
haupt einen  geringeren  Geruch  und  Geschmack  zu,  und  in  der  Tliat  schei- 
nen wenigstens  die  in  Indien  kultivirten  Blätter  in  Betreff  der  Wirksamkeit 
hinter  den  alexandrinischen  zurückzustehen.  Sie  werden  deshalb  auch  z.  B. 
von  Pharm.  Borussica  und  Germaniae  ausgeschlossen,  von  British  Ph.  da- 
gegen als  gleichwerthig  unter  dem  Namen  Senna  indica  neben  die  alexan- 
drinische  Sorte  gestellt. 

In  Tinnivelly  (Tenavelly.  Tirawalli),  unweit  der  Südspitze  Vorder- 
indiens, wird  Senna  Royleana  mit  grosser  Sorgfalt  gebaut,  die  Blättchen, 
welche  bis  0,06m  in  der  Länge  und  0,02m  in  der  Breite  erreichen 
können,  vor  der  Fruchtreife  gesammelt,  an  der  Sonne  getrocknet  und  sehr 


470 


Blätter  und  Kräuter. 


fest  in  Ballen  verpackt.  Von  irgend  welcher  Beimengung  ist  hier  keine 
Rede;  selbst  Blattspindeln  fehlen  ganz. 

Durch  Auslesen  grösserer  Fiederblättchen  aus  Mecca-Sennesblättchen 
wird  in  Livorno  und  andern  continentalen  Häfen  eine  indische  oder  so- 
genannte Tinnivelly- Sorte  hergestellt,  welche  an  Schönheit  und  Grösse 
immei  hinter  der  ächten  Waare  zurückbleibt.  Diese  gelegentliche  sehr 
schlecht  ausfallende  Substitution  mag  auch  wohl  dem  Rufe  der  Tinnivelly- 
Waare  geschadet  haben. 

Als  Al  epp  o-  Senn  a fand  sich  vorübergehend  auf  dem  Triester  Markte 
nach  Batka  ein  dort  bereitetes  Gemisch  von  arabischen  Blättern  der  C. 
angustifolia  mit  denen  der  C.  obovata.  Ein  dcrai'tiges  Gemenge,  worin  die 
letzteren  vorwalten  und  noch  von  C.  pubescens  begleitet  sind,  habe  ich 
einmal  unter  dem  Namen  Folio,  Sennae  indica  vom  Hause  Feh r Walser 
u.  Söhne  in  Livorno  erhalten. 

W ild  gewachsene  ostiudische  Sennesblätter  kommen  nicht  vor,  wie  sich 
von  selbst  versteht,  wenn  es  sich  bestätigen  sollte,  dass  wenigstens  die 
schmalblätterige  Senna  dort  überall  nur  gepflanzt  ist.  Schon  vor  1 820  aber 
verschaflten  sich  die  Engländer  südarabische  Blätter,  neuerdings  meist  aus 
der  Gegend  von  Loheia,  Mocha,  Aden,  Makalla,  welche  dann,  ähnlich  wüe 
andere  Drogen  mehr,  der  Speditionsrichtung  wegen  den  Namen  folia  Sennae 
indica  angenommen  und  neben  denjenigen  aus  Tinnivelly  behalten  haben. 
Sie  gehen  theils  über  Surat  und  Bombay  in  das  Innere  Indiens , theils  aus 
letzterem  Hafen  nach  Europa.  Deutschland  erhielt  Mekka -Sennesblätter 
erst  1840  direkt  über  Cairo. 

Der  Mekka-Senna  finden  sich  selten  und  immer  nur  in  geringer  Menge 
beigemischt  einzelne  Blättchen  der  C.  pubescens  R.  Brown  (Syn. : C.  Schim- 
peri  Steudel.  — C.  holosericea  Fresenius.  — C.  aethiopica  Guibourt),  noch 
seltener  der  alexandriuischen  Senna.  Reichlich  Hessen  sie  sich  aus  der  oben 
erwähnten  Senna  indica  von  Livorno  gewinnen.  Batka  hat  diese  kleine 
krautige  Art  in  seiner  Monographie  (1866)  Taf.  IV  sehr  schön  abgebildet 
und  mit  dem  allerdings  ganz  treffenden  Namen  Senna  ovalifolia  belegt, 
nachdem  er  dieselbe  schon  1 849  *)  als  Senna  tomentosa  eingeführt  hatte. 
Die  ovalen  oder  kaum  etwas  länglichen  Fiederblättchen  von  grau  grünlicher 
Farbe  sind  nur  mit  einem  sehr  kurzen  Stachelspitzchen  versehen,  vom  ge- 
rundet oder  vertieft  gestutzt  (retusa)  und  stark,  oft  dicht  filzig  behaart. 
Die  Pflanze  wächst  auf  beiden  Küsten  des  südlicheren  Rothen  Meeres 
(Dschidda,  Aden  und  Massua),  wie  es  scheint  auch,  aber  vermuthlich  nicht 
zahlreich,  in  Nubien  und  sogar  im  unteren  Indus-Gebiete  (Siude). 

Batka  findet  diese  Blättchen  geringer  riecheud  als  die  der  C.  obovata, 
doch  von  Seunageschmack. 

Der  Geruch  der  Sennesblätter  ist  schwach,  aber  eigenthümlich;  in  der 
alexaudriuischeu  Sorte  soll  er  durch  Solenostemma  bedeutend  erhöht  werden. 


!)  Bot.  Ztg.  1849.  190  und  1854.  1 15. 


Folia  Seunae. 


471 


Der  Geschmack,  unbedeutend  schleimig,  dann  schwach  süsslich  und  etwas 
bitterlich  kratzend,  ist  am  stärksten  ausgeprägt  bei  C.  leuitiva  und  zwar, 
nach  Batka,  im  höchsten  Grade  bei  der  oben  (pag.  466)  angeführten 
Var.  ß)  Bischoffiana.  Cassia  obovata  besitzt  schon  weniger  den  specifischen 
Geruch  und  Geschmack,  am  wenigsten  aber  C.  angustifolia.  Mehr  aroma- 
tisch bitter,  kaum  sennaartig  und  darum  auch  gar  nicht  gebräuchlich  ist 
die  von  Batka  (1866)  beschriebene  und  abgebildete  Senna  Hookeriana 
aus  Aden,  welche  von  der  sehr  ähnlichen  Cassia  obovata  durch  die  nicht 
mit  kammförmigen  Erhöhungen  versehenen  Hülsen  abweicht. 

Nachdem  Braconnot  in  den  Sennesblättern  neben  unvollkommen 
cliarakterisirten  Stoffen1)  12  p.C.  essigsauren  und  äpfelsauren  Kalk  gefun- 
den, ergaben  (1821  — 1824)  die  Untersuchungen  von  Lassaigne  u.  F e- 
neulle  ausser  allgemeiner  verbreiteten  Pflanzenstoffen  (Chlorophyll,  Ei- 
weiss,  Fett,  Schleim)  Aepfel-  und  Weinsäure  und  deren  Salze,  Spuren 
ätherischen  Oeles,  gelben  Farbstoff  und  endlich  einen  besonderen  Bitterstoff, 
der  C a t h a r t i n 2)  genannt,  aber  nicht  vollständiger  isolirt  wurde . H e e r 1 e i n 
konnte  (1843)  in  diesem  schmierigen  Stoffe  nicht  den  wirksamen  Bestand- 
theil  der  Senna  erkennen. 

Auch  Bley  u.  Diesel  (1849)  gelang  die  Reindarstellung  des  Cathar- 
tins  nicht;  sie  erhielten  ein  gelbes  Harz,  Chrysoretin,  das  sich  ebenfalls 
wirkungslos  zeigte,  neben  Pektin,  gummiartigem  Stoffe  und  einem  brechen- 
erregenden braunen  Harze.  Aepfelsäure  und  ätherisches  Oel  fehlt  diesen 
Chemikern  zufolge.  — Rau  fand  auch  etwas  Gallussäure  und  Zucker. 

Den  Gehalt  der  Senna  an  Weinsäure  bestätigte  (1855)  Casselmann; 
das  Kalksalz  schiesst  reichlich  aus  dem  wässerigen  Extracte  an. 

Die  sorgfältige  Arbeit  von  Martius  zeigte  aufs  neue,  dass  ein  reiner 
Körper  (Carthartin)  nach  den  Angaben  von  Lassaigne  u.  Feneulle  nicht 
erhalten  wird  und  dass  das  Chrysoretin  ebenfalls  noch  ein  Gemenge,  ver- 
muthlich  von  Margarin,  harzartigen  Stoffen  (Phaeoretin  ?)  uud  Chrysophan- 
säure  ist.  Den  interessanten  Nachweis  dieser  letzteren  (siehe  darüber  auch 
unter  Rad.  Rhei)  verdanken  wir  Martius.  Sie  lässt  sich  nach  Batka  noch 
leichter  aus  den  Bliithen  als  aus  den  Blättern  der  Senna  gewinnen,  wenn 
dieselben  mit  Kali  ausgezogen  werden ; dem  durch  Salzsäure  im  Filtrate 
erhaltenen  und  getrockneten  Niederschlage  entzieht  Chloroform  die  Chryso- 
phansäure,  nach  meiner  Erfahrung  jedoch  ziemlich  unrein.  Nach  Sawicki 
(1857)  wird  der  wirksame  Stoff  der  Sennesblätter  durch  Wasser  schon  auf- 
genommen und  ist  durchaus  nicht  Chrysophausäure.  Martius  fand  im 
übrigen  sehr  geringe  Spuren  ätherischen  Oeles,  Weinsäure  neben  Oxal- 
säure 3)  und  etwas  Apfelsäure,  dann  Zucker,  nicht  aber  Pektin. 

Die  Asche  der  Sennesblätter  beträgt  nach  Meischel,  Burton  und 

1)  vergl.  bei  Martius  in  der  oben  (pag.  464  Note  1)  angef.  Schrift  pag.  112. 

2)  nicht  zu  verwechseln  mit  dem  Rhamnocathartin  der  Fructus  Rhamni  (siehe  diese). 

3)  Das  Mikroskop  zeigt  in  der  Mittelschicht  des  Blattparenchyms  sofort  ziemlich  zahl- 
reiche Üxalatkrystalle,  theils  Rosetten,  mehr  noch  gut  ausgebildete  Hendyoedcr. 


472 


Blätter  und  Kräuter. 


Schreiber  9 12  pC.  und  besteht  zu  etwa  % aus  Kalk-,  Magnesia- 

und  Kalicarbonat,  woraus  sich  auf  die  grosse  Menge  organischer  Säuren 
(Weinsäure)  schlossen  lässt. 

Neue  Aufklärungen  hat  Ludwig  (1864)  durch  Stütz  veranlasst, 
item  weingeistigen  Auszuge  der  Sennesblätter  wurde  nach  Verjaguug  des 
Alkohols  vermittelst  Knochenkohle  ein  Gemenge  zweier  Bitterstoffe  ent- 
zogen , welche  wieder  durch  kochenden  Weingeist  aufgenommen  und  nach 
der  bei  so  vielen  Bitterstoffen  üblichen  Methode  (z.  B.  bei  Digitaliu,  — vgl. 
bolia  Digitalis)  gereinigt  wurden.  Durch  Aether  liess  sich  das  Produkt  in 
darin  lösliches  terpenthinartiges  Sennacrol  und  in  unlösliches  Senn a- 
pikrin  theilen.  Letzteres  ist  gelblich,  amorph,  zerreiblich,  schwer  in 
Wasser,  leicht  in  Weingeist  löslich,  von  süsslich-bitterem  erwärmendem 
Geschmacke.  Durch  verdünnte  Säuren  wird  das  Seunapikrin  in  Zucker 
und  ein  aromatisches  Oel  gespalten.  Das  Sennacrol  schmeckt  gleichfalls 
bitter  und  ist  einer  ähnlichen  Spaltung  fähig. 

Kubly  u.  Dragendorff  erkannten  (1865)  als  wirksamen  Bestaud- 
tlieil  der  Sennesblätter  die  amorphe  Cat  hart  in  säure,  deren  Formel 
£i80Hi!>2N4g£82  wohl  noch  der  Bestätigung  bedarf.  Ihr  Kalk- und  Magnesia- 
salz wird  den  Blättern  durch  Wasser  entzogen  und  daraus  mit  Weingeist 
gefallt,  Alkalien  und  Säuren  spalten  sie  in  Zucker  und  Cathartogeuinsäure, 
in  welche  letztere  Stickstoff  und  Schwefel  ebenfalls  übergehen.  Wird  das 
weingeistige  Filtrat  nach  der  Abscheidung  der  Cathartinsäure  eingedampft, 
mit  Aether  von  Fett  und  Chrysophansäure  befreit,  so  lässt  sich  mit  schwä- 
cherem Weingeist  ein  warzig  krystallisireuder  Zucker  021HM  ö19  (bei  1 10°) 
gewinnen,  welchen  Kubly  u.  Dragendorff  als  Cathartomannit  be- 
zeichnen. Er  dreht  die  Polarisatiousebeue  nach  rechts,  reducirt  Kupferoxyd 
nicht  und  gährt  nicht.  - — - Rau  will  (1866)  durch  Fällung  mitBleiessig  den 
wirksamen  Stoff  in  farblosen  Krystallen  — Sennin  — erhalten  haben. 

Nach  den  ausführlichen  Erörterungen  von  Martius  lässt  sich  die  Be- 
kanntschaft mit  Senua  nicht  weiter  als  bis  zu  Serapio  dem  älteren  (gegen 
Ende  des  VIII.  Jahrli.)  zurückverfolgen,  so  dass  die  Droge  dem  Alterthum 
bestimmt  unbekannt  war  und  auch  wohl  nicht  vor  dem  Mittelalter  in  das 
Abendland  gelangte.  Erst  die  späteren  arabischen  und  griechischen  Aerzte 
des  IX. — XI.  Jahrli.  erwähnen  sie  häufiger,  und  auf  diesen  Zeitraum  dürfte 
auch  wohl  die  Einführung  der  nubisch-äthiopischeu  Senua  neben  oder  statt 
der  arabischen  fallen.  Aber  erst  der  jüngere  Mesue  (wahrscheinlich  im 
Anfänge  des  XI.  Jahrli.)  nennt  bestimmt  die  Blätter.  Früher  waren  aus- 
schliesslich die  Früchte,  Folliculi  Sennac,  im  Gebrauche,1)  welchen  auch 
Mesue  grössere  Wirksamkeit  zuerkeunt.  Immer  noch  haben  sich  auch  bei 
uns  in  der Volksmedicin  diese  „Sennesbälge“  eiuigermassen  behauptet, 
obwohl  sie  in  neuerer  Zeit  oft  sehr  selten  wurden  und  jahrelang  fast  völlig 
im  Handel  fehlten. 


b Serapion  beschreibt  genau  die  gebogenen  Früchte  (vaginas  obtortas)  der  C.  obovata 
und  ihre  Finsammlung. 


Folia  Sennae. 


473 


Derselbe  lieferte  sonst  gewöhnlich  die  Früchte  der  Cassia  lenitiva,  ge- 
mengt mit  einer  geringeren  Zahl  der  meist  überreifen  Hülsen  von  C.  obo 
vata,  welche  letztere  nach  der  obigen  Beschreibung  (S.  468),  so  wie  auch 
au  ihren  dunkelen,  dick  keilförmigen,  nicht  flachen  Samen  leicht  kenntlich 
sind.  Die  Früchte  der  ersteren  Art  sind  nicht  sichelförmig,  sondern  schief 
rundlich,  fast  rhombisch  und  au  der  Spitze  völlig  stumpf  oder  sogar  etwas 
ausgerandet,  so  dass  der  kleine  Griffelrest  gewöhnlich  kaum  den  Rand 
überragt.  Die  flachen  Samen  veranlassen  nur  sanfte  Auftreibungen  dei 
Hülsenfläche,  welcher  auch  lappenförmige  Anhängsel  ganz  fehlen.  Die 
Hülsen  der  C.  lenitiva  bleiben  immer  kurz,  höchstens  4 Centimeter  lang 
und  halb  so  breit. 

Die  Früchte  der  C.  angustifolia  hingegen  erreichen  bei  nicht  bedeuten- 
derer Breite  oft  beinahe  6 Ceutim.  Länge  und  sind  mit  einer  deutlich  auf- 
geworfenen seitlichen  Spitze  versehen.  Ihre  flachen  Samen  zeichnen  sich 
durch  stärkere  Ausprägung  und  Verschlingung  der  Runzeln  aus,  welche 
auch  über  die  Ränder  in  einander  greifen,  während  diese  letzteren  bei 
C.  lenitiva  glatt  bleiben.  Meist  ist  auch  der  vordere  (untere)  Rand  der 
Samen  von  C.  angustifolia  fast  herzförmig  ausgeschnitten.  Den  käuflichen 
Folliculi  Sennae  fehlen  in  der  Regel  jedoch  die  Hülsen  der  letzteren  Art, 
während  sie  in  der  Mecca  Senna  getroffen  werden.  Aus  dieser  liest  man  sie 
jetzt  auch  bisweilen  in  Europa  rein  aus. 

Batka  gibt  an,  in  den  Sennahülsen  ausser  allgemein  verbreiteten 
Stoffen  Sennacr in  (nicht  bitter) , Sennaretin  und  Sennagerbsäure 
gefunden  zu  haben,  was  noch  weiterer  Untersuchung  bedürftig  ist.  Die 
Hülsen  schmecken  ziemlich  stark  kratzend,  weit  weniger  die  Samen. 

Was  der  Handel  unter  dem  Namen  Folia  Sennae  parva  s.  f ragmenta 
Sennae  bietet,  pflegt  der  Abfall  vom  Auslesen  oder  Absieben  der  Rohwaare 
zu  sein,  welcher  sich  zur  arzneilichen  Verwendung  nicht  empfiehlt. 

Der  Verbrauch  der  Senuesblätter  scheint  im  allgemeinen  in  Abnahme 
begriffen  zu  sein.  Nach  Martius  empfing  Triest  von  1846 — 1850  durch- 
schnittlich 480,000  Pfundjährlich,  Hamburg  65,000  Pfund  jährlich  zwischen 
1851 — 1856.  Die  Gesammteinfuhr  Frankreichs  erreicht  jährlich  (1846  bis 
1855)  nur  190,000  Kilogr.,  diejenige  Englands  (1845 — 1854)  etwas  über 
450,000  Pfd.  England  erhält  fast  immer  den  weitaus  grössten  Theil  aus  Indien. 

Verwechselungen  der  Sennesblätter  sind  heutzutage  selten.  Die  Blätt- 
chen von  Colutea  arborescens  L.  (Papilionaceae)  sehen  denen  der  Cassia 
obovata  ß)  obtusata  ähnlich,  sind  aber  noch  kürzer,  verbiegen  sich  beim 
Trocknen  stark  und  unterscheiden  sich  auch  sicher  durch  matt  grau-grüne 
Farbe  und  runzelig- aderige  Oberfläche.  Die  Blätter  der  süd- europäischen 
Coriaria  myrti folia  L.  (Coriarieae)  könnten  auf  den  ersten  Blick  mit  den- 
jenigen der  C.  angustifolia  ß)  Royleana  zusammengeworfen  werden.  Erstere 
sind  aber  weit  schärfer  zugespitzt,  am  Grunde  symmetrisch  und  dreinervig. 
Des  giftigen  Coriamyrtins  wegen , das  sie  enthalten , wäre  jedoch  eine  Bei- 
mischung dieser  Blätter  in  grösserer  Menge  sehr  bedenklich. 


474 


Blätter  und  Kräuter. 


Herba  Millefolii. 

Herba  Millefolii  florens.  Folia  et  flores  Millefolii.  • Summitates  Millefolii. 

Garbe.  Schafgarbe.  Millefeuille.  Herbe  aux  charpentiers.  Milfoil. 

Aehillea  Millefölium  L.  — Compositae-Senecionideae. 

Kleines  ausdauerndes,  durch  den  ganzen  mittleren  Gürtel  der  nördlichen 
Halbkugel  bis  Finnland,  in  Niederungen  und  in  Gebirgen  bis  in  die  Vor- 
alpen1) verbreitetes  Kraut,  das  je  nach  dem  Standorte  ziemlichen  Abände- 
rungen seiner  Tracht  unterworfen  ist. 

Man  sammelt  entweder  die  ganzeu  beblätterten , vom  Juni  bis  October 
blühenden  Spitzen  oder  die  zusammengesetzten  flachen  Doldentrauben  der 
Blüthen,  getrennt  von  den  vielpaarig  zwei-  bis  dreifach  fiederspaltig  und  in 
kleine,  fein  stachelspitzige  Läppchen  zertheilten  Blättern.  Im  Umrisse  sind 
die  letzteren  schmal  lanzettlich , in  sehr  zahlreiche , etwas  krause  Fieder- 
blättchen, diese  wieder  meist  in  3 — 7 Läppchen  zerschlitzt,  zottig  oder  fast 
kahl.  Die  grundständigen  Blätter  werden  fusslang,  die  zerstreuten  Stengel- 
blätter bleiben  bedeutend  kleiner.  Durch  der  Unterseite  eingeseukte  Oel- 
drüschen  sind  die  Theilblättchen  im  frischen  Zustande  fast  durchscheinend, 
je  nach  der  Behaarung  von  bald  mehr,  bald  weniger  dunkelgrüner  Farbe. 
Durch  Einschrumpfung  verlieren  sich  beim  Trocknen  die  Oelräume.  Die 
kantig-rinnigen  Blattspindeln  sind  etwas  zottig,  am  Grunde  halb  stengel- 
umfassend,  die  Stengel  selbst  gerillt. 

Die  Blätter  riechen  sehr  schwach  und  nicht  eben  angenehm  aroma- 
tisch und  schmecken  salzig,  kaum  etwas  bitterlich.  Getrocknet  geben  sie 
etwa  0,6  p.  Mille  eines  dicken  dunkelblauen  ätherischen  Oeles,  das  dem 
Kraute  ähnlich,  doch  stärker  riecht  und  schmeckt. 

Die  für  eigenthümlich  gehaltene  Achilleasäure  ist  nach  Hlasiwetz 
(1857)  Aconitsäure;  ein  besonderer  Bitterstoff  der  Schafgarbe,  von  Zanon 
(1846)  als  Achillein  bezeichnet,  bedarf  noch  näherer  Untersuchung. 
Das  Kraut  enthält  wenig  Harz  und  Gerbstoff,  ist  reich  an  Phosphaten, 
Nitraten  und  Chlorüren  und  gibt  nach  Ogston  u.  Way  getrocknet  13,4  pC. 
Asche,  die  weit  überwiegend  aus  Kalisalzen  besteht.  Durch  Destillation  des 
frischen,  der  Gährung  überlassenen  Krautes  mit  Wasser  erhielt  Bley  neben 
dem  erwähnten  blauen  ätherischen  Oele  noch  ein  sogenanntes,  aus  der 
wässerigen  Lösung  durch  Aether  ausziehbares  Fermentöl  von  wenig  gewürz- 
haftem  Gerüche. 

Der  sehr  gedrungene  ästige  Bliithenstand  bildet  im  ganzen  eine  ziem- 
lich laug  gestielte  Doldentraube  mit  sehr  zahlreichen,  im  einzelnen  traubig 
zusammengesetzten  filzigen  Verästelungen.  Die  spärlicher  behaarten  becher- 
förmigen 0,005'"  hohen  Blüthenköpfcheu  sind  von  einer  bleibendeu  Hülle 
aus  zahlreichen,  ungleich  langen  stumpf-lanzettlichen  Blättchen  umgeben, 


1)  am  Demaweud  im  Elburs  bis  12,000  Fuss  hoch.  Buhsc. 


Herba  Absinthii. 


475 


deren  brauner  Rand  stark  bewimpert,  der  grünliche  Rücken  mehr  kahl  ist. 
Sie  schliessen  in  der  Regel  5 weibliche  Randblüthen  ein , deren  sehr  breit 
zungenförmige  dreizähnige  Blumen  aus  dem  Köpfchen  heraustreten  und 
sich  zuletzt  aussen  bis  gegen  dessen  Mitte  Zurückschlagen. 

Die  röhrig-glockigen  Kronen  der  3-  bis  20zwitterigen  Scheibenblüthen 
überragen  die  Hülle  nicht  und  lassen  auch  die  Staubbeutelröhre  und  den 
zweischenkeligen  Griffel  nicht  heraustreten,  so  dass  die  Köpfchen  oben  ein 
ziemlich  flaches  abgestutztes  Aussehen  gewinnen.  Die  Röhren  aller  Blüthen 
sind  grünlich,  mit  nur  wenigen,  sehr  kleinen  gestielten  Drüschen  versehen, 
der  Saumweiss,  häufig  rosenroth  oder  violett-röthlich.  Der  kleine  Blütheu- 
boden  ist  durch  die  langen  Deckblättchen  der  Blüthen  spreuig,  den  letzteren 
fehlt  der  Pappus. 

Die  Blüthen  schmecken  bitter  und  riechen  weit  kräftiger  aromatisch  als 
die  Blätter,  obwohl  nicht  eben  angenehm.  Sie  geben  ungefähr  doppelt  so 
viel  ätherisches  Oel  wie  die  Blätter,  welches  durch  Gehalt  an  flüchtigen 
Fettsäuren  sauer  reagirt,  sonst  aber  mit  dem  der  Blätter  übereinzustimmen 
scheint.  Ohne  Zweifel  enthalten  die  Blüthen  hauptsächlich  auch  den 
Bitterstoff. 

Die  Achillea,  wenn  auch  vielleicht  eher  A.  nobilis,  als  die  obige  Art, 
gehört  zu  den  ältesten  Arzneipflanzen.  Im  Mittelalter  wurde  sie  wieder  von 
Arnoldus Villanovanus  zu  Ende  des  XIII.  Jahrhunderts  empfohlen,  im 
vorigen  Jahrhundert  dann  besonders  durch  Stahl. 

Herba  Absinthii. 

Summitates  Absinthii.  Wermutkraut.1)  Absinthe  commune.  Grande2) 

*■  absinthe.  Wormwood. 

Artemisia  Absmtliium  L.  — Compositae-  Senecionidene. 

Syn.:  Absinthium  vulgare  Lamarck. 

Der  Wermut  ist  vorzüglich  in  Gebirgsländern  zu  Hause  und  von  Nord- 
afrika und  der  Sierra  nevada  an  durch  Europa  und  das  nördliche  Asien  bis 
Kamtschatka  verbreitet.  In  England  geht  er  bis  57°  nördl.  Br.,  in  Nor- 
wegen und  Finnland  findet  er  sich  wild  bis  61°,  in  der  Schweiz  nur  in 
einigen  Alpenthälern  des  Wallis  und  Graubündens,  aber  massenhaft  und 
bis  zur  Höhe  von  1700m  über  Meer.  Er  scheint  dagegen  zum  Theil  im 
Orient,  z.  B.  in  Palästina,  nach  Held  reich  auch  schon  in  Griechenland, 
zu  fehlen,3)  ist  aber  in  Südrussland  und  den  südkaspischen  Gebirgen  (Elburs) 
einheimisch. 

Aus  der  starken  vieljährigen  Wurzel  erheben  sich  krautige  Blattbüschel, 


b Wermuda  schon  im  XII.  Jahrhundert,  Wermuota  noch  früher. 

2)  Gegensatz  zu  Artemisia  pontica  L. : petite  absinthe. 

3)  A.  judaica  L.  in  Palästina  und  A.  arborescens  L.  auf  den  griechischen  Inseln  sind 
dem  ächten  Wermut  nicht  unähnlich  und  häufig  damit  verwechselt  worden. 


476 


Blätter  und  Kräuter. 


welche  im  zweiten  Jahre  über  1"  hohe,  an,  Grnmle  verholzende,  jedoch  im 
Herbste  absterbende  Stengel  treiben.  Dieselben  sind  rundlich,  etwas  gerillt 
und  nach  oben  in  schlanke  pyramidale  Rispen  verzweigt. 

. Die  dünnen  Zweige  erster  Ordnung  und  die  kleinen,  nicht  sehr  zahl- 
reichen Zweiglem  zweiter  Ordnung  tragen  in  den  Blättwinkeln  je  ein  fast 
kugeliges  3 Millim.  messendes  Blöthenkörbchen,  das  auf  kurzem  Stielchen 
seitlich  oder  abwärts  nach  aussen  geneigt  ist.  Seltener  erhebt  sich  aus  dem- 
selben Blattwinkel  ein  zweites,  weit  länger  gestieltes  Körbchen. 

Die  im  Umrisse  breit  dreieckig- rundlichen,  bis  0,25m  erreichenden 
bodenständigen  Blätter  sitzen  auf  über  0,10"'  laugen,  am  Grunde  nur  wenig 
verbreiterten  schwachen  Stielen  und  sind  dreifach  gefiedert. 

Die  untersten  Abschnitte  erster  Ordnung  stehen  oft  sparrig  ab,  die 
oberen,  unter  spitzem  Winkel  aufwärts  strebend,  treten  näher  zusammen, 
so  dass  die  höheren  Blattabschnitte  dicht  in  einander  gewirrt  erscheinen. 
Die  äussersten  Fiederlappen  sind  breit  zungenförmig,  drei-  oder  füuftheilig, 
abgerundet  oder  sehr  kurz  bespitzt.  Nach  oben,  bei  den  gleichgestalteten, 
doch  weit  kleinern  und  nur  zweifach  fiedertheiligen  Stengelblättern  tritt  der 
Blattstiel  je  länger  je  mehr  zurück.  Die  Deckblättchen  der  Blüthentrauben 
sind  nur  noch  schmal  dreizipfelig,  die  obersten  ganz  einfach  lanzettlich. 
Kleine,  genau  anliegende,  sehr  weiche  Haare  vou  bandförmiger,  aber  laug 
zugespitzter  Gestalt  überziehen  fast  die  ganze  Pflanze  mit  theilweiser 
Ausnahme  der  untersten  holzigen  Stengelstücke  mit  dichtem  grauen  Filze, 
der  die  hellen  Oeldriischen  der  Blätter  verdeckt  und  nur  auf  der  Oberseite 
die  dunkelgrüne  Farbe  der  letzteren  durchscheinen  lässt.  Unten  zeigen 
sich  die  Blätter  mehr  weisslich.  In  der  Kultur,  wo  die  Pflanze  höher  wird, 
nimmt  die  Behaarung  sehr  ab. 

Die  langzottigeu , am  Rande  durchscheinenden  Blättchen  der  Hülle 
neigen  fast  glockenförmig  zusammen  und  bergen  den  stark  gewölbten,  aber 
sehr  kleinen  und  laug  behaarten  Blütheuboden , welchem  die  zahlreichen 
gelben  Blüthclien  eingefügt  sind.  Den  wenigen  weiblichen  Randblütheu 
fehlt  ein  zuugenförmiger  Saum,  ihre  schmächtige  Röhre  ist  gauzrandig  oder 
nur  zweizähnig  und  kürzer  als  die  beiden  ziemlich  gerade  herausragendeu 
stumpfen  Narben.  Die  längeren  und  dickeren , oben  füuflappigeu  Röhren 
der  Scheibenblüthen  erreichen  ungefähr  die  Höhe  der  Raudblütheunarben, 
so  dass  das  ganze  Köpfchen  eine  sanfte  convexe  Rundung  erhält.  Die 
Scheibenblüthen  sind  zwitterig,  sämmtliche  Blümchen  aussen  durch  sehr 
kleine  Drüschen  glänzend. 

Den  zusammengedrückten  bräunlichen,  kaum  1 Millim.  langen  Frücht- 
chen geht  der  Pappus  (Fruchtkrone)  ab. 

Man  sammelt  das  Kraut  von  den  dicksten  Stengeln  befreit  im  Spät- 
sommer zur  Zeit  der  Bliithe.  Es  riecht  eigeuthmlich  gewürzhaft,  doch 
nicht  angenehm  und  schmeckt  sehr  stark  und  rein  bitter,  dabei  scharf 
aromatisch.  Die  Kultur  vermindert  diese  Eigenschaften. 

Der  Wermut  gibt  Vs  bis  2 pC.  ätherisches  Oel;  die  sehr  zahlreichen  an- 


Herba  Absinthii. 


477 


sehnlichen  Oelräume  der  Blätter  sind  der  ßauptsitz  desselben,  wie  denn  auch 
Zeller  in  der  That  von  den  Körbchen  nur  halb  so  viel  erhielt  wie  von  den 
Blättern.  Nach  dessen  Zusammenstellungen  schiene  auch  der  nordische 
Standort  die  Menge  des  Oeles  zu  vermehren. 

Das  Oel  besitzt  in  hohem  Grade  den  Geruch  und  den  aromatischen  Ge- 
schmack des  Krautes  und  eine  grünliche  Farbe,  die  bei  der  Rectification 
nicht  verschwindet,  aber  durch  Luft  und  Licht  in  schmutziges  Braun  über- 
geht. Die  Farbe  soll  durch  3 pC.  Azulen  (siehe  bei  Flores  Chamomillae) 
und  gleichzeitige  Anwesenheit  von  gelbem  gelöstem  Harze  bedingt  sein. 
Das  Wermutöl  rotirt  rechts,  besitzt  gleiche  Zusammensetzung , denselben 
Siedepunkt  und  gleiche  Dampfdichte  wie  der  gewöhnliche  Campher  und 
liefert  mit  Salpetersäure  die  nämlichen  Produkte  (vergl.  Camphora).  Nach 
Gl  ad  s tone  enthält  es  zugleich  noch  einen  Kohlenwasserstoff.  Auch  dieses 
Oel  wird  bei  der  Destillation  von  flüchtigen  Fettsäuren  begleitet,  wie  das 
der  Flores  Chamomillae. 

Den 'Wermutbitterstoff,  das  Absinthiin , versuchte  zuerst  Caventou 
(1828)  darzustellen.  Rein  erhielten  es  Mein  (1834),  Luck  (1851)  und 
vorzüglich  Kromayer  (1861).  Letzterer  fällt  es  in  dem  wässerigen  Aus- 
zuge mit  Gerbstoff,  zersetzt  den  Niederschlag  mit  Bleioxyd  und  zieht  mit 
Alkohol  aus,  wodurch  farblose  körnig-krystallinische  Krusten  vom  Gerüche 
und  Geschmacke  des  Wermuts  gewonnen  werden,  die  in  Aether  leicht,  in 
Wasser,  selbst  in  siedendem,  kaum  löslich  sind.  Das  Absinthiin,  G4üH5SG9, 
nach  Kromayer,  zerfällt  beim  Kochen  mit  verdünnter  Schwefelsäure  iu 
Harz  und  ertheilt  der  Flüssigkeit  eine  röthliche  gelbgrün  schillernde  Farbe, 
ohne  dass  hierbei  Zucker  auftritt.  Die  Lösung  in  concentrirter  Schwefel- 
säure wird  durch  Zusatz  vou  wenig  Wasser  dunkelblau.  Das  Absinthiin 
scheint  zu  den  Aldehyden  zu  gehören  und  iu  naher  Beziehung  zum  ätheri- 
schen Oele  der  Pflanze  zu  stehen.  Aus  der  Reaction  von  8 G auf  4 Aequi- 
valente  des  ätherischen  Oeles  = G40  H64  Ö4  könnte  hervorgehen  G40H58O9 
(Absinthiin)  unter  Austritt  von  Wasser  H«  G3  und  Aufnahme  von  05. 
Luck’s  Absinthiin  soll  saure  Eigenschaften  besitzen  und  scheint  der  For- 
mel G H 0 zu  entsprechen,  welche  ebenfalls  auf  einen  Zusammenhang 
mit  dem  Kr  omayer  scheu  Körper  hinweist1),  wenn  der  erstere  wirklich 
nicht  damit  identisch  sein  sollte. 

Der  Bitterstoff  ist  auch  iu  den  Blüthen  vorhanden,  da  sie  wie  alle  übri- 
gen weichem  Theile  der  Pflanze  bitter  schmecken.  Sie  enthält  ausserdem 
Harz,  einen  der  Catechugerbsäure  ähnlichen  Gerbstoff,  so  wie  in  den  ober- 
irdischen Theilcn  Aepfelsäure  und  Bernsteinsäure.  Diese  beiden  Säuren 
treten  nach  Tichanowitsch  (in  Südrusslaud)  erst  im  Juli  auf  und  zwar 
zunächst  nur  die  erstere  allein,  vorzüglich  in  den  Blüthen.  Die  Bernstein- 


L vgl.  Ludwig,  in  Fresenius,  Zeitschrift  für  analyt.  Chemie  I.  18  (1862).  In  der  ein- 
zigen Verbindung,  mit  Gerbstoff,  scheint  das  Absinthiin  mit  der  Formel  G40H56G8  ent 
halten  zu  seiu. 


478 


Blätter  und  Kräuter. 


säure  hatte  hier  schon  Br ac onnot  (1815)  bemerkt,  aber  für  eigentüm- 
liche „Wermutsäure“  gehalten.  Zwenger  erkannte  (1843)  ihre  wahre 
Natur  und  erhielt  davon  y2  pro  mille  aus  trockenem  Kraute.  Den  Iteichthum 
des  Wermutes  an  Salzen,  namentlich  den  Salpetergehalt,  hatte  ebenfalls 
Braconnot  schon  hervorgehobeu.  Trockenes  Kraut  gibt  nach  Schulze 
(1863)  2,7  pC.  Salpeter. 

Die  Alten  scheinen  wohl  unter  Apsinthion  oder  Absinthion,  dessen 
Etymologie  nicht  klar  ist,  nicht  nur  unsern  Wermut,  sondern  mehr  noch 
Artemisia  pontica  verstanden  zu  haben.  Die  Israeliten  hielten  ihn  (Artemi- 
sia judaica?)  für  giftig. 

Artemisia  pontica,  durch  sehr  dicht  weisslich  grau  filzige  und  weit  fei- 
ner zertheilte  Blätter  verschieden,  gehört  mehr  dem  Süden  an. 

Herba  Cardui  benedicti. 

Folia  Cardui  benedicti.  Kardobenedikteukraut.  Chardon  benit. 

Blessed  thistle. 

Cnicus  benedictus  L.  — Compositae-Centaureae. 

Syn. : Centaurea  benedicta  L. 

Calcitrapa  lanuginosa  Lamarck. 

Die  Spinnendistel  ist  ein  einjähriges  sehr  lästiges  Unkraut,  das  durch 
die  Steppen  Persiens,  Transkaukasiens  (Muganer  Steppe  am  untern  Kur) 
und  Syriens,  auf  den  Inseln  und  dem  Festlande  Griechenlands  einheimisch 
ist.  Im  übrigen  Südeuropa  ist  es  verwildert  und  durch  Gartenkultur  jetzt 
auch  bis  in  das  südliche  Norwegen  und  nach  Nordamerika  verbreitet.  In 
Südsibirien  scheint  die  Pflanze  zu  fehlen. 

Zum  officinellen  Gebrauche  dienen  die  zur  Blüthezeit  gesammelten  Blätter 
oder  die  beblätterten  obern  Verzweigungen  des  krautigen  gerillten  Stengels, 
welche  eine  lockere  Doldentraube  darstellen.  Die  beinahe  fusslangen  boden- 
ständigen Blätter  sind  buchtig  fiedertheilig , mit  rundlichen,  in  eine  starre 
Stachelspitze  auslaufenden  Sägezälmen  und  breitem  kantigem  geflügeltem 
Blattstiele.  Die  obersten  als  Deckblätter  die  grossen  einzelnen  endständigen 
Bliithenköpfchen  einhüllenden  Stengelblätter  weichen  von  den  untersten 
Blättern  durch  breit  eiförmige  scharf  zugespitzte  Form  sehr  ab.  Sie  sind 
tief  stachelspitzig  gezähnt,  am  Grunde  herzförmig  stengelumfassend.  Au 
den  mittleru  Theilen  des  Stengels  sitzen  Blätter,  wTelche  die  verschiedenen 
Uebergangsformen  von  jenen  langen  in  den  Blattstiel  verschmälerten  und 
getheilten  untern  Blättern  zu  den  sitzenden  breiten  Deckblättern  darbieten. 

Das  fast  kegelförmige,  bis  0,03"'  hohe,  am.  Grunde  0,015  dicke  Köpf- 
chen zeigt  mehrere  dachig  geordnete  Reihen  häutiger,  in  derbe  spitze 
Stacheln  auslaufender  Hüllblättchen.  Die  untersten  kleinsten  tragen  einen 
gerade  aufstrebenden  einfachen  Stachel,  die  innersten  Blättcheu  schliessen 
oben  fest  zusammen,  ihr  bis  0,02‘"  langer  Stachel  ist  fast  rechtwiukelig 


Herba  Absinthii. 


479 


zurückgebrochen  und  trägt  etwa  4 bis  5 Paare  vertikal  abgehender  bis 
0,005,n  langer  Stachelästchen,  die  sich  nicht  genau  gegenüberstehen. 

Die  schön  gelben  rührigen  Blüthen  erreichen  trotz  einer  Länge  von  übei 
0,025m  kaum  die  Höhe  der  Hüllstacheln ; die  4 bis  6 randständigen  sind 
einzig  aus  der  schmächtigen  oben  dreizipfeligen  Röhre  gebildet,  die  innern 
20  bis  25  von  dem  gewöhnlichen  Bau  der  zwitterigen  Gompositen-Blüthe. 
Die  genabelte  Frucht  trägt  eine  lOzähnige  Krone  und  innerhalb  derselben 
einen  zweireihigen  Pappus.  Der  feste  gemeinschaftliche  Bliithenboden  ist 

dicht  mit  starren  weissen  Borsten  besetzt. 

Stengel,  Blätter  und  Hülle  sind  mehr  oder  weniger  behaart,  namentlich 
ist  die  letztere  durch  lange  einfache  Haare  stark  spinnwebig  filzig.  Am 
Stengel,  zumal  in  den  Achseln  seiner  Verzweigungen  und  auf  der  ebenen 
Blattfläche  kommen  neben  zahlreichen  langen,  aus  kurzen  sackförmigen 
Stücken  sehr  charakteristisch  zusammengesetzten  Haaren  noch  ungestielte 
kleberige  Drüsen  vor.  Diese  finden  sich  auch  gewöhnlich  fast  allein  und 
spärlich  über  die  untere  glänzende  Blattfläche  zerstreut,  wo  die  kahlen 
Nerven  mehr  hervortreten.  Die  Kultur  vermindert  die  Behaarung. 

Durch  allerlei  Schmutz,  welcher  sich  in  dem  weichen  zusammenfallenden 
aber  für  sich  ungefärbten  Haarbesatze  fängt,  erscheint  das  Kraut  meist 
ziemlich  unsauber.  Dasselbe,  so  wie  auch  die  Stengel,  schmeckt  stark  und 
sehr  rein  bitter,  nicht  aromatisch. 

Der  von  Nativ  eile  darin  aufgefundene  Bitterstoff,  C nie  in  oder  Cen- 
taurin, krystallisirt  und  ist  in  kaltem  Wasser  kaum  löslich.  Die  wein- 
geistige Lösung  dreht  die  Polarisationsebene  nach  rechts.  Schon  durch 
Kochen  mit  Wasser  scheint  das  Cniciu  eine  Zersetzung  zu  erleiden,  welche 
näherer  Untersuchung  bedarf.  Es  entspricht  nach  Scribe1)  der  empiri- 
schen Formel  014H1805  und  soll  auch  in  anderen  bitter  schmeckenden 
Centaureen  Vorkommen. 

Das  Kraut  ist  reich  an  Salzen  des  Kalis  und  Kalkes.  Frickhinger 
erhielt  aus  dem  Extracte  reichliche  Krystallisationen  von  äpfelsaurer  Magne- 
sia mit  wenig  Kalksalz. 

Man  glaubte  im  Mittelalter  im  Cnicus  die  heilkräftige  Akarna  des  Theo- 
phrastos  oder  die  Atralctylis  des  Dioskorides  zu  erkennen  und  führte 
sie  deshalb,  besonders  nach  der  Empfehlung  des  Arnoldus  Villanova- 
nus (um  1350)  in  den  Arzneischatz  ein. 

L er  fau'l  C = 62,16  bis  62,9  pC.,  Luck  im  Absinthiin  65,18,  so  dass  vielleicht  eia 
Zusammenhang  beider  Stoffe  besteht.  Zu  Scribe's  Analysen  passt  auch  die  Formel 
G40  H520  7,  die  sich  nur  durch  ein  minus  von  H60h  vom  Absinthiin  unterscheidet. 


480 


Blätter  und  Kräuter. 


Herba  Centaurii. 

Flores  s.  summitates  Centaurii  minoris.1)  Tausendgüldenkraut.  Rother 
Aurin.  Petite  centauree.  Centaury  tops. 

Erythräea  Centäurium  Persoon.  — Gentianeae. 

Syn.:  Gentiana  Centaurium  L. 

Dieses  zierliche  einjährige  Kraut  ist  an  lichten  Waldstellen  und  in  Wiesen 
bis  in  die  Bergregion  sehr  verbreitet.  Es  findet  sich  von  Nordpersien  au 
durch  ganz  Vorderasien,  rings  um  das  Mittelmeer,  auf  den  Azoren  und  in 
allen  europäischen  Ländern,  in  England  z.  B.  bis  58°  nördl.  Breite,  in  Finn- 
land, ferner  auch  in  Canada  und  New-York. 

Aus  der  schwachen  ein-  oder  zweijährigen  ästigen  Pfahlwurzel  erhebt 
sich  gewöhnlich  ein  einzelner,  über  fusshoher  4-  bis  G kantiger,  etwas  ge- 
flügelter glatter  Stengel  oder  auch  mehrere  derselben,  wenn  etwa  die  Haupt- 
axe  verkümmert.  Die  schön  rosenrothen ,2)  selten  weissen  Blüthen  bilden 
einen  endständigen  traubigen,  aber  meist  doldenförmig  flachen  Blütheustand. 
Die  zahlreichen,  aus  den  Winkeln  der  obersten  Blätter  kervorgeheuden 
Aeste  verzweigen  sich  wieder  trugdoldenartig-gabelig,  wobei  aber  zuletzt 
die  Spindel  in  eine  sitzende  Blüthe  endigt,  welche  gabelig  von  den  gestielten 
Seitenbliithen  überragt  wird.  Die  meisten  Aeste  strecken  sich  schliesslich 
zu  fast  gleicher  Höhe. 

Die  wenig  gefärbte,  gegen  0,0 10m  lange,  trocken  walzenförmige  Blumen- 
rohre tritt  aus  dem  spitz  fiinfspaltigen  Kelche  heraus  und  breitetsich  in  die  fünf- 
lappige,  nach  dem  Trocknen  wieder  fast  glockenförmig  geschlossene  Krone 
aus,  welche  die  grossen,  nach  dem  Verstäuben  schraubenförmig  gedrehten 
Antheren  kaum  wahrnehmen  lässt. 

Die  spitzeiförmigen  oder  zu  oberst  in  der  Bliithendolde  schmal  linealen 
Blätter  sitzen  paarweise  einander  gegenüber;  die  grundständigen  rosetten- 
artig zusammengedrängt,  sind  breiter,  stumpf,  kurz  bespitzt  und  in  eiuen 
kurzen  Blattstiel  auslaufend. 

Die  über  0,04“  langen,  gegen  0,02“  breiten  unteren  Stengelblätter, 
nach  oben  allmälig  spitzere  Form  annehmend,  zeigen  auf  jeder  Hälfte  zwei 
oder  doch  einen  unter  sehr  spitzem  Winkel  abbiegendeu  Seitennerveu.  Am 
Grunde  berühren  sich  die  Blätter  jedes  Paares  und  senden  am  Stengel 
schwache  Flügelkanten  abwärts. 

Sämmtliche  Blätter  sind  gauzrandig  von  etwas  derber  Consistenz  und, 
wie  übrigens  die  ganze  Pflanze,  völlig  kahl  und  glänzend.  Die  krautigen 
Theile  der  Pflanze  wie  auch  die  Blumen  schmecken  stark  und  rein  bitter. 

Durch  Aether  hat  Mehu  (1863 — 18GG)  aus  dem  wässerig-alkoholischen 
Extracte  das  merkwürdige  Ery throcentaurin  £27H-49S  gewonnen. 


X)  Centaurium  majus  der  älteren  Botaniker  war  Ccntaunfa  Centaurium  L.,  eine  in  den  Ge- 
birgen Italiens  einheimische  Composito. 

2)  Daher  der  Genusname:  £puHpdc  roth. 


Herba  Centaurii. 


481 


Getrocknetes  Kraut  gibt  davon  höchstens  Vs  pro  Mille,  frisches  verhältniss- 
mässig  mehr.  Die  grossen  farblosen  Krystalle  sind  vollkommen  indifferent 
und  geschmacklos  und  werden  kaum  von  Chlor  angegriffen.  Sie  schmelzen 
bei  136°  C.  unverändert  und  lösen  sich  in  35  Th.  kochenden,  in  1600  Th. 
kalten  Wassers,  auch  in  48  Alkohol  und  13  Th.  Chloroform  bei  15°. 
Von  Aether  bedarf  das  Erythrocentaurin  das  245  fache  zur  Lösung.  Ohne 
irgend  eine  weitere  Aenderung  nimmt  dasselbe  im  Lichte  eine  lebhaft  rothe 
Farbe  an,  deren  Auftreten  z.  B.  durch  Chlor,  nicht  aber  durch  ungefärbte 
Gase  verschiedenster  Art  gehindert  wird.  Das  geröthete  Erythrocentaurin 
gibt  farblose  Auflösungen,  aus  denen  es  im  dunkeln  ungefärbt  anschiesst; 
die  feste  Substanz  verliert  bei  132°  ebenfalls  die  Farbe.  Neben  einem  noch 
weniger  untersuchten  Bitterstoffe  fand  Mehu  auch  Harz  und  Wachs  im 
Tausendguldenkraute,  so  wie  gegen  6 pC.  Asche,  hauptsächlich  aus  Gyps 
bestehend.  Bei  der  Destillation  mit  Wasser  gibt  besonders  die  getrocknete 
Pflanze  Baldriansäure. 

In  der  bei  Herba  Millefolii  angegebenen  Weise  hat  Büchner  aus  Ery- 
thraea  ein  gewürzhaftes , doch  nicht  angenehm  riechendes  Fermentöl  dar- 
gestellt. 

Das  Tausendgüldenkraut  scheint  bereits  den  Alten  bekannt  gewesen  zu 
sein,  vermutlich  schon  Dioskorides  als  Kentaürion.  In  dem  bei  Semen 
Hyoscyami  erwähnten  deutschen  Arzneibuche  des  XIII.  Jahrhunderts  finden 
wir  auch  „Centauriam  daz  chrüt.“ 

Die  mehr  auf  Norddeutschland  und  Holland  beschränkte  Erythraea 
linariaefolia  Persoon  (E.  angustifolia  Wallroth)  sieht  der  obigen  Art  ähnlich, 
ist  aber  vielstengelig,  besitzt  schmälere  Blätter  und  breitet  sich  rispenartig 
in  einen  lockeren,  verlängert  gabelästigen  Bliithenstand  aus.  Die  krautigen 
Theile  sind  zudem  sehr  fein  und  etwas  scharf  gewimpert. 

Die  viel  schwächere  Erythraea  pulchella  Fries  (E.  ramosissima 
Persoon)  scheint,  obwohl  im  ganzen  weniger  häufig,  doch  eben  so  weit 
' verbreitet  zu  sein  wie  E.  Centaurium.  Sie  ist  von  Grunde  an  rispig  ver- 
! zweigt,  ohne  grundständige  Blätter  und  bleibt  durchschnittlich  etwa 
0,1 0m  hoch. 

E.  pulchella  sowohl  als  die  vorhergehende  Art  schmecken  übrigens 
1 gleichfalls  stark  bitter. 

Statt  Erythraea  hat  British  Pharmacopoeia  als  Chirata  oder  Chiretta 
eine  nordindische  Gentianee,  die  Ophelia  Chirata  De  Cand.  (Gentiana 
Chirayta  Roxburgh,  Agathotes  Ch.  Don)  aufgenommen,  welche  auf  dem 
europäischen  Kontinente  unter  dem  Namen  Stipites  Chirayitae  noch  wenig 
Eingang  gefunden  hat  und  auch  wohl  für  uns  sehr  entbehrlich  ist.  Der 
Handel  bringt  Bündel  der  ganzen  mit  einfacher  kurzer  Pfahlwurzel  ver- 
sehenen, etwa  l,n  hohen  Pflanze,  welche  meist  aus  einem  höchstens  4 Millira, 
dicken,  glänzend  bräunlichen  kahlen  Stengel  besteht.  Derselbe  ist  walzen- 
rund, doch  mit  4 schwachen  Flügelkanten  und  zwei  weniger  ausgeprägten 
Längsrillen  versehen  und  bildet  nach  oben  eine  etwas  gedrängte,  laug  gabel- 

Flückiger,§Pharmakognosie.  o-t 


482 


Blätter  und  Kräuter. 


ästige  Rispe  mit  gelben , den  kurzen  Kelch  überragenden  Blumen.  Blätter 
sind  nur  sehr  spärlich  vorhanden.  Der  Geschmack  der  Chirata  ist  sehr 
bitter.  Sie  ist  in  ihrem  Yaterlande  ein  altberühmtes  Arzneimittel,  dessen 
Ruf  schon  in  früher  Zeit  nach  dem  Abendlande  gedrungen  zu  sein  scheint 
(vergl.  bei  Rhizoma  Calami). 

In  ähnlicher  Weise  wird  in  Chili  und  Peru  die  kleine  einjährige  Ghiro- 
nia  chilensis  Willdenow  (Erythraea  chilensis  Persoon  — Gentiana  peru- 
viana Lamarck)  zumal  als  Fiebermittel  hochgeschätzt  und  unter  dem  Namen 
Herba  Cachen-Laguen  in  geringer  Menge  ausgeführt. 

Folia  Trifolii  fibrini. 

Folia  Menyanthis.  Biberklee.  Bitterklee.  Trefle  de  marais.  Bog  bean. 

Menyänthes  trifoliata  L.  — Gentianeae. 

Kleine  Staude  sumpfiger  Stellen1)  der  Niederungen  und  der  Gebirge  im 
kälteren  Theile  der  nördlichen  Halbkugel,  sehr  häufig  z.  B.  durch  das  mitt- 
lere Europa  bis  Schottland,  in  Skandinavien  bis  zum  Nordkap,  daun  iin 
Altai  und  in  Sibirien,  in  Labrador  (Nain)  und  den  Vereinigten  Staaten. 

Der  ausdauernde,  weithin  kriechende  und  geringelte  Wurzelstock , fast 
von  der  Dicke  eines  Fingers,  treibt  aus  den  Astgipfeln  einige  langgestielte 
wechselständige  Blätter.  Aus  dem  Winkel  eines  etwas  tiefer  stehenden 
scheidenartigen  vorjährigen  Blattes  erhebt  sich  bis  fusshoch  und  den  Blätter- 
büschel überragend  der  blattlose  Blüthenschaft  mit  den  zahlreichen  hüb- 
schen, zu  einer  nicht  sehr  dichten  Traube  zusammengestellten  Blumen  von 
zarter  weisser  und  rosenrother  Färbung. 

Die  Blätter  umhüllen  mit  einer  langen  und  weiten  Scheide  den  schwam- 
migen Wurzelstock , dessen  Glieder  zu  oberst  etwas  gestreckt  sind.  In  ge- 
ringem Abstande  vom  Stengel  bleibt  die  Scheide  plötzlich  zurück  und  der 
ungefähr  bis  0,1 0m  lange  walzenrunde  derbe,  doch  von  Luftröhren  durch- 
zogene Blattstiel  breitet  sich  in  ein  dreitheiliges  Blatt  aus.  Die  rundlich 
eiförmigen  gegen  0,08m  langen  und  halb  so  breiten  Abschnitte  sind  von 
einer  breiten  runzeligen  oft  bräunlichen  Hauptrippe  durchzogen,  aus  welcher 
zahlreiche  feine  Nerven  in  sanftem  Bogen  steil  aufsteigeu.  Die  breite  Spitze  ' 
des  Blattabschnittes  endigt  in  ein  stumpfes  weisses  Höckerchen.  Dergleichen 
sind  auch  in  geringer  Zahl  und  bisweilen  von  sehr  kurzen  breiten  Säge- 
zähnen getragen  dem  Blattrande  aufgesetzt.  Doch  sind  die  meisten  Blätter 
ganzrandig  oder  nur  weuig  ausgeschweift,  alle  völlig  kahl,  wie  die  ganze 
Pflanze,  mit  Ausnahme  der  durch  zierliche  weisse  Papillen  zottigen 
Blumenkrone. 

Frisch  sind  die  Blätter  wegen  der  zahlreichen  kleinen  Luftröhren  ihrer 
Rippen  und  Nerven  etwas  dicklich,  fallen  aber  beim  Trocknen  nicht  eigent- 
lich runzelig  zusammen.  Sie  schmecken  kräftig  und  rein  bitter. 


1)  [j.7jvüw  ich  zeige  an  (d.  h.  Sumpf)  uud  avöo;  Blume. 


Folia  Digitalis. 


483 


Der  Bitterstoff  des  Biberklees,  das  Men  y an  th  in,  vermuthlichG30  H46  0 u, 
wurde  1860  von  Kromayer  nach  der  bei  Absinthiin  und  Digitalin  er- 
wähnten Methode  zuerst  rein  dargestellt  und  als  gepaarte  Zuckerverbindung 
erkannt.  Es  ist  ein  farbloses  amorphes,  durch  Wasseraufnahme  kleberig 
werdendes  Pulvervon  höchst  bitterem  Geschmacke,  beim  Erhitzen  heissende, 
an  Senföl  erinnernde  Dämpfe  ausgebend.  Wasser  und  Weingeist,  nicht  aber 
Aether  lösen  das  Menyanthin.  Die  wässerige  Lösung  trübt  sich  beim  Kochen 
mit  verdünnter  Schwefelsäure  durch  Tröpfchen  eines  farblosen  Oeles  Meny- 
anthol,  welches  abdestillirt  und  angenehm  nach  Bittermandelöl  riecht. 
Neben  harzartigen  sekundären  Produkten  bleibt  gährungsfähiger  Zucker  im 
Rückstände.  Dem  rohen  Menyanthin  wird  durch  Aether  ein  kratzender 
Stoff  entzogen,  ähnlich  wie  dies  bei  Digitalin  und  Gratiolin  der  Fall  ist. 

Ein  sehr  gewiirzhaftes  Fermentöl,  welches  Bley  aus  Biberklee  in  der 
bei  Herba  Millefolii  angedeuteten  Weise  gewonnen  hat,  steht  möglicherweise 
in  Beziehung  zum  Menyanthol. 

Menyanthes  der  Alten  war  vermuthlich  nicht  unsere  gleichnamige  nor- 
dische Pflanze,  welche  wohl  zuerst  von  den  deutschen  Botanikern  des  XYI. 
Jahrhunderts  empfohlen  wurde  und  in  der  zweiten  Hälfte  des  XVII.  Jahr- 
hunderts in  die  Pharmakopoen  Eingang  fand.  Conrad  Gesner  nannte  sie 
Biberklee,  Tabernaemontanus  Trifolium  fibrinum.  Zweifelhaft  ist  die 
Biverwurz  oder  Bibirwurz,  welche  um  1150  von  der  heiligen  Hildegard 
aufgeführt  wurde. 


Folia  Digitalis. 

Fingerhutblätter.  Feuilles  de  digitale.  Grande  digitale.  Purple  foxglove, 

leaves. 

Digitalis  purpure  a L.  — Scrophulariaceae. 

Der  Fingerhut  wächst  in  Gebirgswäldern  durch  den  grössten  Theil 
Europas,  denNordosteu  und  den  äussersten  Süden  ausgenommen.  Er  findet 
sich  in  Centralspanien,  in  den  Pyrenäen,  durch  ganz  Frankreich  und  Eng- 
land bis  ins  nördlichste  Schottland,  in  Ober -Italien,  Deutschland,  im  süd- 
lichen und  westlichen  Norwegen  bis  62°  nördl.  Breite  noch  sehr  häufig. 
Jedoch  ist  die  Verbreitung  der  Pflanze  eine  sehr  ungleiche.  In  grosser  Menge 
tritt  sie  z.  B.  in  den  rheinischen  Gebirgen,  besonders  in  den  Vogesen  und 
dem  Schwarzwalde  auf,  fehlt  aber  dem  benachbarten  Jura,  der  Schweize- 
rischen Hochebene  und  den  Alpen  vollständig. 

Der  schönen  Blüthen  wegen,  welche  in  endständiger,  mehr  als  fuss- 
langer  Traube  nach  einer  Seite  herabhängen,  wird  die  Pflanze  auch  sehr 
häufig  in  Gärten  gezogen.  Aus  der  zweijährigen  Wurzel  erhebt  sich  auf- 
recht und  bis  mannshoch  ein  kantiger  einjähriger  Stengel,  der  bisweilen 
einige  Aeste  treibt,  da  wo  er  in  die  Blüthentraube  übergeht. 

Die  zahlreichen  bodenständigen  Blätter  verschmälern  sich  ziemlich  rasch 

31  * 


484 


Blätter  und  Kräuter. 


in  den  geflügelten,  bis  0,18ra  langen  kantigen  Blattstiel,  das  Blatt  selbst 
erreicht  bei  stumpf  eiförmigem  Umrisse  bis  0,25ra  Länge  und  0,1  Om  Breite. 

Die  an  Grösse  rasch  abnehmenden,  weit  aus  einander  gerückten  Stengel- 
blätter nehmen  allmälig  scharf  zugespitzte  Form  an  und  verschmälern 
sich  in  den  kürzeren  Blattstiel,  der  mit  breiter  Basis  am  Stengel  sitzt. 
Zuletzt  folgen  kleine  ungestielte  lang  zugespitzte  Deckblättchen  derBliithen- 
traube. 

Die  durch  ein  helles  Dräschen  gekrönten  Sägezähne  sind  bei  den  unter- 
sten Blättern  sehr  breit  und  sanft  gewölbt,  kleiner  und  etwas  eckiger,  doch 
auch  nicht  eben  scharf  hervortretend  bei  den  oberen  Blättern.  Durch  starke 
spitzwinkelige,  besonders  unterseits  sehr  ausgeprägte  Nerven  wird  das  Blatt 
etwas  uneben  und  starr  und  fühlt  sich  der  reichlichen  Behaarung  wegen 
rauh  an.  Auf  der  unteren  Blattfläche,  besonders  längs  der  Nerven,  stehen 
dicht  gedrängte  weiche  grauliche  Haare,  welche  aus  einer  Anzahl  band- 
artig zusammenfallender,  kurz  gegliederter  Zellen  bestehen.  Die  spär- 
licheren Haare  der  oberen  Blattfläche  zeigen  weniger  Glieder,  das  äusserste 
etwas  verdünnt  stumpflich  auslaufend.  Trotz  der  derben  dicklichen  Be- 
schaffenheit der  Blattfläche  lässt  sie  doch  die  feinsten  Verzweigungen  des 
Adernetzes  bei  durchfallendem  Lichte  sehr  scharf  hervortreten.  Die  älteren 
bodenständigen  Blätter  sind  schon  weit  dünner  behaart,  in  der  Kultur  wird 
die  Pflanze  vollends  kahl. 

Der  widerige,  etwas  narkotische  Geruch  der  Blätter  verliert  sich  beim 
Trocknen;  sie  schmecken  ekelhaft  scharf  und  bitter.  Ihre  gefährliche  Wir- 
kung äussern  sie  nur  dann  in  vollem  Masse,  wenn  sie  von  wild  gewachsenen 
blühenden  oder  eben  aufblühenden  Pflanzen  stammen. 

Zur  Darstellung  des  wirksamen  Stoffes  des  Digitalis  wurden  sehr  zahl- 
reiche Versuche  angestellt.  Homolle  erhielt  das  Digitalin  zuerst  (1845) 
in  reinerer  Form  als  amorphe,  äusserst  bittere  Masse  oder  in  undeutlichen 
Krystallschüppchen  und  gab  schon  an,  dass  es  stickstofffrei  sei  und  sich  in 
concentrirter  Salzsäure  mit  smaragdgrüner  Farbe  löse.  Sein  Verfahren  be- 
ruht auf  der  Fällbarkeit  des  Digitalins  durch  Gerbsäure,  liefert  aber  bei  nur 
wenig  abweichender  Ausführung  ein  verschiedenes  Produkt,  das  nach  Walz 
immer  ein  Gemenge  ist.  Aether  entzieht  demselben  namentlich  fettartige 
krystallisirbare  (Digitalinfett  und  Digitaloi'nsäure)  und  harzartige,  sehr 
scharf  brennend  schmeckende  (Digitalisschärfe)  Stoffe,  welche  alle  anfangs 
von  Walz  als  Digitalacrin  oderDigitalicrin  zusammengefasst  worden  wareu. 
Wird  nach  demselben  der  in  Aether  unlösliche  Antheil  des  rohen  Digitalins 
mit  Wasser  übergossen,  so  nimmt  es  das  eigentliche  Digitaliu  (früheres 
Digitasolin  von  Walz)  auf,  das  zur  Reinigung  nochmaliger  Behandlung  mit 
Gerbsäure  und  Bleioxyd  bedarf,  und  lässt  Digitaletin  in  krystallinischen 
Warzen  zurück.  Dieses  letztere  scheint,  Walz  zufolge,  identisch  zu  sein 
mitHomolle’s  ursprünglichem  (reinem)  Digitalin,  während  Homolle  und 
Quevenne  ihr  Produkt  später  für  ein  Gemenge  erklärten  aus  (le)  Digi- 
talin, (la)  Digitalins  und  Digitalose.  Wieder  ein  anderes  Digitalin  hat  Kos- 


Folia  Digitalis. 


485 


manu  durch  kaltes  Wasser  ausgezogen,  welches  aber  au  Aether  noch  grüne 
Nadeln  einer  Fettsäure,  Digitoleinsäure , abtritt.  Wasser  nimmt  gefärbte 
Stoffe  weg  und  lässt  endlich  weisse  mikroskopische  Schüppchen  des  reinen 
Digitalins  von  Kosmann. 

Das  Digitalin  von  Walz  ist  amorph,  bei  137°  schmelzbar,  in  Weingeist, 
Chloroform  und  heissem  Wasser,  nicht  in  Aether  löslich ; es  zerfällt  beim 
Kochen  mit  verdünnten  Säuren  in  Zucker  und  Digitaletin.  Längere  Ein- 
wirkung spaltet  das  letztere  weiter  in  Zucker,  Digitaliretin  und  das  durch 
Mindergehalt  von  2 H3  0 vom  Digitaletin  verschiedene  Paradigitaletin.  Durch 
Kochen  mit  fixen  Alkalien  scheint  das  Digitalin  ohne  Zuckerbildung  und 
unter  sehr  geringer  Sauerstoffaufnahme  in  krystallisirende  Digitalinsäure 
übergeführt  zu  werden. 

Walz  erhielt  0,7  pC.,  Wittstein  bis  1,4  pC.  Digitalin  aus  frischen 
getrockneten  Blättern,  0.  Henry  1 pC.  Stimmen  somit  alle  Untersuchungen 
darin  überein,  dass  der  höchst  giftige  Träger  der  Digitaliswirkung  eine  sehr 
bittere  indifferente  gepaarte  Zuckerverbindung  ist,  so  herrscht  doch  über 
dieses  Digitalin,  seine  Begleiter  und  seine  Abkömmlinge  noch  grosse  Unklar- 
heit. Walz  gibt  seinem  Präparate  die  Formel  G28H48-G14.  Kosmann’s 
Digitalin  verliert  bei  100°  C.  10,5  pC.  Wasser  und  entspricht  dann  der 
Formel  G27H45G-1S,  ist  aber  so  hygroskopisch,  dass  alles  gewöhnliche  Digi- 
taliu  als  das  Hydrat  mit  4H20  zu  betrachten  sei. 

Engelhardt  hat  1862  aus  Digitalisblättern  ein  demConiin  undNicotin 
ähnliches  und  ebenso  riechendes  flüchtiges  Alkaloid  dargestellt  und  für  den 
eigentlichen  wirksamen  Bestandtheil  der  Pflanze  erklärt. 

Als  Digitalosmin  bezeichnet  Walz  (1852)  Schuppen  eines  nach 
Digitalis  riechenden,  ekelhaft  kratzend  schmeckenden  Stearoptens,  das  durch 
Destillation  der  Blätter  mit  Wasser  in  geringer  Menge  erhalten  wird.  Hier- 
bei geht  auch  die  schon  (1845)  von  Pyram  Morin  bemerkte  ölartige 
Anti rr hinsäure  über,  deren  unangenehmer  betäubender  Geruch  an  die 
Pflanze  selbst  erinnert.  Vermutklick  ist  diese  Säure  ein  Gemenge  von 
ätherischem  Oele  mit  Fettsäuren  (hauptsächlich  Baldriansäure?).  Eigen- 
thümlich  ist  vielleicht  die  von  demselben  Chemiker  dargestellte  Digital- 
säure, welche  in  sehr  leichtlöslichen,  stark  sauren  Nadeln  aus  dem  wässe- 
rigen Aufgusse  der  Blätter  erhalten  wird. 

Mariae  hat  im  Digitaliskraute  (1864)  auch  Inosit  nachgewiesen.  Es- 
enthält  ferner  nach  Henry  Gallussäure. 

Das  Digitalin  ist  auch  in  den  braunen  netzig-grubigen,  höchstens  gegen 
1 Millira,  grossen  Samen  vorhanden,  welche  reich  an  fettem  Oele  sind,  und 
ebenso  in  den  übrigen  Digitalis- Arten , z.  B.  in  D.  grandiflora  Lamarck, 
D.  lutea  L.,  D.  parviflora  Lamarck  (in  Italien)  verbreitet.  Namentlich 
scheint  die  südeuropäische  D.  fßvruginea  L.  sehr  stark  zu  wirken. 

Da  die  Blätter  der  Digitalis  purpurea  zur  Bliithezeit  gesammelt  werden 
sollen,  so  ist  eine  Verwechselung  mit  jenen  zuerst  genannten,  in  unsern 
Gegenden  häufigen,  gelb  blühenden  Arten  nicht  leicht  denkbar.  D.  grandi- 


486 


Blätter  und  Kräuter. 


ßora  (Syn. : D.  ambigua  Murray,  D.  ochroleuca  Jacquin)  hat  übrigens  un- 
gestielte, höchstens  0,06'"  breite,  lang  eiförmig  zugespitzte  Blätter  mit 
weniger  ausgeprägtem  Adernetze  und , wenigstens  an  den  Stengelblättern 
sehr  scharfen  Sägezähneu;  die  mehr  borstliche  Behaarung  ist  weit  spär- 
licher. Aehulich  sind  die  Blätter  der  D.  lutea. 

Die  vorherrschend  ungestielten,  meist  herablaufenden  Blätter  der  Ver 
bascum-Arten  sind  durch  ästige,  unter  derLoupe  deutlich  erkennbare  Stern- 
haare dicht  filzig,  die  von  SymphytumofficinaleL.  durch  vereinzelte  Borsten 
sehr  rauh,  übrigens  spröde,  ganzrandig  und  eben  so  wenig  bitter  wie  die 
Verbascum- Blätter.  Auch  die  lebhaften  grünen  Blätter  der  Inula  Conyza 
DeC.  (Conyza  squarrosa  L.)  sind  brüchig,  durch  abstehende  Haare  rauh, 
dazu  nur  wenig  oder  gar  nicht  gesägt  und  frisch  etwas  aromatisch. 

Die  Digitalisblätter  sind  erst  1775  durch  Withering  in  Birmingham 
in  den  Arzneigebrauch  eingeführt  worden.  Leonhard  Fuchs,  dem  die 
Pflanze  (1542)  den  heutigen  Namen  verdankt,  kannte  ihre  Wirkung  nicht. 

Herba  Gratiolae. 

Gnadenkraut.  Gottesgnadenkraut.  Gratiole.  Petite  digitale.  Hedge  hyssop. 

Oratio  la  officinalis  L.  — Scrophulariaceae. 

Perennirende  Sumpfpflanze,  durch  Europa  (mit  Ausnahme  Englands) 
bis  Südsibirien  und  in  die  Dsungarei,  auch  in  Nordamerika  einheimisch, 
doch  nur  sehr  zerstreut  und  mehr  auf  die  Niederungen  beschränkte 

Man  sammelt  das  blühende  Kraut,  befreit  von  dem  kriechenden  ästigen, 
sehr  schwammigen,  höchstens  gegen  5 Millim.  starken  Wurzelstocke  und 
den  unteren,  spärlicher  beblätterten  Stengeitheilen.  Das  mehr  oder  weniger 
niederliegende  gegliederte  Stämmchen  erhebt  sich  zu  einem  über  fussliohen, 
meist  ganz  einfachen  blühbaren  Stengel  und  treibt  wenige  kürzere  beblät- 
terte Aeste. 

Der  gegliederte  saftige  und  markige,  nicht  knotig  aufgetriebene  Stengel 
wird  nach  oben  allmälig  gerundet  vierkantig  und  ist  mit  ziemlich  weit  aus 
einander  gerückten  Blätterpaaren  besetzt,  die  in  gekreuzter  Stellung  aufein- 
ander folgen.  In  der  mittleren  und  oberen  Höhe  des  Stengels,  wo  die  Blätter 
am  vollständigsten  entwickelt  sind,  erreichen  sie  bis  0,04m  Länge  und  gegen 
0,0 15m  Breite.  Die  Internodien  des  Stengels  bleiben  kürzer  als  die  Blätter. 
Die  Basis  der  beiden  jeweilcn  gegeuübersitzenden  Blätter  fliesst  zusammen, 
jede  Blatthälfte  trägt  an  ihrem  vorderen  Rande  3 bis  6 Sägezähne,  welche 
erst  bei  den  oberen  Blättern  zugeschärft  erscheinen,  doch  immer  in  ein 
rundliches  Dräschen  endigen.  Die  unteren  Blätter  sind  mehr  eiförmig 
stumpf  lieh,  die  oberen  länglich  und  spitz  auslaufend.  Gegen  die  vordere 
Hälfte  des  Blattes  verlieren  sich  die  beiden  äusseren  der  5 Läugsnerveu  all- 
mälig in  den  Rand,  wodurch  manche  Blätter  3nervig  erscheinen. 

Die  Blüthen  entstehen  einzeln  in  dem  einen  Winkel  der  Blattpaare , so 
dass  sie  sich  abwechselnd  einmal  zur  rechten , daun  zur  linken  von  Glied 


Herba  Gratiolae. 


487 


zu  Glied  am  Stengel  folgen.  Die  ansehnliche  weissliche  oder  röthliche 
Blume  ragt  auf  langem  schlankem  Blüthenstielchen  oft  über  das  Stützblat 
heraus  oder  bleibt  nicht  weit  hinter  demselben  zurück.  Der  tief  und  regel- 
mässig fünfspaltige  Kelch  ist  von  2 linealen  längeren  Deckblättchen  begleitet 
und  bleibt  bei  der  Fruchtreife,  während  die  aus  gekrümmter  gelblichbräun- 
licher  Föhre  fast  zweilippig  ausgebreitete  viertheilige  Krone  abfällt.  Den 
beiden  unteren  der  4 der  Röhre  aufgewachsenen  Staubfäden  fehlen  die  Staub- 
beutel. Der  Schlund  der  feinnervigen  Blumenrohre  trägt  gebüschelte  gelbe 
Haare,  im  übrigen  ist  die  Pflanze  kahl.  Die  sehr  zahlreichen,  äusseist 
kleinen  Samen  der  zweifächerigen,  zweiklappig  aufspringenden  Kapsel  glei- 
chen deneu  der  Digitalis,  sind  aber  mehr  länglich. 

Die  Blätter  sind  ohne  Geruch,  aber  von  sehr  starkem,  rein  bitterem 
Geschmacke;  ein  sehr  anhaltender,  scharf  kratzender  Nachgeschmack 
macht  sich  erst  nach  einiger  Zeit  bemerklich. 

E.  Maichand  hat  1845  einen  Bitterstoff,  Gratiolin,  vermittelst 
Weingeist  aus  dem  Kraute  erhalten,  dessen  Reindarstellung  in  farblosen 
Krystallnadeln  nach  der  bei  Digitalin  (siehe  unter  Folia  Digitalis)  angedeu- 
teten Methode  dann  durch  Walz  ausgeführt  wurde.  Die  umfangreichen 
Untersuchungen  desselben  (1848—1858)  haben  daneben  in  etwas  grösserer 
Menge  einen  zweiten  Bitterstoff,  Gr  atiosolin  (anfangs  Gratioliue  genannt !), 
so  wie  die  Thatsache  zu  Tage  gefördert,  dass  beide  gepaarte  Zuckerverbin- 
dungen (Glykoside)  sind.  Dem  Gratiolin  kömmt  die  Formel  O20H34T>7  zu; 
durch  Austritt  von  H24>  scheint  daraus  krystallisirendes  Gratioletin  hervor- 
zugehen; kochende  verdünnte  Schwefelsäure  zerlegt  das  Gratiolin  in  Zucker 
und  harzartiges  amorphes  Gratioleretin , wobei  auch  Gratioletin  und  Harz 
auftreten. 

Dem  rohen  Gratiolin  entzieht  Aether  hauptsächlich  Fett  (Gratioloin) 
und  Harz,  aus  welchem  (von  Walz  zuerst  als  Gratiolacrin  bezeichneten) 
Gemenge  sich  Krystalle  der  Fettsäure,  Gratioloi'nsäure , gewinnen  lassen. 
Nach  der  Behandlung  mit  Aether  tritt  das  rohe  Gratiolin  an  kaltes  Wasser 
das  amorphe  rothgefärbte  Gratiosolin  ab,  welches  schon  in  Mittelwärme 
ohne  Trübung  durch  verdünnte  Alkalien  oder  Säuren  in  Zucker  und  Gra- 
tiosoletin  zerfällt.  In  der  Wärme  aber  spalten  die  Säuren  das  letztere  noch- 
mals in  Zucker  und  in  das  in  Aether  unlösliche  Hyclrogratiosoleretin,  welches 
zum  Theil  H20  abgibt  und  dadurch  in  Gratiosoleretin  übergeht,  das  in 
Aether  und  Weingeist,  nicht  in  Wasser  löslich  ist. 

Unter  allen  diesen  Stoffen,  welche  wiederholter  Untersuchung  bedürfen, 
scheint  allein  das  ekelhaft  bittere  Gratiosolin  eigentlich  giftige  Eigenschaften 
zu  besitzen. 

Wird  das  Gratiolakraut  mit  Wasser  destillirt,  so  gehen  sehr  geringe 
Mengen  flüchtiger  Fettsäuren  (vorzüglich  Baldriansäure?)  über,  von  Walz 
als  Gratiolasäure  bezeichnet. 

Ausserdem  enthält  die  Pflanze  auch  eisengrünende  Gerbsäure  und 
fettes  Oel. 


488 


Blätter  uud  Kräuter. 


M ^ie  medicinische  Brauchbarkeit  der  unscheinbaren  Gratiola  war  schon 
Matthiolus  und  Dodonaeus  im  XYI.  Jahrhundert  nicht  entgaigen. 
Die  etwas  allgemeinere  Anwendung  begann  erst  später. 

Die  eigentümliche  Blüthenbildung  der  Gratiola  schliesst  eine  Verivechs- 
iuug  der  Pflanze  aus;  davon  abgesehen  hat  sie  grosse  Aehnlichkeit  mit  der 
an  denselben  Standorten  aber  weit  häufiger  wachsenden  Labiate  Scutella- 
na  galenculata  L.  Letztere  besitzt  jedoch  deutlich,  wenn  auch  kurz- 
gestielte am  Grunde  herzförmige  Blätter,  welche  vorzüglich  gegen  die  Basis 
seicht  gekerbt  sind.  Die  obersten  Blätter  hingegen  sind  fast  gauzraudig. 


Folia  Stramonii. 

Heiba  Daturae.  Stechapfelblätter.  Feuilles  de  stramoine.  Thora  apple. 

Der  krautige  hohle,  anfangs  einfach  angelegte  Stengel  des  Stechapfels 
(vergl.  bei  Semen  Stramonii)  treibt  später  aus  den  Winkeln  des  obersten 
die  Gipfelbliithe  stützenden  Blattpaares  dichotome,  etwas  ungleich  starke, 
ebenfalls  in  Gipfelblütheu  abschliessende  Verzweigungen1)-,  an  welchen  die 
normale  Lage  der  Blätter  durch  Anwachsungen  verändert  erscheint.  Unter- 
halb jeder  der  kurzgestielten  Gipfelblütheu  nämlich  entstehen  neben  jedem 
der  beiden  nach  aussen  gewendeten  Stützblätter  zwei  gegenständige  Seiten- 
blätter, deren  Stiele  mit  dem  der  erstem  verwachsen.  Aus  dem  Winkel  der 
letztem  geht  ebenfalls  eine  kurzgestielte  Blüthe  hervor.  Unterhalb  jeder 
Astgabel  findet  sich  ein  einzelnes  grosses  Blatt.  Diese  bei  sämmtlichen 
Verzweigungen  wiederholten  Verhältnisse1)  geben  der  buschig  ausgebreite- 
ten Staude  ein  eigentümliches  Aussehen. 

Die  weichen  sehr  leicht  welkenden  Blätter  sind  im  Umrisse  alle  spitz- 
eiförmig, sehr  ungleich  buchtig  gezähnt,  die  grossen  Zähne  oder  Lappen 
nochmals  mit  einem  oder  zwei  Paaren  kleinerer  Zähne  versehen , alle  kurz 
stachelspitzig.  Am  Grunde  gehen  die  Blätter  keilförmig,  gerade  abgeschnitten 
oder  fast  herzförmig  und  etwas  uneben  in  den  bis  0,1 0m  langen  schlanken 
Blattstiel  über.  Die  grössten  Blätter  messen  gegen  0,20m  in  der  Länge 
und  ungefähr  0,1 01U  in  der  durchschnittlichen  Breite,  von  den  Lappen  oder 
Zähnen  abgesehen. 

Obwohl  in  der  Jugend  sammt  den  zarten  Stengeltheilen  und  Blattstielen 
etwas  flaumig,  siud  die  ausgewachsenen  Blätter  doch  völlig  kahl,  bis  auf 
sehr  vereinzelte  weiche  Haare,  welche  sich  hier  und  da  längs  der  ziemlich 
feinen  Nerven  vorfiuden.  Die  letzteren  gehen  unter  35°  bis  40°  oder  weniger 
von  der  nicht  sehr  derben  Hauptrippe  gerade  ab. 

Der  sehr  widerliche  narkotische  Geruch  der  Blätter  verliert  sich  beim 
Trocknen.  Ihr  Geschmack  ist  alsdann  unangenehm  bitterlich  salzig. 

Die  Daturablätter  enthalten  in  sehr  geringer  Menge  dasselbe  Alkaloid 


U erschöpfend  dnrgcstcllt  von  W ydler:  Botan.  Zeitung  1844.  689.  — Flora  1851.  403. 


Folia  Hyoscyami. 


489 


wie  Semen  Stramonii  und  sind  reich  an  Salpeter.  Bei  100°  getrocknete 
ausgesuchte  Blätter  gaben  mir  17,4  pC.  Asche. 

Datura  Tatula  L.,  ungefähr  in  denselben  Gegenden,  aber  weit  seltener 
vorkommend  als  D.  Stramonium,  unterscheidet  sich  trotz  der  grössten 
Aehnlichkeit  von  letzterer  durch  bläuliche  bis  violette  Färbung  der  Stengel 
und  Blattstiele  und  blaue  Blume.  Tatula  ist  auch  im  allgemeinen  kräftiger, 
besonders  in  Yenezuela,  von  wo  oder  aus  Mexico  sie  stammt.  Ihre  Blätter 
sind  länger,  tiefer  buchtig  und  noch  spitzer  als  die  der  D.  Stramonium, 
aber  im  einzelnen  nicht  davon  zu  unterscheiden.  Vermuthlich  stimmen  sie 
auch  in  chemischer  Beziehung  überein. 

Die  gewöhnlich  herzförmigen  Blätter  von  Chenopodium  hybridum  L. 
sind  ungefähr  gleichgestaltet  wie  die  von  D.  Stramonium  und  können  auch 
dieselbe  Grösse  erreichen.  Die  Stengelblätter  bleiben  jedoch  kleiner,  tragen 
nur  2 oder  3 grosse  Sägezähne  an  jeder  Seite  und  sind  in  eine  lange  spiess- 
förmige  Spitze  ausgezogen,  während  dem  Ende  der  Daturablätter  eine  breite 
kurze  Spitze  aufgesetzt  ist. 

Folia  Hyoscyami. 

Herba  Hyoscyami.  Bilsenkraut.  Feuilles  de  jusquiame.  Henbane  leaves. 

Das  Bilsenkraut  (siehe  bei  Semen  Hyoscyami)  gelangt  meist  erst  im 
zweiten  Jahre  zur  Blüthe,  bei  frühzeitiger  Aussaat  oft  aber  auch  schon  im 
Spätsommer  des  ersten  Jahres.  Die  letztere  nur  einjährige  Form  (Hyoscya- 
mus  agrestis  Kitaibel),  mehr  mageren  Stellen  angehörend,  treibt  einen  ein- 
fachen, die  gewöhnlichere  zweijährige  Pflanze  hingegen  einen  etwas  ästigen 
über  fusshohen  Steugel.  In  beiden  Fällen  ist  derselbe  ziemlich  reich  besetzt 
mit  zerstreuten  weichen  spitz  eiförmigen  Blättern,  welche  zu  oberst  als  an- 
sehnliche Stützblätter  der  einseitigen  Bliithenähre  halb  stengelumfassend 
sitzen  und  an  beiden  Rändern  mit  ein  paar  grossen  Zähnen  versehen  sind. 
In  der  mittlern  Höhe  des  Stengels  tragen  die  Blätter  deren  etwa  4 auf  jeder 
Seite  und  -der  Endlappen  ist  bald  mehr  bald  weniger  spitz  ausgezogen. 
Die  grössten  Stengelblätter  erreichen  etwa  0,20ra  Länge  bei  einer  mittlern 
Breite  von  ungefähr  0,1 0m,  wenn  von  den  Zähnen  abgesehen  wird.  Nur 
die  untersten  Blätter,  so  wie  die  der  nicht  blühenden  Triebe  sind  allmälig 
von  bi  eit  eiförmigem  Umrisse  in  den  bis  0,05m  langen  Blattstiel  verschmä- 
lert und  mehr  seicht  und  grob  gezahnt.  Stengel,  Blätter  und  Kelch  des 
Bilsenkrautes  sind  von  sehr  langen  weichen  und  breit  bandartigen  Glieder- 
haaren zottig.  Das  letzte  lang  zugespitzte  Stück  vieler  Haare  läuft  in  eine 
mit  schmierigem  Inhalte  versehene  Drüse  aus , so  dass  die  frische  Pflanze 
sich  sehr  kleberig  anfühlt.  In  der  Kultur  nimmt  die  Behaarung  ab  und 
die  Blätter  werden  noch  bedeutend  umfangreicher.  Nach  dem  Trock- 
nen tritt  die  breite  helle  Mittelrippe,  welche  unter  etwa  50°  bis  60°  gerade 
Nerven  aussendet,  stark  hervor,  während  das  Blatt  übrigens  sehr  ein- 
schrumpft und  eine  graugrünliche  Missfarbe  annimmt. 


490 


Blätter  und  Kräuter. 


Der  stark  narkotische  Geruch  der  frischen  Blätter  ist  nach  dem  Trock- 
nen weniger  mehr  bemerklich,  der  Geschmack  salzig,  sehr  schwach  bitter- 
lich und  kaum  etwas  scharf. 

Ausser  dem  Hyoscyamin  (siehe  bei  Semen  Hyoscyami)  sind  vom  Bilsen- 
kraute keine  besonderen  Bestaudtheile  bekannt.  Es  scheint  reich  an  Salzen 
zu  sein. 

Häufig  ist  das  käufliche  Bilsenkraut  begleitet  von  der  unregelmässig, 
fast  zweilippig  füuftheiligen  Blume,  deren  zierlich  violette  Adern  auf  gelbem 
Grunde  sie  auch  nach  dem  Trocknen  noch  sehr  auszeichnen.  Eben  so 
charakteristisch  sieht  die  bei  Semen  Hyoscyami  erwähnte  Kapselfrucht  aus. 

Durch  blässere  rein  gelbliche  und  nicht  geaderte  Bliithen  unterscheidet 
sich  die  übrigens  gleich  beschaffene  Spielart  H.  pallidus  (H.  niger  ß.  palli- 
dus  Koch)  der  einjährigen  Form. 

In  Südeuropa  dient  auch  Hyoscyamus  albus  L. , dessen  sehr  zottige 
mehr  rundliche  oder  herzförmige  reicher  gezahnte  Blätter  langgestielt  sind. 

Die  fleischige  möhrenartige  Wurzel  des  H.  niger  riecht  sehr  stark  nar- 
kotisch und  wirkt,  wie  Schroff  gezeigt  hat,  besonders  im  zweiten  Jahre 
giftig,  doch  weniger  als  das  Kraut.  Die  saftige  nicht  verholzte  Wurzel  des 
ersten  Jahres  wirkt  noch  schwächer,  hat  aber  doch  schon  bei  Verwechslung 
mit  geniessbaren  etwas  ähnlichen  Wurzeln  Vergiftungen  veranlasst. 


Folia  Belladounae. 

Tollkraut.  Tollkirschblätter.  Feuilles  de  belladone.  Belladonna  leaves. 

Die  Tollkirsche  (siehe  bei  Radix  Belladounae)  treibt  starke  mannshohe 
krautige  Stengel,  die  sich  nach  oben  meist  in  3 wiederholt  gabelige  Aeste 
theilen  und  eine  reichliche  wickelförmige  Verzweigung1)  ausbilden.  Die 
Eigenthümlichkeit  derselben  spricht  sich  auch  in  der  Vertheilung  und 
Grösse  der  Blätter  aus. 

Die  untern  nämlich,  bis  ungefähr  0,20m  lang  und  0,10m  breit,  spitz 
eiförmig  und  keilförmig  in  den  bis  0,0Sln  langen,  etwas  schlaffen  Stiel  aus- 
laufend, finden  sich  zerstreut  unterhalb  der  Haupttheilung  des  Stengels. 
An  den  Aesten  hingegen  stehen  immer  zwei  Blätter  von  ungleicher  Grösse 
so  neben  einander,  dass  die  sämmtlichen  kleineren  Blätter  sich  nach  innen 
der  Hauptaxe  zuwenden , während  die  mehr  als  doppelt  so  grossen  äusseru 
Blätter  aller  Paare  mehr  aufgerichtet  und  nach  aussen  gekehrt  sind.  Die 
Grundgestalt  der  Blätter  bleibt  immer  dieselbe,  nur  sind  die  kleineren  ver- 
hältnissmässig  viel  breiter,  auch  kürzer  zugespitzt.  Aus  dem  geringen 
Zwischenräume  der  gepaarten  Blätter  brechen  die  kurzen  einblumigen 
Blüthenstielchen  hervor.  Alle  Blätter  sind  ganzraudig,  von  einer  breiten 
Rippe  durchzogen,  von  welcher  unter  uugefähr  40°  ziemlich  gerade  Nerven 


1)  sehr  gründlich  erörtert  von  Wydler:  Flora  1851  und  1859,  und  Mittheilungen  der 
Naturf.  Gesellschaft  in  Bern  1861. 


Folia  Nicotianae. 


491 


abgehen.  Die  zarteren  Stücke  des  Stengels  sind  flaumig,  die  jüngeren 
Blätter  am  Grunde  und  unterseits  längs  der  Nerven  mit  langen  weichen 
bandförmig  gegliederten  Haaren  spärlich  gewimpert.  Die  ausgewachsenen 
Blätter  aber  tragen  höchstens  noch  an  den  Nerven  der  blassgrünen  Rück- 
seite vereinzelte  Flaumhaare.  Wo  dieselben  am  reichlichsten  ei  scheinen, 
sind  sie  von  einer  kugeligen  Drüse  mit  gelbbraunem  schmierigem  Inhalte 
gekrönt.  Beide  Blattflächen,  etwas  spärlicher  die  dunkelgrüne  obere,  sind 
mit  sehr  zahlreichen  weissen  Pünktchen  besetzt,  welche  ausser  höchst  feiner 
Streifung  eine  besondere  Organisation  nicht  darbieten  und  sich  auch  beim 
Einäschern  nicht  etwa  als  Sitz  von  Kieselsäure  erweisen.  Häufig  kommen 
auch  von  einem  Korkrande  umschriebene  Stellen  vor,  wo  das  Blattparen- 
chym allen  Inhalt  verliert,  durchsichtig  wird  und  endlich  ganz  schwindet, 
so  dass  grössere  oder  kleinere  Löcher  Zurückbleiben. 

Trocken  sind  die  Blätter  papierdünn  und  brüchig;  sie  nehmen  leicht 
oberseits  eine  bräunliche,  unterseits  eine  grauliche  Färbung  an.  Ihr  schwach 
narkotischer  Geruch  verliert  sich  beim  Trocknen,  der  Geschmack  ist  wider- 
lich, aber  schwach  bitterlich;  sie  müssen  zur  Blüthezeit  gesammelt  werden, 
um  ihre  volle  Wirksamkeit  zu  besitzen,  wie  Schroff  (1852)  dargethan  hat. 

Ausser  dem  bei  Radix  Belladonnae  erwähnten  Atropin,  welches  die 
Blätter  in  nur  sehr  geringer  Menge  enthalten,  und  allgemeiner  verbreiteten 
Stoffen  findet  sich  im  Tollkraute  auch  Asparagin  (vergl.  unter  Radix  Al- 
thaeae),  welches  bei  längerer  Aufbewahrung  des  Extractes  nach  Biltz 
reichlich  auskrystallisirt.  Durch  Dialyse  erhielt  Attfield  aus  den  Blättern 
Kali- Salpeter,  Ammoniaksalze  und  vermuthlich  auch  äpfelsaure  Magnesia, 
so  wie  Traubenzucker.  Ausgesuchte  Blätter  bei  100°  getrocknet,  gaben 
mir  14,5  pC.  Asche,  welche  bei  weitem  vorherrschend  aus  Kalk-  und 
Alkali-Carbonat  bestand. 

F.  Scharf  oder  widrig  salzig  bitterlich  schmeckende 

Kräuter  und  Blätter. 

Folia  Nicotianae. 

Folia  Tabaci.  Herba  Nicotianae  virginianae.  Virginische  Tabaksblätter. 

Tabac.  Tobacco  leaves. 

Nicotiäna  Tabdcum  L.  (Metzger).  -r-  Solaneae. 

Die  Nico tiana- Arten  sind  grossblätterige  meist  drüsig- behaarte  Kräuter 
oder  Halbsträucher.  Die  allgemein  angebauten  bei  uns  einjährigen  Arten 
stammen  aus  Amerika,  die  obige  namentlich  aus  dessen  südlichen  Tropen- 
gegenden. 

Unter  den  verschiedenen  zur  Herstellung  des  Rauch-  und  Schnupftabaks 
kultivirten  Arten  ist  die  oben  genannte  bei  weitem  die  häufigste  und  wird 
für  die  arzneiliche  Verwendung  von  den  Pharmacopöen  meistens  ausschliess- 
lich gewählt.  Ihre  einfachen  zu  oberst  rispig- ästigen  bis  mannshohen 


492 


Blätter  und  Kräuter. 


Stengel  tragen  lang  zugespizte  gauzrandige  Blätter.  Die  bodenständigen 
etwas  breiter  lanzettlichen , bis  0,G0'H  lang  und  0,1 5M  breit,  verschmä- 
lern  sich  in  den  kurzen  Stiel.  Derselbe  fehlt  den  stengelständigen  am 
Grunde  halb  umfassenden  und  herablaufenden  Blättern  oder  ist  bei  man- 
chen aus  der  Kultur  hervorgegangenen  Spielarten  kurz  entwickelt,  bald 
mehr  bald  weniger  geflügelt  und  umfasst  oft  mit  ohrförmigen  Anhängseln 
den  Stengel.  Der  Umriss  der  Blätter  ist  breit  elliptisch,  oder,  zumal  nach 
oben,  mehr  schmal  lanzettlich.  Die  kleinen  Deckblättchen  der  schön  rötli- 
lichen  Blüthenrispe  bleiben  schmal  lanzettlich  oder  lineal.  — Die  Kultur 
erzeugt  übrigens  auch  sogar  herzförmig-eirunde,  bald  glatte,  bald  am  Rande 
mehr  oder  weniger  unebene  bis  fast  krause  Blattformen. 

Alle  ki  autigen  1 heile  der  Pflanze  sind  mit  langen  weichen  aus  breit 
bandartigen  fein  gestreiften  Zellen  zusammengesetzten  Haaren  versehen. 
Die  letzten  Glieder  derselben,  zu  äusserst  drüsenartig  aufgetrieben,  schwitzen 
einen  gelblichen  schmierigeu  Stoff  aus,  der  an  der  frischen  Pflanze  sehr 
kleberig  ist.  Ungestielte  Dräschen  finden  sich  auch  da  und  dort  auf  der 
feinkörnigen  oder  etwas  schülferigen  Fläche  des  nach  dem  Trocknen  papier- 
dünnen spröden  Blattes. 

Die  Seitennerven  gehen  in  gerader  Linie  unter  einem  Winkel  von  40° 
bis  75°  von  der  starken  Mittelrippe  ab,  erst  in  der  Nähe  des  Blattrandes 
nach  oben  eine  sanfte  Curve  beschreibend. 

Beim  Trocknen  nehmen  die  Blätter  dieser  Art  unvermeidlich  eiue  braune 
Färbung  an ; selbst  bei  der  sorgfältigsten  Behandlung  eines  einzelnen  Blattes 
gelingt  es  nicht,  die  grüne  Farbe  zu  erhalten. 

Der  Geruch  der  Blätter  ist  narkotisch , ihr  Geschmack  widrig  und 
scharf  bitter. 


Die  Tabaksblätter  sind  auffallend  reich  an  unorganischen  Bestandtheileu, 
deren  Menge  zwischen  16  und  27  pC.  schwankt.  Trocken  enthalten  sie 
nach  Boussingault,  vom  Kalke  abgesehen,  etwa  1 pC.  Phosphorsäure, 
o pC.  Kali  neben  (2,5  Ru  eilte  bis)  4,5  pC.  Stickstoff,  so  dass  offenbar 
zum  Gedeihen  des  labaks  ein  reicher  Boden  oder  nachhaltige  Düngung  er- 
forderlich ist. 


Der  Kalk,  % bis  V2  der  ganzen  Aschenmenge  betragend,  ist  in  den 
Blättern  vorzugsweise  an  organische  Säuren,  besonders  an  Aepfelsäure 
(etwa  3 pC.)  und  wohl  auch  an  Citronsäure  gebunden,  die  Magnesia  (oft 
7 bis  15  pC.  der  Asche,  oft  bedeutend  weniger)  vielleicht  vorherrschend  au 
Phosphorsäure.  Der  Kaligelialt  schwankt  sehr  stark  uud  kann  bis  gegen 
30  pC.  der  Asche  steigen.  Das  Kalium  ist  mit  Schwefelsäure,  Chlor  oder 
auch  mit  organischen  Säuren  verbunden.  Die  leichte  Einäscherung  der 
Blätter,  d.  h.  also  die  richtige  Brennbarkeit  des  Rauchtabaks,  ist  nach 
Schlösing  abhängig  von  der  Gegenwart  organischer  Kalisalze,  welche 
daher  nöthigenfalls  auch  noch  bei  der  Beize,  z.  B.  in  Gestalt  von  Weinstein, 
den  Blättern  beigefügt  werden  können. 

Schlecht  brennender  Tabak  liefert  eine  an  Kalisulfat  und  Chlor- 


Folia  Nicotianae. 


493 


kalium1)  reiche,  aber  von  Kali-Carbonat  freie  Asche.  Nicht  minder  wich- 
tig für  das  Verhalten  des  brennenden  oder  glimmenden  Tabaks  ist  aber 
auch  die  Salpetersäure,  welche  sich  oft  auf  2 pC.  in  dem  von  der  Haupt- 
rippe befreiten  Blatte,  in  der  letztem  sogar  auf  6 pC.  belaufen  kann.  Sie 
ist  ebenfalls  an  Kali  gebunden. 

Schwarzenbach  fand  in  frischen  Blättern  so  gut  wie  keinen  Salpeter, 
sehr  viel  aber  in  den  getrockneten,  und  schliesst  daraus,  dass  die  Salpeter- 
säure sich  erst  während  des  Trocknens  bildet. 

Der  Kieselsäuregehalt  der  Asche  schwankt  von  4,5  bis  19  pC.  Natron, 
Thonerde  und  Eisenoxyd  pflegen  in  geringer  Menge  vorzukommen. 

Der  wirksame  Stoff  des  Tabaks  ist  das  (1828)  zuerst  von  Posselt  und 

, ns  jj7 

Reimann  isolirte  Nicotin,  N2^5  jj7  , ein  bei — 10  noch  flüssiges,  unter 

200°  destillirbares , aber  erst  gegen  250°  nicht  ohne  Zersetzung  siedendes 
Alkaloid  von  etwa  1,03  spec.  Gewichte. 

Das  Nicotin  ist  eine  tertiäre  Diaminbase  von  stark  alkalischer  Reaktion, 
die  Polarisationsebene  des  Lichtes  nach  links  drehend.  Dem  Tabake  lässt 
es  sich  als  äpfelsaures  Nicotin  leicht  durch  Weingeist,  noch  besser  durch 
Wasser,  nicht  aber  durch  Aether  vollständig  entziehen.  Alkalien,  ihre  Car 
bonate  und  Bicarbonate,  auch  Ammoniak  und  sogar  kohlensaurer  Kalk  ver- 
mögen das  Nicotin  auszutreiben.  An  der  Luft  zieht  es  sehr  begierig  Wasser 
an  und  löst  sich  auch  leicht  in  demselben,  so  wie  in  Weingeist,  Aether  und 
in  Oelen.  Längere  Zeit  der  Luft  ausgesetzt  verharzt  es.  Das  in  Gaben  von 
wenigen  Centigrammen  schon  sehr  gefährliche  Nicotin  ist  im  höchsten 
Grade  der  Träger  des  scharfen  ätzenden  Geschmackes  und  Geruches,  so 
wie  der  giftigen  Wirkungen  des  Tabaks. 

Der  Gehalt  an  Nicotin  unterliegt  bedeutenden  Schwankungen.  Schlö- 
sing  bestimmte  denselben  in  entrippten  Blättern  zu  3 bis  6,  ja  sogar  über 
8 pC.,  andere  Chemiker  fanden  immer  viel  weniger,  z.  B.  Wittstein 
(1862)  in  bester  lufttrockener  Waare  aus  der  Pfalz  1,5  bis  2,6  pC.,  F.  F. 
Mayer  in  Blättern  aus  der  Gegend  von  New-York  (1864)  1,36  pC.  Der 
letztere  zeigte  auch  aufs  neue,  dass  das  Nicotin  schon  in  der  ganzen  frischen 
Pflanze  verbreitet  ist,  sogar  in  den  Samen  z.  B.  zu  0,45  pC.2). 

Mayer  zufolge  ist  dagegen  die  lebende  Pflanze  frei  von  Ammoniak  und 
Trimethylamin,  während  trockene  oder  gar  gegohrene  zum  Rauchen,  Kauen 
oder  Schnupfen  hergerichtete  Blätter  oft  mehr  Ammoniak  als  Nicotin  zeigen. 

Guter  Rauchtabak  enthält  nach  Schlösing  2 bis  4 pC.  Nicotin. 
Husemann3),  der  Schlösing’s  Zahlen,  wohl  nicht  mitUnreclit,  zu  hoch 

0 in  300  Liter  (unter  Zusatz  von  Wasser  gepressten)  Saftes  frischer  Blätter  von  Nico- 
tiana  rustica  fand  Lies-Bodart  im  Eisass  als  bei  weitem  vorwaltonden  Bestandtheil 
389  Gramm  Chlorkalium  auf  956  Gr.  fester  Stoffe. 

2)  Brand)  fand  in  denselben  gegen  42  pC.  fettes  Oel,  aber  (in  etwa  140  Gramm  Samen) 
keine  Spur  Nicotin.  — Wittstein’s  Vierteljahrsschrift  XIII.  169  (1864). 

3)  Handb.  d.  Toxikologie.  479.  484. 


494 


Blätter  und  Kräuter. 


oder  wenigstens  nicht  allgemein  gültig  findet,  zeigt,  dass  nach  denselben 
eine  Cigarre  schon  die  Dosis  toxica  an  Nicotin  enthalten  müsste.') 

Geringere  Tabakssorten  pflegen  reicher  an  Nicotin  zu  sein;  doch  ist 
übeihaupt  dessen  Menge  auch  von  der  Zubereitung  (Beize)  abhängig,  welcher 
der  Tabak  unterworfen  wird  und  wobei  ein  Verlust  an  Alkaloid  unver- 
meidlich ist,  z.  Th.  sogar  indirekt  angestrebt  wird,  um  dessen  Menge  auf 
das  richtige  Mass  herabzusetzen.  Das  Nicotin  findet  sich  alsdann  auch, 
wenigstens  im  Schnupftabak , als  Essigsäuresalz  vor  und  kann  nun  durch 
Aether  aufgelöst  werden. 

Bei  der  unvollständigen  Verbrennung,  welche  der  Tabak  beim  Rauchen 
erleidet,  gesellen  sich  dem  Nicotin  noch  andere  flüchtige  Basen,  so  wie 
Blausäure,  Schwefelwasserstoff,  flüchtige  Säuren,  Kohlenoxyd  u.  s.  w.  bei. 
Im  unveränderten  Kraute  ist  ein  zweites  Alkaloid  nicht  aufzufinden;  das 
Nicotin  ist  auf  die  Tabaksarten  beschränkt,  tritt  jedoch  bei  der  Spaltung 
des  Solanins  auf  (Kletzinsky). 

Frische  oder  trockene  Tabaksblätter  geben  mit  Wasser  ein  trübes  Destil- 
lat, auf  welchem  sich,  wie  schon  Her  mb  st  ädt  (1823)  bemerkte,  nach 
einigen  Tagen  Krystalle  von  Nicotianin  (Tabakscampher)  bilden. 
Sie  betragen  nur  ein  oder  wenige  Zehntausendstel  des  Krautes  und  theilen 
einigermassen  dessen  Geruch  und  Geschmack.  Nach  Barral  enthält  das 
Nicotianin  7,12  pC.  Stickstoff,  nach  anderen  wäre  es  vielmehr  nur  ein 
durch  Nicotin  verunreinigtes  Stearopten  — möglicherweise  der  Inhalt  der 
Oeldrüsen,  welcher  die  frische  Pflanze  kleberig  macht.  Beim  Zusammen- 
bringen trockenen  N icotins  mit  Chromsäure-Krystallen  bemerkte  Kletzinsky 
den  Geruch  des  Nicotianins. 

Von  allgemein  verbreiteten  Stoffen  enthalten  die  Tabaksblätter  noch 
Eiweiss,  Harz,  Gummi.  Beim  Rauchen  würden  diese,  so  wie  die  Cellulose 
der  starken  Blattrippen  dem  Geschmacke  der  Consumenten  nicht  zusagende 
Verbrennungsprodukte  (Horngeruch,  Kreosot)  liefern.  Die  Industrie  besei 
tigt  daher  die  Rippen  und  bezweckt  auch  durch  die  weitere  Zubereitung 
überhaupt  die  theilweise  Zerstörung  jener  unwillkommenen  Stoffe  neben 
der  Bildung  nicht  näher  gekannter  Gährungsprodukte  (Fermentöle),  welche 
zum  Aroma  des  Tabaks  beitragen  mögen,  namentlich,  wenn  der  Beize  noch 
zuckerhaltige  Stoffe  oder  Weingeist  zugesetzt  werden. 

Die  Spanier  trafen  1492  schon  die  Sitte  des  Rauchens  und  trugen  sehr 
bald  zu  ihrer  Verbreitung  zunächst  über  ganz  Mittelamerika  bei.  Auch  das 
Schnupfen  und  Kauen  des  Tabaks  scheint  den  dortigen  Eingeborneu  bereits 
bekannt  gewesen  zu  sein. 

Auf  Haiti  fand  sich  der  Name  Tabaco  für  Cigarre  oder  Pfeife  vor. 
Fra  Romano  Pane,  ein  Reisegefährte  Colons,  schickte  1518  Tabaks- 
samen an  Karl  V. 


1)  vergl.  auch  J o 1 1 y , etudcs  hygieniqucs  et  m^dicales  sur  lc  tabac.  Paris  1 865. 


Folia  Nicotianae. 


495 


Im  Oriente  scheinen  die  Chinesen  seit  undenklichen  Zeiten  Nicotiana 

chinensis  Fischer  zu  Cigarren  zu  verwenden 

Die  erste  genauere  Beschreibung  einer  Tabaks -Pflanze  gab  lo25 
zalo  Hernandez  de  Oviedo  yValdes,  Statthalter  von  St.  Domingo;  er 
verglich  sie  mit  Bilsenkraut.  Sie  gelangte  jedoch  erst  um  die  Mitte  des 
Jahrhunderts  nach  Europa,  zuerst  als  Arzneikraut  nach  Lissabon  von  wo 
der  französische  Gesandte  Jean  Nicot  die  Samen  (zwischen  loo9  u.  1561) 
nach  Frankreich  sandte.  Kurze  Zeit  nachher  erhielt  auch  Conrad  Gesner 
(f  1565)  indirekt  von  Occo  in  Augsburg  das  Kraut  und  erkannte  es  durch 
Vergleichung  mit  einer  Abbildung,  welche  ihm  Aretius  in  Bern  nach  von 
letzterem  selbst  aus  Samen  gezogenen  Pflanzen  entworfen  hatte.  Gesner 
machte  in  Deutschland  zuerst  auf  den  Tabak  und  seine  medicinischen  Eigen- 
schaften aufmerksam.1 2)  1563  hatte  auch  Dodouaeus  eine  Abbildung  und 


Beschreibung  der  Pflanze  veröffentlicht. 

Gegen  Ende  des  Jahrhunderts  kannte  man  in  Spanien,  Portugal,  bald 
auch  in  England  und  Holland,  1605  auch  bereits  in  Konstantinopel,  Aegypten 
und  Indien  allgemeiner  das  Rauchen,  dessen  ausserordentlich  raschei  Ver- 
breitung geistliche  und  weltliche  Mächte  vergebens  entgegeutraten.-)  In 
Deutschland  waren  die  Heere  des  dreissigjährigeu  Krieges  die  Hauptförderer 
des  Rauchens. 

1615  wurde  in  Holland,  wenig  später  in  England,  um  1660  auch  in 
der  Rheinpfalz,  in  Ungarn,  in  der  Mark  Brandenburg  der  Anbau  des  Tabaks 
im  grossen  begonnen,  der  jetzt  in  den  meisten  Ländern  zwischen  dem  loten 
und  35ten  bis  50ten  Breitengrade  betrieben  wird.  Selbst  im  südlichen 
Skandinavien  gedeiht  noch  Tabak.  — Heutzutage  erzeugt  die  ganze  Erde 
gegen  9,  Europa  allein  nach  von  Reden  (1854)  3 Millionen  Centner 
Tabak  und  verbraucht  dazu  noch  fernere  2 Mill.  Centner.  England  allein 
führt  hauptsächlich  aus  Virginien  -über  V2  Mill.  ein.  Nordamerika  baut  un 
gefäkr  2 Mill.  Ctr.  und  Frankreichs  Staatsmauufakturen  setzen  jährlich  für 


180  Millionen  Francs  Tabak  ab. 

Den  Botanikern  des  XVI.  Jahrhunderts  war  zuerst  nicht  Nicotiana  Taba- 
cum,  sondern  die  mehr  in  Mexico  und  dem  nördlichen  Theile  Mittelamerikas 
einheimische  Nicotiana  rustica  L.  unter  der  Bezeichnung  peruanisches  oder 
gelbes  Bilsenkraut  bekannt.3)  Sie  unterscheidet  sich  auffallend  durch  die 
grüngelben  Blüthen  und  die  gestielten  eiförmigen  oder  rundlichen  bis  schwach 
herzförmigen  Blätter,  welche  bei  etwa  0,20™  Länge  oder  mehr  leicht  über 
0, 1 5™  Breite  zeigen.  Trotz  ihrer  derberen  Beschaffenheit  trocknen  sie  leichter 
und  bei  einiger  Sorgfalt  mit  Beibehaltung  der  grünen  Farbe.  Ihre  mehr 


!)  später  auch  Ziegler:  „Von  dem  gar  heilsamen Wundkraute  Nicotiana.“  Zürich  1616. 

2)  in  kenntnisreicher  und  launigerWeise  ausführlich  geschildert  in  Cook e,  The  seveu 
sisters  of  sleep.  London  1863.  pg.  19—113. 

3)  Doch  erwähnte  z.  B.  der  Apotheker  Renward  Cysat  in  Luzern  1613  ausdrücklich  die 
rothblühende  Nicotiana  und  scheint  sie  wohl  schon  um  1581  gekannt  zu  haben.  Clusius 
hatte  schon  1574  als  Petum  latifolium  die  N.  Tabacum  beschrieben. 


496 


Blätter  und  Kräuter. 


bogenförmig  aufstrebenden  Nerven  sind  in  Winkeln  von  50 — 80°  zur  Mittel- 
rippe geneigt.  Diese  gleichfalls  in  mehreren  Formen  gezogene  Art  scheint 
im  allgemeinen  schärfer  zu  sein  als  N.  Tabacum  und  darf  daher  nicht  statt 
der  letzteren  verwendet  werden,  ist  übrigens  weit  weniger  angebaut. 

Von  N.  Tabacum  ist  der  Maryland -Tabak,  N.  macrophylla  Metzger, 
hauptsächlich  durch  die  weniger  ausgebreitete  ebensträussige  Rispe  und  die 
breiteren,  kurz  oder  gar  nicht  gestielten  Blätter  verschieden,  deren  Nerven 
ziemlich  rechtwinkelig  auf  der  Mittelrippe  stehen. 

Die  Art  oder  Spielart  gehört  mit  zu  der  ursprünglichen  Linne’schen 
N.  Tabacum,  von  der  sie  auch  wohl  chemisch  nicht  ab  weicht. 

Die  Geschichte  des  Tabaks  ist  in  sehr  eingehender  und  erschöpfender 
Weise  von  Friedrich  Tiedemann1)  dargestellt  worden. 

Herba  Lobeliae. 

Lobeliakraut.  Lobelie  enflee.  Indian  tobacco. 

Lobelia2)  inflata  L.  — Lobeliaceae. 

Einjähriges  bis  2 Fuss  hohes  Kraut  mit  kantigem  aufrechtem  einfachem 
oder  häufiger  oben  ästigem  Stengel,  welches  durch  den  östlichen  Theil 
Nordamerikas  von  Canada  bis  in  das  Missisippi- Gebiet  sehr  verbreitet  ist 
und  in  unsern  Gärten  gut  fortkömmt. 

Die  zerstreuten,  kaum  gestielten  oder  sitzenden  eiförmigen,  wenig  zuge- 
spitzten Blätter  erreichen  0,060,n  Länge  und  0,055m  Breite.  Die  sanften, 
wenig  tief  gekerbten  oder  welligen  Ausschnitte  des  Blattrandes  tragen  kleine 
weissliche  Drüsen,  dazwischen  vereinzelte  Börstchen , welche  häufiger  auf 
der  Unterfläche  des  Blattes,  seltener  auf  der  entgegengesetzten  Seite  Vor- 
kommen, in  grösster  Zahl  aber  den  unteren  und  mittleren  Theil  des  Sten- 
gels zu  bekleiden  pflegen.  Das  spitzwinkelige  Adernetz  tritt  auf  den  zarten 
Blättern  hauptsächlich  an  der  unteren  Fläche  deutlich  hervor.  Der  unten 
röthliche,  oben  grünliche  Stengel  lässt  bei  der  Verwundung  etwas  scharfen 
Milchsaft  austreten. 

Die  unansehnlichen  Blüthen  bilden  entweder  eine  einfache  reichblüthige 
endständige  Traube  oder,  wo  der  Stengel  verästet  ist,  eine  rispenartig  zu- 
sammengesetzte Traube.  Die  einzelnen  Zweiglein  der  letzteren  überragen 
ihr  Stützblatt  und  sind  nur  gegen  ihre  Spitze  mit  nicht  sehr  zahlreichen 
Blüthen  besetzt.  Jede  derselben  wird  von  einem  kleinen  spitzen  und  krausen 
Deckblättchen  begleitet , welches  (trocken)  fast  die  doppelte  Länge  des  nur 
3 Millim.  erreichenden  dünnen  Bliithenstielchens  besitzt. 

Die  spitz  eiförmige  oder  kugelige  bis  0,005'"  dicke  gerippte  Frucht  ist 


1)  Gosch,  d.  Tabaks  und  anderer  ähnlichen  Genussmittel  (Hanf,  Opium,  Betel,  Guru,  Coca). 
Frankfurt  1854,  S.  1 — 399. 

2)  Obel  oder  de  l’Obel  (1538  — 1G1G)  aus  Flandern,  Arzt,  dann  Botaniker  in  Hackney 
bei  London. 


Herba  Conii. 


497 


von  dem  ötheiligen  Kelche  gekrönt,  dessen  sehr  verlängerte,  zuletzt  haar- 
förmige Zipfel  fast  halb  so  lang  sind  wie  die  reife  Frucht.  Die  ungleich 
5 spaltige  zweilippige  Krone  ist  von  zart  bläulicher  Farbe  mit  gelbem  Fleck 
auf  der  Unterlippe,  ihre  Röhre  von  der  Länge  der  etwas  abstehenden 
Kelchzipfel. 

Die  dünnwandige  bauchige,  halb  unterständige  und  kahle  Kapselfrucht 
trägt  in  ihreu  zwei  oder  drei,  am  Scheitel  mit  2 kurzen  Klappen  aufsprin- 
genden Fächern  sehr  zahlreiche  braune  eiförmige,  höchstens  1/s  Millim. 
lauge  Samen  von  netzig-grubiger,  ziemlich  eigen thümlicher  Oberfläche, 
deren  Zeichnung  aber  schon  der  Vergrösserung  bedarf. 

Das  ganze  wild  wachsende  oder  auch  cultivirte  Kraut  wird  während 
oder  gleich  nach  der  Blüthezeit  gesammelt  und  vorzüglich  von  der  Firma 
Tilden  & Comp,  in  New-Lebanon,  Staat  New-York,  in  viereckig  geschnit- 
tenen, stark  gepressten  Paketen  von  verschiedener  Grösse  in  den  Handel 
gebracht. 

Es  schmeckt  sehr  unangenehm  scharf  und  kratzend,  namentlich  sind 
die  öligen  Samen  von  sehr  gefährlicher  Schärfe.  Der  an  Tabak  erinnernde 
Geschmack  hat  der  Pflanze  im  Vaterlande  den  Namen  Indian  tobacco  ver- 
schafft. Keiner  ihrer  Bestandtheile  ist  genauer  bekannt.  Das  Lobelin 
scheint  nach  Procter  (1842)  und  Bastick  (1851)  ohue  Zweifel  ein  flüch- 
tiges, dickflüssiges  Alkaloid  von  giftigen  Eigenschaften  zu  sein,  das  krystal- 
lisirende  Salze  liefert  und  in  der  Pflanze  an  die  ihr  eigentümliche  krystalli- 
sirbare  Lobeliasäure  gebunden  ist.  Das  von  Reinsch  (1843)  beschrie- 
bene Lobeliin  war  vielleicht  dieselbe  Base,  nur  weniger  rein.  Noch  mangelhafter 
charakterisirt  ist  Pereira’s  L obelianin.  Das  Kraut  enthält  auch  eine 
Spur  ätherischen  Oeles,  Harz  und  Gummi,  die  Samen  nach  Procter  30  pC. 
fetten,  äusserst  rasch  trocknenden  Oeles. 

Den  Eingeborenen  Amerikas  längst  bekannt,  wurde  die  Lobelia  zu 
Anfang  unseres  Jahrhunderts  auch  von  den  dortigen  Aerzten  und  seit  1829 
in  England  zur  Anwendung  gezogen. 

Herba  Conii. 

Herba  Cicutae.  Schierling.  Feuilles  de  graude  eigne.  Hemlock  leaves, 

Conium  maculatum  (siehe  bei  Fructus  Conii)  treibt  im  ersten  Jahre  nur 
einen  wurzelständigen  Blattbüschel,  welchem  im  zweiten  Jahre  der  ein- 
jährige, mehr  als  Mannshöhe  erreichepde,  nicht  sehr  starke  Stengel  folgt. 
Derselbe  ist  unterhalb  in  zerstreute,  oben  in  gegenständige  oder  wirtelige, 
sämmtlich  gabelförmige  Aeste  getheilt,  welche  im  ganzen  eine  sehr  ansehn- 
liche Doldentraube  darstellen  und  sowohl  an  ihreu  Spitzen  als  in  den  Gabeln 
doppelt  zusammengesetzte  Dolden  tragen. 

Die  grössten  der  bodenständigen  Fiederblätter,  über  0,20m  lang  und 
eben  so  breit,  sind  von  unregelmässigem,  breit  eiförmigem  Umrisse , von 
einem  oft  gleich  langen  rührigen  Stiele  getragen , welcher  am  Grunde  den 

Flückiger,  Pharmakognosie.  82 


498 


Blätter  und  Kräuter. 


Stengel  mit  einer  häutigen  Scheide  umfasst.  Nach  oben  nehmen  die  Blätter 
allraälig  sehr  an  Umfang  ab,  sind  kürzer  gestielt,  weniger  reich  gefiedert, 
spitziger  und  zu  2 oder  3 — 5 gegenüber  gestellt.  Die  randhäutigen,  leicht 
abfallenden  Hüllblättchen  der  Dolde  sind  einfach  spitz -lanzettlich  und  nur 
ungefähr  8 Millim.  lang.  Wenig  kürzer,  aber  auswärts  einseitig  erscheinen 
die  breiteren  und  am  Grunde  verwachsenen  Hüllchen  der  Doldeu  zweiter 
Ordnung. 

Die  grösseren  Blätter  siud  dreifach  gefiedert,  die  Abschnitte  erster  Ord- 
nung 4-  bis  8 paarig,  gestielt  und  den  allgemeinen  Umriss  des  ganzen 
Blattes  wiederholend,  das  unterste  Fiederpaar  oft  etwas  entfernt,  ln 
gleicher  Weise  siud  diese  Blattabschnitte  wieder  5 paarig  gefiedert  und 
schliessen  in  einem  grob  und  tief  gesägten  oder  gefiederten  Endstücke  ab, 
das  den  Fiedern  dritter  Ordnung  gleich  sieht.  Dieselben  sind  nämlich  wenig 
regelmässig,  aus  4 oder  5 Paaren  breit  eiförmiger,  länglicher  oder  mitunter 
fast  etwas  sichelförmiger  Zipfel  gebildet,  welche  am  Grunde  Zusammen- 
flüssen und  vorn  ein  paar  breite  Sägezähne  tragen.  Die  letzten  Theilungen 
des  Blattes  zeigen  sich  viel  mehr  länglich  abgerundet  als  pyramidal  zuge- 
spitzt, jedoch  ist  der  Blattrand  jedes  einzelnen  Zipfelchens  oder  Sägezahnes 
zu  äusserst  in  ein  sehr  kurzes  trockenhäutiges  Spitzchen  ausgezogen. 

Der  hohle  walzenrunde  oder  etwas  gerillte,  nicht  stark  kantige  Stengel 
ist  bläulich  bereift,  nach  unten  meist  braunroth  gefleckt;  die  Blätter  glanz- 
los, oberseits  dunkelgrün.  Der  ganzen  Pflanze  fehlt  eine  Behaarung  voll- 
ständig. 

Bei  nicht  sorgfältiger  Aufbewahrung  verlieren  die  Blätter  leicht  ihre 
dunkelgrüne  Farbe  und  werden  feucht.  Sie  riechen  auch  trocken  narkotisch, 
zumal  wenn  sie  mit  Kalilauge  getränkt  werden,  und  schmecken  widerlich 
salzig,  etwas  bitterlich  und  scharf.  Das  Kraut  zeigt  sich  zur  Blüthezeit  am 
wirksamsten.  Es  enthält,  wiewohl  in  geringer  Quantität,  dieselben  Alkaloide 
wie  die  Früchte,  namentlich  auch  zur  Blüthezeit  des  Conydrin.  Geiger 
erhielt  aus  frischem  Kraute  noch  nicht  1 Zehntausendstel  Coniin  (vergl. 
bei  Fructus  Conii).  Südliche  Standorte  scheinen  jedoch  die  Bildung  des 
Alkaloides  sehr  zu  begünstigen. 

Den  Gesammtgehalt  an  Stickstoff  bestimmte  Wrightsou  in  getrock- 
neten Blättern  zu  6,8  pC.,  die  Asche  zu  12,8  pC.  In  letzterer  sind  haupt- 
sächlich Kali-,  Natron-  und  Kalksalze,  besonders  Chlornatrium  und  Kalk- 
Phosphat  vorwaltend. 

In  der  bei  Herba  Millefolii  beschriebenen  Weise  lässt  sich  auch  aus 
Conium  ein  Fermentöl  gewiunen. 

Die  Blätter  der  Gicuta  virosa  L.  können  unmöglich  mit  denen  des 
Conium  verwechselt1)  werden.  Aehnlicher  sehen  denselben  die  der  Aethusa 

1)  Cicuta  der  Römer  war  unser  Conium.  Cicuta  virosa  wächst  nicht  im  Süden,  namentlich 
gar  nicht  in  Griechenland.  Die  Namcusverwechsluug  schlich  sich  im  Mittelalter  ein,  wo  sich 
dann  nicht  mehr  entscheiden  lässt,  was  z.  B.  im  XIH.'  Jahrhundert  unter  .Schärlinch,  das  ist 
Zicuta“,  gemeint  war. 


Folia  Aconiti. 


499 


Cynapium.  Doch  sind  die  letzteren  in  ihren  äussersten  Abschnitten  spitz 
lanzettförmig  und  lebhaft  glänzend,  der  Blattstiel  nicht  hohl.  Der  Dolde 
fehlen  die  Hüllblättchen , während  die  Döldchen  von  drei  solchen  gestutzt 
sind  welche  herabhängen,  aber  an  Länge  den  Strahlen  ihres  Döldchens 
wenigstens  gleich  kommen  oder  dieselben  übertreffen.  Noch  grössere  Aehn- 
lichkeit  mit  Conium  zeigen  besonders  die  unteren  Blätter  von  Chaerophyllum 
bulbosum  L.,  welche  Doldenpflanze  sich  aber  im  ganzen  durch  spitzigere 
Blattumrisse  unterscheidet  und  vorzüglich  an  den  bis  2 Millim.  langen 
Börstchen  kenntlich  ist,  welche  sehr  zerstreut  auf  den  Blättern  und  Stengeln 
Vorkommen.  Chaerophyllum  temulum  besitzt  breite,  fast  gelappte  Fieder- 
chen,  Ch.aureum  sehr  lang  zugespitzte;  beide  Pflanzen  sind  überdies  auch 
etwas  behaart  oder  doch  gewimpert. 

Yon  allen  genannten  Umbelliferen  weicht  übrigens  Conium  auf  das  be- 
stimmteste durch  die  Gestalt  der  Frucht  ab,  deren  Eigenthümlichkeit  sich 
schon  lange  vor  der  Reife  hinlänglich  ausprägt.  Ferner  entwickelt  nui 
Conium  bei  Befeuchtung  mit  Kalilauge  die  widrig  riechenden  und  alkalisch 
reagirenden  Dämpfe  des  Coniins. 

Folia  Aconiti. 

Herba  Aconiti.  Eisenhutkraut.  Sturmhutkrant.  Feuilles  d aconit. 

Aconite  leaves. 

Die  mehr  als  mannshohen,  starr  aufrechten  Stengel  des  Aconitum 
Napellus,  der  am  allgemeinsten  verbreiteten  unter  den  hier  in  Betracht  kom- 
menden Arten  (vergl.  bei  Tuber  Aconiti),  sind  mit  zerstreuten  lauggestielten 
Blättern  reichlich  besetzt. 

Der  Gesammtumriss  der  bis  auf  den  Grund  schmal  keilförmig  zer- 
schlitzten und  flach  ausgebreiteteu  Blätter  ist  wenig  regelmässig,  breit 
eiförmig  bis  fast  herzförmig,  in  der  Quere  bisweilen  gegen  0,20m  messend. 
Der  schlanke  rinuige,  zu  unterst  am  Stengel  gegen  0,1  Om  erreichende,  an 
den  oberen  Blättern  allm^lig  au  Länge  bedeutend  abnehmende  Blattstiel 
setzt  sich  in  gerader  Richtung  in  dertfmittleren,  gewöhnlich  am  weitesten 
hervorragenden  Blattabschnitt  fort.  Derselbe  wird  nach  vorn  sehr  allmälig 
etwas  breiter,  theilt  sich  in  5 — 6 am  Grunde  zusammenfliessende  Lappen, 
deren  jeder  mehr  nach  vorn  wieder  in  drei  oder  mehr  schmal  lineale  gerade 
oder  sichelartig  gebogene  und  meist  nicht  gegenständige  Zipfel  zerfällt. 
Diese  letzteren  sind  schliesslich  auch  noch  oft  mit  ein  paar  langen  schmalen 
und  spitzigen  Zähnen  versehen. 

Aus  der  Ansatzstelle  des  mittleren  Blattabschnittes  erster  Ordnung  geht 
zur  linken  und  zur  rechten  je  ein  ähnlicher  und  nicht  minder  tief  getlieilter 
und  gerippter  Abschnitt  hervor,  dessen  einzelne  Lappen  aber  meist  bis  auf 
den  Grund  getrennt  zu  sein  pflegen.  Ist  dies  nicht  vollständig  der  Fall,  so 
stellt  sich  das  ganze  Blatt  als  dreitheilig , sonst  aber  als  siebentheilig  dar. 
Die  obersten  Steugelblätter  sind  einfacher  und  gehen  nach  und  nach  in 

32’ 


500 


Blätter  und  Kräuter. 


Deckblätter  der  schönen  Blüthentraube  oder  Rispe  über,  welche  dein  käuf- 
lichen Kraute  gewöhnlich  nicht  beigegeben  wird. 

Trotz  der  tiefen  und  vielfachen  Theihing  der  Blätter  ist  ihnen  eine  ge- 
wisse Derbheit  eigen;  trocken  sind  sie  brüchig  und  nicht  hygroskopisch, 
die  einzelnen  Lappen  von  der  Seite  her  etwas  gerollt,  oberseits  dunkelgrün  und 
vertieft  gefurcht,  unterseits  etwas  weisslich,  von  erhabenen  Rippen  durchzogen. 

Bei  Aconitum  Stoerckeanum  (vergl.  bei  Tuber  Aconiti)  erscheinen  die 
Blätter  weit  deutlicher  in  3 oder  5 Hauptabschnitte  getlieilt,  deren  weniger 
zahlreiche  Lappen  und  Zipfel  breiter  keilförmig  bleiben  und  mehr  Zusammen- 
flüssen. 

Noch  weniger  tief,  in  ihren  Hauptabschnitten  fast  rhombisch  getlieilt 
sind  die  Blätter  von  A.  variegatum. 

Die  überhaupt  sehr  ausgeprägte  Veränderlichkeit  der  Arten  dieser 
Gattung  erstreckt  sich  übrigens  auch  einigermassen,  zunächst  wohl  durch 
Bodenverhältnisse  bedingt,  auf  die  Blattform. 

Chemische  Verschiedenheit  der  Blätter  von  Art  zu  Art  ist  nicht  nach- 
gewiesen. Sie  schmecken  erst  fade,  dann  sehr  anhaltend  und  gefährlich 
brennend.  Das  bei  Tuber  Aconiti  erwähnte  Aconitin  ist  in  geringerer  Menge 
in  den  Blättern  enthalten,  die  Aconitsäure,  zumal  an  Kalk  gebunden, 
dagegen  weit  reichlicher  in  letzteren.  Sie  enthalten  ausserdem  in  geringer 
Menge  Zucker,  eisengrünenden  Gerbstoff  und  Ammoniaksalze.  Ueber  Aconit- 
blätter abdestillirtes  'Wasser  riecht  narkotisch. 

In  länger  auf  bewahrtem  Extracte  der  Blätter  zeigt  das  Mikroskop  ausser 
aconitsaurem  Kalk  auch  spiessige  Krystalle  von  Salmiak.  Bei  100°  getrock- 
nete Blätter  gaben  mir  16,6  pC.  Asche. 

Währeud  nach  Schroff  und  anderen  die  Blätter  nur  von  wild  wach- 
senden Pflanzen  zur  Blüthezeit  die  volle  Wirksamkeit  zeigen,  schreibt  z.  B. 
die  englische  Pharmacopoeia  (1864)  cultivirte  Blätter  vor. 

G.  Kräuter  und  Blätter  der  Labiaten. 

Folia  Menthae  piperitae. 

Pfefferminze.  Menthe  poivree.  Peppermiut. 

Mentha  piperita  L.  — Labiatae. 

Die  Pfefferminze  scheint  unzweifelhaft  wild  bis  zum  56°  nördl.  Br.  in 
England  vorzukommen,  während  sie  an  den  wenigen  Standorten,  wo  sie 
auch  in  Deutschland  wild  wachsend  angegeben  wird,  z.  B.  bei  Mühlheim  in 
Ober-Baden,  bei  Kufstein  in  Tirol,  unweit  Regensburg,  doch  vielleicht 
nur  ein  Gartenflüchtling  sein  mag. 

In  vielen  Ländern  der  gemässigten  Zone  wird  die  Pflanze  sehr  im 
grossen  gebaut,  ganz  besonders  z.  B.  in  England,  wo  Mitcham  in  Surrey, 
südlich  von  Loudon,  1864  allein  219  Acres1)  mit  Pfefferminze  aufzuweisen 


!)  1 Acre  = 0,40  Ilectnre. 


Folia  Menthae  piperitae. 


501 


hatte,  welche  2190  Pfund  Oel  lieferten.  In  Nordamerika  waren  in  Michigan 
1859  etwa  2100  Aci'es  und  im  westlichen  Theile  des  Staates  New- York 
500  Acres  damit  bestellt,  die  zusammen  etwa  10,000  Pfund  Oel  ergaben. 
Ganz  Nordamerika  überhaupt  scheint  aber  3-  bis  6 mal  soviel  zu  erzeugen. 
St.  Josephs  County  in  Michigan  lieferte  1863  allein  24,000  Pfd.  Oel.1) 

In  Europa  geht  die  Kultur  nicht  weit  nach  Norden  und  ist  z.  B.  in  Nor- 
wegen nur  noch  sehr  gering. 

Der  lange  holzige  Wurzelstock  der  Pfefferminze  ist  ausdauernd,  ver- 
zweigt sich  und  treibt  wie  bei  den  meisten  Minzenarten  Ausläufer,  aus 
denen  sich  die  krautigen,  nach  oben  ästigen  Stengel  bis  lm  hoch  erheben. 
Die  Blätter,  bis  etwa  0,07m  lang  und  0,030,n  breit,  sind  spitz-eiförmig,  mit 
bis  0,01 1,1  langem  Blattstiele  und  am  Grunde  sanft  wellenförmig,  gegen  die 
Spitze  hin  scharf  gesägt.  Yon  dem  starken  Mittelnerv  gehen  unter  spitzem 
Winkel  in  ziemlich  gerader  Richtung  unterseits  besonders  scharf  hervor- 
tretende Nerven  ab. 

Die  Neigung  zur  Haarbildung  ist  bei  dieser  Art  im  allgemeinen  nicht 
gross,  jedoch  erscheinen  neben  völlig  kahlen  Formen  auch  solche,  wo  sich 
an  den  Blattstielen,  den  jüngeren  Stengeitheilen  und  besonders  längs  der 
Nerven  der  Unterseite  der  Blätter,  auch  an  den  Kelchzähnen,  lange  weiche 
Haare  einstellen.  Seltener  werden  Kelche  und  Stengel,  so  wie  die  unteren 
Blattseiten  durch  abwärts  gerichtete  Haare  zottig. 

Die  Blattfläche  ist  eben,  unterseits  mit  zahlreichen  eingesenkten  Oel- 
drüschen  besetzt,  welche  auf  der  oberen  Seite  weit  spärlicher  Vorkommen 
oder  hier  bei  älteren  Blättern  ganz  fehlen.  Die  bald  nur  gewimperten,  bald 
zottigen  Kelche  tragen  immer  zahlreiche  Drüsen. 

Die  Blüthenstände  sind  schlanker  und  weniger  gedrungen  als  bei  Mentha 
acpiatica  y.  crispa,  meist  mehr  verlängert,  doch  auch  hierin  nicht  sehr 
beständig. 

Die  deutlich  und  oft  ziemlich  lang  gestielten  Blätter  unterscheiden  diese 
Pflanze  von  den  meisten  ähnlichen  Arten,  mehr  noch  aber  der  ganz  eigen- 
thümliche  aromatische  und  kühlende  Pfefferminzgeruch. 

Der  Reichthum  der  Pflanze  an  ätherischem  Oele  und  die  Feinheit  des- 
selben wird  sehr  durch  Bodenbeschaffenheit  und  klimatische  Verhältnisse 
bedingt  und  wohl  noch  mehr  durch  die  Auswahl  der  zur  Destillation  be- 
stimmten Pflanzen  und  Pflanzentheile,  da  z.  B.  die  Stengel  in  geringerer 
Menge  ein  weniger  feines  Oel  enthalten.  Zur  Bliithezeit  gesammeltes  und 
getrocknetes  deutsches  Kraut  liefert  im  Durchschnitte,  doch  mit  bedeutenden 
Schwankungen,  etwa  1 pC.  Oel.  Wie  sehr  grosse  Schwankungen  die  Aus- 
beute aber  zeigt,  ergibt  sich  aus  Berichten  von  Stearns,  wonach  in  Michi- 
gan 2 — 20  Pfund  Oel  vom  Acre  gewonnen  werden,  während  Warren  für 
Mitcham  8 — 12  Pfund  ermittelte.  Hinsichtlich  der  Feinheit  und  der  Menge 


')  Hauptproducent  ist  hier  das  Haus  Hotchkiss;  in  neuester  Zeit  scheint  aber  der  gross- 
artige Getreidebau  Michigans  die  Minze  verdrängen  zu  wollen. 


502 


Blätter  und  Kräuter. 


des  Oeles  erweist  sich  die  Pfefferminze  sehr  empfindlich  für  Verschieden- 
heiten des  Bodens  und  der  Pflege  und  muss  alle  paar  Jahre  neu  gepflanzt 
werden,  um  auf  der  Höhe  des  Ertrages  zu  bleiben.  Ein  massig  warmes 
feuchtes  Klima  sagt  ihr  gut  zu. 

Das  Pfefferminzöl  beginnt  etwas  unter  190°  C.  zu  sieden  und  besteht 
grossentheils  aus  einem  Campher  C10  H18  -4-  H2  0,  dem  Menthol,  welches 
sich  in  der  Kälte  von  dem  flüssigen  nicht  genauer  untersuchten  Autheile 
trennt.  Der  Pfefferminzcampher  krystallisirt  in  Säulen,  welche  bei  3G° 
schmelzen  und  ohne  Zersetzung  bei  210  C.  kochen.  Er  besitzt  deu  Ge- 
ruch des  rohen  Oeles  und  dreht  die  Polarisatiousebene  nach  links. 

Wasserfreie  Phosphorsäure  entzieht  dem  Campher  H2  0 und  verwan- 
delt ihn  in  das  flüssige  bei  163°  C.  siedende  Menthen  C10  H'8.  Salpeter- 
säure gibt  mit  dem  Oele  Camphresinsäure  (vergl.  bei  Camphora).  Der  Ge- 
halt der  Oele  von  verschiedener  Herkunft  an  Menthol  ist  sehr  ungleich,  und 
seit  einigen  Jahren  erhalten  wir  auch  aus  Japan  das  reine  krystallisirte 
Menthol. 

Dieses  feste  japanische  Pfefferminzöl  riecht  und  schmeckt  sehr  kräftig, 
ist  aber  freilich  auch  schon  mit  über  10  pC.  Bittersalz  vermengt  vorge- 
kommen. 

Das  Menthol  entspricht  (in  der  Acryl- Reihe)  dem  Borneol  und  liefert 
mit  Säuren  ätherartige  Verbindungen. 

Die  Pfefferminze  wurde  zuerst  in  England  beobachtet  und  von  Ray 
1696  beschrieben.  In  Deutschland  wurde  man  erst  im  letzten  Viertel  des 
XVIII.  Jahrhunderts  darauf  aufmerksam,  vorzüglich  dann  seit  1780  in 
Folge  von  Knigges  Abhandlung  darüber.  Das  jetzt  gebräuchliche  Adjec- 
tiv  piperita  ist  verdorben  aus  den  richtigeren,  anfangs  in  England  üblichen 
Bezeichnungen  Mentha  piperata  oder  Mentha  Piperitis. 

In  Deutschland  hat  sie  den  Gebrauch  der  ursprünglich  dort  ausschliess- 
lich angewendeten  Krauseminze  sehr  zurückgedrängt. 


Folia  Menthae  crispae. 

Krauseminze.  Krause  Münze.  Menthe  crepue.  Curled  mint. 

Die  Mentha -Arten  zeigen  sich  schon  im  freien  Zustande  in  Behaarung, 
Blattform  und  Blüthenstaud  höchst  veränderlich,  mehr  noch  in  der  Kultur. 
Bei  einigen  nehmen  die  Blätter  im  letztem  Falle,  nicht  im  freien,  leicht 
jene  blasig-runzelige,  am  Rande  wellige  Beschaffenheit  an , welche  sie  eben 
als  Krauseminze  unterscheiden  lässt.  Damit  ist  zugleich  auch  eine  bei 
den  verschiedenen  Arten  oder  Spielarten  im  allgemeinen  nahezu  überein- 
stimmende Veränderung  im  Geschmacke  und  Gerüche  verbunden,  deren 
Ursache  wohl  hauptsächlich  in  den  chemischen  Verhältnissen  des  ätheri- 
schen Oeles  zu  suchen  wäre.  Dieser  eigenthümliche  Krauseminzgeruch 
bildet  einen  bestimmten  Gegensatz  zu  dem  der  Pfefferminze,  ist  jedoch 


Folia  Menthae  crispae. 


503 


leichter  und  sicherer  wahrzunehmen  als  zu  definiren.  Der  kühlende  Ge- 
schmack der  letztem  geht  der  Krauseminze  ab.  . . , . 

Eine  der  verbreitetsten  Formen  der  officinellen  Krauseminze  ist  die  be- 
treffende Varietät  der  durch  Europa  und  Mittelasien  wild  wachsenden  Men- 
tha aquatica  L.,  welche  bald  durch  lange,  etwas  starre  fern  punk  irte 
Gliederhaare  rauh,  bald  fast  gänzlich  kahl  auftntt  und  auf  beiden  Blatt- 
flächen mit  nicht  sehr  zahlreichen  Oeldrüsen  bestreut  ist.  Ihre  ku  lvn  e 
Spielart,  M.  aquatica  y.  crispa  Bentham1),  treibt  krautige  aufrechte,  u >er 
fusshohe  ästige  Stengel.  Die  sehr  kurz  gestielten  oder  sitzenden  rundlic  - 
eiförmigen  Blätter  laufen  in  eine  kürzere  oder  längere,  aber  immer  schar  e 
Spitze  aus.  Auch  der  welligkrause  Blattrand  trägt  auf  jeder  Seite  etwa 
10  ungleiche  verbogene  Sägezähne.  Die  grössten,  nach  beiden  Dimensionen 
gegen  0,030m  erreichenden  Blätter  sind  am  Grunde  herzförmig  ausgeschnit- 
ten, die 'andern  mehr  elliptisch  in  kurze  starke  Blattstiele  übergehend.  Die 
zahlreichen,  unter  spitzem  Winkel  bogenförmig  meist  krummläufig  aufstre- 
benden Nerven  treten  besonders  unterseits  stark  hervor.  Längs  derselben, 
am  Stengel,  besonders  an  den  Knoten,  finden  sich  auch  vorzüglich  die  mehr 
oder  weniger  zahlreichen  Haare,  welche  denselben  Bau  zeigen  wie  bei  der 
wilden  Stammpflanze.  Die  zahlreichen  Oeldrüschen  sind  auf  die  untere 
Blattseite  beschränkt. 

Diese  Pflanze,  vorzüglich  in  Skandinavien 2)  und  Norddeutschland,  auch 
in  der  Schweiz,  die  Krauseminze  der  Apotheken  liefernd,  scheint  durchaus 
die  ursprünglich  in  diesen  Ländern  officinelle  Minze  zu  sein,  welche  schon 
Valerius  Cordus  im  ersten  Drittel  des  XVI.  Jahrhunderts  als  Mentha 


crispa  beschrieben  und  eben  so  die  späteren  Botaniker  bis  auf  Linn  e.  Man 
unterschied  sie  auch  an  den  zu  kugeligen  oder  länglichen,  wenig  unter- 
brochenen Köpfchen  zusammengedrängten  Bliithenständen. 

Die  durch  fast  sitzende,  schmaler  eiförmige  bis  lanzettliche  Blätter  und 
verlängerte  unterbrochene  Blüthenähren  ausgezeichnete  Rossminze,  Mentha 
sylvestris  L.,  demselben  Verbreituugsbezirke  angehörend,  wie  M.  aquativa, 
liefert  in  der  Kultur  eine  Krauseminze,  die  sich  mehr  in  Süddeutschland 
findet.  Diese  Spielart,  M.  sylvestris  ■/).  crispa  Bentham  (Syn. : M.  undulata 
Willdenow.  — M.  crispa  Geiger),  besitzt  ungestielte,  fast  stengelumfassende 
Blätter,  welche  unterseits  dicht  und  weich  behaart  sind,  wie  die  gewöhn- 
liche Form  der  wilden  M.  sylsetris , deren  Haare  denselben  Bau  zeigen  wie 
die  der  M.  aquatica,  jedoch  länger  und  viel  weicher  sind. 

Diese  Krauseminze  riecht  weniger  angenehm  als  die  von  der  ziemlich 
wohlriechenden  M.  aquatica  abstammende  zuerst  beschriebene. 

In  den  mittel-  und  niederrheinischen  Ländern,  auch  in  England  (Spear- 
mint)  ist  Mentha  viridis  L.  y.  crispa  Bentham  (M.  crispata  Schräder)  sehr 
gebräuchlich.  Die  Stammart,  von  manchen  als  kahle  Spielart  der  M.  syl- 


0 Koch  hat  sie  als  Varietät  von  Mentha piperita  betrachtet! 

2)  In  Norwegen  jedoch  nur  noch  im  Süden  hei  Stavanger  kultivirt. 


504 


Blätter  und  Kräuter. 


vestris  betrachtet,  ist  durch  Mitteleuropa  bei  weitem  weniger  häufig  als  M. 
aquatica  und  M.  sylvetris;  sie  zeichnet  sich  aus  durch  ungestielte  zugespitzte 
und  lang  gesägte  schön  grüne,  meist  kahle,  höchstens  unten  an  deu  Nerven 
sparsam  behaarte  Blätter  von  angenehmem  eigentümlichem  Gerüche.  Die 
Blüthenstände  sind  sehr  verlängert,  auch  bei  der  kultivirten  krausen  Form, 
welche  im  übrigen  nicht  wesentlich  abweicht.  Sie  wird  auch  in  Nord- 
amerika sehr  geschätzt. 

Zu  Mentha  sativa  L.  scheint  die  in  Böhmen  viel  gebaute  sehr  aroma- 
tische Krausemiuze  M.  hovtensis  Tausch  zu  gehören.  Die  gestielten,  scharf 
gesägten,  an  der  Spitze  ganzrandigen  Blätter  sind  beiderseits  rauhhaarig- 
zottig. Mit  derselben  stimmt  nahezu  überein  Mentha  sativa  S.  orispa  et 
pilosa  Koch  (M.  sativa  Tausch),  welche  nach  Bisch  off  früher  in  Deutsch- 
land die  allgemein  gebaute  Krauseminze  war,  jetzt  aber  selten  geworden 
ist.  Ihre  beiderseits  ziemlich  dicht  behaarten  Blätter  sind  durch  sehr  spitzige 
und  lange  Sägezähue  ausgezeichnet,  aber  von  ziemlich  veränderlicher  Ge- 
stalt. Authentische  Exemplare  dieser  Form,  aus  der  Hand  von  Bi  sch  off 
selbst,  bestätigen  mir  vollkommen  dessen  Angabe,  dass  dieselbe  ein  weit 
feineres  Aroma  besitzt,  als  die  zuerst  beschriebene  Krauseminze.  Der  Ge- 
ruch erinnert  in  der  That  an  Melisse. 

Die  über  und  über  graufilzige  Mentha  rotundifolia  L.,  in  West-  und 
Südeuropa  bis  zur  Schweiz  und  an  den  deutschen  Oberrheiu  einheimisch, 
besitzt  ein  sehr  angenehmes  Aroma  und  eirundliche  bis  0,03™  breite,  wenig 
gesägte  herzförmig  sitzende  Blätter.  Dieselben  nehmen  auch  die  krause 
Form  an  und  scheinen  nach  einigen  als  solche  schon  von  Conrad  Gesner 
unter  dem  Namen  Mentha  nobilior,  rotundioribus  et  rugosis  seu  crispis 
foliis  beschrieben  worden  zu  sein.  Demnach  würde  diese  Pflanze  als  die 
eigentliche  Krauseminze  zu  betrachten  sein. 

Der  Gehalt  der  verschiedenen  Krauseminzen  an  ätherischem  Oele 
scheint  durch  die  Kultur  und  die  Ausbildung  der  krausen  Beschaffenheit 
befördert  zu  werden  und  im  allgemeinen  den  der  Pfefferminze  zu  über- 
treffen. Die  Ausbeute  beträgt  gegen  1 bis  über  2 pC.  auf  getrocknetes  Kraut 
bezogen;  frisches  gibt  verhältnissmässig  mehr. 

