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X' jCiSs-c.
7°*°3
BENJAMIN FRANKLIN'S
JUGEND JAHRE,
' . "
von ihm felbft
für feinen Sohn befchrieben
t
und überfetzt
von
Gottfried Augufl Bürger.
Berlin, 1792.
Bey Heinrich Auguft Rottmann.
J
(
«
»
Benjamin Franklin’s
Jugendjahre.
Mein lieber Sohn,
Ich habe mir das Vergnügen gemacht,
einige kleine Anecdoten von unferer Fa*
miiie zu fammeln. Du wirft dich wohl
noch der Nachforfchungen erinnern, die
ich unter den mir noch übrigen Verwand-
ten, als wir zulammen in England wa*
ren , anftellte , fo wie auch der Reife die
ich deshalb unternahm. Vermuthlich ift
es dir eben fo angenehm, als mir, alle
Uinftände meiner Herkunft und meine#
Lebens zu kennen, von welchen dir ein
A 2
4 Benjamin Franklin’s
grofser Theil noch unbekannt ift. Ich
will fie für dich niederfchreiben; und
die ungeftörte Mufse einer Woche dar-
auf verwenden, welche mir mein gegen-
wärtiger Aufenthalt auf dem Lande ver-
fpricht. Aufserdern werde ich auch noch
durch andere ziemlich triftige Gründe
dazu veranlafst. Aus dem Schoofse der
Armuth und der Dunkelheit, worin ich
i
geboren wurde, und die Jahre meiner
Jugend verlebte, llieg ich in einen Zu-
ftand des Ueberflufles, und auf eine ziem-
lich hohe Stufe des Ruhmes in der Welt
empor. Das Glück blieb bis in mein ho-
hes Alter mein unzertrennlicher Beglei-
ter. Vielleicht wünfchen meine Nach-
kommen die Mittel zu wißen, die ich an-
wandte, und weiche, Dank fey der hel-
fenden Vorfehung, fo gut anfchlugen.
Sie können ihnen einigen Nutzen gewah-
ren, wenn fie fich jemals in ähnlichen
Lagen befinden füllten.
Diefes Glück, wenn ich, wie öfters
gefchah, darüber nachdachte, veranlafste
5
Jugendjahre.
mich bisweilen zu fagen: wenn es mir
angeboten würde , fo wollte ich wohl
eben diefelbe Lebensbahn noch einmal
von einem Ende bis zum andern durch-
laufen. Ich würde mir nur das Recht
der Schriftfteller ausbedingen, bey einer
neuen Ausgabe ihrer Werke die Fehler
der erften zu verb eifern. Allenfalls möch-
te ich auch wohl einige kleine Zufälle
und Begebenheiten meines Lebens gegen
grindigere vertaufchen. Indeflen wenil
mir auch diefer Punct verweigert würde,
fo wäre ich nichts defto weniger bereit,
wieder von vorn anzufangen. Weil man
nun aber das Leben felbft nicht wieder-
holen kann, fo mufs man diun, was die-
fem am nächften kommt; man mufs fei-
ne Begebenheiten ins Gedächtnifs zu-
rückrufen, und damit das Andenken cle-
flo dauerhafter fey, diefelben nieder-
fchreiben. Bey diefem Gefchäfte werde
ich dem natürlichen Hange der Greife,
von fich felbft und ihren eigenen Hand-
lungen zu reden, nachgeben, und mich
6 Benjamin Franklin’s
diefem um fo williger überlaflen, je we-
niger ich dadurch denen befchwerlich
falle, die fich etwa aus Ehrfurcht für
mein Alter verpflichtet halten könnten,
mich anzuhören. Denn zu lefen brau-
chen fle mich doch nicht, wenn fle nicht
felbft wollen. Endlich gefchieht dadurch
auch meiner Eitelkeit vielleicht Genüge,
welches ich lieber freywillig bekenne, da
mir, wenn ich es leugnete, doch Nie-
mand glauben würde. Denn fall nie hör-
te oder las ich die Einleitungs -Phrafen :
Ohne Eitelkeit kann ich Jagen u. f. w. ohne
dafs irgend ein Zug der entfchiedenflen
Eitelkeit unmittelbar nachgefolgt wäre.
Die meiften Menfchen hallen die Ei-
telkeit an Andern, fo viel ihnen auch
immer felbft davon zu Theile geworden
feyn mag. Was aber mich beüift, fo
ift fle mir überall willkommen, wo ich
fle finde, weil ich überzeugt bin, dafs
fle fo wohl ihrem Befitzer als auch de-
nen vortheilhaft ift, welche fleh in fei-
nem Wirkungskreife befinden. Es würde
Jugendjahre. 7
daher in gar manchen Fällen eben nicht
widerfinnig feyn, wenn ein Menfch fei-
ne Eitelkeit zu den übrigen Annehm-
lichkeiten feines Eebens mitzählte, und
der Vorfehung Dank dafür fagte.
Hier ift der Ort, wo ich in aller De-
muth bekennen mufs, dafs ich eben die-
fer göttlichen Vorfehung das Glück ver-
danke, welches ich bis hieher genoffen
habe. Sie allein hat mir die Mittel dar-
geboten, welche ich angewendet habe,
und hat he mir gelingen Iahen. Mein
Glaube in diefem Stücke läfst mich we-
nigftens hoffen, wenn ich auch nicht mit
Gewifsheit darauf rechnen kann , dafs
der Himmel feine Güte auch noch fer-
ner an mir beweifen werde, entweder
dadurch, dafs er die Dauer meines Glü-
ckes bis an das Ziel meines Eebens er-
flrecket, oder dafs er mir Kraft genug
giebt, einen harten ITmfchlag deffelben
zu ertragen, dc-n ich eben fo leicht, als
viele Andere, erfahren kann. Mein zu-
künftiges Glück kennt nur derjenige,
8 Benjamin Franklin'*
deflen Hand unfer Schickfal lenkt, und
welcher felbft unfere Drangfale zu un-
ferm weit gröfsern Wohlfeyn dienen laf-
fen kann.
Einer meiner Oheime, beflHTen wie
ich, Familien- Anecdoten zu fammeln,
gab mir einige Papiere , woraus ich meh-
rere Umflände entlehnt habe, die unfere
Vorfahren betreffen. Ich habe daraus
erfelien, dafs fie feit wenigftens drey-
hundert Jahren in einem und ebendem-
felben Dorfe, Eaton in Northampton-
fhire , auf einem Freygute von ungefälir
dreyfsig Morgen Landes gelebt haben.
Mein Oheim hatte nicht ausfindig ma-
f
ehen können, wie lange fie fchon vor
diefer Zeit dafelbft 'zugebracht haben
mochten. Sie wohnten hier vielleicht
fchon feit der Zeit, da fie, nach der
Weife anderer Bürger durch das ganze
Königreich, die fich befhindige Namen
beylegten, den Familien -Namen Frank-
lin annahmen, der vorher Perfonen ei-
ner gewiflen Claffe bezeichnete.
Jugendjahre. g
’ Diefes kleine Eigenthum würde zu
ihrem Unterhalte nicht hinreichend ge-
wefen feyn, wenn nicht bis auf feine
Zeiten das Schmiedehandwerk in der Fa-
milie hergebracht gewefen wäre , in wel-
chem befländig der ältefte Sohn unter-
richtetwurde. Diefe Gewohnheit befolg-
ten Er und mein Vater ebenfalls in An-
fehung ilirer älteflen Söhne:
Die Unterfuchungen, die ich zu Ea-
ton anftellte, ergaben in Anfehung ih-
rer Geburten, Heirathen und Sterbefälle
keine befondere Auskunft, als erft feit
dem Jahre 1555, 'weil das Kirchenregi-
llei dafelbfl nicht über diefen Zeitpunct
hinausgeht. Aus diefem Regifter erfah
ich, dafs ich durch fünf Zeugungen hin-
auf immer der jüngfte Sohn des jiing-
flen Sohnes war. Mein Grofsvater Tho-
mas, geboren 1598, lebte zu Eaton, bis
er zu alt wurde , fein Handwerk fortzu-
fetzen, da er fich denn nach Banbun* in
Oxfordfhire zu feinem Sohn Johann, ei-
nem Färber, begab, bey rvelchem meiu
io Benjamin Franklin’ s
Vater in der Lehre ftand. Mein Ur-
grofsvater ftarb dafelbft, und ward auch
da begraben. Wir fahen J758 fein Denk-
mal. Sein ältefter Sohn , Thomas , blieb
in dem väterlichen Haufe zu Eaton, und
hinterliefs diefes, famt der Länderey,
feiner einzigen Tochter, welche felbiges
nachher mit Beyftimmung ihres Eheman-
nes Herrn Fifchers von Wallingborongh ,
an Herrn Eßed, gegenwärtigen Eigen-
tümer des Scliloifes zu Eaton , ver-
kaufte.
Mein Urgrofsvater .hinterliefs vier le-
bende Söhne,' nehmlich Thomas, Jo-
hann, JSenjamin und Sofias. Ich will dir
von ihnen fo viel mittheilen, als mein
Gedächtnifs mir darbietet; denn ich ha-
be meine Papiere nicht bey der Hand,
in welchen du umftändlichere Nachrich-
ten finden wirft, wenn fie anders wäh-
rend meiner Abwefenheit nicht verloren
gegangen find.
Thomas hatte das Schmiedehandwerk
von feinem Vater erlernet. Da er aber
Jugendjahre, 1 1
von Natur viel Geiftesgaben befafs, fo
bildete er diefe auf Antrieb des Herrn
Palmer Efq., vornehmflen Einwohners
des Kirchfprengels, durch Studien aus.
Eben diefer munterte auch meine übri-
gen Oheime auf, etwas zu lernen. Tho-
mas brachte es auf diefe Axt fo weit,
dafs er mit Notariatsgefchäften umgehen
konnte; wurde bald ein fehr nothwendi-
ger Mann in den Angelegenheiten der
Provinz, und eine der vofnehmften
Triebfedern aller öffentlichen Unterneh-
mungen, fo wohl der Graffchaft und
Stadt Northampton, als auch feiner Ge-
meinheit. Man erzählte uns zu Eaton
manchen merkwürdigen Zug von ihm.
Ungemein geachtet und begünftigt von
dem Lord Hallifax Harb er am 6 Jänner
1702> gerade vier Jahre vor meiner Ge-
burt. Das, was uns einige alte Perfo-
nen im Dorfe von feinem Leben und
Charakter erzählten, war, wenn ich mich
recht erinnere, wegen der aufserordent-
lichen Aehnlichkeit mit dem, was du
12
Benjamin Franklin’s
von mir felbfl wufstefi: , dir fo auffallend,
dafs du noch fagtefl: Wenn er vier Jah-
re fpäter gefhorben wäre, fo möchte man
eine vorgegangene Seelenwanderung an-
nehmen. \
Johann wurde, wie ich glaube, zum
Handwerk eines W ollenfärbers erzogen.
Bznjamin lernte in London die Sei-
denfärberey; und war ein fehr betrieb-
famer Menfch. Ich erinnere, mich fei-
ner noch fehl* wohl: denn er kam, wäh-
rend meiner Kindheit, zu meinem Va-
ter nach Boßon, und lebte eine Zeit
lang bey uns im Haufe. Er und mein
Vater trugen eine befondere Zuneigung
zu einander, und er war mein Taufpa-
the. Er brachte es zu einem hohen Al-
ter; und hinterliefs handfchrifdich zwey
Quartbände feiner Poefien, behebend
aus kleinen flüchtigen Stücken, die an
feine Freunde gerichtet waren. Eine
Art von Schriftverkürzung, die er für
lieh erfunden hatte, brachte er auch mir
bey; da ich mich aber derfelben nie-
Jugendjahre. . 13
mals bedienet, fo habe ich fie nun wie-
der vergehen. Er war fehr fromm, und
befuchte fleifsig die Predigten der bellen
Kanzelredner , die er nach feiner Schnel-
ligkeits-Methode fehr gern nachzufchrei-
ben pflegte. Er hat davon mehrere Bän-
de gefammelt. Auch war er ein grofser
und für feine Lage vielleicht allzu grof-
fer Liebhaber der Politik. Ich fand letzt-
hin zu London von ihm eine Sammlung
von Blättern, welche die öffentlichen An-
gelegenheiten vom Jahr 164J an bis 1717
betrafen. So viel üch aber aus der Zah-
lenreihe abnehmen läfst, fo fehlen meh-
rere Bände, wiewolil noch acht Bände
in Folio, und vier und zwanzig in Quart
und Octav übrig find. Diefe Sammlung
war in die Hände eines Antiquars ge-
fallen, welcher mir fie brachte, weil er
wufste , dafs ich Bücher von ihm gekauft
hatte. E$ fcheinet, dafs mein Oheim fie
zurückgelaffen hatte, als er ungefähr vor
fünfzig Jahren nach America gegangen
war. Ich habe darin viele Anmerkungen
14 Benjamin Franklin’s
von feiner Hand ain Rande gefunden.
Sein Enkel, Samuel Franklin, lebt gegen-
wärtig noch zu Bußon.
Unfere geringe Familie hatte fchon
fehr früh die Reformation angenom-
men. Auch während Mariens Regie-
rung blieben unfere Väter derfelben mit
Treue zugethan , und geriethen damals
wegen ihres Eifers gegen das Pabftthum
in Gefahr, beunruhigt zu werden. Sie
befafsen eine englifche Bibel. Diefe zu
verbergen und in Sicherheit zu bringen,
hatten fie den Einfall, felbige ganz aufge-
fchlägen unter dem Deckel eines Nacht-
ftuhls mit Schnüren zu befeftigen. Wenn
nun mein Aelterväter feiner Familie et-
was daraus vorlefen wollte, fo wendete
er den Deckel auf feinen Rnieen um.
und ichlug die Blätter auf, welche durch
die Schnüre zufämmengeh alten wurden.
Eines feiner Kinder f and Wache an der
Thür, um Nachricht zu geben, wenn
ein Diener des geifllichen Gerichts fielt
feiten liefse. In diefem Falle wurde der
Jugendjahre. 15
\
Deckel fogleich wieder gehörig auf fei-
nen Nachtftuhl geftiilpt, und die Bibel
blieb darunter wie vorher verborgen.
o
Ich habe diefe Anecdote von meinem
Oheim Benjamin.
Bis gegen das Ende der Regierung
Carls des zweyten blieb die ganze Fa-
milie der englifchen Kirche zugethan.
Als aber um diefe Zeit einige Prediger
als Nonconformiften abgefetzt ' wurden ,
und Zufammenkünfte in Northampton-
ßiire hielten, fo gefeilten fach Benjamin
und Joßas unzertrennlich zu ihnen. Die
übrigen Mitglieder der Familie blieben
Anhänger der bifchöflichen Kirche.
IVIein Vater Jujius hatte lieh fehr jung
verheirathet. Um das Jahr 1632 führte
er feine Gattin famt drey Kindern nach
Neu -England. Denn als damals die Zu-
fammenkünfte durch das Gefetz verbo-
ten und öfters beunruhigt wurden, fo be-
fchlolfen verfchiedene angefehene Perfo*
nen von feiner Bekanntfchaft nach Ame-
rika überzugehen, wofelbft fie fach eine
^ . J
16 Benjamin Franklin’ s
freyere Religionsübun’g verfprachen, und
bewegten ihn , fie zu begleiten.
Meinem Vater wurden in America
von ebenderfelben Frau, noch vier Kin-
der, von einer zweyten aber noch zehn
andere, mithin in allem üebenzehn ge-
boren. Ich erinnere mich deren drey-
zehn rund um den Tifch gefehen zu ha-
ben, die alle mannbar wurden und fich
verheiratheten. Ich war der letzte Sohn
und, zwey Töchter ausgenommen, das
jüngfte Kind. Ich wurde zu Boßon in
Neu -England geboren. Meine Mutter,
die ZAveyte Gattin, war Abia Folger, eine
Tochter Peter Folgers, eines der edlen
Anbauer von Neu-England, deflien Cot-
ton Mather in feiner Kirchengefchiclue
von cliefer Provinz eine ehrenvolle Mel-
dung thut, indem er ihn, wenn ich mich
anders feiner Ausdrücke recht erinnere,
einen frommen und gelehrten Engländer
nennet. Vom Hörenfagen weife ich,
dafe er verfchiedene kleine Aulfätze ge-
fchrieben hat, wovon aber nur ein ein-
ziger
* •
)
Jugendjahre. 17
ziger gedruckt worden ift. Ich habe ihn
fchon vor mehrern Jahren einmal gefe-
hen. Er fclirieb ilin um das Jahr 1675,
und zwar in gemeinen Verfen, nach
dem Gefchmacke feines Zeitalters und
feines L'andes. Er redet darin diejeni-
gen an, welche damals am Ruder fafsen;
und fpricht fo wohl überhaupt für. die
Freyheit des Gewifiens, als befonders zu
Gunften der Anabaptiften, Quaker und
anderer Secten Anhänger, welche ver-
folgt worden waren. Diefen Verfolgun-
gen fchreibt er die Kriege mit den Ein-
gebornen, und andere Drangfale zu,
welche das Land drückten, indem er fie
als Strafgerichte Gottes über fo verhafste
Beleidigungen anfieht; und ermahnt die
Regierung, diefe der chriftlichen Liebe
fo fehr widerfprechenden G efetze abzu-
fchaflen. Diefes Stück fchien mir mit
einer männlichen Freymüthigkeit und
befcheidenen Einfalt abgefafst zu feyn.
Ich erinnere mich noch der fechs letz-
ten Verfe der Schlufsßanze. Die zwev 1
lg Benjamin Franklin’s
erden habe ich zwar vergehen , allein der
Sinn derfelben war, dafs ihm das Wolil-
wollen diefen Tadel eingegeben, und
dafs et alfo als V erf aher hat bekannt feyn
wo.llen. Ich hälfe, fagt er, von ganzem
Herzen die Verftellung, und fchliefst:
Zu Sherburne *) wohn’ ich jetzt und
fchreibe,
Dafs ich flets euer wahrer Freund,
Der’s ganz und gar nicht böfe meint,
Mit Namen Peter Folger bleibe.
Meine Brüder wurden alle zu verr
fchiedenen Handwerkern in die Lehre ge-
than; ich aber kam, in einem Alter von
acht Jahren , in eine öffentliche Schulan-.
Halt ( College). Mein Vater beftimmte
mich der Kirche, und fah mich fchon
für den Almofenpfleger der Familie an.
Die Fertigkeit, mit welcher ich in mei-
net frühften Kindheit lefen gelernt hatte
(denn ich erinnere mich wirklich nicht
mehr der Zeit, da ich noch nicht hätte le*
*) Fäac Stadt auf der lufel Nantucket.
*9
Jugendjahre.
fen können) , und die Beyftimmung aller
feiner Freunde, die ihm verficherten,
dafs ich ganz gewifs ein Gelehrter wer-
den würde, beftärkten ihn in diefem Vor-
haben. Mein Oheim Benjamin billigte
diefes ebenfalls, und verfprach , mir alle
feine Predigtbücher zu fchenken, welche
in den oben erwähnten von ihm erfunde-
nen Schriftzeichen gefchrieben waren,
wenn ich mir nur die Mühe geben wollte,
felbige zu erlernen.
Ich blieb indeflen noch nicht völlig
ein Jahr in cliefer Anhalt, ob ich gleich
in diefer kurzen Zeit nach und nach aus
der Mitte einer JahresclalTe bis an die
Spitze eben derfelben , und von da in die
Claffe unmittelbar über derfelben rückte,
aus welcher ich am Schluffe des Jahres
in die folgende übergehen follte. Allein
mein Vater, beläftigt mit einer zahlrei-
chen Familie, fah fich nicht im Stande,
die Koften der Erziehung in einer folchen
Schulanftalt ohne feine Befchwerde zu be-
ftreiten. Da er übrigens erwagte, und
B 2
■20 Benjamin Franklin’s
diefs auch gegen feine Freunde in mei-
ner Gegenwart äufserte, wie wenig Hülfs-
quellen fich einem auf folche Art erzoge-
nen Kinde auf diefer Laufbahn darböten,
fo gab er feinen erften Vorfätz auf, nahm
mich aus dem Collegio zurück, und
fchickte mich in eine Schreib- und Re-
chenfchule, welche Herr Georg Browneil
hielt. Diefer war ein gefchickter Lehrer,
dem der Unterricht in feinem Fache mei-
ftentheils überaus wohl gelang , indem er
immer die angenehmflen und fchicklich-
flen Mittel anwandte , feine Lehrlinge zu
ermuntern. Unter ihm lernte ich bald gar
fchön fchreiben; fcheiterte aber an der
Rechenkunft, und machte darin nicht
den mindeften Fortfcliritt.
Als ich zehn Jahr alt war, wurde ich
wieder nach Haufe geholt, um meinem
Vater in feinem Gewerbe zu helfen.
Diefs beftand in Lichter ziehen und Sei-
fe fieden. Denn ob er gleich diefe Hand-
werke nicht förmlich gelernt hatte, fo er-
griff er fre doch nach feiner Airkunft in
Jugendjahre. s l
Neu-England, weil erfand, dafs die Fär-
berey zu wenig im Gange war, um die
Nothdurft für die Erziehung feiner Fa-
milie abzuwerfen. Ich wurde daher nun
angeftellt, Tachte zu den Lichten zu
fclineiden, die Formen anzufüllen, den
Laden zu hüten, als Bote zu laufen, und
was dergleichen mehr war.
Diefs Gefchäft mifsfiel mir, und ich
hatte eine harke Neigung zur Schifier-
kunde, wowider fich aber mein Vater er-
klärte. Gleichwohl gab mir die Nachbgr-
fchaft des Wafiers Gelegenheit, mich fehr
oft fo wohl hinein, als darauf zu wagen.
Ich lernte fehr früh fchwimmen und ein
Fahrzeug führen. Wenn ich mich mit
andern Kindern eingefchifft hatte, fo ver-
trauete man mir gemeiniglich, und be-
fonders in fchwierigen Fällen, das Steuer-
ruder an. Bey jeder andern Gelegenheit
war ich faft immer derjenige, der den
Haufen anführte, und ihn auch bisweilen
in Verlegenheiten verwickelte. Ich will
dir davon ein Beyfpiel erzählen, das eine
*2 2 Benjamin Franklin’s
frühe Geiftes -Anlage zu öffentlichen Un-
ternehmungen verrath, obgleich diefe
eben nicht durch Gerechtigkeit geleitet
wurde.
Ein Mühlenbehält;er ftiefs auf einer
Seite an einen Salzteich , an deffen Stran-
de wir zur Zeit der Fluth kleine Fifche
%
zu fangen pflegten. Durch unfere häu-
figen Fufstritte war es darauf fehr kotliig
geworden. Mein Vorfchlag war dalier,
hier ein Steinpflaller anzulegen, worauf
wir trocknen und feilen Fufses einhertre-
ten könnten. Ich zeigte meinen Spielge-
fellen einen grofsen Haufen Steine, die
zwar zu einem neuen Haufe unweit des
Salzteiches beflimmt, aber auch zu un-
ferm Zwecke fehr brauchbar waren. Ei-
nes Abends, als die Arbeitsleute fich ent-
fernt hatten, brachte ich eine Anzahl
meiner Gefellen zufammen, und, indem
wir fo fleifsig wie die Ameifen arbeite-
ten, und an manchem Steine zu dreyen
fchleppten, trugen wir fie alle von dan-
nen, und brachten unfern kleinen Stein-
Jugendjahre. 23
dämm zu Stande. Am nächben Morgen
wufsten die Arbeitsleute nicht, wie ih-
nen gefchah, da fie ihre Steine nicht mehr
fanden, die alle nach unferer Ghauflee
gewandert waren. Man forfchte nach den
Urhebern; wir wurden entdeckt; man be-
klagte fich darüber ; mehrere von uns er-
fuhren eine Züchtigung von ihren El-
tern; und ob ich mich gleich auf den Nu-
tzen diefes Werkes berief, fo bewies mir
doch mein Vater, dafs dasjenige, was
nicht mit der Rechtfchaffenheit bebe»
he, auch nicht wahrhaftig nützlich feyn
könne.
Vielleicht intereflirt es dich zu wiffen,
was für ein Mann mein Vater war. Er
War von vortrefliclier Leibesbefchaffen-
heit, von Mittelgröfse, wohlgebildet, auf-
/
ferordendich bark und gewandt in allem,
was er unternahm. Er zeichnete ganz ar-
tig; verband ein wenig Mufik; feine
Stimme war tönend und angenehm; fo
dafs, wenn er die Pfalmen fang, ünd da-
zu die Violine brich, welches er hiswei»
24 Benjamin Franklin’s
len nach vollbrachtem Tagewerke des
Abends that, es eine wahre Luft war,
ilim zuzuhören. Auch war er in der Me-
chanik bewandert, und wufste fich im
Falle der Noth auch der Werkzeuge an-
derer Handwerker gefchickt zu bedienen.
Das Vorzüglichfte aber an ihm war ein
gefunder Verftand , und eine richtige Ur-
theilskraft im Fache der Weltklugheit bey
öffentlichen fo wohl als Privat - Angele-
genheiten des Lebens. Mat jenen gab er
lieh zwar eigentlich nicht ab, weil die
zahlreiche Familie, die er zu erziehen
batte, und fein geringes Vermögen, ihn
unabläffig an fein Gewerbe feffelten; al-
lein ich erinnere mich doch fehr Avohl,
dafs die Vorgefetzten ihm nicht feiten zu-
fprachen, ihn um feine Meinung in An-
gelegenheiten fo wohl der Stadt, als auch
der Kirche, welcher er zugethan war, be-
fragten, und dafs fein Urtheil und fein
Rath ungemein viel bey ihnen galten.
Privatleute berathfclilagten fich ebenfalls
fehr viel mit ihm in fchwierigen Fallen
Jugendjahre. 25
über ihre Angelegenheiten, und nicht
feiten wählten ihn breitende Parteyen zu
ihrem Schiedsrichter.
So oft es anging, hatte er gern einige
Freunde, oder aufgeklärte Nachbarn, mit
welchen er fich unterhalten konnte , bey
ficli zu Fifche. Er fuchte dabey immer
die Unterredung a^f.finnreiche und nütz-
liche Gegenftände zu lenken, die zur
Bildung des Geiftes feiner Kinder etwas
beytragen konnten. Solchergeftalt lenkte
.er unfere Aufmerkfamkeit auf*das, was
gut, gerecht, klug und nützlich im Le-
benswandel ift. Niemals war die Rede
von Gerichten, die auf dem Tifche er-
fchienen; nie fetzte man auseinander, ob
fie wohl oder übel zubereitet, ob he das
Neue vom Jahre oder nicht, ob fie von
gutem oder fchlechtem Gefchmacke, ob
fie diefem oder jenem Dinge von eben
der Art vorzuziehen, oder nachzufetzen
wären. Auf diefe Weife von meiner
Kindheit an zur vollkommenften Unacht
famkeit in Anfehung diefer Gegenftände
2 6 Benjamin Franklin’s
gewohnt, iß es mir von je her völlig
gleiphgültig gewefen, was für Gerichte
vor mir ftünden, und noch gegenwärtig
gebe ich fo wenig darauf Acht, dafs es
mir wenige Stunden nach der Mahlzeit
fehr fchwer feyn würde, zu fagen, aus
was für Gerichten fie behänden habe.
Die Vortheile cliefer Angewohnheit habe
ich befonders auf Reifen erfahren. Denn
nicht feiten habe ich mich mit Perfonen
zufammen gefunden, die mit ihrem mehr
an Leckereyen gewöhnten Gefchmacke in
gar manchen Fällen fich fehr übel befan-
den , wo mir nicht das mindeße zu wün-
l'chen übrig blieb.
Auch meine Mutter war am Leibe
vollkommen wohl befchaffen. Sie hat
alle ihre zehn Kinder gefäuget, und nie-
mals habe ich fo wenig an ihr als an mei-
nem Vater eine andere Krankheit wahr-
genommen, als diejenige, woran beyde,
jene 85 und diefer 87 Jahr -alt, verßar-
ben. Sie liegen beyfammen in Boßon
begraben, wo ich ihnen vor einigen Jah-
Jugendjahre. sjr
ren einen Marmorftein mit diefer Infchrift
errichtet habe:
Hier ruhen
Josias Franklin undAßiAS fein Weib.
Liebend lebten Ae 59 Jahre beyfammen,
und ohne liegende Güter, ohne ein
gewinnreiches Gewerbe, nur durch
rafllofe Arbeit und rühmliche Betrieb-
famkeit, gefegnet vom Himmel, un-
terhielten lie ftandesmafsig eine zahl-
reiche Familie, und erzogen glücklich
dreyzehn Kinder und heben Enkel.
Lefer, diefes Beyfpiel ermuntere dich,
die Pflichten deines Berufes fleifsig zu
erfüllen, und auf die Unterflützung
der Vorfleht zu rechnen.