Das  Oel  scheint  chemisch  vom  Pfefferminzöle  wesentlich  verschieden 
zu  sein.  Wenigstens  kocht  z.  B.  dasjenige  von  Mentha  viridis  nach  Ivane 
schon  bei  160°  C.  und  gehört  wohl  der  Hauptsache  nach  zum  Radical 
O10H16,  hält  jedoch  4,5  pC.  Sauerstoff.  Es  setzt  in  der  Kälte  einen 
Campher  ab. 

Ausser  dem  Oele  enthalten  die  Minzen  auch  eisengrünenden  Gerbstoff. 

Welche  Art  die  alten  Griechen  unter  Mivöy),  die  Römer  unter  Mentha 
oder  Menta  verstanden , lässt  sich  nicht  mehr  ermitteln , auch  führt  heutzu- 
tage wenigstens  die  Pfefferminze  in  Griechenland  deu  auch  im  Alterthum 
schon  üblichen  Namen  'H&joup.ov.  Der  deutsche  Ausdruck  lautet  daher, 
dem  griechischen  entsprechend,  richtiger  Minze  als  Münze.  Doch  findet 
sich  schon  im  XII.  Jahrhundert  altdeutsch  rnwuzun  neben  dem  gewöhn- 


Folia  Salviae. 


505 


licheru  imuzun,  so  wie  rossesmmze1)  und  mancher  Yolksdialekt  hält  Münze 
fest,  wie  auch  die  Holländer  ihr  munt. 


Folia  Salviae. 

Salbeiblätter.  Feuilles  de  sauge.  Garden  sage. 

Salvia  officinalis  L.  — Labialae. 

Die  halbstrauchige  Salbei  gehört  vorzüglich  dem  nördlichen  Gebiete  der 
Mittelmeerflora  an.  In  Griechenland  wächst  sie  wild  nur  selten,  z.  B.  auf 
Syros.  Dagegen  gedeiht  sie  in  der  Kultur  noch  in  Norwegen  bis  über  den 
Polarkreis  hinaus  und  reift  sogar  in  Christiania  ihre  Früchte.  In  Gälten 
und  halb  verwildert  ist  sie  daher  durch  alle  etwas  geschützteren  Lagen 
Europas  sehr  verbreitet. 

Der  verzweigte  holzige  über  fusshohe  graufilzige  Stamm  ist  mit  krau- 
tigen gegenständigen  Aesten  des  laufenden  Jahres  besetzt,  welche  die  grau- 
lichen, etwas  entfernt  in  gekreuzter  Stellung  auf  einander  folgenden  Blatt- 
paare tragen.  Die  Blätter  werden  vor  oder  bei  Beginn  der  Blüthezeit 
gesammelt,  indem  man  die  vierkantigen  bald  dichter  bald  spärlicher  filzigen 
Stengel  beseitigt.  Die  im  allgemeinen  eiförmige  Gestalt  der  Blätter  ist 
ziemlichem  Wechsel  unterworfen.  In  der  Kultur  (Var.  latifolia)  werden  sie 
sehr  breit,  bis  über  0,05,n  und  gegen  0,10™  lang,  dabei  etwas  spitz  aus- 
laufend, bis  4 mal  länger  als  der  Blattstiel.  Bei  der  kleinblätterigen  Form 
bleibt  das  stumpfliche  Blatt  au  Länge  oft  hinter  dem  schlanken  rinnigen 
Blattstiele  zurück.  Fast  lanzettliche  bespitzte  Blätter  und  stumpf  eirunde 
bei  sehr  wechselnden  Längenverhältnissen  der  Blattstiele  finden  sich  an 
einem  und  demselben  Stengel. 

Sämmtliche  Blätter  sind  dicht  gekerbt,  am  Grunde  plötzlich,  bisweilen 
fast  herzförmig  in  den  Blattstiel  übergehend,  durch  ein  sehr  verzweigtes 
engmaschiges  und  etwas  starres  Adernetz  derb  runzelig.  Ihre  dunkelgrüne 
Farbe  ist  durch  den  Filz,  womit  namentlich  die  jüngern  Blätter  und  die  der 
kleinblätterigen  Spielart  bedeckt  sind , mehr  oder  weniger  verdeckt.  Doch 
besteht  dieser  Ueberzug  immer  nur  aus  kürzern  anliegenden  und  nicht  sehr 
dicht  gedrängten  Haaren.  Unter  dem  Mikroskop  zeigen  sie  sich  aus  einigen 
wenigen  einfachen  Gliedern  zusammengesetzt,  deren  äusserstes  etwas  spitz 
zuläuft.  Das  ganze  Haar  oder  nur  diese  Spitze  pflegt  hakenförmig  oder 
krause  gebogen  zu  sein.  Die  Haare  des  Stengels  sind  weit  länger  und  we- 
niger gegliedert. 

Beide  Seiten  der  Blattfläche,  reichlicher  die  untere,  sind  mit  zahlreichen 
glänzenden  gelblichen,  etwas  eingesenkten  Oeldrüschen  ganz  unregelmässig 
bestreut.  Dieselben  fehlen  dem  Stengel,  so  wie  auch  der  Oberseite  grösserer 
Blätter,  treten  aber  in  weit  bedeutenderer  Zahl  und  Grösse  an  den  Kelchen 


*)  daneben  auch  bei  der  heiligen  Hildegard  um  1150  romesse  minze  und  romesch myute. 


506 


Blätter  und  Kräuter. 


und  an  den  schön  violett  blauen,  bisweilen  auch  weissen  sehr  ansehnlichen 
Blumen  auf. 

Die  Blätter  riechen  angenehm,  wenn  auch  nicht  sehr  kräftig.  Im  Ge- 
schmacke  zeigen  sie  neben  dem  Aroma  eine  süsslich  und  adstriugirend 
schleimige  nicht  unangenehme  Bitterkeit. 

Frische  in  Deutschland  gezogene  Blätter  geben  nach  Zeller  ungefähr 
’A  pC.  grünliches  bis  gelbes  ätherisches  Oel,  trockene  ungefähr  die  drei- 
fache Menge.  Je  nach  der  Spielart  und  dem  Standorte  zeigen  sich  aber  be- 
deutende Schwankungen  in  der  Ausbeute.  Das  Oel  besitzt  den  Geruch  und 
ungefähr  den  Geschmack  der  Blätter,  ist  aber  von  wenig  beständiger  Zu- 
sammensetzung. Es  scheint  aus  verschiedenen  Oxydationsstufen  eines 
Kohlenwasserstoffes  G12  H20  zu  bestehen,  daher  auch  der  Siedepunkt  zwi- 
schen etwa  130°  C.  und  150  schwankt.  Durch  Salpetersäure  erhielt  Roch- 
leder  daraus  Campher. 

Hlasiwetz  stellte  einmal  durch  Kochen  des  Senföles  (siehe  bei  Semen 
Sinapis  nigrae)  mit  wässerigem  Natron  ein  Oel  G12  H2u  0 dar,  das  den  Ge- 
ruch des  Salvia-Oeles  besass.  Hierdurch  wäre  ein  Zusammenhang  des  letz- 
tem mit  dem  Radical  Allyl  angedeutet.  Eine  andere  Probe  Senföl  gab  aber 
dieses  künstliche  Salbeiöl  nicht. 

Aus  dem  rohen  Oele,  besonders  wie  es  scheint  aus  demjenigen  südlicher 
Länder  (Spanien) , krystallisirt  bisweilen  ein  schwach  nach  Salbei  riechen- 
der Campher  aus. 

Durch  Gährung  der  fast  geruchlosen  Blätter  von  Salvia  pratensis  hat 
Bley  in  höchst  geringer  Menge  ein  aromatisches  Fermentöl  gewonnen. 

Die  Blätter  der  südeuropäischen  Salvia  Sclarea  L.  sind  grösser,  herz- 
förmig, die  obersten  scharf  und  lang  zugespitzt,  sehr  gross  gezahnt;  die- 
jenigen unserer  Salvia  pratensis  am  Grunde  herzförmig,  nicht  aromatisch. 

Welche  Art  unter  der  Salvia  der  Alten  gemeint  ist,  bleibt  ungewiss. 
Im  Süden  dienen  mehrere  in  derselben  Weise  wie  unsere  officinelle  Pflanze, 
deren  Einführung  in  Mitteleuropa  wohl  Karl  dem  Grossen  (durch  seiu  Ca- 
pitulare  de  villis)  zu  verdanken  ist.  — Die  Benennung  der  Pflanze,  abge- 
leitet von  salvere,  gesund  sein  oder  vou  salvare,  heilen,  retten,  spricht  für 
die  hohe  Werthung  derselben  in  der  alten  Welt. 

Folia  Rosmarini. 

Folia  v.  herba  Rorisinarini  s.  Authos.  Rosmarinblätter.  Feuilles 
de  romariu.  Rosemary. 

Rosmarinus  officiualis  L.  — Labiatae. 

Der  Rosmarin  ist  durch  das  ganze  Gebiet  des  Mittelmeeres  uud  der  be- 
nachbarten atlantischen  Küsten  verbreitet,  jedoch  selten  in  Griechenland. 
Obwohl  ein  starker  bis  mannshoher  holziger  Strauch,  kömmt  er  doch  bei 
uns  im  Freien  nicht  gut  fort,  wird  aber  desto  häufiger  als  Topfpflanze 
gezogen. 


Folia  Rosmarini. 


507 


Der  hin-  und  hergebogene,  mit  hellbraunem  rissigem  und  abbla  terndem 
Korke  bekleidete  Stamm  trägt  ziemlich  zahlreiche  auseinanderstrebende, 
etwas  gedrungene  Aeste,  welche  nur  in  jüngerem  Zustande  mit  kurzen  ästi- 
gen Sternhaaren  bestreut  sind.  Die  paarweise  gegenständigen  immeigiuue 
Blätter  folgen  sich  in  regelmässig  abwechselnder  Stellung  an  den  jüngeren 
deutlich  vierkantigen  Trieben,  während  später  nach  der  Entwickelung  zah 
reicher  achselständiger  Blatt-  und  Blüthenknospen  die  alteren  Aeste  reicher 
und  dichter,  aber  weniger  regelmässig  beblättert  erscheinen. 

Die  nach  dem  Trocknen  fast  nadelförmig  zusammengeschrumpften  abei 
stumpflichen,  bis  0,03m  langen  und  frisch  bis  6 Millim.,  trocken  aber  höchstens 
IV2  Millim.  breiten  Blätter  richten  sich  etwas  aufwärts  oder  sind  geiace 
bis  sichelförmig  zurückgebogen  von  der  Axe  abgewendet.  Gegen  ihre  Basis 
sind  sie  nur  wenig  verschmälert  und  ihre  Einfügungsstellen  durch  eine  feine 
Leiste  verbunden,  welche  auf  den  beiden  freien  Seiten  der  vierkantigen  Axe 
nur  wenig  hervortritt  und  an  älteren  Kork  bildenden  Aestclien  nicht  mehr 
erkennbar  ist.  Die  obere  stark  gerunzelte  kahle  Blattseite  ist  von  einer  ein- 
fachen unverzweigten  seichten  Rinne  durchzogen  und  an  den  Rändern 
zurückgerollt.  Diese  beiden  Randwülste  verdecken  mehr  oder  weniger  voll- 
ständig die  untere  Blattseite  bis  auf  den  hier  stark  hervortretenden  grau- 
filzigen Mittelnerv,  der  sich  aber  nicht  bis  zur  Höhe  der  eingerollten  Blatt- 
ränder erhebt,  so  dass  die  untere  Blattseite  eine  tiefe  Rinne  oder  vielmehr, 
im  Querschnitte,  eine  doppelte  mehr  oder  weniger  offene  Hohlkehle 

darstellt.  # . 

Die  Aussenseite  des  Blattes,  auch  der  ungerollte  Theil  desselben,  ist  bis 


auf  den  ein  wenig  filzigen  Grund  glänzend  graugrün,  kahl  und  äusserst 
feingrubig.  Weder  diese  Pünktchen,  noch  die  gröbern  eingefallenen  Runzel- 
stellen entsprechen  aber  den  Oeldrüschen.  Dieselben  sind  vielmehr  nur 
sehr  dünn  gesäet  und  ganz  vereinzelt  auf  der  Blattoberfläche  zu  treffen1). 
Kaum  häufiger  zeigen  sie  sich  in  der  Rinne  der  Unterseite.  Ein  Querschnitt 
durch  das  Blatt  lehrt  erst,  dass  gerade  der  von  den  umgeschlagenen  Rän- 
dern bedeckte  Theil  des  Blattes  der  Sitz  der  Oeldrüschen  ist,  welche  hier 
ausserdem,  in  nicht  sehr  grosser  Zahl,  in  dichten  filz  von  ästigen  Stein- 
haaren eingebettet  sind.  Die  Dräschen  gleichen  denen  der  Folia  Salviae. 

Der  Mittelnerv  in  der  Rinne  der  Unterseite  besteht  aus  einem  starken 
Holzbündel  mit  einem  nach  aussen  stark  convexeu  bogenförmigen  Strange 
sehr  dickwandiger  Baströhren.  Die  obere  Wölbung  des  Blattes,  auch  der 
Mittelnerv  wird  von  sehr  dickwandigen  kleinen  und  farblosen  Oberhaut- 
zellen bedeckt,  unter  denen  noch  eine  einfache  oder  doppelte  Reihe  weit 
grösserer,  ebenfalls  ungefärbter  und  dickwandiger  Zellen  liegt.  Der  Gesammt- 
heit  dieser  sehr  derben  Zellen  verdankt  das  Blatt  seinen  Glanz  und  seine 
Steifheit.  Von  denselben  dringen  4 kurze  Keile  in  das  lockere  mit  Chloro- 
phyll und  eisengrünendem  Gerbstoff  gefüllte  innere  Parenchym  ein,  das 


1)  so  an  der  auf  Capri  wild  gesammelten  blühenden  Pflanze,  wie  an  der  Handelswaare. 


508 


Blätter  und  Kräuter. 


daun  nach  der  unteren  Blattseite  hin  durch  verzweigte  lockere  Zellen  all- 
mülig  in  den  filzigen  Besatz  der  unteren  Blattrinne  übergeht.  Die  oben  ge- 
schilderte Beschaffenheit  der  Blätter  wurde  schon  1667  von  R.  Hooke 
mikroskopisch  bemerkt  — gewiss  eines  der  ältesten  Beispiele  pharmako- 
gnostisch-mikroskopischer  Untersuchung ! 

Die  Rosmarinblätter  riechen  und  schmecken  stark  kampherartig  und 
bewahren,  Dank  der  geschützten  Lage  ihrer  Oeldrüschen,  das  Aroma  sehr 
gut.  Der  schwach  bitterliche  adstringirende  Beigeschmack  ist  unbedeutend 
und  tritt  neben  dem  brennend  schmeckenden  ätherischen  Oele  zurück.  Von 
letzterem  liefern  die  getrockneten  Blätter  gegen  1 pC.  Es  ist  gemengt  aus 
einem  links  rotirenden,  dem  Terpenthiuöle  sehr  nahe  stehenden,  schon  bei 
165°  C.  kochenden  Kohlenwasserstoffe  uud  einem  oxydirten,  bei  200  — 210° 
übergehenden , rechts  rotirenden  Autheile.  Letzterer  setzt  bei  starker  Ab- 
kühlung oder  bei  Behandlung  mit  verdünnter  Salpetersäure  Campher  ab, 
der  sich  vom  gemeinen  Campher  nur  durch  ein  um  wenig  geringeres  Drehungs- 
vermögen nach  rechts  unterscheidet.  Spanisches  Oel  scheint  diesen  Campher 
bei  der  Verdunstung  leicht  und  bis  zu  10  pC.  zu  liefern. 

Der  Rosmarin  wurde  schon  von  den  Alten  gebraucht,  namentlich  auch 
von  den  Griechen  zum  Räuchern,  daher  sie  die  Pflanze  Libanötis  nannten. 
Ros  maris,  auch  marinus  ros  hiess  sie  bei  den  Römern.  Karl  der  Grosse 
gab  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  Folia  Salviae  erwähnt,  den  Anstoss  zu  ihrer 
Verbreitung  in  Mitteleuropa.  Arnoldus  Villanovanus,  der  bekannte 
Chemiker  des  XIII.  Jahrhunderts,  stellte  schon  das  ätherische  Oel  dar. 

Die  stark  gewürzhaften  ölreichen  Blätter  des  nordischen  Ledum  pa- 
lustre  L.  (Ericaceae)  sehen  denen  des  Rosmarins  nicht  unähnlich,  sind 
aber  trocken  durchschnittlich  doch  3 Milliin.  breit  und  oberseits  neben  dem 
Hauptnerv  auch  mit  Seitennerven  versehen.  Besonders  kenntlich  macht  sie 
aber  der  rothbrauue  Filz  der  unteren  Blattfläche,  der  aus  wurmförmigem, 
dicht  in  einander  gewirrten  langen  Haaren  gebildet  ist. 

Unter  den  käuflichen  Rosmarinblättern  finden  sich  selten  mehr  die  4- 
bis  8-blüthigen  blattwinkelständigen  Blüthentrauben , obwohl  dies  wegeu 
des  Oelgehaltes  der  mit  ziemlich  zahlreichen  Drüschen  besetzten  graufilzigeu 
Kelche  ganz  zweckmässig  wäre.  Der  geruchlosen,  zart  blassblauen,  trocken 
jedoch  meist  bräunlichen  Blume  fehlen  die  Drüschen. 

Folia  Thymi. 

Thymian.  Kölin.1)  Römischer  Quendel.  Thym.  Thyme. 

Tliymus  vulgaris  L.  — Labiatae 

Der  Thymian  gehört  Südeuropa  au,  gedeiht  jedoch  in  der  Kultur  auch 
in  kälteren  Gegenden,  in  Norwegen  z.  B.,  wo  er  die  beliebteste  Gewürz- 
pflanze der  Bauern  ist,  noch  bis  68V20  uördl.  Breite,  selbst  in  Throndhjem 
noch  die  Samen  reifend. 


U wahrscheinlich  von  Cunila  — vergl.  bei  Herba  Serpylli. 


Folia  Thymi. 


509 


Die  sehr  ästigen  aufrechten  Stämme  sind  weit  mehr  verholzt  und  daher 
viel  kräftiger  als  bei  Thymus  Serpyllum , obwohl  von  demselben  Aussehen 
und  ebenfalls  kaum  fusshoch.  Durch  kurze  starre,  in  stumpfem  Winkel 
meist  abwärts  gebogene  Haare  erscheinen  die  bräunlichen  oder  grünlichen 
jüngeren  Aeste  mehr  oder  weniger  grau , die  älteren  tragen  bräunlichen 
rissigen  Kork. 

Die  dicklichen,  bis  8 Millim.  und  darüber  langen  und  ungefähr  halb  so 
breiten  Blätter  vou  länglich  eiförmigem  bis  schmal  lanzettlichem  Umrisse 
verschmälern  sich  in  den  sehr  kurzen  Blattstiel  und  sind  am  Rande  etwas 
umgerollt;  trocken  so  stark,  dass  die  Blätter  der  Handelswaare  stumpf 
nadelförmig  erscheinen.  Sie  sind  mehr  oder  weniger,  vorzüglich  unterseits, 
mit  denselben  kurzen  knieförmigen  oder  einfachen  Härchen  besetzt  wie  die 
Stengel  und  auf  beiden  Seiten  mit  zahlreichen  ansehnlichen  Oeldrüsen  ver- 
sehen. Hierdurch,  so  wie  durch  geringere  Länge  (durchschnittlich  6 Millim. 
bei  käuflichen  Blättern)  und  Dicke  unterscheiden  sie  sich  von  den  ober- 
flächlich kahlen  und  drüsenlosen  Folia  Rosmarini.  Die  Kultur  vermindert 
die  im  ganzen  knappe  Behaarung  der  Thymianblätter  noch  sehr.  Aus  den 
unteren  Blattwinkeln  entstehen  kurze  büschelige  Blatttriebe,  die  in  der 
Handelswaare  neben  den  einzelnen  Blättchen  Vorkommen.  Mehr  nach  oben 
enthalten  die  Blattwinkel  lockere  entfernte  Scheinquirle,  welche  zuletzt  zu 
einem  traubigen  oder  fast  kopfigen  Bliithenstande  genähert  sind. 

Der  drüsenreiche  Kelch  und  die  kleine  blass  blauröthliche  Blume  zeigen 
denselben  Bau  wie  bei  Thymus  Serpyllum.  Da  auch  die  Blumenrohre  des 
Thymian  noch  einige  Oeldrüsen  besitzt,  so  stellt  sich  derselbe  als  eine  sehr 
aromatische  Pflanze  dar.1) 

Ihr  ätherisches  Oel,  durchschnittlich  y2—  1 pC.  betragend,  riecht  feiner 
als  das  des  Th.  Serpyllum.  Kultur  und  südlicher  Standort  der  Pflanze 
scheinen  den  Oelgehalt  sehr  zu  vermehren. 

Das  Thymianöl  ist  eiu  sehr  zusammengesetztes  Gemenge.  In  der  Kälte 
setzt  es  oft  kampherartiges  Thymol  OloH,4-0-  in  bei  44° C.  schmelzenden 
Rhomboedern  oder  rhombischen  Tafeln  ab,  welche  weniger  leicht  auch 
durch  Auffangen  des  bei  etwa  230°  C.  übergehenden  Antheiles  erhalten 
werden  können  und  oft  beinahe  die  Hälfte  des  rohen  Oeles  ausmachen. 
Das  Thymol  löst  sich  in  wässerigen  Alkalien,  ist  optisch  unwirksam  und 
auch  im  Gerüche  verschieden  vou  dem  rohen  Oele,  welches  unbedeutend 
links  rotirt.  Es  kömmt  auch  im  Oele  der  Blumen  von  Monarda  punctata  L. 
(Labiatae),  sowie  in  den  Früchtchen  von  Ptychotis  Ajowan  DeC.  (Umbelli- 
ferae)  vor  und  kann  durch  Oxydation  von  Cymen  (G1UHU)  oder  Thymen 
(Gl(JH1(i)  künstlich  dargestellt  werden.  Das  Thymol  ist  homolog  mit  Phenyl- 
alkohol und  isomer  mit  Carvol  (vergl.  bei  Fructus  Carvi). 

Durch  Behandlung  mit  Oxydationsmitteln  und  andern  Agentien  liefert 

])  daher  die  Bezeichnung  Thymus  von  lltffio?,  Muth,  des  belebenden  Geruches  wegcp, 


510 


Blätter  und  Kräuter. 


das  Thymol  eine  Menge  höchst  merkwürdiger  Abkömmlinge,  durch  Salpeter- 
säure namentlich  auch  Camphresinsäure  (vcrgl.  bei  Camphora). 

Rektificirt  man  Thymianöl,  so  geht  unter  165°  C.  ein  mit  Terpenthinöl 
isomerer  Kohlenwasserstoff,  Lallemand’s  Thymen,  über,  welcher  stark 
links  rotirt.  Bei  170°  bis  180°  C.  kocht  dann  Cymen  (Cymol  — vergl. 
bei  Fructus  Carvi)  weg. 

Unter  dem  Thymus  der  Alten  war  vermuthlich  auch  Th.  capitatus  Link 
(Th.  creticus  Brotero,  Thymbra  capitata  Grisebach)  mit  verstanden.-  Th.  vul- 
garis gelangte  im  Mittelalter  aus  Italien  über  die  Alpen. 

Herba  Serpylli. 

Wilder  Thymian.  Quendel.1)  Serpolet.  Mother  of  thyme. 

Thymus  Serpyllum  L.  — Labiatae. 

Der  Quendel  ist  ein  kleiner  niederliegender  aufstrebend-ästiger  Halb- 
strauch, der  in  grosser  Menge  auf  Haiden,  trockenen  Wiesen  und  sonnigen 
Waldstellen  vom  Gebiete  des  Mittelmeeres  an  bis  Island  und  Finnmarken, 
in  Nordamerika,  Mittel-  und  Nordasien  (Himalaya,  Altai),  auch  in  Abys- 
sinien  einheimisch  ist. 

Aus  den  verworrenen  holzigen,  nur  etwa  3 Millim.  starken  fusslangen 
Stämmchen  erheben  sich  zahlreiche,  am  Grunde  verholzende,  sehr  häufig 
röthliche  Aestchen  mehr  oder  weniger  bogenförmig,  selten  fusshoch. 

Die  ganzrandigen  und  stumpfen  Blättchen,  höchstens  0,007"'  breit  und 
bis  0,010,n  lang,  im  Umrisse  rundlich  oder  eiförmig  bis  schmal  lanzettlich, 
verschmälern  sich  keilförmig  in  das  sehr  kurze,  bis  3 Millim.  lauge  Blatt- 
stielchen.  Die  unter  sehr  spitzem  Winkel  etwas  bogig  von  der  starken 
Mittelrippe  aufsteigeuden  Nerven  treten  auf  der  Rückseite  des  Blattes  meist 
scharf  hervor.  Derselben  sind  auch  die  verhältnissmässig  sehr  ansehnlichen 
Oeldrüschen  so  tief  eiugeseukt,  dass  sie  häufig  auch  auf  der  Oberseite  des 
Blattes  bemerklich  werden  und  dasselbe  im  durchfallendeu  Lichte  punktirt 
zeigen.  Oft  trägt  aber  auch  die  obere  Blattfläche  selbst  Drüsen.  Die  Behaa- 
rung ist  gebildet  aus  1-  bis  8-gliederigen,  etwas  starren  Haaren,  welche  sich 
aus  breiter  Basis  sehr  laug  zuspitzen.  Entweder  ist  damit  die  ganze  Pflanze 
in  allen  ihren  krautigen  Theilen  sehr  reichlich  besetzt,  oder  aber  nur  die 
Knoteu  nebst  2 oder  allen  4 Kanten  des  Stengels,  die  Blattstiele  und 
die  Kelche,  während  die  Blätter  nur  gewimpert  sind  oder,  etwa  den  Grund 
ausgenommen , ganz  kahl  bleiben.  Die  Haare  selbst  zeigen  sich  übrigen* 
auch  nach  Grösse,  Richtung  und  Steifheit  oder  Weichheit  ziemlich  ver- 
änderlich. 


1)  Quenala,  Konala  im  althochdeutschen  vor  dem  XII.  .Jahrhundert,  Kwcnela  um  1150 
bei  der  heiligen  Hildegard,  entsprechend  dem  alten  Cunila,  worunter  mehrere  Labiaten 
verstanden  waren,  noch  bei  LinnÄ  z.B.  der  Bentham’sche  Thymm  Serpyllnm Var.  ß)  mon- 
tanua,  früher  mehr  Saturcia  hortensis  L. 


Herba  Hyssopi. 


511 


Die  Scheinquirle  sind  zu  gedrungenen  endständigen  Köpfchen  geknäuelt 
oder  bilden  lockere  traubige  verlängerte,  im  ganzen  sehr  reiche  Blüthen- 

stände  (Blüthenschwänze).  _ ..... 

Der  zehnstreifige  röthliche  oder  grünliche  Kelch  mit  pfriemformig  zwei- 
theiliger Unterlippe  ist  gleichfalls,  besonders  reichlich  bei  den  schmalblätte- 
rigen Formen,  mit  Oeldrüsen  versehen. 

Die  unscheinbar  purpurne  bis  weissliche Blume  lässt  bei  den  zwitteiigen 
Blüthen  die  Staubfäden  heraustreten , iu  den  andern  sind  sie  verkümmert 
oder  fehlen. 

Zu  den  erwähnten  Unterschieden  in  der  Tracht  dieser  vielgestaltigen 
Art  gesellen  sich  noch  bedeutende  Schwankungen  in  der  Länge  und  der 
Richtung  ihrer  Aeste,  welche  sich  mehr  aufrichten  oder  kriechen  und  sich 
bewurzeln  können.  Auch  die  Grösse  der  Blumen  und  die  Ausprägung  des 
Adernetzes  der  Blätter  ist  sehr  ungleich. 

Nach  allen  diesen  Unterschieden  haben  die  Botaniker  ein  paar  Dutzend 
Spielarten  aufgestellt,  von  denen  einige  in  der  That  wohl  eine  bestimmte 
lokale  Abgränzung  darbieten.  So  sehr  leicht  auch  die  Endglieder  der  ganzen 
Formenreihe  sich  z.  B.  durch  die  breit  rundlichen  oder  fast  linealen  Blätter 
aus  einander  halten  lassen , so  sind  doch  Uebergänge  reichlich  genug  vor- 
handen, um  die  Zusammenhörigkeit  sämmtlicher  Abarten  darzuthuu. 

Wären  auch  Gründe  für  die  praktische  Bevorzugung  dieser  oder  jener 
Spielart  vorhanden,  so  lässt  sich  doch  eine  derartige  Auswahl  nicht  durch- 
führen. Es  scheint  übrigens  fast,  als  seien  bei  den  schmalblätterigen  Formen 
die  Kelche  um  so  ölreicher. 

Geruch  und  Geschmack  des  Quendels  sind  angenehm,  wenn  auch  nicht 
eben  fein  aromatisch.  Doch  zeichnet  sich  die  Varietät  Thymus  citriodorus 
Schreber  bisweilen  durch  lieblichen  Geruch  aus. 

Die  Ausbeute  an  ätherischem  Oele,  dessen  Eigenschaften  auch  beträcht 
lieh  abwechseln , schwankt  je  nach  dem  Standorte  und  der  Art  der  Pflanze 
sehr.  Selbst  aus  frisch  getrockneten  Spitzen  werden  höchstens  etwa  0,4  pC., 
häufig  aber  weit  weniger  Oel  gewonnen.  Im  Süden  ist  der  Gehalt  grösser 
und  das  Oel  auch  feiner.  Es  scheint  der  Hauptsache  nach  ein  Kohlenwasser- 
stoff zu  sein. 

Die  Asche  der  Blätter,  ungefähr  G pC.  betragend,  ist  reich  an  Kali- 
salzen. 

Schon  Dioskorides  unterschied  den  Quendel  als  Herpyllos  vom 
Thymian. 

Herba  Hyssopi. 

Ysop.  Hysope  ou  isop.  Hyssop  leaves. 

Hyssöpus  officinalis  L.  — Lnbiatae. 

Mehr  als  fusshoher  Halbstrauch  Südeuropas  (bis  in  die  Schweiz:  Tessin, 
Unterwallis,  Yisper-Thal)  und  Südsibiriens,  auch  in  Kaschmir,  Caucasien 


512 


Blätter  und  Kräuter. 


und  Sudrussland  vorkommend,  der  häufig  in  Küchengärten,  selbst  noch 
im  mittleren  Norwegen  (Throndhjem),  gezogen  wird  und  sich  daher  auch 
da  und  dort  verwildert  findet. 

Das  aufrechte  holzige  Stämmchen  theilt  sicli  meist  in  zahlreiche  schlanke, 
last  gleich  hohe  und  besenartig  gedrängte  Aeste,  die  sich  ihrerseits  wieder 
etwas  verzweigen  können.  Zu  oberst  stehen  die  10- bis  lfiblüthigen  Schein- 
quirle meist  einerseitswendig  zu  dichten  endständigen  Trauben  (Blüthen- 
schwänzen)  geordnet,  welche  nach  unten  allmälig  lockerer  werden.  Der 
mittlere  und  untere  Theil  der  vierkantigen  Stengel  ist  weitläufig  beblättert, 
seine  gewöhnlich  wenigstens  um  die  Länge  der  Blätter  auseinander  gerück- 
ten Knoten  fast  unmerklich  aufgetrieben.  Die  steifen  schmal  lanzettlichen 
und  rundlich  zugespitzten  Blätter  erreichen  bis  0,025m  Länge  bei  höchstens 
0,005  Breite.  Gegen  den  Grund  siud  sie  allmälig  verschmälert  und  fast 
ungestielt;  aus  den  Blattwinkeln  entstehen  fast  immer  kleinere  spitzigere 
Blattpaare.  Die  Deckblätter  der  Blüthentraube  sind  von  gleicher  Gestalt, 
nur  allmälig  an  Grösse  abnehmend,  doch  meist  noch  die  Quirle  oder  wenig- 
stens die  Kelche  überragend.  Alle  Blätter  sind  ganzrandig,  kahl,  etwas 
dicklich  und  zeigen  beim  Trocknen  Neigung,  sich  am  Rande  umzurollen, 
wie  denn  auch  die  Handelswaare  vorwiegend  aus  mehr  oder  weniger  längs- 
rinnig  gebogenen  Blättern  besteht.  Nur  unterseits  tritt  ein  einziger  nicht 
sehr  derber  Nerv  etwas  deutlicher  hervor,  welchem  oberseits  eine  äusserst 
feine  Rinne  entspricht.  Beide  Blattflächen  sind  übrigens  durch  sehr  zahl- 
reiche mit  Oeldrüschen  versehene  Grübchen  grob  runzelig  und  bis  auf  ein- 
zelne sehr  zerstreute,  höchstens  am  Rande  etwas  häufigere,  starre  zierlich 
punktirte  Knotenhaare  völlig  kahl.  Etwas  zahlreicher  kommen  dergleichen 
doch  kürzere  hakenförmige  Härchen  auf  den  jüngeru  Stengelgliedern  vor, 
so  wie  auf  den  ebenfalls  drüsentragenden  spitz  fünfzähuigen,  oft  röthlich 
angelaufenen  Kelchen.  Aus  letzteren  breitet  sich  die  satt  blaue  weit  zwei- 
lippige  Krone  kurz  aus , trocken  bedeutend  überragt  von  deu  dünnen , zu 
äusserst  dunkelblauen  Staubfäden  und  dem  noch  längeren  zweispaltigen 
Griffel.  Der  Krone  fehlen  die  Oeldrüschen,  sie  ist  aber  auch  mit  den  beschrie- 
benen Börstchen  bestreut. 

Das  käufliche  Kraut  enthält  gewöhnlich  die  Blüthenähren  nicht.  Es 
riecht  und  schmeckt  angenehm  aromatisch,  kaum  bitterlich  und  liefert,  bei 
uns  gezogen,  ungefähr  1 pC.  ätherisches  Oel,  welches  der  Hauptsache  nach 
ein  schon  unter  150°  C.  siedender,  doch  bis  jetzt  noch  nicht  isolirter 
Kohlenwasserstoff  zu  sein  scheint,  gemengt  mit  sauerstoffhaltigem  indiffe- 
rentem Oele.  Ausserdem  enthält  das  Kraut  auch  eiseugriinenden  Gerbstoff. 

Obwohl  die  Abstammung  des  Wortes  Hyssop  vom  hebräischen  Esobh 
feststeht,  so  ist  doch  darunter  nicht  gerade  vorzugsweise  unsere  Pflanze 
verstanden  worden.  Dieselbe  wurde  schon  im  Mittelalter  vor  dem  XII.  Jahr- 
hundert in  Deutschland  von  Mönchen  gezogen  und  im  XVI.  Jahrhundert 
von  Matth ioli  in  den  Arzneischatz  eiugcführt. 


Folia  Melissae. 


513 


Folia  Melissae. 

Melissenblätter.  Citronenmelisse.  Feuilles  de  melisse.  Citronnelle.  Balm. 

Melissa  officinalis  L.,  «)  citrata  Bischoff.  Labiatae. 

Die  Melisse  wächst  in  Südeuropa,  namentlich  häufig  in  Südfrankreich. 
Buhse  fand  sie  auch  in  Transkaukasien , andere  im  Süd-  und  Ostgebiete 
des  Caspi-Meeres,  so  wie  um  Aleppo;  auch  der  Name  Arabian  balm,  den 
sie  nach  Ainslie  in  Indien  führt,  deutet  wohl  auf  ihre  Herkunft  aus  dem 
südwestlichen  Asien.  Im  mittlern  Europa  wird  sie  häufig  gezogen  und  ge- 
deiht noch,  freilich  nur  einjährig,  im  südlicheu  Norwegen. 

Die  zahlreichen  bis  lm  hohen  Stengel  entspringen  aus  dem  holzigen 
Wurzelstocke  oder  an  den  fleischigen  Ausläufern  und  sind  reichlich  mit  ein- 
fachen ruthenförmigen  Aesten  besetzt.  Dieselben  tragen  an  den  obern  Thei- 
len,  besonders  an  den  ziemlich  weit  auseinander  gerückten  Knoten,  auch 
am 'Blattstiele,  nicht  sehr  zahlreiche  weiche  lange  und  abstehende  Haare 
oder  sind,  wenigstens  nach  unten,  kahl.  Vereinzelte  langgliederige  Haare 
finden  sich  auch  auf  den  Blättern  und  zwar  beinahe  häufiger  auf  der  dunk- 
leren Oberseite,  reichlicher  aber  dann  am  Kelche.  Die  Haare  sind  aus  brei- 
ter Basis  sehr  lang  und  dünn  pfriemförmig  ausgezogen  und  an  den  Knoten 
kaum  merklich  aufgetrieben. 

Die  Blätter,  bis  etwa  0,040m  lang  und  höchstens  0,030m  breit,  von 
breit  eiförmigem  Umrisse  oder  zu  unterst  herzförmig,  laufen  in  eine  stumpf- 
liche  Spitze  aus  und  tragen  beiderseits  am  Rande  5 bis  1 0 rundliche  Säge- 
zähne.  Bei  den  obern  Blättern  setzen  dieselben  erst  gegen  die  Mitte  des 
Randes  ein,  so  dass  der  Grund  des  Blattes  keilförmig  in  den  0,005  bis 
0,015™  langen  schlanken  Blattstiel  übergeht.  Die  kleinen  Oeldrüschen 
sind  nicht  eben  sehr  zahlreich  der  unteren  Blattfläche  eingesenkt,  wo  die  in 
spitzem  Winkel  ziemlich  gerade  verlaufenden  Nerven  schärfer  hervortreten. 
Nur  die  jüngern  Kelche  haben  Oeldrüschen  aufzuweisen,  obwohl  immerhin 
noch  spärlicher  als  die  Blätter. 

Die  eckig-nervigen  Kelche  öffnen  sich  weit  in  eine  aufrechte,  sehr  scharf 
und  lang  zweispitzige  Unterlippe  und  eine  kürzer  dreizähnige  Oberlippe. 
Die  weisse  oder  röthlich  angelaufene  geruchlose  und  unansehnliche  Blume 
überragt  nur  mit  ihrer  ausgebreiteten  zweilippigen  Krone  den  Kelch  um 
ein  bedeutendes  und  lässt  die  Staubgefässe  und  den  Griffel  etwas  hervor- 
treten. Die  achsel ständigen  kurzgestielten  Scheinquirle  stehen  etwas  ent- 
fernt in  einseitswendigen  Büscheln. 

Die  beschriebene  Kulturform  der  Melisse  riecht  nicht  stark,  aber  beson- 
ders nach  dem  Trocknen  äusserst  lieblich , entfernt  an  Citronen  erinnernd, 
ist  jedoch  eine  der  an  ätherischem  Oele  ärmeren  Labiaten.  Trockenes  frisches 
Kraut  liefert  davon  im  Maximum  ungefähr  *4  pC.,  aber  häufig  nicht  einmal 
1 p.  Mille.  Das  Oel  enthält  nach  Bizio  einen  Campher  gelöst. 

Der  Geschmack  der  Blätter  ist  höchst  unbedeutend. 


Flückiger,  Pharmakoguosio. 


33 


514 


Blätter  und  Kräuter. 


Die  in  Italien  gebrauchte,  auch  in  Griechenland  häufige  Melissa  offici- 
nalis  ß.  villosa  Beutham  (M.  roraana  Miller,  M.  hirsuta  Hoffm.,  M.  altis- 
sima  Sibthorp  et  Smith,  M.  cordifolia  Persoon)  scheint  die  eigentliche 
Form  der  wilden  Pflanze  zu  sein.  Sie  besitzt  grössere,  länger  gestielte 
und  häufiger  herzförmige  Blätter,  welche  wie  die  ganze  Pflanze  zottig,  aber 
von  schwachem  wenig  angenehmem,  wie  es  scheint  bisweilen  im  Alter 
selbst  wanzenartigem  Gerüche,  daher  zum  Arzneigebrauche  zu  verwerfen 
sind. 

Der  ächten  Melisse  ähnlich  riecht  hingegen  Nepeta  Cataria  L.  Var. 
citriodora  Becker,  deren  herzförmige  Blätter  aber  weissfilzig  sind. 

Die  Melisse,  Meliphyllon  oder  Melissöphyllon  ’)  der  Griechen,  Apiastrum 
der  Römer,  ist  seit  den  ältesten  Zeiten  im  Gebrauche. 

Herba  Galeopsidis. 

Lieber’sche  Kräuter.  Blankenheimer  Thee.  Galeopside.  Chanvre  bätard. 

Galcöpsis  ocliroleuca  Lamarck.  — Labiatae. 

Syn. : G.  grandiflora  Roth. 

G.  villosa  Hudson. 

Fusshohes  jähriges  Kraut,  stellenweise  durch  den  grösseren  Theil  Mittel- 
Europas  verbreitet,  in  Deutschland  z.  B.  in  den  rheinischen  und  westfäli- 
schen Gegenden,  in  der  Schweiz  bei  Bern,  auch  in  den  Vogesen  und  Ar- 
dennen, in  Mittelfrankreich,  in  England,  aber  nicht  iu  Italien,  Griechenland 
und  Kaukasien. 

Der  Stengel  ist  besonders  oberhalb  mit  langen  sparrig  abstehenden 
krummen  Aesten  versehen,  die  nur  sehr  locker  beblättert  sind  und  in  den 
Achselu  bis  1 Oblüthige  sehr  ansehnliche  Scheinquirle  tragen.  Erst  an  den 
Spitzen  der  ruthenförmigen  Aeste  sind  die  Bliithenstäude  einander  etwas 
näher  gerückt.  Die  länglich  lauzettlichen  kurzgestielten  Blätter,  höchstens 
gegen  0,05m  lang  und  0,0 15m  breit,  siud  spitznervig  und  au  jedem  Rande 
durch  etwa  4 rechtwinkelig  abgesetzte  grobe  Zähne  weitläufig  gesägt.  Die 
beiden  obersten  sind  der  rundlichen  Spitze  genähert,  während  das  unterste 
Paar  Sägezähue  vom  Blattgrunde  weit  entfernt  ist.  Der  borstige,  in  5 
stechende  Zähne  endigende,  etwa  G Millim.  lange  Kelch  wird  von  den  schön 
gelben,  trocken  bis  über  0,020'"  erreichenden  Blumen  überragt.  Ihre 
schlanke  Röhre  öffnet  sich  allmälig  sehr  weit  in  eiue  gewölbte  vierzähnige 
Oberlippe  und  die  grosse  dreispaltige  Unterlippe,  welche  mit  einem  intensiv 
gelben  Flecken  bemalt  ist. 

Die  ganze  Pflanze  ist  mit  Ausnahme  der  dicksten  Stengclstücke  mehr 
oder  weniger  mit  kurzen,  etwas  gebogenen  und  knotig  gegliederten  starren 
Börstchen  besetzt.  Hauptsächlich  der  Kelch,  seine  dornigen  Deckblättchen 
und  die  jüngeren  Stengelglieder  zeigen  dazwischen  auch  gelbliche  Oel- 


1)  Melissa  die  Biene. 


Herba  Marrubii. 


515 


dräschen,  welche  aber  von  breiten  weichen  bandartigen  gegliederten  Haa- 
ren getragen  werden.  Denselben  verdankt  die  Pflanze  den  unbedeutenden 
aromatischen  Geruch  und  Geschmack.  Letzterer  wird  beim  Trocknen  mehr 
indifferent,  kaum  etwas  bitterlich-salzig.  Der  Geruch  verschwindet  so  gut 
wie  ganz. 

Geigers  Analyse  hat  nur  die  allgemeiner  verbreiteten  Stoffe  ergeben; 
das  ätherische  Oel  ist  in  geringen  Spuren  vorhanden. 

Einige  andere  Galeopsis  - Arten  sehen  der  G.  ochroleuca  ziemlich  ähn- 
lich, z.  B.  G.  Tetrahit  L. , G.  versicolor  Curt. , G.  pubescens  Besser.  Sie 
unterscheiden  sich  durch  knotige  Verdickungen  des  Stengels  unterhalb  der 
Gelenke. 

Galeopsis  Lädanum  L.  hat  bei  weitem  schmälere,  zu  oberst  fast  lineale 
Blätter  und  auch  nach  dem  Trocknen  noch  röthliche  Blumen.  Bei  den  gelb- 
blühenden Stachys- Arten  endlich  überragen  die  Kronen  den  Kelch  nicht 
oder  nur  um  weniges. 

In  Köln  und  den  niederrheinischen  Gegenden  schon  längst  als  Volks- 
mittel bekannt,  auch  wohl  bereits  von  Aerzten  beachtet,  gelangte  die  be- 
schriebene Pflanze  zu  grossem  Rufe,  als  es  sich  (1811)  herausstellte,  dass 
sie  seit  etwa  1802  oder  1807  dem  Reg.-Rathe  Lieber  in  Kamberg  unweit 
Frankfurt  zu  dem  geheimnissvollen  „Lieber’schen  Auszehrungskräutern“ 
diente,  wie  schon  früher  einer  Fräulein  Libert  in  Malmedy  als  Bestand- 
theil  eines  Brusttrankes.  Eine  bezügliche  Bekanntmachung  der  preussischen 
Behörden  von  1 824  machte  dem  ausserordentlich  gewinnreichen  Schwindel 
Lieber’s  ein  Ende. 


Herba  Marrubii. 

Herba  Marrubii  albi ').  Audorn.  Marrube  blaue.  White  horehound. 

Marrübium  vulgare  L.  — Labiatae. 

Der  Andorn  ist  über  ganz  Vorderasien  (Kaschmir,  Persien,  Arabien) 
und  Europa  (Insel  Ösel  in  der  Ostsee,  Aragonien,  Canarische  Inseln,  Eng- 
land und  Schottland)  verbreitet  und  bereits  auch  in  Nordamerika  (Canada, 
New-Jersey,  Californien,  Mexico)  und  Südamerika  (Chili)  eingewandert. 
Die  Pflanze  liebt  unbebaute  Stellen,  ist  jedoch  in  manchen  Ländern,  wie 
z.  B.  in  der  Schweiz  (Sitten),  nur  sehr  zerstreut  zu  finden  und  scheint  in 
Ostasien  zu  fehlen. 

Die  ausdauernde  starke  Wurzel  treibt  mehrere  über  fusshohe  weiss- 
filzige hohle  und  nach  oben  etwas  ästige  Stengel.  Sie  sind  nur  wenig  ver- 
holzt, oft  etwas  gebogen  und  zeigen  die  bei  den  Labiaten  gewöhnliche  Form 
und  Blattstellung.  Die  Blätter  sind  verschiedengestaltig,  niemals  herzförmig, 
sondern  kurz  eiförmig,  jedoch  bald  einigermassen  annähernd  kreisrund, 


1)  herba  Marrubii  nigri  hiessen  die  Blätter  der  Ballota  nigra  L.  Sie  sind  herzförmig, 
nicht  filzig,  so  gut  wie  nicht  runzelig. 


83* 


516 


Blätter  und  Kräuter. 


bald  vom  Blattstiele  rechtwinkelig  oder  stumpf  abgeschnitten , bald  mehr 
in  denselben  verschmälert,  bis  etwa  0,04™  lang  und  oft  fast  eben  so  breit. 
Die  unteren  und  mittleren  Stengelblätter  hängen  schlaff  an  etwa  halb  so 
langen  ziemlich  breiten  Blattstielen  oder  sind  gerade  abstehend.  Bedeutend 
kürzer  sind  die  Stiele  der  obern  Blätter,  die  der  obersten  Stützblätter  des 
Blüthenstandes  fast  verschwindend.  Die  letzteren,  überhaupt  mehr  die  klei- 
neren Blätter,  sind  scharf  und  grob  gesägt,  die  grösseren  ungleich  wellen- 
förmig gekerbt.  Besonders  unterseits  an  jüngeren  Blättern  tritt  das  grob 
runzelige  Adernetz  stark  hervor.  Die  ganze  Pflanze  mit  Ausnahme  der 
Blumenrohre  wird  von  weichem  grauem  Filze  mehr  oder  weniger  dicht  be- 
deckt. An  den  sehr  stark  verfilzten  Kelchen  jedoch  zeigt  sich  derselbe  ziem- 
lich starr,  indem  sich  hier  den  langen  knotig  gegliederten  und  sehr  spitz 
zulaufenden  Haaren  auch  derbe  Sternhaare  beimischen.  Die  dünnwandigen 
einfachen  Glieder  der  breiteren  Haare  des  Stengels  fallen  hingegen  band- 
artig zusammen.  Spärlicher  behaart  und  deshalb  dunkler  grün  ist  die  Ober- 
seite der  Blätter,  besonders  im  Alter.  In  nicht  sehr  grosser  Zahl  finden 
sich  namentlich  auf  der  Rückseite  der  Blätter  ansehnliche  farblose  Oel- 
drüschen  eiugestreut. 

Die  kleinen  Blüthen  sind  sehr  zahlreich  zu  kugeligen  Scheinquirlen  zu- 
sammengeknäuelt,  welche  aus  den  Winkeln  der  besonders  an  den  unteren 
Stengeitheilen  weit  auseinander  gerücktem  Blattpaare  hervortreten.  Die 
becherförmige  Kelchröhre  läuft  in  10  abwechselnd  längere,  an  der  sehr  lan- 
gen derben  Spitze  in  kahle  Haken  endigende  Zähne  aus,  welche  die  Pflanze 
sehr  auszeichnen.  Durch  die  schmale  aufrechte  Oberlippe  und  die  abwärts 
gerichtete  breitere  Unterlippe  erhält  die  weisse  unscheinbare  Blütlie  ein 
ziemlich  eigenthiimliches  Aussehen. 

Das  Kraut  schmeckt  stark  bitter  und  etwas  scharf  aromatisch.  Der 
Bitterstoff,  das  Marrubiin,  ist  in  nur  äusserst  geringer  Menge  vor- 
handen und  wurde  zuerst  von  Mein  1855  in  Nadelu  dargestellt.  Es 
ist  durch  Gerbstoff  und  Metallsalze  nicht  fällbar,  daher  Harms  es  mit 
Aether  dem  weingeistigen  Extracte  des  Krautes  entzog.  Kromayer  be- 
nutzte dazu  die  Knochenkohle,  welche  den  Bitterstoff  begierig  aufuimmt. 
Er  tritt  sowohl  in  farblosen  ansehnlichen,  bei  160°C.  schmelzenden  Krystal- 
len,  als  auch  wie  es  scheint  harz-  oder  terpeuthinartig  in  amorpher  Modifi- 
cation  auf.  Selbst  in  kochendem  Wasser  löst  er  sich  nur  wenig,  ertheilt 
ihm  jedoch  einen  sehr  bitteren  Geschmack.  Die  Zersetzuugsprodukte  des 
Marrubiins  bei  stärkerer  Erhitzung  riechen  nach  Senföl.  Eine  von  Geuthe  r 
ausgefühlte,  doch  nicht  endgültige  Analyse  des  Mein’schen  Präparates 
würde  zu  der  Formel  G24II:!2GPr>  führen  können.  Das  Marrubiin  zeigt  sich 
auch  dadurch  von  manchen  andern  Bitterstoffen  verschieden , dass  es  sich 
nicht  als  gepaarte  Zuckerverbindung  erweist. 

Das  Marrubiumkraut  enthält  nur  sehr  wenig  ätherisches  Oel,  das  noch 
nicht  näher  gekannt  ist;  mehr  beträgt  der  eiseugrüuende  Gerbstoff.  Auch 
an  Salzen  scheint  das  Kraut  reich  zu  sein.  Bley  hat  endlich  daraus  in  der 


Summitates  Sabinae. 


517 


bei  Summitates  Miilefolii  erwähnten  Weise  auch  ein  Fermentöl  in  sehr  ge- 
ringer Menge  erhalten. 

Der  Andorn,  Prasion  der  Griechen,  war  schon  im  Alterthum  gebraucht, 
aber  vermuthlich  öfter  mit  Labiaten  von  etwas  ähnlichem  Aussehen  zu- 
sammengeworfen. Im  deutschen  Mittelalter  findet  sich  Andorn  und  Maru- 
biurn  aufgezählt  sowohl  in  den  bei  Semen  Hyoscyami  erwähnten  Arznei- 
büchern aus  dem  XII.  und  XIII.  Jahrhundert  als  auch  in  den  Schriften  der 
heiligen  Hildegard  um  1150. 

Marrubium  ist  auf  das  hebräische  mar  (bitter)  zurückzuführeu. 

H.  Aromatische  Blätter  und  Kräuter 

(mit  Ausschluss  derjenigen  der  Labiaten). 

Summitates  Sabinae. 

Folia  s.  herba  Sabinae.  Sadebaumkraut.  Seveukraut.  Sevi.1)  Sabine. 

Savine. 

Juniperus  Sabina  L.  — Coniferae-Cupressineae. 

Syn.:  Sabina  officinalis  Garcke. 

Kleiner  niederliegender  holziger  diöcischer  Strauch  mit  gedrängten 
Aesten ; er  wächst  stellenweise  in  grosser  Menge  in  den  südlichen  Alpen 
Oesterreichs  (Krain,  Oetzthal)  und  der  Schweiz  (Eingang  des  Nicolaithaies 
im  Wallis,  bei  Finstermünz  in  Graubünden),  auch  im  westlichen  (Eifel  am 
Rhein)  und  südlichen  Europa  (Provence,  Spanien,  Italien  — Sabiner- 
land, seltener  in  Griechenland),  dann  auch  im  Kaukasus,  in  Persien,  Süd- 
sibirien (Altai)  und  Klein-Asien,  vorzüglich  an  dürren  heissen  gebirgigen 
Standorten.  — In  Gartenaulagen  wird  er  überdies  sehr  häufig  kultivirt  und 
alsdann,  mit  Zustimmung  der  Pharmakopoen,  gleichfalls  verwendet;  er  ist 
hier  mehr  aufrecht,  bis  2 — 3ni  hoch,  doch  wächst  die  Krone  immer  mehr 
in  die  Breite. 

Die  jüngeren  frucht-  oder  blüthentragenden  Zweige  werden  zum  öffici- 
nellen  Gebrauche  gesammelt.  Ohne  Gliederung  (Unterschied  von  Juniperus 
communis)  wachsen  die  kleinen,  0,001 — 0,003™  langen  schuppenförmigen 
Blättchen,  je  zwei  gegenüber  in  abwechselnder  Stellung  und  dadurch  4zeilig 
aus  dem  Zweige,  denselben  ziegeldachartig  ganz  bedeckend  und  fallen  erst 
im  4ten  Jahre  mit  dem  Korke  ab. 

An  den  jüngeren  Zweigen  sind  die  Blättchen  dicht  angedrückt,  höch- 
stens an  der  stumpf  liehen,  nicht  stechenden  Spitze  ein  wenig  abstehend;  sie 
sind  etwas  dicklich,  innen  concav,  grünlich  weiss,  aussen  nicht  kantig, 
sondern  gerundet,  grün,  mit  einer  runden  oder  länglichen  dunkleren  ver- 
tieften Oeldrüse,  welche  nur  die  Mitte  der  Rückenlinie  einnimmt.  Die  Zweig- 


J)  seviboum,  soviuum,  sovene,  sevina  schon  im  XII.  Jahrhunderte  (in  dem  bei  Semen 
Hyoscyami  erwähnten  Arzncibucho).  Sybcnbaum  bei  Hildegard  um  1150. 


518 


Blätter  und  Kräuter. 


lein  erhalten  dadurch  ein  mehr  gerundetes  als  scharf  vierkantiges  Aussehen. 
Aber  schon  die  äussersten  Blättchen  der  Zweigspitzen  und  die  der  älteren 
Aeste  verlängern  sich  etwas,  werden  spitzig,  mehr  von  der  Axe  abstehend, 
weitläufiger  aus  einander  gerückt  und  tragen  eine  verlängerte  Oelfurche, 
ja  es  finden  sich  auch  an  einer  und  derselben  Pflauze,  durch  das  Vorherr- 
schen angedrückter  oder  aber  mehr  abstehender,  bisweilen  auch  dreizeiliger, 
scharf  zugespitzter  längerer  Blättchen,  Aestchen  von  verschiedenem  Aus- 
sehen. Man  hat  demnach  Pflanzen,  welche  vorwaltend  den  letzteren  Habitus 
zeigen,  als  Varietät:  pungens  oder  cupressifolia , die  erstere  Form,  mit 
kleinen  stumpflichen  angedrückten  Blättchen  dagegen  als  Var.:  tamarisci- 
folia1')  unterschieden.  Gestalt  und  Anordnung  der  Blätter  wechseln  somit 
sehr  bedeutend,  namentlich  in  der  Kultur;  wildwachsende  Pflanzen  der 
Alpen  gehören  beständiger  zu  tamariscifolia.  — Mau  wollte  auch  zwischen 
männlichen  und  weiblichen  Pflanzen  einen  Unterschied  in  den  Blättern  ge- 
funden haben. 

Ein  wichtigeres  Kennzeichen  bilden  die  überhängeuden  beereuartigen, 
an  kurzen  gekrümmten  Zweiglein  traubenartig  endständigen  Früchtchen 
(Beerenzapfen,  Scheinbeere),  welche  im  ersten  oder  auch  im  zweiten  Jahre 
reifen  (vergl.  beiFructus  Juniperi)  und  sich  in  der  käuflichen  Herba  Sabiuae 
vorzufinden  pflegen.  Sie  sind  kugelig,  trocken  etwa  0,005m  messend,  sehr 
unregelmässig  eingeschrumpft  und  zeigen  noch  undeutlich  entweder  an 
ihrem  Scheitel  oder  oft  weit  unterhalb  desselben,  die  Spitzen  der  4 6 

Fruchtblätter,  welche  dieseu  beerenartigen  Fruchtstand  zusammensetzen. 
Aussen  sind  diese  Beerenzapfen  schwarz  und  graublau  bereift;  in  dem 
grünen  ölig-harzigen  Fruchtfleische  stecken  1 — 4 knöcherne  Samen,  welche 
am  Grunde  von  einigen  sackartigen  Oeldrüseu  umgeben  sind.  Grosse  Oel- 
zellen  enthält  auch  das  Fruchtfleisch  selbst. 

Ausser  dem  gedrängten  buschigen  Wüchse  des  Strauches  ist  auch  sein 
wideriger  eigenthümlicher  Geruch  ein  beständiges  Merkmal.  Er  kömmt  dem 
ätherischen  Oele  zu,  welches  in  den  Zweigspitzen  (etwa  2 pC.)  und  triicht- 
chen  (10  pC.),  nicht  aber  im  Holze  enthalten  ist.  Das  Oel,  isomer  mit 
Terpenthinöl  und  stark  rechts  rotirend,  ist  ein  irritirendes  Gift  von  betäuben- 
dem Gerüche.  Es  fulminirt  mit  Jod  sehr  heftig.  Blätter  und  Früchte  enthalten 
reichlich  Chlorophyll,  Gerbstoff,  Zucker  und  Harz,  das  Holz  auch  Amylum, 

1)  Die  Begriffsverwirrung  in  Betreff  des  Ausdruckes  tamariscifolia  ist  so  gross,  dass  der- 
selbe verdient  gestrichen  zu  werden.  Nach  Henkel  u.  Hochstctter,  Synopsis  der  Nadel- 
hölzer (1865),  ist  die  alpinisclie  Sabina  die  Var.  cupressifolia  = Juniperus  foctida  a)  Sabina 
Spach  = Sabina  officinalis  Garcke,  durch  etwas  zugespitzte  Blätter  und  1-  bis  4sanngc 
Früchtchen  ausgezeichnet.  Juuiperus  foctida  ß)  tamariscifolia  Spach  = J.  Sabina  ß)  Lmne 
aber  ist  von  Grisebach  zur  eigenen  Art  Juniperus  sabinoides  erhoben  worden  und  besitzt 
oft  pfriemenförmige,  halb  abstehende,  oberseits  sehr  oft  bläulich  weissgrüne  Blätter,  so  wie 
meist  einsamige  Früchte.  Diese  Art  oder  Varietät  gehört  den  Gebirgen  Spaniens,  Sicil.cns  und 
Griechenlands  an.  Kostcletzky’s  cuprcssina  ist  Linnö’s  tamariscifolia.  Bergste  le 
Spach'schen  Varietäten  Sabina  und  tamariscifolia  unter  Garcke  s Sabina  officinalis  und  gi 
der  tamariscifolia  sämmtlich  angedrückte  oder  nur  später  etwas  abstehende  Blatter. 


Summitates  Sabinae. 


519 


aber  kein  Harz  oder  nur  ein  wenig  im  Marke.  Im  getrockneten  Frucht- 
fleische kommen  einzelne  mit  einer  weissen  wachsartigen  Substanz  erfüllte 
Räume  vor.  Unter  dem  Mikroskop  zeigt  sich  die  Substanz  amorph,  von 
splitterigem  Bruche,  vollkommen  durchsichtig.  Vermuthlich  ist  es  ein  Fett 
oder  Stearopten. 

Mehrere  andere  Coniferen  haben  mit  dem  Seveustrauche  grosse  Aehn- 
lichkeit,  namentlich  die  baumartige  Juniperus  Virginiana  L. , die  rothe 
Ceder  der  Amerikaner,  welche  von  Canada  bis  Florida  und  am  mexica- 
nischen  Golfe  einheimisch  und  seit  1664  in  europäischen  Anlagen  sehi 
häufig  ist.  Die  stechenden,  locker  anliegenden  abstehenden  Blätter  sind 
au  älteren  Zweigen  vierreihig,  an  jüngeren  dreireihig,  scharf  zugespitzt,  der 
Varietät  pungens  von  Sabina  gleich.  Der  virginische  Baum  ist  jedoch  aus- 
gezeichnet durch  den  höheren,  flatterigen,  spreizenden  Wuchs,  der  sich  selbst 
an  den  kleineren  Aesten  noch  durch  die  sparrig  abstehenden , sogar  nach 
aussen  zurückgekrümmten,  nicht  gedrängten  Zweige  bemerklich  macht. 
Im  Vaterlande  erreicht  diese  Art  20  — 40  Fuss  Höhe;  in  einer  Varietät  mit 
dünneren  hängenden  Zweigen  und  Aesten  auf  Barbadoes  selbst  60  Fuss. 
Der  Geruch  des  virginischen  Sevenbaums  ist  ähnlich,  doch  schwächer  als 
bei  unserer  Sabina,  statt  welcher  er  in  Amerika  augewendet  wird.  Sein 
Oel  wirkt  gleich  wie  das  der  Sabina,  ist  aber  nach  Gladstone  wesentlich 
verschieden.  Wie  nahe  sich  übrigens  beide  Pflanzen  stehen,  geht  auch 
daraus  hervor,  dass  Hook  er  sie  für  identisch  erklärt  hatte. 

Der  Variet.  cupressifolia  der  Sabina  gleicht  Jxmiperus  phoenicea  L., 
im  Gebiete  des  Mittelmeer es,  jedoch  besitzt  dieser  Strauch  weit  abstehende 
Aeste  und  Zweige,  denen  der  specifische  Geruch  der  Sabina  ganz  abgeht. 

Auch  die  in  denselben  Gegenden  wachsende  Cypresse,  Cupressus 
sempervirens  L.,  wird  als  Verwechselung  des  Sevenstrauches  genannt. 
Die  Blätter  der  Cypresse  stehen  aber  an  den  Aesten  so  weitläufig,  dass  sie 
dieselben  nicht  decken ; an  den  Zweigen,  wo  sie  dichter  sitzen , lasseu  sie 
sich  dadurch  unterscheiden,  dass  sie  zwei  Längsfurchen  auf  dem  Rücken 
tragen,  wodurch  die  Mitte  der  Länge  nach  erhöht  ist.  Die  Zweige  sind  weit 
abstehend;  Geruch  fehlt  fast  ganz. 

Die  Thuja- Arten,  deren  Geruch  an  Sabina  erinnert,  sind  durch  ihre 
flachen  Aeste  sehr  verschieden. 

Hauptkennzeichen  der  Sabina  sind  also  der  gedrängte  Wuchs,  der  durch 
die  sehr  zahlreichen  angedrückten,  nicht  abstehenden  Zweige  entsteht;  die 
fast  immer  vierzeilige  Anordnung  der  Blätter,  die  nickenden  Früchte  und 
endlich  vorzüglich  der  kräftige  eigeuthiimliche  Geruch,  zumal  der  Früchte. 

Die  Blättchen  allein  gewähren  nicht  ausreichende  Merkmale. 

Die  Sabina  und  ihre  Wirkungen  waren  schon  den  Alten  bekannt.  Dios- 
korides  so  wie  Plinius  unterschieden  bereits  die  cy pressenähnliche  — 
weibliche  — und  die  tamariskenähnliche  — nach  ihnen  männliche  Form. 
Karl  der  Grosse  befahl  (im  Capitulare  de  villis  et  cortis  imperialib.)  den 
Anbau  der  Savina  in  Deutschland. 


520 


Blätter  und  Kräuter. 


Herba  Matico. 

Folia  Maticae.  Matico. 

1.  Artanthe1)  elongata  Miquel.  — Piperaceae. 

Syn.:  Piper  angustifolium  Ruiz  et  Pavon. 

P.  elongatum  Yahl. 

Steffensia  elongata  Kuntli. 

2.  Artanthe  adunca  Miquel. 

Syn. : Piper  aduncum  L. 

P.  arborescens  Miller. 

Steft’ensia  adunca  Kunth. 

Der  erstere  Strauch  wächst  in  feuchten  Wäldern  der  Cordillereu  in 
Chili  und  Peru  (bei  Huanuco),  der  zweite  ist  im  Osten  des  tropischen  Ame- 
rika, von  Jamaika  bis  Bahia,  verbreitet. 

Die  knotigen,  etwa  0,003™  dicken  Stengel  beider  Pflanzen  tragen  an- 
sehnliche eiförmige  zugespitzte  netzaderige,  abwechselnd  gestellte  Blätter, 
welchen  die  nur  0,003“  dicken,  bei  der  erstgenannten  Art  bis  etwa  0,20™ 
langen,  bei  der  zweiten  aber  kürzeren  und  fast  hakenförmig  zurückgebogenen 
Blüthenähren  (Kätzchen)  gegenüberstehen.  Die  aufs  dichteste  gedrängten 
grünlichen  Blüthen  sind  meist  schon  verblüht. 

Wir  erhalten  hauptsächlich  die  Blätter  der  A.  elongata,  welche  sehr 
kurz  gestielt,  über  0,10“  laug,  etwa  0,03™  breit  und  ziemlich  dick  sind. 
Im  Umrisse  länglich  eiförmig,  wenig  und  kurz  zugespitzt,  unterscheiden  sie 
sich  sehr  von  den  breiteren,  sehr  lang  zugespitzten  und  ganzrandigen  Blät- 
tern der  A.  adunca,  welche  zudem  ein  weitmaschiges  Adernetz  besitzen 
und  überhaupt  grösser  werden.  Beide  sind  am  Grunde  unsymmetrisch  ab- 
gerundet. Die  stumpf  gekerbten  Blätter  der  A.  elongata  sind  sehr  enge 
geadert,  so  dass  die  ganze  obere  dunkelgrüne  und  nur  von  vereinzelten 
starren  knotigen  Gliederhaaren  spärlich  besetzte  Blattfläche  ziemlich  regel- 
mässig in  1 Millim.  grosse  gewölbte,  körnig  rauhe  Quadrate  abgetheilt  er- 
scheint. Sie  treten  noch  schärfer,  aber  weniger  regelmässig  auf  der  grau- 
lichen, kurz  filzigen  Unterfläche  hervor,  ebenso  der  starke  Mitteluerv  und 
die  3 — 5 Seitennerven  jeder  Blatthälfte.  Die  Blätter  und  die  Fruchtähren, 
welche  sie  gewöhnlich  begleiten,  pflegen  noch  an  ziemlich  ansehnlichen 
flaumigen  Stücken  der  Stengel  zu  sitzen;  meist  ist  aber  das  ganze  durch 
die  Packung  stark  zerknittert,  da  diese  Blätter  sehr  brüchig  sind.  Ihre 
Unterseite  gleicht  derjenigen  der  Digitalis  purpurea,  ist  aber  mit  längeren 
Haaren  besetzt. 

Die  nur  unterseits  sehr  wenig  behaarten  oder  überhaupt  ganz  kahlen 
zähen  Blätter  der  A.  adunca  wurden  1864  aus  Colon  (Isthmus  von  Panama) 
in  London  eingeführt  und  zuerst  von  Bentley  beobachtet,  hruchtähren 
kommen  bei  dieser  Sorte  seltener  vor,  sind  aber  eben  so  dicht  mit 


!)  ’ApTupa,  Gewürz. 


Herba  Cannabis. 


521 


sitzenden  Früchtchen  besetzt  wie  die  mehr  geraden  Aehrchen  der  erst- 
genannten Art. 

Die  käuflichen  Matico-Blätter  riechen  schwach  aromatisch  nach  Cubeben 
oder  Minze  und  schmecken  angenehm  oder  ein  wenig  scharf  bitterlich 
und  aromatisch,  im  Alter  etwas  terpenthinartig.  Sie  enthalten  weder  Piperin, 
noch  Cubebin,  noch  einen  ähnlichen  besonderen  Stoff,  den  man  bereits  als 
Maticin  vorausgesetzt  hatte , sondern  als  wirksame  Bestandteile  nur  Harz 
und  ätherisches  Oel  neben  Gerbstoff. 

Ein  spanischer  Soldat,  Matico,1)  soll  die  blutstillende  Wirkung  dieser 
Blätter  zuerst  durch  Zufall  an  sich  erprobt  haben,  daher  auch  die  spani- 
schen Bezeichnungen  derselben:  Yerba  soldado  oder  palo  (Baum)  del  sol- 
dado.  Die  Erzählung  klingt  wenig  glaubwürdig,  da  auch  ganz  andere 
Pflanzen  noch  Matico  heissen. 

Piso  erwähnte  in  seiner  Naturgeschichte  Brasiliens  (1648)  schon  der 
Heilkraft  der  Artanthe,  ebenso  zu  Ende  des  XVII.  Jahrhunderts  Sloane. 

Die  kleinen  Früchtchen  der  beiden  angeführten  Arten  und  wohl  noch 
anderer  dienen  im  tropischen  Amerika  auch  statt  Pfeffer.  Durch  J effreys 
in  Liverpool  wurden  die  arzneilichen  Wirkungen  der  Blätter  1839  zuerst  in 
Europa  bekannt,  nachdem  sie  schon  1827  in  Nordamerika  Beachtung  ge- 
funden hatten. 


Herba  Cannabis. 

Herba  s.  summitates  Cannabis  iudicae.  Hanfkraut.  Chanvre  indien. 

Indian  hemp. 

In  Indien  zeigt  die  bei  Fructus  Cannabis  erwähnte  Hanfpflauze  Verschie- 
denheiten, welche  schon  im  XVII.  Jahrhundert  von  Rumphius  erkannt 
wurden,  so  dass  derselbe,  wie  auch  in  neuerer  Zeit  L am arck,  sie  zu  einer 
eigenen  Art,  Cannabis  indica,  erhoben.  Nach  dem  letzteren  bleibt  sie 
nämlich  im  Vaterlande  niedriger,  wird  aber  ästiger,  die  Blätter  stehen  auch 
am  unteren  Theile  des  Stengels  nicht  einander  gegenüber,  der  Bast  ent- 
wickelt sich  nicht  zu  einer  weichen  spinnbaren  Faser,  sondern  verholzt 
mehr. 

Diese  äusseren  Merkmale  haben  sich  aber  zu  geringfügig  erwiesen,  um 
Cannabis  indica  festzuhalten  und  sind  durchaus  nur  klimatischen  Einflüssen 
zuzuschreiben.  Sehr  abweichend  zeigt  sich  hingegen  die  chemische  Be- 
schaffenheit und  die  physiologische  Wirkung  der  indischen  Pflanze.  Einen 
etwas  betäubenden  Geruch  verbreitet  auch  die  in  unseren  Gegenden  wach- 
sende, und  ihre  Wirkungen  scheinen  im  Grunde  dieselben  zu  sein,  äussern 
sich  aber  50  bis  60  mal  schwächer  als  die  des  indischen  Krautes. 

Die  Blätter  des  Hanfes  bestehen  am  unteren  und  mittleren  Theile  des 
ästigen  Stengels  aus  3 — 9 fingerig  zusammengestellten  schmal-lanzettlichen 


x)  Diminutiv  des  spanischen  Mateo  (Matthäus). 


522 


Blätter  und  Kräuter. 


Theilblättchen,  nach  der  Spitze  des  Stengels  oder  der  Aeste  hin  nehmen  sie 
an  Grösse  ab  und  werden  zuletzt  gauz  einfach.  Von  deu  Theilblättchen  des 
gestielten  zusammengesetzten  Blattes  ist  das  mittlere  unpaarige  grösser, 
alle  sind  nach  oben  und  gegen  den  Grund  verschmälert,  grob  sägezähnig 
und  wie  die  meisten  der  kieselreichen  Blätter  der  Urticaceen  rauh  anzu- 
fühlen. Der  Blattstiel  ist  von  einem  Paare  kleiner  Deckblättchen  gestützt, 
aus  dem  Blattwinkel  erheben  sich  die  lockeren  Rispen  der  männlichen 
Blüthen,  oder  bei  den  weiblichen  Pflanzen  die  bei  Fructus  Cannabis  bespro- 
chenen, dicht  gedrängten  beblätterten  Aehren  der  weiblichen  Blüthen,  jede 
ausser  der  Scheide  von  einem  Deckblatte  gestützt.  Jedes  Paar  ist  überdies 
noch  mit  einem  gemeinschaftlichen  Deckblatte  versehen. 

In  Indien,  besonders  in  Nepal,  schwitzt  vorzugsweise  die  weibliche 
Pflanze  in  reichlicher  Menge  ein  gelblich-grünes  Harz  aus,  dort  Churus  oder 
Tschers,  auch  wohl,  in  bester  Sorte,  Momeka  genannt,  das  man  abkratzt 
oder  in  verschiedener  Weise  abstreift  und  in  Kugeln  formt.  Es  gelangt  nicht 
in  den  europäischen  Handel,  dient  aber  in  Indien  als  Berauschungsmittel 
und  scheint  der  wirksamste  Bestandtheil  des  Hanfes  zu  sein. 

Der  in  Europa  oder  Nordamerika  gezogenen  Pflanze  fehlt  das  Harz  fast 
ganz.  Das  Kraut  der  indischen,  fast  immer  ausschliesslich  der  weiblichen, 
kömmt  in  zwei  Formen  vor.  Zu  der  einen  werden  vorherrschend  nur  die 
Spitzen  der  blühenden  oder  im  Beginne  der  Fruchtreife  stehenden  Aeste 
oder  ihre  einzelnen  Aehren  genommen  und  von  gröberen  Stengeln  befreit.  Sie 
erscheinen  daher  durch  Pressung  ziemlich  kurz  gebrochen.  Die  Deckblätter 
zeigen  zahlreiche  bräunliche  Harzdrüsen.  Diese,  wie  es  scheint,  meist  in 
den  Niederungen  Indiens,  aber  auch  um  Herat  gesammelte  Sorte  heisst 
Bang  oder  Guaza,  auch  Subdschi,  und  wird  jetzt  hauptsächlich  nach 
Europa  gebracht,  z.  B.  auch  von  der  englischen  Pharmacopoeia  (1864) 
verlangt. 

Eine  zweite  Sorte,  aus  oft  lm  langen  holzigen  Stengeln  und  Aesteu  be- 
stehend, heisst  Gunjah  oder  Ganjika  und  wird  in  Bündeln  von  gewöhn- 
lich 24  Stück  aus  Calcutta  ausgeführt.  Sie  ist  von  den  grösseren  Blättern 
befreit,  so  dass  an  den  starken  Stengeln  (Blüthenschwänzen)  fast  nur  die 
Deckblätter  und  Blüthen  oder  halbreifen  Früchte  in  gedrängten , grünlich 
braunen  Aehren  übrig  bleiben , welche  durch  Harz  dicht  verklebt  und  von 
kräftigem  narkotischem  Gerüche  sind.  Diese  höher  geschätzte  Sorte  scheint 
in  den  Gebirgsläudern  Nordindiens  gewounen  zu  werden,  nach  anderen 
auch  im  mittleren  Bengalen,  um  Patna,  jedoch  trotz  ihres  Harzreichthums 
seltener  nach  Europa  zu  gelangen. 

Fast  in  der  ganzen  mohammedanischen  Welt,  so  wie  bei  den  Hindus 
und  auch  in  West-  und  Südafrika  dient  das  Hanfkraut  als  narkotisches 
Genussmittel,  so  dass  es  allgemein  mit  dem  arabischen  Ausdrucke  Ha- 
schisch bezeichnet  wird,  der  in  seiner  ausgedehntesten  Bedeutung  nichts 
anderes  heisst  als  unser  „Kraut.“  Meist  werden  jedoch  unter  jenem  Namen 
Präparate  des  Hanfes , oft  mit  manigfaltigen  Zusätzen,  verstanden,  welche 


Herba  Cannabis. 


523 


theils  ohne  weiteres  in  Substanz  oder  auch  als  Aufguss  genossen,  theils  nur 
geraucht  werden.  In  Algerien  z.  B.  kocht  man  das  scharf  getrocknete  Pulver 
der  Spitzen  weiblicher  Pflanzen  mit  Honig  zu  einer  Latwerge,  welcher  Ge- 
würze zugesetzt  werden  oder  die  man  auch  dem  Backwerke  oder  verschie- 
denen Süssigkeiten  aus  Datteln,  Feigen,  Weinbeeren  u.  s.  f.  beimischt.  In 
der  Türkei  und  in  Aegypten  formt  man  aus  dem  gepulverten  Kraute  mit 
Hülfe  von  Gummi  oder  Zucker  feste  Massen  von  grünlicher  Farbe,  die  noch 
in  hohem  Grade  den  specifischen  Geruch  und  bitteren  Geschmack  des  Hanfes 
behalten. 

Zum  Rauchen  wird  häufig  Tabak,  in  Algerien  auch  die  Blätter  eines 
muthmasslichen  Hyoscyamus  beigemischt. 

Eine  der  gebräuchlichsten  Zubereitungen  besteht  darin,  dass  dasfiische 
Kraut  mit  Butter  ausgekocht  wird , welche  das  Harz  aufnimmt  und  sich 
grünlich  färbt.  Durch  Zusatz  von  Campher,  Ambra,  Moschus,  Gantliariden, 
selbst  Opium,  oder  aber  von  milderen  Stoffen  wie  Zucker,  Pistacien,  Man- 
deln und  ätherischen  Oelen  und  schön  färbenden  Stoffen  werden  zu  beson- 
deren Zwecken  eine  grosse  Menge  von  Präparaten  erhalten,  welche  meist 
sehr  lauge  wirksam  bleiben  können. 

Für  einen  sehr  grossen  Theil  der  Menschheit  ist  daher  der  Hanl  in  den 
verschiedensten  Formen  ein  Aequivalent  des  Opiums,  der  Coca  oder  des 
Alkohols,  vor  allen  aber  ausgezeichnet  durch  unmittelbare,  doch  höchst 
unregelmässige  Wirkung  auf  die  Gehirn thätigkeiten , zumal  auf  das  V or- 
stellungsvermögen  und  auf  das  Herz. 

So  bedauerlich  auch  bei  anhaltendem  Genüsse  des  Hanfes  die  Folgen 
sind,  so  ist  er  doch  nicht  als  tödtendes  Gift1)  anzusehen,  sofern  nicht  die 
häufig  gefährlichen  Zusätze  ins  Spiel  kommen.  Die  betreffende  Literatur 
ist  ausserdentlich  umfangreich ; es  möge  hier  das  Urtheil  nur  eines  genauen 
Augenzeugen  genügen,  des  österreichischen  Konsuls  v.  Krem  er,2)  welcher 
in  der  grossen  Verbreitung  des  Haschisch -Rauchens  den  verderblichsten 
Einfluss  auf  die  unteren  Volksklassen  der  orientalischen  Städte  gefunden 
hat.  Dieselben  werden  dadurch  unbeschreiblich  verthiert. 

Interessante  allseitige  Schilderungen  des  indischen  Hanfes  und  seines 
Genusses  enthalten  die  Kapitel  Nepenthes  und  Gunja  in  dem  Buche  „The 
seven  sisters  of  sleep“  von  Cooke.3) 

Nach  Stanislaus  Julien  waren  die  Hanfpräparate  in  sehr  früher  Zeit, 
jedenfalls  schon  im  III.  Jahrhundert  nach  Christus,  bei  den  Chinesen  als 
chirurgisches  Betäubungsmittel  gebräuchlich.  Doch  ist  auffallend,  dass  sie 
kein  eigenes  Wort  für  die  Pflanze  besitzen,  sondern  sie  mit  dem  auf  das 
Sanskrit  weisenden  Ausdrucke  Huang  bezeichnen  (vgl.  bei  Fruct.  Cannabis). 

fr  Frösche  erholten  sich  von  bestem  in  Konstantinopel  gekauftem  Haschisch  sowohl  als 
von  hier  bereitetem  Extracte  wieder  (Valentin). 

2)  Aegypten.  Forschungen  über  Land  und  Volk  während  eines  10jährigen  Aufenthaltes. 
Leipzig  1863. 

3)  London  1862.  pg.  212 — 249. 


524 


Blätter  und  Kräuter. 


Kenntniss  und  Gebrauch  derselben  haben  sich  wahrscheinlich  langsam 
durch  Indien  und  Persien  zu  den  Arabern  verbreitet,  bei  welchen  sie  im 
frühen  Mittelalter  auftauchte  und  der  berüchtigten  Sekte  der  Haschaschins 
oder  Assassinen  (1090 — 1256)  Namen  und  ein  Hauptmittel  zu  ihren 
Zwecken  verlieh. 

Sonuerat,  in  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts,  scheint 
zuerst  Haschisch  nach  Europa,  wenigstens  nach  Frankreich,  gebracht  zu 
haben.  Napoleons  Feldzug  in  Aegypten  machte  aufs  neue  darauf  aufmerksam. 

Den  Griechen  und  Römern  scheinen  nur  die  technischen  Eigenschaften 
des  Hanfes  bekannt  gewesen  zu  sein,  doch  wollen  manche  das  homerische 
sorgenbrechende  Nepenthes  von  Hanf  (andere  von  Mohn)  ableiten. 

Das  Harz,  wovon  die  Gunjah  6 — 7 pC.  gibt,  scheint  nach  Procter 
aus  Terpenthinöl  zu  krystallisiren , ist  jedoch  nicht  näher  untersucht.  Es 
besitzt  in  hohem  Grade  den  Geruch  des  Krautes , löst  sich  in  den  gewöhn- 
lichen Lösungsmitteln  der  Harze,  ist  gegen  Alkalien  indifferent  und  schmilzt 
unter  50°  C.  Man  hat  es  als  Cannabin  oder  Haschischin  bezeichnet, 
doch  steht  nicht  fest,  dass  es  das  (allein)  wirksame  Princip  des  Hanfes  ist. 
Da  das  nur  im  indischen  Kraute  reichlich  vorhandene  Harz  in  Alkalien 
unlöslich  ist,  so  sind  Extracte  aus  anderem  Kraute  daran  kenntlich,  dass 
sie  sich  klar  in  Alkalien  zu  lösen  vermögen. 

Durch  Destillation  mit  Wasser  erhielt  Personne  (1857)  neben  Ammo- 
niak ätherisches  Oel,  das  er  in  flüssiges,  bei  235  — 240°  siedendes  C anna- 
ben G18H2u  und  krystallisirenden  Cannaben-Wasserstoff  G18H42 
trennte.  Ersteres  zeigt  heftige  physiologische  Wirkungen,  obwohl  von  ge- 
ringerer Energie  als  die  des  Harzes,  das  letztere  riecht  schwach  nach  Hanf. 

Auch  Bohlig  hatte  ähnliche  Wirkungen  an  dem  Oele  bemerkt  und 
davon  0,3  pC.  aus  frischem,  eben  verblühtem  Kraute  erhalten.  Nach  Per- 
sonne verdankt  jenes  Harz  Cannabin  seine  Wirkungen  nur  einem  Gehalte 
an  ätherischem  Oele.  Lefort  gibt  dem  letzteren  die  Formel  G11  H-2G2  nud 
auch  G.  Martius  (1855)  hat  es  sauerstoffhaltig,  aromatisch,  aber  ohne 
besondere  physiologische  Wirkung  befunden.1)  Derselbe  erhielt  aus  dem 
Extracte  auch  Salmiak,  Salpeter,  Zuckör  und  Gummi.  In  einer  bei  100°  C. 
getrockneten  Probe  des  Krautes  von  der  Sorte  Bang  fand  er  18  pC.  Asche, 
worin  Kieselsäure,  dann  Kalk,  Kali  und  Magnesia,  zum  Theil  als  Phosphate, 
vorherrschten. 

Aus  den  Stengeln  des  gewöhnlichen  Hanfes  erhielt  Kaue  4,5,  aus  den 
Blättern  22  pC.  Asche. 

1)  Das  Mittel  der  Formeln  von  Cannaben  und  Cannabeuwasserstoff  kann  nahezu  durch 
die  Formel  des  Tcrpcntliinöles  G,0Hlh  ausgedrückt  werden;  zieht  man  von  der  Formel  Le- 
fort’s  Wasser  H4G2  ab,  so  entspricht  der  Rest  auch  beinahe  dem  Kohlenwasserstoffe 

G10H16. 


Herba  Chenopodii  ambrosioidis. 


525 


Herba  Chenopodii  ambrosioidis. 

Herba  Botryos  mexicanae.  Jesuiten-Thee.  Mexikanisches  Traubenkraut. 

Ambrosie.  The  du  Mexique.  Mexican  goosefoot. 

Chenopödium  ambrosioides  L.  — Chenopodieae. 

Syn.:  Ambrina  ambrosioides  Spach. 

Dieses  einjährige  bis  2 Fuss  hohe  Kraut  war  ursprünglich  in  Südame- 
rika, Westindien  und  Mexiko  einheimisch.  Caspar  Bau  hin  zog  die 
Pflanze  1619  zuerst  aus  mexikanischen  Samen;  nach  andern  sollen  die 
Jesuiten  sie  auch  eingeführt  haben.  Jetzt  ist  sie  unkrautartig  über  die  mei- 
sten wärmeren  und  gemässigten  Länder,  stellenweise  in  grosser  Menge  ver- 
breitet, auch  da  und  dort  in  Süd-Deutschland  verwildert.  Es  haben  daher 
verinuthlich  mehrere  Naturalisationen  stattgefunden. 

Der  schwach  flaumige  drüsige  und  gefurchte  Stengel  ist  nach  oben  py- 
ramidal verästelt;  die  schlanken  Aeste  schlaff  abstehend,  zu  oberst  mehr 
aufrecht,  reichlich  mit  lauzettlichen , bis  gegen  0,04ra  langen  Blättchen  be- 
setzt und  in  den  Winkeln  derselben  die  sehr  zahlreichen  unscheinbaren 
grünlichen  Blüthenknäuelchen  tragend,  welche  fast  den  ganzen  Sommer 
blühen.  Die  blüthenstützenden  Blätter  sind  ganzrandig  oder  ein  wenig  ge- 
schweift, stumpflich  bespitzt,  allmälig  in  einen  kurzen  Stiel  verschmälert. 
Bedeutend  grösser,  spitzer  und  fast  buchtig  gezahnt  sind  die  Stengelblätter 
am  Grunde  der  Aeste;  ihre  Länge  übertrifft  meist  die  der  Stengelglieder. 
Sämmtliche  Blätter  sind  von  sehr  dauerhaftem  glänzendem  Grün,  unterseits 
mit  kleiuen  gelblichen  Drüschen  versehen,  kahl  oder  in  der  Jugend  nur 
wenig  flaumig. 

Dem  Kraute  ist  ein  besonderer  kampherartiger  Geruch  und  Geschmack, 
auch  lange  Zeit  nach  trockener  Aufbewahrung,  eigen. 

Es  gibt  V3  (Bley)  bis  1,1  pC.  (Becker)  ätherisches  Oel,  dessen  Ge- 
ruch an  Pfefferminze  erinnert.  Hirzel  bestimmte  sein  spec.  Gewicht  zu 
0,902,  den  Siedepunkt  zwischen  179°  und  181°,  wonach  es  wahrscheinlich 
wird,  dass  es  zu  den  Terebenen  gehöre.  Es  löst  sich  schon  in  30  Theile 
Wasser. 

Im  übrigen  scheint  die  Pflanze  reich  an  Salzen  zu  sein. 

Chenopödium  Botrys  L.,  in  Südeuropa  und  Mittelasien,  auch  noch  in 
wärmeren  Gegenden  Oesterreichs  und  der  Schweiz  einheimisch,  sieht  der 
obigen  Art  ähnlich,  ist  aber  weniger  ästig  und  mit  klebrig  drüsigen  und 
tief  buchtigen,  fast  fiederspaltigen  Blättern  versehen,  welche  mit  Ausnahme 
der  oberen  lang  gestielt  sind.  Das  ätherische  Oel  dieser  Pflanze  riecht 

feiner,  ist  jedoch  wenig  beständig,  daher  das  trockene  Kraut  bald  geruch- 
los wird. 

Chenopodium  Schraderianum  Römer  u.  Schultes,  eine  ebenfalls 
sehr  aromatische  Art,  die  häufig  unter  dem  Namen  Ch.  ambrosioides  ge- 
zogen wird  und  vermuthlich  aus  Nordafrika  stammt,  ist  bei  weitem  kräf- 


526 


Blätter  und  Kräuter. 


tiger,  bis  über  lm  hoch,  meist  mir  wenig  ästig.  Die  Blüthenstände  der  un- 
teren Blattwinkel  stellen  zuletzt  ansehnliche  reich  verzweigte  Rispen  dar; 
die  Blätter,  auch  die  der  endständigen  Blütheuähren,  sind  sämintlich  tief  f 
buchtig  getheilt. 


Folia  Lauri. 

Lorbeerblätter.  Feuilles  de  Laurier.  Laurel  leaves. 

Die  immergrünen  lederartigen  Blätter  des  Laurus  nobilis  (siehe  Fructus 
Lauri)  sind  länglich,  bis  über  0,1 0m  lang  und  0,05m  breit,  mehr  oder  we- 
niger stumpflich  zugespitzt,  kurz  gestielt,  mit  ganzem,  ungesägtem,  aber  ■ 
wellig  krausem  gelblichem  und  etwas  verdicktem  Rande.  Eine  starke  gelb- 
liche , auf  beiden  Flächen  hervortretende  Mittelrippe  und  ziemlich  derbe  • 
Seitennerven  durchziehen  das  ausserdem  fein  geaderte,  glatte  und  ganz 
kahle  Blatt,  dessen  Parenchym  helle  Oelräume  durchscheinen  lässt.  Geruch 
und  Geschmack  den  Lorbeeren  ähnlich. 


Folia  Aurantii. 

Pomeranzenblätter.  Feuilles  d’oranger.  Orange  leaves. 

Die  lederigen  immergrünen  Blätter  des  bei  Aurantia  immatura  erwähn- 
ten Pomerauzenbauraes,  entweder  bei  uns  gezogen  oder  aus  Südeuropa. 

Die  Blätter  stehen  zerstreut  und  einzeln  auf  einem  ungefähr  0,02m  lan- 
gen gegliedert  eingelenkteu  und  daher  leicht  abfallenden  Stiele , welcher 
beiderseits  gerundete,  fast  den  Blattgrund  berührende  blügel  trägt,  die  als  ■ 
unentwickelte  Fiedern  des  eigentlich  der  Anlage  nach  zusammengesetzten  i 
Blattes  zu  betrachten  sind.  Die  Blätter,  von  spitz  eiförmigem  Umrisse,  sind  1 
bis  über  0,1 0m  lang  und  ungefähr  halb  so  breit,  fast  unmerklich  entfernt 
gekerbt.  Auf  jeder  Blatthälfte  gehen  von  der  besonders  unterseits  stark 
hervortretenden  Mittelrippe  unter  etwa  50°  gegen  zehn  anfangs  gerade 
Nerven  ab,  welche  sich  weiterhin  verzweigen  und  dem  Blattrande  an- 
schmiegen. i* 

Trocken  sind  die  Blätter  oberseits  (oft  fleckig)  dunkelgrün  und  ziemlich  i 
eben , unterseits  graugrün  und  durch  ein  krummliniges  Maschenwerk  zwi-  - 
sehen  den  Nerven  unregelmässig  geadert.  Im  durchfallenden  Lichte  scheinen 
die  kleinen,  bis  gegen  200  Mikrom.  erreichenden,  im  Parenchym  des  Blattes 
liegenden  zahlreichen  Oeldrüsen1)  als  hellere  Pünktchen  durch.  Sie  sind 
wie  die  meisten  derartigen  Organe  ölreicher  Blätter  von  kleinen  mit  Chloro- 
phyll gefüllten  Zellen  umgeben.  Unter  der  Oberhaut  finden  sich  sehr  zahl- 
reiche ähnliche  Oxalatkrystalle  wie  in  Aurantia  immatura  in  einzelnen  der 
im  übrigen  Chlorophyll  führenden  Zellen. 

1)  abgebildct  bei  Oudcmans,  A&nteekeningen  Taf.  CC  Fig.  124. 


Folia  Juglandis. 


527 


Auch  nach  dem  Trocknen  behalten  die  Blätter  noch  einen  Theil  ihres 
feinen  Wohlgeruches.  Sie  schmecken  unbedeutend  aromatisch,  kaum  merk- 
i lieh  adstringirend , etwas  bitterlich.  Das  ätherische  Oel,  nach  Raybaud 
etwa  V3  pC.  der  frischen  Blätter  betragend,  ist  noch  nicht  näher  unter- 
sucht. — Eisenchlorid  gibt  mit  dem  wässerigen  Auszuge  nur  eine  dunkel- 
braune Färbung,  aber  keinen  Niederschlag. 

Die  sehr  ähnlichen  Blätter  mancher  der  zahlreichen  verwandten  Arten 
i unterscheiden  sich  durch  den  kürzeren  und  nicht  oder  nur  sehr  schmal  ge- 
flügelten Blattstiel,  so  wie  durch  geringeren , namentlich  wenig  oder  gar 
nicht  bitteren  Geschmack.  Den  käuflichen  Blättern  fehlen  aber  oft  die 
Blattstiele. 


Folia  Juglandis. 

Walnussblätter1).  Feuilles  de  noyer.  Walnut-tree  leaves. 

Juglans  regia  L.  — Juglandeae. 

Der  Nussbaum  ist  in  Vorderasien,  von  den  kaukasischen  Ländern  bis 
Nordindien,  vom  Libanon  bis  Südpersien,  ganz  vorzüglich  auch  in  Kasch- 
mir einheimisch  und  schon  seit  sehr  langer  Zeit  durch  Europa  verbreitet. 
Noch  unter  dem  61.  Breitengrade  reift  er  in  Norwegen  seine  Früchte. 

Der  starke,  bis  0,30'n  lange  Blattstiel  trägt  ein  bis  vier,  am  gewöhnlich- 
sten drei  Paare  nicht  genau  gegenüber  stehender  eiförmiger  Blätter  mit 
meist  kurz  aufgesetzter  Spitze.  Das  gegen  0,20m  in  der  Länge  und  0,1 0m 
in  dei  Breite  erreichende  Endblatt  iibertriftt  au  Grösse  häufig  die  nächsten 
seitlichen  Theilblätter  und  letztere  sind  immer  grösser  als  die  tiefer  stehen- 
den. Sämmtliche  Theilblättchen  sind  ganzrandig,  nur  sehr  schwach  ge- 
schweift, am  Grunde  ungleichhälftig,  uur  das  Eudblatt  langgestielt.  Beim 
Trocknen  werden  die  Blätter  sehr  leicht  schwarz.  Frisch  riechen  sie  eigen- 
tümlich und  nicht  unangenehm  balsamisch,  weniger  mehr  nach  dem  Trock- 
nen. Der  Geschmack  ist  etwas  aromatisch  und  anhaltend  kratzend. 

Jüngeie  Blätter  sind  unterseits,  zumal  längs  der  Nerven,  mit  weichen 
Gliederhaaren  besetzt  und  mit  ansehnlichen  hellgelben  Dräschen  bestreut, 
welche  (ähnlich  wie  Glandulae  Lupuli)  aus  einer  äusseren,  zarten  und  einer 
inneren  straffen  Hälfte  bestehen  und  eine  ungestielte  abgeplattete  Kugel 
| darstellen.  Später  verlieren  sich  die  Haare  und  die  Drüsen  mehr  und  mehr, 
Das  Parenchym  der  Blätter  zeigt  in  reichlicher  Menge  Oxalatdrusen. 

Eisenchlorid  färbt  den  Querschnitt  tief  dunkelgrün.  Der  gelbgrüne  Saft 
1 frischer  Blätter  wird  durch  Ammoniak  nicht  violett,  sondern  braun,  scheint 
also  das  in  den  unreifen  Früchten  (1858)  von  Vogel  und  Reischauer 
gefundene  Nucin  nicht  zu  enthalten. 

*)  walch,  welsch  so  viel  als  fremd. 


52$ 


Blätter  und  Kräuter. 


Folia  Bucco. 

Folia  Buccu  s.  Buchu  s.  Diosmae.  Bucco-Blätter.  Barosma-Blätter. 

Feuilles  de  bucco.  Buchu. 

1.  Barosma  crenulata  Hooker.  — Diosmeae. 

2.  B.  crenata  Kunze. 

3.  B.  betuliua  Bartling. 

4.  B.  scrratifolia  Willd. 

Pjese  und  noch  andere  Barosmen  sind  ästige,  lm  hohe  Sträucher  oder 
kleine  Bäumchen  des  Caplandes,  ausgezeichnet  durch  meist  gegenständige 
lederige  Blätter,  welche  au  dem  gezähnten,  gesägten  oder  gekerbten,  übri- 
gens ungetheilten  Rande  sowohl  als  im  Gewebe  der  Blattfläche  selbst  an- 
sehnliche Drüsen  tragen.  Die  letzteren  sind  kleiner  und  treten  auf  der  un- 
teren Blattfläche  deutlicher  zu  Tage.  Auch  die  jüngeren  Zweige  und  die 
Blüthentheile  sind  noch  mit  Drüsen  versehen.  Alle  führen  ein  eigenthüm- 
lich  und  sehr  stark  riechendes  ätherisches  Gel1)-  Durch  die  meist  fünf- 
zähligen,  gewöhnlich  einzeln  aus  den  Blattwinkeln  hervortretenden  Blüthen 
von  weisser  Farbe  und  ansehnlicher  Grösse  erhalten  die  Buccosträueher 
ein  sehr  hübsches  Aussehen. 

Den  käuflichen  Blättern  findet  man  häufig,  ausser  den  vierkantigen  jün- 
geren Zweigspitzen  und  den  Blüthen  auch  Früchtchen  beigemengt.  Sie 
sind  aus  meist  5 aufrechten,  an  der  inneren  Naht  verwachsenen  Karpellen 
gebildet,  welche  sich  zuletzt  trennen , an  jener  Bruchnaht  aufreissen  und 
eine  gelbe  (durch  Fehlschlagen)  eiusamige  Steinschale  entblössen,  die 
schliesslich  auch  in  2 Klappen  aufspringt. 

Hauptsächlich  von  den  vier  oben  genannten,  weniger  häufig,  aber  auch 
noch  von  einigen  anderen  Arten  werden  die  Blätter  ohne  Unterschied  ge- 
sammelt und  je  nach  dem  Vorherrschen  der  einen  oder  andern  Blattform 
als  breite  oder  lange  Buccoblätter  bezeichnet.  Die  letzteren,  vielleicht 
im  ganzen  etwas  weniger  im  Hautlei  verbreitet,  pflegen  vorherrschend  der 
bei  Zwellendam  häufigen  B.  serratifolia  auzugehören.  Ihre  spitz  lanzett- 
lichen  Blätter  sind  am  häufigsten  ungefähr  0,04’"  laug  und  in  der  Mitte 
etwa  4 bis  6 Millim.  breit,  an  der  Spitze  gestumpft  und  mit  einer  Drüse 
versehen.  Die  Blattränder  sind  sehr  genähert,  schief  sägezähnig;  in  dem 
etwas  spitzen  Winkel  sitzt  jeweileu  eine  Oeldrüse.  Das  Blatt  ist  von  einem 
starken  Mittelnerv  und  2 bis  4 schwächeren  Seitenuerven  durchzogen. 

Nicht  so  oft  finden  sich  den  langen  Buccoblättern  auch  die  des  Em- 
pleurum  serrulatum  Aitou  aus  derselben  Familie  beigemischt.  Dieser 
Strauch  unterscheidet  sich  mehr  durch  blumenblattlose  braunrotbe  Blü- 
then und  einfache  sichel-  oder  fast  schötchenförmige  Frucht  von  Ba- 
rosma, als  durch  die  Blättchen,  welche  noch  schmäler  und  spitzer  sind  als 
die  der  B.  serratifolia.  Ganz  besonders  ist  dies  der  Fall  bei  der  \arietät 


l)  worauf  sich  der  Gattungsname  bezieht:  ßapu;  schwer,  ospv,  Geruch. 


Folia  Bucco. 


529 


Empleurum  serrulatum  ß)  ancjustissimum , wo  sogar  die  Sägezähne  fast 
verschwinden,  an  denen  sonst  Empleurum  sehr  leicht  kenntlich  ist.  Die- 
selben setzen  nämlich  rechtwinkelig  ein,  das  oberste  Paar  ist  ziemlich  abge- 
rundet und  lässt  die  drüsenlose  und  nicht  gestumpfte  Spitze  des  Blattes 
lang  hervortreten. 

In  den  mir  zu  Gebote  stehenden  Proben  von  Buccoblättern,  die  dem 
gegenwärtigen  Verkehr  entnommen  sind,  ist  Empleurum  nicht  vertreten 
und  fehlt  auch  z.  B.  unter  den  von  British  Pliarm.  aufgeführten  Stamm- 
pflanzen. 

Eine  breite  Sorte  der  Buccoblätter  stammt  vorzüglich  von  der 
zuerst  genannten  Art,  auch  wohl  von  der  wenig  verschiedenen  zweiten. 
Dazu  gesellen  sich  noch  in  der  am  meisten  vorkommenden  und  wohl- 
feilsten dritten  Sorte  die  Blätter  der  B.  betulina.  Sehr  oft  herrschen  die 
letzteren  bei  weitem  vor;  sie  sind  leicht  kenntlich  an  ihrem  verkehrt  eiför- 
migen, bis  etwa  0,0 15m  breiten  und  oft  nicht  viel  längeren  Umrisse.  Die 
breite  kurze  Spitze  schlägt  sich  gewöhnlich  zurück,  wodurch  das  Blatt 
ein  eigentkiimliches  Aussehen  gewinnt.  Der  dickliche  Rand  ist  scharf  und 
dicht  gezähnt,  indem  neben  den  mehr  hervorragenden  stärkeren  Spitzen 
auch  noch  kleinere  Zähne  auftreten.  Zwischen  denselben  findet  sich  immer 
eine  sehr  ansehnliche  Drüse. 

Bei  Barosma  creuulata  und  creuata  sind  die  Blätter  eiförmig,  aber  doch 
entschieden  länger  als  breit,  bei  beiden  Arten  übrigens  in  dieser  Beziehung 
etwas  variirend,  bald  schmäler,  bald  breiter. 

Die  Blätter  von  B.  crenulata,  durchschnittlich  0,03m  lang,  bei  fast  0,0  lm 
Breite,  sind  nicht  nur  gestumpft,  sondern  vorn  oft  gerundet,  die  Ränder 
sehr  seicht  und  häufig  etwas  entfernt  gesägt,  die  Drüsen  am  Grunde  der 
Sägezähne  meist  so  gross  wie  diese  selbst. 

Die  verhältnissmässig  noch  etwas  breiteren  Blätter  der  B.  crenata  sind 
sauft  gekerbt,  übrigens  den  vorhergehenden  am  ähnlichsten. 

Berg  hat  in  der  „Darstellung  und  Beschreibung  der  officinellen  Gewächse “ 
die  Buccoblätter  in  vorzüglicher  Weise  charakterisirt.  Hierauf  muss  nament- 
lich auch  in  Betreff  der  zahlreichen  Synonyme  der  Stammpflanzen  ver- 
wiesen werden. 

Die  Buccoblätter  sind  von  durchdringendem,  sehr  haltbarem  Rauten- 
geruche und  von  bitterlichem  aromatischem  Geschmacke.  Chemische  Unter- 
schiede der  einzelnen  Sorten  sind  nicht  bekannt.  Sie  geben  etwa  1 pC. 
ätherisches  Oel,  das  nicht  näher  untersucht  ist.  Bedford  erhielt  aus 
B.  serratifolia  0,66  pC.,  aus  kurzen  Blättern  (B.  betulina?)  1,2  pC.  im  Mittel, 
andere  aber  sehr  viel  weniger.  Die  Existenz  eines  eigenthümlichen  Stoffes, 
den  man  bereits  Diosmin  genannt  hat,  ist  erst. noch  zu  erweisen.  Er  stellt 
sich  vielleicht  als  Quercitrin  oder  Rutin  (vergl.  bei  Folia  Rutae)  heraus. 

Im  Caplande  sind  die  Buccoblätter  bei  den  Eingeborenen  längst  ge- 
bräuchlich gewesen.  Die  Hottentotten  bereiten  aus  dem  Pulver  derselben 
und  anderer  aromatischer  Pflanzen,  das  sie  Bucco  nennen,  mit  Fett  eine 

Fliickiger,  Pharmakognosie,  34. 


530 


Blätter  und  Kräuter. 


Hautsalbe.  Englische  Aerzte,  vorzüglich  Reecc,  verwendeten  seit  1823 
die  Blätter  als  Heilmittel,  so  dass  schon  1824  davon  30,000  Pfund  ausge- 
führt wurden.  In  Deutschland  wurden  sie  seit  1825  zuerst  durch  Jobst 
verbreitet,  sind  aber  jetzt  wenig  mehr  gebräuchlich. 

Folia  Rutae. 

Herba  Rutae  hortensis.1)  Rautenblätter.  Gartenraute.  Weinraute.  Feuilles 

de  rue.  Rue  leaves. 

Ruta  graveolens  L.  — Rutaceae. 

Halbstrauch  trockener  Stellen  der  Mittelraeerländer,  welcher  seit  langer 
Zeit  auch  in  Mitteleuropa  und  England,  aber  kaum  mehr  in  Skandinavien 
in  Gärten  gezogen  wird. 

Die  bis  1“  hohen  verholzten,  an  der  Spitze  absterbenden  Stämmchen 
sind  oben  ästig  und  mit  aufrechten  krautigen  walzenrunden  Zweigen  besetzt, 
welche  zwar  im  Spätjahre  oben  absterben,  aber  schon  die  unentwickelten 
nächstjährigen  Triebe  aufweisen. 

Die  unteren  Blätter  sind  langgestielt,  im  Umrisse  ziemlich  breit  drei- 
eckig und  gegen  0,1 0m  lang,  entfernt  doppelt  fiedertheilig  oder,  durch  noch- 
malige Theilung  der  Fieder  zweiter  Ordnung,  stellenweise  dreifach  gefiedert. 
Die  bis  ungefähr  0,02m  langen  Lappen  von  spatelförmiger  oder  verkehrt 
eirunder  Gestalt  sind  am  Rande  sanft  und  weitläufig  gekerbt,  vorn  breit 
gerundet,  ein  wenig  ausgeschnitten  oder  seltener  sehr  kurz  und  stumpf  ge- 
spitzt. Das  Endstück  des  Blattes  und  auch  wohl  das  der  Fiedern  erscheint 
durch  Zusammenfliessen  zweier  oder  dreier  Läppchen  regelmässig  grösser 
und  breiter.  Es  entsteht  hierdurch  im  ganzen  eine  ziemlich  veränderliche 
Theilung  des  Blattes,  welche  in  der  Kultur  noch  mehr  wechseln  kann.  Die 
oberen  Blätter  sind  kürzer  gestielt,  nur  einfach  gefiedert,  zuletzt  als  Deck- 
blättchen in  den  Verzweigungen  der  endständigen  Trugdoldentraube  auf 
ein  einziges,  verkehrt  eiförmiges,  in  den  Stiel  verschmälertes  Blättchen  be- 
schränkt, das  gewöhnlich  deutlicher  gekerbt  ist,  als  die  I iederläppchen  der 
zusammengesetzten  Blätter. 

Die  Blätter  sind  von  dicklicher,  fast  lederartiger  Beschaffenheit,  auch 
im  Winter  nur  allmälig  absterbend. 

Sämmtlichen  krautigen  Theilen  der  frischen  Pflanze  ist  eine  meergrüne, 

beim  Trocknen  in  dunkelgrün  übergehende  Farbe  eigen.  Sie  sind  kahl,  in 

ihrem  Parenchym  mit  ansehnlichen  Oelräumen  versehen,  welche  die  Blätter 
durchscheinend  punktirt  erscheinen  lassen. 

Der  Geruch  der  Raute  ist  sehr  stark  eigenthümlich , nicht  eben  ange- 
nehm, der  Geschmack  aromatisch  und  bitterlich.  Nach  Berg  erinnert  die 
Wurzel  im  Gerüche  an  Pimpiuella. 


1)  Gegensatz  zn  Peganum  Harmala  L.,  welche  Ruta  sylvestris  hiess. 


Folia  Rutae. 


531 


Die  Blätter  geben  (trocken)  im  Durchschnitte  auffallender  Weise  nicht 
über  aA  pC.  ätherisches  Oel ; je  nach  Standort  und  Vegetation szeit  oft 
viel  weniger.  Doch  liefert  selbst  südfranzösisches  Kraut  zur  Blüthezeit  nach 
Raybaud  nicht  bedeutend  grössere  Ausbeute,  die  Früchte  dagegen  beinahe 
1 pC.  Das  Oel  vermag  gefährliche  irritirende  und  subnarkotische  Veigiftungs- 
erscheinungen , z.  B.  beim  Einsammeln  grösserer  Mengen  des  Krautes, 
hervorzurufen. 

Es  ist  grünlich  - gelb , nach  Geiss  (1861)  bei  22,5  noch  flüssig, 
wenn  es  vor  der  Blüthezeit  destillirt  wird,  während  aus  blühendem  Kiaute 
erhaltenes  bei  — 20°  erstarrte.  Das  Oel  reifer  Früchte  krystallisirte  bei 
- — 2,5°  und  schmolz  bei  -+-  7,5°. 

Das  Rautenöl  ist  ein  Gemenge  von  wenig  mit  Terpenthinöl  isomerem 
Kohlenwasserstoffe  mit  sauerstoffhaltigen  Oelen,  aus  welchen  sich  in  ziem- 
licher Menge  die  nachWilliams  bei  213°,  nach  Harbordt  bei  228°C. 
siedende  Verbindung  GUH22E>  durch  fraktionirte  Destillation  oder  durch 
Schütteln  mit  alkalischen  Bisulfiten  gewinnen  lässt.  Williams  hatte  sie 
als  Enodylaldehyd  bezeichnet,  Harbordt  zeigte,  dass  sie  durch  Oxydation 
nur  Säuren  von  geringerem  Kohlenstoffgehalte  (Caprin-  und  Caprylsäure 
u.  s.  f.)  liefert,  daher  nicht  zu  den  Aldehyden  gehört,  sondern  als  Methyl- 

G10H19]  . o 

caprinol^,  jj3  j El  zu  betrachten  ist.  Von  dieser  bei  7 krystalli- 

sirenden  Verbindung  hängt  wohl  der  Erstarrungspunkt  des  rohen  Oeles  ab. 
Ausser  derselben  kömmt  darin  auch  ein  dem  Borneol  (vergl.  bei  Camphora) 
isomerer,  wenn  nicht  damit  identischer  Körper  vor.  Das  Methylcaprinol 
riecht  mehr  nach  Früchten  als  nach  Raute. 

Weiss  hatte  1842  aus  der  Raute  das  in  hellgelben  Nadeln  krystallisir- 
bare  Rutin  dargestellt,  Bornträger  dasselbe  als  Rutinsäure  näher 
untersucht  und  Hlasiwetz  (1855)  es  als  gepaarte  Verbindung  von  Quer- 
cetin  und  Zucker  erkannt.  Zwenger  u.  Dronke  (1862)  bewiesen,  dass 
das  Rutin  G25H28015  + 2H2E1  (bei  100°  C.)  dennoch  nicht  identisch  mit 
Quercitrin  ist  und  durch  verdünnte  Säuren  in  Quercetin  O13H10-O-6  und  un- 
krystallisirbareu  Rutinzucker  G12H18G9  gespalten  wird.  Letzterer  wurde 
fast  farblos  erhalten,  optisch  unwirksam  und  nicht  gährungsfähig  befunden. 
Salpetersäure  gibt  damit  nur  Oxalsäure,  alkalisches  Kupfertartrat  wird  da- 
durch schon  in  der  Kälte  reducirt.  Leichter  als  aus  der  Raute,  lässt  sich 
das  Rutin  aus  den  sogenannten  Cappern,  den  Bliithenknospen  von  Capparis 
spinosa  L. , so  wie  aus  den  sogenannten  chinesischen  Gelbbeeren  in  Kör- 
nern1) gewinnen.  In  der  Raute  ist  es  nämlich  nach  Zwenger  u.  Dronke 
von  schwer  trennbarem  Harze,  so  wie  von  einem  eben  so  hartnäckig  anhaf- 
tenden, dem  Cumarin  (vgl.  bei  Herba  Meliloti)  höchst  ähnlichen  Körper 
begleitet. 


D auch  Waifa  geheissen.  Es  sind  die  Bliithenknospen  von  Sophora  japonica  L. 
(Papilionaceae). 


34* 


532 


Blätter  und  Kräuter. 


Das  Rutin  scheint  übrigens  im  Pflanzenreiche  noch  weiter  vorzukommen, 
bisher  aber  oft  mit  Quercitrin  verwechselt  zu  sein,  womit  es  allerdings 
grosse  Aehnlichkeit  besitzt. 

Die  weit  verbreitete  Aepfelsäure  fehlt  auch  in  der  Raute  nicht. 

Die  Schärfe  der  Raute,  auch  ihre  abortive  Wirkung,  war  schon  den 
Alten  bekannt;  doch  diente  das  Kraut  auch  als  Gewürz.  Zum  Anbau  des- 
selben in  Mitteleuropa  gab  Karl  der  Grosse  Befehl. 

Noch  schärfer  scheint  die  südeuropäische,  durch  fein  lineal  zerschlitzte 
Blätter  verschiedene  Ruta  montana  L.  zu  sein. 

Herba  Meliloti. 

Steinklee.  Melilot. 

Melilötus  officinalis  Persoon.  — Papilionaceae. 

Mannshohe  schlanke  Staude,  durch  den  grössten  Theil  Europas  und 
Mittelasiens  bis  Persien  einheimisch.  Die  von  unten  an  ausgebreitet  ästigen 
Stengel  erscheinen  aus  der  zweijährigen  Wurzel  in  grösserer  Zahl  erst  zu 
Anfang  des  zweiten  Jahres.  Sie  sind  kantig,  holzig,  innen  hohl,  mit  nicht 
sehr  zahlreichen  zerstreuten,  dreizählig  zusammengesetzten  Blättern  ver- 
sehen. Dieselben  werden  von  einem  ziemlich  langen  Stiele  getragen ; auch 
das  oft  nur  wenig  grössere  Endblättchen  ist  noch  gestielt,  die  Seitenblättchen 
beinahe  sitzend.  Alle  sind  gestutzt  lanzettlich,  das  mittlere  oft  etwas  breiter 
eiförmig,  sämmtliche  spitz  gezähnt,  0,02m  — 0,04m  lang.  Die  Blättchen 
sind  kahl,  höchstens  unterseits,  längs  der  Mittelrippe,  da  und  dort  mit  Här- 
chen besetzt,  welche  am  Stiele  reichlicher  Vorkommen.  Weit  kleiner  sind 
die  pfriemförmigen  Nebenblättchen. 

Die  sehr  reichblüthigen  zahlreichen  Bliithentrauben,  welche  sammt  dem 
Kraute  gesammelt  werden,  tragen  kleine,  einseitig  herabhängende,  schön 
gelbe  Blüthen  vom  gewöhnlichen  Bau  der  Kleebliithe  und  umgekehrt,  eiför- 
mige bespitzte,  bei  der  Reife  schwarzbraune  Früchtchen.  Ihre  wenig  ge- 
wölbten Flächen  sind  netzig  grubig,  nicht  sehr  dicht  behaart. 

Vor  anderen  verwandten  Arten  ist  die  obige  durch  den  besonders  nach 
dem  Trocknen  kräftig  hervortretenden  und  sehr  beständigen  Wohlgeruch1) 
ausgezeichnet.  Das  Kraut  schmeckt  unbedeutend  bitterlich  und  salzig. 

Mitunter  zeigen  sich  an  länger  aufbewahrtem  Kraute  farblose  harte 
Krystallprismen  jenes  Riechstoffes,  der  als  Cumarin  zuerst  von  Guibourt 
und  Guillemette  in  den  Samen  von  Dipterix  odorata  Vi  illd.  (Couma- 
rouna  odorata  Aublet) , einer  baumartigen  Papilionacee  Guyanas , erkannt 
wurde.  Das  Cumarin  dieser  sogenannten  Toncobolmen  wurde  nach  und 
nach  in  einer  ganzen  Reihe  anderer  Pflanzen  der  verschiedensten  Familien 
aufgefunden.  In  sehr  reichlicher  Menge  finden  sich  z.  B.  Cumarinkrystalle  am 
Stengel  der  nordamerikanischen  Liatris  odoratiesima  Willd.  (Compositae- 
Eupatorieae). 


J)  daher  die  Erinnerung  an  Honig, 


Crocus. 


533 


Die  Untersuchungen  von  Zwenger,  Dronke  u.  Bodenbender 
(1862  — 1863)  haben  jedoch  bewiesen,  dass  das  Cumarin  verschiedener 
Pflanzen  durchaus  nicht  identisch  ist  und  sich  namentlich  schon  durch  den 
Schmelzpunkt  sehr  unterscheidet.  Für  den  bisher  als  Cumarin  bezeichneten 
Stoff  der  Melilotus  fanden  sie  denselben  unter  Umständen  zwischen  98°  und 
200°  C.  schwankend.  Aus  altem  käuflichem  Steinklee  wurden  noch  Ya  pro 
Mille  Krystalle  erhalten,  welche  die  Zusammensensetzung  01KH1605  zeig- 
ten. Durch  Ammoniak,  theilweise  auch  durch  Bleiessig  werden  sie  getrennt 
in  Cumarin  09H6Q2  und  Melilotsäure  (Hydrocumarsäure)  O9H1O-0A 
Erst  dieses  aus  seiner  salzartigen  Verbindung  abgeschiedene  Cumarin  ist 
wirklich  identisch  mit  dem  der  Toncosamen.  Freies  Cumarin  ist  wie  es 
scheint  im  Steinklee  nicht  vorhanden  und  vermuthlich  eben  so  wenig  in 
den  meisten  der  übrigen  als  Cumarin  gebend  bekannten  Pflanzen  (vergl. 
bei  Folia  Rutae). 

Die  physiologischen  Wirkungen  des  Cumarins  scheinen  nach  einigen 
Angaben  nicht  ganz  unbedenklich  zu  sein. 

Der  von  den  Alten  benutzte  Melilotus  war  vermuthlich  eine  andere  Art 
als  unser  Steinklee. 


Y.  Blttthen. 

A.  Blüthentheile. 

Crocus. 

Crocum.  Stigmata  Croci.  Crocus  orientalis.  Safran.  Safran.  Saffron. 

Crocus  sativus  L.  — Irideae. 

Syn.i  Crocus  officinalis  Persoon. 

Der  Safran  wächst  in  Vorderasien,  auch  in  Griechenland  (Attika,  Syros, 
Tenos)  wild  und  wird  angebaut  in  Kaschmir,  Persien  (Herat,  Najin  in  Cho- 
rassan,  Hamadan,  Baku),  im  südlichsten  Arabien  und  gegenüber  in  Nord- 
ost-Afrika (Härrär) , bei  Manisa  (Magnesia)  in  Klein-Asien , so  wie  in  den 
wärmeren  Gegenden  Europas , z.  B.  Macedonien,  Italien,  Spanien.  Sogar 
in  Oesterreich,  im  südlichen  England,  zu  beschränktem  lokalem  Gebrauche, 
auch  stellenweise  in  Deutschland  und  der  Schweiz.  Das  Hauptproduktions- 
land für  uns  dürfte  aber  gegenwärtig  die  Landschaft  Gätinais  bei  Orleans 
(Arrondissement  Pithiviers)  im  französischen  Loiret-Departement  sein,  deren 
sehr  geschätzte  und  weit  verbreitete  Sorte  die  orientalische  bei  uns  ver- 
drängt hat.  Auch  bei  Avignon  und  in  der  Normandie  wird  Safran  gebaut. 
Der  spanische  Safran  aus  Valencia  erreicht  die  Schönheit  des  französischen, 
der  aus  Alicante  dagegen  steht  zurück. 

Die  Safranblüthe  hat  einen  langen , unten  farblosen , nach  oben  gelben 
Griffel,  welcher  sich  in  drei  bis  0,030"'  lange  röhrige,  am  obern  Rande  er- 
weiterte verdickte  und  gezähnte,  an  der  inneren  Seite  aufgeschlitzte  Narben 


534 


Blüthcn. 


von  tief  gelbrother1)  Farbe  theilt.  Die  Blumen  werden  im  Herbste  ge- 
sammelt, die  Narben  schnell  herausgelesen  und  in  gelinder  Wärme  getrock- 
net. Zu  100  Gramm  frischer  Waare  fand  Marquart  in  Bonn  2000, 
zu  eben  so  viel  lufttrockener  'Waare  12000  Blüthen  erforderlich.  Da  übri- 
gens die  Pflanze  nur  1 oder  2 Blüthen  treibt  und  sehr  häufig  durch  klima- 
tische Einflüsse  leidet2),  so  ist  der  hohe  Preis  der  Waare  (um  150  Franken 
das  Kilogr.)  gerechtfertigt. 

Je  weniger  Griffel  mit  eingemengt  sind,  desto  dunkler  gefärbt  und  desto 
werthvoller  ist  der  Safran,  wie  namentlich  der  bei  Wien,  St.  Pölten,  Melk 
in  Oesterreich  gebaute;  schon  das  untere  Ende  der  Narbe  ist  etwas  blasser. 

Der  käufliche  Safran  ist  ein  loses  Haufwerk  einzelner  oder  noch  zu  drei 
am  oberen  gelben  Griffelende  sitzender  Fäden,  welche  sich  fettig  anfühlen, 
zähe  und  biegsam  sind.  Farbe  gesättigt  braunroth,  Geruch  eigentümlich 
gewürzhaft,  etwas  betäubend , Geschmack  bitter  und  etwas  scharf.  — Das 
Gewebe  besteht  aus  sehr  dünnen  hin  und  her  gebogenen  zarten , dicht  ver- 
filzten fadenförmigen  Zellen  und  kleinen  Spiralgefässen.  Der  gelbrothe  Farb- 
stoff durchdringt  das  Ganze  und  ist  zum  Theil  in  Körnern  abgelagert; 
ausserdem  zeigt  das  Mikroskop  Oeltropfen  und  Klümpchen , wahrscheinlich 
eines  Fettes,  auch  einzelne  grosse  Polleukörner  fehlen  nicht. 

Der  Safran  ist  hygroskopisch  und  schon  deshalb  nicht  leicht  zu  pulvern; 
gute  Waare  von  gewöhnlicher  Beschaffenheit  verliert  durch  Trocknen  bei 
100°  C.  12  pC.  Feuchtigkeit,  die  sie  bald  wieder  aufnimmt  und  deshalb  in 
geschlossenen  Gefässen  aufbewahrt  werden  muss. 

Bestandtheile : der  prachtvolle,  in  trockenem  Zustande  rothe  amorphe 
Farbstoff  wurde  als  Polychroit,  Safrangelb  oder  Safranin,  zuletzt  von  Roch 
leder  als  Crocin  (vielleicht  = O30H44Olti)  bezeichnet.  Concentrirte 
Schwefelsäure  färbt  das  Crocin  wie  den  Orleanfarbstoff  blau , dann  violett, 
Salpetersäure  grün.  Es  löst  sich  mit  gelbrother  Farbe  in  Alkohol,  WTasser 
und  Alkalien,  sehr  wenig  in  Aetlier.  Das  Färbungsvermögen  des  Crocins 
ist  so  ausserordentlich  kräftig,  dass  1 Theil  Safran  200,000  1 heilen  W asser 
eine  auch  in  durchfallendem  Lichte  noch  sichtbare  gelbliche  Färbung  ver- 
leiht. Verdünnte  Säuren  spalten  das  Crocin  iuCrocetin  und  Traubenzucker; 
durch  Sauerstoff  wird  es  leicht  verändert. 

Den  Farbstoff  und,  wenigstens  im  frischen  Zustande,  auch  eiuigermassen 
das  Aroma  des  Safrans  besitzen  die  chinesischen  Gelbschoteu,  von  Garde- 
nia  grandiflora  Loureiro  und  G . florida  L.  (Rubiaceae).  Den  Geruch  ver- 
dankt der  Safran  einem  gelben  ätherischen  Oele,  welches  zu  etwa  1 pC.  darin 
vorkömmt3),  schwerer  als  Wasser  ist  und  darin  in  ein  geruchloses  Stea- 
ropten  übergeht.  Ausserdem  enthält  der  Safran  Fett,  Traubenzucker,  eine 
vielleicht  eigenthiimliche  ' Säure  (Aepfelsäure)  und  liefert  8,9  pC.  Asche 
(Quadrat). 

1)  Kpöxo;  griechisch  = gelb;  assfar,  arabisch  = gelb,  roher  Safran,  Safärau  persisch. 

2)  üeber  Safrankultur  siehe  Gas parin,  Cours  d’agriculture.  IV. 

3)  Nach  Henry  und  nach  Bouillon-Lagrange  7 bis  9 pC.!? 


Crocus. 


535 


Unter  dem  Namen  Feminell  wurde  früher  in  Nürnberg  eine  sehr  ge- 
ringe Sorte  Safran  meist  aus  den  wenig  gefärbten  Griffeln  und  anderen  Ab- 
fällen hergestellt.  Als  mögliche  Verwechslungen  und  Verfälschungen  des 
Safrans  werden  ausser  den  Staubfäden  des  Crocus  sativus  selbst  verschie- 
dene Blüthen  von  Compositen  (Carthamus  tinctorius,  Calendula  officiualis 
u.  s.  f.),  auch  wohl  die  des  Crocus  vernus  L.  genannt.  Sie  würden  sich  alle 
durch  die  von  Safran  angegebenen  Merkmale  unterscheiden  lassen,  zumal 
beim  Aufweichen.  Dagegen  liefern  auch  wohl  Crocus  odorus  Biv.  (C.  sero- 
tinus  R.  u.  S)  in  Sicilien  und  Dalmatien,  Cr.  Pallasii  Goldb.  in  Taurien,  Cr. 
susianus  Ker.  in  Kleinasieu  und  andere,  wenigstens  lokal,  zur  Färberei 
brauchbaren  Safran. 

Zu  verwerfen  ist  aller  Safran,  der  sich  mit  Wasser  (Syrup)  oder  Oel 
befeuchtet  oder  durch  theilweises  Auslaugen  an  Farbe  und  Geruch  ge- 
schwächt zeigt.  Weit  gröberen  Verfälschungen  ist  die  gevulverte  Waare 
ausgesetzt,  die  zum  medicinischen  Gebrauche  nicht  dem  Handel  entnommen 
werden  darf. 

Schon  seit  den  frühesten  Zeiten,  bereits  in  der  ältesten  indischen  Medicin, 
spielt  der  Safran  als  Heilmittel,  Gewürz  und  Farbstoff  eine  bedeutende 
Rolle  in  der  Handelsgeschichte  und  wurde  bei  den  Alten  als  „König  der 
Pflanzen“  hochgefeiert.  Auch  die  Araber,  z.  B.  Masudi  im  X.  Jahrhun- 
dert, stellten  ihn  unter  die  5 hauptsächlichsten  kostbaren  Gewürze.  Das 
Mittelalter  fahndete  in  Deutschland  mit  besonderer  Strenge  auf  Safran- 
fälschung. — Eine  eigenthiimliche  Vorliebe  dafür  hat  sich  in  einzelnen 
Gegenden  in  hohem  Grade  erhalten.  Der  kleine  Bezirk  des  Berner  Ober- 
landes (Schweiz)  z.  B.  verbraucht  alljährlich  für  12000  bis  30000  Franken 
dieses  völlig  entbehrlichen  Gewürzes. 

Als  Farbematerial  wird  der  Safran  kaum  mehr  benutzt;  im  Orient 
höchstens  noch  bei  den  reichen  Araberinnen  zum  Gelbfärben  der  Augen- 
lider, Fingerspitzen  und  Zehen. 

Nach  den  Berichten  der  arabischen  Geographen,  z.  B.  Istachri  und 
Edrisi,  lässt  sich  die  Cultur  des  Safrans  in  Persien  (um  Isfahan)  bis  in 
die  Mitte  des  X.  Jahrh.  zurück  verfolgen,  scheint  aber  jetzt  unbedeutend  zu 
sein.  Kaschmir  erzeugte  nach  Hügel  um  1840  noch  gegen  5000  Kilogr.jähr- 
lich,  während  heut  zu  Tage  Europa  ungefähr  eben  so  viel  nach  Ostasien  ausführt. 

Durch  die  arabische  Herrschaft  in  Spanien  gelangte  der  Safranbau  zu- 
erst in  die  Gegend  von  Granada  und  von  da  vermuthlich  nach  Frankreich. 
Im  übrigen  Europa  wurde  er  wohl  durch  die  Kreuzfahrer  bekannt;  in 
Deutschland  scheint  im  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  die  Safrankultur  von 
Belang  gewesen  zu  sein. 

Gatinois  erntet  jährlich  ungefähr  15000  Kilogr.  Safran,  Arragonien 
doppelt  so  viel.  In  neuester  Zeit  scheint  in  Frankreich  eine  Ausartung  der 
Pflanze  diese  Kultur  zu  bedrohen. 

In  Niederösterreich  (bei  Melk,  Wagram,  Meissau  u.  s.  f.)  wird  etwa  seit 
1770  vorzüglicher  Safran  erzeugt,  der  jedoch  nicht  einmal  für  den  inlän 
dischen  Bedarf  ausreicht. 


53« 


Blüthen. 


Flores  Verbasei. 

Wollblumen.  Fleurs  de  raoleue,  fleurs  de  bouillon-blanc  ou  de  bonhorame. 

1.  Verbaseum  thapsiförme  Schräder.  — Scrophulariaceae. 

Syn.:  V.  Thapsus  Meyer  (non  Linue). 

2.  Verbaseum  pblomoides  L. 

3.  Verbaseum  Schraderi  Meyer. 

Syn.:  V.  Thapsus  L.  (nach  Fries). 

Die  grossblumigen  Arten  der  Wollkräuter  siud  durch  den  grössten  Theil 
Europas  verbreitet;  die  erstgenannte  namentlich  vou  Norddeutschland  bis 
Griechenland,  die  zweite  mehr  im  mittleren  und  südlichen  Gebiete.  Die 
dritte  Art  wächst  durch  fast  ganz  Europa,  im  Gebiete  des  schwarzen  und 
des  caspischen  Meeres,  selbst  in  Südsibirien  und  in  Nordamerika. 

Diese  stattlichen  zweijährigen  Kräuter  zeigen  Neigung  zur  Bastard- 
bildung und  sind  überhaupt  etwas  veränderlich.  Die  schönen  gelben , bei 
uns  im  Spätsommer  erscheinenden  Blüthen,  welche  bei  der  ersten  Art  am 
grössten  sind,  sitzen  an  dem  im  zweiten  Jahre  auswachseuden  aufrechten 
Stengel  zu  einer  einfachen  oder  am  Grunde  ästigen,  sehr  dichten,  mehr  als 
fusslangen  Aehre  (Bliithenschwauz)  geordnet.  Bei  Y.  phlomoides  ist  die  oft 
fast  traubige  Blüthenähre  unterbrochen.  Die  untersten  Blüthen  der  Haupt- 
axe  entwickeln  sich  zuerst.  Jede  Blüthe  wird  von  einem  etwas  längeren 
einfachen  zugespitzten  Deckblatte  gestützt,  das  eben  so  filzig  ist  wie  die 
weit  grösseren  Stengelblätter.  Der  fiiufspaltige,  aussen  sternhaarig  filzige 
Kelch  wächst  nach  dem  Abfallen  der  nur  einen  Tag  geöffneten  Blumenkrone 
weiter.  Die  5 gerundeten  Lappen  der  letzteren  breiten  sich  aus  der  kurzen 
engen  und  wellenförmig -zackig  rings  von  der  Axe  gelösten  Röhre  ziemlich 
flach  und  bei  Y.  phlomoides  bis  etwa  0,040'“  im  Durchmesser  erreichend  aus. 
Der  mittlere  der  unteren  Kronlappen  ist  am  breitesten  und  grössten,  die  beiden 
oberen  kleiner  als  die  seitlichen,  alle  breit  eirund,  oberseits  schön  gelb  (sel- 
ten weiss  variirend)  mit  feinem  bräunlichem  Adernetze.  Die  Rückseite,  mit 
Ausnahme  des  kahlen  längsruuzeligeu  Röhrenansatzes,  ist  aufs  dichteste 
mit  kurzen  starren,  6 bis  9-  und  mehrstrahligen,  oft  quer  verbundenen 
Sternhaaren  besetzt,  welche  ziemlich  den  bei  Kamala  beschriebenen  ähnlich 
sehen.  Völlig  abweichenden  Bau  zeigen  die  dicht  verfilzten,  sehr  laugen 
Haargebilde  des  gelben  Bartes,  der  die  3 etwas  kürzeren  Staubfäden  bis  zu 
ihrer  unteren  Hälfte  einhüllt  und  die  quer  aufliegeuden  Antheren  verdeckt. 
Es  sind  nämlich  einfache  weiche  bandartig  zusammenfallende  und  keulen- 
förmig auslaufeude  Haare,  welche  mit  äusserst  feiuen  länglichen  spiralig 
geordneten  Höckerchen  übersäet  sind.  Die  zwei  längeren,  in  ihrer  oberen 
Hälfte  der  Länge  nach  mit  den  Authercn  verwachsenen  Staubfaden  sind 
fast  gänzlich  kahl ; alle  5 den  tief  gehenden  Einschnitten  der  Blumenkroue 
entsprechend  über  der  Stelle  entspringend,  wo  sich  dieselbe  zur  Röhre 
verengert. 

Am  häufigsten  werden  wohl  in  unseren  Gegenden  die  Blurnen  von 


Flores  Yerbasci. 


537 


Y.  thapsiforme  gebraucht  und  die  Pflanze  deshalb  auch  angebaut.  Verbas- 
cum  phlomoides  unterscheidet  sich  durch  die  am  Grunde  abgerundeten,  nicht 
breit  angewachsenen , wenig  und  nicht  von  Blatt  zu  Blatt  herablaufenden 
Stengelblätter.  Die  Blüthen  sind  nicht  von  denen  des  ersteren  abweichend. 
Die  Blüthen  der  dritten  Art,  welche  in  ihren  herablaufenden  Blättern  der 
erstgenannten  gleicht,  sind  mehr  glockig  als  flach  ausgebreitet  und  nur  halb 
so  gross,  wie  die  von  Y.  thapsiforme  und  phlomoides , dessen  ausgebreitete 
Krone  auch  trocken  noch  gegen  0,030ra  Durchmesser  besitzt. 

Im  Süden  dienen  noch  andere  Arten  in  gleicher  Weise,  in  Griechenland 
z.  B.  Y.  undulatum  Lam.  und  das  kleinblüthige  V.  sinuatnm  L.1)  in  den 
Niederungen,  im  Gebirge  V.  thapsiforme  var.  macrurum.  In  Portugal  Y. 
crassifolium  Hoffmannsegg  u.  Link,  in  Spanien  Y.  macranthum  H.  u.  L.,  in 
Italien  V.  densiflorum  Bertoloui  u.  s.  f. 

Der  widerige  Geruch  der  frischen  Blüthen  wird  beim  Trocknen  ange- 
nehmer nnd  etwas  an  Honig  erinnernd.  Der  Geschmack  des  dunkelbraunen 
Aufgusses  ist  süss  und  schleimig;  er  reducirt  in  der  Kälte  schon  alkalisches 
Kupfertartrat. 

Die  getrockneten  Blumen  müssen  wohl  verschlossen  aufgehoben  wer- 
den; gestattet  man  der  atmosphärischen  Feuchtigkeit  Zutritt,  so  werden  sie 
weich  und  missfarbig.  In  einer  Flasche  verwahrte,  sehr  schöne  und  voll- 
kommen spröde  Blüthen  verloren  bei  100°  C.  noch  8,4  pC.  Feuchtigkeit 
und  zogen  dann  bei  nasser  Witterung  au  der  Luft  im  ganzen  wieder 
16,5  pC.  an.  Die  schmutzig  bräunliche  Farbe,  welche  die  Blumen  bei 
schlechter  Besorgung  so  leicht  annehmen,  wird  nicht  durch  Ammoniak 
hervorgerufen. 

Aetlier  entzieht  in  reichlicher  Menge  schön  gelbgefärbtes  schmieriges 
Fett.  Bei  100°  C.  getrocknete  Blumen  hinterlassen  4,8  pC.  Asche.  — Nach 
Rebling  beträgt  der  Zucker  11  pC.  Darin  mag  vielleicht  die  Hygroskopi- 
cität  ihren  Grund  haben;  doch  will  Morin  (1827)  auch  essigsaures  Kali, 
Gummi,  ausserdem  eine  Spur  ätherischen  Oeles  gefunden  haben. 

Die  verschiedenen  Wollblumen  wurden  schon  im  Alterthum  als  Arznei- 
mittel benutzt.  Die  Blätter  dienten  auch  zu  Species.  Ein  zum  Gelbfärben 
verwendetes  Kraut  Thapsia  oder  Thapsos  von  der  gleichnamigen  griechi- 
schen Insel  war  schwerlich  ein  Yerbascum,  gab  aber  zur  Benennung  der 
gelben  Blumen  Anlass. 


b trockene  fruchttragende  Stengel  diosor  Art  werden  bündelweise  zum  Fischfänge  ge- 
braucht, wirken  also  wie  es  scheint  betäubend,  wie  die  zum  gleichen  Zwecke  in  Griechenland 
gebrauchte  Euphorbia  Wulfenii  Hoppe  und  E.  dendroides  L.  (Heldreich).  Auch  den  Samen 
von  V.  phlomoides  werden  gleiche  Eigenschaften  zngesebrieben. 


538 


Blütlien. 


Flores  Rliocados. 

Petala  Rhoeados.  Klatschrosen.  Feuerblumen.  Klapprosen.  Fleurs  de 
coquelicot.  Red-poppy  petals. 

Papäver  Rhoeas  L.  — Papaveraceae. 

Die  Klatschrose  findet  sich  aufAeckern  durch  den  grössten  Theil  Euro- 
pa’s  oft  iu  sehr  grosser  Menge.  Fast  immer  tritt  dieses  einjährige  Kraut  nur 
als  Begleiter  der  Getreidekultur  auf  und  verschwindet  oft  wieder  aus  einer 
Gegeud1),  wo  dieselbe  auf  hört,  oder  wo  die  Aussaat  keine  Klatschrosen- 
samen mehr  enthält.  So  erschien  die  Pflanze  z.  B.  vorübergehend  auch 
schon  im  südlichen  Norwegen.  In  Griechenland,  auch  auf  den  Inseln  bis 
Kreta  ist  Papaver  Rhoeas  sehr  gemein  und  geht  durch  Kleinasien  bis  Süd- 
persien. Diese  wie  es  scheint  uach  Osten  zunehmende  Häufigkeit  der  Pflanze 
und  ihre  Beziehung  zu  unserem  Ackerbau  unterstützen  die  Ansicht,  dass 
sie  ursprünglich  dem  Oriente  angehöre.  Immerhin  trifft  man  nach  Heer 
bereits  in  den  Pfahlbauten  der  Schweiz  verkohlte  Fruchtkapseln  derselben2). 

Jeder  der  doldeutraubigen  Aeste  des  aufrechten,  höchstens  gegen  lm 
hohen  Stengels  endigt  mit  einer  sehr  ansehnlichen  langgestielten  Blume, 
bei  deren  Aufblühen  die  beiden  Kelchblätter  abfalleu.  Die  4 zarten,  präch- 
tig scharlachrothen3)  Blumenblätter  sind  quer  elliptisch,  mit  sehr  kurzem 
schwarz  violettem  Nagel  unter  dem  Fruchtknoten  eingefügt.  Da  sie  weit 
mehr  in  die  Breite  als  iu  die  Länge  entwickelt  und  ziemlich  flach  ausge- 
breitet sind,  decken  sie  sich  mit  ihren  Rändern.  Iu  der  Knospe  sind  sie 
höchst  unregelmässig  zusammengeknittert,  nach  der  Entfaltung  aber  völlig 
glatt,  lebhaft  glänzend  und  fettig  anzufühlen.  Sie  fallen  sehr  bald  ab, 
schrumpfen  beim  Trocknen  leicfit  ein  und  nehmen  selbst  bei  der  grössten 
Sorgfalt  eine  bräunlich  violette  Missfarbe  an. 

Obwohl  die  Blumen  nicht  wie  die  Pflanze  Milchsaft  führen,  riechen  sie 
doch,  so  lange  sie  frisch  sind,  aber  nicht  mehr  nach  dem  Trocknen,  stark 
narkotisch  und  schmecken  schleimig,  nur  sehr  schwach  bitterlich.  Sie  ent- 
halten Fett,  Zucker  und  Salze.  Ihr  Farbstoff,  der  schon  von  W asser  reich- 
lich aufgenommeu  wird,  scheint  nach  Leo  Meier’ s sehr  mangelhaften 
Angaben  saure  Eigenschaften  zu  besitzen  und  iu  Klatschrosensäure 
und  Rhoeadinsäure  zerlegt  werden  zu  können.  Das  dunkelviolette  Blei- 
salz der  ersteigen , nicht  aber  das  der  letzteren , soll  iu  Wrasser  löslich  sein. 
— Der  wässerige  Auszug  der  Blumen  wird  durch  Eisenchlorid  schwarz  ge- 
färbt. Opium- Alkaloide  sind  iu  den  Blumen  nicht  nachzuweisen. 

Der  Milchsaft  der  Pflanze  ist  sehr  wässerig , riecht  jedoch  kräftig  uach 
Opium  und  scheint  auch  bestimmt,  aber  schwach  narkotisch  zu  wirken. 


1)  daher  der  bezeichnende  ältere  Name  Papaver  erraticum  schon  bei  Pliuius. 

2)  Später  gewann  Heer  die  Ueberzeugung,  dass  diese  Kapseln  und  Samen  von  Papaver 
somniferum  herrühren  (Die  Pflanzen  der  Pfahlbauten.  Zürich  1865.  33).  Vergl.  bei  Semen 
Papaveris. 

3)  darauf  soll  sich  Rhoeas  beziehen : Rhoia,  der  Granatapfel. 


Flores  Rosae  centifoliae. 


539 


Aus  dem  Safte  mehrerer  Pfunde  frischer,  fast  reifer  Kapseln  war  es  mir 
nicht  möglich,  ein  Alkaloid  zu  gewinnen.  — Hesse  erhielt  jedoch  ein 
krystallisirbares  farbloses  Alkaloid,  Rhoeadin  O21H21N06,  das  in  Wasser 
und  Alkalien  löslich  ist  und  durch  Säuren  unter  prachtvoll  rother  Färbung 
zersetzt  wird,  ähnlich  wie  das  Porphyroxin.  In  der  Reihe  der  Alkaloide 
des  Opiums  (vgl.  S.  54)  — denn  auch  hier  lässt  es  sich  nachweisen  — er- 
öffnet das  Rhoeadin  die  Unterabtheilung  der  schwachen  Basen , indem  es 
seine  Stelle  zwischen  Papaverin  und  Narcotin  einnimmt. 

Die  Blüthen  von  Paeonia  festiva  Tausch  sehen  getrocknet  den  Klatsch- 
rosen  ähnlich,  geben  aber  an  Wasser  bei  weitem  weniger  Farbstoff  ab,  so 
dass  Bleizucker  den  Auszug  nur  hellgelblich  fällt. 

Papaver  Rlioeas,  ohne  Zweifel  viel  mit  P.  dubium  L.  zusammen- 
geworfen, das  nur  kleinere  blässere,  aber  trocken  nicht  zu  unterscheidende 
Blumenblätter  besitzt,  war  schon  den  Alten  wohl  bekannt. 

Flores  Rosae  centifoliae. 

Flores  s.  petala  Rosarum  incarnatarum  s.  pallidarum.  Centifolienrosen. 

Petales  de  roses  päles.  Cabbage-rose  petals. 

Rosa  centifolia  L.  — Rosaceae. 

Die  gewöhnliche  Gartenrose  gehört  demselben  Gebiete  an  wie  Rosa 
gallica  und  wird  noch  weit  allgemeiner  gezogen.  Die  erstere  wird  bis  2"' 
hoch,  ihr  starkes  Wurzelsystem  ist  nicht  weit  ausgebreitet  und  nur  wenig 
kriechend,  die  drüsig -gesägten  Blättchen  nicht  lederig,  die  Blüthen  meist 
überhängend,  fast  immer  gefüllt. 

Man  benutzt,  hauptsächlich  zur  Darstellung  des  Rosenwassers  und 
(nach  manchen  Pharmacopöen)  des  Rosenhonigs,  die  Blumen  der  gefüllten 
Spielarten,  worin  der  grösste  Theil  der  Staubgefässe  und  auch  wohl  die 
oberen  (äusseren)  Fruchtblätter  sich  zu  Blumenblättern  ausbilden.  Die 
übrigen  Karpelle  pflegen  ebenfalls  nicht  auszureifen,  da  der  Fruchtbehälter 
(Unterkelch)  nach  dem  Aufblühen  welkt  und  bald  abfällt. 

Die  Blumenblätter  sind  weniger  flach  als  die  von  Rosa  gallica,  mehr 
zusammengewölbt,  breiter  als  lang,  von  zarterer  Beschaffenheit  und  rein 
rosenroth.  Dieselben  werden  vor  der  völligen  Entfaltung  gesammelt  und  ohne 
Kelchblätter  und  Fruchtbehälter  rasch  getrocknet  oder  auch  in  Salz  auf- 
bewahrt. Sie  riechen  frisch  sehr  angenehm,  wenn  auch  nicht  eben  kräftig 
und  schmecken  zusammenziehend.  Durch  das  Trocknen  vermindert  sich 
der  Geruch  merklich. 

In  chemischer  Hinsicht  scheinen  sie  bis  auf  den  Farbstoff  mit  den 
Blumen  von  Rosa  gallica  übereinzustimmen.  In  unsern  Gegenden  erhält 
man  selbst  bei  der  Destillation  von  Rosen  in  grösserem  Masstabe  kaum 
wägbare  Mengen  ätherischen  Oeles.  Etwas  davon  wird  indessen  gelegent- 
lich in  Südfrankreich  dargestellt. 

Rosa  alba  L.  riecht  und  schmeckt  weit  schwächer  als  R.  centifolia. 


540 


Bliithen. 


Flores  Rosae  gallicae. 

Flores  s.  petala  Rosarum  rubrarum.  Knopfrose.  Essigroseublätter. 
Damascenerrosen.  Hamburgerrosen.  Petales  de  roses  rouges.  Roses  de 

Provins.  Red-rose  petals. 

Rosa  gallica  L.  — Rosaceae. 

Die  französische  Rose  ist  am  Kaukasus  und  iu  Südeuropa  einheimisch 
und  wird  von  Griechenland  an  durch  die  Mittelmeerländer  bis  in  das  mitt- 
lere Europa  iu  Gärten  iu  zahlreichen  Formen  sehr  viel  gezogen. 

Der  nur  etwa  lm  erreichende,  weithin  Ausläufer  treibende  Strauch  ist 
mit  etwas  steifen  lederigen  Blättern  und  aufrechten  Blüthen  versehen,  deren 
fünf  oder  gewöhnlicher  zahlreichere  Blumenblätter  flach  ausgebreitet  sind. 
Die  Farbe  derselben  wechselt  in  der  Kultur  vom  dunkelsten,  ius  violette 
schillernden  roth  bis  rosenroth  oder  gar  weisslich.  Der  kurze  Nagel  des 
Blumenblattes  ist  gelb. 

Man  sammelt  die  Blüthen  der  halbgefüllten  dunkelen  Spielarten,  so 
lange  sie  noch  geschlossen  sind , befreit  sie  vom  Kelche  sammt  Staubfäden 
und  schneidet  auch  in  manchen  Gegenden  den  gelben  Grund  der  Blumen- 
blätter vorsichtig  weg,  so  dass  die  Knospe  nicht  auseinanderfällt. 

Rasch  im  Schatten  getrocknet,  färben  sie  sich  noch  sammtartig  dunkler 
und  halten  sich  bei  Abschluss  von  Luft  und  Licht  sehr  lange.  Zu  1 Kilogr. 
trockener  Waare  sind  etwa  400  Knospen  erforderlich. 

Der  Geruch  dieser  Rose  ist  nicht  sehr  kräftig,  büsst  jedoch  beim  Trocknen 
wenig  ein.  Die  Blumenblätter  schmecken  adstringirend. 

Au  Aether  treten  sie  ohne  Farbenveränderung  ein  grünlich-gelbes  weiches 
Gemenge  von  festem  Fette  und  Quercitrin  ab.  Das  letztere  und  nicht  eine 
Gerbsäure,  welche  hier  kaum  spurweise  vorhanden  ist,  veranlasst  in  Eisen- 
oxydsalzen einen  grünlichen  Niederschlag,  wie  Filhol  gezeigt  hat.  Der- 
selbe fand  in  den  rothen  Rosenblättern  ferner  20  pC.  Traubenzucker  (Invert- 
zucker, links  rotirend),  welcher  nebst  dem  Farbstoffe  und  einer  Spur  Gallus- 
säure durch  Alkohol  aus  den  mit  Aether  erschöpften  Rosen  erhalten  wird. 

Ausserdem  enthalten  die  Blumen  Gummi,  Prote'instoffe,  Phosphate  und 
Spuren  von  ätherischem  Oele. 

Die  meisten  rothen  Rosenblätter  des  Handels  stammen  aus  Südfrank- 
reich, aus  Provins1)  in  der  Champagne  (Departement  Seine-et-Marne),  aus 
Holland  (Wassenaar,  Noordwijk),  den  Hamburgischeu  Vierlanden , sowie 
aus  Südenglaud  (Mitcham  in  Surrey),  auch  aus  der  Umgebung  Nürnbergs. 
— Iu  Griechenland  werden  die  Blumen  zu  Coufect  (Glyko)  eingemacht. 


1)  Ji0sa  provincialis  ist  olino  Bezug  auf  die  Stadt  Provins  eine  kleine  Spielart  der 
Rosa  centifolia  mit  stark  gefärbten  und  gefüllten  Blumen  genannt  worden. 


Flores  Chamomillae. 


541 


B.  Vollständige  Blüthen. 

Flores  Chamomillae. 

Flores  Chamomillae  vulgaris.  Kamillen.  Chamillen.  Fleurs  de  Camomille 

d’Allemagne. 

Matricäria  Chamomilla  L.  — Compositae-Senecionideae. 

Die  gemeine  Kamille  ist  viel  weiter  verbreitet  als  die  römische  und 
findet  sich  vom  mittleren  und  südlichen  Norwegen  und  Finnland  an  durch 
ganz  Europa,  doch  nicht  oder  nur  wenig  in  Gebirgen,  bis  Griechenland, 
Cypern  (wo  sie  noch  sehr  häufig  ist)  und  Transcaucasien.  In  Australien  ist 
sie  auch  bereits  ganz  eingebürgert.  Ihre  Kultur  scheint  einstweilen  noch 
nirgends  im  grossen  betrieben  zu  werden. 

Aus  der  schwachen  einjährigen  Wurzel  erheben  sich  einer  oder  mehrere 
krautige,  bis  über  1 Fuss  hohe  ästige  Stengel,  die  wenig  zahlreiche  unschöne 
kahle,  doppelt  oder  zu  oberst  einfach  fiederspaltige  Blätter  mit  linealen 
dicklichen  Läppchen  tragen. 

Die  ansehnlichen  Köpfchen  stehen  einzeln  aufrecht  auf  langen  hohlen 
Blüthenstielen  am  Ende  der  Stengel  oder  ihrer  doldentraubenartig  zusammen- 
gestellten , mit  einem  kleineren  einfacheren  Blatte  gestützten  Aestchen , im 
ganzen  einen  wenig  regelmässigen  ausgebreiteten,  doch  nicht  sehr  reichen 
Blüthenstand  zusammensetzend,  dessen  Entwickelung  und  Abblühen  lang- 
sam von  statten  geht  und  bei  uns  fast  den  ganzen  Sommer  dauert.  Das 
centrale  endständige  Köpfchen  jedes  Stengels  und  jedes  Astes  geht  gewöhn- 
lich den  übrigen  zugehörigen  voraus,  während  im  einzelnen  Körbchen  die 
innersten  Bliithchen  die  spätesten  sind. 

Die  ziemlich  zahlreichen  stumpfen,  trockenhäutig  beraudeten  Kelch- 
blättchen bilden  eine  ziegeldachartige  schüsselförmige  kahle  Hülle,  die  den 
anfangs  wenig  gewölbten  Blüthenbodeu  einschliesst.  Bis  zum  Aufblühen 
der  letzten  centralen  Scheibenbliithen  aber  streckt  sich  derselbe  kegelförmig 
bis  zur  Höhe  von  fast  5 Millim.  bei  einer  Dicke  von  nur  IV2  Millim.  im 
trockenen  Zustande , wo  er  beträchtlich  eingeschrumpft  ist.  Diese  Gestalt, 
verbunden  mit  dem  gänzlichen  Mangel  an  Spreublättchen  oder  Haaren  und 
den  tiefgrubigen  Einfügungsstellen  der  Früchtchen  zeichnen  den  Blüthen- 
boden  der  Matricaria  sehr  aus.  Er  ist  zudem  hohl  und  bietet  somit  untrüg- 
liche Merkmale  genug  dar,  welche  zusammen  bei  keiner  andern  der  sonst 
so  ähnlichen  verwandten  Compositen  wiederkehren. 

Die  weissen,  breit  lanzettlichen , vorn  rundlich  dreizähnigen  Strahlen- 
blüthen,  12  18  an  der  Zahl,  sind  anfangs  flach  ausgebreitet,  dann  senk- 

recht zurückgeschlagen  und  von  der  Länge  des  ausgewachsenen  Frucht- 
bodens. Staubgefässe  sind  nicht  vorhanden,  sondern  nur  ein  zweischenke- 
üger  Griffel  mit  stumpfen  aus  einander  fahrenden  Narben.  Die  Blumenröhre 
trägt  wenig  kleine  Oeldrüschen.  Ebenso  die  zahlreichen  kleinen  gelben 
Scheibenblüthchen,  deren  Röhre  am  Grunde  etwas  aufgetrieben  ist. 


542 


Bliithen. 


Sämmtlichen  Bliithen  fehlt  der  Pappus,  dagegen  sind  die  bräunlichen 
gekrümmten  Früchtchen  oben  mit  einem  etwas  erhöhten  Rande  versehen. 

Die  Kamillen  schmecken  wenigstens  bei  uns  bitter;  nicht  so,  sondern 
nach  Heldreich  äusserst  angenehm  aromatisch  in  Griechenland.  Der 
eigentümliche  Geruch  ist  ziemlich  stark,  nicht  eben  unangenehm.  Die  An- 
wendung der  gewöhnlichen  Kamille  ist  am  verbreitetsten  in  Deutschland 
und  den  nordischen  Ländern.  In  Russland  scheinen  auch  die  davon  nur 
wenig  verschiedenen  Arten  Mätricaria  suaveolens  L.  (von  Indien  durch 
Kaschmir  bis  Wolhynien  einheimisch),  M.  coronata  Gay  und  M.  lithu- 
anica  Besser  zu  dienen,  am  Cap  die  sehr  aromatische  M.  capensü  L. 
Frankreich  und  England  kennen  fast  nur  die  römische  Kamille. 

Die  gewöhnliche  Kamille  enthält  neben  allgemeiner  verbreiteten  Stoffen 
Phosphate,  Chlorüre,  Tartrate  und  Malate.  Die  Bliithen  liefern  ungefähr 
6 pC.,  die  ganze  Pflanze  aber,  nach  Riiling,  ungefähr  9 pC.  Asche,  bei 
weitem  vorwiegend  aus  Kalisalzen  bestehend.  Genauer  gekannt  ist  nur  das 
durch  prachtvolle  blaue  Farbe  bemerkenswerte  ätherische  Oel  der  Bliithen, 
dessen  Menge  je  nach  dem  Alter  und  der  Beschaffenheit  derselben,  so  wie 
je  nach  der  Darstellungsweise  bedeutende  Schwankungen  zeigt,  welche  von 
Zeller  (1855)  sehr  ausführlich  erörtert  worden  sind.  Die  reichlichste  Aus- 
beute erhält  man  nach  demselben,  wenn  frische  Blumen  in  kleinerer 
Menge  auf  einem  Siebboden  der  Dampfdestillation  unterworfen  werden.  So 
gewann  Zeller  im  Maximum  0,36  pC.  Oel,  auf  getrocknete  Blumen  be- 
rechnet (unter  der  Voraussetzung,  dass  erfahrungsgemäss  4 Tlieile  der 
destillirten  frischen  Bliithen  ihm  1 Th.  trockene  ergaben),  aber  im  Mittel 
nur  0,26  pC.  Verarbeitete  er  getrocknete  Kamillen  verschiedenen  Alters, 
so  erhielt  er  bei  gewöhnlicher  Destillatiousmethode  0,07  — 0,09  pC.,  aber 
durch  Dampfdestillation  0,106  pC.  durchschnittlich.  Abfälle  der  Blumen, 
oder  überhaupt  geringe  Waare  liefert  weit  weniger  und  missfarbiges  oder 
sich  bald  entfärbendes  Oel.  Auffallend  gross  erscheint  jenen  sorgfältigen  Ver- 
suchen gegenüber  Steer’s  Ausbeute  von  0,416  pC.  aus  ungarischer  Waare. 

Das  Oel  riecht  und  schmeckt  stark  aromatisch  nach  Kamillen  und  be- 
hält nur  bei  Abschluss  von  Licht  und  Luft  seine  Farbe,  desto  länger  übri- 
gens, von  je  frischeren  Blumen  es  stammt.  Bei  der  Rectificatiou  geht  zuerst 
ein  kleiner  farbloser  Antheil,  wie  es  scheint,  ein  Camplien  (Tereben),  über. 
Dem  blauen  Theile  aber  kann  selbst  durch  Destillation  mit  fettem  Oele  und 
Kochsalz  die  Farbe  nicht  entzogen  werden.  Dieses  blaue  Oel,  von  Pi  esse 
(1863)  Azuleu  genannt,  soll  die  Zusammensetzung  G1(;  H24-f-H2G  zeigen, 
bei  302°  sieden  und  blaue  Dämpfe  geben.  Es  wäre  dem  Entdeckei  zufolge 
das  färbende  Princip  der  blauen  ätherischen  Oele  überhaupt,  so  wie  auch, 
bei  gleichzeitiger  Anwesenheit  gelben  Harzes,  die  Ursache  der  grünlichen 
Färbung  mancher  anderer  Oele  (Bergamottöl,  Wermutöl,  Cajeputöl,  Pat- 
choulyöl).  Im  Kamillenöl  nun  soll  von  diesem  Azulen  nur  1 pC.  enthalten 
sein  und  doch  zur  Erzeugung  der  herrlichen  tiefblauen  Farbe  ausreichen. 

Gladstone  hat  (1863)  die  Existenz  eines  solchen  blauen  Oeles,  das  er 


Flores  Chamomillae  romanae. 


543 


Coerulein  nennt,  bestätigt,  dasselbe  aber  stickstoffhaltig  gefunden.  (Ygl. 
auch  bei  Galbanum). 

Das  bei  gewöhnlicher  Temperatur  dünnflüssige,  dann  dickliche  und  erst 
unter  — 20°  C.  (Bizio)  erstarrende  Kamillenöl  beginnt  erst  bei  240°  zu 
sieden,  aber  ohne  diesen  Temperaturgrad  einzuhalten.  Nach  Bizio  ist  es 
wahrscheinlich,  wie  das  Oel  des  Rhizoma  Zingiberis,  ein  zum  Theil  in 
Hydrat  übergegangenes  Camphen.  Die  Resultate  seiner  Analysen  deuten 
ein  Gemenge  von  2£,0H16  mit  3 (G10H16+H2O)  an.  Es  lässt  sich  denken, 
dass  übrigens  der  Grad  der  Hydratation  ein  wechselnder  sein  kann  und 
daher  auch  die  physikalischen  Eigenschaften  desOeles  nicht  beständig  sind. 

Wie  bei  manchen  andern  Compositen,  so  treten  auch  bei  der  Destillation 
der  Kamillen  Spuren  von  Säuren  der  Fettsäurereihe  auf.  Ueber  Kali  recti- 
ficirt,  hiuterlässt  das  Oel  etwas  Yalerianat. 

Die  Kamille  gehört  zu  den  ältesten  Arzneimitteln,  besonders  der  Yolks- 
medicin.  Plinius  leitete  den- Namen  Chamaemelum,  woraus  Chamomilla 
entstand,  vom  äpfelartigen  Gerüche  der  Bliithen  ab:  p.rAov  Apfel,  /rx.jj.vl 
niedrig.  Joachim  Camerarius,  gegen  Ende  des  XVI.  Jahrhunderts,  kannte 
schon  das  blaue  ätherische  Oel. 

Flores  Chamomillae  romanae. 

Römische  Kamille.  Camomille  romaine.  Chamomile  flowers. 

Anthemis  nöbilis  L.  — Compositae-Senecionideae. 

Die  römische  Kamille  ist  hauptsächlich  in  Spanien,  durch  ganz  Frank- 
reich bis  Süd-England,  dann  in  Italien  einheimisch,  der  Schweiz  fehlend, 
und  wird  zum  Arzneigebrauche  auch  viel  und  sehr  im  grossen  angebaut, 
namentlich  in  Frankreich,  England  ’)  und  Deutschland  (Zeiz  und  Borna  in 
Sachsen,  ganz  besonders  aber  Kieritzsch  zwischen  Leipzig  und  Altenburg, 
auch  in  Thüringen). 

Die  ausdauernde  zusammengesetzte  und  befaserte  Wurzel  verlängert 
sich  zu  einem  kriechenden  ästigen  Stämmchen,  aus  welchem  sich  ein  Rasen 
krautiger,  reich  beblätterter  Aeste  über  die  Erde  erhebt.  Dieselben  ver- 
mögen sich  ausläuferartig  weiter  zu  entwickeln  und  zu  bewurzeln  und 
treiben  auch  die  ziemlich  einfachen  blühbaren,  gegen  1 Fuss  hohen  Stengel, 
die  mit  zahlreichen,  doppelt  und  fein  gefiederten  Blättern  dicht  besetzt 
sind.  Sie  endigen  in  einzelne  aufrechte  ansehnliche,  bis  0,0 lm  breite  Köpf- 
chen aus  12  18  weissen  weiblichen  Randblüthen  und  zahlreichen  gelben 

Scheibenblüthen,  welche  dem  mehr  oder  weniger  bis  zu  0,005m  kegelförmig 
erhöhten  markigen  Blüthenboden  eingefügt  und  von  der  blätterreichen  Hülle 
gestützt  werden.  Der  Rand  der  ovalen  behaarten  Blättchen  der  letzteren  ist 
wimperig  gesägt  und  trockenhäutig.  Aehnliche,  aber  kahnförmige,  ziemlich 
breite  Spreublättchen  sind  den  Einzelblüthen  im  Köpfchen  beigegeben  und 


J)  Mitcham  allein  erzeugt  jährlich  über  11,000  Kilogr.  (1864). 


544 


Blüthen. 


erreichen  nahezu  die  Länge  der  Bin rnenröliren,  auf  welchen  liier  und  da 
kleine  Oeldrüschen  sitzen.  Die  beiden  stumpfen  zuriiekgebogenen  Narben 
ragen  wenig  aus  der  glockenförmigen  Mündung  der  Zwitterblüthe  heraus, 
die  Staubbeutelröhren  meist  gar  nicht.  Die  stumpf  dreigezähnten  Zungen- 
blumen sind  zuletzt  weit  über  den  Hauptkelch  bis  zu  seinem  Grunde  zurück- 
geschlagen. Ein  Pappus  fehlt  den  Blüthen  ganz. 

In  der  Kultur  verlieren  die  Köpfchen  bisweilen  die  Strahlenblüthen  und 
werden  in  dieser  Form  als  Anthemis  nobilis  Var.  (i)  ßosculosa  Persoon 
(Anthemis  aurea  DeC.)  unterschieden.  Häufiger  aber  und  hauptsächlich  die 
Handelswaare  bildend,  ist  die  gefüllte  Varietät,  welche  durch  mehrere  Reihen 
weisser  unfruchtbarer  Strahlenblüthen  ausgezeichnet  ist.  Seltener  sind  die 
gelben  Scheibenblümchen  völlig  durch  jene  weissen  verdrängt. 

Die  römische  Kamille,  ganz  besonders  die  einfache  Form,  schmeckt  stark 
aromatisch  bitter  und  riecht  eigenthümlich  sehr  gewürzhaft,  obwohl  nicht 
eben  fein.  Sie  liefert  gegen  0,5  pC.  ätherischen  Oeles  von  gelber  oder  grün- 
licher bis  bläulicher  Farbe,  das  hauptsächlich  aus  einem  nach  Citroneu 
riechenden,  mit  Terpenthinöl  isomeren  Kohlenwasserstoffe  besteht,  worin 
aber  Angelicasäure  (oder  doch  das  Aldehyd  derselben)  und  in  geringerer 
Menge  auch  flüchtige  Fettsäuren  gelöst  sind.  Das  rohe  Oel  rotirt  stark  nach 
rechts.  Nach  den  Zusammenstellungen  Zeller’s1),  welche  noch  der  Bestäti- 
gung bedürfen,  will  es  fast  scheinen,  als  wären  die  in  Frankreich  wild  ge- 
wachsenen Blumen  ärmer  an  Oel  als  die  in  nördlicheren  Gegenden  gebauten. 

Der  Bitterstoff  ist  ganz  unbekannt  und  näherer  Untersuchung  wertli. 

Das  ebenfalls  mit  gefüllten  Blumen  variirende  Crysänthemum  Parthe- 
nium2)  Persoon  steht  auch  durch  den  sehr  ähnlichen  Geruch  der  römischen 
Kamille  nahe;  seine  kleineren  Köpfchen  besitzen  aber  einen  mehr  flachen, 
nicht  kegelförmigen  Blüthenboden , welchem  die  Deckblättchen  (Spreu- 
blätter) ganz  fehlen. 

Die  römische  Kamille  gelangte  erst  zu  Ende  des  Mittelalters,  wie  es 
scheint,  aus  Spanien  nach  Deutschland.  Tragus  (1498 — 1554)  scheint 
sie  zuert  als  Chamomilla  nobilis,  Camerarius  (1534 — 1598)  als  römische 
Kamille  bezeichnet  zu  haben.  Letzterer  hatte  sie  in  Menge  bei  Rom  gesehen. 


Flores  Cinae. 

Anthodia  Cinae.  Santonica.  Semen  Cinae.  Semen  Santonici  s.  sanctum. 
Wurmsamen.  Zitwersamen.  Wurmknospen.  Barbotiue.  Semen -contra.3) 

Wormseed. 

Unter  dem  Namen  Wurmsamen  versteht  man  die  noch  nicht  geöffneten 
aromatischen  und  bitteren  Blüthenköpfcheu  mehrerer  Artemisia- Arten,  die 


1)  Aetherische  Ode.  Stuttgart  1855.  103. 

2)  über  dessen  ätherisches  Oel  vgl.  S.  100. 

3)  Verdorben  aus  Semen  coutra  vermes. 


Flores  Cinae. 


545 


noch  äusserst  mangelhaft  bekannt  sind.  Die  bei  uns  jetzt  allein  gebräuch- 
liche Sorte  dieses  Arzneistoffes  gelangt  aus  den  aralo-caspischen  Ländern 
oder  vielleicht  aus  dem  centralen  Hochasien  über  das  Caspi-Meer  nach 
Astrachan,  oder  nördlicher  über  Orenburg  und  Troitzk  am  Ural,  zur  grossen 
Messe  von  Nischnei- Nowgorod  und  von  da  nach  dem  westlichen  Europa. 
Die  Stammpflanze  dieses  sogenannten  levantischen  Wurmsamens,  von  Berg 
vorläufig  als  Artemisia  Cina  unterschieden,  ist  noch  unbekannt ').  DieWaare 
besteht  fast  ausschliesslich  aus  ziemlich  rein  gehaltenen  gleichmässigen 
Blüthenköpfchen  mit  nur  wenigen  schmal  linealen  riunigen  Blattzipfeln  und 
dünnen  kahlen  Steugelresten. 

Die  grünlich-gelben,  mit  der  Zeitins  bräunliche  nachdunkelnden  3 Millim. 
langen,  einzeln  oder  viel  seltener  zu  zwei  an  kurzen  Stielchen  sitzenden 
Köpfchen  sind  aus  etwa  12  stumpf  lanzettlichen  Blättchen  gebildet,  welche 
ziegeldachartig  geordnet  zu  einer  oben  meist  sanft  gerundeten  Hülle  zu- 
sammenschliessen.  Am  Grunde  ist  dieselbe  dadurch  sehr  verschmälert,  dass 
die  wenigen  untersten  Blättchen  bedeutend  kürzer  sind.  Ist  das  Köpfchen 
nicht  ganz  kurz  abgebrochen , so  gesellen  sich  demselben  bisweilen  noch 
einige  der  obersten,  nur  wenig  längeren  schmalen  und  ganz  einfachen 
Stengelblättchen  (Deckblättchen)  zu. 

Ungeachtet  des  festen  Zusammenschlusses  ihrer  Blättchen  erhält  die 
Hülle  doch  ein  unregelmässiges  höckeriges  und  gerundet-kantiges  Aussehen, 
weil  die  dicklichen  Blättchen  sich  nach  aussen  iu  einen  stark  vortretenden 
grünlichgelben  oder  bräunlichen  Rückenkiel  erheben.  Derselbe  läuft  bis 
dicht  an  die  stumpfe  Spitze  des  Blättchens  und  ist  von  sehr  feinen  Gefäss- 
bündelchen  durchzogen,  so  wie  mit  kleinen  gelben  ungestielten  Oel-  oder 
Harzdrüsen  besetzt,  welche  beide  dem  glashellen  farblosen  dünnhäutigen 
Rande  fehlen.  Letzterer  ist  äusserst  fein  gestreift  und  erscheint  auch  bei 
stärkerer  Vergrösserung  kahl,  nur  hier  und  da  etwa  an  der  Spitze  etwas 
ausgebissen.  Der  Kiel  trägt  einige  weiche  lange  ungefärbte  Haare,  die  aber 
kaum  für  die  Loupe  wahrnehmbar  sind.  Hier  und  da  findet  sich  aber  auch 
ein  spinnwebig  behaartes,  offenbar  noch  ganz  junges  Köpfchen  in  der  sonst 
kahlen  fast  glänzenden  Droge.  Die  3 bis  5 Einzelbliithen  lassen  sich  bei 
manchen  Proben  selbst  in  den  dicksten  Köpfchen  noch  gar  nicht  erkennen. 
Sie  sind  mit  kurz -glockenförmigem  bräunlichem  Saume  versehen,  etwas 
länger  als  das  Früchtchen,  welches  nicht  von  einem  Pappus  gekrönt  ist. 

Der  Wurmsamen  riecht  kräftig  aromatisch  und  schmeckt  widrig  bitter 
und  kühlend  gewürzhaft.  Er  gibt  im  Durchschnitte  gegen  1 pC.  ätherisches 
Oel,  das  den  Geruch  und  Geschmack  der  Droge  besitzt  und  schon  bei 
17 o C.  siedet.  Der  Hauptsache  nach  besteht  es,  Kraut’s  Untersuchungen 
(1862.  1863)  zufolge,  aus  O10H18-O  (Cinaebencampher  Hirzel’s), 
wovon  sich  aber  bei  der  Destillation  leicht  ein  Molekül  H20-  trennt,  so  dass 

')  Nach  Polak  dienen  in  Persien  die  Spitzen  mehrerer  Artemisia -Arten,  besonders  aus 
der  Gegend  von  Täbris,  als  Wurmmittel. 

Fliickiger,  Pharmakognosie.  35 


546 


Blüthen. 


eiu  Tlieil  des  Oeles  in  G10H16  und  Wasser  zerfallt,  welches  letztere  in  dem 
vorher  entwässerten  Oele  eine  Trübung  veranlasst.  Der  Kohlenwasserstoff 
dreht  die  Polarisationsebene  gar  nicht,  das  rohe  Oel  nur  sehr  wenig 
nach  links.  Schon  ursprünglich  ist  dem  letzteren  ein  vielleicht  verschiedener 
isomerer  Kohlenwasserstoff,  Cinaeben  Hirzel’s  oder  Cincn  Völckel’s 
beigemengt;  das  bei  der  Destillation  übergehende  Wasser  reisst  auch  flüch- 
tige Säuren  der  Fettsäurereihe  und  (wie  bei  dem  Oele  der  römischen  Ka- 
millen) Angelicasäure  mit.  — Die  Identität  der  ätherischen  Oele  der  ver- 
schiedenen Wurmsamensorten  ist  nicht  erwiesen. 

Obschon  ein  Theil  der  Wirkung  des  Wurmsamens  auf  dem  ätherischen 
Oele  beruht,  so  ist  doch  der  eigentliche  Träger  derselben  das  Santonin 
G15H18fT3,  1830  fast  gleichzeitig  von  Kahler  in  Düsseldorf  und  von  Al  ms 
im  Mecklenburgischen  entdeckt.  Es  beträgt  l1/«  bis  2 pC.  der  Waare, 
scheint  aber  beim  Aufblühen  der  Köpfchen  sehr  abzunehmen.  Durch  Kalk- 
milch wird  es  leicht  ausgezogen,  da  es  sich,  obwohl  nicht  sauer  und  selbst 
in  kochendem  Wasser  wenig  löslich,  mit  Basen  verbindet.  Es  ist  ohne  Ge- 
ruch, aber,  besonders  in  Chloroform  oder  Weingeist  gelöst,  von  bitterem 
Geschmacke.  Seine  grossen  farblosen  rechtwinkeligen  Tafeln  des  rhombi- 
schen Systems  lassen  sich  mikroskopisch  in  der  Droge  nicht  nachweisen, 
da  sie  vielleicht  die  leichtlösliche,  ja  zerfliessliche  Kali- Verbindung  des 
Santonins  enthält.  Die  Krystalle  des  Santonins  nehmen  im  Sonnenlichte, 
auch  im  blauen  oder  violetten  Strahle,  nicht  in  den  übrigen  Farben  des 
Spectrums,  gelbe  Farbe  an,  wobei  sie  ohne  chemische  Veränderung1)  zer- 
springen. Die  gelben  Lösungen  in  Alkohol  oder  Aether  entfärben  sich  rasch 
wieder.  Bei  grosser  Vorsicht  lässt  sich  das  Santonin  unzersetzt  sublimiren, 
weshalb  auch  schon  zu  bezweifeln  war,  dass  es  (nach  Kosmann  s An- 
gabe) ein  Glykosid  sei.  Es  liefert  in  der  That  weder  durch  Säuren , noch 
durch  Alkalien  Zucker. 

Kletzinsky  hat  durch  Spaltung  des  Hyoscyamins  (vergl.  bei  Semen 
Hyosc.)  Santonin  erhalten.  — Das  Verhalten  des  Santonins  zum  Lichte  er- 
innert an  das  Erythrocentaurin  (vgl.  Herba  Centaurii).  In  verhältnissmässig 
grösseren  Gaben  steigert  sich  die  wurmtreibende  Wirkung  des  Santonins 
bis  zu  Vergiftungserscheinungen. 

Der  Wurmsamen  enthält  ferner  Harz,  Zucker,  wachsartiges  Fett,  Kalk- 
und  Kalisalze,  Aepfelsäure,  und  gibt  7,3  pC.  Asche,  worin  nach  Eylerts 
fast  Ys  Kieselerde.  — Sehr  schöne  in  kleiner  Menge  sorgfältigst  ausgesuchte 
Waare  verlor  im  W asserbade  10,6  pC.  und  hinterliess  6,5  pC.  Asche,  worin 
Jahns,  unter  meiner  Leitung,  18  pC.  Kieselerde  fand.  Dieser  ansehnliche 
Kieselgehalt  deutet  vielleicht  auf  einen  sandigen  Standort  der  Stammpflanze. 

Die  wurmwidrigen  Eigenschaften  mehrerer  Artemisia  - Arten  der  Mittel- 
meerflora waren  schon  frühe  benutzt,  wie  z.  B.  im  VI.  Jahrhundert  nach 

0 nach  Scstini  tritt  eine  Reduction  des  Santonins  zn  einem  kohlenstoffrcirhereu  Körper 
Photosantonin  ein  und  zugleich  entsteht  wie  cs  scheint  auch  Ameisensäure;  nach  Mehu 
schmilzt  farbloses  Santonin  bei  170°,  gelbes  bei  155°. 


Flores  Cinae. 


547 


Chr.  Alexander  Trallianus  schon  angibt,  aber  das  Abendland  wurde 
erst  durch  die  Kreuzzüge  mit  dem  ächten  Wurmsamen  bekannt.  Er  scheint 
damals  einen  mehr  südlichen  Handelsweg  durch  das  Rothe  Meer  über 
Alexandria  eingeschlageu  zu  haben,  da  er  in  Palästina  und  Syrien  auf- 
tauchte, was  ihm  die  Bezeichnung  Semen  sanctum,  später  auch  Semen 
Cinae  Halepense  (Aleppo)  eintrug.  Dass  man  aber  damals  schon  um  seine 
Herkunft  wusste , deutet  der  Name  Semen  Cinae  oder  Sinae,  Samen  aus 
China,  an.  Für  den  schon  frühe  gebrauchten  deutschen  Namen  Zitwer  fehlt 
die  Erklärung. 

Artemisia  Valiliana  Kosteletzky  (A.  Contra  Vahl),  eine  in  Persien 
wachsende  Art,  besitzt  einen  knäuelig-ährenartigen  gedrängten  Blüthenstand 
(Blüthenschwänze)  mit  eiförmigen  Köpfchen,  welche  kürzer  sind  als  die 
oben  beschriebenen,  dazu  etwas  spinn  webig  behaart  und  mit  eirunden  Kelch- 
blättchen versehen.  Dass  daher  von  dieser  Art  die  officinelle  Wurmblüthe 
nicht  abstammen  kann , wie  fast  allgemein  behauptet  wurde,  hat  Berg1) 
durch  Vergleichung  des  Valil’ sehen  Original -Exemplares  der  Pflanze  dar- 
gethan. 

Ebensowenig  stimmen  die  nicht  nach  Wurmsamen  riechenden,  fast  ku- 
geligen und  weit  grossem  Köpfchen  der  A.  judaica,  oder  die  stark  filzig- 
drüsigen Kelche  der  A.  Sieteri Besser  (A.  glomerata  Sieber)  mit  der  Handels- 
waare  überein.  Noch  weniger  passt  darauf  A.  Ckiajeana  Kunze,  deren 
Bruchstücke  einmal  von  delle  Chiaje  in  Neapel  ganz  vereinzelt  in  Wurm- 
samen aufgefunden  wurden2).  Die  Köpfchen  dieser  Pflanze,  welche  noch 
unvollständiger  gekannt  ist  als  die  vorher  genannten,  sind  gleichfalls  filzig. 

In  den  Wolgagegenden,  in  den  Gouvernements  Pensa,  Saratow,  Sarepta, 
wächst  A.  pauciflora  Stechmann,  im  unteren  Wolgagebiete,  weiterhin 
im  Kaukasus  und  im  südlichen  Sibirien  Artemisia  Lercheana  Stechm. 
und  einige  andere  nahestehende  Arten  oder  Varietäten.  Ihre  Bliithenköpf- 
chen,  welche  von  bräunlicher  oder  durch  filzige  Behaarung  weisslicher  Farbe 
und  meist  mit  zugespitzten  Kelchblättchen  versehen  sind,  dienen  in  jenen 
Gegenden  wie  die  ächten  Wurmknospen.  Hauptsächlich  wie  es  scheint 
durch  die  deutschen  Herrnhuter- Ansiedelungen  bei  Sarepta  gelangten  die- 
selben vor  einiger  Zeit  als  Flores  Cinae  Rossici , russischer  Wurmsamen, 
auch  in  den  europäischen  Handel.  Diese  Produktion  hat  sich  jedoch  als 
unergiebig  erwiesen1)  und  die  Sorte  ist  vom  Markte  verschwunden. 

Aus  Nordafrika,  zum  Theil  aus  Marocco,  wird  noch  bisweilen  berberi- 
scher  Wurmsamen,  Semen  Cinae  barbaricum , in  Livorno  eiugeführt.  Da- 
selbst gekaufte  Waare  finde  ich  aus  poch  ganz  unentwickelten,  fast  kuge- 
ligen, höchstens  1 V2  bis  2 Millim.  messenden,  meist  geknäuelten  Köpfchen 
bestehend,  welche  von  einfachen,  fast  walzlicben  Deckblättchen  gestützt 

B officinelle  Gewächse  Heft  XXIX.  Taf.  C. 

2)  GeiScr  (Nccs  v.  Esc  »bock  u.  Dierbach)  Pharm.  Bot.  1889.  789. 

3)  Briefliche  Mittheilmig  von  Prof.  Dragen  dorff. 

35  * 


548 


Blüthen. 


sind.  Wie  die  Köpfchen  selbst,  sind  auch  die  sehr  zahlreich  vorhandenen 
Stengel-  und  Blattrcste  von  brauner  Farbe,  welche  aber  fast  ganz  durch 
dichten  weissen  Filz  verdeckt  ist.  Auch  fremdartige  Pflanzentrümmer  ver- 
unreinigen diese  Sorte  in  ziemlich  hohem  Grade.  Geruch  und  Geschmack 
stimmen  mit  dem  ächten  Wurmsamen  überein,  sind  aber  bei  weitem 
schwächer  und  weniger  unangenehm,  der  Geruch  feiner,  der  Geschmack 
nur  wenig  bitter.  Unmöglich  kann  ihr  Oelgehalt  höher  sein  als  der  der  offi- 
cinellen  Sorte,  und  an  Santonin  ist  sie  sehr  arm.  Als  Stammpflanze  nennt 
Berg  Artemisia  raviosa1)  Smith. 

In  früherer  Zeit  herrschte  in  Betreff  der  verschiedenen  Sorten  der  Cina 
sehr  grosse  Verwirrung,  so  dass  sogar  ostindischc  und  amerikanische  Waare 
grundlos  aufgeführt  wurde.  Nach  dem  jetzigen  Stande  der  Dinge  ist  allein 
zulässig  und  auch  ausschliesslich  zur  fabrik massigen  Santoninbereitung  die- 
nend die  hier  zuerst  beschriebene  sogenannte  levantische  Sorte,  deren  Her- 
kunft noch  dunkel  ist.  Selbst  die  britische  Pharmacopöe  hat  nur  diese  aus 
Russland  kommende  kahle  „Santonica“  aufgenomraen. 

Flores  Arnicae. 

Arnikablumen.  Wolferleiblumen.  Gemsblumen.  Fallkrautblumen.  Fleurs 
d’ Arnica  ou  d’Arnique.  Arnica  flowers. 

Der  krautige  einfache  oder  nach  oben  mit  einem,  weniger  oft  mit  zwei 
Paaren  gegenständiger,  ziemlich  langer  Aeste  versehene  Stengel  der  Arnica 
montana  (vergl.  bei  Rhizoma  Arnicae)  trägt  1 oder  3,  seltener  5,  im  Spät- 
sommer blühende  schön  gelbe  Köpfchen.  Jedes  derselben  ist  umgeben 
von  einer  zweireihigen  20-  bis  24blätterigen  Hülle,  welche  nebst  dem 
Blüthenstiele  mit  zahlreichen  Haaren  dicht  besetzt  ist;  nur  die  braun- 
gefärbten kürzeren  dieser  Härchen  endigen  in  ein  kleberiges  Dräschen. 
Dem  hochgewölbten,  im  Durchmesser  (trocken)  0,006"'  erreichenden  spreu- 
haarigen Blüthenboden  sind  am  Rande  gegen  20  bis  0,02"'  lange,  weit  über 
die  Hülle  hinausrageude  Zungenblüthen  eingefügt,  in  der  Mitte  dagegen 
zahlreiche  röhrige,  weit  kürzere  Blüthen.  Die  letzteren  sind  zwitterig,  den 
Rand-  oder  Strahlenblüthen  fehleu  die  Staubgefässe  oder  bleiben  doch,  wie 
bei  der  im  Norden  wachsenden  Pflanze,  verkümmert. 

Die  dünnen  kantigen,  bis  0,006“  langen  gelblichgrauen,  bei  der  Reife 
schwärzlichen  Früchtchen  (Achaenieu)  tragen  zahlreiche  kurze  Börstchen 
und  werden  von  einem  Pappus  aus  weisslichen  scharfen  und  starren  Haa- 
ren , die  bis  0,008’“  messen , gekrönt.  Die  lanzettlichen  zarten , vorn  ge- 
stutzt-dreizähnigen  Randblüthen  sind  von  etwa  10  dunkelbraunen  Längs- 
nerven durchzogen. 

Die  Scheibenblüthen  werden  nur  eben  vom  Pappus  überragt,  die  dunk- 
ler bräunliche  Staubbeutelröhre  tritt  etwas  aus  der  Blumenrohre  heraus. 


1)  Geiger  1.  c.  787.  (1  8 3 9)  Artemisia  raruosa  L.  v.  Buch. 


Flores  Arnicae. 


549 


beide  sind  ötheilig,  ihre  Lappen  abwechselnd.  Die  beiden  kopfigen  Narben 
des  Griffels  rollen  sich  gegen  die  Mündung  der  Blumenrohre  zurück.  Ziem- 
lich häufig  sind  die  Blüthenböden  schon  in  der  Natur  von  der  glänzend 
schwarzen,  bis  3 Millim.  langen  Larve  der  Trypeta  arnicivora  Löw,  einer 
Bohrfliege  (Familie  der  Muscidae) , bewohnt  und  fast  ausgefüllt.  Deshalb 
schreiben  auch  manche  Pharmacopöeu  z.  B.  die  Deutsche  und  die  Preus- 
sische  vor,  die  Blüthen  vom  Hüllkelche  (Peranthodium)  und  Blüthenböden 
zu  befreien.  Diese  Theile  besitzen  aber  auch  in  hohem  Grade  den  bitteren 
scharfen  Geschmack  der  ganzen  Blüthe , daher  es  kaum  gerechtfertigt  er- 
scheint, dieselben  zu  opfern.  Die  gefürchtete  Trypeta-Larve  hat  sich  als 
unschädlich  erwiesen,  ist  aber  allerdings  bisweilen  in  so  grosser  Menge  vor- 
handen, dass  sie  ausgelesen  werden  muss. 

Der  Geruch  der  Blüthen  ist  eigenthümlich , nicht  unangenehm , aber 
schwach.  Die  erwähnten  Eigenthiimlichkeiten  im  Blütlienbau,  dann  auch 
das  Aroma,  der  Geschmack  und  die  bei  der  Aufbewahrung  sehr  beständige 
gelbrothe  Färbung  der  Blüthen  lassen  die  Arnica  leicht  von  anderen  Co- 
rymbiferen-Blüthen  unterscheiden.  Die  der  Cichoraceeu  sind  au  ihren  gleich- 
artigen zuugenformigeu  Blumen  kenntlich. 

9 Theile  frischer  Blüthen  liefern  durchschnittlich  2 Th.  getrockneter. 
In  letzterem  Zustande  geben  sie  nur  etwa  Vio  bis  2/io  pro  Mille  ätherisches 
Oel,  frisch  aber  verhältnissmässig  bedeutend  mehr.  Dasselbe  ist  von  saurer 
Reaktion,  gelblich,  bläulich  oder  grün,  nach  Kamillen  riechend. 

Mehrere  Chemiker,  die  sich  mit  der  Aufsuchung  eines  eigenthümlichen 
Aruicius  beschäftigt,  haben  unter  diesem  Namen  verschiedene  unreine 
Körper  erhalten.  Erst  Walz  erkannte  (1861)  als  wirksamen  Bestandthcil 
der  Blüthen  einen  goldgelben,  nicht  krystallisirbaren  Bitterstoff.  Dieses 
Arnicin  ist  leicht  in  Aether,  wenig  in  Wasser  löslich,  aus  der  weingeisti- 
gen Auflösung  durch  Gerbstoff  oder  Wasser  fällbar,  vom  specifischen  Ge- 
rüche und  scharf  kratzenden  Geschmacke  der  Arnica.  Walz  legt  ihm  die 
Formel  £2oH3o-ö-4  bei,  welche  noch  der  Bestätigung  bedarf.  Es  scheint 
nicht,  dass  das  Arnicin  ein  Glykosid  ist,  obwohl  es  durch  verdünnte  Säuren 
zersetzt  wird.  Die  Blumen  geben  davon  über  1 pC.,  weniger  der  Wurzelstock 
und  das  Kraut. 

Walz  fand  iu  den  Blüthen  ferner  zwei  verschiedene  Harze,  krystallisi- 
rendes  Fett  und  Wachs;  auch  Gerbstoff  und  gelben  Farbstoff. 

Hesse  (1864)  hat  entscheidend  nachgewiesen,  dass  die  Arnica  (Blüthe?) 
bei  der  Destillation  mit  Alkalien  keine  besondere  flüchtige  Base,  sondern 
nur  Ammoniak  oder  Spuren  von  Trimethylamin  liefert. 


550 


Bliithcn. 


Flores  Sambuci. 

Hohmderblüthe.  Fliederblumen.  Holderblumen.  Fleurs  de  surcau. 

Ekler  flowers. 

Samlmcus  nigra  L.  — Lonicereae. 

Der  Holunder  ist  durch  ganz  Europa,  Vorderasien,  die  Kaukasusländer 
und  Südsibirien  bis  China  und  Japan  einheimisch,  den  höhern  Norden  aus- 
genommen. In  Norwegen  z.  B.,  wo  der  Strauch  in  guten  Sommern  uoch 
bei  Throndhjem  seine  Früchte  reift,  ist  er  vielleicht  nach  Sch  übe  ler ’s 
Vermuthung  im  Mittelalter  durch  Mönche  eingeführt  worden. 

Man  sammelt  die  ganzen,  sehr  ansehnlichen  und  reichbliithigen  Trug- 
dolden, deren  langer  kantiger  Bliithensticl  sich  erst  in  5,  hierauf  ein  oder 
mehrmals  in  3 bis  5 Aeste  theilt  und  zuletzt  in  wiederholt  gabelige  feine 
gerillte,  bis  etwa  6 Millim.  lange  ßlüthenstielchen  mit  einer  einzelnen  Blume 
endigt.  In  den  Gabeln  zweiter  oder  dritter  Ordnung  bleibt  die  mittelständige 
Bliithe  sehr  kurz  oder  gar  nicht  gestielt  sitzen  und  öffnet  sich  früher.  Eben 
so  pflegt  an  den  äussersteu  kleinen  Gabeln  nur  das  eine  Btüthchen  lang- 
gestielt zu  sein.  Dieser  ganze,  reich  gegliederte  Bliithenstaud  breitet  sich 
zu  einer  ziemlich  flachen  schirmartigen  Trugdolde  aus,  welche  gänzlich  kahl 
ist  und  auch  der  Deckblätter  entbehrt. 

Ueber  den  sehr  kurzen  5-  (oder  weniger  häufig  4-)  zahnigen  mehrkan- 
tigen Kelch  erhebt  sich  der  freie,  schwach  gewölbte  Gipfel  des  Frucht- 
knotens, gekrönt  von  der  dicken  dreiknöpfigen  (seltener  nur  zweitheiligen) 
stumpfen  Narbe  von  gelber  Farbe.  Mit  den  Kelchzähnen  alternireu  in  glei- 
cher Zahl  die  dreimal  längeren  ovalrundlichen  und  flach  ausgebreiteten 
Lappen  der  weissen,  etwas  ins  gelbliche  spielenden  Blumenkrone,  überragt 
von  den  verhältnissmässig  sehr  ansehnlichen  gelben  Staubbeuteln,  welche 
auf  etwas  derben  Staubfäden  aus  den  Abschnitten  der  Ivorolle  hervortreten. 
Der  schön  gelbe  Pollen,  unter  dem  Mikroskop  dreifurchig  und  dreiporig  er- 
scheinend, bepudert  in  reichem  Masse  die  Blüthen,  welche  beim  Trocknen 
eine  mehr  schmutzig  gelbe  Färbung  annehmen  und  bei  sorgloser  Behand- 
lung leicht  missfarbig  werden. 

Der  widrige  Geruch , welcher  der  ganzen  lebenden  Pflanze,  besonders 
aber  der  Rinde  eigen  ist,  findet  sich  in  den  trockenen  Blüthen  in  ein  eigen- 
thümliclies , nicht  unangenehmes  Aroma  umgeändert.  Der  Geschmack  ist 
unbedeutend  schleimig,  etwas  süsslich,  nachträglich  ein  wenig  kratzend. 

Die  Holunderblüthen  geben  kaum  einige  Zehutelproceute  ätherisches, 
zum  Theil  krystallisirbares  ätherisches  Oel,  das  im  höchsten  Grade  ihren 
Geruch  besitzt  und  gewürzhaft  schmeckt,  aber  an  der  Luft  leicht  veranc  er- 
lich ist.  Bei  der  Destillation  mit  Wasser  geht  auch  flüchtige  baure  (Essig- 

uud  Baldriansäure  wie  es  scheint)  über. 

Die  Alten  gebrauchten  schon  Sambucus  nigra  neben  S.  Ebulus. 

In  Nordamerika  dient  statt  unserer  S.  nigra  die  äusserst  ähnliche 


Flores  Lavandulae. 


551 


S.  canadensis  L. , in  deren  schlafferen  Trugdolden  wenigstens  die  oberen 
Gabeln  durch  verkümmerte  Deckblättchen  gestützt  sind.  Die  Pflanze  bleibt 
immer  strauchig,  ihre  Blüthen  riechen  schwächer,  aber  feiner  und  die  mehr 
röthlicheu  Früchtchen  schmecken  süsser. 


Flores  Lavandulae. 

Laveudelblumen.  Fleurs  de  lavande  commune.  Lavender  flowers. 

Lavärnhila  officiualis  Cliaix  — Labia  tue. 

Syn.:  Lavandula  Spica  ot.  Linne. 

L.  vulgaris  a.  Lamarck. 

L.  vera  De  Candolle. 

L.  angustifolia  Ehrhart. 

Der  halbstrauchige,  über  fusshohe  Lavendel  gehört  dem  westlichen 
Theile  des  Mittelmeergebietes  an,  vom  Atlas  an  durch  Spanien,  Südfrank- 
reich (bis  Lyon) , Oberitalien , Corsica  bis  Calabrien.  Er  kömmt  jedoch  im 
Freien  bis  Norwegen  recht  gut  fort  und  zeichnet  sich  dort  z.  B.  bei  Tlirondh- 
jem  noch  durch  ganz  vorzügliches  Aroma  aus.  Die  vereinzelten  Stand- 
orte Süddeutschlands  und  der  Schweiz,  wo  Lavendel  angegeben  wird, 
mögen  sich  daher  auf  verwilderte  Pflanzen  beziehen.  Da  und  dort  wird  La- 
vendel auch  sehr  im  grossen  gebaut,  wie  z.  B.  zu  Hitchiu,  nördlich  von 
London,  so  wie  zu  Mitcham  in  Surrey,  wo  1864  über  170  Acres  damit  be- 
pflanzt waren,  welche  je  10  — 12,  sogar  bis  24  Pfund  ätherisches  Oel,  im 
ganzen  etwa  2060  Pfd.  lieferten. 

Der  krumme  holzige  Stamm  theilt  sich  in  zahlreiche  gedrungene,  zuletzt 
sehr  schlanke  ruthenförmige  Aeste,  welche  in  der  Jugend  graulich  und  mit 
verzweigten  Sternhaaren  bestreut,  im  Alter  glatt  sind  und  gleich  dem 
Stamme  hell  graubraune  Korkschuppen  abwerfen , wodurch  die  hellbraune 
Innenrinde  zu  Tage  tritt. 

Die  schmal  linealen  ganzrandigen  Blätter,  etwa  0,05™  lang  und  0,004™ 
breit,  sind  besonders  in  der  Jugend  durch  Sternhaare  grau  filzig,  am  Rande 
ein  wenig  umgerollt  und  unterseits  mit  sehr  kurz  gestielten  Oeldrüschen 
versehen,  deren  kugelige  Höhlung  von  einer  gelben  zusammengesetzten 
Membran  umschlossen  ist.  Aus  den  Winkeln  der  mittleren  Blattpaare  ent- 
wickeln sich  blattreiche  kürzere  Triebe.  Die  obersten  Blätter  sind  sehr  weit 
aus  einander  gerückt  und  erst  in  noch  bedeutenderem  Abstande,  bisweilen 
erst  0,20™  über  dem  letzten  Blattpaare,  erscheint  die  lockere,  ungefähr 
0,06™  lange,  am  Grunde  unterbrochene,  fast  kopfige  Blüthenähre,  meist 
aus  6 Scheinquirlen  gebildet.  Jeder  derselben  zählt  durchschnittlich  6 Blü- 
then, welche  am  Grunde  fest  umfasst  werden  von  kurzen  breiten  eckigen 
und  scharf  zugespitzten,  zuletzt  trockenhäutigen  Deckblättchen. 

Der  5 Mill.  lange  walzig-glockige  zehnstreifige  Kelch  trägt  am  Rande  4 
kleine,  in  dem  hier  äusserst  dicht  gehäuften  weissen  Filze  verborgene  Zähn- 


552 


Blüthcn. 


dien  und  einen  grosseren  blauen  rundlichen  Zahn.  Der  ganze  mehr  oder 
weniger  stahlblaue  oder  bräunliche  Kelch  ist  aussen  mit  denselben,  hier 
aber  zum  Theil  bläulich  angelaufenen,  etwas  grösseren  uud  weniger  ästigen 
Sternhaaren  dicht  bekleidet,  welche  auch  am  Stengel  und  auf  den  Blättern 
Vorkommen.  Im  Filze  des  Kelches  stecken  zahlreiche  Oeldrüschen.  Die 
letzteren  fehlen  oder  sind  doch  weit  seltener  auf  der  ebenfalls  stark  filzigen 
Blumenrohre,  welche  um  des  Kelches  Länge  denselben  überragt.  Sie  ist 
von  schön  violettblauer,  trocken  meist  graubräunlicher  Farbe  und  erweitert 
sich  in  zwei  fast  flach  aus  einanderfahrende  gerundete  Lippen  vou  bestän- 
digerer blauer  Farbe.  Die  grössere  Oberlippe  ist  breit  zweilappig  und  be- 
deckt den  rundlichen  Zahn  des  Kelches.  Die  Staubgefässe  treten  nicht  aus 
dem  Schlunde  hervor. 

Die  Lavendelblumen  schmecken  bitter  aromatisch  und  riechen  sehr 
lieblich. 

Frische  in  Deutschland  gezogene  Blumen  geben  bis  1,5  pC.  ätherisches 
Oel,  die  käuflichen  aus  Südfrankreich  (getrocknet)  über  3 pC.  Da  dasselbe 
hauptsächlich  in  den  Drüsen  des  Kelches  enthalten  ist,  so  liefert  die  ganze 
Pflanze  weit  weniger  und  auch  nicht  so  feines  Oel.  Das  feinste,  freilich  in 
geringer  Menge,  liefern  die  Blumen,  das  aus  den  Stengeln  erhaltene  mag 
wohl  zum  Theil  als  Spiköl  in  den  Handel  gelangen. 

Das  Lavendelöl  setzt  in  der  Kälte  bisweilen  Campher  ab  uud  enthält 
einen  bei,  200  — 210°C.  siedenden,  mit  Terpenthinöl  isomeren  Kohlen- 
wasserstoff, welcher  wie  das  rohe  Oel  selbst,  die  Polarisationsebene  des 
Lichtes  nach  links  dreht.  Der  sauerstoffhaltige  Autheil  verhält  sich  wie 
der  des  Rosmarinöles. 

Bei  der  Destillation  des  Lavendelöls  gehen  auch  flüchtige  Fettsäuren, 
namentlich  Essigsäure,  vermuthlicli  auch  Baldriausäure , über.  Werden 
frischem  Oele  diese  Säuren  durch  Alkalien  entzogen , so  erhält  mau  doch 
wieder  ein  saures  Destillat.  Lallemänd  vermuthet  daher,  die  Essigsäure 
z.  B.  möchte  als  Essigäther  (Amylacetat?)  vorhanden  sein. 

Geringer  und  weniger  angenehm  ist  der  Geruch  des  ätherischen  Oeles 
der  Lavandula  Spica  Chaix  (L.  latifolia  Ehrhart),  Nardus  italica  der 
alten  Botaniker,  grande  Lavande  der  Franzosen,  welche  in  denselben  Gegen- 
den einheimisch  ist,  aber  bei  uns  nicht  mehr  im  Freien  gezogen  werden 
kann.  Ihre  drüsenreichen  Kelche  unterscheiden  sich  leicht  durch  den  zu- 
sammenhängenden, aber  spärlicheren,  dichter  augedrückten,  nicht  gefärbten 
Ueberzug  aus  fast  fingerförmigen  Sternhaareu.  Die  Blüthen  ragen  aus  den 
Kelchen  weniger  lang  hervor;  der  Blütheustaud  ist  meist  kürzer  und  ge- 
drängter, bisweilen  dreigabelig.  Das  Oel  dieser  Pflanze,  oleum  Spicae, 
essence  d’aspic,  besteht  aus  einem  bei  175°C.  kochenden,  rechts  rotirenden 
Kohlenwasserstoffe  und  einem  bei  210°  G.  übergehenden  Antheile,  woraus 
sich  bei  Behandlung  mit  Salpetersäure  viel  Campher  absetzt  (vergl.  bei 
Camphora). 

Die  in  ganz  Südeuropa  uud  im  Oriente  wachsende  Lavandula  Stoe- 


Flores  Malvae  arboreae. 


553 


chas  L.  riecht  noch  lieblicher  als  L.  officinalis  und  scheint  allein  dieLavan- 
dula  der  Alten  gewesen  zu  sein  und  ihren  Namen  von  lavare  (waschen) 
vielfacher  kosmetischer  Anwendung  wegen  erhalteu  zu  haben. 

Doch  soll  nach  Dierbach  in  Deutschland  die  heilige  Hildegard 
schon  um  1150  L.  officinalis  und  L.  Spica  unterschieden  haben. 


Flores  Malvae  sylvestris. 

Flores  Malvae  vulgaris.  Malvenblumen.  Pappelblumen.  Waldpappelblumen. 

Fleurs  de  mauve.  Mallow  flowers. 

Die  Blumenkronen  der  Malva  vulgaris  (siehe  bei  Folia  Malvae)  sind 
nur  doppelt  so  lang  wie  die  Kelche,  bei  M.  sylvestris  dagegen  3-  bis  6mal 
so  lang.  Man  sammelt  deshalb  nur  die  ohnehin  stärker  gefärbten  Blüthen 
der  letzteren. 

Ihre  aufrechten  langen,  zu  3 bis  5 blattwinkelständigen  Blüthenstielchen 
tragen  einen  etwa  5 Millim.  hohen  fünfspaltigen  Kelch,  ausserhalb  dessen 
sich  noch  drei  schmal  lanzettliche  Hüllblättchen  finden.  Die  fünf,  über 
0,02'n  langen,  vorn  ausgerandeten  Blumenblätter  sind  am  Grunde  mit  der 
viel  kürzeren  Staubfadenröhre  verwachsen  und  hier  bärtig.  Ihre  sehr  zarte, 
hell  rosenrothe  oder  ins  lilafarbene  spielende  Fläche  ist  von  einigen  dunkel- 
purpurnen Streifen  durchzogen.  Beim  Trocknen  geht  die  Farbe  in  schönes 
gleichförmiges  Blau  über,  das  durch  Säuren  in  Roth,  durch  Alkalien  in 
Grün  umgeändert  wird. 

Der  innere  Kelch  ist  dicht  mit  Sternhaaren  besetzt,  die  Hüllblättchen 
und  Blüthenstiele  mit  langen  abstehenden  Börstchen. 

Die  Blüthen  schmecken  schleimig. 

Flores  Malvae  arboreae. 

Flores  Alceae.  Winterrosen.  Stockrosen.  Pappelroseu.  Fleurs  de  mauve 
arboree  ou  de  rose  tremiere.  Garden  mallow. 

Althaea  rösea  Cavanilles.  — Malvaceae. 

Syn. : Alcea  rosea  L. 

Stattliche,  bis  3"1  hohe  Staude,  welche  auf  Hügeln  und  Bergen  Griechen- 
lands, Syriens  und  der  benachbarten  Länder  einheimisch  ist,  aber  seit 
langem  im  grössten  1 heile  Europas  (bis  Throndhjem  in  Norwegen)  ihrer 
schönen,  in  mancherlei  Farben  und  Formen  abwechselnden  Blumen  wegen 
kultivirt  wird. 

Die  ziemlich  starke  zwei-  oder  mehrjährige  befaserte  Wurzel  treibt  meist 
einfache  und  gerade  jährige  Stengel,  welche  in  eine  sehr  lange  beblätterte 
Blüthentraube  endigen.  Zum  pharmaceutischeu  Gebrauche  dienen  nur  die 
dunkel  schwärzlich-violett,  roth  oder  braun  blühenden  Spielarten  und  zwar 
vorzugsweise  solche  mit  mehr  als  den  normalen  5 Blumenblättern.  Die- 


554 


Bliithen. 


selben  sind  rundlich  dreieckig  oder  fast  herzförmig,  sehr  ansehnlich,  ziem-' 
lieh  flach  ausgebreitet,  aber  trocken  unregelmässig  zu  einer  etwa  0,040'“ 
laugen  blauschwärzlichen  Rolle  zusammengeknittert,  welche  am  Grunde 
auf  der  Innenseite  mit  der  derben  Röhre  der  sehr  zahlreichen  ungefärbten 
Staubfäden  verwachsen  und  hier  mit  langen  zum  Theil  farbigen  Zotten- 
haaren besetzt  ist. 

Der  Kelch  ist  gebildet  aus  einer  inneren  Reihe  von  5 breit  lauzettlichen 
spitzen,  am  Grunde  verwachsenen  Blättern  und  einer  6-  bis  9spaltigeu, 
etwas  kürzeren  äusseren  Hülle  von  schwach  gelblicher  Färbung.  Säinint- 
liclie  Zipfel  sind  durch  sehr  grosse  Sternhaare  auf  der  Aussenseite  filzig. 

In  chemischer  Hinsicht  verhalten  sich  diese  Blumen  wie  die  von  Malva 
sylvestris;  der  wässerige  Auszug  der  erstereu  wird  durch  Eisenchlorid 
dunkel  braunschwarz  gefärbt.  Sie  verrathen  auch  wohl  durch  den  Geschmack 
eine  Spur  Gerbstoff. 


Flores  Tiliae. 

Lindenblüthe.  Fleurs  de  Tilleul. 

1.  Tilia  parvifölia  Ehrhart  — Tiliaceae. 

Syn. : T.  ulmifolia  Scopoli. 

T.  microphylla  Venteuat. 

T.  vulgaris  Hayne. 

T.  europaea  y.  Linne. 

Spätlinde.  Winterlinde.  Steiulinde. 

2.  Tilia  grandifölia  Ehrhart. 

Syn. : T.  platyphyllos  Scopoli. 

T.  paueiflora  Hayne. 

T.  europaea  ß,  8,  e Linne. 

Frühlinde.  Sommerlinde.  Holländische  Linde. 

Die  erstere  Art  ist  durch  den  grössten  Theil  Europas,  von  den  höheren 
Gebirgen  Griechenlands  an  bis  61°  nördl.  Breite  in  Norwegen,  durch  Finn- 
land und  den  westlichen  Theil  Südsibiriens,  doch  nicht  jenseits  des  Irtyscli, 
verbreitet;  vorzugsweise  in  Ebenen,  in  Mitteleuropa  auch  in  niedrigeren 
Gebirgen.  Der  Baum  wird  übrigens  eben  so  häufig  in  Anlagen  gezogen. 

Die  doldenartig-gabelig,  in  den  Winkel  eines  länglichen  netzaderigen 
Deckblattes1)  neben  den  Blattstiel  gestellten  Blüthen  pflegen  sich  in  uuseru 
Gegenden  Anfangs  Juli  zu  öffnen.  Das  steif  papierartige,  oft  ungleichhälftige 
Deckblatt  erreicht  die  Länge  des  Trugdöldchens,  ist  aber  mit  seiner  Mittel- 
rippe der  unteren  Hälfte  des  Blüthenstieles  angewachsen.  Derselbe  trägt 
3 — 15 ? am  gewöhnlichsten  vielleicht  13  gestielte,  weisslich  gelbe  Blüthen 
in  anfangs  ziemlich  ebener,  später  mehr  gewölbter  und  etwas  übergeneigter 
Trugdolde,  welche  im  Centrum  zuerst  aufblüht. 


1)  Daher  der  Name  Tilia,  von  «T&OV,  Flügel,  womit  das  Deckblatt  Achnlichkcit  hat. 


Flores  Tiliae. 


555 


Die  fünf,  auf  der  inneren  Seite  filzigen  eiförmigen  Kelchblättclien  sind 
kürzer  als  die  mit  ihnen  in  gleicher  Zahl  abwechselnden  Blumenblätter. 
Die  mehrreihigen  zahlreichen  Staubfäden  überragen  namentlich  im  trockenen 
Zustande  ein  weuig  die  Blumenblätter. 

Der  oberständige,  vom  Griffel  bespitzte,  meist  5 fächerige  Fruchtknoten 
wächst  zum  kleinen  dünnschaligen  und  zerbrechlichen,  dicht  filzigen  Nüss- 
chen  aus,  welches  zuletzt  durch  Fehlschlagen  regelmässig  nur  einen  Samen 
reift  und  nicht  aufspringt. 

Die  Blüthen  verbreiten  einen  sehr  lieblichen,  aber  nicht  kräftigen  Wohl- 
geruch. den  sie  einer  äusserst  geringen  Menge  ätherischen  Oeles  verdanken. 
Frische  Blüthen,  von  ihren  Deckblättern  befreit,  liefern  höchstens  etwa 
1 pro  Mille  derselben,  oder  gewöhnlich  nur  Bruchtkeile  dieser  Quantität, 
wenn  die  Deckblätter  mit  der  Destillation  unterworfen  werden.  Als  höchste 
Ausbeute  (jähriger)  trockener,  von  den  Deckblättern  nicht  befreiter Blüthe 
erscheint  die  Angabe  von  Walz:  0,26  p.  Mille.  Zeller,  so  wie  Ficinus 
fanden  das  Oel  butterartig,  krystallinisch  erstarrend. 

Beim  Trocknen  büssen  die  Blüthen  ziemlich  von  ihrem  Gerüche  ein; 
sie  schmecken  angenehm  schleimig.  Fast  völlig  geschmacklos  sind  die 
Deckblätter',  die  daher  auch  besser  beim  Sammeln  wegbleiben. 

Wachs  und  Zucker  enthalten  die  Lindenblüthen  in  geringer  Menge. 
Eine  ziemlich  reichliche  Ausschwitzung  der  Blätter  des  Baumes,  welche 
Biot,  auch  Langlois  einmal  beobachteten,  hat  sich  ihnen  als  aus  Rohr- 
zucker, Traubenzucker,  Mannit,  Gummi,  Eiweiss  und  Salzen  bestehend 
erwiesen. 

Ohne  Unterschied  werden  auch  die  Blüthen  der  Tilia  grandifolia 
gesammelt,  welche  mehr  auf  Mitteleuropa  beschränkt  ist,  hier  aber  höher 
in  die  Gebirge  ansteigt,  übrigens  gleichfalls  sehr  häufig  in  Anlagen  ge- 
zogen wird. 

Ihre  ansehnlicheren,  aber  nur  3 oder  4 Blüthen  zählenden,  etwas  dunkler 
gelben  Doldeu  sind  gleich  gestaltet,  wie  bei  der  vorigen  Art,  und  auch  von 
denselben  chemischen  Eigenschaften.  Sie  blühen  in  unsern  Gegenden  schon 
vor  Mitte  Juni  auf,  jedenfalls  durchschnittlich  volle  2 Wochen  vor  der  Spät- 
linde. Die  doppelt  so  grosse  fünf  kantige  Frucht  der  erstereu  ist  holzig,  bei 
weitem  derber. 

Die  schöne  weissfilzige  Tilia  argentea  Desfontaines,  welche  von  Thes- 
salien und  Maccdonien  bis  Ungarn  häufig  wächst,  auch  wohl  bei  uns  da 
und  dort  vereinzelt  gezogen  wird,  liefert  ebenfalls  in  jenen  Ländern  Blüthen 
von  kräftigem  und  feinem  Wohlgeruche.  In  Nordamerika  wird  Tilia  cana- 
densis  Michaux  (T.  glabra  Yentcnat)  gerühmt. 

Die  Blüthen  der  Linden  werden  erst  seit  dem  Mittelalter  medicinisch 
verwendet;  die  Alten  benutzten  nur  die  Blätter  und  den  Bast  des  Baumes 
in  dieser  Weise. 


556 


Blütlien. 


Caryophylli. 

Caryophylli  aromatici.  Caryophyllum.  Alabastri  s.  flores  Caryophylli. 

Gewürznelken.  Girofles.  Gloves. 

Caryophyllus  aromaticus  L.  — Myrtaceae. 

Syn.:  Eugenia  caryophyllata  Thunberg. 

Der  Archipel  der  Gewürzinseln  oder  Molukken,  vorzüglich  Amboina, 
vielleicht  auch  noch  Gilolo  (Halmahera)  und  Neu -Guinea  scheint  die  aus- 
schliessliche Heimat  des  Gewürznelkenbaumes  gewesen  zu  sein.  Er  ist  jetzt 
durch  Cultur  auf  den  Mascareiias,  Peuang,  Sumatra  (Bengkulen  seit  1 7 9S), 
Jamaica,  in  Cayenne  (seit  1771),  Trinidad,  Brasilien,  Ostafrika  (Zanzibar 
seit  1830)  und  andern  Tropenländern  verbreitet.  Auf  Amboina,  wo  450,000 
Bäume  1856  über  600,000  Pfd.  Nelken,  im  folgenden  Jahre  aber  nur  noch 

160.000  Pfd.  lieferten,  ist  die  Cultur  im  Verfall,  ebenso  auf  Reunion 
(Bourbon),  dessen  Ernte  von  fast  l’/a  Mill.  Pfd.  im  Jahre  1849  auf  42,000 
Pfd.  im  Jahre  1858  gesunken  ist.  Dagegen  führte  1858  Jamaica  etwa 

17.000  Ctr.  in  England  ein,  das  Hauptproduktionsland,  mit  60,000  Ctr. 
jährlich,  ist  aber  jetzt  Zanzibar.  Englands  Gesammteinfuhr  belief  sich  1860 
auf  fast  1 Million  Pfund;  diejenige  Hamburgs  1864  auf  427,000  Pfund. 
Der  Werth  der  jährlichen  Produktion  aller  Länder  darf  auf  etwa  l1/*  Milliou 
Francs  geschätzt  werden. 

Der  30  — 40  Fuss  hohe  Baum  ist  vom  10— I2teu  Jahre  bis  zum 
24teu , oder  nach  andern  gar  bis  zum  50ten  — 60teu  am  ertragsfähigsten, 
kann  aber  ein  noch  höheres  Alter  erreichen. 

Die  zahlreichen  schönen  Blüthen,  einzeln  zu  kleinen  endständigen,  drei- 
mal Stheiligen  Trugdolden  vereinigt,  bestehen  aus  einem  prächtig  rotlien, 
gerundet  4-kantigen,  0,0 10m— 0,015m  langen  unterständigen  Fruchtknoten 
mit  4 kurzen  fleischigen  aus  einander  fahrenden  Kelchlappen,  aus  welchen 
sich  die  4 reiuweissen  mit  den  Lappen  abwechselnden  Blumenblätter  kugel- 
förmig zusammengeneigt1)  und  die  Geschlechtsorgane  einschliessend  er- 
heben. 

Man  sammelt  die  Blüthen  als  Knospen,  daher  die  beim  Aufblühen  deckel- 
artig verbunden  abfallenden  Blumenblätter  an  der  Handelswaare  noch  er- 
halten sind. 

Die  Farbe  der  frischen  Knospen  geht  beim  Trocknen  schon  nach  wenigen 
Stunden  in  „nelkenbraun“  über.  Die  noch  von  Rumphius  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  XVII.  Jahrhunderts  herrührende  Angabe,  dass  auf  Amboina  die 
Nelken  geräuchert  und  gebrüht  würden,  ist  wenig  wahrscheinlich.  Ein 
Baum  liefert  durchschnittlich  je  6 — 7 Pfund,  bisweilen  wohl  das  doppelte. 

1)  Diese  Form  der  Blumenblätter  wird  mit  einem  Nüsschcn  (x&puov)  verglichen  uud  daher 
der  griechische  Name  abgeleitet.  Wahrscheinlicher  aber  dürfte  Caryophyllum  nur  der  gräci- 
sirte  arabische  oder  persische  Ausdruck  Karunfal  (Nelken)  sein,  oder  nach  Lassen  vielleicht 
vom  indischen  Worte  Karukaphulla,  Granatblüthe,  abstamuien. 


Caryophylli. 


557 


In  dem  Stadium,  wo  die  Nelken  Übungsgemäss  in  den  Handel  gelangen, 
scheinen  sie  die  grösste  Menge  ätherischen  Oeles  zu  enthalten,  in  noch  jün- 
gerem Zustande  riechen  sie  feiner  und  milder,  nach  dem  Aufblühen  nimmt 
aber  das  Aroma  an  Quantität  und  Qualität  ab,  und  die  Frucht  ist  sehr 
wenig  kräftig. 

Die  etwas  helleren,  gegen  den  Rand  faot  farblosen,  einander  fest  um- 
schliessenden  Blumenblätter  sind  an  der  Droge  dick  häutig  runzelig,  durch 
kleine  Gefässhündelchen  geadert  und  besonders  wegen  der  sehr  zahlreichen 
Oelzellen  durchscheinend.  Der  zugespitzte  Griffel  erhebt  sich  aus  der  kreis- 
runden Vertiefung  einer  quadratischen , am  Rande  wallartig  erhöhten 
(epigynischeu)  Scheibe,  deren  Winkel  den  Kelchlappen  zugewendet  sind. 
Au  den  Seiten  der  Scheibe  und  zwar  am  äussern  Fusse  des  Walles  ent- 
springen die  4 Blumenblätter,  an  deren  Grunde  die  zahlreichen  Staubfäden 
eingefügt  sind.  Sie  schmiegen  sich  in  der  Knospe  genau  der  Kugelwölbuug 
der  Blumenblätter  an. 

Der  sehr  lange  Fruchtknoten  ist  ganz  mit  der  Kelchröhre  verwachsen 
und  enthält  nur  zu  oberst  dicht  unter  dem  Griffel  zwei  vieleiige  Fächer, 
deren  Scheidewand  in  die  kürzere  Diagonale  des  spitz  rhombischen  Quer- 
schnittes des  Fruchtknotens  fällt.  Der  tiefere  Theil  desselben  (Unterkelch, 
Hypanthium)  ist  nicht  hohl  und  wie  die  Kelchlappen  von  spröder  Con- 
sistenz  und  sehr  runzeliger,  nicht  eben  glänzender  Oberfläche. 

Der  Querschnitt  einer  Gewürznelke  unterhalb  der  Fruchtknotenfächer 
bildet  eine  Raute,  deren  Seiten  jedoch  in  unregelmässiger  Wellenlinie  mit 
abgerundeten  Winkeln  verlaufen  und  fast  eine  Ellipse  beschreiben.  Das 
äussere  schwammige  Zellgewebe  schliesst  eine  viel  dichtere,  dunkler  braune 
und  schärfer  ausgeprägte,  stark  ölglänzende  Raute  ein,  deren  helleres, 
äusserst  liickiges  Füllgewebe  von  einem  dunklen  centralen  Gefässbündel 
durchzogen  ist.  Der  geringste  Druck  genügt,  um  Oeltropfen  aus  dem  Gewebe 
auszupressen. 

Bei  stärkerer  Vergrösserung  erscheint  die  äussere  schwammige  Schicht 
als  dünnwandiges,  ziemlich  kleinzelliges  Gewebe,  dessen  peripherische 
Reihe  fast  kubische  Zellen  enthält,  die  von  der  knorpeligen,  15  Mikromill. 
dicken,  wellenförmig  verlaufenden  Oberhaut  bedeckt  sind.  Mehr  nach  innen 
folgen  radial  gestreckte  Zellen,  welche  allmälig  in  sehr  schlaffes  Gewebe 
mit  eiförmigen,  etwas  dickwandigen  Zellen  übergehen.  Dieses  ganze  Rinden- 
gewebe enthält,  auch  noch  iu  den  Kelchlappen,  im  Griffel  und  in  der  epi- 
gynischen  Scheibe,  sehr  zahlreiche  eiförmige,  bis  300  Mikromill.  messende 
Oelzellen.  Sie  sind  ziemlich  horizontal  gelagert  und  iu  2-  bis  3facher  Reihe 
dicht  unter  der  Oberhaut  sehr  enge  zusamraeugedrängt,  so  dass  ein  dünner 
Querschnitt  leicht  gegen  200  dieser  grossen  Oelräume  aufweist.  Mehrere 
Reihen  sehr  zusammengefallener  kleiner  und  flach  tafelförmiger  Zellen  bilden 
die  Einfassung  derselben. 

Jener  dichten  dunklen  rautenförmigen  Zone,  welche  schon  dem  unbe- 
waffneten Auge  wahrnehmbar  ist,  entspricht  eine  Reihe  von  ungefähr  30 


558 


Blütlien. 


Gefässbündeln,  welche  durch  schlaffes  dickwandiges  Parenchym  von  ein- 
ander und  von  den  Oelräumen  getrennt  werden.  Ihre  Stärke  ist  durch- 
schnittlich geringer  als  die  Weite  der  Oelräurae.  Jedes  Gefässbündel 
(Fibrovasalstrang)  enthält  in  einem  sehr  kleinzelligen  prosenchymatischen 
Gewebe  eine  einzelne  oder  mehrere  kleine  Gruppen  zarter  abrollbarer, 
höchstens  10  Mikromill.  dicker  Spiralgefässe.  In  der  Peripherie  eines  jeden 
solchen  Gefässstranges  stehen  entweder  vollkommen  unregelmässig  zerstreut 
oder  zu  einem  dichten  Kreise  vereinigt,  6 — 20  fast  ganz  verholzte 
Baströhren  von  etwa  500—800  Mikromill.  Länge  und  höchstens  50  Mikr. 
Dicke.  Sie  sind  von  senkrechtem  Bastparenchym  begleitet,  dessen  kubische 
Zellen  je  eine  Krystallrosette  von  Kalkoxalat  einschliessen. 

Die  Gefässbündel  sind  au  Grösse  verschieden,  stehen  in  ziemlich  un- 
gleichen Entfernungen  voneinander  und  sind  in  der  Nähe  der  beiden  spitzen 
Winkel  des  Querschnittes  mehr  gehäuft.  Die  einzelnen  Gewebe  erscheinen 
in  manchen  Bündeln  strahlig  geordnet. 

Das  schlaffe  Parenchym,  das  die  Gefässbündel  umgibt,  wird  nach  innen 
zu  immer  dickwandiger  und  lockerer,  so  dass  zuletzt  sehr  grosse  Luftlücken 
darin  auftreten,  welche  ganz  unregelmässig  von  wurmförmigen  Zelleureihen 
durchzogen  und  begrenzt  sind.  Die  Axe  der  Nelke  endlich  wird  von  einem 
grossen  centralen  Gefässbündel  eingenommen,  das  in  seinem  Bau  nur  da- 
durch von  den  schon  beschriebenen  Gefässträngen  abweicht,  dass  ihm  die 
verdickten  Baströhren  fehlen,  obwohl  das  krystallführende  Bastparenchym 
im  centralen,  Gefässbündel  sehr  stark  entwickelt  ist. 

In  den  Gefässbündeln  bemerkt  man  gelbbraunes  Harz;  das  ätherische 
Oel  verbreitet  sich  aus  seinem  ursprünglichen  Sitze,  den  grossen  Oelräumen, 
in  Tropfen  durch  das  ganze  Gewebe.  Als  hauptsächlich  und  in  grosser 
Menge  Gerbstoff  enthaltend,  erweisen  sich  durch  Befeuchten  mitEisenlösuug 
die  Gefässbündel  und  die  Wandungen  der  Oelräume.  Stärke  fehlt  ganz. 

Die  Gewürznelken  schmecken  feurig  aromatisch  und  zwar  weit  stärker 
als  die  übrigen  Organe  des  Baumes,  welche  alle  auch  mehr  oder  weniger 
ölhaltig  sind. 

Die  derbe  lederige  Oberhaut  der  Nelken  erschwert  den  Austritt  des 
ätherischen  Oeles,  so  dass  die  verschiedenen  Angaben  über  die  Ausbeute 
zum  Theil  durch  ungenügendes  Zerkleinern  und  unvollständige  Destillation 
erklärlich  sind.  Eben  so  ist  ohne  Zweifel  auch  die  Güte  der  W aare  je 
nach  der  Herkunft  veränderlich  und  es  kann  ihr  wohl  gar  schon  ein  Theil 
des  Oeles  in  betrügerischer  Weise  entzogen  worden  sein.  Als  höchster  Ge- 
halt au  ätherischem  Oele  können  volle  25  pC.  angenommen  werden,  als  eiu 
oft  vorkommendes  Verhältuiss  16 — 18  pC.  Wenigen  Pflanzenorganen  diirtte 
ein  grösserer  Reichthum  au  ätherischem  Oele  eigen  sein. 

Das  Nelkenöl  ist  ein  schwankendes  Gemenge  von  indifferentem,  nach 
Terpenthinöl  riechendem  und  damit  isomerem  Kohlenwasserstoff  und  einem 
Oele  E,ÜH12-Ö-2  von  sauren  Eigenschaften,  daher  Nelkensäure  genannt. 
Specifisches  Gewicht  (0,901)  und  der  Siedepunkt  (251  C)  des  ersteren 


Caryopbylli. 


559 


liegen  auffallend  höher  als  bei  Terpenthinöl.  Die  Nelkensäure,  von  1,068 
specif.  Gewicht,  besitzt  den  Geschmack  und  Geruch  der  Nelken,  und  siedet 
bei  251 — 253°  C.  Mit  Alkalien,  besonders  mit  Baryt,  liefert  sie  krystalli- 
sirbare,  sehr  beständige  Salze.  Die  Nelkensäure  findet  sich  nach  Sten- 
liouse  auch  im  Oele  der  Blätter  von  Cinnamomum  zeylanicum  (siehe  Goi- 
tex  C.  zeylanici),  nach  Gladstone  in  Fructus  Lauri  (vgl.  diese)  und  nach 
Oeser  auch  im  Piment  (s.  uuten).  Cortex  Canellae  albae  und  die  sogenannte 
Cassia  caryophyllata  (von  Persea  caryopliyllata  Martius,  Laurineae)  ent- 
halten gleichfalls  Nelkensäure.  Ein  Theil  der  bei  der  Destillation  im  W asser 
gelösten  Nelkensäure  scheidet  sich  nach  einiger  Zeit  daraus  in  Ivrystall- 
blättchen  des  indifferenten,  aber  der  Säure  gleich  zusammengesetzten 
Eugenins  ab.  — Geruch-  und  geschmacklose  Nadeln  von  Caryophyllin 
£1OH16  0,  isomer  mit  dem  gewöhnlichen  Campher,  erhält  man  in  geringer 
Menge  durch  siedendeu  Weingeist  oder  Aether  aus  den  Nelken. 

Die  Carmufellinsäure,1)  welche  Muspratt  u.  Danson  nach  Di- 
gestion eiues  wässerigen  Nelkenauszuges  mit  Salpetersäure  erhielten,  ist 
ohne  Zweifel  ein  Produkt  dieser  Behandlung. 

Gummi  enthalten  die  Nelken  in  reichlicher  Menge.  Früher  fanden  sie, 
wie  es  scheint,  ihres  hohen  Gerbstoffgehaltes  (17  pC.  Trommsdorff) 
wegen  in  der  Färberei  Verwendung.  Die  Benutzung  wohlfeilerer  Stoffe  zu 
diesem  Zwecke  hat  sehr  zur  Verminderung  der  Nachfrage  für  Nelken  bei 
getragen. 

Die  verschiedenen  im  Handel  vorkommenden  Sorten  bieten  nicht  sehr 
erhebliche  Eigenthiimlickeiten  dar.  Die  Nelken  von  Amboiua  entsprechen 
der  obigen  Beschreibung  und  sind  am  schönsten,  diejenigen  von  Bourbon 
etwas  schlanker,  mit  Stielen  und  Blattresten  verunreinigt,  die  Zanzibar- 
Sorte  ebenso  und  zugleich  bedeutend  dunkler  und  dünner.  Letztere  kömmt 
jetzt  hauptsächlich  auf  den  Markt. 

Die  Nelken  wachsen  zu  einer  einfächerigen  einsamigen  trockenen  Beere 
aus,  welche  noch  vom  Kelche  gekrönt  ist,  aber  durch  die  dick  cylindrische 
oder  bauchig-keulenförmige  Gestalt  sehr  von  der  Knospe  abweicht.  Vor  der 
völligen  Reife  gesammelt,  waren  diese  Früchte  früher  unter  dem  Namen 
Aiithophylli , Mutternelken,  gebräuchlich.  Sie  sind  oben  etwa  0,008"' 
dick,  nach  unten  in  den  kurzen  Stiel  auslaufend,  bis  0,025m  lang,  von  mehr 
graulicher  als  nelkenbrauner  Farbe.  Das  kaum  y4  Millim.  dicke  Frucht- 
gehäuse schliesst  zwei  dicke,  aussen  schwärzliche,  in  ihrer  Mitte  das  starke 
Wiirzelcheu  bergende  Samenlappen,  ohne  Eiweiss,  ein. 

Das  Fruchtgehäuse  besteht  aus  dickwandigem,  tangential  gestrecktem 
Parenchym,  bedeckt  von  derselben  Oberhaut  wie  die  Nelken.  Die  Antlio- 
phylli  enthalten  in  der  äusseren  Schicht  des  Fruchtgehäuses  gleichfalls 
viele  Oelräume , die  aber  doch  meist  kleiner,  bei  weitem  weniger  zahlreich 
und  ärmer  an  Oel  sind  als  in  den  eigentlichen  Nelken.  Die  innere  Schicht 


0 Karanful,  Kermful,  arabischer  Name  der  Gewürznelken. 


560 


Bliithen. 


des  Fruchtgehäuses  wird  von  Gefässträngcn  durchzogen.  Die  Kotyledonen 
riechen  mehr  nach  Kamillen  als  nelkenähnlich  und  strotzen  von  sehr  grossen 
(bis  o()  Mikrornill.)  eiförmigen  Stärkekörnern  in  dickwandigem  porösem 
Parenchym , das  an  der  tiet  braun  gefärbten  Peripherie  von  einigen  Oel- 
räumen  unterbrochen  ist.  Durch  das  ganze  Gewebe  der  Anthophylli  sind 
zahlreiche  Krystalldrusen  von  Kalkoxalat  zerstreut. 

Unter  dem  Namen  Festucae  s.  Stipites  Caryophyllorum,  Fusti ,‘) 
Nelken  holz  oder  Nelkenstiele,  finden  sich  noch  jetzt  die  Blüthenstiele 
der  Nelken  im  Handel.  Sie  sind  dreimal  dreigabelig,  gehen  in  abwechselnder 
Stellung  untersehrspitzem  Winkel  von  der  gemeinschaftlichen,  etwa  0,004'“ 
dicken,  kurz  abgeschnittenen  und  sanft  quadratisch  4 kantigen  Spindel  ab 
und  bilden  zusammen  einen  dichten,  gegen  0,040m  langen  Büschel. 

Der  Querschnitt  eines  Stieles  zeigt  ein  ansehnliches  weitmaschiges 
Mark,  umgeben  von  einem  strahligen  dichten  Holzkreise,  welcher  von  einer 
lockeren,  ungefähr  gleich  breiten  primären  Rinde  eingeschlossen  ist.  Die- 
selbe ist  von  dem  Oberhäutchen  bedeckt  und  enthält  eine  Menge  grosser 
zierlicher  Steinzellen,  neben  wenig  zahlreichen  Oelräumen,  deren  ein  feiner 
Querschnitt  etwa  20  aufweist.  Der  Holzkreis  ist  gegen  die  Mittelrinde  und 
gegen  das  Mark  von  Baströhren  gesäumt,  welche  ebenso  gebaut  sind,  wie 
die  der  Anthophylli  und  der  Nelken  selbst  und  gleichfalls  von  krystall- 
führendem  Parenchym  begleitet  werden.  Das  Holz  besteht  ans  Spiralgefässen 
und  zartem  Prosenchym.  Im  Marke  treten  noch  vereinzelte  Steinzellen  auf. 

Die  Nelkenstiele  schmecken  weit  kräftiger  aromatisch  als  die  Antho- 
phylli und  enthalten  noch  4 bis  5 pC.  Nelkenöl. 

Die  wohlfeilen  Nelkeustiele  werden  sehr  gewöhnlich  den  Nelken  bei- 
gegeben, welche  in  gepulverter  Form  in  den  Handel  gelangen.2)  Die  Stern- 
zellen der  erstereu,  welche  in  den  Nelken  selbst  fehlen,  lassen  eine  solche 
Verschlechterung  der  Waare  mikroskopisch,  besonders  nach  Behandlung 
mit  Kali  unter  Glycerin,  erkennen. 

Den  alten  Griechen  scheinen  die  Gewürznelken  nicht  bekannt  gewesen 
zu  sein,  und  Garyophyllon  des  Plinius  ist  wohl  kaum  mit  der  Sicherheit 
auf  die  Nelken  zu  beziehen,  wie  Peschei'4)  annimmt.'4)  Unzweideutig  aber 
werden  sie  von  den  griechischen  Aerzten  des  VI.  und  VII.  Jahrhunderts, 
z.  B.  von  Aetius,  Alexander  Trallianus  und  Paulus  Aegiueta 
erwähnt  und  später  von  den  arabischen  Aerzten  sehr  viel  gebraucht,  so 
dass  sie  im  Mittelalter 5)  in  Europa  wohl  gekannt  und  hoch  geschätzt  waren. 

D Fusto,  italienisch,  = Stiel.  — Französisch:  griffes  de  girofles. 

2)  Eine  Substitution,  welche  z.  B.  der  Rath  von  Bern  schon  1518  verbot. 

3)  Geschichte  der  Erdkunde.  München  1865.  15. 

4)  auch  die  Angabe  von  Merat  u.  de  Lens  (Dictionn.  do  mat.  med.  II.  119),  dass 
Caillaud  ciuo  ägyptische  Mumie  mit  einem  Halsbande  aus  Nelken  versehen  gefunden 
habe,  steht  vereinzelt  da. 

5)  Das  bei  Semen  Hyoscyami  erwähnte  Arzneibuch  aus  dem  XII.  Jahrhundert  schreibt  sic 
unter  anderem  vor  „contra  ficum“,  auch  die  heilige  Hildegard  um  1150  erwähnt  gariofcl, 
andere  um  dieselbe  Zeit  carioffcr.  Nicolo  Conti  (vgl.  bei  Piper  nigrum)  gariofali. 


Caryophylli. 


561 


Erst  Marco  Polo  erwähnte  1272  den  Gewürzmelkenbaum1)  in  einem  Lande 
Caindu,  das  wir  vermuthlich  in  Hinterindien,  im  Stromgebiete  des  Irawaddi, 
zu  suchen  haben.  Allerdings  ein  auffallendes,  doch  nicht  unmögliches  Vor- 
kommen! Ritter  beanstandete  Polo’s  Angabe,  dass  dieNeUcenblüthe  weiss 
gej  — aber  mit  Unrecht.  Gerade  der  Zusatz,2)  dass  sie  sich  beim  Reifen 
dunkel  färbe,  spricht  sehr  für  Caryophyllus  aromaticus,  dessen  Blumen- 
blätter freilich  weiss  sind  und  nicht  roth,  wie  Ritter  meinte.  Beim  Abfallen 
derselben  bleibt  der  dunkelrothe  Fruchtknoten  ja  allein  übrig,  so  dass  auch 
hier  des  wackeren  Venetianers  Beobachtung  ganz  richtig  erscheint. 

Nachdem  die  Portugiesen  sich  seit  1524  auf  den  Molukken  festgesetzt, 
gelangten  die  Nelken  reichlicher  nach  Europa.  — Clusius  erhielt  1600 
in  Amsterdam  ziemlich  frische  Zweige  des  Nelkenbaumes.  Die  Holländer, 
welche  1599  die  Molukken  in  ausschliesslichen  Besitz  nahmen,  monopoli- 
sirten  die  Cultur  und  den  Handel  dieses  Gewürzes  mit  allen  Härten  ihrer 
(bei  Cortex  Cinnamomi  und  Semen  Myristicae  erwähnten)  Handelspolitik. 
Poivre,  dem  französischen  Intendanten  von  Bourbon  und  Ile  de  France, 
gelang  es  aber  1769  — 1771  dennoch,  sowohl  den  Nelkenbaum  als  auch 
dieMyristica  dorthin  zu  verpflanzen  und  dadurch  den  Grund  zu  der  jetzigen 
ausgedehnteren  Cultur  der  Gewürznelken  zu  legen. 

Eine  sehr  bedeutende  Rolle  im  Gewürzhandel  spielt  der  Nelken- 
pfeffer,  auch  Piment,  Neugewürz,  Nelkenköpfe,  Jbructus  Amoini 
s.  Pimentae , in  England  Jamaica- pepper  oder  Allspice  genannt.  Es  sind 
die  Früchte  der  in  Westindien,  vorzüglich  auf  Jamaica  und  in  Mexico 
(Tabasco)  einheimischen,  daselbst  so  wie  in  Südamerika  und  Ostindien 
auch  cultivirten  Myrtacee  Pimenta  of/icinalis  Berg  (Syn. : Myrtus  Pimenta 
L.,  Eugenia  Pimenta  DeC.)  und  ihrer  Varietäten.  Die  kugelige,  bis  0,007m 
messende  ungestielte,  von  dem  Griffel  und  Kelchrande  gekrönte  Frucht  ist 
mit  einer  körnig  rauhen  graubräunlichen  Schale  versehen,  die  nur  etwa  Vs 
Millimeter  dick  und  leicht  zerbrechlich  ist.  Sie  schliesst  meist  in  zwei 
Fächern  zwei  eiweisslose  dunkelbraune  Samen  ein.  Dicht  unter  der  dünnen 
Oberhaut  und  zum  Theil  warzenförmig  mit  derselben  hervortretend,  nimmt 
eine  Reihe  dicht  gedrängter,  dunkelbraun  gesäumter  Oelräume  die  äusserste 
Schicht  des  Fruchtgehäuses  ein.  Sie  sind  gleich  gebaut  wie  in  den  Nelken, 
doch  mehr  kugelig  und  durchschnittlich  nur  150  — 180  Mikromill.  weit. 
Im  übrigen  schlaffen , mit  Krystallrosetten  besäeten  Parenchym  herrschen 
grosse  harzreiche  Steinzellen  vor,  da  und  dort  von  einem  Gefässbiindel 


0 „Prosperano  quivi  i garofani , cho  nascono  da  un  alboretto  il  quäle  ha  le  foglie  come 
,1  alloro,  un  poco  piu  lunghe  e piu  strctte;  il  fiore  e bianco,  piccolo  come  un  garofano.“ 
Italienische  Ausgabe  von  Pasini. 

2)  Derselbe  findet  sich  in  Bürck  s Ausgabe  der  Reisen  von  Marco  Polo,  nicht  in  der- 
jenigen von  P as ini , Venedig  1847.  — Marco  Polo  ist  daher  der  erste,  der  uns  mit 
der  NeLkonmyrtc  bekannt  machte,  nicht  erst  Bartoma  (1506),  wie  Pesch cl  1.  c.  315 
anuiinrnt.  Ernst  Meyer  fragt,  ob  M.  Polo  nicht  vielleicht  blos  Syzygium  caryophylli- 
folium  DeC.  gesehen  liabo? 

Flückiger,  Pharmakognosie. 


3G 


562 


Blüthcn. 


durchsetzt.  Die  Oberhaut,  die  innere  Fruchthaut  und  das  Gewebe  der  Oel- 
räume  sind  sehr  reich  an  Gerbstoff. 

Der  Piment,  besonders  das  Fruchtgehäuse,  riecht  und  schmeckt  nelken- 
ähnlich, doch  schwächer.  Auch  die  Peripherie  des  stärkereichen  Samens 
ist  mit  etwas  kleineren  Oelräumen  besetzt.  Derselbe  schmeckt  mehr  herbe 
als  aromatisch. 

Das  ätherische  Oel,  wovon  der  Piment  bis  10  pC.,  meist  aber  nur  un- 
gefähr 3 pC.  gibt,  ist  nach  Oeser  mit  dem  Nelkenöl  übereinstimmend  zu- 
sammengesetzt. 

Der  Piment  wurde  zuerst  1G05  von  Clusius  unter  dem  Namen  Arno- 
mum  erwähnt.  Jamaica  führte  davon  1799  etwa  2V2  Millionen,  1857  gegen 
83A  Mill.  Pfund  aus.  1862  gingen  nach  England  allein  über  3 Mill.  Pfund. 
Der  Gesammtwerth  der  jährlichen  Pimentproduktion  steht  wenig  unter  dem 
der  Nelken. 

Noch  andere  nahe  verwandte  Myrtaceen  Central-  und  Süd- Amerikas 
liefern  übrigens  gleichfalls  ähnliche  Früchte. 

Flores  Kosso. 

Flores  Brayerae  s.  Kusso.  Kosso.  Qwuso.  Cousso.  Kosso. 

Hagenia  ahyssinica  Willclenow.  — Rosaceae-Dryadeae . 

Syn. : Banksia  abyssinica  Bruce. 

Brayera  anthelminthica  Kunth. 

Der  hübsche,  bis  20m  hohe  Kossobaum,  auch  Kussala  genannt,  gehört 
der  abyssinischen  Bergregion  von  3000  bis  gegen  4000'“  über  Meer  au, 
besonders  im  oberen  Flussgebiete  des  Takazze  den  Hochebenen  und  zer- 
rissenen Alpenlandschaften  von  Lasta  und  Samän.  Er  würde  sich  daher 
wohl  auch  in  Südeuropa  ziehen  lassen. 

Der  Baum  ist  ausgezeichnet  durch  die  grossen  achselständigen  Bliithen- 
rispen,  welche  in  Folge  unvollständiger  Ausbildung  des  Stempels  oder  der 
Staubgefässe  eingeschlechtige  Blüthen  enthalten.  Der  jjanze  weibliche 
Bliithenstand,  einfach  getrocknet,  oder  höchstens  einzeln  in  Zöpfe  oder  Rol- 
len zusammeugedreht,  bildet  das  officiuelle  Kosso,  das  im  December  und 
Januar  vor  der  Fruchtreife  gesammelt  wird. 

Die  weiblichen  Blüthen  stehen  weit  zahlreicher  auf  abwechselnden  ge- 
knickt auseinander  fahrenden  und  oft  etwas  gebogenen  Aestchen  zu  einer 
sehr  stattlichen  breiten  und  bis  über  0,20'"  hohen  Trugrispe  vereinigt.  Die 
starke  gemeinschaftliche , ebenfalls  hin  und  her  gebogene  Spindel  sammt 
allen  Verästelungen  ist  durch  lauge,  etwas  starre  dickwandige  bräunliche 
Haare  von  ganz  einfachem  Bau  zottig.  Die  Rispe  ist  überdies  mit  ansehn- 
lichen gelben  Dräschen  bestreut,  welche  von  einem  kurzen  mehrzelligen 
Stielchen  getragen  werden. 

Die  grossen  Fiederblätter  der  Zweige  gehen  in  der  Nähe  des  Blütheu- 
standes  iu  einfache  spitz  eiförmige  und  ganzrandige  Deckblättchen  über, 


Flores  Kosso. 


563 


welche  jede  Theilung  der  Spindel  unterstützen.  Am  Grunde  jeder  Blüthe 
sitzen  überdies  noch  zwei  kleinere  netzig-häutige  Deckblüttchen.  Aus  dem 
äusseren  Rande  des  krugförmigen  Fruchtbehälters  (Unterkelches)  gehen 
zwei  Reihen  von  je  vier  oder  fünf  Kelchblättchen  hervor,  welche  einen  gleich- 
zähligen  Kreis  kleinerer  weisslicher  Blumenblätter  einschüessen.  Auch  durch 
die  grün  röthliche  Färbung  ist  der  Kelch  mehr  ausgezeichnet,  besonders 
aber  in  der  weiblichen  Blüthe  dadurch,  dass  die  äusseren  Kelchblätter  nach 
der  Blüthezeit  auswachsen,  bei  einer  Länge  von  etwa  0,0  lm  die  ganze  Blüthe 
um  das  dreifache  überragen  und  eine  dunklere  Purpurfarbe  annehmen, 
welche  in  der  Droge  allerdings  sehr  blass  erscheint.  Die  inneren  Kelch- 
blätter neigen  sich  zuletzt  zusammen,  werden  aber  nichf  grösser.  Im 
Kelche  der  männlichen  Blüthe  verändern  sich  aber  auch  die  kleineren 
Blätter  der  äusseren  Reihe  nicht  und  die  Rispe  bleibt  lockerer,  so  dass 
die  entwickelten  weiblichen  Bltithenstände  als  rothes  Kosso  leicht  zu  unter- 
scheiden sind. 

Der  verengerte  Schlund  des  zottigen  Fruchtbehälters  trägt  10  bis  25 
kurze  Staubgefässe;  in  der  weiblichen  Blüthe,  wo  ihre  Zahl  durchschnittlich 
auch  kleiner  bleibt,  verkümmern  die  Autheren.  Der  Stempel,  aus  zwei 
Fruchtblättern  gebildet,  entsendet  aus  dem  Grunde  des  Fruchtbebälters  oder 
Fruchtbodens  zwei  behaarte  Griffel  mit  gelappter  dicker  Narbe  fast  zur 
Höhe  der  Staubgefässe.  Der  männlichen  Blüthe  fehlen  die  Narben. 

Das  kleine  Früchtchen,  gewöhnlich  durch  Fehlschlagen  einzeln,  bleibt 
vom  Fruchtbehälter  eingeschlossen,  der  letztere  von  den  schon  erwähnten 
eiförmigen  aderigen  Kelchblättern  der  äusseren  Reihe  gekrönt. 

Die  Frucht  ist  ein  umgekehrt  eiförmiges  und  einsamiges,  durch  den  Rest 
des  Griffels  bespitztes  Niisschen. 

Unentwickelte  weibliche  Blüthenstände , so  wie  die  männlichen,  sind 
wenig  wirksam,  letztere  zudem  wie  es  scheint  Brechen  erregend.  Das 
„rothe“  Kosso  wird  daher  vorgezogen.  Es  schmeckt  zuerst  schleimig, 
daun  ekelhaft  kratzend , anhaltend  bitter  und  adstriugirend.  Der  schwache 
Geruch  erinnert  an  Holuuderblüthe. 

Wittstein  hat  1840  im  Kosso  neben  allgemeiner  verbreiteten  Stoffen 
(Wachs  2 pC.,  Zucker  1,  Gummi  7,  Asche  15,7,  Gerbstoff  24  pC.)  ein  ge- 
schmackloses und  6,25  pC.  eines  kratzenden  bitteren  Harzes  gefunden, 
welches  Saint-Martin  krystallisirt  erhielt  und  Kosein  nannte. 

Willing  (1855)  stellte  aus  den  Blüthen  eine  geringe  Menge  sauren 
ätherischen  Oeles  und  4,5  pC.  Harz  dar.  Ersteres  besitzt  in  hohem  Grade 
den  Geruch  des  Kosso,  soll  aber  die  Augen  sehr  stark  reizen. 

Die  nach  Harms  6 pC.  betragende  Asche  besteht  hauptsächlich  aus 
alkalischen  Carbonaten  und  Phosphaten.  Derselbe  bemerkte  auch , dass 
einem  Theile  des  Harzes  saure  Eigenschaften  zukommen.  In  die  Tinctur 
geht  eine  Kalkverbindung  desselben  über,  die  beim  Stehen  kohlensaureu 
Kalk  abscheidet.  Zum  Ausziehen  des  sauren  Harzes,  Koussin  oder  Tae- 
niin,  lässt  sich  daher  nach  Pavesi  Kalkhydrat  benutzen. 


36* 


564 


Blüthen. 


Martius  fand  im  ganzen  7,5  pC.  Harz;  Bedall  wies  ferner  (18G2) 
in  den  Blüthen  uud  den  Stielen  Oxalsäure,  Essigsäure,  Valeriansäure x)  und 
Stärke  nach,  so  wie  in  der  Asche  etwas  Borsäure.  Das  Koussin  erhielt 
derselbe  vermittelst  Alkohol  und  Kalk  völlig  farblos,  krystallinisch,  in  Alka- 
lien löslich.  Es  reagirt  in  weingeistiger  Lösung  sauer,  schmilzt  bei  193°  C., 
aber  nicht  ohne  Zersetzung.  Die  Ergebnisse  von  Bedall’s  Analysen  des 
bei  125°  C.  von  hygroskopischem  Wasser  befreiten  Koussins  führen  zu  der 
Formel  G2,’H44-G5;  sie  passen  aber  merkwürdigerweise  noch  besser  zu  der 
Formel  G2OH3404,  welche  einem  von  Anderson  mit  kochendem  Alkohol 
der  Kamala  (siehe  dort)  entzogenen  Harze  zukömmt.  Ob  das  letztere  viel- 
leicht mit  Koussin  identisch  ist,  lässt  sich  vorerst  aus  den  sparsamen  An- 
gaben Ander son’s  nicht  entnehmen.  Das  Koussin  ist  nach  Bedall  keine 
gepaarte  Zuckerverbindung;  es  hat  sich  in  Dosen  von  1 bis  2,5  Grammen 
entschieden  wurmtreibend  erwiesen. 

Kosso,  mit  dumpfem  o gesprochen,  ist  in  Abyssinien  seit  Jahrhunderten 
bei  Menschen  und  Schafen  gegen  Bandwurm  gebräuchlich.  Die  Krankheit 
sowohl  als  das  Heilmittel  heisst  Kosso* 2).  Durch  Karawanen  wurde  dasselbe 
au  den  Nil  und  nach  Aegypten  gebracht,  von  wo  es  auch  nach  Konstan- 
tinopel und  hier  (1822)  zur  Kenntniss  des  französischen  Arztes  Br ay er 
gelangte,  welcher  die  Droge  1824  in  Paris  durch  Kunth  bestimmen  liess. 
Dieser  Botaniker  verlieh  ohne  Berücksichtigung  der  beiden  oben  an  der 
Spitze  angegebenen  Synonyme  aus  den  Jahren  1790  und  1799  der  Pflanze 
den  Namen  des  Arztes. 

Obgleich  die  werthvollen  Wirkungen  des  Kosso  in  London  und  Paris 
alsbald  bestätigt  wurden,  fand  das  Mittel  erst  etwa  seit  1842  oder  1848 
allgemeinere  Verbreitung,  aber  noch  1851  stand  es  sehr  hoch  im  Preise, 
in  Paris  z.  B.  über  2 Francs  das  Gramm. 

In  Abyssinien  ist  es  Sitte,  alle  zwei  Monate  Kosso  zu  nehmen,  entweder 
für  sich  oder  mit  Zusätzen  in  Substanz,  oder  in  Form  eines  Aufgusses  gegen 
den  dort  ausserordentlich  verbreiteten  Bandwurm  und  die  Ascariden.  Das 
Land  ist  aber  auch  mit  einer  ganzen  Reihe  von  specifischen  Heilmitteln  ge- 
segnet, die  bei  uns  noch  nicht  allgemeinen  Eingang  gefunden  haben. 

Schon  1851  hat  Martius3)  nicht  weniger  als  16  derselben  aus  den 
verschiedensten  Pflanzenfamilien,  sowohl  Wurzeln  und  Rinden,  als  Blätter, 
Blüthen  und  Früchte,  aufgezählt. 


J)  Hageniasäure  von  Viale  u.  Latini  dürfte  ein  Gemenge  sein. 

2)  Munzing  er,  mündliche  Berichte. 

3)  Cannstatt-Wiggors’scher  .Tahresb.  pag.  70 — 72. 


Cortex  Citri. 


565 


VI.  Früchte. 

A.  Fruchtschalen. 

Cortex  Citri. 

Cortex  fructus  Citri.  Pericarpium  Citri.  Cortex  Limouum.  Citronenschale. 
Limonenschale.  Ecorces  ou  zestes  de  citrons  ou  de  limons.  Lemou  peel. 

Citrus  Limouum  Risso.  — Aurantiaceae. 

Syn.:  Citrus  medica  ß)  L. 

Der  Limoneubaum,  Limonier  der  Franzosen,  findet  sicli  noch  jetzt  wild 
in  den  Wäldern  Nordindiens  und  hat  sich  in  gleicher  Weise  verbreitet  wie 
Citrus  vulgaris.  Von  diesem  unterscheidet  er  sich  durch  aussen  roth  ange- 
laufeue , wenig  wohlriechende  Blüthen , ungeflügelte  Blattstiele  und  beson- 
ders durch  die  eiförmige  zugespitzte,  oben  und  oft  auch  am  Grunde  mit 
einer  Zitze  versehene  Frucht  von  heller,  nicht  röthlicher  Farbe  und  saurem 
Fruchtfleische. 

Diese  Frucht,  die  Limone,  geht  seit  langem  in  Deutschland  und  Frank- 
reich unter  dem  Namen  Citrone1),  welcher  eigentlich  der  dickschaligen, 
schwach  sauren  Frucht  von  Citrus  medica  Risso  (Cedratier,  auch  wohl 
zweideutig  Citronnier)  zukömmt.  Linne  hatte  die  Limone  als  Varietät  zu 
der  Hauptart  C.  medica  gestellt. 

C.  Limonum  sowohl  als  C.  medica  werden  in  sehr  zahlreichen  Spiel- 
arten gezogen. 

Von  der  Eiform  abgesehen,  stimmt  der  Bau  der  Limone  mit  dem  der 
Orange  überein.  Die  weit  dünnere,  aber  zähere  Fruchtrinde  der  ersteren 
wird  in  höchstens  2 Millim.  dicken  (in  Wasser  auf  das  Doppelte  anschwel- 
lenden) Spiralbändern  abgeschält,  welche  sich  an  den  Rändern  stark  um- 
biegen. Auf  ihrer  auch  nach  dem  Trocknen  mehr  gelben  als  röthlichen 
Oberfläche  treten  die  überdies  grösseren  Oelräume  neben  den  geringeren 
Runzeln  stärker  hervor  und  machen  sich  auch  wohl  auf  der  Unterseite  be- 
merklich.  Die  käuflichen  Schalen  scheinen  mehr  von  gewissen  Varietäten 
der  Citrus  medica  Risso  zu  stammen  als  von  der  Limone. 

Das  Gewebe  stimmt  mit  dem  von  Cortex  Aurantiorum  überein  und  ist 
nur  etwas  dickwandiger,  und  die  Zellen,  auch  von  den  erweiterten  Zwischen- 
gängen abgesehen,  da  und  dort  groblöcherig.  Auch  hier  fehlt  es  nicht  an 
Kalkoxalat,  obwohl  es  vielleicht  etwas  spärlicher  auftritt. 

Die  Citronensclialen  riechen  und  schmecken  nach  dem  Trocknen  weit 
weniger  aromatisch  als  frisch.  Die  Bitterkeit  ist  unbedeutend. 

Das  ätherische  Oel  der  Citrone  (Oleum  Citri)  und  der  Limone  (Oleum 
de  Cedro)  besitzt  einen  eigenthümlichen  sehr  angenehmen  Geruch,  steht 
aber  in  chemischer  Hinsicht  dem  mit  beiden  isomeren  Terpenthinöle  äusserst 


D Die  Engländer  aber  nennen  ihren  officinelleu  Saft  Limonis  snccue. 


566 


Früchte. 


nahe  und  unterscheidet  sich  mehr  nur  durch  abweichendes  optisches  Ver- 
halten. Es  dreht  die  Rotationsebeue  immer  nach  rechts  und  zwar  weit  be- 
deutender als  die  rechts  rotirenden  Modificatioueu  des  Terpenthiuöles.  Das 
Citronöl  scheint  übrigens  ein  Gemenge  isomerer,  sehr  übereinstimmender 
Kohlenwasserstoffe  zu  sein.  Die  trockenen  Schalen  enthalten  wenig  Oel. 
Dasselbe  wird  aus  frischen  Früchten,  Limonen  oder  Citroneu,  hauptsächlich 
in  Sicilien  durch  Destillation,  oft  verbunden  mit  vorherigem  Auspresseu, 
gewonnen. 

Das  weisse  Parenchym  der  Schalen  färbt  sich  durch  Ammoniak  eben- 
falls vorübergehend  gelb,  wie  das  der  Orangen.  Eisenchloridlösuug  zeigt 
darin  nur  wenig  Gerbstoff  au  und  von  Jod  wird  das  Gewebe  gebräunt. 

Der  Säuregehalt  ist  an  der  getrockneten  Waare  kaum  mehr  bemerklieh. 

Frische  Limonen,  wie  wir  sie  zu  Anfang  des  Winters  aus  Oberitalieu 
in  unseren  Gegenden  erhalten,  geben  im  grossen  durchschnittlich  etwa 
30  Grammen  Saft,  welcher  die  Hälfte  seines  Volums  Normalnatronlauge 
sättigt,  was  auf  Citronsäure  berechnet,  8,25  pC.  derselben  entspricht.  Citrus 
medica  Risso  scheint  bedeutend  weniger  zu  enthalten. 

Der  Saft  unverkäuflicher  Limonen  und  Citronen  wird  in  Sicilien  durch 
Gährung  geklärt,  mit  Kalk  gesättigt  und  das  unlösliche  Salz  zur  Darstellung 
der  Citronsäure  verwerthet. 

Aus  den  Samenkernen  der  Limonen  und  Apfelsinen  (Orangen  von  Ci- 
trus Aurautium  ß)  sinensis  L.)  hat  Schmidt  das  bittere  rhombisch  krystal- 
Hsirende  Limonin  G42H50Q13  (?)  dargestellt.  Es  scheint  ein  äusserst  be- 
ständiger Körper  zu  sein,  der  nähere  Untersuchung  verdient. 

Der  Limonenbaum  und  seine  Frucht  waren  den  Alten  unbekannt  und 
gelangten  erst  um  das  X.  Jahrhundert  durch  die  Araber  nach  Aegypten  und 
Palästina,  wo  sie  z.  B.  im  XIII.  Jahrhundert  bestimmt  genannt  werden. 
Die  Kreuzfahrer  brachten  sie  vermuthlich  um  diese  Zeit  nach  Südeuropa. 

Aus  dem  Sanskritnamen  Nimbuka,  kiudustanisck  Libu,  Limu,  machten 
die  Araber  Lirnun. 

Die  Frucht  von  Citrus  medica  Risso  hingegen  gelangte  zu  Anfang  un- 
serer Zeitrechnung  nach  Rom  und  zwar  unter  dem  rein  griechisch-lateini- 
schen Namen  Kitrou,  Citreum  für  die  Frucht,  Citrus1)  für  den  Baum. 
(Bidschapura  im  Sanskrit). 

Unter  der  römischen  Herrschaft  cultivirte  man  den  Citroueubaum  in 
Palästina;  die  Juden  hatten  ihn  wohl  in  Babylon  kennen  lernen.  In  Italien 
gelang  seine  schou  früher  versuchte  Ansiedelung  erst  um  d$s  III.  oder  IV. 
Jahrhundert.  Dass  Citrus  medica  in  Nordpersien  (Medien)  ursprüglich  ein- 
heimisch sei,  ist  unwahrscheinlich,  dagegen  ist  er  durch  Royle  in  Nord- 
indieu  wild  uachgewiesen. 

Die  deutschen  Botaniker  zu  Ende  des  Mittelalters  unterschieden  be- 
stimmt Citrone  und  Lirnoue. 


])  Unter  Citrus  hatten  die  Römer  ursprünglich  Tnmarix  Orientalin  horsk.  verstanden. 


Cortex  Aurantiorum. 


567 


Cortex  Aurantiorum. 

Cortex  fructus  Aurantii.  Pericarpium  Aurantii.  Pomeranzenschale.  Ecorces 
ou  zestes  d’oranges  ameres.  Bitter-orange  peel. 

Die  als  Aurantia  immatura  beschriebenen  Früchtchen  entwickeln  sich 
zn  einer  fleischigen  kugeligen,  etwa  0,05m  grossen  Beere  mit  meist  8 dünn 
wandigeu  trennbaren  Fächern,  deren  schwammiges  Gewebe  mit  sehr  bitte- 
rem Safte  erfüllt  ist  und  je  2 bis  5 Samen  einhüllt.  Die  Franzosen  unter- 
scheiden diese  Frucht  als  Bigarade  oder  Orange  amgre,  die  Deutschen  als 
Pomeranze. 

Das  gelbrothe  lederige  Fruchtgehäuse  wird  der  Länge  nach,  gewöhnlich 
mit  Beseitigung  des  Nabels  und  der  Spitze,  in  4 spitz  elliptische  Stücke  ge- 
schnitten, welche  beim  Trocknen  ziemlich  die  Form  der  Kugeloberfläche, 
bewahren  und  an  dem  bis  0,005m  dicken  Rande  nur  wenig  heraufgebogen 
sind.  Die  nach  dem  Trocknen  blässere  Oberfläche  ist  sehr  unregelmässig 
höckerig-runzelig,  durch  zahlreiche  eingesunkene  Punkte  grnbig  vertieft  und 
erhebt  sich  bisweilen  auch  zu  hornförmigen  Auswüchsen.  Die  Bruch- 
oder Schnittfläche  zeigt,  dass  die  Unebenheiten  der  Schale  grossentheils 
von  den  bis  1 Millim.  weiten  eiförmigen  Oelräumen  herrühren,  welche  in 
einfacher  oder  fast  doppelter  Schicht  in  die  äussersten  Lagen  des  Frucht- 
fleisches eingesenkt  sind.  Diese  Räume  und  ihre  Umgebung  sind  durch 
verharztes  Oel  gelblich  bis  rothbraun  gefärbt,  während  das  derbschwammige 
Gewebe  der  doppelt  so  starken  inneren  Fruchtschicht  rein  weiss  und  nur 
von  gelben  Gefässbündeln  in  geringer  Zahl  durchzogen  ist.  Die  Schalen 
sind  sehr  brüchig  oder  nur  in  der  äusseren  Schicht  etwas  zähe. 

Der  anatomische  Bau  der  Pomeranzenschalen  entspricht  nach  Form  und 
Inhalt  dem  der  Aurantia  immatura,  nur  sind  die  im  Wasser  sehr  aufquellen- 
den Zellen  der  ausgereiften  Frucht  weit  stärker,  grösser  und  mit  kurzen, 
etwas  aufgedunsenen  Aesten  versehen.  Wo  diese  unregelmässigen  Aeste  be- 
nachbarter Zellen  aufeinander  treffen,  sind  ihre  Wände  dünner  und  sieb- 
artig porös,  oft  etwas  von  einander  abstehend.  Die  Zwischenräume  dieses 
lockeren  Gewebes,  welches  da  und  dort  von  Gefässbündeln  durchzogen  und 
nur  hier  etwas  dichter  ist,  sind  bei  weitem  umfangreicher  als  die  langen, 
fast  sternförmig  ästigen  Zellen  selbst,  aber  von  höchst  unregelmässigem 
Umrisse,  da  die  Zelläste  in  sehr  manigfaltiger  Richtung  aufeinander  stossen. 
Das  Gewebe  schliesst  häufig  Krystalle  von  Kalkoxalat  ein,  welche  am  reich- 
lichsten in  den  äussersten  Schichten,  oft  bis  zu  einer  Grösse  von  30  Mikro- 
nnil im.  Vorkommen.  Sie  sind  jedoch  selten  gut  ausgebildet  und  zeigen  häufig 
krumme  Flächen.  Trotz  ihres  meist  oktaederähnlichen  Aussehens  gehören 
sie  dem  monokliuischen  Systeme  an. 

Die  bei  den  unreifen  Früchten  erwähnten  Klumpen  sind  liier  fast  nur 
in  den  äusseren  Zellschichten  abgelagert. 

Der  Geruch  und  Geschmack  der  äusseren  Fruchtschicht  ist  ähnlich  wie 
bei  den  unreifen  Pomeranzen,  doch  feiner. 


568 


Früchte. 


Das  ätherische  Oel  der  reifen  Frucht,  essence  de  bigarades  ou  d’oranges, 
weicht  im  Gerüche  von  dem  der  unreifeu  ab,  entspricht  aber  auch  der  For- 
mel G10Iilu.  Das  specifische  Gewicht  desselben  (0,835)  ist  niedriger,  der 
Siedepuukt  (180°  C.)  höher  als  bei  Terpenthinöl,  von  dem  es  auch  in  op- 
tischer Hinsicht  etwas  verschieden  ist. 

Das  Hesperidin  ist  auch  in  den  reifen  Früchten  enthalten,  das  weisse 
Zellgewebe  nimmt  bei  der  geringsten  Berührung  mit  Alkalien , schon  bei 
der  Annäherung  des  Ammoniaks,  eine  schön  gelbe,  weit  lebhaftere  Farbe 
an,  als  die  unreifen  Früchte.  Der  Gerbstoffgehalt  ist  beträchtlicher,  da  sich 
hier  auch  die  inneren  Zellschichten  durch  Eisenchlorid  sehr  dunkel  färben. 
Jod  in  Jodkaliumlösung  ertheilt  den  Zellwänden  vorübergehend  und  in  sehr 
ungleichem  Masse  eine  blaue  Färbung,  die  nach  vorheriger  Behandlung  mit 
Kali  oder  Schwefelsäure  etwas  dunkler  ausfällt. 

Da  das  ungefärbte  Parenchym  nur  schwach  bitter  und  gar  nicht  aro- 
matisch schmeckt,  so  wird  es  nach  der  Anweisung  mancher  Pharmakopoen 
beseitigt,  und  nur  die  übrig  bleibende  äussere  Fruchthaut  als  Cortex  Aurau- 
tiorum  mundatus  s.  expulpatus  vel  Flavedo  Aurantiorum  zur  Anwendung 
gezogen.  Es  ist  unzweckmässig,  zu  diesem  Ende  die  Schalen  in  Vasser 
einzuweichen , weil  dadurch  ein  grosser  Theil  ihrer  Bestandtheile  verloren 
gehen  muss. 

Die  Früchte  einer  auf  der  westindischen  Insel  Cura^ao  und  auch  wohl 
auf  Barbadoes  cultivirten  Abart  der  bitteren  Orange  bleiben  grün  und  waren 
seit  dem  XVII.  oder  dem  Anfänge  des  XVIII.  Jahrhunderts  ihrer  dünnen, 
sehr  aromatischen  Schalen  wegen  besonders  beliebt.  Jetzt  erhält  mau  statt 
dieser  Curassavischen  Schalen  wohl  immer  nur  die  von  unreifen  französi- 
schen Früchten  gesammelten  oder  wahrscheinlicher  die  Schalen  einer  dor- 
tigen griinfrüchtigen  Spielart,  da  sie  z.  B.  aus  Nimes  in  gleicher  Grösse 
geliefert  werden  wie  die  gewöhnlichen  gelbrothen. 

Die  Fruchtschale  der  süssen  Orange  von  Citrus  Aurantium  Risso  ist 
weit  dünner,  gewöhnlich  (trocken)  nur  1 Millim.  stark,  lebhafter  gelbroth, 
weniger  runzelig , weit  weniger  aromatisch  und  bitter  als  die  Schale  der 
bitteren  Orange. 


Cortex  Grauati  fructus. 

Cortex  Granatorum.  Malicorium.  Granatschalen.  Ecorce  de  grenades. 

Pomegrauate  peel. 

Die  Frucht  des  bei  Cortex  Grauati  radicis  erwähnten  Granatbaumes,  der 
sogenannte  Granatapfel,  ist  eine  trockene  kugelige,  aber  etwas  abgeplattete, 
ungefähr  0,08m  bis  0,09"'  im  Querdurchschnitte  messende  (oder  in  der 
Cultur  noch  weit  grössere)  Beere,  gekrönt  von  dem  starken  röhrigen 
5-  bis  9zähuigen  Kelche  und  bei  der  Reife  der  Länge  nach  berstend.,  6 bis 
9 häutige,  in  der  Axe  der  Frucht  zusammeutrcffende  Scheidewände  theilen 
die  obere  Halbkugel  derselben  in  Fächer  von  gleicher  Zahl  wie  die  der 


Cortex  Granati  fructus. 


569 


Kelchblätter,  während  die  untere  Fruchthälfte  nur  halb  so  viel  Fächer  ent- 
hält. Diese  beiden  ungleich  eiugetheilten  Stockwerke  sind  durch  eine  nach 
aussen  geneigte  Querwand  getrennt.  Die  Fächer  enthalten  auf  schwammi- 
gen Samenträgern  sehr  zahlreiche  Samen1),  deren  reichliches  dickes,  an- 
genehm säuerlich,  oder  in  einigen  kultivirten  Varietäten  süss  schmeckendes 
Epithelium  als  erfrischendes  Obst  genossen  wird. 

Officinell  ist  nur  die  1 bis  3 Millim.  dicke  Schale  der  Frucht,  welche 
im  frischen  Zustande  lederig2),  trocken  aber  hart  und  spröde  wird  und  da- 
her in  unregelmässigen  gewölbten  oder  verbogenen  Bruchstücken  in  den 
Handel  gelangt.  Sie  sind  von  der  starken  dicken  Kelchröhre  begleitet, 
welche  oft  noch  die  vertrockneten  Staubfäden  und  den  Griffel  eiuschliesst. 
Die  rothgelbe  bis  bräunliche  Oberfläche  der  Schale  ist  grobkörnig  runzelig, 
etwas  glänzend , die  durch  den  Druck  der  grossen  Samen  eckig  gefelderte 
Innenfläche  zeigt  meist  hell  gelbgrünliche  Färbung.  Der  Bruch  fällt  körnig- 
schieferig aus,  der  Querschnitt  besitzt  die  Farbe  der  Innenfläche,  mit  Aus- 
nahme der  dünnen  rothgelben  Peripherie. 

Die  Oberfläche  der  Fruchtschale  ist  aus  einer  Reihe  ziemlich  ungleicher, 
mit  einer  dünnen  Oberhaut  belegter  kubischer  oder  unregelmässig  radial 
gedehnter  Zellen  gebaut.  Ihre  nach  aussen  verdickten  Wandungen  sind 
hauptsächlich  von  rothgelbem  Farbstoffe  durchdrungen. 

In  dem  zunächst  folgenden  kugeligen  Parenchym  verlaufen  in  verschie- 
dener Richtung  dicht  unter  der  Oberfläche  feine  Bündelchen  von  kleinen 
Spiralgefässen.  Das  Gewebe,  welches  die  Mitte  und  den  grössten  Theil 
der  Fruchtschale  ausmacht,  besteht  aus  dünnwandigen  schlauchartig  ver- 
längerten, da  und  dort  ästig  ausgewachsenen  schlaffen  Zellen,  welche  nach 
innen  zu  sich  bedeutend  erweitern,  in  der  Nähe  der  Innenfläche  aber  wieder 
etwas  abnehraen.  Die  letztere  ist  aus  einer  Reihe  zarter  kubischer  Zellen 
zusammengesetzt  und  nur  von  einem  sehr  feinen  Häutchen  bedeckt.  In  der 
inneren  Hälfte  des  Parenchyms  finden  sich  stärkere  strahlige  Gefäss- 
bündel  von  zarten,  etwas  bräunlichen  Cambial-  oder  Baststrängen  umgeben. 
Ueberall  sind  einzelne  grosse  oder  zu  mehr  oder  weniger  ansehnlichen 
Gruppen  vereinigte  Steiuzellen  eiugestreut,  welche  zierlich  geschichtet  und 
von  Porenkanälen  durchsetzt  sind.  Manche  sind  kugelig  und  fast  ganz  ver- 
dickt, andere  stabförmig  und  noch  mit  weiter  Höhlung  versehen. 

Besonders  in  der  Nähe  dieser  vielgestaltigen  Steinzellen,  doch  auch  im 
übrigen  Parenchym,  treten  sehr  zahlreiche  Kalkoxalat -Krystalle  auf,  theils 
einzeln  (als  Hendyoeder),  theils  in  rosettenförmigen,  bis  etwa  30  Mikromill. 
messenden  Drusen. 

Ziemlich  ungleich  vertheilt  und  im  ganzen  nicht  in  grosser  Menge 
kommen  kleine  5 bis  7 Mikromill.  messende  Stärkekörner  in  den  Granat- 
schale  vor. 


1)  daher  der  Speciesnamo  Granätum  (malum  granatum). 

2)  deshalb  kurzweg  als  mati  corium  bezeichnet. 


570 


Fruchte. 


Sie  riechen  bei  gelindem  Erwärmen  schwach  aromatisch,  ihr  Geschmack 
ist  rein  und  stark  adstriugirend , der  Hauptbestandteil  Gerbstoff,  da- 
neben Zucker  und  wenig  Gummi.  Bei  100°  getrockuete  Schalen  gaben  mir 
5,9  pC.  Asche. 

Die  Granatäpfel  waren  schon  im  frühesten  Alterthum  hoch  gefeiert,  wie 
vielfache  bildliche  Darstellungen  in  den  Trümmern  von  Persepolis  und 
Niuiveh  und  auf  altägyptischen  Denkmälern  beweisen.  Die  Körner 
brachten  dieselben  während  der  putschen  Kriege  aus  Karthago  (Mala  fm- 
nica ) und  sie  kommen  auf  pompejauischen  Wandgemälden  häufig  vor.  Ganz 
vorzüglich  gedeihen  sie  jetzt  noch  in  ganz  Persien,  besonders  schön  um 
Täbris. 

Die  Fruchtschalen  wurden  wohl  von  jeher  neben  ihrer  schon  bei  P 1 i- 
uius  erwähnten  mediciuischen  Verwendung  gegen  Bandwurm,  Fieber  und 
Diarrhöe,  auch  zum  Gerben  benutzt.  In  ersterer  Hinsicht  sind  sie  bei  uns 
fast  ganz  durch  die  wirksamere  Wurzelrinde  verdrängt.  Im  Mittelalter  diente 
häufig  der  Presssaft  der  Früchte  gegen  Würmer. 

B.  Fruchtmus  (Pulpa). 

Tamarindi. 

Pulpa  Tamarindi  cruda.  Fructus  Tamarindi  decorticatus.  Tamarinden. 

Tamarins.  Tamarinds. 

Tamarnulus  indica  L.  — Caesalpinieae. 

Die  Tamarinde  ist  ein  starker,  bis  40  Fuss  hoher  Baum  von  der  Tracht 
unserer  Eichen  mit  weit  ausgebreiteten  Aesten,  welche  einen  gewaltigen 
domförmigen,  reich  belaubten,  doch  lichten  Wipfel  bilden.  Durch  die  zarten, 
feiu  gefiederten  Blätter,  die  purpurnen  Blumeuknospen  und  die  rotli  geader- 
ten weisseu,  zuletzt  gelblichen  Blüthen  gewährt  der  Baum  einen  herrlichen 
Anblick  und  wird  schon  deshalb  in  den  Tropenländern  gerne  als  Zierbaum, 
gepflegt,  obgleich  Araber  und  Indier  es  für  gefährlich  halten,  in  seinem 
Schatten  zu  schlafen. 

Indien,  so  wie  Centralafrika  und  die  heissen  Länder  Ostafrikas  scheinen 
die  Urheimat  dieses  Baumes  zu  sein.  Er  durchzieht  das  Gebiet  des  Sene- 
gals, des  Nigers  und  Tsad-Sees,  geht  in  die  Nilländer,  nach  Mozambique, 
durch  ganz  Arabien  und  ist  überall  in  Ostindien . namentlich  auch  auf  den 
Inseln  und  in  Cochinchina  verbreitet.  Eiuer  der  nördlichsten  Standpunkte 
ist  wohl  das  Ufer  des  Wan-Sees  in  Kurdistan.  Die  Cultur  hat  auch  in  West- 
indien (Cura<;ao)  und  Brasilien  die  Tamarinde  schon  eingebürgert. 

Die  Frucht  ist  eine  im  allgemeinen  dem  Johannisbrote  ähnlich  gebaute, 
0,05  bis  0,20'"  lange,  0,03m  breite,  graulich  oder  gelblich  braune  Hülse, 
welche  an  einem  ziemlich  starken,  0,03"'  langen  Stiele  herabhängt. 

Sie  ist  jedoch,  obwohl  auch  etwas  seitlich  zusammengedrückt,  von 
gleichmässiger,  voller  und  gerundeter  Form,  feiu  körnig-warzig,  nicht  ge- 


Tamarindi. 


571 


streift  und  kurz,  aber  scharf  zugespitzt.  Der  Querschnitt  ist  eiförmig,  ohne 
Randwülste.  Die  3—12  Samen  machen  sich  äusserlicli  durch  holperige 
Anschwellungen  der  Hülse  oder  selbst  durch  einseitige  sattelförmige  Ein- 
schnürungen bemerklich.  Die  äussere,  Vs  Millim.  dicke  Fruchthaut,  aus 
ansehnlichen  kugeligen  Steinzellen  und  lockerem  Parenchym  gebaut,  besitzt, 
ganz  abweichend  von  Siüqua  dulcis,  nur  geringen  Zusammenhang  und  zer- 
bröckelt leicht.  Unter  der  äusseren  Fruchthaut  treten  alsdann  an  der  auf 
der  Oberfläche  nicht  oder  nur  undeutlich  kennbaren  Bauchnaht  zwei  sein- 
starke  und  zwei  schwächere  Gefässbündel  zu  Tage  und  ein  noch  dei'beres 
au  der  Rückennaht,  alle  gegen  die  Spitze  hiulaufend,  aber  seitlich  oft  fast 
rechtwinkelig  dünne  verzweigte  Aeste  von  Gefässsträngeu  aussendend. 

Die  innere  Fruchthaut,  welche  die  Samenfächer  bildet,  ist  aus  sehr  langen 
biegsamen,  fest  verbundenen  Fasern  gewirkt  und  von  einer  mehr  oder 
weniger  dicken  mürben  Schicht  bräunlicher,  sehr  groblöcheriger  Steinzelleu 
genau  umschlossen.  Die  Dicke  dieser  Steinzellenschicht,  welche  die  Samen- 
fächer auseinanderhält,  ist  sehr  ungleich,  ihre  Oberfläche  stellenweise  auf- 
gelockert und  tief  grubig.  Die  Räume  zwischen  derselben  und  der  äusseren 
Fruchthaut  werden  von  den  schon  erwähnten  Verzweigungen  der  rand- 
ständigen Gefässbündel  durchzogen,  die  in  einen  bräunlichen  oder  schwärz- 
lichen sauren  Brei  (Fruchtmus,  Pulpa)  eingebettet  sind,  welcher  aber 
wenigstens  trocken  die  Frucht  bei  weitem  nicht  ganz  ausfüllt. 

Die  seitlich  zusammengedrückten  Samenfächer  erscheinen  in  der  durch 
beide  Ränder  der  Länge  nach  aufgeschnittenen  Frucht  rundlich  eckig,  oft 
fast  quadratisch  oder  abgerundet  rechtwinkelig.  Ihnen  entspricht  die  wenig 
regelmässige  Gestalt  der  bis  0,017“  langen  und  bis  0,008“  dicken  Samen, 
welche  bald  kahnartig,  bald  mehr  eiförmig  oder  stark  abgeflacht  auftreten. 
Der  vom  Nabelstreifen  (Raphe)  durchzogene  Rand  ist  entweder  schwach 
gekeilt  oder  öfter  gefurcht.  Die  flacheren  Seiten  des  glänzeud  braunen 
Samens,  welche  der  Fachwand  dicht  anliegen,  sind  glatt  oder  fein  gestreift, 
die  übrige  Samenschale  grubig  vertieft.  Sie  schliesst  einen  geraden,  halb 
gegenläufigen  eiweisslosen  Keim  ein,  dessen  dicke  hornartige  weissliche 
Lappen  die  Samenschale  ganz  ausfüllen.  Am  Nabel  steckt  in  den  Keim- 
lappeu  das  dicke  Würzelcheu,  welches  ein  kleines  gelbes  Knöspchen  trägt, 
in  dessen  zwei  Blättern  schon  die  Fiedertheilung  angedeutet  ist. 

Für  den  europäischen  Handel  werden  die  reifen  Früchte  von  der  äus- 
seren, leicht  trennbaren  Haut,  zum  Theil  auch  wohl  von  den  stärksten 
Gefässsträngeu  und  von  den  Samen  befreit,  zu  einer  etwas  zähen  weichen, 
fast  breiigen  Masse  von  bräunlicher  oder  schwärzlicher  Farbe  zusammen- 
gekuetet  und  in  Fässer  verpackt.  Diese  Waare,  die  Tamarindi,  Fructus 
Tamarindorum  des  Handels,  besteht  demnach  aus  dem  Fruchtmus  und 
seinen  Gefässbündelu,  vermischt  mit  den  Wänden  der  Samenfächer  und 
einzelnen  Samen.  Trümmer  der  festeren  Theile  der  Frucht  lassen  sich 
nicht  oder  doch  nur  ausnahmsweise  auffinden , Steinzellen  der  Fruchthaut 
z.  B.  fehlen  der  Waare  gänzlich.  Sie  zeigt  vielmehr  als  weit  überwiegenden 


572 


Früchte. 


Bestandteil  zartwandige  grosse  auseindergerissene  Zellen,  dann  sehr  lange  • 
Bündel  dünner,  zum  Theil  abrollbarer  Spiralgefässe,  welche  von  Proseuchym- 
sträugen  begleitet  sind  und  endlich  derbfilzige  sackartige  Samenfucher,  die 
aus  jenen  biegsamen  und  farblosen,  au  die  Baumwolle  erinnernden  Fasern 
gebildet  sind. 

Die  Samen,  welche  oft  noch  fest  an  den  Fächern  haften,  sind  mit  einer 
äusseren , zum  Theil  braunen  und  einer  inneren  farblosen  Schale  bedeckt. 
Erstere  enthält  zwei  Reihen  sehr  dicht  gedrängter,  radial  gestreckter  cylin- 
drischer  Zellen,  die  peripherische  Reihe  von  brauner  Farbe,  die  innere, 
sehr  leicht  auseinander  fallende  farblos.  Von  den  dickwandigen  Zellen  des 
hierauf  folgenden  Parenchyms  sind  die  der  äussersten  2 — 3 Reihen  radial, 
die  der  inneren  6 — 8 dagegen  mehr  tangential  gedehut  oder  zusammen- 
gefallen. Sie  enthalten  grünliche  Körnchen  von  Gerbstoff,  der  auch  ihre 
Waudungen  durchdringt,  gleich  denjenigen  der  innersten  10 — 12  Zellen- 
reiheu.  Diese  letzteren  sind  bei  weitem  grösser  und  bilden  allein  die  Hälfte 
der  ganzen  Samenschale. 

Das  sehr  dickwandige  poröse  Gewebe  der  Keimlappen  ist  frei  von  Gerb- 
stoff und  Stärkekörnern,  schliesst  aber  in  den  engen  Zellhöhlungen  Klümp- 
chen eines  (Protein-?)  Stoffes  ein,  welcher  durch  Jod  braungelb  gefärbt 
wird.  Die  Zellwände  selbst  quellen  in  kaltem  Wasser  stark  auf  und  lösen 
sich  zum  Theil,  kochendes  Wasser  greift  sie  noch  mehr  an  und  gibt  eine 
dickliche  Lösung.  Die  Wandungen  selbst,  nicht  die  Auflösung,  nehmen 
durch  Zusatz  von  Jod  in  Jodkalium  (Jod  wasser  oder  reines  Jod  allein  wirken 
nicht  sogleich)  eine  tiefblaue  Farbe  an.  Alkalisches  Kupfertartrat  wird 
beim  Kochen  mit  diesem  Gewebe  nicht  reducirt. 

Diese  Zellsubstanz  zeigt  also  gleichzeitig  Eigenschaften  des  Amylums, 
des  Gummis  und  der  Cellulose,  ähnlich  wie  das  so  genannte  Lichenin  (vgl. 
bei  Lichen  islandicus).  Schleiden  hatte  diese  Modification  der  Cellulose 
als  Amyloid  bezeichnet  und  auch  in  den  Samenlappeu  anderer  Caesal- 
pinieen  (z.  B.  Schotia  und  Hymenaea)  und  Phaseoleen  (Mucuna)  nach- 
gewiesen. 

Dem  Verhalten  dieses  Körpers  zu  Jod  hat  Nägeli1 2)  (1864)  eine  sehr 

ausführliche  Untersuchung  gewidmet. 

Als  Inhalt  des  käuflichen  Fruchtmuses  findet  mau  in  allen  Zellen  kleine 
bräunliche  Körnchen,  welche  durch  Eisenchlorid  nur  wenig  dunkler  werden. 
Da  und  dort  zeigen  sich  auch  kleine  Gruppen  von  kugeligen,  bis  10  Mikro- 
millimeter messenden  Stärkekörnern.  Die  Zellmembran  selbst  wird  durch 
Jod  schwach  gebläut.  Häufig  kommen  auch  kurze  spiessige  Krystalle  vor 
vermutlich  Weinstein,  da  sie  sich  in  ziemlich  viel  kochendem  Wasser  ) 

1)  Büchner,  Repertor.  f.  Pharm.  XIII.  153. 

2)  Diese  Krystalle  hatte  ich  für  weinsauren  Kalk  erklärt.  Digenrt  mau  aber  die  Hände  s- 
waare  mit  überschüssiger  Kalilauge,  so  entsteht  im  Filtrat  beim  Kochen  durchaus  kein  Nieder- 
schlag  jenes  Salzes.  Salzsäure,  nicht  Wasser  allein,  nimmt  allerdings  aus  dem  Frachtbrei  etwas 
Kalk  auf. 


Tamarindi. 


573 


lösen.  Andere  grössere  scharfkantige,  doch  nicht  krystallinische  Splitter, 
welche  fast  eben  so  zahlreich  sind,  erweisen  sich  als  Quarz. 

In  nicht  allzuviel  Wasser  lässt  sich  das  Fruchtmus  zu  einer  dicken 
zitternden,  etwas  kleberigen  und  trüben  Flüssigkeit  zertheilen,  ohne  dass 
die  Zellwände  merklich  angegriffen  werden;  sie  geben  daher  wohl  nur 
Pektin  ab. 

Das  Fruchtmus  schmeckt  auch  schon  vor  der  Reife  sehr  stark  und  an- 
genehm sauer.1)  Wasser  nimmt  daraus  Zucker,  Essigsäure  und  andere 
Glieder  dieser  Reihe,  Weinsäure,  Citronsäure  und  nach  Vauquelin  auch 
etwas  Aepfelsäure,  zum  grössten  1 heil  an  Kali  (nicht  an  Kalk)  gebunden, 
auf.  Die  Lösung  reducirt  in  der  Kälte  nach  einiger  Zeit  alkalisches  Kupfer- 
tartrat,  enthält  also  wohl  Traubenzucker.  Beim  Abdampfen  der  Auflösung 
schiesst  reiner  Weinstein  und  Zucker  an.  Die  flüchtigen  Säuren  der  Fett- 
säurenreihe, welche  Gor  up-B  es  an  ez  hier  zuerst  nachgewiesen,  finden 
sich  bisweilen  in  grosser  Menge.  Gerbstoff  sowohl  als  Oxalsäure  fehlt.  Die 
Citronsäure,  welche  nach  Vauquelin  vorwalten,  nach  Scheele2)  ganz 
fehlen  soll,  ist  in  geringer  Menge  vorhanden.  Uebersättigt  man  den  Tama- 
rindenauszug mit  heiss  bereitetem  Kalkwasser  und  kocht  nach  dem  Filtriren, 
so  entsteht  ein  unbedeutender  Niederschlag  von  citronsaurem  Kalk,  der  sich 
in  Salmiak  löst.  — Die  Weinsäure- hat  Scheele  hier  schon  1770  erkannt. 

Geruch  zeigen  die  Tamarinden  wohl  nur  in  Folge  der  Gährung,  welche 
sich  bei  längerer  und  ungeeigneter  Aufbewahrung  einstellt. 

Die  erwähnten  Bestandtlieile  der  Tamarindenfrucht  verleihen  derselben 
einen  sehr  hohen  Werth  für  die  trockenen  vegetationsarmen  Binnenländer 
Afrikas.  Barth3)  erklärt  die  Frucht  für  eine  unschätzbare  Gabe  der  Vor- 
sehung in  diesen  heissen  Zonen,  den  Baum  für  den  grössten  Schmuck  des 
Negerlandes.  Mit  Butter  und  Zwiebeln  bildet  die  erstere  dort  eine  höchst 
erfrischeude  Nahrung,  mit  Zwiebeln,  Houig  und  Pfeffer  das  sicherste  Mittel 
gegen  die  leichteren  dortigen  klimatischen  Krankheiten.  Auch  für  Darfor 
bezeichnet  Munzinger4)  die  Tamarinde  als  die  köstlichste  Gabe  der  Natur. 

Dieser  Bedeutung  wegen  wird  die  Frucht  ( Andeb  arabisch)  mit  der 
für  diese  Gegenden  nicht  minder  wichtigen  der  Dattelpalme  (Tamar 
hebräisch,  Tamr-hindi  arabisch)  verglichen  und  auch  wohl  als  saure  Dattel 
bezeichnet. 

In  den  oberen  Nilländern  Darfur,  Kordofan,  Sennaar,  auch  bei  Medina 
in  Arabien , nicht  in  Abyssinien , formt  man  grösserer  Haltbarkeit  und  des 
bequemeren  Transportes  wegen  den  zerquetschten  und  gegoltenen  Frucht- 
brei durch  weiteres  Austrocknen  an  der  Sonne  zu  festen  flachen  braun- 
schwarzen Kuchen  von  ungefähr  0,1 0m  oder  0,15™  Durchmesser  und  0,02ni 


*)  auch  die  Blätter  schmecken  sauer  und  purgiren. 

2)  Phys.  u.  chem. Werke,  Ausgabe  von  Hermbstädt,  Berlin  1793.  II.  379. 

3)  Reisen  in  Afrika.  Gotha  1858. 

4)  Ostafrikanische  Studien.  Schaffhausen  1864. 


574 


Früchte. 


Dicke,  welche  mit  Haaren,  Sand,  Linsen  und  anderen  Verunreinigungen  i 
mehr  oder  weniger  bestreut  zu  sein  pflegen  und  Trümmer  der  Stiele,  Samen 
und  des  Fruchtgehäuses  enthalten.  Obwohl  sie  eine  ziemliche  Festigkeit  , 
erlangen  können,  werden  diese  Kuchen  doch  leicht  etwas  feucht.  Sie  ge- 
langen nicht  oder  doch  nicht  regelmässig  nach  Europa,  sollen  aber  bisweilen 
in  Griechenland,  Marseille,  Livorno,  Malta  in  die  gewöhnliche  (indessen  an 
den  zerbrochenen  Samen  kenntliche)  Handelswaare  umgearbeitet  werden. 
Dass  man  zugleich  Weinstein  beimische,  ist  der  Preisverhältnisse  wegen 
unmöglich. 

Die  westindischen  Tamarinden  sind  von  herbem , weniger  saurem  Ge- 
schmacke,  dem  aber  meist  durch  Zusatz  von  Zucker  nachgeholfen  wird. 
Sie  sind  schleimiger,  weniger  zusammenhängend , von  hellbrauner  Farbe. 
Die  englische  Pharmacopöe  (1864)  hat  nur  diese  bei  uns  nicht  gebräuch- 
liche Sorte.  — In  Zucker  eingemachte  ganze  Früchte  aus  Westiudien  sind 
nicht  eigentlich  Gegenstand  des  Grosshandels.  Gärtner  hatte  die  dor- 
tige Form  des  Tamarindeubaumes  seiner  breiteren  und  kürzeren,  an 
Samen  ärmeren  und  meist  eingeschnürten  Hülsen  wegen  als  Tamarindus 
occidentalis  unterscheiden  wollen;  die  Merkmale  sind  aber  nicht  durch- 
greifend. 

In  Deutschland  kannte  man  die  Tamarinden  im  Mittelalter  unter  dem 
Namen  Siliqua  arabica,  indem  man  sie  den  arabischen  Aerzten  verdankte. 
Den  Griechen  und  Römern  scheinen  sie  unbekanut  gebheben  zu  sein. 

C.  Früchte  und  Fruchtstände. 

1.  von  öligem  oder  von  süssem  Geschmacke. 

Fructus  Cannabis. 

Semen  Cannabis.  Hanfsamen.  Chenevis.  Semences  de  chanvre.  Hempseed. 

Cannabis  sativa  L.  — Cannabineae. 

Der  Hanf  ist  hauptsächlich  im  Gebiete  des  Kaspischen  Meeres,  besonders 
massenheft  am  Unterlaufe  des  Urals  und  der  Wolga  zu  Hause,  aber  auch  im 
Altai,  in  Nordchina,  Kaschmir  und  Nordindien  eben  so  gut  ursprünglich  ein- 
heimisch. Nach  Livingstone’s  und  anderweitigen  Berichten  ist  nicht  zu 
bezweifeln,  dass  er  auch  den  Flussgebieten  des  Congo  und  Zambesi,  im 
Innern  Südafrikas,  angehört,  wo  z.  B.  der  Stamm  der  Batoka,  unter  etwa 
16°  südl.  Br.,  wie  viele  andere,  sehr  dem  Hanfrauchen  frölmt.  Ebenso  nach 
Du  Chaillu  die  Aschiras  an  der  Westküste  Afrikas.  Vielleicht  ist  auch  in 
Algerien  die  Pflanze  ursprünglich  einheimisch. 

Die  Kultur  hat  den  Hanf  seiner  spiunbaren  Faser  und  des  ölreichen 
Samens  wegen  schon  sehr  frühe  über  die  meisten  Länder  verbreitet,  doch 
wohl  etwas  später  als  den  eben  so  werthvollen  Lein  (vgl.  bei  Seinen  Lini). 
Das  europäische  Russland  ist  gegenwärtig  das  Hauptproduktionslaud  des 


Fructus  Cannabis. 


575 


Hanfes.  Ans  der  Sanskritsprache  sind  die  Benennungen  der  Pflanze:  Ang, 
Bang,  Hang,  Banga,  Ganjika,  Ganjah  in  alle  alten  und  modernen  Sprachen 
Europas1)  übergegangen  und  deuten  die  Richtung  ihrer  Wanderung  an. 

Die  kurzen  gedrängten  Aehren  der  weiblichen  Pflanzen  bringen  zahl- 
reiche kleine,  ganz  von  einer  krautigen  Scheide  umschlossene  Früchtchen 
(Schliessfrüchtchen,  Niisschen)  hervor.  Die  letzteren  allein  kommen  in  den 
Handel.  Ihre  graue  oder  ein  wenig  ins  grünliche  spielende  zerbrechliche 
eiförmige  Fruchtschale  ist  seitlich  etwas  zusammengedrückt,  an  beiden 
Rändern  weisslich  gekielt  und  zwar  unmerklich  schärfer  auf  derjenigen 
Seite,  wo  das  schon  äusserlich  an  gedeutete  Würzelchen  liegt.  Die  ganze 
Fruchtschale  ist  mit  einem  feinen,  nicht  erhöhten  hellen  Adernetze  zarter 
Gefässbündelchen  bemalt,  das  von  dem  abgeflachten  Grunde  der  Frucht 
und  von  dem  eben  erwähnten , das  Würzelchen  deckenden  Rande  ausgeht. 
Bisweilen  haften  an  der  Schale  noch  kleine  bräunliche  Fetzen  der  Frucht- 
scheide. Die  Länge  der  Früchtchen  beträgt  5 Millimeter,  ihr  Gewicht 
4 Milligr.  im  Durchschnitte,  so  dass  sie  verhältnissmässig  ziemlich  leicht  sind. 

Die  Fruchtschale  springt  nicht  auf,  öftüetsichaber  beim  Keimen  leicht  längs 
der  beiden  Ränder.  Sie  ist  ganz  von  dem  in  dünner  dunkelbraungrüner  Haut 
steckenden  eiweisslosen  Samen  ausgefüllt,  dessen  dicke,  sehr  weiche  Keim- 
lappen neben  das  Würzelchen  heraufgebogen  sind  und  das  kleine  Knöspchen 
bergen.  Die  äussere  Samenhaut  umschliesst  das  gegen  die  stumpfe  Spitze 
des  Samens  gerichtete  Würzelchen  ganz,  indem  sie  sich  zwischen  dasselbe 
und  die  Rückseite  des  einen  Keimblattes  einschlägt;  nach  unten  ist  die 
äussere  Samenhaut  mehr  mit  der  Schale  verwachsen.  Der  Nabel  (Chalaza) 
ist  besonders  auf  der  Innenfläche  der  Samenhaut  scharf  umschrieben  und 
hellbraun  gefärbt.  Der  Embryo  strotzt  von  farblosem  Oele,  das  beim  Aus- 
pressen durch  das  Chlorophyll  der  Sameuhaut  eine  grünliche,  bald  ins 
bräunliche  übergehende  Färbung  erhält.  Beim  Anreiben  mit  Wasser  ent- 
steht eiue  ungefärbte,  widrig  schmeckende  Emulsion.  Der  wässerige  Auszug 
der  unzerkleinerten  Früchtchen  schmeckt  süsslich  und  reducirt  schon  in  der 
Kälte  alkalisches  Kupfertartrat,  wird  aber  durch  Eisenchlorid  nicht  gefärbt. 

Das  Fruchtgehäuse  ist  von  einer  dünnen  Schicht  braunrother  kleiner 
Zellen  bedeckt,  aber  grösstentheils  aus  radial  gestellten,  sehr  hell  grünbräun- 
lichen Steinzellen  gebildet,  deren  ungleich  und  unregelmässig  keilförmige, 
nach  aussen  sehr  verschmälerte  Höhlung  weit  geringer  ist  als  die  dicken 
porösen  Wände,  welche  ganz  genähert  und  von  den  benachbarten  Zellen 
her  zahnartig  in  einander  greifen.  Ein  dicht  unter  der  Oberfläche  durch  die 
Fruchtschale  geführter  Tangentialschnitt  zeigt  daher  die  zierlich  verschlun- 
genen Umrisse  der  Querschnitte  dieser  grossen  Steinzellen.  Das  dünn- 
wandige Parenchym  der  äusseren  Samenhaut  ist  von  kleinen  Gefäss- 
bündelchen durchzogen  und  enthält  Chlorophyllkörner  und  sehr  wenig 


L im  althochdeutschen  schon  vor  dem  XII.  Jahrhundert  Ilauaf  oder  Hanif.  Canava  im 
Capitulare  Karl’s  d.  Gr. 


576 


Früchte. 


Gerbstoff,  das  sehr  kleinzellige  Gewebe  des  Embryos  Ocltropfen  und  kleine 
Körnchen  von  Protei'nstoffen. 

Das  Oel  beträgt  25  — 35  pC. , der  Stiekstoffgehalt  nach  Anderson 
(1855)  3,6  pC.,  entsprechend  22,6  Eiweiss,  die  Phosphate  2,4,  die  übrigen 
Aschenbestandtheile  4 pC. 