Er war fromm und klug ;
Sie befcheiden und tugendhaft.
Ihr jüngfter Sohn erfüllte feine kindli-
che Pflicht, indem er ihrem Anden-
ken diefen Stein weihte.
Ich erfehe aus meinen weiten Ab-
fchweifungen, dafs ich alt werde. Ehe-
2 8 Benjamin Franklin’s
mals fchrieb ich mit mehr Methode.
Aber man kleidet fich auch nicht für
eine Privatzufammenkunft, wie für einen
Prachtball. Diefs ift jedoch vielleicht gar
Nachteiligkeit.
Um wieder auf mich felbft zurückzu-
kommen, fo beharrte ich bey dem Ge-
werbe meines Vaters zwey Jahre hin-
durch, bis ich nehmlich zwölf Jahre alt
war. Um diefe Zeit verliefs mein Bru-
der Johann, der eben diefes Handwerk
erlernet hatte, meinen Vater, verheira-
thete und fetzte fich auf Rhod- Island auf
eigene Rechnung. Allem Anfehn nach
war ich nunmehr beftiinmt, feine Stelle
zu erfetzen , und lebenslang ein Lichtzie-
her zu bleiben. Aber mein Widerwille
gegen diefes Gefchäft hielt an, und liefs
meinen Vater, wenn er mir nicht ein an-
genehmeres daxböte, billig befürchten,
dafs ich ihm entwifchen und zu Voller
gehen möchte, wie es fchon zu feinem
grofsen Mifsvergnügen mein Bruder Jo-
ßas gemacht hatte. Daher führte er mich
Jugendjahre. Qg
bisweilen zu den Werkftätten der Mau-
rer, der Tifchler, der Fafsbinder, der
Kupferfchmiede u. f. w., um meinen Ge-
fchraack puszuforfchen , und mich zur
Wahl irgend eines Handwerkes zu be-
flimmen, welches mich auf dem Lande
zurückhielte. Es hat mir feitdem immer
viel Vergnügen gemacht* gute Hand-
werksleute ihre Werkzeuge handhaben
zu fehen, und es ift mir ungemein nütz-
lich gewefen , dadurch fo viel gelernt zu
haben, um allerley Kleinigkeiten felbft
verfertigen zu können , wenn nicht gleieh
ein Künffler bey der Hand war. Ich habe
auf diefe Weife allerley kleine Mafchie-
nen zu meinen Verfuchen gerade als-
dann zufammengefetzt, wenn meine Auf,
merkfamkeit noch gefpannt war, und der
Zweck, den ich mir vorgefetzt hatte,
noch' recht lebhaft meinem Geilte von
fchwebte.
Endlich wurde mein Vater mit fich
eins , dafs ich ein Melferfchmidt werden
folite. Zum-Verfuche fchickte er mich
3» Benjamin Franklins
auf einige Tage zu Samuel, dem Sohne
meines Oheims Ben jamin, der diefes
Handwerk in London erlernt, und fich
fo eben zu Boßon niedergelaflen hatte.
Da aber das Lehrgeld, welches er foderte,
meinem Vater nicht anhand, fo wurde
ich wieder nach Haufe gerufen.
Schon von Kindesbeinen an war ich
auf das Bücheriefen heftig geheuert ge-
wefen, und hatte das wenige Geld, def-
fen ich habhaft werden konnte , auf Bü-
cher verwendet. Vorzüglich liebte ich
Reifebefchreibungen, und die Samm-
lung von Bunyan, in kleinen einzelnen
Bänden war das erhe, zu delfen Belitz
ich gelangte. Ich verkaufte he hernach
wieder, um mir die liihorifchen Samm-
lungen des R. Burion anfchaffen zu kön-
nen. Diefe behänden aus kleinen Bän-
den, die nicht viel koheten, und deren
überhaupt vierzig oder fünfzig feyn
mochten.
Die kleine Bibliothek meines Vaters
behänd vornehmlich aus theologifch-po-
Jugendjahre. 3 1
lemifchen und practifchen Schriften. Ich
las fie gröfstentheils durch. Nicht feiten
habe ich es in der Folge bedauert, dafs
in einer Zeit, da ich eine fo grofse Lern,
begierde hatte , nicht zweckmafsigere
Schriften in meine Hände gefallen waren,
weil es damals fchon entfchieden war,
dafs ich kein Geilllicher werden follte.
Indeflen befanden fich doch die Lebens-
befchreibungen des Plutarch darunter,
die ich fehr fleifsig las. Die Zeit, welche
ich ihnen widmete, halte ich noch jetzt
für nützlich angewendet. Aufserdem
fand ich darunter ein Werk von Fon, mit
dem Titel: Verfuch über Projekte, wel
dies vielleicht Eindrücke bey mir hinter-
iiefs, die in der Folge auf einige der vor-
nehmften Ereignifle meines Lebens Ein-
flufs gehabt haben.
Meine Neigung zu den Büchern be-
llimmte endlich meinen Vater, einen
Buchdrucker aus mir zu machen, ob-
gleich fchon ein anderer Sohn einer war.
Mein Bruder Jacob war 1717 aus Eng.
32 Benjamin Franklin’s
land zurückgekommen, und hatte eine
Prefle nebft Schriften mitgebracht, um
ferne Druckerey zu Bofton anzulegen.
Diefes Gewerbe gefiel mir ungleich mehr,
als das meines Vaters; dennoch behielt
ich immer meine Vorliebe für das Meer.
Um nun der Wirkung eines folchen Han-
ges zuvorzukommen, fo verlangte mei-
nen Vater mit wahrer Ungeduld, mich
bey meinem Bruder angeftellt *zu fehen.
Nachdem ich mich einige Zeit geweigert,
liels ich mich endlich dennoch bereden,
und Unterzeichnete meinen Lehrvertrag,
als ich noch nicht über zwölf Jahr alt war.
Man Avar überein gekommen, dafs ich
bis in mein ein und ZAvanzigftes Jahr
Lehrling bleiben, und nicht eher als im
letzten Jahre Gefellenlolm bekommen
füllte.
Tn kurzer Zeit hatte ich grofse Fort-
fchritte in diefer Kunft gemacht, und ich
Avurde meinem Bruder ein felir brauchba-
rer Gehülfe. Jetzt hatte ich Gelegenheit,
belfere Bücher zu bekommen. Die V er-
hält-
33
Jugendjahre.
hältnifle, in denen ich mit den Lehrlin-
gen der Buchhändler Hand, erlaubten mir
fogar von Zeit zu Zeit ein Buch von ih-
nen zu erborgen , welches ich denn im-
mer fehr pünctlich und ohne Befchädi-
gung wieder zurückgab. Wie oft habe
mit Lefen in meiner Kammer zugebracht,
wenn das mir Abends geliehene Buch
am nächften Morgen in aller Frühe wie-
der an Ort und Stelle feyn mufste, weil
man entweder befürchtete , dafs der Man-
gel entdeckt, oder dafs es verlangt wer-
den möchte.
Nach Verlauf einiger Zeit wurde ein
Kaufmann, Herr Mathäus Adams , ein
Mann von Geilt, der eine artige Bücher-
fammlung befafs, und öfters in unfere
Druckerey kam, aufmerkfam auf mich.
Diefer lud mich ein, feine Bibliothek zu
befehen, und war fo gefällig, mir dieje-
nigen Bücher zu leihen ■, die ich lefen
wollte. Ich gewann damals der Po ehe
Gefchmack ab, und verfertigte felbft eini-
C
34- Benjamin Franklin*»
ge kleine Stücke. Mein Bruder, der da-
bey feine Rechnung zu finden glaubte,
munterte mich auf, und veranlafste mich
zwey Balladen zu verfertigen. Die Eine,
unter dem Titel: Tragödie des Pharus,
enthielt eine umftändliche Erzählung des
Sclnffbruchs des Gapitän Worthilake, mit
feinen zwey Töchtern; die andere war
ein Matrofenlied auf die Aufbringung
des berüchtigten Seeräubers, Troch, oder
Schwarzbart genannt. Diction und Verfe
waren erbärmlich, wie in Blindemanns
Riedern. Als fie abgedruckt waren,
fchickte er mich damit durch die Stadt
zum Verkauf. Das erde fand einen ganz
erftaunlichen Abgang , weil die Begeben-
heit noch neu war, und grofses Auffehn
gemacht hatte.
Diefer Erfolg fchmeichelte meiner Ei-
tekeit; allein mein Vater fcldug gar bald
meinen Mudi nieder, indem er meine
Prouucte lächerlich machte, und behaup-
tete, dafs die Verfemacher immer arme
Teufel wären. Auf diefe Art entging ich
Jugendjahre. 35
noch dem Unglück, ein Poet, und wahr -
fcheinlich noch dazu ein fchlechter, zu
werden. Weil aber die Fähigkeit in Pro-
fe zu fchreiben mir im Verfolg meines
Lebens von grofsem Nutzen gewefen ift,
und das meifte zu meiner Beförderung
beygetragen hat, fo will ich dir erzäh-
len, durch was für Mittel ich in mei-
ner damaligen Lage die geringe Fertig-
keit erlangte, die ich hierin etwa be-
fitzen mag.
Es befand fich noch ein anderer jun-
ger Burfche in der Stadt, ein grofser
Bücherfreund, mit Namen Johann Col-
lins, mit welchem ich auf das engfte
verbunden war. Wir difputirten oft zu-
fammen, hielten dabey fehr auf Bündig,
keit, und flrebten nach nichts fo fehr,
als wie einer den andern in den Sack
flecken möchte. Diefe Lenkung des Gei-
ftes zum Streit, um diefs im Vorbeygehn,
zu fagen, kann fehr leicht zu einer höchft
Übeln Gewohnheit ausfchlagen, die ih-
ren Mann nicht feiten ganz unerträglich
C 2
36 Benjamin Franklin’s
in Gefellfchaften macht, weil fie fich
nicht anders, als durch Widerlpruch äuf-
fem läfst. Abgereclinet den Aerger und
den Tumult, den fie in der Gefellfchaft
erregt, bringt fie auch Widerwillen, ja
vielleicht Feindfchaft gerade da hervor,
wo einem mit Freundfchaft gedient ge-
wefen wäre. Ich hatte mir diefe Sucht
aus den religiöfen Difputir -Büchern mei-
nes Vaters an den Hals gelefen. Nach-
her habe ich bemerkt, dafs vernünftige
Leute feiten in diefen Fehler verfallen,
aufser etwa Jurilten, Univerfitäts- Ver-
wandte, und Leute aller Art, die zu
Edimbourg erzogen worden find.
Einfl, ich weifs felbll nicht wie, er-
hob fich zwifclien Collins und mir ein
Streit über die Erziehung der Weiber,
nehmlich, ob es gut, oder nicht gut wä-
re, fie für die Wiffenfchaften zu erzie-
hen, und ob fie zum Studieren etwas
taugten. Er war für das Nein, und be-
hauptete, dafs diefe Laufbahn weit über
ihre Kräfte hinausreichte. Ich, vielleicht
Jugendjahre. 3/
blofs aus Difputirluft, verfocht die ge-
genfeitige Meinung. Er war von Natur
weit beredter, als ich; die Worte flohen
ßromweife von feinen Lippen ; und zu-
weilen, wie mirs vorkam, hielt mich
mehr die Geläufigkeit feiner Zunge, als
die Stärke feiner Gründe nieder. Wir
fchieden von einander, ohne Eins ge-
worden zu feyn , und weil wir fo ge.
fchwind nicht wieder zufammen kommen
konnten, fo brachte ich meine Gründe
zu Papier, und fchickte ihm davon eine
zierliche Abfchrift zu. Er antwortete,
und ich erwiederte ; und fo waren fchon
drey oder vier Briefe hin und her ge-
wechfelt, als mein Vater über diefe Pa-
piere gerieth und fie las. Ohne fich auf
den Gegenlland de$ Streites einzuiahen,
nahm er nur Gelegenheit, mir etwas über
meine Schreibart zu fagen. Er bemerkte,
dafs, ob ichs gleich in Anfehung der
JRechtfchreibung und Interpunction, wel-
ches ich der Druckerey verdankte, mei-
nem Gegner zuvorthäte, ich dennoch
38 Benjamin Franklin’s
\
demfelben in der Zierlichkeit des Aus-
drucks , fo wie in Ordnung und Klarheit
weit nachffände. Er überzeugte mich
davon durch mehrere Beyfpiele. Ich
fühlte die Richtigkeit feiner Bemerkun-
gen, wurde von nun an weit aufmerk-
famer auf die Sprache, und befchlofs
mein möglichftes zu thun, um mich im
Styl vollkommener zu machen.
Mittlerweile, da diefes vorging, fiel
mir ein einzelner Band des Zufchautrs
in die Hände. Es war der dritte. Ich
hatte fonft; noch nichts davon gefehen;
Ich kaufte, las und las ihn wieder; ich
war davon bezaubert; ich fand die
Schreibart darin vortrefflich; und wünfch-
te fie nachahmen zu können. Um da-
hin zu gelangen, nahm ich einige Auf-
fätze, brachte den Inhalt jeder Periode
in einen kurzen Auszug, und legte dann
alles auf ein Paar Tage zur Seite. Hier-
auf verfuchte ich es, ohne das Buch zu
öffnen, den ganzen Auffatz wieder her-
zuftellen, und jeden Gedanken, fo wie
f
\
Jugendjahre.
39
er im Buche fland, in feiner ganzen
Fülle einzukleiden , indem ich mich der
eigenen Worte bediente, die meinem
Geifte hch darboten. Alsdann verglich
ich meinen Zufchauer mit dem Origi-
nal, nahm einige meiner Fehler wahr,
und verbefferte he. Aber ich fand, dafs
es mir an Wortvorrath, wenn ich fo fa-
gen darf, und an der gehörigen Leich-
tigkeit fehlte, die Wörter herbeyzuho-
len und anzuwenden, wozu ich es, wie
mir däucht, vor diefem Zeiträume ge-
bracht haben würde, wenn ich fortge-
fahren hätte, Verfe zu machen. Das be-
ftändige Bedürfnifs vieler Wörter von
ähnlicher Bedeutung, dabey aber ver-
fchieden , fowohl an Sylbenzahl , und
Maafs, als auch am Klange für den
Beim, würde mich genöthigt haben,
beftändig mancherley Synonymen aufzu-
fuchen. Diefe würden hch meinem Ge*
-dächtnifs eingeprägt, und ich würde
mich ihrer Meifter gemacht haben. Da-
her nahm ich einige Erzählungen des
\
{o Benjamin Franklin'*
1
Zufchauers und brachte lie in Verfe,
Nach Verlauf einer gewiflen Zeit, wenn
ich das Original völlig vergeffen hatte,
brachte ich fie wieder in Profe.
Bisweilen mifchte ich auch alle mei-
ne Auszüge bunt durch einander; und
einige Wochen darnach fuchte ich fie
erft wieder in eine belfere Ordnung zu
bringen, ehe ich anfing, die Perioden
auszubilden, und die ganze Abhand-
lung vollfländig zu machen. Diefs dien-
te zur Erwerbung einer Methode in An-
ordnung der Gedanken. Wenn ich her-
nach mein Machwerk mit der Urfehrift
verglich, fo entdeckte ich viele Fehler,
die ich verbelferte. Aber bisweilen hatte
ich doch auch das Vergnügen, mir ein-
bilden zu dürfen , dafs ich in manchen
Kleinigkeiten glücklich genug gewefen
wäre, fo wohl Methode, als Sprache zu
verbefTern, und diefs belebte in mir die
Hoffnung, dafs ich es mit der Zeit viel-
leicht dahin bringen würde, ganz er-
träglich englifch zu fchreiben, welches
Jugendjahre. 41
einer der vorziiglichften Gegenftande
meines Ehrgeizes war.
Die Zeiten , welche ich auf diefe Ue-
bungen und auf mein Lefen verwandte ,
waren der Abend nach vollbrachter Ar-
beit des Tages, der Morgen vor dem
Anfang der Gefchäfte, und der Sonntag,
wenn es mir gelang, allein in der Dru-
ckerey zu bleiben, indem ich mich vom
Kirchengehen losmachte. Auf letzteres
pflegte mein Vater fehr zu halten, fo
lange ich noch bey ihm im Haufe war;
und in der That hielt ich es zwar auch
noch für Pflicht, nur däuchte mir, hätte
ich jetzt nicht mehr Zeit genug , fie aus-
zuüben.
Als ich ungefähr fechzehn Jahr alt
war, las ich ein JVerk von Tryon , in
welchem er die Eebensnalirung aus dem
Pflanzenreiche empfiehlt. Ich befchlofs
fie anzunehmen. Mein Bruder, welcher
unverheirathet war, hatte keine eigene
Haushaltung, und liefs fich daher nebft
feinen Lehrlingen anderwärts beköftigen.
42 Benjamin Franklin’s
Meine Weigerung, Fleifch zu elfen, fiel
zur Laft, und man zankte nicht feiten
mit mir über meine Sonderbarkeit. Ich
unterrichtete mich über die Art, nach
welcher Tryon einige feiner Gerichte zu-
bereitete, z. B. wie er Kartoffeln und
Reis abkochte, daraus auf der Stelle Pud-
dings , und einige andere Gerichte mach-
te. Ich fagte darauf zu meinem Bruder,
wenn er mir wöchentlich nur halb fo
viel auszahlen wollte, als ihm mein Tifch
koftete, fo wollte ich mich felbfl beköfti-
gen. Er nahm diefen Vorfclilag auf der
Stelle an, und ich fand felir bald, dafs
ich auch mit der Hälfte desjenigen, fo
er mir gab, fertig werden konnte. Diefs
wurde ein neues Mittel zum Bücheran-
kauf; aber ich fand auch dabev noch
andere Vortheile. Wenn mein Bruder
und die Gefellen die Druckerey verlief-
fen, um zu Tifche zu gehen, fo blieb
ich dafclbft, und indem ich mit meiner
kleinen Mahlzeit, die oft aus nichts mehr,
als einem Zwieback , oder einem Schnitt
43
Jugendjahre.
Brot, nebft einer Handvoll Rofinen, oder
einem Stück Kuchen vom Pafletenbecker
und einem Glafe Waffer behänd, fertig
war, fo konnte ich die ganze übrige Zeit
bis zu ihrer Rückkehr ftuclieren. Meine
Fortfehritte ftanden mit derjenigen Klar-
heit der Vorftellungen , und mit derjeni-
gen Schnelligkeit der Begriffe im Ver-
hältniffe, welche die Frucht der Mäfsig-
keit im Elfen und Trinken find.
Um diefe Zeit fügte fichs, dafs ich
mich einft über meine Unwiffenheit in
der Rechenkunft, die ich in der Schule
zu lernen fchon zweymal verfehlt hatte,
fchämen mufste. Ich nahm daher ein
Rechenbuch von Co^cker zur Hand und
erlernte fie ganz allein mit der gröfsten
Leichtigkeit. Ich las auch das Buch über
die Schiffahrtskunde von Seiler und Stur-
my , unterrichtete mich über das Weni-
ge, fo fie von Geometrie enthielten,
brachte es aber niemals weit in diefer
WifTenfchaft. Ungefähr um eben die
Zeit las ich auch den Vet Juch über den
44 Benjamin Franklin’s •
menfchlichen Verßand von Locke und die
Kunfi zu denken der Herren de Port-
Royal.
Während ich mich bemühte, meinen
Styl zu bilden und vollkommener zu ma-
chen , ftiefs ich auf eine englifclie Sprach-
lehre. Ich glaube es war die von Green-
wood, welcher am Ende zwey kleine Ver-
fuche über die Rhetorik und Logik an-
gehängt find. In dem letzten fand ich
ein Mufter der Socraüfchen Difputirart.
Bald hernach verfchaffte ich mir Xeno-
phons Denkwürdigkeiten des Socrates,
worin er mehrere. Beyfpiele eben diefer
Methode aufftellt. Ich wurde davon be-
zaubert, machte mir fie zu eigen, ent-
iägte meiner trotzigen Art zu widerfpre-
chen und geradehin 2u behaupten, und
übernahm dagegen die Rolle des demü-
thigen Fragers. Die Lectüre des Shaf ■
tesbüry und des Collins machte mich zum
Pyrrhoniflen ; und da ich diefs fchon in
Anfehung vieler Gegenftände der Reli-
gionslehre war, fo fand ich, dafs die So-
Jugendjahre. 45
cratifche Methode nicht nur mich felbft
am heften in Sicherheit, fondern auch
diejenigen am meiften in Verlegenheit
• fetzte, wider welche ich fie anwandte.
Sie wurde mir bald ganz befonders lieb ;
ich fäumte nicht, fie in Ausübung zu
bringen, und gelangte darin zu einer
folchen Kunft und Fertigkeit, dafs ich
Perfonen, die ungleich mehr wufsten,
als ich, Einräumungen entlockte, wo-
von. fie die Folgen nicht vorher fahen.
Auf diefe Weife verwickelte ich fie in
Schwierigkeiten, von denen fie fich nicht
wieder loszumachen wufsten, und trug
Siege davon, die bisweilen weder meine
Sache noch meine Gründe verdienten.
Ich fuhr verfchiedene Jahre hindurch
fort, diefe Methode in Anwendung zu
bringen, verliefs fie aber nachher nach
und nach, und behielt weiter nichts^ als
die Gewohnheit, mich mit einem be-
fcheidenen Mifstrauen auszudrücken ;
und wenn ich alsdann etwas behauptete,
dag dem Widerfpruche ausgefetzt feyn
46 Benjamin Franklin’s
konnte, fo bediente ich mich niemals
der Wörter zuverläjjig , unßreitig, u. f. w.
oder irgend eines andern Ausdruckes,
der das Anfehen einer hartnäckigen An-
hänglichkeit an einer Meinung giebt.
Vielmehr fagte ich, ich verliehe, ich be-
greife die Sache fo und fo ; mir fcheint
O
es; aus diefen oder jenen Gründen wür-
de ich fo oder fo darüber urtheilen; ich
bilde mir ein, dafs diefes fich fo, und
jenes fo verhält, wenn ich nicht irre.
Diefe Gewohnheit ift, wie ich glaube,
mir fehr vortheilhaft gewefen , wenn es
darauf ankam, meine Meinung den Ge-
miithern der Menfclien einzuprägen,
und fie zu Ergreifung derjenigen Maafs-
regeln zu bereden, die ich ihnen von
Zeit zu Zeit vorzulegen hatte. Da nun
der Umgang mit Menfclien gröfstentheils
darauf hinausläuft, dafs man unterrichtet,
oder fich unterrichten läfst , dafs man ge-
fallt , oder überredet , fo verlange ich von
jedem aufgeklärten und wohlgefinnten
Manne, dafs er fein Vermögen, Gutes
Jugendjahre. 4)
zu wirken, nicht felbft durch jene ge*
radezu behauptende und anmafsende Art
des Ausdrucks fchwäche. Denn he em-
pört fall immer den Zuhörer, dient zu
nichts, als Widerfacher zu erwecken,
und jede Sache zu verfchlimmern , für
welche man uns das Wort gelahen hatte.
In der That, wenn du unterrichten
willft , und fo geradezu und dogmatifch
deine Mehrungen behaupte!!, fo reizeft
du zum Widerfpruche , und verhindern
dafs man :dir ein geneigtes Ohr verleihet.
Willft du hingegen unterrichtet feyn,
und von den Kenntniften Anderer Nu-
tzen ziehen, und drückft dich immer
aus als Einer, der unablöslich an feiner
bisherigen Meinung hängt, fo werden
befcheidene und empßndfame Menfchen,
welche Streitigkeiten nicht lieben, dich
wahrfcheinlich ruhig im Behtze„ deines
Irthums Iahen. So darfft du auch bey
diefer Methode kaum hoffen, deinen Zu-
hörern zu gefallen, und he fo weit für
dich einzunehmen, dafs he hch überre-
4 8 Benjamin Franklin’s
den laßen , zu deinen Abfichten beyzu-
tragen. Pope fagt felir weife : Man mufs
die Menfchen unterrichten , als ob man ße
nicht unterrichtete, und das Neue wie et-
was Vergebenes m[ttheilen. Hernach giebt
er den Rath, immer, ob man gleich feiner
Sache gewifs iß, mit dem Scheine des Mifs-
trauens zu reden. Er hätte hiermit einen
Vers verbinden können, den er ander-
wärts, und meiner Meinung nach min-
der fchicklich , angebracht hat. Er lautet :
Denn unbefcheidcn heifst auch unverßän-
dig feyn.
Wenn du mich fragil, warum ich min-
der fchicklich fage, fo mufs ich die bey-
den Verfe zufammen herfetzen:
Das unbefcheidne Wort läfst ficli durch
nichts verzahn:
Denn unbefcheiden heifst auch unver-
lländig feyn.
Nun, ifl denn der Mangel des Ver-
sandes , wenn ein Menfch fich in die-
fem traurigen 1* alle befindet , nicht ge-
wiflermafsen eine Rntfchuldigung lür fei-
nen
Jugendjahre. 49
nen Mangel an Befcheidenheit? Wür-
den alfo diefe Verfe nicht richtiger fo
lauten:
Das unbefcheidne. Wort mag nur der
Satz verzeihn:
Nicht recht befcheiden heifst auch nicht
verftändig feyn.
IndelTen laffe ich mich gern von bef-
fern Richtern, als ich bin, hierüber zu-
recht weifen.
Mein Bruder hatte im Jahr 1720 oder
J721 angefangen, ein neues öffentliches
Blatt, das zweyte, welches in America
erlchien, zu drucken. Es führte den Ti-
tel: New -England courant — Courier
von Neu - England. V orher hatte
man weiter nichts, als die Bi)ßon-News
Letters Neuigkeitsbriefe vonBo-
B°n. Ich erinnere mich, dafs einige
feiner Freunde ihm diefes Unternehmen
abrathen wollten, weil es wahrscheinlich
nicht gelingen würde, indem, nach ih-
D
«jo Benjamin Franklin’ s
rer Meinung, eine einzige Zeitung für
ganz America hinreichend wäre. Jetzt
177a giebt es deren nicht Aveniger als
fünf und ZAvanzig. Er führte nichts de-
fto weniger fein Project aus, und ich
mufste die Exemplare zu feinen Kunden
umher tragen, nachdem ich die Blattet
foAvohl gefetzt als abgedruckt hatte.
Unter feinen Freunden befanden fich
einige Männer von Kopf, die fich ein
angenehmes Geschäft daraus machten,
kleine Auffätze für diefs Blatt zu fchrei-*
ben, welche fein Anfehn und feinen Ab-
fatz ungemein vermehrten. Diefe Her-
ren befuchten uns oft; ich’ vernahm aus
ihren Gefprächen die gute Aufnahme,
welche ihre Schriften, im Publicum fan-
den; und bekam Lull, mein Heil auch
einmal zu verhielten. Da ich aber noch
ein wahres Kind AArar, und glaubte, dafs
mein Bruder Avohl nichts in fein Blatt
rücken lallen Anirde, Avovon er Avüfste,
dafs ich Verfalfer Avdre: fo kam ich auf
den Einfall, meine Handfclirift zu ver-
Jugendjahre. 51
/teilen, und fo einen von mir verfertig*
ten niamenlofen Auffatz des Abends un-
ter die Thür der Druckerey zu fchieben.
Man fand ihn des Morgens. Mein Bru-
der tlieilte ihn feinen Freunden mit, die
fich gewöhnlich einfanden. Sie lafen
ihn, commentirten darüber vor meinen
Ohren, und ich hatte das ausnehmende
Vergnügen zu hören, dafs er ihren Bey-
fall hatte, und dafs üe bey ihren man-
cherley- Muthmafsungen in Anfehung
des Verfaffers keinen einzigen nannten,
der nicht in Rückficht auf Talente und
j
Kenntnilfe einen grofsen Ruf im Lande
gehabt hätte.’ Ich vermuthe gegenwär.
tig , dafs ich in Anfehung meiner Rich-
ter nur glücklich war, und dafs fie viel-
leicht nicht, fo vortrefflich waren, als ich
damals glaubte. Dem fey indeffen, wie
ihm wolle, fo fchrieb ich doch, aufge-
muntert durch diefen kleinen Vorfall,
noch mehr andere Stücke, beförderte fie
auf die vorige Weife zur PrefTe, und fie
erhielten alle gleichen Beyfall. Mein
D 2
Benjamin Franklin’*
Geheimnifs bewahrte ich fo lange, bis
mein geringes Maafs von Kenntniflen
und Gedanken für Werke diefer Axt
ziemlich bis auf den Boden erfchöpft
war, und hierauf entdeckte ich mich.
Mein Bruder fing nun zwar an mehr
Achtung für mich zu hegen; nichts de-
flo weniger aber fah er fich als meinen
Meifter an, und behandelte mich als
Lehrling. Er foderte von mir die Dien-
fte eines jeden andern; ja ich fand, dafs
er in vielen Fällen allzu viel verlangte,
da ich doch als Bruder mehr Anfprüche
auf Nachficht zu haben glaubte. Unfere
Streitigkeiten gelangten oft vor meinen
Vater, und ich bilde mir ein, dafs mein
Bruder gewöhnlich unrecht hatte, oder
dafs ich doch der belle Sachwalter von
uns beyden war, indem das Urtheil ge-
meiniglich günflig für mich ausfiel. Al-
lein mein Bruder war hitzig , und oft kam
es zu Schlägen, welche ich fehr übel auf-
nahm. W ahrfcheinlich hat diefe harte
und tyrannifche Behandlung nicht wenig
I
Jugendjahre. 53
dazu beygetragen, den Widerwillen ge-
gen willkührliche Gewalt in mein Ge-
müth zu prägen, den ich mein gan-
zes Leben hindurch nicht verloren ha-
be. Meine Lehrjahre wurden mir fo
unerträglich, dafs ich beftändig nach ei-
ner Gelegenheit feufzte , fie abzukür-
zen. Diele kam denn auch ganz uner-
wartet.
Ein in unfer Blatt eingerückter Auf-
fatz, über irgend einen politifchen Ge-
genlland, defien ich mich nicht mehr
erinnere, beleidigte die Provinzialver-
fammlung. Auf Betrieb des Sprechers
wurde mein Bruder in Verhaft genom-
men, verurtheilt und eingekerkert, weil
er, wie ich vermuthe, den Verfafler des
Stückes nicht entdecken wollte. Ich wur-
de gleichfalls mit eingezogen, und vor
Gericht abgehört. Ob ich aber gleich
den Mitgliedern defielben fchlechte Ge-
nüge leiftete, fo kam ich doch mit einem
blofsen Verweife los, indem he mich
vielleicht als Lehrling für verpflichtet
54 Benjamin Franklin’s
hielten, die Geheimnifie meines Lehr*
meifters zu bewahren.
Der Verhaft meines Bruders erbitterte
mich, ungeachtet unferer Privathandel,
nicht wenig. So lange derfelbe anhielt,
mufste ich das Blatt beforgen, und ich
hatte fogar die Dreiftigkeit , einige Pfeile
auf unfern Statthalter darin abzudrücken.
Diefs machte meinem Bruder nicht we-
nig Vergnügen; indeffen andere anfin-
gen, mich in einem nachtheiligen Lich-
te, als einen zum Pasquill und zur Sa-
tyre geneigten jungen Kopf zu betrach-
ten.
Die Freylaflung meines Bruders wur-
de von dem höchft feltfamen Verbot be-
gleitet, „clafs Jacob Franklin das Blatt
„unter dem Titel: Der Courier von Neu-
„ England, nicht mehr drucken follte. „
Es wurde hierauf eine Verfammlung von
Freunden in unferer Druckerey gehal-
ten, welche fich berathfchlagten , was in
diefen Umfländen zu thun wäre. Eini-
ge fchlugen vor, dem Verbote durch
Jugencijahre. ' 5$
Umänderung des Titels auszuweichen.
Da aber mein Bruder diefen Vorfchlag
nicht zuträglich für lieh fand, fo wurde
endlich ausgemacht, dafs es am bellen
wäre, das Blatt künftig unter Benjamin
Franklin’s Namen zu drucken. Um aber
der Almdung der Verfammlung zu ent-
gehen, die ihn unter dem Vorwände
hätte erreichen können, dafs er das Blatt
dennoch felbll nur durch feinen Lehr,
burfchen hätte drucken Iahen, fo wurde
befchlollen, dafs mir mein bisheriger
Lehrcontract mit einer gänzlichen und
volllländigen Aufhebungsacte , auf fei-
nen Rücken gefchri eben, um die Urkun-
de im Fall der Noth vorzeigen zu kön-
nen, zurückgegeben werden follte. Um
aber dagegen meinem Bruder den Vor-
theil meiner Dienhe zuzufichern, follte
ich einen neuen bis zum Ablauf der
Zeit geheim zu haltenden Contract un-
terzeichnen. So mifslich auch diefes
Auskunftsmittel war, fo wurde es doch
fogleich in Ausübung gebracht, und das
56 Benjafnirt Franklin’s
Blatt fuhr, fort, einige Monate hindurch
unter meinem Namen zu erfcheinen.
Als aber endlich neue Mifshelligkejtep,
zwifchen meinem Bruder und mir ent-
banden, fo wagte ich es auf meine Frey-
heit zu pochen, indem ich darauf rech-
nen konnte , dafs er fich mit dem neuen
Gontracte nicht hervorwagen würde. Es
war nicht edel von meinet Seite, mich
diefes Vortheils zu bedienen, und ich
rechne daher diefe Handlung unter die
erben Fehltritte, die ich in meinem He-
ben begangen habe. Allein die Unrecht-
mäfsigkeit, die davon hervorleuchtete,
machte wenig Eindruck auf mein Ge-
müth, welches durch die Schläge erbit-
tert war, die ich von feiner Hitze’ erdul-
det hatte, ob er gleich fonü nicht von
fchlimmer Gemüthsart war. Vielleicht
war ich auch zu unartig gegen ihn ge-
wefen, um ihn nicht dazu zu reizen.
So bald er erfuhr, dafs ich feft ent-
fchloffen wäre , ihn zu verlalTen, fuchte
er mein Unterkommen anderwärts zu ver-
Jugendjahre. 57
hindern. Zu dem Ende durchftrich er
alle Druckereyen der ganzen Stadt, und
nahm alle Druckerherren gegen mich
ein, die mir folglich ihre Arbeit verfag-
ten. Ich gedachte mich daher nach Neu -
York, die nächfle Stadt, wo es einen
Buchdruckergab, zu begeben. Alle mei-
ne Betrachtungen beflärkten mich in dem
Vorhaben, Boßon zu verlaufen, wo ich
mich ohnehin fchon bey der herrfchen-
den Parthey verdächtig gemacht hatte.
Es war lehr wahrfcheinlich, dafs, wenn
ich nach dem willkührlichen Verfahren
der Provinzialverfammlung in der An-
gelegenheit meines Bruders dafelbft ver-
bliebe, ich mich gar bald Verdriefslich-
keiten ausfetzen würde. Ich hatte dabey
um fo mehr für mich zu fürchten, je
mehr die andächtigen Seelen, auf Veran-
lalfung meiner unbefonnenen Religions-
dispüte , anfingen, mich als einen Ab-
trünnigen oder Gottesleugner mit Ab-
fcheu zu betrachten. Ich fafste daher
meinen Entfchlufs; da aber mein Vater
58 Benjamin Franklin’s
diefsmal auf der Seite meines Bruders
war, fo durfte ich drauf rechnen, dafs
man, bey einem Verfuche öffentlich weg-
zugehen, Mittel anwenden würde, diefs
zu verhindern. Mein Freund Collins
nahm es auf fich,' meine Flucht zu beför-
dern. Er bedingte meine Ueberfahrt mit
dem Capitan einer Schaluppe von Neu-
York , und fpiegelte demfelben vor, ich
wäre ein junger Menfch von feiner Be-
kanntfchaft, der mit einem übel berüch-
tigten Mädchen etwas zu thun gehabt
hätte. Die V erwandten derfelben woll- '
ten ihn nunmehr zwingen, fie zu heira-
then, und er könnte daher öfiendich we-
der erfcheinen, noch abreifen. Ich ver-
kaufte einen Theil meiner Bücher, um
mir ein kleines Kapital zu verfchaffen,
und begab mich in aller Stille an den
Bord der Schaluppe. Mit Hülfe eines
günfligen Windes befand ich mich nach
drey Tagen zu Neu- York , an die drey-
hundert Meilen von meiner Heimath ent- j
lernt, in einem Alter von heben zehn
' - \
I
Jugendjahre. 59
Jahren, ohne die mindehe Empfehlung,
ja ohne nur irgend einen Menfchen da-
felbft zu kennen, mit fehr wenig Geld
in meiner Tafche.
Die Neigung, die ich für das See-
wefen gehabt hatte , war gänzlich ver*
fchwunden, fonh hätte ich ihr damals
Genüge leihen können. Da ich indefs
im Befitz einer andern Kunft war, und
mich für einen ziemlich gefchickten Ar-
beiter hielt, fo nahm ich keinen Anhand,
dem dafigen Stadtbuchdrucker meine
Dienhe anzubieten. Diefs war der alte
Herr Wilhelm Bradford, erher Buchdru-
cker in ganz Penfylvanien. Allein er
hatte diefe Provinz auf Veranlahung fei-
ner Händel mit dem Statthalter Georg
Keith verlahen. Er konnte mir keine
Arbeit geben, da er wenig zu thun, und
doch fchon Leute genug hatte. Jedoch
Tagte er mir, dafs fein Sohn, Buchdru-
cker zu Philadelphia, vor kurzem feinen
/
behen Gefellen, Aquila JRofa, durch den
Tod verloren hätte, und dafs er, wenn
6o Benjamin Fianklin's
ich dort hingehen wollte, mich wahr-
fcheinlich dafelblt anbringen könnte.
Philadelphia ilt noch hundert Meilen
weiter entfernt. DieCs fchreckte mich
nicht ab, auf einem Fahrzeuge den kür*
zelten Weg zu Walfer nach Amboy zu
nehmen, mein Felleifen neblt meinen
Sachen dafelblt zurück, und felbige durch
den Umweg mir nachkommen zu lalTen.
Bey der Ueberfahrt über den Meerbufen
ergriff uns ein plötzlicher Sturmwind,
zerrifs unfere fchon mürben Seegel in
Stücke, verhinderte uns in den Kill ein-
zulaufen , und verfchlug uns nach Long-
Island.
Während des Sturmes fiel ein betrun-
kener Holländer, Reifender wie ich, in
das Meer. Im Augenblicke des Unter-
finkens ergriff ich ihn noch durch das
Walfer beym Schopf, zog ihn empor,
und wir bekamen ihn wieder an Bord.
Diefe Taufe hatte ihn ein wenig und fo
weit wieder ernüchtert, dafs er einfchhef,
nachdem er ein Buch aus feiner Tafche
Jugendjahre. 6l
gezogen batte, welches er mich zu trock-
nen bat. Siehe da, diefs Buch war mein
altes Lieblingsbuch, Bunyans Reifen hol-
ländifch, fchön gedruckt, auf fchönem
Papier, mit Kupferftichen. So ausge-
fchmückt hatte ichs noch nie in feiner
Urfprache gefehen. Ich habe nachher
erfahren, dafs es in die meilten europäi-
fchen Sprachen überfetzt worden, und
ich bin überzeugt, dafs aufser der Bibel,
wohl nicht leicht ein Buch in gröfsern
Umlauf gekommen ift.
Der ehrliche Johann ift , fo viel ich
weifs , der Erfte , welcher Erzählung und
Gefpräch mit einander verbunden hat.
Diefe Art des Vortrages ift überaus an-
ziehend für den Lefer, der bey den wich-
tigllen Vorfällen fich gleichfam mit in
der Gefellfchaft und bey ihren Unterre-
dungen gegenwärtig befindet. Defoe hat
ihm glücklich in feinem Robinfon Crufoe ,
in feiner Molly Flanders und in andern
Werken nachgeahmt. Eben das hat auch
Richardfon in feiner Pamela u. f. w. gethan.
62
Benjamin Franklin’s
Als wir uns der Infel näherten, be*
fanden wir uns an einer Stelle, wo es
wegen der heftigen Brandungen, welche
das fchroffe Felfenufer verurfachte, zu
landen unmöglich war. Wir warfen An-
ker, und zogen uns gegen das Ufer. Ei-
nige Perfonen kamen bis an dem Rand
des Wallers und fchrieen uns zu, fo wie
wir ihnen; aber das Geräufch des Win-
des und der Wogen war fo hark, dafs
keiner den andern verliehen konnte. Es
waren Canots am Ufer; wir riefen ihnen
zu und machten Zeichen, lieh ihrer zu
unferer Abholung zu bedienen : aber he
verbanden uns entweder nicht, oder hiel-
ten die Sache für unthunlich, und fuh-
ren davon.
Die Nacht brach ein; und es blieb
uns nichts weiter übrig, als uns zu ge-
dulden, bis der Wind hch legte. In*
dollen befchloflen der Steuermann und
ich, wo möglich zu fchlafen. Wir kro-
chen daher nebft dem Holländer, der
noch ganz-nafs war, in den Raum hin-
Jugendjahre. 63
ab. Das fchäumende Walfer, welches
über Bord fchlug, flofs auf uns herab,
und durchnafste uns bald fo fehr, als ihn.
Wir hatten die ganze Nacht hindurch
nur wenig Ruhe. Da fich aber Tags dar-
auf der Wind gelegt hatte, fo erreichten
wir doch vor Nacht noch Amboy, nach-
dem wir dreyfsig Stunden lang weder
etwas zu elfen, noch etwas anders zu
trinken gehabt hatten, als eine Flafche
fchlechten Rum. Das Walfer, welches
wir befuhren, war falzig. Abends legte
ich mich mit einem heftigen Fieber zu
Bette. Ich hatte irgendwo gelefen, kal-
tes Walfer, fehr häufig getrunken, fey
gut gegen das Fieber. Diefe Verordnung
.befolgte ich, und fchwitzte den gröfsten
Theil der Nacht durch fo reichlich, dafs
mich das Fieber verliefs. Tags darauf
beltieg ich die Fähre, und fetzte meine
Reife zu Fufs fort. Ich hatte fünfzig
Meilen bis nach Burlington zu machen,
und man hatte mir gefagt, dafs ich Fahr-
zeuge antrelfen würde, um vollends bis
64 Benjamin Franklin’s
nach Philadelphia zu gelangen. Den gan-
zen Tag lang regnete es fehr heftig; und
ich wurde bis auf die Haut nafs. Da ich
mich fehr ermüdet fühlte, fo hielt ich in
einem elenden Wirthshaufe an, wo ich
den Ueberreft des Tages und die ganze
Nacht zubrachte, undjes zu bereuen an-
iing, dafs ich meine Heimath verfallen
hatte. Ich fpielte übrigens eine fo elende
Figur, dafs man mich für einen entlau-
fenen Diener hielt. Diefs konnte ich aus
den Fragen abnehmen, die man an mich
that , und ich fürchtete, dafs man mich
als einen folchen anhalten würde. Ta-
ges drauf fetzte ich indelfen meine Reife
fort, und langte Abends, ungefähr acht
oder zehn Meilen von Burlington , in_
einem Wirthshaufe an, welches ein ge-
wifier Doctor Brown hielt.
Diefer Mann liefs lieh während mei-
ner Mahlzeit in ein Gefpräch mit mir ein;
und da er einige Belefenlieit an mir ge-
wahr wurde, fo bezeigte er mir viel Theil-
nahme und Freundfchafi» Unfere Be-
kannt-
I
Jugendjahre. 65
kanntfchaft hat nachher bis an das Ende
feines Lebens fortgedauert. Ich glaube,
er war fo eine Art von herumwandern»
den Docter gewefen; denn es gab keine
Stadt in ganz England, oder in einem
andern Lande Europens, von weicher-
er nicht ganz befondere Umltände anzu-
geben gewufst hätte. Er war ein Mann
von Geilt und litterarifchen Kenntnifien,
aber dabey ein Ungläubiger, der einige
Jahre nachher muthwillig genug war, die
Bibel, gerade wie Cotton den Virgil, in
burleske Verfe zu traveltiren. Auf diefe
Weife hellte er viele Dinge äufserh lä-
cherlich dar. Diefs Werk hätte unter
den Schwachen grofsen Schaden anriclr-
ten können, wenn es herausgekommen
wäre, welches er doch niemals gefche-
hen liefs.
Ich übernachtete bey ihm, und ge-
langte Tags drauf in aller Frühe nach
Burlington. Bey meiner Ankunft hatte
ich den Verdrufs zu erfahren, dafs die
gewöhnlichen Pohfahrzeuge kurz vorher
E
66 Benjamin Franklin’s
fchon abgegangen wären. Es war Sonn-
abend, und vor dem nächften Dienftag
füllte keins wieder abgehen. Ich kehrte
in die Stadt zurück , und zwar zu einer
alten Frau, von welcher ich Pfefferkuchen
gekauft hatte, um ihn auf dem Waffer
zu effen, und fragte fie um Rath. Sie
lud mich ein, bey ihr zu herbergen, bis
fich mir eine Gelegenheit darböte, an
Bord zu gehen. Da ich von meiner Fufs-
reife fehl- ermüdet war , fo nahm ich das
Anerbieten an. Als fie vernahm, dafs
ich ein Buchdrucker wäre, fo wollte fie
mich bereden , in diefer Stadt zu bleiben,
und dafelbff meine Kunft zu treiben. Sie
wufste nicht, was für Auslagen und welch
ein Kapital zum Anfänge erforderlich
find. Ich fand bey ihr die wahre Gaft-
freundfchaft. Mit der beften Art von
der Welt bewirthete fie mich Mittags mit
einem Gericht, Ochfenmaul, und wollte
fich von mir keine andere Erwiederung
gefallen laffen, als einen Krug Ale (eng.
lijch Bier).
Jugendjahre. 67
Schon glaubte ich bis nächften Dien*
ftag hier feftfitzen zu mühen. Als ich
aber Abends am Ufer des Flufies fpazie*
ren ging, fah ich ein Fahrzeug heran»
nahen, welches nach Philadelphia ging,
und mehrere Perfonen am Bord hatte.
Man nahm mich auf; und da kein Wind
wehete, fo mufsten wir uns fortrudern.
Als wir gegen Mitternacht noch keine
Stadt erblickten, fo behaupteten Einige
von der Gefellfchaft , clafs wir fchon vor-
bey feyn müfsten, und wollten nicht wei-
ter rudern. Da auch die andern nicht
wufsten , wo wir uns befanden, fo wurde
befchloflen, Halt zu machen. Wir zo-
gen uns gegen das Ufer in eine Bucht,
und fliegen bey einem alten Zaun aus,
deflen Pfäle uns dienten ein Feuer an-
zuzünden. Denn es war eine fehl* kalte
Octobernacht. Wir blieben dafelbft bis
zu Tages Anbruch. Nun erkannte Ei-
ner von der Gefellfchaft, wo wir uns be-
fänden, nehmlich in der Bucht von Soo -
per, ein wenig oberhalb Philadelphia,
E 2
68 Benjamin Franklin's
welches wir auch in der That entdeck
ten, fo bald wir aus der Bucht heraus
waren. Wir langten dafelbft Sonntags
gegen acht oder neun ITltr des Morgens
an, und fliegen auf der Kay Market-
flreet aus.
Ich habe in diefer Erzählung meiner
Reife auch die gröfsten Kleinigkeiten be-
rührt, und fo werde ich auch meinen
Eintritt in diefe Stadt befchreiben , da-
mit du im Stande feyn mögefl, diefen
fo fcheinlofen Anfang mit der Figur zu
vergleichen, die ich nachher dafelbft ge-
fpielt habe.
('
Bey meiner Ankunft zu Philadelphia
ging ich in meiner Handwerksgefellen-
tracht, indem meine beflern Kleidungs-
üücke den Umweg zu Waffer machen
mufsten. Ich war befchmutzt von der
Reife; meine Tafchen ftrotzten von Hem-
den und Strümpfen; ich kannte keine
Jugendjahre. £>g
lebendige Seele, und wufste nicht, wo
ich einkehren füllte. Ermüdet von mei-
nem Marfche, vom Rudern und von der
fchlaflos hingebrachten Nacht, war ich
überaus hungerig, und meine ganze Baar-
fcliaft beftand in einem holländifchen
Thaler, und ungefähr einem Schilling
in Kupfermünze, welche ich den Schif-
fern für meine Ueberfahrt bezahlte. Sie
fchlugen es anfangs aus , weil ich mitge-
rudert hatte; allein ich beftand darauf,
dafs fie es annehmen mufsten. Der
Menfch' ilt bisweilen bey wenigem Gel-
de weit freygebiger, als bey vielem;
vielleicht, weil er in jenem Falle feine
Armuth verbergen will.
Ich ging die Galfe hinauf, indem ich
bald nach diefer, bald nach jener Seite
fall, bis nahe an Marketftreet, wo mir
ein Kind mit Brot begegnete. Meine
Mahlzeit hatte fchon öfters nur aus tro
ckenern Brote behänden. Ich fragte das
Kind, wo es fein Brot gekauft hätte, und
es wies mich fogleich zum nächften Bä-
70 Benjamin Franklin’s
cker. Ich foderte Zwieback, indem ich
eben folchen, als wir in Boßon hatten,
zu finden glaubte ; allein es fchien nicht,
dafs man dergleichen zu Philadelphia
verfertigte. Ich foderte hierauf ein Brot
für drey Kreuzer. Aber man machte
keine zu diefem Preife. Da mir nun
weder die Verfchiedenheit des Preifes,
noch die Namen der Brotarten des Lan-
des bekannt waren-, fo verlangte ich nur
für drey Kreuzer Brot, es möchte auch
feyn, von welcher Art es wollte. Er gab
mir darauf drey grofse Brote. Ich er-
ftaunte, fo viel zu bekommen. Ich nahm
fie indelfen an, und da ich keinen Platz
in meinen Tafchen hatte, fo nahm ich
unter jeden Arm Eins, und am dritten
afs ich, indem ich vorwärts marfchirte.
Auf diefe Weife durchwanderte ich ganz
Marke tftreet bis an Fourthflreet, und ging
vor dem Haufe des Herrn jR ead , des Va-
S
ters derjenigen Perfon vorüber , die der-
einft meine Gattin feyn follte. Sie Hand
vor der Tliür, fah mich, und fand mit
I
Jugendjahre. 7 1
Recht, dafs ich eine höchft lächerliche
und erbärmliche Figur machte.
Ich drehte mich hierauf um die Ecke,
und vertiefte mich in Chesnutftreet, in-
dem ich immer mein Brot den Weg ent-
lang fort afs. Nachdem ich folcherge-
halt die Runde gemacht hatte, fo befand
icl\ mich wieder auf der Kay von Mar-
ketftreet bey dem Fahrzeuge, mit wel-
chem ich angekommen war. Ich flieg
wieder hinab , um Flufswaffer zu trinken ;
und da ich von meinem erften Brote
fchon fattwar, fo gab ich die beyden an-
dern einer Frau und ihrem Kinde, die
mit uns in dem Fahrzeuge den Flufs
herab gekommen war, und jetzt wartete,
bis es weiter ging. Erquickt auf diefe
Weife, gewann ich die Strafse wieder.
Diefe war jetzt voll wohlgekleideter Per-
fonen, die alle auf Einer Seite gingen.
Ich gefeilte mich zu ihnen, und wurde
auf diefe Weife in das grofse Verfamm-
lungshaus der Quäker nahe am Markte
geführet. Ich fetzte mich mit den An-
72 Benjamin Franklin’?
dern nieder. Nachdem ich eine Zeit-
lang mit Umhergaffen zugebrachl hatte,
und kein lautes Wort vernahm, über-
diefs von Arbeit und Schlaf lofigkeit der
venvichenen Nacht ermüdet war, fo ver-
fank ich in tiefen Schlaf. Mein Schlaf
dauerte, bis die Verfammlung aus ein-
ander ging , da denn ein Nachbar fo ge-
fällig war, mich aufzuwecken. Diefs war
alfo das erfte Haus in Philadelphia, wel-
ches ich betrat, und in welchem ich
fchlief.
Ich begab mich nun wieder auf die
GalTenwanderfchaft, längs des FlufTes;
und da ich jedem, der mir begegnete,
aufmerkfam ins Angeficht fall, fo kam
mir ein junger Quäker vor, an deffen
Gefichtszüge ich mich erinnerte.’ Ich
trat ihn an, und bat ihn mir zu fagen,
wo ein Fremdling hier wohl Unterkom-
men könnte. Wir befanden uns gerade
bey der Herberge zu den drey Matrofen.
„Man nimmt hier zwar Fremde auf,
fagte er zu mir^ allein das Haus ift nicht
Jugendjahre. **73
in gutem Rufe. Wenn du mit mir ge
hen willft, fo will ich dir ein belferes
Wirthshaus zeigen.,, Er führte mich
hierauf zum zufammengelegten Zettel in
Waterftreet. Hier liefs ich mir Mittags-
eften geben, und während meiner Mahl-
zeit ergingen einige verfängliche Fragen,
an mich. Meine Jugend und mein Auf-
zug fchienen den Argwohn zu rechtfer-
tigen, dafs ich wohl ein Fliichding feyn
möchte. Nach der Mahlzeit bekam ich
wieder Luft zu fchlafen. Man wies mir
ein Bette an; ifth war^mkh'dai^uf, ohne
mich auszukleiden , und fchlief bis um
fechs Uhr des Abends, da man mich zum
Elfen weckte. Ich legte mich darauf fehr
früh nieder, und fchlief ununterbrochen
fort bis zum nächften Morgen.
So bald ich aufgeftanden war, machte
ich mich fo gut wie möglich zurecht,
und begab mich zum Buchdrucker, An-
dreas Bradford. In feinem Laden fand
ich feinen Vater, den ich zu Neu-York
gefehen hatte, und welcher vor mir zu
74 Benjamin Franklin’s
Pferde in Philadelphia eingetroffen war.
Er ftellte mich feinem Sohne vor, der
mich höflich empfing, und mir ein Früh-
itück gab. Allein er fagte mir auch zu-
gleich, wie er gegenwärtig keines Gefel-
len bedürfte, indem er üch fchon vor
kurzem damit verfehen hätte. Er fügte
aber hinzu, dafs es noch einen andern
Drucker in der Stadt, der fich erft neu-
lich dafelbft gefetzt hätte, Namens KeU
mcr, gäbe, der mich vielleicht gebrau-
chen könnte. Im Fall aber, dafs diefes
nicht wäre, fo wollte er mir fehr gern
fo lange Wohnung und von Zeit zu Zeit
ein Stück Arbeit geben, bis fich Gele-
genheit zum Mehrern darböte.
Der alte Mann erbot fich, mich zu
dem neuen Buchdrucker hinzuführen;
und als wir vor ihn kamen, fagte er:
„Nachbar, ich bringe euch hier einen
jungen Menfchen eures Gewerbes. Viel-
leicht könnt ihr ihn gebrauchen.,,
Keimer that einige Fragen an mich,
gab mir einen Setzhaken ( Compofwg-Stick)
Jugendjahre. 75
in die Hand, um zu fehen, wie ich ar-
beitete, und fagte hierauf, dafs er mich
bald anftellen wollte, ob er mir gleich
augenblicklich keine Arbeit geben könn-
te. Da er zugleich den alten Bradford
für einen gut gegen ihn gefinnten Bür-
ger der Stadt hielt, fo unterhielt er ilm
über feine gegenwärtige Unternehmung
und die Ausfichten, welche felbige ihm
darböte. Bradford hütete lieh wohl weis-
lich, fich als den Vater des andern Buch-
druckers zu. entdecken und wie Keimer
lieh verlauten liefs, dafs er bald die mei-
fie Arbeit an fich gezogen zu haben
hoffte, fo führte ihn der Alte durch al-
lerley künlhiche Fragen und aufgeworfe-
ne Zweifel fo lange herum, bis Keimer
ihm feinen ganzen Plan mittheilte, und
entdeckte, auf was für Begünftigungen
er nicht nur rechnete , fondern auch wie
er feine Dinge anzugreifen gedächte.
Ich war dabey gegenwärtig, hörte alles
mit an, und bemerkte fofort, dafs der
Eine ein aller liftiger Fuchs, der Andere
76 Benjamin Franklin's
aber ein wahrer Neuling wäre. Brad-
ford liefs mich bey Reimer , der ausneh-
mend betreten war, als ich ihm fagte,
wer der alte Mann wäre.
Ich fand, dafs Reimers Druckerey aus
einer alten fchadhaften PrelTe und einem
kleinen Gufs abgenutzter englifcher
Schriften behänd. ' Der letzten bediente
er lieh gerade felbft, um eine Elegie auf
Aquila - Rofa , deflen ich oben erwähnt
habe, zu fetzen. Diefer war ein junger
Menfch von Kopf und vortrefflichem
Character, ungemein gefchätzt in der
Stadt, Secretär der Provinzialverfamm-
lung, und ein gar nicht übler Dichter.
Reimer machte auch Verfe; aber fie wa-
ren fehr mittelmäfsig. Man konnte ei-
gentlich nicht fagen, dafs er in Verfen
fchriebe , denn feine Art war, fie fogleich
in Lettern zu fetzen, fo wie fie aus fei-
ner poetifchen Ader ürömten. Da er
nun ohne Handfchrift arbeitete , nur ein.