Das  Oel  gehört  zn  den  trocknenden  Oelen,  zeigt  ungefähr  0,927  specif. 
Gewicht,  erstarrt  erst  unter  0°  und  findet  in  Russland  in  Menge  zur  Dar- 
stellung der  »Schmierseifen Verwendung,  welche  diesem  Oele  die  grünliche 
Färbung  verdanken.  Es  wird  leicht  ranzig,  daher  auch  die  Früchte  all- 
jährlich erneuert  werden  müssen. 


Caricae. 

Fructus  Caricae.  Feigen.  Figues.  Figs. 

Ficus  Carica  L.  — Moreae. 

Die  weite  Urheimat  des  Feigenbaumes  erstreckte  sich  von  den  ostara- 
lischen  Steppenländern,  zwischen  Jaxartes  und  Oxus  längs  der  Süd-  und 
Südwestgestade  des  Kaspischen  Meeres  (Ghilan,  Masenderan  und  Kaukasien), 
durch  das  obere  und  mittlere  Mesopotamien,  über  Kleinasien,  Syrien,  Palä- 
stina und  die  Küstensäume  des  Rothen  Meeres,  westwärts  vielleicht  auch 
schon  ursprünglich  bis  Griechenland.  Er  steigt  in  diesen  Ländern  bis  in 
die  Bergregion,  im  Taurus  z.  B.  unzweifelhaft  wild  bis  4800  Fuss,  fehlt 
aber  in  Südpersien  und  den  heissen  Tiefländern  (Irak-Arabi)  des  unteren 
Euphrat  und  Tigris.  Ritter  (Asien  VII.  2.  511)  hat  das  Vorkommen  des 
Feigenbaumes  sehr  ausführlich  und  anziehend  erörtert. 

Die  Kultur  hat  aber  die  Feige  schon  sehr  frühe  weiter  verbreitet,  zunächst 
wohl  aus  Syrien  und  Griechenland  nach  Italien  und  von  da  zur  Zeit  des 
Pliuius  nach  Spanien  und  Gallien. 

Jetzt  findet  sich  der  Feigenbaum  in  sehr  vielen  wärmeren  und  gemäs- 
sigten Ländern,  in  Ostindien  so  gut  wie  in  Chili  und  in  Mexico,  wohin  er 
schon  1560  durch  Cortez  gelaugte.  Er  ist  ausserordentlich  leicht  zu  behan- 
deln, durch  Samen,  Steckreiser  oder  durch  Pfropfen  zu  vermehren,  nimmt 
fast  mit  jedem  Boden  vorlieb  und  überwintert  noch  in  geschützten  Lagen 
Südenglands  und  Mitteleuropas.  1820  jedoch  erfroren  schon  in  der  Pro- 
vence sämmtliche  Feigenbäume. 

Das  Genus  Ficus  zählt  vorzüglich  in  den  Tropenläudern  Asiens  und 
Afrikas  eine  sehr  grosse  Menge  von  Arten,  bald  Sträucher,  bald  gewaltige 
prachtvolle  Bäume.  Sie  sind  ausgezeichnet  durch  die  Milchsaftgefässe, 
welche  ihre  grünen  Theile  und  die  Innenrinde  durchziehen  und  Säfte  führen, 
welche  entweder  technisch  als  Kautschuk  nutzbar  sind  oder  scharfe  bis 
geradezu  giftige  Eigenschaften  zeigen,  oder  aber,  wenigstens  bei  der  Frucht- 
reife, geniessbar  sind. 

Die  gewöhnlich  diklinischen  unscheinbaren  Blütheu  entspringen  wie  bei 


Caricae. 


577 


deu  nächst  verwandten  Artocarpeen,  sehr  zahlreich  und  dicht  gedrängt  auf 
einem  gemeinschaftlichen  Bhithenboden.  Bei  manchen  Artocarpeen,  z.  B. 
bei  Dorsteuia,  ist  dieser  Blüthenboden  flach,  ähnlich  wie  bei  den  Compo- 
siten,  oder  nur  am  Rande  etwas  heraufgebogen.  Ficus  aber  erhält  da- 
durch einen  sehr  eigenthümlichen  Fruchtstand  (Sammelfrucht),  dass  der 
Blüthenboden  oder  Fruchtboden  nicht  nur  heraufgebogen , sondern  bis  auf 
eine  kleine  Oeffnung  geschlossen  ist  und  eher  einer  bimförmigen  bis  kuge- 
ligen, oben  etwas  eiugedriickten  Einzelfrucht  gleicht. 

Ficus  Carica  ist  ein  strauchartiger  oder  bis  30  Fuss  hoher  Baum  mit 
breiter  Krone,  dem  die  langen,  oft  sonderbar  gebogenen,  sehr  brüchigen 
Aeste  ein  höchst  eigenthümliches  plumpes  Aussehen  verleihen,  zumal  vom 
December  bis  April,  wo  in  Südeuropa  der  Baum  entblättert  ist.  Die  Feigen 
finden  sich  einzeln,  von  kleinen  Deckblättchen  gestützt,  auf  kurzem  Stiele, 
in  deu  Blattwinkeln  oder  dicht  über  den  Narben  abgeworfener  Blätter.  Der 
etwa  0,005m  dicke  Blüthenboden  ist  anfangs  sehr  zähe  lederig,  innen  weiss, 
aussen  grün  und  ergiesst  bei  der  geringsten  Verwundung  aus  den  sehr  zahl- 
reichen Milchsaftschläuchen  weissen  scharfen  Saft.  Die  Mündung  der  Schein- 
frucht ist  enge  und  durch  kleine  Deckblättchen  fast  vollständig  geschlossen. 
Die  innersten  biegen  sich  in  die  Höhlung  herein,  welche  mit  den  kleinen 
grünlichen  oder  röthlichen  Blüthen  und  zwischen  denselben  mit  kurzen 
dicken  Börstchen  ausgekleidet  ist.  Nur  in  der  Nähe  der  Münduug  sitzen 
männliche  Blüthen , fehlen  aber  sehr  häufig  ganz , oder  bilden  sich  nicht 
aus,  besonders  bei  kultivirten  Früchten,  so  dass  die  verhältnissmässig  etwas 
kürzer  gestielten  Stempelbliithen  immer  vorherrschen.  Sie  bestehen  aus 
einem  3-  bis  5 blätterigen  Perigon  und  2spaltigem,  seltener  ungetheiltem 
Griffel.  Der  fast  immer  einfächerige  Fruchtknoten  wächst  zu  einem  eiför- 
migen,  2 Millim.  grossen  harten  Steinfrüchtchen  aus,  sofern  dasselbe  nicht 
fehlschlägt,  wie  bei  einzelnen  Spielarten  regelmässig  geschieht. 

Beim  Heranreifen  der  Feige  wird  das  Fruchtfleisch  saftiger  und  weicher, 
bis  gallertartig,  innen  gelblich  bis  purpurn;  die  Aussenfläche  bleibt  grün- 
lich oder  färbt  sich  in  sehr  verschiedenen  Abstufungen  bräunlich,  röthlicli 
bis  tief  violett  oder  blauschwarz,  oft  mehrfarbig  gestreift,  wie  angehaucht 
oder  bereift.  Die  im  allgemeinen  bimförmige  bis  kugelige,  selten  platt 
gedrückte  Gestalt  der  Feige  ist  weniger  Abänderungen  unterworfen  als  die 
Grösse.  Es  gibt  Spielarten  (Fico  minutello  in  Neapel),  die  nur  den  Umfang 
einer  Haselnuss  erreichen.  Gegen  die  Reife  verliert  der  Milchsaft  die  Schärfe, 
verdickt  sich  und  vermag  nicht  mehr  auszufliessen,  so  dass  der  Geschmack 
der  ganzen  Fruchtbildung  sehr  angenehm  süss  und  schleimig  wird.  Zuletzt 
platzt  auch  wohl  die  Feige  und  lässt  dicken  Zuckersaft  austreten.  Die 
trockenen  käuflichen  Feigen  besitzen  einen  schwachen  eigenthümlichen, 
nicht  unangenehmen  Geruch. 

Der  Neapolitaner  Gasparrini  (1845)  trennte  Ficus  Carica  in  2 Gat- 
tungen und  mehrere  Arten,  welche  alle  in  ihren  Früchten  wieder  Unter- 
schiede zeigen,  je  nachdem  dieselben  im  Knospenzustande  überwintern,  erst 

Fliickigcr,  Pharmakognosie.  37 


578 


Früchte. 


zu  Anfang  des  Frühjahrs  neben  den  Narben  abgefallener  Blätter  anschwellen 
und  bei  Neapel  z.  B.  vom  April  bis  Juni  reifen:  Fichi  fiori  (Blumeofeigen) 
oder  grossi,  oder  aber  an  frischen  Trieben  im  Frühling  auftreteu  und  im 
Sommer  vor  dem  Blattfalle  reifen:  forniti,  oder  endlich  erst  im  Winter  nach 
dem  Blattfalle,  vom  October  au  zeitigen : cratiri.  Den  fiori,  grossi  oder  orni 
fehlen  immer  keimfähige  Samen.  Die  Reife  der  Feigen  tritt  übrigens  nicht 
gleichzeitig  ein,  sondern  schreitet  am  Baume  von  unten  nach  oben  allmälig 
vor,  so  dass  er  fast  fortwährend  reife  Früchte  aufweist.  Er  gehört  überhaupt 
zu  den  ertragreichsten  Obstbäumen,  da  fast  jeder  Blattwinkel  seine  Feige 
bringt.  — Die  Unterschiede,  wonach  Gasparrini,  wie  übrigens  weniger 
bestimmt  auch  schon  Theophrast,  Plinius,  Dioskorides  und  Linue 
gethan,  den  verwilderten  Feigenbaum  als  eigenes  Genus  Caprificus,  mit 
mehreren  Arten  von  Ficus,  dem  kultivirten,  trennen  wollte,  berechtigen 
aber  höchstens  zur  Aufstellung  von  Varietäten , die  bei  diesem  so  äusserst 
werthvollen  und  viel  gepflegten  Baume,  so  gut  wie  bei  unserem  Obste,  sehr 
zahlreich  sind.  Der  königliche  Gartendirektor  in  Neapel,  Dehnhardt, 
hat  (1859)  z.  B.  nur  allein  aus  seiner  Umgebung  über  50  Spielarten 
geschildert. 

Der  wilde  oder  verwilderte  Baum,  Gasparrini’s  Caprificus  insectifera, 
Caprifico  der  Italiener,  zeichnet  sich  dadurch  aus,  dass  sich  in  seinen  kaum 
geniessbareu  Früchten  in  sehr  grosser  Zahl  eine  kleine  Wespe,  Blastophaga 
Psenes  Löw  (Psenes  Caprifici  Scacchi,  Cynips  Psenes  L.)  einnistet  und  in 
der  Höhlung  ihre  Eier  legt.  Diese  so  besetzten  Feigen,  Caprifichi  der  Ita- 
liener, Oriniä  der  Neugriechen,  werden  je  zu  zwei  an  Binsenhalme  oder 
Reiser  gesteckt  und  auf  kultivirte  Feigenbäume  geschleudert,  wo  die  Wespen 
ausschlüpfen,  des  Morgens  und  Mittags  in  Unzahl  schwärmen  und  durch 
ihren  Stich  sehr  belästigen.  Sie  sollen  dann  auch  in  die  kultivirten  Feigen 
ein  dringen , darin  in  Folge  des  Stiches  (?)  eine  gewisse  Vermehrung  des 
Säftezuflusses  und  grössere  Wärme  erzeugen  und  dann  zu  Grunde  gehen. 
Dieses  ganze  Verfahren,  schon  von  den  alten  Griechen  als  Eriuiasma,  von 
den  Römern  als  Caprificatio  geübt,  soll  das  Abfallen  der  Feigen  vor  der 
Reife  verhindern  und  diese  letztere  beschleunigen,  überhaupt  den  Ertrag 
des  Baumes  sehr  steigern.  Obgleich  in  Griechenland  und  in  Süditalien  der 
Volksglaube  unerschütterlich  an  dieser  Caprification  festhält  und  sie  seit 
Jahrtausenden  mit  ansehnlichen  Opfern  au  Zeit  und  Geld  (da  die  Caprifichi 
oft  tlieuer  angekauft  werden  müssen)  betreibt,  so  ist  sie  doch  uach  Dehn- 
bar dt  und  andern  Augenzeugen  ganz  nutzlos.  Niemals  hat  dieser  Beob- 
achter das  Insekt  in  eine  kultivirte  Feige  eintreten  sehen  uud  v.  Heldreich 
berichtet,  dass  in  Griechenland  bei  Mangel  an  „Oriniä“  auch  mit  demselben 
Erfolge  mit  Hülfe  der  ersten  besten  gallenartigen  Auswüchse,  welche  z.  B. 
Blattläuse  auf  Pappeln  und  Ulmen  erzeugen,  caprificirt  wird!  Endlich 
unterbleibt  in  manchen  Ländern,  z.  B.  auf  Madeira,  in  Südfrankreich,  selbst 
in  einigen  Theilen  Griechenlands,  die  Caprification  ganz. 

Die  Feigen  werden  in  ungeheuerer  Menge  in  den  südlichen  Ländern  als 


Caricae. 


579 


Nahrungsmittel,  theils  frisch  genossen,  tlieils  zu  etwas  längerer  Anfbewah- 
rlinlr  iu  Backöfen  getrocknet  oder  kalb  gebraten.  Ihre  Haltbarkeit  ist  jedoc  i 
ziemlich  beschränkt  und  nur  einzelne  Sorten  werden  in  sehr  grosser  Menge 
aus  beführt  So  vorzüglich  kleinasiatische  über  Smyrna,  welcher  Platz  allein 
lg5g  z ß über  95,000  Ctr.  lieferte.  Sie  werden  hier  sortirt,  die  besten 
mit  Lorbeerblättern  in  Holzschachteln,  die  geringeren  auch  in  Körbe  ver- 
packt und  gelten  allgemein  als  die  besten  und  ansehnlichsten  Feigen.  Lm- 
zelne  Sorten  siud  schwärzlich,  die  meisten  graugelblich,  wie  auch  die 
griechischen. 

Zu  uns  gelangen  fast  ausschliesslich  die  griechischen  Feigen  aus  Kala- 
mata  am  Meerbusen  von  Messenien  und  von  den  Inseln  Andros  und  Syios 
(Syra).  Sie  werden  platt  gedrückt,  auf  Bastschnüre  oder  Cyperus- Halme 
gereiht  und  in  grosse  Fässer  verpackt,  welche  meist  nach  Triest  gehen. 
Diese  grossen,  etwas  ledern-dickhäutigen  Kranzfeigen,  Caricae  in  coro- 
nis,  sind  durch  Haftbarkeit  ausgezeichnet.  Nach  Jahresfrist  werden  sie 
jedoch  auch  sehr  trocken,  bedecken  sich  mit  auswitterndem  Tiaubenzuckei 
und  verlieren  sehr  au  Schmackhaftigkeit.  Häufig  stellen  sich  auch  Mil- 


ben ein. 

Aus  Neapel  werden  iu  Körbchen  calabrische  Feigen  ausgefühlt,  welche 
kleiner  und  weicher  als  die  griechischen,  aber  weniger  haltbar  sind,  jedoch 
im  Spätjahr  früher  auf  dem  Markte  erscheinen. 

In  Indien  gezogene  Feigen  schmecken  nicht  unangenehm,  stehen  aber 
den  kleiuasiatisclien  oder  griechischen  sehr  nach  und  werden  nicht  ver- 
sandt. 

Das  Gewebe  der  käuflichen  Feige  besteht  aus  schlaffem  dünnwandigem 
Parenchym,  dessen  im  Innern  ansehnliche  und  etwas  gestreckte  Zellen  nach 
aussen  sehr  an  Grösse  abnehmen,  so  dass  diese  weit  dichteren  und  mit 
sehr  zahlreichen  kleinen  Drusen  von  Kalkoxalat  erfüllten  Schichten  eine 
Art  von  Rinde  bilden,  die  sich  durch  grössere  Zähigkeit  und  geringere 
Süssigkeit  bemerklich  macht.  Das  innere  Gewebe  durchziehen  ohne  Regel- 
mässigkeit ziemlich  zahlreiche  Gefässbündelchen  und  grosse,  wenig  ver- 
zweigte, bis  über  30  Mikromill.  dicke  Milchsaftschläuche  mit  festem  kör- 
nigem oder  grossklumpigem,  im  Wasser  nicht  sichtlich  lösbarem  Inhalte, 
vermuthlich  der  Hauptsache  nach  Gummi  (Bassorin).  Daneben  kommen 
grössere,  nicht  gut  ausgebildcte  Oxalatkrystalle  vor.  Die  innere  Wand  der 
Feige  ist  zwischen  den  Blüthen  oder  Früchtchen  mit  spitzigen  dickwandigen 
hohlen  Börstchen  von  sehr  einfacher  Gestalt  besetzt,  die  Früchtchen  in 
süsses  weiches  gallertartiges  Mus  eingebettet. 

Hauptbestandteil  der  Feigen  ist  der  Traubenzucker,  welcher  60 — 70 
pC.  der  trockenen  Waare  ausmacht.  Gummi  und  Fett  scheinen  nur  in  sein- 
geringer  Menge  vorhanden  zu  sein. 

Die  Feigen  spielten  bekanntlich  schon  in  der  phönikisch- hebräischen, 
so  wie  in  der  griechisch- römischen  Welt  als  Nahrungsmittel  und  Arzneistoff 
eine  grosse  Rolle.  Die  lateinische  Bezeichnung  carica  (sc.  ficus)  weist  auf 

37* 


580 


Früchte. 


das  kleinasiatische  Karien  hin,  welcher  Strich,  Rhodus  gegenüber,  den  Rö- 
mern vermuthlich  eine  vorzügliche  Sorte  lieferte , — die  heutige  Srnyr- 
naische.  Ficus  scheint  dem  griechischen  Ausdrucke  Eu'/.ov  für  Feige  uach- 
gebildet  zu  sein.  — Karl  d.  G r.  befahl  den  Anbau  des  Baumes  in  Mitteleuropa. 

Die  Feigen  des  Ficus  Sycomorus  L.,  eines  altberühinten  grossen,  in 
Unter-  und  Mittel- Aegypten  und  Palästina  einheimischen  Baumes,  werden 
daselbst,  obwohl  weniger  wohlschmeckend  und  etwas  gewürzhaft,  gleich- 
falls gegessen.  Die  Frucht  der  jetzt  in  Südeuropa  eingebürgerten  westindi- 
schen Opuntia  ficus  inciica  Haw.  (Cactus  Opuntia  L.)  ist  die  sogenannte 
indische  Feige. 


Fructus  Sambuci. 

Baccae  Sambuci.  Holunderfrüchte.  Holunderbeeren.  Bares  ou  fruits  de 

sureau.  Eider  fruit. 

Der  halbunterständige  Fruchtknoten  der  Holunderblüthe  (siehe  bei  Flo- 
res Sambuci)  enthält  3 oder  weniger  oft  2 einsanrige  Fächer,  welche  bei 
der  Reife  von  dem  uuteren  Tlieile  (Unterkelche)  des  ersteren  eingeschlossen 
werden.  Derselbe  wächst  zu  einem  länglich  - runden , glänzend  schwarzen 
weichen  Früchtchen  von  etwa  6 Millim.  Durchmesser  aus,  welches  von  dem 
wenig  umfangreichen  kreisrunden , nach  dem  Verblühen  nicht  weiter  aus- 
gebildeten oberstäudigen  (aus  3 oder  2 verwachsenen  Fruchtblättchen  her- 
vorgegaugeuen)  Theile  des  Fruchtknotens,  von  den  kleinen  Kelchzähnen 
und  von  der  eiugeschrumpften  Narbe  gekrönt  ist.  Das  sehr  lockere  Frucht- 
fleisch ist  mit  purpur-violettem1) , unangenehm  siisslichem , schwach  säuer- 
lichem Safte  erfüllt.  Die  kleinen  bräunlichen  runzeligen  Steiukerne  sind 
aufrecht,  länglich  eiförmig,  nach  aussen  etwas  gewölbt  und  schliesseu  in 
der  harten  Schale  einen  eiweisshaltigen  ölreichen  Samen  ein. 

Nach  Enz  kommen  im  Fruchtfleische  vor : Spuren  von  ätherischem 
Oele,  flüchtige  Säuren  der  Fettsäurenreihe  (Baldriansäure  u.  s.  f.),  Mein- 
säure, Aepfelsäure,  Wachs,  Harz,  Gummi,  Eiweiss,  gährungsfähiger  Zucker, 
anorganische  Salze,  eisengrünender  Gerbstoff,  Bitterstoff.  Der  Farbstoff 
wird  durch  Bleizucker  blau  gefällt. 

Die  Früchte  werden  frisch  zur  Darstellung  des  Rob  Sambuci  (Succus 
Sambuci  iuspissatus)  verwendet,  dessen  Geschmack  vielleicht  wegen  der 
Verflüchtigung  der  Fettsäuren  bei  weitem  angenehmer  und  milder  ist  als 
der  des  frischen  Saftes.  Beim  Trocknen,  wobei  sie  % ihres  Gewichtes  ver- 
lieren, schrumpfen  die  Früchtchen  unförmlich  ein.  Sie  führten  früher  den 
Namen  Grana  Actes  nach  der  schon  von  Theophrast  für  Sambueus 
nigra  gebrauchten  Bezeichnung  Akte,  welche  jetzt  im  deutschen  Attich  auf 
Sambueus  Ebulus  übertragen  ist.  Die  Früchtchen  der  letzteren  sehen  denen 
der  S.  nigra  auch  in  chemischer  Hinsicht  sehr  ähnlich,  sind  aber  kleiner 


l)  daher  der  Name  des  Genus:  ütxpßuf  oder  savou^,  rother  Farbstoff  (Menuige). 


Jujubae. 


581 


und  enthalten  meist  4 Samen.  Die  Kelchreste  treten  an  der  trocken  mehr 
bräunlichen  Frucht  stärker  hervor. 

Jujubae. 

Zizypha.  Baccae  s.  fructus  Jujubae  gallicae.  Brustbeeren.  Jujubes.  Jujub. 

Zizyphus  vulgaris  Lamavck.  — Rhamneae. 

Syn.:  Z.  sativa  Duhamel. 

Rhamnus  Zizyphus  L. 

Ein  kleiner,  etwa  20  Fuss  hoher  Baum  oder  krummästiger  und  dorni 
ger  Strauch,  ursprünglich  im  Oriente  von  Syrien  bis  Persien  einheimisch, 
jetzt  in  den  Mittelmeerländern  angebaut  und  verwildert. 

In  den  Blattwinkeln  der  lebhaft  braunen,  meist  hin-  und  hergekuickteu 
Zweige  erscheinen  gewöhnlich  zu  mehreren  die  hängenden  glänzend  schar- 
lachrothen  Früchte.  Sie  sind  länglich -eiförmig,  etwa  0,03"'  lang,  kaum 
halb  so  dick,  an  dem  einen  der  breit  gerundeten  Enden  von  den  sehr  kur- 
zen spitzen  Griffelresten  gekrönt,  am  andern  vertieft  genabelt  und  kurz  ge- 
stielt, nach  dem  Trocknen  sehr  grob  runzelig  eingeschrumpft.  Die  dünne, 
aber  sehr  zähe  lederige  Fruchthaut  schliesst  ein  schwammiges,  nicht  sehr 
saftreiches  Fieberiges  Fleisch  ein , wovon  £ie  sich  nicht  rein  abziehen  lässt. 
Iu  der  trockenen  reifen  Frucht  ist  das  Fleisch  weisslich  bis  bräunlich , von 
grossen  radial  gerichteten  und  zahlreicheren  kleinen  Höhlungen  durchsetzt. 
Den  grössten  Theil  des  Centrums  nimmt  aber  der  knöcherne,  ursprünglich 
zweifächerige  Steinkern  ein,  der  in  runzeliger  dicker,  besonders  nach  oben 
scharf  zugespitzter  Schale  nur  einen  Samen  zu  enthalten  pflegt. 

Die  braunrothe  äussere  Fruchthaut  ist  aus  kleinen,  sehr  gedrängten, 
ziemlich  dickwandigen  Tafelzelleu  gebaut  und  aussen  noch  mit  einer  glas- 
hellen  Epidermis  bedeckt.  Das  lockere  Gewebe  des  Fruchtfleisches , aus 
nicht  sehr  ansehnlichen  kugeligen  Zellen,  zeigt  spärlichen  Inhalt  von  bräun- 
lichen körnig -wolkigen  Klümpchen  und  da  und  dort  eine  kleine  Oxalat- 
Druse. 

Die  Brustbeeren  schmecken  angenehm  schleimig-süss. 

Der  Brustbeeren -Strauch  wurde  zur  Zeit  des  Kaisers  Augustus  nach 
Italien  verpflanzt.  Die  früher  mehr  als  Nahrungsmittel  verwendete  Frucht 
wurde  wohl  hauptsächlich  von  den  Arabern  iu  die  Medicin  eingeführt;  we- 
nigstens stammen  ihre  Namen  vom  arabischen  Zizuf  ab.  Als  Heilmittel  fin- 
den wir  sie  bereits  von  Gargilius  Martialis  im  dritten  oder  vierten  Jahr- 
hundert nach  Chr.  aufgeführt;  in  Deutschland  wurde  der  Strauch  zuerst 
wohl  von  Albert  d.  Grossen  im  XIII.  Jahrh.  erwähnt. 

Zizyphus  Lotus  Lam.,  der  Lotosbaum  der  Alten,  in  Nordafrika,  weni- 
ger in  Südeuropa  einheimisch,  besitzt  nur  halb  so  grosse,  zähere,  weniger 
süsse  Früchte.  Sehr  wohlschmeckend  sind  dagegen  diejenigen  der  ostiudi 
sehen  Z.  Jujuba  Lam.,  welche  aber  nicht  zu  uns  gelangen. 


Friichto. 


582 

Siliqua  dulcis. 

Fructus  Ceratoniae.  Johannisbrot.  Caroubes1).  Johnsbread. 

Ceratönia  Siliqua  L.  — Caesalpinieae. 

Der  Johannisbrotbaum,  durch  seine  Tracht  au  den  Apfelbaum  erinnernd 
und  wie  dieser  sehr  ergiebig,  scheint  ursprünglich  trockenen  felsigen  Strichen 
Nordafrikas  und  wohl  auch  Mesopotamiens  anzugehören. 

Seine  Verbreitung  über  das  ganze  Gebiet  des  Mittelmeeres  bis  Anato- 
lien, Dalmatien  und  Portugal  dürfte  hauptsächlich  durch  den  arabischen 
Einfall  in  Sicilien  befördert  worden  sein.  In  sehr  grosser  Meuge  wächst 
der  Baum  jetzt  z.  B.  bis  1000  Fuss  über  dem  Meere  auf  Cyperu,  wo  die 
Bezirke  Limasol,  Kerinia,  Mazota,  Lefkara  jährlich  90,000  bis  200,000  Ctr. 
seiner  Früchte  in  einer  sehr  geschätzten  Sorte  ausführen.  Auf  Malta  ist  er 
fast  der  einzige  Baum.  Cypern,  Chios  und  Kreta  cultiviren  eine  durch 
Pfropfen  veredelte  Spielart  mit  grösseren,  fleischigeren  und  süsseren  Früch- 
ten. Ein  Baum  liefert  bis  80  Pfund  Früchte.  — Die  von  den  Reisenden  in 
Südamerika  (von  Markham  z.  B.  bei  Y<)a,  südlich  von  Lima)  angegebenen 
Johannisbrotbäume  sind  nicht  unsere  Ceratönia,  sondern  die  Algaroba 
Bäume,  Prosopis  Siliquastrum  DC.,  Pr.  dulcis  H.  B.  u.  Kth.,  Pr.  ßexuosa 
DC.,  Familie  der  Mimoseae.  Ihre  Hülsen  werden  gegessen. 

Wir  erhalten  das  Johannisbrot  meist  aus  dem  Neapolitanischen  (Mola), 
aus  Sicilien  (Avola)  und  Spanien. 

Die  Frucht  ist  eine  nicht  aufspringende  gerade  oder  etwas  gebogene, 
bis  über  0,20m  lange  Hülse  von  glänzend  dunkelbrauner  Farbe.  Sie  hängt 
in  grosser  Menge  am  dicken,  kaum  0,010  langen  Stiele  vom  Baume  herab. 
Vom  Stiele  aus  läuft  an  jeder  Schmalseite  der  flach  gedrückten,  gegen  0,03“ 
breiten  Hülse  eine  breite  Furche  nach  der  sehr  kurz  hervorgezogeueu  oder 
auch  ganz  unscheinbaren  Spitze,  welche  gewöhnlich  nicht  genau  den  Schei- 
tel der  Frucht  einnimmt,  sondern  meist  etwas  gegen  diejenige  Furche  her- 
übergerückt ist,  welche  durch  eine  oft  kaum  bemerkbare  Naht  als  ursprüng- 
liche Bauchfläche  bezeichnet  wird. 

Die  Ränder  zu  beiden  Seiten  der  Längsfurchen  sind  stark  wulstig  ver- 
dickt , so  dass  die  breiten  Seiten  der  Frucht  ihrer  ganzen  Länge  nach  tief 
eingesunken  sind.  Während  die  Dicke  eines  Randes  0,012“  beträgt,  ist  die 
Hülse  in  der  Mitte  nur  0,00Gm  stark,  quillt  aber  im  Wasser  auf  feinen 
Querschnitten  auch  in  der  Mitte  zu  0,012  Mill.  Dicke  auf. 

Die  flachen  Seiten  sind  mit  zarten  kurzen  wellenförmigen  Adern  dicht 
besetzt,  welche  im  ganzen  so  geordnet  sind,  dass  sie  in  sehr  spitzen  Win- 
keln zusammenfliessen  , deren  Oeffnuug  gegen  den  Stiel  gerichtet  ist.  ic 
Ränder  sind  mehr  grob  längssehnig. 


l)  italienisch:  Carobbe,  arabisch:  Karub  oder  Kbarnub.  Auch  andere  Hülsen  heissen  im 
arabischen  so,  z.  B.  diejenige  von  Acacia  albida  Willdenow,  die  in  Nordostafrika  gegessen 
wird:  Kharrüb-cl-'Arab  (Hart mann). 


Siliqua  dulcis. 


583 


Wird  die  starre  mürbe  Hülse  so  aufgeschnitten , dass  das  Messer  der 
Länge  nach,  aber  senkrecht  zur  Fruchtfläche  tief  durch  eine  Schmalseite 
geht,  so  findet  man  dieselbe  ganz  und  gar  eingenommen  von  zwei  Reihen 
grosser,  horizontal  übereinander  gelegter  leerer  Hohlräume  mit  glatten 
Wänden.  Sie  sind  von  eiförmiger  oder  elliptischer  Gestalt,  mit  der  Spitze 
gegen  das  Innere  gewendet,  so  dass  jeder  der  4 Randwülste  bis  in  die 
äusserste  Spitze  und  an  den  Fruchtstiel  seine  besondere  Yertikalreihe  sol- 
cher Lücken  einschliesst,  welche  nicht  zu  Tage  tritt,  wenn  die  Frucht  der 
Länge  nach  in  der  Mitte  durchschnitten  wird. 

Die  Hülse  enthält  bis  14  Samen  einzeln  in  flachen  spitz  elliptischen 
Fächern,  welche  parallel  mit  den  Fruchtflächen  zusammengedrückt  sind, 
so  dass  ihr  Querschnitt  eine  nur  3 bis  4 Millim.  breite  und  viermal  so  lange 
Ellipse  beschreibt.  Diese  Fächer  nehmen  fast  die  ganze  Breite  der  Frucht 
ein  und  sind,  etwas  gegen  den  Stiel  hin  geneigt,  stockwerkartig  über  ein- 
ander aufgebaut,  durch  nur  0,005m  mächtige  Lagen  des  Fruchtfleisches 
von  einander  geschieden,  während  die  senkrechte  Höhe  eines  Faches  etwa 
das  doppelte  beträgt. 

Jedes  Fach  ist  mit  einer  dünnen,  aber  sehr  zähen  Haut  von  gelblicher 
Farbe  ausgekleidet.  Obwohl  diese  innere  Fruchthaut  in  der  trockenen  Hülse 
sehr  eingeschrumpft  ist,  so  füllt  doch  der  übrigens  entsprechend  gestaltete, 
nur  breitere,  sehr  harte  Samen  das  Fach  nicht  aus  oder  treibt  es  nur  zu 
geringen,  auf  den  beiden  Aussenflächen  der  Frucht  wenig  hervortretenden 
Erhöhungen  auf. 

Der  Same  ist  im  Fache  durch  einen  dünnen,  bis  3 Millim.  langen  Nabel- 
strang der  Bauchnaht  angeheftet  und  durch  die  seitlich  angedrückte  Wand 
des  Faches  (innere  Fruchthaut)  in  der  Mitte  desselben  eingeklemmt.  Mit 
Ausnahme  des  schwarz  angelaufenen  Nabels  und  des  gleich  gefärbten  ent- 
gegengesetzten Endes  des  Samens  (Chalaza)  ist  die  Oberfläche  glatt  roth- 
braun  und  schwach  glänzend.  Mit  der  dünnen,  aber  sehr  harten  und  zähen 
Samenschale  ist  ein  grauliches  durchscheinendes  hornartiges  Eiweiss  fest 
verwachsen  und  birgt  einen  gradeu  gegenläufigen  Keimling,  dessen  dicke 
gelbe  aderige  Kotyledonen  von  der  Gestalt  des  Samens  etwas  wellig  zu- 
sammengelegt sind.  Sie  entspringen  aus  einem  kurzen  dicken  Würzelchen. 

Die  Hülse  ist  an  der  Bauchnaht  und  an  der  entgegengesetzten  Schmal- 
seite von  starken  holzigen  Bastbiiudeln  durchzogen  und  enthält  zwischen 
den  Kammern  (Lücken)  der  Randwülste  und  den  Samenfächern  ein  gelb- 
liches saftiges,  aber  doch  ziemlich  derbes  Fruchtfleisch,  von  welchem  sich  die 
dünne  ledorige  äussere  Fruchthaut  so  wenig  als  die  Wandung  der  Samen- 
fächer abziehen  lässt.  Hierdurch  wird  der  Wohlgeschmack  des  süssen  Fie- 
berigen Fleisches  sehr  beeinträchtigt. 

Dünne  Querscheiben  der  Frucht  quellen  in  Wasser  so  auf,  dass  sie  im 
Umrisse  ein  langes,  an  den  Ecken  abgerundetes  und  auf  den  Schmalseiten 
nur  wenig  eingebuchtetes  Rechteck  darstellen.  Von  den  Buchten  aus  schlägt 
sich  parallel  mit  der  Längenaxe  des  Rechteckes  die  gelbe  iunere  Frucht 


584 


Früchte. 


haut  von  beiden  Seiten  doppelt  einwärts  und  bildet  so  in  der  Mitte  die 
Sameufächer. 

Die  äussere,  etwa  140  Mikromill.  dicke  Fruchthaut  zählt  ungefähr  8 
Reihen  kleiner,  etwas  quer  gedehnter  Zellen  mit  sehr  derben  braunen  Wän- 
den und  ebenso  gefärbtem  Inhalte , der  sich  als  Gerbstoff  erweist.  Diese 
Schicht  ist  mit  einer  Oberhaut  von  engeren,  mehr  kubischen  oder  gewölbten 
Zellen  belegt,  deren  äussere  glashelle  Waudungen  eine  sehr  fest  zusammen- 
hängende widerstandsfähige  Haut  bilden.  Ein  feiner  (Tangential-)  Schnitt 
durch  dieselbe,  parallel  zur  Fläche,  zeigt  ihre  kleinen,  3-  bis  Geckigeu  Zellen 
aufs  engste  verbunden  und  nur  durch  Spaltöffnungen  unterbrochen. 

Die  innere  Fruchthaut  enthält,  unmittelbar  an  die  äussere  anstosseud, 
eine  Reihe  sehr  starker,  scharf  umschriebener,  schwach  gelblicher  oder  fast 
farbloser  Bündel  aus  zahlreichen,  stark  verdickten  porösen  Baströhren.  Die 
einzelnen  Baststränge  sind  durch  dünnwandiges  Parenchym  oder  durch 
grosse  Steinzellen  getrennt.  Nach  innen  zu  steht  vor  den  Bastbüudelu  ein 
Streifen  krystallführeudeii  Bastparenchyms,  dann  weitmaschiges  lockeres 
Gewebe,  endlich  zartes  Cambialprosenchym  und  zuletzt  feine  krumme  Spiral- 
gefässe.  Durch  diese  verschiedenen,  mit  dem  Fruchtfleische  kontrastireudeu 
Gewebe  werden  auf  dem  Querschnitte  meist  mehrere  einzelne  Bastbündel 
zu  höchstens  etwa  1 Millim.  tief  in  das  Fleisch  eindringenden  Keilen  zu- 
sammengefasst. Innerhalb  dieser  durch  die  Loupe  schon  sichtbaren  Keile 
ist  das  Fleisch,  mit  Ausnahme  der  Stellen,  wo  sich  die  innere  Fruchthaut 
zu  den  Samenfächern  einstülpt,  frei  von  Gefässen  und  Baströhren. 

Die  Bastbüudel  streichen  nicht  genau  vertikal,  ihr  Verlauf  zeigt  sich 
im  grossen  vollkommen  deutlich,  ohne  Yergrösserung  auf  der  Oberfläche 
der  Hülse.  Wo  sich  aber  die  innere  Fruchthaut  einschlägt,  um  die  Sameu- 
fächer  zu  bilden,  gehen  nur  die  Baströhren  uud  das  sehr  krystallreiche 
Bastparenchym  in  die  Zusammensetzung  der  pergamentartigen  glänzenden 
Fachwand  ein,  eine  ungefähr  70  Mikromill.  starke  Schicht  bildend,  deren 
Bündel  aber  horizontal  liegen  und  welche  innen  noch  mit  eiuigen  Reihen 
dickwandiger,  Schleim  führender  Zellen  ausgekleidet  ist. 

Die  den  Randwülsten  der  Frucht  ungehörigen  Kammern  oder  Lücken 
hingegen  sind  nicht  mit  einer  eigenen  Wand  versehen. 

Das  ganze  Füllgewebe  zwischen  den  4 Reihen  der  leeren  Kammern  und 
den  Samenfächern  ist  ein  sehr  grosszelliges  Parenchym  mit  diiuneu  löche- 
rigen Wänden.  In  den  äusseren  Schichten  und  längs  der  Sameufächer  und 
der  eingestiilpteu  Fruchthaut  sind  die  Zellen  dieses  Fruchtfleisches  kugelig 
oder  eiförmig,  in  den  mittleren  Schichten  nehmen  sie  aber  eine  sehr  bedeu- 
tende radiale  Streckung,  bis  gegen  Va  Millimeter  an.  Sie  sind  im  ganzen 
horizontal  gelagert,  greifen  mit  spitzen  Enden  in  einander  ein  und  werden 
daher  ihrer  ganzen  Länge  nach  getroffen,  wenn  mau  einen  Querschnitt  oder 
einen  Längsschnitt  vertikal  zu  den  Seitenflächen  durch  die  Hülse  führt. 
Schneidet  man  dieselbe  aber  parallel  zu  ihren  Seitenflächen  au,  so  erhält 
mau  den  Querschnitt  der  langgestreckten  Zellen  des  Fruchtfleisches. 


Siliqua  dulcis. 


585 


Ein  Theil  des  Fruchtfleisches,  besonders  häufig  die  langgestreckten 
Zellen  seiner  Mittelschicht  und  der  Umgebung  der  leeren  Kammern  um- 
sch Hessen  mit  ihrer  zarten  Zellwand  höchst  eigentümliche  starke  Säcke 
von  kupferroter,  etwas  ins  violette  spielender  Farbe.  Jeder  solcher  Sack 
entspricht  in  seiner  Gestalt  ungefähr  der  umhüllenden  Zelle,  sitzt  jedoch 
nur  lose  in  derselben.  Es  gelingt  daher  sehr  leicht,  diese  Zellsäcke  in  be- 
liebiger Zahl  aus  feinen  Schnitten  herauszudrücken.  Manche  derselben  er- 
reichen eine  Länge  von  3/4  bis  1 Millim.  bei  etwa  100  bis  150  Mikromil]. 
Breite,  sind  aber  von  höchst  unregelmässiger  Gestalt.  Sie  zeigen  die  ver- 
schiedenen Formen  der  Zellen,  welchen  sie  angehören,  sind  also  bald  ku- 
gelig und  nur  klein,  bald  eiförmig,  bald  fast  cylindrisch  und  sehr  gross. 
Quetscht  man  sie,  so  zeigt  sich  bald,  dass  sie  hohl  sind  und  aus  einer  nur 
dünnen,  aber  sehr  festen,  fast  spröden  Haut  bestehen,  welche  immer  spira- 
lige Streifen  oder  Risse  zeigt. 

Eine  Regelmässigkeit  im  Vorkommen  dieser  Zellsäcke  ist  nicht  wahr- 
nehmbar, sie  sind  aber  sehr  reichlich  vorhanden  und  leicht  aus  jeder  Re- 
gion des  eigentlichen  Fruchtfleisches  zu  gewinnen.  Ueber  ihre  Bildung 
müsste  die  Untersuchung  jüngerer  Zustände  der  Frucht  Aufschluss  geben. 
Vermuthlich  entstehen  sie  durch  eine  Verhärtung  des  Protoplasma.  Die 
Spiralfaserzellen  in  der  Vanille  sind  diesen  Zellsäcken  einigermassen  ähn- 
lich, jedoch  findet  sich  dort  nur  eine  spiralförmige  Ablagerung  auf  der  Zell- 
wand, nicht  eiu  derber  zusammenhängender  Sack,  und  Kali  erzeugt  dort 
keine  Veränderung. 

Diese  äusserst  charakteristischen  Zellsäcke  müssten  sich  leicht  in  Süss- 
holzsaft auffinden  lassen,  wenn  derselbe,  wie  man  wohl  angibt,  ’)  mit  Frucht- 
fleisch des  Johannisbrotes  versetzt  wird. 

Noch  weit  auffallender  ist  das  chemische  Verhalten  der  Zellsäcke  aus 
der  Siliqua  dulcis.  Jod  in  Jodkaliumlösung,  selbst  nach  vorheriger  Durch- 
tränkung mit  concentrirter  Schwefelsäure,  färbt  sie  nur  gelb,  Säuren  etwas 
röthlich,  Eisenvitriol  oder  Eisenchlorid  aber  aufs  schönste  violettblau. 
Dieselbe  Färbung  nehmen  die  Zellsäcke  auch  in  kaustischem,  nicht  in 
kohlensaurem  Kali  oder  Natron  an,  während  Ammoniak  sie  selbst  bei  100° 
nicht  verändert.  Starke  Kalilauge  bewirkt  das  Hervorquellen  eines  Stromes 
blauer  Tröpfchen  aus  dem  Sacke,  dessen  Haut  selbst  sich  nicht  vergrössert, 
sondern  eher  etwas  eingeschrumpft  zurückbleibt  und  dann  die  erwähnten 
Reaktionen  nicht  mehr  zeigt.  Die  violettblaue  Färbung,  welche  Kali  selbst 
auf  dem  kleinsten  Stücke  des  Fruchtfleisches  hervorruft,  ist  von  ausser- 
ordentlicher Intensität,  geht  aber  nach  einiger  Zeit  an  der  Luft,  oder  rascher 
duich  Zusatz  von  Säure  oder  auch  nur  von  viel  Wasser  in  schmutziges 
braunroth  über.  Weder  Aether  noch  Weingeist  vermögen  der  alkalischen 
Flüssigkeit  den  prächtig  blauen  Stoff  zu  entziehen. 


')  Wittstein's  Vierteljahrsschrift  XII.  385. 


58« 


Früchte. 


Diese  Zellsäcke  erinnern  durch  Struktur  und  chemisches  Verhalten  an 
die  von  Wiesner1)  beschriebenen  hohlen  Harzkörner  aus  dem  Holze  einer 
australischen  Protea  und  mancher  inländischer  Laubbäume.  Solche  Bildun 
gen  scheinen  als  Zwischenstufen  der  Umwandlung  von  Stärke  erst  in  Gerb- 
stoff, daun  in  Harz  aufgefasst  werden  zu  müssen  und  allgemeiner  verbreitet 
zu  sein,  als  bisher  geahnt  wurde.  Sie  kommen  z.  B.  auch  im  Frucht- 
fleische der  Kreuzbeeren  (vergl.  bei  Fructus  Rliamni  catharticae)  und  der 
blauen  Trauben  vor.  Hier  jedoch  sehen  sie  den  Zellsäckeu  der  Siliqua  dulcis 
nicht  ähnlich  und  sind  schon  von  Morren2)  mit  dem  Namen  Corese  be- 
legt worden. 

Die  sehr  zähe  lederige  Samenschale  des  Samens  besteht  aus  einer  sehr 
dichten  äusseren  Schicht  bis  über  150  Mikromill.  langer  radial  gestellter 
Zellen  und  einer  iuneren,  halb  so  breiten  Schicht  tangential  gedehnter,  aber 
sehr  zusamiuengefallener  Zellen  mit  braunen  Gerbstoffkörnern.  Die  äussere 
Schicht  ist  von  einer  starren  glasartigen  Epidermis  bedeckt.  Die  Samen- 
haut trennt  sich  nur  nach  dem  Aufweichen  von  der  Schale  und  enthält 
unter  einer  dünnen  braunen  Membran  eine  Reihe  kugeliger  oder  fast  kubi- 
scher, nach  aussen  knorpelig  verdickter  kleiner  Zellen. 

Das  Eiweiss  gibt  an  Wasser  sehr  viel  Schleim  ab  und  schliesst  ferner 
in  seiuen  sehr  dickwandigen  gestreckten  Zellen  körnige  Klumpen,  vermuth- 
lich  von  Proteinstoften , ein.  Eben  solche  gelbliche  Massen,  aber  keine 
Stärkekörner,  sind  in  dem  zartwandigen  Gewebe  der  Kotyledonen  abgelagert. 

Vor  der  Reife  schmeckt  die  Frucht  sehr  herbe,  reif  aber  ist  sie  so  reich 
an  Zucker  (bis  über  50  pC.  Völker),  dass  sie  aus  Cypern  z.  B.  sehr  viel 
nach  Triest  ausgeführt  wird,  um  auf  Weingeist  verarbeitet  zu  werden.  Der 
Geschmack  des  Fruchtfleisches  ist  nicht  unangenehm  schleimig-süss.  Der 
Zucker  krystallisirt  bisweilen  in  den  Samenfächern  aus;  er  ist  nach  Ber- 
thelot  Rohrzucker.  Auf  feinen  Schnitten,  welche  mit  alkalischem  Kupfer- 
tartrat  befeuchtet  werden,  reduciren  nur  die  Zellsäcke  allmälig  das  Ivupter- 
oxyd.  Auch  Stamm  und  Aeste  des  Baumes  sollen  bisweilen  Zucker  aus- 
schwitzeu. 

Der  wenig  angenehme  Geruch  des  Johannisbrotes  rührt  von  freier  Butter- 
säure her,  welche  sich  schon  in  der  schwach  sauren  Reaktion  des  Frucht- 
fleisches verräth.  Redtenbacher,  welcher  1846  die  Natur  der  Säure 
erkannte,  gewann  durch  Destillation  der  Frucht  mit  verdünnter  Schwefel- 
säure 0,6  pC.  Buttersäure,  so  dass  sich  dieselbe  in  dieser  Weise  nicht  un- 
vortheilhaft  gewinnen  lässt.  Vermuthlich  entsteht  sie  hier  in  folge  einer 
Gährung  des  Zuckers  durch  den  Einfluss  von  Proteiustoffen,  vielleicht  eist 
beim  Trocknen  der  Frucht.  Doch  soll  dieselbe  schon  am  Baume  sehr  un- 
angenehm riechen.  — Bei  der  Gährung  des  Johannisbrotes  hat  schon 
Beissenhirtz  (1818)  Bernsteiusäure  bemerkt. 


1)  Sitzungsberichte  der  Wiener  Akademie  Bd.  LII.  Heft  1.  pag.  110  (1865). 

2)  vorgi.  Journ.  de  Pharm,  et  de  Chim.  1866.  III.  337. 


Fructus  Cocculi. 


587 


Den  Alten  war  das  Johannisbrot  unter  dem  Namen  Kerätion1)  oder 
Siliqua  graeca  bekannt.  Prosper  Alpinus  scheint  zu  Ende  des  XVI.  Jahr- 
hunderts zuerst  die  Bezeichnung  Siliqua  dulcis  gebraucht  zu  haben.  In  wie 
geringer  Achtung  die  Hülsen  als  Nahrungsmittel  standen,  deutet  die  Bibel 
an,  indem  L u c a s 2)  sie  als  Schweinefutter  bezeichnet.  Ebenso  führt  H o r a z 
als  Zeichen  der  Armuth  an : Siliquis  vivit. 

Auch  heutzutage  dient  die  Hülse  in  Süditalien  hauptsächlich  als  Pferde- 
futter. 

Die  Samen,  welche  durchschnittlich  0,18  Gramm  wiegen,  wurden  unter 
dem  von  der  Frucht  abgeleiteten  Namen  Karat  als  Gewicht  für  Gold  und 
Edelsteine  gebraucht. 

2.  bittere  Früchte. 

Fructus  Cocculi. 

Cocculi  indici  s.  levantici  s.  piscatorii.  Kokkelskörner.  Fischkörner. 

Coque  du  Levant.  Cockles. 

Anamirta  Cocculus  Wight  et  Arnott.  — Menispermeae. 

Syn.:  Menispermum  Cocculus  L. 

Cocculus  suberosus  De  Cand. 

Die  dunkel  purpurnen  Früchte  dieses  starken,  an  felsigen  Meeresküsten 
Ostindiens  einheimischen  und  an  den  höchsten  Bäumen  aufklimmenden 
Schlingstrauches  stehen  zu  mehr  als  fusslangeu,  200-  bis  oOOfriichtigen 
Trauben  vereinigt. 

Die  Malabarküste  und  die  östlichen  Inseln  des  Archipels  liefern  haupt- 
sächlich diese  Frucht. 

Sie  ist  kugelig,  von  ungefähr  0,0 10m  Durchmesser,  matt  bräunlichgrau, 
fein  runzelig-höckerig,  selten  noch  mit  dem  Fruchtstiele  versehen.  Derselbe 
ist  nicht  radial  gegen  den  Mittelpunkt  der  Frucht  gerichtet,  sondern  mehr 
tangential.  Ueber  der  Eintrittsstelle  des  Stieles  ist  das  Fruchtgehäuse  durch 
eine  seichte  Einsattelung  ein  wenig  vertieft  und  erhebt  sich  jenseits  der- 
selben zu  einer  kleinen  scharfen  Spitze.  Der  Fruchtstiel  hinterlässt,  wenn 
er  abfällt,  eine  runde,  wenig  ausgezeichnete  Narbe  von  0,003m  Durchmesser, 
von  deren  Centrum  die  Spitze  der  Frucht  nur  etwa  0,004m  absteht.  Beide 
Punkte  sind  durch  ein  horizontales  Leistchen  verbunden,  so  dass  der  Um- 
riss der  Frucht  von  diesem  Leistchen  aus  eine  nierenförmige  Gestalt  zeigt. 
Auch  auf  der  entgegengesetzten  Seite  durchzieht  eine  feine,  oft  kaum  be- 
merkliche  Naht  die  gauze  Ku geloberfläch e vom  Fruchtstiele  an  bis  zur 
Fruchtspitze. 

Das  Fruchtgehäuse  spriugt  nicht  auf  und  schliesst  nur  einen  Samen  ein; 


0 Rcras  das  Horn. 

2)  XV.  16.  Luther  hat  den  auch  hier  gebrauchten  Ausdruck  Eeratia  ungenau  mit 
Traber  übersetzt. 


588 


Früchte. 


es  besteht  aus  einer  äusseren  faserigen  braungrauen  Schicht  und  einer 
inneren  hellgrauen  Steinschale,  welche  zusammen  nicht  ganz  0,00 1"‘  dick 
sind.  In  der  unmittelbar  oberhalb  des  Fruchtstieles  gelegenen  Einsattelung 
stülpen  sich  zwei  Stellen  der  Steiuschale  ein  uud  ragen  als  flach  keulen- 
förmige Einsackungen  bis  in  die  Mitte  des  Fruchtgehäuses  hinein.  Parallel 
mit  der  Fruchtuaht  sind  diese  Einstülpungen  etwas  abgeflacht.  Durch- 
sclmeidet  man  die  Frucht  in  der  Naht,  so  zeigt  sich  daher  nur  die  eine 
Platte  dieses  doppelt  eingestülpten  Samenträgers;  ein  senkrecht  auf  die 
Naht  durch  die  Mitte  der  Frucht  geführter  Schuitt  dagegen  gibt  den  Quer- 
schnitt beider  Platten  des  Samenträgers.  Im  ersteren  Falle  also  stellt  der- 
selbe eine  dicke,  am  Rande  und  in  der  Mitte  etwas  erhöhte  keulenförmige 
Scheibe  dar,  welche  sich  im  Innern  des  Fruchtgehäuses  verbreitert,  im 
zweiten  Falle  erblickt  mau  dagegen  die  beiden  Schenkel  des  Samenträgers 
säulenartig  in  das  Fruchtgehäuse  hineinrageud.  Sie  sind  nur  in  ihrer  unteren 
Hälfte  verwachsen  und  diese  gemeinschaftliche  Basis  bildet  die  zwischen 
der  Spitze  und  dem  Fruchtstiele  gelegene  schmale  Einsattelung  an  der 
Oberfläche  des  Fruchtgehäuses. 

Der  Same  umschliesst  helmartig  den  ganzen  Samen  träger,  seine  Ränder 
sind  so  vollständig  zwischen  die  beiden  Schenkel  des  letzteren  und  bis  zu 
ihrer  Basis  übergreifend,  dass  der  Same  nicht  abgelöst  werden  kann.  Er 
berührt  nur  rings  um  die  Basis  des  Sameuträgers  die  innere  Fruchtwand 
und  ist  von  ihr  in  allen  übrigen  Regionen,  wenigstens  in  der  trockenen 
Frucht,  durch  eine  breite  Kluft  getrennt. 

Eine  besondere  Samenhaut  fehlt;  der  Same  ist  durch  eine  häutige  Leiste 
mit  dem  Träger  fest  verbunden  und  besteht  grössteutheils  aus  dem  Eiweisse, 
welches  einen  zarten  Embryo  einschliesst.  Derselbe  liegt  parallel  mit  der 
au  der  Oberfläche  der  Frucht  sichtbaren  Naht,  das  kleine  Würzelchen  dicht 
unter  der  Fruchtspitze,  die  dünnen  Keimblätter  mitten  im  Eiweisse  aus- 
gebreitet, wo  es  sich  über  den  Samenträger  wölbt. 

Das  Fruchtgehäuse  ist  von  einer  Reihe  kubischer  Zellen  bedeckt,  auf 
welche  eiue  breite  Schicht  etwas  tangential  gedehnter  schlaffer  bräunlicher, 
mit  körnigem  Iuhalte  erfüllter  Zelleu  folgt,  welche  alliuälig  in  röthbraunes 
Prosenchym  übergehen,  woriu  ansehnliche  Spiralgefässe  eingebettet  sind. 
Wenige  Reihen  dünnwandiger  poröser,  schwach  gelblicher  Steinzellen  trennen 
dieselben  von  der  eigentlichen  Steinschale,  welche  aus  laugen  verzweigten 
bastartigeu  Steinzellen  gebildet  ist.  Dieselben  sind  sehr  dicht  in  verschie- 
denen Richtungen  in  einander  verfilzt,  so  dass  sie  durch  jeden  Schnitt  so- 
wohl der  Länge  nach  als  auch  quer  oder  schief  getroffen  zur  Anschauung 
gelangen.  Ihre  fast  ganz  verholzten  Wandungen  sind  nur  von  wenig  zahl- 
reichen Poren  durchbrochen. 

Das  Sameneiweiss  besteht  aus  kubischen  oder  vieleckigen  grossen  dünn- 
wandigen Zellen,  welche  mit  lcrystallisirtem  Fette  (uud  Pikrotoxiu?)  gefüllt 
sind.  Die  äusserste,  radial  geordnete  Reihe  derselben  ist  von  einem  dünnen 


Fructus  Papaveris. 


589 


gelben  Häutchen  bedeckt.  Sehr  häufig  findet  sich  in  der  käuflichen  Frucht 
der  Same  verkümmert  oder  schimmelig. 

Das  Fruchtgehäuse  besitzt  keinen,  der  Same  aber  einen  sehr  stark  und 
anhaltend  bitteren  Geschmack,  welcher  vom  Pikrotoxiu  (Cocculin) 
■012H14G5,  einem  krystallisirbareu  stickstofffreien,  im  Samen  allein,  zu  etwa 
% — 1 pC.  vorkommenden  Körper  herrührt. 

Dasselbe  wurde  schon  1812  von  Boullay  bemerkt.  Es  ist  der  Träger 
der  giftigen  Eigenschaften  der  Samen,  welche  bekanntlich  betäubend  auf 
die  Fische1)  wirken  und  ihrer  Bitterkeit  wegen  auch  wohl  schon  in  unver- 
antwortlicher Weise  dem  Biere  zugesetzt  wurden.  — Das  Pikrotoxin  redu- 
cirt  in  alkalischer  Lösung  das  Kupferoxyd  wie  die  Zuckerarten , aber  fünf- 
mal weniger  als  Traubenzucker. 

Pelletier  u.  Couerbe  erhielten  aus  dem  Fruchtgehäuse  das  Meni- 
spermin  und  das  Paramenispermin  (etwa  2 pC.),  zwei  krystallisirbare 
geschmacklose,  nicht  giftige  Substanzen  von  gleicher  Zusammensetzung, 
wovon  die  erstere  ein  Alkaloid  zu  sein  scheint.  Beide  sind  näherer  Unter- 
suchung bedürftig. 

Das  Fett  des  Sameneiweisses,  früher  für  eigenthümlich  gehalten  und 
als  Stearophansäure  oder  Auamirtsäure  bezeichnet,  fand  Heiutz  iden- 
tisch mit  Stearinsäure.  Das  Fett  beträgt  etwa  die  Hälfte  des  Gewichtes  der 
Samen  und  wird  in  Indien  technisch  verwendet. 

Die  betäubende  Wirkung  der  Kokkelsfrüchte  auf  die  Fische  war  schon 
den  alten  arabischen  Aerzteu  bekannt.  Im  XYIteu  Jahrhundert  gelangten 
die  Früchte  unter  dem  Namen  Gallae  orientales  oderBaccae  cotulae  elephan- 
tiuae  nach  Deutschland. 

In  Indien  dient  auch  die  Wurzel  des  Strauches  als  Heilmittel. 

Fructus  Papaveris. 

Capita  seu  Capsulae  Papaveris.  Mohnkapseln.  Mohnköpfe.  Mohukolben. 

Capsules  ou  tetes  de  pavots.  Poppy  capsules. 

Papäver  somniferum  L.  — Papnveraceae. 

Der  Mohn  scheint  ursprünglich  im  Ostgebiete  des  Mittelmeeres  durch 
Kleinasien  und  Mittelasien  verbreitet  gewesen  zu  sein.  Seine  Kultur  ist  sehr 
alt  und  wird  jetzt  häufig  in  sehr  grossem  Masstabe  in  den  meisten  gemäs- 
sigten und  wärmeren  Ländern  der  alten  Welt  betrieben,  so  vorzüglich  in 
Kleinasieu  (vgl.  bei  Opium),  Persien,  Vorderindien,  Aegypten,  Algerien,  in 
Europa  mehr  in  den  mittleren  Strichen  als  im  Norden  und  Süden.  In  Griechen- 
land z.  B.  fehlt  die  Mohnkultur  fast  ganz;  in  Nordamerika  wird  sie  erst  be- 
gonnen. 

Von  den  Gartenformen  abgesehen,  lassen  sich  zwei  ziemlich  beständige 
Varietäten  dieser  einjährigen  Pflanze  unterscheiden,  nämlich 


l)  wie  merkwürdigerweise  auch  das  Cyclamiu. 


590 


Früchte. 


a)  Pap civ er  nigrum  DeC.  (Syu. : P.  somniferum  Gmelin,  Pavot  ä 
oeillette  der  Franzosen),  ausgezeichnet  durch  blass  röthliche  oder  lilafarbige, 
am  Grunde  mit  einem  dunkelvioletten  Flecken  bezeicliuete  Blumenblätter 
und  durch  schwärzliche  oder  grau  violette  Samen,  welche  in  einer  gewöhn- 
lich mehr  kugeligen  Frucht  enthalten  sind. 

ß)  Papaoer  album  DeC.  (P.  officinale  Gmelin,  Pavot  blanc  der  Fran- 
zosen) mit  weissen,  höchstens  am  Grunde  lila  gefleckten  Blumenblättern, 
meistens  weissen  Samen  und  vorherrschend  eiförmiger  Frucht. 

Die  Kapselfrucht  des  bei  uns  kultivirten  Mohns  erreicht  häufig  etwa 
0,060™  Durchmesser,  sie  wird  aber  oft  zum  Arzueigebrauche  iu  halbreifem 
Zustande  gesammelt,  wo  ihr  Durchmesser  nur  erst  etwa  die  Hälfte  beträgt. 
Die  Frucht  ist  durch  8 — 20  verwachsene  Karpelle  gebildet,  deren  Rän- 
der gleichsam  eingeschlagen  sind  und  scheidewandartig  ins  Innere  gegen 
die  Mitte  der  Frucht  vorspringen,  wodurch  dieselbe  in  zahlreiche  unächte 
Fächer  abgetheilt  erscheint,  obwohl  sie  eiufächerig  ist. 

An  der  unreifen  Frucht  sind  die  Nähte  der  Karpelle  aussen  als  seichte, 
gewöhnlich  etwas  hellere  Längsstreifen  deutlich  sichtbar,  im  Fruchtstiel 
und  dicht  unter  der  Narbe  erheben  sie  sich,  hier  zu  scharf  gekielten,  dort 
zu  abgerundeten  Kanten.  Als  bestimmt  ausgeprägte,  dunkel  sammthaarige 
Leisten  (papillöse  Narbeustreifen)  von  gleicher  Zahl  durchziehen  jene  Kanten 
auch  die  grosse  flache  Narbeuscheibe,  welche  vor  der  Reife  etwa  0,020m 
Durchmesser  zeigt  und  die  Frucht  krönt.  Zwischen  diesen  erhabenen  Leisten 
ist  die  Narbenscheibe  in  tiefe  Buchten  ausgeschnitten,  welche  die  bedeutend 
verschmälerte  abgestumpfte  oder  gerundete  Spitze  je  eines  Fiuchtblattes 
aufnehmen.  Hierdurch  bildet  sich  ein  kurzer  dicker  cannelliiter  Säulen 
fuss,  welcher  die  Narbe  trägt.  Unter  demselben  erweitert  sich  die  Frucht- 
kapsel rasch  zur  Kugelform  oder  Eiform , deren  grösste  Anschwellung  iu 
ihrer  unteren  Hälfte  liegt,  und  zieht  sich  endlich  plötzlich  stielartig  bis  auf 
0,005™  Durchmesser  (Fruchtknotenstiel)  zusammen,  um  sich  nur  noch 
über  der  Gliederung,  womit  sie  dem  Fruchtstiele  aufsitzt,  wulstartig  zu 

erweitern.  , 

Jene  in  den  Ausschnitten  der  Narbenscheibe  liegenden,  rundlich  drei- 
eckigen Zipfel  der  Fruchtblätter  lösen  sich  in  einigen  Spielarten  regelmässig 
von  den  Kauten  (Samenträgern)  ab  und  schlagen  sich  nach  aussen  zurück, 
so  dass  im  Säulenfusse,  dicht  unter  der  Narbe,  eben  so  viele  Löcher  als 
Narbenbuch teu  entstehen,  durch  welche  die  reifen  Samen  austreten  können. 
Die  Franzosen  unterscheiden  demnach  Pavot  ä yeux  ouverts  und  I avot 


Vor  der  Reife  ist  die  Frucht  meergrün,  kahl,  aber  feiu  bereift  und  nach 
dem  Trocknen  körnig  höckerig.  Später  nimmt  sie  eine  leichte  bräunlich 
gelbe  Farbe,  oft  mit  vielen  schwärzlichen  Flecken  au,  wird  glatt  an lg  du- 
zend. Nur  die  äusserste  Schicht  des  bei  uns  höchstens  0,001  dicken 
Fruchtgehäuses  ist  spröde,  das  übrige  Gewebe  sehr  locker  und  mürbe,  >ei 


Fructus  Papaveris. 


591 


der  geringsten  Verletzung  im  frischen  Zustande  vor  der  Reife  reichlich 
weissen  bitteren  Milchsaft  ergiessend. 

Die  innere,  anfangs  grünlich  gelbe  glänzende  Wand  der  Frucht  ist  fein 
höckerig,  sehr  zierlich  quer  gestrichelt  und  etwas  längsfurchig.  Von  ihren 
Nähten  gehen  in  gerader  Linie  auf  das  Centrum  gerichtet,  die  gelblichen 
papierartigen,  aber  mürben  oder  fast  spröden  Samenträger  ab,  welche  auf 
ihren  beiden  senkrechten  Flächen  und  auf  der  Kante  äusserst  zahlreiche 
Samen  (vgl.  Semen  Papaveris)  tragen. 

Durchschneidet  man  die  halbreife  Frucht,  so  nimmt  man  deutlich  eine 
sehr  dünne  spröde  durchscheinende  farblose  Oberhaut  wahr,  welche  die 
lockere,  etwas  breitere  grüne  Mittelschicht  bedeckt.  Die  blass  gelblich 
grüne,  ein  wenig  derbere  Inuenschicht  lässt  sich  von  derselben  zum  Theil 
ablösen. 

Die  Oberfläche  ist  aus  einer  dünnen,  reichlich  mit  Spaltöffnungen 
besetzten  Cuticula  gebildet,  auf  welche  eine  dicht  gedrängte  Reihe  klei- 
ner, im  Querschnitte  rundlich- quadratischer  oder  etwas  tangential  ge- 
dehnter Zellen  folgt,  deren  farblose,  nur  mit  wenigen  Poren  versehene 
Wände  besonders  nach  aussen  sehr  dick  sind.  Diese  Zellen  schliessen 
äusserst  zahlreiche  bräunliche  Körnchen  ein. 

Die  folgende,  sehr  ähnliche  Schicht  enthält  etwas  grössere,  mehr  tan- 
gential gedehnte  Zellen,  welche  allmälig  in  ein  schlaffes  grosszeiliges,  mehr 
und  mehr  dünnwandiges  Parenchym  übergehen,  das  von  ansehnlichen 
Intercellularräumen  durchzogen  ist,  aus  denen  man  nur  mit  Mühe  die  Luft 
vollständig  austreiben  kann. 

An  der  Grenze  der  starren  Epidermalzellen  und  jenes  lockeren  Paren- 
chyms enthält  letzteres  einen  Kreis  sehr  zerstreuter  Bündel  kleiner  Netz- 
gefässe  und  etwas  tiefer,  ungefähr  in  der  Mitte  des  Querschnittes,  einen 
ähnlichen,  sehr  weitläufigen  Kreis  grösserer  Gefässbündel.  Jedes  derselben 
ist  gebildet  aus  einem  starken  Strange  kurzer  weiter  siebwandiger  Bast- 
röhren, welcher  durch  zartes  Cambialgewebe  von  einem  stets  viel  kleineren 
Bündel  achter  Spiralgefässe  getrennt  ist.  Immer  stehen  die  letzteren  auf 
derjenigen  Seite  des  Gefässbündels,  welche  der  Innenfläche  der  Fruchtwand 
zugekehrt  ist. 

Beide  Kreise  von  Gefässbüudelu  sind  durch  quer  abzweigende,  bogen- 
förmig aufsteigende  oder  oft  fast  horizontale  Stränge  von  Netzgefässen 
verbunden. 

Das  Cambialgewebe  der  inneren  Gefässbündel  enthält  die  Milchsaft- 
schläuche, welche  den  entsprechenden  Organen  z.  B.  der  Radix  Taraxaci 
nach  bot  in  und  Inhalt  ähnlich,  doch  einfacher  sind.  Bei  dem  Mohn  unserer 
Gegenden  wenigstens  ist  die  geringe  Zahl  und  Grösse  dieser  Milchsaft- 
gefässe  auffallend.  Schwerlich  aber  wird  sie  geringer  sein  als  bei  anderswo 
gebautem  Mohn,  da  die  Erfahrung  gelehrt  hat,  dass  auch  bei  uns  eine  grosse 
Ausbeute  au  Milchsaft  (vgl.  Opium)  erzielt  werden  kanu. 

Die  Innenwand  der  Frucht  ist  aus  einer  einzigen  Schicht  grosser  inhalts- 


592 


Früchte. 


loser  horizontaler  Zellen  von  eigeuthümlichem  Bau  gebildet.  Quer  durch- 
schnitten, also  irn  radialen  Längsschnitte  der  Frucht,  erscheinen  sie  qua- 
dratisch, ungefähr  35  Mikromill.  weit.  Ihre  Länge  beträgt  durchschnittlich 
250  Mikromill.,  die  Enden  sind  gerade  abgeschnitten,  die  höchstens  5Mikro- 
milliineter  dicken  Wände  von  zahlreichen  kleinen,  spiralig  geordneten  Poren 
durchbrochen,  welche  oft  halbmondförmige  oder  zweischenkelige  Gestalt 
zeigen.  Die  Querwände  sind  meist  senkrecht  und  von  gleichen  Poren 
durchbrochen. 

Demselben  Typus  gehören  auch  jene  Bastzellen  der  Gefässbündel  an, 
nur  dass  sie  weit  mannigfaltigere  Formen  entwickeln.  Bald  sind  sie  au 
ihren  Enden  aufgetrieben  und  quer  abgestutzt,  bald  aber  keilförmig  zuge- 
spitzt, bald  bei  sehr  bedeutender  Länge  und  oft  über  45  Mikromill.  Dicke 
ziemlich  gerade  verlaufend,  bald  hin-  und  hergebogen,  sogar  stellenweise 
einseitig  eingebuchtet.  Immer  sind  auch  ihre  Querwände  durchlöchert. 

Ein  weit  stärkeres  Gefässbündel  liegt  an  jeder  Stelle  des  Fruchtgehäuses, 
von  wo  ein  Samenträger  nach  der  Höhlung  der  Frucht  abgeht.  Hier  erreichen 
jene  ausgezeichneten  Siebröhren  des  Bastes  ihre  grösste  Entwickelung.  Das 
schmale  Cambialgewebe  und  die  gewaltigen  Spiralgefässe  nehmen  zusammen 
kaum  die  Hälfte  oder  ein  Drittel  dieser  Gefässbündel  ein.  In  der  reifen 
Frucht  erscheinen  die  Milchsaftschläuche  dieser  Gefässbündel  als  dickere, 
ziemlich  gerade,  stellenweise  bauchig  aufgetriebene  Röhren,  welche  bis 
gegen  20  Mikromill.  Durchmesser  erreichen.  Einige  dringen  auch  zwischen 
die  Gefässe  ein,  die  meisten  stecken  .aber  im  Cambiura. 

Das  übrige  Gewebe  der  Samenträger  besteht  aus  denselben  schlaffen, 
sehr  weiten  verzweigten  und  dünnwandigen,  etwas  porösen  Zellen,  deren 
sehr  ansehnliche  Zwischenräume,  wie  übrigens  auch  die  Gefässe  und  Sieb- 
röhren, von  Luft  erfüllt  sind.  Die  äusserste  Zellschicht  der  Samenträger 
ist  aus  ähnlichen,  doch  hier  nicht  horizontal  gelagerten  und  weniger  regel- 
mässigen Zellen  gebaut,  wie  die  ganze  Innenfläche  der  I nicht. 

Als  Inhalt  des  Zellgewebes  zeigt  sich,  nach  Berg,  im  Parenchym  des 
Fruchtgehäuses  und  der  Samenträger  vor  der  Reife  Amylum.  Aber  schon 
in  der  halbreifen  Frucht  ist  dasselbe  von  Chlorophyllkörnern  verdrängt. 

Da  und  dort  stösst  man  auch  in  den  Siebröhren,  in  den  Spiralgelassen 
und  ihrer  Umgebung,  auch  wohl  hier  und  da  in  den  grossen  Zellen  der 
inneren  Fruchthaut  auf  vereinzelte  ansehnliche  kuboidische  oder  vielleicht 
oktaedrische  Krystalle. 

Der  narkotische  Geruch  verliert  sich  beim  lrockuen  der  unreifen  k rüchte 
ganz.  Auch  der  äusserst  widrig  bittere  Geschmack  bleibt  nur  zum  1 heil 
erhalten.  Ausgereifte  Früchte,  welche  durch  Anschneiden  keinen  Milchsaft 
mehr  ausfliesseu  lassen,  schmecken  immer  noch  bitter,  und  mau  findet 
auch  im  Cambiura  der  Gefässbündel  am  Ursprünge  der  Samenträger  immer 
noch  sehr  ansehnliche  Milchsaftgefässe  mit  demselben  Inhalte  wie  in  jün- 
gerem Gewebe. 

Hiermit  stimmen  Untersuchungen  z.  B.  von  Merck  uud  von  \N  inckler 


Fructus  Colocynthidis. 


593 


überein , welche  in  reifen  trockenen  Früchten  noch  1 — 2 pC.  Morphin, 
neben  andern  Opiumbestandtheilen  fanden. 

Während  früher  die  reifen  und  dann  gewöhnlich  von  den  Samen  be- 
freite^ Früchte  gebraucht  worden  waren,  schreiben  neuere  Pharmacopöen 
die  unreifen  vor.  Nach  Meurein  und  nach  Aubergier  ist  allerdings 
der  Morphingehalt  am  grössten  kurz  vor  der  Reife.  Allein  die  beruhigende 
Wirkung  der  Mohnkapseln  scheint  keineswegs  allein  vom  Morphin  abzu- 
hängen. Büchner  faud  reife  Früchte  weit  wirksamer  als  unreife,  ohne 
jedoch  in  erstereu  Morphin  nachweisen  zu  können,  während  unreife  von 
derselben  Ernte  meconsaures  Morphin  enthielten.  Auch  Grandval  traf 
kein  Morphin  in  sehr  wirksamen  Früchten,  wohl  aber  Desch  amps  d'Aval- 
lon  (1864).  Nach  dem  letzteren  kömmt  auch  bisweilen  Narcotin  in  ge- 
trockneten Kapseln  vor;  erwies  darin  ferner  nach:  Ammoniaksalze,  Mecon- 
säure,  Weinsäure,  Citronsäure,  die  gewöhnlichen  Mineralsäuren,  Wachs 
und  endlich  zwei  neue  krystallisirte  Körper,  Papaverin  und  Papave- 
rosin.  Das  erstere  ist  nicht  identisch  mit  Merck’s  gleichnamigem  Alka- 
loid (siehe  bei  Opium),  sondern,  obwohl  stickstoffhaltig;  von  saurer  Reak- 
tion (?),  das  Papaverosin  hingegen  eine  unzweifelhafte  Base.  Concentrirte 
Schwefelsäure  ertheilt  ihr  eine  violette,  aufZusatz  von  Salpetersäure  dunkel 
gelbrothe  Farbe.  — In  den  reifen  Mohnkapseln  wies  Hesse  (1866)  auch 
Rhoeadiu  (vgl.  Flor.  Rhoeados)  nach,  Winckler  Narcei'n. 

Reife,  von  den  Samen  befreite,  sonst  aber  unversehrte  inländische 
Mohnfrüchte,  bei  100°  C.  getrocknet,  gaben  mir  14,28  pC.  Asche,  zur 
grösseren  Hälfte  aus  alkalischen  Chlorüren  und  Sulfaten  bestehend  und 
nur  wenig  Phosphat  enthaltend. 

Fructus  Colocyuthidis. 

Colocynthis.  Fructus  seu  poma  Colocynthidum.  Colocyntha.  Koloquinthe. 

Koloquinte.1)  Coloquinte.  Colocynth. 

Citrüllus  Colocynthis  Arnott.  — Cueurbitaceae. 

Syn.:  Cucumis  Colocynthis  L. 

Colocynthis  oflicinalis  Schräder. 

Die  Koloquinthengurke  bewohnt  das  ausgedehnte  Areal  von  der  kaspi- 
schen  Südküste  durch  ganz  Persien  bis  zum  Golf,  durch  Mesopotamien, 
das  Gebiet  des  Rothen  Meeres  und  des  Nils,  durch  die  Sahara  bis  Marocco 
und  tief  nach  dem  Sudan,  und  tritt  stellenweise,  z.  B.  in  der  Bahiuda- 
(Bejudah-)  Steppe  in  Nubien,  auch  am  Rothen  Meer  bei  Kosseir,  in  unge- 
heurer Menge  auf.  Sie  findet  sich  ferner  auch,  wie  es  scheint,  iu  Ostindien, 
Japan  und  am  Cap2)  und  wächst  auch  iu  Menge  wild  auf  Melos  (Milos), 


attisch  xoXoxuvT7],  sonst  xoXoxüvOi^  oder  xoXoxüv$7]. 

) Hier  wohl  eher  Citrullus  amarus  Schräder,  eine  nahe  verwandte  Art  mit  grösseren 
Früchten? 

Fliickiger,  Pharmakognosie  3g 


594 


Früchte. 


nicht  aber  auf  dem  griechischen  Festlande.  Zum  Arzneigebrauche  wird 
sie  da  und  dort  angebaut,  wie  in  Jeri  bei  Nicosia  auf  Cypern  und  in 
Spanien. 

Die  kugelige  oder  etwas  abgeplattete  Beerenfrucht  erreicht  bis  0^10™ 
Durchmesser,  kömmt  aber  im  Handel  meist  bedeutend  kleiner,  etwa  0,060m 
bis  0,080’"  gross  vor  und  zwar  befreit1)  vou  der  glatten,  sehr  feinkörnigen 
gelbbräunlichen  spröden,  kaum  '/‘„‘-bis  l Millimeter  dicken  Schale.  Dieselbe 
haftet  fest  am  weissen  trockenen  und  schwammigen  oder  fast  blätterigen 
Fruchtfleische  und  wird  davon  durch  das  Messer  sehr  leicht  und  sauber  ab- 
geschält, dessen  Schnitte  stellenweise  so  tief  gehen,  dass  die  zahlreichen 
weissen  oder  braunen  Samen  sichtbar  werden. 

Letztere  sitzen  in  mehreren  Vertikalreihen  an  6 zum  Rande  vordrin- 
genden, dort  aber  wieder  nach  innen  zurückgebogenen  Samenträgern.  Je 
zwei  derselben  wenden  einander  ihre  Spitzen  zu  und  sind  getrennt  durch 
das  breite  Gewebe  einer  wandständigeu  Scheidewand.  Es  sind  demnach 
drei  dieser  mit  der  Fruchtschale  verwachsenen  Scheidewäude  vorhanden, 
welche  als  breite  scharfkantige,  aber  sehr  stumpfwinkelige  Keile  in  die 
Mitte  der  Frucht  hineinragen.  Die  erwähnten  Samen  träger  bilden  die  ge- 
näherten oder  etwas  klaffenden  Seiten  oder  Schenkel  dieser  Keile.  Im  Cen- 
trum der  Frucht  treffen  dieselben  fast  zusammen,  sind  aber  nicht  verwachsen, 
sondern  im  Gegentheil  oft  ziemlich  von  einander  entfernt.  Die  geschälte 
Frucht  lässt  sich  leicht  in  diese  3 Vertikal-Theile  zerbrechen;  da  jedes  der 
6 Fächer  bogenförmig  vom  Samenträger  umschlossen  wird,  so  kommen  bei 
einer  solchen  Zertheilung  der  Frucht  zunächst  nur  wenige  Samen  zum 
Vorschein. 

Der  ganze  Inhalt  der  Fruchtschale  (mit  Ausnahme  der  Samen)  besteht 
aus  einem  weissen,  von  vereinzelten,  in  den  Sameuträgern  etwas  zahlreiche- 
ren feinen  gelblichen  Gefässbündelchen  durchzogenen  Parenchym,  das  nur 
auf  den  6 strahlenförmigen  Flächen  der  Samenträger,  den  Seitenflächen  der 
3 Keile,  ein  wenig  dichter  und  glänzend  ist.  In  dieses  lockere,  elastische, 
aber  doch  mürbe  Gewebe  sind  auch  die  einzelnen  Samen  lose  eingebettet. 
Im  Gegensätze  zu  den  meisten  übrigen  Cucurbitaceen  ist  das  Fruchtmark 
der  Kolociuinthe  auch  im  frischen  Zustande  trocken,  nicht  fleischig  und 
saftig. 

Die  Samen  sind  flach  eiförmig,  0,007‘"  lang  und  0,002"’  dick,  am  ab- 
gerundet spitzen  Ende,  indessen  nicht  genau  im  Scheitel,  durch  den  weissen, 
bis  0,002'”  langen  Nabelstrang  mit  dem  Samenträger  verbunden.  Auf  jeder 
Fläche  ist  die  Samenschale  in  zwei  kurzen,  ziemlich  tief  eingestochenen 
Narben  aufgerissen,  welche  gegen  die  Spitze  zusammenlaufen.  Die  ziemhc 
spröde  Samenschale  schliesst  eineu  geraden,  mit  dem  kurzen  Viurzelchen 


l)  Die  kleinen,  noch  mit  der  Frnchtscbalc  versehenen  Syrischen  Koloquinthen  kommen 
wie  es  scheint  nicht  eigentlich  in  den  Grosshandel.  Sic  erreichen  nur  etwa  0,040-  Dnrch- 
messer  und  pflegen  wenig  Mark,  aber  desto  mehr  Samen  zu  enthalten. 


Fructus  Colocynthidis. 


595 


dem  Nabel  zugewendeten  Keim  ein,  dessen  blattartige,  etwas  dickliche  Ko- 
tyledonen die  Höhlung  ganz  aasfüllen.  Die  Samen  betragen  gegen  % vom 
Gewichte  der  geschälten  Frucht. 

Die  Fruchtschale  besteht  in  ihrer  äussersten  Schicht  aus  einer  40  Mikro- 
mill.  breiten  Reihe  radial  gestellter  Zellen,  deren  vorzüglich  nach  aussen 
verdickte  unebene  Wandungen  noch  von  einem  festen  glasartigen,  in  Wasser 
nicht  aufquellenden  Oberhäutchen  bedeckt  sind,  worin  der  tangentiale 
Schnitt  da  und  dort  eine  Spaltöffnung  zeigt.  Die  folgende,  140  Mikromill. 
breite  Mittelschicht  enthält  nur  dünnwandiges  tangential  gedehntes  klein- 
zeiliges Gewebe,  die  Innenschicht,  von  ungefähr  gleicher  Breite,  dagegen 
sehr  dicht  gedrängte  kugelig- eckige  derbwandige  poröse  Zellen.  In  der 
äussersten  Reihe  messen  dieselben  nur  etwa  30  Mikromill. , nehmen  aber 
nach  innen  allmälig  sehr  au  Grösse  zu  und  gehen  in  das  sehr  grosszellige 
lockere  Gewebe  des  Fruchtmarkes  (Pulpa)  über.  An  der  Grenze  der  inneren 
Schicht  des  Fruchtgehäuses  finden  sich  in  weiten , ziemlich  regelmässigen 
Abständen  zu  einem  sehr  unterbrochenen  Kreise  geordnet  einzelne  schwache 
Gefässbündelchen.  Noch  weiter  nach  innen,  ganz  innerhalb  des  Frucht- 
markes, treten  etwas  stärkere  Gefässbündel  auf,  welche  einige  bräunliche 
Spiralgefässe  und  nur  sehr  schwache  Prosenchymstränge  enthalten. 

Die  sehr  grossen,  schon  für  das  unbewaffnete  Auge  wahrnehmbaren 
Zellen  des  Fruchtmarkes  besitzen,  ungeachtet  ihrer  dünnen,  da  und  dort  mit 
grossen  Poren  versehenen  Wände,  doch  eine  gewisse  Festigkeit  und  sind  daher 
an  der  trockenen  Frucht  keineswegs  sehr  zusammengefallen,  sondern  viel- 
mehr nur  fein  gefältelt.  Das  Wasser  verdrängt  die  Luft  aus  diesem  lockeren 
Gewebe,  aber  ohne  sehr  erhebliche  Streckung  der  Zellwände  oder  bedeu- 
tende Volumvergrösserung  zu  veranlassen,  da  es  nicht  vorzugsweise  die 
Zellwände  sind,  welche  Wasser  aufnehmeu  und  aufquellen.  Sie  erscheinen 
daher  auch  unter  Terpenthiuöl  betrachtet  fast  gleich,  wie  nach  dem  Auf- 
weichen in  Wasser.  Durchfeuchtet  man  von  Samen  sorgfältig  befreites 
Fruchtmark  und  lässt  es  abtropfen,  so  hält  es  das  1 2 fache  Gewicht  Wasser 
zurück. 

Die  Samenschale  ist  von  einer  glasartigen,  nur  wenig  über  10  Mikromill. 
dicken  Oberhaut  bedeckt,  unter  welcher  eine  bis  40  Mikrom.  breite  Reihe 
dicht  gedrängter  radial  gestellter  Zellen  mit  besonders  nach  aussen  stark 
verdickten  farblosen  Wänden  folgt.  Sie  enthalten  braungelbe  Klümpchen. 
Die  ganze,  400  Mikrom.  breite  Mittelschicht  ist  aus  stark  verdickten,  zier- 
lich geschichteten  Steinzeiten  gebaut,  deren  innerste  Reihe  sich  durch  mehr 
regelmässig  kubische  Form  als  innere  Schicht  unterscheiden  lässt.  Gegen 
die  Spitze  hin  ist  das  Steinzellengewebe  etwas  lockerer.  Die  4 hier  in  das- 
selbe narbenförmig  eindriugenden  Lücken  der  Oberfläche  sind  mit  grossen 
dünnwandigen  Zellen  ausgekleidet. 

Der  Embryo  ist  aus  sehr  regelmässigem  dünnwandigem,  stark  gestreck- 
tem Gewebe  gebaut,  welches  neben  grossen  Oeltropfen  den  gewöhnlichen 
granulösen  Inhalt  (Protei'ustoffe)  zeigt. 


38* 


596 


Früchte. 


Die  Zellen  des  Fruchtmarkes  sind  ohne  festen  Inhalt,  schmecken  aber 
äusserst  bitter.  Jodwasser  ist  selbst  bei  tagelanger  Durchtränkung  ohne 
Einwirkung  auf  das  Gewebe  und  färbt  nur  die  Gefässbüudel  gelblich.  Eisen- 
salze zeigen  die  gänzliche  Abwesenheit  von  Gerbstoff  an;  höchstens  die 
Fruchtschale  und  Samenschale  nehmen  damit  eine  Spur  von  Färbung  an. 

Der  bittere,  sehr  schwach  sauer  reagirende  wässerige  Auszug  der  Kolo- 
quinthen  ist  nicht  gallertartig,  scheidet  erst  beim  Eindampfen  Pektin  und 
viel  rothbraunes  Harz  aus  und  enthält  ausserdem  hauptsächlich  Gummi  und 
Zucker. 

Den  gefährlich  drastisch  wirkenden  Bitterstoff,  das  Colocynthin, 
wollte  Lebourdais  krystallisirt  erhalten  haben.  Walz  beschrieb  ihn  als 
gelbes  amorphes  Pulver  oder  weissgelbe  krystallinische  Büschel,  in  6 bis 
8 Tbeilen  Wasser  löslich.  Verdünnte  Säuren  spalten  das  Colocynthin  nach 
Walz  in  Zucker  und  harzartiges  Colocynthein.  Einen  farblosen  krystal- 
lisirten,  in  Wasser  und  kaltem  Alkohol  unlöslichen  Körper,  Colocynthi- 
tin,  hat  Walz  nicht  näher  untersucht.  Er  fand  ferner  im  Fruchtmarke 
auch  etwas  Fett. 

Dasselbe  vollkommen  vom  Samen  befreite  und  bei  100°  getrocknete 
Gewebe  gab  mir  1 1 pC.  Asche,  vorwiegend  aus  Chlorüren,  Carbouaten  und 
Phosphaten  bestehend,  die  Samen  allein  nur  2,7  pC.  Asche. 

Die  vom  anhängenden  Fruchtmarke  ganz  befreiten  Samen  schmecken 
nur  höchst  schwach  bitter.  Sie  sind  bei  der  Verarbeitung  der  Koloquinthen 
zu  entfernen. 

Die  Koloquintlie  war  schon  den  Alten  bekannt,  bei  den  Arabern  unter 
dem  Namen  Haudal,  welcher  sich  für  das  Pulver  erhalten  hat,  das  man 
mit  Hülfe  von  Gummi  aus  dem  für  sich  allein  seiner  Elasticität  wegen 
schwierig  pulverisirbaren  Fruchtmarke  darstellt.  — Schon  Karl  der  Giosse 
scheint  in  Deutschland  den  Anbau  einer  Koloquinthe  angeordnet  zu  haben, 
welche  indessen  nach  Dierbach  eine  andere  Art,  vermuthlich  die  in  Süd- 
russlaud  einheimische  Cucurbita  ovifcra  L.  war.1)  Citrullus  Colocynthis  ge- 
deiht in  Deutschland  nicht.  Es  gibt  überhaupt  noch  mehrere  Cucurbitaceen 
mit  bitteren  Früchten , welche  die  Koloquinthe  ersetzen  können.  So  sind 
schon  aus  Brasilien  die  Früchte  von  Luffa  purgaus  und  Luffa  drastica  Mar- 
tins nach  England  gekommen,  und  in  Südeuropa  wird  bisweilen  Cucurbita 
aurantiaca  Willdenow  (C.  Colocyntha  Risso)  gebaut. 

1)  nach  Meyer  (Gesch.  d.  Botanik)  vielleicht  eher  Ecbalinm  (Momordica)  Klate- 
r i u m Rieh. 


Aurantia  immatura. 


597 


Aurantia  immatura. 

Fructus  Aurantii  immaturus.  Baccae  s.  poma  Aurantiorum  immatura. 

Unreife  Pomeranzen.  Orangettes.  Petits  grains.  Orange  peas. 

Citrus  vulgaris  Risso.  — Aurantiaceae. 

Syn.:  Citrus  Aurantium  a)  amara  L. 

Citrus  Bigaradia  Duhamel. 

Die  Urheimat  des  bitterfrüchtigen  Pomeranzenbaumes,  Bigaradier  der 
Franzosen,  scheint  der  Nordosten  Indiens  (vielleicht  Silhet)  und  Cochin- 
china  oder  selbst  die  südlichen  Provinzen  Chinas  am  Kiang-Strome  gewesen 
zu  sein.  Schon  sehr  frühe  wurde  derselbe  theils  zu  Wasser  unmittelbar 
nach  den  Ländern  des  persischen  Golfs,  theils  allmälig  zu  Lande  durch 
Kabul  und  Persien  nach  Yorderasieu,  selbst  in  die  Oasen  der  Gobi-Wüste 
verbreitet;  etwas  später  erst  über  das  ganze  Gebiet  des  Mittelmeeres.  Jetzt 
ist  der  Baum  oder  Strauch  in  vielen  Varietäten  in  allen  wärmeren  Ländern 
angesiedelt.  Dieselbe  Herkunft  ist  auch  für  die  meisten  übrigen  Citrus-Arten 
anzuuehmen,  namentlich  für  C.  Aurantium  Risso  (C.  Aurantium  ß)  dulcis 
L.),  die  süsse  Orange  oder  Apfelsine,  welche  möglicherweise,  Linne’s 
Auffassung  entsprechend , nur  eine  sehr  beständig  gewordene  Culturform 
der  bitterfrüchtigen  ist,  obwohl  beide  Arten  sich  durch  Samen  fortpflanzen. 
Citrus  vulgaris  ist  eine  der  härtesten  Species  und  dient  daher  vielfach  zum 
Veredeln. 

In  Südfrankreich,  woher  wir  vorzüglich  die  unreifen  Pomeranzen  er- 
halten, werden  die  von  selbst  abgefallenen  Früchtchen  gesammelt.  Sie  sind 
kugelig  oder  etwas  läuglich,  0,005m  bis  0,01 5m  messend,  am  Grunde  mit 
einem  ansehnlichen  hellgelblichen,  wenig  vertieften  rauhen  Nabel  versehen 
und  an  der  Spitze  zur  kleineren  hellgelben  Stempelnarbe  ausgezogen.  Die 
im  übrigen  gleichmässig  graugrüuliche  oder  fast  bräunliche  matte  Ober- 
fläche ist  durch  zahlreiche  vertiefte  Punkte  sehr  uneben.  Ein  durch  die 
Mitte  der  harten  spröden  Frucht  geführter  Horizontalschnitt  zeigt  in  ihrer 
Axe  eine  starke  Mittelsäule,  an  welcher  10  oder  8,  seltener  12  Fächer  Zu- 
sammentreffen, die  von  einem  gelblichen  lederigen,  2 bis  4 Millim.  breiten 
Fruchtfleische  ein  geschlossen  werden.  Die  äussere  dunkle  Fruchthaut  ist 
nur  sehr  diinu.  Der  Vertikalschnitt  durch  die  Mitte  der  aufrechten  Frucht 
trifft  gewöhnlich  2 der  Fächer,  deren  äussere  Wände,  mit  dem  Umrisse  der 
Frucht  ungefähr  parallel  laufend,  eine  Ellipse  beschreiben,  während  die  in- 
neren senkrechten  Wände  mit  der  Mittelsäule  zusammenfallen.  Von  dieser 
hängen  die  zahlreichen,  noch  ganz  unausgebildeten  kleinen  Eichen  in  jedem 
Fache  zu  2 Reihen  geordnet  herab,  während  von  der  concaven  äusseren 
Wand  jedes  Faches  weit  zahlreichere  keulenförmige  Papillen  tief  in  das 
Fach  hereinragen. 

In  der  Mittelsäule  bemerkt  man  einen  Kreis  von  kleinen  braunen  Gefäss- 
bündeln , welche  in  Zahl  und  Stellung  den  Fächern  entsprechen;  auch  im 
Fruchtfleische  steht  gewöhnlich  vor  jedem  Fache  ein  Gefässtrang.  Dicht 


598 


Früchte. 


unter  der  äusseren  Fruchthaut  findet  sich  eine  Reihe  ansehnlicher  eiförmi- 
ger Oelbehälter  in  radialer  Stellung. 

Die  Oberfläche  der  Frucht  wird  von  einem  zarten,  durch  zahlreiche 
Spaltöffnungen  unterbrochenen  Häutchen  gebildet,  welches  die  einzellige 
Reihe  der  kleinen  kubischen  oder  von  oben  gesehen  3-  bis  ßeckigen  Zellen 
der  eigentlichen  Fruchthaut  bedeckt.  Von  derselben  sind  die  Oelbehälter 
durch  ziemlich  zahlreiche  Lagen  kleinzelligen  Parenchyms  getrennt. 

Nach  innen  hin  nehmen  die  Zellen  an  Grösse  zu  und  werden  auch  dick- 
wandiger. Die  der  Mittelsäule  sind  weder  auffallend  grösser,  noch  mehr 
verdickt.  Die  ansehnlichsten  Zellen  finden  sich  als  Einfassung  rings  um 
die  Oelräume,  wo  sie  in  mehrfacher  Lage  eine  denselben  entsprechende 
regelmässige  (tangentiale)  Streckung  annehmen.  Die  sehr  zarten  Wandungen 
der  innersten  dieser  Zellenlagen  reissen  leicht  uud  zeigen  keine  besondere 
Membram  als  Auskleidung  der  Oelräume,  welche  bis  über  Vs  Millim.  radia- 
len Durchmesser  erreichen. 

Die  unregelmässig  verlaufenden  Gefässbündel  enthalten  zarte,  sehr  lange, 
bis  15  Mikromill.  dicke  Gefässe,  deren  derbe  Spirale  sich  abrollen  lässt, 
aber  doch  leicht  bricht,  auch  wohl  in  die  Treppenform  übergeht.  Sie  sind 
besonders  auf  der  der  Peripherie  der  Frucht  zugeweudeten  Seite  von 
zartem  Prosenchym  begleitet. 

Die  Papillen,  welche  von  den  äusseren  Wänden  des  Faches  in  dasselbe 
hereinragen,  enthalten  zartwandiges,  in  den  äussereu  Schichten  gestrecktes 
Parenchym;  zwischen,  auch  wohl  an  ihnen  selbst  finden  sich  einzelne  rund- 
liche Anhäufungen  von  gelblichen  Schleimzellen,  die  unter  Wasser  oder  in 
Aetzkali  bedeutend  aufquellen.  Vielleicht  ist  hier  auch  ein  Sitz  der  Oel- 
bildung  zu  suchen. 

Die  iu  Schleim  eingebetteten  Eichen  sind  noch  unentwickelt. 

Das  Parenchym  der  unreifen  Pomeranzen  enthält  in  grosser  Menge  wol- 
kige, sehr  schwach  gelbliche  Klumpen,  welche  von  Jod  braungelb  gefärbt 
und  von  Kali  rasch  mit  schön  gelber  Farbe  gelöst  werden,  worauf  das  Ge- 
webe leer  erscheint  und  nur  da  und  dort,  zumal  in  den  peripheiischen 
Schichten,  wie  auch  iu  den  Papillen  uud  in  den  Wänden  der  Sameufächer 
zerstreute,  nicht  gut  ausgebildete  Kalkoxalat-Krystalle  aufweist. 

Die  Oelräume  enthalten  selten  ätherisches  Oel  ip  reichlicher  Menge;  es 
durch  tränkt  vielmehr  die  äusseren  Fruchtschichteu  als  rothbrauuer  Balsam. 

Die  unreifen  Pomeranzen  schmecken  besonders  in  ihren  äusseren  Schich- 
ten kräftig  aromatisch  und  bitter,  weit  weniger  in  den  inueren  1 heilen. 
Dem  Ceschmacke  entspricht  der  angenehme  Geruch. 

Der  eigentümliche  geruchlose,  krystallisirbare  Bitterstoff  wurde  von 
Lebreton  1830  dargestellt  uud  Hesperidin1)  genannt.  Dasselbe  ist  ge- 
schmacklos, nimmt  aber  durch  Kochen  mit  Essigsäure  einen  bittere»  Ge- 
schmack an.  Nach  Wide  manu  schmeckt  das  Hesperidin  sogar  susshch. 


D Aurantiin,  Brandes. 


Aurantia  immatura. 


599 


Iu  Alkalien  löst  es  sich  zu  gelbrothen  Verbindungen,  daher  die  erwähnten, 
im  Gewebe  vertheilten  Klumpen  dasselbe  wahrscheinlich  und  zwar  vielleicht 
neben  Eiweisstoffen  enthalten.  Wie  schon  Jonas  angedeutet,  fand  Dehn 
(1865)  das  Hesperidin  durch  Säuren  spaltbar.  Er  erhielt  daraus  veimittelst 
Schwefelsäure  einen  gut  krystallisirenden , mit  Mannit  isomeren  Zuckei. 
Etwaige  Beziehungen  zu  dem  in  den  Samen  der  Aurantiaceen  enthaltenen 
Limonin  (vergl.  bei  Cort.  Citri)  sind  nicht  ermittelt.  In  besonders  reich- 
licher Menge  ist  das  Hesperidiu  auch  in  den  Blüthen  der  javanischen  C itrus 
decumana  L.  enthalten. 

Aus  den  frischen  unreifen  Orangen  wird  ein  ätherisches  Oel  von  be- 
sonderem Wohlgeruche,  Esseuce  de  petit  grain  ou  d orangettes,  *)  gewonnen, 
welches,  wie  alle  Oele  der  Aurantiaceen,  mit  dem  Terpenthinöl  isomer  ist. 
Iu  den  trockenen  Früchtchen  ist  der  Oelgehalt  gering.  Das  Oel  der  Blüthen 
ist  Von  ausgezeichnetem  Wohlgeruche  und  sie  werden  höher  geschätzt  als 
die  von  Citrus  Aurantium  Risso.  — Nur  die  äussere  Fruchthaut  enthält 
Gerbstoff. 

Den  Alten  waren  die  bitteren  und  süssen  Orangen  unbekannt,  nirgends 
finden  sich  z.  B.  auf  den  Wandgemälden  von  Pompeji  Aurantiaceen-Früchte 
dargestellt.  Da  die  Verbindungen  Roms  bis  zur  indischen  Küste,  selbst 
bis  Ceylon  reichten,  so  mussten  damals  diese  Pflanzen  wohl  noch  nicht 
so  weit  gewandert  sein. 

Die  Araber  verbreiteten  vermuthlich  um  das  IX.  Jahrhundert  zunächst 
die  bittere  Orange  (Citrus  vulgaris)  durch  Oman  und  Mesopotamien  nach 
Syrien  und  Arabieu,  wo  ihre  Aerzte  im  X.  Jahrhundert  den  bitteren  Saft 
der  „Narandsch“  verordneten.  Auch  Sicilien,  Spanien  (Sevilla  gegen  Ende 
des  XII.  Jahrhunderts)  und  der  Norden  Afrikas  verdanken  den  Arabern  die 
Einführung  der  bitteren  Orange,  theils  direkt,  theils  in  Folge  der  Kreuz- 
züge, welche  die  Frucht  auch  in  andere  Mittelmeerländer  brachten. 

Die  Sanskritsprache  hat  gegen  20  verschiedene  Benennungen  des  Pome- 
ranzenbaumes oder  der  Orangen ; keine  einzige  derselben  deutet  einen 
süssen  oder  überhaupt  augenehmeu  Geschmack  der  Frucht  an,  daher  zur 
Blütliezeit  jener  Sprache  die  süsse  Orange  vermuthlich  noch  nicht  vorhan- 
den war.  Der  Hauptname  der  Orangen  im  Sanskrit,  Nagarunga,  Naringi, 
ist  in  alle  europäischen  Sprachen  übergegangen  und  liegt  sowohl  dem  grie- 
chischen jNepavT'Ciov,  als  auch  dem  Arancium,  Araugium,  Aurantium  des 
mittelalterlichen  Latein  zu  Grunde,  da  den  Römern  und  Griechen  selbst  der 
Begriff  und  die  Sache  gefehlt  hatte. 

Das  Mittelalter  kannte  bis  ins  XV.  Jahrhundert  nur  die  bittere  Orange. 
Mochte  durch  die  Handelsbeziehungen  der  Venetianer  und  Genuesen  end- 
lich auch  die  Kunde  der  süssen  Pomerauze  allmälig  das  Abendland  erreicht 
haben,  so  brachten  doch  erst  die  Portugiesen  dieselbe  nach  der  Umscliiffung 


l)  auch  wohl  Esscnco  de  Portugal , worunter  aber  bisweilen  ein  Gemisch  verschiedener 
Oele  verstanden  wird. 


600 


Früchte. 


des  Caps  (1498)  aus  Indien  und  Südchina  und  führten  allgemeiner  ihren 
Anbau  ein. Q Im  Caplande  gedeiht  sie  jetzt  so  vortrefflich , dass  sich  dort 
Orangenbäume  von  der  Grösse  deutscher  Eichen  finden  (Novara). 


Fructus  Rliamni  catharticae. 

Baccae  spinae  cervinae.  Kreuzdornbeeren.  Baies  de  nerprun. 

Buckthoru  berries. 

Rhamnus  cathartica  L.  — Rhamneae. 

Starker,  gekreuzt  gegenständig  verzweigter  Strauch,  einheimisch  durch 
ganz  Europa,  von  Spanien  bis  zum  südlichen  Norwegen  (nicht  nördlicher 
als  60°),  durch  Persien  bis  Südsibirien,  im  ganzen  wohl  weniger  gemein 
als  Rhamnus  Fraugula. 

Die  Blüthen  der  weiblichen  Pflanzen  bilden  sich  zu  schwarzen  glänzen- 
den kugeligen,  gegen  0,0 10m  grossen  Früchtchen  aus,  welche  an  der  un- 
merklich abgeplatteten  Spitze  den  kurzen  Ansatz  des  Griffels  tragen  und 
am  Grunde  von  einer  kleinen  achtstrahligen  Scheibe  (dem  vertrockneten 
Unterkelche)  gestützt  sind.  Das  Fruchtstielchen  fällt  mit  letzterer  leicht  ab. 
Yor  der  Reife  sind  die  Früchtchen  grün  und  deutlich  vierknöpfig,  später 
glatt,  aber  nach  dem  Trocknen  sehr  grob  runzelig,  indem  das  lockere  grün- 
lich-bräunliche Fruchtfleisch  stark  einschrumpft.  Es  schliesst  4 holzige 
einsamige  Fächer  ein,  welche  in  der  Mitte  rechtwinkelig  Zusammentreffen, 
wenn  nicht  etwa  das  eine  verkümmert.  Die  Samen  sind  aufrecht,  fast  kreis- 
förmig gebogen,  so  dass  eine  vertikale  Höhlung  entsteht,  in  welche  sich  die 
Ränder  des  Samens  Zurückschlagen.  Das  Eiweiss  und  die  gelben  Keim- 
blätter erscheinen  daher  im  Querschnitte  hufeisenförmig  mit  nach  aussen 
geöffneter  Krümmung. 

Die  glänzende  Oberhaut  der  reifen  Frucht  besteht  aus  kleinen  Tafel- 
zellen, worauf  eine  Reihe  derber  kubischer  Zellen,  dann  ungefähr  6 bis  10 
Schichten  ziemlich  fest  zusammenhängender  tangential  gestreckter  chloro- 
phyllreicher Zellen  folgen.  Diese  derbe  äussere  Fruchthaut  geht  allmälig  in 
das  sehr  lockere  dünnwandige  und  grosszellige  Fruchtfleisch  über,  desseu 
innere  Schichten  radial  gestellt  sind.  Ein  schmales  kleinzelliges  krystall- 
führendes  Parenchym  trennt  das  Fruchtfleisch  von  den  langgestreckten  ver- 
holzten Prosenchym  der  Fachwände. 

Im  Fruchtfleische  nimmt  man  ausser  Chlorophyll  auch  gleiche,  doch 
etwas  weniger  feste  Zellsäcke  von  roth-violetter  Färbung  wahr,  wie  bei 
Siliqua  dulcis.  Alkalien  ertheilen  ihnen  eine  blaue  Färbung,  welche  aber 
durch  gleichzeitige  Anwesenheit  gelben  Farbstoffes  grün  erscheint  \or 
der  Reife  sind  diese  Zellsäcke  kaum  etwas  gelblich  gefärbt  und  verändern 
sich  in  Berühruug  mit  Kali  nicht,  werden  aber  durch  Eisenchlorid  dunkel 


1)  Grösstcutheils  nach  A.  De  Caudolle.  Geogr.  botau.  1865. 


Fruetus  Rhamni  catharticae. 


601 


gefärbt.  Auch  die  äussere  Fruchthaut  ist  bei  der  Reife  mit  violettem  Farb- 
stoffe gesättigt. 

Der  frische  Saft  ist  grün , von  saurer  Reaktion  und  siisslichem , dann 
sehr  ekelhaft  bitterem  Geschmacke  und  widerlichem  Gerüche;  Alkalien 
färben  ihn  gelb,  Säuren  roth.  Der  Saft  trockner  Früchte  ist  mehr  braun- 
röthlich,  und  wird  durch  Alkalien  gelbgrünlich,  durch  Säuren  roth,  durch 
Eisensalze  dunkel  braungrün  gefärbt. 

Die  verschiedenen  gefärbten  Stoffe,  welche  neben  Zucker  und  Pektin, 
Gummi  und  organischen  Säuren  in  den  Kreuzbeeren  Vorkommen,  sind  noch 
nicht  genügend  bekannt.  Als  Rhamnin  bezeichnete  Fleury  (1841) 
körnige  oder  blumenkohlartige  Klumpen  von  gelber  Farbe,  die  er  nur  ein- 
mal in  Nadeln  krystallisirt  erhielt.  Alkalien  lösen  das  Rhamnin  mit  gelber 
Farbe,  Säuren  entfärben  es,  in  heissem  Wasser  quillt  es  auf,  in  kaltem  löst 
es  sich  nicht,  wohl  aber  in  heissem  Weingeist.  Aus  der  ammoniakalischen 
Lösung  sollen  sich  goldgelbe  Nadeln  (Frangulin?)  absetzen.  Reiner  und 
reichlicher  als  aus  dem  Safte,  soll  sich  das  Rhamnin  aus  dem  Pressrück- 
stande der  Früchte  gewinnen  lassen.  Den  Geschmack  schildert  Fleury 
als  eigeDthümlich,  dem  Mehlteige  ähnlich  (?).  Diese  Angaben  verdienen 
weitere  Prüfung,  welche  Lefort  neuerlich  angekündigt  hat. 

Den  Beeren  fehlt  wenigstens  vor  der  Reife,  nach  Büchner,  das  Fran- 
gulin (vgl.  bei  Cort.  Frangulae). 

Dem  eingedampften  Safte  der  Beeren  entzog  Win  ekler  (1849)  durch 
Alkohol  das  (Rhamno-)  Cathartin,1)  einen  hell  goldgelben,  auch  in 
Wasser,  nicht  aber  in  Aether  löslichen  amorphen  Bitterstoff.  Alkalien 
lösen  das  Cathartin  mit  gelber  Farbe,  welche  durch  Eisenchlorid  in  braun 
übergeht.  Auch  dieser  Stoff  ist  noch  sehr  erneuerter  Untersuchung  bedürftig. 
Er  soll  therapeutisch  dem  Aloeharze  nahe  stehen. 

Saftgrün,  Succus  viridis,  heisst  eiu  schon  seit  langem  als  Wasserfarbe 
dienender  Lack,  den  man  durch  Fällung  des  Saftes  reifer  Kreuzdornbeeren 
vermittelst  Alaun  oder  Pottasche  als  dunkelgrüne  weiche  Masse  erhält.  Sie 
löst  sich  in  Wasser  und  Weingeist;  Alkalien  färben  die  Auflösung  gelb, 
Säuren  roth. 

Rommier,  so  wie  Charvin  haben  in  neuester  Zeit  die  technische 
Verwendbarkeit  dieses  aus  der  Rinde  oder  den  Früchten  zu  gewinnenden 
Farbstoffes  näher  geprüft  und  gezeigt,  dass  es  sich  in  Wasser  suspeudirt, 
aber  nicht  eigentlich  löst  und  blutrothe  Färbung  annimmt,  welche. durch 
reducirende  Agentien  wieder  in  Grün  umgewandelt  wird.  Andere  Säuren 
und  Salze  erzeugen  unter  Zersetzung  die  verschiedensten  Farben , welche 
sich  aber  wenig  beständig  gezeigt  haben. 

Unter  dem  Namen  Lu-kao  wird  in  China  aus  Rinden  von  Rhamnus 


1)  Die  Bezeichnung  Catarthin  rührt  von  Hubert  (1830)  her,  war  aber  bereits  früher 
emem  Stoffe  der  Senna  durch  Lassaigne  u.  Feneulle  beigelegt  worden  (siehe  bei  Folia 


602 


Früchte. 


chlor ophora  und  Rh.  utilis  ein  trockener,  sehr  reicher  Farbstoff  darge- 
stellt, welcher  vermuthlich  mit  dem  letzterwähnten  Stoffe  aus  Rh.  cathar-  ü 
tica  übereinstimmt.  Dieses  Chinesisch-Grün  ist  blau,  von  grünem  Striche, 
violett  und  grün  schimmernd. 

Die  den  Kreuzbeeren  ähnlichen  Früchte  von  Rhamnus  Frangula  sind 
roth,  zuletzt  erst  schwarzblau,  aber  niemals  vierfächerig,  sondern  nur  2- 
oder  3-keruig.  Chemisch  scheinen  sie  nicht  verschieden  zu  sein. 

Andere  Farbstoffe  dagegen  kommen  in  den  sogenannten  Gelbbeeren 
oder  Avignonkörnern  vor  (vgl.  unter  Cort.  Fraugulae). 


Fructus  Sabadillae. 

Semen  Sabadillae.  Sabadillsamen.  Läusesamen.  Cevadille.  Cevadilla. 

Sabadilla  officinarum  Brandt.  — Melanthaceae. 

Syn.:  Sabadilla  offieinalis  Nees. 

Yeratrum  officinale  Schlechtendal.  — Helonias  Don. 
Schoenocaulon  Asa  Gray.  — Asagraea  Lindley. 


Diese  Zwiebelpflanze  wächst  vorzüglich  an  grasreichen  bewässerten 
Stellen  am  Ostabhange  der  gewaltigen  mexicanischen  Vulkanreihe  des  Cofre 
de  Perote  und  Pik  von  Orizaba  (Citl-altepetl)  bei  Teosolo,  Huatusco  und: 
Zacuapan  bis  zum  Meeresufer  herunter,  dann  auch  in  Venezuela  (Caracas). 
Zur  Ausfuhr  wird  die  Sabadilla  angebaut  bei  Vera  Cruz,  Alvarado,  Tlaca- 
talpan  am  mexicanischen  Golf. 

Die  Frucht  besteht  aus  drei  bis  0,0 15m  langen,  gelbbraunen  trocken- 
häutigen zugespitzten  Karpellen,1)  welche  meist  noch  nebst  dem  6theiligen< 
Perigon  und  den  6 Staubfäden  auf  dem  kurzen  Blüthenstielchen  sitzen. 
Die  kapselartigen  Karpelle  sind  nur  unten  verwachsen,  nach  oben  frei,, 
etwas  spreizend  und  längs  der  Bauchnaht  aufgesprungen.  Jedes  enthält  1—6, . 
höchstens  0,009m  lange  und  0,002"’  dicke  braunschwarze  glänzende  läugs- 
nervige  Samen,  welche  an  der  Axe  befestigt  und  durch  gegenseitigen  Druck 

unregelmässig  kantig  geworden  sind. 

Die  feste  Samenschale  umschliesst  ein  graubraunes  öliges  Eiweiss,  m 
dessen  Grunde  der  etwas  geschnäbelteu  Samenspitze  gegenüber  der  kleine 
Embryo  liegt.  Der  Querschnitt  zeigt  unter  der  braunen,  aus  drei  Reihen i 
lockerer,  tangential  gestreckter  dünnwandiger  Zellen  bestehenden  Samen.-? 
hülle  das  couceutrisch-strahlige  Gewebe  des  Eiweisses,  grosse  dickwandige, 
nicht  poröse  Zellen  mit  wellenförmiger  Höhlung,  welche  durch  körnig 
schleimiges  Protoplasma  und  Oeltropfen  erfüllt  ist.  Das  Eiweiss  hat  Ähn- 
lichkeit mit  dem  des  Sem.  Colchici.  Die  dünne  gelbe  Samenschale  ist  fest 


l)  Die  Karpelle  sehen  einigermassen  der  Gerste  ähnlich,  daher  der  Name,  vo“  spanisch« 
Cebada  Gerste.  - Caspar  Bauhin  nannte  die  Sabadillfrucht  Bordeum  causUcum. 


Fructus  Capsici. 


603 


mit  dem  Eiweiss  verwachsen;  Amylum fehlt.  Der  Samen  ist  geruchlos,  aber 
von  brennend  scharfem  anhaltendem  Geschmacke,  beim  Pulvern  heftiges 
Niesen  verursachend.  Die  Fruchtgehäuse  sind  fast  ohne  Wirkung,1)  da- 
her ist  auf  reichliche  Menge  von  Samen  in  der  käuflichen  Waare  zu 
achten.  Aus  Porto  Cabello  (Venezuela)  wird  der  ausgehülsete  Samen  in  den 
Handel  gebracht. 

In  der  Sabadilla  fand  Meissner  1818  das  Alkaloid  Veratrin 
£32H52N2G8,  welches  Pelletier  u.  Caventou  (vgl.  bei  Rhizom aVeratri) 
genauer  untersuchten.  Früher  nur  mit  sehr  viel  Harz  verunreinigt  als 
amorphe  Masse  gekannt,  wurde  es  1855  von  G.  Merck  in  grossen 
rhombischen  Prismen  erhalten. 

Nach  Buignet  wäre  das  Veratrin  ein  Glykosid  (ob  das  reine  krystal- 
lisirte  oder  nur  das  harzhaltige?)  Die  von  den  Fruchtgehäusen  befreiten 
Samen  liefern  ungefähr  */»  pC.  amorphes  Veratrin,  zu  dessen  Darstellung 
sie  ausschliesslich  dienen,  enthalten  aber  noch  ein  zweites  Alkaloid , das 
Sabadillin,  welches  nach  Hübschmann  nicht  Niesen  erregt  und  in 
Aether  nicht,  wohl  aber  in  Ammoniak  löslich  ist.  Ausserdem  enthalten  die 
Samen  eine  flüchtige  Fettsäure,  die  Sabadill-  (oder  Cevadin-)säure , und 
die  gleichfalls  eigen thümliche  Veratrumsäure  H’°LD. 

Die  Sabadillfrucht  gelangte  gegen  Ende  des  XVI.  Jahrhunderts  aus 
Mexico  zu  uns.  Monardes  beschrieb  sie  zuerst  1572.  In  Mexico  dient 
die  sehr  gefährlich  wirkende  Zwiebel  der  Sabadilla  unter  dem  Namen 
Cebolleja  auch  als  Wurmmittel. 

Veratrum  Sabadilla  Retzius,  auf  den  Antillen,  so  wie  im  Innern 
Mexicos,  früher  irrigerweise  für  die  Stammpflanze  der  officinellen  Sabadill- 
samen gehalten , ist  von  Sabadilla  officinarum  verschieden  durch  die  dunk- 
leren und  mehr  eirundlichen  Früchte,  welche  sich  nur  sehr  selten  in  der 
Handelswaare  finden. 


3.  brennend  scharfe  Früchte. 

Fructus  Capsici. 

Piper  hispanicum  s.  indicum.  Spanischer  Pfeffer.  Paprika  (slavisch). 
Capsique.  Poivre  rouge.  Poivre  long.  Red  pepper.  Cayenne  pepper. 

Guinea  pepper.  Pod  pepper. 

1.  Capsicum  longum  Fingerhut. 

2.  Capsicum  aiwuum  Fingerhut.  — Solaneae . 

Einjährige  krautartige,  ursprünglich,  wie  es  scheint,  in  Westindien  und 
Südamerika  einheimische  Pflanzen , die  jetzt  in  allen  wärmeren  Ländern 
durch  Kultur  verbreitet  und  vielfach  ausgeartet,  nirgends  aber  noch  wild 
anzutreffeu  sind. 


*)  Nach  Schroff  und  andern  nicht  weniger  wirksames  Princip  enthaltend. 


«04 


Früchte. 


Der  im  Haudel  vorkommende  spanische  Pfeffer  ist  fast  ausschliesslich 
die  bis  gegen  0,1  Om  lange  und  am  Grunde  höchstens  0,04“  dicke  Beere 
der  erstgenannten  Art.  Sie  ist  glatt  blasig,  etwas  zugespitzt,  schön  glän- 
zend roth  oder  gelbroth,  am  Grunde  noch  mit  dem  fest  haftenden,  ziemlich 
flachen  gezähnten  grünlich  braunen  Kelche  versehen,  welcher  allmälig  in 
den  starken  gekrümmten  (bei  Capsicum  annuum  geraden)  Stiel  übergeht, 
der  etwa  die  halbe  Länge  der  Beerenfrucht  erreicht.  Diese  selbst  besteht 
aus  einem  lederartigen  durchscheinenden  trockenen , kaum  V4  Millimeter  ’ 
dicken  mürben  Fruchtgehäuse  von  derber,  fäst  spröder  Consistenz.  In  ihrem 
oberen  Theile  ist  die  Frucht  einfächerig,  mit  2 — 3 wandständigen  Samen- 
trägern versehen,  welche  im  unteren  Theile  Zusammentreffen  und  zu  einem 
grossen  markigen  centralen  Mittelkörper  verwachsen,  der  das  Fruchtgehäuse 
selbst  grösstentheils  leer  läst.  Hierdurch  entstehen  in  der  unteren  Hälfte 
der  Frucht  2 oder  3 sehr  weite  Fächer  mit  zahlreichen  gelblichen  Samen, 
welche  flache,  unregelmässig  rundliche,  0,005“  messende  Scheiben  mit 
grubiger  Oberfläche,  etwas  verdicktem  Rande  und  klaffendem  Nabel  dar- 
stellen. Dem  fast  ringförmig  gekrümmten  Embryo  entsprechen  auf  den 
beiden  Flächen  der  Samenschale  etwas  hellere  Erhöhungen. 

Im  Wasser  quillt  das  Fruchtgehäuse  auf  und  lässt  sich  leicht  in  die 
derbe  äussere  und  die  lockere  faserige  innere  Fruchtschicht  trennen. 
Die  letztere  allein  wird  der  ganzen  Länge  nach  von  zahlreichen  feinen,  hier 
und  da  anastomosirenden , meist  aber  parallelen  Gefässbündeln  durch- 


zogen. 

Die  äussere  Schicht  ist  aus  4 — 7 Reihen  gelber  tafelartiger  Zellen 
zusammengesetzt,  deren  Wände  viel  dicker  sind,  als  der  Querdurchmesser 
ihrer  Höhlungen.  Im  Querschnitt  erscheinen  diese  Zellen  in  tangentialer 
Richtung  etwas  gestreckt,  im  tangentialen  Längsschnitt  dagegen  von  vor- 
herrschend quadratischer  bis  rhombischer  oder  etwas  abgerundet  eckiger 
Form  und  bedeutender  Ausdehnung.  Die  Wände  zeigen  hier  sehr  zierliche 
Porenkanäle. 

Die  innere  Fruchtschicht,  fast  doppelt  so  breit  wie  die  äussere,  enthält 
wenig  gefärbte,  tangential  gestreckte  flache  Zellen  mit  sehr  zarten  zusammen- 
gefallenen, daher  fast  verfilzten  Wänden ; nur  die  innerste  Zellenreihe  bietet 
einen  derberen  Bau  dar,  indem  sie  aus  gelben,  ausnehmend  zierlichen 
Zellen  besteht,  welche  mehr  denen  der  äusseren  Fruchtschicht  gleichen. 
Sie  stellen  nämlich  ebenfalls  Tafeln  dar,  deren  fein  geschichtete  Wandungen 
aber  im  tangentialen  Schnitt  höchst  unregelmässigen  geschlängelten  Verlauf 
zeigen  und  von  zahlreichen  Porenkauälen  durchbrochen  sind.  — An  der 
Grenze  dieser  beiden,  die  innere  Fruchthaut  zusammensetzenden  Schichten 
verlaufen  die  sehr  lang  gestreckten  Bündel  der  nur  etwa  10  Mikromilliiu. 
dicken,  mit  abrollenden  Spiralen  versehenen  Gefässe,  umgeben  von  sehr 
zarten  Bastfasern.  — Der  Längsschnitt  durch  das  Fruchtgehäuse  gibt 
daher  je  nach  der  Tiefe,  in  welcher  er  geführt  wird,  ein  sehr  verschie- 
denes Bild. 


Fructus  Capsici. 


605 


Die  Zellen  der  äusseren  Fruchthaut  sind  namentlich  Sitz  des  fein- 
körnigen gelbrothen  Farbstoffes,  nach  dessen  Entfernung  durch  Kali  und 

Weingeist  ein  Zellenkern  zurückbleibt. 

Die  Samen  bestehen  aus  dickwandigem  grossem,  im  Embryo  aber  viel 
kleinerem  und  zarterem,  rundlich  polyedrischem  und  mit  trübem  körnigem 
Inhalte  erfülltem  Gewebe,  bedeckt  von  einer  dünnen  inneren  und  einer  sehr 
dicken  äusseren  Samenschale,  welche  noch  mit  einem  zarten  Oberhäutchen 
belegt  ist.  Die  dickwandigen,  radial  gestellten  Zellen  der  äusseren  Samen- 
schale sind  von  sehr  unregelmässiger  abwechselnder  Form  und  Grösse  und 
bedingen  das  grubig-runzelige  Aussehen  der  Samen. 

Der  Geschmack  des  spanischen  Pfeifers,  auch  seiner  Samen,  ist  von 
sehr  anhaltender  brennender  gefährlicher  Schärfe,  welche  auch  äusserlich 
die  Haut  bis  zur  Blasenbildung  zu  reizen  vermag. 

Als  Träger  dieser  Schärfe  hatte  Buch  holz  und  auch  Braconnot 
(1816)  einen  anfangs  schmierigen,  nur  schwer  trocknenden  Stoff,  Cap- 
sicin,  bezeichnet,  den  letzerer  durch  Aether  auszog.  Yon  diesem, 
offenbar  noch  sehr  unreinen , wohl  harz-  und  fetthaltigen  Präparate  ganz 
verschieden  erscheint  Wittin g’s  in  Wasser  und  Alkohol,  nicht  aber  in 
Aether  lösliches  krystallisirtes  Capsicin,  welchem  basische  Natur  zuge- 
schrieben werden  müsste , sofern  sich  die  Angaben  des  Entdeckers  bestä- 
tigen sollten. 

Landerer’s  Mittheilungen  (1854)  haben  zur  Aufklärung  dieses  Stoffes 
kaum  beigetragen. 

Einen  krystallisirten  farblosen  Stoff,  welcher  jedenfalls  im  höchsten 
Grade  die  scharfen  Eigenschaften  des  Capsicum  besitzt,  haben  (1857) 
Parrish1)  u.  Taylor  durch  Ausziehen  mit  Aether,  Reinigung  mit  Wein- 
geist und  Fällung  mit  Bleiessig  erhalten.  Parrish  vergleicht  dieses  Cap- 
sicin mit  einem  Steaoropten  (?). 

Noch  weniger  gekannt  ist  der  Farbstoff  der  Capsicumfrucht,  in  welcher 
Braconnot  ausserdem  noch  Kalisalze  der  Citrou-  und  der  Phosphorsäure, 
Gummi  und  Harz  gefunden  hat.  — Eine  höchst  unbedeutende  Spur  äthe- 
rischen Oeles  scheint,  nach  Raybaud,  nur  in  der  ganz  frischen  reifen 
Frucht  enthalten  zu  sein. 

Unter  dem  Namen  Cayenne- Pfeffer  kommen  als  Gewürz  dem  spa- 
nischen Pfeffer  ähnliche,  aber  nur  etwa  0,03m  lange  Früchte  vor,  welche 
von  Capsicum,  crassrmWilld. , oder  auch  von  C.  frutescens  Willd.  und 
noch  anderen  Arten  abgeleitet  werden.  — Viele  Capsicum- Arten  oder  Varie- 
täten liefern  übrigens  scharfe,  hauptsächlich  in  den  Tropenländern  als  Ge- 
würze dienende,  bald  kirschen-  oder  olivenähnliche,  bald  grössere  Früchte. 
Häufig  gelangen  sie  mit  Mehl  zerrieben  in  den  Handel. 

Der  spanische  Pfeffer  wurde  in  Deutschland  erst  gegen  die  Mitte  des 
XVI.  Jahrhunderts,  nach  Leonhard  Fuchs  einige  Jahre  vor  1542, 


a)  Practical  Pharmacy.  Philadelph.  1859.  pg.  427. 


60« 


Früchte. 


bekannt.  Er  scheint  zuerst  durch  Daveiro  aus  Westafrika  (Benin)  nach 
Portugal  gebracht  worden  zu  sein,  wo  er  durch  Garcia  d’Orta  aufhöberen 
Befehl  herabgesetzt  wurde,  damit  der  einträgliche  monopolisirte  Pfeffer- 
kandel durch  die  neue  Waare  nicht  leide. 

4.  aromatische  Früchte  und  Fruchtstände. 

Fructus  Juniperi. 

Baccae  s.  Galbuli  Juniperi.  Wachholder-,  Reckholder-1)  oder  Kaddigbeeren. 

Genievre.  Baies  de  Genievre.  Juniper  berries. 

Junipenis  communis  L.  — Coniferae-Cupressinae. 

Starker  ästiger  Strauch,  durch  den  grössten  Theil  der  arktischen  und 
gemässigten  nördlichen  Zone  verbreitet.  Im  südlichen  Gebiete,  in  Spanien, 
auf  der  Balkan -Halbinsel,  wächst  er  mehr  strauchartig  in  den  Gebirgen; 
im  Norden  wird  er  sehr  kräftig,  baumartig,  600 — 800  Jahre  alt  und  geht 
bis  Grönland,  Islaud,  Mageröe,  Kamtschatka,  durch  Sibirien  bis  ins  süd- 
kaspisclie  Gebiet. 

Die  kurzen  Bliithenstäude  (Kätzchen)  sitzen  einzeln  in  den  Blattwinkeln 
vorjähriger  Triebe;  die  der  weiblichen  Pflanze  bestehen  aus  3 — 5 Reihen 
ziegeldachartig  geordneter  3 blätteriger  Wirtel  von  Deckblättern.  Die  3 
Blätter  des  obersten  Wirtels  werden  fleischig  schuppenartig;  mit  ihnen  alter- 
nireu  3 freie  aufrechte,  an  der  Spitze  durchbokrte-Eichen.  Nach  dem  Ver- 
blühen verwachsen  die  drei  Erucktschuppeu  zu  einer  Scheinbeere  und 
schliesseu  die  Eichen  ganz  ein,  indem  an  dem  reifenden  Fruchtstaude  nur 
noch  oben  die  höckerigen  Spitzen  und  Nähte  der  zusammentreffenden 
Fruchtblätter  und  nach  dem  Abfallen  am  Grunde  ein  oder  mehrere  Wirtel 
vertrockneter  kleiner  Deckblätter  wahrnehmbar  bleiben  und  die  Eutstehuug 
dieser  sogenannten  Beere  andeuteu.  Sie  bleibt  im  ersten  Jahre  eiförmig, 
grün  und  wird  erst  im  zweiten  Herbste  reif  und  kugelig  (bis  0,009  Durch- 
messer), dunkel  schwarzbraun,  blaugrau  bereift.  Der  Uebergaug  von  der 
grünen  in  die  dunkel  schwarzblaue  Färbung  scheint  sehr  rasch  einzutreten. 
Unter  der  düuueu  Fruchthaut  ist  ein  lockeres  braungelbes  Fruchtfleisch 
enthalten,  das  die  drei  harten,  oben  scharf  dreikantigen  Samen  eiuschliesst. 
Sie  liegen  mit  einer  flachen  oder  gekielten  Seite  unmittelbar  au  eiuauder, 
nur  auf  den  äusseren  Seiten  und  blos  bis  etwas  über  die  untere  Hälfte  mit 
dem  Fruchtfleische  verwachsen.  Die  obere  freie  Hälfte  dagegen  ist  aussen 
mit  einem  Samenhäutchen  bedeckt.  In  Furchen  der  Samenschale  liegen  an 
der  unteren  Hälfte  der  Samen  kleine,  bis  0,002“  lange  Schläuche,  die  mit 
dem  ätherischen  Oele  gefüllt  sind.  Ihre  zarte  Membran  ist  mit  dem  trucht- 


l)  vom  altdeutschen  Recan,  rauchen,  räuchern.  Indessen  findet  sich  im  althochdeutschen 
auch  Wcchhuldcr,  Wachalderndorn,  Wallechdoru  und  Krannbaum  schon  vor  dem  XII.  Ja  in. 


Vanilla. 


607 


fleische  verwachsen.  Jeder  Samen  trägt  auf  der  inneren  Seite  1 oder  2, 
auf  der  konvexen  Rückenfläche  4 — 8 dieser  Oelschläuche , welche  oft  bei 
alten  Früchten  statt  des  Oeles  krystallisirtes  farbloses  Stearopten  (oder 
Harz?)  enthalten.  Aber  auch  bei  unreifen  grünen  Früchten  ist  der  Inhalt 
dieser  Schläuche  immer  dickflüssig,  so  dass  die  Veränderung  des  Oeles 
demnach  schon  sehr  früh  beginnt. 

Die  Aussenschicht  der  Frucht  besteht  aus  einer  farblosen  glashellen 
durchsichtigen  Oberhaut,  welche  einige  Reihen  kubischer  oder  tafelförmiger 
grosser  Zellen  mit  dicken  braunen  porösen  Wänden  bedeckt.  Diese  Zellen 
zeigen  dunkelbraunen  körnigen  Inhalt  (Farbstoff)  und  Harzklumpen.  Das 
Fruchtfleisch,  bei  der  Reife  aus  grossen  elliptischen  dünnwandigen  Zellen 
gebildet,  deren  Zusammenhang  ganz  gelockert  ist,  enthält  Chlorophyll  und 
Oeltropfen ; vor  der  Reife  aber  auch  Araylumkörner  und  grosse  Oelzellen. 
Dieses  Gewebe  ist  von  sehr  kleinen,  Ring-  und  Tüpfelgefässe  führenden 
Gefässbündeln  von  unten  nach  oben  durchzogen. 

Die  Wachholderbeeren  riechen  aromatisch  und  schmecken  gewürzhaft 
süsslich-bitterlich  und,  wenn  sie  älter  sind,  etwas  säuerlich.  Ihr  ätherisches 
Oel,  isomer  mit  Terpenthinöl , beträgt  bei  reifen  trockenen  Früchten  unge- 
fähr DApC.,  bei  unreifen  weniger;  letztere  enthalten  noch  ein  zweites  Oel 
von  niedrigerem  Siedepunkte.  Die  Angaben  über  die  Ausbeute  schwanken 
zwischen  3A  bis  gegen  2 pC.,  und  es  sind  bedeutende  Abweichungen  leicht 
erklärlich,  theils  durch  verschiedene  Reife  der  Früchte  und  ungleichen 
Standort,  theils  durch  die  schon  angedeutete  Hydratation  und  Oxydation 
des  Oeles.  — Im  Süden  scheint  wohl  der  Oelgehalt  regelmässig  geringer 
zu  sein,  als  in  mehr  nördlichen  Ländern.  Die  Wachholderbeeren  sind  reich 
an  Traubenzucker  (13  pC.  Steer,  33  pC.  Trommsdorff),  durch  dessen 
Gährung  bekanntlich  ein  eigenthümlicher  Branntwein  erhalten  wird.  Es 
scheint,  dass  bei  der  Gährung  zugleich  flüchtige  Säuren  der  Fettsäurereihe, 
vielleicht  auch  Milchsäure  entstehen.  Nach  Steer  enthalten  die  Früchte 
Aepfelsäure,  Wachs,  Gummi,  Pektin  und  einen  eigen thümlichen  gelblichen, 
an  Chrysophansäure  erinnernden  Stoff,  Juniperin,  welcher  nicht  genauer 
erforscht  ist  und  hauptsächlich  den  Farbstoff  der  äusseren  Fruchthaut  zu 
enthalten  scheint. 

Unreife  grüne  Früchte  nehmen  durch  das  Trocknen  eine  braunröthliche 
Farbe  an,  die  sie  leicht  erkennen  lässt. 

Vanilla. 

Siliqua  Vanillae.  Vaniglia.  Baynilla.  Fructus  Vanillae.  Vanille.  Vanille. 

Vanilla  planifolia  Andrews.  — Orchideae. 

Diese  in  Ost-Mexico  einheimische,  durch  Cultur  dort  und  in  sehr  vielen 
Tropenländern  weit  verbreitete  Orchidee  klimmt  vermittelst  ihrer  Luft- 
wurzeln in  feuchten  schattigen  und  warmen  Wälderu  hoch  an  Bäumen 


608 


Früchte. 


empor.  Ihr  langer,  etwas  dreikantiger  Fruchtknoten  ist  einfächerig;  von 
jeder  Wand  ragt  ein  zweischenkliger  Samenträger  frei  in  das  hohle  Fach 
herein.  Jeder  Schenkel  (oder  Leiste)  ist  nochmals  2 lappig,  die  Lappen 
zuriickgeschlagen,  so  dass  also  im  Ganzen  12  gerundete  Kanten  mehr  oder 
weniger  frei  oder  genähert  der  Länge  nach  die  Höhlung  der  Frucht  durch- 
ziehen und  die  zahllosen  schwarzen,  höchstens  V*  Millimeter  messenden 
Samen  tragen.  Diese  glänzenden  harten  Samen  sind  mit  einem  hellgelben 
balsamischen  Mus,  dem  eigentlichen  Träger  des  Wohlgeruches,  überzogen. 

Erst  im  zweiten  Jahre  reift  der  Fruchtknoten  zu  einer  durchaus  nicht 
aromatischen,  kleberig  milchenden  schotenartigen  ’)  fleischigen  Kapselfrucht 
aus,  welche  sich  ungleichhälftig  in  2 Klappen  der  Länge  nach  öffnet.  Man 
lässt  sie  jedoch  nicht  zu  völliger  Reife  gelangen , sondern  sammelt  sie  (in 
Mexico  vom  December  bis  Märzl) 2)),  wenn  ihre  grüne  Farbe  eben  in  braun 
überzugehen  beginnt  und  trocknet  sie  nach  einigen  Angaben  in  sehr  um- 
ständlicher Weise,  indem  mau  sie  abwechselnd  offen  oder  in  wollene  Tücher 
eingeschlagen,  der  Wärme  aussetzt,  wobei  sie  nachreift  und  erst  das  Aroma 
und  die  beliebte  dunkelbraunschwarze  Farbe  der  käuflichen  Frucht  ent- 
wickelt. Sie  wird  alsdann  in  Bündelchen  (Mazos)  von  50  Stück  zusammen- 
gelegt und  je  20  solcher  zu  grösseren  Bündeln  (Miliares)  in  Blechkistchen 
verpackt. 

Die  mexicanische  Yanille  erreicht  eine  Länge  von  0,30m,  bei  einer  Breite 
von  0,0 10'“,  in  Wasser  eingeweicht,  schwillt  sie  um  die  Hälfte  auf;  sie  ist 
durch  die  Packung  etwas  plattgedrückt,  tief  längsfurchig , nach  der  Basis 
zu,  oft  aber  nach  beiden  Enden  etwas  verschmälert,  gegen  die  Basis  zurück- 
gekrümmt und  bisweilen  um  ihre  Axe  gedreht.  Zahlreiche  farblose  Kry- 
stalle , entweder  Blättchen,  feine  Nadeln  oder  kürzere  dicke  Prismen  von 
Vanillin  bedecken  die  schwarzbraune  Oberfläche,  bei  den  besten  Sorten 
einen  dichten  Reif  (givre  der  Franzosen)  bildend.  Geringere  Sorten  be- 
sitzen diesen  glänzenden  Ueberzug  nicht.  Der  Querschnitt  zeigt  zwei  deut- 
lichere Kanten,  welche  die  abgeflachte  Seite  der  Frucht  eiuschliessen,  wäh- 
rend die  beiden  anderen  stark  gewölbten  Seiten  nur  undeutlich  durch  eine 
abgerundete  Kante  getrennt  sind.  Die  Seiten  verlaufen  in  wellig  gebogener 
Linie.  Von  den  zwei  deutlicheren  Kanten  aus  geht  eine  Reihe  etwas  engerer 
Zellen  gegen  das  Innere,  die  beiden  Richtungen  schwach  andeutend,  iu 
welcher  die  reife  Frucht  sich  öffnet.  Die  innere  Hälfte  des  Fruchtgehäuses 
enthält  etwa  20  in  einen  weiläufigeu  Kreis  geordnete  Gefässbündel.  Die 
äussere  Fruchthaut  wird  von  einer  Reihe  tafelförmiger  dickwandiger  Zellen, 
mit  körnigem  braunem  Inhalte  gebildet,  die  Mittelschicht  des  Fruchtgehäuses 
aus  grossen  dünnwandigen  Zellen,  welche  in  der  äusseren  Schicht  etwas 
eckig  und  axial  gestreckt,  in  der  inneren  mehr  kubisch  oder  kugelig  gestaltet 


l)  Bayna  heisst  spanisch  Schote,  Vaynilla  Schötchcn ; portugiesisch  Baonilba. 

'i)  Nach  J.W.  von  Müller  Ende  März  bis  Ende  Juni. 


Vanilla. 


609 


sind.  Alle  enthalten  gelbliche  Fetttropfen,  braune  körnige  Klümpchen, 
Nadeln  von  Kalkoxalat  und  Prismen  von  Vanillin. 

Sehr  charakteristisch  sind  jene  äusseren  Zellen  des  Fruchtgehäuses, 
indem  auf  ihren  Wänden  zierliche  Spiralfasern  abgelagert  sind,  welche  noch 
ausgezeichneter  in  den  Luftwurzeln  tropischer  Orchideen  (z.  B.  Aerides  odo- 
rata)  Vorkommen.  Das  Parenchym  der  inneren  Lage  des  Fruchtgehäuses 
dagegen  zeigt  etwas  zusammengefallene,  daher  zart  geschlängelte,  fein  poröse 
Wände.  Die  Samenträger  sind  mit  zarten,  dünnwandigen  Zellen,  dem  lei- 
tenden Zellgewebe , bekleidet , die  Innenwand  selbst  an  den  freien  Stellen 
mit  langen  Papillen. 

Die  Cultur  der  Vanille  ist  sehr  einfach , da  etwa  lm  lange  Setzranken 
(Steckreiser),  welche  man  an  Bäume  befestigt  und  kaum  die  Erde  berühren 
lässt,  sehr  bald  in  die  Rinde  Wurzel  schlagen  und  schon  vom  dritten 
Jahre  an,  während  30 — 40  Jahren,  jährlich  bis  50  Früchte  treiben.  Haupt- 
sitze der  Vanille -Produktion  sind  die  Küstengegenden  des  Staates  Vera- 
Cruz,  vorzüglich  Mizantla,  Papantla,  Nautla,  Colipa,  Tacuantla,  Santiago, 
San  Andres  de  Tuxtla.  Aus  diesem  Striche  wurden  z.  B.  1856  etwa  3V2 
Millionen  Früchte  imWerthe  von  mehr  als  2 Mill.  Francs,  1860  etwa 
8000  Kilogr. , 1864  etwa  20,000  K.  ausgeführt,  meist  nach  Bordeaux. 
Auch  am  Westabhange  der  Cordi Heren  im  Staate  Oaxaca,  bei  Teutila, 
Juquila,  Sacatepec,  wird  Vanille  gewonnen,  weniger  in  den  Staaten  Tabasco, 
Chiapas  und  Yucatan.  Die  Frucht  gewiuut  durch  die  Cultur  an  Aroma, 
und  wird  am  höchsten  geschätzt,  wenn  sie  laug  und  fleischig,  stark  aro- 
matisch, dunkel  braunschwarz,  mit  Krystallen  bedeckt  und  nicht  aufge- 
sprungen ist  (Vanille  du  Leg  oder  Lee).  Wild  gewachsene  mexicanische 
Früchte  sind  trocken  und  wenig  geschätzt  (Vanilla  cimarrona.  Ciinmarron 
= wild). 

Die  Befruchtung  der  Vanille  wird  durch  Insekten  vermittelt,  da  die 
Uebertragung  der  Pollenmassen  auf  die  Narbe  des  eigenthüinlichen  Blüthen- 
baues  wegen  nicht  ohne  weiteres  stattfiuden  kann.  Seitdem  Morren,  Garten- 
direktor in  Lüttich  (1836),  gezeigt  hat,  dass  jede  andere  Uebertragung  der 
Pollenmassen  zur  Befruchtung  auch  genügt,  gelingt  die  Erzeugung  der  Vanille 
ohne  die  betreffenden  Insekten  in  allen  Tropenländern;  sogar  in  den  euro- 
päischen Gewächshäusern  vermag  man  ausgezeichnet  aromatische  Früchte 
zu  erzielen.1)  Seit  1850  betreibt  z.  B.  Teijsman,  Direktor  des  gross- 
artigen Gouvernementsgartens  in  Buitenzorg  (Java)  die  Vanillekultur  ge- 
schäftsmässig  mit  dem  besten  Erfolge.  Die  Pflanzen  werden  daselbst  im 
Freien  an  langen  Stangen  gezogen  und  die  Befruchtung  durch  gewöhnliche 
Arbeiter  vorgenommen. 

Auch  in  Westindien  und  auf  den  Mascarenas  wird  Vanilla  planifolia 
angebaut,  so  dass  Reunion  (Bourbon)  1860  über  6000  Kilogr.  und  1864 

0 In  Hamburg  und  Berlin  gezogene  Früchte  fand  Berg  der  mexikanischen  Vanille  gleich 
bis  auf  geringe  anatomische  Unterschiede.  Es  fehlten  z.  B.  die  charakteristischen  Spiral- 
faserzellen. 

Flückiger,  Pharmakognosie. 


39 


610 


Früchte. 


bereits  20,000  Kilogr.  ausgeführt  hat,  obwohl  sich  diese  Sorte  wegen  allzu 
grosser  Weichheit  nicht  so  sehr  empfiehlt.  Gewiss  steht  noch  weiterer  Ver- 
breitung nichts  im  Wege,  als  der  durch  allzu  grosse  Produktion  gedrückte 
Preis  und  der  immerhin  nur  beschränkte  Verbrauch. *) 

Auch  andere  Vanilla- Arten  liefern  ähnliche,  doch  grössere,  nicht  so 
wohlriechende  krystallreiche  Früchte,  z.  B.  V.  Pompona  Schiede,  die 
Vanille  von  La  Guayra  oder  Vanillon.  Sie  ist  bis  0,02"’  breit,  kömmt 
auch  in  Papantla  und  Colipa  (Ost-Möxico)  vor,  und  ist  wenig  haltbar.  Auf 
diese  bezieht  sich  wohl  Humboldt’s  Angabe,2)  dass  Vanille  in  Menge  auf 
der  feuchten  Küste  Venezuelas,  zwischen  Porto  Cabello  und  Ocumare,  vor- 
komme, obwohl  er  die  Pflanze  als  Epidendron  Vanilla  bezeichuete. 

Noch  unbekannt  sind  die  Stammpflanzen  der  grossen,  nicht  besonders 
aromatischen  Brasilianischen  Vanillesorten. 

Vanilla  aromatica  Swartz  (Epidendron  Vauilla  L.),  irrigerweise  früher 
für  die  Stammpflanze  der  officinellen  (mexicanischen)  Vanille  gehalten,  soll 
eine  geruchlose  Frucht  besitzen. 

Die  Vanille  enthält  kein  ätherisches  Oel,  sondern  verdankt  ihren  lieb- 
lichen Geruch  dem  balsamischen  Ueberzug  der  Samen  und  besonders  dem 
Vanillin.  Ersterer  dürfte  wohl  eine  ähnliche  Zusammensetzung  besitzen 
wie  Styrax-  oder  Peru-  und  Tolubalsam  und  steht  vermuthlich  in  nächster 
Beziehung  zu  dem  Vanillin,  welches  im  Innern  der  Frucht  und  auf  der 
Oberfläche  auskrystallisirt.  Es  galt  früher  für  Zimmt-  oder  Benzoesäure, 
endlich  für  Cumarin  (£9H8#8),  bis  Gobley  seine  schon  von  Bley  behaup- 
tete Eigentümlichkeit  erwies.  Es  ist  nach  dem  ersteren  von  schwach 
saurer  Reaktion  und  von  dem  sonst  ähnlichen  Cumarin  durch  seine  Zu- 
sammensetzung GI0HH)2  und  den  höheren  Schmelzpunkt  (77°  C.)  bestimmt 
verschieden.  — Ganz  abweichend  von  Gobley  fand  Stokkebye  das 
Vanillin  von  unzweifelhaft  saurer  Natur,  erst  bei  82°  C.  schmelzend,  der 
Formel  C17H'-2LD°  entsprechend  und  bemerkenswert  durch  die  tief  violette 
Färbung,  welche  es  in  wässeriger  Lösung  auf  Zusatz  von  Eisenchlorid 
annimmt  — Ausser  dieser  Vanille  säure  fand  Stokkebye  in  der  Vanille 
noch  Gerbsäure,  fettes  Oel,  Wachs,  Harz,  Zucker,  Gummi,  Kalkoxalat. 

Die  Blüthe  der  Vanilla  planifolia  ist  geruchlos,  ebenso  das  säuerliche 
Fruchtfleisch  an  sich.  Die  oben  erwähnte  Behandlung  der  noch  nicht 
ausgereifteu  Frucht  veranlasst  vielleicht  eine  Art  von  Gährung,  welche  zu 
der  Bildung  oder  Vermehrung  des  Vanillins  in  Beziehung  stehen  mag. 

Nachgemaclite  Vanille,  etwa  aus  schlechten  Sorten  mit  Hülfe  von  Peru- 
balsam und  Benzoesäure  hergestellt,  lässt  sich  an  der  Verschiedenheit  des 
Geruches  leicht  erkennen. 

Die  Vanille  gelangte  schon  zu  Anfang  des  XVI.  Jahrhunderts  nach  Europa. 
— Nach  einigeh  Angaben  soll  V.  planifolia  ursprünglich  in  Westindien 
einheimisch  sein,  jedenfalls  aber  trafen  sie  die  Spanier  1519  bei  der  Erobe- 
rung Mexicos  daselbst  schon  als  Zusatz  zur  Chocolate  im  Gebrauch. 

1)  Frankreich  führt  hCchstens  50,000  K.  jährlich  ein.  — 2)  Reisen.  Stuttg.  1 859.  II.  350. 


Fructus  Cardamomi. 


611 


Fructus  Cardamomi. 

Cardamomum.  Semen  Cardamomi.  Cardamomen.  Cardamomes. 

Cardamoms. 

1.  Elettäria  Cardamomum  White  u.  Maton.  — Zingiberaceae. 

2.  Elettaria  major  Smith. 

Die  länglichrunden  oder  kugeligen  dreikantigen  Kapselfrüchte  mehrerer 
Zingiberaceen  bilden  die  verschiedenen  Cardämomumsorten.  Sie  sind  am 
Grunde  abgerundet,  oft  mit  einem  Stielchen  versehen,  gegen  die  Spitze 
etwas  verschmälert  und  kurz  geschnäbelt.  Das  längsstreifige  weisslich graue 
oder  braune  geruch-  und  geschmacklose  Fruchtgehäuse  ist  dünn  lederartig 
oder  strohig  und  springt  an  den  Kanten  in  drei  Längsspalten  auf.  Von  der 
Mitte  der  Innenseite  jeder  der  drei  Klappen  geht  nach  der  Axe  zu  eine 
papierartige  Scheidewand,  wodurch  drei  Fächer  entstehen,  deren  jedes  eine 
Anzahl  im  mittelständigen  Winkel  in  zwei  Reihen  angehefteter  kleiner  brau- 
ner oder  grauer  gewürzhafter  Samen  einschliesst.  Durch  gegenseitigen 
Druck  sind  dieselben  äusserst  unregelmässig  kantig,  ausserdem  quer  runze- 
lig, vertieft  genabelt  und  auf  einer  Seite  mit  einer  Rinne  (Raphe)  versehen. 
Sie  messen  0,004  bis  0,005m.  Ein  dünnes  farbloses  Häutchen  (Samen- 
mantel) umschliesst  die  einzelnen  Samen,  welche  meistens  reihenweise  fest 
an  einander  hängen.  Sie  enthalten  unter  der  braunen  Samenschale  ein 
weisses  Endosperm  mit  dem  Embryo  und  mehligem  Eiweiss. 

Die  Samenschale  besteht  aus  drei  sehr  verschiedenen  Zellenschichten. 
Zu  äusserst  etwas  in  die  Länge  gezogene  dickwandige  spiralig  ge- 
streifte Zellen,  die  auf  dem  Querschnitt  eine  fast  quadratische,  nicht 
sehr  grosse  Höhlung  zeigen;  hierauf  eine  Reihe  sehr  grosser  weiter  quer- 
gestreckter Zellen  mit  dünnen  lockeren  Querwänden,  endlich  als  innerste 
Schicht  eine  fest  geschlossene  Reihe  tiefbrauner  radial  gestellter  Zellen, 
deren  Wände  so  stark  verdickt  sind,  dass  blos  zu  äusserst  ein  kleines  Lumen 
noch  übrig  ist. 

Das  strahlig- körnige  farblose  Eiweiss  schliesst  ein  hornartiges  Endo- 
sperm ein,  das  einen  nach  oben  etwas  eingeschnürten  Sack  bildet,  in  wel- 
chem der  Embryo  bis  an  das  frei  herausragende,  gegen  den  Nabel  gerichtete 
Würzelchen  steckt.  Die  grossen  Zellen  des  Eiweisses  sind  länglich  poly- 
edrisch  und  mit  Amylum  erfüllt,  das  im  Innern  formlose  Klumpen,  in  deu 
äusseren  Zellschichten  dagen  sehr  kleine  (3—4  Mikromill.)  Körnchen  bildet. 
Das  kleine,  sehr  zartwandige  Paremchym  des  Embryos  und  des  Endosperms 
ist  mit  fettem  Oel  (10  pC.  Trommsdorff)  erfüllt. 

Die  Samen  enthalten  ferner  2 bis  4 pC.  ätherisches,  mit  Terpenthinöl 
isomeres  Oel,  so  wie  auch  Harz. 

Die  beiden  jetzt  noch  gebräuchlichsten  Cardamom-Sorten  sind 

1.  die  malabarischen,  Cardamonum ma/fliancim,  Card,  minus,  von 

39’ 


612 


Früchte. 


Elettaria1)  Cardamomum  White  u.  Maton  (Amomum  Cardarnomum  DC., 
Alpinia  Cardamomum  Roxbgh),  welche  auf  der  Westküste  Vorderindiens  in 
Curg,  Wynaad  und  Malabar,  auch  noch  auf  den  Nicobaren  wild  und  culti- 
virt  vorkömmt.  Sie  sind  hellgelb,  gestielt,  deutlich  geschnäbelt,  bald  rund- 
lich, bald  in  die  Länge  gezogen,  0,010  bis  0,020,n  laug  und  enthalten  gegen 
20  hellbraune  oder  graue,  sehr  grob  runzelige  Samen  von  fein  gewürzhaftern 
Geschmacke,  welche  ungefähr  % des  Gesammtgewichtes  der  Frucht  aus- 
machen. Malabar  liefert  jährlich  gegen  800  Ctr.  dieses  im  ganzen  wenig 
mehr  gesuchten  Gewürzes. 

2.  Die  Ceylou-Cardamomen,  Cardamomum  longum  s.  zeylanicum 
von  Elettaria  major  Smith  (Elett.  media  Link)  auf  Ceylon.  Weit  mehr 
(bis  0,040m)  in  die  Länge  gezogen  als  die  vorigen,  0,008m  bis  0,010m  dick, 
oft  etwas  bogig  gekrümmt,  deutlich  kantig,  dunkelgrau.  Samen  zahlreich, 
von  etwas  weniger  feinem,  mehr  scharfem  Geschmacke. 

3.  Seltener  kommen  heutzutage  noch  vor  die  Siam-Cardamomen,  Car- 
damomum racemosum  s.  Cardamomum  rotundum , von  Amomum  Carda- 
momum Linn.,  das  auf  den  ostindischeu  Inseln  und  in  Siam  wächst.  Diese 
Früchte  sind  kugelig,  gerundet  dreikantig;  das  Fruchtgehäuse  lichtgrau, 
brüchig,  nicht  zähe,  wie  bei  den  vorigen,  weniger  gestreift,  stellenweise 
kurz  borstig.  Samen  braungrau , fein  runzelig,  fest  zusammengeballt,  in 
jedem  Fache  zu  9 bis  12,  von  kampherartigem  Geschmacke.  Im  Alterthum 
war  namentlich  diese  Sorte  sehr  beliebt  und  kam,  damals  noch  an  dem  ge- 
meinschaftlichen Stiel  sitzend,  als  kleine  'I  raube  (racemus)  in  den  Handel. 

4.  Die  Javanischen  Cardamomeu,  Card,  majus  s.  javanicum , von 
Amomum  maximum  Roxburgh,  auf  den  Inseln  und  dem  Festlande  Ost- 
indiens. Sie  sind  länglich  (0,025  lang,  0,015  breit),  braun,  stark  gerippt, 
die  Rippen  gegen  die  Spitze  reichlich  mit  Kork  bedeckt,  der  im  Wasser 
flügelartig  aufquillt.  Samen  mattgrau,  fein  streifig. 

Die  Cardamomen  waren  schon  im  Alterthum  hoch  berühmt.  ^ on  den 
sehr  zahlreichen , früher  vorgekommenen  Sorten  hat  sich  fast  nur  noch  die 
von  Malabar  behauptet. 


Cubebae. 

Fructus  Cubebae.  Baccae  Cubebae.  Piper  Cubeba.  Piper  caudatum. 
Cubeben.  Cubebe.  Cubebs. 

Cubeba  officinalis  Miquel.  — Piperaceae. 

Syn.:  Piper  Cubeba  L.  fil. 

Kletternder  holziger  diöcischer  Strauch,  zuverlässig  nur  auf  Java  (Ban- 
tam im  Westen,  Insel  Kambangan  im  Süden,  am  Berge  Salak  bei  Buiten-* 
zorg,  bei  Tjikoya),  vielleicht  auch  in  Nepal,  auf  den  Molukken  und  auf 
Madagascar  (?)  einheimisch;  auf  Java  in  der  Resideutie  Bantam  angebaut, 


1)  Elettari,  einheimischer  Name  der  Pflanrc  auf  der  Malabar-Küste. 


Cubebae. 


613 


wie  es  scheint  aber  als  kleines  Bäumchen  oder  strauchförmig,  nicht  eigentlich 
kletternd,  gezogen.  Der  jährliche  Ertrag  beläuft  sich  auf  über  60.000  Kilogr. 

Die  trocken  ungefähr  0,005'“  messenden  Früchtchen  siud  anfangs 
sitzend,  später  aber  in  eineu  dünnen  Stiel  von  der  doppelten  Länge  aus- 
gezogen, auf  welchem  sie  sehr  zahlreich,  bis  über  50,  an  einer  gemein- 
schaftlichen, etwa  0,040'"  langen  verdickten  gestielten  Axe  (Spindel)  stehen, 
wodurch  sie  sich  vou  Piper  longum  sowohl  als  von  Piper  nigrum  unter- 
scheiden, indem  die  Beeren  des  ersteren  mit  der  Spindel  und  den  Deckblät- 
tern verwachsen,  die  des  Piper  nigrum  aber  kurzgestielt  frei  aus  der  Spindel 
der  Aehren  hervorragen.  — Verkümmerte  Früchtchen  der  Cubeba  bleiben 
sitzend. 

Die  Cubeben  werden  vor  der  Reife  gesammelt,  vermuthlich  weil 
sie  nachher  andere  chemische  Eigenschaften  erlangen.  Sie  sind  kugelig, 
oft  am  Grunde  eingefallen,  sehr  wenig  zugespitzt,  durch  Einschrumpfung 
der  fleischigen  Fruchthaut  runzelig,  graubraun  oder  schwärzlich,  häufig 
noch  aschgrau  bereift.  Der  Stiel  ist  die  verlängerte  Basis  der  Frucht 
und  gliedert  sich  daher  nicht  ab,  sondern  bleibt  sitzen;  auch  die  werth- 
losen Spindeln  der  Aehre  sind  der  käuflichen  Waare  beigemischt.  Die 
Fruchthaut  schliesst  eine  harte  glatte  hochgelbe  Steinschale  ein,  worin  der 
Same  steckt.  Wenn  derselbe  ausgebildet  ist,  was  aber  gewöhnlich  nicht  der 
Fall,  so  ist  er  niedergedrückt  kugelig,  glatt  und  glänzend  braun,  nur 
am  Grunde  mit  dem  Fruchtgehäuse  verwachsen  (bei  Piper  ganz)  und  hier 
mit  einem  dunklereu  abgeplatteten  Nabel  versehen.  Die  Spitze  des  Samens 
ragt  etwas  hervor  oder  ist  eingedrückt.  Das  Eiweiss  erscheint  mehlig,  weiss, 
gegen  die  Peripherie  zu  ölglänzend,  nicht  hohl,  unter  der  Spitze  den  kleinen 
Embryo  bergend.  In  der  käuflichen  Waare  aber  zeigt  sich  der  Same  zu 
einer  unförmlichen  schwarzen  Masse  eingeschrumpft,  welche  das  Frucht- 
gehäuse grösstentheils  leer  lässt. 

Der  anatomische  Bau  bietet  sehr  auffallende  Eigenthümlichkeiten.  Die 
äussere  Fruchthaut  unter  der  Epidermis  wird  durch  kleine  würfelige  Stein- 
zellen gebildet,  welche  nur  in  einer  einzigen,  da  und  dort  unterbrochenen 
Reihe  stehen  und  halb  so  gross  sind  wie  bei  Piper  nigrum. 

Die  mittlere  breite  Fruchtschicht  besteht  aus  kleinzelligem  unentwickel- 
tem Gewebe,  das  Oeltropfen,  Stärkekörner  und  Krystallgruppen  von  Cube- 
bin,  vermuthlich  auch  Fett,  enthält.  Diese  Mittelschicht  ist  von  sehr 
grossen  Oelzellen  unterbrochen,  welche  auch  oft  Cubebinkrystalle  in  con- 
centrisch  vereinigten  Nadeln  einschliessen. 

Die  bei  weitem  schmalere  innere  Fruchtschicht  besteht  aus  ungefähr  vier 
Reihen  etwas  grösserer  tangential  gestreckter  zarter  Zellen,  welche  nur  Oel 
enthalten.  An  diese  schliesst  sich  die  hellgelbe  spi'öde  Steinschale,  aus  einer 
dicht  gedrängten  Reihe  fast  ganz  verdickter  poröser  und  geschichteter,  ra- 
dial gestellter  länglicher  Steinzellen.  Der  Samenkern  endlich  wird  durch 
eine  dünne  braune  Samenhaut  bedeckt  und  zeigt  den  Bau  und  Inhalt  des 
Eiweisses  von  Piper  nigrum,  nur  dass  bei  Cubeba  die  Zellen  mehr  rund- 
1 hch  und  die  Krystallgruppen  Cubebin,  nicht  Piperin,  sind. 


614 


Früchte. 


Geruch  und  Geschmack  durchdringend  gewürzhaft,  kampherartig,  aber 
nicht  scharf,  die  Fruchtwand  mit  bitterlichem  Beigeschmäcke. 

Hauptbestandteil  der  Cnbeben  ist  neben  Harz  das  ätherische  Oel,  über 
dessen  Menge  die  Angaben  von  3 bis  gegen  16  pC.  (Bernatzik  9,4  pC.) 
schwanken.  Die  Beschaffenheit  der  Waare,  die  Veränderlichkeit  des  Oeles, 
die  Art  der  Destillation  des  erst  bei  250 — 260°  C.  unter  theilweiser  Zer- 
setzung übergehenden , sehr  schwer  vollständig  zu  gewinnenden  Oeles 
bedingen  diese  wechselnde  Ausbeute.  Dazu  noch  vielleicht  "N  erwechslung 
der  Cubeben  mit  anderen  ähnlichen  Früchtchen.  Jedenfalls  zeigt  schon  das 
Mikroskop,  dass  die  Cubeben  an  ätherischem  Oele  sehr  reich  sind.  Das 
sehr  dickflüssige  Cubebenöl,  alleiniger  Träger  des  Aromas  der  Frucht, 
ist  der  Hauptsache  nach  isomer  oder  polymer  mit  Terpentinöl.  Es  setzt 
häufig  Rhomben  Oktaeder  eines  Stearoptens  G'°Hl6-t-2  (G10H16+H2G) 
oder  vielleicht  einfacher  G’°H16+H2G  ab.  Mit  diesem  Cubebenkain- 
pher  ist  nicht  zu  verwechseln  das  Cubebin  GI0H10G3,  dessen  Krystalle 
bisweilen  schon  mit  der  Loupe  in  der  Fruchtwand  zu  sehen  sind.  Schuck 
erhielt  davon  ]/5  pC.,  Engelhart  wie  auch  Bernatzik  das  doppelte;  An- 
gaben bis  zu  4 oder  6 pC.  beziehen  sich  auf  andere,  ohne  Zweifel  unreine, 
mit  Unrecht  als  Cubebin  bezeichnete  Körper.  — Das  von  Soubeiran  und 
Capitaine  entdeckte  Cubebin  ist  indifferent  gesckmack-  und  geruchlos, 
nicht  spaltbar;  seine  chemischen  Funktionen  sind  übrigens  noch  nicht  er- 

Das  aus  dem  (durch  beigemengtes  Cubebin)  körnig-krystalhnischen  Ab- 
sätze des  ätherischen  Extractes  nach  Entfernung  des  Oeles  erhält hche  Harz 
ist  eine  amorphe  Säure,  die  Cubebensäure  von  Bernatzik,  welche 
ähnlich  der  Copaivasäure  krystallisirende  Salze  liefert,  z.  B.  mR  Baryt.  Sie 
beträgt  3,4  pC.,  ein  zweites,  in  Alkalien  nicht  lösliches  Harz  o,o  p . 

Nach  Bernatzik,  dem  wir  eine  vorzügliche  Untersuchung  der  Cubeben 
(1865)  verdanken,  ist  die  Cubebensäure  alleiniger  therapeutisch  wirksamer 

Stoff  der  Cubeben.  lA  . , ,.  „ , 

Den  Cubeben  ähnlich  und  damit  bisweilen  verwechselt  sind  die  Fruchte 

von  Cubeba  canina  Miquel  (Piper  caninum  Blume,  P.  Cubeba  Vahl), 
welche  häufig  auf  Sumatra,  Borneo  und  den  übrigen  ostindischen  Iuse  n 
auf  Java  z.  B.  in  der  Provinz  Bandoug  wächst.  Sie  sind  aber  kleinei,  wenig 
runzelig,  ihre  Samen  gestrichelt,  der  Geschmack  schwächer  und  anisartig, 

die  Stielchcn  nicht  länger  als  die  Beeren.  p . ... 

Zu  einer  Namenverwechslung  könnten  auch  die  Guinea- Cube 
von  Cubeba  Clusii  Miquel,  aus  Westafrika,  Anlass  geben.  Ihre  Nelken- 
farbe unterscheidet  sie.  Diese  Früchte  (vorausgesetzt,  dass  keine  \ erwechs- 
lung Statt  gefunden)  sind  interessant,  weil  sie,  nach  Steuhouse,  Pipe  , 
nicht  Cubebin  enthalten.  Noch  andere  Arten  der  Gattung  Cubeba  schein^ 
sehr  ähnliche  Früchte  zu  besitzen;  im  deutschen  Handel  jedoch  p g 

die  der  Cubeba  officinalis  vorzukommen.  Nieder- 

Unter  dem  Namen  einer  „Beisorte“  kamen  in  neuester  Zeit  aus  Niede 


Piper  nigrura. 


615 


ländisch  Indien  abweichende  Cubeben  unbekannten  Ursprunges  nach  Europa, 
die  bald  für  ächte,  jedoch  ausgereifte  Cubeben,  bald  aber  für  specifisch  ver- 
schieden gehalten  wurden.  Eine  von  Jobst  gelieferte  Probe  dieser  „Bei- 
sorte“ zeigt  grössere,  nicht  bereifte,  sonst  aber  mit  den  gewöhnlichen  Cu- 
beben äusserlich  übereinstimmende  Früchte.  Der  Geschmack  jedoch  ist 
abweichend,  au  Macis  und  Terpenthinöl  erinnernd.  Fast  immer  enthält 
diese  Beisorte  gesunde,  ganz  ausgebildete  Samen.  Ein  Unterschied  im  ana- 
tomischen Bau  liegt  einzig  darin,  dass  die  Mittelschicht  der  Fruchtwand  aus 
weitem  schlaffem  Parenchym  besteht,  dessen  Zellen  nur  wenig  Amylum, 
aber  viele  kleinere  und  grössere  braungelbe  Oeltropfen  enthalten.  Auch 
krystallisirtes  Cubebin  scheint  zu  fehlen,  die  Eiweisszellen  sind  etwas  mehr 
eckig.  Die  charakteristische  Steinschale  ist  ganz  gleich  wie  bei  den  ge- 
wöhnlichen Cubeben.  — Demnach  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  diese 
„Beisorte“  aus  reifen  Cubeben  besteht.  Jedenfalls  ist  dieselbe  durchaus 
unzulässig. 

Der  Nelken pfeffer  (S.  561)  lässt  sich  au  den  ungestielten  Früchten, 
so  wie  au  dem  ganz  verschiedenen  Aroma  und  an  dem  Kelchsaum  erkenuen, 
welcher  die  Frucht  krönt;  die  Kreuzbeeren  (S.  600)  sind  viersamig;  der 
schwarze  Pfeffer  endlich,  der  auch  wohl  den  Cubeben  beigemischt  sein 
könnte,  stiellos  uud  sein  Samen  mit  der  Fruchtwand  verwachsen. 

Das  Wort  Cubeben  stammt  aus  dem  Hindostanischen  Cubab,  welchen 
Namen  aber  auch  die  sogenannten  Flores  Cassiae  führen.1)  Die  javanische 
Bezeichnung  ist  Cumac.  In  der  indischen  Yolksmedicin  scheinen  sie  lange 
gebräuchlich  gewesen  zu  sein;  unwahrscheinlich  ist  es,  dass  die  Griechen 
und  Römer  sie  gekannt.  Das  Mittelalter  erhielt  vermuthlich  unter  diesem 
Namen  verschiedene  Früchte.  Die  Araber  Masudi  (X.  Jahrh.)  und  Edrisi 
(XII.  Jahrh.)  nannten  Cubeben  als  indisches  Gewürz,  ebenso  im  XI.  Jahrh. 
der  Salernitaner  Consta  ntinusAfricanus,  auch  die  Aebtissin  Hilde- 
gard erwähnte  um  1150  „Cubebo.“ 

Noch  Clusius  beschrieb  Cubeben,  deren  Identität  mit  den  unserigen 
zweifelhaft  ist.  Die  letzteren  kannte  zuverlässig  um  1609  der  holländische 
Botaniker  Dodonae us  uud  die  holländisch -ostindische  Compagnie  führte 
schon  1 775  bis  1780  jährlich  etwa  10,000  Pfund  davon  aus;  doch  gelangten 
die  Cubeben  bei  uns  erst  im  Anfänge  dieses  Jahrhunderts  von  England  aus  in 
allgemeineren  Gebrauch.  1838  wurden  hier  etwa  18,500  Pfund  eingeführt. 

Piper  nigrum. 

Fructus  Piperis  nigri.  Bacca  Piperis  nigri.  Schwarzer  Pfeffer.  Poivre 
cornmun  ou  noir.  Black  pepper. 

Piper  nigrum  L.  — Piperaceae. 

Kümmernder  oder  kriechender  Strauch,  ursprünglich  nur  in  Travancore 
uudJVIalabar  einheimisch,  jetzt  daselbst,  so  wie  in  Hinterindien  (Pulo  Pe- 

) in  Shanghai  auch  die  Früchte  von  Daphnidium  Cubcba  (Laurineae). 


616 


Früchte. 


naug  und  Singapore)  und  den  westlichen  Inseln  des  Archipelagus , beson- 
ders auf  Sumatra  viel  uud  ohne  grosse  Mühe  vorzüglich  durch  Stecklinge 
angebaut.  Die  Pflanze  klettert  rebenartig  20  bis  25  Fuss  hoch  an  Bäumen 
(Mangifera.  Erythrina.  Uncaria  Gambir.  Areca  Catechu  u.  and.)  empor,  oder 
in  der  Kultur  an  Stangen.  Hier  wird  sie  aber  meist  niedriger,  nur  3 bis  4 
Fuss  hoch  gehalten  und  die  Pflanzungen  mit  Schattenbäumen  versehen.  In 
sehr  reichem  Boden  ist  der  Pfeffer  schon  vom  ersten,  sonst  vom  3ten  bis 
zum  20sten  oder  25sten  Jahre  ertragsfähig  und  gibt  bisweilen  2 Ernten,1) 
deren  Zeitpunkt  sehr  von  der  Witterung  abhängt,  so  dass  sie  oftmals  in 
einander  übergehen. 

Die  runden  beerenartigen  Früchtchen  sitzen  zu  20  bis  30  ziemlich 
locker  an  dem  gemeinsamen  herabhängenden  Fruchtstiel  (Spindel)  und  sind 
erst  grün,  dann  roth,  zuletzt  gelb,  werden  aber  vor  der  vollkommenen  Reife 
gesammelt,  so  wie  die  ersten  (untersten)  Beeren  der  Aehre  sich  zu  rötlieu 
beginnen.  Die  meisten  sind  daun  noch  grün  uud  werden  durch  das  Trock- 
nen an  der  Sonne  oder  in  Bambukörben  am  Feuer  schwärzlich  grau  oder 
braun.  Lässt  man  die  Früchtchen  ausreifen,  so  verlieren  sie  an  Schärfe  und 
fallen  auch  nach  und  nach  ab.  Diejenigen  der  weiblichen  Blüthen  sind  weni- 
ger scharf  als  die  aus  Zwitterblüthen  hervorgegangenen  Beeren.  Nach  dem 
Trocknen  sind  sie  kugelig  runzelig,  von  etwa  0,005"’  Durchmesser,  durch 
den  Rest  des  sehr  kurzen  Bliithenstielchens  undeutlich  zugespitzt,  auf  der 
entgegengesetzten  Seite  noch  weniger  auffallend  durch  die  drei  oder  vier- 
lappige Narbe  gekrönt. 

Die  dünne  Fruchthaut  schliesst  einen  einzigen  Samen  fest  ein , dessen 
Embryo  wegen  der  frühzeitigen  Einsammlung  des  Pfeflfers  nicht  entwickelt, 
sondern  gewöhnlich  nur  durch  eine  unter  der  Spitze  liegende  Höhluug  ver- 
vertreten  ist.  Der  Samen  selbst  enthält  in  der  dünnen  brauijrothen  Samen- 
schale ein  glänzendes,  aussen  grünlich  graues  hornartiges,  im  Innern  weis- 
ses  mehliges  Eiweiss. 

Der  Querschnitt  zeigt  eine  zarte  gelbliche  Oberhaut,  welche  die  äussere 
Fruchthaut  bedeckt.  Diese  ist  gebildet  aus  einer  dicht  zusammenschliessen- 
den  gelben  Schicht  grosser,  meist  radial  gestellter  dickwandiger  poröser 
Steinzellen,  welche  in  ihrer  kleinen  Höhlung  einen  Klumpen  dunkelbraunen 
Harzes  enthalten.  Die  mittlere  Schicht  der  Fruchthaut  besteht  aus  zai- 
tem,  etwas  tangential  gestrecktem  Parenchym,  welches  reichlich  kleiue  (höch- 
stens 6 Mikromill.  messende)  Stärkekörnchen  uud  Oeltropfen  zeigt.^  Durch 
das  Zusammenfallen  dieser  lockeren  Mittelschicht  entstehen  beim  Trocknen 
der  Beeren  die  starken  Runzeln  der  Oberfläche.  Die  darauf  folgende  innere 
Fruchthaut  zeigt  gegen  die  Peripherie  zu  tangential  gereihtes  zartes  Proseu- 
chym,  dessen  Zellen  entweder  spiralige  Streifung  oder  Spiralfasern  besitzen, 
nach  innen  dagegen  lockeres  stärkefreies  Parenchym  mit  sehr  grossen  Oelzellen. 

1)  Nach  J ackson  (1865)  scheint  dem  nicht  so  zu  sciu.  In  Travancore  blüht  der  Pfeffer 
im  September  und  October  und  reift  die  Früchte  im  März,  so  dass  wohl  in  der  Rege  eine 
zweite  Fruchtbildung  im  Jahre  nicht  möglich  wäre. 


Piper  nigrum. 


617 


Die  Samenschale  wird  zunächst  aus  einer  Reihe  kleiner,  sehr  eigen- 
tümlicher gelber  Zellen  gebildet,  auf  deren  innerer  Wandung  starke  poröse 
Verdickungsschichten  abgelagert  sind,  so  dass  ihr  Querschnitt  einigermassen 
an  die  Kernscheidezellen  der  Sarsaparillwurzel  erinnert.  Doch  sind  jene 
Samenschalenzellen  würfelig,  nicht  prismatisch;  häufig  liegen  dann  ein- 
zelne Krystallrosetten  von  Kalkoxalat.  Auf  diese  Steinzellen  folgt  als  eigent- 
liche Samenschale  eine  sehr  dichte  dunkelbraunrothe  Schicht  verholzter 
Zellen,  deren  Umrisse  im  einzelnen  unkenntlich  sind.  Das  Sameneiweiss 
besteht  aus  eckigem,  radial  geordnetem  grosszelligem  Parenchym  mit  zum 
Theil  formlosem  Amylum.  Eingestreut  sind  zahlreiche  grosse  Oelzellen, 
bisweilen  auch  Prismen  krystallisirten  Piperins. 

Der  bekannte  beissend  scharfe  Geschmack  des  Pfeffers  ist  durch  das 
Harz  bedingt.  Das  ätherische  Oel  (nur  1 pC.),  isomer  mit  Terpenthinöl, 
besitzt  mehr  den  Geruch  als  den  Geschmack  des  Pfeffers.  Sein  interessan- 
tester Bestandtheil  (etwa  4 pC.),1)  das  schön  krystallisirende , 1820  von 
Oersted  entdeckte  Piper  in,  ist  geschmack-  und  geruchlos  und  lässt 
sich,  wie  Anderson  1850  gefunden,  in  Piperinsäure  und  Piperidin, 
eine  flüssige  flüchtige  Base,  spalten.  — Vermuthlich  enthält  der  Pfeffer 
auch  noch  fettes  Oel  in  der  mittleren  Fruchthaut.  — Die  Aschenbestand- 
theile  betragen  gegen  5 pC. 

Der  oben  bezeichnete  indische  Kulturbezirk  des  Pfeffers  allein  ver- 
sieht fast  die  ganze  Welt  mit  demselben  und  erzeugt  jährlich  (nach 
Crawfurd)2)  etwa  Vs  Million  Centner,  wovon  etwa  ein  Drittel  nach  Europa 
geht.  England  führte  1862  über  18  Millionen  Pfund  schwarzen  und  weis- 
sen  Pfeffer  ein , 1863  etwa  14  Mill.,  1864  über  13  Mill.  schwarzen  und 
900,000 Pfd.  weissen  Pfeffer;  die  Gesammtproduktion  erreicht  wohl  50  Mill. 
Pfund.  Den  besten  liefert  Malabar,  den  meisten  aber  Singapore  und  Pulo 
Penang  in  der  Strasse  von  Malacca.  Ostwärts  nimmt  die  Kultur  ab , schon 
Java  erzeugt  sehr  wenig  Pfeffer.  Auch  Cochinchina,  Brasilien,  Westindien 
und  andere  Tropengegenden  liefern  nicht  viel. 

Der  Pfeffer  ist  eines  der  ältesten  Gewürze  der  indischen  Welt  und  hat 
sich  von  da  aus  bei  allen  Völkern  instinktmässig  unentbehrlich  gemacht, 
hauptsächlich  als  Genussmittel,  zumal  in  den  Reisländern,  weniger  als  Me- 
dikament. Der  Sanskrit- Name  des  langen  Pfeffers,  Pippali,  geht,  auf 
den  schwarzen  Pfeffer  (Maricha  sanskrit)  übertragen , durch  fast  alle  Spra- 
chen, nachdem  die  Perser  das  ihnen  fehlende  1 darin  durch  r ersetzt  hatten. 

Im  Alterthum  und  Mittelalter,  wo  allein  von  Malabar  (dem  „Pfefferland“  3) 
des  Mittelalters)  und  Ceylon  Pfeffer  auf  dem  mühsamen  Landwege  oder 


1)  Wortheim  erhielt  aus  schwarzem  und  weissem  Pfeffer,  zu  gleichen  Theilen  gemischt, 
direkt  1 '/«  pC.  Piperidin,  entsprechend  4,4p  C. Piperin.  — Wittst  ein  gewann  aus  schwarzem 
Pfeffer  2,4  pC.  Piperin. 

2)  Aeltere  Angabe.  Nach  Jackson  erzeugt  Travancore  jetzt  (1865)  jährlich  etwa  55,000 
Pfund. 

3)  So  nennt  es  schon  Edrisi  in  der  Mitte  des  XII.  Jahrh. 


618 


Früchte. 


durch  das  unsichere  Rothe  Meer  und  die  von  den  Sultanen  beherrschte 
Landenge  über  Alexandria1)  nach  Europa  gelangen  konnte,  war  derselbe 
das  begehrteste  kostbarste  Gewürz,  das  Symbol2)  des  ganzen  Gewürz- 
handels, dem  Genua  und  Venedig,  so  wie  die  süddeutschen  Handelsstädte 
einen  grossen  Theil  ihrer  Reichthümer  verdankten.  Dass  die  Alten  unter 
Peperi  und  Piper  jedoch  unsern  Pfeffer  ausschliesslich  verstanden  hätten, 
lässt  sich  z.  B.  aus  den  Berichten  von  Theophrast,  Dioskorides  und 
Plinius  keinesweges  mit  Sicherheit  entnehmen.  Dagegen  nennt  Arrianos 
im  Periplus  des  Rothen  Meeres  (Mitte  des  ersten  Jahrh.  unserer  Zeitrech- 
nung) bestimmt  die  Malabarküste  als  Heimat  des  Pfeffers,  ebenso  Kosmas 
Indicopleustes  (Mitte  des  VI.  Jahrh.),  welcher  die  Pflanze  ganz  treffend 
mit  dem  Weiustocke  verglich,  wie  auch  6 Jahrhunderte  später  Edrisi. 
Einer  der  ersten  Westeuropäer,  der  aus  eigener  Anschauung  die  Pfefferrebe 
schilderte,  war  der  Venetianer  Nicolo  Conti,3)  welcher  zu  Anfang  des 
XV.  Jahrhunderts  25  Jahre  im  Oriente  zubrachte.  Er  traf  die  Pflanze  auf 
Sumatra  und  nannte  sie  dem  Epheu  ähnlich. 

Die  Gewürze,  und  ganz  besonders  auch  der  Pfeffer,  spornten  die  Portu- 
giesen zur  Aufsuchung  des  Seeweges  nach  Indien  an.  Erst  von  dessen  Ent- 
deckung au  (1498)  fiel  der  hohe  Preis  des  Pfeffers  sehr  stark,  indem  zugleich 
seine  Kultur  sich  nach  den  westlichen  Inseln  des  Archipelagus  verbreitete, 
auf  welche  sie  sich  noch  jetzt  beschränkt.  Portugal  machte  den  so  höchst 
einträglichen  Pfefferhandel  bis  in  das  XVIII.  Jahrhundert  zum  Kronmonopol. 

Ritter  (Asien  IV.  865 — 875)  hat  eine  höchst  anziehende  Schilderung 
dieser  Verhältnisse  gegeben. 

Auch  jetzt  noch  nimmt  der  Pfeffer  in  der  Handelswelt  unter  den  Ge- 
würzen unbedingt  die  erste  Stelle  ein.  Der  Werth  der  jährlichen  Produktion 
darf  auf  mehr  als  20  Millionen  Francs  angeschlagen  werden. 

Verwechslungen  und  Verfälschungen  des  Pfeffers  sind  nicht  wohl  mög- 
lich; mit  demselben  Namen  werden  aber  uoch  manche  andere  Samen  und 
Früchte  belegt.  So  namentlich  die  ganz  verschieden  aussehendeu  und  auch 
mehr  aromatisch  als  scharf  schmeckenden  Früchte  oder  Fruchtstäude  der 
durch  ganz  Mittelafrika  vorkommenden  llabzelia  aethiopica  De  Cand.  (Uuoua 

0 Der  Ratli  von  Bern  verbot  noch  1518,  in  Ermangelung  des  alcxandrinischeu  Pfeffers 
portugiesischen  zu  geben.  ✓ 

2)  Im  Mittelalter  wurden  Zölle  iu  Pfeffer  errichtet,  Vergabungen  davon  hoch  angeschlagen 
und  derselbe  überhaupt  im  XIV.  und  XV.  Jahrhundert  bei  Geldnoth  als  Zahlmittcl  gebraucht. 
Bei  der  Belagerung  Roms  im  Jahre  408  forderte  der  Gothenköuig  von  der  Stadt  als  Löscgeld 
unter  anderem  neben  5000  Pfund  Gold  und  3000  Pfund  Silber  auch  .3000  Pfund  Pfeffer 
(Gregorovius).  — Nürnberg  entrichtete  iu  St.  Gallen  wegen  Zollbefreiung  jährlich  1 Pfund 
Pfeffer.  — Die  ägyptischen  Sultane,  so  z.  B.  Bursbey  (1422—1432),  bemächtigteu  sich, 
zum  Schaden  der  Venetiauer,  des  Pfeß'ertransites,  wie  schon  im  II.  Jahrhundert  unserer  Zeitr. 
Roms  Zollstätte  in  Alexandria  unter  den  aus  Indien  durchgehenden  Gütern  auch  Pfeffer  be- 
steuerte. — Noch  1640  nahm  Karl  I.  in  erster  Linie  die  Pfeffervorräthe  der  englisch-ostindi- 
schen Compagnie  weg,  um  „Geld  zu  machen.“ 

3)  Kuustmann,  Kenntniss  Indiens  im  XV.  Jahrhundert.  München  1863.  pag.  20. 


619 


Piper  longum. 

aethiopica  Dunal,  Familie  der  Anonaceae) , welche  noch  im  vorigen  Jahr- 
hundert in  Europa  unter  dem  Namen  Piper  aethiopicum  bekannt ^waren 
Die  alten  Griechen  scheinen  dieses  Gewürz  unter  ihrem  Pepen  (Hs^pO 
verstanden  zu  haben,  bis  der  Zug  Alexanders  d.  Gr.  sie  auch  den  achten, 

so  wie  den  langen  Pfeffer  kennen  lehrte.  . 

Als  Cayenne-Pfeffer  gehen  mehrere  Capsicum -Arten  (S.  605)  als 
Jamaica-Pfeffer  Pimenta  officinalis  (S.  561),  als  Ptper  japomcum  frü- 
her auch  die  Früchte  von  Xanthoxylon  pipentum  DeC. 


Piper  longum. 

Spadices  Cliavicae  s.  Piperis  longi.  Langer  Pfeffer.  Poivre  long. 

Long  pepper. 

Chavica  officinarum  Miquel.  - Piperaceae. 

Syn.:  Piper  longum  Rumphius.  Blume. 

Auf  den  Philippinen  und  den  Sundainseln,  auch  in  Nepal  und  Bengalen 
wildwachsender,  besonders  an  den  Küsten  Javas  kultivirter  schöner  Schling- 
strauch, der  die  höchsten  Bäume  erklimmt. 

Die  kleinen,  nur  0,002m  langen  beerenartigen  Früchtchen  sitzen  sehr 
zahlreich,  zu  100  bis  200,  an  einem  gemeinschaftlichen  faserigen,  zum 
Theil  gehöhlten  Fruchtstiel  (Spindel) , sehr  dicht  in  Spirallinien  geordnet 
und  gestützt  durch  kleine  schildförmige  Deckblättchen.  Diese  sind  mit  den 
Früchtchen  fest  verwachsen , so  dass  ein  walzenförmiger,  kätzchen-  oder 
kolbenartiger  geschlossener  Fruchtstand  von  etwa  0,04m  Länge  und  0,006 
Dicke  entsteht,  dessen  gemeinschaftliche  Axe  nur  da  sichtbar  ist,  wo 
sie  als  Stiel,  noch  etwa  0,02m  lang,  unter  dem  Kolben  heraustritt.  Dieser 
ganze  Fruchtstaud  bildet  den  langen  Pfeffer  des  Handels;  er  enthält  keine 
männlichen  Blüthentheile , da  die  Pflanze  diöcisch  ist.  Die  Einsammlung 
geschieht  vor  der  Reife. 

Die  Oberfläche  des  langen  Pfeffers  ist  durch  die  hervorragenden  gewölb- 
ten Scheitel  der  einzelnen  Beeren  höckerig;  in  den  Vertiefungen  sitzen  die 
zusammengeschrumpften  Schildchen  der  Deckblättchen.  Die  rothbraune 
Farbe  der  Beeren  pflegt  durch  einen  ziemlich  starken  Ueberzug  von  grauer 
Erde  verdeckt  zu  sein,  wie  wenn  die  Kolben  in  feuchtem  Boden  gelegen 
hätten.  Der  Querschnitt  zeigt  8 bis  10  einzelne  Früchtchen  strahlenförmig 
mit  ihrem  spitzeren  Ende  der  Axe  zugewendet,  am  entgegengesetzten  Ende 
die  Narbe  tragend.  Unter  der  hellbraunen  Fruchthaut  schliesst  die  glänzend 
braunrothe  dünne  Samenschale  ein  weisses  mehliges  oder  grauliches  horn- 
artiges Eiweiss  ein;  der  kleine,  gewöhnlich  nicht  ausgebildete  Embryo  steckt 
im  stumpferen  Ende  des  Samens. 

Der  anatomische  Bau  der  Früchtchen  gleicht  im  Allgemeinen  dem  des 
schwarzen  Pfeffers,  zeigt  aber  doch  charakteristische  Unterschiede.  Die 
Fruchthaut  hat  zu  äusserst  tangential  gestreckte  dickwandige,  sehr  enge 


620 


Früchte. 


Zellen,  welche  Schleim  enthalten;  die  mittlere  Schicht  der  Frucht- 
haut besteht  aus  weiterem  zartwandigem , Oeltropfen  und  Stärke  füh- 
rendem lückigem  Parenchym.  In  die  äussere  und  mittlere  Fruchtschicht 
sind  zahlreiche  grosse  Steinzellen  eingestreut,  wie  in  der  äusseren  Frucht- 
haut von  Piper  nigrum;  bei  Chavica  aber  bilden  sie  keinen  geschlossenen 
Kreis.  Die  innere  Fruchthaut  des  langen  Pfeffers  wird  aus  einer  Reihe 
grosser,  doch  zarter  kubischer  oder  länglicher,  radial  gerichteter , mit  äthe- 
rischem Oele  erfüllter  Zellen  gebildet.  Eine  Reihe  kleinerer,  tangential 
gestreckter  Zellen  trennt  diese  Oelzellen  von  der  festen  braunrothen  Samen- 
schale, welche  aus  ganz  verholzten  Zellen  besteht,  ähnlich  wie  die  innere 
Schicht  der  Samenschale  des  schwarzen  Pfeffers , aber  ohne  jene  letzterem 
eigenthümlichen  Steinzellen.  Das  Eiweiss  der  Chavica  unterscheidet  sich 
durch  den  Mangel  des  ätherischen  Oeles  von  dem  des  Piper  nigrum. 

Chemische  Bestandtheile  wie  beim  schwarzen  Pfeffer.  Da  an  der  ganzen 
Masse  des  langen  Pfeffers  nur  die  Fruchthaut  ätherisches  Oel  und  Harz 
führt,  so  ist  der  Geschmack  nothwendig  weit  weuiger  intensiv. 

Aus  Bengalen,  den  Küstengebirgen  Vorderindiens,  Ceylon,  gelangen  die 
ähnlichen,  aber  kürzeren  langgestielten  Kolben  der  Chavica  Roxbvrgkii 
Miquel  (früher  als  Piper  longum  Roxbgh.  mit  Chavica  officinarum  zusammen- 
geworfen) gleichfalls  als  Piper  longum  in  den  englischen  Handel,  während 
die  Wurzel  dieser  Art  ein  Lieblings -Heilmittel  der  Hindus  ist,  auch  zur 
Würzung  des  Essigs  dient. 

In  früheren  Zeiten  den  Ruhm  des  schwarzen  Pfeffers  theilend,  ist  der 
lange  jetzt  in  Europa  wenig  mehr  gebräuchlich.  Nicolo  Conti* 1)  fand  in 
der  ersten  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts  auf  Sumatra  den  langen  Pfeffer 
neben  dem  schwarzen. 


Strobili  Lupuli. 

Amenta  s.  Coni  Lupuli.  Hopfen.  Hopfenkätzchen.  Houblon.  Hops. 

Humulus  Lupulus  L.  — Cannabineae. 

Der  zapfenförmige  lockere  Fruchtstand dieser  sehr  weit  verbreiteten 
und  häufig  sehr  im  grossen  kultivirten  diöcischen  Schlingflanze.  Sie  findet 
sich  wild  vorzüglich  in  Gebüschen,  an  Flussuferu  durch  ganz  Europa  von 
Spanien  und  Griechenland  an  bis  gegen  den  Polarkreis,  doch  weuiger  im 
Süden;  ferner  im  Kaukasus,  in  den  südkaspischeu  Ländern,  in  Sibirien, 
im  Altai,  in  Nordamerika. 

Der  Fruchtstand  (weibliche  Zapfen)  ist  gebildet  aus  einer  graufilzigen, 
8 — 9 mal  im  Zickzack  hin-  und  hergebogeuen , bis  0,04“'  langen,  dünnen 


1)  Kuustmann,  in  der  pg.  618  angeführten  Schrift  S.  40. 

1)  Hopfen  so  viel  al*  Haufen,  gehäufte  Frucht,  bei  der  heiligen  Hildeg ard  um  1160 
,,hoppha“.  — Humulus  vom  nordischen  hamal,  Früchte  tragen. 


Strobili  Lupuli. 


621 


Spindel,1)  welche  an  jeder  ihrer  8-9  Ecken  ein  unentwickeltes  Aestchen 
mit  je  2 Paaren  von  kurz  gestielten  Vorblättern  trägt.  Jedes  der  4 or 
blätter  umschliesst  mit  seinem  am  Grunde  umgefalteten  Rande  ein  kleines 
linsenartiges,  etwa  0,003m  messendes  Schliessfrüchtchen , das  von  einem 
häutigen  runzeligen  einblätterigen  Perigon  eingehüllt  ist  und  in  der  dünnen 
zerbrechlichen  braunen  Fruchtschale  einen  eiweisslosen  Samen  enthält. 

Jedes  Aestchen  ist  unterhalb  der  Yorblätter  von  2 ein  wenig  grösseren, 
bis  0,0 2m  langen  Deckblättern  gestützt.  Diese  sämmtlichen  schuppenartig 
ziegeldachförmig  gestellten  Blattorgaue  sind  länglich  schief  eiförmig,  dünn 
häutig,  netzaderig,  gelblich  grün;  bei  der  vollkommenen  Fruchtreife 
fallen  sie  von  ihren  Stielchen  und  der  Spindel  ab.  Diese  letztere,  noch 
reichlicher  aber  die  Früchtchen,  weniger  die  Basis  der  Vor-  und  Deck- 
blätter, sind  mit  zahlreichen  gelben  glänzenden  durchscheinenden  Balsam- 
drüsen bestreut,  welche  ungefähr  lOpC.  des  Gesammtgewichtes  der  Frucht- 
zapfen ausmachen.  Der  aromatische  Geruch  und  Geschmack,  sowie  die 
wichtigsten  chemischen  Eigenschaften  des  Hopfens  sind  durch  diese  Drüsen 
bedingt,  welche  als  Hopfenmehl  oder  Lupulin  eigens  gesammelt  werden 
(vgl.  Glandulae  Lupuli). 

Ausser  deu  Stoffen  der  Drüsen  enthält  der  Hopfen  hauptsächlich  nur 
noch  3 — 5 pC.  nach  Wagner  der  Moringerbsäure  ähnlichen  Gerbstoff, 
Chlorophyll,  Gummi  und  8,5  pC.  Asc.heubestandtheile  (Lermer).  Bei 
nicht  sehr  sorgfältiger  Aufbewahrung  verliert  er  leicht  die  grünliche  Farbe, 
geht  in  braun  über  und  nimmt,  vermuthlich  durch  Oxydation  des  ätheri- 
schen Oeles  (vgl.  bei  Glandulae  Lupuli)  zu  Valeriansäure,  einen  widrigen 
Geruch  au.  Schwefelige  Säure,  deren  Dämpfen  mau  den  Hopfen  aussetzt, 
verhindert  diese  Veränderungen  oder  hält  sie  auf. 

Liebig  hat  die  Bedenken,  welche  von  Seiten  der  Bierbrauerei  gegen 
das  „Schwefeln14  des  Hopfens  erhoben  worden,  widerlegt.  — Für  den  medi- 
cinischen  Gebrauch  indessen  darf  jedenfalls  ein  nach  schwefeliger  Säure 
riechender  Hopfen  nicht  verwendet  werden;  aber  dieselbe  wird  ja  sehr  bald 
durch  Oxydation  zu  Schwefelsäure  oder  durch  Verdampfung  völlig  un- 
schädlich. 

Der  Hopfen  ist  bekanntlich  für  den  Geschmack  und  die  Haltbarkeit  des 
Bieres  unentbehrlich.  Nur  in  frühester  Zeit  hatte  man  statt  desselben 
andere  bitter- aromatische  Pflanzen  (Myrica  Gale,  Glechoma,  Menyanthes) 
benutzt;  schon  7G8  werden  in  Deutschland  Hopfengärten  genannt  und  seit 
dem  XI.  Jahrhundert,  wo  besonders  der  böhmische  Hopfen  berühmt  war, 
wurde  das  „Hopfen“  allgemein.  Skandinavien  kultivirte  Hopfen  schon  im 
XIV.  Jahrhundert,  England  erhielt  ihn  erst  1524  aus  den  Niederlanden, 
nicht  ohne  grossen  Widerstand. 

Guter  Hopfen  soll  die  Lupulindrüsen  reichlich  besitzen;  vom  Aroma 
ganz  abgesehen,  ist  ihre  Form  so  eigenthümlich,  dass  betrügerische  Zusätze 

L ^ic  Fruchtzapfen  wildwachsender  Pflanzen  pflegen  etwas  kleiner  zu  sein. 


622 


Früchte. 


(Lycopodium,  Colophonium,  Oker)  durch  das  Mikroskop  leicht  ermittelt 
werden. 

Fructus  Lauri. 

Baccae  Lauri.  Lorbeeren.  Baies  de  Laurier.  Laurel  berries. 

Laurus  nobilis  L.  — Laurineen. 

Der  kleine  Lorbeerbaum  stammt  aus  dem  Oriente,  wo  er  z.  B.  in  Syrien 
und  im  cilicischen  Taurus  bis  in  die  Bergregion,  nicht  aber  in  Palästina, 
sehr  gemein  ist.  Schon  im  Alterthum  wurde  er  über  die  Länder  des  Mittel- 
meeres verbreitet,  wo  er  jetzt  viel  kultivirt  und  bis  in  südliche  Schweiz,  ja 
sogar  durch  England,  Irland  und  Schottland  (hier  unter  58°  noch  lrahoch!) 
fast  verwildert  ist.  Seine  Früchte  sind  getrocknet  braunschwarz,  länglich 
rund,  bis  0,0 15m  lang,  glänzend  und  unregelmässig  runzelig,  oben  etwas 
zugespitzt,  unten  mit  dem  kurzen  verdickten  Fruchtstielchen  oder,  da  es 
leicht  abfällt,  mit  dessen  heller  vertiefter  Narbe  versehen. 

Das  sehr  dünne  Fruchtgehäuse  besteht  aus  zwei  leicht  trennbaren 
Schichten,  der  äusseren  blauschwarzen  bis  bräunlichschwarzen,  derb  flei- 
schigen und  der  inneren  durchscheinenden  braunen  und  zerbrechlichen  Stein- 
schale, welche  mit  der  zarten,  fest  angewachsenen  Samenhaut  ausgekleidet 
ist.  Der  grosse  bräunliche  Samenkern  liegt  frei  in  der  trockenen  Frucht 
und  zerfällt  leicht  in  seine  zwei  plankonvexen  Samenlappen,  welche  das 
kleine  nach  oben  gerichtete  Würzelchen  einschliessen. 

Die  fleischige  schwärzliche  Fruchtschicht  ist  von  einer  gelblichen  Ober- 
haut aus  dünnen  tafelförmigen,  tangential  gestreckten  Zellen  bedeckt,  auf 
welche  noch  eine  oder  zwei  Reihen  ähnlicher  eckiger  Zellen  folgen,  welche 
dann  allmälig  iu  das  groszellige  rundliche  lockere  Parenchym  des  Frucht- 
fleisches übergehen,  worin  grössere  Oelräume  zerstreut  sind. 

Die  Steinschale  besteht  aus  einer  Reihe  blassgelblicher,  radial  gestellter, 
ganz  verdickter  Steinzeiten,  deren  Wände  aber  nicht  einfach  cylindrisch 
sind,  sondern  in  raauigfachen  Biegungen  sternförmig  aus-  und  eiugestülpt, 
zahnartig  in  einander  greifen.  Ein  tangential  durch  diese  Steinschale  ge- 
führter Schnitt  bietet  daher  dicke,  zierlich  gebogene  verschlungene  Zell- 
wände und  nur  sehr  schmale,  entsprechend  sternförmig  gekrümmte  Höh- 
lungen. Die  von  der  Steinschale  nicht  ablösbare  Samenhaut  ist  gleich  breit, 
wie  jene,  aber  aus  kleinem,  tangential  gestrecktem,  sehr  dünnem  braunem 
und  lückigem  Parenchym  gebildet,  das  sehr  kleine  kurze  Spiralgefässe  und 
im  Grunde  der  Samenschale,  am  Nabel,  auch  Bastfasern  enthält. 

Die  Samenlappen  bestehen  aus  grossen,  rundlich  eckigen  dünnwandigen 
Zellen,  welche  nur  in  den  2—3  äussersten  Lagen  etwas  kleiner,  eckig  und 
tangential  gestreckt  erscheinen. 

Die  Lorbeeren  riechen  nicht  unangenehm  gewürzhaft  und  schmecken 

aromatisch  bitter  und  adstringirend. 

Das  Fruchtfleisch  enthält  kleine  Amylumkörner,  Chlorophyll,  Gerb- 


Fructus  Petroselini. 


623 


säure,  einzelne  rothbraune  Klümpchen  von  Farbstoff  oder  Harz  und  in  den 
i grossen  Oelzellen  hell  grünlichgelbes  Fett.  Die  Samenlappen  strotzen  von 
t Amylum,  dessen  Körner  hier  grösser  sind  als  im  Fruchtgehäuse.  Bonastre 
fand  ausserdem  Zucker,  Gummi,  ätherisches  Oel  (0,8  pC.  Bonastre,  0,2 
pC.  Bley)  und  das  indifferente,  geruch-  und  geschmacklose  Lau  rin  oder 
Laurocerin  (1  pC.)  G22H30O3,  welches  Delffs  aus  den  Kotyledonen  rein 
dargestellt  hat.  Das  ätherische  Oel,  zum  Theil  ebenfalls  in  den  letzteren 
enthalten,  ist  ein  Gemenge  von  G10H1,;  (bei  164°  C.  siedend)  und  G15H24 
(bei  240°  C.  siedend)  mit  einem  sauerstoffhaltigen  Oele,  das  Gladstone 
für  Nelkensäure,  Blas  für  Laurostearinsäure  (Laurinsäure)  erklärt.  Das 
rohe  Oel  rotirt  sehr  wenig  nach  links. 

Die  Kotyledonen  enthalten  ferner  über  30  pC.  eines  festen  Fettes, 
L aurosteariu , das  auch  in  andern  Pflanzenfetten  (Cocostalg,  Pichurim- 
fett)  noch  vorkömmt.  Die  Laurostearinsäure  G 1 2 H 4 0 2 gehört,  zwischen 
Caprin-  und  Myristinsäure,  als  eilftes  Glied  der  Fettsäurenreihe  an. 

Durch  Auskochen  und  Pressen  der  Lorbeeren  stellt  man,  besonders  am 
Garda-See  (Lombardei),  das  schön  grüne  halbflüssige  Oleum  laurinum 
für  sich  dar.  Es  riecht  nach  Lorbeeren  und  besteht  hauptsächlich  aus  dem 
Laurostearin , gemengt  mit  flüssigem  fettem  und  ätherischem  Oele  und  ge- 
färbt durch  Chlorophyll,  welches  durch  Bleichen  zersetzt  und  abgeschieden 
werden  kann. 

Das  Laurostearin  krystallisirt  bei  allmäligem  Erkalten  des  erwärmten 
Lorbeeröles  unter  45°  C.  in  warzigen  wcisslicheu  Drusen  aus. 

Fructus  Petroselini. 

Semen  Petroselini.  Petersilienfrucht.  Petersiliensamen.  Fruit  ou  semence 
de  Persil.  Parsley  fruit  or  seed. 

Petroselinum  sativum  Hbffmann.  — Umbelliferae 
Syn.:  Apiura  Petroselinum  L. 

Zweijährige , an  feuchten  Standorten  im  östlichen  Gebiete  des  Mittel- 
meeres bis  Sardinien,  besonders  aber  auf  den  griechischen  Inseln  einhei- 
mische Doldenpflauze,  zum  Küchengehrauche  durch  fast  ganz  Europa  kulti- 
virt.  In  Norwegen  erlangen  ihre  Früchte  noch  ein  kräftiges  Aroma  bis 
Finnmarken. 

Die  ungetheilte Frucht  ist  stark  von  den  Seiten  her  zusammengedrückt; 
die  Fugenfläche  misst  nur  0,001"',  der  darauf  senkrechte  Durchmesser  das 
doppelte  und  die  Länge  der  Frucht  vom  Stielchen  bis  zur  Griffelbasis  wenig 
mehr,  so  dass  vor  der  völligen  Reife  die  ganze  Frucht,  von  der  Seite  ge- 
sehen, eine  länglichrunde  dicke  Scheibe  darstellt.  An  der  reifen  zwei- 
knöpfigen  Frucht  ist  die  Fugenfläche,  so  wie  die  Randrippen  gebogen,  so 
dass  die  beiden  Theilfrüclitchen  aus  einander  klaffen  und  sich  sehr  leicht 
s trennen.  Jedes  derselben  trägt  ausserdem  noch  eine  Rippe  auf  dem  Rücken 


624 


Früchte. 


and  zwei  zu  beiden  Seiten  derselben.  In  jedem  der  4 breiten  dunkel  grün- 
graulichen, fein  gestrichelten  Thälchen  scheint  ein  Oelgang  undeutlich  durch 
und  zwei  weitere  auf  der  Fugenfläche.  Die  Rippen  sind  nur  sehr  schwach, 
durch  hell  gelbliche  Färbung  aber  scharf  hervortretend. 

Im  Querschnitte  zeigt  das  Eiweiss  die  Gestalt  eines  rundlichen  trape- 
zoidischen  Fünfeckes,  dessen  Basis  die  ziemlich  gerade  oder  nach 
aussen  gewölbte  Fugenfläche  darstellt.  Eiweiss  und  Embryo  sind  von 
der  gewöhnlichen  Beschaffenheit;  ebenso  die  innere  Fruchthaut,  deren 
braune,  fast  kubische  Zellen  einen  derben  Ring  von  etwa  30  Mikromill. 
Breite  bilden.  Die  tief  dunkelbraunen  Oelgänge  sind,  im  Querschnitte,  von 
elliptischer  oder  planconvexer  Form;  ihre  mehr  gerade,  bis  200  Mikromill. 
messende  Seite  ist  nach  aussen  gerichtet  und  vou  einigen  Schichten  lockeren, 
tief  braunen  korkartigen  Gewebes  umgeben.  Die  Gänge  selbst  besitzen  den- 
selben Bau  wie  etwa  in  Fructus  Foeniculi. 

Die  Mittelschicht  des  Fruchtgehäuses  ist  durchschnittlich  nicht  breiter 
als  140  Mikromill.;  ihr  Gewebe  sowohl  als  das  der  schwachen  Holzbündel 
unter  den  Rippen  und  dasjenige  der  Oberhaut  ist  von  demselben  anatomi- 
schen Baue  wie  bei  Fructus  Couii. 

Geruch  und  Geschmack  der  Petersilienfrucht  sind  ziemlich  stark  und 
sehr  eigenthiimlich,  hauptsächlich  bedingt  durch  das  ätherische  Oel,  dessen 
Menge  zwischen  0,8  und  3,2  pC.  schwankt.  Es  istmitTerpenthinöl  isomer, 
aber  sehr  zur  Oxydation  geneigt,  so  dass  aus  dem  wässerigen  Destillate 
beim  Abkiihleu  oder  längeren  Stehen  Prismen  eines  Stearoptens  (Peter- 
siliencamplier),  Gl2Hl4Ö4  nach  Blanchet  u.  Seil,  G'°H14 -O4  nach  Wän- 
de sieben  an  schiessen,  während  ein  festes  harzartiges,  nicht  flüchtiges 
Produkt  zurückbleibt. 

Diese  Verhältnisse,  ganz  abgesehen  vou  der  Herkunft  der  Frucht,  mögen 
viel  zu  der  ungleichen  Ausbeute  an  Oel  beitrageu. 

Einen  merkwürdigen  Körper,  das  Apiol,  haben  (1852)  Ho  in  olle  und 
Joret  aus  den  Petersilienfrüchten  dargestellt  und  als  Surrogat  für  Chinin 
empfohlen  in  Folge  eines  vom  französischen  Kriegsminister  und  der  Pariser 
Societe  de  Pharmacie  ausgesetzteu  Preises  vou  8000  Franken  für  künst- 
liche Darstellung  des  Chinins  oder  gleichwirkender  Ersatzmittel.  Das  Apiol 
ist  eine  fast  farblose  ölige,  nach  Petersilie  riechende  Flüssigkeit  von  1,078 
spec.  Gewicht,  bei  12°  C.;  man  erhält  es  beim  Ausziehen  des  durch 
schwachen  Alkohol  gewonnenen  Extraktes  vermittelst  Chloroform  oder 
Aether  und  Digestion  mit  Bleioxyd.  Das  Apiol  ist  nicht  flüchtig  und  in 
Wasser  unlöslich,  von  schwach  saurer  Reaktion,  stickstofffrei.  Eine  Elemen- 
taranalyse desselben  liegt  nicht  vor  und  seine  chemischen  Funktionen  sind 

unbekannt. 

Sein  brennend  scharfer  Geschmack  rührt  vielleicht  von  einer  Verun- 
reinigung her,  worauf  auch  wohl  der  Umstand  hinweist,  dass  das  Apiol 
sicy,  bei  — 12°C.  trübt,  ohne  zu  erstarren.  — Gegen  Fieber  hat  es  sich 
wirksam  erwiesen,  obwohl  bei  weitem  nicht  in  dem  Grade  wie  das  Chinin. 


Pructus  Carvi. 


625 


Das  dem  Pektin  ähnliche,  in  dem  Kraute  der  Petersilie  vorkommende 
Apiiu  ist  in  den  Früchten  noch  nicht  nachgewiesen.  Das  fette  Oel  der 
letzteren  beträgt  nach  Rump  22  pC.,  die  Asche,  hauptsächlich  aus  Kalk- 
salzen bestehend,  6,5  pC. 

Von  der  Petersilie  wurden  schon  im  Alterthum  sowohl  die  F rüchte  als 
das  Kraut  benutzt.  — Karl  der  Grosse  befahl  ihren  Anbau  in  den  kaisei- 
lichen  Gärten. 


Fructus  Carvi. 

Semen  Carvi.  Mericarpium  Cari.  Kümmel.  Carvi.  Curuin  des  pres. 

Caraway. 

Carum  Carvi  L.  — Umbelliferae. 

Im  mittleren  und  nördlichen  Europa,  auch  in  Island  und  ebenso  gut  in 
Südsibirien  und  im  Elbursgebirge  (hier  am  Demawend  bis  8000  Fuss) 
einheimische  zweijährige  Wiesenpflanze  der  Ebene  und  der  Bergregion. 
Aus  Skandinavien,  wo  der  Kümmel  bis  Finnmarken  und  bis  zur  Birken- 
grenze geht,  so  wie  aus  Finnland,  wird  es  in  Menge  ausgeführt.  In  Deutsch- 
land liefert  die  Gegend  von  Halle,  auch  Mähren  und  Sachsen  sehr  viel.  Hier 
und  noch  mehr  in  Holland  und  England  wird  er  zum  Theil  angebaut. 
Dem  Süden  fehlt  diese  Doldenpflanze.1) 

Die  von  der  Seite  her  beträchtlich  zusammengedrückte  Frucht  pflegt 
in  ihre  beiden,  besonders  am  Rücken  stark  gekrümmten  Theilfrüchtchen  von 
0,005m  Länge  und  0,001'“  Dicke  getrennt  zu  sein  oder  nur  lose  an  den 
Schenkeln  des  Fruchtsäulchens  zu  hängen.  Die  5 sehr  hervortretenden 
strohgelben  Rippen  sind  fast  halb  so  breit  wie  die  dunkel  fothbraunen  glän- 
zenden Thälchen  (Furchen),  welche  ganz  von  je  einem  erhabenen  geschlän- 
gelten, stellenweise  eingesunkenen  Oelgange  eingenommen  werden.  Ebenso 
sind  die  beiden  Gäuge  jeder  Fugenfläche  nur  durch  ein  dünnes  Gefäss- 
bündelchen  getrennt.  Eine  gewölbte  Griffelbasis  krönt  die  Frucht. 

Auf  dem  Querschnitte  erscheint  das  im  Umrisse  regelmässig  5 eckige 
Eiweiss  ziemlich  tief  rundlich  5 lappig,  indem  jedem  Oelgange  eine  seichte 
Einbuchtung  des  ersteren  entspricht.  Auch  gegen  die  gerade  Fugenfläche 
hin  entsteht  in  gleicher  Weise  noch  ein  sechster  schwacher  Lappen  des 
Eiweisses. 

Die  brauue  innere  Fruchthaut  ist  bis  10  Mikromill.  breit,  die  Mittel- 
schicht auf  wenige  Reihen  etwas  dickwandiger,  tangential  gestreckter  Zellen 
beschränkt,  die  starke  Oberhaut  von  demselben  Baue  wie  z.  B.  bei  Fructus 
Conii.  Die  mittlere  Dicke  des  ganzen  Fruchtgehäuses  erreicht  nur  70Mikro- 
millimeter,  die  Rippen  erheben  sich  zu  doppelter  Stärke,  schliessen  aber 
doch  nur  schwache  Holzbündel  ein.  — Eiweiss  und  Embryo  sind  so  be- 
schaffen, wie  bei  den  übrigen  Umbelliferen-Früchten. 


1)  Hartmann  fülnt  Kümmel,  arabisch  Karawioh,  auch  in  den  oberen  Nilländern  auf  (?). 
Fiiickiger,  Pharmakognosie.  40 


626 


Früchte. 


Die  Oelgänge  zeigen  im  Querschnitte  auffallend  gewölbt -dreieckige 
Form.  Die  an  der  abgerundeten,  nach  aussen  gekehrten  Spitze  liegenden 
Seiten  sind  etwas  geschweift,  die  gerade  oder  ein  wenig  nach  innen  ge- 
wölbte Seite  (Grundfläche  des  Dreieckes)  misst  oft  gegen  300  Mikromill., 
oft  bedeutend  weniger,  während  der  kürzere  Durchmesser  (die  Höhe  des 
Dreieckes,  welches  der  Querschnitt  desOelganges  darstellt)  um  50  Mikrom. 
schwankt.  Die  Gänge  der  Fugeufläche  bieten  im  Querschnitte  eine  breit 
schwertförmige  Form  dar,  welche  dem  schief  halbirten  Dreiecke  der  übrigen 
Oelgänge  entsprechen  würde.  Jedoch  sind  die  Oelgänge  der  Fugenfläche 
nicht  eben  kleiner;  alle  zeigen  im  übrigen  den  bei  Fructus  Phellandrii 
angegebenen  Bau. 

Der  Kümmel  ist  von  schwachem  eigenthümlichem  Gerüche,  aber  von 
beisseud  gewürzhaftem  Geschmacke. 

Den  bedeutenden  Dimensionen  der  Oelgänge  entspricht  ein  beträcht- 
licher Gehalt  an  ätherischem  Oele.  In  der  That  ergibt  sich,  nach  Zellers 
gründlichen  Erörterungen,  die  Menge  desselben  für  in  Deutschland  wild 
gewachsene  Frucht  durchschnittlich  beinahe  zu  5pC.,  obwohl  Schwan- 
kungen von  3 bis  zu  6 pC.,  ja  sogar  ausnahmsweise  bis  gegen  9 pC.  Vor- 
kommen. Es  scheint,  dass  ein  nördlicher  oder  hochgelegener  Standort  eher 
der  Oelerzeugung  förderlich  ist.  Die  Grösse  der  Oelgänge  und  ihre  Lage 
erklären  hinlänglich,  dass  Zerkleinerung  der  Früchte  die  Ausbeute  nicht  zu 
steigern  vermag. 

Kaum  dürfte  irgend  eiue  andere  Frucht  unserer  Gegenden  so  ölreich 
sein,  wie  der  Kümmel.  Das  Kümmelöl  ist,  nach  Schweizer  und  nach 
Völckel,  ein  Gemenge  des  dünnflüssigen,  erst  über  250°  C.  siedenden 
Carvols  GlüHuQ  *)  mit  dem  schon  bei  173°  kochenden  Car ven  £luH1\ 
welches  letztere  über  des  rohen  Oeles  ausmacht.  — Mit  Schwefelwasser- 
stoff verbindet  sich  das  Carvol  zu  grossen  Krystallnadeln. 

Der  Kümmel  scheint  im  Mittelalter  als  Arzneimittel  in  Gebrauch  ge- 
kommen zu  sein,  weil  man  darin  das  Karon  oder  Karos  des  Dioscorides,. 
Careum  des  Plinius  vermuthete  •—  mit  Unrecht,  da  unser  Kümmel  als 
unscheinbare  nordische  Pflanze  von  den  Alten  nicht  beachtet  war,  und 
jenes  Karon  aus  der  kleinasiatischen  Landschaft  Karien,  Rhodus  gegenüber, 
kam,  wo  Carum  Carvi  fehlt.  Die  karische  Frucht  der  Alten ‘war  wohl  eher 
Fenchel.  Brunfels  (1530—1536)  beschrieb  und  bildete  den  Kümmel  ab 
als  Cuuimum. 

Ganz  verschieden  ist  der  Römische  oder  Mutterkümmel;  die 
borstige,  auf  jeder  Hälfte  mit  9 Rippen  besetzte  Frucht  des  orientalischen 
Cuminum  Cyminum  L.,  dessen  ätherisches  Oel  auch  in  chemischer  Hinsicht 
ganz  vom  Kümmelöl  abweicht,  da  es  aus  Cymen  (Cymol)  C1UH"  und  dem 
zugehörigen  Aldehyd  Cumiuol  (Cmnylwasserstoff)  G'°Hl2Q-  besteht. 


•)  isomer  mit  Thymol  (vgl.  bei  Herba  Thymi),  aber  nicht  mit  Alkalien  verbindbar;  beide 
Antheile  linde  ich  rechts  drehend,  das  Carven  bedeutend  stärker. 


Fructus  Änisi. 


627 


Fructus  Auisi. 

Semen  Anisi  vulgaris.  Anis.  Fruit  ou  semence  d’Anis.  Anisvert.  Anisseecl.  _ 
Pimpinella  Anisum  L.  — Umbelliferae. 

In  Aegypten,  im  Archipelagus  und  in  Kleinasien  einheimische  einjährige 
Dolde,  welche  jetzt  durch  fast  ganz  Europa  stellenweise  im  grossen  kultivirt 
wird/ wie  z.  B.  in  Spanien  (Alicante),  Frankreich  (Touraine,  Guyenne), 
Italien  (Puglia),  Malta,  Deutschland  (Franken,  Thüringen,  Sachsen,  Mähren, 
Böhmen),  Süd-Russland  (Charkow).  Noch  in  der  Gegend  von  Christiania 
in  Norwegen  reifen  die  Früchte,  indem  der  Anis  weniger  empfindlich  ist 
als  der  Fenchel. 

Die  bimförmige  Frucht  ist  0,002m  dick  und  fast  doppelt  so  hoch,  duich 
die  kurzen  Griffel  und  ihre  Basis  gekrönt  und  von  ziemlich  einförmig 
grünlichgrauer  Farbe,  weil  die  10  Rippen  der  fast  immer  ungetrennten 
Frucht  wenig  erhaben  und  nicht  viel  heller  sind.  Die  Rippen  an  der  Fugen- 
fläche sind  geuähert,  von  den  übrigen  entfernt  und  dadurch  die  Ränder 
kaum  oder  gar  nicht  klaffend.  Die  ganze  Frucht  ist  durch  sehr  kurze  farb- 
lose Börstchen  rauh  und  matt;  in  den  breiten  Thälchen  so  wenig  als  auf 
der  Berühruugsfläche  sind  Oelgänge  äusserlich  sichtbar.  — Sehr  gewöhnlich 
ist  dieWaare  durch  anhängende  Erde  arg  beschmutzt. 

Im  Querschnitte  erscheint  das  Eiweiss  jeder  Theilfrucht  durch  die  tiefe 
doppelte  Einbuchtung  der  Raphe  innerhalb  der  geraden  Fugenfläche  fast 
halbmondförmig-zweilappig  mit  unmerklichen,  fast  ganz  abgerundeten,  den 
Rippen  entsprechenden  Ecken.  Nach  Bau  und  Inhalt  stimmen  Eiweiss  und 
Embryo  mit  den  übrigen  Umbelliferenfrüchten  (z.  B.  Fruct.  Conii)  überein.1) 
Samenhaut  und  innere  Fruchthaut  — letztere  12  Mikromill.  breit  — glei- 
chen den  entsprechenden  Geweben  des  Fructus  Petroselini,  sind  aber  nur 
hell  bräunlich  gefärbt.  Auch  das  durchschnittlich  blos  7 0 Mikromill.  breite, 
tangential  gestreckte  Gewebe  der  Mittelschicht  des  dünnen  Fruchtgehäuses 
bietet  an  sich  keine  abweichenden  Verhältnisse  dar;  erstere  ist  aber 
in  ihrem  ganzen  Verlaufe  an  jedem  Theilfrüchtcheu  von  ungefähr  30  (im 
Querschnitte)  flach  elliptischen,  tief  braun  gesäumten  Oelgängen  durch- 
zogen. .Sie  sind  von  ungleicher  Weite,  im  grösseren  Durchmesser  zwischen 
30  und  100  Mikromill.  wechselnd;  die  4 — 6 mächtigen,  zunächst  um  das 
Fruchtsäulchen  in  der  Fugenfläche  streichenden  Gänge  aber  erreichen  oft 
500  Mikromill.  Weite,  also  gegen  7t  des  Durchmessers  der  ganzen  Frucht. 
Die  nicht  sehr  dicke  schlaffe  Wandung  dieser  Gänge  stösst  unmittelbar  an 
das  farblose  (oder  in  der  frischen  Frucht  chlorophyllhaltige)  Gewebe  der 
Mittelschicht  an  und  ist  nicht,  wie  in  Fructus  Foeniculi  oder  Fr.  Petroselini, 
von  braunen  korkartigen  Tafelzellen  umgeben.  Sehr  häufig  finden  sich  in 


1)  Brandes  n.  Reimann  geben  nur  SV^pC.  fettes  Oel  an  — dagegen  28  pC.  Feuch- 
tigkeit!! 


40  * 


628 


Fruchte. 


den  Gängen  noch  Querwände  erhalten;  es  gelingt  leicht,  durch  einen  schief 
geführten  Querschnitt  deutliche  Einsicht  in  jene  zu  gewinnen. 

Zahlreiche  Zellen  der  Oberhaut  erheben  sich  aus  verdickter  Basis  zu 
geraden  oder  etwas  gebogenen  glashellen  und  feinhöckerigen  Borsten  von 
höchstens  140Mikrom.  Länge  und  15Mikr.  Dicke,  mit  abgerundetem  Ende. 
Einzelne  dieser  starren  dickwandigen  Borsten  sind  gegliedert,  die  meisten 
bleiben  aber  ganz  einfach. 

Die  Holzbündelchen  unter  den  bei  stärkerer  Vergrösserung  kaum  mehr 
hervortretenden  Rippen  sind  nur  sehr  schwach  und  enthalten  wenige  kleine 
Spiralgefässe  in  dem  eigentlichen  Holzprosencliym. 

Der  liebliche  Geruch  und  Geschmack  des  Anis  erinnert  zunächst  an 
Fenchel,  ist  aber  wohl  etwas  weniger  mild  und  fein,  indessen  je  nach  der 
Herkunft  der  Waare  ziemlich  verschieden.  Der  Gehalt  an  ätherischem  Oele 
scheint,  weniger  von  Herkunft  und  Alter  abhängig,  trotz  der  zahlreichen 
Oelgänge  ziemlich  constant  nur  2 pC.  zu  betragen. 

Sehr  beliebt  ist  das  durch  Feinheit  ausgezeichnete  südrussische  Oel. — 
Geringeres , an  Stearopten  reicheres  Oel  (kaum  über  V2  pC.)  wird  aus  der 
„Anisspreu“,  den  durch  Absieben  erhaltenen  Abfällen,  destillirt. 

Das  Anisöl  ist  chemisch  mit  Fenchelöl  (vgl.  bei  Fructus  Foeniculi) 
identisch,  erstarrt  aber  meist  früher,  schon  bei  + 17° C krystalliuisch. 
Doch  verändert  sich  dieser  Erstarrungspunkt  je  nach  dem  verschiedenen 
Gehalte  an  Stearopten,  und  durch  das  Alter  verliert  das  Oel  zuletzt  die 
Krystallisirbarkeit.  Das  Anisöl  zeichnet  sich  auch  durch  äusserst  geringes 
Rotationsvermögen  nach  links  aus. 

Der  Anis  gehört  zu  den  ältesten  Arzneimitteln  und  Gewürzen;  er  hat 
sich  schon  frühe  nach  Deutschland  verbreitet,1)  nach  England  dagegen 
erst  1551. 

Die  bisweilen,  wie  es  scheint,  im  Anis  vorkommenden  gefährlichen 
Früchte  des  Conium  maculatum  sind  wegen  nahezu  gleicher  Grösse  und 
Färbung  leicht  zu  übersehen,  obwohl  (vgl.  Fructus  Conii)  bei  gehöriger 
Aufmerksamkeit  sicher  zu  erkennen. 

Fructus  Phellandrii. 

Semen  Phellandrii.  Semen  Foeniculi  aquatici.  Wasserfeuchel.  Rossfenchel. 
Fruit  ou  semence  de  Phellandrie  ou  de  Fenouil  aquatique.  Water  hemlock 

fruit. 

Oenanthc  Pliellandrium  Lamarck.  — ümbelliferae. 

Syn. : Pliellandrium  aquaticum  L. 

Zweijährige  Sumpfpflanze,  durch  den  grössten  Theil  Europas  (bis  Finn- 
land) und  Nordasiens,  im  Altai,  auch  im  Taurus,  so  wie  im  Südwesten 


1)  vielleicht  in  Folge  des  Capitulnrc  Karls  des  Grossen,  wo  der  Anban  von  Anesum 
befohlen  wird.  Die  Alton  erhielten  ihn  aus  Aegypten  und  Kreta. 


Fructus  Phellandrii. 


629 


des  Caspi-Sees  (Ghilan)  verbreitet,  stellenweise  aber  doch  seltener,  wie  z.  B. 
in  der  Schweiz. 

Die  grünlich  braune,  länglich  eiförmige,  gegen  die  Griffel  zugespitzte, 
bis  0,005m  lange  Frucht  pflegt  meist  ungetheilt  vorzukommen;  der  mit 
der  Fugenfläche  parallele  Durchmesser  erreicht  etwa  0,002m,  der  darauf 
senkrechte  ist  etwas  länger,  so  dass  die  ganze  Frucht  ein  wenig  von  den 
Seiten  her  gedrückt,  jedoch  fast  cylindrisch,  nicht  zweiknöpfig,  erscheint. 

Jedes  Theilfrüchtchen  trägt  5 breit-rundliche,  wenig  hervorragende,  der 
Länge  nach  etwas  gestreifte  Rippen,  welche  zwischen  sich  nur  schmale 
Thälchen  (Furchen)  frei  lassen.  Die  Randrippen  sind  sehr  viel  stärker  und 
nehmen  bei  der  Trennung  der  Frucht  den  grössten  Theil  der  gelblich  weissen 
Fugenfläche  ein,  indem  ausser  ihnen  neben  dem  schlanken  Fruchtsäulcheu 
nur  2 schmale  bogenförmige  dunkle  Oelgänge  sehr  scharf  hervortreteu. 
Erst  auf  dem  Querschnitte  nimmt  man  deutlicher  wahr,  dass  das  Frucht- 
gehäuse in  den  4 Thälchen  jeder  Fruchthälfte  noch  4 fernere  dunkelbraune 
Oelgänge  birgt;  das  Eiweiss  zeigt  den  Bau  der  Orthospermeen,  d.  h.  seine 
der  Fugenfläche  zugekehrte  Seite  bildet  eine  etwas  convexe  oder  fast 
gerade  Linie. 

Ein  glasartiges  Oberhäutchen  von  demselben  Baue,  wie  bei  Fructus 
Conii  und  Coriandri  und  anderen  Umbelliferen-Früchten,  bedeckt  aucli  hier 
das  Fruchtgehäuse,  dessen  grösster  Theil  bei  Phellandrium  von  starken 
hellgelben  Holzbündeln  eingenommen  wird.  Unter  jeder  Rippe  liegt  ein 
solches,  im  Querschnitte  halbmondförmiges  Bündel,  dessen  Bogen  sich  nach 
innen  öffnet  und  von  jedem  seiner  Enden  noch  einen  schmalen  Lappen  aus- 
sendet, welcher  wieder  sichelförmig  zurückgekrümmt  den  nächsten  Oel- 
gang  umspannt.  Yor  jedem  dieser  letzteren  liegen  also  zwei  schmale  Aus- 
läufer der  benachbarten  Holzbündel,  ohne  jedoch  zusammenzufliessen , so 
dass  die  Mittelschicht  dieses  Fruchtgehäuses  nicht,  wie  etwa  bei  Coriandrum, 
einen  ganz  geschlossenen  Holzring  enthält.  Auch  in  der  Fugenfläche  ent- 
hält jedes  Theilfrüchtchen  ein  gleiches,  doch  nicht  in  zwei  Schenkel  aus- 
laufendes Holzbündel.  Es  sind  fast  ganz  verdickte  langgestreckte,  nur  sehr 
fein  porige  Zellen , welche  diese  Holzbündel  zusammensetzen ; nach  aussen 
gehen  sie  aber  in  immer  kürzere,  zuletzt  fast  kubische  und  sehr  viel  weitere, 
obwohl  immerhin  noch  etwas  dickwandige  Zelleu  mit  zahlreichen  grössereu 
Poren  über.  Dieses  Holzparenchym,  ebenfalls  gelbwandig,  wie  das  Pro- 
senchym,  erfüllt  namentlich  zum  grössten  Theile  die  mächtigen  Randrippeu 
und  bewirkt  hauptsächlich  die  Rundung  der  Frucht. 

Nur  ziemlich  schmale  Streifen  lockeren  Parenchyms  umgeben  die  Holz- 
bündel und  trennen  sie  von  den  sehr  nahe  liegenden  elliptischen , im  grös- 
seren Durchmesser  140  Mikromillim.  weiten  Oelgängen.  Dieselben  stossen 
unmittelbar  an  die  innere  Fruchthaut  an  und  liegen  demnach  so  tief  unter 
der  Oberfläche  der  Frucht,  dass  sie  in  den  Thälchen  nicht  oder  nur  wenig 
durchzuscheinen  vermögen.  Die  Oelgänge  sind  mit  einer  dunkelbraunen 
Schicht  zarter  tafelförmiger  Zelleu  ausgekleidet,  welche  auf  dem  parallel 


«30 


Früchte. 


mit  dem  Oelgänge  geführten  Schnitte  öeckig  erscheinen;  ausserdem  er- 
blickt man  darin  häufig  ganze  oder  zerrissene  Querwände.  Meist  ent- 
halten die  Gänge  noch  gelbe  Tropfen  ätherischen  Oeles  uud  Harzes. 
Die  dünne,  nur  etwa  30  — 40  Mikromill.  breite  braungelbe  innere  Frucht- 
haut besteht  aus  wenigen  äusserst  dichten  Lagen  kleiner,  radial  ge- 
richteter, sehr  dickwaudiger  Zellen.  Das  austossende  Eiweiss  zeigt  den 
gewohnten  Bau  uud  Inhalt;  es  ist  von  einer  sehr  dünnen  braunen,  der 
Fruchthaut  ähnlichen,  nur  etwas  weniger  kleinzelligen  Samenhaut  bedeckt. 

Der  Wasserfenchel  riecht  und  schmeckt  sehr  eigenthümlich,  scharf  aro- 
matisch, aber  nicht  angenehm ; er  enthält  etwa  1 pC.  neutrales  ätherisches 
Oel  von  durchdringendem  gewürzhaftem  Gerüche,  ohne  narkotische  Eigen- 
schaften. Mau  erhält  daneben,  nach  Frickhinger,  durch  Destillation  mit 
Kali  wohl  eine  trübe  ammoniakalische,  aber  von  Alkaloiden  freie  Flüssig- 
keit. — Die  derbe  holzige  Beschaffenheit  des  Fruchtgehäuses  und  die  Lage 
der  Oelgänge  gebieten  das  Zerkleinern  der  Früchte,  wenn  es  auf  die  Gewin- 
nung des  ätherischen  Oeles  abgesehen  ist. 

Träger  der  angeblich  an  der  Pflanze  bemerkten  giftigen  Eigenschaften 
sollte  das  Phellandrin  sein,  welches  Devay  u.  Guillermond  (1852) 
aus  dem  ätherischen  Extracte  der  Früchte  abdestillirt,  indessen  nicht  ge- 
nauer untersucht  haben.  — Bouchardat  vermuthet,  das  giftige  Produkt 
könnte  von  zufällig  beigemengten  alkaloi'dhaltigen  Umbelliferen-Früchteu 
hergerührt  haben.  Irgend  gefährliche  Wirkungen  des  Phellandrium  haben 
seither  keine  Bestätigung  gefunden. 

Nicht  näher  gekannt  ist  das  von  Homolle  u.  Joret  nach  Analogie 
des  Apiols  (siehe  Fructus  Petroselini)  dargestellte,  doch  nicht  giftige 
Phellandrol. 

Nach  Berthold  geben  die  Früchte  8 pC.  Asche. 

Unreife  Früchte  des  Wasser fenchels  werden  bisweilen  auf  Haufen  ge- 
worfen und  einer  Gährung  überlassen,  wodurch  sie  eine  braunschwarze 
Farbe  und  stärkeren  Geruch  anuehmen.  Diese  „geströmten“  Früchte 
sind  zu  verwerfen. 

Eine  bei  Plinius  schon  vorkommende  Arzneipflanze,  Phellandrium,  lässt 
sich  nicht  mit  Sicherheit  auf  unsere  Oenauthe  Phellandrium  beziehen. 
Dieselbe  wurde  erst  seit  1739  auf  die  Empfehlung  von  Ernsting  in 
Braunschweig  („Phellandrologia  physico-medica“)  allgemeiner  angewandt. 

Die  Früchte  der  an  denselben  Standorten  wachsenden  Doldenpflanzen 
Cicuta  virosa  L. , Siurn  latifolium  L.  und  Bcrula  angustifolia  Koch 
kommen  bisweilen  unter  dem  Wasserfenchel  vor.  Erstere  sind  kugelig, 
die  des  Siurn  haben  3 , die  der  Berula  noch  mehr  deutliche  Oelgänge  in 
jedem  Thälchen. 


Fructus  Foeniculi. 


631 


Fructus  Foeniculi. 

Semen  Foeniculi  vulgaris.  Fenchel.  Fruit  ou  semence  de  Feuouil. 

Sweet  fennel  fruit. 

Foeiiiculuni  officinale  Allione.  — Umbelliferae. 

Syn.:  F.  vulgare  Gärtner. 

Anethum  Foenicnlum  L. 

Ausdauernde  Doldenpflanze,  au  trockenen  steinigen  Standorten  im  Ge- 
biete des  Mittelmeeres  (vorzüglich  in  Italien  und  Griechenland)  einheimisc  , 
durch  Spanien  und  Frankreich,  auch  am  Kaukasus  und  in  den  siidkaspiscl len 
Gegenden  verbreitet.  Sie  wird  in  den  gemässigteren  europäischen  Landern 
viel  gebaut,  in  Deutschland  z.  B.  in  Sachsen,  Franken,  Würtemberg.  In 
Norwegen  gelangen  die  Früchte  nicht  mehr  zur  Reife. 

In  Deutschland  erreichen  dieselben  bis  etwa  0,008™  Länge,  einen  Durch- 
messer von  0,003™  auf  der  Fugenfläche  und  ungefähr  eben  so  viel  iu  senk- 
rechter Richtung  auf  dieselbe.  Die  uugetheilte  Frucht  ist  daher  im  Umiisse 
cyliudrisch,  aber  von  5 starken,  grünlich  gelben  längsstreifigen  Rippen  aut 
jeder  Hälfte  durchzogen.  Die  randständigen  Rippen  stossen  aneinander,  sind 
stärker  als  die  des  Rückeus  und  von  denselben  etwas  entfernt.  Zwei  kurze 
dicke  Griffel  erheben  sich  aus  starker  brauner  Basis  auf  der  nur  wenig  zu- 
gespitzteu  Frucht.  In  jedem  der  breiten  braungrüuen,  ziemlich  ebenen  Thäl- 
chen  schimmert  ein  dunkler  mächtiger  Oelgang  durch;  eben  so  auf  jeder 
Fugenfläche  links  und  rechts  von  dem  zweispaltigen  Fruchtsäulchen.  Fast 
immer  zerfällt  die  Frucht  beim  Trocknen  iu  ihre  beiden  1 heile. 

Im  Querschnitte  erblickt  mau  unter  jeder  der  abgerundeten,  obwohl  be- 
deutend hervorragenden  Rippen  ein  nicht  sehr  starkes  rundlich  dreieckiges 
Holzbüudel  von  sehr  engem  grossporigem  Prosenchym,  welches  gegen  innen 
in  sehr  weite,  etwas  dickwandige  Pareuckymzellen  übergeht,  deren  AYände 
durch  grosse  Löcher  und  breite  Bänder  ausgezeichnet  sind.  Die  auf- 
fallendste Eigenthümlichkeit  des  Fenchels  bieten  aber  die  tief  dunkelbraunen 
Oelgänge  dar.  Sie  sind  im  Querschnitte  meist  von  planconvexer  Form;  die 
gerade,  immer  nach  aussen  gewendete  Seite  misst  gegen  200  Mikromillim. 
Die  Oelgänge  werden  von  ziemlich  flachen,  nach  innen  dickwandigen  Zellen 
begrenzt,  deren  Durchschnitt  parallel  mit  dem  Gange  eckig -rundliche 
Umrisse  zeigt.  Mehrere  Lagen  dieses  schlaffen  und  tief  dunkelbraunen 
Gewebes  umgeben  rings  die  Oelgänge  und  erinnern  durch  Farbe  und 
sehr  regelmässig  mauerförmige  Anordnung  völlig  an  die  gewöhnlichste  Form 
des  Korkes;  auch  hier  treffen  die  kurzen  Querwände  in  gerader  Linie  auf- 
einander. — In  den  mit  hellgelbem  ätherischem  Oele  erfüllten  Gängen  sind 
bisweilen  noch  die  ursprünglichen  Querwände  sichtbar.  Iu  dem  umgeben- 
den abgestorbenen  Gewebe  ist  auch  wahrscheinlich  die  ursprüngliche  Bil- 
dungsstätte des  ätherischen  Oeles  zu  suchen.  Durch  Umbildung  oder  Ab- 
sterben der  Zellwände  wird  dasselbe  frei  und  es  entstehen  zugleich  die  Oel 
gäuge  oder  Striemen. 


632 


Früchte. 


Die  Mittelschicht  des  Fruchtgehäuses  ist  im  übrigen  aus  demselben 
schlaffen,  etwas  tangential  gestreckten  Parenchym  gebildet,  wie  bei  den, 
übrigen  verwandten  Früchten  und  eben  so  von  einer  gleichen  glashellen  i 
radial  gestreiften  Oberhaut  bedeckt. 

Die  innere  Fruchthaut  besteht  aus  zwei  Schichten  weiter,  im  Längs- 
schnitte radial  gestellter,  im  Querschnitte  tangential  gestreckter  Tafelzellen, 
deren  äussere  Lage  braune,  die  innere  farblose  Wände  besitzt. 

Das  Eiweiss  ist  von  der  auch  bei  den  anderen  Umbellifereu-Früchten 
vorkommenden  Beschaffenheit  und  von  einer  dünnen  braunen  Samenhaut 
bedeckt,  welche  noch  eine  Reihe  kleiner  farbloser  Zellen  trägt.  — In  der 
Gegend  der  Oelgänge  ist  das  Eiweiss  etwas  eingedrückt  und  erscheint 
daher  im  Querschnitte  ölappig. 

Der  Geruch  des  Fenchels  ist  sehr  angenehm  aromatisch,  der  Geschmack 
zugleich  süss,  nicht  eben  scharf  gewürzhaft. 

Neben  Zucker  (2  pC.  Rebling)  und  etwa  12  pC.  fettem  (im  Eiweisse 
enthaltenen)  Oele  ist  das  ätherische  Oel  Hauptbestandtheil  der  Feuchel- 
frucht.  Die  Menge  desselben  ist  je  nach  der  Herkunft  derWaare,  wohl 
auch  je  nach  dem  Jahrgänge,  mehr  schwankend  als  z.  B.  bei  Fructus 
Anisi.  Deutscher  Fenchel  gibt  nach  Zeller  etwas  über  3 pC.  ätherisches 
Oel,  weniger  die  Frucht  aus  südlicheren  Ländern,  allein  das  der  letzteren 
ist  von  feinerem  Gerüche  und  milderem  Geschmacke.  Vielleicht  vermehrt 
die  Kultur  überhaupt  den  Oelgehalt,  so  dass  schon  deshalb  der  Norden 
eine  reichhaltigere  Frucht  liefert.  Da  die  Oelgänge  nur  von  lockerem  kork- 
ähnlichem Gewebe  und  der  weichen  Mittelschicht  des  Fruchtgehäuses, 
nicht  aber  wie  in  Phellandrium  von  Holzbündeln  eiugeschlossen  sind,  so 
ist  bei  der  Gewinnung  des  ätherischen  Oeles  die  Zertrümmerung  der  Früchte 
überflüssig.  Die  Wurzel  des  Fenchels  ist  wenig  aromatisch  und  besitzt 
keine  Oelgänge. 

Das  Fenchelöl  besteht  grösstentheils  aus  dem  bei  220° — 225°  C.  kochen- 
den Aniscampher  oder  Anethol  GluH12<L  und  wechselnden  Mengen 
eines  davon  nur  schwierig  zu  befreienden  flüssigen,  schon  bei  190°  C.  sie- 
denden und  mit  Terpenthinöl  isomeren  Antheiles.  Das  Anethol  tritt  bald 
als  krystallisirte , erst  bei  16° — 20°  C.  schmelzende,  bald  als  noch  bei 
— 10°C.  flüssige  Modification  auf,  so  dass  der  Erstarrungspunkt  des  rohen 
Oeles,  sehr  gewöhnlich  bei  etwa  -f-  10°  C.  liegend,  wenig  constaut  ist. 
Südliches  Oel  scheint  wohl  früher  zu  erstarren. 

Auch  die  Oele  des  Anis,  des  Estragon  (Artemisia  Dracunculus)  und  des 
Sternanis  (Fructus  Anisi  stellati)  bestehen  fast  ganz  aus  Anethol.  — Der 
flüssige  Antheil  dieser  Oele  (das  Elaeopteu)  hat  dieselbe  Zusammensetzung 
wie  der  krystallisirbare  Campher  (das  Stearopten). 

Aus  Südfrankreich  und  Italien  (auch  aus  Malta)  erhalten  wir  den  Rö- 
mischen Fenchel,  Fructus  Foeniculi  romani,  von  dem  einjährigen  Foeni- 
culium  dulce  DC.  (F.  officinale  Merat  und  de  Lens).  Er  ist  bedeutend 
grösser  (bis  0,012"'  laug)  als  die  eben  beschriebenen  Früchte  und  häufig 


Fructus  Conii. 


633 


stark  gekrümmt.  Die  breiten  gekielten,  fast  flügelartigen  Rippen  nehmen 
den  grössten  Theil  der  Oberfläche  in  Anspruch,  so  dass  die  Thälchen  sehr 
zurückgedrängt  werden  und  ihre  Oelgänge  oft  kaum  mehr  durchscheinen. 
Dieser  Fenchel  erhält  dadurch  eine  viel  hellere  Färbung;  er  riecht  und 
schmeckt  feiner  und  milder.  Die  Oelgänge  sind  im  Querschnitte  mehr  herz- 
oder  kreisförmig  und  selten  über  150  Mikromill.  weit,  so  dass  sich  schon 
hieraus  auf  einen  verhältnissmässig  etwas  geringeren  Oelgelialt  schliessen 
lässt  als  bei  dem  gewöhnlichen  Fenchel,  dessen  kleinere  Frucht  weitere 
Gänge  besitzt.  Beim  römischen  Fenchel  sind  die  Gänge  nur  nach  ausseu 
von  wenigen  Lagen  des  braunen  korkartigen  Gewebes  bedeckt.  Der  Haupt- 
unterschied im  anatomischen  Baue  liegt  aber  darin,  dass  hier  die  ganze 
Mittelschicht  des  Fruchtgehäuses  aus  jenen  grossen  rundlich  - eckigen 
Zellen  besteht,  deren  nicht  sehr  dicke  Wände  grosse  Löcher  oder  Netz- 
bänder zeigen. 

Apulien  (Puglia)  führt  in  Menge  einen  Fenchel  aus,  der  in  Betreff 
der  Grösse,  des  Aussehens  und  des  anatomischen  Baues  mit  dem  in 
Deutschland  gezogenen  übereinstimmt,  aber  feiner  schmeckt.  Er  dürfte  da- 
her vermuthlich  derselben  Pflanze  angehören. 

In  seiner  Heimat  wurde  der  Fenchel-ohne  Zweifel  seit  den  ältesten  Zei- 
ten benutzt.  Zu.  seiner  Verbreitung  in  Deutschland  dürfte  wohl  die  Verfü- 
gung Karls  des  Grossen  beigetragen  haben,  wonach  die  Pflanze  auch  in  den 
kaiserlichen  Gärten  gebaut  werden  sollte. 

Fructus  Conii. 

Semen  s.  mericarpium  Conii  maculati.  Semen  Cicutae.  Schierlingsfrucht. 

Schierlingssamen.  Fruit  ou  semence  de  cigue.  Hemlock  fruit. 

Cönium  maculatum  L.  — Umbelliferae. 

Der  Verbreitungsbezirk  dieser  vielleicht  ursprünglich  aus  Asien  stam- 
menden zweijährigen  Doldenpflanze  ist  jetzt  ein  sehr  weiter.  Sie  gedeiht 
vorzüglich  an  Wegen,  Schutthaufen  und  bebauten  Stellen  durch  fast  ganz 
Europa,  mit  Ausnahme,  wie  es  scheint,  des  äussersten  Nordens.  Ferner  auf 
Candia,  Cyperu,  in  Syrien,  Kleinasien,  Transkaukasien  bis  zum  Caspi-See, 
in  Sibirien,  sogar  in  Nord-  und  Südamerika,  immerhin  jedoch  sehr  ungleich* 
verbreitet.  Der  Schweiz  z.  B.  fehlt  der  Schierling  fast  ganz  und  findet  sich 
dagegen  massenhaft  in  Ungarn  (Leopoldstadt.  Tyrnau). 

Die  kleine,  etwa  0,003m  lange  und  eben  so  dicke  grünlich  graue  zwei- 
samige  Frucht  besitzt  den  Bau  der  Doldenfrüchte  aus  der  Abtheilung  der 
Gampylospermeen,  d.  h.  das  Sameneiweiss  ist  nicht  von  einfach  cyliudri- 
scher  Gestalt,  sondern  da,  wo  die  beiden  Theilfrüchtchen  zusammeuhängeu, 
vou  einer  tiefen,  durch  die  Mittelschicht  des  Fruchtgehäuses  ausgefüllten 
Längsfurche  eingenommen,  welche  dem  Querschnitte  des  Eiweisses  einen 
nierenförmigen  Umriss  verleiht. 

Das  Fruchtgehäuse  ist  sehr  dünn,  durchschnittlich  nur  130  bis  140 


Früchte. 


«34 

Mikromill.  dick  und  auf  jeder  Fruchthälfte  mit  5 starken,  ungefälir  140 
Mikromill.  hohen  blassen  Läugsrippen  besetzt.  Dieselben  beschreiben  nach 
aussen  nicht  eine  regelmässige  Curve,  sondern  eiue  wellig  gekerbte,  zuletzt 
nur  geschweifte  Bogenlinie.  Die  4 zwischen  den  Rippen  gelegenen  Thälchen 
oder  Furchen,  so  wie  die  Berührungs-  (Bauch-  oder  Fugenfläche)  sind  glatt, 
nur  hier  und  da  mit  kurzen,  ganz  schwachen  Höckercheu  besetzt  und  ohne 
Oelstriemeu. 

Die  beiden  an  der  Berührungsfläche  anstossendeu  Rippen  (Seiteurippen 
oder  Randrippen)  sind  von  denen  des  gegenüberstehenden  Theilfrüchtchens 
durch  eine  ziemlich  breite,  fast  bis  zum  Fruchtträger  gehende  Kluft  getrennt, 
so  dass  die  zweiknöpfige  Frucht  bei  der  Reife  leicht  in  ihre  beiden  Theile 
zerfällt.  Der  auf  die  Fugenfläche  senkrechte  Querdurchmesser  der  uuge- 
trennten  Frucht  ist  länger  als  die  erstere  selbst,  die  Gesammtfrucht  erscheint 
also  von  der  Seite  her  etwas  zusammengedrückt.  Die  Grififelbasis  (Stempel- 
polster) und  2 kurze  Griffel  krönen  die  Frucht. 

Das  Fruchtgehäuse  ist  mit  einer  derben  glasartigen  Epidermis  bekleidet, 
welche  aus  sehr  kleinen  Zellcheu  besteht,  deren  fein  gestreifte  Waudungeu 
nach  aussen  ganz  zu  einer  zusammenhängenden  festen  Haut  verwachsen 
sind;  nur  die  Querwände  sind  zarter.  Die  Hauptmasse  des  Fruchtgehäuses, 
die  Mittelschicht,  ist  aus  lockerem,  etwas  tangential  gestrecktem  Pareuchym 
zusammengesetzt,  welches  vom  Eiweisse  durch  eine  besondere  brauugelbe 
Fruchthaut  und  eine  Samenhaut  getrennt  wird. 

Die  parenchymatische  Mittelschicht  wird  von  5 in  den  Rippen  und 
einem  6ten  in  der  Berührungsfläche  gelegenen  Gefässbündelclien  durch- 
zogen, deren  peripherischer  Theil  aus  sehr  feinen  spitzeudigeu  porösen  und 
mit  zarten  Spiralbändern  belegten  Prosenchyinzelleu  besteht.  Der  dem  In- 
neren zugekehrte  Theil  der  Gefässbündel  enthält  dagegen  kleine  Netzgefässe, 
welche  kaum  dicker  (5  Mikromill.)  sind,  als  das  ihnen  vorliegende  holz- 
artige Prosenchym.  ...  r>- 

Die  innere  Fruchthaut  ist  ein  geschlossener,  30  Mikromill.  breiter  Ring 
kubischer  oder  etwas  länglicher  Zellen  mit  zarten  Querwänden;  nach  aussen 
und  nach  innen  dagegen  sind  die  Wanduugen  sehr  derb  uud  tief  braungelb 
o-efärbt.  Eine  zweite  ähnliche  Zelleureihe  trennt  diese  innere  Fruchthaut 
vom  Parenchym  der  Mittelschicht;  jedoch  sind  ihre  Zelleu  kleiner,  weit 
zarter,  etwas  zusammeugefalleu  uud  gegen  die  Mittelschicht  hin  ausge- 
schweift. ... 

Die  Sameuhaut  besteht  aus  einer 'dünnen  Schicht  sehr  kleiuer  dickwan- 
diger brauugelber  poröser  Zellen,  welche  sich  in  der  Furche,  wo  die  Mittel- 
schicht in  das  Sameueiweiss  eiudriugt,  von  der  inneren  Fruchthaut  selb- 
ständig ablöst,  indem  sich  hier  noch  ein  7tes  Gefässbündelclien,  der  Raphe 

angehörig,  einschiebt. 

Das  Eiweiss  enthält  ziemlich  grosse  dickwandige  und  etwas  strahlig  g 
ordnete,  eckig  rundliche,  der  kleine  Embryo  zartere,  mehr  kubische  oder 

platte  Zellen. 


Fructus  Conii. 


635 


Die  Mittelschicht  führt  iu  ihren  äusseren  Schichten  Chlorophyll,  in  den 
innersten  sehr  kleine,  nicht  sehr  zahlreiche  Stärkekörner;  in  der  reifen 
Frucht  ist  ersteres  missfarbig  und  letzteres  verschwindet.  Die  weiten  Würfel- 
zellen der  inneren  Fruchthaut  sind  ohue  Zweifel  Sitz  des  Coniins  und  des 
ätherischen  Oeles,  ersetzen  also  die  Oelgänge  der  übrigen  Umbelliferen- 
Früchte.  Der  Saft  frischer  Früchte  reagirt  zwar  nicht  alkalisch,  gibt  aber 
mit  Jodwasser  eine  braune,  bald  wieder  verschwindende  Trübung,  welche 
man  mit  dem  Safte  der  Blätter  nicht  erhält. 

Das  Eiweiss  strotzt  von  grossen  Oeltropfen  und  kleineren  festen  Körn- 
chen (Proteinstoffe?  Fett?) 

Das  in  geringer  Menge  iu  den  Früchtchen  vorkommende  ätherische  Oel 
ist  nicht  näher  untersucht.  — Der  wichtigste  Bestandteil , das  Coniiu 

nsjju 

N tt  ist  eine  stark  alkalisch  reagirende , sehr  giftige  Flüssigkeit  von 

tabaksähnlichem  Gerüche,  bei  163,5°  C.  ohne  Zersetzung  siedend.  1827 
von  Giesecke  zuerst  bemerkt , wurde  das  Coniin  1831  von  Geiger  als 
Alkaloid  erkannt  und  besonders  von  Werth eim  (1856.  1862)  genau  er- 
forscht. Es  ist  in  den  Früchten  an  eine  Säure  (Aepfelsäure?)  gebunden  und 
von  Ammoniak,  so  wie  von  einer  zweiten,  etwas  weniger  giftigen  Base, 
dem  krystallisirbaren  Conydriu  begleitet.  Das  letztere  lässt  sich  durch 
Entziehung  von  Wasser  iu  Coniin  überführen.  Das  Radikal  der  Alkaloide, 
ein  flüssiger,  nicht  giftiger  Kohlenwasserstoff,  Conylen  G8HU,  ist  von 
Wertheim  daraus  abgeschieden  worden.  — In  der  Natur  selbst  findet 
häufig  eine  Substitution  des  im  Coniiu  verfügbaren  Wasserstoffatomes 
durch  GH3  (Methyl)  statt,  daher  das  käufliche  Coniin  auch  Methylconiiu 
iGsH14 

N iq  zu  enthalten  pflegt,  wie  Planta  u.  Kekule  zeigten.  — In  der 

Art  seiner  giftigen  Wirkung  steht  das  Coniin  dem  Nicotin  nahe,  ist  jedoch 
bei  weitem  weniger  kräftig.  Die  reifen  Früchte  liefern  gegen  1 pC.  Coniin,1) 
' die  unreifen,  wie  es  scheint,  etwas  mehr,  vermuthlich  weil  später  Bildung 
von  Conydrin  G8H17N  G durch  Wasseraufnahme  eintritt. 

Nach  Walz  käme  das  Coniin  auch  iu  den  Früchten  der  Aethusa  Cyna- 
pium  vor  und  Hesse  sich  nach  W agn er  ferner  (als  Zersetzungsprodukt?) 
aus  der  Wurzel  von  Imperatoria  Ostruthium  (vergl.  Rhizoma  Imperatoriae) 
gewinnen. 

Die  Eigenschaften  des  Schierlings  (Cicuta  der  Römer,  Köneion2)  der 
Griechen)  waren  den  Alten  wohl  bekannt;  ihr  Schierlingstrank,  womit  sie 
Verbrecher  tödteten,  scheint  auch  wohl  Opium  enthalten  zu  haben.  Iu 
Griechenland  wächst  Conium  da  und  dort,  früher  in  der  Gegend  von  Athen 
z.  B.  häufig,  ist  aber  jetzt  daselbst  ausgerottet. 


B Barth  erhielt  0,86  pC.  bei  Verarbeitung  von  5 Pfunden,  Wertheim  bei  336  Kilogr. 
nur  0,21  pC.  Coniin  neben  0,012  pC.  Conydriu.  — Das  Kraut  enthält  nur  Spuren. 

2)  xwv&eiv  sich  wie  ein  Kreisel  drehen. 


636 


Früchte. 


Die  Schierlingsfrüchte  haben  Aelmlichkeit  mit  den  Früchten  von  Aethusa 
Cyuapium,  Cicuta  virosa  und  andere  Doldenpflauzen,  sind  aber  sehr  leicht 
zu  unterscheiden  au  ihren  wellig  gekerbten  Rippen,  dem  von  den  Seiten  her 
eingerollten  (gefurchten)  Eiweisse,  so  wie  am  Mangel  der  Oelstriemen. 


Fructus  Coriaudri. 

Semen  Coriaudri.  Koriander.  Coriandre.  Coriauder. 

Coriandrum  sativum  L.  — Umbelliferae-Coelospermeae. 

Einjährige  Doldenpflanze,  im  ganzen  gemässigten  Asien,  von  China  bis 
Cypern,  auch  im  Mittelmeergebiete  bis  Marokko  einheimisch,  in  Deutsch- 
land, England  u.  s.  w.  augebaut  und  jetzt  bereits  bis  Paraguay  verbreitet. 

Die  beiden  Fruchthälften  sind  so  genau  verbunden,  dass  sie  eine  fast 
ganz  regelmässige,  im  Durchschnitte  bis  0,005"'  messende,  vom  Steugel- 
polster  und  dem  Griffel  gekrönte  Kugel  darstellen. 

Das  hellgelbe  Fruchtgehäuse  trägt  auf  jeder  Hälfte  4 fast  ganz  gerade 
verlaufende,  ziemlich  scharf  hervortretende  Rippen  (Nebenrippen  nach  dem 
gewöhnlichen  Sprachgebrauche) ; zwei  fernere,  oft  an  dunklerer  Färbung 
kenntliche  gehören  gemeinschaftlich  den  beiden  Hälften  an  und  spalten 
selbst  an  der  trockenen  Frucht  nur  schwer.  Die  Trennung  geschieht  nicht 
in  gerader  Linie,  sondern  verläuft  etwas  uneben,  schwach  wellenförmig. 
Die  Abdachung  dieser  Rippen  in  die  Thälcheu  (Furchen)  zeigt  mehr  oder 
weniger  zickzackförmige  Ausbiegungen  und  Einsprünge  und  der  Thalgrund 
selbst  wird  von  einer  entsprechend  zickzackförmigen  Rippe  (gewöhnlich  als 
Hauptrippe  bezeichnet)  eingenommen,  deren  also  jede  Fruchthälfte  5 zählt. 
Sie  sind  mehr  abgerundet  und  weniger  hervortretend  als  die  geraden  Rip- 
pen. Oelstriemen  fehlen  auf  der  Ausseufläche  des  Fruchtgehäuses. 

Von  den  5 Kelchzähnen  sind  oft  zwei,  zu  längeren  spitzen  Lappen  aus- 
gewachsen , noch  an  der  reifen  Frucht  erhalten ; sie  rühren  von  den  peri- 
pherischen (Strahlen-)  Blüthen  der  Dolde  her. 

So  genau  auch  die  Theilfrüchtchen  verbunden  sind,  so  hängen  sie  doch 
nur  durch  das  dünne  Fruchtgehäuse  und  den  Fruchtträger  zusammen, 
schliessen  aber,  in  reifem  Zustande,  einen  linsenförmigen  Hohlraum  ein. 
Auf  jeder  Hälfte  desselben  erhebt  sich  die  Fruchthaut  au  zwei  Stellen  von 
der  Samenschale  und  birgt  hier  zwei  dunkelbraune  Oelgäuge  (Oelstriemen). 
Im  Querschnitte  erscheint  das  Eiweiss  von  halbmondförmiger  Gestalt;  die 
concave  Seite  ist  der  Höhlung  zugekehrt.  Mitten  in  letzterer  steht  der 
Fruchtträger  als  freie,  nur  oben  und  unten  mit  dem  Fruchtgehäuse  ver- 
wachsene Säule,  welche  leicht  mit  dem  Fruchtstiele  herausfällt.  Dem  Frucht- 
• säulchen  gegenüber  trennt  sich  von  jeder  Fruchthälfte  die  innere  Frucht- 
haut, indem  sie  weit  in  die  freie  Höhlung  hereinragt.  Die  dreieckige,  da- 
durch zwischen  Eiweiss  und  Fruchthaut  entstandene  Lücke  ist  mit  sehr 
lockerem  Parenchym  und  einem  Bündel  dünner  Spiralgefässe  ausgefüllt. 


Fructus  Coriandri. 


637 


Die  Eigenthümlichkeit  der  Korianderfrucht  liegt  hauptsächlich  im  Baue 
des  Fruchtgehäuses.  Dasselbe  ist  von  einer  glashellen  Epidermis  bedeckt, 
welche  eine  breite  parenchym atische  lockere  Mittelschicht  einschliesst,  deren 
innerste  Schicht  einen  geschlossenen  Ring  kubischer,  wahrscheinlich  durch 
ätherisches  Oel  gelb  gefärbter  Zellen  bildet.  Diese  innere  Fruchthaut  wird 
nur  durch  eine  sehr  dünne  dunkelbraune  Samenschale  oder  Samenhaut  vom 
Eiweisse  getrennt. 

In  der  Mittelschicht  nun  entsprechen  nicht  blos  einzelne  Gefässbündel 
den  Rippen  des  Fruchtgehäuses , sondern  der  ganze  mittlere  Theil  jenes 
Gewebes  besteht  aus  verholztem  Prosenchym , welches  also , nach  aussen 
und  nach  innen  von  einer  Lage  des  Mittelschichtgewebes  bedeckt,  eine  sehr 
derbe,  fest  zusammenhängende  innere  Schale  darstellt.  Die  ziemlich  kurzen 
Zellen  derselben  sind  dickwandig,  fein  porös,  spitzendig  und  nur  von  we- 
nigen kleinen  Gefässen  begleitet.  In  den  zickzackförmigen  Rippen  weicht 
dieses  Prosenchym  so  sehr  von  der  geraden  Richtung  ab,  dass  ein  Quer- 
schnitt durch  diese  Holzschicht  gewöhnlich  die  einzelnen  Zellen  in  allen 
möglichen  Lagen,  sowohl  im  Durchschnitte,  als  ihrer  ganzen  Länge  nach 
zur  Anschauung  bringt. 

Das  Sameneiweiss  besitzt  den  gleichen  Bau  und  Inhalt,  wie  bei  anderen 
Umbelliferen-Früchten  (z.  B.  Fructus  Conii). 

Die  Oelgänge  sind  im  Querschnitte  flach  elliptisch  im  grösseren  Durch- 
messer Vs  Millimeter  erreichend. 

Der  Koriander  riecht  und  schmeckt  eigentkiimlich  angenehm  und  milde 
aromatisch,  mit  nur  höchst  geringem,  an  Wanzen1)  erinnerndem  Beigeruche. 
Vor  der  Reife  aber  ist  dieser  widerliche  Geruch,  auch  am  Kraute,  sehr  stark 
entwickelt.  Worin  die  chemische  Veränderung  liegt,  welche  bei  der  Reife 
eintritt,  ist  nicht  ermittelt;  wohl  dürfte  sie  aber  auf  einer  Oxydation  des 
ätherischen  Oeles  beruhen,  welches  der  Formel  G10HlsO  entspricht,  also 
isomer  ist  mit  Cajeputöl  undBorneol  (vergl.  bei  Camphora).  Entzieht  man 
ihm  durch  Phosphorsäure  die  Elemente  des  Wassers,  so  verwandelt  es  sich, 
nach  Kawalier,  in  widerlich  riechendes  Oel  O10H16. 

Die  Früchte  liefern  etwa  pC.  ätherisches  Oel;  die  durch  das  holzige 
Fruchtgehäuse  gut  geschützte  Lage  der  Oelgänge  und  der  ölhaltigen  inneren 
Fruchthaut  empfiehlt  das  Zerstossen  der  Früchte  vor  der  Destillation.  — 
Weit  grösser  ist  der  Gehalt  an  fettem  Oele,  nach  Trommsdorff  13  pC. 

Jenes  widerlichen  Geruches  wegen  scheint  der  Koriander  zum  Theil  im 
Alterthum  zu  den  Giftpflanzen  gerechnet  worden  zu  sein.  Doch  benutzten 
ihn  schon  die  Hebräer  und  die  Römer  als  Gewürz.  Plinius  erwähnt,  dass 
der  beste  aus  Aegypten  komme. 


D daher  der  Name  der  Pflanze:  K<5pt?  = Wanze.  Oft  heisst  sie  auch  Koliandron,  z.  B. 
hei  Simeon  Seth  im  XI.  Jahrhundert. 


Früchte. 


038 


Fructus  Anisi  stcllati. 


Semen  seu  Capsulae  Anisi  stellati.  Seinen  Badiani.  Sternanis.  Badiaue. 
Anis  de  la  Chine.  Anis  etoile.  Star  anise. 
niicium  anisatum  Loureiro.  — Magnoliaceae-Wintereae. 


Der  in  Cochinchina  einheimische  und  in  China  cultivirte  Baum,  welcher 
den  Sternanis  liefert,  ist  gegen  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  von  Lou- 
reiro uu vollständig  beschrieben  worden. 

Ein  schon  von  Kämpfer  ein  Jahrhundert  zuvor  abgebildeter  Baum  aus 
Japan,  den  später  auch  Thunberg  mitbrachte,  wurde  für  identisch  mit 
Loureiro s Illicium  anisatum  gehalten,  bis  Siebold  ihn  als  Illicium  reli- 
giosum  bestimmt  unterschied  und  zeigte,  dass  derselbe  aus  China  stamme, 
aber  nicht  den  officinellen  Sternanis  liefere.  Er  wird  in  Japan  sehr  häufig 
in  der  Nähe  buddhistischer  Tempel  gezogen.  Die  Stammpflanze  unserer 
Droge  ist  demnach  bis  heute  noch  nicht  genauer  bekannt. 

Die  Frucht  der  Illicium- Arten  ist  gebildet  aus  8 einsamigen,  anfangs 
aufrechten  Karpellen,  welche  später  mehr  oder  weniger  strahlenförmig  aus- 
gebreitet im  Quirl  einreihig  um  eine  kurze  Centralsäule  vereinigt  sind.  Bei 
der  Reife  sind  die  Karpelle  verholzt  und  der  Länge  nach  an  der  nach  oben 
gekehrten  Bauchnaht  aufgesprungen,  so  dass  der  glänzende  Same  sichtbar 
ist.  Die  nach  unten  gerichtete  Wölbung  der  Karpelle  (Fruchtblätter)  ent- 
spricht daher  der  Rückenfläche,  ihre  Spitze  dem  Griffel. 

Der  etwas  abgeflacht  elliptische  Same  steht  aufrecht  im  Karpell,  ist  an 
der  dem  Centralsäulchen  benachbarten  schmalen  Seite  flach  abgestutzt  und 
hier  mit  einem  lockeren  kurzen,  schief  aufsteigenden  Nabelstrange  befestigt, 
welcher  in  einer  eigenen  breiten  Höhlung  durch  die  F ruchtwaud  dringt. 
Unter  dem  Nabel  liegt  eine  kleine,  etwas  hellere  warzenförmige  Samen- 
schwiele. Der  obere  Rand  des  Samens  ist  zugeschärft,  der  untere  ab- 
gerundet. m 

Bei  dem  käuflichen  Sternanis  ist  die  Fruchtsäule  ungefähr  0,008 
lang,  von  kegelförmiger  Gestalt  und  der  Länge  nach  etwas  geflügelt,  wenn 
man  die  einzelnen  Karpelle  beseitigt.  Das  obere  Ende  der  Säule  stellt  eine 
flach  schüsselförmige  Vertiefung  dar,  umgeben  von  16  Höckerchen,  welche 
den  am  Grunde  etwas  verdickten  Rändern  der  Fruchtblätter  angeboren. 
Die  breitere  Grundfläche  des  Kegels  trägt  häufig  noch  den  gekrümmten,  bis 


0,02,n  langen  Fruchtstiel. 

Die  einzelnen  Karpelle  sind  fast  immer  zu  8 der  ganzen  Höhe  nach  der 
Fruchtsäule  angewachsen,  hängen  aber  unter  sich  nur  au  ihrer  Ursprungs- 
stelle ein  wenig  zusammen.  Die  obere,  meist  aufgesprungene  Seite  der 
nachenförmigen  Karpelle  (die  Ränder  des  Fruchtblattes)  verläuft  fast  hori- 
zontal oder  erhebt  sich  nur  in  der  Mitte  zu  einer  sanften  W olbuug.  L ie 
mehr  oder  weniger  geschuäbelten,1)  doch  nicht  eben  scharf  zulaufenden 

1)  Die  sonst  sehr  ähnliche  Früchte  dos  Illicium  religiosum  unterscheiden  sich  durch 
einen  sehr  ausgebildeten  zurückgebogenen  Schnabel  und  sind  übrigens  wenig  aromat.sch. 


Fructus  Anisi  stellati. 


639 


Spitzen  liegen  in  oder  wenig  unter  derselben  Ebene,  wie  das  obere  Ende 
der  Centralsäule,  von  welcher  sie  durchschnittlich  0,017'"  abstehen.  Die 
Karpelle  reissen  bis  in  ihre  äusserste  Spitze  auf;  ihr  Kiel  ist  ziemlich  breit 
abgeflacht. 

Die  Aussenseite  der  Karpelle  ist  matt  graubraun  oder  rostbraun,  vor- 
züglich unten  unregelmässig  runzelig,  in  der  oberen  Hälfte  mehr  längs- 
nervig. Wo  sich  die  einzelnen  Karpelle  berühren,  entstehen  hellere  roth- 
braune  glänzende  und  vielnervige  Eindrücke. 

Die  Innenseite  der  Karpelle  ist  gelblich  braun,  glatt  und  in  der  unteren, 
der  Säule  genäherten  Hälfte  der  Gestalt  des  Samens  genau  entsprechend 
ausgehöhlt.  Die  etwas  mattere  Höhlung  wird  von  einer  besonderen,  Va  Millim. 
dicken  Wand  gebildet,  welche  deutlich  strahligen  Bau  zeigt.  Die  übrige 
Innenfläche  des  Karpells,  welche  nicht  von  Samen  bedeckt  ist,  zeigt  sich 
von  sehr  zahlreichen  feinen  Nerven  durchzogen. 

Die  glatte,  lebhaft  glänzende  zerbrechliche  Samenschale  ist  fast  gleich 
beschaffen  wie  jene  Wand  oder  Steinschale,  welche  den  Samen  einschliesst. 
Im  bräunlichen  weichen,  von  der  dunkelbraunen  innern  Samenhaut  be- 
deckten Eiweisse  liegt  zunächst  am  Nabel  der  sehr  kleine  Embryo.  — Der 
Same  beträgt  etwa  Vs  des  Gesammtgewichtes  der  Frucht. 

Die  Fruchtsäule  wird  von  einem  im  Querschnitte  zackigen  Kreise  ziem- 
lich unregelmässig  verlaufender  Holzbündel  durchzogen,  welcher  ein  sehr 
lockeres  braunes  Mark  einschliesst.  Letzteres  besteht  aus  denselben  grossen 
porösen  Zellen,  welche  auch  den  Holzring  umgeben.  Ihre  dicken  Wände 
werden  durch  Kali  stark  angegriffen.  Da  und  dort  sind  in  dieses  Gewebe, 
sowohl  innerhalb  als  ausserhalb  des  Holzringes,  grosse  citrongelbe  Bast- 
zellen eingestreut,  welche  durch  ihre  Dicke  und  die  zierliche  Schichtung 
ihrer  fast  bis  zum  Verschwinden  der  Höhlung  verdickten  porösen  Wände  an 
die  Bastzellen  mancher  Rinden,  z.  B.  der  Chinarinden,  erinnern.  Jedoch 
sind  die  Bastzelleu  des  Sternanis  nur  sehr  kurz.  Die  sehr  ziisammen- 
gefallene  Rinde  des  Fruchtstieles  enthält  ähnliche,  doch  nicht  so  ganz  ver- 
dickte Bastzellen. 

An  den  Karpellen  ist  sehr  deutlich  eine  äussere  lockere,  tief  dunkel- 
braune Schicht  von  der  sehr  derben  inneren  Wand  zu  unterscheiden.  An 
der  Grenze  beider  Schichten  verlaufen  kleinere  Bündel  langer  dünner  Spiral- 
gefässe.  Die  äussere  lockere  Schicht  ist  am  stärksten  entwickelt  auf  der 
unteren  Seite  (Rückenfläche)  der  Karpelle,  wo  sie  aus  weiten  schlaffen 
Zellen  mit  dicken  porösen  Wänden  zusammengesetzt  ist,  welche  grössten- 
teils mit  ätherischem  Oele,  rothbraunen  Tropfen  (Harz?)  und  Klumpen 
(Farbstoff?)  gefüllt  sind.  An  den  vertikalen  Wänden  des  Karpells  sind  die 
Zellen  dieser  äusseren  Schicht  weniger  dickwandig  und  sehr  unregelmässig 
eingeschrumpft.  Vereinzelte  grössere,  sonst  aber  nicht  abweichend  ge- 
baute Zellen  enthalten  hier  vorzugsweise  das  blassgelbe  ätherische  Oel. 

Die  hellgelbe  holzige  Innenwand  der  Karpelle  besteht  aus  langgestrecktem 
porösem,  sehr  derbem  Holzprosenchym  an  denjenigen  Stellen,  welche  ausser- 


t 


640 


Früchte. 


halb  der  Samenhöhle  liegen,  also  vorzüglich  au  den  glänzenden,  durch  das 
Aufspringen  der  Bauchnaht  blos  gelegten  Wänden  oberhalb  und  ausserhalb 
des  Samens.  Hier  folgen  gegen  10  Reihen  solcher  Holzzellen  auf  einander, 
dann  einige  wenige  Lagen  verkürzter,  aber  dickerer  Zellen  und  die  Ober- 
fläche (Innenfläche  des  Karpells)  selbst  endlich  setzt  sich  ganz  aus  gewal- 
tigen, fast  kubischen,  stark  oder  ganz  verholzten  Steinzellen  von  über  200 
Mikromillimeter  Dicke  zusammen. 

Einen  ganz  abweichenden  Bau  aber  zeigt  diese  Steinschale  da,  wo  sie 
sich  nach  beiden  Seiten  zu  der  vom  Samen  eingenommenen  Höhlung  ver- 
tieft. Hier  ist  es  eine  einzige  Zellenreihe,  welche  den  holzigen  Theil  des 
Karpells  ausmacht.  Die  Zellen  sind  gerade,  unter  sich  genau  parallele 
Röhren  von  mehr  als  500  Mikromill.  Länge  und  70  Mikromill.  Durchmesser, 
welche  aufs  dichteste  gedrängt,  senkrecht  auf  die  Samenhöhle  gestellt  sind. 
Ihre  Wände  sind  fast  farblos,  nicht  dick,  aber  sehr  spröde,  fein  spiralig  ge- 
streift und  mit  kleinen  Löchern  versehen. 

Die  prachtvollen  Farben,  welche  diese  cylindrischen  Zellen  im  polarisirten 
Lichte  an  nehmen , sprechen  für  eine  beträchtliche  Spannung  ihrer  Wände. 
Diese  höchst  eigenthiimlichen  Zellen  zeigen  keinen  Inhalt;  sie  sind  an  beiden 
Enden  gerade  abgestutzt  und  gegen  den  Samen  zu  nur  durch  eine  gelb- 
braune dünne  Haut  geschlossen. 

Je  nach  der  Stelle  und  der  Richtung,  in  welcher  Schnitte  durch  das 
Karpell  gelegt  werden,  muss  demnach  der  Sternanis  ein  sehr  verschiedenes, 
aber  immer  ausgezeichnet  charakteristisches  anatomisches  Bild  gewähren. 
Ein  horizontaler  Schnitt  durch  die  obere  aufgesprungene  Wand  z.  B.  zeigt 
die  Gefässbüudel  und  Holzzellen  in  ihrer  ganzen  Länge,  ein  parallel  zur  Cen- 
tralsäule geführter  Schnitt  nur  die  Querdurchschnitte.  Nicht  weniger 
verschieden  erscheinen  die  Umrisse  der  Zellen,  welche  die  Steinschale 
rings  um  die  Samenhöhle  bilden,  je  nachdem  man  sie  ihrer  Länge  nach 
oder  quer  durchschnitten  zur  Anschauung  bringt. 

Die  Samenschale  ist  aus  ganz  ähnlich  radial  geordneten  einreihigen, 
70  Mikromill.  langen  blassgelben  Zellen  zusammengefügt,  wie  die  eben  er- 
wähnte Steinschale,  jedoch  sind  die  Zellen  der  ersteren  stark  verdickt  und 
an  den  Enden  abgerundet,  d.  h.  von  der  gewöhnlichen  Form  der  soge- 
nannten Stein-  oder  Steruzellen.  Au  dieselben  reiht  sich  die  dünne  braune 
innere  Samenhaut  aus  tangential  gestrecktem  Gewebe,  welche  den  Samen- 
keru  eiuschliesst.  Er  enthält  vorwiegend  Eiweiss,  zarte  eckige,  von  Fett- 
tropfen strotzende  ansehnliche  Zellen. 

Aetherisches  Oel  und  brauner  Farbstoff  sind  hauptsächlich  in  der  äus- 
seren lockeren  Fruchtschicht  der  Karpelle  und  auch  in  der  Centralsäule 
vorhanden.  Die  Steinzellcn  und  Holzzellen  dagegen  führen  nur  in  ihren  be- 
schränkten Höhlungen  braunen  Farbstoff  (Harz?),  besitzen  aber  selbst 
blassgelbe  oder  fast  farblose  Wände.  Selten  trifft  mau  in  der  Nahe  der 
Steinschale , welche  die  Samenhöhle  auskleidet,  vereinzelte  farblose  kurz«* 
Prismen,  vermuthlich  von  Kalkoxalat. 


Fructus  Anisi  stellati. 


641 


Stärke  findet  sich  mir  in  der  Rinde  der  Fruchtstiele.1)  Das  Gewebe  der 
Fruchtsäule  enthält  Körner  von  gleicher  Grösse , welche  sich  aber  deutlich 
von  Stärke  unterscheiden. 

Der  Sternanis  schmeckt  angenehm  süss  und  aromatisch,  eigentlich  mehr 
au  Fenchel  als  an  Anis  erinnernd,  weshalb  er  anfangs  auch  wohl  als 
Foeniculum  sinense  bezeichnet  wurde,  und  riecht  entsprechend  angenehm. 
Gepulvert  zeigt  er  einen  säuerlichen  Beigeschmack.  Dem  Samen  geht  das 
Aroma  ab. 

Das  ätherische  Oel  beträgt  2 — 3 pC.  und  scheint  am  reichlichsten  in 
der  unteren  Hälfte  der  äusseren  Karpellscliicht  enthalten  zu  sein.  Es  ist 
der  Hauptsache  nach  chemisch  gleich  zusammengesetzt  wie  das  Fenchelöl 
und  Anisöl  (vergl.  bei  Fructus  Foeniculi)  und  erstarrt  gewöhnlich  unter 
-f-  2°  C.  Durch  sehr  gemässigte  Einwirkung  von  Salpetersäure  auf  das- 
selbe erhielten  Limpricht  u.  Ritter  die  krystallisirbare  Anisoi'nsäure 
G10H18Os,  welche  sich  vermuthlich  auch  aus  den  anderen  verwandten 
Oelen  gewinnen  Hesse. 

Mit  Sicherheit  sind  überhaupt  die  Oele  des  Fenchels,  Anis  und  Stern- 
anis nicht  zu  unterscheiden.  Das  letztere  wird  nach  Dragendorff  von 
Natrium  nicht  gefärbt  und  bleibt  flüssig,  Anisöl  aber  in  eine  feste,  erst  bei 
20°  G.  schmelzende  Masse  verwandelt.  Werden  die  Oele  in  Aether  gelöst 
und  mit  Natrium  behandelt,  so  färbt  sich  nach  Hager  das  Sternanisöl 
gelb,  das  Anisöl  aber  nicht. 

Der  Sternanis  ist  reich  an  Zucker,  vermuthlich  Rohrzucker,  da  er  in 
der  Kälte  alkalisches  Kupfertartrat  nicht  reducirt;  der  wässerige  Auszug 
der  Frucht  erstarrt  auf  Zusatz  von  Alkohol  zur  klaren  Gallerte  von  Gummi 
und  Pektin  (?). 

Die  Samen  enthalten  in  grosser  Menge  fettes  Oel. 

Der  Sternauis  gelangte  gegen  Ende  des  XVI.  Jahrhunderts  zuerst  und 
zwar  von  den  Philippinen  her  nach  London,  Clusius  gab  1601  die  erste 
Beschreibung  der  Frucht.  Dieselbe  wurde  dann  anfangs  zu  Lande  über 
Russland  nach  Europa  gebracht  und  z.  B.  in  Moskau  ähnlich  wie  jetzt  der 
damals  noch  nicht  bekannte  Thee  verwendet.  In  früherer  Zeit  war  der 
Sternanis  trotz  der  auffallenden  Gestalt  nicht  beachtet  und  scheint  auch 
in  China  keine  bedeutende  Rolle  zu  spielen. 


R Meissner  (1819)  hatte  19,8  pC.  Stärke  in  den  Karpellen  und  6,4  pC.  in  den  Samen 
angegeben ; seine  ganze  Analyse  ist  der  Berichtigung  sehr  bedürftig. 


Fleckiger,  l’liariuakoguosie. 


41 


«42 


Samen. 


VII.  Samen. 

A.  slisslich,  ölig,  milde  oder  etwas  adstringireud 
bitterlich  schmeckende  oder  Schleim  gebende  Samen. 

Seinen  Quercus. 

Glandes  s.  Fructus  Quercus.  Eicheln.  Glands  de  cheue.  Oak  seeds. 

Abstammung  siehe  bei  Cort.  Quercus. 

Der  3fäeherige  6 eiige  Fruchtknoten  der  (weiblichen  Blüthe  der)  Eichen 
bildet  nur  einen,  seltener  zwei  Samen  aus,  welcher  in  einer  länglich  ruuden 
Schliessfrucht  (Nuss,  Achenium)  enthalten  ist.  Das  dünne  schalenartige 
zerbrechliche  Fruchtgehäuse  ist  glatt,  nach  dem  Trockuen  glänzend  braun- 
gelb, durch  den  vertrockneten  Griffel  oder  die  Perigonreste  bespitzt,  unten 
durch  einen  helleren  rauhen  Nabel  abgeplattet.  Derselbe  ist  am  Rande 
durch  Gefässbündel  puuktirt,  womit  er  in  der  becherförmigen,  durch 'Ver- 
wachsung von  Deckblättern  entstandenen  holzigen  Hülle  (Cupula)  aufge- 
wachsen ist.  Inuen  ist  das  Fruchtgehäuse  lose  von  einer  braunen,  stark 
einschrumpfeuden  Samenhaut  ausgekleidet,  in  welche  sich  vom  dunkleren 
abgeflachten  Nabel  her  zahlreiche  verästelte  Gefässbündel  verbreiten.  In 
dieser  Samenhaut  hängt  der  eiweisslose  Samen,  aus  zwei  grossen  gewölbten 
fleischigen,  im  trockenen  Zustande  sehr  harten  Keimblättern  bestehend, 
welche  sich  leicht  trennen  und  unter  ihrer  Spitze  das  kleine,  aufwärts 
gerichtete  Würzelchen  sammt  dem  Knöspcheu  bergen.  Die  Kotyledonen 
selbst  sind  aussen  durch  Eindrücke  der  die  Samenhaut  durchziehenden . 
Gefässbündel  längsfurchig , auf  der  inneren  flachen  Seite  glatt,  bis  0,03'" 
lang.  Für  den  Handel  werden  die  Fruchtgehäuse  und  Samenhäute  entternt, 
wobei  der  Same  immer  in  seine  beiden  Keimblätter  zerfällt. 

Es  werden  ohne  Unterschied  die  Früchte  beider  bei  Cort.  Quercus  an- 
geführten Arten  verwendet;  die  der  Q.  sessiliflora  sitzen  zu  2 5 dicht  an 

einer  kurzen  Spindel  beisammen,  die  der  Q.  peduncidata  zu  3—7  an  einem 
längeren  gemeinschaftlichen  Fruchtstiel  weiter  aus  einander  gerückt.  Letz- 
tere sind  von  etwas  mehr  länglicher  Gestalt.  — In  uusern  Gegenden  tragen 
die  Eichen  selten  zwei  Jahre  nach  einander  reichlich  Früchte. 

Die  Eicheln  sind  aus  einem  bräunlichen,  rundlich  eckigen  Parenchym 
gebildet,  das  in  ganz  unregelmässiger  Weise  von  sehr  kleinen  Gcfassbuude  n 
durchsetzt  wird.  Die  äussersten,  viel  kleineren  und  fast  würfelförmige« 
Zellen  bilden  eine  etwas  derbere  Schicht.  Das  ganze  Gewebe  enthalt  reich- 
lich Stärke,  in  sehr  verschieden  gestalteten  elliptischen  bis  15  M.kromilhm. 
messenden  Körnchen,  vereinzelte  eigene,  durch  Harz  (1-arbstofl  und  Jcr  J 
Stoff?)  braunroth  gefärbte  Zellen  und  hier  und  da  Oeltröpfchen. 

Der  Geschmack  der  geschälten  Eicheln  ist  sehr  schwach  sussl.ch,  mit 
bald  mehr,  bald  weniger  starkem,  bitterlich  adstringirendem  Beigcschma-  vC. 


Semen  Papaveris. 


643 


Bei  manchen  südlichen  Arten  (Q.  Ballota,  Q.  Ilex,  Q.  Esculus  im  Gebiete 
des  Mittelmeeres)  ist  die  Mischung  ihrer  Bestandteile  so  günstig,  dass  die 
Samen  sehr  wohl  schmecken. 

Unsere  Eicheln  sind  von  Braconnot,  Löwig,  v.  Bibra  untersucht 
worden.  Sie  fanden  darin:  7 — 9 pC.  Gerbstoff,  35  38  Stärke,  7 8 

uukrystallisirbaren  Zucker,  3 — 4 fettes  Oel,  2 — 5 Harz,  ferner  Gummi  und 
Proteinstofte , Spuren  von  ätherischem  Oele  und  Citronsäure.  Die  Asche 
ist  reich  an  Kali  und  Phosphaten.  Nach  der  Gährung  des  Zuckers  lässt 
sich  aus  den  Eicheln  noch  ein  süsser,  von  Braconnot  für  Milchzucker 
gehaltener,  aber  ganz  dem  Manuit  ähnlicher  Stoff,  Eichelzucker  oder 
Quercit  G12H24010,  gewinnen.  D essaignes  hat  gezeigt,  dass  er  eigen- 
tümlich, mitPiuit1)  und  Mannitan  isomer  ist;  er  lässt  sich  zum  Theil 
sublimireu  und  wirkt  nicht  auf  alkalisches  Kupfertartrat.  Zum  medici- 
nischen  Gebrauche  werden  die  (geschälten)  Eicheln  schwach  geröstet 
(Glandes  Quercus  tostae,  Eichelkaffee),  wodurch  sie  20— 24  pC.  an  Gewicht 
abnehmen,  aber  ihr  Volum  etwas  vergrössern.  Es  entstehen  hierbei  die 
gewöhnlichen  Umwandlungs-  und  Zersetzungsprodukte  der  Stärke  und  des 
Zuckers  (Dextrin,  Essigsäure,  Aceton,  Assamar,  Furfurol  etc.),  vermischt 
mit  denen  der  Nebenbestandtheile  der  Eicheln. 

Seinen  Papaveris. 

Mohnsamen.  Semeuce  de  pavot.  Graiue  de  pavot.  Poppy  seed. 

Wie  bei  Fructus  Papaveris  erwähnt,  ragen  von  den  8 — 20  Nähten  der 
Kapsel  eben  so  viele  vertikale  Samenträger  in  die  hohle  Frucht  herein. 
Dieselben  sind  gegen  die  Axe  der  Frucht  gerichtet,  aber  nur  etwa  0,010"' 
breit,  so  dass  sie  lange  nicht  das  Centrum  erreichen.  Dicht  an  der  Aus- 
trittsstelle jedes  Samenträgers  verläuft  auf  beiden  Flächen  seiner  ganzen 
Länge  nach  eine  schmale  scharfe  Leiste.  Aus  dieser  etwa  0,002"’  dicken 
Basis  schärft  sich  der  Samenträger  gegen  iuneu  papierartig  zu,  so  dass 
seine  Dicke  an  der  freien,  nicht  verdickten  Eudkante  kaum  Vs  Millimeter 
beträgt.  Er  lässt  sich  nur  unvollkommen  der  Länge  nach  in  2 Blätter 
spalten,  welche  im  Wasser  aufquellen,  durchsichtig  werden  und  sehr  deut- 
lich das  zierliche  Adernetz  ihrer  Gefässbündelchen  erkennen  lassen,  deren 
Endpunkte  auf  den  beiden  Flächen  und  der  Kante  des  Samenträgers  durch 
bräunliche,  wenig  erhabene  Fleckchen  in  grosser  Zahl  bezeichnet  sind. 
Nach  dem  Abfallen  des  Samens  bleibt  der  kurze  schwammige  Nabelstrang 
oft  noch  einige  Zeit  auf  dem  Fleckchen  sitzen. 

Der  Same  ist  von  fast  halbkugeliger,  nur  unbedeutend  abgeflachter 
Form , oder  vielmehr  durch  mehr  oder  weniger  seichte  Einbuchtung  der 
geraden  Seite,  am  Nabel,  von  nierenförmigem  Umrisse.  Die  beiden  ge- 
näherten Enden  des  Samens  sind  durch  den  kurzen  kielförmigen  Nabel- 

1 ) vgl.  am  Schlüsse  von  Manna. 

41* 


644 


Samen. 


streifen  verbunden.  Am  Saraenträger  sitzt  der  Same  vertikal,  das  dem 
Nabel  gegenüberliegende,  doch  nur  unmerklich  zugespitzte  Ende  nach  unten 
gerichtet.  In  Gestalt  und  Grösse  sieht  Semen  Papavcris  dem  Semen  Hyoscy- 
ami  etwas  ähnlich.  Letzterer  ist  aber  weit  mehr  abgeflacht  und  brauugelb, 
während  der  Mohnsamen  entweder  rein  weiss  oder  graulich  bis  violett- 
schwarz ist. 

Man  pflegt  zum  officiuellen  Gebrauche  nur  dieweissen  Samen  zu  wählen. 
An  den  übrigens  gleich  gestalteten  schwarzen  treten  die  weiten  unregelmässig 
6 eckigen  Maschen  der  Rippen  deutlicher  hervor,  welche  den  Samen  netz- 
artig überstricken. 

Die  Samenkörner  wiegen  lufttrocken  durchschnittlich  Va  Milligramm 
(100  Stück  = 0,0  49  5 Gramm). 

Unter  der  dünnen,  mehr  zäh-elastischen  als  spröden  Samenschale  schliesst 
das  Eiweiss  einen  verhältnissmässig  ansehnlichen  cyliudrischen  krümmt 
läufigen  Embryo  ein,  dessen Würzelehen  so  lang  ist,  wie  die  beiden  dicken 

Kotyledonen.  5 

Der  Mohnsamen  ist  ausgezeichnet  durch  sein  geringes  specifisches  Ge- 
wicht, das  nur  etwa  0,71  beträgt,1)  und  geringe  Hygroskopicität.  Luft- 
trockener Samen  gibt  nur  3 — C pC.  Wasser  ab. 

Die  Oberfläche  ist  aus  einer  glashellen  dünnen  tafelartigen  Cuticula 
gebildet,  welche  sich  stellenweise  zu  jenen  Rippen  erhebt. 

Die  höchstens  1 5 Mikromill.  dicke  Samenschale  enthält  einige  Reihen 
sehr  schlaffer  Zellen  mit  derben  farblosen,  tangential  gestreckten,  aber  ver- 
worrenen Wänden.  In  den  dunkelsamigen  Varietäten  ist  die  iunerste  Zellen- 
reihe bedeutend  weiter  und  mit  braunen  Klumpen  gefüllt. 

Die  vou  Oeltropfen  und  kleinen  farblosen,  mit  Jod  wasser  gelb  werdenden 
Körnchen  von  Protein-  oder  Pcktinstoffen  strotzenden  dünnwandigen  Zellen 
desEiweisses  sind  von  polyedrischer  Gestalt,  die  des  Embryos  mehr  kubisch, 
von  demselben  Inhalte,  aber  weit  kleiner. 

Der  Geschmack  des  Mohnsamens  ist  milde  ölig.  Er  gibt  gegen  die  Hälfte 
seines  Gewichtes  an  fettem  wohlschmeckendem  Oele,  dem  eine  sehr  geringe 
Menge  eines  flüchtigen  Riechstoffes  beigemengt  ist.  — Das  Oel  enthält, 
neben  anderen  Fettsäuren,  Leinölsäure  (vgl.  bei  Semen  Lini),  trocknet  an 
der  Luft  noch  rascher  als  das  Leinöl,  ist  dickflüssiger  und  erstarrt  bei 
__  1 8°  C.  — Frankreich  allein  erzeugt  jährlich  für  25  bis  30  Mill.  Frcs.  Mohnöl. 

Der  Samen  enthält  ferner  nach  Sacc  23  pC.  Pektinstoff  (oder  wohl 
eher  Gummi),  1 2 pC.  Eiweiss  und  hinterlässt  blos  6 pC.  Cellulose.  Der 
Stickstoffgehalt  beträgt  2—3  pC.,  die  Asche,  hauptsächlich  Kalkphosphat, 

g 7 pC.  Der  von  Accarie  und  von  Meureiu  angegebene  Morphingehalt 

(3  pro  Mille)  bedarf  wohl  noch  der  Bestätigung.  Der  sorgfältige  Sacc 
fand  durchaus  kein  Alkaloid. 


l)  d.  h.  in  trockenem  lufterfülltem  Zustande,  denn  in  Wasser  sinkt  er  nach  längerer 
Zeit  unter. 


Semen  Cacao. 


645 


Mit  Wasser  zerrieben  liefert  der  Mohnsamen  eine  milde  schmeckende 
Emulsion.  — Der  vom  Oele  befreite  Presskuchen  riecht  und  schmeckt  nach 
Lechler  dem  Opium  etwas  ähnlich  und  wirkt  narkotisch. 

Schon  C eis us  und  Plinius  kannten  die  Farbenverschiedenheit  des 
Mohnsamens  je  nach  der  Varietät  der  Pflanze.  Er  diente  übrigens  bei  den 
Persern  und  Aegyptern  nicht  nur  zur  Gewinnung  des  Oeles,  sondern  auch 
als  Zusatz  zum  Brote,  und  wurde  bei  Römern  und  Griechen  wie  der  besam- 
samen  auf  Backwerk  und  geröstet  mit  Honig  genossen.  Einen  ähnlichen 
Gebrauch  haben  nach  Heer1)  auch  die  Bewohner  der  Pfahlbauten  in  unse- 
ren Gegenden  vom  Mohnsamen  gemacht,  welcher  sich  in  grosser  Menge  in 
manchen  Resten  dieser  Zeit  findet. 

Seinen  Cacao. 

Semen  Theobromae.  Fabae  Cacao.  Cacaobohnen.  Cacao.  Feves  du 
Mexique.  Cocoa.  Cocoa  nuts. 

Theobroma  Cacao  L.  — Büttneriaceae. 

Die  Küstenländer  und  Inseln  des  mexikanischen  Meerbusens,  so  wie  das 
Stromgebiet  des  Cauca,  des  Magdalenenstromes,  des  Orinoco  und  Amazonas 
sind  die  Heimat  des  Cacaobaumes.  Als  äusserste  Nordgreuze  seines  Vor- 
kommens dürfen  die  heissesten  Thäler  des  Mississippi  und  des  Altamaha 
in  Louisiana  und  Georgia  angenommen  werden;  doch  findet  er  sich  hier 
nur  vereinzelt  in  günstigen  Lagen. 

Die  südlichsten  umfangreichen  Cacaopflanzungen  besitzt  etwa  unter  13° 
südl.  Breite  die  Provinz  Bahia,  weiterhin  gegen  den  20°  zeigt  sich  der 
Cacaobaum  nur  noch  in  Gärten.  Auch  die  jenseitigen  Gestadeländer  am 
Stillen  Ocean  beherbergen  denselben,  wie  z.  B.  die  mexikanischen  Staaten 
Colima  und  Oaxaca,  ganz  Central-Amerika,  dann  die  Gegend  von  Popayan 
und  der  Küstenstrich  von  Ecuador,  wo  vorzüglich  der  Cacao  von  Esme- 
raldas und  Guayaquil  durch  Güte  und  Menge  hervorragt.  Auch  Nord-Peru 
(Maynas)  und  Bolivia  (Apolobamba,  Moxas  und  Yungas)  scheinen  noch 
reich  an  vorzüglichem  Cacao  zu  sein , obwohl  sie  so  gut  wie  nichts  davon 
auszuführen  vermögen. 

Schon  1670  wurde  der  Cacaobaum  nach  den  Philippinen  verpflanzt. 
Manila  liefert  jetzt  nicht  unerhebliche  Erträge,  ebenso  südlich  davon  der 
Sulu  oder  Jolo-Archipel  und  Menado.  Weniger  belangreich  scheint  die  Pro- 
duktion von  Bourbon  (seit  1804)  und  Java  zu  sein. 

Es  ist  somit  fast  ausschliesslich  Mittelamerika  und  die  Nordhälfte  Süd- 
Amerikas,  welcher  wir  dieses  für  wenigstens  50  Millionen  Menschen  unent- 
behrliche Nahrungs-  und  Genussmittel  verdanken. 

Wild  trägt  der  Cacaobaum  kleinere  Früchte  mit  mehr-  bitteren  Samen, 


1)  Die  Pflanzen  der  Pfahlbauten.  Zürich  1865.  33. 


640 


Samen. 


so  dass  fast  nur  cultivirte  Waare  in  den  Handel  gelangt.  Unter  den  wich- 
tigsten Produktionsgegenden  nimmt  durch  die  vorzügliche  Güte  seines  Ca- 
caos  der  südlichste  District  Mexicos,  Soconusco  (früher  zu  Guatemala  ge- 
hörig), deu  ersten  Rang  ein.  Seine  schöne  goldgelbe  kleine  Bohne  gelangt 
aber  selten  nach  Europa.  Neben  ihm  liefert  von  allen  mexikanischen  Ländern 
nur  das  benachbarte  Tabasco  nennenswerthe  Mengen  Cacao,  so  dass  das 
heutige  Mexico  mehr  davon  verbraucht  als  erzeugt. 

In  quantitativer  Hinsicht  steht  der  nördliche  Theil  von  Venezuela  mit 
Einschluss  Trinidads  in  erster  Linie  und  reiht  sich  auch  in  qualitativer  Bezie- 
hung dem  Produkte  von  Soconusco  zunächst  an.  Porto-Cabello  undLaGuayra, 
die  Haupthäfen  dieser  Länder,  versorgen  hauptsächlich  die  südeuropäischen 
Nationen,  die  Hauptconsumeuten  des  Cacaos.  Humboldt1)  schon  schätzte 
bei  seinem  Besuche  1800 — 1806  den  Ertrag  des  General-Capitanats  Cara- 
cas auf  jährlich  200,000  Fanegas  (zu  110  span.  Pfd.  oder  50  Kilogr.),  was 
heutzutage  La  Guayra  allein  exportirt  uud  Trinidad  liefert  jetzt  mehr  als 
halb  so  viel. 

Die  uordeuropäischen  Völker  erhalten  vorzugsweise  den  gleichfalls  sehr 
grossen,  aber  an  Güte  etwas  geringeren  Ertrag  des  pacifischen  Gebietes 
von  Columbia  und  Ecuador,  wo  Guayaquil  z.  B.  1855  über  2 V2  Mül-  Pfund 
ausführte.  Der  Cacao  von  Esmeraldas,  gleich  hoch  geschätzt  wie  der  von 
Soconusco,  gelangt  nicht  zu  uns. 