Paar Schriftkaften hatte, und zu feiner
Elegie wahrfcheinlich alle Lettern ge-
, Jugendjahre. 77
brauchte, fo konnte er fich freyliclx von
Niemand helfen laßen. Ich bemühte
mich feine PrefTe in Ordnung zu brin-
gen, deren er fich noch gar nicht be-
dient hatte, indem er nicht fo viel da-
von verftand, um felbft damit umgehen
zu können. Nachdem ich ihm nun ver-
fprochen hatte, feine Elegie abzuziehen,
fo bald fie gefetzt feyn würde, fo kehrte
ich zu Bradford zurück, der mir fürs er-
fte eine Kleinigkeit zu arbeiten , und da-
für fo wohl Kofi: als Wohnung gab.
Einige Tage nachher liefs mich Rei-
mer rufen, um feine Elegie abzuziehen.
Er hatte fich indeßen noch einen Schrift-
kaßen, und ein Pamphlet zum Wieder-
abdruck verfchafit, wobey er mich zur
Arbeit anßellte.
Bey den Buchdruckern zu Philadel-
phia fchienen mir alle notliwendigen Ei-
genfchaften für ihr Gewerbe gänzlich zu
mangeln. Bradford, gar nicht dazu er-
zogen, war ein gewaltiger Idiot. Kd-,
mer, obwohl nicht ganz unwiflend, war
78 Benjamin Franklin’s
doch nur ein blofser Setzer, und ver-
ftand fich fchlechterdings nicht auf die
Preffe. Er war Einer von den franzö-
fifchen Propheten gewefen, und wufste
ihre übernatürlichen Verzuckungen na ein
zumachen. Zu der Zeit, da wir mit ein-
\
ander bekannt wurden, bekannte er fich
zu gar keiner befondern Religion, fon-
dern hielt es nach Gelegenheit mit al-
len. Die Welt kannte er fehr wenig;
und im Herzen hegte er nicht geringe
Falfchheit, wie ich in der Folge wahrzu-
nehmen Gelegenheit hatte.
Keimern war es unausftehlich, dafs
ich, als fein Arbeiter, gleichwohl bey
Bradford wohnen lollte. Er hatte zwar
ein Haus inne, allein ohne Mobilien;
mithin konnte er doch mich nicht darin
aufnehmen. Er verfchaffte mir daher
eine Wohnung beym Herrn Read, dem
Eigentümer des Haufes , deflen ich
fchon oben erwähnt habe. Um diefe
Zeit war mein Felleifen nebft meinen
Sachen angekommen; ich putzte mich
Jugendjahre. 79
alfo fo weit heraus, dafs ich vor Mifs
Read mit etwas mein- Anhand erfchei-
nen konnte, als damals, da das Unge-
fähr mich ihr zum erftenmal unter die
Augen brachte, indem ich mein Brot
effend die Gaffen durchirrte.
Damals gelangte ich zuerft zu eini-
gen Bekanntfchaften mit jungen Leuten
aus der Stadt, welche Lectüre liebten,
und ich brachte manchen vergnügten
Abend mit ihnen hin, während ich durch
meine- Thätigkeit Geld verdiente, und
Dank meiner Mäfsigkeit fein zufrieden
lebte. Ich vergafs daher Boßon, fo viel
mir möglich war? und da ich nicht woll-
te, dafs dort, aufser meinem Freunde
Collins, irgend Jemand den Ort meines
Aufenthaltes wüfste , fo fchrieb ich nur
an diefen, und er verfchwieg mein Ge-
heimnifs.
Gleichwohl ereignete fich ein Vor-
fall, der mich in meine Vaterftadt eher
zurückbrachte , als ich mir vorgefetzt hat-
Ich hatte nehmlich einen Schwager,
So
Benjamin Franklins
Hubert Holmer, Befehlshaber einer Scha-
luppe, welche die Kühen zwifchen Bo-
fton und dem Delaware befuhr. Als die-
fer lieh einh zu Neivcaßle , vierzig Mei-
len unter Philadelphia befand, hörte er
von mir reden, und fchrieb an mich,
um mich von dem Verdruffe zu benach-
richtigen, den meine plötzliche Abreife
von Bofton meinen Eltern verurfacht
hatte. Er fügte hinzu, dafs diefe nichts
deho weniger die behen Gefinnungen
für mich hegten, und alles fich nach mei-
nem Wunfche wieder beylegen Iahen
würde, wenn ich nur zurücklcehrte ,
wozu er mich fe.hr dringend ermahnte.
Ich beantwortete feinen Brief, und dankte
ihm für die Nachricht; zugleich aber
fetzte ich auch meine Gründe aus einan-
der, warum ich Boßon verlaßen hätte,
und zwar clieTes mit fo viel Stärke und
>
Klarheit, dafs er überführt wurde, ich
hätte wohl nicht fo viel unrecht, als er
iich vorgeftellt hatte.
Nun
Jugendjahre. 81
/
Nun befand fich gerade damals der
Ritter Wilhelm Keith , Statthalter der Pro-
vinz, zu Newcaßle. Es mufste fich tref-
fen, dafs Capitän Holmer mit ihm in Ge-
fellfchaft war, als er meinen -Brief er-
hielt, welches denn Gelegenheit gab,
nicht nur von mir zu reden, fondern
auch ihm meinen Brief zu zeigen. Der
Statdralter las ihn und fehlen verwun-
dert, als er mein Alter erfuhr. Er fag-
te , ich fchiene ihm ein junger Menfcli,
der überaus viel verfpräche, und den
man daher aufmuntern müfste. Es sä-
be keine andere, als fchlechte Buch-
drucker zu Philadelphia, und wenn ich
mich dafelbft anfäfsig machen wollte, fo
zweifelte er gar nicht an einem glück-
lichen Erfolge. Von feiner Seite wollte
er mir alle öffentliche Arbeit verfchafifen,
und fonft alle Dienfte leififfn, die in fei-
ner* Macht wären. Mein Schwager er-
zählte mir alles diefs in der Folge zu Bo-
ßon wieder. Damals aber wufste ich von
allem noch nicht ein Wort, als wir eines
F
Benjamin Franklin’s
JTages, da Reimer und ich neben dem
* Fenfter bey der Arbeit waren, den Statt- ,
halter und noch einen andern Herrn,
den Oberften Ffench von Newctißle , bey-
de fiattlich gekleidet , queer über die
Strafse gerade auf unfer Haus zukom-
men fallen, Jind unten an unferer Haus,
thür vernahmen. Keimer , welcher glaub-
te, dafs der Befuch ihm gälte, flieg
fogleich hinunter. Aber der Statthalter
fragte nach mir, flieg herauf, fagte mir
mit einer Herablaffung und Höflichkeit,
woran ich durchaus nicht gewöhnt war,
überaus viel Schmeichelhaftes, wollte Be-
kanntfchaft mit mir machen , machte mir
zärtliche Vorwürfe darüber, dafs ich mich j
ihm nicht gleich bey meiner Ankunft in
der Stadt bekannt gemacht hätte, und
wollte mich in eine Weinfchenke mit-
nehmen, wohin er, wie er fagte, eben 1
mit dem Oberflen French ginge, um ei- }
nen vortrefflichen Madera zu verfuclien. 1
Ich bekenne gern, dafs mich diefs
ein wenig überrafchte ; Keimer aber Hand
Jugendjahre. S3
I 1
ganz wie verfeinert. IndefTen ging ich
mit dem Statthalter und dem Oberften in
eine Weinfchenke an der Ecke vonThird-
flreet, wo er mir beym Glafe Madera
den Vorfchlag that, eine Druckerey an-
zulegen. Er malilte mir die*Wahrfchein-
lichkeit des guten Erfolges vor, und er
fo wohl, als der Oberfle French verficher-
ten mich ihres Schutzes und ihrer Ver-
wendung , um mir den Druck der öffent-
lichen Schriften aus beyden Statthalter-
fchaften zu verfchaffen. Da ich zu zwei-
feln fchien, dafs mein Vater mir zu die-
fern Unternehmen behülflich feyn würde,
fo fagte der Ritter Wilhelm, er wollte
mir einen Brief an denfelben mitgeben,
und darin die Vörtheile deffelben aus
einander fetzen , da er denn nicht zwei-
felte, ihn dazu zu bewegen. Es wurde
daher ausgemacht, dafs ich mit einem
folchen Empfehlungsfchreiben des Statt-
halters an meinen Vater auf dem erften
Schiffe nach Boßon zurückkehren follte.
Vor der Hand aber follte diefs Project
E 2
84 Benjamin Franklin’s
geheim gehalten werden, und ich fuhr
wie bisher fort, bey Keimern zu arbeiten.
Der Statthalter liefs mich von Zeit zu
Zeit zum Mittagseffen einladen. Ich hielt
das für eine überaus grofse Ehre, und
wurde davon um fo mehr gerührt, da
man üch nichts fo leutfelig, fo vertrau-
lich und freundschaftlich denken kann,
als er mit mir umging,
Gegen das Ende des Aprils 1724
wollte ein kleines Schiff nach Boßon ab-
gehen. Unter dem Vorwände, meine
Verwandten zu befuchen, nahm ich von
Keimern Urlaub. Der Statthalter gab mir
einen langen Brief mit, worin er mei-
nem Vater fehr viel Schmeichelhaftes
für mich fagte, und ihm meine Nieder-
laffung zu Philadelphia, als etwas, wel-
ches dereinft mein Glück machen würde,
fehr dringend empfahl.
Als wir die Bay hinabfuhren , gerie-
then wir auf eine Untiefe und bekamen
$inen Leck. Auf dem Meere war es flür-
mifch, und wir mufsten fall unaufhörlich
I
Jugendjahre. 85
pumpen, wobey ich das meinige gleich-
falls that. Nichts defio weniger langten
wir ungefähr nach vierzehn Tagen ge-
fund und wohlbehalten zu Boßon an.
Ich war heben volle Monath abwe-
fend gewefen, und meine Eltern hatten
während diefer ganzen Zeit keine Nach-
richt von mir gehabt. Denn mein Schwa-
ger Hulmer war noch nicht wieder zu-
rückgekommen, und hatte meinetwegen
auch nichts gefchrieben. Meine uner-
wartete Erfcheinung iiberrafchte meine
Familie. Indelfen Avar doch alles froh
mich wiederzufehen , und hiefs mich
herzlich willkommen, ausgenommen mei-
nen Bruder. Ich befrachte ihn in feiner
Druckerey. Ich war weit befler geklei-
det, als ich es jemals in feinen Dienllen
gervefen Avar. Denn ich hatte einen voll-
ftändigen neuen und faubern Anzug., ei-
ne Uhr, und mein Beutel Acar beynahe
mit fünf Pfund Sterling baar gefpickt.
Mein Bruder empfing mich eben nicht
gar artig, fah mich vom Kopf bis zu den
86 Benjamin Franklin’s
Füfsen an, und machte fich wieder an
feine Arbeit.
Die Gefallen fragten mich fehr drin-
gend, wo ich gewefen, was für eine Art
Land es wäre, und Avie ich mich dafelbft
befunden hätte. Ich rülimte PhiladelM
phia, und das glückliche Leben, Avelches ,
ich dafelbft führte, nicht Avenig, und
drückte dabey meinen Vorfatz, wieder
dorthin zu gehen, fehr kräftig aus. Als
mich einer von ihnen gefragt hatte, was
für eine Art Geld man dort verdiente, !
Io zog ich eine Hand voll aus der Ta-
fche, und Avarf he vor ihnen auf den
Tifch. Das . Avar für fie eine Art von
Seltenheit, worari fie gar nicht gewöhnt
waren, indem zu Boßon Papier im Um-
laufe Avar. Ich unterliefs hierauf auch
nicht, ihnen meine Uhr zu zeigen. End-
lich, da mein Bruder immer mürrifch
und bey widerwärtiger Laune blieb, gab
ich ihnen ein Stück von Achten zum
Vertrinken, und empfahl mich. Diefer
mein Befuch verdrofs ihn auf das äufser-
-
Jugendjahre. 8 7
Re. Denn als meine Mutter einige Zeit
darnach von Wiederverföhnung mit ihm
fprach, und ihren Wunfch zu erkennen
gab, dafs wir doch hinfort wieder brü-
derlich zufammen leben möchten, fo lag-
te er, wie ich ilm dermafsen vor feinen
Leuten befchimpft hätte, dafs er mirs nim-
mermehr vergehen noch vergeben 'wür-
de, worin er fich doch gleichwohl irrte.
Der Brief des Statthalters fchien zwar
meinen Vater in einige Verwunderung
zu fetzen; iridefien liefs er fich doch nicht
viel darüber aus. Als nach Verlauf ei-
niger Tage der Gapitän Holmer zurück-
kehrte, fo zeigte er ihn diefem, und
fragte ihn, ob er diefen Krith kennte,
und was für eine Art Mann derfelbe wä-
re. Dabey fügte er hinzu, dafs es doch,
feiner Meinung nach, wenig Urtheils-
kraft verriethe, ein Kind etabliren zu
wollen, dem noch drey volle Jahre ab-
gingen, ehe es in die Clafle der Män-
ner aufgenommen werden könnte. Hol -
mer fagte zum Bellen des Projects, was
88 Benjamin Franklin’s
er wufste und konnte; allein mein Va-
ter behauptete feil die IJnthunliclikeit der
Sache, und fchlug endlich feine Einwil-
ligung geradezu ab. Er fchrieb hierauf
an den Ritt» r Wilhelm einen höflichen
Brief, worin er ihm zwar für die fo gü-
tig angebotene Gönnerfchaft dankte, aber
es auch zugleich abfchlug, mich für jetzt
etabliren zu helfen. Denn feiner Mei-
nung nach wäre ich noch allzu jung,
als dafs man mir eine fo wichtige Un-
ternehmung anvertrauen könnte, wovon
fchon die blofsen Vorbereitungen eine
beträchtliche Anlage erfoderten.
Mein alter Kamerad Collins, welcher
als Schreiber bey der Pofl ftand, war
ganz entzückt über das, was ich ilnn von
meinem neuen Aufenthalt erzählte, und
bekam Luft ficli gleichfalls dorthin zu
begeben. Während ich noch auf die
Entfcldiefsung meines Vaters wartete,
reifete er fchon vor mir zu Lande nach
Rhode - Island ab , und lie.fs feine ganz
artige Sammlung von mathematifcheu
'
Jugendjahre. 89
und phyficalifchen Büchern zurück, um
mit den meinigen nach Neu - York trans-
portirt zu werden, wofelbft er mich er-
warten wollte.
Ob nun gleich mein Vater den Vor-
fchlag des Ritters Willrelm nicht geneh-
migte, lo behagte es ihm doch unge-
mein , dafs ich mir eine fo günflige Em
•pfelilung von einer fo vornehmen Per-
fon an dem Orte meines Aufenthalts
hätte auswirken können , und dafs mein
Fleifs und meine gute Wirthfchaft mich
in den Stand gefetzt hätten, mich in fo
kurzer Zeit fo artig herauszuputzen. Da
es nicht fchien, dafs das gute Verneh-
men zwifchen meinem Bruder und mir
wieder hergeftellt werden würde , fo wil-
ligte mein V ater in meine Rückkehr
nach Philadelphia, und gab mir den
Rath, dafelbft gegen Jedermann meine
Pflicht zu beobachten, mich um allge
meine W erthfchätzung zu bewerben, und
Satyre und Spötterey zu vermeiden, wo-
zu ich, nach feiner Meinung, einen all-
gö Benjamin Fxanklin’s
zu grofsen Hang hätte. Durch Beharr-
lichkeit und kluge Wirthfchaft, fügte er
hinzu, könnte ich mir vor meinem ein
und zwanzigften Jahre genug erfparen,
um mich damit einzurichten; und wenn
mir alsdann ja nocli eine Kleinigkeit
fehlte, fo wollte er fclion dafür forgen.
Diefs war alles, was ich erhalten konn-
te, ausgenommen einige kleine Gefchen-
ke, zum Zeichen des Wohlwollens, fo-
wohl von feiner als meiner Mutter Seite.
Ich fchifite mich von neuem nach Neu-
York ein, diefsmal aber unter dem Schu-
tze ihrer Einwilligung und ilires See-
gens. Da die Schaluppe zu New-port
Rhode - Island ardegte, fo befuchte ich
meinen Bruder Johanti , der feit einigen
Jahren dafelbft eingerichtet und verhei-
rathet war. Diefer hatte mich immer fehr
geliebt, und nahm mich daher ungemein
zärtlich auf. Einer feiner Freunde, Na-
mens Vernon, welcher eine Eoderung in
Penfylvanien von ungefähr 36 L. Ster-
ling hatte, bat mich, diefes Geld zu er-
Jagendjahre. 91
heben, und es fo lange an mir zu be-
halten, bis er mir das Weitere auftrüge.
Er hellte mir daher eine Anweifung zu.
Diefe Sache verurfachte mir in der Fol-
ge viel Unruhe.
Zu Netvport nahmen wir eine Anzahl
Reifender ein, worunter fich auch zwey
junge Frauenzimmer, die zufammen rei-
feten, und eine Quäkerinn, eine gefetzte
und gefcheidte Dame, nebh ihren Jjeu-
ten, befanden. Ich hatte mich felir höf-
lich und ämfig gezeigt, ihr einige kleine
Dienhe zu leihen, und vermuthe, dafs
fie aus Erkenntlichkeit dafür Antheil an
mir nahm. Denn in der Tliat, als he
wahrnahm, dafs hch zwifchen den bey-
den Reifegefährtinnen und mir eine Ver-
traulichkeit entfpann, die von Tag zu
Tage zunahm, und dafs diefe mir Auf-
munterungen zu geben fchienen, fo zog
he mich bey Seite, und Tagte: „Junger
„Menfch, ich bin deinetwegen in Sor-
„gen. Du hah keine Eltern, die über
„deine Aufführung wachen, und fchei-
g2 Benjamin Franklin’s
„neß mir weder die Welt, noch die Fall-
„ftricke zu kennen, denen die Jugend
„ausgefetzt ill. Verlafs dich auf das,
„was ich dir hiermit fage. Diefs find
„Frauenzimmer von höchfl fchlechter
„Lebensart; ich erkenne das aus allen
„ihren Handlungen. Wenn du nicht
„auf deiner Huth bi fl, fo werden fie dich
„in irgend eine Gefahr locken. Sie find
„dir fremd; wegen des freundfchaftli-
„chen Antheils , den ich an dir nehme,
„rathe ich dir, dich in keinerley Ver-
..bindung mit ihnen einzulaflen. „ Als
ich Herauf nicht fo übel von ihnen zu
denken fchien, als lie, fo erzäHte fie mir
Dinge genug, die he von ihnen gefehen
und gehört hatte , die gleichwohl meiner
Aufinerkfamkeit entgangen waren, mich
aber überzeugten, dafs ^e Recht liatte.
Ich dankte ihr für ihren gütigen Rath,
und verfprach, ihn genau zu befolgen.
Als wir zu Neu- York aixkamen, zeig-
ten ße mir ihre Wohnung an, und ba-
ten mich, ße dafelbft zu bef riehen. Diefs
93
Jugendjahre.
liefs ich bleiben, und that fehr wohl dar-
an. Denn Tags darauf vermifste der Ca-
pitän einen filbernen Löffel und einige
andere Sachen, die aus feiner Cajiite ent-
wendet worden waren. Da er nun wufs-
te, dafs diefs liederliche Weibsbilder wa-
ren. fo wirkte er einen Unterfuchungs-
befehl aus, fand die geftohlnen Sachen,
und liefs fie beffrafen. Solchergeflalt ent-
ging ich nicht nur einem unter dem Waf-
fer verborgenen Feilen , auf welchen das
Schiff auf feinem Laufe geftofsen war,
fondern auch für mich insbefondere
noch einer weit gefährlichem Klippe.
Zu Neu-Tork fand ich meinen Freund
Collins, , der einige Zeit vor mir dafelbft
angekommen war. Wir waren feit un-
ferer Kindheit mit einander vertraut; wir
hatten zufammen einerley Bücher gele-
fen: allein er hatte den Vortheil, mehr
Zeit auf das Lefen und Studiren verwen-
den zu können, und eine erftaunliche
Anlage zur Mathematik, worin er mich
bald fehr weit hinter fich zurück liefs.
D4
Benjamin Franklin’s
Als Ich noch ln Boßon war, brachte
ich meine meillen Erholungsflunden mit
ihm hin. Er war ein eingezogenet und
lleifsiger Burfche. Seine Kenntnifie hat-
ten ilxm die allgemeine Achtung fowold
feiner Glaubcnsgenoflen, als feiner übri-
gen Mitbürger erworben, und es fchien,
dafs er fielt einfi zu feinem Vordieile in
der Gefellfchaft zeigen würde. Allein
wältrend meiner Abwefenheit hatte er
fielt un glücklicher W eife dem Brandwein
ergeben, und ich erfuhr fowohl von ihm
felbft, als von andern, dafs er feit feiner
Ankunft zu Neu- York alle Tage betrun-
ken gewefen wäre, und fich dabey feltr
ausgelaflen betragen hätte. Auch hatte
er gefpielt und alle fein Geld verloren,
fo dafs ich genöthigt war, nicht nur fei-
ne Zeche im Wirthshaufe zu bezahlen,
fondern ihn auch auf der ganzen Reife
frey zu halten, welches mir ungemein
zur Lall fiel.
Der damalige Statthalter • Burnet zu
Neu - York hatte von dem Capitän ver-
Jugendjahre. .95
nommen, dafs er einen jungen Reifen-
den am Bord hätte, der viele Bücher be
fäfse, und bat ihn daher mich zu ihm
zu führen. Ich ging hin, und würde
Collins mit mir genommen haben, wenn
er nur nüchtern gewefen wäre. Der Statt-
halter begegnete mir überaus artig, zeig-
te mir feine fehr anfelinliche Bibliothek,
und wir unterhielten uns fehr lan°;e fo-
wohl über die Bücher, als ihre Verfaf-
fer. Diefs war der zweyte Statthalter,
der mich mit feiner Aufmerkfamkeit be-
ehrte, und einem armen Burfchen, wie
ich damals war, mufsten dergleichen Be-
gebenheiten wohl nicht wenig fchmei-
chelhaft feyn.
Wir gingen hierauf nach Philadel-
phia ab. Unterweges erhob ich Fef/io/ts
Geld, ohne welches es hart gehalten ha-
ben würde , unfere Reife zu vollenden.
Collins wünfchte bey irgend einer
Wechfelbank angefiellt zu werden ; allein
ob er gleich gute Empfehlungsbriefe hat-
te. fe verriethen dach fein Athem und
fjü Benjamin. Franklin’s
fein ganzes Aeufieres allzu fehr feine
böfe Angewohnheit. Es glückte ihm da-
her nirgends, und er fuhr fort, auf mei-
ne Unkoflen bey mir zu wohnen und zu
zehien. Da er wufste, dafs ich Vernons
Geld hatte, fo wollte er beftändig davon
geliehen haben, indem er immer ver-
fpracli, es fogleich wieder zü erllatten,
wenn er einen Dienft haben würde. Er
lockte mir endlich fo viel ab, dafs ich
in die gröfste Unruhe darüber gerieth,
was aus mir werden würde, wenn ich
das Geld abliefern follte. Seine Neigung
zum Trünke liefs nicht nach, und brach-
te Zwiefpalt zwifchen uns; denn wenn
er ein wenig zu viel getrunken hatte, fo
war er fein- heftig.
Als wir uns eines Tages nebft meh-
tern jungen Leuten in einem Nachen
auf dem Delaivarc befanden, wollte er
nicht rudern, als die Reihe an ihn kam.
„Ihr follt mich, fagte er, bis nach Hau-
fe rudern.,. „Daß werden wir wohl blei-
ben lallen,,, fagte ich. — „Wenn ihr es^
nicht
Jugendjahre. 97
0
nicht thut, erwiederte er, fo müfst ihr
die ganze Nacht auf dem Wader blei-
ben.,,— „Thu, wie dir beliebt, Tagten
die andern. Lafst uns fortrudern! Was
liegt denn daran, ob er rudert, oder
nicht!,, — Aber ich, fchon wegen fei-
ner übrigen Aufführung gegen ihn er-
bittert, fuhr fort mich zu widerfetzen.
Da fchwur er, er würde mich rudern
lehren, oder mich zum Nachen hinaus-
werfen. Und in der That kam er über
die Queerbalken gegen mich angefchrit-
ten. Sobald ich ihn aber erreichen konn-
te , fchwang ich meinen Arm unter feine
.Hofen, erhob mich ungeflüm und warf
ihn Kopf voran in den Strom. Ich wufs-
te, dafs er ein guter Schwimmer war,
und fürchtete daher nichts für fein Le-
ben. Ehe er fich nun umwenden und
den Nachen wieder ergreifen konnte, ge-
wannen wir Zeit, den Nachen durch ei-
nige Ruderfcliläge fo weit von ihm zu
entfernen, dafs er ihn nicht mehr errei-
chen konnte. So oft er lieh näherte,
G
98 Benjamin Franklin’s
fragten wir ihn, ob er rudern wollte,
und einige Ruderfchläge zu gleicher Zeit
machten, dafs er den Nachen fahren 1
lallen mufste. Er wollte beynahe vor 5
Zorn erfticken , und gleichwohl nicht zu
rudern verfprechen. Als wir indelfen
fallen, dafs ihm die Kräfte ausgingen,
l’o zogen wir ihn wieder in den Nachen,
und brachten ihn Abends durch und
% r
durch nafs zu Haufe. Nach diefem Vor-
falle lebten Avir äufserll kaltfinnig mit ein-
ander. Endlich gerieth er an den Capi-
tän eines Schilfes von den Infein, der
den Auftrag hatte , lieh nach einem Hof-
ineifter für einen jungen Herrn zu Bar-
bados umzufehen. Diefer fchlug ihm die
Stelle vor, und verfprach ihn dorthin zu
führen. Er nahm fie an, und verliefs
mich mit dem Verfprechen, dafs ich zur
Berichtigung meiner Foderung das erfle
Geld haben follte, Avas er einnclimen
> würde. Allein ich habe nie etAvas AVie-
der von ihm vemommen.
-fl
—
X
99
Jugendjahre.
Die Vergreifung an dem mir von
Vernon anvertrauten Gelde gehört zu
den erften grofsen Vergehungen meines
Lebens; und diefer Vorfall beweifet, dafs
mein Vater fich eben nicht in feinem
Urtheile betrog, indem er mich noch
für zu jung hielt, um wichtige Gefchäf-
te zu führen. Allein der Ritter Wil-
helm, nachdem er feinen Brief gelefen
hatte, fagte, dafs er allzu vorfichtig wä-
re. Man müfste bey einzelnen Perfonen
Ausnahmen machen; und fo -wie Weis-
heit nicht immer die Begleiterinn des
reifem Alters wäre, fo felilte fie auch
nicht gerade immer der Jugend. „Weil
er Sie denn alfo nicht etabliren will, füg-
te er hinzu, fo will ich es felbft thun.
Geben Sie mir ein Verzeichnifs von den-
jenigen Artikeln, die wir aus England
haben müden, und ich werde fie kom-
men laden. Sie können mich wieder be-
zahlen, wenn fie im Stande dazu find.
Ich will nun einmal einen guten Drucker
hier haben, und ich bin von Ihrem Fort-
G 2
lOO
Benjamin Franklin’s
kommen verfichert. „ Er fagte das mit
einem folchen Anfchein von Herzlich-
keit, dafs ich keinen Augenblick an der
Aufrichtigkeit feines Anerbietens zwei-
felte. Bisher hatte ich das Project mei-
ner Niederlaffung, das. er mir in den
Kopf gefetzt hatte, keinem Menfchen zu
Philadelphia entdeckt, und ich fuhr fort
es zu verfchweigen. Wenn man gewufst
hätte, wie fehl- ich auf den Statthalter
rechnete, fo würde fich unflreitig ein in
Anfehung feiner belfer unterrichteter
Freund gefunden, und mich gewarnt
liaben, nicht auf ihn zu bauen. Denn
ich erfuhr in der Folge, dafs er allge-
mein für einen Mann galt, dfcr zwar
freygebig in Verfprechungen, aber nie
Willens wäre, he zu erfüllen. Indeffen,
da ich ja gar nichts bey ihm gefucht
hatte, wie hätte ich glauben können, dafs
feine Anerbietungen nicht aufrichtig wä»
ren? Ich hielt ihn für den bellen Mann
von der Welt.
Jugencljahre. lo.i
Ich überreichte ihm düs Verzeichnis
der Erforderniffe zu einer kleinen Buch-
druckerey, wovon lieh die Koften nach
meiner Rechnung ungefähr auf hundert
Pfund Sterling beliefen. Er war damit
zufrieden, fragte mich' aber auch zu-
gleich, ob es nicht gut feyn würde, dafs
ich felbft nach England ginge, um die
Lettern felblf an Ort und Stelle auszufu-
chen, und dahin zu forgen, dafs jeder
Artikel in feiner Art von hinlänglicher
Güte wäre. „Sie könnten, fagte er, dort
auch Bekanntfchaften machen, und einen
Briefwechfel mit Buch - und Papierhand-
lungen anlegen.,, Ich gab zu, dafs
diefs allerdings vortheilhaft feyn würde.