Auf  deu  Inseln  des  mexikanischen  Busens  und  des  Antilleumeeres,  vor- 
züglich auf  Haiti,  Martinique,  Sta.  Lucia  und  Granada,  weniger  auf  Jamaica 
und  fast  gar  nicht  auf  Cuba  hatte  die  Cacao-Cultur  schon  seit  der  Mitte  des 
XVII.  Jahrhunderts  von  Zeit  zu  Zeit  sehr  grosse  Ausdehnung  gewonnen, 
so  dass  z.  B.  1775  die  beiden  ersteren  Inseln  durch  ihren  beliebten  „Cacao 
des  lies“  fast  den  ganzen  Bedarf  Frankreichs  deckteu.  Die  wütheudeu  Or- 
kane, denen  Westindien  ausgesetzt  ist,  und  wohl  auch  zeitweiliger  W asser- 
mangel neben  grosser  Bodenerschöpfung  haben  diese  Pflanzungen  zu  Grunde 
gerichtet,  erstere  sowohl  durch  direkte  Wirkung  als  auch  in  folge  dei 
Herabsetzung  und  Veränderlichkeit  der  Temperatur.2) 

Die  Produktion  Guyanas  uud  Brasiliens  (von  Rio  negro  uud  Amazonas 
über  Para,  Maranham  und  Bahia)  tritt,  obwohl  bebeuteud  genug,  doch 
neben  Caracas  und  Guayaquil  in  den  Hintergrund. 

Der  Cacaobaum  ist  schwieriger  anzubauen  als  viele  andere  Tropen- 
pflanzen. Er  verlangt  einen  lockeren  tiefgründigen,  uicht  schon  ausgenutzten 
Boden,  anhaltende  grosse  und  gleichmässige  Feuchtigkeit,  nicht  aber  hef- 
tige Regengüsse , welchen  die  schweren  Früchte  nicht  widerstehen.  Hin- 
reichende Beschattung  durch  starke  Laubbäume  muss  auch  die  Atmosphäre 
der  Pflanzungen  mit  Feuchtigkeit  gesättigt  erhalten.  Die  zu  diesem  Zwecke 
besonders  viel  verwendete  Erytluina  Corallodendron  L.,  aus  der  lanu  ie 
der  Papilionaceen,  führt  daher  den  Namen  Arbol  madre  oder  madre  del 


») 

2) 


Reisen.  Stuttgart  1859.  II.  S4G. 

1862  führte  Haiti  über  Mill. Pfd-  aus,  Cubas 


Produktion  belief  sieb  auf  14  Mill.  Dollars. 


Semen  Cacao. 


647 


cacao.  Auch  Bananen  dienen  viel  zum  Schutze  gegen  direktes  Sonnenlmht. 
Die  Temperatur  muss  möglichst  beständig  zwischen  24  und  28  0.  liegen, 
schon  22,8°  reichen  nicht  mehr  zur  Erzielung  reifer  Früchte  hm.  . . 

Alle  diese  Yegetationsbedingungen  finden  sich  am  besten  vereinigt  an 
schattigen  Küstenstrichen  und  in  tiefer  liegenden  Flussthälern.  Hoher  als 
1000  bis  1200  Fuss  über  Meer  erhebt  der  Baum  sich  gar  nicht.  \\  ud  findet 
er  sich  immer  nur  vereinzelt  im  Urwalde,  nicht  für  sich  ganze  Bestände 
bildend.  — Donnelly1)  hat  nach  eigener  mehrjähriger  Erfahrung  eine 
ausführliche  Schilderung  der  Cacao-Cultur  veröffentlicht. 

Auch  Feiude  aus  dem  Thierreiche,  besonders  Affen,  Insekten  und  Rat- 
ten bedrohen  unaufhörlich  die  Pflanzungen  und  den  Ertrag,  so  dass  durch- 
schnittlich überhaupt  von  je  3000  Blüthen  nur  eine  einzige  Frucht  zu  er- 


warten steht. 

Die  Keimfähigkeit  der  Samen  verliert  sich  sehr  bald ; zur  Aussaat  kön- 
nen nur  frische  Früchte  dienen,  deren  Samen  allerdings  nach  8 bis  10  Tagen 

keimen.  In  europäischen  Gewächshäusern  ist  es  fast  unmöglich,  die 

Früchte  zur  Reife  zu  bringen. 

Die  junge  Pflanze  blüht  erst  gegen  das  ote  oder  4te  Jahi  und  gibt  in 
manchen  Lagen,  z.  B.  in  Centralamerika  und  Westindien,  erst  vom  8 — lOten 
Jahre  an  Früchte,  am  meisten  jedenfalls  zwischen  dem  12ten  und  30sten, 
manchmal  bis  zum  50sten  Jahre.  Der  jährliche  Durchschnittsertrag  eines 
Baumes  ist  ungefähr  10  Früchte  zu  nur  Va  Pfund  (trockenen)  Samen. 
Donnelly  schätzt  den  Jahresertrag  von  1000  Bäumen  auf  1250  Pfd. 

Die  Temperatur  und  Feuchtigkeit  der  Tropenländer  erlaubt  keine  lange 

Aufbewahrung  des  Cacaos. 

Der  Bauin  ist  12  bis  40  Fuss  hoch,  sein  oft  gebogener  knorriger, 
bis  3U  Fuss  dicker  Stamm  bildet  vermöge  der  4 oder  5 starken,  in  geringer 
Höhe  oft  fast  horizontal  abgehenden  Aeste  eine  breite  Krone,  die  durch  ihre 
reiche  dunkle  Belaubung,  ihre  sehr  zahlreichen  zierlichen  Blüthen  und 
die  grossen  schön  gelben  Früchte  einen  wohlthueuden  Anblick  gewährt. 
In  der  Cultur  variirt  der  Baum  sehr.  — Ein  gutes  Habitusbild  desselben 
(ausser  der  vollständigen  botanischen  Analyse  der  Blüthe  und  Frucht)  hat 
A.  Mitscherlich  in  seiner  trefflichen  Monographie:  Der  Cacao  und 
die  Chocolade,  Berlin  1859,  pag.  2G  gegeben. 

Dieser  erschöpfenden  Arbeit  folgt  unsere  Darstellung  in  den  meisten  Haupt- 
punkten. — Rinde  und  Holz  des  Stammes,  wie  übrigens  auch  die  andern 
Theile  der  Pflanze,  sind  von  Berg  in  seiner:  Darstellung  und  Beschreibung 
der  officinellen  Gewächse  gründlich  behandelt. 

Die  erste  Beschreibung  des  Baumes  gab  Clusius  schon  1593. 

Der  Cacao  liefert  jährlich  zwei  Haupternten,  Ende  Juni  und  Ende  De- 
ccrnber  in  Venezuela,  Ende  Februar  und  Ende  Juni  in  Brasilien,  aber  der 
blüh  bare  Baum  trägt  das  gauze  Jahr  hindurch  Früchte  und  Blüthen.  Die 


')  Proccediugs  of  tho  American  Pharm.  Associat.  1860.  107. 


648 


Samen. 


letzteren  brechen  merkwürdigerweise  weit  weniger  aus  den  jungen  Zweigen 
hervor  als  an  den  dicken  Aesten  und  unmittelbar  aus  dem  Stamme  selbst 
oder  sogar  aus  den  oberirdischen  Theilen  der  Wurzeln.  Die  hübsch  roseu- 
rothen  Blüthen,  von  höchstens  0,0 15m  Durchmesser,  sind  auffallend  klein 
im  Verhältnisse  zu  den  bis  0,40,n  langen,  meist  einfach  eiförmigen  Blättern 
und  den  grossen  Früchten,  deren  eine,  welche  mir  eben  (getrocknet)  vor- 
liegt, z.  B.  0,1 5m  Länge  und  0,0?m  Durchmesser  in  der  Mitte  zeigt.  Durch 
5 ziemlich  scharf  hervortretende  Längsrippen  ist  das  schwärzlich  braune, 
sehr  runzelige  Fruchtgehäuse  stumpf  öeckig-eiförmig.  5 weitere  Rippen 
sind  an  der  getrockneten  Frucht  kaum  mehr  wahrnehmbar;  im  frischen 
Zustande  jedoch  erscheinen,  nach  Berg,  sämmtliche  10  Rippen  gleich  stark. 
Anfangs  grünlich  weiss,  nimmt  die  Frucht  beim  Reifen,  wozu  sie  gegen 
4 Monate  bedarf,  eine  schön  rothgelbe  Farbe  an.  Ihr  hartfleischig  holziges, 
nicht  aufspringendes  Gehäuse  wird  beim  Trocknen  lederartig,  etwa  0,0 10m 
dick.  Das  braungelbe  blätterig- schwammige  Parenchym  schliesst  grosse 
mit  Schleim  gefüllte  Räume  ein. 

Den  weniger  ausgeprägten  Rippen  entsprechend  ragen  5 fleischige 
Scheidewände  tief  in  die  Frucht  herein  oder  verwachsen  in  der  Axe  der- 
selben. Sie  tragen  auf  jeder  Seite  eine  Vertikalreihe  horizontal  dicht  auf- 
einander gelagerter  Samen,  eingebettet  in  ein  schwach  röthliches,  sehr  saf- 
tiges Fleisch,  welches  die  5 Fruchtfächer  ausfüllt.  Allein  dieses  wohl- 
schmeckenden säuerlich  süssen  schleimigen  Muses  wegen  öffneten  noch  zu 
Humboldts  Zeit  die  Wilden  am  Orinoco  die  Frucht  und  warfen  die  für 
sie  werthlosen  Samen  weg.  In  Mexico  wird  nach  von  Müller  durch  Gäh- 
rung  aus  diesem  Fruchtbrei  ein  erfrischendes  Getränk,  durch  Destillation 
eine  Art  Rhum  erhalten. 

In  der  reifenden  Frucht  reissen  die  Samenträger,  lösen  sich  von  der 
Fruchtwand  ab  und  legen  sich  an  und  zwischen  die  Samen  zurück,  welche 
nun  zu  5 Vertikalreihen  von  je  etwa  12  bis  14  Stück  zusammengeschobeu, 
durch  das  Mus  und  die  Reste  der  Samenträger  zu  einer  frei  in  der  Axe  der 
Frucht  stehenden  Säule  verbunden  sind. 

Die  fleischigen,  fast  farblosen  Samen  werden  beim  Trocknen  ziemlich 
spröde  und  braun  bis  braunroth.  Sie  sind  bis  über  0,025mlang  und  0,0 15m 
breit,1)  seltener  voll  und  rein  eiförmig,  als  durch  gegenseitigen  Druck  in 
manigfacher  Weise  gekantet  oder  höckerig,  oder  meist  ziemlich  parallel  mit 
der  Berührungsfläche  der  Kotyledonen  platt  gedrückt.  Dicht  unter  dem 
breiteren  und  gewöhnlich  auch  dickeren  Ende  bezeichnet  eine  etwas  hellere 
glatte  Stelle  den  Nabel,  von  welchem  der  derbe  Nabelstreifen  (Raphe)  zum 
stumpf  zugespitzten  Ende  des  Samens  geht  und  sich  hier  in  mehrere  Gefäss- 
bündel  auf  löst,  die  nun  im  Innern  der  Samenschale  verästelt  wieder  ab- 
wärts bis  in  die  Nähe  des  Nabels  auslaufen  und  auf  der  Oberfläche  der  ge- 
reinigten Samenschale  als  zarte  Adern  sichtbar  bleiben. 


die  schon  erwähnte  Soconusco-Sorte  misst  kaum  0,020m  und  0,0 10m. 


Semen  Cacao. 


649 


Die  zerbrechliche  dünne  Samenschale,  etwa  12  pC.  des  Samens  betra- 
gend, erlaugt  auch  durch  das  Aufquellen,  wobei  sie  sehr  weichfaserig  und 
etwas  schleimig  wird,  kaum  die  Dicke  eines  Millimeters  und  ist  auf  der  in- 
neren Seite  mit  einem  sehr  zarten  schliipferigen  farblosen  Häutchen  aus- 
gekleidet, das  zum  Theil  fest  dem  Samen  anhaftet,  aber  auch  unregelmässig 
hin-  und  hergebogene,  doch  vorherrschend  mehr  der  Längsrichtung  des 
Samens  entsprechende  als  querlaufende  Falten  nach  innen  entsendet.  Im 
reifen  Samen  bilden  sie  schmale,  bis  fast  in  das  Centrum  des  Kernes  rei- 
chende Klüfte.  Der  Same  füllt  im  übrigen  die  Samenschale  vollständig  aus, 
ist  im  frischen  Zustande  weiss  und  fleischig,  trocken  ölig,  graulich  und 
violett  gesprenkelt  bis  braun  schwärzlich,  spröde  und  zerfällt  durch  jene  ihn 
nach  verschiedenen  Richtungen  gangartig  durchsetzenden  Klüfte  bei  mäs- 
sigem  Drucke  in  ungleiche,  innen  scharfkantige  Stücke.  Der  Same  ist 
eiweisslos,  jeder  der  beiden  dicken  Lappen  (Kotyledonen)  auf  der  inneren 
Seite  zu  3 starken,  wenig  divergirenden  Längsrippen  zusammengefaltet, 
welche  durch  tiefe  Hohlkehlen  getrennt  sind.  Letztere  erstrecken  sich  bis 
in  die  Spitze  des  Samenlappens,  entspringen  jedoch  nicht  in  seinem  Grunde, 
welcher  vielmehr  von  dem  ungefähr  0,005m  langen,  ziemlich  dicken  Würzel- 
chen eingenommen  wird.  Ansätze  zu  2 weiteren  Rippen  oder  Samenlappen- 
falten finden  sich  unmittelbar  über  dem  starken  harten  Würzelchen,  welches 
glockenartig  von  den  herabsteigenden  unteren  Enden  der  Samenhippen  um- 
hüllt ist.  Die  Rippen  oder  Nerven  des  einen  Samenlappens  greifen  mehr 
oder  weniger  genau  in  die  Hohlkehlen  des  anderen  ein,  so  dass  der  Quer- 
schnitt nicht  eine  einfache  Berührungslinie  darbietet,  sondern  eine  schmale 
Kluft  mit  wellenförmigen  Rändern. 

In  den  verschiedenen  Cacaosorten  sollen  auch  die  Samen  anderer  Theo- 
broma-Arten mit  Vorkommen , aber  selbst  Mitscherlich  weiss  keine  be- 
stimmten Kennzeichen  derselben  anzugeben.  Ihre  Stammpflanzen , die 
übrigens  botanisch  noch  nicht  ganz  feststehen,  wären: 

1)  Theobroma  bicolor , Humboldt  u.  Bonpland,  in  Columbia  (Popa- 
yan)  und  am  Rio  negro. 

2)  Th.  speciosum  Willdenow,  in  Para  einheimisch. 

3)  Th.  guyanense  Aublet,  in  Guyana. 

4)  Th.  sylvestre  Martius.  Rio  negro. 

5)  Th.  subincanum  Mart.  Ebenso. 

6)  Th.  microcarpum  Mart.  Ebenso. 

7)  Th.  glaucum  Karsten.  Am  oberen  Meta,  einem  linken  Zuflusse 
des  Orinoco. 

8)  Th.  angusti/olium  Sesse  und 

9)  Th.  ovalifolium  Sesse  sollen  sogar  die  beiden  ausgezeichnetsten 
Sorten,  den  Cacao  von  Soconusco  und  den  von  Esmeraldas  liefern. 

Die  Behandlung  der  Samen  begründet  Hauptunterschiede  in  ihrem  Aus- 
sehen. Auch  ihr  bitterer  Geschmack  wird  sehr  gemildert,  wenn  man  sie 
einem  Gährungsprocesse,  dem  sogenanuten  Rotten  unterwirft.  Die  durch 


650 


Samen. 


Reiben  auf  einem  Siebe  oder  zwischen  den  Händen  vom  Fruchtbreie  be- 
freiten Samen  werden  nämlich  auf  der  Erde  in  Haufen  geschichtet  und  mit 
Blättern  bedeckt,  einer  alsbald  eintretenden  Erwärmung  über  Nacht  wieder- 
holt ausgesetzt  und  am  Tage  in  der  Sonne  oder  auch  in  künstlich  erwärm- 
ten Räumen  getrocknet. 

In  einfachererWeise  wird  dieses  Rotteu  auch  wohl  bewerkstelligt,  indem 
die  Samen  iu  Fässern  oder  Kisten  4 bis  6 Tage  laug  in  der  Erde  einge- 
graben der  Gährung  überlassen  werden  (Cacao  terre,  terrage  der  Franzosen). 
Die  gehörige  Leitung  des  in  chemischer  Hinsicht  noch  nicht  aufgeklärten 
Gährungsprocesses  bedingt  zum  grossen  Theil  die  Güte  der  Waare  und 
hauptsächlich  auch  die  dunklere  Färbung.  Ungerottet  heissen  diejenigen 
Sorten,  welche  ohne  weiteres  mit  möglichster  Schnelligkeit  getrocknet  wer- 
den, wie  die  von  wilden  Bäumen  und  in  einzelnen  Pflanzungen  gesammelten. 
Sie  besitzen  noch  den  ursprünglichen  bitteren  herben  Geschmack,  welcher 
sich  in  den  gerotteten  Sameu  mehr  milde  ölig  mit  siisslichem  Nachge- 
schmäcke zeigt.  Namentlich  schmecken  die  Soconusco-  und  Esmeraldas- 
Bohnen  aromatisch  und  gar  nicht  mehr  herbe. 

Das  Aroma  des  Cacaos  ist  eigeuthümlich  und  angenehm,  wenn  auch 
nicht  eben  kräftig.  Es  scheint,  dass  dasselbe  .in  frischer  Waare  noch  wenig 
entwickelt  ist,  daher  sie  gewöhnlich  erst  etwa  nach  einem  Jahre  verkäuf- 
lich wird. 

Das  südliche  Gebiet,  wo  überhaupt  die  Güte  des  Cacaos  schon  abnimmt, 
liefert  vorzüglich  die  ungerotteten,  weniger  geschätzten  Sorten,  wie  z.  B. 
diejenige  von  Bahia,  aus  hell  rothbraunen,  meist  stark  plattgedrückten  klei 
neren  Samen  bestehend.  Hierher  gehören  weiter  die  Cacaos  von  Maranham 
(Maraguon),  Para,  Rio  negro,  der  mehr  grau  bläuliche  Samen  von  Surinam, 
endlich  grösstentheils  auch  der  Cacao  des  lies  (Domingo,  Jamaica).  Durch 
Beschmierung  mit  Erde  erhalten  ungerottete  Sorten  leicht  das  Ansehen  der 
gerotteten. 

Die  gerotteten  Cacaos,  zu  denen  die  wichtigsten  und  gesuchtesten 
Handelssorten  zählen,  nehmen  einen  je  nach  der  Bodenart,  mit  der  sie  m 
Berührung  gebracht  werden,  bald  rothgelbeu,  bald  dunkelgrauen  lehmigen 
Ueberzug  au.  Die  erstere  Farbe  zeigen  die  grossen  vollen  oder  plattgedruck- 
ten Samen  von  Caracas,  welchen  bisweilen  noch  kleine  glänzende  Glimmer- 
blättchen anhaften.  Mehr  grau  sind  diejenigen  von  Augostura  am  Orinoco, 
während  die  Guayaquil-Bohnen  zwischen  braun  und  grau  schwanken. 

Zur  Erkennung  der  Sorten  gehört  bei  den  im  ganzen  nicht  sehr 
bedeutenden  Unterschieden  ein  mit  dieser  Waare  ganz  speciell  vertrautes 
Auge  und  noch  delikater  ist  die  Beurtheiluug  des  Aromas.  Zur  Fabrikation 
der0  Chocolate  werden  sehr  oft  Mischungen  verschiedener  Sorten  vorge- 
noinmen,  um  das  gewünschte  Aroma  zu  ei  halten. 

Der  anatomische  Bau  sämmtlicher  Cacao-Sorteu  oder  Arten  scheint 
übereinzustiinmeu.  Die  meist  noch  von  geringen  undeutlichen  Resten  der 
Scheidewände  oder  des  Fruchtbreies  bedeckte  Sameuoberhaut  ist  eine  starre 


Semen  Cacao. 


651 


dünne,  nur  nach  aussen  und  auch  wohl  auf  den  Seiten  mit  verdichten 
braunrotheu  Wänden  versehene  Schicht  kleiner  tafelförmiger  Zel  en.  Das 
darunter  liegende,  sehr  zusammengefallene  Gewebe  zeigt  nach  dem  Au  - 
weichen in  kochender  Kalilauge  grosse,  meist  etwas  in  die  Länge  gestreckte 
braunwandige  Zellen,  die  durch  ihre  verbogenen  starken  Wände  zu  einem 
fast  faserartig  zusammenhängenden  Filze  verbunden  sind.  In  der  etwas 
^einzeiligeren  äusseren  Schicht  unmittelbar  unter  der  Oberhaut  entstehen 
durch  theilweise  Auflösung  und  durch  Einreissen  der  Zellwände  grosse, 
mit  Schleim  gefüllte  Räume,  welche  oft  auf  weite  Strecken  die  Oberhaut 
vom  inneren  Gewebe  ablösen. 

Ungefähr  in  der  Mitte  der  Samenschale  streichen  die  aus  einer  grossen 
Zahl  dünner  abrollbarer  Spiralgefässe  gebildeten  Gefässbündel,  in  deren 
Nähe  sich  bisweilen  auch  noch  Schleimhöhlen  finden.  In  der  Mitte  zwischen 
der  Gefässbiindelregion  und  der  inneren  Samenhaut  sitzt  eine  fest  geschlos- 
sene Schicht  einer  einzigen  Reihe  von  kleinen,  im  Querschnitte  quadra- 
tischen und  nur  etwa  15  Mikroraill.  messenden  Zellen,  deren  tief  rothbraune 
Wände  vorzüglich  auf  der  inneren  Seite  stark  verdickt  sind.  Das  darunter 
liegende,  noch  100—150  Mikroraill.  breite  Gewebe  ist  gleich  gebildet  wie 
das  Parenchym  ausserhalb  jener  steinzellenartigen  Schicht,  nur  enger  und 
mehr  gestreckt.  Scharf  abgegrenzt  und  ziemlich  leicht  davon  trennbar  ist 
die  innere  Samenhaut,  eine  einzige,  etwa  10  Mikroraill.  breite  Reihe  faib- 
loser  oder  schwach  gelblicher  Zellen  von  flach  tafelförmiger  Gestalt.  Sie 
zeigen  auf  dem  tangentialen  Schnitt  polyedrisclie  Umrisse,  auf  dem  Quer- 
schnitte fast  quadratische  Form.  Diese  durchsichtige,  nach  dem  Aufweichen 
sehr  schlüpferige  Haut  ist  es,  welche  in  die  Sameulappen  eiugefaltet  ist  und 
sie  so  brüchig  macht. 

Der  Samenhaut  haften  da  und  dort  merkwürdige  gelbe , kurz  schlauch 
förmige,  ungefähr  30  Mikroraill.  dicke  und  gegen  100  Mikr.  lauge  Zellen 
an,  welche  zuerst  Mitscherlich  beobachtet  hat.  Sie  sind  mit  wolkigem 
bräunlichem  Inhalte  gefüllt,  der  durch  etwa  10  Querscheidewände  getheilt 
ist.  Einige  dieser  Abschnitte  zeigen  auch  eiue  Trennung  in  der  Längs- 
richtung. Eine  organische  Verbindung  dieser  Mitscherlich’schen  Kör- 
perchen mit  der  Samenhaut  ist  vielleicht  dadurch  angedeutet,  dass  sich 
neben  erstereu  im  Zellgewebe  bisweilen  auch  Lücken  finden,  in  welche  die 
Körperchen  hinein  zu  passen  scheinen.  Sie  sind  daher  wohl  nur  als  haar- 
artige Gebilde  aufzufassen,  obwohl  nicht  zu  verkeunen  ist,  dass  sie  auch 
manchen  Infusorien,  z.  B.  den  Gregarinen,  ähnlich  sehen. 

Mit  diesen  Mitscherlich’schen  Körperchen,  welche  sich  vorzüglich 
in  den  Einstülpungen  der  zarten  Samenhaut  finden,  sind  die  gelben  Körner 
nicht  zu  verwechseln,  die  man  häufig  und  schon  mit  uubewaffuetem  Auge 
auf  der  Innenseite  der  Samenschale  und  in  den  Klüften  der  Kotyledonen 
wahrnimmt.  Weingeist  entzieht  diesen  Körnern  den  iuteusiveu  gelben  Farb- 
stoff und  mau  erkennt  alsdann  unter  dem  Mikroskop  kugelige  Haufwerke 
von  kleinen  farblosen  Bläschen,  daneben  aber  sehr  zahlreiche  Milben 


052 


Samen. 


(Tyroglyphen  und  Uropoden,  nach  der  Bestimmung  von  Prof.  Perty), 
welche  vielleicht  schon  beim  Rotten  in  den  Cacao  gelangen.  Dergleichen 
gelbe  Körner  finden  sich  auch  auf  manchen  andern  Drogen,  z.  B.  auf  Radix 
Ratanhiae  nicht  selten. 

Die  Samenlappen  sind  aus  ausehnlichen  dünnwandigen  kugelig-eckigen 
oder  besonders  gegen  die  Peripherie  hin  radial  gestreckten  und  hier  regel- 
mässig geordueten  Zellen  gebildet.  Die  äusserste  Reihe  ist  flach  tafelförmig, 
im  Querschnitt  tangential  gedehnt  und  durch  braunen  körnigen  Inhalt  aus- 
gezeichnet. Sehr  zarte  Büudelchen  von  feinen  Spiralgefässen  und  diiuneu 
prosenchymatischen  Zellen  durchziehen  da  und  dort  unregelmässig  das 
Parenchym. 

Der  Hauptinhalt  der  Kotyledonen  besteht  aus  ungefärbten  formlosen 
Fettklumpen.  Einzelne  Zellen  oder  Zellenreihen  sind  ganz  von  einem  in 
den  ungerotteten  Samen  schön  violetten  oder  blauen  Farbstoffe  erfüllt, 
welcher  durch  das  Rotten  in  trübes  Rothbraun  übergeht.  Es  scheint,  dass 
an  dieser  Färbung  die  Behandlung  derWaare  sicher  erkannt  werden  kann. 
Eine  Domingo-Sorte  z.  B. , welcher  das  erdige  Aussehen  gerotteter  Samen 
gegeben  wurde,  zeigt  auf  dem  ersten  besten  Schnitt  die  violetten  Farbstoff- 
zellen. Am  schönsten  bietet  die  Bahia-Sorte  die  violetten  Zellen  dar,  aber 
auch  hier  ist  der  Farbstoff  leicht  veränderlich.  Er  löst  sich  in  Wasser  und 
Alkohol,  sehr  leicht  auch  mit  rother  Farbe  iu  Essigsäure  und  verbindet 
sich  mit  Bleioxyd.  Da  die  Cacao -Samen  nach  den  übereinstimmenden 
Zeugnissen  der  Naturforscher,  welche  dieselben  frisch  untersucht  haben, 
ursprünglich  farblos  sind,  so  vermuthet  Mitscherlich  für  das  Cacao- 
Pigment  wohl  mit  Recht  die  nachträgliche  Entstehung  derselben  unter  dem 
Einflüsse  des  Sauerstoffes  aus  einem  gerbstoff  ähnlichen  Körper,  ähnlich  wie 
es  z.  B.  bei  Chinaroth  der  Fall  ist.  Dieses  Cacaoroth  beträgt  nach  Mit- 
scherlich etwa  3 — 5 pC.  Ein  genaues  Studium  desselben  wird  nur  da 
möglich  sein,  wo  frische  Samen  in  Arbeit  genommen  werden  können. 

Entzieht  man  den  Samen  durch  längeres  Digeriren  mitAether  oder  mit 
Terpeuthinöl  das  Fett  vollständig,  so  gelangen  erst  ihre  zahlreichen  kleinen, 
5 — 15  Mikromill.  messenden  Stärkekörnchen1)  zur  Anschauung.  Sie  sind 
von  sehr  wenig  regelmässiger  Gestalt,  entweder  einzeln  und  daun  kugelig 
oder  eiförmig,  oder  zu  mehreren  fast  stabförmig  oder  wurmartig  verwachsen. 
Oft  ist  die  Oberfläche  sehr  uneben  und  die  Mitte  in  einer  einfachen  oder 
zackigen  Spalte  aufgerissen.  Sie  zeigen  nicht  oliue  weiteres  Schichtung, 
wohl  aber  im  polarisirten  Lichte  das  gewöhnliche  Kreuz.  Die  Stärke  beträgt 
10 — 18  pC.  und  ist  in  Form  uud  Grösse  sehr  abweichend  von  den  meisten 
andern  Stärkearten , so  dass  Beimischungen  stärkehaltiger  Stoffe,  wie  z.  B. 
Getreidemehl,  iu  Cacao  oder  Chocolate  leicht  zu  erkennen  sind. 

Kleinere  Körnchen,  welche  bei  der  obigen  Behandlung  mitAether  neben 
der  Stärke  im  Parenchym  Zurückbleiben , scheinen  einem  ProteTustoffe  (Ei- 
weiss)  anzugehören.  Nach  Mitscherlich  enthalten  die  Samen,  bei  120° 


neben  Aleuron  (vergl.  bei  Semen  Lini). 


Semen  Cacao. 


053 


getrocknet,  gegen  3 pC.  Stickstoff,  was  (nach  Abzug  des  dem  Theobromin 
zukommenden  Autheiles)  etwa  13  pC.  Protein  voraussetzt.  Dasselbe  ist 

zum  geringsten  Theile  in  Wasser  löslich. 

Die  Cacaosamen  geben  bei  120°  nur  5-6  pC.  hygroskopisches  Wasser 
ab  und  hinterlassen  beim  Verbrennen  3,5  — 3,8  pC.  Asche,  welche  gegen 
40  pC.  Phosphorsäure,  gebunden  an  Kali,  Kalk  und  Magnesia,  enthalt.  Die 
Asche  der  Frucht  gab  Roost  van  Tonn  in  gen  nur  7 pC.  Phosphorsaure. 
— Die  verschiedenen  Aschenanalysen  von  Roost,  Z edel  er  u.  Lete  liier 
zeigen  auffallend  wenig  Uebereinstimmung.  Die  Samenschalen  allein  geben 
ungefähr  dieselbe  Aschenmenge  wie  die  Samen,  aber  nach  Lampadius  vor- 
wiegend aus  Carbonaten  bestehend. 

Der  Zuckergehalt  des  Cacaos  beträgt  nach  Mitscherlich  nur  etwa 
i/2  pC.  Auch  der  Gehalt  an  Gummi  scheint  trotz  der  grossen,  in  den 
Schalen  zum  Theil  damit  gefüllten  Räume  nur  wenig  bedeutend  zu  sein. 

Das  Fett  der  Cacaosamen,  die  Cacaobutter,  schwankt  zwischen  un- 
gefähr 43  und  53  pC.  Sie  ist  hart,  bei  etwa  30°  C.  schmelzend  und  bei 
25°  C.  wieder  erstarrend.  Neben  Stearin  scheint  darin,  an  Glycerin  ge- 
bunden, noch  eine  vielleicht  eigentümliche  Fettsäure  von  höherem  Atom- 
gewichte vorzukomraen. 

Seine  grosse  Haltbarkeit  empfiehlt  das  Cacaofett  sehr  zu  medicinischer 
Verwendung.  Durch  klare  Löslichkeit  im  doppelten  Gewichte  Aether  von 
18°  C.  unterscheidet  es  sich,  nach  Björkluud,  von  etwa  beigesetztem 
Wachs  und  Talg. 

Der  interessanteste  Bestandteil  der  Cacaobohnen  ist  das  1841  von 
Wo  s k r e s e n s k y entdeckte  T li  e 0 b r 0 m i u G7  H8  N 1 GL  Im  Zellgewebe  der 
Samenlappen  zeigt  die  mikroskopische  Untersuchung  direkt  keine  Ablage- 
rung von  Theobromin , wohl  aber  schossen  Krystalle  desselben  sehr  reich- 
lich in  den  bei  Mitscherlich,  Tafel  II,  Fig.  8 abgebildeten  Formen  an, 
als  ich  feine  Schnitte  2 Jahre  lang  in  Glycerin  aufbewahrte.  Die  innere 
Samenhaut  der  käuflichen  Bohnen  ist  stellenweise  mit  ansehnlichen , meist 
nicht  gut  ausgebildeten  nadelförmigen  Ivrystallen  besäet;  Mitscherlich 
hat  nachgewiesen,  dass  sie  Theobromin  sind.  Ihre  sehr  ungleiche  Vertei- 
lung auf  der  Haut  und  ihr  reichlicheres  Vorkommen  in  den  eingestülpten 
Falten  derselben  spricht  dafür,  dass  sie  wohl  erst  beim  Trocknen  der  Bohne 
auskrystallisiren. 

Mitscherlich  hat  aus  Kotyledonen  der  Guayaquil -Waare  1,5  pC. 
Theobromin  erhalten,  aus  den  Schalen  allein  gegen  1 pC.  In  den  letzteren 
gehört  dasselbe  vermutlich  nur  der  anhängenden  inneren  Samenhaut  an. 

Das  Theobromin,  obwohl  ohne  alkalische  Reaktion,  geht  doch  wenig- 
stens mit  den  starken  Miueralsäuren,  aber  nicht  mit  Oxalsäure,  bestimmte, 
freilich  schon  durch  viel  Wasser  zersetzbare  Verbindungen  ein.  Es  löst  sich 
in  Weingeist  und  Wasser  nur  beim  Kochen  reichlich,  wenig  in  der  Kälte,  so 
dass  seine  Bitterkeit,  welche  wohl  nicht  allein  den  Geschmack  des  Cacaos 
bedingt,  sich  auf  der  Zunge  nur  langsam  entwickelt. 


654 


Samen. 


Seinem  ganzen  chemischen  Verhalten  nach  steht  das  Theobromin  in 
nächster  Beziehung  zu  dem  mit  ihm  homologen  Coffein.  Nimmt  ersteres 
OH2  auf,  so  entsteht  in  der  That,  wie  Strecker  gezeigt  hat,  Coffein 
08H1ON4-QI 

In  physiologischer  Hinsicht  wirken  beide  auf  gleiche  Weise  giftig,  das 
Theobromiu  jedoch  bedeutend  weniger  intensiv. 

Der  S tick  stoffgeh  alt  des  Theobromins,  31,1  pC.,  ist  höher  als  der 
irgend  eines  Pflanzenstoffes  (Coffein  hält  28,8  pC.,  Asparagin  18,G  pC.)  und 
"weist  dem  Cacao  eine  bedeutsame  Stelle  als  Nahruugs-  und  Genussmittel  an. 

Meist  wird  der  Cacao  gekocht,  in  der  Form  von  Chocolate  genossen, 
die  im  wesentlichen  nur  aus  den  mit  Zucker  und  Gewürzen  versetzten, 
möglichst  fein  gemahlenen  Samenkerneu  besteht.  Man  befreit  dieselben 
von  den  Samenschalen,  indem  man  die  letzteren  durch  eine  Temperatur 
von  100 — 137°  C.  in  geschlossenen  eisernen  Trommeln  so  spröde  macht, 
dass  sie  sich  gut  brechen  und  dann  vermittelst  des  „Windfegers*  oder 
durch  Sieben  leicht  beseitigen  lassen. 

Obwohl  die  Temperatur  hierbei  nicht  hoch  genug  geht  und  nicht  lange 
genug  anhält,  mn  im  Cacao  sehr  eingreifende  Veränderungen  zu  veranlassen, 
so  ist  doch  sein  Geruch  nach  dem  Rösten  ein  wenig  verschieden.  Der  ent- 
weichende Wasserdampf  scheint  nichts  mit  fortzuführen. 

Bei  der  Eroberung  Mexicos  (1519)  fanden  die  Spanier  daselbst  eine 
ganz  ausserordentlich  grossartige  Cacao, cultur,  welche  sehr  viel  bedeutender 
war  als  die  jetzt  dort  betriebene.  Der  Eroberer  Cortez  selbst  war  der  erste 
Europäer,  welcher,  in  einem  an  Kaiser  KarlV.  gerichteten  Briefe,  über  den 
Cacao  berichtete.  Nicht  nur  wurde  aus  den  Bohnen  das  hochgeschätzte 
Getränke  Chocolatl,  jedoch  im  Gegensätze  zu  uns,  nur  durch  kalten  Auf- 
guss, bereitet,  sondern  sie  waren  auch  als  Zahlungsmittel  im  Umlauf,  und 
ganze  Provinzen  hatten  dem  Kaiser  ihren  Tribut  in  Cacao  zu  entrichten. 
Kurze  Zeit  nach  der  Eroberung  galten  z.  B.  1000  Bohnen  5 Realen1)  und 
noch  heute  sollen  sie,  zwar  nicht  in  Mexico,  wohl  aber  in  Costa  Rica,  im 
Kleinhandel  gelegentlich  die  Stelle  des  Kupfergeldes  vertreten.  — Zur  Zeit 
der  Eroberung  soll  die  einzige  Stadt  Tezcueo  jährlich  23/ 1 Millionen  Centuer 
(Fanegas)  Cacao  verbraucht  haben. 

Bei  den  Spaniern,  zumal  unter  der  Geistlichkeit,  laud  der  Genuss  des 
Cacaos  sehr  bald  leidenschaftliche  Anhänger  und  Gegner.  Beuzoui  z.  B. 
nauute  ihn  (1572)  angemessener  für  die  Schweine  als  für  die  Menschen; 
Liuue  hat  später  durch  seine  Benennung  des  Baumes2)  dieses  Unrecht 
gesühnt.  Schon  von  1520  au  bürgerte  sich  in  Spanien  der  Cacao  allinälig 
ein  und  sehr  bald  wurden  Bohnen  statt  der  fertigen  Chocolate -Tafeln  be- 
zogen und  verarbeitet.  Die  Spanier  erst  waren  es  auch,  welche  die  Eiuge- 
borueu Venezuelas  und  Central -Amerikas  mit  der  Cultur  (seit  1634)  und 


!)  1 Kcal  heutzutage  = 0,27  Franc. 
Thcus:  Gott,broma:  Speis«. 


Semen  Lini. 


655 


mit  dem  Genüsse  des  Cacaos  bekannt  machten.  In  Europa  b Jb  « ^ 
Anfang  des  XVII.  Jahrhunderts  auf  Spanien  beschrankt.  1606  veibieitcte 
er  sich  von  da  nach  Italien,  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahrhunderts  eis 
nach  Frankreich,  England  (seit  1657)  und  Deutschland.  Europa  verbraucht 
jetzt  jährlich  über  30  Millionen’)  Pfund  und  Englands  Emfi|r  ^em  ^ekug 
z B 1862  etwa  10  Mill.  Pfd.,  diejenige  von  Frankreich  1865  1.  Mil  . Pid 
die  hamburgische  1864  über  2 Mül.  Pfd.  Am  grössten  ist  der  \ erbrauch 
des  Cacaos  in  Spanien,  wo  auf  den  Kopf  seiner  Bevölkerung  jährlich  über 
ein  Pfund  gerechnet  werden  muss.  In  Frankreich  durfte  dieses  Veihaltniss 
schon  5mal  weniger  betragen  und  im  übrigen  Europa  noch  bedeutend  tie  ei 
stehen.  Im  allgemeinen  scheint  die  Vorliebe  für  Cacao  eher  abzunehmen. 


Semen  Lini. 

Leinsamen.  Flachssamen.  Semeuce  de  Lin.  Linsecd. 

Linum  usitatissimum  L.  — Linern. 

Der  Lein  scheint  ursprünglich  den  pontisch-kaulcasischen  Gegenden 
anzugehören,  wo  er  sich  jetzt  noch  in  Mingrelien  wild  findet.  Nach  De- 
beaux* 2)  wird  er  in  China,  z.  B.  in  der  Südwestprovinz  Jünnan,  gebaut, 
was  vielleicht  doch  auf  eine  ostasiatische  Herkunft  deutet. 

Seiner  spinnbaren  Bastfaser  wegen,  vielleicht  aber  auch  zum  zeitweiligen 
Genüsse  der  nahrhaften  Samen  ist  der  Lein  schon  in  den  ältesten  Zeiten 
in  den  verschiedensten  Ländern  in  mehreren  Varietäten  angebaut  worden. 
Sehr  frühe  ist  er  namentlich  nach  Aegypten  gelangt,  dessen  uralte  Bau- 
werke viele  bildliche  Darstellungen  der  Flachskultur  aufweisen.  Die  Faser 
der  altägyptischen  Grabgewänder  gehört  dem  Leine,  nicht  der  Baumwolle, 
noch  dem  Hanfe  au  und  lässt  sich  hier  nach  Unger  bis  in  das  33ste  Jahr 
vor  Chr.  zurückverfolgen. 3) 

In  grosser  Menge  trifft  man  die  Leinfaser,  nicht  aber  die  des  Hanfes, 
mit  Leinkapseln  und  ihren  Samen  in  den  Pfahlbauten  der  Schweiz.  Die 
Früchte  und  Samen  findet  Heer4)  jedoch  auffallend  klein  und  mehr  denen 
des  in  Deutschland  wild  wachsenden  Linum  perenue  L.  oder  mehr  noch 
denen  des  südeuropäischen  Linum  angustifolium  Hudson  ähnlich;  er  hält 
es  daher  für  möglich , dass  unsere  einjährige  Kulturpflanze  von  einer  jener 
perenuireudeu  Arten  abstamme.  Der  Uebcrgang  ist  aber  keineswegs  erwiesen. 

In  grossartigstem  Masstabe  wird  heut  zu  Tage  der  Flachsbau  besonders 
in  den  Ostseeprovinzeu5)  (wenig  mehr  in  Norwegen),  in  England,  in 
Aegypten,  in  Nordamerika  betrieben. 

!)  nach  andern  Schlitzungen  20  Mill. 

2)  in  der  hei  Camphora  genannten  Schrift  S.  58. 

3)  Unger,  Bot.  Streifzüge  auf  dem  Gebiete  der  Cult. -Gesell.  (Wiener  Acad.  1859  n.  1866). 

4)  Verhandlungen  der  Schweiz.  Naturf.  Ges.  1864.  77.  — Pflanzen  der  Pfahlbauten. 
Zürich  1865.  55. 

5)  Russland  erzeugt  jährlich  3'/4  Millionen  Ctr.  Leinfaser. 


656 


Samen. 


Die  in  5 und  schliesslich  in  10  Klappen  aufspringende  Kapsel  enthält 
10  eiförmige,  flach  zusammengedrückte,  5 Millirn.  lange,  lmrn  dicke  und 
nicht  ganz^  5 Milligr.1)  wiegende  Samen.  Dicht  unter  dem  spitzeren  abge- 
rundeten Ende  sind  sie  ein  wenig  ausgeraudet  und  mit  dem  unansehnlichen 
Nabel  versehen.  Die  glänzende  grünlich-gelbe  oder  gelb-bräunliche  Ober- 
fläche erscheint  nur  unter  der  Loupe  äusserst  fein  grubig  punktirt  und  ist 
von  dem  schmalen,  sanft  zugeschärften  farblosen  Rande,  besonders  auf  der 
Seite  des  Nabels  hell  eingefasst.  Die  dünne,  nicht  sehr  harte  Samenschale 
bricht  spröde  und  lässt  leicht  den  grünlich  gelblichen  Embryo  mit  dem 
dicken,  1 Millim.  langen  geraden  Würzelchen  hervortreten,  während  das 
geringe,  mehr  weissliche  Eiweiss,  das  ihn  enge  umhüllt,  nebst  der  braunen 
Sameuhaut  der  Schale  auzuhaften  pflegt.  Die  beiden  dicken  gefässlosen 
herzförmigen  Kotyledonen  füllen  somit  die  letztere  grösstentheils  aus. 

Iu  kaltem  oder  warmem  Wasser  umgibt  sich  der  Leinsamen  mit  einer 
dünnen  schliipferigeu  farblosen  Schleimhülle,  welche  sich  rasch  zu  einer  neu- 
tralen Gallerte  auflöst.  Der  Same  selbst  quillt  nur  wenig  auf  und  verliert 
den  Glanz. 

Untersucht  man  die  Samenschale  unter  Terpeuthinöl,  so  findet  man  zu 
äusserst  eine  farblose  glasartige,  15  Mikromillim.  dicke  Oberhaut,  worin 
nur  da  und  dort  sehr  zarte  vertikale  (radiale)  Scheidewände  eine  Theilnng 
in  einzelne  Zellen  errathen  lassen.  Die  eigentliche  Samenschale  ist  aus 
einer  Reihe  äusserst  dicht  gedrängter,  radial  geordneter  kleiner  Steinzellen 
gebildet.  Diese  gelblichen,  höchst  feinporigen  Zellen  sind  ringsum  fast  ganz 
verdickt  und  zeigen  im  polarisirteu  Lichte  lebhafte  Farben.  Besonders 
gegen  die  Ränder  des  Samens  hin  ragen  einzelne,  etwas  radial  verlängerte 
Gruppen  derselben  iu  regelmässigen  Abständen  weiter  heraus,  so  dass 
diese  Schicht  gegen  die  Oberhaut  hin  einen  geschweiften  Verlauf  erhält. 
Die  Grenze  ist  jedoch  durch  eine  Lage  sehr  zusammeugefallener  Zellen 
etwas  undeutlich.  Eine  ähnliche,  aber  schwächere  Schicht  trennt  die 
Samenschale  von  der  Samenhaut,  welche  aus  tangential  gestreckten  tafel- 
förmigen Zellen  besteht,  die  mit  ausserordentlich  feinen  Poren  versehen 
und  ganz  und  gar  von  einem  tief  braunen  festen,  weder  in  Kali  noch  in 
Alkohol  oder  Aetlier  löslichen  Inhalte  erfüllt  sind.  Demselben  verdankt  der 
Leinsameu  seine  Färbung  weit  mehr  als  der  blassen  Schale.  Einzelne 
Splitter  dieses  Farbstoffes  oder  grössere  Stücke  der  davon  erfüllten  Samen- 
haut sind  bei  der  mikroskopischen  Betrachtung  des  gepulverten  Leinsamens 
sehr  in  die  Augen  fallend. 

In  Wasser  schwillt  die  Oberhaut  zur  3-  bis  5 fachen  Dicke  au,  indem 
ihre  Zellen  jetzt  deutlich  hervortreteu  und  ihre  zarten  Querwände  sich 
senkrecht  zur  Samenschale  aufrichten,  wobei  die  bei  weitem  stärkeren 
Ausscnwände  reissen  und  oft  in  aufgerollteu  Bruchstücken  an  der  Ober- 
fläche haften,  bis  die  ganze  Oberhaut,  besonders  beim  Erwärmen,  sich  fast 


*)  100  Stück  lufttrockener  Samen  = 0,470  Gramm. 


Semen  Lini. 


657 


vollständig  zu  Schleim  auflöst.  Ein  feines  Skelett  ihrer  Zellwände  wider- 
steht indessen  selbst  kaustischem  Kali.  Der  Bau  der  Oberhaut  wird  durch 
Befeuchten  mit  Eisenvitriollösung  vorzüglich  klar,  indem  ihre  Wandungen 
hierbei  eine  gelbeFärbung  annehmen  und  nach  aussen  feine  Schichtung  zeigen. 
Ein  tangentialer  Schnitt  durch  die  Oberhaut  bietet  den  rundlich  eckigen  Quer- 
schnitt ihrer  Zellen  dar  und  lässt  sie  daher  als  Cylinder  oder  Prismen  erschei- 
nen, welche  senkrecht  und  dicht  gedrängt  der  Samenschale  aufgesetzt  sind. 

Die  Oberhaut  des  Leinsamens  verhält  sich  demnach  wie  die  des  weissen 
Senfes,  aber  das  schlaffe  gelbliche,  tangential  gedehnte  Gewebe  zwischen 
der  ersteren  und  der  Samenschale  des  Leins  besteht  nicht  mehr  aus 
Schleim,  daher  sich  bei  dem  Leinsamen  das  Aufquellen  auf  die  einzige 
Zellenschicht  der  Oberhaut  beschränkt.  Nicht  die  nach  allen  Seiten  ver- 
dickten Steinzellen  der  eigentlichen  Samenschale  sind  es,  welche  sich  hier 
strecken.  Sie  widerstehen  vielmehr  sogar  dem  Kali  und  die  dichte  Be- 
schaffenheit ihrer  Wände  verräth  sich  auch  durch  ihr  Verhalten  im  polari- 
sirten  Lichte. 

Das  Gewebe  des  Eiweisses  ist  unter  der  Wölbung  der  flachen  Seiten 
reichlicher  abgelagert  als  an  den  Rändern  und  besteht  aus  kleinen  zarten 
eckigen  Zellen,  welche  nur  durch  ein  dünnes  HäutchCn  von  den  gleich  ge- 
stalteten des  Embryos  geschieden  sind.  Die  letzteren  werden  von  ver- 
zweigten Strängen  etwas  längerer  dünnwandiger  Zellen,  den  ersten  Anlagen 
der  Gefässbüudel,  durchzogen.  Eiweiss  und  Embryo  strotzen  von  Oel- 
tropfeu  und  zeigen  bei  geeigneter  Behandlung  (S.  667)  auch  Aleuroukörner. 

Der  Leinsamen  schmeckt  ölig-schleimig  und  milde,  obwohl  nicht  ange- 
nehm. Schon  beim  Trocknen  des  ganzen  Samens  im  Wasserbade  entwickelt 
sich  ein  scharfer  unangenehmer  Acrolei'u-Geruch. 

Hauptbestaudtheil  des  Leinsamens  ist  das  fette  Oel,  wovon  er  gegen  y3 
seines  Gewichtes  enthält.  Die  Praxis  gewinnt  im  grossen  etwa  26  pC. 
Frisch  und  kalt  gepresst  ist  es  hellgelb,  ohne  unangenehmen  Geschmack, 
bei  — 20°  C.  noch  nicht  erstarrend;  das  käufliche  Leinöl  jedoch  ist  dunkel- 
gelb und  von  scharfem  widerigem  Gerüche  und  Geschmacke.  Es  hält 
in  geringer  Menge  Schleim,  Eiweiss  und  Farbstoff  aufgelöst  und  trocknet, 
besonders  nach  dem  Erhitzen  mit  Bleioxyd,  au  der  Luft  rasch  zu  einem 
durchsichtigen  Firnisse  ein.  Bei  der  Verseifung  liefert  das  Leinöl  vorzüglich" 
die  selbst  bei — 18°C.  noch  flüssige  Leinölsäure  01GH28Q2,  gebunden 
an  Glycerin.  Diese  sich  au  der  Luft  rasch  verdickende  Säure  scheint  in 
den  sämmtlichen  trocknenden  Oelen  vorzukommen,  besonders  aucMm  Mohnöl. 
Sie  ist  weder  mit  den  gewöhnlichen  Fettsäuren  homolog,  noch  mit  der 
Reihe  der  z.  B.  auch  im  Mandelöl  enthaltenen  Oleinsäure  (Oelsäure) 
G18H3402. 

Der  zähe  Schleim  des  Leinsamens  wird  erst  nach  dem  Auf  kochen  filtrir- 
bar,  enthält  aber  noch  über  10  pC.  Mineralstoffe.  Hiervon  befreit,  entspricht 
er  (bei  110°),  wie  der  Althaea- Schleim,  der  Formel  G12H20Dt0.  Er  wird 
durch  Jod  und  Schwefelsäure  nicht  blau,  von  Kupferoxydammoniak  nicht 

Fliickiger,  Pharmakognosie.  42 


658 


Samen. 


gelöst  und  gibt  mit  Salpetersäure  auch  Schleimsäure,  charakterisirt  sich 
somit  als  Gummi  und  nicht  als  lösliche  Cellulose. 

Der  Stickstoffgehalt  des  Samens  beträgt  gegen  4 pC. , was  auf  Protein- 
stoffe  bezogen,  etwa  25  pC.  der  letzteren  voraussetzt.  Dieselben  bleiben 
bei  der  Gewinnung  des  Oeles  so  vollständig  in  den  Presskuchen  zurück, 
dass  letztere  ungefähr  5pC.  Stickstoff  behalten.  Die  mineralischen  Bestand- 
theile  des  Samens,  der  Hauptsache  nach  Kali-  und  Kalk-Phosphat,  machen 
bis  4,5  pC.  aus  und  gehen  in  den  Schleim  über. 

Als  Sitze  des  geringen  Gerbstoffgehaltes  erweisen  sich  durch  Behand- 
lung feiner  Schnitte  mit  Eisenvitriollösung  die  Samenschale  und  die 
Samenhaut. 

Die  Samenkapseln  des  Leins  wirken , wenigstens  auf  Schafe , tödtlich 
narkotisch.  Aehuliche,  wenn  auch  nicht  so  gefährliche  Wirkungen,  sind  von 
Linum  catharticum  L.  wohl  bekannt. 

Werden  dünne  Schnitte  des  ausgereiften  Leinsamens  mit  Jod  und  Wasser 
in  Berührung  gelassen,  so  bemerkt  man  auch  nach  längerer  Einwirkung  nur 
eine  gelbe  Färbung  des  festen  körnigen  Inhaltes  im  Eiweiss-  oder  Keimblatt- 
gewebe. Höchstens  im  ersteren  nehmen  da  und  dort  einige  Körnchen  blaue 
Färbung  an.  Auch  vermittelst  des  polarisirten  Lichtes  gelingt  es  nicht, 
Amylumköruer  zur  Anschauung  zu  bringen.  Jod  in  Jodkalium  gelöst,  er- 
theilt  den  Wandungen  der  Eiweisszellen  eine  bläuliche  Färbung,  lässt  aber 
den  Inhalt  gelb. 

Gleichwohl  enthält  der  Sarnen  nach  Dragendorff  23,4  pC.  Amylum, 
welches  auch  mikroskopisch  sichtbar  werden  soll,  wenn  der  Same  18 — 30 
Stunden  lang  mit  Aetzkali  in  absolutem  Alkohol  bei  100°  C.  erhalten  wird. 
Die  Amylumköruer  werden  hierbei  nicht  angegriffen,  aber  die  meisten 
übrigen  Bestandtheile  des  Samens  in  Lösung  gebracht. 

Ich  habe  Dragendorff’s  Versuch  zunächst  mit  getrockneten  Lein- 
samen wiederholt,  die  ich  nur  entzwei  geschnitten  hatte.  F'eiue,  nach  zwei- 
tägiger Einwirkung  des  alkoholischen  Kalis  den  Schnittflächen  entnommene 
Scheibchen  des  Eiweisses  sowohl  als  der  Kotyledonen  zeigten  allerdings 
zahlreiche  Körnchen  in  dem  sonst  völlig  entleerten  Gewebe.  Sie  erwiesen 
sich  aber  schon  durch  ihr  Aussehen  und  mehr  noch  durch  ihr  Verhalten 
nicht  als  Amylum.  Kochendes  Wasser  veränderte  sie  nicht,  in  Berührung 
mit  couceutrirter  Schwefelsäure  schrumpften  sie  ein,  ohne  sich  zu  lösen, 
Jodwasser  war  ohne  Wirkung.  Jod  in  Jodkaliumlösung  dagegen  färbte 
augenblicklich  das  ganze  Gewebe,  nicht  aber  die  Körnchen,  tiefblau. 

Wurden  derselben  Behandlung  5,221  Gramm  bei  100°  C.  getrockneter, 
möglichst  unversehrter  Samen  unterworfen , so  wogen  sie  nach  gehörigem 
Auswaschen  und  Trocknen  nur  noch  0,754  Gr.  = 14  pC.  Sie  wurden 
nun  zerstossen  und  mit  Wasser  ausgekocht,  aber  auch  in  dem  völlig  erkal- 
teten (neutralen)  Filtrat  liess  sich  keine  Reaktion  auf  Amylum  hervor- 
rufen , eben  so  wenig  in  der  von  den  ganzen  Samen  abgegossenen  b Bissig- 
keit nach  dem  Verjagen  des  Alkohols  und  der  Abstumpfung  des  Kalis. 


Semen  Cydoniae. 


659 


Gepulverter  Leinsamen  (3,732  Grm.  bei  100°  C.  getrocknet)  hinterliess 
bei  gleichem  Verfahren  nur  10,9  pC.  Rückstand, Q wovon  sich  noch  0,0785 
Gr.  als  Aschenbestandtheile  herausstellten,  so  dass  der  Netto -Rückstand 
des  gepulverten  Samens  an  organischen  Stoffen  (Cellulose,  Schleim  etc.) 
sich  auf  nur  8,8  pC.  berechnet.  — Gleichzeitige  Controlversuche  ergaben, 
dass  unter  denselben  Umständen  meine  alkoholische  Kalilösung  z.  B.  Getreide- 
amylum  durchaus  nicht  angriff. 

Ich  kann  daher  im  ausgereiften  Leinsamen  einen  Gehalt  von  Stärke- 
körnern nicht  bestätigen.  Vor  der  Grünfärbung  des  Embryos  dagegen 
schliessen  die  jetzt  noch  dünnwandigen  Oberhautzellen  Stärke  ein  und  diese 
liefert  nach  Frank2)  ohne  Zweifel  das  Material  für  die  Schleimablagerung 
an  den  Aussenwänden. 

Der  in  angegebener  Weise  erhaltene  kalische  Auszug  des  Leinsamens 
reducirt  nach  dem  Verjagen  des  Alkohols  die  KupfertartratlÖsung  nicht  und 
eben  so  wenig  geschieht  dies  durch  den  wässerigen  Auszug  des  rückstän- 
digen Samens,  daher  derselbe  überhaupt  frei  von  Zucker  ist. 

Semen  Cydoniae. 

Semen  Cydoniorum.  Quittensamen.  Quittenkerne.  Quittenkörner.  Semences 
ou  pepins  de  coings.  Quince  seeds. 

Cydönia  vulgaris  Persoon.  — Pomaceae. 

Syn.:  Pyrus  Cydonia  L. 

Der  Quittenbaum  war  ursprünglich  in  den  transkaukasischen  oder  in 
den  südkaspischen,  ostiranischen  und  turanischen Ländern  (am  Hindukusch) 
bis  Südostarabien  (Oman)  einheimisch  und  hat  sich  schon  in  sehr  früher 
Zeit  über  Isfahan  (dessen  Quitten  noch  heutzutage  als  die  grössten  und 
feinsten  der  Welt  gelten),  durch  Persien  und  Syrien  nach  Südeuropa  ver- 
breitet. In  der  Kultur  gedeiht  er  noch  durch  Mitteleuropa,  wo  schon  Karl 
der  Grosse3)  den  Anbau  befahl,  aber  nicht  im  Norden,  z.  B.  nicht  mehr 
in  Norwegen. 

Die  als  Obst  sehr  beliebten  Früchte  können  in  verschiedener,  bald  mehr 
kugeliger,  bald  mehr  birnartiger  Form  gezogen  werden.  Sie  enthalten  bei 
der  Reife  in  jedem  der  5 pergamentartigen  Fächer  8 bis  14  den  Aepfel- 
kernen  ähnliche  Samen,  umgeben  von  einer  schlüpferigen  Haut,  welche 
nach  dem  Trocknen  die  Samen  eines  Faches  sehr  fest  zahnartig  ineinander 
greifend  zusammeuklebt,  was  bei  denen  des  Apfels  nicht  Statt  findet. 

Die  im  frischen  Zustande  fleischigen  Quittensamen  werden  durch  das 
Trocknen  ziemlich  hart  und  ihre  eigentlich  spitzeiförmige  Gestalt  durch  den 
gegenseitigen  Druck  verschiedentlich  abgeflacht  und  zugeschärft.  Von  dem 
kleinen  weissen,  in  der  dünnen  Spitze  liegenden  Nabel  geht  als  ziemlich 

!)  Dragendorff:  54  pC.  — 2)  Pringslieira,  Jahrb.  f.  wiss. Bot.  V.  (18G6)  161—198. 

3)  in  dessen  Capitulare  de  villis  heisst  der  Quittenbaum  cotoniarins,  woher  das  alt- 
deutsche Chuttina,  jetzt  Quitte. 


42' 


660 


Samen. 


gerader  scharfer  Kiel  der  Nabelstreifen  (Raphe)  nach  dem  entgegengesetzten 
stampfen  und  durch  einen  wenig  dunkleren,  erhöht  geraudeten  Fleck  (Cha- 
laza)  bezeichneten  Ende.  Der  dem  Nabelstreifen  gegenüberliegende  Rand 
beschreibt  eine  Curve  und  der  Rücken  des  Samens  ist  bald  mehr,  bald  we- 
niger gewölbt  oder  abgeflacht,  je  nach  der  Lage  des  einzelnen  Samens  in 
dem  engen  Fache.  Der  Umriss  des  höchstens  gegen  0,0 10m  langen  Samens 
von  der  Seite  her  ist  somit  halb  herzförmig  oder  fast  keilförmig ; seine  Ober- 
fläche, wo  sie  nicht  durch  das  Eiutrockneu  jener  schliipferigen  Haut  matt 
und  verklebt  ist,  glatt  und  glänzend,  hell  rothbrauu. 

Eine  angeblich  moskowitische  Sorte  zeichnet  sich  durch  vollere,  beson- 
ders stark  zusammenhängende  Samen  von  fast  violettschwärzlicher  Farbe 
aus.  Sie  sind  sehr  reich  an  Schleim. 

Die  dünne  zerbrechliche  Samenschale  schliesst  zwei  dicke  aderige,  et- 
was wellenförmig  zusammengelegte  Keimlappen  und  das  nach  dem  Nabel 
gerichtete  gerade  Würzelchen  ein.  Die  Samenschale  trennt  sich  leicht  vom 
Keime,  reisst  aber  ringsum  eine  dünne  Lage  farblosen  Gewebes  von  den 
Kotyledonen  ab,  welche  als  innere  Samenhaut  (weniger  wahrscheinlich  als 
Eiweiss)  zu  deuten  ist. 

Betrachtet  mau  feine  Querschnitte  unter  Terpenthinöl  durch  das  Mikros- 
kop , so  findet  man  die  braune  Samenschale  bedeckt  von  einer  sehr  dicht 
anliegenden  glasartigen,  20  Mikromill.  starken  Oberhaut,  an  welcher  nur 
sehr  undeutlich  feine  zerknitterte  Wände  unterschieden  werden  können.  Im 
polarisirten  Lichte  glänzt  sie  aufs  lebhafteste.  Befeuchtet  man  dagegen  die 
Schnitte  mit  Wasser,  so  schwillt  die  Oberhaut  an,  die  zarten  Wände  ihrer 
Zellen  richten  sich  mit  grosser  Kraft  senkrecht  zur  Samenschale  bis  100 
oder  170  Mikromill.  hoch  auf  und  lassen  eine  Menge  klaren  Schleimes 
deutlich  wellenförmig  ausströmen,  welcher  die  Samen  ganz  in  eine  farblose, 
nicht  sauer  rcagirende  Gallerte  einhüllt.  Diese  cylindrisehen  oder  etwas 
bauchigen,  ungefähr  20  Mikromill.  weiten  Schleimzellen  sind  so  dicht  ge- 
stellt, dass  sie  sich  seitlich  nicht  ausdehnen  können.  Ihr  Querschnitt  ist 
daher  rundlich-eckig.  Im  polarisirten  Lichte  leuchten  sie  nach  der  Streckung 
wenig  mehr.  Bei  reichlichem  und  raschem  Zutritt  von  Wasser  platzen  die 
Oberhautzellen  gewöhnlich  nach  aussen  und  lösen  sich  allmälig  auf.  Lässt 
mau  sie  wieder  etwas  eintrocknen,  so  zeigen  sich  die  Münde  äusserst  fein 
gestreift.  Jod  färbt  dieselben  schwach  gelblich  bis  rosa. 

In  ätherischen  und  fetten  Oelen,  in  Alkohol  und  Aether  findet  das  Auf- 
quellen der  Oberhaut  nicht  statt.  Sehr  gut  lässt  es  sich  dagegen  in  etwas 
concentrirtem  Glycerin  verfolgen,  wo  die  Streckung  nur  langsam  eintritt. 

Die  60  bis  GO  Mikromill.  dicke  Samenschale  enthält  4 bis  (!  Reihen 
dicht  gedrängter,  tangential  gedehnter  Zellen,  deren  dicke  unebene  gelbliche 
Wände  braune  Gerbstoff  klumpen  einschliessen.  Nach  innen  ist  diese  Schicht 
etwas  aufgelockert,  endigt  aber  mit  einer  derben  braunen  Haut,  die  sich 
durch  Jod  schön  braunroth  färbt  und  an  welche  sich  eine  farblose  knorpe- 
lige Haut  aulegt,  die  im  polarisirten  Lichte  prächtig  hervortritt.  Die  letztere 


Semen  Cycloniae. 


661 


hängt  innig  zusammen  mit  jener  Lage  von  2 oder  3 Reihen  kubischer  dick- 
wandiger, in  Wasser  nicht  aufquellender  Zellen,  welche  oben  als  innere 
Samenhaut  bezeichnet  wurde.  Sie  ist  35  bis  50  Mikrorn.  stark  und  wird 
durch  eine  mit  ihr  verbundene  häutige  wellig- faserige  Schicht  von  15  bis 
30  Mikromill.  Dicke  von  den  Kotyledonen  getrennt.  Die  zartwaudigen  rund- 
lich eckigen  Zellen  der  letzteren  sind  im  Innern  stark  radial  gestreckt,  in 
der  äussersten  Lage  aber  bedeutend  kleiuer  und  mehr  tangential  gedehnt 
oder  fast  kubisch.  Sie  enthalten,  wie  auch  die  Zellen  der  inneren  Samen- 
haut, eine  wässerige  Flüssigkeit,  fettes  Oel  und  wolkige  Klümpchen  von 
Proteinstoffen,  die  von  Jod  gelb  gefärbt  werden.  Amylum  fehlt  dem  reifen 
Samen,  auch  Zucker  scheint  wenigstens  nicht  reichlich  vorhanden  zu  sein. 

Un zerkleinert  schmecken  die  Quittensamen  rein  indifferent  schleimig, 
nach  dem  Zerstossen  mit  Wasser,  wodurch  eine  sehr  dicke  Emulsion  er- 
halten wird,  macht  sich  aber  der  Geruch  und  Geschmack  der  bitteren  Man- 
deln (vergl.  Amygdalae  amarae)  bemerklich.  Bei  der  Destillation  geht  in 
der  That  etwas  Blausäure  über. 

Der  Schleim  der  Oberhautzelleu  ist  so  reichlich  vorhanden , dass  der 
Samen  das  40fache  Gewicht  Wasser  deutlich  verdickt.  Durch  vollständige 
Erschöpfung  des  Samens  werden  gegen  20  pO.  trockenen  Schleimes  erhal- 
ten. Seine  Zusammensetzung  G12H2u  G10  entspricht  derjenigen  des  Lein- 
samenschleimes,- mit  Salpetersäure  behandelt  gibt  er  nur  Oxalsäure,  mit 
verdünnter  Schwefelsäure  leicht  Zucker.  Alkalisches  Kupfertartrat  wird 
selbst  bei  anhaltendem  Kochen  davon  nicht  reducirt.  Jod  färbt  den  Schleim 
nach  kurzer  Behandlung  mit  concentrirter  Schwefelsäure  blau;  er  charak- 
terisirt  sich  daher,  nach  Frank,  als  veränderte  Cellulose  und  nur  einem 
geringen  Theile  nach  als  Product  einer  kleinen  Menge  vor  der  Reife  nachweis- 
baren Amylums.  Die  Lösung  des  Quittenschleims  ist  von  geringem  Klebever- 
mögen und  wird  nicht  durch  Borax,  wohl  aber  durch  verdünnte  Säuren  und 
Alkalien,  durch  Metallsalae  und  Alkohol  gefällt.  Der  gewaschene  Niederschlag 
löst  sich  in  heissem  oder  kaltem  Wasser  nicht  wieder  auf.  Nägeliu.  Cramer 
halten  dafür,  dass  dieser  Schleim  sich  nicht  eigentlich  in  Wasser  löse,  sondern 
nur  aufquelle,  indem  er  nicht  wie  Gummilösung  endosmotisch  durch  thierische 
Haut  hindurchgehe.  Die  anscheinende  Lösung  nimmt  auch  immer  sehr  be- 
trächtliche Mengen  Kalksalze  und  Eiweiss  aus  dem  Samen  auf  und  verdirbt 
rasch.  Sie  muss  deshalb  zum  arzneilichen  Gebrauche  stets  frisch  dargestellt 
werden  und  zwar  aus  unbeschädigten  Samen , um  nicht  dem  Schleime  den 
Blausäuregeruch  mitzutheilen,  der  sich  beim  Befeuchten  gebrochener  Samen, 
ohne  Zweifel  durch  Zersetzung  einer  kleinen  darin  vorkommenden  Menge 
Amygdalins  entwickelt. 

Der  Namen  Cydonia  soll  von  einer  alten  Stadt  Kydon  auf  Kreta  her- 
rühren,  wo  sich  der  Baum  oder  Strauch  besonders  früh  angesiedelt  hätte. 
Im  Alterthum  fanden  mehr  die  Früchte  als  die  Samen  medicinische  Ver- 
wendung. Die  mala  aurea  der  Römer  (gewöhnlich  mala  cotonea)  waren 
vermutlich  Quitten  und  nicht  Pomeranzen. 


662 


Samen. 


Semen  Foeni  graeci. 

Semen  feni  graeci  s.  Trigonellae.  Bockshornsamen.  Semence  de  fenugrec. 

Feuugreek.  Vendiam. 

Trigonelia  foenum  graecum  L.  — Papilionaceae. 

Der  Hornklee  ist  eine  krautige  einjährige  Pflanze,  welche  in  Indien,  in 
der  Tartarei,  in  Persien,  Arabien  und  im  östlichen  und  südlichen  Mittelmeer- 
Gebiete  bis  nach  Südfrankreich  einheimisch  ist.  Durch  alte  Cultur  hat  sie 
sich,  zum  Theil  verwildert,  bis  nach  Mitteleuropa  verbreitet.  In  Südfrank- 
reich (Montpellier),  Franken,  Thüringen,  auch  in  einzelnen  Gegenden  der 
Schweiz,  wie  in  Indien  wird  der  Hornklee  in  grösserem  Masstabe  angebaut  und 
die  sichelförmigen,  bis  0,08m  langen  Hülsen  nach  der  Reife  ausgedroschen. 

Sie  enthalten  ungefähr  20  rautenförmige,  aber  oft  verzerrte,  bis  0,003m 
lange,  0,002m  breite  und  ebenso  dicke,  sehr  harte  Samen  von  glatter  oder 
wenig  runzeliger  Oberfläche,  deren  Farbe  zwischen  gelb,  grün  und  bräun- 
lich, bisweilen  auch  bleigrau  schwankt.  In  der  Nähe  eines  der  spitzigeren 
Eckes  oder  Winkels  liegt,  etwas  vertieft  in  den  auf  dieser  Seite  kantig  zu- 
geschärften Rand  eingelassen,  der  wenig  auffallende  Nabel,  von  welchem 
aus  auf  jeder  Seite  der  Samenfläche  eine  tiefe  Furche  diagonal  zum  ent- 
gegengesetzten Eck  hinläuft.  Hierdurch  wird  der  Same  in  zwei  ungleiche, 
fast  dreieckige  oder  unregelmässig  trapezoi'dische  Hälften  getheilt.  Das  klei- 
nere, oft  fast  cylindrische  Dreieck,  dessen  Spitze  in  der  reifenden  Hülse 
vom  Fruchtstiele  abgewendet  ist,  birgt  das  dicke  Würzelchen,  in  der  grös- 
seren Samenhälfte  dagegen  stecken  die  beiden  dicken,  flach  zusammen- 
schliessenden  Samenlappen.  Durch  die  Biegung  des  Würzelchens  ist  dessen 
unteres  Ende  in  der  Ebene  der  Samenlappenfuge  heraufgerückt  und  ihrem 
Rande  genähert. 

Die  äusserst  zähe  dünne  Samenschale  wird  iu  Wasser  weich , ohne  er- 
heblich aufzuquellen  und  lässt  sich  dann  als  lederige  gelbliche  Haut  leicht 
ablösen.  Yon  ihrer  inneren  Seite  gelingt  es,  noch  ein  besonderes  dünneres 
und  farbloses  Häutchen  abzuziehen. 

Der  entschälte  gelbe  Keimling  steckt  nun  erst  ringsum  in  einer  derben 
ungefärbten  aufgequollenen  Hülle,  die  ebenfalls  als  zusammenhängende, 
aber  schleimige  durchsichtige  Haut  getrennt  werden  kann.  Berg  erklärt 
dieselbe  für  Eiweiss,  Wigand  hält  sie  für  die  innere  Schicht  der  Samen- 
schale. Eine  genaue  Entwickelungsgeschichte  müsste  den  Beweis  liefern, 
ob  hier  in  der  That  ausnahmsweise  ein  Eiweiss  vorkömmt. 

Die  Samenschale  ist  aus  sehr  dicht  gedrängten  cyliudrischeu,  oft  etwas 
gekrümmten  Zellen  gebaut,  welche  radial  gestellt  eine  GO  bis  70  MikromUl. 
dicke  Schicht  bilden,  die  im  polarisirten  Lichte  in  den  schönsten  barben 
glänzt.  Nach  aussen  sind  diese  mit  geringem  Lumen  versehenen  oder  fast 
geschlossenen  Zellen  in  feine,  10  bis  20  Mikromill.  lange  ungefärbte  Spitzen 
ausgezogen,  während  ihre  nach  innen  gekehrten  Wände  von  braunem  barb- 


Semen  Foeni  graeci. 


663 


Stoffe  durchdrungen  sind.  Eine  farblose  dünne  Oberhaut  aus  kleinen  rund- 
lich eckigen  Tafelzellen,  welche  gleichmässig  über  die  hervorragenden 
Spitzen  der  Samenschalenzellen  ausgebreitet  ist,  glättet  auf  der  Oberfläche 
fast  vollständig  die  Unebenheiten  aus , so  dass  der  Same  nur  äusserst  fein 
körnig-warzig  erscheint. 

Unter  der  beschriebenen  festen  Schale  liegen  einige  Reihen  dünnwan- 
diger tangential  gestreckter  oder  ein  wenig  nach  aussen  gewölbter  farbloser 
Zellen,  welche  in  Wasser  nicht  anschwellen.  Von  dieser  Schicht  durch  ein 
gelbbraunes  Häutchen  getrennt,  folgt  eine  Reihe  rundlich  kubischer  oder 
etwas  tangential  gedehnter  ansehnlicher  Zellen,  welche  durch  ihre  dicken 
porösen  Wände  auffallen  und  denselben  Inhalt  zeigen  wie  die  Zellen  der 
Kotyledonen.  Nimmt  man  ein  Sameneiweiss  an,  so  entsprechen  diese  der- 
ben Zellen  der  inneren  Samenhaut.  Sie  sind  von  den  Keimlappen  geschie- 
den durch  wenige  Reihen  sehr  zartwandigeu  Gewebes,  das  im  Wasser  sehr 
stark  aufquillt  und  viel  Schleim  abgibt.  Diese  schleimige  grosszeilige  Haut 
(Eiweiss)  umgibt  den  Keimling  aufs  genaueste  und  dringt  selbst  in  die  Bucht 
zwischen  Würzelchen  und  Keimlappen  ein.  Unter  Terpenthinöl  lassen  sich 
ihre  Zellen  im  einzelnen  nicht  verfolgen,  sind  aber  nicht  eben  zusammen- 
gefallen, sondern  bilden  auf  dem  Querschnitte  durch  den  Samen  eine  horn- 
artige, an  den  Langseiten  und  in  den  Ecken  des  Schnittes  schon  ohne  Loupe 
wahrnehmbare  graue  Schicht. 

Bei  manchen  anderen  Samen  (vergl.  z.  B.  Semen  Sinapis  albae,  Semen 
Lini,  S.  Cydoniae)  sind  es  die  Oberhautzellen,  welche  Schleim  abgeben, 
hier  dagegen  liegt  das  schleimführende  Gewebe  unter  der  Samenschale. 
Dieselbe  muss  daher  zertrümmert  werden,  wenn  man  den  Schleim  gewinnen 
will,  und  in  der  Tliat  fehlt  dem  wässerigen  Auszuge  des  unzerkleinerten 
Bockshornsameus  der  Schleim. 

Das  rundlich-eckige,  in  den  äusseren  Lagen  gestreckte  und  an  der  Peri- 
pherie kubische  Gewebe  der  Keimlappen  ist  dünnwandig,  sehr  regelmässig 
geordnet  und  von  zarten  Prosenchymsträngen  (Gefässbündelanlagen)  durch- 
zogen. 

Im  Gewebe  der  Kotyledonen  nimmt  man  Tröpfcheu  fetten  Oeles  wahr, 
so  wie  gelbe,  iu  Kali  lösliche  Klumpen  von  Proteinstoffen.  Stärke  fehlt,  Jod 
ertheilt  den  Geweben  und  ihrem  Inhalte , selbst  nach  der  bei  Semen  Lini 
erwähnten  Behandlung  mit  weingeistigem  Kali,  nur  gelbe  Färbung. 

Der  Bockshornsamen  besitzt  den  Geruch  und  Geschmack,  der  den  mei 
steu  Samen  aus  der  Familie  der  Leguminosen  ejgeu  ist,  jedoch  unangenehm 
modificirt  durch  geringe  Mengen  eines  wie  es  scheint  übelriechenden  äthe- 
rischen Oeles  und  eines  noch  nicht  isolirten  Bitterstoffes.  Die  radial  ge- 
streckten Zellen  der  Samenschale  enthalten  Gerbstoff,  die  Keimlappen  einen 
gelben  Farbstoff.  Zucker  fehlt. 

J ahns  fand  unter  meiner  Leitung,  dass  lufttrockener  Samen  bei  100°  C. 
10,4  pG.  Wasser  abgibt  und  hernach  beim  Verbrennen  3,7  pC.  Asche  zu- 
rücklässt, worin  die  Phosphorsäure  beinahe  V*  ausmacht.  Aether  entzieht 


064 


Samen. 


gepulverten  Samen  6 pC.  fettes  übelriechendes  Oel  von  bitterem  Geschmacke. 
Amylalkohol  nimmt  ausser  Oel  auch  ein  wenig  Harz  auf.  Im  eingeengten 
wässerigen  Auszuge  wird  durch  Alkohol  Schleim  und  Gummi  (getrocknet) 
im  Betrage  von  28  pC.  gefällt.  Die  Verbrennung  mit  Natronkalk  lieferte 
Jahns  3,4  pC.  Stickstoff,  welche  ungefähr  22  pC.  Eiweisstoff  voraus- 
setzen. 

Irotz  des  unangenehmen  Geruches  uud  bitteren  Beigeschmackes  diente 
der  Samen  bei  den  Römern  (mit  Datteln)  als  Kraukenspeise  uud  wird  noch 
jetzt,  freilich  geröstet,  in  Aegypten,  wo  man  deu  Hornklee  (Helbeh  arabisch) 
gleich  nach  der  Ueberschwemmung  zieht,  vom  Volke  genossen.  Ebenso  die 
nach  Melilotus  riechenden  jungen  Triebe.  Wichtiger  ist  jedoch  der  Same 
als  Viehfutter.  Aegypten  führt  viel  davon  nach  Arabien  aus.  Bei  den 
Griechen  scheint  der  Geruch  des  Samens  sogar  beliebt  gewesen  zu  sein, 
da  er  bei  einem  Cosmeticum,  dessen  Zusammensetzung  Dioskorides 
gibt,  Anwendung  fand.  Die  Römer  bezeiclmeten  schon  die  Pflanze  als 
Foenum  graecum,  die  Hülsen  schlechtweg  als  Siliqua.  Im  Mittelalter  befahl 
Karl  der  Grosse  dessen  Anbau;  der  heiligen  Hildegard  um  1150  war 
der  Samen  wohl  bekannt  und  das  bei  Semen  Hyoscyami  angeführte  deutsche 
Arzneibuch  aus  dem  XII.  Jahrhundert  empfiehlt  fenum  grecum  gesotten 
gegen  „swermageu“  (Magenbeschwerden). 

Amygdalae  dulces. 

Semen  Amygdali  dulcis.  Sem.  Amygdali  dulce.  Süsse  Mandeln.  Amaudcs 

douces.  Sweet  almouds. 

Amygdalus  communis  L.  — Amygdaleae. 

Die  Heimat  des  Mandelbaumes  erstreckte  sich  schon  ursprünglich , wie 
es  scheint,  vom  Kaukasus  bis  zum  Atlas.  Noch  jetzt  findet  er  sich  wild  in 
den  südkaukasischen  Ländern,  im  Südosten  Arabiens  (Oman)  und  in  Alge- 
rien.1) Eine  sehr  frühe  Kultur  hat  ihn  noch  viel  weiter  durch  das  ganze 
Gebiet  des  Mittelmeeres , an  günstigen  Stellen  bis  tief  in  deu  europäischen 
Kontinent  hinein  verbreitet.  So  gedeiht  die  Mandel  in  einigermassen  gün- 
stigen Jahren  noch  längs  des  Maines  und  des  Rheines,  ja  sogar  in  einzelnen 
bevorzugten  Lagen  des  südöstlichen  Norwegens.  Die  Phöuicier  schon 
führten  deu  Baum  oder  Strauch  in  Portugal  ein,  nach  Italien  gelangte  er 
aus  Griechenland.  Er  wächst  jetzt  auch  in  Arabien,  Persien,  China,  kömmt 
aber  in  Indien  nicht  fort. 

Der  höchstens  durch  seine  weisslichou  oder  schön  rosenfarbeuen  Blütheu 
auffallende  schwache  Baum  wird  in  sehr  zahlreichen  Spielarten  gezogen. 
Die  Hauptproduktiousländer  für  den  europäischen  Bedarf  sind  Südfrank- 


t)  nach  Heldreich  wächst  auch  an  den  griechischen  Küsten  der  (bittersamige)  Mandel- 
baum wild  — ob  ursprünglich? 


Amygdalae  dulces. 


665 


reich,  Spanien  (Valencia,  Malaga),  Majorca,  Portugal,  Sicilien  und  Apulien, 
auch  Marocco  führt  aus  Rebat  und  Mogador  bedeutende  Mengen  aus,  ge- 
ringere die  nordafrikanische  Küste.  Griechenland  zieht  besonders  auf 
Aegina  und  Chios  vorzügliche  Mandeln. 

Das  graugrünliche  filzige,  bitter  schmeckende  Fruchtfleisch  (Pericar- 
piurn)  trocknet  bei  der  Reife  zu  einer  dünnen  Lederhaut  aus,  reisst  längs 
einer  Randfurche  und  lässt  sich  leicht  von  der  je  nach  der  Varietät  mehr 
oder  weniger  harten  Steinschale  trennen.  Diese  ist  eiförmig,  zugespitzt, 
auf  der  Seite  der  Bauchnaht  scharf  gerandet,  bis  0,040'"  lang  und  gegen 
0,03 0ra  breit.  Es  lassen  sich  an  dieser  Schale  2 Schichten  unterscheiden, 
welche  durch  ein  Netzwerk  von  Gefässträngen  getrennt  sind.  Bei  deu  hart- 
schaligen  Spielarten  ist  die  äussere,  etwa  1 Millimeter  dicke  glatte  und 
glänzende  Schicht  sehr  hart,  lässt  sich  aber  unschwer  vollständig  beseitigen. 
Sie  ist  ganz  aus  ansehulichen,  oft  nicht  -völlig  verdickten  Steinzellen  gebaut 
und  wird  durch  1 Millim.  weite  Löcher  oder  schief  eindringende  Kanäle 
unterbrochen.  Bei  den  weichschaligen  Sorten  hingegen  ist  die  äussere 
Hälfte  der  Samenschale  dünner,  körnig-rauh,  matt,  zerreiblich,  doch  nach 
innen,  wo  die  Steinzellen  von  dünnwandigem  zähem  Parenchym  verdrängt 
sind,  mehr  lederartig,  weniger  deutlich  porös.  Sie  lässt  sich  nicht  gut  von 
der  inneren  Schicht  der  Steinschale  trennen.  Dieselbe  ist  mit  einem  groben 
Netzwerke  derber,  oft  bandartiger  Gefässbiiudel  überstrickt,  welche  stellen- 
weise, besonders  bei  den  hartschaligen  Mandeln,  sehr  regelmässig  sechs- 
eckige, meist  aber  sehr  verlängerte  weite  Maschen  bilden,  indem  die  Gefäss- 
büudel  in  tiefe  Furchen  eingelassen  sind.  Die  zwischen  denselben  hervor- 
ragenden, bisweilen  schön  röthlich  angelaufenen  Erhöhungen  gehören  der 
inneren  Hälfte  der  Samenschale  an,  welche  trotz  ihrer  oft  unbedeutenden 
Dicke  ihren  gleich  wie  in  der  äusseren  Hälfte  gebauten,  doch  öfter  gestreckten 
und  mehr  verdickten  Steinzellen  eine  grössere  Festigkeit  verdankt.  Bei 
deu  weichschaligen  Sorten  erscheint  die  äussere  lockere  Hälfte  der  Samen- 
schale weniger  von  den  Gefässbündeln  geschieden,  vielmehr  als  ihr  leder- 
artiger oder  zerreiblicher  Ueberzug.  Derselbe  reagirt  stark  sauer  auf 
Lakmuspapier,  ist  reich  an  Gerbstoff  und  Weinsäure  (mit  Spuren  von  Citron- 
säure  und  Aepfelsäure)  und  öfter  mit  weissen , undeutlich  krystallinischen 
Elflorescenzen  bedeckt,  welche  von  Wasser  sehr  leicht  gelöst  werden  und 
beim  Verdunsten  desselben  wieder  federförmig  anschiessen.  Sie  bestehen 
aus  Zucker  und  zwar,  wie  es  scheint,  einem  Gemenge  von  Rohrzucker  mit 
wenig  Traubenzucker. 

Der  scharfe  sichelförmige,  oft  0,005'"  breite  Kiel  der  Bauchseite  ist 
ganz  d^r  inneren,  bis  1 Millim.  dicken  Hälfte  der  Steinschale  aufgesetzt  und 
zieht  sich  von  der  dem  Nabel  entsprechenden  Spitze  bis  zum  entgegen- 
gesetzten, flach  abgestumpften  Ende  der  Samenschale.  In  diesem  Kiele 
und  an  seinen  Seiten  liegen  auch  die  stärksten  und  längsten  Gefässbündel, 
vom  stumpferen  Ende  des  Samens  zur  Spitze  aufsteigend.  Die  Innenwand 
der  Steinschale  ist  sehr  dicht,  glatt  und  glänzend,  auf  der  etwas  dunkleren, 


666  „ 


• Samen. 


mehr  konvexen  Bauchseite  in  der  Nähe  der  Spitze  vom  Nabelstrange  durch- 
brochen, welcher  den  Samen  etwas  oberhalb  oder  unterhalb  der  Mitte  seines 
Randes  trifft  und  bis  zur  Spitze  mit  ihm  verwachsen  ist.  Abwärts  geht 
eine  Naht  (Raphe)  zum  breiteren  abgerundeten  Ende  des  Samens,  wo  seit- 
lich ein  dunkler  Fleck  (Hagelfleck)  die  Chalaza  bezeichnet.  Aus  derselben 
erheben  sich  in  derSameuhaut  etwa  12 — 18  verästelte  Gefässbündel  gegen 
die  Spitze  hin. 

Die  Gestalt  des  spitz  eiförmigen,  etwas  abgeplatteten  Samens  entspricht 
ungefähr  der  Samenschale,  indem  von  den  beiden  ursprünglich  in  dem  ein- 
fächerigen Fruchtknoten  angelegten  Eichen  meistens  nur  das  eine  sich  aus- 
bildet. Sind  aber  zwei  Samen  vorhanden,  so  werden  sie  infolge  gegenseitigen 
Druckes  etwas  anders,  meist  planconvex  geformt. 

Die  braune  äussere  Samenhaut  ist  rauh  und  matt  durch  einen 
leichten,  nur  lose  haftenden  schülferigen  Ueberzug.  Sie  lässt  sich  nach 
dem  Einweichen  in  Wasser  leicht  abziehen  und  reisst  alsdann  die  mit  ihr 
fest  verbundene  zähe  innere  Samenhaut  mit,  welche  mit  Ausnahme  der 
braunschwarzen  Chalaza  farblos  und  durchscheinend  ist. 

Der  Keim  besteht  nur  aus  zwei  grossen  planconvexen  weissen  Samen- 
lappen von  fleischig-öliger,  brüchiger  Konsistenz,  an  deren  etwas  ausge- 
randeter  Spitze  das  kurze  dicke  Würzelchen  zur  Hälfte  herausragt.  Die 
andere,  mit  einem  dicken  cylindrischen  Knöspchen  gekrönte  Hälfte  ist  von 
den  flach  auf  einander  liegenden  Keimlappen  eingeschlossen. 

Die  äussere  Samenhaut  ist  aus  mehreren  Reihen  brauner,  dicht  ver- 
filzter dünnwandiger  Tafelzellen  von  rundlicher  Form  gebaut.  Nur  die 
innerste  hellere  Reihe  ist  etwas  weiter,  die  übrigen  so  flach  gedrückt 
und  verbogen,  dass  sich  im  Querschnitte  die  Umrisse  der  einzelnen  Zellen 
nicht  verfolgen  lassen.  Die  ganze  Haut  ist  nur  ungefähr  50  Mikromill.  dick, 
spaltet  und  erhebt  sich  aber  an  denjenigen  Stellen , wo  die  Stränge  der 
feinen  Spiralgefässe  durchziehen. 

Die  dunkelbraune  verwitternde  Oberfläche  der  äusseren  Samenhaut 
trägt  einen  Besatz  von  höchst  eigentümlichen  Zellen  von  bald  eiförmiger, 
bald  kurz  keulenförmiger,  sackartiger  oder  mehr  eckiger,  aber  im  ganzen 
höchst  unregelmässiger  Form  und  Grösse.  Da  manche  derselben  über 
300  Mikromill.  erreichen,  so  sind  sie  im  Vergleiche  zu  allen  übrigen  Zell- 
gebilden der  Mandel  wahrhaft  kolossal  zu  nennen.  Die  Wände  sind  unge- 
fähr 15  Mikromill.  dick,  quellen  durch  anhaltendes  Kochen  mit  Kali  bis  zu 
35  Mikromill.  auf  und  zeigen  sich  alsdann  fein  geschichtet.  Vorzüglich  in 
ihrer  unteren  Hälfte,  wo  diese  Zellen  der  Sarocnhaut  aufsitzcn,  sind  ihre 
Wände  von  ziemlich  zahlreichen  kleinen  Löchern  und  Ritzen  durchbrochen. 
Die  Zellen  selbst  sind  leer,  die  braungelben  Wände  aber  von  Gerbstoff 
durchdrungen.  Aus  diesen  spröden,  leicht  abfallenden  Samenhautzellen  und 
ihren  Trümmern  bestehen  jene  feinen  Schüppchen,  womit  die  Mandel  be- 
stäubt ist.  Die  Zellen  selbst  geben  ein  ausgezeichnetes  Objekt  zur  Betrach- 


Araygdalae  dulces. 


667 


timg  im  polarisirten  Lichte  ab,  indem  sie  schöne  Farben  und  dunkle  Bänder 
zeigen,  besonders  nach  dem  Kochen  mit  Kali. 

Die  innere  Samenhaut  ist  aus  einer  15 — 20  Mikromill.  starken  Schicht 
kleiner  farbloser  Zellen  mit  feinkörnigem  Inhalte  gebildet.  Im  tangentialen 
Schnitte  erscheinen  dieselben  rundlich  oder  etwas  eckig,  auf  dem  Quer- 
schnitte durch  die  Mandel  quadratisch  oder  etwas  gedehnt.  Die  Zellwände 
der  äusseren  Seite  sind  knorpelig  verdickt  und  durch  eine  filzige  Membran 
fest  mit  der  äusseren  Samenhaut  verbunden,  während  der  Zusammenhang 
mit  den  Keimlappen  sehr  leicht  aufzuheben  ist.  Ihr  Gewebe  ist  ein  dünn- 
wandiges, in  der  äussersten  Schicht  kleinzelliges  Parenchym.  Die  ansehn- 
lichen kugelig-eckigen  Zellen  des  Innern  sind  da  und  dort  von  zarten 
Gefässbündelanlagen  durchschnitten. 

Grosse  Tropfen  fetten  Oeles  sind  der  hauptsächlichste  Inhalt  des  Keimes, 
weniger  der  inneren  Samenhaut.  Beseitigt  man  dasselbe  durch  Aether,  so 
bleiben  in  den  Zellen  wenige  runde,  scharf  umschriebene  Kerne  von  Aleuron 
zurück,  welche  von  Kali  schnell  gelöst  werden , der  feinkörnige  Inhalt  der 
inneren  Samenhautzellen  jedoch  widersteht.  Die  sämmtlichen  braunen  Theile 
der  Mandel  und  ihrer  Schale  sind  reich  an  Gerbstoff.  In  der  äusseren  Samen- 
haut kommen  auch  einzelne  Krystalle  oder  Drusen  vor.  Stärke  fehlt:  das 
Aleuron,  vermuthlich  (unklar  geschichtete)  Protei nablagerungen , zeigt 
das  optische  Verhalten  des  Amylums. 

Die  Mandeln  schmecken  sehr  angenehm  ölig,  zugleich  süss  und  schlei- 
mig, besonders,  wenn  zuvor  die  gerb stoff  haltige  Sameuhaut  abgeschält  wird. 
Mit  Wasser  angerieben,  gibt  der  Keim  alsdann  eine  rein  weisse  wohl- 
schmeckende Emulsion,  sofern  die  Mandeln  nicht  durch  allzu  lange  Auf- 
bewahrung ranzig  geworden  sind , wogegen  die  Samenschale  sie  sehr  gut 
schützt.  Für  den  pharmaceutischen  Gebrauch  verwendet  man  aber  wohl 
nur  die  von  der  Schale  völlig  befreiten  Sorten. 

Das  fette  Oel  beträgt  über  die  Hälfte  des  Gewichtes  der  (entschälten) 
Samen,  welche  in  der  Praxis  leicht  50  pC.  Ausbeute  gewähren.  Das 
Mandelöl  ist  hellgelb,  dünnflüssig,  von  beinahe  0,92  spec.  Gewichte,  erst 
zwischen  — 10°  und  — 20°  C.  erstarrend.  Frisch  von  sehr  mildem  Ge- 
schmacke,  oder  vielmehr  fast  geschmacklos,  wirdes  an  der  Luft  bald  ranzig, 
gehört  aber  nicht  zu  den  trocknenden  Oelen.  Es  besteht  beinahe  ganz 
aus  der  Glycerinverbiudung  der  Oelsäure  (Oleinsäure)  G18H3,02,  welche 
derselben  Reihe  angehört  wie  die  Crotonsäure  (vgl.  bei  Semen  Tiglii)  und 
die  Erucasäure  (vgl.  bei  Semen  Sinapis  nigrae),  aber  nicht  homolog  ist  mit 
der  gleichfalls  flüssigen  Fettsäure  (Leinölsäure)  der  trocknenden  Oele,  die 
z.  B.  im  Leinsamen  vorkömmt. 

Das  Mandelöl  löst  sich  in  der  Wärme  leicht  in  gewöhnlichem  Weingeist, 
in  der  Kälte  bedarf  es  etwa  das  25  fache  Gewicht  davon  zur  Lösung. 

Unzerkleinerten,  von  der  Samenhaut  befreiten  Mandeln  entzieht  kaltes 
Wasser  (ausser  Eiweisstoffen)  leicht  den  ganz  nach  Honig  schmeckenden 


CCS 


Samen. 


Zucker,  der  schon  in  der  Kälte  alkalisches  Kupfertartrat  reducirt,  daher 
vermuthlich  Traubenzucker  ist. 

Beim  Zerreiben  der  Mandeln  wird  das  Oel  durch  Gummi  und  eiweiss- 
artige Stoffe,  Emulsin  (Synaptase1))  und  Pflanzencasei'n  oder  Legumin, 
in  Emulsion  gebracht.  Das  Gummi  beträgt  nach  Boullay  nur  3 pC.,  der 
Zucker  6 pC.,  die  Eiweissstoffe  dagegen  24  pC.  Es  ist  auffallend,  dass  das 
Mikroskop  im  Zellgewebe  der  Kotyledonen,  denen  durch  Aether  das  Oel 
entzogen  ist,  verhältnissmässig  nur  sehr  wenig  festen  Inhalt  zeigt,  welcher 
dem  Legumin  oder  dem  besonderen  Protei'nstoffe  der  Mandeln,  dem  Emul- 
sin, augehören  könnte.  Das  letztere  gerinnt  weder  durch  Hitze  noch 
durch  Säuren  und  weicht  auch  durch  niedrigeren  Kohlenstoff-  und  Stick- 
stoffgehalt vom  eigentlichen  Pflanzenalbum  in  ab.  Seine  Formel  steht  noch 
nicht  fest,  da  es  nicht  vollständig  von  den  oft  gegen  y3  betragenden 
Erdphosphaten  befreit  werden  kann.  — Neben  dem  Emulsin  enthalten  die 
Mandeln  reichlich  das  durch  Säuren  und  beim  Kochen  gerinnende  Pflanzen- 
casein (Legumin). 

Sorgfältig  ausgesuchte  süsse  Mandeln,  von  der  Samenhaut  befreit,  geben 
bei  gelindestem  Erwärmen  mit  sehr  verdünnter  Kalilauge  reichlich  und  an- 
haltend Ammoniak  aus.  Es  scheint  demnach  darin  ein  Salz  dieser  Base 
vorzukommen.  Die  Samenhaut  für  sich  entwickelt  bei  gleicher  Behandlung 
nur  sehr  wenig  Ammoniak. 

Die  Asche  der  süssen  Mandeln,  nach  Zedeler  4,9  pC.  betragend, 
besteht  vorwiegend  aus  Kali-,  Magnesia-  und  Kalkphosphat. 

Die  Mandeln  waren  schon  im  Alterthum  sehr  beliebt.  Griechenland 
schätzte  diejenigen  aus  Naxos  und  Cypern  hoch;  bei  den  Römern  hiessen 
sie  auch  nuces  graecae , wurden  aber  zur  Zeit  von  Plinius  und  wohl  schon 
früher  in  Italien  (Alba)  und  Thrakien  gezogen.  Karl  der  Grosse  befahl  den 
Anbau  des  Mandelbaumes , Amandalarius , in  Deutschland , was  zuerst  bei 
Speier  stattgefunden  zu  haben  scheint.  Die  deutschen  Botaniker  des  X\  I. 
Jahrhunderts,  Camerarius  und  Tragus,  erwähnen  der  Maudel-Cultur  in 
der  Rhein-Pfalz. 

Von  den  bitteren  Mandeln  abgesehen,  unterscheiden  sich  die  Handels- 
sorten der  süssen  hauptsächlich  durch  die  Gestalt,  Grösse  und  Beschaffen- 
heit der  äusseren  Hälfte  der  Steinschale,  welche  bei  den  weichschaligen, 
den  sogenannten  Knack-  oder  Krachmandeln  (Amandes  princesses  oder 
amandes  ä coque  tendre  ou  molle  der  Franzosen)  erhalten  bleibt.  Bei  den 
liartscbaligen  dagegen  wird  die  äussere  steinharte  Hüllte  der  Samenschale 
entfernt,  so  dass  die  furchige,  von  Gefässbüudeln  überstrickte  innere 
Schalenhälfte  die  Oberfläche  bildet. 

Auch  die  Gestalt  und  Grösse  des  Samenkernes  wechselt  etwas.  Am 
grössten  und  wohlschmeckendsten  sind  die  aus  Malaga,  kleiner  die  aus 
Puglia  und  Südfrankreich,  wo  übrigens  sehr  viele  Sorten  gezogen  werden. 

l)  Suva7cxw,  ich  verbinde,  d.  h.  hier  Oel  und  Wasser. 


Araygdalae  amarae. 


669 


Die  unansehnlichsten,  aber  billigsten  Mandeln  liefert  Marocco,  auch  Tunis 
und  das  übrige  Nordafrika  (berberische  Mandeln). 


B.  entschieden  bittere  Samen. 

Amygdalae  amarae. 

Semen  Amygdali  amarae.  Semen  Amygdali  amarum.  Bittere  Mandeln. 

Amandes  ameres.  Bitter  almonds, 

Amygdalus  communis  L.  — Ämygdaleae. 

Der  bittersainige  Mandelbaum  unterscheidet  sich  äusserlich  durch  keine 
beständigen  durchgreifenden  Merkmale  von  dem  mit  süssen  Kernen.  Häufig 
sind  die  Blütheu  des  ersteren  lebhafter  roth,  die  Blattstiele  drüsenlos  und 
der  Griffel  nicht  länger  als  die  Staubfäden,  während  bei  dem  gewöhnlichen 
Mandelbaume  die  Blattstiele  gewöhnlich  eine  oder  mehrere  Drüsen  tragen 
und  der  Griffel  länger  als  die  Staubfäden  des  inneren  Kreises  zu  sein  pflegt. 
Auf  diese  und  noch  geringere  Unterschiede  gestützt,  haben  manche  Bota- 
niker zwei  Varietäten  oder  gar  Arten  angenommen  . 

Nach  der  gewöhnlichen  Meinung  soll  der  gewöhnliche  Mandelbaum 
bei  ungünstigen  äusseren  Verhältnissen  bittere  Früchte  bringen.  De  Can- 
dolle  stellt  eiueu  derartigen  Uebergang  in  Abrede. 

In  Betreff  der  ursprünglichen  Verbreitung  fällt  der  Bittermandelbaum 
mit  dem  andern  zusammen,  ist  aber  in  seiner  liartscbaligen  Spielart  wohl 
als  eigentlicher  Typus  ‘der  Art  zu  betrachten,  welche  im  wilden  Zustande 
auch  mit  Stacheln  besetzt  ist.  Dafür  spricht  wohl  ferner,  dass  die  in  Mittel- 
asien, Südrussland  und  Ungarn  einheimische  Amygdalus  nana  L.  bittere 
Samen  trägt.  Die  bitteren  Mandeln  werdeu  ihrer  geringeren  Nutzbarkeit 
wegen  weit  weniger  gezogen  als  die  süssen.  Der  europäische  Handel 
empfängt  die  meisten  aus  Nordafrika,  auch  von  den  benachbarten  cana- 
rischen  Inseln,  so  wie  aus  Südfrankreich. 

Die  bitteren  Mandeln  ändern  iu  Bezug  auf  die  Gestalt  und  Beschaffen- 
heit ihrer  Samenschale  und  der  Kerne  oben  so  sehr  ab,  wie  die  süssen. 
Wenn  auch  die  bitteren  oft  kleiner  sind,  so  lässt  sich  doch  durchaus  kein 
unterscheidendes  Merkmal  in  ihrem  äusseren  oder  inneren  Bau  nachweisen. 
Desto  grösser  aber  ist  der  chemische  Unterschied. 

Die  bitteren  Mandeln  entwickeln  nämlich  sogleich  bei  der  Zerkleinerung 
unter  Wasserzusatz  den  Geruch  nach  Bittermandelöl  und  schmecken  äusserst 
bitter.  Die  allgemeiner  verbreiteten  Stoffe  sind  in  beiden  Modificationen  der 
Mandeln  dieselben,  namentlich  das  fette  Oel  der  süssen  identisch  mit 
dem  der  bitteren,  sofern  sich  dem  letzteren  durch  ungeeignete  Darstellung 
nicht  ätherisches  Oel  beimeugt.  Jedoch  enthalten  die  bitteren  Mandeln 
durchschnittlich  weniger  fettes  Oel,  nämlich  30  — 50  pC.  der  trockenen 
Kerne. 


670 


Samen. 


Auch  das  Legumin  und  Emulsin  kommen  gleichfalls  in  den  bitteren 
Mandeln  vor. 

Schon  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  erkannte  man,  dass  das  wässerige 
Destillat  der  bitteren  Mandeln  Blausäure  und  ein  eigenthümliches  Oel  ent- 
hält, welche  aus  süssen  Mandeln  nicht  gewonnen  werden  können.  Robi- 
quet  u.  Boutron-Charlard  stellten  aus  den  bitteren  Mandeln  1830 
einen  krystallisirten  Stoff,  das  Amygdalin,  dar  und  fanden,  dass  Bitter- 
mandelöl und  Blausäure  aus  den  bitteren  Mandeln  nicht  mehr  erhalten 
werden,  wenn  ihnen  das  Amygdalin  (durch  Weingeist)  entzogen  ist.  L iebig 
u.Wöhler  ermittelten  1837,  dass  es  allerdings  nur  dieser  Körper  ist, 
der  durch  Zersetzung  jene  beiden  Stoffe  liefert  und  zwar,  von  Neben- 
produkten (Ammoniak  und  Ameisensäure)  abgesehen,  der  Hauptsache 
nach  der  folgenden  Gleichung  gemäss : 

G20H27  NO“  ■+■  2 H2  0==  G7  H«0  + G HN  + G12H24012 

wasserfreies  Wasser  Bitter-  Blausäure  wasserfreier 
Amygdalin  mandelöl  Traubenzucker. 

Diese  mehrfach  denkwürdige  Untersuchung  lehrte  zuerst  einen  Körper 
aus  der  jetzt  so  zahlreichen  Klasse  der  Glykoside  kennen. 

Man  erhält  das  Amygdalin  mit  2H2-G  krystallisirt  beim  Auskochen  der 
durch  Pressen  entölten  Mandeln  mit  Weingeist  von  84 — 94  pC.,  wovon  das 
Amygdalin  in  der  Siedhitze  das  1 1 fache  Gewicht  zur  Lösung  erfordert. 
Die  Ausbeute  beläuft  sich  auf  höchstens  2,5  pO.  — 3 pC.  Das  Amygdalin 
löst  sich  nicht  in  Aetlier,  wohl  aber  in  15  Th.  Wasser  von  8 — 12°  C.  zu 
einer  neutralen  bitteren  und  geruchlosen  Flüssigkeit,  ohne  alle  giftige 
Eigenschaften. 

Werden  zerstossene  bittere  Mandeln  von  Amygdalin  und  fettem  Oele  be- 
freit, so  entzieht  kaltes  Wasser  dem  Rückstände  hauptsächlich  Emulsin  und 
Legumin,  welches  letztere  durch  Essigsäure  abgeschieden  wird,  worauf  das 
Emulsin  nach  Zusatz  von  Weingeist  in  dicken  Flocken  fällt,  welche  nach 
dem  Abtropfen  mit  kaltem  Wasser  eine  schwach  opalisirende  Lösung  gebeu. 
Diese  nuu  bewirkt  unter  Trübung  in  wässeriger  Amygdalinlösung  sofort  die 
Entwickelung  des  Bittermandelölgeruches.  Die  Reaktion  tritt  in  gleicher 
Weise  ein,  wenn  das  Emulsin  nicht  zuvor  durch  Essigsäure  und  Weingeist 
gereinigt  war,  oder  wenn  mau  sich  einfach  einer  Emulsion  von  süssen 
Mandeln  bedient.  Aber  nach  dem  Kochen  vermag  die  Emulsinlösung,  ob- 
wohl dadurch  nicht  gerinnend,  das  Amygdalin  nicht  mehr  zu  spalten. 

Ob  und  welche  Veränderungen  das  Emulsin  selbst  bei  dieser  sogenannten 
Bittermandelölgährung  erleidet,  ist  noch  nicht  aufgeklärt.  Vielleicht  ver- 
dankt ein  gummiartiger,  durch  Weingeist  fällbarer  Stoff  demselben  seine 
Entstehung.  Es  scheint  nicht,  dass  die  Reaktion  an  atomistische  Gewichts- 
verhältnisse gebunden  sei.  Sie  hört  erst  auf,  wenn  das  Emulsin  etwa  die 
zehnfache  Menge  Amygdalin  zerlegt  hat,  vorausgesetzt,  dass  immer  Wasser 
genug  vorhanden  war,  um  alle  Produkte  zu  lösen.  In  den  Blättern  von 


Amygdalae  amarae. 


671 


Prunus  Lauro-Cerasus,  iu  der  Rinde  von  Prunus  Padus,  überhaupt  in  vielen 
Amygdaleen  und  Pomaceen,  ist  ebenfalls  Emulsin  enthalten,  und  in  manchen 
botanisch  den  Mandeln  nicht  verwandten  Samen,  wie  im  Senf,  Hanfsamen, 
Mohn,  sogar  im  Eigelb  scheinen  Eiweisstoffe  vorzukommen,  welche  eben 
so  auf  das  Amygdalin  wirken.  Selbst  die  Bierhefe  soll  nach  Ranke 
diese  Eigenschaft  besitzen.  Verdünnte  kochende  Salzsäure  veranlasst  die- 
selbe Spaltung  unter  gleichzeitigem  Auftreten  von  Ameisensäure.  Concen- 
trirte  Mineralsäuren  und  Alkalien  führen  andere  Zersetzungen  herbei. 

Aus  Versuchen  von  Barreswil1)  geht  hervor,  dass  die  Zersetzung  des 
Amygdalins  durch  Emulsin  nur  bei  Gegenwart  einer  reichlichen  Menge  von 
Wasser  eintritt.  Das  mag  auch  erklären , warum  beide  Stoffe  unzersetzt 
neben  einander  in  der  Mandel  bestehen  können,  ganz  davon  abgesehen,  dass 
sie  vielleicht  nicht  in  den  gleichen  Zellen  abgelagert  sind. 

In  der  Praxis  bietet  die  Destillation  der  bitteren  Mandeln  bekanntlich 
Schwierigkeiten,  weil  die  grosse  Menge  des  Legumins  starkes  Stossen  und 
Aufschäumen  veranlasst.  Nach  Pettenkofer  (1861)  fallen  diese  Unan- 
nehmlichkeiten weg,  wenn  12  Theile  gepulverter  Mandeln  zuvor  geradezu 
in  kochendes  Wasser  eingetragen  werden , wodurch  das  Legumin  sogleich 
noch  im  Zellgewebe  selbst  zur  Gerinnung,  das  Amygdalin  hingegen  sehr 
vollständig  in  Lösung  gebracht  wird.  Setzt  man  alsdann  die  Emulsion  von 
nur  1 Th.  süsser  oder  bitterer  Mandeln  zu,  so  reicht  ihr  Emulsin  voll- 
kommen hin,  bei  höchstens  40°  C.  alles  vorhandene  Amygdalin  zu  zerlegen. 
Pettenkofer  gewann  so  1,8  pC.  Bittermandelöl,  während  andere  Metho- 
den nach  Zeller  durchschnittlich  nur  etwa  0,7  pC.  zu  ergeben  pflegen. 
Danach  der  oben  angeführten  Gleichung  457  Th.  Amygdalin  106  Th.  Bitter- 
mandelöl liefern,  als  Maximum  des  Amygdalingehaltes  nach  Feldhaus 
(1863)  aber  3,3  anzunehmen  ist,  so  würde  sich  die  theoretische  Ausbeute 
an  Bittermandelöl  auf  nur  0,8  pC.  berechnen.  Es  scheinen  daher  in  Praxi 
noch  weit  amygdalinreichere  Mandeln  vorzukommen  oder  bei' den  üblichen 
Methoden  der  Darstellung  bedeutende  Mengen  Amygdalin  zurückzubleiben. 
Ohne  Zweifel  schwankt  auch  der  Gehalt  bedeutend. 

Bei  der  Destillation  treten  Blausäure  und  Bittermandelöl  in  einer  losen, 
noch  nicht  genau  erkannten  Verbindung  auf,  woraus  erstere  allmälig  aus- 
tritt  und  zum  Theil  in  Cyanammonium  und  iu  Ameisensäure  übergeht.  Zu- 
folge obiger  Rechnung  können  die  Mandeln,  wenn  sie  3,3  pC.  Amygdalin 
enthalten  und  jeder  Verlust  an  Blausäure  vermieden  wird,  0,2  pC.  Cyan- 
wasserstoff liefern.  Pettenkofer  fand  0,25  pC.,  Feldhaus  0,17  pC. 
Nach  letzterem  liefert  jedoch  das  Amygdalin  bei  direkter  Zersetzung  durch 
eine  Süssmandel- Emulsion  immer  weniger  Cyan  als  die  obigen  Formeln 
erwarten  lassen.  Wahrscheinlich  zerfällt  dasselbe  theilweise  gleich  bei  sei- 
nem Austritt  weiter  oder  setzt  sich  um. 

Der  aus  dem  Amygdalin  entstehende  Zucker  ist  durchaus  identisch  mit 

D Graelins  Handbuch.  4tc  Aufl.  VII.  854  unten. 


«72 


Samen. 


dem  gewöhnlichen  rechts  rotirenden  Traubenzucker.  Seine  Quantität  scheint 
aber  mit  der  oben  gegebenen  Zersetzungsgleichung  nicht  übereinzustimmen. 
Yermuthlich  ist  der  Hergang  überhaupt  etwas  verwickelter  und  auf  2 Mol. 
Amygdalin  zu  beziehen. 

Zieht  man  feine  Schnitte  der  bitteren  Mandeln  mit  Benzol  aus,  so  findet 
man  das  Gewebe  der  Keimlappen  und  der  inneren  Samenhaut  mit  kleinen 
Körnchen  erfüllt,  wie  bei  den  süssen  Mandeln,  die  man  auf  gleiche  Weise 
oder  vermittelst  Aether  entölt  hat.  Daneben  aber  kommen  in  den  Keim- 
lappenzellen der  bitteren  Mandeln  noch  grosse,  bis  etwa  25  Mikromill.  mes- 
sende Klumpen  vor,  welche  auch  im  polarisirten  Lichte  keine  Krystallisation 
verrathen , sondern  nur  einzelne  Theilchen  einschliessen,  die  lebhaft  leuch- 
ten und  dunkle  Bänder  annehmen. 

Wird  ein  solcher  vom  fetten  Oele  befreiter  Schnitt  getrocknet  und  dann 
mit  Wasser  befeuchtet,  so  verschwinden  die  Klumpen  und  die  Körnchen 
gerathen  oft  in  lebhafte  Molekularbewegung,  indem  sie  unter  Bildung  klei- 
ner Tröpfchen,  die  sich  bald  lösen,  sich  gleichfalls  verlieren.  Berg1)  ver- 
muthet  in  den  Klümpchen  wohl  mit  Recht  das  Amygdalin  oder  wenigstens 
seinen  Sitz,  in  den  Körnchen  das  Emulsin.  — ThomeQ  ist  der  Ansicht, 
das  Amygdalin  sei  iu  den  parenchymatischen  Zellen  der  Kotyledonen  ent- 
halten, das  Emulsin  ausschliesslich  in  den  kleineren  zarten  und  mehr  ge- 
streckten Zellen  der  noch  unentwickelten  Gefässbündel. 

Das  Amygdalin  ist,  wie  vorzüglich  Wicke  nachgewiesen  hat,  durch 
die  ganze  Familie  der  Amygdaleen  und  Pomaceen,  vorzüglich  während  der 
Ruhezeit  der  Vegetation,  sehr  verbreitet,  obgleich  es  bei  manchen  Pflanzen 
auf  einzelne  Organe  beschränkt  und  seine  Darstellung  daraus  nicht  immer 
ausgeführt  worden  ist.  Man  ist  aber  wohl  berechtigt,  den  Blansäuregehalt 
der  betreffenden  Pflanzentheile  auf  Amygdalin  zurück^u führen,  wenn  OS' 
auch  nicht  jedes  Mal  gelingt,  dasselbe  zu  isolireu.  Den  \N  nrzelu  scheint  es~ 
öfter  zu  fehlen,3)  in  den  Stamm-  und  Zweig-Rinden  von  Cotoueaster  vulga- 
ris Lindley,  Amelanchier  vulgaris  Mönch,  Sorbus  Aucuparia  L.,  Prunus 
Padus  L.,  Prunus  virginiaua  L.  u.  s.  f.  ist  es  enthalten. 


Ebenso  ist  Amygdalin  vorhauden  iu  den  Blättern  und  Knospen  von 
Prunus  Laurocerasus  L.  und  den  meisten  verwandten  Arten,  wenigstens  in 
den  jungen  Trieben  fast  immer. 

Die  Bliithen  von  Persica  vulgaris  DeC.,  Prunus  Padus  L.  und  Prunus 
spinosaL.  u.  a.  geben  blausäurehaltige  Destillate.  Am  regelmässigsten  und 
wohl  auch  am  reichlichsten  findet  sich  jedoch  bei  beiden  genannten  Vami- 
Uoo  \m*rnAaVvn  und  wohl  auch  das  Emulsin  iu  deu  Samen.  Auch  die 


o 


J)  Atlas  pag.  90. 

2)  Bot.  Ztg.  1865.  No.  30. 

3)  Nach  Dierbach  geben  die  Wurzeln  von  Prnnus 


Padus,  Pr.  Lauro-Cerasus  und  Sorbus 


Semen  Colchici. 


673 


ist  jedoch  das  Amygdalin  bis  jetzt  noch  nicht  getroffen  worden,  so  dass  es 
nach  den  bisherigen  Erfahrungen  auf  Pflanzen  der  gemässigten  Zone  be- 
schränkt erscheint.  Als  blausäurehaltig  (0,012  pC.  nach  Payen  1857, 
nach  anderen  0,50  pC.)  sind  aus  dem  tropischen  Amerika  längst  bekannt 
die  gewaltigen  Knollen  einer  Spielart  der  zu  den  Euphorbiaceen  gehörigen 
Maniokpflanze  Manihot  utilissima  Pohl  (Syn. : Janipha  Manihot  Kunth, 
Jatropha  Manihot  L.).  Es  ist  nicht  untersucht,  ob  auch  hier  die  Blausäure 
aus  Amygdalin  entstehe. 

Die  giftige  Wirkung  der  bitteren  Mandeln  auf  Thiere  war  im  Alterthum 
z.  B.  Dioskorides  schon  bekannt.  Poli  stellte  1713  aus  Kirschlorbeer- 
blättern ein  betäubendes  Oel  dar,  das  destillirte  Wasser  derselben  verwer- 
thete  zuerst  Baylies  1773  medicinisch.  Erst  Bohm  in  Berlin  wies  1802 
Cyanwasserstoffsäure  im  Bittermandelwasser  nach,  deren  Giftigkeit  (1803) 
durch  Gehlen,  Schräder  und  (1809)  vollends  durch  Ittner  erwiesen 
wurde.  Scheele  war  sie  bei  seinen  Untersuchungen  über  Blausäure  (1782. 
1783)  entgangen.  Martres  erkannte  1803  neben  Blausäure  auch  ätheri- 
sches Oel  in  den  bitteren  Mandeln. 

Semen  Colchici. 

Zeitlosensamen.  Semences  de  Colchique.  Colchicum  seed. 

(Abstammung  bei  Tuber  Colchici.) 

Die  aufgeblasene  3fächerige,  gegen  die  Spitze  an  der  inneren  Naht  auf- 
springende Kapsel  enthält  am  inneren  Winkel  der  Karpelle  zahlreiche  rund- 
liche, im  Spätsommer  reifende,  bis  0,003,n  messende  Samen.  Sie  sind  fein 
grubig  punktirt,  matt  und  an  der  einen  Seite  durch  eine  starke  Nabelwulst 
etwas  zugespitzt.  Im  frischen  Zustande  weisslich,  werden  sie  durch  das 
Trocknen  braun  und  bei  der  Aufbewahrung,  so  lange  sie  nicht  zu  alt  sind, 
durch  Ausschwitzung  von  Zucker  (und  Gummi?)  etwas  schmierig. 

Axif  dem  Querschnitte  bemerkt  man  dicht  unter  der  harten  dünnen 
Samenschale  an  dem  der  Nabelwulst  gegenüberliegenden  Ende  den  sehr 
kleinen  blattlosen  Embryo ; das  grauliche  hornartige  Eiweiss  zeigt  concen- 
trisch  strahligen  Bau.  Der  braune  lockere  Ueberzug  der  Samen  besteht  aus 
einigen  Reihen  weiter,  zu  innerst  bedeutend  kleinerer  dünnwandiger,  etwas 
tangential  gestreckter  Zellen , welche  zu  äusserst  Amylum  in  runden  Kör- 
nern von  gleicher  Grösse  wie  die  im  Knollen  der  Pflanze  enthalten.  Die 
derbe , fest  zusammenhängende  innere  Samenschale  ist  mit  dem  Eiweisse 
verwachsen;  letzteres  wird  aus  grossen  radial  geordneten  und  etwas  ge- 
streckten Zellen  gebildet,  welche  nur  Oeltropfen  und  körniges  Plasma,  aber 
kein  Amylum  enthalten.  Sie  sind  sehr  ausgezeichnet  durch  ihre  dicken, 
von  sehr  weiten  Lücken  (Poren)  durchbrochenen  Wände. 

Die  Zeitlosensamen  sind  auch  in  frischem  Zustande  geruchlos,  schmecken 
aber  sehr  bitter.  Neben  Gallussäure,  Fett  (6  pC.),  Harz  und  krystallisir- 
barem  Zucker  (5  pC.  Bley,  8 pC.  Rebling)  enthalten  sie  als  hauptsäch- 

Fliickiger,  Pharmakognosie.  43 


674 


Samen. 


lieh  wirksamen  Bestandteil  das  Colchicin,  welches  Pelletier  u.  Ca- 
ventou  1820  für  Veratrin  gehalten,  Geiger  u.  Hesse  aber  als  eigentüm- 
lich erkannt  hatten.  Es  krystallisirt  nach  diesen  Chemikern  in  farblosen 
Prismen,  ist  aber  so  wenig  beständig,  dass  es  schon  durch  Trocknen  der 
betreffenden  Pflanzentheile  vermindert  wird. 

Bley  erhielt  aus  den  Samen  0,2  pC.,  Hübschmann  0,3  pC.  Colchi- 
cin, ersterer  aus  trocknen  Blüten  derselben  Pflanze  0,25,  aus  trockenen 
Herbstknollen  Va  pro  Mille,  im  Frühjahr  aber  nur  Vi0  p.  M.  Blätter  gaben 
kaum  eine  Spur  davon. 

Geiger  u.  Hesse  hatten  das  Colchicin  für  ein  Alkaloid  erklärt,  aber 
freilich  keine  Salze  desselben  dargestellt.  Die  meisten  Chemiker  erhielten 
es  nur  amorph,  gelblich  und  in  Wasser  löslich,  Walz  allein  wollte  es  wie- 
der krystallisirt  bekommen  haben. 

Oberlin  zeigte  1856,  dass  aus  dem  amorphen  Colchicin  durch  Be- 
handlung mit  Säuren  sehr  leicht  ein  kry stall isirter  Körper,  das  Colchicein, 
erhalten  werden  kann,  den  er  zwar  noch  stickstoffhaltig  (£35H44N-’0n), 
aber  ohne  basische  Eigenschaften  fand.  Die  Säuren  werden  hierbei  nicht 
gebunden. 

Nach  Hü  bl  er  (1864)  ist  das  Colchicin  durchaus  unkrystallisirbar, 
durch  Fällung  mit  reinem  Tannin  am  leichtesten  zu  gewinnen,  von  heuähn- 
lichem Gerüche,  sehr  bitter,  mit  gelber  Farbe  in  Wasser  und  Alkohol  lös- 
lich. Säuren  und  Alkalien  färben  die  Lösungen  intensiv  gelb,  concentrirte 
Schwefelsäure  und  Salpetersäure  ertheilen  festem  Colchicin  vorübergehend 
eine  dunkelblaue  Färbung.  Wird  Colchicin  mit  mässig  verdünnter  Schwefel- 
säure erhitzt,  so  entwickelt  sich  ein  eigenthümlicher,  fast  stechender  Geruch 
und  es  tritt  ein  grüner  und  ein  gelber  Farbstoff  auf,  welche  näherer  Unter- 
suchung werth  wären.  Obwohl  hierdurch  eine  Spaltung  angedeutet  ist,  so 
fand  doch  Hü  bl  er  für  das  beim  Erkalten  anschiessende  Colchicein  dieselbe 
Zusammensetzung  wie  für  das  Colchicin  selbst,  nämlich  G17H13N-0\  Das 
Colchicein  schmeckt  weniger  bitter  und  ist  eine  schwache  Säure,  es  geht  an 
der  Luft  bald  in  einen  braunen  schmierigen  Farbstoff  über.  Durch  denselben 
verunreinigt  scheidet  es  sich  schon  bei  der  Behandlung  des  Colchicins  mit 
Säuren  zum  Theil  auch  harzartig  aus.  Obige  Formel  des  Colchicins  und 
des  Colchicein s unterscheidet  sich  von  derjenigen  des  Atropins  durch  einen 
Mehrgehalt  von  £2  und  ein  minus  von  H4 , scheint  also  wohl  in  einfacher 
Beziehung  zu  demselben  zu  stehen. 

Hüb ler  zog  zur  Gewiunung  des  Colchicins  die  unzerkleinerten  Samen 
mit  starkem  Weingeist  aus.  Wurden  sie  nachher  gepulvert,  so  gaben  sie 
nichts  mehr  au  Weingeist  ab,  woraus  hervorgeheu  dürfte,  dass  der  Sitz  des 
Colchicins  in  der  Samenschale  ist. 


Semen  Strychni. 


675 


Semen  Strychni. 

Nuces  vomicae.  Semen  vomicum.  Brechnüsse.1)  Krähenaugen.  Noix 

vomiques.  Poison  nuts. 

Strychnos2)  Nux  vomica  L.  — Loganiaceae. 

Ansehnlicher  Baum,  mit  kurzem,  aber  verhältnissmässig  sehr  dickem, 
oft  krummem  Stamme  (nach  andern  mehr  nur  „baumartiger  Strauch“), 
der  in  Ostindien,  vorzüglich  auf  der  Coromandelküste  bis  tief  ins  Innere 
(Bustar),  auch  auf  der  Malabarküste,  in  grosser  Menge  in  den  Wäldern  Cey- 
lon’s,  so  wie  in  Siam  (Laos-Länder)  und  in  Cochinchina  einheimisch  ist. 

Die  ursprünglich  den  Fruchtknoten  in  zwei  Fächer  theilende  Scheide- 
wand wird  allmälig  fleischig  und  ist  in  der  reifen  äpfelartigen  Beeren- 
frucht nicht  mehr  vorhanden,  so  dass  die  3 bis  8 Samen  vertikal  ge- 
stellt unregelmässig  im  weichen  schleimigen  Fruchtfleische  vertheilt  sind. 
Die  feste  Fruchtschale  ist  röthlich  gelb  und  glatt;  das  farblose  säuerliche, 
zugleich  bittere  Fruchtfleisch  soll  unschädlich,  nach  einigen  sogar  geniess- 
bar  sein,  während  Ainslie  es  für  giftig  erklärt.  Die  Angabe  Living- 
stone’s  im  ersteren  Sinne  z.  B.  könnte  sich  leicht  auf  eine  andere  Art  be- 
ziehen. In  Ost-Sudan  wird  nach  Hartmann  Strychnos  innocua  DeC. 
gegessen. 

Die  flach  kreisrunden,  im  Durchmesser  bis  0,025ID  erreichenden  und 
ungefähr  0,005ra  dicken,  sehr  häufig  verbogenen  Samen,  die  „Brechnüsse“, 
sind  graugelb,  bisweilen  mit  einem  schwachen  grünlichen  Schimmer.  Weiche 
strahlenförmig  anliegende,  nach  der  Peripherie  gerichtete  Haare,  womit  sie 
sehr  dicht  besetzt  sind,  verleihen  den  Samen  einen  lebhaften  Glanz,  der 
stellenweise  durch  die  Reste  eines  zarten  matt  dunkelgrauen  Häutchens  ver- 
deckt ist. 

Der  Mittelpunkt  jeder  der  beiden  Kreisflächen  oder  doch  wenigstens  der 
einen  ist  gewöhnlich  etwas  warzenförmig  erhöht,  ringsherum  aber  der 
grösste  Theil  der  inneren  Kreisfläche  eingesunken  und  vom  wallartig  erhöht 
verdickten  Rande  umgeben.  Häufig  ist  aber  auch  die  eine  Seite  des  Samens 
im  ganzen  hoch  gewölbt  und  die  andere,  die  Bauchseite,  flach  oder  vertieft. 

Das  centrale  Wärzchen  der  erhöhten  Seite  entspricht  gewöhnlich  dem 
Knospengrunde  oder  Hagelflecke  (Chalaza),  manchmal  aber  findet  sich  der- 
selbe gerade  auf  der  flachen  oder  concaven  Seite. 

Der  mehr  oder  weniger  zugeschärfte , doch  nicht  klaffende  Rand  trägt 
einen  deutlichen,  etwas  hervorragenden,  mehr  an  der  flacheren  Seite  lie- 
genden Nabel;  eine  oft  nur  wenig  ausgeprägte  scheitelartige  Linie,  der 
Nabelstreifen  (Raphe),  verbindet  den  Hagelfleck  mit  dem  Nabel.  — Berg 
hat  zuerst  die  richtige  Deutung  dieser  Verhältnisse  gegeben. 


B wenig  passende  Bezeichnung.  In  don  meiston  Fällen  bewirkt  Nux  vomica  odor  Strych- 
nin nicht  Erbrechen. 

2)  Bei  den  Griechen  Name  des  Nachtschattens.  — Siche  auch  S.  681. 


43’* 


676 


Samen. 


Alle  Theile  des  Samens  hängen  fest  zusammen;  erst  nach  dem  Auf- 
weichen lässt  er  sich,  der  peripherischen  Handlinie  entsprechend,  in  zwei 
etwas  ungleiche  Hälften  trennen,  welche  fast  ganz  aus  demweisslich  grauen 
Sameneiweisse  bestehen , mit  dem  die  dünne  braune  Samenschale  fest  ver- 
bunden bleibt.  Das  Eiweiss  schliesst  in  der  Nähe  des  Nabels  den  etwa 
0,006m  langen  Embryo  ein,  der  mit  zwei  zarten  kleinen  5-  bis  7 nervigen 
herzförmigen  netzaderigen  Keimblättern  und  einem  ziemlich  starken  keulen- 
förmigen Würzelchen  versehen  ist.  Das  letztere  ist  gegen  den  Nabel  ge- 
richtet und  oft  schon  äusserlich  durch  eine  kleine  Auftreibung  der  Samen- 
schale augedeutet. 

Die  Spitze  des  Embryos  ragt  in  eine  spaltenförmige  Höhlung  hinein, 
welche  die  beiden  nur  an  ihrer  Peripherie  fest  verbundenen  Hälften  des 
Eiweisses,  den  Aussenflächen  des  Samens  parallel,  im  Innern  frei  lassen. 
Der  Querschnitt  durch  den  Samen  zeigt  diese  Spalte  deutlich. 

Die  Brechnüsse  sind  von  sehr  derber  hornartiger  Beschaffenheit,  schwer 
zu  pulvern  und  noch  schwerer  zu  schneiden.  In  Wasser  erweichen  sie,  ohne 
sehr  bedeutend  aufzuquellen. 

Das  dünne  Häutchen,  das  die  Samen  bekleidet,  aber  in  der  Handels- 
waare  grössteutheils  abgescheuert  ist,  besteht  aus  ziemlich  weitem  dünn- 
wandigem polyedrischem  Parenchym,  worin  grössere  farblose  Fettklumpen  (?) 
und  kleinere  braune  Körnchen  in  Menge  stecken. 

Einen  eigenthümlichen  Bau  zeigen  die  unmittelbar  darunter  hegenden 
Haare.  Die  dünne,  nur  etwa  7*Mikromill.  messende  innere  Samenschale  ist 
nämlich  fest  verbunden  mit  einer  sehr  dichten  Lage  radial  gestellter , völlig 
verdickter  löcheriger  Zellen  von  etwa  7 0 Mikromill.  Länge  und  gelblicher 
Farbe.  Ihr  Querschnitt  (tangential  zur  Fläche  des  Samens)  zeigt  den- 
selben unregelmässig  wellenförmig  verlaufenden  Umriss  der  Wandun- 
gen, wie  so  viele  andere  ähnliche  Bekleidungen  von  Samenschalen 
(z.  B.  Sem.  Hyoscyami).  Diese  Zellen,  welche  die  äussere  Samenschale 
bilden,  laufen  plötzlich  in  einfache,  700  Mikromillim.  bis  1 Millim.  lange 
lind  etwa  20  Mikrom.  dicke  Haare  aus,  welche  sämmtlich  da,  wo  sie  aus 
der  Zelle  entspringen,  parallel  in  scharfem,  fast  rechtem  oder  stumpfem 
Winkel  umgebogen  sind  und  in  eine  gerundete  Spitze  endigen.  Die  Haare 
sind  ganz  verdickt,  daher  im  polarisirten  Lichte  lebhafte  Farben  gebend. 
Ihre  Verdickuugsschichten  zeigen  nicht  eigentlich  mehr  spiralige  Spalten, 
sondern  zuletzt  mit  der  Längenaxe  des  Haares  gleichlaufende,  so  dass  die 
Haare  in  einzelne  lang  zugespitzte  Bruchstücke  getrennt  werden  können. 
Ihr  ganzer  Bau  wird  besonders  im  polarisirten  Lichte  erst  deutlich. 

Gefässbündel  kommen  nur  im  Nabelstreifen  vor.  Die  innere  barnen- 
schale  ist  aus  einer  einzigen  schmalen,  ganz  verdickten  braunen  Schicht 
gebildet,  mit  welcher  das  Eiweiss  verwachsen  ist.  Dasselbe  enthält  grosse, 
sehr  dickwandige , eckig  rundliche  Zellen , gefüllt  mit  schwach  gelblichen 
körnigen  Klumpen  und  nicht  sehr  zahlreichen  k ettröpfchen. 

Amylum  fehlt,  wenigstens  im  käuflichen  reifen  Samen. 


Semen  Stryehni. 


677 


Die  Keimblätter  zeigen  ein  sehr  viel  engeres  und  zarteres , von  kleinen 
Gefässbündeln  durchzogenes  Parenchym. 

Die  Brechnüsse  schmecken  äusserst  stark  und  anhaltend  bitter  und 
wirken  sehr  giftig,  was  sie  ihrem  Gehalte  an  den  beiden  Alkaloiden 
Strychnin  (vgl.  Semen  Ignatii)  und  Brucin  (vgl.  Cort.  Stryehni)  ver- 
danken. Dieselben  können  unmittelbar  durch  das  Mikroskop  nicht  wahr- 
genommen werden.  Auf  sehr  feinen  Schnitten  der  Brechnüsse  erscheinen 
indessen  nach  längerer  Aufbewahrung  in  Glycerin  federige  oder  strahlig 
gruppirte  Krystalle,  ohne  Zweifel  von  jenen  beiden  Basen  herrührend. 

Der  Gehalt  an  Strychnin  scheint  ziemlich  regelmässig  0,5 — 0,6  pC.  zu 
betragen;  die  Menge  des  Brucins  wird  von  0,12  pC.  (Merck)  bis  0,5 
(Wittstein,  Pettenkofer)  angegeben.  Mayer  dagegen  fand  im  Mittel 
nur  0,23  Strychnin  und  1,01  pC.  Brucin. 

Eine  dritte  Base,  Igasurin,  entdeckte  (1853)  Desnoix  in  den  Krähen- 
augen. Nach  Schützenberger’s  sehr  auffallenden  Angaben  (1858)  wäre 
dieses  Igasurin  ein  Gemenge  von»nicht  weniger  als  9 verschiedenen,  nicht 
etwa  homologen  oder  isomeren  Basen,  deren  Kohlenstoffgehalt  von  G17  bis 
G22  auf  G4  bis  O8  gehe. 

Alle  diese  „Igasurinbasen“  krystallisiren  (mit  verschiedenen  Mengen 
Krystallwasser)  und  sind  in  Wirkung  und  Geschmack  dem  Strychuin  ähn- 
lich, aber  leichter  löslich.  Auch  das  Strychnin  wäre  nach  demselben  Che- 
miker ein  Gemenge  von  3 verschiedenen  Basen. 

In  den  Brechnüssen  scheinen  die  Alkaloide  wie  in  den  Ignatiussamen 
(siehe  Semen  Ignatii)  an  Strychnos-  oder  Igasur säure  gebunden  enthalten 
zu  sein,  daher  sie  sich  schon  durch  Wasser  daraus  gewinnen  lassen. 

Die  Brechnüsse  enthalten  ferner  in  reichlicher  Menge  Protei'nstoffe, 
Gummi  (Bassorin)  und  (nach  Rebling  6 pC.)  Zucker,  welcher  schon  in 
der  Kälte  Kupferoxyd  reducirt.  Mit  Wasser  eingeweicht,  erleiden  sie  leicht 
die  Milchsäure -Gährung,  ohne  dass  hierbei  die  Alkaloide  zersetzt  werden. 
Die  unveränderten  Samen  enthalten  keine  Milchsäure.  Ferner  kommen 
auch  Thonerde-  und  Magnesia-Phosphate  und  Gerbsäure  vor. 

Die  blassgelbliche  alkoholische  Tinctur  der  Brechnüsse  färbt  sich , mit 
wenigen  Tropfen  conc.  Schwefelsäure  verdunstet,  schön  dunkelroth,  eine 
Reaktion,  welche  nicht  durch  die  Alkaloide  bedingt  ist.  Sie  gelingt  ebenso 
gut  mit  einem  durch  Kalkwasser  dargestellten  Auszuge. 

Die  Brechnüsse  wurden  durch  die  Araber  in  die  Medicin  eingeführt. 
Serapion  (zu  Anfang  des  XII.  Jahrhunderts)  erwähnte,  Nux  vomica  oder 
Alke  sei  etwas  grösser  als  eine  Haselnuss , knotig  und  von  weisslich  grün- 
licher Farbe,  was  wohl  mehr  auf  Semen  Ignatii  passt.  In  Deutschland  wur- 
den die  Brechnüsse  im  XVI.  Jahrhundert  durch  I.  Bauhin  und  Conrad 
G e s s n e r näher  bekannt. 


«78 


Samen. 


Semen  Ignatii. 

Fabae  Ignatiae.  Fabae  indicae  s.  febrifugae.  Fabae  Sancti  Ignatii. 
Ignatiusbohnen.  Fevc  Saint-Ignace.  Feve  igasurique.  Iguatius’s  beans. 

Ignatia  amara  L.  fil.  — Loganiaceae. 

Strychnos  Ignatii  Bergius. 

Ignatiana  pliilippinica  Loureiro. 


Auf  den  südlichen  Philippinen  (denBisayas-Inseln:  Cebu,  Bojol,  Negros) 
gemeiner,  auch  nach  Cochinchina  verpflanzter  Strauch  oder  kleiner  Baum 
mit  sehr  hoch  klimmenden  Aesten.  Die  ansehnliche  kürbisartige  Beeren- 
frucht mit  gelblichgrüner  Steinschale  enthalt  in  dem  spärlichen  weichen 
gelblichen  und  bitter  schmeckenden  Fruchtfleische  bis  24  Samen , die  so- 
genannten Ignatiusbohnen,  welche  nicht  scheibenartig,  sondern  dicker  und 
voller  sind  als  die  Brechnüsse. 

Die  Gestalt  dieser  ungefähr  0,025m  langen  Ignatiusbolmen  ist  eiförmig, 
aber  durch  gegenseitigen  Druck  sind  %ie  in  sehr  verschiedener  Weise 
unregelmässig  kantig  und  abgeflacht.  Ihr  Besatz  von  gelblichen  verfilzten 
Haaren1)  haftet  nicht  so  fest  wie  bei  den  Brechnüssen  und  ist  daher  meist 
abgescheuert,  so  dass  die  feinwarzig-körnige,  fast  marmorirte,  graulich- 
grünliche  bis  violettschwärzliche  Samenschale  die  Oberfläche  bildet.  Meist 
lässt  sich  wenigstens  theilweise  eine  etwas  zugeschärfte  Raudlinie  verfolgen, 
in  welcher  an  dem  einen  Ende  des  länglichen  Samens  der  vertiefte 
Nabel  liegt. 

Trotz  des  verschiedenen  Aussehens  stimmt  der  Bau  mit  dem  der  Brech- 
nüsse übereiu,  nur  pflegt  das  Würzelchen  des  Embryo  stärker,  häufig  etwas 
geknickt  und  die  Keimblättchen  mehr  zugespitzt  zu  sein.  Das  hornartige 
dunkelgraue  Eiweiss  ist  selbst  bei  bedeutender  Dicke  durchscheinend,  uoch 
härter  als  bei  den  Brechnüssen  und  schwieriger  spaltbar,  quillt  aber  im 
Wasser  ansehnlich  auf.  Die  Höhlung  desEiweisses  ist  weniger  beträchtlich 
als  bei  den  Brechnüssen. 

Der  Ignatiussamen  besteht  aus  denselben  dickwandigen,  nur  etwas 
grösseren  und  radial  gedehnten  Zellen  mit  gleichem  Inhalte  wie  die  Brech- 
nüsse. Die  äusserste,  regelmässiger  radial  gestellte  Reihe  dieses  Parenchyms 
enthält  bedeutend  kleinere,  schwach  bräunlich  gelb  gefärbte,  sonst  aber 
nicht  verschiedene  Zellen,  welche  allein  die  Samenschale  darstellen  und 
unmittelbar  von  dem  schon  erwähnten  Filze,  wo  derselbe  noch  vorhanden, 
bedeckt  sind.  Eine  derbe  Samenschale,  wie  bei  Nux  vomica,  fehlt,  so  dass 
die  generische  Abtrennung  der  Ignatia  von  Strychnos  auch  deshalb  wohl 
gerechtfertigt  erscheint. 


1)  „reccntos  ab  argentea  lauugine  splcndicant,“  Ray  u.  Petivcr  (Phil. Transact.  1698). 
— Die  hier,  wie  cs  scheint,  in  natürlicher  Grösse  gegebene  Abbildung  der  eiförmigen  Fruc  i 
misst  in  der  Länge  0,17-«,  in  der  Breite  0,13™,  wird  indessen  grösser  als  eine  Melone 

genannt. 


Semen  Ignatii. 


679 


Die  Haare  des  Ignatiussamens  sind  so  gebaut  wie  die  der  Brechnüsse, 
aber  doppelt  so  dick  und  entspringen  nicht  aus  einer  zwiebelartigen  Zelle 
der  (äusseren)  Samenschale.  Bei  weit  grösserer  Länge  sind  sie  nicht  so 
regelmässig  gleich  gerichtet,  sondern  manigfaltig  in  einander  gewirrt  und 
meist  in  einzelne,  6 — 7 Mikromill.  dicke  Fäden  aufgelöst. 

Die  Ignatiussamen  schmecken1)  wie  die  Brechnüsse,  deren  Giftigkeit  sie 
in  noch  höherem  Grade  theilen,  gleichwohl  aber  sehr  oft  von  Insekten  zer- 
fressen Vorkommen. 

In  diesen  Samen  entdeckten  (1818)  Pelletier  u.  Caventou  das 
Strychnin  £21H22N202,  jene  giftige,  höchst  ausgezeichnete  organische 
Base  von  sehr  bitterem  Geschmacke,  welche  sie  nachher  auch  in  den  Brech- 
nüssen und  der  falschen  Augostura- Rinde  trafen.  Die  Samen  enthalten 
davon  doppelt  so  viel  wie  die  Brechnüsse,  nämlich  bis  gegen  1 V2  pC., 
haben  aber  doch , da  sie  4 mal  theurer  sind , die  letzteren  als  Rohmaterial 
zur  Gewinnung  der  Alkaloide  nicht  verdrängt.  Ebenso  reich  an  Strychnin, 
wie  die  Samen  der  Ignatia,  sind  diejenigen  von  Strychnos  Tjeute  Lesclie- 
nault  auf  Java. 

Die  Ignatiussamen  enthalten  ebenfalls  Brucin  (vgl.  Cort.  Strychni) 
in  geringer  Menge2)  und  die  übrigen  Bestandtheile  der  Brechnüsse. 
Beiden  fehlt  (trotz  gegen th eiliger  Angaben !)  das  Stärkmehl  gänzlich. 

In  den  Ignatiussamen,  wie  auch  in  Sem.  Strychni,  sind  nach  Pelletier 
u.  Caventou  die  Alkaloide  an  eine  eigenthümliehe  Säure,  Strychnos- 
oder  Igasur-Säure,  gebunden,  welche  in  Krystallkörneru  erhalten  werden 
kann.  Berzelius  hielt  sie  für  Milchsäure,  nach  Corriol  wäre  die  Säure 
der  Brechnüsse  verschieden  von  der  der  Ignatiussamen,  beide  aber  nur  in 
sehr  geringer  Menge  vorhanden.  Marsson  hat  das  Vorkommen  eigen- 
thümlicher  Säuren  wieder  wahrscheinlich  gemacht.  — Milchsäure  ist  wohl 
nur  in  Folge  von  Gährung  in  den  Ignatiusbohnen  vorhanden  (vergl.  Sem. 
Strychni). 

In  Deutschland  wurden  die  Ignatiussamen  1698  durch  Bohuius  in 
Leipzig  allgemeiner  bekannt;  die  heut  zu  Tage  nur  noch  ungenügend 
bekannte  Pflanze  selbst  gleichzeitig  durch  Pater  Georg  Jos.  Kamel 
(Camellus),  Apotheker  der  mährischen  Brüdermission  in  Manila,  welcher 
die  daselbst  Igasur  genannten  Samen  für  die  ächten  Brechnüsse  (Nuces 
vomicae  legitimae)  Serapions  und  der  alten  arabischen  Aerzte  hielt.  Die 
Jesuiten  beehrten  diese  giftigen  Samen  mit  dem  Vornamen  ihres  Ordens 
Stifters. 

Ignatiusbohnen  heissen  in  Brasilien  auch  die  nicht  eigentlich  giftigen, 
vielmehr  giftwidrigen  Samen  mehrerer  Arten  Feuillea  (Peponiferae). 


1)  auch  die  Blätter  der  Ignatia  sind  bitter. 

2)  nach  F.  Mayer  72  pC. 


(»80 


Samen. 


Semen  Stramonii. 

Stechapfelsamen.  Semence  de  Stramoine.  Stramonium  seeds. 

Datura  Stramonium  L.  — Solaneae. 

Diese  jetzt  stellenweise  ausserordentlich  weit  verbreitete  einjährige 
Pflanze  hält  sich  vorzüglich  an  trockene  Standorte  in  der  Nähe  von  Woh- 
nungen und  geht  vom  Altai  an  durch  ganz  Mittelasien  und  Arabien,  über 
Suez  bis  Sennaar  und  in  die  abyssinischen  Alpen,  in  Europa  bis  Norwegen. 
Sie  findet  sich  eben  so  gut  in  Californien,  im  östlichen  Nordamerika,  West- 
indien und  Brasilien,  am  Cap , scheint  aber  wohl  ursprünglich  in  den  Län- 
dern um  das  Caspische  oder  Schwarze  Meer  (nicht  in  Indien)  einheimisch 
gewesen  zu  sein , wo  sie  noch  jetzt  am  allerhäufigsten  wächst  und  z.  B.  in 
der  persischen  Arzneikuust  eine  grosse  Rolle  spielt. 

Dass  der  Same  sehr  lange  keimfähig  bleibt,  nach  einzelnen  Beobach- 
tungen 100  Jahre  lang,  mag  neben  der  auffallenden  Gestalt  der  Frucht,  der. 
weiten  Verbreitung  der  Pflanze  sehr  förderlich  sein. 

Die  dornige,  4klappig  aufspringende  Kapsel  („Stechapfel“)  enthält  an 
dem  unten  4lappigen , oben  nur  2theiligeu  Samenträger  eine  grosse  Menge 
der  länglich  nierenförmigen,  fast  halbkreisrunden,  bis  etwa  0,004'"  langen 
matt  schwärzlichen  oder  braunen  Samen.  Sie  sind  flach  gedrückt,  sehr  fein 
grubig  punktirt,  an  der  mehr  geraden  Seite  nach  unten  zu  dünner,  daselbst 
den  etwas  helleren  Nabel  tragend  und  hier  auf  beiden  Flächen  mit  einer 
glatten  Schwiele  bezeichnet,  während  die  übrige  Oberfläche  mit  einem  wenig 
erhabenen  polyedrischen  Netzwerke  überstrickt  ist. 

Auf  dem  parallel  mit  den  Flächen  geführten  Durchschnitte  zeigt  sich  in 
dem  verdickten  Theile  des  Samens  das  cylindrische  Würzelchen  des  Em- 
bryos, dessen  fast  doppelt  so  lange  Samenlappen,  dem  Umrisse  der  Samen- 
schale folgend  und  dicht  unter  derselben,  in  hackenförmiger  Krümmung  mit 
ihrer  Spitze  dem  dicken  Wurzelende  gegenüber  zu  liegen  kommen.  Die 
Krümmung  des  Embryos  und  seine  Peripherie  sind  mit  trübem,  etwas  dunk- 
lerem Eiweissgewebe  umgeben,  von  welchem  sich  die  dunkelbraune  Samen- 
schale bei  der  Reife  leicht  trennen  lässt. 

Auf  dem  Querschnitte  durch  den  Samen  zeigt  sich  die  cylindrische  Ge- 
stalt des  Embryo;  die  Berührungsliuie  der  Keimlappen  steht  senkrecht  zur 
Fläche  des  Samens. 

Die  äusserst  spröde  Samenschale  ist  aus  einer  Reihe  gelber  radial  ge- 
stellter sehr  starker  Zellen  zusammengesetzt,  deren  Höhlung,  wo  sie  noch 
vorhanden,  durch  die  dicken  porösen  Wände  sehr  beschränkt  ist.  Diese 
Zellen  sind  nicht  von  einfach  cylindrischer  Form,  sondern  ihre  Wandungen 
der  Länge  nach  wellenförmig  aus-  und  einwärts  gebogen,  so  dass  sie,  in 
tangentialer  Richtung  zur  Samenoberfläche  gesehen,  gezahnt  in  einander 
greifen.  Auch  nach  aussen  erheben  sich  die  Verdickungen  der  Zellen  wände 
m derselben  Weise  als  dunkelbraune  kugelige  Höckerchen  und  Falten,  wo 


Semen  Stramonii. 