„Wenn das ift, fuhr er fort, fo halten
Sie fich bereit, mit dem Annis nach
England zu gehen.,, Diefs war das
jährliche und damals einzige Schiff, wel-
ches regelmäfsig zwifchen London und
Philadelphia ging; allein es waren noch
einige Monathe hin, ehe der Annis ab-
fegelte. Alfg fuhr ich fort, bey Ktirnarn
102
Benjamin Franklin’s
zu arbeiten, aber fehr unruhig über das
Geld, welches Collins von mir entliehen
hatte, und in befiändiger Angft vor Ver-
non, welcher doch aber zum Glück fein
Geld erft nach einigen Jahren wieder
loderte.
Ich glaube in der Erzählung von mei-
ner erften Reife von Boßon nach Phila-
delphia einen kleinen Vorfall ausgelaf-
fen zu haben , der vielleicht hier nicht .
an der Unrechten Stelle.feyn wird. Wäh-
rend der Windflille, welche uns jenfeit
Block -Island aufhielt, befchäftigten fich
unfere Leute mit dem Stockfifchfange,
und fingen eine grofse Menge. Bis da-
hin war ich meinem Vorfatze treu ge-
blieben, nichts zu elfen, was lebendig
gewefen wäre; und bey diefer Gelegen-
heit betrachtete ich,' meinem Lehrer
Tryon zufolge, den Fang jedes Fifches
als eine Art von Mord, ohne dafs ir-
gend eine Anreizung dazu vorhergegan-
gen wäre, indem doch kein Fifch irgend
jemanden etwas zu leide gethan, oder nur
Jugendjahre. 203
hätte tliun können, um diefe Niederla-
ge zu rechtfertigen. Diefe Art über die
Sache zu urtheilen fchien mir ganz un-
widerleglich. Aber ich war ehemals ein
grofser Liebhaber von Fifchen gewefen,
und als hier einer aus der Bratpfanne
genommen ward, fo roch er gar vor-
trefflich. Ich fchwankte eine Zeit lang
zwifchen dem Grundfatze und der Nei-
gung, bis mir einfiel, dafs ich beyra
Ausnehmen der Stockfifche andere klei-
ne Fifche in ihrem 'Magen gefehen hat-
te. Sogleich fprach ich bey mir felbft:
Wenn ihr einer den andern fpeifet, fo
fehe ich nicht ein , warum wir euch nicht
auch fpeifen follten. Dem zu Folge hielt
ich ein liöchfl; vergnügtes Mittagsmahl
von Stockfifch, und fuhr hernach fort
wie alle Welt zu elfen, aufser dafs ich
von Zeit zu Zeit, und bey gewilfen Ge-
legenheiten, zur vegetabilifclien Nah-
rungsweife zurückkehrte. So bequem ift
es alfo ein vernünftiges Thier zu feyn,
das immer Gründe findet oder erfindet,
104 Benjamin Franklin’«
um alles zu rechtfertigen , was es nur ir-
gend zu thun Lull hat.
Ich lebte ganz gut mit Keimern , und
\yir waren ziemlich einig, weil er fich
von dem Project meiner1 Niederlaflung
nichts träumen liefs. Sein Entliufiasmus
hielt gröfstentheils an, und er mpchte
gern vernünfteln. Wir dispütirten daher
oft mit einander. Ich pflegte ihn mit
meiner focratifchen Methode fo zufam-
men zu arbeiten, und hatte ihn durch
meine Fragen, die anfänglich von dem
Streitpuncte felir weit entfernt zu liegen
fchienen, dennoch aber nach und nach
fich demfclben näherten, und ihn in
Schwierigkeiten und Widerfprüche ver- •
wickelten , aus welchen er ficlx nicht zu
retten wufste , fo oft* fcht , dafs er zu-
letzt feine Vorficht bis ins Lächerliche
trieb, und kaum auf die einfachile umvW
'ehrlichfle Frage anders antwortete, als-'
nachdem er erft gefragt-.'hatte : Was füll
daraus folgen? ^ Indefien bekam er doch
eine fo hohe, Meinung von mein, r Wi-
Jugendjahre. 105
derlegungsTtunfi: , dafs er mir im ganzen
Ernfte den Vorfchlag that, zur Ausfüh-
rung feines Projects, eine neue Secte Z(U
fliften , fein Gehülfe zu werden. Er
wollte alsdann die Lehre predigen, und
ich follte die Widerfacher bekämpfen.
Als er fich über feine Lehrfätze ge-
gen mich erklärte, fo fand ich darunter
viele- närrifclre Einfälle, die ich nicht
Statt finden lalTen wollte, wenn ich nicht
jvenigftens auch etwas von dem Meini-
gen dazu thun dürfte , und er nicht auch
einige meiner Grundfätze annähme. Kä-
tner §ug einen langen Bart, weil es ir-
gendwo bey Mofes heifst: Ihrfollt eitert}
Bart nicht gar abfcheren. Er feierte auch
den Sabbath oder den fiebenten Tag;
und diefe beyden Punkte waren feiner
Meinung nach wefentlich. Mir mifsfiel
zwar der Eine wie der Andere; allein
ich liefs fie doch unter der Bedingung
zu, dafs er fich dem Verbot der Nah-
rungsmittel aus dem Thierreiche unter-
würfe. „Ich fürchte, fagte er, diefs wer-
io6 Benjamin Franklins
de meine Natur nicht aushalten.,, Ich
verficherte ihm dagegen, dafs er fich da-
bey fehr wohl befinden würde. Er war
von Natur g'efräfsig; und ich wollte mir
das Vergnügen machen, ihn ein wenig
auszuhungern. Er verftand fich endlich
zu einem Verfuche diefet Lebensord-
nung, wenn ich ihm Gefellfchaft leiften
wollte. Wir unterwarfen uns derfelben
in der That drey Monathe lang. Eine
Frau in der Nachbarfchaft bereitete und
brachte uns unfer Elfen. Ich gab ihr
ein Verzeichnis von Vierzig Gerichten,
die fie uns von Zeit zu Zeit abwechfelnd
zubereiten follte, zu welchen allen we-
der Fleifch noch Fifch kam. Diefe Grille
bekam mir damals defio b elfer, je wohV
feiler fie war. Denn unfere ganze Nah- <’
rung kofiete einem jeden von uns nicht
über ' achtzehn Pence Sterling wöchent-
lich'-5').
Ich habe feitdem mehrere der fireng-
fien Fallen beobachtet, und diefe Le-
**) Etwas ilbcr 13 V Grofchen.
1
Jugend] ahre. 107
bensordnung fall immer plötzlich auf
die gewöhnliche folgen laden, ohne den
mindeften Naclitheil zu erfahren. Da-
her fclieint mir auch der Rath fehl- un-
erheblich, den man gewöhnlich giebt,
ficli nicht anders, als nach und nach an
eine veränderte Lebensordnung zu ge-
wöhnen.
Ich beobachtete lie gutes Muthes; al-
lein der arme Keimer litt dabey nicht we-
nig. Verdrüfslich über fein Unterneh-
men, feufzte er nach den Fleifchtöpfen
Aegyptens. Endlich liefs er fich ein
Spanferkel braten, und lud mich, neblt
no-ch zwey Frauenzimmern von unferer
Bekanntfchaft zum Mittagseflen ein. Da
aber das Spanferkel zu früh gahr gewor-
den war, fo konnte er der Verfuchung
nicht widerlichen, und afs es rein auf,
ehe wir noch ankamen.
Während diefer Begebenheiten be.-
zeigte ich der Mifs Read einige Aufmerk-
famkeit. Ich empfand nicht wenig Nei-
gung und Hochachtung für diefelbe, und
ioS Benjamin Franklin’s
hatte Urfache zu glauben, dafs fie nicht
gleichgültig gegen mich wäre. Da wir
aber beyde noch lehr jung und nicht
über achtzehn Jahr alt waren, und ich
überdiefs in Begriff liand, eine lange
Reife anzutreten, fo hielt ihre Mutter es -
der Klugheit gemäfs, uns für jetzt nicht
zu weit gehen zu laffen; indem, wenn
ja eine Heirath unter uns Statt haben
follte, es beffer feyn würde, damit zu
warten, bis ich zurüekgekehrt, und zu
meinem künftigen Gewerbe fo eingerich-
tet feyn würde, als ich vorhatte. Viel- '
leicht dachte fie auch, dafs meine Hoff-
riungen wohl nicht auf fo feilen Füfeen
flünden , als ich mir einbildete.
Meine vorzüglichflen Kameraden wa-
ren damals Carl Osborne , Jofeph Watfon
und Jacob Ralph, lauter Freunde der
Lectüre. Die beyden erllen waren Schrei-
ber beym Herrn Carl Bröckelen , einem
der vornehmflen Stadt-Notare; der drit-
te war Schreiber bey einem Kaufmann.
Watfon war ein junger rechtfchaffener ,
Jugendjahre. 105
fehr frommer und empfindfamer Menfch;
die andern waren ein wenig fclilaffer in
ihren Religions-Grundfätzen befonders
Ralph, den ich fo wie den Collins , felbfl
wankend gemacht hatte. Sie haben- mich
aber auch beyde tüchtig dafür beflraft.
Osborne. war empfindfam, offenherzig und
zärtlich gegen feine Freunde; aber über
Gegenflände der Litteratur allzu fehr zur
* ,
Kritteley geneigt. Ralph wargeiftreich,
artig in feinem Wefen und ausnehmend
beredt. Ein angenehmerer Sprecher ifl:
mir in meinem Leben, wie ich glaube,
nicht vorgekommen. Beyde waren lei-
denfchafdich für die Lichtkunft einge-
nommen; und fie fingen an, lieh in klei-
nen poetifchen Stücken zu verfuchen.
ir vier machten des Sonntags in
den Wäldern, die an den Skuylkill flofsen,
_ fehr angenehme Spaziergänge. Wir la-
fen gemeinfchaftlich, und unterhielten
uns über das Gelefene. - Ralph war ge-
neigt, lieh ganz der Poefie zu ergeben.
Er fchmeichelte lieh die gröfsten Fort.
1 IO
Benjamin Franklin’ s
fchritte auf diefer Laufbahn zu machen,
ja fogar fein zeitliches Glück auf derfel-
ben zu finden. Er behauptete, dafs die
grofsten Dichter im Anfänge eben fo
viele Fehler begangen hätten, als er felbfi:
noch beging. Osborne fuchte ihn eines
andern zu belehren, verficherte ihm,
dafs er gar kein poetifches Genie hätte,
und gab ihm den Radi, bey dem Ge-
werbe zu bleiben, wozu er erzogen wor-
den wäre. 5, Bey der Handelfchaft, fagte
er zu ihm, kannft du es, auch ohne Mit-
tel , doch leicht durch Fleifs und Unver-
drofienheit zu einer Faktorftelle bringen,
und dir dabey mit der Zeit fo viel er-
werben, dafs du endlich für deine eigene
Rechnung etwas unternehmen kannft. „
Ich meines Theils hatte nichts dawider,
dafs man lieh zwar von Zeit zu Zeit mit
der Poefie abgäbe, allein das müfste nur
dazu dienen, um fich in der Sprache
vollkommener zu machen. Es kam da-
her in Vorfchlag, dafs bey der nächfien
Zufammenkunft jeder von uns einen Auf-
Jugendjahre. 1 1 1
fatz in Verfen von feinem Machwerk
mitbringen follte. Unfere Abficht hier-
bey war, uns durch unfere wechfelswei-
fen Bemerkungen, Kritiken und Ver-
heuerungen vollkommener zu machen;
und da wir uns allein Sprache und Aus-
druck zum Zjel fetzten, fo fchloflen wir
jede Rückficht auf Erfindung aus, und
wurden eins, dafs die Aufgabe eine Ue-
berfetzung des achtzehenden Pfalms feyn
follte, worin das Herabfleigen der Gott-
heit gefchildert ift.
Der Tag unferer Zufammenkunft war
vor der Thür , ' als Ralph mich befuchte,
und mir meldete, dafs fein Stück fertig
■wäre. Ich geftand ihm, ich fey faul ge»
wefen , und da mir auch die Neigung
zu dergleichen Arbeit fehlte, fo hätte ich
nichts gemacht. Er zeigte mir darauf
fein Stück, und fragte mich, was ich
davon hielte. Ich lobte es ungemein,
weil es mir in der That ein grofses Ver-
dienft zu haben fchien. Er fagte hier-
auf zu mir: „ Osborne wird einem Wer-
112
Benjamin Franklins
ke von mir niemals das mindefte Ver-
dienft einräumen. Schon der Neid wird
ihm taufend Krittele'yen eingehen. Auf •
dich ift er nicht fo eiferftichüg; ich möch- <
te daher wohl, dafs du das Ding zu dir
nährneU , und es für das deinige ausgä-
befh Ich will alsdann vorgeben, ich
hätte keine Zeit gehabt, und daher nichts
zu Stande gebracht. Wir werden dann
hören, was er dazu fagcn wird.,, Ich
war zu diefer kleinen Betrtigerey bereit,
und fchrieb Ralphs Stück fogleich ab,
um jeden Argwohn zu entfernen.
Wir verfammelten uns wieder. Wat-
fons Werk kam zuerft vor. Es hatte ei-
nige Schönheiten, aber auch viele Feh*
ler. Wir lafen hierauf das von Osborne;
welches weit beller war. Ralph hefs ihm
•Gerechtigkeit wiederfahren ; bemerkte
darin zwar einige. Felder, lobte jedoch
auch feine Schönheiten. Da er nichts
aufzviweifen hatte, fo kam ich nun an
die Reihe. Ich machte erll Umftände;;
fchien um Entfchuldigung zu bitten; ich
hätte-
Jugendjahre. 1 1 3
hätte nicht Zeit genug zum Ausfeilen ge-
habt u. f. w. Aber das half alles nichts;
das Stück mufste vorgezeigt werden. Es
wurde gelefen und wieder gelefen. Wat-
fon und Osborne entfagten fogleich aller
Mitbewerbung um den Preis, und ver-
einigten fich zum Lobe des Stückes.
Ralph allein machte einige Kritiken, und
fclilug ein Paar Verbefierungen vor; al-
lein ich vertheidigte meine Lesart. Os-
borne, war wider Ralph, und fagte, dafs
er fich eben fo wenig auf das Urtheilen,
als das Hervorbringen verbände.
Als die andern mich verlaßen und
fich nach Haufe begeben hatten, drückte
fich Osborne zu Gunften meines ver-
meinten Werkes noch bärker aus. Er
behauptete , dafs er fich vorhin nur nicht
recht ausgelaffen hätte, aus Furcht, ich
möchte ihn im Verdacht der Schmeiche-
ley gegen mich haben. „Aber wer hät-
te es denken follen, dafs Franklin fähig
wäre, ein folches Werk zu Stande zu
bringen! Welche Mahlerey ! Welche
H
I
i j 4. Benjamin Franklin’s
Kraft! Welch ein Feuer! Er hat das
Original noch übertroflen. Sein Aus- .
druck im gewöhnlichen mündlichen Vor-
trage fcheint nichts weniger, als gewälilt
zu feyn. Er Hockt, er verfpricht fich^
und gleichwohl , o Himmel! wie fchreibt
er ! „
Bey unferer nächften Zufammenkunft
entdeckte Ralph den Streich, den wir
dem Osborne gefpielt hatten , und er wur-
de ohne Barmherzigkeit darüber ausge-
fpottet.
Diefer Vorfall beftärkte Ralphen in
fernem Entfchlufie , ein Dichter zu wer-
den. Ich unterliefs nun zVar nichts, ihn
davon abzubringen; allein er fuhr den-
noch fort, Verfe zu machen, bis er den
, Pope las, da er denn von feiner Krank-
heit genas. Indeflen wurde er doch ein
ziemlich guter Profaul. Ich werde un-
ten noch mehr von ihm fagen; allein!
da ich fchwerlich Gelegenheit haben wer-
de , der beyden andern wieder zu erwäh-
nen, fo mufs ich hier melden , dafs Wat-
Jugencljahre. 115
fon einige Jahre nachher in meinen- Ar-
men verfchied. Er rvurde ausnehmend
bedauert; denn er war der Belle von
uns allen. Osborne ging nach den In-
feln über, ward ein berühmter Advocat,
und gewann Geld; aber er ftarb jung.
Wir hatten einander im ganzen Ernfle
verfprochen, dafs derjenige, welcher von
uns beyden zuerft herben würde, wo nur
immer möglich, wiederkommen, bey
dem andern einen freundfchafdichen Be-
fuch ablegen, und ihm über die Ange-
legenheiten des künftigen Lebens Aus-
kunft geben follte. Allein er hat fein
Verfprechen niemals erfüllt.
Der Statthalter fchien an meiner Ge*
fellfchaft Gefchmack zu finden, und lud
mich daher öfters zu fich ein. Er fprach
dabey immer von feinem Vorfatze, mich
zu etabliren, als von einer ausgemach-
ten Sache. Ich follte Empfehlungsbriefe
an verfchiedene feiner Freunde mitneh-
men, vornehmlich aber einen Gredit-
brief, um das nöthige Geld zum Ankauf
H 2
ii6 Benjamin Franklin’s
der PrefTe, der Lettern, des Papiers u, J
f. iv. erheben zu können. Er beflellte •
mich verfchiedenemale zu fich, diefe j
Briefe in Empfang zu nehmen, die dann j
immer fertig feyn füllten ; allein immer S1
hiefs er mich einen andern Tag wieder- ;j
kommen.
Diefer Auffchub von einer Zeit zur’
andern währte fo lange, bis das Schiff, j
defTen Abreife mehreremale weiter hin- ]
aus gefetzt war, endlich im Begriff Hand
unter Segel zu gehen. Ich begab mich
alfo zum Ritter Georg, um Abfchied von
ihm zu nehmen, und feine Briefe abzu-
halen. Allein fein Secretär, der Doctor
Bard, kam und fagte zu mir, der Statt-
halter hätte jetzt äufserft vielt zu fchrei-
ben. Da er indefTen noch vor dem Schif-
fe nach New-Caßk hinabgehen -würde,
fo füllte ich dafelbfl feine Briefe in Em-
pfang nelimen.
Ralph hatte fich entfclilofTc-n , mich
auf diefer Reife zu begleiten, ob er
gleich verheirathet war und ein Kind
Jugendjahre. 117
hatte. Man glaubte, feine Abficht wäre,
ein Verkehr mit England anzulegen, und
fichWaaren anzufchaffen , um felbige in
Commiffion zu verkaufen. Allein ich
erfuhr in der Folge, dafs er einige Ur~
fache hatte mit den Eltern feiner Frau
unzufrieden zu feyn, dafs er diefe daher
in ihren Händen lalfen, und nie wieder
nach Aanerica zurückkehren wollte.
Nachdem ich von meinen Freunden
Abfchied genommen und mich noch mit
Mifs Read verfproclien hatte, verliefs ich
Philadelphia. Das Schiff ging zu New-
Caßle vor Anker. Der Statthalter befand
fielt dafelbfl, und ich begab mich in fei-
ne Wohnung. Sein Secretär empfing
mich feltr höflich, und fagte mir von
Seinetwegen, dafs er mich jetzt unmög-
lich feiten könnte, weil Gefchäfte von
der äufserften Wichtigkeit ihn abhielten.
Indeffen würde er mir die Briefe an Bord
fenden; er wünfehte mir von ganzem
Herzen eine glückliche Reife, eine bal-
dige Wiederkehr u. f. w. Ich begab
jiS Benjamin Franklin’s
mich alfo an den Bord des Schiffes zu-
rück, zwar ziemlich verwundert, aber
doch noch bis jetzt ohne den mindeften
Argwohn.
Auf ebendemfelben Schiffe befand
fich Herr Andreas Hamilton, ein berühm-
ter Advocat zu Philadelphia, nebft fei-
nem Sohne, in Gefellfchaft des Herrn
Denham, eines Quaker-Kaufmannes, wie
auch der Herren Oniam und RuJJel, Be-
fitzer eines Eifenhammerwerkes zu Mu-
ryland. Da cliefe die grofse Kajütte ein-
genommen hatten, fo mufsten Ralph und
ich uns unter dem Schiffsvolk aufhalten;
und weil uns keine Seele auf dem Schif-
fe kannte, fo hielt man uns für ganz ge-
meine Leute. Aber Herr Hamilton und
fein Sohn, ( es war Jacob der nachmalige
Statthalter) mufsten von New-Caftle nach
Philadelphia zurückkehren , w'eil der Va-
ter mit grofsen Koflen dahin zurückbe-
rufen wurde, um einen Procefs wegen
eines weggenommenen Schiffes zu füh-
ren. Nun kam gerade, da wir unter Se-
Jugendjalire. 119
gel gehen wollten, der Oberfle French
an den Bord, und begegnete mir über-
aus höflich. Von Stund an bezeigte man
mir mehr Aufmerkfamkeit , und die übri-
gen Reifenden luden mich ein, die von
den Herren Hamilton verladenen Plätze
in der Kajütte, nebft meinem Freunde
Ralph , einzunehmen; welches wir denn
ohne Schwierigkeit thaten.
Da ich erfuhr, dafs der Oberfle French
die Brieffchaften des Statthalters an Bord
gebracht hatte , fo bat ich den Capitän
um die Briefe, die mich angingen. Er
fagte mir, dafs fie insgefamt in den Sack
gethan wären, wo er fie jetzt nicht her-
ausfuchen könnte , dafs fich aber vor un-
ferer Anlandung in England fchon noch
Gelegenheit darbieten würde , he heraus-
zunehmen. Ich liefs es für dasmal mit
diefer Antwort gut feyn , und wir fetzten
unfere Reife fort.
Unfere Kajüttengefellfchaft behänd aus
lauter umgänglichen Perfonen, und in
Anfehung der Zehrung befanden wir
120 Benjamin Fränklin’s
uns ausnehmend wohl. Denn wir mach-
ten uns die Vorräthe des Herrn Hamil-
ton zu nutze, der lieh damit reichlich
"v ci feilen hatte. Auf diefer Reife errich-
tete Herr Denham mit mir eine Freund-
fchaft, die bis an das Ende feines Le-
bens dauerte. Uebrigens war die Fahrt
eben nicht angenehm; denn wir hatten
öfters fehr fchlimmes Wetter.
Als wir in den Kana] eingelaufen
waren, hielt mir der Kapitän fein Wort,
und liefs mich nach meinem Belieben
die Briefe des Statthalters in dem Sacke
durchfuchen. Ich fand keinen einzigen
mit meinem Namen, oder einer fonfti-
gen Anweifung, dafs ich ihn belleilen
follte. Ich wählte indelTen fechs oder
heben aus, die mir, der Auffchrift nach
zu urtheilen , um fo mehr die für mich
beflimmten zu feyn fchienen, da eine^,
an ßaskel, königlichen Buchdrucker, und
noch ein anderer an einen Papierhänd-
ler darunter befindlich waren. Der letzte
fliefs mir zuerfl auf meinem Wege auf;
Jugendjahre. iqj
\
und ich überreichte ihm den Brief als
einen, der von dem Statthalter Kdtli kä-
me. „Diefen Mann kenne ich nicht,,
war feine Antwort. Als er ihn aber ge-
öffnet hatte, rief er: „Oh, der ift von
Riddlesden. Den habe ich feit kurzem
als einen ausgemachten Schurken kennen
gelernt, und ich will weder mit ihm,
noch mit feinen Briefen weiter etwas zu
thun haben. „ Damit reichte er fogleich
den Brief in meine Hände zürücfc, drehte
fich auf feinem Abfatze herum , und liefs
mich flehen, um einige Kunden zu be-
dienen.
Ich erflaunte, dafs diefe Briefe nicht
von dem Statthalter waren. Als ich mich
aber nunmehr befann, und alle Umflän-
de erwog, fo fing ich an, an feiner Auf-
richtigkeit zu zweifeln. Ich fuchte mei-
nen Freund Denham wieder auf,, und
trug ihm den ganzen Handel vor. Die-
fer machte mich denn nun gleich völlig
mit Keiths Character bekannt, und fagte,
wie auch nicht die mindefte Wahrfchein-
122 Benjamin Franklin’s
liclikeit vorhanden wäre, dafs er auch
nur einen einzigen Brief für mich ge-
fchrieben hätte. Keiner, der ihn nur ir-
gend kennte , rechnete auf ihn. Denham
lachte über meinen Glauben, dafs der
Statthalter, der felbft keinen Credit hät-
te, mir einen Creditbrief geben würde.
Als ich einige Unruhe darüber verrieth,
was für Maafsregeln ich nun ergreifen
füllte , fo rieth er mir, dafs ich auf mei-
ne erlernte Kunft bey irgend einem
Buchdrucker anzukommen fuchen follte.
„Hier, fagte er, haben Sie die befte Ge-
legenheit, fich darin fo vollkommen zu
machen, dafs Sie fich hernach weit vor-
tlieilhafter in America etabliren können.
Wir wufsten es längft eben fo gut,
als der Papierhändler, dafs der Notarius
Ridtlksäm ein grofser Spitzbube war. Er
hatte den Vater der Mifs Read, durch
Erfchleichung einer Bürgfchaft von ihm,
beynahe zu Grunde gerichtet. Wir ex-
fahen aus feinem Briefe, dafs fich eine
geheime Intrigue zum Nachtheil des
123
Jugendjahre.
Herrn Hamilton , von welchem man
glaubte^ dafs er mit uns nach Europa
gegangen wäre, entfpann, in welche fich.
auch der Statthalter, in Verbindung mit
Riddlesden , eingelaffen hatte. Denham
war als Hamiltons Freund der Meinung,
dafs man diefen davon benachrichtigen
müfste. Und in der That, nachdem er
bald nach uns in England angekommen
war, zeigte ich, fowohl aus guter Ge-
linnung für ihn, als aus Rache gegen
Keith , ihm nicht nur den Brief, fondern
überliefs ihn auch ganz feinen Händen.
Er dankte mir dafür fehr lebhaft; denn
die Nachrichten, die er enthielt, waren
für ihn wichtig. Seit diefer Zeit fchenkte
er mir feine Freundfchaft, die mir in der
Folge bey mehr als einer Gelegenheit zu
grofsem Vortheile gereichte.
Aber Avas foll man von einem Statt-
halter denken, der fo elende Streiche
fpielt, und einen armen, jungen Men-
fchen ohne Erfahrung fo gröblich hin-
tergehet? Es war ihm diefes zur Ge-
i Benjamin Franklin’s
wohnheit geworden. Er wollte aller Welt
gefallen, und da er wenig zu geben hat-
te, fo verfchwendete er Verfprechungen.
Sonft war er ein gefcheidter geiftreicher
Mann, ein ziemlich fertiger Schriftftel-
ler, und guter Statthalter für das Volle,
allein nicht für fqine Conflituenten, die
Eigentlmmer, deren Vorfchriften er oft
hintanfetzte. Mehrere unferer heften Ge-
fetze waren fein Werk, und wurden un-
ter feiner Verwaltung eingeführt.
Ralph und ich waren unzertrennliche
Gefährten. Wir mietheten uns zufam-
men für Viertehalb Schillinge wöchent-
lich ein. Denn diefs war das höchfte, fo
wir dran wenden konnten. Er fand zwar
einige Verwandte zu London; allein lie
waren arm, und nicht im Stande, ihm
zu helfen. Jetzt entdeckte er mir, dafs
es feine Ablicht wäre, in England zu
bleiben, und dafs er niemals nur dran
gedacht hätte, nach Philadelphia zurück-
Jugendjahre. 125
zukehren. Von Gelde war er ganz ent-
blöfst, weil das wenige, fo er hatte an-
fchaffen können , kaum für die Reife hin-
gereicht hatte. Ich hatte noch fünfzehn
Guineen übrig, denen er von Zeit zu
Zeit zufprach, während dafs er irgend-
wo anzukommen fuchte.
Anfänglich, da er fich die nöthigen
Talente zum Schaufpieler zutrauete, woll-
te er auf das Theater gehen. Allein
Wilkes, an welchen er fich desfalls wen-
dete, riedi ihm offenherzig, diefen Ge-
danken fahren zu lalfen , weil es ihm
nimmermehr damit glücken würde. Hier-
auf bot er dem Buchhändler Roberts in
der Paternoflerftfafse ein Wochenblatt
im Gefchmack des Zufpliauers an. Al-
lein feine Bedingungen flanden dem Ro-
berts nicht an. Weiter machte er ver-
fchiedene V erfuche als öfl'entli eher Schrei-
ber angeftell t zu Averde'n , um für Papier-
waaren - Händler ( Stadoner ) uncl Rechts-
gelehrte in Tempel - Square abzufchrei-
ben; allein es fand fich keine Stelle offen.
i a 6 Benjamin Franklin'*
Was hingegen mich betrift, fo kam
ich fogleich bey dem damals berühmten
Buchdrucker Palmer im St. Bartholomäus-
Bezirk an, bey welchem ich beynahe ein
Jahr lang blieb. Ich arbeitete fehr fleifsig;
verzehrte aber auch mit Ralph beynahe
alles wieder, was ich verdiente. Nach-
dem die Schaufpiele und andere Luftör-
ter, die wir oft mit einander befuchten,
meine Guineen aufgezehrt hatten-, fo leb-
ten wir hernach Tag für Tag aus der
Hand in den Mund. Weib und Kind
fchien Ralph gänzlich vergeften zu ha-
ben, fo wie auch ich meiner Verbin-
dung mit Mifs Read nach und nach ver-
gafs. Denn ich fchrieb nur einen einzi-
gen Brief an fte, und der enthielt weiter
nichts, als dafs ich wahrfcheinlich fobald
nicht zurückkehren würde. Dic-fs wai*
abermals eine von meinen grofsen Le-
bensvergehungen, die ich wohl veibef-
fern möchte, wenn ich wieder von vorn
anfangen dürfte. Das lockere Leben,
welches wir führten , machte es immer
Jugendjahre. *37
unmöglich, die Koflen für meine Bück-
reife zu erübrigen.