681 


durch  die  netzig-grubige  Oberfläche  der  Samen  bedingt  ist;  ausserdem  ist 
die  Samenschale  noch  von  einem  zarten  glashellen  Oberhäutchen  bedeckt. 
Yom  Eiweisse  ist  die  eigentliche  Samenschale  durch  ein  lockeres  zartes  Ge- 
webe von  mehreren  Reihen  in  ihren  innersten  Lagen  mehr  gedrängter  brau- 
ner Zellen  getrennt.  DasEiweiss  besteht  aus  grossen  dickwandigen  kugelig- 
eckigen Zellen.  Weit  zarter  und  regelmässiger  ist  das  Gewebe  des  Embryos, 
in  der  Mitte  aus  dünnwandigen,  5 bis  6 eckig- rundlichen  Zellen,  in  der 
Nähe  der  Berührungsfläche  der  Samenlappen  und  am  Rande  aus  mehr  ku- 
bischen, zu  äusserst  aber  langgestreckten  cylindrischen  Zellen  bestehend. 

Die  innere  lockere  Schicht  der  Samenschale,  welche  beim  Zerdrücken 
des  Samens  an  diesem  letzteren  haften  bleibt,  enthält  etwas  Amylum  in 
sehr  kleinen  kugeligen  Körnchen ; die  Zellen  des  Eiweisses  und  des  Keimes 
selbst  sind  mit  Oeltropfen  und  einer  festen  körnigen  (Protein-)  Substanz 
erfüllt,  welcher  Jod  eine  braungelbe  Färbung  ertheilt. 

Der  Stechapfelsamen  schmeckt  ölig  und  scharf  bitterlich.  Er  enthält 
in  äusserst  geringer  Menge  als  wirksamen  Bestandtheil  das  von  Geiger 
u.  Hesse  (1833)  entdeckte,  gut  krystallisirende  Alkaloid  Daturin,1) 
welches  von  Planta  für  identisch  mit  dem  Atropin  erklärte  und  gleich  zu- 
sammengesetzt fand.  Die  Löslichkeitsverhältnisse,  so  wie  der  Schmelzpunkt 
(88 — 90°  C.)  stimmen  bei  beiden  Körpern  überein. 

Schroff’s  pharmakologische  Versuche,  wonach  Daturin  und  Atropin 
zwar  in  gleicher  Weise  wirken,  letzteres  aber  nur  genau  halb  so  stark  wie 
ersteres,  stellen  die  Identität  dieser  beiden  Stoffe  wieder  in  Frage. 

Ein  von  Tromms dor ff  neben  Daturin  aus  Stechapfelsamen  erhaltenes 
krystallisirtes  sublimirbares  Stramonin  scheintwohl  nicht  basische  Eigen- 
schaften zu  besitzen;  Schwefelsäure  löst  es  mit  rother  Farbe. 

Nach  Brandes  wäre  das  Daturin  an  Aepfelsäure  gebunden.  Die  Asche 
des  Samens  ist  reich  au  Magnesia-  und  Alkali-Phosphaten. 

Datura  Stramonium  ist,  wie  E.  Meyer  nachgewiesen,  schon  300  Jahre 
vor  Chr.  durch  Theophrastos  als  höchst  giftige  Pflanze,  Strychnos  ma- 
nicos,  unverkennbar  geschildert  worden;  ebenso  von  Dioskoridesim  ersten 
Jahrh.  nach  Chr.  Auch  in  Neurada,  Nervada  oder  Pentödryon  des  Plinius, 
Neuras  von  Paulos  Aeginetes  (VI.  Jahrh.  nach  Chr.)  findet  Lang- 
kavel  neuerdings  (1866)  unsere  Pflanze.  Jedoch  scheint  sie  sich  erst 
während  des  Mittelalters  ursprünglich  zum  Theil  durch  Cultur  in  Europa 
verbreitet  zu  haben.  Bauhin  hat  sie  unter  dem  Namen  Tatula  (vergl. 
bei  Folia  Stramonii)  verstanden.  Ihre  medicinische  Verwendung  ging  (1762) 
von  Störck  in  Wien  aus. 

Datura  stammt  aus  dem  Sanskrit. 


1)  Nftcli  W alz  auch  in  den  Samen  der  bei  uns  viel  gezogenen  Datura  arborea  aus  Co- 


lumbia und  Peru. 


682 


Samen. 


Semen  Hyoscyami. 

Bilsensamen.  Semence  de  jusquiame.  Heubane  seed. 

Hyoscyamus  R niger  L.  — Solaneae. 

Das  Bilsenkraut  wächst  fast  überall,  vorzüglich  an  unbebauten  Stellen 
der  nördlichen  gemässigten  Zone,  von  Nordiudien1 2)  an  durch  Sibirien, 
Kaschmir,  Persieu,  die  Kaukasusländer,  Kleinasien  und  Aegypten,  dann  in 
fast  ganz  Europa,  vom  mittleren  Norwegen  und  Finnland  bis  Portugal  und 
Griechenland;  auch  in  Nordamerika  und  Brasilien. 

Die  vom  krugförmigen  Kelche  umgebene  und  von  dessen  5 breiten  star- 
ren Zähnen  weit  überragte  Kapselfrucht  springt  mit  einem  Deckelchen  auf 
und  ist  au  dem  centralen,  durch  eiue  Scheidewand  getrennten  und  in  die 
zwei  Fächer  hiueinrageuden  Samenträger  mit  sehr  zahlreichen  Samen  be- 
setzt. Dieselben  sind  ähnlich  gestaltet  wie  die  Stcchapfelsamen , aber  nur 
wenig  über  0,00 lm  messend  und  kaum  über  V2  Milligr.  wiegend,3)  grau- 
bräunlich  oder  gelblich  und  weniger  flach.  Auch  ist  ihre  Form  mehr  kreis- 
rund oder  eiförmig,  die  Oberfläche  ganz  gleichmässig , ohne  Schwiele  von 
einem  feinen  glänzenden  erhabenen  Netzwerke  mit  geschlängelten  und  viel- 
eckigen Mascheuräumen  belegt. 

Gestalt,  Lage  und  anatomischer  Bau  des  Embryos  sind  genau  dem  des 
Sem.  Stramonii  entsprechend;  dagegen  zeigt  die  Samenschale  einige  Ab- 
weichung, indem  sie  scheinbar  nicht  aus  Zellen,  sondern  nur  aus  einer  der- 
ben knorpeligen  geschichteten  blass  gelblichen  Oberhaut  gebildet  ist. 
Stellenweise  erheben  sich  die  Schichten  derselben , d.  h.  die  verdickten  In- 
nen- und  Seitenwäude  der  Oberhautzellen  zu  weit  hervorragenden  gefalteten 
wallartigeu  Leisten,  welche  jenes  Netzwerk  der  Oberfläche  zusammensetzen. 
Zwischen  den  Leisten  findet  sich  die  zartere  eiugeschrumpfte  Aussenwand 
der  Oberhautzellen,  meist  stark  eingesunken.  Im  Querschnitte  erscheinen 
die  Leisten  als  stumpflicke  Spitzen,  getrennt  durch  tiefe  breite  Thäler,  im 
tangential  durch  die  Oberfläche  des  Samens  geführten  Schnitte  dagegen  be- 
grenzen die  wellenförmig  verlaufenden  bandartigen  Schichten  der  Leisten 
unregelmässig  sternförmige  Lücken  — die  Maschen  des  oberflächlichen 
Netzwerkes.  Die  Falten  der  Oberfläche  greifen  also  nicht  zalmartig  in  ein- 
ander wie  bei  Strainonium. 

Die  innere  dunkelbraune  Samenschale  besteht  nur  aus  wenigen  Reihen 
dünnwandiger  kleiner  Zellen,  die  aber  sehr  dicht  gedrängt  sind  und  weder 
Inhalt  noch  Lumen  erkennen  lassen,  nicht  ein  lockeres  Gewebe  darstellen 
wie  bei  Stramonium. 


1)  'u 6i  und  y.uap.04  Schweinehohno.  ToasuapAw,  ich  rase.  Das  Kraut  wird  von  Schwei- 
nen und  manchen  anderen  Thieren  gefressen. 

2)  Tn  den  Sprachen  Vorderindiens,  wo  das  Bilsenkraut  fehlt,  heisst  es  Korassan  (A.ns- 

lie)  — vielleicht  den  westlichen  Ursprung  der  Pflanze  andcufcnd. 

3)  100  Stück  lufttrocken  = 0.054  Gnom. 


Semen  Hyoscyami. 


683 


Die  Bilsensameu  schmecken  wie  die  des  Stechapfels,  aber  schwächer 
und  mehr  ölig.  Schon  das  Mikroskop  zeigt,  dass  erstere  reicher  an  fettem 
Oele  sind  (nach  Kirchh off  gegen  15  pC.,  nach  Brandes  über  24  pC.). 

Träger  der  giftigen  Wirkung  des  Samens  ist  das  (1833)  von  Geiger 
u.  Hesse  zuerst  dargestellte  Alkaloid  Hyoscyamin,  das  in  Wasser  und 
wässerigen  Alkalien  leicht  löslich  ist.  Es  ist  gleich  dem  Atropin  und  Sola- 
nin  leicht  zersetzba*  und  zeigt  hierbei  tabaksäknlicheu  Geruch  und  Ge- 
schmack. Nur  bei  grösster  Sorgfalt  gelingt  es,  das  Hyoscyamin  krystallisirt 
zu  erhalten,  wie  neuerdings  Kletzinsky1)  gezeigt  hat.  Nach  demselben 
kömmt  dem  Alkaloid  die  Formel  GlsH17N&zu,  welche  dem  Nitril  der 
Santoninsäure  (Santonin)  entspricht.  In  der  That  wird  das  Hyoscyamin 
durch  Natronlauge,  welche  unter  höherem  Drucke  einwirkt,  in  Ammoniak 
und  santonsaures  Natron  zerlegt. 

Die  höchst  giftige  Wirkung  des  Hyoscyamins  steht  der  des  Atropins  und 
Daturins  nahe  und  übertrifft  sie  zum  Theil  noch , wenigstens  in  Bezug  auf 
die  Pupille.  Es  scheint  in  den  Samen  weit  reichlicher  vorzukommen  als  im 
Kraute  oder  in  der  Wurzel,  immerhin  jedoch  nur  in  sehr  geringer  Menge 
(vergl.  bei  Folia  Hyoscyami). 

In  Grösse,  Gestalt  und  innerem  Bau  stimmt  der  Samen  von  Atropa 
Belladonna  mit  dem  des  Hyoscyamus  überein;  ersterer  ist  nur  vorherrschend 
von  bleigrauer  oder  graubräuulicher  Farbe.  An  eine  Verwechslung  dieser 
beiden  Samen  ist  aber  wegen  der  abweichenden  Beschaffenheit  der  Früchte 
nicht  zu  denken. 

Der  Same  des  südeuropäischen,  schon  von  den  Alten  gebrauchten,  z.  B. 
von  Dioskorides  vorzüglich  empfohlenen  Hyoscyamus  albus  L.  stimmt 
bis  auf  seine  weit  hellere  gelbliche  Farbe  mit  dem  des  H.  niger  überein, 
scheint  aber  bedeutend  schwächer  zu  sein.  — In  Griechenland  dienen  die 
Samen  des  Hyoscyamus  major  Mill.  statt  derjenigen  des  dort  selteneren 
H.  niger. 

Die  letztere  Pflanze  wurde,  obwohl  auch  den  Alten  und  dem  Mittelalter 
bekannt,  doch  erst  in  neuerer  Zeit  in  allgemeineren  Gebrauch  gezogen,  be- 
sonders nach  Störck’s  Vorgänge,  von  17G2  an.  — Ein  von  Pfeiffer2) 
herausgegebenes,  vermuthlich  in  Schaff  hausen  verfasstes  altdeutsches 
Arzneibuch  aus  der  zweiten  Hälfte  des  XII.  Jahrhunderts  erwähnt  weissen 
(wizun)  Bilsen  und  in  einem  ähnlichen,  um  ein  Jahrhundert  späteren  Werke 
aus  Baiern  (Tegernsee)  finden  wir  Bilsenöl,  d.  h.  ohne  Zweifel  das  gepresste 
Oel  der  Samen.  Die  heilige  Hildegard,  um  1150,  kannte  ebenfalls  die 
„Bilsa.“ 


])  Mitth.  aus  d.  Gebiete  d.  reinen  und  angewandten  Chemie.  Wien  1865.  24. 

2)  Wien  1863.  pag.  13  u.  33. 


684 


Samen. 


C.  scharf  oder  kratzend  schmeckende  Samen. 

Semen  Sinapis  albae. 

Semen  Erücae.  Semen  Sinapis  citrinum.  Weisser  Senf.  Moutarde  blanche 
ou  anglaise.  White  mustard  seed. 

Sinapis  alba  L.  — Cruciferae-Orthoploceae. 

Der  weisse  Senf  gehört  den  südlicheren  Gegenden  Europas  an  und 
findet  sich  unzweifelhaft  wild  z.  B.  in  Griechenland1)  und  auf  Cypern.  In 
Mitteleuropa,  namentlich  in  Deutschland  und  der  Schweiz,  scheint  er  nicht 
einheimisch,  sondern  nur  durch  Cultur  oder  durch  zufällige  Aussaat  mit 
Getreide  da  und  dort  verwildert  zu  sein.  Sehr  häufig  wächst  er  jedoch 
wieder  in  ganz  England.  Wie  der  schwarze  Senf,  wird  er  jetzt  auch  in  den- 
selben Gegenden  im  grösseren  Masstabe  gebaut. 

Die  kurze  borstige  Schote,  durch  einen  eben  so  langen  schwertförmigen 
vielnervigen  Schnabel  ausgezeichnet,  enthält  1 — 5 kugelige  oder  seitlich 
ein  wenig  zusammengefallene  hellgelbe  Samen  von  ungefähr  2 Millimeter 
Durchmesser,  der  aber  ziemlich  schwankt,  und  5 Milligramm  Gewicht. 
100  Stück  lufttrockener  Samen  wiegen  0,542  Gramm.  Die  etwas  spröde, 
fast  durchsichtige  und  farblose  Samenschale  schliesst  einen  lebhaft  und 
rein  gelben  Embryo  von  demselben  Bau  ein,  wie  der  des  schwarzen  Senfes. 
Auf  der  Samenschale  des  weissen  ist  jedoch  das  Würzelcheu  oft  schon 
deutlich  ausgeprägt.  Die  Oberfläche  der  letzteren  ist  ebenfalls  netzig  grubig, 
aber  so  fein  gezeichnet,  dass  der  weisse  Senf  ganz  glatt  erscheint,  wenn 
man  nicht  eine  stärkere  Vergrösseruug  zu  Hülfe  nimmt. 

In  Wasser  quillt  die  Oberhaut  noch  stärker  auf  wie  bei  dem  schwarzen 
Senf,  der  Vorgang  ist  aber  etwas  abweichend  wegen  der  verschiedenen 
Bildung  der  Oberhaut.  Die  äusserste  Schicht  derselben  ist  hier  aus  ähn- 
lichen farblosen,  sehr  fein  horizontal  gestreiften  Zellen  gebaut,  welche  aber 
im  Querschnitte  nach  aussen  sehr  stark  gewölbt,  50  — 80  Mikromill.  hoch 
und  etwa  eben  so  breit  erscheinen.  Von  oben  gesehen,  bilden  sie  6 eckige, 
oft  gegen  80  Mikromill.  messende  Tafeln,  durch  welche  hindurch  man  die 
kleinen  Intercellularräume  der  folgenden  Zelleureihe  als  hellen  Punkt  wahr- 
nimmt. Unter  der  äusseren  Schicht  folgt  nämlich  eine  Reihe  gleich  grosser 
kubischer  Zellen,  deren  erst  im  Wasser  aufquelleude  Querwände  oft  stark 
geschlängelt  sind.  Hier  ist  es  also  eine  vollständige  zusammenhängende 
zweite  Zellschicht  der  Oberhaut,  nicht  nur  einzelne  strebepfeilerartige  Zell- 
gruppen, welche  sich  aufrichten.  Auch  im  trockenen  Zustande  bilden  diese 
Zellen  eine  mehr  gleichmässige  Schicht  zwischen  der  äusseren  Oberhaut 
und  der  Sameuhaut,  mit  nur  geringen  Hervorragungen,  daher  die  fast  glatte 

Oberfläche  des  weissen  Senfsamens. 

Die  äussere,  etwa  35  Mikromill.  dicke  Lage  der  äusseren  Samenhaut 


1)  neugriechisch  Imaride  oder  laps&ne  (Held reich). 


Semen  Sinapia  albae. 


685 


besteht  aus  gleich  gebauten,  aber  kaum  etwas  gelblichen  Zellen,  wie  die 
entsprechende  Schicht  des  schwarzen  Senfs.  Ebenso  die  innere  Lage,  sowie 
die  ganze  innere  Samenhaut,  deren  Zellen  nur  etwas  grösser  sind.  Aue 
der  Keim  des  weissen  Senfs  zeigt  im  Bau  und  Inhalt  keine  Eigenthümlichkeit. 

Die  schwach  gelbliche  Emulsion,  welche  der  weisseSenf  beim  Zerreiben 
mit  Wasser  gibt,  schmeckt  sehr  scharf,  ist  aber  geruchlos  und  liefert  bei 
der  Destillation  unter  keinen  Umständen  flüchtiges  Oel.  Der  scharfe  btoft 
ist  noch  nicht  isolirt,  verdankt  aber  seine  Entstehung  einer  von  Myrosin 
ausgehenden,  durch  Gegenwart  von  Wasser  vermittelten  Zersetzung,  welche 
nicht  eintritt,  wenn  man  den  Samen  statt  mit  Wasser  z.  B.  mit  W eingeist 
zerquetscht.  Als  denjenigen  Körper,  der  diese  Zersetzung  erleidet,  haben 
von  Babo  u.  Hirschbrunn  (1852)  das  Schwefelcyan-Sinapin 
erkannt,  wovon  sie  durch  Auskochen  des  vom  fetten  Oele  befreiten  Samens 
mit  Weingeist  1 p.  Mille  in  lockeren  farblosen,  auch  in  heissem  Wasser  lös- 
lichen Krystallnadeln  erhielten.  Mit  Schwefelsäure  behandelt,  gibt  das 
Schwefelcyan-Sinapin  KrystaUe  von  saurem  schwefelsaurem  Sinapin,  woraus 
sich  die  reine,  in  Wasser  leicht  lösliche  Base  Sinapin  O16H23N-0-5  gewinnen 
lässt,  welche  aber  für  sich  wenig  haltbar,  sondern  nur  in  stark  gelb  ge- 
färbter Lösung  darstellbar  ist.  Beständiger  sind  die  Salze;  so  verträgt 
gerade  die  obige  Schwefelcyan-  (Rhodan-) Verbindung  eine  Temperatur  von 
fast  130°  C.  ohne  Veränderung.  Die  geringsten  Mengen  irgend  welcher 
alkalisch  reagirender  Körper  färben  das  Schwefelcyan-Sinapin  stark  gelb; 
mit  Eisenoxydsalzen  gibt  es  dieselbe  prächtig  rothe  Färbung  wie  das 
Schwefelcyan- Kalium.  Bisweilen  aber  tritt  das  im  Senf  vorhandene 
Salz  in  einer  isomeren  Modification  auf,  welche  das  Schwefelcyan  in 
anderer  Form  enthält,  so  dass  es  auf  Eisenoxydsalze  nicht  reagirt. 
Die  geringe  Menge  des  im  weissen  Senf  vorkommenden  Schwefelcyan- 
Synapins  reicht  doch  hin,  schon  den  wässerigen  Auszügen  desselben  die 
Eigenschaft  zu  ertheilen,  auf  Zusatz  von  Eisenchlorid  eine  rothe  und  mit 
Alkalien  eine  schön  gelbe  Färbung  anzunehmen.  Man  hat  nur  nöthig,  wenige 
Samenkörner,  ohne  sie  zu  zerquetschen,  einige  Stunden  oder  Tage 
mit  Wasser  zu  digeriren,1)  um  die  Reaktion  aufs  schönste  zu  erhalten. 
Schwarzer  Senf,  ganz  oder  gepulvert,  in  gleicherweise  behandelt,  gibt 
nur  eine  schwache  bräunliche  Färbung,  wenn  Eisenchlorid  zugesetzt  wird. 
Mit  kaustischen  Alkalien  gekocht,  zerfällt  das  Schwefelcyan-Sinapin  in  eine 
neue,  sehr  starke,  nicht  flüchtige  krystallisirende  Base,  Sinkalin,  in  Sina- 
p insäure  und  Schwefelcyan.  Neben  dem  Schwefelcyan-Sinapin  scheint 
der  Senfsamen  noch  eine  schwefelreichere  Verbindung  zu  enthalten,  so  wie 


1)  Der  wenig  gefärbte  schleimige  Auszug  schmeckt  nicht  scharf  und  coagulirt  nicht  beim 
Kochen.  Man  gewinnt  daraus  selbst  bei  Anwendung  kleiner  Mengen  von  Senf  leicht  krystalli. 
sirtes  Rhodansinapin.  Die  unverletzte  Samenschale  wirkt  also  hier  dialytisch,  sie  hält  das 
Myrosin  zurück  und  lässt  das  Krystalloid  Rhodansinapin  (neben  Zucker  und  Gummi)  merk- 
würdigerweise unzersetzt  durchgehen.  Die  Samenschale  selbst  färbt  sich  mit  Alkalien  nicht, 
enthält  also  kein  Sinapin.  Der  Auszug  riecht  höchst  auffallend  nach  Honig. 


686 


-Samen. 


ferner  einen  Tkeil  des  Sinapins  in  freiem  Zustande  oder  doch  nicht  als 
Schwefelcyan -Verbindung,  da  die  Mutterlaugen  vor  der  Darstellung  des 
Schwefelcyau-Sinapius  noch  mehr  dieses  Salzes  liefern,  wenn  man  sie 
mit  Schwefelcyan-Kalium  versetzt.  — Das  Sclnvefelcyan-Sinapin  war  früher 
als  Sinapin,  Sulfosinapisin  oder  Schwefelsenfsäure  bezeichnet 
worden. 

Die  übrigen  Bestandtheile  des  weissen  Senfs  sind  dieselben,  wie  die  des 
schwarzen.  An  Myrosin  scheint  wohl  ersterer  weit  reicher  zu  sein,  so 
dass  nach  den  beim  schwarzen  Senf  auseinander  gesetzten  Beziehungen  des 
Myrosins  zum  Senföl  die  Schärfe  des  schwarzen  Senfs  durch  Zusatz  von 
weissem  gesteigert  wird.  Das  fette  Oel  beträgt  28  pC.  — Die  aufquellende 
Oberhaut  gibt  an  warmes  oder  kaltes  Wasser  reichlich  ein  durch  Alkohol, 
Bleizucker  und  Eisenchlorid  fällbares  Gummi  ab,  das  sich  nach  dem  Ein- 
trocknen wieder  in  Wasser  löst.  Erwärmt  man  es  längere  Zeit  mit  ver- 
dünnter Schwefelsäure,  so  geht  es  in  Zucker  über- 

Erucin  und  Senfsäure,  von  Simon  als  eigenthümliche  Stoffe  des 
weissen  Senfs  bezeichnet,  sind.ganz  problematisch. 

Der  bei  Semen  Sinapis  nigrae  beschriebene  Samen  von  Sinapis  cirven- 
sis  gehört  in  chemischer  Beziehung  zum  weissen  Senf,  indem  er  mit  lauem 
Wasser  zerrieben,  eine  scharf  schmeckende,  aber  geruchlose  Emulsion  gibt, 
deren  Filtrat  sich  (nach  der  Coagulation  des  Myrosins)  mit  Eisenchlorid 
roth  färbt. 

Die  gelblichen  Samen  der  in  Südeuropa  und  Aegypten  einheimischen, 
z.  B.  bei  Athen  und  Korinth  sehr  häufigen  Eruca1)  sativa  Lamarck 
(Brassica  Eruca  L.),  welche  aber  auch  durch  Italien  bis  in  die  südliche 
Schweiz  (Wallis)  vorkömmt,  sind  seitlich  zusammengedrückt,  nicht  kugelig 
und  weuiger  scharf  als  der  Senf  und  messen  nur  wenig  über  1 Millimeter. 
Ihres  fetten  Oeles  wegen  wird  Eruca  auch  in  Persien  (Isfahan,  Kaschan) 
gebaut. 

Der  weisse  Senf  sowohl  als  der  schwarze  findet  sich  im  Handel  gepul- 
vert oder  auch  in  Latwergenform  als  “Tafelsenf  und  ist  daun  mancherlei 
Verfälschungen  ausgesetzt.  Sehr  häufig  dienen  hierzu  stärkmehlreiche 
Substanzen,  welche  an  der  Form  oder  durch  die  Jod-Reaktion  desAmylums 
erkannt  werden  können.  Curcuma,  welche  sich  durch  ihre  karbe  sehi  als 
Zusatz  empfiehlt,  nimmt  mit  Alkalien  eine  tief  brauurothe  I ärbuug  an. 


1)  'Püüz.a  (Rhuka)  in  Griechenland. 


Semen  Sinapis  nigrae. 


687 


Semen  Sinapis  nigrae. 

Semen  Sinapis1 2)  viridis.  Semen  Sinapinigri.  Semen  Sinapeos.  Schwarzer 
Senf.  Grüner  Senf.  Moutarde  noire  ou  grise.  Mustard  seed. 

Brassica  nigra  Koch.  — Cruciferae-Orthoploceae. 

Syn.:  Sinapis  nigra  L. 

Der  schwarze  Senf  ist  im  grössten  Theile  Europas , wie  es  scheint  mit 
Ausschluss  des  höchsten  Nordens  (Norwegen)  und  des  äussersten  Südens 
(Griechenland)  einheimisch,  besonders  häufig  z.  B.  im  westlichen  und  süd- 
lichen Deutschland,  auch  in  England,  dagegen  auf  grossen  Strecken,  wie 
etwa  in  der  Schweiz,  ganz  fehlend.  Buhse  fand  den  schwarzen  Senf  auch 
in  Transcaucasien  bei  Eriwan.  Durch  die  in  vielen  Gegenden,  wie  im 
Eisass,  in  Böhmen,  Holland,  England  (Durham,  Yorkshire),  Italien  (Apulien), 
Griechenland,  auch  in  Californien,  sehr  im  grossen  betriebene  Kultur  hat 
sich  die  Pflanze  in  manchen  Ländern  verbreitet,  wo  sie  sonst  wohl  gefehlt 
hatte.  Auch  in  Canada  ist  sie  bereits  augesiedelt. 

Die  zweifächerige,  in  2 Klappen  aufspringende  Schote  enthält  in  jedem 
Fache  4 — 6 kleine  kugelige  oder  etwas  längliche,  durchgängig  ziemlich 
gleich  grosse  Samen  von  1 Millimeter  Durchmesser,  1 Milligramm  Gewicht3) 
und  mehr  oder  weniger  dunkler  rothbrauner  Farbe.  Nur  an  dem  etwas 
dunkleren  Nabel  sind  sie  kaum  wahrnehmbar  weiss  gezeichnet,  die  ganze 
übrige  Oberfläche  erscheint  unter  der  Loupe  fein  netzig-grubig  und  etwas 
schiilferig.  Die  dünne  durchscheinende  spröde  und  innen  glatte  Samen- 
schale birgt  einen  eiweisslosen  gelblichen  Embryo,  dessen  beide  kurze 
Keimblätter  der  Länge  nach  gefaltet  eine  Rinne  bilden,  in  welche  das 
Würzelcheu  heraufgebogen  ist.  Der  in  dieser  Weise  kugelig  zusammen- 
geknänelte  Embryo  füllt  die  Samenschale  vollständig  aus,  indem  das  äussere 
übergreifende  Keimblatt  noch  dicker  und  fleischiger  ist  als  das  innere, 
welches  im  Querschnitte  gesehen , das  Würzelchen  zangenartig  umfasst.  — 
Gepulvert  sieht  der  Samen  beinahe  grünlich  aus. 

Unter  Wasser  umgeben  sich  die  Samenkörner  nach  kurzer  Zeit  mit 
einer  glasartigen  Hülle,  welche  die  Unebenheiten  der  Samenschale  aus- 
gleicht, so  dass  dieselbe  jetzt  fast  ganz  glatt  erscheint.  Dieses  Verhalten 
beruht  auf  einem  eigenthümlicheu  Aufquellen  der  Oberhaut  und  der  äus- 
seren Wandungen  der  Samenschalenzellen. 

Die  Oberhaut  stellt  nämlich,  unterWasser  gesehen,  eine  einzige  Reihe 
in  tangentialer  R ichtung  sehr  bedeutend  gestreckter  zarter,  im  Querschnitte 
gegen  20  Mikromillim.  dicker  Zellen  ohne  Farbe  und  Inhalt  dar.  Von  oben 


L iNaxu  (napy)  Senf,  neugriechisch  iava~t.  Daraus  schon  im  altdeutschen  vor  dem  XII. 
Jahrhundert  Senaf,  später  auch  senif,  semp. 

2)  100  Stück  lufttrockoncr  Samen  = 0,1044  Grm.  — Spcc.  Gewicht  = 1,00  im  luft- 

haltigen trockenen  Znstande. 


688 


Samen. 


betrachtet,  zeigen  sie  sich  als  meist  6 eckige  Tafeln  von  70—80  Mikromill. 
diagonalem  Durchmesser,  aus  denen  die  weissen  Schüppchen  bestehen, 
welche  an  der  Oberfläche  der  Samen  schon  durch  die  Loupe  wahrnehmbar 
sind.  Blickt  man  von  oben  auf  einen  tangentialen  Schnitt  durch  die  Samen- 
schale , so  sieht  man  unter  der  farblosen  Oberhaut  deutlich  die  Höhlungen 
von  quer  durchschnittenen  Zellen  der  äusseren  Schicht  der  ersteren. 

Diese  dunkel  rothbraune,  15  Mikromill.  breite  Schicht  ist  nämlich  aus 
einer  sehr  dichten  Reihe  regelmässig  radial  gerichteter  Zellen  mit  sehr 
starken  Innen-  und  Seitenwänden  gebaut.  Nach  aussen  dagegen  sind  diese 
Zellen  durch  zarte  farblose  oder  gelbliche  Wände  geschlossen,  welche  in 
Wasser  aufquellen.  An  einzelnen  Stellen  der  Samenschalen -Peripherie, 
welche  durchschnittlich  80  Mikromillim.  aus  einander  liegen,  erfolgt 
dieses  Aufquellen  regelmässig  bei  kleinen  Gruppen  etwas  dichter  ge- 
drängter, weit  längerer  Zellen  in  höchst  auffallender  Weise.  Dieselben 
strecken  sich  nämlich  in  radialer  Richtung  bis  zu  50  Mikromill.  und 
bilden  so  gleichsam  gerade  oder  ein  wenig  geschlängelte  Strebepfeiler,  auf 
welchen  erst  die  eben  beschriebene  Oberhaut  zierlich  ausgespannt  ist.  An 
den  trockenen  Samen  ist  die  letztere  zwischen  die  ebenfalls  zusammen- 
geknitterten Strebepfeiler  zurückgefallen  und  bildet  dadurch  eben  das 
Maschenwerk  der  Oberfläche.  Ein  nicht  zum  Aufquellen  gebrachter,  z.  B. 
nur  mit  Terpenthinöl  befeuchteter  Schnitt  gewährt  daher  einen  ganz  ver- 
schiedenen unklaren  Anblick. 

In  ihrer  inneren,  nur  4 — 5 Mikromill.  breiten  Schicht  enthält  die  äussere 
Samenschale  unregelmässige,  tangential  gestreckte,  zum  Theil  derbwandige 
Zellen  von  tief  dunkelbraunrother  Farbe,  mit  welchen  die  innere,  beinahe  farb- 
lose Samenschale  oder  Samenhaut  fest  zusammenhängt.  Sie  besteht  aus 
einer  einreihigen  äusseren  Lage  ansehnlicher,  etwas  dickwandiger,  tangen- 
tial gedehnter  Zellen  mtt  granulösem  bräunlichem  Inhalte  und  einer  inneren 
Schicht  sehr  enger  flacher  zusammengefallener  und  stark  tangential  ge- 
streckter Zellen. 

Die  Keimblätter  sind  aus  einem  sehr  regelmässig  gereihten  Gewebe  von 
dünnwandigen  grossen  eckigen,  im  Querschnitte  gestreckten  Zellen  gebildet, 
deren  äusserste  Reihe  bedeutend  kleiner  und  durch  nach  aussen  etwas 
dickere  Wände  unterschieden  ist.  Das  Würzelchen  enthält  beträchtlich 
weitere , mehr  kugelige  Zellen , doch  wird  das  Centrum  von  einem  Strange 
weit  engeren  und  axial  gestreckten  Parenchyms  eingenommen.  Gefässbündel 
fehlen  dem  Embryo. 

Die  rothbraunen  Zellwände  der  Samenschale  werden  durch  Kali  nicht 
angegriffen,  das  Parenchym  des  Embryos  aber  vorübergehend  gelb  gefärbt. 
Dasselbe  enthält  grosse  Oeltropfen,  nach  deren  Beseitigung  durch  Terpen- 
thinöl das  Gewebe  sich  von  Proteinstoffen  in  grossen  durchsichtigen  Klumpen 
erfüllt  zeigt.  Kali  löst  dieselben  fast  vollständig  auf. 

Der  Senf  ist  beim  Kauen,  nicht  aber,  so  lange  die  Körner  unversehrt 
sind,  im  ersten  Augenblicke  von  milde  öligem,  schwach  säuerlichem 


Semen  Sinapia  nigrae. 


689 


Geschmacke,  der  sich  aber  alsbald  zu  brennender  Schärfe  steigert.  Die 
weisslichgelbe  Emulsion,  die  man  beim  Anreiben  des  Samens  mit  kaltem 
oder  massig  warmem  Wasser  erhält,  entwickelt  eine  durchdringende,  auch 
die  Augen  heftig  angreifende  Schärfe,  welche  dem  trockenen  Pulver  fehlt, 
und  reagirt  stark  sauer.  Reibt  man  den  Samen  mit  kalter  Aetzlauge,  so 
tritt  jener  Geruch  nicht  auf,  auch  nicht  beim  Kochen,  wobei  nur  schwach 
alkalisch  reagirende  Dämpfe  entweichen.  Auch  W eingeist,  Chlorwasser,  ver- 
dünnte Mineralsäuren  oder  Gerbsäurelösung,  mit  dem  Samen  angerieben, 
rufen  jene  Schärfe  nicht  hervor.  Lange  aufbewahrtes  Senfpulver  verliert 
die  Fähigkeit,  mit  Wasser  die  Schärfe  zu  erzeugen  und  dieselbe  scheint 
auch  vom  Standorte  der  Pflanze  oder  ihrer  Behandlung  einigermassen  ab- 
zuhängen. Bisweilen  herrscht  nämlich  ein  solcher  Mangel  an  Myrosin  im 
Samen,  dass  er  erst  dann  das  flüchtige  Oel  entwickelt,  wenn  er  mit  mehr 
Myrosin  vermittelst  einer  Emulsion  des  weissen  Senfs  zusammengebracht 
wird. 

Durch  Destillation  des  Senfs  mit  Wasser  nach  vorherigem  Einweichen 
erhält  man  den  scharfen  Stoff,  das  ätherische  Senf  öl,  das  im  Durchschnitt 
nicht  mehr  als  0,44  bis  0,57  pC.  beträgt.  Angaben  von  beträchtlicherer  Aus- 
beute, bis  höchstens  1,2 pC.,  stehen  mehr  vereinzelt.  Dieses  Oel,  G4H5 NS 

oder  (Schwefelcyanallyl.  Rhodanallyl)  von  1,010  spec.  Gewicht, 

bei  148°  C.  siedend,  optisch  unwirksam,  ist  der  Träger  des  scharfen  Ge- 
ruches und  Geschmackes,  so  wie  der  Haut  entzündenden  blasenziehenden 
Wirkung  des  Senfs,  daher  statt  desselben  auch  wohl  eine  Lösung  des  Senföls 
in  40 — 60  Theilen  Weingeist  angewandt  wird.  Es  ist  in  dem  trockenen  Sa- 
men noch  nicht  vorhanden,  sondern  tritt,  wie  schon  angedeutet,  erst  auf, 
wenn  frischer  Samen  mit  kaltem , oder  höchstens  50  bis  60°  C.  warmem 
Wasser  zerquetscht  wird.  Ganze  Samenkörner  liefern  bei  der  Destillation 
kein  Oel,  da  die  harte,  verhältnissmässig  sehr  starke  Samenschale  dem 
Wasser  widersteht. 

Nach  vielen  über  diesen  Hergang  angestellten  Untersuchungen  ist  derselbe 
schliesslich  durch  Will  u.  Körner  (1863)  aufgeklärt  worden.  Der  Senf 
enthält  nämlich  in  geringer  Menge1)  das  krystallisirbare  wasserfreie  Kali- 
salz einer  eigenthümlichen  Säure,  Myronsäure,  von  der  Formel 
G10H18NKS2O10,  also  die  Elemente  von  Senföl  G4H5NS, 


Zucker  (Rechtstraubenzucker) G6H12  O6 

und  Kalibisulfat K H 


in  sich  vereinigend.  In  der  That  zerfällt  das  in  Senf  enthaltene  myronsäure 
Kali  in  diese  drei  Moleciile*  wenn  es  in  Wasser  gelöst,  mit  Myrosin  in 


*)  Jene  beiden  Chemiker  erhielten  0,5  bis  0,6  pC.,  Ludwig  u.  Lange  0,5  pC.  myron- 
saures  Kali.  Die  Reindarstellung  desselben  ist  daher  mit  grossem  Verluste  verbunden,  indem 
die  Minimal ausbcute  an  ätherischem  Oele  (0,44  pC.)  schon  2,37  pC.  myronsaures  Kali 
voraussetzt. 

Fliicki  ger,  Pharmakognosie. 


44 


«90 


•Samen. 


Berührung  gebracht  wird.  Dieser  eiweissartige  Körper,  1839  von  Bussy 
entdeckt,  dessen  Zusammensetzung  noch  nicht  feststeht,  erleidet  hierbei 
selbst  auch  eine  Zersetzung.  Kein  anderer  Körper  wirkt  gleich  auf  den 
Senf,  wohl  aber  kann  das  isolirte  myronsaure  Kali  auch  durch  Alkalien,  nach 
Ludwig  u.  Lauge  (1860)  auch  durch  Silbersalz  gespalten  werden. 

Die  wässerige  Lösung  des  Myrosins  coagulirt  bei  60°  C.  und  ist  dann 
ohne  Wirkung,  daher  gibt  bis  100°  C.  erhitzter  oder  gar  gerösteter,  oder 
sogleich  mit  kochendem  Wasser  behandelter  Samen  kein  flüchtiges  Senföl. 
Aus  der  mit  Myrosin  zusammengebrachteu  Senfemulsion  oder  der  Lösung 
des  reinen  myronsauren  Kalis  scheidet  sich  durch  Zerfallen  des  Schwefel- 
cyauallyls  häufig  etwas  Schwefel  aus,  so  dass  sich  dem  rohen  Seuföl  bis- 
weilen sehr  bedeutende  Mengen  (bis  zur  Hälfte)  Cyanallyl  G4H‘,N  bei- 
mengen, welches  durch  geringeres  specifisches  Gewicht  (0,839)  und  niedri- 
geren Siedepunkt  (118°  C.)  ausgezeichnet  ist. 

Die  ätherischen  Oele  der  Samen,  Wurzeln  oder  des  Krautes  vieler  an- 
deren Cruciferen  bestehen  zum  Theil  gleichfalls  aus  Senföl  oder  aus 


Knoblauchzwiebeln  (Allium  sativum  L.)  vorkömmt.  Manche  Cruciferen,  wie 
z.  B.  das  gemeine  Sisymbrium  Alliaria  Scopoli,  bilden  in  ihren  Wurzeln  und 
Samen  nur  oder  doch  vorzugsweise  Senföl,  in  den  Blättern  dagegen  Knob- 
lauchöl, welches  Verhältniss  aber  auch  durch  Standort  und  Jahreszeit  Ver- 
änderungen erleidet.  — Alle  diese  Cruciferen  enthalten  Myrosin,  daher  im 
feuchten  Zustande  schon  fertig  gebildetes  flüchtiges  Oel  (vergl.  auch  bei 
Herba  Cochleariae). 

Die  küustliche  Darstellung  des  Senföls  vermittelst  Glycerin  lehrten 
(1855)  Zinin  einerseits  und  gleichzeitig  auch  Berthelot  u.  de  Luca.  — 
Durch  sein  ganzes  Verhalten  ist  das  Senföl  einer  der  interessantesten  Kör- 
per der  organischen  Chemie.  — Es  löst  sich  ohne  Färbung  und  Trübung 
in  der  8fachen  Menge  conceutrirter  Schwefelsäure,  wenn  es  rein  ist. 

Beim  Pressen  liefert  der  Senf  bis  32  pC.  eines  milde  schmeckenden, 
fast  geruchlosen,  nicht  trocknenden,  unter  — 17,5°  C.  erstarrenden  Oeles, 
aus  Glycerinverbindungen  der  Stearin-,  Olein-  und  Eruca-  (oder  Brassica-) 
Säure  bestehend.  Die  letztere,  G22H1202,  findet  sich  auch  im  fetten  Oele 
von  Siuapis  alba  und  Brassica  Napus  (Rüböl)  und  gehört  in  die  Oelsäure- 
Reihe. 

Die  Quantität  des  Myrosins  ist  nicht  genauer  ermittelt,  scheint  aber 
wohl  nicht  sehr  bedeutend  zu  sein , da  der  Gesammtgehalt  des  Samens  an 
Stickstoff  von  Hoffmann  zu  2,9  pC.  gefunden -wurde,  was  etwa  18  Pro- 
centen  Myrosin  entsprechen  würde,  wenn  dasselbe  gleich  viel  Stickstoff 
enthielte  wie  Albumin  und  wenn  die  Gesammtmenge  des  Stickstoffes  auf 
Myrosin  bezogen  werden  dürfte.  Die  Aschenbestandtheile,  4 pC.  betragend, 
sind  vorwiegend  Phosphate  von  Calcium,  Magnesium  und  Kalium.  Das  hy- 
groskopische Wasser  pflegt  6 bis  7,5  pC.  nicht  zu  übersteigen. 


welches  ziemlich  rein  auch  in  den 


Semen  Sinapis  nigrae. 


691 


Dragendorff  hat  im  Samen  des  schwarzen  Senfs  auch  9 pC.  amor- 
pher Stärke  (in  der  bei  Semen  Lini  angeführten  Weise)  angegeben.  — Mit 
Terpenthinöl  von  fettem  Oele  .befreite,  mit  Weingeist  ausgewaschene  und 
mit  Wasser  befeuchtete  Schnitte  durch  den  Keim  lassen  jedoch  auf  Zusatz 

von  Jod  keine  blaue  Färbung  erkennen. 

Die  in  Wasser  aufquellende  Oberhaut  gibt  an  kaltes  oder  warmes  Wasser 
(19  pC  Hoffmann)  Gummi  ab,  welches  sich  so  verhält  wie  das  des 
weissen  Senfs,  ohne  aber  mit  Eisenchlorid  eine  rothe  Färbung  anzunehmen. 

Ludwig  u.  Lange  haben  (1860)  die  Existenz  einer  schwefelhaltigen, 
bitter  schmeckenden  Base  im  schwarzen  Senf  wahrscheinlich  gemacht, 
welche  in  Berührung  mit  Myrosin  (Aufguss  des  weissen  Senfs)  Senföl 

bildet.  .-iii 

Der  Senf  wurde  schon  in  den  ältesten  Zeiten  als  Arzneimittel  und  als 

Würze  (Mostrich)  gebraucht  und  zwar  ohne  Zweifel  der  schwarze  sowohl 
als  der  weisse.  Auf  den  ersteren  ist  wohl  derjenige  Senf  zu  beziehen,  den 
Di.oskorides  gepulvert  als  grün  bezeichnet,  auf  den  letzteren,  wenn  nicht 
vielmehr  auf  Eruca  sativa,  die  Eruca  alba,  deren  Anbau  neben  Sinapi  Karl 

der  Grosse  in  seinen  Capitularien  befahl. 

Dem  schwarzen  Senf  sehr  ähnlich  sind  die  Samen  des  überall  v erbrei 
teten  Unkrautes  Sinapis  arvensis  L.  Sie  messen  durchschnittlich  1 /4  Milli 
meter  und  wiegen  l3/4  Milligr.,1)  sind  bei  der  Reife  fast  schwarz  oder  doch 
dunkelbraun  und  bei  weitem  feiner  punktirt  als  der  schwarze  Senf.  Ihr 
übrigens  gleichartiger  anatomischer  Bau  unterscheidet  sich  von  dem  des 
letzteren  sehr  bestimmt  dadurch,  dass  die  Oberhaut  aus  einer  einzigen 
Schicht  nach  aussen  stark  gewölbter  Zellen  besteht,  welche  nicht  durch 
Aufquellen  einer  inneren  Zellschicht  von  der  äusseren  Samenhaut  wegge- 
hoben werden.  Die  Gestalt  der  Oberhautzellen  stimmt  mit  denen  der  äusse- 
ren Oberhautschicht  von  Sinapis  alba  überein.  Diesem  Samen  steht  auch 
Sinapis  arvensis  in  chemischer  Hinsicht  näher  (vergl.  bei  Semen  Sinapis 
albae). 

Die  Oelsamen,  von  Brassica  Napus  und  Br.  RapaV ar.  oleifera , sind 
kugelig,  nur  sehr  fein  grubig  punktirt,  schwärzlich,  gegen  2 Millimeter  mes- 
mend  und  beim  Kauen  fast  ohne  Schärfe. 

In  Sarepta,  Gouvernement  Saratow,  und  dem  ganzen  südöstlichen 
Russland  bis  tief  in  die  Kirgisensteppe  wird  seit  Anfang  des  Jahrhunderts 
in  grossem  Masstabe  Sinapis  juncea  Mayer  gebaut  und  der  Samen  verar- 
beitet. Die  Pflanze  ist  sonst  auch  in  China,  Indien  und  Aegypten  zu  Hause. 
Das  älteste  und  bedeutendste  Haus,  Gebrüder  Glitsch  in  Sarepta,  liefert 
jährlich  über  800,000  Kilogr.  dieses  Senfsamens  in  den  Handel  und  zwar, 
von  der  Samenschale  und  dem  (etwa  25  pC.  betragenden)  fetten  Oele  be- 
freit, als  feinstes,  schön  gelbes,  unter  dem  Mikroskop  sehr  gleichförmiges!, 
wenig  charakteristisches  Pulver.  Dasselbe  entwickelt  daher  auch  mit  W asser 


44* 


U 100  Stück  lufttrocken  = 0,1755  Grmm. 


692 


Samen. 


den  kräftigsten  Senfölgeruch.  Die  filtrirtc  Emulsion  gibt  nach  der  Beseiti- 
gung des  coagulirten  Myrosins  mit  Eisenchlorid  keine  rothe  Färbung.  Der 
milde  angenehme  Geschmack  des  fetten  Oeles  dieser  Art  hat  demselben  in 
Russland  als  Speiseöl  den  Vorrang  selbst  vor  Olivenöl  verschafft.  — Die 
Pflanze  liebt  den  mässig  salzhaltigen  Boden  der  Wolgasteppen  ganz  beson- 
ders, erschöpft  denselben  aber  stark. 

Ganze  Samen,  welche  ich  einem  Herbarium-Exemplare  der  Sinapis  jun- 
cea aus  Canara  (Westküste  Vorderindiens)  von  Dr.  Hohenacker  verdanke, 
zeigen  äusserlich  die  grösste  Uebereinstimmung  mit  Sinapis  nigra  und  mes- 
sen durchschnittlich  1,3  Millimeter.  Sie  quellen  im  Wasser  wohl  etwas  auf, 
umgeben  sich  aber  doch  nicht  mit  einer  schleimigen  Hülle  wie  die  anderen 
Senfarten.  In  der  That  bietet  aber  auch  Sinapis  juncea  besondere  anato- 
mische Verhältnisse. 

Die  Oberhaut  besteht  nämlich  aus  einer  einzigen,  selbst  nach  dem  Auf- 
weichen kaum  10  Mikromillim.  dicken  Membran,  welche  dicht  auf  den  fast 
ganz  verdickten  radialen  Zellen  der  äusseren  Samenhaut  (Samenschale) 
liegt.  Die  letztere  ist  25  bis  35  Mikromillim.  breit,  indem  nämlich  an  ge- 
wissen Stellen  einzelne  Gruppen  ihrer  Zellen  sich  höher  erheben  und  da- 
durch das  polyedrisch-netzige  Aussehen  der  Oberfläche  bedingen. 

Semen  Ricini. 

Semen  Cataputiae  majoris.  Ricinussamen.  Semences  de  Ricin.  Catapuces. 

Castor-oil  seed. 

Ricinus  communis  L.  — Euphorbiaceae-Crotoneae. 

Der  Ricinusbaum  ist  vermuthlich  ursprünglich  in  Indien  einheimisch, 
wo  er  uralte  Sanskritnamen  führt,  doch  findet  er  sich  auch  wild  in  Nord- 
ostafrika (Bogosländer,  Sennär,  Hartmann),  so  wie  in  den  mittelpersischen 
Gebirgen  und  im  Kaukasus  und  war  bei  den  alten  Aegyptern  schon  eine 
wichtige  Oelpflauze.  Die  Kultur  hat  ihn  schon  sehr  frühe  über  die  Länder 
der  alten  Welt  verbreitet  und  jetzt  gedeiht  er  in  mehreren  Spielarten  mit 
Ausnahme  der  kalten  Zone  überall , reift  sogar  in  guten  Sommern  und  bei 
sorgsamer  Pflege  seine  Früchte  noch  um  Ohristiania  in  Norwegen. 

In  den  Tropenläudern  ist  der  Wunderbaum,1)  wie  er  auch  heisst,  bis 
40  Fuss  hoch,  noch  auf  Kreta  bis  25  Fuss,  bei  Athen  aber  nur  in  guten 
Jahren  ausdauernd,  in  der  Gegend  von  Ne.apel  10  bis  16  Fuss  hoch  und  2- 
oder  3jährig.  In  mehr  gemässigten  Ländern  bleibt  er  strauchartig  und  in 
unseren  Gegenden  ist  er  eine  kräftige  einjährige  Staude  von  doppelter 
Manneslänge  mit  hohlem  Stengel. 

Die  Fruchtbildung  entspricht  im  allgemeinen  derjenigen  von  Tiglium 


1)  Nach  der  Legende,  dass  Ricinus  zu  Ninive  in  einer  Nacht  zum  Baume  aufgeschossen 
sei,  um  den  Propheten  Jonas  zu  beschatton.  — ln  Deutschland  kannte  schon  Albert  der 
Grosse  (XIU.  Jahrh.)  den  Ricinus  sehr  wohl. 


Semen  Ricini. 


693 


(vergl.  Semen  Tiglii),  der  gleichgestaltete  Samen  erreicht  in  Europa  0,0 15m 
Länge  bei  0,0 10m  grösster  Breite,  ist  jedoch  mehr  abgerundet,  namentlich 
nicht  von  einem  Kielrande  umzogen  und  auf  der  äusseren  Seite  nicht  hoch- 
gewölbt oder  sogar  etwas  abgeflacht.  Indische  Samen  sind  grösser.  Gegen 
das  untere  Ende  hin  ist  der  Samen  merklich  dicker , am  oberen  mit  einer 
graulichen,  im  frischen  Zustande  weissen  fleischigen  Schwiele  (Keimwülst- 
chen.  Caruncula)  versehen.  Die  auf  der  Rückenfläche  in  eine  schnabelartige 
Spitze  auslaufende,  hier  merklich  verdickte  Samenschale  drückt  diese  war- 
zige Schwiele  auf  die  Bauchseite  hinüber,  wo  am  Grunde  der  Warze  der 
Nabel  wenig  in  die  Augen  fällt.  Yon  ihm  läuft  eine  mehr  nur  durch  bär- 
bung  und  Zeichnung  ausgeprägte  Nabellinie  (Naht.  Raphe)  bis  gegen  das 
untere  Ende  der  Bauchfläche,  gabelt  und  verliert  sich  in  dessen  Nähe,  in- 
dem ihre  Eintrittsstelle  (Chalaza.  Hagelfleck)  in  die  Samenschale  auch 
äusserlich  durch  ein  feines  erhabenes  Pünktchen  bezeichnet  ist.  Wo  die  Samen- 
schwiele abgestossen  ist,  bleibt  eine  ansehnliche  schwarze  Yertiefuug  zurück. 

Die  glänzende  graue,  durch  bräunliche  Bänder  und  Punkte  schön  be- 
malte1) Oberhaut  lässt  sich  nicht  abreiben,  wohl  aber  nach  dem  Einweichen 
in  lederigen  zusammenhängenden  Streifen  abziehen.  Die  schwarze,  auf  der 
inneren  Seite  graue  Samenschale  ist  nicht  dicker  als  bei  Semen  Tiglii,  aber 
bei  weitem  spröder,  dem  Messer  widerstehend.  Der  Samenkern  erfüllt  die 
Schale  ganz  und  löst  sich,  von  der  festen  weissen  aderigen  Samenhaut  be- 
deckt, leicht  ab.  Letztere  bleibt  nur  unmittelbar  unter  der  Samenschwiele, 
aber  hier  ganz  regelmässig  auf  der  Innenfläche  der  Samenschale  an  der 
bräunlichen  Chalaza  hängen. 

Der  weiche  Samenkern  stimmt  in  Betreff  seines  Baues  und  der  Lage 
seines  Embryos  mit  Tiglium  überein,  nur  sind  die  ebenfalls  etwas  klaffenden 
Keimblätter  von  Ricinus  verhältnissmässig  breiter  und  ihr  starker  Mittel- 
nerv mit  2 oder  3 Paaren  Seitennerven  versehen.  Die  Schalen  betragen 
25,  die  Kerne  75  pC. 

Die  sehr  dünne  Oberhaut  der  Samen  besteht  aus  eigenthümlichen 
fünfeckigen  oder  sechseckigen  löcherigen  Tafelzellen,  deren  Wände  gruppen- 
weise von  bräunlichem  Farbstoffe  durchdrungen  sind  und  hierdurch  das 
scheckige  Aussehen  des  Samens  erzeugen.  Nur  diese  braunen  Zellen  wer- 
den geschwärzt,  wenn  man  feine  tangentiale  Schnitte  mit  Eisenvitriollösung 
tränkt.  Jod  ist  ohne  Wirkung. 

Unter  diesen  Tafeln  der  Oberhaut  findet  sich  am  unreifen  Samen2)  eine 
Reihe  35  bis  55  Mikromill.  langer,  fast  ganz  verdickter  farbloser  Zellen, 
welche  dicht  radial  gestellt  der  Samenschale  aufgelagert  sind.  Am  käuf- 
lichen Samen  lässt  sich  diese  Zellschicht  nicht  nachweisen,  scheint  also 
wohl  beim  Ausreifen  zu  Grunde  zu  gehen.  Die  eigentliche,  200  bis  240 


')  uud  dadurch  au  eiu  Ungeziefer  der  Hunde,  ricinus,  erinnernd.  Nach  anderen  wäre 
Ricinus  aus  dem  griechischen Klki  entstanden,  wie  die  Pflanze  jetzt  noch  in  Griechenland  heisst. 

2)  Yergl.  über  dieselben  weiter : A.  Gris,  Ann.  d.  Sc.  nat.  Botaniq.  XY  (1861)  pg.  5 — 9. 


694 


Samen. 


Mikrom.  dicke  Samenschale  selbst  besitzt  denselben  Bau  wie  bei  Tiglium, 
ebenso  die  (innere)  Samenhaut,  welche  nur  etwas  stärkere  Spiralgefässc 
zeigt,  so  wie  auch  das  Eiweiss  und  der  Embryo.  Den  letzteren  Geweben, 
die  sonst  gleichen  Inhalt  besitzen,  wie  bei  Tiglium,  fehlen  die  Oxalatkrystalle. 
Befeuchtet  man  aber  die  Samenhaut  von  Ricinus  mit  verdünnter  Schwefel- 
säure, so  schiessen  nach  einigen  Stunden  Krystallnadeln  von  schwefelsaurem 
Kalk  an. 

Der  Ricinussamen  schmeckt  milde  ölig  und  nur  wenig  kratzend,  wenn 
er  nicht  ranzig  ist.  Hauptbestandteil  desselben  ist  das  fette  Oel,  Oleum 
Ricini , castor-oil1)  der  Engländer,  wovon  die  Kerne  höchstens  die  Hälfte 
ihres  Gewichtes  liefern.  Das  Oel,  welches  in  Indien,  in  Italien2),  Frankreich, 
in  Nordamerika  u.  s.  w.  im  grossen  dargestellt  wird,  schmeckt  nur  wenig 
kratzend  und  enthält  zum  geringsten  Theile  den  drastischen,  noch  unbe- 
kannten Stoff  des  Samens,  daher  eine  mit  dem  letzteren  bereitete  Emul- 
sion weit  kräftiger  wirkt,  als  die  entsprechende  Menge  Oel  und  die  Press- 
rückstände gefährliche  Eigenschaften  zeigen.  Auch  hier  wie  bei  Semen 
Tiglii  scheint  das  durch  Alkohol  oder  Schwefelkohlenstoff  dargestellte  Oel 
stärker  zu  purgiren  als  gepresstes.  Die  übrigen  Organe  des  Ricinus  besitzen 
nicht  (wie  bei  Tiglium)  scharfe  Eigenschaften,  die  Blätter  z.  B.  sind  durch- 
aus ohne  bedeutende  therapeutische  Wirkung. 

Das  Ricinusöl  ist  ausgezeichnet  durch  sein  Vermögen,  sich  mit  Alkohol 
in  jedem  Verhältnisse  zu  mischen.  Es  trocknet  in  dünnen  Lagen  zu  einem 
firnissartigen  Ueberzuge  ein.  Bei  der  Verseifung  gibt  das  Ricinusöl  mehrere 
Fettsäuren , deren  Constitution  noch  nicht  völlig  feststeht , wahrscheinlich 
befindet  sich  auch  Palmitinsäure  (Ricinstearinsäure?)  darunter.  Dem  Oele 
eigen  thümlich  sind  vermuthlich  die  krystallisirte  Ri  ein  säure  und  die  un- 
ter 0°  erstarrende  Ricinöls.äure  G18H3403,  welche  aber  an  der  Luft  nicht 
durch  S auer sto flfau fn ahme  fest  wird  und  mit  der  gewöhnlichen  Oelsäure 
£18  ppu  £2  uicjlt  homolog  ist.  Letztere  fehlt  dem  Riciuusöle. 

Höchst  eigeuthümlich  erweist  sich  dasselbe  durch  das  Verhalten  zu 
schmelzenden  Alkalien,  indem  sich  die  Ricinölsäure  in  Fettsäure  G10HlsO4 * 
und  Alkohole  oder  Aldehyde  spaltet,  welche  der  Reihe  GuH2,,0  der  gewöhn- 
lichen Fettsäuren  angehören.  Ammoniak  gibt  mit  dem  Oele  schon  bei  (>G 
schmelzendes  Ricinolamid  G18H35N02,  d.  h.  ricinölsaures  Ammoniak 
minus  H2LK 

Salpetersäure  greift  das  Ricinusöl  heftig  an  und  gibt  damit  eine  ganze 
Reihe  Produkte , worunter  namentlich  auch  die  Azelainsäure  G‘  Hr  O in 
bedeutender  Menge,  neben  Oenantliylsäure,  Korksäure,  Oxalsäure,  Blausäure. 

1)  Der  sonderbare  Name  soll  mit  den  Bibern  (castor)  Zusammenhängen,  für  deren  Oel  man 
das  des  Ricinus  ansgegeben  hätte!? 

2)  bei  Neapel  wird  ein  fast  färb-  und  geschmackloses  Oel  gewonnen,  indem  man  die  amen- 

schale  aufschlägt,  die  Häute  wegbläst  und  die  Kerne  ohne  Anwendung  von  Wärme  presst. 

Geringeres  und  scharf  schmeckendes  erhält  man,  wenn  die  ganzen  Samen  heiss  gepress 

werden.  — Auch  bei  Verona  wird  viel  gutes  Oel  erzeugt. 


Semen  Ricini. 


695 


Auch  darin  zeigt  sich  die  Eigentümlichkeit  des  Ricmusoles,  dass  es 
nach  Loir  (1851)  und  nach  Buignet  (1861)  die  Polarisationsebene  zu 
drehen  vermag,  welche  Eigenschaft  unter  allen  Fetten  ausserdem  nur  noch 
dem  Rochen-  und  Haifischthran  in  geringerem  Grade  zuzukommen  scheint.  ) 
Nach  Bower1 2)  wäre  in  den  Samen  ein  Proteinstoff  und  ein  dem 
Amygdalin  ähnlicher  Körper  enthalten,  durch  deren  gegenseitige  Einwir- 
kung bei  Gegenwart  von  Wasser  in  sehr  geringer  Menge  ein  widrig  rie- 
chender giftiger,  die  Yerdauuugsorgane  stark  angreifender  Stoff  entstände. 

Diese  Angaben  verdienen  nähere  Prüfung. 

Wasser  soll  nach  Tuson  (1864)  dem  Ricinussamen  em  sublunirbares, 
in  Aether  und  Benzin  unlösliches  Alkaloid  von  Bittermandelölgeschmack 
entziehen.  Dieses  Riciuin  krystallisirt,  löst  sich  in  Wasser  und  Alkohol 
und  kann  durch  ersteres  auch  dem  fetten  Oele  entzogen  werden.  Es  besitzt 
weder  giftige  noch  purgirende  Eigenschaften. 

Die  Samenschalen  geben  10,7  pC.  Asche,  zu  Vio  aus  Kieselerde  beste- 
hend, wodurch  ihre  grosse  Härte  sich  erklärt.  Die  Asche  der  bei  100  ge- 
trockneten Samenkerne  beträgt  nur  3,5  pC. 

Curcas  purgans  Endlicher  (Syn.:  Jatropha  Gurcas  L.),  gleichfalls  aus 
der  Familie  der  Euphorbiaceen,  ein  Strauch  oder  kleines  Bäumchen  des 
tropischen  Amerika,  das  auf  Cuba,  in  Neu-Granada  und  den  capverdischen 
Inseln  wie  es  scheint  massenhaft  einheimisch  ist  und  in  anderen  1 ropen- 
ländern  cultivirt  wird,  hat  ähnliche,  doch  meist  grössere  Samen  als  Ricinus. 
Aus  Brasilien  besitze  ich  welche , die  nicht  oder  wenig  grösser  sind.  Ihre 


braune  Samenschale  ist  von  einer  schwarzen  rauhen  und  durch  sehr  un- 
regelmässige Risse  gezeichneten  Oberhaut  bedeckt.  In  den  Kissen  liegt  ein 
sehr  lockeres  zusammengefallenes  Parenchym  von  bräunlicher  I arbe. 

Diese  Samen,  früher  auch  als  Nuces  catharticae  americanae,  Semen 
Ricini  majoris , schwarze  Brechnüsse  oder  Purgirnüsse,  gros  pignons 
d’Inde,  graines  de  Medicinier,  bekannt,  enthalten  ein  äusserst  gefährlich 
drastisch  wirkendes  Oel.  5 bis  6 Samen  können  schon  ernstlich  giftig  wir- 
ken, obwohl  sie  anfangs  mandelartig  milde  schmecken.  1852  wurden 
120,000  Pfund  derselben  von  den  Cap-verden  in  Rouen  eingeführt  und  dar- 
aus 30,000  Pfd.  Oel  gepresst.  1860  tauchten  sie  wieder  unter  dem  Namen 
Pulguera-Nüsse  in  Deutschland  auf.  Das  Oel,  oleum  infernale,  oleum 
Curcadis,  huile  de  Medicinier,  enthält  nach  Bouis  die  mit  der  Ricinölsäure 
isomere,  wenn  nicht  identische  Curcasölsäure,  und  eine  eigenthümliche  feste 
Fettsäure  Isocetinsäure  G15H30O2.  Es  soll  nach  einigen  nicht  scharf 
schmecken,  was  vielleicht  mit  der  Art  der  Darstellung  zusammenhängt. 
Aus  Brasilien  scheint  das  Curcasöl  auch  wohl  statt  Crotonöl  ausgeführt 


zu  werden. 


1)  ich  finde  käufliches  Oel  bald  links,  bald  rechts  drehend.  Siehe  auch  S.  698. 

2)  Handwörterbuch  der  Chemio.  YI.  865. 


Samen. 


(>9(> 

Semen  Tiglii. 

Grana  Tiglii.  Semen  Crotonis  Tiglii.  Purgirkörner.  Granatill.  Graines 
ou  semences  de  Tilly  ou  des  Moluques.  Petita  piguons  d’Inde.  Croton  seed. 

Tiglium  offtcinale  Klotzsch.  — Euphorbiaceae. 

Syn.:  Croton  Tiglium  L. 

Croton  Jamalgota  Hamilton. 

Auf  der  Malabarküste,  auf  Ceylon,  Amboina,  auf  den  Philippinen  ein- 
heimischer Strauch  oder  kleiner  Baum,  der  in  Ostindien,  Cochinchiua  und 
China  angebaut  wird.  Die  weibliche  Blüthe  bringt  eine  braune  brüchige 
Fruchtkapsel  hervor,  welche  sich  in  3 Fächer  trennt,  deren  jedes  bei  der 
Reife  durch  das  Aufspringen  zweier  Klappen  einen  ursprünglich  hängenden 
gegenläufigen  Samen  zu  Tage  fördert. 

Die  etwa  0,0 12m  langen  und  bis  0,009'“  breiten,  im  ganzen  stumpf- 
eiförmigen Samen  sind  der  Länge  nach  durch  einen  etwas  zugeschärften 
Rand  in  zwei  ungleiche  Hälften  getheilt.  Die  äussere,  höher  gewölbte  ist 
oft  fast  gekielt,  die  entgegengesetzte,  die  der  Fruchtaxe  zugekehrte  Bauch- 
fläche, entweder  schwach  gewölbt  oder  fast  eben,  so  dass  der  Querschnitt 
des  Samens  einer  Bogenlinie  entspricht,  welche  einen  sehr  stumpfen  Winkel 
einschliesst  oder  eine  Raute  mit  ungleichen  Seitenpaaren  bildet.  Das  eiue 
Ende  des  Samens  ist  mit  einer  am  käuflichen  Samen  aber  nicht  mehr  vor- 
handenen Schwiele  versehen , unterhalb  welcher  auf  der  Seite  der  Bauch- 
fläche der  wenig  ausgezeichnete  Nabel  hervortritt.  Yon  demselben  geht  eine 
feine  braune  Linie  (Nabelstreifen,  Raphe)  nach  dem  anderen,  uumerklich 
spitzeren  Ende  des  Samens,  wo  sie  auf  die  Randlinie  trifft.  Der  Durch- 
schnittspunkt ist  durch  einen  dunkelbraunen  Flecken  (Hagelfleck,  Chalaza) 
nicht  sehr  scharf  bezeichnet.  Die  Rückenfläche  ist  besonders  gegen  den 
Nabel  und  die  Chalaza  hin  etwas  längsstreifig  oder  furchig,  die  Bauchflächen 
mehr  glatt. 

Die  glänzende  braune  oder  graugelbliche,  wenig  und  klein  gefleckte 
Oberhaut  erscheint  durch  Abnutzung  matt  und  mehr  graulich,  wie  bestäubt; 
wo  sie  stärker  abgescheuert  ist,  tritt  die  schwarze  spröde,  gegen  Vs  Milliin. 
dicke , auf  der  inneren  Fläche  graue  Samenschale  selbst  zu  Tage.  Sie  ist 
ganz  vom  weisslichen  oder  bräunlichen  derben  öligen  Samenkerue  ausge- 
füllt, sofern  er  nicht,  in  geringer  Waare,  verkümmert  ist.  Er  löst  sich  leicht 
von  der  Schale  ab,  wobei  das  zarte  farblose  aderige  Sameuhäutchen  theils 
an  dieser,  theils  am  Kerne  hängen  bleibt. 

Der  Längsschnitt  durch  die  Raudlinie  bringt  die  zwei  in  der  Ebene  der- 
selben flach  ausgebreiteten,  0,007'"  langen  Keimblätter  zur  Anschauung. 
Sie  sind  stumpf  oval,  aus  ihrem  Aderuetze  treten  3 Hauptstämme  (Nerven) 
stark  hervor,  aus  dem  herzförmigen  Grunde  das  gegen  3 Milliru.  lange 
dicke  gerade,  gegen  den  Nabel  gerichtete  Würzelchen.  Die  dünnen  Keim- 
blätter sammt  dem  W ürzelchen  sind  rings  vom  Sameneiweiss  umschlossen, 


Semen  Tiglii. 


697 


welches  durch  geringen  Druck  leicht  in  zwei  den  Kotyledonen  entsprechende 
Hälften  zerfällt.  Die  letzteren  sind  ihrer  ganzen  Länge  nach  durch  eine 
schmale  Kluft  aus  einander  gehalten,  nicht  auf  einander  liegend. 

Eine  gewöhnliche,  mit  ziemlich  vielen  schimmeligen  und  verschrumpften 
. Samen  versehene  Waare  gab  mir  31,6  pC.  Schalen  und  68,4  Kerne. 

Die  dünne  Oberhaut  der  Samen  ist  in  ihrer  äusseren  Lage  aus  kleinen 
■ eckigen,  nicht  eben  dickwandigen  parenchymatischen  Zellen  gebildet,  in  der 
inneren,  nicht  scharf  trennbaren  und  wenig  zusammenhängenden  Lage 
dagegen  aus  derberen,  kurz  fadenförmigen  und  verfilzten  Zellen  mit  porösen 
Wänden.  In  der  Raphe  finden  sich  neben  diesen  Fadenzelleu  auch  zahl- 
reiche lange  Spiralgefässtränge. 

Die  äussere,  nicht  sehr  fest  zusammenhängende  Oberhautschicht  ist 
von  braunen,  in  Jod  und  in  Kali  unveränderlichen  Körnern  erfüllt,  neben 
denen  aber  ziemlich  zahlreiche,  äusserst  kleine,  nur  etwa  3 Mikromill. 
messende  Stärke  abgelagert  ist.  Die  innere  verfilzte  Schicht  der  Oberhaut 
ist  fast  farblos  und  ohne  Inhalt;  die  Zellwände  jedoch  werden  durch  Eisen- 
salze etwas  gefärbt.  Diese  innere  Schicht  dürfte  vielleicht  der  Ueberrest 
eines  bei  der  Samenreife  veränderten  Gewebes  sein  (vergl.  bei  Semen 
Ricini  S.  693). 

Die  Samenschale  besteht  aus  einer  Schicht  äusserst  dicht  gedrängter, 
bis  über  20  Mikromill.  dicker,  radial  gestellter,  sehr  verlängerter  Steiu- 
zellen  , deren  zierlich  poröse  bräunliche  Wände  fast  ganz  verholzt  sind. 
Die  (innere)  Samenhaut  enthält  in  einem  sehr  zarten  verworrenen  farb- 
losen Parenchym  verzweigte  Bündelchen  feiner  abrollbarer  Spiralgefässe. 

Das  Sameneiweiss  besteht  aus  ansehnlichen , aber  zartwandigen  kuge- 
ligen Zellen,  das  durch  ein  farbloses  Häutchen  davon  getrennte  Gewebe  der 
Keimblätter  aus  viel  kleineren,  mehr  eckigen  und  besonders  in  den  äusseren 
Schichten  regelmässig  geordneten  Zellen.  Einzelne  zartere,  etwas  in  die 
Länge  gezogene  Gruppen  derselben  deuten  die  zukünftigen  Gefässbündel  an. 

Befreit  man  dünne  Schnitte  des  Samens  vermittelst  Aether  und  Kali 
vom  fetten  Oele,  welches  das  ganze  Gewebe  erfüllt,  so  bleiben  sehr  kleine 
Körnchen  von  Protein  stoffen,  zum  Theil  sogenanntes  Alcuron  (siehe  S.  667) 
zurück.  Hier  und  da  erblickt  man  auch,  sowohl  im  Eiweisse,  als  im 
Embryo  kleine  Krystallrosetten  von  Kalkoxalat.  Stärkmehl  fehlt  hier. 

Der  Samen  schmeckt  anfangs  milde  ölig,  sehr  bald  aber  gefährlich 
brennend  und  lange  anhaltend  scharf.  1 — 2 Samen  wirken  heftig  drastisch, 
eine  nur  wenig  grössere  Anzahl  selbst  tödtlich.  Diese  Eigenschaften  kommen 
auch  weniger  intensiv  besonders  dem  frischen  Holze  zu,  das  früher  als 
Lignum  Pavanae  oderPanavae,  lignum  moluccanum  sowohl  von  Tiglium 
officinale  als  von  dem  sehr  ähnlichen  Croton  Pavana  Hamilton  gebräuchlich 
war.  Sogar  die  Blätter  scheinen  purgirend  zu  wirken.  — Beim  Erwärmen 
geben  die  Samen  scharfe,  Augen  und  Nase  heftig  augreifende  Dämpfe  aus. 

Hauptbestandteil  des  Crotonsamens  ist  das  fette  Oel,  Oleum  Crotonis , 
dessen  Gewicht  50 — 60  pC.  des  Kernes  beträgt.  Es  wird  theils  in  Indien, 


698 


Samen. 


theils  in  England  gepresst,  tbeils  auch  wohl  im  kleinen  vermittelst  Alko- 
hol, Aether  oder  Schwefelkohlenstoff1)  ausgezogen.  Letzteres  Verfahren 
liefert  ein  energischer  wirkendes  Produkt  und  darf  deshalb  nicht  ohne 
weiteres  eingeschlagen  werden.  Das  meist  bräunliche  dickflüssige  Del 
wird  leicht  ranzig,  wodurch  auch  seine  grössere  oder  geringere  Löslichkeit 
im  20-  bis  30  fachen  Gewichte  Weingeist  bedingt  ist.  Obwohl  es  durch 
salpetrige  Säure  nicht  fest  wird  und  sich  an  der  Luft  etwas  verdickt,  scheint 
es  doch  nicht  die  Fettsäure  der  eigentlichen  trocknenden  Oele  (Leinöl, 
Mohnöl)  zu  enthalten.  Es  kommen  darin  vor,  an  Glycerin  gebunden, 
mehrere  der  höheren  Glieder  aus  der  Fettsäurenreihe  G"H2nO  (z.  B.  Stearin-, 
Palmitin-,  Myristin-,  Laurin-Säure)  sowohl,  als  auch  solche  aus  der  Reihe 
G"H2n  2-G2 *,  worunter  auch  Angelicasäure  (vgl.  Radix  Augelicae).  Diese 
Glycerinverbindungen  sind  es  auch,  welche  in  der  Kälte  sich  aus  dem  Oele 
absetzen,  und  keineswegs  irgend  ein  eigenthümlicher  Körper  („Crotonarin“). 

Dem  Oele  eigenthümlich  ist  die  der  letzteren  Reihe  ungehörige  flüssige2) 
und  nicht  trocknende  flüchtige  Crotousäure  G4 *H602.  Sie  ist  nach 
Schlippe  vollkommen  wirkungslos.  Der  drastisch  wirkende  Stoff  des 
Oeles  ist  noch  nicht  bekannt,  scheint  aber,  wie  schon  angedeutet,  nicht  nur 
in  den  Samen,  sondern  auch  im  Holze  und  den  Blättern  des  Bäumchens 
vorzukommen  und  würde  wohl  daraus  leichter  zu  gewinnen  sein. 

Schüttelt  man,  nach  Schlippe,  das  Oel  mit  weingeistigem  Natron  und 
nach  einiger  Zeit  mit  Wasser,  so  erweist  sich  das  aufschwimmende  Oel  frei 
von  aller  Schärfe,  während  die  weingeistige  Lösung  auf  Zusatz  von  ver- 
dünnter Salzsäure  ein  dunkelbraunes,  die  Haut  heftig  entzündendes  Oel, 
das  Crotonol  G1SH28G4,  gibt.  Es  ist  im  reinen  Zustande  eine  terpenthin- 
artige,  nicht  destillirbare  farblose  oder  schwach  gelbliche  Flüssigkeit  von 
eigenthümlichem  schwachem  Gerüche , zu  etwa  4 pC.  im  fetten  Oele  ent- 
halten, löslich  in  Aether  und  Alkohol.  Alkalien  und  Säuren  zersetzen  es 
unter  Aufhebung  der  hautröthenden  Eigenschaft  in  noch  nicht  festgestellte 
Spaltungsprodukte,  welche  den  oftanSenega  erinnernden  Geruch  des  (nicht 
ranzigen)  Crotonöles  und  wohl  auch  das  Auftreten  eines  flüchtigen  Oeles 
bedingen  und  zum  Th  eil  auch  in  der  sehr  dunkeln,  beim  Verseifen  des 
Oeles  entstehenden  Lauge  enthalten  sind.  Das  Crotonol  erinnert  demnach 
sehr  au  das  Cardol  aus  den  Anacardium-Früchten.  Das  Crotonol  ist  im 
reinen  Zustande  indifferent,  Weingeist  vertpag  ihm  das  drastische  Princip 
zu  entziehen,  und  die  Wirkung  auf  die  Haut  kömmt,  nach  Schlippe, 
allein  dem  Crotonol  zu,  welches  dagegen  nicht  purgirt.  ( 

Vautherin  hat  (1864),  ohne  die  treffliche  Untersuchung  Schlippes 
(1858)  zu  berücksichtigen,  abweichende  Resultate  erhalten. 

1)  solches  von  mir  selbst  dargestelltes  Oel  finde  ich  links  rotirend  nnd  zwar  stärker  als 

Ricinusöl.  , , , Ä j:a 

2)  Nach  Claus,  der  sie  vermittelst  Cyanallyl  uud  Kali  künstlich  dargcstellt  at,  war 

Crotonsäure  von  Buttersiiure-Geruch  und  bei  0°  krystallisirbar.  Auch  Will  u-  5rIje* 

hatten  sie  schon  früher  vermittelst  aus  Senföl  (vgl.  bei  Semen  Sinapis)  gewonnenem  Cyanallyl 

erhalten  und  krystallisirbar  gefunden. 


Semen  Paradisi. 


699 


Tuson  will  (1864)  durch  Wasser  aus  den  Crotonsamen  ein  dem  (noch 
ganz  unbekannten!)  Cascarillin  ziemlich  ähnliches  Alkaloid  erhalten  haben, 
das  krystallisiren  soll. 

Die  Samenschalen  geben  2,6  pC.  Asche,  die  bei  100  C.  getrockneten 
Kerne  3 pC. 

Die  Crotonsamen  wurden  wohl  von  jeher  in  ihrem  Yaterlande  medi- 
cinisch  gebraucht,  dann  besonders  auch  von  den  arabischen  Aerzten  des 
XIII.  Jahrhunderts.  In  Europa  erwähnte  zuerst  1578  der  Portugiese 
d’Acosta  die  Samen  und  das  Holz,  Johann  Bauhin  (1541  1613)  die 

Samen  unter  dem  Namen  Pinei  nuclei  moluccani  sive  purgatorii;  sonst 
Messen  sie  auch  Cataputiae  minores.  Das  Oel  hat  eigentlich  erst  seit  der 
Empfehlung  Conwels  (um  1830)  in  Europa  recht  Eingang  gefunden,  ob- 
wohl seine  Wirkung  auch  hier  schon  seit  der  Mitte  des  XVII.  Jahrhunderts 
bekannt  war. 

Croton  Pavana  Hamilton,  im  nordwestlichen  Bengalen  und  Hinterindien 
(Birma),  besitzt  sehr  ähnliche,  nur  kleinere  und  dunklere  Samen , die  noch 
heftiger  zu  wirken  scheinen.  Die  viel  verbreitete  Ansicht,  dass  dieselben 
die  ursprünglichen  eigentlichen Grana  moluccana  von  Rumphius  gewesen 
seien,  ist  von  Berg  widerlegt  worden.  Mehrere  andere  ostiudische  Oroton- 
Arten  scheinen  übrigens  dasselbe  drastische  Oel  zu  enthalten. 


D.  aromatische  Samen. 

Semen  Paradisi. 

Grana  Paradisi.  Piper  Malaguetta.  Cardamomum  piperatum.  Paradies- 
körner. Pariskörner.  Malagetta-Pfeffer.  Graiues  de  Paradis.  Maniguette. 

Malaguette.  Guinea  grains. 

Amomum  Granum  Paradisi  Afzelius  — Zingiberaceae. 

Die  grossen  Kapseln  dieser  in  Sudan  und  den  Küstenländern  von  Guinea 
einheimischen  und  kultivirten  Pflanze  enthalten  zahlreiche,  3 Millim.  grosse 
Samen,  welche  im  allgemeinen  den  Cardamomen  ähnlich  sind;  jedoch  lose, 
ohne  die  Fruchtkapsel,  sogar  vom  Samenmantel  befreit,  im  Handel  Vor- 
kommen. Sie  unterscheiden  sich  ferner  durch  die  glänzend  braune  höcke- 
rige, nicht  runzelige  Oberfläche  und  den  Mangel  einer  deutlichen  Längs- 
furche (Raphe).  Der  Nabel  ist  mit  den  ansehnlichen  zerschlitzten  weiss- 
lichen  Resten  des  Nabelstrauges  schnabelartig  gekrönt.  Die  Samen  sind 
sehr  verschieden , bald  rundlich  bald  eckig ; sehr  viele  bilden  eine  4-  oder 
5seitige  Pyramide  mit  ebener  Grundfläche.  Ihr  anatomischer  Bau  zeigt, 
bei  aller  Uebereinstimmung  mit  dem  der  Cardamomen,  doch  bestimmte  Unter- 
schiede. Die  farblosen  Zellen  des  Eiweisses  z.  B.  sind  weit  mehr  gestreckt,  bei 
der  sehr  harten  dunkelbraunen  Samenschale  stimmt  nur  die  innerste  Schicht 
mit  der  entsprechenden  Steinschale  der  Cardamomen  überein,  während  die 


700 


Samen. 


mittlere  so  dicht  verholzt  ist,  dass  nur  einzelne  entfernte  aus  einander 
gestellte  weite  Lücken  offen  geblieben  sind.  Die  äusserste  Schicht  der 
Samenschale  besteht  aus  dickwandigen  prosencliymatischen  helleren  Zellen, 
deren  ziemlich  weite  Höhlungen  im  Querschnitt  radial  gestreckt  erscheinen. 
Der  Inhalt  der  Eiweisszellen  wie  bei  Cardamomen ; das  fette  Oel  fiudct  sich 
im  Embryo,  Stärkekörnerim  Eiweiss  und  Endosperm,  von  derselben  Grösse  ] 
wie  in  den  Cardamomen.  Der  Gehalt  au  ätherischem  Oele  ist  geringer  5 
(V2  pC.,  Will  er  t) , dafür  waltet  ein  sehr  scharfes  Harz  vou  ganz  pfeffer- 
artigem, nicht  eben  aromatischem  Geschmacke  vor,  womit  die  Samenschale  ] 
reichlich  durchtränkt  ist.  Hierin  liegt  der  Hauptunterschied  von  den  Car-  : 
damoiusamen,  welche  rein  aromatisch  schmecken. 

In  früheren  Zeiten,  wo  die  jetzt  wenig  mehr  gebräuchlichen  Paradies-  3 
köruer  noch  viel  angewendet  wurden,  scheinen  auch  von  noch  anderen  h 
Amomum- Arten  ähnliche  Samen  als  Meleguetta-Pfeffer1)  nach  Europa  ge-  j 
kommen  zu  sein ; namentlich  auch  aus  Guyana  (Demerara)  diejenigen  von  ' 
Amomum  Meleguetta  Roscoe,  welche  Pflanze  nach  einigeu  nur  eine  durch 
Verpflanzung  nach  Südamerika  entstandene  Spielart  des  Amomum  Granurn 
Paradisi  wäre. 

Schon  sehr  frühe  gelangten  die  Paradieskörner  als  hochgeschätzte  kost- 
bare  Droge  auf  dem  langen  Landwege  von  der  Westküste  Afrikas  nach  dem 
Mittelmeer.  Ein  Küstenstrich  Westafrikas,  in  der  jetzigen  Negerrepublik 
Liberia,  hatte  daher  den  Namen  Körnerküste  oder  Pfefferküste  erhalten. 
Diego  Cam,  Begleiter  des  berühmten  Nürnbergers  Martin  Behaim,  holte  1 
die  Malaguetta  1484  von  dort  zum  erstenMale  direkt  nach  Portugal.  Edrisi  j 
und  andere  Reisende  des  früheren  Mittelalters  hatten  wohl  unter  diesem  i 
Namen  zum  Theil  Cardamomen  verstanden. 

Piper  album. 

Semen  Piperis  album.  Sem.  Piperis  nigri.  Weisser  Pfeffer.  Poivre  blaue. : ; 

White  pepper. 

Abstammung  S.  615. 

Die  innere  Haut  der  als  Piper  nigrum  beschriebenen  beerenartigen 
Frucht  ist  fest  mit  der  Samenschale  verwachsen , dagegen  lassen  sich  die 
äussere  und  mittlere  Schicht  der  Fruchthaut,  also  der  bei  weitem  grössere 
Theil  derselben,  ablösen.  Die  Trennung  geschieht  in  derjenigen  Schicht  j 
der  inneren  Fruchthaut,  welche  sich  durch  kleine  Spiralgefässe  und  weiss- 
liche  Färbung  auszeichuet  (vgl.  S.  616),  so  dass  also  der  Sameukern  allein 
zurückbleibt,  bekleidet  mit  der  unversehrten  Samenschale,  der  unteren 
Schicht  der  inneren  Fruchthaut  und  einem  Theile  der  oberen  (äusseren)  Schicht 
der  letzteren.  So  geschält,  heissen  diese  Samen  daun  weisser  Pfeffer. 

Man  verwendet  zur  Herstellung  dieser  Waare  in  ihrer  Heimat  mehr 


1)  auf  den  Azoren  heisst  auch  die  Capsicumfrucht  Malagetta. 


Piper  album. 


701 


rotlie  und  gelbe,  ausgereifte  Beeren,  sogar  freiwillig  abgefallene.  Sie  werden 
2 Wochen  lang  in  rinnendes  Wasser,  nach  andern  in  feuchte  Graben  gelegt, 
wodurch  die  zu  trennenden  Schichten  der  Fruchthaut  allmälig  aufgelockert 
werden,  bersten  und  sich  dann  nach  dem  Trocknen  an  der  Sonne  abreiben 
lassen.  Malabar,  Penaug,  Singapore  sind  die  wichtigsten  Produktions- 
gegenden; den  schönsten  weissen  Pfeffer  liefert  Tellicherry  an  der 
Malabarküste. 

Es  versteht  sich,  dass  diese  Schälung  sich  auch  an  dem  schwarzen 
Pfeffer  des  Handels  vornehmen  lässt,  wenn  er  hinlänglich  entwickelt  gelie- 
fert wird,  und  es  soll  dieses  wirklich  in  England  und  Holland  geschehen; 
nach  andern  Angaben  indessen  wird  dort  nur  weisser  Pfeffer  noch  gebleicht. 
Der  so  dargestellte  weisse  Pfeffer  scheint  kleiner,  weniger  glatt,  aber 
etwas  schärfer  zu  sein,  als  der  aus  Indien.  — Ohne  Zweifel  wird  die  euro- 
päische Industrie  die  äusseren  Fruchthäute  gleichfalls,  vermuthlich  als 
gepulverten  Pfeffer,  zu  verwerthen  wissen.  Das  Mikroskop  zeigt,  dass  die- 
selben an  Harz  und  ätherischem  (auch  fettem  ?)  Oele  reich  sind. 

Der  weisse  Pfeffer  ist  etwas  grösser  als  der  schwarze,  weil  er  aus  reifen 
Früchten  gewonnen  ist.  Er  ist  kugelig,  bald  etwas  niedergedrückt,  bald 
mehr  länglich,  oben  deutlich  abgeplattet.  Unten  ist  die  Fruchthaut,  nicht 
die  Samenschale,  verdickt  und  zur  kurzen  Spitze  ausgezogen.  Yon  der- 
selben aus  laufen  in  gleichen  Abständen  feine  helle  Streifen  (Spiralgefässe) 
wie  Meridiane  nach  oben.  Es  sind  ihrer  ungefähr  12;  etwa  die  Hälfte  davon 
geht  bis  in  die  Nähe  des  abgeplatteten  Poles,  die  übrigen  bleiben  schon 
früher  zurück. 

Die  Farbe  ist  graulich,  bei  den  schönsten  Sorten  aus  Malabar 
hell  gelblich  weiss.  Schabt  man  diese  helle  Fruchthaut  ab,  so  tritt 
die  harte  dunkelbraune  Samenschale  zu  Tage.  Der  anatomische  Bau  ent- 
spricht ganz  den  betreffenden  Geweben  des  schwarzen  Pfeifers;  der  weisse 
ist  nur  voller,  mit  besser  ausgebildetem  Eiweiss  versehen,  der  Embryo 
zwar  auch  hier  verkümmert. 

Auch  Geruch  und  Geschmack  des  weissen  Pfeifers  sind  nicht  verschieden 
von  dem  des  weissen,  höchstens  etwas  feiner,  aber  schwächer,  da  die  Frucht 
schon  durch  das  Ausreifen  an  ihrer  Schärfe  einbüsst. 

In  chemischer  Hinsicht  wäre  noch  zu  untersuchen,  ob  nicht  das  Piperin 
ausschliesslich  dem  Sameneiweiss  angehört,  oder  ob  es  auch  in  den  äusseren, 
beim  weissen  Pfeffer  entfernten,  Fruchttheilen  vorkömmt.  Diese  dürften 
dagegen  das  fette  Oel  (?)  und  jedenfalls  das  Harz  reichlicher  enthalten, 
während  ätherisches  Oel  und  wohl  auch  Harz  sich  in  der  Samenschale  und 
dem  Eiweiss  (des  weissen  Pfeifers)  gleichfalls  finden.  Nach  Lecanu  gäbe 
weisser  Pfeffer  etwas  weniger  ätherisches  Oel. 

Die  Schälung  des  Pfeifers  hat  also  keinen  triftigen  chemischen  Grund, 
wenn  nicht  etwa  theilweise  Beseitigung  von  Harz  und  Oel,  sondei'n  muss 
mehr  als  Modesache  angesehen  werden.  Die  weitaus  grösste  Menge  des 
weissen  Pfeifers  geht  übrigens  nach  China. 


702 


Samen. 


In  älterer  Zeit  scheiut  unter  dem  Namen  weisser  Pfeffer  eine  eigene 
Droge,  nicht  nur  geschälte  Früchte  des  Piper  nigrum,  verstanden  worden 
zu  sein.  Auch  ist  unklar,  was  uns  Theophrast,  Dioskorides  und  Pli- 
nius  über  weissen  und  schwarzen  Pfeffer  berichten. 

Semen  Myristicae. 

Nux  moschata.  Muskatnuss.  Muscade.  Noix  de  Banda  ou  de  muscades. 

Kutmeg. 

Myristica  fragrans  Houttuyn.  — Myristiceae. 

Sy n.:  M.  moschata  Thunberg. 

M.  aromatica  Lamarck. 

M.  officiualis  L.  fil  (nec  Martius)» 

Der  Muskatnussbaum  ist  auf  den  östlichen  Inseln  des  indischen  Archi- 
pelagus  einheimisch,  wo  er  sich  in  dichten  Wäldern  jetzt  noch  wild  z.  B. 
auf  Halmahera  (Dschilolo)  und  Neu-Guinea  findet.  Sehr  isolirt  wird  er  auch 
auf  den  Nicobaren  angegeben  (Novara). 

Dieser  in  allen  seinen  Theilen  stark  aromatische  Baum  erreicht  50  bis 
70  Fuss  Höhe  und  verzweigt  sich  von  15  bis  20  Fuss  Höhe  an  zu  einer 
pyramidalen,  sehr  astreichen  Krone.  Er  reift  seine  Früchte  erst  vom  8ten 
Jahre  an  und  steht  nicht  vor  dem  25sten  in  voller  Kraft,  soll  aber  bis  zum 
60sten  oder  gar  bis  zum  80sten  Jahre  ertragsfähig  sein  und  liefert  jährlich 
bis  2000  Früchte.  Der  Baum  ist  diöcisch,  die  Aussaat  liefert  oft  nur  Vs 
männlicher  Pflanzen,  aber  schon  2 bis  10  derselben  genügen  in  der  Kultur 
zur  Befruchtung  von  100  weiblichen,  welche  überdies  länger  dauern.  Die 
Pflanzungen  müssen  gehörig  beschattet  sein,  die  Nichtbeachtung  dieses  Er- 
fordernisses hatte  1859  — 1864  den  Untergang  der  Bäume  auf  Singapore1) 

zur  Folge.  . 

Die  weiblichen  Blütheu  sitzen  einzeln  auf  kurzen  Stielen  und  liefern 
Jahr  aus  Jahr  ein  reife  Früchte,  bei  weitem  die  meisten  aber  im  Mai  und 
Juni,  dann  wieder  im  September  und  October.  Dieselben  werden  jetzt  fast 
ausschliesslich  von  der  kleinen  Gruppe  der  Banda-Inseln  in  den  Handel  ge- 
bracht; doch  sind  darunter  nur  Pulu  Aij,  Banda-Neira  und  ganz  besonders 
die  ansehnlichste  dieser  Inseln,  Banda-Lonthoir  (die  „grosse"  Banda-Insel), 
mit  sogenannten  Muskatnussgärten  besetzt.  Auch  Ambon  (Amboina)  hat 
viele  Pflanzungen.  Weniger  Muskatnüsse  kommen  von  Java,  Sumatra  und 
von  der  Malaccastrasse,  so  wie  aus  andereu  Tropenläudern. 

Die  Frucht  ist  eine  okergelbe  überhängende  kugelig-eiförmige,  ungefähr 
0 05"’  messende  Beere  mit  kurz  behaarter,  auf  der  einen  Seite  von  einer 
Naht  durchzogener  Oberfläche.  Das  trocken  fleischige,  zuletzt  lederartige, 
etwa  0,0  lm  dicke  Fruchtgehäuse  öffnet  sich  bei  der  Reife  in  2 Klappen  und 

1)  Ansland  1865.  380.  - Jagor,  Singapore.  Malacca,  Java.  Reiseskizzen.  Berlin  1866. 
pag.  21. 


Semen  Myristicae. 


703 


enthält  einen  einzigen  nussartigeu  Samen,  welcher  von  einem  zerschlitzten 
fleischigen  schön  karminrothen  Mantel  (arillus)  eingehiillt  ist.  Der  letztere, 
am  Grunde  mit  der  Samenschale  und  dem  Nabelstreifen  verwachsen,  wird 
leicht  und  unversehrt  abgelöst,  für  sich  an  der  Sonne  getrocknet  und  unter 
dem  Namen  Macis  oder  Muskatbliithe  in  den  Handel  gebracht  (vergl. 
Macis). 

Die  glänzend  dunkelbraune  feinwarzige  Samenschale  zeigt  nach  der 
Entfernung  der  Macis  Eindrücke,  welche  den  Lappen  derselben  entsprechen, 
obwohl  die  knöcherne  Samenschale  sehr  fest  und  0,00  lm  dick  ist.  Sie  er- 
scheint im  Umrisse  eiförmig,  etwa  0,035'”  laug  und  0,025'“  breit,  stellenweise 
mit  einer  dünnen  körnigen  mattgrauen  Membran  belegt.  Die  eine  Hälfte  der 
Samenschale  pflegt  etwas  abgeflacht  zu  sein  und  ist  von  dem  breiten,  doch 
nicht  immer  sehr  scharf  hervortretenden  Nabelstreifen  durchzogen.  Nach 
unten  zu  breitet  sich  derselbe  aus,  indem  seine  Ursprungsstelle,  der  Nabel, 
nicht  genau  in  der  Axe  des  Samens  liegt,  sondern  ein  wenig  auf  die  mehr 
gewölbte  Schalenfläche  verrückt  ist.  Diese  ganze  Region , wo  die  Samen- 
schale mit  dem  Samenraantel  verbunden  ist,  zeichnet  sich  durch  hellere, 
weniger  glänzende  Färbung  aus.  Durch  die  Spitze  der  Samenschale,  eine 
bisweilen  stark  hervortretende  stumpfe  Warze,  welche  der  flacheren  Seite 
der  Samenschale  genähert  ist,  tritt  der  Nabelstreifen  in  den  Samen  ein  und 
dehnt  sich  in  der  inneren  Saraenhaut  zum  sogenannten  Hagelflecke  (Cha- 
laza,  innerer  Nabel)  aus. 

Diese  nicht  aufspringende  Schale  (testa)  stellt  also  die  äussere  ver- 
knöcherte Samenhaut  dar  und  ist  nicht  mit  einer  eigentlichen  Nuss  zu  ver- 
gleichen. Sie  gelangt  nicht  in  den  Handel;  die  sogenannte  Muskatnuss  ist 
nur  der  aus  der  zerschlagenen  Schale  herausgenommene  Kern,  welcher  von 
der  inneren  Samenhaut  bedeckt  sich  nach  scharfem  Trocknen  in  Rauch- 
kammern von  der  Schale  zurückzieht  und  völlig  ablöst. 

Die  frühere  Handelspolitik  der  Holländer  wollte  die  Keimfähigkeit  der 
in  den  Handel  gebrachten  Muskatnüsse  zerstören  und  hat  deshalb  den 
sonderbaren  Gebrauch  eingeführt,  die  Schale  der  zuerst  künstlich  getrock- 
neten Samen  zu  zerbrechen  und  den  Kern  noch  längere  Zeit  hindurch,  an- 
geblich bis  zu  3 Monaten,  in  Kalkmilch  einzulegen.  Wie  widersinnig  dieses 
Verfahren  ist,  geht  daraus  hervor,  dass,  nach  Teijsman,  die  Keimkraft 
des  Samens  schon  ohne  weiteres  bei  8 tägigem  Liegen  in  der  Sonne  verloren 
geht.  In  der  Kalkmilch  verderben  viele  Samen  und  dieWaare  muss  eiuem 
nochmaligen  Trocknen  unterzogen  werden. 

Die  Muskatnuss  des  Handels  zeigt  die  ungefähre  Gestalt  ihrer  (besei- 
tigten) äusseren  knöchernen  Bekleidung  und  eine  entsprechend  etwas  ge- 
ringere Grösse.  Ihre  bräun  lieh  graue,  an  der  vertieften  Chalaza  etwas  dunk- 
lere, am  Nabel  etwas  hellere  Farbe  pflegt  durch  anhängenden  kohlensauren 
Kalk  mehr  oder  weniger  verdeckt  zu  sein.  Die  Oberfläche  ist  in  Folge  der 
Faltung  und  Einschrumpfung  der  dünnen  (inneren)  Samenhaut  von  ziem- 
lich starken  verästelten  Adern  gerunzelt.  An  der  etwas  flacheren  Seite  zieht 


704 


Samen. 


sich  der  Nabelstreifen  gegen  den  oft  von  Insekten  (dein  „Muskatwurm“) 
angefresseuen  Nabel  herunter. 

Die  innere  Saraeuhaut  lässt  sich  nicht  zusammenhängend  vom  Kerne 
abzichen  und  ein  Schnitt  durch  denselben  zeigt,  dass  sie  unregelmässig, 
doch  im  ganzen  ziemlich  strahlenförmig  in  langen  und  schmalen  braunen 
Streifen  oder  etwas  erweiterten  Buchten  bis  in  das  Centrum  des  grauweissen 
Eiweisses  eindringt.  Das  letztere  selbst  enthält  ausserdem  noch  einzelne  heller 
umschriebene , übrigens  nicht  abweichend  gebaute  Stellen  seines  Gewebes. 
Im  Grunde  des  Eiweisses,  dicht  am  Nabel,  findet  sich  der  ansehnliche,  bis 
0,0 lm  messende  rothbraune  Embryo,  aus  einem  kurzen,  dem  Nabel  zuge- 
wendeten Würzelchen  und  zwei  dünnen  becherförmig  auseinander  stehen- 
den Keimblättern  gebildet,  deren  zerschlitzte  krause  Ränder  in  das  Eiweiss 
eindringen. 

Das  Innere  der  Muskatnuss  bietet  daher  ein  sehr  eigenthümlich  gestreif- 
tes, marmorirtes  oder  gefeldertes  Aussehen  dar.  Das  ganze  Gewebe  ist 
gleichmässig  leicht  und  wachsartig  schneidbar,  obwohl  von  hohem  specifi- 
schem  Gewichte  und  in  Wasser  sogleich  untersinkend.  Der  ganze  Samen- 
kern ist  trotz  dem  Eindringen  der  Samenhaut  fest  zusammenhängend,  nicht 
zerklüftet  oder  bröckelig,  wie  z.  B.  der  ihn  ähnlicherWeise  von  der  Samen- 
haut durchsetzte  Cacao. 

Die  Samenschale  (testa)  besteht  vorwiegend  aus  starren  langen  dünnen 
und  radial  geordneten  Zellen,  welche  sehr  dicht  in  einander  verflochten  sind 
und  keine  deutliche  Höhlung  erkennen  lassen.  Die  innere  Schicht  dieser 
radialen  Zellen,  etwa  700  Mikromill.  breit,  ist  braun  gefärbt;  die  äussere, 
nur  1 20  Mikrom.  breit  und  aus  mehr  lockeren  bogenförmig  geneigten  dünn- 
wandigen Zellen,  ist  vorwiegend  farblos,  jedoch  stellenweise  mit  festem  tief 
rothbraunem  Inhalte  gefüllt  und  an  anderen  Stellen  radiale  Lücken  frei  las- 
send. Dieselben  dunkel  rothbraunen  Klümpchen  sind  sehr  reichlich  vor- 
handen in  dem  äusseren,  etwa  200  Mikr.  breiten  und  etwas  tangential  ge- 
streckten Parenchym,  welches  auf  die  radialen  Zellenreihen  folgt,  ln  dem- 
selben verlaufen  auch  dünne  Gefässbiindel.  Die  Oberfläche  der  Samenschale 
ist  aus  grossen  kubischen  oder  etwas  taugential  gestreckten  dickwandigen 
Zellen  gebildet. 

Die  innere  Samenhaut  besteht  aus  zaxtw and i gern  rothbraunem  Gewebe 
mit  sehr  zerstreuten  kleinen  Gefässbündeln.  In  den  äussersten  Lagen,  welche 
an  der  Handelswaare  noch  erhalten  sind , zeigt  diese  Samenhaut  kleine  zu- 
sammengefallene, oft  rund  scheiben-  oder  tafelförmige  oder  mit  geschlängel- 
ten Wänden  versehene  Zellen,  welche  aber  straffer  und  regelmässig  mauer- 
förmig werden , da  wo  die  Haut  faltenförmig  in  das  Eiweiss  eindriugt 
Vorherrschend  aber  besteht  das  Gewebe,  das  diese  Falten  der  Samenhaut 
ausfüllt,  aus  sehr  viel  weiteren  kubischen  oder  unregelmässig  kugelig-ecki- 
gen, aber  immer  ganz  dünnwandigen  Zellen.  Jede  halte  enthält  sehr  un*  • 
regelmässig  verlaufende  schwache  Gefässbüudel,  jedoch  immer  nur  in  jenem  i 
mauerfönnig  eindringenden  Gewebe,  welches  auf  die  Mitte  der  Falten  oder 


Semeu  Myristicae. 


705 


Einstülpungen  beschränkt  ist.  Dem  weitmaschigen  Füllgewebe  selbst,  welches 
grösstentheils  jeue  Falten  bildet,  fehlen  die  Gefässe. 

Das  Eiweissgewebe  ist  zartwandiges , wenig  regelmässig  kugeliges,  ei- 
förmiges oder  etwas  eckiges  Parenchym,  welches  sehr  dicht  von  ansehnlichen 
(bis  20  Mikromill.  messenden)  Stärkekörnern  und  krystallisirtem  oder  zu 
Tropfen  erstarrtem  Fette  gefüllt  ist.  ’)  Erstere  sind  entweder  einzelne  oder 
zu  2 bis  6 und  mehr  vereinigte  und  dadurch  etwas  abgeflachte  kugelförmige 
Gestalten.  Unter  den  Gruppen  vorherrschend  prismatischer  Fcttkrystalle 
machen  sich  oft  grosse  dicke  rhombische  oder  sechsseitige  Tafeln  be- 
merklich.  Daneben  finden  sich  auch  Aleuron-Körner  (vgl.  S.  667). 

In  einzelnen  Zellen,  welche  oft  ziemlich  gleichmässig  zwischen  die  übri- 
gen vertheilt  sind,  erscheint  der  Inhalt  dunkel  rothbraun,  vermutklick  durch 
denselben  Farbstoff,  wie  in  der  Samenhaut,  ohne  Zweifel  verbunden  mit  Harz 
und  ätherischem  Oele.  Mit  solcheu  braun  gesprenkelten  Partieen  kontrasti- 
ven andere,  fast  rein  weisse  eckige  oder  rundliche  Felder,  welche  sich  ent- 
fernter von  den  Falten  oder  Keilen  der  Samenhaut  im  Eiweisse  finden. 

Der  Geruch  und  Geschmack  der  Muskatnuss  ist  eigenthümlick  aroma- 
tisch.* 2) Die  äussere  knöcherne  Samenschale  allein  ist  geschmacklos. 

Neben  dem  Amylum  ist  das  Fett  der  Hauptbestandtheil  der  Nüsse, 
welcher  etwa  x/4  ihres  Gewichtes  beträgt.  In  demselben  kömmt,  ohne  Zweifel 
neben  anderen  Fettsäuren,  die  Myristinsäure  G14H2802,  eines  der  höhe- 
ren Glieder  der  .Fettsäurereihe  vor,  das  sich  auch  noch  aus  Walrath  ge- 
winnen lässt. 

Durch  Pressen  der  erwärmten  Samen  erhält  mau  das  Fett  gemengt  mit 
ätherischem  Oele  und  gelblich  oder  bräunlich  gefärbt  von  fast  butterartiger 
Consistenz,  bei  45°  C.  schmelzend. 

Dieses  Gemenge  wird  auch  in  Indien  aus  unverkäuflichen  Nüssen 
gewonnen  und  als  Muskatbalsam,  Oleum  seu  balsamum  nucistae, 
in  den  Handel  gebracht.  Der  häufigen  Verfälschungen  wegen  ist  die  Selbst- 
darstelluug  desselben  sehr  zu  empfehlen. 

Das  ätherische  Oel,  das  hauptsächlich  Geruch  und  Geschmack  der  Sa- 
men bedingt,  beträgt  etwa  6 pC.  und  besteht,  nach  Cloez,  fast  ganz  aus 
einem,  bei  165°  C.  siedenden  Kohlenwasserstoffe,  welcher  mit  Terpenthiuöl 
isomer  ist,  aber  beim  Stehen  mit  Alkohol  und  Salpetersäure  kein  krystalli- 
sirtes  Hydrat  gibt.  Er  ist,  wie  Koller  gezeigt  hat,  identisch  mit  dem  Macen 
(vergl.  bei  Macis).  Aus  dem  rohen  Oele  setzt  sich  bisweilen  der  in  19  Thei- 
len  kochenden  Wassers  lösliche  gewürzhafte  Muskatcamp  her,  das  My- 
risticin,  G10H20O3 * *  (Mul der)  in  langen  Prismen  ab. 

Nach  der  gewöhnlichen  Annahme  wären  weder  die  Muskatnuss  noch 
die  Macis  den  Alten  bekannt  gewesen.  Martins  hält  jedoch  dafür,  dass 

J)  Bonastre  (1823)  gab  2,4  pC.  Stärke  an,  sic  beträgt  aber  vormuthlich  weit  mehr. 

2)  aber  keineswegs  an  Moschus  erinnernd.  Man  bczoichnete  im  Alterthum  und  Mittelalter 

vielerlei  Wohlgeruchc  mit  dem  Namen  Moschus,  daher  Nnx  moschata,  Moschocaryon , ohne 

besondere  Beziehung  auf  nnseren  Moschus. 

Flückigcr,  Pharmakognosie. 


45 


70G 


Samen. 


letztere  zur  Zeit  des  P 1 a u t u s , die  N uss  selbst  schon  P 1 i n i u s (nach  L a n g- 
kavel  auch  Dioskorides)  bekannt  gewesen  sei.  Das  in  Rom  damals  be-  ' 
liebte  Salböl  Myron  scheint  auch  zum  Theil  unser  Oleum  nucistae  gewesen 
zu  sein.  Schon  sehr  frühe  wurde  die  Droge  jedenfalls  von  den  Arabern  aus 
Indien  geholt  und  im  Abendlande  verbreitet.  In  ihrem  Vaterlande  und  dem 
indischen  Festlande  war  sie  wohl  schon  lauge  zuvor  als  Gewürz  angewandt.  ’) 

In  Deutschland  wie  in  Frankreich  und  sogar  in  Dänemark  war  daher 
die  Muskatnuss  schon  bekannt,  bevor  der  Venetianer  Nicolo  Conti2)  im 
XV.  Jahrhundert  die  erste  Nachricht  von  ihrer  Heimat  brachte  und  bevor 
die  Portugiesen  sie  1511  in  der  That  auf  den  Banda -Inseln  trafen,  seit  < 
welcher  Zeit  erst  dieses  früher  so  hochgeschätzte  kostbare  Gewürz  allge-  I 
meiner  zugänglich  wurde. 

Aehnlich  wie  bei  Zimmt  und  Nelken  hatten  sich  die  Nachfolger  der 
Portugiesen,  die  Holländer,  das  Monopol  des  Artikels  anzueignen  getrachtet,  1 
indem  sie  die  Muskatbäume  auf  Banda  und  Ambon  beschränkten  und 
überall  anderswo  auszurotten  suchten,  auch  wohl  bei  übergrosser  Produk- 
tion (z.  B.  noch  1763)  einen  Theil  der  Waare  verbrennen  Hessen. 

In  neuerer  Zeit  ist  der  Verbrauch  immer  geringer  geworden,  so  dass  z.  B.  * 
auf  Java  die  holländische  Regierung  die  Cultur  (1864)  eingestellt  hat.  Die 
320,000  Bäume  der  34  Pflanzungen  auf  den  3 genannten  Banda-Inseln  er- 
zeugten 1856  etwas  über  5000  Centner  Nüsse  und  1300  Ctr.  Macis.  — 
England  führte  1860  etwa  4700  Ctr.  der  ersteren  ein,  Frankreich  nur  600 
Ctr.  — In  letzter  Zeit  hat  sich  die  Ausfuhr  aus  Pulo  Pinang  und  Siugapore 
sehr  gehoben,  1860  z.  B.  auf  mehr  als  6000  Piculs. 

Der  Gesammtwerth  der  jährlichen  Produktion  von  Muskatnüssen  dürfte 
nach  Scherzer  (Novara,  commerc.  Theil)  auf  etwa  l'/a  Millionen  Francs  | 
austeigen,  der  der  Macis  auf  etwa  */*  Million. 

Macis. 

Arillus  Myristicae.  Muskatblüthe.  Muskatblumen.  Fleur  de  muscade. 

Le  macis.  Mace. 

Wie  bei  Semen  Myristicae  erwähnt,  wird  derselbe  von  einem  sehr  eigen- 
thümlichen  fleischigen  Samenmantel  umhüllt,  welcher  am  Grunde  der  steiu- 
schalenartigen  äusseren  Samenhaut  sowohl  mit  dem  Nabel  als  auch  mit 
dem  zunächst  liegenden  Stücke  des  Nabelstreifens  allerdings  nicht  sehr 
fest  verwachsen,  somit  aus  einer  Wucherung  dieser  Tlieile  hervorgegangen 
ist.  Dieser  Mantel  ist  die  Macis  oder  Muskatblüthe  des  Handels  und  be- 
trägt ungefähr  13  pC.  des  ganzen  Samens  nach  dem  Trocknen,  während 
auf  den  Samenkern  (mix  moschata)  53  pC.  kommen. 


1)  Mau  Lat  die  Muskatnuss  auch  in  altägyptischeil  Mumiensärgen  gefunden  (Merat  und 
do  Leus.  — Martiny). 

2)  Poscliel,  Geschichte  der  Erdkunde.  Muuclicn  1S65  pag.  167.  207.  — Simeon 
Seth  (XI.  Jahrh.)  gedenkt  zuerst  unzweifelhaft  der  Muskatnuss. 


Macis. 


707 


Iin  frischen  Zustande  ist  der  Samenmantel  fleischig  und  von  schön 
karminrother  Farbe,  er  umschliesst  den  Samenkeru  nur  zu  unterst  ganz 
ringsum,  theilt  sich  aber  durch  einige  wenige,  fast  oder  ganz  bis  auf  den 
Grund  gehende  Einschnitte  in  breite  Lappen,  die  nun  wieder  in  lange 
schmale,  oft  nochmals  getheilte  bandartige  Streifen  zerschlitzt  sind.  Die- 
selben steigen  wellenförmig  gekrümmt  empor,  zwischen  sich  zahlreiche  läng- 
lich-runde oder  spitz -elliptische  Felder  des  dunkelbraunen  bamenkernes 
unbedeckt  lassend,  drängen  sich  aber  oben  zu  einer  dichten  krausen  Um- 
hüllung der  Samenspitze  zusammen. 

Die  mit  Messern  oder  nur  mit  der  Hand  abgelöste  Macis  wird  in  der 
Sonne  getrocknet  und  nimmt  dabei  eine  trübe  gelbröthliche  Färbung,  matten 
Fettglanz  und  hornartige,  aber  brüchige  Consistenz  an  und  ist  etwas  durch- 
scheinend. Im  Wasser  quillt  sie  nicht  bedeutend  auf.  Der  ganze,  durch  die 
Verpackung  zusammengedrückte  und  zerknitterte  Samenmantel  ist  ungefähr 
0,045m  laug  und  durchschnittlich  0,00 lm  dick,  am  Grunde  etwas  dicker. 
Man  unterscheidet  im  Handel  die  Macis  je  nach  der  Herkunft  von  halbreifen, 
von  reif  abgelesenen  oder  abgefallenen  Früchten. 

Der  anatomische  Bau  ist  sehr  einfach.  Das  sehr  gleichförmige  klein- 
zellige rundlich -eckige  Parenchym  ist  von  zahlreichen  braunen  Oelzellen 
unterbrochen,  welche  sich  nur  durch  etwas  ansehnlichere  Grösse  (70  bis 
100  Mikromillim.)  auszeichnen,  aber  nicht  in  die  Länge  gezogen  sind.  Die 
innere  Hälfte  des  Gewebes  enthält  vereinzelte  schwache  braune  Gefäss- 
bündelchen.  Die  Oberfläche  wird  auf  beiden  Seiten  von  einigen  Reihen  farb- 
loser dickwandiger  langgestreckter  Zellen  gebildet,  welche  noch  von  einer 
besonderen  Oberhaut  bedeckt  sind.  Sie  besteht  aus  breiten  flach  bandartigen 
ungefärbten  Zellen,  welche  sich  indessen  nicht  als  zusammenhängende  Haut 
abziehen  lassen. 

Der  körnig-wolkige  Inhalt  des  Parenchyms  wird  durch  Alkohol,  Aether 
oder  Chloroform  nicht  gelöst,  wohl  aber  grössten theils  durch  Kali.  Jod- 
wasser färbt  ihn  schwach  violettröthlich.  Eine  concentrirte  wässerige  Ab- 
kochung der  Macis  wird  durch  Alkohol  und  Kali  gallertartig  gefällt,  die  in 
Wasser  wieder  gelöste  Gallerte  färbt  sich  mit  Jodwasser  röthlich  und  redu- 
cirt  beim  Kochen  alkalisches  Kupfertartrat,  verhält  sich  also  wie  Dextrin 
oder  Pflanzenschleim.  Der  Auszug  mit  schwacher  Kalilauge  gibt  mit 
Essigsäure  eine  starke  Trübung.  Demnach  scheint  die  Macis  in  ihrem  Pa- 
renchym hauptsächlich  einen  in  Wasser  unlöslichen  Proteinstoff  neben 
Dextrin  oder  Schleim  zu  enthalten.  Fett  ist  in  geringer  Menge  vorhanden, 
Amylum  fehlt. *) 

Den  Oelräuraen  gehört  das  hellgelbe  ätherische  Oel  an,  welches  bis- 
weilen in  das  umgebende  Gewebe  ausgetreten  ist.  Demselben  verdankt  die 
Macis  den  aromatischen  Geruch  und  Geschmack,  welcher  sich  von  dem  des 


*)  Der  von  Henry  (1824)  angegebene,  33  pC.  betragende  gummiartige  Stoff  ist  durch 
denselben  schon  bestimmt  von  Amylum  unterschieden  worden. 


45* 


708 


Samen. 


Samenkornes  durch  grössere  Feinheit  und  Milde  und  sehr  schwach  bitter- 
lichen Beigeschmack  unterscheidet. 

Das  ätherische  Oel  beträgt  4 bis  7,  ja  bis  über  9 pC.  Die  grössere 
Hälfte  desselben  besteht  nach  S ch  acht  aus  Macen  G1ÜH16,  einem  bei  IGO0 
siedenden  Kohlenwasserstoffe,  der  sich  von  dem  mit  ihm  isomeren  Terpen- 
thinöle  dadurch  unterscheidet,  dass  er  mit  Salpetersäure  und  Alkohol  kein 
krystallisirtes  Hydrat  ausscheidet.  Das  Macen  ist  identisch  mit  dem  sauer- 
stofffreien Tlieile  des  Oeles  von  Semen  Myristicae , doch  dreht  dasselbe  die 
Polarisationsebene  nach  links,  das  Macen  nach  rechts.  Neben  dem  Macen 
enthält  das  rohe  Macisöl  auch  sauerstoffhaltige  Oele  von  höherem  Siede- 
punkte, ohne  Zweifel  Hydrate  des  Macens;  das  Myristicin  (vergl.  bei 
Semen  Myristicae)  daraus  zu  erhalten,  gelang  weder  Schacht  noch 
Koller. 

Die  chemische  Zusammensetzung  der  Macis  weicht  demnach  sehr  von 
der  des  Saraeneiweisses  ab.  Die  Proteinstoffe  scheinen  in  der  ersteren  ihren 
Sitz  zu  haben,  so  dass  der  Saraenmantel  vermuthlich  bei  der  Keimung  eine 
wesentliche  Rolle  spielt. 

Andere  Myristica- Arten  besitzen  zwar  gleich  gebaute,  in  ihren  Dimen- 
sionen aber  doch  beträchtlich  abweichende  und  weniger  aromatische  Samen, 
als  die  beschriebenen  Muskatnüsse  und  ihr  Sameumantel,  so  dass  der- 
gleichen Substitutionen,  die  übrigens  nicht  vorzukommen  pflegen,  leicht 
kenntlich  sein  würden. 

Die  Bekanntschaft  des  Abendlandes  mit  der  Macis  dürfte  nach  dem  bei 
Sem.  Myristicae  angeführten  weit  zurückgehen.  Schon  Aetios  im  VI.  Jahr- 
hundert unserer  Zeitrechnung  scheint  sie  gekannt  zu  haben.  Edrisi  im 
XII.  Jahrh.  zählte  unter  den  in  Aden  aus  Indien  eingeführten  Waaren1) 
Macis  auf,  Kazviui  im  XIII.  Jahrh.  wusste  ihre  Heimat,  die  Molukken,  an- 
zugeben;2) auch  Jacobus  de  Vitriaco,  ein  Franzose,  im  XIII.  Jahrh. 
Bischof  von  St.  Jean  d’Acre  in  Palaestina,  leitete  sie  aus  Indien  ab  und 
nannte  sie  die  Bliithe  der  Muskatnuss. 


1)  Edrisi,  trad.  p.  Jaubert.  Paris  1836.  Pag.  51. 

~)  Lassen,  indische  Alterthuraskuude  IV.  945. 


Amyliun  Marantae. 


709 


Anhang  zur  zweiten  Classe, 

Seite  128. 


Amylum  Marantae. 

Arrow-Root-Stärke.  Maranta-Stärke.  Pfeilwurzelstärke.  Amidon  de  Maranta. 

Maranta  starch.  Arrow-root. 

Maranta1)  arundinacea  L.  — Cannaceae  (Marantaceae). 

Die  Pfeilwurz,  eine  ungefähr  1"“  hohe  krautige  Staude  mit  sehr  ansehn- 
lichen spitz  elliptischen  Blättern  und  weissen  Blüthen,  ist  in  Westindien 
und  dem  nördlichen  Theile  Südamerikas  ursprünglich  einheimisch,  durch 
Kultur  aber  jetzt  in  viele  Tropenländer,  z.  B.  West-  und  Südafrika,  Ceylon, 
Ostindien  verbreitet.  Die  im  indischen  Archipel  einheimische  und  auch 
viel  angebaute  Maranta  indica1')  Tussac,  welche  der  oben  genannten  Art 
äusserst  ähnlich  ist,  wie  überhaupt  noch  andere,  nicht  scharf  genug  unter- 
schiedene Maranta-Arten  werden  in  gleicherweise  auf  Stärkemehl  benutzt, 
wie  M.  arundinacea.  — Sie  verlangen  alle  ein  feucht- heisses  Klima  und 
gelangen  schon  auf  Madeira,  obwohl  daselbst  noch  ganz  gut  fortkommend, 
nicht  mehr  zum  Blühen. 

Wie  so  viele  Zingiberaceen  und  Cannaceen  (Scitamineen)  besitzen  auch 
die  Maranten  ein  umfängliches  und  stärkereiches  Wurzelsystem,  das  in  an- 
sehnlicher Zahl  fusslange,  höchstens  zur  Dicke  eines  Fingers  anschwellende 
Aeste  treibt.  Yon  den  braungelben,  sie  ganz  umhüllenden  Blattscheideu 
befreit,  zeichnen  sich  diese  Aeste  des  Wurzelstockes  im  Gegensätze  zu 
manchen  anderen  der  nächst  verwandten  Bildungen  durch  Abwesenheit  von 
b arbstoff , Harz  und  ätherischem  Oele  aus,  so  dass  Stärkemehl  nahezu  der 


Bai'tolomeo  Maranta,  trefflicher  botanischer  Beobachter,  um  die  Mitte  des  XVI 
Jahrhunderts  in  Neapel  lebend. 

2)  Die  Pflanze  besitzt  mehr  eirunde,  verhältnissmässig  breitere,  in  eine  längere  Spitze  ver- 
schmalcrte  und  völlig  kahle  Blätter,  grössere,  fast  kugelige  (nicht  wie  bei  M.  arundinacea 
dreiseitig  elliptische  Frhchte  und  weisse  Samen.  Die  Blätter  der  M.  arundinacea  sind  aber 

r j“th b6haart;  B“  W0lett-  - “ -nt  M.  indica 


710 


Anhang. 


ausschliessliche  feste  Inhalt1)  ihres  Gewebes  ist  und  mit  leichter  Mühe,  wie 
es  scheint,  bis  zu  ungefähr  70  pC.  (auf  Trockensubstanz  bezogen),  in  höchster 
Reinheit  daraus  gewonnen  werden  kann.  Besonders  auf  den  Bermuden  wird  die 
Darstellung  des  Pfeilwurzelmekles  mit  grosser  Sorgfalt  betrieben  und  durch 
wiederholtes  Abspülen  und  Auswaschen  fast  alle  Reste  des  Gewebes  besei- 
tigt, nachdem  dasselbe  zuvor  durch  Walzen  zerquetscht  worden.  Das 
Stärkemehl  wird  schliesslich  theils  in  künstlicher  gelinder  Wärme,  theils  an 
der  Sonne  getrocknet.  Auch  einige  der  antillisckeu  Inseln  liefern  in  gleicher 
Güte  das  Arrow-root-Mehl. 

Als  Nahrungsmittel  war  dasselbe  in  diesen  Ländern  ohne  Zweifel  längst 
bekannt,  zog  aber  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  die 
Aufmerksamkeit  der  Europäer  auf  sich.  Olaf  Swartz  gedachte  1791  zu- 
erst des  Arrow-roots,  das  zu  Anfang  unseres  Jahrhunderts  allmälig  in 
Deutschland  Eingang  fand. 

Die  Marantastärke  zeigt  die  allgemeinen  Eigenschaften  des  Amylums 
mit  geringen  Eigentümlichkeiten , welche  vorzüglich  die  Form  uud  das 
Verhalten  zu  keissem  Wasser  betreffen. 

Von  dem  Botaniker  H.  Zolliuger,  welcher  Maranta  indica  in  Rogod- 
jampie  im  Osten  Javas  im  grossen  pflanzte,  erhielt  ich  direkt  das  Mehl  der= 
selben,  welches  sich  unter  dem  Mikroskop  sehr  reiu  erweist.  Es  lassen  sich 
darin  kaum  Spuren  des  Gewebes  uud  gar  keine  fremdartigen  Stoffe  erkennen; 
die  Asche  beträgt  nur  0,62  pC.  Die  Stärkekörnchen  sind  von  kugeliger, 
doch  nicht  mathematisch  regelmässiger  Form  und  besitzen  einen  Durch- 
messer von  ungefähr  7 bis  höchstens  50  Mikromillimetern,  lufttiocken  ge- 
nommen und  unter  Mandelöl  betrachtet. 

In  Wasser  zeigen  die  Körnchen  nicht  eben  sehr  deutliche  Schichtung; 
erhitzt  man  vorsichtig  auf  dem  Objektträger  selbst  das  Wasser,  in  welchem 
die  Stärkekörnchen  liegen,  so  sieht  mau  die  Aufquellung  derselben  genau 
bei  70°  C.  beginnen. 

Mit  20  Th.  destillirteu Wassers  gegen  100°  erwärmt,  liefert  meine 
Marantastärke  einen,  auch  nach  Zusatz  von  Salzsäure  geruchlosen,  voll- 
kommen gleichmässigen , in  der  Wärme  beweglichen,  nach  dem  Erkalten 
ziemlich  steifen  geschmacklosen  Kleister.  Durch  Salzsäure  von  ungefähr 
1,06  specifischem  Gewicht  wird  diese  Stärke  bei  40°  nur  unmerklic 

Das  specifische  Gewicht  aller  Stärkevarietäten  ist  mit  bedingt  durch 
das  Wasser,  welches  sie  bei  gewöhnlicher  Lufttemperatur  zurückzuhalten 
vermögen.  Die  in  Frage  stehende  Arrow-root- Stärke,  längere  Zeit  der 
Atmosphäre  bei  mittlerer  Feuchtigkeit  dargeboten,  ergab  einen  Wassergehalt 
von  13,3  pC.,  nachdem  siebei  100°  C.  verweilt,  bis  keine  Gewichtsabnahme 
mehr  eintrat.  Die  Einwirkung  der  Wärme  hatte  sehr  allmälig  begonnen,  so 


1)  es  ist  deshalb  auch  nicht  einstweilen,  was  die  Wurzel  bei  Wunden  von  lergifteten 
Pfeilen  zu  leisten  vermag,  obwohl  sie  dieser  Anwendnng  wegen  ihren  Namen  tragt. 


Amylum  Marantae. 


711 


dass  das  Mikroskop  an  den  Körnern  keine  Veränderung  nachwies;  dieselben 
zogen  auch  an  demselben  Tage  noch  aus  der  Luft  wieder  die  frühere  Menge 
Wasser  an.1) 

Zur  Bestimmung  des  specifischen  Gewichtes  diente  ein  käufliches  Petro- 
leum von  0,807  sp.  Gew.,  bei  17—18°  C.  In  diesem  gewogen  ergab  sich 
das  sp.  G.  der  lufttrockenen  Marantastärke  zu  1,504  und  nach  völligem 
Trocknen  zu  1,565  (Wasser  von  17  — 18  C.  = 1).  Diese  Veränderung 
der  Dichtigkeit  lässt  sich  am  einfachsten  mit  Hülfe  des  Chloroforms  vor 
Augen  führen.  Bei  angegebener  Temperatur  wiegt  diese  Flüssigkeit  1,507, 
woraus  sich  erklärt,  dass  lufttrockene  Stärke  auf  Chloroform  schwimrflt, 
aber  nach  völliger  Entwässerung  bei  100°  sofort  und  dauernd  uutersinkt. 

Im  einen  oder  im  andern  Falle  würden  sich  bei  diesem  Versuche  die  meisten 
(etwaigen)  Beimengungen  durch  entgegengesetztes  Verhalten  zu  erkenneu 
geben. 

In  den  eben  erörterten  Punkten  zeigt  sich  das  Stärkemehl  der  Kartoffeln 
in  folgender  Weise  verschieden.  Es  entfernt  sich  in  seiner  Form  ganz  von 
der  Kugelgestalt  und  stellt  platt  elliptische  bis  etwas  flache,  stumpf  drei- 
eckige oder  an  gewisse  Muschelschalen  erinnernde  Körner  dar,  welche  deut- 
lich geschichtet  sind,  sehr  häufig  100  Mikromill.  und  darüber  messen  und 
einen  sogenannten  Nabel  zeigen.  In  Wasser  auf  dem  Objektträger  erhitzt, 
quellen  die  Körner  schon  bei  60°  C.  stark  auf;2)  Salzsäure  von  1,06  sp.  G. 
löst  sie  schon  bei  40°  rasch  und  fast  grösstentheils  wenigstens  so  weit  auf, 
dass  die  Flüssigkeit  nach  dem  Schütteln  nur  eben  etwas  trübe  erscheint, 
aber  das  Mehl  nicht  mehr  als  weisses  Pulver  fallen  lässt,  wie  es  bei  dem 
beschriebenen  Arrow-root  geschieht.  Bei  dieser  Behandlung  bleibt  letz- 
teres ganz  geruchlos,  während  das  Stärkemehl  der  Kartoffel  einen  eigen- 
thiiralichen,  wenn  auch  nicht  eben  kräftigen  Geruch  entwickelt. 

Der  Wassergehalt  der  lufttrockenen  Kartoffelstärke  ergab  sich=  1 7,35  pC. 
in  der  untersuchten,  sehr  reinen  Sorte,  das  spec.  Gew.  = 1,503  lufttrocken 
und  1,633  nach  der  Entwässerung.  Sie  verhält  sich  daher  zu  Chloroform 
wie  die  Arrow-root-Stärke  und  vermuthlich  dreht  sich  in  gleicher  Weise  die 
Dichtigkeit  aller  Stärkevarietäten  überhaupt  je  nach  dem  Gehalte  oder  dem 
Mangel  an  Wasser  um  1,50. 

Nach  Wiesner3)  wären  die  Körner  der  Maranta  arundinacea  immer 
einfach  eiförmig  oder  etwas  kautig  und  durchschnittlich  doppelt  so  gross 


0 Vergl.  über  die  Wasseranziehung  verschiedener  Stärkearten:  Nossian  im  Kopp- 
WiH’schen  Jahresberichte  der  Chemie  für  1861,  S.  714. 

2)  grössere  Körner  scheinen  überhaupt  durchschnittlich  bei  etwas  niedrigerer  Temperatur 
aufzuquellen  und  zu  verkleistern ; freilich  kann  hierbei  von  mathematisch  genauer  Bestimmung 
eines  Thermometergrades  nicht  wohl  die  Rede  sein.  — Vergl.  über  diese  Temperaturen  bei 
verschiedenen  Stärkcarten : Lippmann  im  Kop  p-Wil l’schcn  Jahresb.  d.  Chcm.  1861,  715, 
auch  imWiggers’sclien  Jahresb.  d.  Pharm.  1861,  166. 

3)  Technische  Mikroskopie.  Wien  1867,  210. 


712 


Anhang. 


wie  die  der  M.  iudica.  Im  Handel  scheinen  beide  öfter  gemengt  vorzu- 
kommen. 

Nicht  geringere  Verschiedenheit  von  der  Marantastärke  bieten  die 
Amylumkörner  mancher  Zingiberaceen  dar,  wie  z.  13.  oben  bei  der  Beschrei- 
bung des  Rhizoma  Zingiberis,  Zedoariae  und  Galangae  hervorgehoben  ist. 
Ebenso  die  Stärke  von  Curcuma  angustifolia  Roxburgh  und  C.  leucor-  : 
rhiza  Rxbgh.,  welche  aus  Malabar  und  manchen  anderen  Ländern  Vorder-  j 
indiens  als  ostindisches  Arrow-Root,  Tik  oder  Tikur,  ausgeführt  : 
wird.  Diese  Körnchen  sind  nicht  kugelig  oder  eiförmig,  sondern  bilden 
ziemlich  flache,  nur  5 — 7 Mikromill.  dicke  Scheiben  von  elliptischem  Um- 
risse, welcher  sich  jedoch  häufig  der  Keil-  oder  Eiform  nähert,  oft  auch  ] 
abgestutzt,  überhaupt  sehr  verschieden  auftritt.  Der  grösste  Durchmesser  j 
erreicht  60 — 70  Mikromill.  in  vielen  Körnern.  Immer  sind  dieselben  schön 
geschichtet,  sowohl  auf  den  Flächen  als  am  Rande.  Der  Nabel  liegt  ge-  j 
wohnlich  im  schmaleren  Ende  und  pflegt  daher  nicht  in  die  Augen  zu  ' 
fallen.  Das  Aufquelleu  beobachtete  ich  in  der  oben  angegeben  Weise  erst 
bei  72°. 

Das  Bermudische  Arrow-Root,  welches  besonders  aufLong-Island 
aus  Maranta  arundinacea  gewonnen  und  in  Amerika  bevorzugt  wird,  ist 
vorherrschend  eiförmig,  sehr  deutlich  geschichtet,  mit  kleinem  Nabel  ver-  \ 
sehen  und  nicht  häufig  35  Mikromill.  im  Durchmesser  übersteigend. 

Von  derselben  Pflanze  wird  das  Arrow-Root-Mehl  aus  St.  Vincent,  einer 
der  südlichen  kleinen  Antillen,  abgeleitet.  Was  ich  als  solches  besitze,  ist 
jedoch  mehr  kugelig  oder  breit  eiförmig,  häufig  60  Mikromill.  gross,  mit 
ansehnlichem  Nabel. 

Nicht  nur  die  Stärke  der  Scitamiueen  geht  unter  dem  Namen  Arrow- 
Root.  Tahiti  und  Brasilien  z.  B.  liefern  dergleichen  von  Tacca  pinnati - 
fida  Förster  (Taccaceae).  Von  Dr.  Blumenau  aus  der  gleichnamigen  bia- 
silianischen  Colonie  erhaltenes  Amylum  dieser  Pflanze  besteht  aus  deutlich 
geschichteten  kugeligen  bis  unregelmässig  eiförmigen  oder  selbst  ansehnlich 
verlängerten,  mitunter  sogar  kolbenförmigen  Körnern  von  30  bis  übei  50 
bis  60  Mikromill.  (unter  Oel  gemessen).  Im  trockenen  Zustande  ist  diesem 
Mehle  ein  unangenehmer  Geruch  eigen,  der  beim  Kochen  verschwindet. 
Unbekannt  ist  mir  die  Abstammung  des  Arrow-Roots  von  Port-Natal, 
länglich  eiförmige  bis  35  Mikromill.  erreichende  Körnchen,  sowie  desjenigen 
vom  Cap  selbst,  welches  ich  unter  dem  Namen  Dr.  Lindsted  sches  Arrow-  j 
Root,1)  wie  das  vorige,  dem  Hause  Gehe  & Co.  verdanke.  Das  Lindsted- 
sche  bildet  sehr  unregelmässige  bimförmige  elliptische  oder  kugelige,  sogai 
fast  dreieckige  und  oft  au  Kartoffelstärke  erinnernde  Körner,  jedoch  nur  , 
von  70  Mikrom.  Grösse. 

Brasilianisches  Arrow-Root,  20 — 35  Mikr.  messend,  in  kugeligen 


1)  Nach  Walpers  (Bot.  Ztg.  IX.  (1851)  330  wird  letzteres  von  Maranta  arundinacea 
gewonnen. 


Amylum. 


713 


oder  halbkugeligen  Körnern  (Theilkörneru)  mit  grosser  Höhle,  gehört  ge- 
wöhnlich zurCassave,  worunter  das  Amylum  von  Manihot  utilisswia 
Pohl  (Syn. : Jatropha  Manihot  L.,  Janipha  Manihot  Kunth),  M.  Janipha  Pohl 
(Jatropha  Janipha  L.)  und  M.  Avpi  Pohl  verstanden  wird.  Diese  in  Süd- 
amerika einheimischen  Euphorbiaceen  werden  eben  so  gut  in  vielen  anderen 
Tropenländern  gezogen,  in  sehr  grosser  Menge  z.  B.  inTravancore  (Vorder 
iudien)  und  auf  Guadeloupe.  Von  der  oben  bei  Maranta  indica  genannten 
Pflanzung  auf  Java  erhaltenes  Stärkmehl  der  süssen  sowohl  als  der  bitteren 
Varietät  der  Manihot  utilissima  stimmt  mit  dem  brasilianischen  Arrow-Root 
überein.  Aus  diesem  letzteren  wird  unter  dem  Namen  Tapiocca  durch 
Erhitzen  des  angefeuchteten  gekörnten  Meliles  ein  Präparat  hergestellt, 
welches  das  Amylum  in  mehr  oder  weniger  aufgequollenem  und  veiklei 
stertem  Zustande  enthält. 

In  gleicherweise  kann  selbstverständlich  jedes  Stärkemehl  verarbeitet 
werden,  wie  es  in  Ostindien und  Polynesien  seit  sehr  langer  Zeit  manig- 
fach  und  im  grössten  Masstabe  geschieht.  Dieses  Produkt,  der  Sagu  oder 
Sago1 2),  stammt  aus  dem  Marke  von  Palmstämmen,  meist  von  Metroxylon 
Sagus  König  (Sagus  RumphiiWilldenow)  oder  M.  laeve  König  (Sagus  lae- 
vis  Rumph),  weniger  von  Sagus  farinifera  Lamarck.  Leicht  liefert  eine 
einzige  Palme  ein  paar  hundert  Pfunde  Stärke,  die  den  Hauptinhalt  des 
Markgewebes  ausmacht  und  ohne  Mühe  sehr  rein  herausgespült  werden 
kann,  wenn  der  Baum  im  Alter  von  15 — 20  Jahren  steht  und  seine  (nur 
einmalige)  Bliithe  noch  nicht  treibt;  später  vertrocknet  das  Mark. 

Weuiger  wichtig  für  den  Weltmarkt  ist  der  Sago,  der  hauptsächlich  in 
den  Gebirgsgegenden  Westjavas,  z.  B.  in  Bandong,  dargestellt  wird.  Er 
stammt  von  Saguerus  Rumphii  Roxburgh  (Syn.:  Arenga  saccharifera 
Labillardiere,  Borassus  Gomutus  Loureiro).  Das  unveränderte  Amylum 
dieser  äusserst  nützlichen  Aren-Palme,3)  welches  ich  gleichfalls  dem  schon 
genannten  Zollinger  verdanke,  ist  von  schwach  gelblicher  Färbung,  seine 
Körner  häufig  50  — 60  Mikr.  gross,  deutlich  geschichtet  und  genabelt  und 
von  ziemlich  wechselnder  Gestalt,  bald  kugelig,  bimförmig,  eirundlich,  bald 
gestutzt.  Daraus  wird  im  Innern  Javas  fast  ausschliesslich  der  dortige 
Sago  gewonnen,  dem  jedoch  ein  gewisser  Beigeschmack  anhaftet. 


1)  schon  Marco  Polo  schilderte  zu  Ende  des  XIII.  Jahrhunderts  nach  seinem  Besuche 
auf  Sumatra  die  Sago-Palme,  ihr  Stärkemehl  und  das  (zum  Theil)  daraus  bereitete  Brot.  Nur 
die  Beschreibung  des  Holzes  der  Palme  ist  uicht  zutreffend ; cs  muss  auf  einem  Missverständ- 
nisse beruhen,  dass  er  dasselbe  sehr  hart  und  sehr  dicht  nennt. 

2)  in  der  Sprache  der  Papuas  einfach  Brot  bedeutend,  weil  aus  dem  Sagomchle  ein 
(schlechtes)  Brot  gebacken  wird. 

3)  vom  neunten  oder  zehnten  Jahre  an  liefert  dieselbe  auch  zwei  Jahre  hindurch,  nämlich 
bis  zur  Entwickelung  der  gewaltigen  Blüthentraube,  die  nur  einmal  in  ihrem  Leben  erscheint, 
grosse  Mengen  Rohrzucker,  welcher  schon  jetzt  in  Java  sehr  viel  verbraucht  wird,  aber  gewiss 
noch  eine  bedeutende  Zukunft  hat.  Vergl.  über  diese  wichtige  Palme:  Seemann,  diePalmen. 
Leipzig  1857,  S.  43 — 48.  — Junghuhn,  Java.  Leipzig  1852,  S.  176,  293;  vorzüglich 
aber  deVrij,  Jouru.  de  Pharm.  I.  (1865)  270,  auchWill’s  Jahresb.  d.  Chemie  1856,  598. 


714 


Anhang. 


In  unveränderter  Form  liefern  hauptsächlich  Sumatra,  Siam  und  Borneo 
in  ungeheurer  Menge  (200,000  Oentner  jährlich)  das  Stärkemehl  nach 
Singapore,  dem  gegenwärtigen  Hauptplatze  der  Sago-Industrie,  welche  dort 
seit  1819  ausschliesslich  von  Chinesen  betrieben  wird.  So  sehr  gross 
auch  der  Verbrauch  des  Sagos  ist1),  so  wird  er  sogar  in  seinem  Vaterlande 
mit  richtigem  Gefühle  als  Nahrungsmittel  geringer  geachtet  als  selbst  Reis 
und  Mais.  Doch  zeichnet  sich  ostindischer  Sago,  von  welchem  mehrere 
Sorten  nach  Europa  gelangen,  immerhin,  wenn  auch  nicht  eben  durch  einen 
wirklichen  Wohlgeschmack,  so  doch  durch  Reinheit  des  Geschmackes  aus, 
was  sich  von  Sago,  den  mau  bei  uns  z.  B.  aus  Kartoffelstärke  bereitet,  nicht 
leicht  sagen  lässt. 

Die  Kunst  der  Sago -Darstellung  beruht  darauf,  dass  die  Erhitzung 
der  Stärke  nur  eben  bis  zu  einem  Punkte  getrieben  wird,  wo  die  zuvor 
durchfeuchteten  Körnchen  hinreichend  verkleistert  werden,  um  die  Herstel- 
lung grösserer,  nach  dem  Trocknen  harter  Körner  oder  Klümpchen  zu  er- 
möglichen, welche  beim  Kochen  nur  sehr  allmälig  zergehen. 

Wenn  auch  aus  der  Betrachtung  der  Zingiberaceen  namentlich  hervor- 
geht, dass  eine  üppige  Entwickelung  des  Wurzelsystems  der  Bildung  zahl- 
reicher und  ansehnlicher  Stärkekörner  überaus  förderlich  ist,  so  ist  doch 
zur  richtigen  Würdigung  des  Amylums  überhaupt  ein  genaueres  Eingehen 
auf  seine  allgemeinen  Verhältnisse  unerlässlich. 

Das  Amylum  ist  einer  der  häufigsten  Stoffe,  welche  sich  in  fester  Form 
in  den  Zellen  der  verschiedensten  Pflanzenorgane  abgelagert  finden.  Sehr 
allgemein  verbreitet  ist  es  namentlich  auch  in  den  unterirdischen 
Theilen,  so  dass  wir  z.  B.  unter  den  officinellen  Wurzelbildungen  im  weite- 
sten Sinne  nur  wenige  treffen,  welchen  es  mangelt,  wie  dies  schon  bei  Gelegen- 
heit der  Rad.  Enulae  (Seite  289)  für  die  sämmtlichen  (officinellen)  Wurzeln 
der  Compositen  hervorgehobeu  wurde.  Ganz  regelmässig  fehlt  das  Amylum 
ferner  in  Bulbus  Scillae,  Rhizoma  Gramiuis,  Radix  Geutiauae,  R.  Rubiae. 
R.  Saponariae,  R.  Senegae. 

Die  meisten  Blätter  und  Rinden , viele  Samen  und  Früchte , manches 
Holzparenchym  enthalten  Stärkemehl.  Es  ist  keineswegs  auf  die  Gefäss- 
pflanzen  beschränkt,  sondern  tritt  schon  iu  einzelnen  Meeresalgen  aus  der 
Abtheilung  der  Florideen  auf,  findet  sich  in  den  Pilzen  nur  bei  Saproleguia, 
nicht  in  den  Flechten  (vergl.  bei  Lichen  islandicus  und  L.  parietinus)  wohl 
aber  bei  den  Rhizocarpeen,  z.  B.  im  Stamme  von  Isoetcs  lacvstris,  in  den 
Sporen  der  Marsileapubesceus.  Sehr  grosse  Amylumküruer  bieten  die  Sporen 
der  Nitelia  syncarpa  (Characeeu)  dar.  Iu  Lebermoosen,  Equisetaceen  und 
Lycopodiaceen  scheinen  dergleichen  noch  nicht  aufgefuuden  zu  sein,  da- 
gegen bei  den  Laubmoosen  wenigstens  in  der  Fruchtsäule  des  Phascum 
cuspidatum.2)  In  den  unterirdischen  Stämmen  der  Farne  (vergl.  bei  Rhiz. 

1)  Hofmeister,  Die  Pflanzenzelle.  Leipzig  1867,  374. 

2)  Ambon  ziibltc  1863  über  1,000,000  Stämme  von  M.  Sagus  und  verbraucht  mit  den 
benachbarten  üliasser- Inselchen  jährlich  gegen  50  Mill.  Pfd.  Sago  bei  einer  Bevölkerung  von 
nur  200,000  Seelen. 


Amylum. 


715 


Filicis  und  Polypodii)  ist  es  schon  reichlich  abgelagert,  nachYo  gl  selbst  in 
den  Spreuhaaren  tropischer  Farne,  z.  B.  im  Pengawar  Djambi  und  im  I ulu 

Ausserordentlich  verschieden  ist  die  Menge,  in  welcher  das  Amylum  in 
den  Pflanzen  abgelagert  ist.  Im  Reise  und  in  Kartoffeln,  wo  es  über  80  pC. 
der  (getrockneten)  Substanz  wiegt,  dürften  die  äussersten  Maxima  er- 
Schwerlich wird  sich  eine  phanerogamische  Familie  von  einigem  Um- 
fange als  gänzlich  der  Stärke  entbehrend  angeben  lassen. 

Auch  das  Thier  reich  hat  Amylum,  wenn  auch  nur  äusserst  spärlich, 
aufzuweisen.  Dareste  (1806)  z.  B.  will  es  im  Eigelb,  umhüllt  von  einer 
stickstoffhaltigen  Substanz  und  daher  nicht  sofort  in  die  Augen  fallend, 
gefunden  haben.  In  Milz,  Leber,  Nieren  und  andern  Organen,  wie  auch  in 
pathologischen  Gebilden,  wurde  mehrfach  das  Vorkommen  von  Stärke  an- 
gegeben; jedoch  bleibt  die  Identität  derselben  mit  derjenigen  des  Pflanzen- 
reiches für  die  meisten  Fälle  noch  sehr  fraglich.  Gewissen  (schon  S.  17 
erwähnten)  Blattläusen  aus  dem  Genus  Psylla  kömmt  das\ermögen  zu, 
Amylum  abzusondern,  welches  sich  in  den  Gespinnsten  findet,  die  sie  auf 

der  Unterseite  von  Eucalypten  anlegen  (Trecul). 

Das  Amylum  der  Pflanzen  tritt  anfangs  in  Form  kleiner  kugeliger  Körn- 
chen im  Proteplasma  der  parenchymatischen  Zellen  auf,  ausnahmsweise 
auch  in  den  Milchsaftschläuchen  der  Euphorbien.  Die  Bildung  der  Stärke 
ist  jedoch  nicht  etwa  dem  Auskrystallisiren  eines  Stoffes  aus  seiner  Lösung 
vergleichbar,  sondern  ihre  Ablagerung  ist  Folge  einer  chemischen  Verände- 
rung des  flüssigen  Zellinhaltes;  denn  nirgends  im  Organismus  lässt  sich 
Stärke  in  gelöster  Form,  etwa  durch  die  Jodreaction  nacliweisen.  Die 
Zusammensetzung  der  Stärke,  welche  höchstens  um  die  Elemente  eines 
Moleculs  Wasser  von  derjenigen  der  Zucker-  und  Gummiarten  abweicht, 
gestattet  nur  die  Vermuthung,  dass  in  diesen  löslichen  Kohlehydraten  die 
Mutterlauge  des  Stärkemehles  zu  suchen  sei,  wo  dasselbe  nicht  in  direk- 
terer Weise  gebildet  wird. 

In  naher  und  sehr  wichtiger  Beziehung  steht  dasselbe  zu  den  Chloro- 


phyllkörnern, indem  es  darin  fast  immer  auftritt,  wenn  das  Chlorophyll 
beginnt,  Kohlensäure  und  Wasser  zu  assimiliren,  wozu,  wie  namentlich 
Sachs1)  gezeigt  hat,  Beleuchtung  unerlässliche  Bedingung  ist.  Es  scheint 
sogar,  dass  die  Chlorophyllsubstanz  ganz  hauptsächlich  die  direktere  Bil- 
dung der  Stärke,  wenn  auch  nicht  unmittelbar  aus  GO2  und  H2G  vermittelt 
und  dass  letztere  vom  Sitze  derselben  hinweg  erst  den  für  das  Licht  unzu- 
gänglichen Theilen  der  Pflanzen  zugeführt  wird,  wo  die  Stärkekörner  sich 
iu  grösster  Menge  vorfiuden.  Während  demnach  zur  Neubildung  der  Stärke, 
welche  man  sich  mit  Sachs2)  jedoch  wahrscheinlicher  als  Ergebniss  einer 
ganzen  Reihe  chemischer  Metamorphosen , denn  als  einfaches  Zusammen- 


1)  Expcrimental-Physiologie  der  Pflanzen.  Leipzig  18G5,  321. 

2)  1.  c.  328. 