Ich mufste bey Palmern die zweyte
Auflage von Wollüßon's natürlicher Reli-
gion fetzen. Einige feiner Behauptun-
gen fchienen mir nicht gegründet zu
feyn; daher fehrieb ich eine kleine me-
taphyfifche Abhandlung, in welcher ich
über diefe Stellen Anmerkungen machte.
Sie führte den Titel: Abhandlung über
Freiheit und Notlwendigheit , Vergnügen
und Schmerz. Ich dedicirte fie meinem
Freunde Ralph, fetzte fie, und zog eine
kleine Anzahl Exemplare davon ab. Die-
fe kleine Schrift brachte mir noch mehr
Achtung beym Herrn Palmer zu wege.
Er hielt mich für einen jungen Meir-
ichen von Kopf; jedoch machte er mir
fehr ernfthafte Vorwürfe über- meine
Grundfatze, die ihm verabfeheuungswür-
dig fchienen. Der Druck diefes klei-
nen Werkes war ein neuer Felder mei-
nes Lebens.
lQg Benjamin Franklin’s
Wälirend der Zeit, da ich in Littk-
Britain wohnte, machte ich mit einem
Buchhändler, Namens Wilcox , Bekannt-
fchaft, defien Niederlage an meine Thür
Tiefs. Er hatte eine unermefsliche Samm-
lung von Büchern, die ohne Unterfchied
zufammengekauft waren. Lefekabinetter
waren damals noch nicht gebräuchlich.
Wir wurden zufammen eins, dafs ich
gegen eine billige Erkenntlichkeit, de-
ren Betrag ich jetzt nicht mehr weifs,
die Erlaubnifs haben follte, Bücher bey
ihm auszunehmen, welche ich wollte,
he zu lefen , und darin wieder zurückzu-
geben. Ich hielt diefen Handel für über-
aus vortheilliaft, und benutzte ihn fo gut
ich nur immer konnte.
Mein Scliriftchen fiel in die Hände
eines Wundarztes, Namens Lyons,. Ver-
fafiers eines Buches unter dem Titel:
Die. Untrüglich}! eit der menfchlichen Ur-
theilskrajt , und veranlafste unter uns bei-
den eine enge Verbindung. Er bezeig-
te mir fehr viel Hochachtung, befuchte
• mich
Jugendjahre. 129
mich oft, um fich über dergleichen Ge-
genftände mit mir zu unterhalten, und
Hellte mich dem Doctor Mandeville, dem
Verfafler der Fabel von den Bienen, vor,
der iti einer Schenke auf der Strafse
Cheapßde einen Club hielt, wovon er
die Seele war. Diefs war ein fcherzhaf-
ter äufserft unterhaltender Mann. Er
Hellte mich auch auf Baßons Kaffeehaufe
dem Doctor Pemberton vor, welcher mir
verfprach, es einmal zu vermitteln, dafs
ich den Ritter Ifaac Newton zu fehen
bekäme, wonach ich ein brennendes
Verlangen trug. Allein er hat fein Ver-
fprechen niemals erfüllt.
Ich hatte aus America einige Selten-
heiten mitgebracht, wovon die vorzüg-
lichHe ein Beutel von Asbell war, #er
fich im Reuer reinigt. Der Ritter Hans
Sloane Körte*' davon, kam zu mir und lud
mich in fein Haus zu Bloomsburg - Square
ein. Hier zeigte er mir alles , was er
Seltenes und Merkwürdiges hatte , und
bat mich, mein Stück hinzuzufügen,
I
130 Benjamin Franklin’ s
welches er mir felir anfehnlicli be-
zahlte.
In unferm Haufe wohnte noch eine
junge Modenhändlerin, welche, wenn
ich nicht irre, ihre Bude bey der Börfe
hatte. Diefe Perfon war lebhaft und ge-
fühlvoll , von guter Erziehung und felir
angenehm im Umgänge. Ralph las ihr !
alle Abende Comödien vor. Sie wur-
den zufammen vertraut. Sie bezog eine
andere Wohnung, und er folgte ihr da-
hin. Sie lebten eine Zeitlang zufammen; ,
allein da er ohne allen Erwerb war, fie
ein Kind hatte , und ihr Einkommen für
alle drey nicht hinreichte : fo entfchlofs
ex üeh London zxi verlaßen , und zu ver-
fuchen , ob er nicht eine Landfchule an-
legen könnte.. Er hoffte , cliefs follte ihni
gelingen, weil er nicht nur eine fehr
fchöne Hand fchrieb, fondern fich auch
fehr gut auf Rechnen und Buchhal-
ten verftand. Weil er jedoch diefe La-
.ge unter feiner Würde hielt, und für
die Zukunft auf belfere Glücksumflünde
Jugendjahre. 131
rechnete, in welchen Niemand wißen
füllte, dafs er einft ein fo wenig ehren-
des Gefchaft getrieben hätte, fo verän-
derte er feinen Namen, und erwies mir
die Ehre, den mehligen anzunehmen.
Und wirklich fchrieb er mir bald hierauf,
wie er fich auf einem kleinen Dorfe in
Berkfhire, wenn ich nicht irre, nieder-
geladen hätte, und dafelbft zehn oder
zwölf Kindern, jedem für fechs Pence
Sterl. wöchentlich, lefen und fchreiben
lehrte. Er empfahl die Miftrifs T. . . .
meiner Fürforge, und bat mich, ihm. un-
ter der Auffchrift: an Herrn Franklin ,
Schulmeißer zu N. . . zu antworten.
Er fuhr fort fehr oft an mich zu fchrei-
ben, und mir grofse Bruchilücke eines
epifchen Gedichtes, welches er damals
verfertigte, zuzufchicken, wozu er fich
meine Bemerkungen und Verbeflerun-
gen ausbat. Ich theilte ihm dergleichen
zwar von Zeit zu Zeit mit, bemühte
mich aber auch zugleich, ihn von die-
fer Arbeit abzubringen. Young gab da-
I 2
13 *2 Benjamin Franklin’ s
mals eine feiner Satyren heraus. Ich
fchrieb davon einen grofsen Theil ab,
und fchickte ihm die Stellen, worin der
Verfalle r darthut, welche Thorheit es
fey, den Mufen um defswillen zu opfern,
damit man durch ihre Vermittelung in
der Welt fortkomme, j^ber das half al-
les nichts, mit jeder Poll: kamen neue
Blätter voll Verfe zu feinem Gedichte an.
Wälirend cliefer Begebenheiten hatte
Miftrifs T. . . feinetAvegen ihre Freunde
und Kunden verloren, und befand fich
oft in grofser Noth. Sie nahm ihre Zu-
flucht zu mir, und ich, um fie daraus
zu befreyen^, lieh ihr alles Geld, Avas
ich. erübrigen konnte. Bey diefer Gele-
genheit aber geAvann ich ihr ein Avenig
zu viel Gefchmack ab. Weil mich da-
mals keine Religion zügelte, fo mifs-
brauchte ich die Noth, die üe von mir
abhängig machte, und nahm mir Frey-
heiten (noch ein Fehltritt meines Le-
bens) bey ihr heraus, die fie mit gerech-
tem Unwillen zurückfiiefs» Sie btrich-
Jugendjahre. 133
tete meine Aufführung an Ralph; und
diefer Vorfall entzweyte mich mit ihm.
Als er nach London zurückkam, liefs
er mich wilfen, dafs er durch mein Be-
tragen alle Verbindlichkeiten, die er mir
haben könnte, für getilgt anfähe. Hier-
aus fchlofs ich, dafs ich wohl nicht hof-
fen dürfte, jemals das Geld wieder zu
erhalten, das ich ihm geliehen, oder für
ihn ausgelegt hatte. IndelTen beküm-
merte mich diefs dello weniger, je we-
niger er im Stande war, mich zu bezah-
len. Auch wurde ich durch den Ver-
lud: feiner Freundfchaft von einer fehr
drückenden Laft erleichtert.
Jetzt fing ich an darauf zu denken,
wie ich etwas Geld für die Zukunft zu-
fammenbringen möchte. Da Watt’s
Buchdruckerey bey Lincole-ninsßeld noch
beträchtlicher war, als die, in welcher
ich arbeitete, fo fchien es, dafs ich da-
felbft meine Rechnung befler finden wür-
de. Ich bot mich dafelbft an, wurde
angenommen, und verblieb dafelbft fo
134 Benjamin Franklins
lange ich mich noch in London auf-
hielt.
Beym Eintritt in diefe Druckerey hell-
te ich mich an die Prefie, weil ich Lei-
besübung nöthig zu haben glaubte, wor-
an ich in America gewöhnt war, wo-
felbft die Arbeiter abwechfelnd bald Se-
tzer- bald Druckerdienlle verrichten. Ich
trank nichts als WafTer. Die übrigen
Arbeiter, beynahe fünfzig an der Zahl,
waren gewaldge Biertrinker. Im Fall
der Noth trug ich eine grofse Schrift-
form in jeder Hand fowohl Treppe auf,
als Treppe ab, indefs die andern kaum
Eine mit beyden Händen trugen. Aus
diefem fowohl, als noch vielen andern
Beyfpielen erfahen fie, dafs der america-
nifche IV aßermann, wie fie mich nann-
ten, weit flärker war, als fie, die ftarkes
Bier tranken. Der Bierhandelsburfche
hatte den ganzen Tag vollauf bey uns
zu thun, um die Arbeiter zu verfehen.
Mein Mitgefelle an der Prefie trank täg-
lich einen Schoppen Bier vor dem Früh-
Jugend] ahre'. 135
huck, einen nach demfelben bey Brod.
und Käfe, noch einen zwifchen dem
Prüliftück und demdVlittagseflen, einen
über der Mahlzeit, einen nach dem Mit-
tagseflen' gegen 6 Uhr, und endlich noch
.einen, wann er fein Tagewerk vollendet,
hatte. Mir kam diefe Gewohnheit ab-
fcheulich vor; allein er mufste, wie er
meinte, ftarkes Bier trinken, um hark
bey der Arbeit zu feyn.
Ich bemühte mich, ihn zu überzeugen,
clafs die körperliche Stärke, welche das
Bier gewährte, nicht über das Verhältnifs
des in dem Wafler aufgelöfeten Korns
oder Gerflenmehles, woraus das Bier be-
händ , hinausgehen könnte : nun aber
enthielte ja ein Kreuzerbrot weit mehr
Mehl, als ein Schoppen Bier: wenn er
alfo diefs Brot zu einem Schoppen Wafler
äfse, fo müfste er mehr Stärke davon,
als von einer Kanne' Bier bekommen.
Diefer Beweis hinderte ihn nicht, fein
Biertrinken fortzufetzen, und wöchent-
lich jeden Sonnabend Abends vier öder
I36 Benjamin Franklin*»
fünf Schillinge für diefes elende Getränk
zu bezahlen. Von diefer Ausgabe war
ich völlig frey. Auf folche Weife blie-
ben diefe armen Teufel immer freywil-
lig in ihrer Dürftigkeit.
Als Wats nach einigen Wochen mei-
ner in der Setzerkammer bedurfte, fo
verliefs ich die Prelle. Die Setzer fo-
derten einen neuen Willkommen von
mir. Ich hielt diefes für eine Prellerey,
weil ich fchon unten bezahlt hatte. Der
Druckerherr war auch meiner Meinung,
und verbot mir zu bezahlen. Solcher-
gellalt blieb ich zwey oder drey Wochen
von ihnen abgefondert. Sie betrachte-
ten mich als einen Verflofsenen; und
iobalcl ich mich nur ein wenig entfernt
hatte, fo war keiner von allen den klei-
nen Schelmilreichen mehr zu erfmne'n,
den fie nicht gegen mich ausübten. Ich
fand meine Lettern durcheinander ge-
worfen, meine Seiten verletzt, meine
Materie zerrilTen, u. f. w., und das,
hiefs es dann, habe der Kobolt der Ka-
Jugendjahre. 137
pelle*) gethan, der alle diejenigen neck-
te, die nicht regelmäfsig aufgenommen
wären. Wollte ich alfo wohl oder übel,
fo mufste ich mich, ungeachtet des Schu-
tzes meines Herrn, zur Zahlung verlie-
hen, indem ich mich überzeugte, clafs
es Thorheit wäre, nicht mit denjenigen
fich gut flehen zu wollen, mit welchen
man gleichwohl zufammen leben mufs.
Ich fland mich nach diefem auf das
allerbefle mit ihnen, und gewann fehr
bald unter ihnen einen beträchtlichen
Einflufs. Ich fchlug einige Verände-r
rangen in den Gefetzen der Kapelle vor,
und fetzte he durch, trotz aller Wider-
fetzung. Mein Beyfpiel veranlafste meh-
rere von ihnen, ihrem elenden Bier,
Brot und Käfe zum Frühftück zu entfa-
gen, und fich, wie ich, aus einem be-
nachbarten Haufe eine Schale voll wär-
mer Grütze mit einem Stück Butter dar-
in, und mit Brotkrumen und Pfeffer be-
0 So nennen die Arbeiter die Werkflatt.
138 Benjamin Franklins
fireut, kommen zu laden. Diefs Var
ein weit helleres Frühflück, das nicht
mehr als ein Schoppen Bier, das id,
viertehalb Pence kodete, und ihnen den
Kopf leichter und heller erhielt. Dieje-
nigen, welche fortfuhren fich täglich mit
Bier zu überfüllen, verloren oft, . bey
ausbleibender Zahlung , beym Bierhänd-
ler ihren Credit. Sie nahmen alsdann
gemeiniglich ihre Zuflucht zu mir, dafs
ich für de gut fagen mufste , weil ihnen,
nach einer unter ihnen hergebrachten
Redensart, das Licht ausgegangen war.
Ich hatte dann aber auch Sonnabends
Abends beym Zahlbrett aufzupafien, um
die kleinen Auslagen wieder zu bekom-
men, die ich hatte machen müden, und
die bisweilen wöchentlich wohl an die
dreyfsig Schillinge hipanliefen.
Diefer Umftand, und der Ruf, in
welchem ich ftand, dafs ich ein ziem-
licher Spottvogel wäre., der fich gut auf
die burleske Satyre verbände, unterdütz-
ten mein Anfehn in der Kapelle. Uebri-
Jugendjahre. 139
gens hatte ich mich auch bey meinem
Herrn durch meine UnverclrolTenheit und
dadurch beliebt gemacht, dafs ich kei-
nen blauen Montag feyerte. Meine auf-
ferordentliche Gefchwindigkeit im Setzen
verfchaffte mir immer diejenigen Arbei-
ten, mit denen es Eile hatte, und die
gemeiniglich am bellen bezahlt werden.
Auf diefe Weife brachte ich meine Zeit
fehr angenehm hin.
Da meine bisherige Wohnung in
Litth - Britain zu weit von der Drucke-
rey entfernt war, fo fuchte ich mir eine
andere in Duh-ßreet, der römifchen Ka-
pelle gegen über, aus. Sie lag an der.
Hinterfeite eines Italiänergewölbes. Die
Inhaberin des Haufes war eine Wittwe,
irebft einer Tochter, einer Magd und
einem Ladenburfchen, der auswärts lo-
girte. Nachdem fie frch meinetwegen
in dem Haufe, wo ich zuletzt gewöh-
net, erkundigt hatte, fo liefs fie fich ge-
fallen, mich für eben den Preis, nehrn-
lioh für viertehalb Schillinge wöchent-
340 Benjamin Franklins
lieh, einzunehmen. Sie nähme, fagte fie,
um defswillen mit fo wenigem vorlieb,
' weil es doch für einzelne Frauenzimmer
f^cherer wäre, noch eine Mannsperfon
bey fich im Haufe zu haben.
Diefe Frau, fchon etwas bey Jahren,
war die Tochter eines Predigers. Sie
war in der proteflantifchen Religion er-
zogen; allein ihr Ehemann, deffen An-
denken fie fehr verehrte, hatte fie zur
cadrolifchen Religion bekehret. Sie hat-
te fehr viel unter Perfonen von Stande
gelebt, und wufste taufend Anecdoten,
die bis auf die Zeiten Carls II. hinaus-
liefen. Die Gicht hatte fie in den Knieen
I
gelähmt, fo dafs fie oft das Zimmer nicht
verladen konnte, und daher manches-
mal Gefellfchaft nödiig hatte. Die ihrige
war für mich fo unterhaltend, dafs mir
nichts willkommener war, als den Abend
bey. ihr hinzubringen, fo oft fie meiner
nur begehrte. Unfer Abendeflen beftand
alsdann in einer halben Sardelle für je-
den, auf einem kleinen Schnitte Butter-
Jugendjahre. 141
brot, und in einem halben Schoppen
Ale für uns alle. Öen walken Schmaus
aber gewährten ihre Gefpräche. öa ich
immer darauf bedacht war, bey guter
Zeit einzukommen, und fo wenig Ge-
räufch im Haufe machte, fo wollte fie
nicht gern von mir gefchieden feyn. Als
ich daher von einer mir vorgefchlage-
nen Wohnung fprach, welche meiner
Arbeitsftelle noch näher lag, und wö-
chentlich nur zwey Schillinge kollen füll-
te, welche freylich meinem damaligen
Vorhaben zu fparen noch beffer ent-
fprach, fo beredete he mich, diefelbe
fahren zu Iahen, und liefs mir felbft
zwey Schillinge an dem wöchentlichen
Miethgelde nach. Alfo wohnte ich für
anderthalb Schillinge wöchentlich bey ihr
fort, fo lange ich mich noch in London
aufhielt.
Oben unterm Dache ihres Haufes
lebte eine alte fiebenzigjährige Jungfer
auf die allereingezogenhe Weife. Von
diefer erzählte mir meine Wirthinn fol-
142 Benjamin Franklin’s
gendes. Sie war römifch-catholifch. In
ihrer Jugend hatte man he nach dem
fetten Lande gefchickt, wo üe in ein Klo-
fter gegangen war, um Nonne zu wer-
den. Allein das Klima bekam ihr nicht,
und fo kehrte -üe nach England zurück.
Weil es nun dafelbft keine Nonnenklö-
Her giebt, fo that fie das Gelübde, den-
noch ein Klofterleben zu führen, fo lan-
ge es die Umttände nur geftatten woll-
ten. Dem zufolge hatte tte ihr ganzes
Vermögen zu chriftlichen Liebeswerken
bettimmt, und ttch nicht mehr als zwölf
L. Sterl. jährlich zu ihrem Lebensunter-
halte Vorbehalten. Und auch hiervon
fiel noch ein Theil den Armen zu, in-
dem fie fich mit nichts als Grütze nährte,
und fonft kein Feuer anzündete, als um
diefelbe zu kochen. Sie lebte feit vie-
len Jahren auf diefem Boden, wo die
vornehmften catholifchen Inhaber, die
das Haus von Zeit zu Zeit gehabt hat-
ten , fie umfonft wohnen liefsen, indem
lie ihren Aufenthalt dafelbft für einen
Jugendjahre. 143
Segen des Himmels anfahen. Tag für
Tag kam ein Prieiler zu ihr, um ihre
Beielite zu hören. „Ich habe he ge^
fragt, fetzte meine Wirthinn hinzu, wie
fie bey ihrer Lebensweife dennoch ei-
nem Beichtiger fo viel zu fchaffen ma-
chen könnte. Oh! antwortete he mir,
wer kann alle böfen Gedanken vermei-
den. „
Einlt bekam ich Erlaubnifs fie zu be-
fuchen. Sie war munter und artig , und
ihr Gefpräch gefiel mir ungemein. Ihr
Zimmer war reinlich; allein es war mit
nichts weiter meublirt, als mit einer Ma-
tratze, einem Tifche, worauf ein Cruci-
fix und ein Buch lag; einem Stuhle,
worauf fie mich niederfitzen liefs, und
über dem Kamin hing ein Gemälde der
heiligen Veronica, welche ihr Tuch mit
dem wunderfamen Abdrucke des Ange-
fichles Chrifii ausbreitete, und worüber
fie mir mit dem andächtigften Ernfie
Erklärung gab. Ihr Angeficht war blafs ;
allein fie war niemals krank gewefen.
144 Benjamin Franklin’s
Ich kann fie daher als ein neues Bey-
i'piel aufllellen, welches beweifet, wie
wenig man braucht, Leben und Gefund-
heit zu erhalten.
In der Druckerey wurde ich mit ei-
nem jungen Menfchen von Kopf, Na-
mens Wygate , bekannt, welcher, da er
reiche Aeltern hatte, befTer als gemeine
Buchdrucker erzogen war. Er war ein
ziemlich guter Lateiner, fprach gut fran-
zöfifch, und liebte die Lectiire. Ich lehr-
te fowohl ihm, als einem feiner Freunde
das Schwimmen, indem ich fie nur zwey-
mal zum Flulle führte, worauf fie fehr
bald im Stande waren, ficli felbd zu hel-
fen. Find machten wir zufammen aus,
zu Wader nach Chelfea zu gehen, um da-
felbft das Collegium und die Merkwürdig-
keiten des Dem Saltero, nebll einigen Her-
ren in der Gegend von London zu feilen,
denen lie mich vorftellten. Auf der Rück-
kehr entkleidete ich mich auf Bitten der
Gefellfchaft, deren Neugierde Wygate
.rege gemacht hatte, und fprang in den
Flufs.
Jugendjahre. 145
Flufs. Ich fchwamm nicht weit von Chel-
fca an, bis an Black -fryars, und machte
auf diefer Strecke eine grofse Menge
Kunftftücke der Gewandtheit und Behen-
digkeit fowohl über, als unter dem Waf-
fer. Diefs Schaufpiel verurfachte denen,
welchen es noch neu war, nicht wenig
Erftaunen und Vergnügen. Ich hatte
diefe Uebung feit meiner Kindheit un-
gemein geliebt. Ich konnte und machte
alle Wendungen und Stellungen Theve-
not’s, ja ich hatte noch neue dazu erfun-
den, worin ich mit der Schönheit auch
Nutzen zu vereinigen gefucht hatte. Ich
machte mir ein Vergnügen daraus, he
bey diefer Gelegenheit alle vqrzumachen,
und die Verwunderung, welche fie er-
regten, war mir fehr fchmeichelhaft.
Wygate, der in diefer Kunft Meifter wer-
den wollte, hängte fich um fo mehr an
mich, je mehr auch fonft unfer Ge-
fchmack und unfere Studien zufammen-
flimmten. Er fchlug mir endlich vor,
mit ihm eine Beile durch EurcTpa zu
K
146 . Benjamin Franklin’s
machen, wozu die Arbeit in unferer
Kunfl uns die Koflen liefern würde.
Schon war ich im Begriff einzuwilligen,
als ich mit meinem Freunde Denhatn
darüber fpracli, mit welchem ich gern
eine Stunde hinbrachte, wenn ich Mufse
hatte. Er brachte mich von diefem Vor-
haben ab, und rieth mir vielmehr auf
meine Rückkehr nach Philadelphia zu
denken, fo wie er felbft that. Ich mufs
hier einen Characterzug von diefem wür-
digen Manne erzählen.
Er hatte vor diefem zu Brißol Hand-
lung getrieben. Er machte bankrot, ver-
glich lieh mit feinen Gläubigern, und
ging nach America, rvofelbft er durch
anhaltenden Fleifs in feinem Kaufmanns-
gewerbe in wenig Jahren ein beträcht-
liches Vermögen erwarb. Nachdem er
nun auf ebendeinfelben Schilfe , auf wel-
chem ich mich befand, vorerzählter-
mafsen nach England zurückgekehrt war,
fo lud er alle feine alten Gläubiger zu
einem Schmaufe ein. Als fie beyfanv-
Jugendjahre. 147
men waren , dankte er ihnen für den mil-
den Vergleich, womit he ihn begünfligt
hätten. Keiner von ihnen entartete et-
was weiter, als eine blofse Mahlzeit; al-
lein jeder fand beym Wechfeln des Tel-
lers unter dem feinigen eine Anweifung
auf einen Banquier zur Erhebung nicht
nur der ganzen noch rückftändigen
Hauptfumme, fondern auch der Zinfen.
Er entdeckte mir, wie er Willens
wäre, eine grofse Menge Kaufmanns-
güter mit nach Philadelphia zurückzu
nehmen , und dafelbft ein Magazin an-
zulegen. Zu dem Ende that er mir den
Vorfchlag, dafs ich bey ihm als Schrei-
ber in Dienfte treten möchte, um feine
Bücher zu führen, worin er mich unter-
richten wollte, feine Briefe abzufchrei-
ben, und das Magazin zu verwalten. Er
fügte noch hinzu: Sobald ich mit den
mercantilifchen Gefchäften gehörig um-
zugehen gelernt haben würde, wollte er
mich weiter befördern, mich «mit einer
Ladung von Brot, Melil u. f. w. nach den
K 2
1,48 Benjamin Franklin’s
americanifchen Infein fenden, und mir
fonft noch allerley vortheilhafte Aufträge
machen; fo dafs ich durch gute Auffüh-
rung und Wirthfchaft endlich dahin ge-
langen könnte, mich felbft mit Vortheil
zu etabliren.
Mir gefielen diefe Vorfchläge. Lon-
den fing an mir langweilig zu werden;
die angenehmen Stunden, die ich in Pen-
fylvanien verlebt hatte, fliegen in mei-
ner Seele empor, und ich wünfclite wie-
der 'ähnliche zu geniefsen. Ich trat da-
her für fünfzig Pfund Sterl. Penfylva-
nifch des Jahres bey Herrn Denham in
Dienile. Als Setzer konnte ich es nun
zwar wohl. höher bringen; aber ich hatte
doch hier eine fchönere Ausficht. Ich
Jagte daher d^r Druckerey, und zwar,
wie ich glaubte, mein ewiges Lebewohl,
und überliefs mich ganz meinem neuen
Gewerbe, indem ich theils mit dem Herrn
Denham bey den Kaufleuten umherflrich,
um Waaren einzukaufen, theils felbige
einpacken liefs, theils bey den Arbeits-
Jugendjahre. 149
leuten umherlief, um ihre Abfentlung
zu befördern u. f. w. Als endlich alles
am Bord war, hatte ich noch einige
müfsige Tage.
Während diefer kurzen Zwifchenfrift
verlangte mich ein Herr zu fprechen,
den ich nur dem Namen nach kannte.
Es war der Ritter Wilhelm Wyndham.
Ich begab mich zu ihm. Er hatte, ich
weifs nicht wie, etwas von meiner
Schwimmerey von Chelfea bis Blacbjryars
erfahren , und wufste , dafs ich die Kunft
zu fchwimmen fowohl dem Wygate , als
noch einem andern jungen Menfchen in
wenigen Stunden beygebracht hatte. Sei-
ne beyden Söhne waren efyen im Be-
griff ihre grofse Reife anzutreten; er
wollte daher, dafs fie vorher fchwimmen
lernen follten, und bot mir eine anfehn-
liche Belohnung an, wenn ich es auf
mich nehmen wollte, fie zu unterrich-
ten. Allein noch waren fie nicht in der
Stadt angekommen, und die Dauer mei-
nes eigenen Aufenthaltes dafelbft war
150 Benjamin Franklin’s
ungewifs. Ich konnte daher dem-Vör-
Iclilag nicht annehmen. Aus diefem
Vorfälle liefs fich urtheilen, dafs, wenn
ich in England bleiben, und eine
Schwimmfchule hätte errichten wollen ,
ich viel Geld damit verdient haben wür-
de. Diefe Vorfieliung ergrill mich der-
mafsen, dafs ich fobald noch nicht auf
meine Rückkehr nach America gedacht
haben würde, wenn mir jener Vorfchlag
eher gefchehen wäre.
Mehrere Jahre nachher haben wir
beyde, du und ich, eine wichtigere Sa-
che mit einem diefer Söhne des Ritters
Wilhelm Wyndham, der indeflen Graf
von Egremont geworden war, abzuthun
gehabt. Ich will aber jetzt nicht fo weit
vorausgreifen.
In London brachte ich auf diefe Wei-
fe ungefähr Achtzehn Monathe zu , wäh-
rend welcher ich unausgefetzt in meiner
Profeffion arbeitete, und mir keinen an-
dern Aufwand erlaubte, als dafs ich bis-
weilen ins Schaufpiel ging, und mir
Jugendjahre. 15 1
einige Bücher anfchaffte. hiein Freund
Ralph hatte mich in der Armuth erhal-
ten. Er war mir ungefähr 27 L- Sterl.
fchuldig, die wahrfcheinlich ganz und
gar verloren waren. In der That eine
anfehnliche Summe, die von meinen
kleinen Erfparniffen abging. Gleichwohl
blieb ich ihm gewogen, weil er in der
That viele liebenswürdige Eigenfchaften
befafs. Ob ich indelfen gleich keine
Glücksgüter erworben, fo hatte ich doch
die Made meiner Kenntniffe theils durch
häufige und gute Lectüre, theils durch
clen Umgang mit weifen und gelehrten
Perfonen vermehret.
Wir gingen im Julius 1726 jsu Gra-
vefand unter Segel. Was die Vorfälle
auf diefer Reife betrifft, fo verweife ich
dich auf mein Journal, worin du alles
umfiändlich aufgezeichnet finden wirft.
Im nächften October fliegen wir zu Phi-
ladelphia ans Land. ^
152 Benjamin Franklin’s
Ke.uk war nicht mehr Statthalter zu
Philadelphia; der' Major G-ordon war an
feine Stelle gekommen. Ich begegnete
ihm auf der Strafse, wo er wie ein blofser
Bürger einherging. Er fehlen fich ein
wenig zu fchämen, als er mich fah, aber
er ging vorüber, ohne mir etwas zu
fagen.
Ich würde mich wenigflens eben fo
fehr trov dem Anblick der Mifs Read ge-
fchämt haben, wenn ihre Familie, die
nach Lefung meines Briefes billig an
meiner Rückkehr zweifeln mufste, he
nicht beredet hätte , mir zu entfagen, und
während m einer1 Abwefenheit einen Tö-
pfer, Namens Rogers, zu heirathen. Die-
fer machte he indefien niemals glücklich,
und bald trennte fie fich gänzlich von
ihm. Sie wollte ihm weder beywohnen,
noch auch nur feinen Namen führen ,
weil ein Gerücht umher lief, dafs er
fchon eine Frau hätte. Seine Gefchick-
lichkeit in feiner Profeflion hatte die Ael-
tern der Mif6 Read verleitet; allein er
Jugendjahre. 153
war ein eben fo fehl echter Bürger, als
vortrefflicher Arbeiter. Er gerieth' in
Schulden, nahm die Flucht, und flarb
1727 oder 1728 auf den Infein.
Während meiner Abwefenheit hatte
Krimer ein anfehnliches Haus bezogen,
worin er eine mit Papier und andern
dahin gehörigen Artikeln wohl verfehe-
ne Niederlage hatte. Er hatte fich neue
Lettern im Ueberflufs, und eine Menge
Arbeiter angefchafft, worunter aber, die
Wahrheit zu fagen, kein einziger guter
war. An Arbeit fcliien es ihm nicht zu
fehlen.
Herr Denham nahm ein Gewölbe in
Waterflreet ein, wofelbft wir unfere
Waaren auslegten. Ich war fehr ämfig
bey der Arbeit; fludirte die Buchhalte-
rey, und erwarb mir hierin fehr bald die
gehörige Kenntnifs. Wir wohnten und
fpeifeten zufammen. Er war mir von
Herzen gervogen, und ging nicht an-
ders mit mir um, als wenn er mein Va-
ter gewefen wäre. Ich von meiner Sei-
J54 Benjamin Franklin's
te verehrte und liebte ihn ebenfalls; mei-
ne Lage war jetzt fehr glücklich: allein
diefs Glück war von fehr kurzer Dauer.
Im Anfänge des Februars 1727, da
ich in mein zwey und zwanzigfies Jahr
trat, wurden wir beyde krank. Mich be-
fiel ein Seitenflechen, welches mich
beynahe weggerafft hätte. Ich litt ge-
waltig, und achtete mich für verloren.
Selbfl meine Befreiung War für mich eine
Art von Fehlfchlag, indem es mich
kränkte, diefen unangenehmen Gang
über kurz oder lang noch einmal machen
zu mühen.
Ich habe vergeffen, worin die Krank-
heit des Herrn Denham behänd; allein fie
war langwierig , und endlich erlag er der-
felben. Er liinterliefs mir im Teflament
ein kleines Vermächtnifs zum Zeichen
ferner Gewogenheit, und überliefs mich
von neuem mix felbft in der grofsen und
weiten Welt; denn das Gewölbe gerieth
in die Hände der Vollfixecker des Tefla-
ments , und ich erhielt meinen Abfchied.
Jugendjahre. 3 55
Mein Schwager, Herr Hoimer] der
gerade damals in Philadelphia war, rieth
mir meine vorige Profefiion wieder zu
ergreifen, und Reimer bot mir eine grofse
Befoldnng an, «wenn ich feine Drucke-
rey verwalten wollte , damit er feine gan-
ze Sorge nur feinem Laden widmen
könnte. Seine Frau und feine Verwand
ten zu London hatten mir böfe Dinge
von ihm erzählt; es war mir daher eben
nicht gar felxr daran gelegen , etwas wie-
der mit ihm zu fchaffen zu haben. Ich
fuchte vielmehr bey Kaufleuten anzu-
kommen; da aber keine Stelle fogleich
offen war, fo liefs ich mir Reimers An-
trag gefallen.
In feiner Druckerey fand ich folgen-
de Arbeiter. Hugh Meredith, ein Pen-
fylvanier, fünf und dreyfsig Jahr alt.
Er war eigentlich zum Landwirth erzo-
gen, war ehrlich, gefühlvoll , hatte Er-
fahrung, und liebte die Lectiire; aber
dabey auch den Trunk.
i
156 Benjamin Franklin’s
Stephan Potts , ein Burfche vom Lan-
de, war eben aus der V ormundfchaft ge-
kommen, in welcher er auch erzogen
worden war. Er befafs nicht ganz ge-
meine Naturanlagen, viel Geilt und Leb-
haftigkeit; allein er tliat nicht gern et-
was. Keimet hatte diefe beyden für ein
felir mäfsiges Wochenlohn angenommen,
welches aber nach jedem Vierteljahr um
einen Schilling fleigen follte , fo wie ihre
Fortfehritte in der Buchdruckerkunft es
verdienen würden. Diefe zukünftige Ver-
mehrung des Lohns war die Lockfpeife,
womit er fie eingefangen hafte. Meredith
follte bey der Preffe arbeiten, und Potts
Bücher einbinden , und er hatte fich ver-
pflichtet, beyde hierin zu unterrichten,
wiewohl er felbft weder das eine, noch
das andere verband.
Johann Saurage, ein Irländer, war zu
gar keinem Gewerbe erzogen, und Kci-
mer hatte feine Dienfle von einem
Schiffs capitän auf vier Jahre gekauft.
Dicfer follte auch ein Drucker werden.
Jugendjahre. 157
Georg Weib , Student aus Oxford, den
er ebenfalls auf vier Jahre erkauft hatte,
ivar zum Setzer beftimmt. Ich werde
Von diefem unten ein Mehreres fagen.
Der letzte war DavidHarry , ein Bauer-
knabe , den er zum Lehrling angenom-
men hatte.
Ich merkte fehr bald, wo Keimer hin-
aus wollte, da er mich für eine Befol-
dung annahm, die weit über dasjenige
hinauslief, was er fonh zu geben pflegte.
Ich follte nehmlich alle feine neuen und
wohlfeilen Arbeiter erft anlehren, damit
fie, die durch Verträge an ihn gefefTelt
waren, nach erlangtem Unterrichte ihn
in den Stand fetzen möchten, meiner
wieder zu entbehren. Gleichwohl ging
ich meinen Gang fort, brachte feine
Druckerey , die in der gröfsten Verwir-
rung war, in Ordnung, gewöhnte nach
und nach feine Leute zur Aufmerkfain-
keit auf ihre Arbeit, und machte, dafs
fie befler damit fortkamen..
j-g Benjamin Franklin’s
Sehfam genug war es , einen Studen-
ten von Oxford in der Lage eines er-
kauften Knechtes zu erblicken. Er war
noch nicht über achtzehn Jahr all, und
theilte mir felbft folgendes von feinen
Lebeneumftänden mit. Er war zu Glo-
cefter geboren, und dafelbft in einer la-
teinifchen Schule ( Grammar- School) er-
zogen. Unter feinen Mitfcliülern hatte
er üeh dadurch ausgezeichnet, dafs er
in den Schaufpielen, welche fie aufführ-
ten, feine Rollen vorzüglich gut fpielte.
Er war Mitglied des litterarifchen Clubs
in feiner Provinz gewefen , und hatte in
die öffentlichen Blätter von Glocefter
verfchiedene feiner fowohl poetifchen als
profaifchen Auffätze einrücken laßen..
Von da war er nach Oxford gefcliickt
worden, wo er hch ungefähr ein Jahr-
aufgehalten hatte. Es ftand ihm dafelbft:
nicht an; er wünfchte vor allen Dingen
London zu fehen, und Schaufpieler zu.
werden. Nachdem er einft feinen Vier-
teljahrswechfel von fünfzehn Guineen
Jugendjahre. 15g
erhalten hatte, verlieis er, anftatt feine
Schulden zu bezahlen, die Stadt zu Fufs,
verbarg feine Studentenkleidung in ein
Gebüfch, und ging, nach London. Da
er hier keinen Freund hatte, der ihn
hatte leiten können, fo gerieth er in böfe
Gefelifchaft, brachte feine Guineen bald
durch, konnte auf keinerley Weife bey
der Schaubühne ankommen, wurde ver-
ächtlich, verfetzte feine Kleider und hat-
te das liebe Brot nicht mehr. Wie er
nun aufs er ft ausgehungert die Strafsen
durchlief, und nicht mehr wufste, was
aus ihm werden füllte , fo gab man ihm
einen Werbebrief in die Hand, worin
denjenigen, die fich zu Dienften in Ame-
rica annehmen laßen wollten, fofort ein
Trinkgeld und nachher noch eine Prämie,
angeböten wurde. Er begab lieh fogleich
an den beftimmten Ort, Unterzeichnete
den Vertrag, ward in das Schiff aufge-
nommen, und ging nach America, ohne
feinen Aeltern auch nur in einer Zeile
Nachricht zu geben, was aus ihm gewor-
i6o Benjamin Franklin’s
den wäre. Sein lebhafter Geilt und fei-
ne gute Gemüthsart machten ihn zum
guten Gefellfchafter ; allein er war ar-
beitfcheu, unvorfichtig und aufserft um
befonnen. l
Johann, der Irländer, fäumte nicht,
die Flucht zu nehmen. Mit den übri-
gen fing ich an ein fehr angenehmes Le-
ben zu führen. Sie ehrten mich alle um
fo mehr, je weniger Keimer im Stande
war, fie zu unterrichten; da fiie hinge-
gen von mir alle Tage etwas lernten.
Wir arbeiteten niemals am Sonnabend,
weil chefs Keimers Sabbatli war. Ich hat-
te daher zwey freye Tage zu meiner
Lectüre.
In der Stadt vermehrte ich meine Be-
kanntfcliaften mit wohl unterrichteten
Perfonen. Selblt Keimer begegnete mir
fehr höflich, j* fogar mit einem Anfchein
von Hochachtung, und mich beunru-
higte weiter nichts, als meine Schuld an
Vernon , die ich noch nicht im Stande
war abzutragen, weil ich bisher nur fehr
geringe
Jugendjahre. i6i
geringe Erfparungen hatte machen kön-
nen. Vernon war indefien fo gütig , fein
Geld noch nicht einzufodern.
Unferer Druckerey fehlte es bisweilen
an Sorten, und es war kein Schriftgiefser
in America. Nun hatte ich zwar bey Ja-
mes in London Lettern giefsen feilen,
allein auf das Verfahren nicht fonder-
lich acht gegeben. Indeffen fand ich
doch Mittel eine Form zu verfertigen.
Der Lettern, die wir hatten, bediente
ich mich zu Stempeln, und gofs Lettern
von Bley in Matrizen von Thon. Auf
folche Weife erfetzte ich denn noch er-
träglich genug das, was uns etwa abging.
Ich flach auch im Fall der Notli
mancherley Zierrathen, machte Drucker-
fchwärze, und führte die Aufficht über
das Waarenlager; mit einem Worte, ich
war ein wahres Factotum. Allein was ich
auch Nützliches nur immer vornehmen
mochte, fo bemerkte ich doch, dafs der
Werth meiner Dienfte von Tage zu Ta-
ge abnahm, fo wie die Gefchickliclikeit
L
i6'2 Benjamin Franklin’ s
■der übrigen Hände zunahm; und als Kei-
mer mir meinen zweyten Quartal gelialt
auszahlte, gab er mir zu verliehen, dafs
er doch gar zu hoch wäre, und dafs ich •
feiner Meinung nach wohl etwas ablaf-
fen könnte. Er wurde nach und nach
minder höflich, und nahm mehr den
Herrenton an. Er fand öfters etwas ein-
zuwenden; machte Schwierigkeiten, und
fchien immer bereit, mit mir offenbar
brechen zu rvollen.
Ich fuhr indeffen fort Gedult mit ihm
zu haben, indem ich mir vorflellte, die
Unordnung und Verwirrung in feinen
Angelegenheiten möchten zum Theil
wohl an feiner üblen Laune mit Schuld
feyn. Endlich zerrifs ein gar geringer
Vorfall unlere Verbindung. Da in der
Nachbarfchaft des Haufes ein grofses Ge-
räufch entbanden war, fo fleckte, ich den
Kopf zum Fenfler hinaus, um zu fehen,
''was vorging. JKeiiivtr war auf der Gaffe;
hob die Augen auf, fall mich und rief
mir laut und mit zorniger Stimme zu,
Jugendjahre. 163
dafs ich mich um meine Arbeit beküm-
mern möchte. Er fügte noch einige
Scheltworte hinzu, die mir um fo mehr
zu Herzen gingen , da das alles fo öffent-
lich gefchah, indem alle Nachbarn, die
eben diefes Geräufch an die Fenfter ge-
lockt hatte, Zeugen davon waren, wie
ich behandelt rvurde. Er kam fogleich
in die Druckerey herauf und fuhr fort zu
fchreien. Der Zank wurde auf beyden
Seiten hitzig; er kündigte mir meinen
Abfchied für das nächfte Quartal an, wie
wir es ausgemacht hatten, indem er es
fein- bereuete, üch auf eine fo lange Zeit
mit mir eingelaffen zu haben. Ich fagte
ihm, diefe Heue wäre überflüfsig; denn
ich wollte fogleich gehen. Ich nahm in
der That meinen Huth, ging aus dem
Haufe und bat Meredith, der mir unten
begegnete, für meine zurückgelaffenen
Sachen Sorge zu tragen, und mir felbi-
ge nach meiner Wohnung zu bringen.
Me.re.dith kam am Abend, und wir
fprachen viel über das, was mir wider-
,L 2
164 Benjamin Franklln’s
fahren Avar. Er hatte eine ausnehmende
Ehrfurcht für mich geAvunnen, und es
that ihm äufserft leid, dafs ich das Haus
verliefs, fo lange er noch dortfeyn müfs-
te. Er widerrieth mir, in mein Vater-
land zurückzugehen, Avie ich mir fall vor-
genommen hatte. Er erinnerte mich,
dafs Ktimer alles, Avas er befäfse, noch
fchuldig wäre ; dafs feine Gläubiger an-
fingen unruhig zu Averden ; dafs er feinen
Laden gar elend veiwaltete ; dafs er oft
ohne Profit verkaufte, um nur baares
Geld zu bekommen; dafs er auf Credit
weggäbe, ohne gehörig anzufchreiben ,
und dafs er daher notlrwendig fallen müfs-
te, Avodurch eine für mich vortheilliafte
Lücke entliehen Aviirde. Ich fchützte mei-
nen Geldmangel A-or; und er entdeckte
mir, fein Vater hätte eine fo hohe Mei-
nung von mir, dafs er, befage einer des-
falls mit ilun gehaltenen Unterredung, das
zu unferer Einrichtung erforderliche
Geld geAvifs vorfchiefsen Avürde, AAfenn
ich mit ihm ha Gefellfchaft ueten AArollte.
Jugendjahre. 165
„Meine Zeit bey Körner , Tagte er, ifl
künftiges Frühjahr um. Alsdann kön-
nen wir von London unfere Prefle und
unfere Schriften haben. Ich weifs nun
wohl, dafs ich kein Künftler bin; aber
wenn Sie einwilligen , fo lege ich mein
Geld gegen Ihre Gefchicklichkeit in der
Kunft auf die Wage, und wir können
in Anleitung des Profits zu gleichen
Theilen gehen.,, Sein Vorfchlag liefs
ficli hören; und ich nahm ihn an. Sein
Vater, der fich gerade in der Stadt be-
fand, billigte ihn ebenfalls. Er wufste,
dafs ich fehr viel über feinen Sohn ver-
mochte, weil es mir gelungen war, ihn
feit geraumer Zeit vom Brandweinstrunk
abzuhalten, und hoffte daher, dafs ich
bev einer nähern Verbindung diefe un-
j O
felige Gewohnheit ganz bey ihm tilgen
würde.
Ich gab dem Vater ein Verzeichnifs
der Dinge, die wir von London haben
müfsten. Er ging damit zu einem Kauf-
mann, und die Befiellung wurde ge-
\
i
166 Benjamin Franklin’s
macht. Wir waren eins geworden, die
Sache fo lange geheim zu halten, bis
alles angelangt feyn würde; indeflen füll-
te ich mir, wo möglich, in der andern
Druckerey Arbeit verfchaffen; allein es
war kein Platz ledig, und ich blieb alfo
miifsig. Näch einigen Tagen befchickte
mich Keimei • auf eine fehl' höfliche Art
wieder. Denn er hatte indeflen Hoffnung
bekommen, zum Abdruck einer neuen
Papiermünze in Neu-Jerfey gebraucht zu
werden, für welche Zierrathen und ver-
fchiedene Lettern nöthig feyn würden,
wozu ich allein Rath fchäffen konnte.
Da £r nun fürchtete, dafs Bradford mich
in Dienfte nehmen und ihm diefe Ar-
beit entziehen möchte, fo liefs er mir fa-
gen, dafs alte Freunde fleh nicht um ein
Paar Worte willen, die der Affect her-
ausgeflofsen hätte, auf immer entzweyen
- müfsten, und dafs er mich daher bäte,
zu ihm zurückzukehren. Meredith bere-
dete mich, diefe Einladung anzunehmen,
vornehmlich deswegen, damit er fleh als-
Jugendjahre. 167
dann durch meinen täglichen Unterricht
in der Kunft defto vollkommener machen
möchte. Ich kehrte alfo in der That zu-
rück, und wir lebten von nun an in ei-
nem belfern Vernehmen, als vor unfe-
rer Trennung.
Keimer erhielt die Arbeit für Neu-Jer-
fey. Ich verfertigte zu diefemEnde eine
Kupferdruckerprelfe , und zwar die erfte,
die in diefem Lande zum Vorfchein kam.
Ich hach mehrere Verzierungen und
Vignetten zu den Billets. Wir begaben
uns zufammen nach Burlington , wofelblt
ich alles zur allgemeinen Zufriedenheit
ausführte, und Keimer erhielt für ^liefe
Arbeit eine Summe, wodurch er ha den
Stand gefetzt wurde , den Kopf weit län-
ger über dem Walfer empor zu halten.
Zu Burlington machte ich mit den an-
gefehenflen Perfonen der Provinz Be-
kanntfchaft. Mehrere von ihnen waren
von den Ständen abgeordnet, um auf
die Prelle acht zu haben, und dahin zu
fe.hen , dafs nicht mehr Billets ab ge-
i6'8 Benjamin Franklin's
druckt würden, als das Gefetz beftimmt
hatte. Sie waren daher, ein jeder nach
feiner Reihe, behändig gegenwärtig; und
der, welcher kam, brachte gemeiniglich
noch einen oder zwey Freunde zu feiner
Gefellfchaft mit. Mein Geifl war melir
durch Lectüre gebildet, alsKeimers; und
daher kam es wahrfcheinlich, dafs fie fich
lieber mit mir, als mit ihm unterhiel-
ten. Sie nahmen mich mit in ihre Häu-
fer, hellten mich ihren Freunden vor,
und erwiefen mir alle erlinnliclien Höf-
lichkeiten, indeflen Jfeüner, obgleich
Herr, ein wenig vernachläfsigt wurde.
In der That war er auch ein feltfames
Gefchöpf, unwifiend in allen Lebensge-
bräuchen, immer bereit fich angenom-
menen Meinungen auf eine grobe Art
zu widerfetzen, Schwärmer in einigen
Religionspunkten, unreinlich bis zum
Ekel, und bey allem dem ein wenig
Spitzbube.
Wir hielten uns fall drey Monathe
dafelbft auf, während welcher der Rieh-
Jugendjahre. 169
ter Allen, Samuel Bußill , Provinzial- Se-
cretär; Ifaac Pearfon, Jofeph Cooper, meh-
rere Smith, alles Mitglieder der Provin-
zial -Verfammlung, und der General -In-
fpector Ifaac Decon, meine Freunde wur-
den. Diefer letzte war ein fehr fchlauer
und gewandter Greis, welcher mir er-
zählte , wie er in feiner Jugend zuerft
Thonkärner bey den Zifegelbrennern ge-
wefen wäre. Er war fchon ziemlich bey
Jahren, als er erft fchreiben lernte. Nach,
her hatte er von den. Landmefiern , de.
nen er die Mefskette nachgetragen , die-
fe Wiflenfchaft erlernet, und fich end.
lieh durch feinen Fleifs -ein artiges Ver-
mögen eiworben. „Ich fehe voraus,
fagte er mir eines Tages, dafs Sie die-
fern Menfchen , nelimlich Reimern, bald
das Handwerk legen, und in diefer Kunft
ihr Glück zu Philadelphia machen wer-
den.,, Er wufste damals noch nicht das
mmdefle von meiner etwanigen Abficht
mich dafelbfl oder anderswo niqderzu-
laffen. Diefe Freunde wurden mir in
170 Benjamin Franklin’s
der Folge überaus nützlich, fo wie ich
es auch bey Gelegenheit einigen von ih-
nen wurde, und he haben mir feitdem
insgefamt viele Achtung bewiefen.
Ehe ich dir meinen Eintritt in die
Schranken des bürgerlichen Gewerbes er-
zähle, ift es vielleicht nicht undic-nlich,
dir meinen damaligen moralifchen See-
lenzuftand zu fchildern, damit du erfe-
heft, welchen Finflufs derfelbe auf die
nachmaligen Ereigniffe meines Lebens
gehabt hat.
Meine Eltern hatten mir fchon fehl-
frühzeitig religiöfe Geßnnungen beyge-
bracht, und ich war von Kindesbeinen
an in den Grundfätzen des Presbyteria-
nismus fein- fromm erzogen worden.
Aber kaum war ich funfzehen Jahr alt
geworden, als ich nach mancherley Hin-
und Herzweifeln über diefe und jene
Punkte, je nachdem ich nehmlich diesel-
ben in den verfchiedenen Büchern, die
ich las, an gefo chten fand, endlich an der
ganzen Offenbarung zu zweifeln anfing.
Jugendjahre. 171
Es fielen mir einige Bücher gegen den
Deismus in die Hände. Sie enthielten,
wie man fagte, den Kern der Predigten,
die in Boyle’s Laboratorium gehalten
worden waren. Sie wirkten aber bey mir
gerade das Gegentheil von dem, was die
Verlader lieh vorgefetzt hatten. Denn
die Gründe der Deiften , die zum Behuf
der Widerlegung angeführt rvaren, fchie-
nen mir weit Harker, als die Widerle-
gungen. Mit einem Wort, ich wurde
gar bald ein völliger Deift. Meine Grün-
de verführten noch einige andere junge
Leute, befonders Collins und Ralph. Als
ich mich aber in der Folge erinnerte,
wie viel Böfes mir diefe ohne die min-
deften Gewidensbide zugefügt hatten, als
ich Reiths, auch eines darken Geifies,
Verfahren, ja felbfi meine eigene Auf-
führung gegen Vernon und Mifs Read
erwog: lo fing ich an zu argwohnen,
dafs diefe Lehre, wenn auch gleich wahr,
dach eben nicht gar nützlich wäre. Ich
verlor alfo nach und nach die gute Mei-
1 7 2V Benjamin Franklins
nung von meinem zu London heraus-
gegebenen Schriftchen mit diefem Motto
aus Dry den: Alles was da iß, iß gut;
obgleich der kurzfichtige Menfch nur ei-
nen Theil der Kette erblickt, und von
dem nächßen Gliede feine Augen nicht
bis zu dem wagerechten Balken erheben
kann, der droben alles wägt;,, und wel-
ches fich mit der Behauptung endigte,
dafs vermöge der Eigenfchaften Gottes,
nehmlich feiner unendlichen Güte, Weis-
heit und Allmacht, nichts Böfes in der
Welt feyn könnte, dafs Tugend undLa-
ßer gar keine Wirklichkeit hätten, und
weiter nichts als leere Dißinctionen wä-
ren. Ich fah diefes Werkchen nun nicht
mehr für fo vorwurfsfrey, als vorher
an, und argwohnte, dafs fich meinem
Grunde wohl irgend ein nicht wahrzu-
nehmender Irrthum beygemifcht haben
könnte, der fich alio auch über die ganze
Schlufsfolge verbreitete, wie das bey me-
taphyfifclien Speculationen gewöhnlich
der Fall iß. Ich blieb zuletzt überzeugt,
Jugendjahre. 173
dafs Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit und
Rechtfchalfenheit in dem Betragen des
Menfchen gegen den Menfchen höchft
wichtige Erforderniffe zürn Glück des Le-
bens wären; und ich fafste damals nicht
nur den Entfchlufs , felbige Zeit meines
Lebens zu beobachten, fondern fchrieb
ihn auch in mein Tagebuch nieder.
Die Offenbarung, die Wahrheit zu
fagen, vermochte als folche nichts auf
mein Gemüth; allein ich war doch der
Meinung, dafs obgleich gewiffe Hand-
lungen nicht gut oder böfe feyn könn-
ten, weil gerade die Offenbarung fie ge-
böte oder verböte, dennoch diefelben
von ihr um deswillen geboten oder ver-
boten feyn könnten, weil fie, alle üm-
llande wold erwogen, fchon ihrer Na-
tur nach uns zuträglich oder fchädiich
wären. Diefe Ueberzeugung hat mich,
mit Beyhülfe der Vorfehung, oder ir-
gend eines Schutzengels, vielleichtauch
mancher zufälligen mir günftigen Um-
llande und Lagen, vor aller Unfittlich-
174 Benjamin Franldin’s
keit uncl vor allen groben vorfeit züchen Un-
gerechtigkeiten bewahret, welchen mein
Mangel an Religion in den gefährlich-
flen Tagen der Jugend, und in den
mifslichen Lagen, worin ich mich bis-
weilen -unter fremden Mc-nfchen, ent-
fernt von den Augen und den Rath-
fchlägen meines Vaters befand, mich
ausfetzte. Ich fage vor vorfätzlichen :
denn zu den Fehlern, welche ich in der
That begangen, hatte mich gewiffer-
mafsen meine jugendliche Unerfahren-
heit, oder die Niederträchtigkeit ande-
rer Menfchen genöthigt. Ich hatte da-
her fchon gute Grundfätze und einen fe-
ilen ehrlichen Character, noch ehe ich
in die Welt trat. Ich kannte den W erth
derfelben, und gelobte mir es felbft an,
dabey zu beharren.
Wir waren noch nicht lange wieder
nach Philadelphia zurückgekehrt, als un-
fere typographifclien Geräthfchaften von
Jugendjahre. 175
London ankamen. Ich rechnete mit Rei-
mern ab, und verliefs ihn, mit feinem
guten Willen, noch ehe er etwas davon
*
wufste. Es ftand gerade ein Haus am
Markte offen ; wir mietheten es , und um
uns die Koften zu erleichtern, die da-
mals 24 L. Sterling des Jahres betrugen
(hi dei Folge habe ichs für jo vermie-
det gefehen), nahmen wir noch einen
Giafer , Thomas Godfrey , nebft feiner Fa-
milie, mit ein, der nicht nur einen an-
fehnlichen Theil derfelben trug , fondern
uns auch gegen ein gewiffes Koflgeld
fpeifete.