71« 


Anhang:. 


treten  von  Kohlensäure  und  Wasser  unter  Sauerstoffentwickelung  zu  denken 
hat,  die  Mitwirkung  des  Lichtes  unumgänglich  uoth wendig  ist,  scheint  die 
Auflösung  der  Stärke  an  ihrer  Bildungsstätte  in  den  grünen  Pflanzentheilen, 
die  Wanderung  der  Flüssigkeit  nach  den  nicht  beleuchteten  Organen  und 
ihr  doitiges  Auftreten  in  fester  und  bestimmterer  Form  vorzugsweise  des 
Nachts  vor  sich  zu  gehen,  wofür  die  schlagendsten  experimentellen  Beweise 
von  Sachs  beigebracht  worden  sind.  Es  genüge,  nur  das  hervorzuheben, 
dass  mau  es  durch  Dämpfung  des  Lichtes  vollkommen  in  der  Hand  hat* 
die  Bildung  der  Stärke  im  Chlorophyll  zu  unterdrücken  und  umgekehrt 
durch  kräftige  Beleuchtung  wieder  hervorzurufen.- 

Wenn  demnach  die  ursprüngliche  Gestaltung  der  Stärke  eine  normale 
f uuktiou  des  Chlorophylls  und  damit  au  den  chemischen  Eiufluss  des 
Lichtes  geknüpft  ist,  so  kann  eine  vor-  und  rückwärtsschreitende  Metamor- 
phose des  Amylums  in  jeder  beliebigen  Zelle  stattfinden,1)  die  Stärke  in 
chlorophyllfreien  unbeleuchteten  Zellen  in  Zucker  und  Fett  umgewandelt 
und  später  wieder  hergestellt  werden.  Aber  auch  unter  den  wenigen 
absolut  chlorophyllfreien  Phauerogamen  enthalten  einige  zum  Theil  reich- 
lich Amylum,  so  Lathraea  und  Orobanche  iu  den  unterirdischen  Theilen, 
Cuscuta  in  der  Stengelrinde.  Als  Schmarozer  bilden  jedoch  diese  Arten 
keine  Ausnahme,  da  sie  mit  dem  Chlorophyll  ihrer  Nährpflanzeu  in  Verbin- 
dung stehen  mögen.  Einen  Fall  von  Stärkebildung  ohne  Vermittelung  des 
Chlorophylls  würde  dagegen  die  schon  genannte  Saprolegnia , auch  wohl 
Neottia  Nidus  avis  darbieten.  Iu  den  Ausnahmsfällen,  wo  das  Chlorophyll 
keine  Stärke  einschliesst,  scheint  sie  durch  Traubenzucker,  bisweilen  aucli 
durch  Fett,  vertreten  zu  sein. 

Das  Amylum  stellt  sich,  wenn  man  seine  ganze  Rolle  ins  Auge  fasst, 
als  ein  Vorrathsstoff  dar,  welcher  hauptsächlich  zum  Auf  baue  neuer  Gewebe 
mit  verwendet  wird.  In  sehr  grosser  Menge  findet  es  sich  iu  dieser  Weise 
z.  B.  in  so  vielen  kräftig  vegetireuden  Wurzelstöcken,  in  Samen  und  Pollen- 
körnern und  aus  dem  angedeuteten  Grunde  verschwindet  es  auch  periodisch 
aus  manchen  Geweben  (siehe  z.  B.  bei  Lign.  Juuiperi),  indem  es  sich 
höchst  wahrscheinlich  vorübergehend  in  Zucker  verwandelt  und  so  die 
Zellwände  durchdringt,  um  sich  alsbald  wieder  zu  Stärke  zu  formen.  Ob- 
wohl diese  Vorgänge  in  chemischer  Beziehung  noch  nicht  aufgeklärt  sind, 
so  steht  doch  fest,  dass  eine  einfache  Amylumlösung,  welche  sich  durch  die 
Jodreaktion  sofort  verriethe,  hierbei  nicht  auftritt.2)  Die  Fähigkeit  der 
Stärke,  sich  in  flüssige  Produkte  zu  verwandeln  und  wieder  als  geschich- 
tetes Korn  ausserordentlich  zu  verdichten,  gewährt  dem  Organismus  das 
Mittel,  sehr  grosse  Mengen  Vorrathsstoff  von  den  Bildungsstätten,  haupt- 

*)  Sachs,  1.  c.  320. 

2)  Des  Falles  einer  Verflüssigung  der  Stärke  zu  einem  durch  Jod  nicht  erkennbaren 
Produkte  ist  schon  S.  11  gedacht  worden.  Im  Tragauth  lassen  sich  Slärkckörner  nach- 
weisen,  aber  nicht  Stärkekleister.  Eine  Hückbildung  zu  Amylumkörncrn  liegt  hier  freilich 
nicht  vor. 


Amylum. 


717 


sächlich  aus  den  Blättern,  in  die  Dauergewebe  abzuleiten  und  hier  im  klein- 
sten Raume  aufzuspeichern,  von  welchen  Wanderungen  Sachs1)  sehr  em 
leuchtende  Ideen  entwickelt  hat. 

Im  eigentlichen  Heerde  seiner  Bildung,  im  Chlorophyll,  ist  das  Amylum 
jedoch  nicht  immer  leicht  zu  erkennen,  indem  das  erstere  beseitigt  weiden 
muss,  wenn  letzteres  die  Jodreaction  rein  darbieten  soll.2).  Die  jüngsten 
Stärkekörnchen,  welche  sich  in  fester  Form  aus  einem  chemisch  ohne 
Zweifel  noch  verschiedenen,  durch  die  Chlorophyllsubstanz  verbreiteten 
Stoffe  (einer  Art  Mutterlauge)  ausseheiden,  treten  anfangs  entweder  in  un- 
messbarer Kleinheit  auf  oder  vielleicht  sogar  nur  erst  in  losen  Moleculen 
zwischen  denen  des  Chlorophylls  vertheilt,  aber  noch  nicht  von  vornherein 
zu  einem  eigentlichen  Stärkekorne  organisirt. 3) 

Sobald  dieses  aber  der  Fall  ist,  zeigt  die  Stärke  in  ihren  kleinsten  Kör- 
nern kugelige  Form,  welche  später  iu  sehr  verschiedenerWeise,  doch  vor- 
herrschend zu  gerundeten  Gestalten  auswächst.  Anfangs  nach  Nägeli  s 
Ansicht  aus  gleichförmig  dichtem  Stoffe  gebaut,  scheiden  die  Körner  alsbald 
im  Innern  einen  weichen  Kern  aus , der  sich  von  der  derberen  Kugelschale 
trennt.  Das  weitere  Wachsthum  erfolgt  nicht  durch  äussere  oder  innere 
Auflagerung  ganzer  neuer  Schichten,  sondern  durch  gleichzeitige  Einfiihrug 
(Intussusception)  von  Wasser  und  neuer  Stärkesubstanz  zwischen  die  schon 
vorhandenen  festen  Theilchen,  deren  Anlage  zur  Schichtung  von  den  neu 
eintretenden  Moleculen  eingehalten  wird.  Durch  den  sehr  ungleichmässigen 
Zufluss  neuer  Mutterlauge,  welche  stellenweise  bald  grössere,  bald  geringere 
Widerstände  zu  überwinden  hat,  so  wie  infolge  des  Strebens  der  äusseren 
Schichten , sich  in  tangentialer  Richtung  zu  vergrössern , woran  die  Anzie- 
hungskraft der  inneren  Theile  sie  hindert,  entstehen  Spannungen  im  ganzen 
Korn.  Diesen  Verhältnissen,  welche  Nägeli  ausserordentlich  weitläufig4) 
erörtert  hat,  ist  es  auch  zuzuschreiben,  dass  die  verschiedenen  Schichten 
des  Stärkekornes  nicht  ringsum  laufen , sondern  sich  auskeilen  und  bei 
mehr  oder  weniger  einseitigem  Wachsthum  die  verschiedenartigen  Formen 
der  Stärke,  wie  sie  manchen  Pflanzen  eben  eigenthümlich  sind,  bedingen. 
Nur  die  äusserste  Schicht  ist  continuirlich,  sofern  der  Stärkekorn  unverletzt 
bleibt.  Besonders  in  kleineren  Formen  des  Amylums  ist  die  Schichtung  un- 
deutlich, wird  aber  durch  Einwirkung  von  Chlorcalcium,  Chromsäure  oder 
Kupferoxyd- Ammoniak  klar. 

Im  Gegensätze  zu  diesen  Ansichten  hat  Tr  ec  ul5)  den  Satz  durch- 
geführt, dass  die  Entstehung  und  Entwickelung  des  Stärkekornes  durch- 
aus der  Zellbildung  ähnlich  sei,  woraus  sich  unstreitig  einfachere  An- 
schauungen ergeben.  Schon  zwischen  dem  Material  beider  Gebilde  besteht 

1)  1.  c.  396. 

2)  Das  Verfahren  siehe  bei  Sachs,  322. 

3)  1.  c.  329. 

4)  so  dass  es  unmöglich  ist,  in  kurzen  Worten  ein  klares  Bild  seiner  Vorstellungen  zu  geben. 

5)  Ann.  des  Sciences  naturelles.  Botaniquc  X (1858),  20—74,  127—163  u.  204—382. 


718 


Anhang. 


allerdings  kein  durchgreifender  Unterschied,  Cellulose  und  Stärke  sind  nur 
als  wenig  abweichende  Zustände  eines  und  desselben  Stoffes  zu  betrachten; 
alle  chemischen  Reactionen  und  Umbildungen  der  letzteren  lassen  sich  auch 
an  der  Cellulose  hervorruten.  Durch  Schleiden,  Sanio,  Schenk,  Tre- 
cul  sind  nach  und  nach  in  den  verschiedensten  Pflanzen,  ganz  besonders 
im  Eiweisse,  aber  auch  in  Wurzeln,  Zellen  nachgewiesen  worden,  deren 
schleimiger  Inhalt,  das  sogenannte  Amyloid  oder  amorphe  Amylum, 
sich  mit  Jod  zum  Theil  eben  so  tief  indigoblau  färbt  wie  das  Amylum.  In 
anderen  Fällen,  wie  bei  Lichen  islandicus  erwähnt  wurde,  ist  diese  Färbung 
schwach,  so  dass  in  diesen  Vorkommnissen  alle  Stufen  eines  allmäligen 
Ueberganges  von  Cellulose  zu  Stärke  erkannt  werden  müssen,  indem  wir 
auch  anderseits  Mittel  besitzen,  welche  der  Stärke,  wenigstens  einem  Theile 
derselben,  die  Fähigkeit  entziehen,  sich  durch  Aufnahme  von  Jod  blau  zu 
färben. !) 

Aus  einem  derartigen  zwischen  Cellulose  und  fertiger  Stärke  stehenden 
Zellinhalte  würden  sich  nach  Trecul  auf  freilich  noch  nicht  hinreichend 
ei  kl  Jite  Weise  Schläuche  oder  Bläschen  bilden,  welche  den  mehr  oder  we- 
niger flüssigen  Bildungsstoff  (Plasma  amylace)  zum  Aufbau  des  Stärke- 
kornes einschliessen. 

Das  erste  Auftreten  des  zarten  Häutchens,  welches  im  Grunde  zur  Vor- 
stellung einer  Zellbildung  nicht  einmal  unumgänglich  nöthig  ist,  wurde 
noch  nicht  beobachtet;  es  verräth  sich  aber  bald  dadurch,  dass  sich  auf 
seiner  Innenseite  lockere  Schichten  aus  dem  stärkebildenden  Inhalte  nieder- 
schlagen,  welche  die  Wand  zu  grösserer  oder  geringerer  Ausdehnung  be- 
hihigen,  je  nach  dem  Umfange,  welchen  in  einem  gegebenen  Pflanzenorgane 
die  Stärkekörner  überhaupt  erreichen  können.  Dieser  erste  Anfang  der 
Wand-  und  Schichtenbildung  erschöpft  aber  das  eingeschlossene  Plasma 
nicht,  oder  vielmehr,  dasselbe  erneuert  sich  durch  endosmotische  Aufnahme 
und  entsprechende  chemische  Umbildung  des  Zellsaftes,  so  dass  die  begon- 
nene Schichtenbildung  sich  in  der  Richtung  von  aussen  nach  innen  fort- 
setzt. Dieser  Vorgang  verläuft  entweder  mit  grosser  Regelmässigkeit  und 
Intensität,  wodurch  schliesslich  ein  kugeliges  Korn  entsteht  und  zuletzt  im 
Innern  an  dor  Stelle  des  letzten  aufgebrauchten  Plasma-Restes  eine  kleine 
Höhlung  (Centralhöhle,  sogenannter  Nabel)  übrig  bleibt.  Oder  es  kann 
auch,  durch  äussere  lokale  Einflüsse  begünstigt  oder  bedingt,  die  Schichten- 
bildung mehr  einseitig,  weniger  stetig  oder  überhaupt  schwächer  vor  sich 
gehen.  In  solchen  Fällen  weicht  das  fertige  Korn  von  der  Kugelgestalt  ab 
und  erhält  eine  oft  ansehnliche,  häufig  nicht  im  Centrum  gelegene  Central- 
höhle. Diese  letztere  Erscheinung  erklärt  sich  somit  durch  die  obigen  An- 


B Im  Inulin  haben  wir  gleichsam  die  auf  Jod  nicht  mehr  wirkende  und  in  Wasser  lösliche 
bestiindigo  Form  des  Amylums.  Das  wahre  Amylum,  welches  in  Wasser  gelöst  ist,  zeigt  sich 
wenig  beständig;  das  Inulin  erinnert  in  Betreff  der  Löslichkeit  an  die  bekannten  .granulcs“ 
J aequo  laiu's.  Auch  Kupferoxydammoniak  verwandelt  bei  100°  die  Stärko  in  kleine  Körn- 
chen, welche  sich  aber  mit  Jod  noch  schön  blau  färben. 


Amylum. 


719 


sichten  Trecul’s  ungezwungen.  Wenn  das  Stärke -Plasma  in  verhält- 
nissmässig  geringer  Menge  vorhanden  war,  so  wird  die  Höhlung,  welche 
man  sonst  auch  wohl  sehr  ungenau  als  Nabel  bezeichnet  hatte,  ansehnlich 
sein,  wie  es  z.  B.  durchgängig  der  Fall  ist  bei  dem  Amylum  der  Getreide- 
arten, auch  in  den  Samen  mancher  Polygoneen,  ganz  besonders  bei  Rheum 
undulatum,  dessen  10  Mikromill.  grosse  Körner  nur  eine  höchst  geringe 
feste  Schicht  darbieten.  Wo  dagegen  eine  reichliche  Menge  des  stärkmehl- 
bildenden Plasmas  zum  Auf  baue  des  Kornes  verwendet  wird,  fällt  die  Höh- 
lung im  Innern  klein  aus  und  erscheint  nur  als  wenig  umfangreicher , oft 
durch  Luftgehalt  dunkler  Punkt.  So  in  der  Kartoffel,  in  dem  oben  (Seite  7 1 2) 
beschriebenen  Mehle  der  Curcuma  leucorrhiza  u.  s.  f.  Es  ist  leicht  ersicht- 
lich, wie  die  Gestalt  der  Centralhöhle  übrigens  je  nach  der  Form  oder  An- 
lage des  Kornes  selbst  wechseln  kann;  ein  bemerkeuswerthes  derartiges 
Beispiel  bietet  das  unter  Tuber  Colchici  erwähnte  Amylum,  auch  wohl  das 
der  Radix  Calumbo.  Ausnahmsweise  kann  diese  Centralhöhle  eine  Oeffnung 
nach  aussen  besitzen,  wie  es  bisweilen  in  Rhizoma  Iridis  zu  finden  ist. 

Das  Plasma  des  Stärkekornes  entspricht  daher  bei  aller  stofflichen  Ver- 
schiedenheit in  seinem  Verhalten  demjenigen  der  gewöhnlichen  Zellbildung. 
Im  Amylum  mancher  Papilionaceen  lässt  sich  sehr  deutlich  der  Verlauf  der 
Schichtenbildung  verfolgen , indem  die  äussersten,  zuerst  angelegten , sehr 
scharf  begrenzt  und  glänzend  sind,  während  die  inneren  matten  Schichten 
uumerklich  in  das  Plasma  übergehen.  Die  einmal  gebildeten  Schichten  sind 
aber,  bei  genügendem  Vorrath  an  Plasma,  weiterer  selbständiger  Entwicke- 
lung fähig,  welche  sich  hauptsächlich  in  der  Ausscheidung  von  Schichten 
zweiter  Ordnung  (dedoublement , Tr  ec  ul)  bemerklich  macht  und  nament- 
lich auch  als  eine  der  Ursachen  einseitigen  Wachstlmms  des  Kornes  auf- 
treten  kann.  Diese  secundären  Schichten  zeigen  einen  zarteren  Bau,  welcher 
oft  noch  durch  das  erst  in  der  Ablagerung  begriffene  Plasma  verwischt  sein 
mag,  und  pflegen  deshalb  in  unveränderten  Körnern  wenig  in  die  Augen  zu 
fallen,  gelangen  aber  allmälig  ganz  unzweideutig  zur  Anschauung,  wenn 
man  grosse,  durch  und  durch  geschichtete  Stärke,  wie  etwa  diejenige  der 
Kartoffel,  wochenlang  in  kalte  concentrirte  Auflösung  von  unterchlorigsaurem 
Kalk  legt.  Die  noch  weniger  verdichteten  secundären  Ablagerungen  ver- 
schwinden und  lassen  die  glänzenden , zuerst  angelegten  Schichten  zurück, 
welche  nun  weit  eher  als  bei  der  Behandlung  mit  Speichel  einem  Gerüste 
vergleichbar  siud. 

Trecul1)  nimmt,  in  Uebereinstimmung  mit  Nägeli,  an,  dass  die  zu- 
letzt zurückbleibende  dünne  Haut  der  Schichtenbänder,  welche  durch  Jod 
nicht  mehr  gebläut  wird  („Metamylin“) , in  der  That  von  der  durch  Chlor- 
kalk, Speichel  oder  andere  Lösungs-  uud  Quellungsmittel  weggeführten 
Hauptmasse  der  Stärkekörner  (Granulöse)  verschieden  und  von  Anfang  an 
vorhanden  sei.  Es  ist  jedoch  zutreffender , zu  sagen , dass  die  Hüllen  und 


B Pag.  295  Note,  iu  seiner  oben  angeführten  Abhandlung. 


720 


Anhang. 


einzelne  memhranartige  Schichtcubäudcr  nur  wegen  grösserer  Dichtigkeit 
den  Auflösungsmitteln  länger  widerstehen;  wirken  letztere  länger,  oder  bei 
nur  wenig  erhöhter  Temperatur  und  Concentration  ein,  so  verschwindet 
auch  der  letzte  Rest. 

Die  genannten  Lösungsmittel  benehmen  aber  nach  und  nach  dem  gan- 
zen Korne  die  Fähigkeit,  Jod  mit  blauer  Farbe  aufzunehraen;  weder  der 
im  Speichel  noch  der  im  Chlorkalk  gelöste  Antheil  der  Stärke  (Granulöse. 
Amylin)  wird  nach  der  Einwirkung  dieser  Reagentien  noch  gebläut,  und 
wenn  dem  Rückstände,  dem  Gerüste  des  Kornes,  so  wie  der  Umhüllung 
ebenfalls  diese  Fähigkeit  jetzt  abgeht,  so  folgt  daraus  wie  mir  scheint  noch 
nicht  eine  erhebliche  Verschiedenheit.  Behandelt  man  die  Stärke  mit  Chlor- 
kalklösuug  oder  Chromsäure,  so  erhält  man  leicht  ganze,  noch  deutlich  ge- 
schichtete und  ausgefüllte,  höchstens  etwas  gedehnte,  noch  polarisirende 
Körner,  welche  auch  nach  anhaltendem  Auswaschen  durch  Jod  nicht  mehr 
blau  werden;  ihre  ganze  Masse  hat  diese  Eigenschaft  verloren,  denn  auch 
das  im  t alle  der  Chromsäure  durch  Ammoniak  neutralisirte  Filtrat  bläut 
sich  nicht  mehr.  Es  gibt  überhaupt  gar  kein  Mittel,  das  Stärkekorn  quan- 
titativ zu  zerlegen  in  zwei  (oder  mehr)  durch  ihr  Verhalten  zu  Jod  grund- 
verschiedene Substanzen;  denn  es  hängt  von  der  Art  der  Behandlung  ab, 
welcher  die  Stärke  unterliegt,  ob  der  jetzt  der  Cellulose  näherstehende 
Rückstand  grösser  oder  geringer  ausfällt.  Auf  chemischer,  erst  durch  jene 
Reactionen  hervorgerufener  Veränderung  beruht  der  Verlust  des  Färbungs- 
vermögens, welches  oftmals  durch  concentrirte  Schwefelsäure  wieder  her- 
gestellt werden  kann.  x 

Eine  ganze  Reihe  von  Salzen,  z.  B.  Chlorcalcium,  Jodkalium,  Natron- 
nitrat,  Chlorzink,  bewirken  in  der  Kälte  eine  Quellung  der  Stärke  und  lie- 
fern bei  gehöriger  Verdünnung  der  concentrirten  Lösung  Filtrate,  welche 
auch  bei  stärkster  Vergrösserung  klar  erscheinen  und  doch  durch  Jod  aufs 
tiefste  gebläut  werden.  Auch  der  höchst  geringe  Rückstand  auf  dem  Fil- 
trum  färbt  sich  mit  Jod.  Hier  also  behält  die  ganze  Substanz,  wenn  mau 
von  unwägbaren  Theilcheu  absieht,  das  Vermögen  durch  Jod  unmittelbar 
blau  gefärbt  zu  werden;  in  den  zuvor  erwähnten  Fällen  verlor  es  ebenfalls 
die  ganze  Substanz,  wovon  ein  Theil  allerdings  in  Folge  von  Struktur- 
verhältnissen eine  geringere  Auflöslichkeit  kuudgab. 

Amylumkörner,  welche  bei  ihrer  Eutwickelung  nicht  auf  Hindernisse 
stossen,  sind  von  gerundeten  Flächen  oder  Schalen  umschlossen,  werden 
aber  abgeplattet  oder  gestutzt,  kantig  und  eckig,  weun  sie  (bis  auf  die  ge- 
ringen Reste  des  Protoplasma)  die  Zelle  völlig  ausfüllen  und  gegenseitig 
auf  einander,  so  wie  auf  die  Zellwand  drücken.  Aber  auch  ohne  Einfluss 
äusseren  Druckes  ist  ein  excentrisches  Wachsthum  der  Körner  häufig  genug. 

Die  verschiedenen  Abänderungen  der  Kugelgestalt,  welche  in  angedeu- 
teter Weise  zu  Stande  kommen  und  häufig  bei  bestimmten  Pflanzen  ganz 
beständig  sind,  entbehren  jedoch  der  eigentlich  mathematischen  Regelmässig- 
keit und  zeigen  unter  sich  bei  aller  Aehnlichkeit  doch  im  einzelnen  bedeu- 


Avnylum. 


721 


tende  Abweichungen  iunerhalb  eines  unverkennbaren  Typus.  Annähernd 
kugelige  Formen  sind  in  diesem  Lehrbuche  sehr  häufig  erwähnt  worden; 
eigentümliche  Gestalten  der  Stärke  dagegen  z.  B.  in  den  Wurzelbildungen 
der  Ziugiberaceen , in  Rhizoma  Rhei  Monachorum  u.  s.  f.  Sehr  auffallend 
sind  die  oft  sogar  mit  einem  Aste  versehenen  Körner  von  Dieffenbachia 
Seguine  (Aroideae),  von  sonderbarster  Gestalt  aber  die  gelappten  stabför- 
migeu  oder  scheukelknochenähnlichen  Figuren  im  Milchsäfte  inländischer 
Euphorbien  und  ihrer  blattlosen  Verwandten  in  Afrika.  Im  Hefte  VII  seiner 
„Darstellung  und  Beschreibung  der  offiz.  Gewächse“  hat  Berg  einige  der 
merkwürdigsten  Formen  sehr  schön  abgebildet  und  noch  weit  zahlreichere 
finden  sich  auf  den  12  Tafeln,  welche  Trecul  seiner  Abhandlung  „über 
Bläschenbilduug  in  der  Pflanzenzelle“  *)  beigegeben  hat. 

Da  geschichtete  feste  Stärkekörner  — und  nur  solche  können  als  eigent- 
liches Amylum  gelten  — blos  innerhalb  der  Zellen  auftreteu,  so  ist  ihrem 
Wachsthum  durch  die  Weite  der  letzteren  einerseits  und  durch  die  Anzahl 


der  Körner  anderseits  eine  Schranke  gesetzt,  von  welcher  abwärts  die  Grösse 
der  Stärke  bis  zu  verschwindender  Kleinheit  schwanken  kann,  daher  die 
Messungen  derselben  sich  entweder  auf  die  grössten  Körner  oder  auf  die- 
jenigen, welche  augenscheinlich  die  Mehrzahl  bilden,  beschränken  müssen. 
Das  Lehrbuch  enthält  zahlreiche  bezügliche  Zahlenangaben,  aus  welchen 
hei voi geht,  dass  z.  B.  neben  den  Körnern  der  Kartoffel  diejenigen  von  Ra- 
dix Ghinae,  Calumbo,  Jalapae,  Rhizoma  Zedoariae  zu  den  grössten  gehören; 
sie  werden  beinahe  erreicht  von  denjenigen  in  den  Sporen  der  Nitelia  syn- 
carpa , aber  weit  übertroffen  von  den  bis  100  Mikromill.  erreichenden  Kör- 
nern in  den  Knollen  des  Phajus  grandiflorus  (Orchideae) , deren  auffal- 
lende rönnen  Irecul  erörtert  und  abgebildet  hat.  Heber  hundertmal 
kleiner  im  Durchmesser  sind  dagegen  die  Körnchen  z.  B.  im  Samen  von 
Chenop odium  Quinoa , sehr  klein  auch  in  der  Rinde  von  Sulanum  Dulca- 
mara  (vergl.  Stipes  Dulcamarae),  im  Samen  von  Myroxylon  Pereirae  u. 
S;  f.  — Ganz  regelmässig  bieten  manche  Gramineen  in  einer  und  derselben 
Zelle  ihres  Eiweisses  Stärkekörner  von  zwei  verschiedenen  Grössen;  in 
liordeum  hexastichon  z.  B.  messen  die  einen  nicht  über  5 , die  anderen 
aber  25  Mikromill.  ohne  namhafte  Uebergänge.  Möglich,  dass  hier  eine  ver- 
schiedene Bildungsweise  zu  Grunde  liegt. 

Zusammengesetzte  Körner,  die  im  ganzen  nicht  weniger  häufig 
Vorkommen  als  einfache,  entstehen  nach  Nägeli  in  der  Weise,  dass  sich 
statt  eines  einzigen  Kernes  im  Innern  deren  mehrere,  oft  30  bis  40,  bilden 
sieb  mit  eigenen  Schichten  umgeben  und  durch  Spalten  von  den  benach- 
barten Kernen  scheiden.  Bei  rascher  Entstehung  derartiger  Theilkörner 
liegen  sie  neben  einander  in  der  gemeinschaftlichen  äusseren  Schicht,  sonst 
ludet  auch  wohl  Einschachtelung  der  jüngeren  in  älteren  Körnern  statt. 
Seltener  scheint  die  lokale  Verdickung  einer  ausserhalb  des  Kernes  gelegenen 


*)  in  der  S.  717  angeführten  Abhandlung. 
Flückiger,  Pharmakognosie. 


722 


Anhang. 


Stelle  einer  Schicht  die  Bildung  eines  neuen  Tlieilkornes  zu  veranlassen. 
Setzen  sich  die  Spalten  zwischen  den  einzelnen  Theilkörnern  bis  zur  Peri- 
pherie des  ganzen  fort,  so  zerfällt  dasselbe  in  Bruchkörner,  deren  Form 
namentlich  wenn  ihre  Zahl  nur'gering  ist,  ziemlich  regelmässigen  Theilungen 
der  Kugelgestalt  entsprechen  kann,  oft  z.  B.  an  die  in  ähnlicher  "Weise  ent- 
standenen tetraed rischen  Körner  des  Lycopodiums  erinnert.  Derartige  eckige 
Amylumköruer , in  sehr  beschränkter  Zahl  (zu  2 bis  4)  aus  einer  Kugel 
hervorgegaugen,  finden  sich  z.  B.  in  Rad.  Sarsaparillae,  in  Tuber  Colchici 
u.  s.  f.,  während  in  anderen  Fällen  die  Zahl  der  Theilkörner,  die  nun  ihren 
Ursprung  nicht  deutlich  aufgeprägt  zeigen,  Nägel i zufolge  hoch  in  die 
Tausende  steigen  kann. 

Es  ist  wohl  nicht  immer  möglich,  die  eben  geschilderten  polyedrischen 
Theilkörner  von  solchen  einfachen  Stärkekörnern  zu  unterscheiden,  welche 
eine  ähnliche  Form  nur  gegenseitigem  Drucke  verdanken. 

Einfacher  erklärt  sich  das  Auftreten  zusammengesetzter  Körner  nach 
den  eben  entwickelten  Anschauungen  Trecul's.  Es  ist  in  der  That  ein- 
leuchtend, dass  das  Plasma  eines  Stärkekornes  sich  in  die  Quere  oder  in 
radialer  Richtung  oder  auch  ganz  unregelmässig  theileu  und  aus  den  so  ent- 
stehenden secundären  Wachsthumsmittelpunkten  die  Bildung  des  ganzen 
Kornes  wiederholen  kann.  Auch  hier  schliesst  das  Tlieilkorn  oft  eine  an- 
sehnliche Höhlung  ein.  Aus  Trecul’s  Vorstellungen,  welche  den  einzelnen 
Schichten  des  Stärkekornes  eine  gewisse  Selbständigkeit  der  Entwickelung 
zuschreiben,  folgt  auch  die  für  jede  Schicht  anzuuehmende  Möglichkeit, 
einmal  wieder  einen  Tlieil  des  Plasmas,  das  ihr  immer  noch  zugefiihrt  wer- 
den kann,  auf  die  späte  Bildung  (division  tardive)  eines  Theilkornes  zu 
verwenden. 

Die  Nachweisung  der  gemeinschaftlichen  Hülle,  welche  das  in  der  einen 
oder  anderen  Weise  entstandene  zusammengesetzte  Korn  umgibt,  kann  nur 
bei  grosser  Sorgfalt  geschehen,  am  besten,  wenn  zarte  Schuitte  aus  einem 
geeigneten  Eiweisse  ganz  allmälig  mit  verdünnten  Säuren  oder  mit  Chlor- 
zink behandelt  werden.  Zuletzt  bleibt  ein  zartes  Häutchen  übrig,  welches 
sich  nunmehr  mit  Jod  nicht  mehr  blau  färbt. 

Von  diesen  zusammengesetzten  Körnern  (grains  composes)  sind  von 
Trecul,  nicht  aber  von  N ägeli,  die  sogenannten  vielfachen  Körner 
(grains  multiples)  unterschieden  worden , welche  aus  einem  dichten  Aggrc 
gate  sehr  zahlreicher  Körnchen  bestehen,  ohne  dass  eine  gemeinschaftliche 
Umhüllung  wahrnehmbar  ist. 

Die  erhärteten  völlig  ausgcbildef.cn  pflanzlichen  Zollhäute  brechen  nicht 
einfach  die  durchgehenden  Lichtstrahlen,  sondern  polarisircn  sie  und 
zwar  nicht  blos  in  einer,  sondern  in  zwei  verschiedenen  zu  einander  wie  es 
scheint  immer  senkrechten  Ebenen.  Zur  Erkennung  dieser  meistens  nicht 
in  hohem  Grade  entwickelten  optischen  Eigenschaften  muss  man  sich  des 
Polarisationsapparates  bedienen,  welcher  jedem  Mikroskop  leicht  beigegeben 


Amylum. 


723 


werden  kann.  ’)  Wie  die  Zellmembranen  brechen  auch  die  Stärkekörner 
doppelt,  sobald  sie  nicht  mehr  ganz  jung  und  klein  siud,  wie  sie  z.  B.  im 
Chlorophyll  in  der  Regel  nur  Vorkommen.  Das  Vermögen  doppelt  zu  brechen 
erlangen  sie  jedoch  bevor  ihr  Schichtenbau  (für  uns  direkt)  erkennbar  ist,* 2) 
zeigen  es  jedoch  um  so  stärker,  je  älter  und  meist  auch  je  grösser  sie  wer- 
den. Schwach  oder  kaum  ausgeprägt  bleiben  diese  optischen  Eigenschaften 
daher  sehr  oft  bei  solchen  Stärkekörnern , welche  eben  niemals  einige  we- 
nige Mikromillimeter  überschreiten,  wie  z.  B.  bei  den  meisten  des  Rhizoma 
Filicis. 

Sehr  scharfe  und  regelmässige  Figuren  zeigen  im  Polarisationsmikroskop 
unter  anderen  die  oben  beschriebenen  Stärkekörner  von  Maranta  iudica, 
von  Manihot  utilissima,  von  Saguerus  Rumphii,  auch  diejenigen  der  Kar- 
toffel. Jedes  Korn  trägt  ein  schwarzes  Kreuz,  dessen  Arme  sich  im  organi- 
schen Centrum  (dem  Kern  oder  Nabel)  schneiden.  Nach  Valentin3)  hängt 
die  Form  der  Kreuzesarrae  von  der  Schichtungsweise  ab.  Man  findet  viele 
länglichrunde  Körner,  in  denen  sich  die  Arme  vom  Mittelpunkte  aus  regel- 
mässig herabsenken,  wie  vier  um  je  90°  wechselseitig  abstehende  Meridian- 
kreise eines  Erdglobus  von  einem  der  Pole  aus.  Sie  werden  häufig  au  ein- 
zelnen Stellen,  die  unregelmässigeren  Schichtenvertheilungen  entsprechen, 
eiugeknickt,  zackig,  verbreitert,  matter,  als  dränge  die  dunkle  Schattirung 
in  die  Tiefe.  Man  findet  z.  B.  bei  Kartoffelstärke  Körner,  die  nur  2 und  an- 
dere, welche  mehr  als  4 dunkle  Linien  darbieten. 

Schaltet  man  zwischen  das  Ocular  und  den  Analysator  des  Polarisatious- 
mikroskopes  eine  Gypsplatte  ein,4)  so  zeigen  die  Stärkekörner  eine  verhält- 
nissmässig  positive  Farbenänderung  des  rothen  durch  das  Gypsblättchen 
gegebenen  Grundes.  Ganz  dieselbe  Erscheinung  ist  durch  Valentin5)  au 
gewissen  Glasplatten  nachgewiesen,  deren  äussere  Schichten  durch  Ein- 
tauchen in  warmes  Wasser  rasch  ausgedehnt  wurden , während  sie  nach 
plötzlichem  Abkühlen  die  entgegengesetzte  Farbenfolge  hervorrufen.  Dieser 
Versuch  bestätigt,  dass  die  Polarisationsfiguren  der  Stärke  Folge  von  Span- 
nungen in  ihrem  Schichtenbaue  sind  und  dass  die  Schichten  nach  aussen 
etwas  weniger  dicht  sein  müssen  als  im  Innern,  obwohl  wegen  der  grösseren 
chemischen  Widerstandsfähigkeit  der  Oberfläche  für  die  umhüllende  äusserste 
Schicht  eine  grössere  Dichtigkeit  anzunehmen  ist. 

Nägeli,  welcher  in  seinem  grossen  monographischen  Werke  „Die 
Stärkekörner“  (Zürich  1858)  hierüber  die  eingehendsten  und  scharfsinnig- 
sten Untersuchungen  angestellt  hat,  ist  in  den  beiden  letzteren  Punkten 
anderer  Ansicht.  Er  gibt  für  die  optischen  Erscheinungen  die  Erklärung, 

*)  vcrgl.  Valentin,  Untersuchung  der  Pflanzen-  und  Thiergewebe  im  polarisirten  Lichte 
Leipzig  1861. 

2)  nach  v.  Mohl  in  Hofmeister,  Lehre  von  der  Pflanzenzelle.  Leipz.  18G7.  Pae  389 

3)  1.  c.  214.  fa' 

4)  Die  Gründe  für  diese  Methode  siehe  bei  Hof  me  ist  er  1.  c.  340. 

5)  Physikal.  Untersuchung  der  Gewebe.  Leipz.  1867.  343. 


46* 


724 


Anlmn". 


dass  die  Stärke,  wie  die  organischen  Substanzen  überhaupt  aus  krystallini- 
sclien  doppelt  brechenden  Moleculen  bestehe,  welche  lose  (verschiebbar  und 
elastisch),  aber  in  bestimmter  regelmässiger  Anordnung  neben  einander 
liegen.  Dagegen  isteinzuwenden,  dass  die  Stärke  aufhört  doppelt  zu  brechen, 
sobald  durch  Quellungsmittel  ihr  Schichtenbau  aufgehoben  wird,  während 
unzweifelhafte  (anorganische)  doppelt  brechende  Krystalle  ihre  optischen 
Eigenschaften  auch  in  den  kleinsten  Bruchstücken  behalten.  Der  Verlust 
des  Polarisationsvermögens  lässt  sich  mit  grösster  Schärfe  an  Körnern  ver- 
folgen, welche  mau  in  kalter  coucentrirter  Chlorcalciumlösung  langsam  zum 
Quellen  bringt.  Die  Doppelbrechung  hört  auf,  so  wie  die  Schichtung  ver- 
schwindet und  sehr  häufig  sieht  man  in  Körnern  noch  einzelne  Theilchen 
längere  Zeit  hindurch  die  gleichen  optischen  Eigenschaften  festhalteu,  die 
ursprünglich  dem  ganzen  Korne  zukamen.  Die  äusserste  Haut,  welche  der 
Auflösung  am  längsten  widersteht,  verliert  das  Polarisationsvermögen  sehr 
bald  vollständig,  obwohl  sie  durch  Jod  noch  gebläut  wird.  Hierbei  muss 
man  sich  auch  an  das  verwandte  Inulin  erinnern , welches  nicht  polarisirt, 
so  lange  es  in  Klumpen  (vergl.  S.  288)  vorliegt,  wohl  aber,  wenn  man  es 
wie  S.  289  angegeben  in  sogenannten  Sphaerokrystallen  anschiessen  lässt. 

Auch  die  Beweisführung  Nägeli’s1)  für  die  Ansicht,  dass  die  Stärke- 
körner im  Innern  lockerer,  aussen  dichter  seien,  erscheint  weniger  einleuch- 
tend, obwohl  eine  Widerlegung  derselben  nicht  in  wenigen  Sätzen  zu  unter- 
nehmen ist.  Treeul2)  hält  dafür,  dass  wenigstens  in  den  einzelnen 
Schichten  mancher  Körner  die  Dichtigkeit  nach  aussen  abnehme. 

Höchst  eigenthümlich  ist  das  Verhalten  der  Stärke  zum  Wasser, 
wovou  sie  35  bis  70  pC.  ihres  Gewichtes  hält,  so  lange  sie  sich  innerhalb 
des  lebensthätigen  Pfianzenorganismus  befindet.  An  der  Luft  entweicht 
dieses  Wasser  freiwillig  bis  auf  ungefähr  18 — 13  pC.,  welche  nun  von  den 
Stärkekörnern  kräftig  zurückgehalten  und  erst  bei  100°  C.  ohne  chemische 
Veränderung  abgegeben  werden.  Mit  Chloroform,  unter  Oel  oder  in  Benzol 
kann  lufttrockenes  Amylum  bis  zu  1 00  J erhitzt  werden,  ohne  sein  Wasser 
zu  verlieren.  In  Luft  von  gewöhnlicher  Feuchtigkeit  nimmt  das  bei  100° 
getrocknete  Stärkemehl  rasch  wieder  13  bis  18  pC.  Wasser  auf;  wird  ihm 
dasselbe  auf  einmal  geboten,  so  tritt  eine  merkliche  1 emperatur- Erhö- 
hung ein. 

Schon  aus  den  oben  (pag.  711)  mitgetheilteu  Zahlen  geht  hervor,  dass 
der  Austritt  und  die  Wiederaufnahme  des  Wassers  von  entsprechenden 
Volumveränderungen  des  Kornes  begleitet  sind.  Beim  Austrocknen  geht  ein 
solches  oft  um  die  Hälfte  zusammen,  die  Schichten  reissen  stellenweise  in 
radialer  Richtung,  die  oft  sehr  kleine  Höhlung  des  Innern  erweitert  sich  und 
verschwindet  beim  Wiedereintritte  desWrassers  eben  so  weuig  wie  die  Risse. 

1)  in  Kürze  auseinandergesetzt  von  Sachs,  Expcrimental-Physiol.  der  1 flzn.  419  4.1. 

Vergl.  auch  Hofmeister,  Pflanzenzelle.  389. 

'0  1.  c.  301.  302. 


Amyluvn. 


725 


Immerhin  hat  diese  Verbindung  der  Stärke  mit  dem  Wasser  bei  gewöhn- 
licher Temperatur  oder  dessen  Austritt  keine  tiefer  gehenden  Veränderungen 
zur  Folge,  der  Schichtenbau  der  Körner  und  ihr  optisches  Verhalten  bleiben 
unverändert. 

Ganz  anders  aber  wirkt  das  Wasser  ein,  sobald  Temperaturen  von  nur 
55  bis  65°  C.  oder  eine  geringe  Menge  von  Säuren  oder  Alkalien  mit  ins  Spiel 
kommen.  Diese  Agentien  überwinden  die  Molecularkräfte  der  Stärkekörner, 
zerstören  die  Schichtung  und  befähigen  die  formlose  Substanz,  unter  Auf- 
nahme sehr  grosser  Mengen  Wasser  ganz  ausserordentlich  aufzuquellen. 
Wird  der  gequollenen  Masse,  dem  Kleister,  das  Wasser  wieder  entzogen, 
so  bleibt  ein  Rückstand,  welcher  nunmehr  weder  die  Form  noch  die  Quell- 
barkeit der  Stärke  besitzt.  In  unverändertem  Amylum  ist  daher  das  Wasser 
bis  zu  einem  Betrage  von  13  — 18  pC.  als  normaler  Bestandteil  aufzu- 
fassen, welcher  selbst  bei  Erhöhung  der  Temperatur  die  Quellung  nicht 
herbeizuführen  vermag.  Hierzu  ist  eine  grössere  Menge  Wasser  nöthig. 
Aehnlich  wie  das  Wasser  wirkt  auch,  von  85°  C.  an,  das  Glycerin  auf  die 
Stärke,  doch  ohne  dieselbe  so  bedeutend  aufzuquellen. 

Trockene  Körner  auf  200°  C.  erhitzt,  quellen  nachher  mit  kaltem 
Wasser  gleichfalls  auf,  in  diesem  Falle  aber  zeigt  sich  schon  ein  tiefe- 
rer chemischer  Angriff  ihrer  Substanz,  nämlich  der  Beginn  der  Dextrin- 
bildung. 

Verdünnter  Kleister  geht  nach  Payen  nicht  durch  unversehrte  pflanz- 
liche Membran,  wohl  aber  ist  das  vermittelst  verdünnter  Säuren  erhaltene 
lösliche  Stärkemehl  dazu  befähigt. 

Auch  kaltes  Wasser  ist  nicht  ohne  Wirkung  auf  Stärke;  wird  sie  an- 
haltend damit  gerieben,  so  nimmt  das  Filtrat,  worin  sich  mikroskopisch 
keine  Amylumtheilchen  nachweisen  lassen,  auf  Zusatz  von  Jod  ohne  Bil- 
dung eines  Niederschlages  eine  blaue  Farbe  an.  Der  in  dieser  Weise  in 
Lösung  gelangende  Autheil  der  Stärke  ist  jedoch  immer  nur  verschwindend 
klein  und  wird  ohne  Zertrümmerung  der  Körner  gar  nicht  erhalten.  Höchst 
wahrscheinlich  muss  diese  Erscheinung  der  geringen  beim  Reiben  unver- 
meidlich entwickelten  Wärme  zugeschrieben  werden,  wenn  man  nicht  in 
dem  geringen  aufgelösten  Antheile  Reste  des  Plasmas  erblicken  will. 

Die  übrigen  Agentien,  welche  die  Stärke  anzugreifen  vermögen, 
wirken  sehr  verschieden  ein;  höchst  eigenthümlich  ist  z.  B.  das  Verhalten 
sehr  concentrirter  wässeriger  Lösungen  leicht  löslicher  oder  zerfliesslicher 
Holoidsalze  in  der  Kälte.  Bromkalium,  Jodkalium  und  Chlorcalcium  be- 
wirken ein  Aufquellen  der  Stärkekörner  und  machen  sie  in  kaltem  Wasser 
öslich.  Man  erhält  bei  einiger  Verdii  nuung  eine  vollkommen  klare,  zunächst 
weder  Dextrin  noch  Zucker  enthaltende  Auflösung,  welche  durch  Jod  wasser 
selbst  nach  Monaten  schön  blau  gefärbt,  nicht  gefällt  wird  und  deren  Stärke- 
gehalt sich  durch  Alkohol  niederschlagen  lässt. 

Der  Niederschlag  zeigt  trotz  völliger  Desaggregation  noch  die  Haupt- 
eigenschafteu  der  Stärke;  er  färbt  sich  durch  Jod  ebenso,  löst  sich  sogar 


726 


Anhang. 


ganz  frisch  nicht  in  Kupferoxydammoniak,  nach  dem  Trocknen  auch  nicht 
mehr  in  kochendem  oder  kaltem  Wasser.  Am  besten  lässt  sich  diese  Lö- 
sung bei  dem  etwas  langsamer  wirkenden  Chlorcalcium  verfolgen.  Dasselbe 
hinterlässt  keinen  irgend  erheblichen  Rückstand,  so  dass  es  sonderbar 
erscheint,  in  dem  so  gut  wie  unwägbaren  Reste  einen  normalen  heterogenen 
Bestandtheil  der  Stärke  erblicken  zu  wollen.  Eben  so  wohl  könnte  man 
auch  die  Aschenbestandtheile  als  solchen  ansprechen. 

Ganz  ähnlich,  aber  weit  rascher,  wirkt  Chlorzink;  nimmt  man  die 
Wärme  zu  Hülfe,  so  kann  der  durch  Alkohol  zu  erzielende  Niederschlag 
hier  völlig  löslich  ausfallen;  Dextrin  wird  hierbei  nicht  gebildet  (Bechamp). 
Noch  kräftiger  wirkt  nach  von  Payr  Zinnchlorid  und  verwandelt  das 
Amylurn  in  einen  zwischen  Zucker,  Dextrin  und  Gummi  stehenden  Körper, 
der  sich  leicht  in  Wasser  löst  und  durch  Jod  nicht  blau  wird. 

Diese  merkwürdigen  Wirkungen  auf  die  Stärke  stehen  in  Zusammen- 
hang, wenn  auch  nicht  in  einfachstem,  mit  der  reichlichen  Lösbarkeit  der 
genannten  Salze,  jedoch  gehen  sie  z.  B.  schon  dem  Salmiak,  Chlorkalium, 
Chlornatrium  ab.  Essigsaures  Kali  und  salpetersaures  Natron,  immer  in 
gesättigter  kalter  Lösung , quellen  und  lösen  die  Stärke  rasch , langsamer 
das  essigsaure  Natron,  Kalisalpeter,  neutrales  weinsaures  Kali.  Manche 
Sauerstoffsalze  dagegen  verhindern  nach  Kabsch1)  selbst  beim  Kochen 
jede  Kleisterbildung,  so  das  kohlensaure  Kali  im  sechsfachen  Gewichte 
Wasser. 

In  allen  eben  angedeuteten  Fällen  der  Quellung  entsteht  durchaus  nicht 
ein  der  Schichtung  irgendwie  vergleichbares  Gerüste , sondern  der  Angriff 
erfolgt  meist  von  innen  nach  aussen,  indem  strahlenförmige  Risse  die 
Schichten  zu  durchsetzen  beginnen  und  dieselben  auflockern. 

Gleichwie  Chlorzink  wirken  auch,  jedoch  unter  gewaltiger  Aufquellung, 
kaustisches  Kali  oder  Natron  auf  die  Stärke.  Auch  hier  entsteht,  doch  erst 
nach  anhaltendem  Kochen  eine  beim  Verdünnen  filtrirbare  Lösung,  woraus 
durch  Essigsäure  und  Alkohol  ein  Niederschlag  gewonnen  wird,  der  gleich 
viel  wiegt,  wie  die  angewandte  Stärke,  sich  in  Wasser  gar  nicht  oder  nur 
theilweise  auflöst,  jedenfalls  aber  nicht  mehr  aufquillt. 

Nicht  tiefer  ist  nach  Bechamp  die  Einwirkung  des  Eisessigs,  wenn 
Stärke  damit  in  geschlossenen  Röhren  auf  100°  erhitzt  wird.  Es  entsteht 
kein  Zucker,  die  Körner  erleiden  nur  eine  Ausdehnung  auf  ungefähr  das 
doppelte  Volumen  und  lösen  sich  in  kaltem  Wasser  grossentheils,  in  heissem 
völlig  zu  einer  klaren,  durch  Jod  blau  werdenden  Flüssigkeit.  Auch  hier 
wird  die  ganze  Menge  der  Stärke  in  gleicherweise  verändert,  ohne  dass 
eine  Zerlegung  derselben  in  sogenannte  Granulöse  und  in  Cellulose  ersicht- 
lich wäre.  Selbst  durch  Digestion  mit  starker  Salpetersäure  und  Fällung 
des  verflüssigten  Gemenges  stellte  Bechamp  ein  iii  heissem V asscr  voll- 
kommen lösliches  Amylurn  her. 


*)  Löslichkeit  d Stärkemehles  n.  s.  Verh.  z.  polaris.  Lichte.  Zürich  1R62.  Pag.  33. 


Amylum. 


727 


Tiefere  Veränderungen  erleidet  aber  die  Stärke,  wenn  sie  sehr  an- 
haltend mit  Wasser,  mit  verdünnten  Säuren  oder  Alkalien , oder  auch  mit 
verschiedenen  organischen  stickstoffhaltigen  Substanzen  gekocht  wird.  Gibt 
mau  ihr  mit  Musculus  die  Formel  -OlsH30G15,  so  spaltet  sie  sich  hierbei 
nach  demselben  unter  Wasseraufnahme  iuG12  H20G10  (Dextrin)  und  Gb  H'- 
(Dextrose,  Zucker). 

Der  völligen  Umwandlung  gehen  auch  hier  jene  schon  beschriebenen 
Zwischenprodukte  voraus,  welche  als  lösliche  oder  gelöste  Stärke  noch  die 
Fähigkeit,  durch  Jod  blau  zu  werden,  jedoch  wenigstens  in  Auflösung  keine 
Beständigkeit  besitzen. 

Werden  getrocknete  Stärkekörner  bei  200°  C.  geröstet,  so  verwandeln 
sich  zuerst  die  inneren  weichen  Thcile  in  Dextrin  und  lösen  sich  dann  in 
Berührung  mit  Wasser,  während  die  äusseren  Schichten  nur  erst  aufquellen. 
Immer  erfolgt  der  Angriff  der  Stärke  durch  solche  Flüssigkeiten,  welche  sie 
zum  Aufquellen  bringen,  von  innen  nach  aussen,  so  wie  von  den  Rissen 
aus.  Concentrirte  Mineralsäuren  hingegen  veranlassen  keine  Quellung, 
sondern  eine  Abtragung  der  Körner  von  aussen  her. 

Lässt  man  Mineralsäuren  in  gehöriger  Verdünnung  auf  Stärke  wirken, 
oder  wählt  man  dazu  solche  Flüssigkeiten,  welche  dieselbe  überhaupt  nicht 
sehr  energisch  angreifen,  wie  Diastase,  Galle,  Fepsiu,  Speichel,  so  gelingt 
es  leicht,  einen  unter  verschiedenen  Umständen  ungleich . beträchtlichen 
Rückstand  zu  erhalten,  welcher  nun  nacliNägeli  in  kochendem  Wasser 
nicht  mehr  quellbar  ist,  sich  mit  Jod  .unmittelbar  nicht  mehr  blau  färbt, 
sondern  erst  nach  Zusatz  von  Schwefelsäure,  aber  von  Kupferoxydammoniak 
gelöst  wird.  Das  wären  allerdings  wesentliche  Eigenschaften  der  Cellulose, 
und  als  solche  fasst  Nägel \ diesen  Rückstand  auf,  während  der  gelöste 
Antheil  schon  1852  von  Maschke  als  Granulöse  bezeichnet  worden  ist. 
Allein  die  Löslichkeit  in  Kupferoxydammoniak  dürfte  hier  noch  nicht  als 
vollgültiger  Beweis  für  die  Identität  jenes  Rückstandes  mit  Cellulose  anzu- 
erkennen sein.  Denn  eutgegen  der  allgemeinen  Annahme  von  der  gänz- 
lichen Unlöslichkeit  der  Stärke  in  Kupferoxydammoniak,  muss  ich  hervor- 
heben, dass  letztere  Flüssigkeit  aus  der  Stärke  etwas  aufnimmt.  Wird  näm- 
lich die  Kupferlösung , welche  mit  zerriebener  Stärke  oder  mit  Kleister 
einige  Stunden  hindurch  geschüttelt  wurde,  klar  abgegossen,  verdünnt  und 
filtrirt,  so  entsteht  nach  dem  Ansäuern  kein  Niederschlag.  So  verhält  sich 
die  Kupferlösung,  selbst  wenn  sie  mit  Stärke  auf  100°  erhitzt  wurde;  sie 
hat  also  in  keinem  Falle  Cellulose  aus  den  Körnern  weggeführt.  W ird  aber 
das  Kupfer  durch  Schwefelwasserstoff  beseitigt,  so  nimmt  das  genau  ueu- 
tralisirte  Filtrat  durch  Jod  eine  dunkelblau  violette  Färbung  an.  Kupfer- 
oxydammoniak vermag  also  Stärke  zu  lösen ; das  gelöste  ist  nicht  Cellulose, 
sofern  es  durch  Sättigung  der  Flüssigkeit  nicht  gefällt  wird.  Lässt  man 
die  Kupferlösung  tagelang  bei  100°  ein  wirken,,  so  gibt  sie  schliesslich  beim 
Ansäuern  eine  äusserst  geringe  Trübung,  mit  Alkohol  aber  eine  sehr  reich- 
liche Fällung,  welche  nach  Zusatz  von  festem  Jod  aufs  tiefste  indigoblau 


728 


Anhang. 


gefärbt  wird.  Lnzerklemerten  Körnern  entzieht  die  genannte  Lösung  in  der 
Kalte  nichts,  wenigstens  tritt  in  diesem  Falle  nach  Entfernung  des  Kupfers 
und  genauer  Abstumpfung  des  Alkalis  durch  Jod  keine  Veränderung  ein 

Ein  weiterer  Grund  gegen  die  Annahme  von  Cellulose  im  Amylum  liegt 
auch  in  seinem  (S.  725)  erwähnten  Verhalten  zu  Chlorcalcium  Wenn 
dasselbe  nur  so  weit  einwirkt,  dass  blos  das  Innere  der  Körner  verflüssigt 
wird,  so  bleiben  noch  die  Hüllen  erhalten,  aber  ohne  alles  Polarisations- 
vermögen Es  ist  nun  schwer  einzusehen,  wie  der  Cellulose  dieses  letztere 
durch  Chlorcalcium  entzogen  werden  kann,  indem  wenigstens  Baumwolle 
z.  B^  dasselbe  in  der  gleichen  oder  stärkeren  Chlorcalciumlösung  selbst  bei 
100  nicht  einbüsst. 

Am  wenigsten  aber  stimmt  das  Verhalten  frisch  bereiteten  Kupferoxyd- 
ammoniaks mit  der  Annahme,  dass  die  Stärke  Cellulose  in  irgend  erheb- 
lichem Masse  enthalte.  Bei  100°  einwirkende  Kupferlösung  liefert  nach 
dem  Verdünnen  und  Hltriren  (was  freilich  langsam  von  statten  geht),  wie 
oben  gezeigt,  keine  in  die  F Bissigkeit  iibergegangeue  Cellulose  und  im  Rück- 
stände bleiben  gänzlich  veränderte  optisch  unwirksame,  sehr  kleine  Körn- 
chen, welche  sich  aber  durch  Jod  aufs  schönste  blau  färben  lassen. 

Nägeli,  welcher  die  Einwirkung  des  Speichels  bei  tagelanger  Dige- 
stion in  einer  Temperatur  von  40  — 47°  sehr  genau  untersucht  hat,  schildert 
den  Rückstand  als  ein  der  Form  nach  dem  ursprünglichen  Korne  entspre- 
chendes, doch  etwas  kleiner  gewordenes  leichtes  und  in  Wasser  sehr  beweg4 
liches  Gerüste,  dessen  Zwischenräume  vorher  mit  Granulöse  erfüllt  gewesen 
wären.  Ich  kann  nach  Wiederholung  des  Versuches  dieses  Bild  nicht  zu- 
treffend finden ; es  sind  freilich  viele  einzelne  Stellen  des  Kornes  durch  den 
Speichel  gelöst,  andere  bis  auf  ein  Häutchen  geschwunden,  noch  andere  iu 
unregelmässigster  Weise  angefressen,  allein  die  inneren  Umrisse  desSchichtcu- 
baues  sind  nicht  erhalten.  Bei  länger  andauernder  Einwirkung  iu  höherer 
Temperatur,  welche  jedoch  G5°  C.  nicht  überschreiten  darf,  findet  eine 
reichlichere  Lösung  der  Stärke  durch  Speichel  sowohl  als  durch  Galle  statt, 
aber  immerhin  keine  vollständige.  Bei  Anwendung  letzterer  Flüssigkeit  hat 
Kabscli  an  Weizenstärke  einen  Verlust  bis  zu  85  pC.  nachgewiesen,  aber 
der  Rest  entzog  sich  hartnäckig  weiterer  Umwandlung.  Es  ist  wahrscheinlich, 
dass  daran  die  Produkte  der  Einwirkung  des  Speichels  oder  der  Galle  schuld 
sind,  welche  den  Rückstand  durchdringen  und  schützen  oder  chemisch  ver- 
ändern. Hierauf  wäre  auch  nach  Kabscli  die  Ansicht  Nägel i 's  zurück- 
zuführen, dass  ein  Theil  der  Stärke  aus  Cellulose  bestehe. 

Physiologisch  interessant  ist  Kabscli  s Beobachtung,  dass  die  lösende 
Wirkung  des  Speichels  durch  Zusatz  von  10  pC.  Kochsalz  bedeutend  ge- 
steigert wird.  Auch  Hefe  greift  die  Stärke  langsam  an. 

Wird  Stärke  längere  Zeit  z.  B.  mit  verdünnter  Salzsäure  von  nur 
wenigen  Procenten  Chlorwasserstoffgehalt  bei  ungefähr  40°  digerirt  und 
öfter  geschüttelt,  so  erhält  man  einen  Rückstand,  auf  welchen  das  Bild 
eines  Gerüstes  nicht  im  entferntesten  passt.  Die  übrig  bleibende  Hülle 


Amylum. 


729 


zeigt  die  etwas  verkleinerte  Gestalt  der  Körner,  aber  ohne  alle  iuneieStruk 
tur  und  färbt  sich  durch  Jod  nur  noch  röthlich.  Doch  trifft  oftmals  wieder 
Blaufärbung  ein , wenn  die  mit  Säure  ausgezogenen  Hüllen  nach  dem  Aus- 
waschen getrockuet  und  dann  aufs  neue  mit  Jodtinktur  befeuchtet  werden. 

Der  Wirkung  des  Speichels  ähnlich  ist  die  Auflösung,  welche  die  Stärke 
in  vielen  keimenden  Samen,  z.  B.  in  den  Cerealien  und  Polygoneen,  erleidet; 
in  andern  Fällen  hingegen  werden  die  Körner  ganz  gleichmässig  von  aussen 
her  abgetragen  und  nehmen  unmerklich  an  Umfang  ab.  So  bei  Avena, 
Arurn  u.  s.  w.1)  Was  gelöst  wird,  die  „Granulöse“,  färbt  sich  durch  Jod 
eben  so  wenig,  wie  bei  der  Behandlung  mit  Speichel. 

Dass  ausser  der  eigentlichen  Stärkesubstanz  auch  Spuren  anderer  Stoffe, 
welche  im  Bildungsheerde  der  Stärke  oder  bei  ihrer  späteren  Wiederablage- 
rung zugegen  sein  mögen,  sich  im  Amylumkorne  auflinden  lassen,  darf  von 
vornherein  angenommen  werden.  So  hat  Bechamp  geringe  Mengen  albu- 
minartigen Stoffes  nachgewiesen,  und  hierher  gehört  auch  der  Aschen- 
gehalt der  Stärke,  welcher  schwerlich  jemals  Va  pC.  übersteigt.  Aber  am 
wahrscheinlichsten  ergibt  sich  nach  allen  obigen  Thatsachen,  dass  die  Stärke 
im  wesentlichen  gleichartig  beschaffen  ist,  vielleicht  mit  Ausnahme  eines 
sehr  beschränkten  äussersten  Häutchens,  welches  unter  den  hervorgehobenen 
Umständen  die  Wirkung  auf  Jod  nicht  mehr  zeigt.  Je  nach  der  Behandlung 
können  mehr  oder  weniger  beträchtliche  Theile  der  Körner  in  dieser  Hin- 
sicht der  Cellulose  näher  gebracht  werden,  wie  z.  B.  ira  Falle  der  Chrom- 
sänre,  des  Speichels,  des  unterchlorigsauren  Kalkes. 

Bei  andauernder  Einwirkung  verdünnter  Mineralsäuren,  auch  der  Oxal- 
säure, nicht  aber  der  Phosphorsäure,  geht  auch  das  anfangs  aufgetretene 
Dextrin  oder  Stärkegummi  alsbald  in  Traubenzucker  (Glykose)  über, 
während  die  übrigen  Agentien , welche  die  Spaltung  des  Amylums  in  Dex- 
trose und  Dextrin  veranlassen,  das  letztere  nicht  weiter  zu  verändern 
vermögen. 

Salpetersäure  liefert  je  nach  der  Concentration,  der  Temperatur  und 
je  nach  der  Dauer  der  Einwirkung  bald  explosive  oder  nicht  explosive  Nitro- 
körper  (Xyloidin),  bald  Dextrin  und  lösliche,  durch  Jod  noch  blaue  Fär- 
bung annehmende  Produkte,  schliesslich  Oxalsäure,  vielleicht  auch  Zucker- 
säure. Concentrirte  Schwefelsäure  löst  in  der  Kälte  das  Amylum  und  bildet 
damit  gepaarte  Säuren. 

Concentrirte  Kalilauge  schwellt  das  Stärkemehl  anfangs  zu  opali- 
sirenden  schleimigen  Lösungen  ohne  llotationsvermögen  auf,  dann  entsteht 
Dextrin.  Bei  Gegenwart  von  sehr  wenig  Wasser  mit  Alkalien  erhitzt,  erleidet 
das  Amylum  gänzliche  Zersetzung  unter  Bildung  von  Kohlensäure,  Oxal- 
säure und  Gliedern  der  Fettsäurereihe.  — In  absolutem  Weingeist  gelöste 


*)  Gris,  döveloppement  de  la  fecule  dans  l’albumon  des  graines  en  gormiuation.  Aimales 
des  Scienc.  iiat.  Botaniq.  XIII.  (1SG0),  100. 


730 


Anhang. 


Alkalien  jedoch  greifen  selbst  bei  100°  nach  langer  Zeit  die  Stärke  gar 
nicht  an  (S.  659). 

Erhitzt  man  Stärkmehl  mit  Ammoniak  anhaltend  auf  100  — 150°,  so 
entstehen  braunschwarze,  durch  Thierkohle  zu  entfärbende  Stoffe,  wie  bei 
gleicher  Behandlung  des  Gummis  und  Zuckers,  welche  näherer  Unter- 
suchung werth  wären.  Bedient  mau  sich  zu  diesem  Versuche  des  Kupfer- 
oxydammoniaks, so  erfolgt  keine  Schwärzung. 

Colin  u.  Gaultier  de  Claubry  entdeckten  1814  die  merkwürdige 
Anziehung,  welche  das  Amylum  auf  Jod  äussert.  Kein  anderer  Stoff  mit 
Ausnahme  einzelner  Gewebetheile  der  Flechten,  namentlich  der  Frucht- 
schläuche (vergl.  bei  Lichen  islandicus  und  Lichen  parietinus)  besitzt 
die  Fähigkeit,  durch  Jod  blau  gefärbt  zu  werden.  Die  Wirkung  der  Stärke 
ist  dem  Grade  nach  äusserst  verschieden,  je  nach  der  besonderen  Gestalt 
der  Stärkekörner,  je  nach  der  Natur  der  fremden  Substanzen,  von  denen 
man  dieselben  vor  oder  nach  der  Behandlung  mit  Jod  durchdringen  lässt. 
Auch  die  einzelnen  Schichten  eines  Kornes  verhalten  sich,  wohl  nur  wegen 
des  nicht  vollkommen  gleichartigen  Aufbaues , etwas  verschieden  zu  Jod. 

DieVerbindung  des  Jods  mit  der  Stärke  geht,  obwohl  gleichfalls  auf 
einer  nicht  minder  starken  Anziehung  beruhend,  eben  so  wenig  nach  che- 
mischen Aequivalenten  vor  sich,  wie  die  Aufnahme  des  Wassers,  und  wird 
auch  durch  die  Wärme  leicht  wieder  aufgehoben.  Das  aufgenommene  Jod 
beträgt  bis  7,5  pC.,  würde  also  höchstens  in  dem  Verhältnisse  von  1 Aeq.  zu 
10  Aeq.  Amylum  stehen,  wenn  letzteres  durch  die  Formel  G6H10O5  aus- 
gedrückt wird,  und  wenn  von  einer  bestimmten  Verbindung  die  Bede  sein 
könnte.1) 

Mit  grösster  Begier  wird  das  Jod  bei  Anwesenheit  von  Wasser  gebunden 
und  erzeugt  dann  ein  tiefes  Iudigoblau ; fast  alle  anderen  Substanzen,  welche 
im  Stande  sind,  die  Stärke  zu  durchfeuchten,  schwächen  die  Färbung  ab 
durch  violett,  rothgelb,  grünlich  blau  bis  gelb.  Diese  verschiedenen  Farben- 
töne, deren  Auftreten  Nägel  i2)  mit  ganz  ungemeiner  Ausführlichkeit  er- 
örtert hat,  sind  nach  demselben  eben  nur  die  dem  Jod  selbst  in  fester, 
gelöster  oder  dampfförmiger  Gestalt  zukommenden  und  müssen  darauf 
zurückgeführt  werden,  dass  die  Jodtheilchen  sich  in  höchst eigenthümlicher, 
allerdings  noch  unerklärlicher  molecularer  Anordnung  im  Stärkekorne  oder 
in  der  gequollenen  und  gelösten  Stärke  verbreiten.  Sonderbarerweise  ruft 
Joddampf  in  trockener  Stärke  nur  geringe  gelbe  Färbung  hervor. 

Die  Gewinnung  des  Stärkemehles  aus  Getreide  war  im  Alterthum 
wohl  bekanut  und  von  Dioskorides  und  Pliuius  beschrieben,  indem 
ersterer  hervorhob,  dass  dieses  Mehl  ohne  Mühlstein  (ä  p.uXo;)  bereitet  und 
darnach  Amylon  benannt  werde,  was  nach  Plinius  zuerst  auf  Chios  ge- 


1)  Gegentheiligo  Ansicht:  Guichard  in  Will  s Jahresb.  d.  Chemie  1863.  570. 

2)  Sitzungsberichte  d.  Münchener  Akad.  von  1863  an:  auch  in  Büchners  Repertor. 

1863  u.  1864.  — Im  Auszüge  in  Schweiz.  Wochenschrift  für  Pharm.  1S65,  No.  31  35. 


Amylum. 


731 


scheheu  wäre.  Doch  war,  wie  es  scheint,  Katastaton  (Satzmehl)  die  gewöhn- 
lichere Bezeichnung. 

Anton  Leu  wenhoeck  beobachtete  zuerst  1716  vermittelst  des  Mikios- 
kops  den  eigenthiimlichen  Bau  der  Stärke  in  Getreidekörnern  und  nahm 
bereits  die  Schichtung  und  die  Centralhöhle  wahr,  was  jedoch  bis  auf 
Luke  Howard  (1800)  niemand  weiter  verfolgt  zu  haben  scheint.  Dem- 
selben fiel  die  Fähigkeit  des  Amylums  auf,  sich  unter Vergrösserung  des 
Umfanges  mit  Wasser  zu  durchtränken.  Aber  erst  Raspail  (1825), 
Turpin  (1826),  Fritzsche  (1834)  und  vorzüglich  Payen  (seit  1838) 
erforschten  gründlicher  die  Bildung  und  die  Eigenschaften  des  Amylums, 
welche  durch  die  im  obigen  angeführten  neueren  Untersuchungen  weiter 
aufgeklärt  wurden. 

Die  chemische  Stellung  des  Amylums  setzte  Fourcroy  1801  fest,  ob- 
wohl erst  Gay-Lussac,  Thenard  und  Berzelius  seine  Zusammen- 
setzung ermittelten. 


732 


I. 

Register  der  systematischen  Pflanzen- 
namen. . 


A. 

Abies  balsamea 

P ag* 

„ excelsa 

. 76 

j)  pectinata  ....73.  76 

Absinthium  vulgare  . . . 

.475 

Acacia  Adansonii 

„ albida 

.582 

„ arabica 

» Catechu 

„ Ehrenbergiana  . . 

. 1 

, gnmmifera 

. 2 

„ nilotica 

» Seyal 

„ tortilis 

„ Verck  

Achillea  Millefolium.  . . 

.474 

* nobilis 

.475 

Aconitum  Anthora  .... 

„ Cammarum  .... 

„ ferox 

- Lycoctonum .... 

, Napellus 

.281 

„ Störckeanum  285.  500 

, variabile 

„ variegatum  .... 

.286 

Tirosum 

Acorus  Calamus 

.179 

„ gramineus 

.180 

Acrostichum  Huacsaro  . 

.155 

Actaea  racemosa 

.279 

» spicata  

.278 

Adiantum  CapillusVoueris449 

„ pedatum 

.450 

„ trapeziforme . . . . 

.450 

Adenis  Cyllenea 

.278 

, vernalis 

.278 

Aerides 

.609 

Aesculus  Hippocastnnura  326 

Aethusa  Cynapium  499. 

636 

Agathotes  . . . . ? 

.481 

Agave  amcricana 

.106 

Agropyrum  acutum  . . . . 

,156 

„ junccum  

156 

„ pungens  

„ repens  

,155 

l>ng.  j 

AIcca  553 

Alhagi  Maurorum 17 

Allium 690 

Aloe  africana 105 

„ ferox 105 

„ I.ingua 105 

„ mitraeformis 105 

„ perfoliata 105 

„ purpurascens  . . . .105 

n socotrina 105 

„ spicata 105 

„ vulgaris 105 

Alpinia  chinensis 177 

„ Galanga 178 

Alsophila  lurida 143 

Altliaea  narbonensis. . . .191 

„ officinalis  188 

„ rosea 553 

„ taurinensis 191 

Altingia  excelsa 85 

Ambrina 525 

Amelanchier 672 

monium  Cardamomum  612 

„ Curcuma 174 

„ Granum  Paradisi  . 699 

„ Zingiber 172 

„ Zerumbct 176 

Ampelodesmos  tenax  . . .129 
Ampclopsis  hcderacea  ..187 

Amygdalus 664.669 

Amyris  Kataf 34 

„ Oppbalsamum 35 

„ papyrifora 31 

Anacamptis  pyramidalis . 1S3 
Anacardium  occideutale  .462 
Anacyclus  officinaritm  ..291 

„ Pyrethrum 289 

Anamirta  Cocculus  238.  587 

Andira.jamaiccnsis 238 

Ancthum 631 

Augclica  Archangclica  . . 305 

„ officinalis 305 

„ sativa 306 

, sylvestris 307 

Antlicmis  nobilis 543 


i*»g 


Anthemis  Pyrethrum  . . . 289 

Apittm 623 

Aquilaria  Agallocha  ....  114 

Arbutus  uva  ursi 459 

Archangelica  officinalis  .305 

„ sativa 306 

Arctium  Lappa 226 

Arctostaphylos  alpina  ..460 

„ officinalis 459 

„ uva  ursi 459 

Areca  Catechu 117 

Arenga 713 

Aristolochia  Clematitis. . 298 

, officinalis 298 

„ reticulata 298 

„ Serpentaria 297 

Arnica 292.  548 

Artanthe  adunca 520 

„ elongata 520 

Artemisia  Absinth.  100.  475 

„ arborescens 475 

* Chiajeana 547 

„ Contra 547 

„ Dracunculus 632 

, judaica  . . . .475.  547 

y.  Lercheana 547 

„ pauciflora  547 

„ pontica 475.478 

, ramosa  548 

„ Sieben 547 

„ Vahliana 547 

Arum 729 

Aruudo  Ampelodesmus . .129 

Asagraea 602 

Asarum  virginicum 298 

Asclepias  Contrayerva  ..253 
Aspidium  athamanticum  1 54 

„ filix  mas 151 

„ Goldieanum 151 

y marginale  151 

„ Oreopteris 153 

, spinulosnm 153 

Asplenium  filix  femina.  .153 

Asträgalus  crcticus 7 

„ gummifer 8 


Register  der  systematischen  Pflanzennamen. 


733 


paß. 

Astragalus  Parnassi  . . . 

7 i 

„ verus  

7 

Astrantia  majov  . . .280. 

312 

Atropa  Belladonna  .... 

267 

729 

B. 

ßalantium  ckrysotrichum  143 

Ballota  nigra 

515 

Balsamodendion  african. 

37 

„ Elirenbergiauum 

34 

r Gileadense 

35 

,,  Mukul 

„ Myrrka 

35 

Balsamopliloeos  Kataf.  . 

34 

Bamksia  

.562 

Barosma 

.528 

Batatas  edulis 

248 

„ Jalapa 

.248 

Benzoin  officinale 

61 

Berberis  vulgaris 

.342 

Berula 

.630 

Boletus  Laricis 

.136 

„ purgans 

.146 

Bonplandia 

.434 

Borassus  

.713 

ßoswellia  floribunda  . . . 

. 31 

„ papyrifera 

. 31 

„ sacra  

„ serrata  

. 33 

Brassica  Napus 

.691 

„ nigra  

.687 

„ Rapa 

.691 

Braycra 

.562 

Brucea  antidysenterica  . 

.428 

„ ferruginea 

.428 

Buena  kexandra  . . .344.  396 

Butea  frondosa  

.119 

Buxus  sempervirens  342 

460 

c. 

Calcitrapa  lanuginosa  . < 

.478 

Callicocca  Ipecacuanha. 

.228 

Callitris  quadrivalvis  . . 

. 60 

Camphora  oflicinarum . . 

. 97 

Canarium 77.  79 

Cannabis  indica 

.521 

jf  sativa 

.574 

Capparis 

.531 

Caprificus  . . 

Capsicum 603.  605 

Carex  arenaria 

.157 

„ disticha 

.158 

„ kirta 

psg-  j 

Carex  intermedia 

158 

Carlina  acaulis 

294 

Carlina  vulgaris 

295 

Carum  Carvi 

625 

Caryopkyllus 

556 

Cascarilla.  . . .344.  356.  400  i 

Cassia  (Senna) 

463 

Cassia  ( Senna)  aetkiopica  470 

„ Bisckoffiana  . 

466 

„ „ Ehrenbergii  . 

469  j 

„ „ kolosericea . . 

470 

„ r Hookeriana  . 

.471  1 

„ , ovalifolia  . . . 

470 

„ „ pubescens . . . 

.470 

„ „ Royleana  . . . 

.469 

„ „ Sckimperi . . . 

.470 

„ „ tomcntosa.  . . 

.470 

Ceutaurea  benedicta  . . . 

.478 

„ Ccntaurium  . . . . 

.480 

Cephaelis  emetica 

.228 

„ Ipecacuanha .... 

.228 

Ceramium  rubrum 

.141 

Cerasus  Lauro-Cerasus  . 

.454  | 

Ceratonia  Siliqua 

.582 

Cetraria  Islandica 

.137 

Chavica 619.  620.  115 

Ckaeropliyllum  aureum 

.499 

B bulbosum 

.499 

„ temulum 

.499 

Ckelidonium  majus.  . . . 

.451 

Clienopod.  ambr 

525 

„ Botrys 

.525 

* kybridum 

.489 

„ Quinoa 

.721 

„ Sckraderian.  . . . 

.525 

Ckiococca  anguifuga  . . . 

.232 

r racemosa  . H & B 

. 232 

„ racemosa  Jacq.  . 

.230 

, densifolia 

.232 

, scandens  

Ckironia  

.482 

Ckondrus  canaliculatus . 

.141 

„ crispus 

.140  : 

„ polymorpkus  . . . 

.140 

Cknoopkora  tomentosa  . 

.143 

Chrysanth.  Partk.  .100.  544 

Cibotium 

Cichorium  Intybus  . . . . 

.240 

Cicuta  virosa 498.  630 

Cinchona 

acadcmica  . . . . . 

.351 

f)  amygdalifolia  . . 

.396 

angnstifolia  . . . . 

.349 

„ australis. . . . 355 

. 383 

,.  barbacoensis  . . . . 

.354 

,.  boliviana 

.348 

„ Bonplandiana  346.  37G 
„ Calisaya  347.  372.373 
390 


pag. 

Cinchona  Candollii 349 

„ carabayensis  ....421 
„ Chakuarguera  . . . 348 

376.  389 
„ coccinea. . . .351.  385 
„ Condaminea  348.  346 

347.  376 

377.  391 
„ conglomcrata  ....351 
„ cordifolia  . .348.  354 

377.  390.  405 
„ corymbosa  351 . 358. 

364 

„ Delondriana 350 

„ erythroderma  ..  ..351 
„ glandulifera  344.  352 

* „ globifera 415 

„ Henleana 420 

„ keterophylla  345.  349 
377.  389 
„ Humboldtiana. . . .394 
„ Josephiana. . 847.  353 

„ lanceolata 365 

„ lancifolia349.378.389 

„ lucumaefolia  ....352 
„ lutea  349. 379.  389. 

403 

„ raacrocalyx  349. 379. 

389 

„ macropkylia 420 

„ micrantka349.379. 

389 

„ nitida  .350.  380.  391 
v officinalis  . . . 350.  376 

„ ovata 352 

„ Pabudiana414. 421. 

425 

„ Palalba 352 

„ Palton 352.403 

yj  pedunculata 420 

„ Pelletieriana  .350.  382 

„ peruviana 352 

„ pitayensis350. 380. 

390 

„ pubescens350.371. 

382.  389- 
purpurascens  345-346 
„ purpurea  ..  .350.  352 
„ scrobiculata  .350.  372 
382. 391 

„ stupea 394 

„ succirubra350. 354. 

383 

„ tncuyensis 352 

„ umbellulifera  351.  386 

391 

,,  Uritusiuga351. 386. 

389.  391.  424 
» villosa 394.403 


734 


Register  der  systematischen  PAanzeunamen. 


I 


Cinckona  viridiflora  350. 

344 

Cinnamomum  aromatium 

446 

a Campkora 

. 97 

a Cassia 

446 

a citriodorum 

,441 

a zeylanicum 

439 

Cimicifuga 

,279 

Citrus  Aurantium  . .568. 

599 

„ decumana 

.599 

a Limonum 

,565 

a medica 

,566 

a vulgaris 

,599 

Citrullus  amarus 

,593 

a Colocyntkis 

,593 

Claviceps  microcephala  . 

,134 

„ nigricans 

,134 

„ purpurea 

133 

Clutia 

,435 

Cnicus  benedictus  .478. 

144 

Cocculus  palmatus 

236 

„ suberosus 

,587 

Coccoloba  uvifera  

119 

Cochlearia  anglica 

,453 

a Armoracia 

453 

a danica 

453 

a officinalis 

,452 

Codazzia 

,362 

Coelocline  polycarpa  . . . 

,238 

Colchicum  autumnale  L. . 

,180 

„ variegatum 183 

Colocyuthis 593 


Colutca  arborcsccns  . . . 

.473 

Conium  maculatum.  497, 

. 633 

Convolvnlus  arvensis  . . 

.244 

a Batatas  

.248 

a Jalapa 

, Meckoacan  .... 

.248 

a officinalis  

.248 

a opcrculatus  .... 

254 

» P“rga 

.248 

a sagittaefolius  . . . 

.248 

a Scammonia 

.244 

a Turpcthum  .... 

Copaifera  coriacea  .... 

. 80 

a Jacquini 

. 80 

a Langsdorffii  .... 

. 80 

a multijuga 

. 80 

a officinalis  

. 80 

Coptis  Teeta 

.239 

a trifolia  

.239 

Cordiccps 

Cordyliceps 

.133 

Coriandrum 

.636 

Coriaria  myrtifolia  . . . . , 

.473 

Cosciuium  fencstratum  . , 

.238 

Corydalis 

.459 

Cotoneaster 

.672 

Coumarouna  

.532 

Crcscentia  cucurbitina  . . 

. 89 

P"K-  ! 

Crocus 533. 

535 

Crotou  Cascarilla 

435 

„ Eluteria 

435 

a lineare 

435 

a Malambo 

438 

a Pavana 

699 

a Pseudo-China  . . 

438 

, Sloanei 

435 

a Tiglium 

696 

Cubeba 612.614 

Cucumis 

593 

Cucurbita  

596 

Cuminum 

626 

Cupressus  sempervirens 

519 

Curcuma  angustifolia  . . 

712 

a leucorrkiza.  .712. 

719 

» longa 

174 

a viridiflora  

176 

a Zedoaria 

176 

a Zerumbet 

176 

Curcas 

695 

Cuscuta 

716 

Cydonia  vulgaris 

659 

Cynanckum  Argbel.  . . . 

466 

a vincetoxicum  . . . 

298 

Cynodon  Dactylon  . . .156-7 

Cvperus  esculentus. . . . 

18 

D. 

Daphne  alpina  

448 

a Gnidium 

448 

a Laurcola 

448 

, Mezereum 

447 

Dapknidium 

615 

Datura  arborea 

681 

a Stramouium  489. 

680 

a Tatula 

489 

Dicksonia  Culcita  .... 

143 

DicfTenbackia 

721 

Digitalis  purpurea  — . 

483 

a grandiflora  .... 

485 

a lutea  

485 

„ parviflora 

485 

a ferruginea 

485 

Digitaria  stolonifera  . .156-7 

Diosma 

528 

Dipterocarpus  alatusRoxb.  83 

, costatus  

83 

„ iucanus  Roxburgk 

83 

a laevis  

83 

„ trinervis 

83 

a turbinatus  Gärtn. 

83 

Dipterix  odorata 

532 

Distylium  raccmosum  . 

149 

Dorema  Ammoniacum  . 

28 

a Aucheri 

31 

a glabrum 

31 

a paniculatum 

31  I 

P«g. 

Diserucston  gummiferum  28 
Drepanocarpus  Senegal.  .119 
Dryobalauops  Camphora  100 

E. 

Elettaria 611.  C12 

Empleurum 528 

Epidendron 610 

Erythraea  Centaurium  ..480 

a linariaefolia 481 

„ pulchella 481 

Erythrina  monosperma  ..119 
Eucalyptus  dumosa  17.  715 
„ mannifera  ...17.715 

„ resinifera  ...17.  120 


Eugenia 556.  561 

Eulophia  vera  184 

Euphorbia 715.  721 

„ balsamifera 58 

a canaricnsis  57 

„ dendroides 537 

a resinifera 57 

a Wulfen» 537 

Exidia  Auricula  .ludae  . .135 

Exogonium  Purga 248 

Exostemma 344.  356 


F. 


Fernla  Asa  foetida  ....  20 

a erubcscens  25 

a gummosa 25 

„ rubricaulis  25 

a Schair 26 

a teterrima 25 

Feuillea 679 

Ficus  Carica 576 

a Sycomorus 580 

Foeuiculum 631.  632 

Fourcroya 359 

Fragaria  vcsca  293 

Frasera  carolinensis  . . . .240 

a Waltcri 240 

Fraxinus  Ornus 13 

a rotuudifolia 13 

Fucus  crispus 140 

a fastigiatus 141 

, lumbricalis  141 

Fumaria  capreolata  . . . .459 

a officinalis  458 

w Vaillantii 459 

Furcellaria  fastigiata  ...141 


G. 

Galeopsis  ockroleuca  ...  514 


a villosa 514 

a Tetrahit. 515 


Register  der  systematischen  Pflanzennamen. 


735 


I'nfr- 


Galeopsis  versicolor  . ..515 

„ pubescens 515 

Galipca  Cusparia 434 

„ febrifuga 434 

„ officinalis  431 

Garcinia  Morella 19 

„ elliptica  19 

„ Gutta 19 

Gardenia 534 

Gasteria  Lingua 105 

Gentiana  Centaurium  ..480 

„ Chirayita 481 

„ lntea 233 

„ pannonica 235 

„ pnnctata 235 

„ pnrpurea 235 

Geofl’roya  jamaicensis  ..238 
„ snrinamensis  ....238 

Gillcnia  trifoliata 267 

Glancium  luteum 459 

Glcclioma 621 

Glycyrrbiza  asperrima  . .201 

„ eebinata 199 

„ glabra  194 

, glandulifera  . 19S.  201 

Gomphosia 396 

Goniophlebium  attenuat.  155 

• Gratiola  officinalis 486 

Guajacum  jauiaiceuse  . . . 33 1 

„ officiuale 326 

„ sanetnm 67.331 

Gymnadenia  conopsoa  . .184 
Gypsopbila  Strutliium  . .261 


II. 

Habenaria  pectinata 

185 

Ilabzclia 

618 

Ilagenia  abyssinica 

562 

Hebradendr.  gambogioid.  19 

Helleborus  altifolius 

. . .274 

„ antiquorum  . 

274. 277 

„ foetidus  . . . . 

. . ..277 

„ humilifolius  . 

274 

„ niger 

274 

„ officinalis  . . . 

274. 277 

„ olympicus  . . 

277 

„ orientalis  . . . 

274.  277 

„ pontiens  . . . 

277 

„ purpurasccns 

277 

„ viridis 

,270.  274 

Hcudelotia  africana 

....  37 

Hordeum 

721 

Ilumulus  Lupnlus . . 

315 

üydraatis  canadensis  . . .239 

Hymenaea 

572 

Hyoscyamus  albus 

.490.  683 

„ major 683 


Eyoscyamus  niger 682 

„ pallidus 490 


Hyssopus  officinalis  ...  .511 

I.  J. 

Janipha 673.  713 

Jateorrhiza  Calumba  ...236 
Jatropba  . . . .673.  695.  713  j 


Tcica  Icicariba 77 

Jeffersonia  dipbylla  . . . .238  | 

Ignatia 678  j 

II  liciurn 638 

Imperatoria  Ostrutbium  .310 

Inula  Gonyza 486 

„ Hcleuium 287 

Ionidinm  Jpecacuanba  ..230 

Ipomoea  Jalapa 248 

„ operculata 254 

„ orizabensis 254 

„ Pnrga 248 

„ Scbiedeana 248 

„ Turpctbum  256 

Iris  Florentina  L 171 

„ pallida  L 171 

Isoetes 714 

Juglaus  regia 527 

Jnniperus  communis.  . . .606 

„ Oxycedrus 316 

„ pboenicea.  ....'.  .519 

„ Sabina 517 

„ virginiana 519 

K. 

i Kämpferia  Galanga 178 

Kentrosporium  133 

Kraroeria  argentea 206 

„ Ixiua 207 

„ lanceolata 206 

„ secundiflora 208 

„ triandra 203 

L. 

Lactuca  altissima 39 

„ sativa 39 

„ Scariola 39 

„ virosa  37 

Ladenbergia  . .344.  356. 

362.  370.  400.  415 

Lappa  edulis 227 

„ major 226 

n minor 226 

„ tomentosa 226 

Larix  decidua  . .18.  70.  136 

„ curopaea  .18.  70.  137 

* rossica 136 

„ sibirica  136 


Laserpitiuin  latifolinm  . 

pag- 

233 

Lasionema 

344 

Lathraea 

716 

Laurus  Camphora 

97 

„ Cassia 443.  446 

„ Sassafras 

299 

Lavandula  angustifolia  . 

551 

„ officinalis 

551 

„ Spica 100. 

552 

„ Stoechas  

552 

Lecanora 

18 

Ledum  palustre 

508 

Leontodon  Taraxacum  . 

241 

Levisticum  officinale  . . 

303 

Liatris 

532 

Lieben  parietinns 

139 

Ligusticum  officinale  . . 

.303 

„ Levisticum 

Linum 

655 

Liquidambar  Altingiana63.  85 

imberbis 

. 84 

r orientalis  ...... 

84 

Y)  styraciflua 

88 

Liquiritia  officinalis  . . . 

.194 

Lobelia  inflata 

.496 

Lonicera  Periclymenum 

.315 

Lophosoria  affinis 

.143 

Lycbnis 

Lycopcrdon  Bovista  . . . 

.144 

Lycopodium  alpinum  . . 

.122 

„ annotinum 

1°2 

„ clavatum 

.121 

v complanatum  . . . 

.122 

„ innndatum  . . . . 

.122 

y>  Selago 

M. 

Macrotis  

.279 

Malva 456.  553 

Manihot 673.  713 

Maranta 

.709 

Marrubium  vulgare  . . . . 

.515 

Marsilea  

.714 

Mastocarpus  mamillosus 

.141 

Matricaria  Chamomilla  . 

.541 

„ coronata  

.542 

r lithuanica  

.542 

„ Parthenium 

„ suaveoleus 

.542 

Melaleuca 

. 93 

Melilotus  officinalis  . . . 

.532 

Melissa  officinalis 

Menispermum  Calumba 

.236 

„ canadense  

^ Cocculus 

„ fenestratum  . . . 

.238 

Mentha  aquatica  

„ piperita 

73fi 


Registor  der  systematischen  Pfla  nzonnamen. 


Meutba  rotundifolia  . 

P*F. 

504 

„ sativa  

.. .504 

„ sylvestris  . . . . 

. . .503 

„ viridis 

Menyautbes  trifoüata 

. ..482 

Metroxylon 

Mimosa  arabica  . . . . 

„ Catecbu 

Mirabilis  Jalapa  . . . . 

. . .254 

„ lougiflora  . . . . 

.253-4 

Mucuna 

. . .572 

Myrica  Gale 

Myristica 

Myrospermum  ==  Myroxylon. 

Myroxylon  Pereirae  . 

88.  721 

„ peruiferum  88. 

92.  416 

„ Sonsonatense  . 

. . . 88 

„ toluifernm  . . . 

. . . 92 

Myrtus  Pimenta  . . . . 

. . .561 

N. 

Nartliex  Asa  foetida  .22.  25 


Nauclea  acida 116 

„ Cinchona 415 

„ Gambir 114 

Nectandra  Pucbury  . . . .301 

„ Rodiaei 403 

Neottia 716 

Nepeta  Cataria 514 

Nephrodiura 151 

Nicotiana  ebinensis 495 

„ macropbylla 496 

„ rustica 495 

„ Tabacum 491 

Nitelia 714.  721 


0. 


Ophelia 481 

Opuntia 580 

Orchis  latifolia  184 

„ maculata 184 

„ mascula 183 

„ militaris  183 

„ Morio 183 

, papilionacea  . . . . 184 

„ ustulata 183 

Ornus  europaea 13 

„ rotundifolia 13 

Oryza  sativa 129 

Orobancbe 716 


P. 

Pacbydendron  africanura  105 

„ ferox 105 

Panax  quinquefolius266.  298 
„ Scbinseng 266 


rate. 

Pancratium  maritimnra  . .188 


Pauicum  Dactylou  L.  .156-7 

Papaver  album 590 

„ dubium 539 

„ nigrum. . . .40.  590 

„ Rhoeas 538 

„ somniferum 589 

Parmclia  parietina 139 

Peganum  Harmala  .«-...  530 

Pelargonium gg 

Pereiria  medica 238 

Persea  Campbora 97 

Persica  . . . • 672 

Petroseliuum 623 

Pcucedauum  Cervaria.  . .233 

„ ofticinale 312 

„ Ostrutbium 310 

Pbajus 721 

Pbascum 714 

Pbyscia  Islandica 137 

„ parietina 139 

Picraeua 321 

Picrasina 321 

Pimenta 561 

Pimpinelia  Auisum 627 

„ magna 301 

„ nigra 302 

„ Saxifraga 301 

Pinkneya 382 

Pinus  australis 73.  76 

„ Lambertiana  ....  18 

„ Laricio  Poiret  ...  76 

„ Larix 70 

„ maritima 76 

* Mughus 73 

„ nigricans  ......  76 

„ palustris 76 

„ Pinaster 73.76 

„ Pumilio 70.  73 

y.  Strobus 73.76 

„ sylvestris 76 

„ Taeda 73.  76 

Piper  aduncum 520 

„ augustifolium  . . . .520 

„ arborescens 520 

„ Betle 115 

„ caninum  .614 

„ Cubeba 612.614 

„ elongatum 520 

„ longum 619 

r nigrum 615.  700 

Piptostegia 254 

Pistacia  Lentiscus  L.  . . . 64 

„ mutica 67 

„ Tcrebinthus 70 

Platanus  orieutalis 84 

Ploesslea  floribunda ....  31 
Podopbyllnm  dipbyllum  238 
„ peltatum 238 


i>«k. 

Pulygala  amara 266 

„ Senega  262 

» Poaya .266 

Polygouum  Bistorta  ....  202 
Polypodium  Baromez  . . .143 

„ Calaguala  155 

„ Filix  mas 151 

„ vulgare 154 

Polyporus  officinalis . . . .136 


Polysticbum  Filix  mas  . .151 
Potentilla  Tormentilla  . .303 
Poterium  Sanguisorba  . . 203 


Prosopis  582 

Prunus 672 

„ Laurocerasus  ....  454 

* Padus 431 

Psycbotria  elliptica  . . . .230 

„ emetica 230 

Ptelea  trifoüata 462 

Pteris  aquilina 155 

„ esculenta 155 

Ptcrocarpus  erinaceus.  ..119 

„ Marsupium  118 

„ santalinus 316 

Pulcgium  micrantbum . ..100 

„ vulgare 100 

Puuica  Granatum 340 

Pyrethrum  Partbenium.  .100 
Pyrus 659 

Quassia  amara 319 

„ excelsa 321 

v Simaruba 323 

Quercus  Aegilops  ...  17.  148 
„ coccifera  ...  .7  ...  17 
„ gracca  .........  1 48 

„ infectoria  ....  17.  145 

„ mannifera  17 

„ occidentalis 334 

„ pedunculata  .338.  642 
„ pseudo-Suber  . . . .334 
- raccmosa  ...338.642 


_ sessiliflora  . .338.  642 

„ Silber  334 

„ Yallonea 148 


Quillaja  Saponaria  .261.  333 

R. 


Remijia 356 

Rbamnus  catbartica  431.  600 

. chloropbora 602 

u Frangula 429 

T tinctoria 430 

n utilis 602 

„ Zizypbus 581 


Register  der  systematischen  Fflanzennamen. 


737 


pn(f. 


Rheum  australe  . . .220.  222 

„ compactum . . 220.  222 

„ Ernodi 221 

„ hybridum 221 

„ palmatum. . .220.  222 
„ Rhaponticnm  . . . .221 

„ sibirienm 221 

„ undiilatum  . .220.  221 
222. 719 

Rhus  japonica 149 

„ javanica 149 

„ qucrcifolium  ....461 

„ radicans 461 

„ semialata 149 

„ Toxicodendron  ..461 

„ vulgare 461 

Ricbardsonia  scabra  ...  .230 

Riciuus 692. 

Ronabea  emetica 230 

Rosa  bifera 95 

„ ceutifolia 539 

„ darnascena 95 

„ gallica 540 

„ moschata 95 

„ proviucialis 540 

Rosmarinus  officinalis. . .506 

Roltlera  affiuis 125 

„ tinctoria  125 

Rubin  Munjista  194 

„ peregriua 194 

„ tinctorum .191 

Rumex  acutus 225 

„ alpinus 223 

„ conglomeratus  ...225 

„ crispus  225 

* nemorosus  .....  .225 

„ obtusifolius 224 

„ Patieütia 224 

Ruscus  aculeatus  . .164.  167 

Ruta  graveolens 530 

„ montana 532 

S. 

Sabadilla 602 

Sabina  ofticinalis 517 

Sagucrus 713 

Sagus 713 

Salvia  officinalis 505 

„ pratensis 506 

Samadera  indica 325 

Sambucus.  . ..550.  551.  580 
Sanguinaria  canadensis . .451 
Sanguisorba  officinalis  . .303 

Santalum  album 318 

Saponaria  officinalis  . . . .259 
Saprolcgnia 714.716 


Sassafras  officinalis  . . . .299 


pas. 

Scliotia  572 

Scilla  maritima 185 

Sclerotium  Clavus 132 

Scolopeudrium  officin.  ..450 
Scorodosma  foetidum  ...  20 

Scutellaria 488 

Senna 464 

Silene  Saponaria 259 

Simaruba  amara 323 

„ excelsa 321 

„ medicinalis 323 

Sinapis  alba 684 

„ arvensis  ....  686.  691 

„ juncea 691 

„ nigra 687 

Sisymbrium  . . 690 

Sium 630 

Smilax  aspera 161 

„ China  169 

„ cordato-ovata  . . . .161 

„ glabra 170 

„ lanccaefolia 169 

„ medica 161.167 

„ officiualis  . . .161.  165 

„ ovalifolia 169 

„ papyracoa 161 

„ Pseudo  China  . . . 170 
„ pseudo-syphilitica.  161 

„ Sarsaparilla 161 

„ syphilitica 161 

„ tamuoides 170 

„ zcylanica 170 

Solanum  Dulcamara  313.  721 

„ nigrum 314.315 

Solenostemma  Argbel  . . .466 

Sophora 531 

Sorbus 672 

Spermocdia  Clavus 132 

Sphacelia  segetum 131 

Sphaerococcus 140 

Spigelia  marylandica  . . .298 

Squilla  maritima 185 

„ Pancratium 188 

Steffcnsia 520 

Strycbnon  manicou  ....681 

Stryclmos  Iguatii 678 

„ innocua 675 

„ Nux  vomica  .429.975 

„ Tjeute 679 

Styrax  Benzoin 61 

„ officinalis  L..  87.  88 
Sumbulus  mosebatus  . . .310 

Syzygium 561 

T. 

Tacca 712 

Tamarindus 670.574 


Piff 

Tamarix  mannifera  ....  17 

„ orientalis 566 

Taraxacum  241 

Tephrosia  Apollinea ....  467 

Terminalia 149 

Theobroma 645.  649 

Thuja  articulata 60 

Thymus  capitatus  510 

„ Serpyllum 510 

„ vulgaris 508 

Thysselinum  palnstre  . . .291 

Tiglium  . . . 696 

Tilia 554.  555 

Toddalia  aculeata 239 

Trigonelia 662 

Trochiscauthes  nodiflorus305 

Triticum  repens 155 

Trollius  europacus 280 


u. 


Ulmus  campestris 337 

„ effusa  337 

„ fulva 338 

Uncaria  acida  116 

v Gambir 114 

Unona  polycarpa 238 

Urginea  Scilla 185 


y. 

Vaccinium  vitis  idaea  . .460 
Valeriana  angustifolia.  . . 295 


„ officinalis 295 

, Phu 297 

Vanilla  aromatica 61 0 

„ Pompona 610 

, planifolia 607 

Veratrum  album  L 159 

„ nigrum  160 

„ officinale 602 

fj  Sabadilla 603 

„ viride  160 

Verbascum 536.  537 

Viola  tricolor 457 


X. 

Xanthorrhiza  apiifolia  . .239 
Xautboxylon  caribaeum  .239 
B fraxineum 239 


z. 

Zingiber  officinale  ....  .172 
Zizypbus 581 


I''liickigcr,  Pharmakognosie. 


47 


738 


II. 

Sachregister. 


P“g- 


Abietinsäure 73 

Absinthe 475 

Absinthiin 477 

Abstränze 310 

Acolyctin 286 

Aconit 499 

Aconite  root  281 

Aconitsäure 285 

Aconellin 284 

Aconitin 283 

Acore  odorant  ou  vrai.  . .179 

Adraganthin  12 

Aesculin 326 

Aesculinsänre 261 

Agaricin 137 

Agaricus  albus.  Agaricuml36 

Agnus  scythicus 142 

Alantcampher 288 

Alantin 289 

Alantwurzel 287 

Aleppo-Senna 470 

Aleuron  . . . .652.  657.  667 

Alga  Caragahecn 141 

Alizari  oder  Lizari 192 

Alizarin  193.  194 

Allspice 561 

Almonds 664.  669 

Aloe  arabische 111 

„ Bombay 111 

, capensis  109 

„ Curaijao 110 

„ hepatica  108 

„ indica 111 

„ lucida 108 

„ Moccha 111 

„ socotrina’ 110 

Aloiibitter 112 

Aloeharze 112 

Aloepurpur 113 

Aloeresinsäure 113 


p»g. 


Aloeretin 

Aloeretinsäure  . . . 

Aloetin 

Aloin 

Aloisol 

Alphaguajakol  . . . 

Althäin 

Ammoniacum  . . . . 

Amandes 

.664.  669 

Ambrosie 

Amygdalae  amarae 

669 

yf  dulces  . . . . 

664 

Amygdalin 

.455.  670 

Amylin  

Amyloid 

.572.  718 

Amylum  

714 

„ Marantae  . . 

Amyrin 

. . .78.  79 

Anamirtsäure.  . . . 

Andorn 

515 

Anethol 

Angelica 

Angelicasäure  . . . 

307.  312 

Angelicin 

Angostura-Rinde  . 

.427.  431 

Anis 

„ etoilA  .... 

Aniscampher  .... 

Anthophylli 

Antirrhinsäure  . . . 

485 

Apiol 

Aporetin 

Arabic  gum 

....  1 

Arabin 

....  4 

Arabinsäure  

Arabisches  Gummi 

461 

Arbutin 

Arctuvin  

400 

Aricin 

Arillus  Myristicae. . 

....  6 

Arnica 

548.  292  | 

pag. 

Arnicin 293.  549 

Arrow-Root 709 

Asa  foetida 20 

Asant 20 

Asparagin 190.  198 

Aspidin 153 

Atropasäure 269 

Atropin 269 

Atrosin 269 

Attar  of  roses 95 

Aurantia  immatura 597 

Aurantiin.  . . 598 

Aurin -. 480 

Avorniu  431 

Azulen  542 


B. 

Baccae  s.  auch  Fructus 


„ Sambuci 580 

„ Juniperi 606 

„ Lauri 622 

„ spinae  cervinae ...  600 

Badiane 638 

Baies,  Fructus 

„ de  Laurier 622 

„ de  nerprun  600 

„ de  sureau 580 

Baldrian 295 

Balm 513 

Baisamum  Capivi 83 

, Copaivac 80 

„ indicum  nigrum  . . 88 

* nucistae 705 

„ peruvianum- 88 

„ styracis 84 

„ tolutanum 92 

Bang 522 

Barbotine 544 

Bark  v.  Cortex. 

Bärentraube 459 


Sachregister. 


739 


Pag- 


Bärlappsamen 121 

Baros-,  Borneo-Campker.  101 

Barosma-Blätter 528 

Baume  de  copalru 80 

„ du  Pürou 88 

„ de  Tolu 92 

Bardane 226 

Bassora-Gummi 5.  1 1 

Bdellium 37 

Bearberry 459 

Bebeeru-Rinde 403 

Belladone,  feuilles 490 

Belladonna 267 

„ leaves 490 

„ root 267 

Belladonnin 269 

Benjoin 61 

Benzoe 61 

Benzoesäure  62 

Benzo'inum  61 

Berberin 238 

Bertramwurzel  . ..  .289.  291 

Betacliinin 402 

Betaguajakol 69 

Biberklee 482 

Bibernellwurzel 301 

Bilsenkraut 489 

Bilsensamen  682 

Bismalva 191 

Bistorte 202 

Bitterbolz 319.  321 

Bittersüss 313 

Bitter-sweet 213 

Black  Catechu 116 

Ble  cornu 129 

Blitzpulver 121 

Bockshornsamen 662 

Bog  bean 482 

Bois  amer 319.  321 

„ doux 194 

„ de  gaiac 326 

„ de  genevrier 315 

» gentil 447 

, de  santal  . . .316.  318 


Boletus  Laricis. ......  .136 

Bolet  du  meleze 136 

Borneen 101 

Borueol 101 

Boucage  301 

Bousserole 459 

Brassicasäure 690 

Brean 79 

Brecbwurzcl  228 

Brechnüsse 075 

Brechnüsse,  schwarze.  . .695 

Brcidin 79 

Brein 79 

Brucin 428.  677 

Brustbeeren 581 


pag. 


Bryoidin 79 

Buccoblätter 528 

Bucktliorn  berries 600 

Bulbe  de  colchique  ....  180 

„ de  salep 183 

Bulbus  s.  cormus  s.  radix 

Colchici 180 

„ Scillae 185.714 

Burnet  root 301 

Busseroie  459 


c. 


Cabbage-rose 539 

Cacao  645 

Cacaobutter 653 

Cacaoroth 652 

Cackou  116 

„ clair 114 

Caffeln  654 

Cajeputen 94 

Cajeputöl  93 

Ca'inca 230 

Caincasäure 232 

Caincetin 232 

Calamus 180 

Calandine 451 

Calumba 236 

Cambogia  19 

Camomilla 541.  543 

Campheröl 98 

Canada-Balsam 70 

Caniramin 428 

Cannaben 524 

Cannabin 524 

Cannello 439.446 

Canton-Rhabarber 219 

Capiliaire  449 

Capita  Papaveris 589 

Capsique 603 

Capsules  de  Pavot 589 

Capsicin  605 

Caraway 625 

Cardamom 611 

Cardamomum  pipcratum.  699 

Cardobenedicte 478 

Caricae 576 

Carmufellinsäure 559 

Caroubes 582 

Carrageen 140 

Carven 626 

Carvi 625 

Carvol 626 

Caryopliylli 556 

Caryophyllin 559 

Cascarilla  v.  China 

» bark 435 

* fina 353 


Cascarillin 

pag- 
.437.  699 

Cascarillos  bobos  . . 

, finos  

.345. 353 

Cassave 

Cassia 

446 

lignea 

„ vera  

443 

Castor-oil  seed. . . 

Cataputiac 

.692. 699 

Catechin 

,115.  117 

Catechu  nigrum  . . , 

„ pallidum  . . . 

114 

Catechugerbsäure  . 

.114.  115 

Cateckusäure  .... 

.114. 115 

Cathartin 

.471. 601 

Cathartinsäure  . . . 

Cathartogeninsäure 

472 

Cathartomanuit  . . 

Cayenne  pepper  . . 
Centaurec , petite  . 

605 

480 

Centanrin  

479 

Centaury  tops  . . . 

Centifolien  

Cerin 

Cetrarsäure  od.  Cetrarin.139 

Cevadille 

Chacrille 

435 

Chamillen 

.541.  543 

Chamomile 

543 

Chanvre  

* , semence.  . 

574 

Chardon  benit  . . . 

478 

Chelerytkrin  . . . . 

451 

Chelidoine  

Chelidonin 

452 

Chelidoninsäure  . . 

452 

Chelidonsäure  . . . 

452 

Ckelidoxantkin  . . 

452 

Chbnevis 

574 

Cherry-laurel  . . . 

454 

Chicoree 

240 

Chiendent 

„ rouge 

China  Almaguer . . 

381 

„ amarilla  . . . 

.363. 394 

„ Ambolo  . . . 

„ anaranjada . 

.363. 378 

, bicolor .... 

„ blanca  .... 

.362. 363 

„ boliviana  . . 

375 

„ Calisaya  373.  374.  409 

„ „ blanca 

„ „ fibrosa 

383 

„ „ morada 

375. 386 

» „ pallida 

375 

„ „ Santa  Fe  . . .378 

, „ woody 

375 

„ Caquota  . . . 

„ Carabaya  . . 

740 


Sachregister. 


p«s. 


China 

Carthagena . 

378 

colorada . . . 

columbiaua. 

378 

n 

Cuenga. . . . 

T) 

Cusco  .... 

.382.  383 

y> 

flava 

382 

•n 

„ dura. . 

.377.  379 

„ fibrosa 

n 

fusca  

.392.  395 

n 

grisea 

.392.  395 

•n 

Guayaquil  . 

376 

n 

Huamalies377.383.395 

Huanuco  . . 

.380.  393 

Jaiiu  

395 

T> 

„ fusca  . 

V) 

„ nigricans  . . .394 

P 

„ pallida 

Icbu 

r> 

Lagos 

415 

Lima 

392 

Loxa 

379.  393 

Maracaibo  . 

.377.  396 

•n 

Marcapata  . 

377 

y> 

naranjada  . 

363 

n 

negrilla  . . . 

nova 

400 

V 

pallida .... 

Para  fusca  . 

.396.403 

V 

peruviana  . 

383 

7> 

Pitayo  .... 

382.  409 

Pseudo-Loxa  377.  394 

r> 

regia  . .373.  374.  393 

r> 

roja 

363 

rubiginosa  . 

378.  382 

n 

rubra  

n 

, granatensis.  .403 

y> 

, (Mutis) 

403 

p 

„ suberosa 385.  390 

Santa  Ana  . 

383 

Tecamez  . . 

Ten 

395 

Chinagerbsäure  . . 

Chiuaknollen  .... 

Cbinarotb  

Chinasäure 

Chinawurzel 

China  root 

169 

Chinese  Galls .... 

149 

Chinidin 

402 

Chinin 

Chinium 

Ckinoidin  

403 

Cbinon 

460 

Chinovabitter  .... 

Cbinovin 

Chiococcasäure  . . 

Chirata 

180.481 

Chlorogenin 

Chrysophansänre  . . 140.  214 
225.  471 


pag- 

Chrysopikrin  . . . . , 

140 

Chrysoretin 

471 

Gigue  

497 

Cimicifugin 

280 

Cinaeben  

.545.  546 

Cinchona  bark  v.  China. 

Cinchonabitter  . . . 

Cincbonidin 

.402.  403 

Cinchonin 

Cinchotin  

402 

Cincbovatin 

403 

Ciuen 

Cinnamen 

86 

Cinnamol  

86 

Cinnamomum  . . . . , 

.439.  446 

Citronenschalc  . . . , 

565 

Clavis  secalinns  . . , 

129 

Cloves  

556 

Cnicin 

479 

Cocctili 

Cocculin 

589 

Cochlearia 

Cockles 

587 

Cocoa 

Code'in 

53 

Coerulein 

543 

Coffein 

654 

Colcbice'in 

674 

Colcbicin 

.182.  674 

Colchicum  seed  . . , 

673 

Colocyntbin 

Colocyuthis 

Colopbonium 

Columbin 

Columbobitter  . . . . 

238 

Columbokolz 

Columbosäurc  . . . . 

338 

Concbinin 

Conditum  Zingiberis.  . . .173 

Coniiu 

.312.  635 

Convolvulin 

252 

Convolvuliuol 

253 

Convolvulinsäure  . . 

252 

Conydrin 

635 

Copahu 

Copaiva-Balsam  . . . 

80 

Copaivaöl 

81 

Copaivasäure 

81 

Coque  du  Levant  . . 

587 

Cousso 

Coquelicot 

Coriaudre 

Cork 

Cortex  Angosturae  .427.  431 

„ Aurantiorum 

467 

, Bebeeru  . . . . 

503 

B Cascarillao  . 

435 

a Cliinac  v.  China. 

„ Cinnamomichincn9.446 
„ „ zeylanic 439 


pag- 

Cortex  Citri 565 

a Copalchi  ...... .438 

„ Crotonis 435 

„ Eleutheriae 435 

a Frangulae 429 

a Granati  fructus . . . 568 

» a radicis 340 

„ Limonum 565 

a Malambo 438 

„ Massoy  443 

a Matiaa 438 

a Mezerei 447 

, Qucrcus 338 

a Sassafras 299 

a Strychni  427 

a Thymiamatis  ....  85 

a Dlmi 337 

Couleuvrinc 202 

Crocin 534 

Crocns 533 

Crotonöl 697 

Crotonol 698 

Crotonsäure 698 

Croton  seed 696 

Crown  bark 379.  392 

Cubcbae 612 

Cubebencampher 614 

Cubebensäure 614 

Cubebin 614 

Cnmarin 533 

Cumin  des  pres 625 

Cuminol  626 

Curcasöl  695 

Curcuma 174 

Curcumin  175 

Curled  mint 502 

Cusconin 403 

Cusparia  bark 431 

Cnspariu 433 

Cutch 116 

Cyclamin 589 

Cymen 510.  626 


D. 


Dägen,  schwarzer 316 

Dablin 289 

Damascenerroscn 540 

Dandelion 241 

Dapbniu 448 

Daturin 681 

Dcnt  de  Hon 241 

Deutocatecbusäure 115 

Digitale 483 

Digitalin 484.  485 

Diosma-Blätter 528 

Diosmin 629 

Doncc-amere 313 

Dulcamarin 315 


Suchregister. 


741 


P»g- 

E. 


Eberswurzcl 294 

Ecbolin 135 

Ecorce  v.  Cortex. 

B d’aune  noir 429 

„ de  bourdaino  ....429 

„ de  citrons 565 

„ de  grenades 568 

, d’orme 337 

„ de  grenadier 340 

Eibischblätter 456 

Eibiscbscbleim 190 

Eibischwurzel 188 

Eicheln 642 

E isenhutblätter 499 

Eisenhutknollcn 281 

Eider  fruit 580 

„ flowers 550 

Elecampane 287 

Elemi 77 

Elcmin 78 

Elm  bark 337 

Emetin  229 

Emodin 215 

Emulsin 668 

Encens 31 

Engelsüss 154 

Engelwurzel 305 

Enzian .233 

Erdrauch 458 

Ergot 129 

„ of  rye 129 

Ergotin 135 

Ergotsaure 135 

Ericinon 461 

Ericinol 461 

Ericolin 100.  461 

Erucasäure  690 

Einem 686 

Erythrocentaurin 480 

Erytliroretin  215 

Erythrozym 193 

Essence  de  cajeput 93 

„ de  roses 95 

Eugenin 559 

Euphorbium 57 

Extractum  s.  succus  Cate- 

cliu 116 

„ Ratanhiae 206 

„ Uncariao 114 


F. 

Fabae  Cacao 645 

„ Ignatii 678 

Färberröthe 191 

Farnhaar 142 


P»g- 


Famwurzel 151 

Faulbaumrinde  429 

Feigen 576 

Fenchel 331 

Fennel 531 

Fenouil 531 

„ aquatique 628 

Fenugreek 662 

Fern  root  151 

Ferulasäure 24 


Festncae  Caryopliyll ....  560 
Feuillcs,  v.  Folia  et  Herba. 

„ de  gnimauve 456  j 

„ de  Laurier-cerise  . . 454 

„ de  Mauve  456  j 

„ de  noyer 527  i 

yj  d’orauger 526  I 

„ de  Sene 463 

„ de  sumac  veneneux  461 

Feuerblumen 538 

Feve  igasurique  . .' 678 

,,  St.  Ignacc 678 


Figs  

0 /b 

576 

F.ilixolin 

153 

Filixolinsäure 

153 

Filixsäure 

.153 

Filosmylsäure 

153 

Fingerhut 

.483 

Flachssamen 

655 

Flavedo  Aurantiorum  . . 

.568 

Flechtensäure  

.139 

Flechtenstärke  

.139 

Fleurs,  v.  Flores. 

„ de  bonhomme  . . . 

.536 

„ de  bouillon  blanc 

.536 

„ de  Lavande  .... 

.551 

„ de  molene 

.536 

„ de  mnscade  .... 

.706 

, de  sureau 

.550 

Fliederbliitlie 

.550 

Fliegenholz 

Flores  Alcoae 

.553 

„ Arnicae 

.548 

* Brayerae 

.562 

_ Cinae  

.544 

- Ckamomillao.541.  543 

„ Kusso 

„ Lavandulae  . . . . 

.551 

„ Malvae  

„ Millefolii 

.474 

. Rhoeados 

.538 

_ Rosao 539.540 

„ Sambuci 

.550 

| „ Tiliae 

„ Verbasci 

.536 

Flowers  v.  floros. 

1 Folia  Aconiti 

I „ Adianti 

pag- 


Folia  Althacae 456 

„ Anthos  506 

„ Aurantii 526 

„ Bclladonnae 490 

„ Bucco 528 

„ Capilli 449 

„ Digitalis  483 

„ Diosmae  528 

„ Hyoscyami 489 

„ Juglandis 527 

„ Lauri 526 

„ Laurocerasi 454 

„ Malvae  456 

„ Melissae  513 

„ Mentkae  crispae  . . 502 

n » piperitae  ...500 

„ Menyanthis 482 

, Nicotianae 491 

„ Rhois 461 

„ Rosmarini 506 

„ Rutae  530 

„ Sabinae 517 

„ Salviae 505 

„ Scolopendrii 450 

B Sennae 463 

„ n parva 473 

„ Stramonii 488 

„ Tabaci 491 

„ Thymi 508 

„ Toxicodendri  ...  461 

„ Trifolii  fibrini.  . . .482 

, Uvae  ursi 459 

Folliculi  Sennae  472 

Fougere  douco 154 

Foxglove 483 

Frangulin 430 

Franzosenholz 326 

Frauenhaar 449 

Freisamkraut 457 

Fraxin 16 

Fructns  Amomi 561 

„ Anisi 627 

„ „ stellati 638 

„ Aurantii  immatur.  597 

„ Cannabis 574 

„ Capsici 603 

„ Cardamomi 611 

„ Caricae 576 

„ Carvi 625 

„ Ceratoniae 582 

„ Cicutae 633 

, Cocculi 587 

„ Colocynthidis ....  593 

, Conii 633 

„ Coriandri 636 

B Cubebae  612 

„ Cumini 626 


„ Foeniculi  aquatici.628 
» . 631.632 


742 


Sachregister. 


Pag. 

Fructus  Junipori 606 

„ Lauri 622 

„ Papaveris  589 

„ Pctroselini 623 

„ Phellandrii 628 

„ Pimentae 561 

a Piperis  nigri  615 

„ Quercns 642 

„ Rharonicatharticae600 

, Sabailillae 602 

» Sambuci 580 

„ Tamarindi 570 

» Vanillae  607 

Fruits.v.FructusetSemen. 

„ de  surcau 580 

Fucus  crispus 141 

Fumariu 4.59 

Fumarsäure 459 

Fumoterre 458 

Fnmitory 458 

Fungin 137 

Fungus  chirurgorum  . . .144 

„ Laricis 136 

„ Sambuci 135 

Fusti 560 

G. 

Galanga 177 

Galangle 177 

Galbanum 25 

Galeopside 514 

Galgant 177 

Galipot 75 

Gallae  chinensos  149 

Gallae  lialepenses 145 

„ turcicae 145 

Galles  de  Chine  ou  du  Ja- 

pon 149 

Gallusgerbsäure 147 

Gallussäure 148 

Gambir 114 

Gamboge 19 

Ganja  522 

Ganjika 522 

Garance 191 

Garancine 194 

Garden  sage 505 

Gelbbceren  430 

Genievrc 606 

Gentianin 234 

Gentiansäure 243 

Gentiogonin 243 

Gentiopikrin 243 

Gontisin 243 

Gentisinsäure 243 

Gerbsäure 147 

Germeinwurzel 159 

Germer 159 


pag. 

Gewürznelken 556 

Giftsumach 461 

Gilbwurzcl 174 

Ginger  . 172 

Girofies 556 

Glandes  Quercus 642 

Glands  de  ebene 642 

Glandulae  Lupuli 123 

a Rottlerae 125 

Glycyrretin 198 

Glycyrrhizin 104.  198 

Gingembre 172 

Go^mon 140 

Gomme,  v.  Gummi. 
Gomme-resine,  v.  Gtimmi- 
resina. 

Gottesgnadonkrant 486 


Graines,  v.  Semen  et  Fruc- 
tus. 

„ de  m^dicinicr  ....  695 
„ des  Moluques  ....  696 


„ de  Paradis 699 

a de  Pavot 643 

a de  Tilly 696 

Grammont 155 

Grana  v.  F ructus  et  Semen. 

a Actes 580 

a moluccana 699 

a Paradisi 699 

s Tiglii 696 

Granatill 696 

Granatin 342 

Granatschalen 568 

Granatwurzelrinde 340 

Granulöse.  . . .727,  719.  720 

Gras  wurzel 155 

Gratiole 486 

Gratiolin „487 

Grey  bark 380.  392 

Grindwurzel 224 

Guaiac  Wood 326 

Guajaccn 69 

Guajacin  330.  333 

Guajacum 67 

Guajacylige  Säure  (Guaja- 

cylhydrür)  ....  69 

Guajak-Betaharz 69 

Guajakgelb 69 

Guajakharz 67 

Guajakharzsäure 68 

Guajakol  69 

Guakonsäure 68 

Guajaksänro 69.  330 

Guajol 69 

Guaza 522 

Guinea  grains 699 

Gummi  Acaciao 1 

„ arabicum 1 

Gummi  indicum 6 


]«>g. 

Gummi  Mimosac 1 

a scnegalense 6 

» Tragacantha 7 

Gummigutt 19 

Gummi -resina  Ammon.  . 28 

» Asa  foetida 20 

a Galbanum 25 

» Gutti 19 

» Myrrha 34 

a Olibanum 31 

a Scammonium  ....  247 

Gunjah 522 

Gurjtinbalsam.  ....... . 83 

Gurjunsäure 83 

Gutta  Gambir 114 

Gutti 19 


II. 


Hahnsporn 129 

Hanf 521 

Hanfsamen 574 

Haschisch 522 

Hedge  hyssop 486 

Helenin 288 

Helleboracrin 276 

Helleborein i ..  . .276 

Helleboresin 276 

Helleboretin 276 

Helleborin 276 

Hemlock  leaves 497 

Hemlock  fruit  633 

Hemp,  indian 521 

Hemp  seed 574 

Henbane  leaves 489 

a seed  682 

Herba  (v.  auch  Folia  und 
Summitates). 

a Absinthii 475 

a ßotryos 525 

a Cachen-Laguen. . .482 

a Cannabis 521 

a Cardui  benedicti  .478 

Centaurii 480 

a Chelidonii 451 

a Chenopodii  ambro- 

sioidis 525 

„ Cicutae 497 

„ Cochleariac 452 

a Conii 497 

a Daturae 488 

a Galeopsidis 514 

, Gratiolae 486 

a Hyssopi 511 

a Jaceae 457 

a Lobeliae 496 

a Marrubii 515 

a Matico 520 


Sachregister. 


743 


pag- 

Herba  Meliloti 532 

„ Millefolii 474 

Hermodactyli 182.  183 

Hesperidin 598 

Hexenmehl 121 

Hirschzunge 450 

Holunderbeeren 580 

Holunderblüthe 550 

Hop  glands 123 

Hopfen 620 

Hopfenbittersäure . ....  .124 

Hopfendrüsen 123 

Hopfenmehl 123 

Hopfen-  od.  Lupnlinsäuro  124 

Hopfenstaub 123 

Hops 620 

Horchound 515 

Houblon 620 

Hyoscyamin 683 

Hyssop 511 

I. 

Ibschenblätter 456 

Iceland  moss 137 

Icicaharz 79 

Icican 79 

Ichu-Cascarilla 353 

Igasurin 677 

Igasursäure  677.679 

Ignatiusbohnen 678 

Imperatorin 312 

Incense 31 

Indian  tobacco 496 

Ingwer,  Ingber  . . . .172.  174 

Inosit 244 

Inulin 288.  718 

Ipccacuanha 228 

Ipccacuanhasäure 229 

Ipomsäure .253 

Irländisches  Moos 140 

Isländisches  Moos.  Islän- 
dische Flechte  .137  i 

Isolusin 265 

Isop 511 


J. 

Jalapa 

Jalap  leger. . . . 
Jalapenharz  . . . 
Jalapenstengel  . 

Jalapin 

Jamaica-pepper 

Jamaicin  

Jervin  

Jesuitenthee. . . 
Johannisbrot  . . 
Johanniswnrzel 


248. 254 

254  i 

252  l 

254  j 

252.  255  I 

561 

288  | 

160 

525 

582  ; 

151  , 


pag. 


Johnsbread 582 

Jujubae 581 

Juniper  berries 606 

Jnniper  wood 315 

Juniperin 607 


Jus  ou  suc  de  reglisse  . .103 
Jusquiame,  feuilles  . . . .489 


K. 

Kaddigbecren 606 

Kamala 125 

Kamillen 541.  543 

Kalmus 179 

Kalumbo  236 

Käsekraut 456 

Katagamba 114 

Kellerhals  447 

Kino 118 

Kinogerbsäure 118 

Kinoroth  (Kiuosäure)  ...  119 

Kirschlorbeer 454 

Klatschrosen 538 

Klettenwurzel 226 

Knorpoltang 141 

Knoppern 148 

Knöterichwurzel 202 

Kokkelskörner 587 

Kölm 508 

Koloquinthe 593 

Königschina 373. 374 

Kordofan- Gummi 1 

Koriander 636 

Kork 334 

Kosei'n 563 

Kosso 561 

Koussin 564 

Krähenaugen 675 

Kramersäure 206 

Krapp  192 

Krappwurzel 191 

Krauseminze 502 

Kreuzdornbeeren 600 

Kron-Rhabarber 215 

Kümmel 625 

Kurkuma 174 

Kutira  Gummi 5 

Kutsch 116 

L. 

Lactu cari um 37 

Lactucasäure 39 

Latuceriu 38 

Lactuciu 39 

Lactucon 38 

Lactucopicrin 39 

Ladies  hair 449 

Laiche 157 


pag 


Lakriz 103 

Lakrizwurzel 194 

Lapathin 225 

Lärchenschwamm 136 

Lärchenterpenthin 70 

Laricin  137 

Laserpitin 307 

Larch  fungus 136 

Laudanum 40 

Laurel  bark 447 

„ berries 622 

„ leaves  ' 526 

Laureole 447.  448 

Laurier,  feuilles 526 

Laurin 623 

Laurineencampher 97 

Lanrostearin  623 

Läusesamen 602 

Lavendel 551 

Leinsamen 655 

Lemon  peel 565 

Leontodonium 244 

Lerget 70 

Lerp-Manna 289 

Levant  galls 145 

Lichen  ou  mousse  d Is- 

lande 137 

, islandicusl37.714.780 

„ des  murs 139 

„ parictinus  139.714.730 

Lichenin 139 

Lichenstearinsäure 139 

Lieber’ sehe  Kräuter  . . . . 514 

Liebstöckel  303 

Lignoin 398 

Lignum  benedictum  . . . .326 

„ Guajaci 326 

» Juniperi 3l5 

„ moluccanum  . ...697 

a Panavae 697 

. Picraenae 321 

a Picrasmae 321 

a Quassiaejamaicense321 
„ , surinamense  319 

„ sanctum 326 

, Santali 316.318 

a Sassafras 299 

a vitae 326 

Limonin 566 

Lindenblüthe 554 

Linseed 655 

Liquorice  juice 103 

a root 194.199 

Lobelia 496 

Lobelianin 497 

Lobelin 497 

Lobeliasänrc 497 

Löffelkraut 452 

Lorbeerblätter 526 


744 


Sachregister. 


Pag. 

Lorbeeren  622 

Lörtseh 70 

Lovage  :i03 

Löwenzahn 241 

Lulcao 601 

Lupulin 123 

Lupulinic  grain 123 

Lycoctonin  286 

Lycopodium 121 

M. 

Mace 706 

Maccn 708 

Macis 706 

Macrotin 280 

Madder 191 

Malagetta 699 

Malicoriuui 568 

Mallow  flowers 553 

Mallow  leaves 456 

Malvenblätter 456 

Mandeln 664.  669 

Maniguette 699 

Manna 13 

Mannazucker 15 

Mannit 15 

Maranta -Amylum 709 

Maranta  - s tareb 709 

Marrube 515 

Marrubiin 516 

Marrubium 144 

Marshmallow  leaves  . . . .456 

„ root 188 

Master  wort 310 

Mastichc 64 

Masticin 67 

Mastix 64 

Mastix  von  Bombay  ....  67 

Mater  secalis 129 

Matico 520 

Mauve,  fleurs 553 

Meadow  saffron,  root.. . .180 

Meconin 54 

Mcconium 40 

Mcconsänre 54 

Meerzwiebel 185 

Meisterwurzel  . . . .310.  312 

Meleguctta 700 

Melezitose 18 

Mclilotsäure 533 

Melisse 513 

Melitosc 18 

Mentspcrmin 589 

Mcnthc  crepuc 502 

* poivree 500 

Menthol 502 


Pug. 


Mcnyanthin 

Metamorphin  .... 

53 

Metamylin 

719 

Metastyrol 

86 

Mexican  goosefoot 

525 

Milfoil 

474 

Mismalva 

Mohnkapseln  .... 

589 

Mohnsamen 

643 

Mönchsrhabarber  . 

223 

Morelle  grimpaute 

313 

Morphium 

Moschuswurzel. . . 

307 

Mousse  d’Irlande . 

141 

Mousse  marine  perlte.  . . 141 

Moutarde 

.684.  687 

Mullein  flowers  . . 

536 

Munjistin 

194 

Muscade 

702 

Muscatbalsam .... 

705 

Muscatblüthe.  . . . 

.- 706 

Muscatcamphcr  . . 

705 

Muscatnuss 

702 

Mustard  seed  .... 

.684.  687 

Mutterharz 

25 

Mutterkorn 

129 

Mutterkümmel . . . 

626 

Mutternelkcn  .... 

559 

Mycose 

135 

Myristinsäure .... 

705 

Myristicin 

.705. 708 

Myrobalani 

149 

Myronsäure 

689 

Myrosin 

.685.  690 

Myroxocarpin.  . . . 

89 

Myrrha 

Myrrhol 

N. 

Napellin 

53 

Narcotin 

. .52.  284 

Nardus  gallicus  . . 

297 

Natterwurzel  . . . . 

202 

Nelken 

Nelkenholz 

Nelkenköpfe 

Nelkenpfeffer  . . . . 

Nelkcnsäurc 

558 

Nelkenstiele 

560 

Nepalin 

Neugewiirz 

Nicotianin 

Nicotin 

Nieswurzel 

.270.  274 

Noix  de  galle  . . . . 

P»g. 

Noix  de  mtiscades 702 

„ vomique 675 

Nuces  vomicao 675 

Nucin 527 

Nutgalls 145 

Nutmeg 702 

0. 

Oak  seeds 642 

Ognon  marin 185 

Oleum  Cajcput 93 

„ cadinum 316 

„ infernale 695 

, lauriuum 623 

„ nucistae 705 

„ Rosae 95 

„ Rusci*) 316 

Olibanum 31 

Opiau 52 

Opianin 53 

Opianyl 54 

Opium 40 

Opiumsäurc 54 

Opiumsalz 51 

Orange  leaves  526 

„ peas 597 

„ peel 567 

Orangettes 597 

Oreoselon 312 

Orizabawurzel  . .' 254 

Orizabin 255.  256 

Orris  root 171 

Otto  or  attar  of  roses  95.  97. 

Oxycinchouin 402 

Oxycopaivasäure 82 

P. 

Paku  Kidang 142 

Pale  catechu 114 

Talcae  Cibotii 142 

Palt-Scnua 465 

Paltockin . • .403 

Panaquilon 266 

Pansy 457 

Papaverin 53.  593 

Papaverosin 54.  593 

Pappelkraut 456 

Paprika 603 

Paradieskörncr  699 

Parameuispcrmin 589 

Paramorphin 53 

Paricin 403 

Pnriglin 168 

Parillinsäufc 168 

Parsley  seed  623 


')  Die  übrigen  fetten  und  ätherischen  Ocle  unter  den  betreflenden  Drogen. 


Sachregister. 


745 


P«g- 

Pegn-Catecliu  . . . . 

116 

Pellitory 

289 

Pengawar 

.142.  715 

Pensee  sauvage  . . . 

457 

Pepins  de  coings  . 

659 

Peppermint 

Pepper,  black  . . . . 

a lo»g 

a «d 

603 

„ wliite 

Perlmoos 

Persil  

Perubalsam 

Pcrubalsam-Oel  . . 

Poruvian  hark  v.  Cbina. 

Petersilie 

623 

Petersiliencampher 

Petala  Rosae  .... 

.539.  540 

Petits  grains 

597 

Peucedanin 

Pfeiler,  langer  . . . 

, schwarzer . . 

615 

„ spanischer  . 

603 

„ weisser.... 

700 

Pfefferminze 

Pfeilwurzelstärke  . 

709 

Phaeoretin 

215 

Phellandrie 

Phellandrin  ..... 

630 

Phellandrol 

Phlobapbon 

398 

Pichurim-Samen . . 

Pignons  d’lude  . . . 

.695. 696 

Piltroglykion  .... 

Pikrolichenin  . . . . 

Pikrotoxin 

Pili  Cibotii 

Pimarsäure 

75 

Piment  

561 

Pininsäure  

Pinipikrin 

71 

Piper  aethiopicum 

a alburn  . . . . 

, hispanicum . 

603 

„ japonicum  . 

619 

■ Malagetta  . . 

699 

„ nigrum  . . . 

615 

Piperin 

Pisscnlit 

Pix  burgundica.  . . 

Pockenwurzel. . . . 

Pockholz 

Poisd’Iris,  poisä  cautcres  172 

Pod  pepper  

Poison  nut 

„ oak 

Poivre  blanc 

a l«ng 

a noir 

Poivre  rouge 

P“g- 

.603 

Polygalasäure 

.265 

Polypode  de  ebene 

.154 

Pomegranate , bark  of  tue 

root 

a peel 

.568 

Pomeranzen , unreife  . . 

.597 

Pomeranzenblätter  .... 

.526 

Pomerauzenscbale  .... 

.567 

Poppy  capsules 

.589 

„ petals 

.538 

„ seed  

.643 

Porphyroxin 

. 53 

Pseudomorphin 

Pseudo-Traganth 

. 5 

Pulguera-Nuss 

.695 

Pulpa  Tamarindi 

.570 

Pulu 

.715 

Punicin 

.342 

Purpuriu 

.194 

Pyrfethre 

.289 

Pyrethrin 

.290 

Pyroguajacin 

. 69 

Pyrojaksäure 

. 69 

Pyrrhopin 

.451 

Quassia .121 

Quassiin 325 

Quassit 325 

Queckemvurzel 3 55 

Quendel 508.  510 

Quercin 340 

Quercit 643 

Quina  s.  Cort.  Ckinae. 

Quiuio 404 

Quinium.  404 

Quinquina  v.  China. 

Quince  seeds 659 

Quittensamen 659 


R. 

Racine  (et  rhizGmc,  v.  Radix) . 

„ d’aeonit 281 

„ d'aunee 287 

, de  Cliino  ou  de 

squine 169 

„ d’elleborc  blanc..l59 
» d’ellebore  noir  . . .274 
„ de  fougere  male  . .151 
n de  guimauve  ....  188 
» d’iris  ou  do  violette  171 
a de  liveche  303 


pag- 


Racine  de  307 

„ de  ratanhia 203 

, de  varaire 159 

Radix  (incl.  Rhizoma,  Bul- 
bus et  Tuber) 

„ Aconiti 281 

„ „ racemosi  ...278 

„ Angelicae  305 

, Arnicae 292 

„ Bardanae 226 

„ Belladonnae 267 

„ Bistortae 202 

„ Cahincac 230 

„ Caincae 230 

„ Calahualae 155 

„ Calami 179 

„ Calumbo236.719.721 

„ Cardopatiae 294 

„ Caricis 157 

„ Carlinae  294 

„ Chinae 169.  721 

„ Christophorianae  .278 

„ Cichorii 240 

„ Cimicifugae  .<....280 

„ Colchici 180 

„ Colombo 236 

„ Curcumae 174 

, Cyperi  esculenli.  . 1 65 

„ , longi 164 


„ „ rotundi  ....  164 

„ Ellebori 270.274 

„ Enulae 287.714 

Filicis 151.  7 1 5 

Filiculae  dulcis  . .154 

Fragariae 293 

Galangae I77 

n majoris I78 

Gentianae  ..233.  714 

Ginseng 266 

Glycyrrh.  ecliin..  .I99 

a glabrae I94 

Graminis  . . . 155.  714 

a italici  157 

Helenii 287.  714 

Hellebori  albi.  ...  159 

» nigri 274 

„ viridis 270 

Hirundinariae  . . .298 
Jalapae  ....  249.  721 
Imperatoriae  310.  312 

Inulae 287.  714 

Ipecacuanhae  228.  230 
Ireos  flor. . . .171.  719 

Iridis 171.  719 

Lapathi 224 

Lcvistici 303 

Ligustici 303 

Liquiritiae  hisp.  . .194 
„ rossic 199 


74fi 


Sachregister. 


pag- 

pag. 

Radix  Lopez 

Resina  Guajaci  

. 67 

79 

Matalistae 

.253 

„ Guajaci  peruviana 

79 

Mechoacaunae253.248 

aromatica  .... 

. 70 

Melampodii  . . . . 

.274 

„ Mastix 

. 64 

» 

Munjistae  

.194 

„ Pini  s.  communis 

. 75 

19 

Orizabensis  . . . . 

„ Sandaraca 

. 60 

79 

Ostruthii 

„ tolutana 

. 92 

n 

Pannae 

.154 

Resorcin 24.  28.  30 

r> 

Pimpinellae  .... 

Rhabarber 

99 

„ italica  . . . . 

„ bucharische  219.  224 

7) 

Polygalae  Virgin.  .262 

„ von  Canton  .... 

79 

Polypodii . . . 154.  715 

„ vom  Himalaja . . . 

.221 

79 

Pyrethri  germanici291 

„ russische 

.215 

79 

„ romani . . . . 

.289 

„ von  Taschkend  . 

.219 

79 

Ratanhiae 

.203 

Rhabarberbitter 

.214 

79 

Rhapontici 

Rhabavbersäure 

.214 

79 

Rhei  austriaci . . . 

.223 

Rhabarberstoff 

.214 

79 

„ chinensis  . . 

.219 

Rhamnin 

.601 

79 

„ europaei . . . 

.222 

Rhamuoxanthin 

.430 

79 

, gallici  . . . . 

Rhaponticin 

222 

79 

„ Monachorum  223 

Rhapontik 

79 

„ Moscovitici 

.215 

Rhatany 

79 

, sibirici .... 

.221 

Rhein 

79 

Rubiae 191.  714 

Rhenm 

.209 

79 

Salep  s.  Saleb  . . 

.183 

Rheumin 

.214 

79 

Saponariae.  .259 

714 

Rhizoma  v Radix. 

79 

Sarsaparillae  160.  722 

Rhodeoretin 

.252 

(cf.  Sarsaparilla) 

Rhoeadin 54.  539. 

593 

79 

Sassafras 

.299 

Rhubarbe 

.209 

79 

Scammoniae  . . . 

.244 

, fausse 

.223 

79 

Scillae  s.  Squillae  185 

„ sauvage  

.224 

79 

Seuegae  . . . .262.  714 

Ricinin 

.695 

V 

Serpentariae .... 

.297 

Ricinölsäure 

.694 

79 

Sumbul 

.307 

Ricinsäure 

.694 

79 

Taraxaci 

.241 

Ricinusöl 

.694 

79 

Turpethi 

.256 

Ricinussamen 

.692 

79 

Uncomocomo  . . . 

.154 

Roots  v.  Radix. 

„ Valerianae.. 

295.  297 

„ Veratri  albi  . 

, » nigri  .. 

„ „ viridis  . 

160 

„ Vetiveriae  . . 

164 

„ Zedoariae . . . 

176.  721 

„ Zingiberis.  . . 

172 

Ratanhie 

Ratanhia,  antillische  ...207 

„ brasilianische 

208 

, von  Payta  . . 

203 

„ von  Savanilla 

207 

Ratanhiagerbsäure  . 

Ratanliiaroth 

Ratanhin 

Raute 

Reckholder 

Reckholderbeeren . . 

606 

Red  pepper 

Reglisse 

Resina  Benzoe  . . . . 

61 

„ Elemi 77 


Rose  de  Provins 540 

Rose  tremiere 553 

Roseau  aromatique 179 

Rosemary 506 

Rosenöl 95 

Rosmarin 506 

Rossfenchel 628 

Rosswurzel 294 

Rottierin 112.  127 

Ruberythrinsüure 193 

Rubichlorsäure 193 

Rubiacin 193 

Rubiadin 193 

Rubiadipin 193 

Rubiafin 193 

Rubiagin 193 

Rubian 193 

Rubidehydran 193 

Rubihydran 193 

Rubiretin 193 

Rue 530 


Rumicin 225 


Pag. 

Rüsterrinde 337 

Rutin 531 


S. 


Sabadilla 602 

Sabadillin 603 

Sabadillsamen 602 

Sabine 517 

Safran 533 

Safranin 534 

Saftgrün 601 

Sago 713 

Sain  bois 448 

Salbei 505 

Salepknollen 183 

Salepwurzel 183 

Salivaire 289 

Salscpareille 160 

Salseparin 168 

Sandaraca 60 

Sandelholz  316.  318 

Sanders  wood  ...  .316.  318 

Sandsegge 157 

Sanguinarin 451 

Santalin 318 

Santalsäure 318 

Santonica 544 

Santonin  546.  683 

Sapogenin 260 

Saponaire  259 

Saponarin 261 

Saponin 260 

Saporetin 261 

Sarsaparilla  brasiliensis  . 1 66 

„ Caracas 166 

„ Conta 167 

„ fioretta 166 

„ germanica 169 

„ Gnayra 166 

„ Honduras 165 

„ Jamaica  ...  .165.  166 

„ Lissabon  ...165.  166 

„ Manzanillo 167 

„ Maranham 166 

„ Para 166 

„ red  bearded 166 

„ Vera -Cruz 167 

Sarsaparillwurzcl 160 

Sassafras 299 

Sassafras-Nuss 301 

Sassafrid 300 

Sassafriu 301 

Sassaparill  v.  Sarsaparilla. 

Sassarubin 301 

Sauge,  feuilles 505 

Savanilla-Ratanhia  ....206 

Savine 517 

Savonniere 259 


Sachregister. 


747 


Scammon^e 

Scammoniawurzel  . 

Scammonin 

Scammonium 

Scainmony  root  . . . 

Schafgarbe 

Schierling 

Schierlingsfrucht  . . 

Schöllkraut 

Scille  

pag. 

247 

247 

185 

Scillitin 

187 

Scolopendro 

450 

Scorbutkraut  

Scurvy-grass 

Sea  sedge 

Secale  clavatura  . . . 

129 

„ cornutum  . . . 

135 

Seed,  v.  Fructus  et  Semen. 

Seidelbast 

447 

Seifen  wurzel 

259 

Seigle  crgotü 

129 

Semen,  v.  Fructus. 

Semen  Amygdali  . . 

664.  669 

v Anisi  stellati 

638 

„ Badiaui  . . . . 

638 

„ Cacao 

645 

„ Cannabis  . . 

574 

„ Carvi 

625 

. Cataputiae  . 

692 

„ Cinac 

544 

„ Coccognidii 

„ Colchici . . . 

673 

„ Crotonis... 

... .696 

„ Cydoniae  . . 

659 

,,  Daturae  . . . . 

680 

„ ßrucae 

684.  686 

„ Foeni  graeci 

662 

„ Hyoscyami . 

682 

7>  Ignatii 

678 

„ Lini 

655 

„ Lycopodii . . 

121 

„ Myristicae  . 

„ Papaveris. . 

643 

* Paradisi . . . 

699 

„ Piperis .... 

700 

„ Quercus  . . . 

642 

„ Ricini  .... 

692.  695 

„ Sabadillae  . 

602 

„ Scsami .... 

„ Sinapis  . . . 

684.  687 

„ Stramonii.. 

„ Strychni . . . 

» Tiglii 

„ vomicum  . , 

Semences,  v.  Fructus,  Grana 

et  Semen. 

Semen  - contra  . . . 

Semences  de  chanvre  . . ,574 

Semences  de  cigue 

pag. 
633 

» coings 

659 

„ colchique  . . . 

673 

„ fenugrec  . . . . 

„ jusquiame  . . 

682 

» iin 

655 

„ stramoine . . . 

680 

Senega . . . 

262 

Senegal  - Gummi.  . . 

6 

Senegin 

Senf 

684.  687 

Senföl 

Senna  

463 

„ Aleppo 

470 

» Palt 

465 

Sennacrol 

472 

Sennapikrin 

Sennin 

472 

Serpentary  root . . . 

297 

Serpolet 

Sevenkraut  

517 

Siliqua  dulcis  . . . . 

582 

Siliqua  Vanillae  . . 

607 

Sinapin 

685 

Sinapinsäure  

685 

Sinkalin 

Skulein 

187, 

Smilachiu 

168 

Smilacin 

168 

Soap  wort 

259 

Solanicin 

315 

Solanidin 

314 

Solanin 

314 

Spännkoda 

75 

Sporae  Lycopodii  . 

121 

Squames  de  Scille 

185 

Squill 

185 

Squine 

169 

Star  anise 

638 

Stearophansäure  . , 

589 

Stechapfelblätter  . . 

488 

Stechapfelsamen  . . 

680 

Stechwinden 

Sternanis 

638 

Stiefmütterchen  . . 

457 

Stinkasant 

20 

Stipit.  Caryophyll. 

„ Chirayitae  . , 

481 

„ Dulcamarae  , 

„ Jalapae  . . . , 

Stolones  v.  Radix. 
„ Graminis  . . 

155 

Storax  calamitus  . . 

„ liquidus  seu  liquida  84 

Stramoine,  feuilles 

488 

Stramonin 

Stramonium  loaves, 

488 

„ seeds 

Streupulver 

Pag- 

Strobili  Lupuli 620 

Strychnin 677.  679 

Strychnochrom 428 

Stychnossiiure  . . . .677.  679 

Sturmhutblätter 499 

Sturmhutknollen 281 

Styracin 86 

Styrax  liquidus 84 

„ praeparatus 85 

Styrol 86 

Styron 87 

Suber  quercinum 334 

Suberin 336 

Succory  root 240 

Succus  Aloiis  inspissatus  105 
„ Glycyrrhizae  crnd.  103 

„ Liquiritiae 103 

„ viridis 601 

Süssholz 194.  199 

Süssholzsaft 103 

Süsswurzel 235 

Sumbulamsäure 309 

Sumbulin 310 

Sumbulsäure 309 

Summitates  Absinthii . . .475 

, Cannabis 521 

„ Centaurii 480 

„ Millefolii 474 

„ Sabinae 517 

Surinamin 238 

Sweet  flag  root 179 

Sylvinsäure  . 74 

Synantherin 289 

Synaptase 668 

T. 

Tabac 491 

Taeniin 563 

Tamarindi 570 

Tannmark 295 

Tapiocca 713 

Taraxacerin 244 

Taraxacin 244 

Terebinthina  argentorat. . 76 

„ Briaugon 70 

„ cocta 74 

„ communis 72 

„ laricina 70 

„ de  melfeze 70 

„ veneta 70 

Terpenthinöl 72 

Terre  du  Japon  . . .114.  11G 

Terra  japonica  . . . .114. 116 

„ merita 174 

Tetes  de  pavots 589 

Teufelsdreck 20 

Thallochlor 139 


748 


Sachregister. 


P«g. 

Theba'iu 63 

Thebolactiusäurc 54 

Theobromin 653 

Tbistle,  blessed 478 

Thorn  apple,  leaves.  . . .488 

Thridax 39 

Tbns 31 

Tbym 508 

Thymen 510 

Thymian 508.  510 

Thymol 509.  626 

Tillenl,  flenrs 554 

Tobacco  491 

Tolcn 92 

Tolubalsam 92 

Toluol 93 

Tollkraut 490 

Toncobohnen 532 

Toxicodendronsäurc  . . . .462 

Tragacantha 7.716 

Traganthin 12 

Traganton 11 

Trufte  de  marais 482 

Treliala 18 

Trebalose  18 

Tropin 269 

Tuber  Aconiti 281 

„ chinac 169 

„ ColcbicilSO.  719.  722 

„ Jalapae 248 

„ Salep 183 

Tuberidium  Orchidis  . . .183 

Tuggkoda 75 

Turbith 256 

Turmeric 174 

Turpentine  72 


P»g. 

Turpentine  of  Yenice  . 

. . 70 

Turpeth 

. .256 

Turpetbin 

. . 258 

Tyrosin 

. .206 

u. 


Ulmenrinde 337 

Ulmin 338 


Umbelliferou. . .27.  310.  448 


V. 


Valeriane 

Valerol  

297 

Valonea.Velani.Vclancda  148 

Vanilla 

607 

Veilcheuwurzel. . . . 

171 

Vendiam 

662 

Verantiu.  

Veratrin 

603.  160 

Veratrumsäure  . . . . 

603 

Virgiusäure 

265 

W. 

Wacbholderbeeren  . 

606 

Wachholderholz  . . 

315 

Waluussblättor.  . . . 

527 

Walnut  tree,  leaves 

527 

Wand  Hechte 

Waras 

125 

Wasserfenchel  . . . . 

628 

Water  hemlock  . . . 

628 

Wegwartwurzel  . . . 

240 

Weihrauch 

Wcisse  Nieswurzel . 

159 

Wermut 

P»g. 

White  ellebore 

. . 159 

r.  pepper 

. .700 

Wittneben’sches  Oel . . 

..  95 

Wohlverlei  

..292 

Wohlverleiblumen  . . . 

. .548 

Wolfszahn 

. . 129 

Wollblumcn 

Wormseed 

. .544 

Wormwood 

. .475 

Wurmfarn 

. .151 

Wurmsamen 

. .544 

Wurtis 

. .125 

X. 

Xanthin  ....... 

Xanlhopikrit  . . . 

239 

Xanthorhamniu  . 

Xanthoxyliu  . . . . 

239 

Y. 

Ysop 

Z. 

Zarnubum 

176 

Zarzaparillac  . . . 

160 

Zarza 

Zedoary  root  . . . . 

Zedoaire 

Zeiland 

Zeitlosensame . . . 

673 

Zeitlosenzwiebel . 

180 

Zimmt 

. 446.  439 

Zimmtsliure  .... 

■ Zitwersamen .... 

544 

Zizypha 

r 

«X^CXX 


Ruckdruckerei  von  Gustav  Lnnge  in  Berlin,  Friedrichsstrassr  103.