Kaum hatten wir unfere Lettern ausge-
packt, und die Prelfe gehörig aufgeftelk,
als einer meiner Bekannten, Namens
Georg Houfe , uns einen Landmann zu-
führte, der ihm auf der Strafse aufgeftof-
fen war, indem er fielt nach einem Buch-
drucker erkundigt hatte. Unfre Kaffe war
durch die Menge von Sachen, die wir uns
hatten anfehaffen müffen, fall gänzlich er-
fchopft. Die fünf Schillinge diefes Land-
176 Benjamin Franklin’ s
manns, diefe Erftlinge unfres Erwerbes,
die fo zu gelegener Zeit kamen, mach-
ten mir mehr Freude, als irgend eine
Summe, die ich nachher gewonnen ha-
be; und das Dankgefühl, welches lieh
.gegen Georg Houfe bey diefer Gelegen-
heit in mir regte, hat mich in der Folge
oft weit eifriger gemacht, jungen Anfän-
gern fortzuhelfen, als fonft gefchehen
feyn würde.
So wie es überall trübfinnige Leute
giebt, die nur immer Unglück prophe-
zeien; fo fehlte es daran auch zu Phila-
delphia nicht. Zu dielen gehörte ein ge-
wiffer Samuel Michel , ein Mann fchon
etwas bey Jahren, und nicht ohne Ver-
mögen, mit einem geAvifien Anfehn von
Weisheit, und einer ftattlichen Art üch
auszudrücken. Diefer Mann, den ich
gar nicht kannte , blieb einft vor meiner
Thür liehen, und fragte mich, ob ich
der junge Menfch wäre, der feit kurzem
eine neue Buchdruckerey angelegt hätte.
Als ich nun diefes bejaht hatte, fo fagte er,.
dafs=
Jugendjahre. 177
dafs er mich bedauerte, weil das Unter-
nelimen koftbar und die Auslage fo gut
als verloren wäre. Denn Philadelphia
wäre im Verfall begriffen; alle feine Ein-
wohner hätten bereits ihre Bücher ge-
fchloffen, oder würden es bald thun; er
wiifste ganz zuverläffig, dafs alles, was
etwa auf das Gegentheil fchliefsen Iahen
möchte, wie etwa die neuen Anbaue
und die Erhöhung der Miethzinfen, be-
triegliche Zeichen rvären, die in der That
nur unfern Untergang befchleunigen wür-
den. Er erzälilte mir dabey eine fo lan-
ge Reihe von Unglücksfällen, die fich
entweder fchon ereignet hätten, oder
doch in kurzem ereignen würden , dafs
er mich fall ganz mudilos zurückliefs.
Hätte ich diefen Menfchen eher gekannt,
als ich mich in den Handel einliefs, fo
würde ich unfheitig nichts gewagt ha-
ben. Er führ indeffen fort, in diefer
verfallenden Stadt zu leben, und nach
wie vor zu declamiren. Mehrere Jalue
hindurch wollte er durchaus kein Haus
M
178 Benjamin Franklin’ s
dafelbft kaufen , weil alles fich zum Un-
tergänge neigte. Allein endlich hatte
ich denn doch die Lull zu feilen, dafs
er, um nur eins zu bekommen, wohl
fünfmal mehr bezahlen mufste, als wenn
er gleich im Anfänge feiner Klagelieder
eins gekauft hatre. *
Ich hätte bereits anführen follen , wie
ich fchon im Herblie des letztverwiche-
nen Jahres den gröfsten Theil meiner
gelehrten Bekannten in einen Club ver-
einigt hatte, den wir Junto nannten, und
welcher die Abficht hatte , unfern Ver-
fland zu vervollkommnen. Wir ver-
fammelten uns jeden Freytag Abends.
Die Gefetze, welche ich entwarf, ver-
pflichteten ein jedes Mitglied, nach der
Reihe eine oder mehrere Fragen über
irgend einen Gegenfland der Moral, der
Politik und Phylik aufzuwerfen, um von
der Gefellfchalt erörtert zu werden ; auch
alle drey Monathe einmal eine felbft ver-
fafste Abhandlung über eine beliebige
Materie vorzulegen. Unfere Debatten
Jugendjahre. 179
Tollten der Leitung eines Vorfitzers un-
terworfen feyn, und durch nichts als das
aufrichtige Verlangen, die Wahrheit zu
entdecken , erregt werden ; keine Dispu-
tirluft, kein eitles Beftreben nach Siegs-
ruhm follte fich in unfere Unterfuchun-
gen mifchen ; und um der Erhitzung der
Gemüther zuvor zu kommen, fo wurden
alle Ausdrücke, die eine hartnäckige Be-
hauptung einer Meinung anzeigten, fo
wie überhaupt jeder gerade Widerfpruch
unter Androhung kleiner Geldftrafen ver-
boten.
Die erflen Mitglieder unferes Clubs
waren folgende: Jufeph JSrintnall , der
fi ch mit Actenabfchreiben für Notarien
abgab. Diefer war ein Mann von mitt-
lerm Alter, von guter Gemüthsart, feinen
Freunden aufserft ergeben, und ein grofer
Freund der Dichtkunft. Er las alles,
was ihm vorkam, und fchrieb auch ganz
erträglich. Uebrigens war er fmnreich in
mancherley kleinen Tändeleyen und ein
überaus angenehmer Gefellfchafter.
M 2
iSö Benjamin Franklin’s
Thomas Goilfery , ein gefchickter Ma-
thematiker, der lieh ohne Lehrmeifter ge-
bildet hatte, und in der Folge den foge-
nannten Hadleyfchen Quadranten erfand.
Allein aufser feiner Sfäre war er gar we-
nig bewandert, und in der Gefellfchaft
war er ganz unausßehlich , indem er im-
mer, wie die meiRen grofsen Mathema-
tiker, die mir in meinem Leben vorge-
kommen find , auf einer ganz ungewöhn-
lichen Pünctlichkeit in allem, Adas man
nur fagen mochte, befland, und unauf-
hörlich bey den elencleflen Lumpereyen
entweder widerfprach , oder diRinguirte.
Nichts kann wohl kräftiger feyn, als die-
fes, allen Umgang zu verleiden. Zum
Glück verliefs er uns bald.
Nicolaus Scull, ein Feldmefler, der in
der Folge General -Landmefler wurde.
Er liebte die Bücher und machte V erfe.
Wilhelm Parfons , der zwar zum Schu-
lter-Handwerk erzogen worden war, al-
lein als Freund der Lectüre lieh tiefe
Kenntniffe in der Mathematik erworben
Jugendjahre. 181
* / ' /
hatte. Er fiudirte he in der Folge zum
Behuf der Aflrologie , deren er doch her-
nach zuerft fpottete. Er wurde ebenfalls
General -Landmelfer.
Wilhelm Maugridge , ein Tifchler und
vortrefflicher Mechanicus; übrigens ein
gefetzter und gefcheidter Mann.
Hugo Meredith, Stephan Pott und
Georg Webb, von welchen ich fchon
oben geredet habe.
Robert Grace, ein junger Mann von
i
Vermögen, grofsmüthig, lebhaft und
geiftreich, ein Freund des Epigramms,
aber doch noch mehr feiner Freunde.
Endlich Wilhelm Colemann, damals
Schreiber bey einem Kaufmann , und un-
gc-fähr von meinem Alter. Er hatte den
ruhigflen, aber auch den hellften Kopf,
das belle Herz und die pünctlichf e Mo-
ralität, die ich jemals bey einem Men-
fchen angetroffen habe. Er wurde in
der Folge ein fehr angefehener Kauf-
mann, und einer von unfern Provinzial-
richtern. IJnfere Freundfchaft dauerte
iS2 Benjamin Franklin’ s
ununterbrochen über vierzig Jahre, bis
an feinen Tod, und der Club behänd
fall eben fo lange.
Diefer war damals die belle Schule
der Philofophie und Politik im ganzen
Lande. Denn unfere Fragen, welche »
acht Tage vor der Erörterung aufgewor-
fen wurden , nöthigten uns über die man-
cherley vorkommenden Gegenflände auf-
merkfam nachzulefen, um delto treffen-
der darüber fprechen zu können. Wir
erwarben uns auch dadurch eine F ertig-
keit im gefälligen Ausdrucke , indem rvir
über jeden Gegenlland nach Mafsgabe
unferer Gefetze fo fprachen, dafs es kei-
nen verdriefsen konnte. Gerade diefem
Umflande kann man die lange Fortdauer
diefes Clubs zufchreiben, von welchem
ich in der Folge noch manches zu mel-
den Gelegenheit haben werde.
Hier habe ich feiner als eines Mittels
erwähnt, worauf ich nicht wenig in Rück-
licht auf Einrichtung und Fortgang mei-
nes Gewerbes rechnen konnte, indem
Jugendjahre. 1S3
jedes .Mitglied das Seinige tliat, uns Ar-
beit zu verfchaffen. Brintnall unter an-
dern verfchaffte uns von Seiten der Qua-
ker den Druck von vierzig Bogen ihrer
Gefchichte. Das übrige mufste Reimer
drucken. Wir hatten an diefem Werke
fehr faure Arbeit, weil fie zu niedrigem
Preife bezahlt wurde. Es war in Folio,
auf Propatria -Papier, mit Cicero, und
die Noten waren mit noch kleinerer
Schrift gedruckt. Ich fetzte davon einen
Bogen des Tages, und Meredith Brachte
ihn unter die Preife. Es war oft elf Uhr
des Abends, ja bisweilen noch fpäter,
ehe ich mit meiner Anordnung der Ar-
beit für den folgenden Morgen fertig
wurde. Denn die kleinen Werke, die
uns unfre Freunde von Zeit zu Zeit zu-
fchickten, hielten uns auf. Allein ich
hatte mir es nun einmal fo feft vorge-
nommen, jeden Tag einen Foliobogen
-zu Stande zu bringen, dafs, als ich ein ft
meine Form in Ordnung gebracht hatte,
und nunmehr glaubte, mein Tagewerk
t§4 Benjamin Franklin’s
vollbracht zu haben, hingegen diefe
Form durch einen Zufall zerfprang, und
meine zwey grofsen Columnen Cicero
dadurcli in ein Chaos verwandelt wur-
den, ich fie fogl eich zerlegte , und nicht
eher zu Rette ging, als bis ich fie von
neuem gefetzt hatte.
Diefer wachfame Fleifs, welchen un-
fere Nachbarn wahrnalimen, erwarb uns
nach und nach Anfehen und Zutrauen.
Ich erfuhr unter andern, dafs in dem
Club der Kaufleute , der fleh alle Abende
verfammelte, als die Rede von der neuen
Buchdruckerey gewefen, die allgemeine
Meinung dahin gegangen wäre, dafs fie
zu Grunde gehen würde, indem fchon
zwey Druckereyen, Keimers und Brad-
fords, in der Stadt vorhanden wären.
Aber der Doctor Bund, den wir beyde,
du und ich, viele Jahre nahjier in fei-
nem V aterlande zu St. fsjidri in Schott-
land zu fehen Gelegenheit gehabt ha-
ben, hatte das Gegentheil behauptet.
„Franklins Fleifs, hatte er gefagt, über-
Jugendjahre. 185
trifft alles, was ich in diefer Art noch
gesehen habe. Ich fehe ihn noch des
Abends, wenn ich aus dem Club zu
Haufe gehe , bey feiner Arbeit, und er
ift des Morgens fchon wieder dabey,
noch ehe feine Nachbarn das Bette ver-
laden. „ Diefe Nachricht fetzte die übri-
gen in Verwunderung; und bald kam
ein Mitglied diefes Clubs, und erbot fich,
uns mit Papier zu verfehen; allein wir
wollten uns noch nicht in die Weitläuf-
tigkeiten einer Ladenhaltung einlalfen,
Es gefchieht nicht, um mir felbft Weih-
rauch aufzuftreuen, dafs ich fo unbe-
fangen von meinem Eleifse rede : fon-
dern um defswillen gefchieht eg, dafg
diejenigen von meinen Nachkommen ,
welche djefe Nachrichten lefen, den
Nutzen diefer Tugend kennen lernen
mögen, wenn fie in der Gefchichte mei-
nes Lebens die yortheilhaften Wirkun-
gen delfelben entdecken.
1 8 G Benjamin Franklins
Georg Webb, .dem ein Freund das
nöthige Geld geliehen hatte, um feine
Zeit bey Keimern abzukaufen, kam eines
Tages und bot lieh uns als Gefellen an.
Wir konnten ihn nicht fogleich andel-
len; allein ich war bey diefer Gelegen-
heit fo unvorfichtig, ihm unter dem Sie-
gel der Verfchwiegenheit zu entdecken,
wie ich gefonnen wäre , bald die Her-
ausgabe eines neuen periodifchen Blat-
tes anzufangen, da ich denn Arbeit für
ihn haben würde. Meine Hoffnungen
eines guten Erfolgs gründeten fich, wie
ich ihm nicht verfchwieg, auf den Um-
Rand, dafs die einzige Zeitfchrift, die
wir damals hatten, und welche Bradford
druckte, ein elendes Ding, erbärmlich
ausgeführt, ganz und gar nicht unter-
haltend, und gleichwohl einträglich für
Bradford wäre. Ich dächte daher, dafs
ein gutes Werk diefer Art nothwendig
fein Glück machen müfste. Webb ver-
Jugendjahre. 1 8 7
rieth mein Geheimnifs an Reimern , der
fogleich , um mir zuvor zu kommen ,
den Profpectus zu einem Blatte bekannt
machte, welches bey ihm gedruckt wer-
den, und wobey Webb angeftellt werden
follte.
Mich empörte diefe Plauderhaftigkeit.
Da unfer perjodifches Blatt noch nicht
angefangen werden konnte, fo fchrieb
ich, um ihnen entgegen zu arbeiten,
verfchiedene luftige Auffätze für Brad-
fords Blatt, unter dem Titel des Thu-
all e s ( Bufy - Body) , welche Brintnall ei-
nige Monathe hindurch fortfetzte. Ich
zog auf diefe Weife die Aufmerkfam-
keit des Publicums auf diefes Blatt, und
Reimers Profpectus, den wir lächerlich
machten, wurde verachtet. Er fing nichts
defto weniger fein Blatt an ; nachdem er
es aber neun Monathe lang fortgefetzt
hatte, ohne mehr als höchftens neunzig
Subfcribeuten zufammen zu bringen, fo
I
3 8 S Benjamin Franklin’s
lx)t er mirs felbfl für eine Kleinigkeit an.
Ich war feit einiger Zeit bereit mich da-
mit abzugeben, übernahm es alfo fogleich
für meine Rechnung , und in wenig J äh-
ren brachte es mir fehr viel ein.
Ich werde gewahr, dafs ich immer
geneigt bin, von mir in der einfachen
Zahl zu reden, ungeachtet untere Ge-
fellfchaft noch beftancl. Vielleicht kommt
das daher, weil in der Xhat das ganze
Unternehmen auf mir allein beruhte. Me-
red'ith war kein Setzer, fondern nur ein
armfeliger Drucker, der feiten ganz
nüchtern war. Meine Freunde beklag-
ten mich wegen meiner Verbindung mit
ihm; ich half mir aber fo gut wie mög-
lich.
Unfere erften Stücke fchon machten
einen Eindruck, wie ihn noch nie ein
periodifches Blatt in diefem Lande ge-
macht hatte ^ fowohl in Anfehung der
Lettern, als auch des Druckes. Allein
Jugendjahre. 189
einige beifsende Anmerkungen von mei-
ner Art über die Händel, welche zwi-
lchen dem Statthalter Burnet und der Pro-
vinzial-V erfamrhlung von MaJJucIwfet ob-
walteten, fielen auch Perfonen von hö-
herm Range auf, und waren Schuld,
dafs man fehr viel von diefem Blatte
und feinen Herausgebern fprach. In we-
nig Wochen meldeten fich' alle diefe zur
Subfcription. Ihrem Beyfpiele folgten
viele andere nach, und die Zahl unferer
Subfcribenten wuchs immer höher. Diefs
war eine der erfien guten Wirkungen
der Mühe, die ich darauf verwendet hat-
te, meine Gedanken zu Papier bringen
zu lernen. Ich zog hiervon auch noch
den \ ortheil, dafs die Häupter der Pro-
vinz, die in dem Verfaffer diefer Blätter .
einen Mann erkannten, der fich fo gm
auf die Feder verftand, es für rathfam
hielten, ihm gute Dienfie zu leiden imd
ihn aufzumuntern.
igo Benjamin Franklin’ä
Bradford druckte noch die Motionen,
Gefetze und andere öffentliche Schriften.
Er hatte eine Adreffe der Stände an den
Statthalter fehr fchlecht und uncorrect ge-
druckt. Zierlich und correct druckten
wir he noch einmal, und fchickten jedem
Mitgliede ein Exemplar davon zu. Sie
merkten den Unterfchied; und diefer
verttärkte den Einflufs unferer Freunde
unter den Ständen, welche uns für das
folgende Jahr zu ihren Buchdruckern er-
nannten.
Unter den Freunden, welche wir in
diefer Verfammlung hatten, darf ich ei-
nes ihrer Mitglieder nicht vergehen. Es
ift Herr Hamilton , deffen ich oben er-
wähnt habe, und welcher damals von
England zurückgekommen war. Er ver-
wendete fich bey diefer Gelegenheit fehr
kräftig für mich, lo wie er diefs auch in der
Folge bey vielen andern that, und mir bis
an feinen Tod fein Wohlwollen fchenkte.
Jugendjahre. 191
Um diefe Zeit foderte Vemori, jedoch
el?en nicht dringend, fein Geld wieder.
Ich fchrieb ihm einen fchönen Dankbrief
und bat ihn noch ein wenig Gedult zu
haben, womit er auch zufrieden war;
und lobald ich es nur möglich machen
konnte, bezahlte ich ihm Kapital und
Zinfen mit Aeufserungen der lebhafteren
Erkenntlichkeit. So war denn diefer Feh-
ler meines Lebens einigermafsen wieder
getilgt.
Aber ich gerieth bald in eine Verle-
genheit, deren ich mich nimmermehr
verfallen hätte. Der Vater des Herrn
Merydith , der laut unferes Vertrages die
ganze Anlage zu unferer Druckerey hät-
te herfchiefsen follen, hatte nicht mehr
als hundert L. Sterling baar bezahlt. Der
Kaufmann, der noch einmal fo viel zu
fodern hatte, und nicht länger warten
wollte, nahm uns allezufammen in An-
fpruch. Wir Hellten nun zwar Sicher-
192 Benjamin Franklin’s
heit; allein- mit der traurigen Ausficht,
dafs wenn das Geld um die beftimmte
Zeit nicl^t vorhanden wäre, der Procefs
i'ogleich ^ntfchieden , das Urtheil voll-
ftreckt , alle unfere fchönen Hoffnungen
verfchwunden , und wir gänzlich zu
Grunde gerichtet feyn würden. Denn
fowohl Preffe als Schriften liefen Gefahr
vielleicht um die Hälfte des Werthes zu
Tilgung der Schuld verkauft zu werden.
In diefer Bedrängnifs kamen zwey
wahrhafte Freunde, deren edelmüthiges
Verfahren ich nie vergeffen habe, noch
jemals vergefTen tverde, fo lange nur ir-
gend etwas in meinem Gedächmiffe haf-
tet, jeder belonders zu mir, ohne dafs
einer von dem andern etwas wufste , und
ohne dafs ich mich an den Einen oder
den Andern defsfails gewendet hatte.
Jeder von ihnen erbot hebt mir die ganze
Summe vorzufchiefsen, welche ich nö-
thig haben würde, um die Wirdifchaft
Jugendjalire. 193
wo möglich ganz allein über mich zu
nehmen, weil es ihnen nicht anftimde,
dafs ich die' Verbindung mit Meredith
fortfetzte, den man öfters, wie fie fag-
t
ten, auf der Strafse betrunken, und in
den Wirthshäufern böfe Spiele fpielen
fähe , 'welches unferm Credite fehr nach-
theilig wäre. Diefe beyden Freunde wa-
ren Wilhelm Culemann und Robert Grace.
Ich antwortete ihnen: So lange es wahr-
lcheinlich bliebe, dafs die Meredith den
Contract, fo weit ihnen obläge, erfül-
len würden , fo lange könnte ich um fo
weniger auf eine Trennung antragen, je
mein Dank ich ihnen für dasjenige fcliul-
dig zu feyn glaubte, was fie bereits ge-
ihan hätten , und auch noch thun wür-
den, wenn es ihnen möglich wäre. Soll-
ten üe indelTen ganz offenbar ihrer Ver-
bindlichkeit kein Genüge leihen, fo dafs
unfere Gemeinfcliaft auf hören müfste,
fo würde ich mich alsdann erft für be-
N
1 94 Benjamin Franklin’s
fugt achten, die Unterftützung meiner
Freunde anzunehmen.
In diefer Lage blieben die Dinge eine
Zeitlang. Eines Tages fügte ich zu mei-
uem Gefährten : „Tin- V ater ift vielleicht
unzufrieden, dafs Sie fich mit mir einge-
lafien haben, und will' für uns beyde
nicht thun, was er für Sie allein thun
würde. Wenn das ift,> fo geliehen Sie
mirs aufrichtig. Ich werde ihnen dann
gern alles allein überladen, und mein
Wefen künftig für mich befonders trei-
ben.,, „Nein, antwortete er, mein Va-
ter ift in der Tliat in feinen Erwartun-
gen hintergangen worden; er fieht fich
aufser Stande zu bezahlen, und ich mag
ihn meinetwegen nicht mehr in Sorgen
fetzen. Ich fehe, dafs ich ganz und gar
nicht zum Buchdrucker tauge; ich bin
zum Landwirth erzogen worden, und es
i
war eine Thorheit von mir, in die Stadt
zu kommen, und mich in einem Alter
Jugendjahre. 195
von dreyfsig Jahren noch in die Lehre
zu einem neuen Handwerke zu begeben.
Mehrere von uns Wallifern wollen lieh
in Nord-Carolina niederlaflen , wo die
Ländereyen wohlfeil find. Ich habe Luft
mit ihnen zu ziehen, und meine alte
Handtliierung wieder zu ergreifen. Sie
werden unftreitig Freunde finden, die
Ihnen helfen. Wenn Sie die gemein-
fchaftlichen Schulden übernehmen, mei-
nem Vater die vorgefchofienen hundert
Pfund Sterling erftatten, meine kleinen
Privatfchulden berichtigen, und mir noch
dreyfsig Pfund Sterling, .nebft einem
neuen Sattel, herausgeben wollen, fo
will ich der Gemeinfchaft entfagen, und
Ihnen alles übrige ganz allein über-
laden. „
Ich nahm diefen Vorfchlag an, ohne
%
mich zu bedenken. Er wurde fogleich
niedergefchrieben, unterzeichnet und be-
iiegelt. Ich gab ihm , was er von mix
N n
ig6 Benjamin Fxanklin’s
gefodert hatte, und er reifete bald nach
Carolina ab, von wannen er mir im fol-
genden Jahre zwey lange Briefe fchrieb,
welche die bellen Nachrichten von die-
fein Lande in Anfehung feines Klima,
Bodens, Ackerbaues u. f. w. enthielten,
die darüber zum Vorfchein gekommen
find. Denn in diefen Dingen war er
fehr erfahren. Ich machte fie in meinen
Blättern bekannt, und fie wurden über-
aus wohl aufgenommen.
Sobald er abgereifet war, wendete ich
mich an meine beyden Freunde, und
da ich keinem von beyden einen den an-
dern kränkenden Vorzug geben wollte,
fo nahm ich von jedem die Hälfte des
Angebotenen und mir Unentbehrlichen
an. Ich bezahlte die gemeinfcliaftlichen
Schulden, und fetzte das Gewerbe in
meinem eigenen Namen fort, nachdem
ich das Publicum forgfältig benachrich-
tigt hatte, dafs die Gefellfchaft aufgeho-
Jugendjahre. ng;
ben wäre. Ich glaube, diefs gefchali im
Jahr 172g, oder ungefähr um diefe Zeit.
Um ebendenfelben Zeitpunct verlang-
te das Volk ein neues Papiergeld, wo-
von man bisher für nicht mehr als 15,000
L. Sterling gehabt hatte, welche Summe
der Tilgung nahe war. 'Die reichen Ein.
wohner, eingenommen gegen alles Pa-
pier diefer Art, aus Furcht, dafs es , wie
in Neu -England zum Nachtheil aller
Gläubiger, im Preife fallen würde, wider-
fetzten fich diefei; Foderung. Wir hat-
ten diefen Gegenftand in unferm Junta
bereits erörtert, wofelbft ich mich für die
neue Papiermünze erklärt hatte. Denn
ich war überzeugt, dafs die erfte kleine
im Jahr 1723 verfertigte Summe der Pro-
vinz fehr vortheilhaft gewefen war, in-
dem be den Handel, den Fleifs und die
Bevölkerung begünftigt hatte, fo dafs
man gegenwärtig nicht nur alle Häufer
bewohnt, fondern auch noch viele neue
ig8 Benjamin Franklin’ s
aufbauen fah. Ich erinnerte mich fehr
wohl, dafs, als ich das erflemal mit meh
nem Brot auf der Fauft die Gaffen von
Pliiladelphia durchwanderte, an den mei-
nen Häufern in Valnut -ftreet, zwifchen
Second- ftreet und Fourth-ltreet, fo wie
auch fehr viele in Chesnut - ftreet und
anderwärts, Miethtäfelchen hingen, wel-
ches mich damals auf die Gedanken
brachte, dafs die Einwohner einer nach
dem andern diefe Stadt verliefsen.
V ermittelft unferer Debatten hatte ich
mich diefes Gegenftandes dermafsen be-
mächtigt, dafs ich ein anonymifches
Pamphlet über die Befchaffenheit und die
Nothwendigkeit des Papiergeldes fchrieb
und druckte. Diefes wurde von der ge-
ringem Volksklaffe überall fehr wohl auf-
genommen, dagegen aber mifsfiel es den
Weichen, weil es das Gefchrey nach ei-
ner neuen Papiermünze vermeinte und
verftärkte. Als fich indeffen kein Schrift-
Jugendjahre. 399
heller unter ihnen fand, der darauf zu
antworten im. Stande gewefen wäre, fo
erfchlaffte ihr Widerfland, und das Pro-
ject ging durch, da auch die Majorität
der Stände dafür eingenommen war. Die
Freunde , die ich mir in diefer Verfamm-
lung gemacht, überzeugt, dafs ich bey
diefer Gelegenheit gute Dienfte geleiftet
hatte, hielten dafür, dafs man zu meiner
Belohnung diefe Papiere bey mir drucken
lafTen müfste. Diefe Arbeit war für mich
einträglich, und kam mir ungemein zu
hatten. Wieder ein Vortheil, den ich
der Fertigkeit zu fchreiben verdankte.
Zeit und Erfahrung bewährten fo of-
fenbar den Nutzen des Papiergeldes, dafs
es in der Folge niemals mehr fonder-
lichen Widerfpruch erfuhr. Es flieg da-
her bald bis auf die Summe von 55,000
und im Jahr 1739 gar %o,ooo L. Sterl.
Nach diefer Zeit ift im letzten Kriege
die Summe bis zu 350,000 L. Sterl. erhö-
2do Benjamin Franldin’s
het worden, indem der Handel, die An-
baue und die Zahl der Einwohner mitt-
lerweile immer zugenommfen haben.
Gleichwohl bin ich gegenwärtig über-
zeugt, dafs es auch Gränzen gibt, jen-
feit welcher das Papiergeld nachtheilig
werden kann.
Durch die Vermittlung meines Freun-
des Hamilton erhielt ich bald nachher
auch den Druck der Papiermünze von
Neivcaßle , welchen ich wieder für ein
einträgliches Gefchäft anfehen konnte.
Denn Leuten von geringem Vermögen
erfcheinen auch Kleinigkeiten anfehn-
licli; und in der That gereichte mir al-
les das zu fo gröfserm Vortheile, je mehr
ich dadurch aufgemuntert wurde. Er
verfchafl'te mir auch den Druck der Ver-
ordnungen und Motionen in diefer Statt-
halterfchaft, und diefe Arbeit blieb in
meinen Händen, fo lange ich die Kunlt
trieb.
Jugendjahre. 201
Ich eroffnete damals auch einen klei-
nen Papierwaarenladen; und führte darin
weifse Bücher von allerley Format, fo
fauber, als man fie je bey uns gefehen
hatte. Bey diefem Gefchäfte half mir mein
Freund Brintnall. Ich führte auch Pa-
pier, Pergament, Pappe, Bücher u. f. w.
Ein gewiffer Wite-mach, ein Setzer, den
ich als einen vortrefflichen Arbeiter zu
London kennen gelernt hatte, bot mir
feine Dienfte an; ich nahm ihn an, und
»
er hielt fleifsig bey mir aus. Auch nahm
ich einen Lehrling , einen Sohn des
Aquila-Rofa, an.
Von jetzt an bezahlte ich nach und
nach die Schuld, die ich für die Dru-
ckerey hatte machen müffen. Um mei-
\
nen Credit und Gharacter als Kaufmann
zu behaupten, bemühte ich mich nicht
nur in de.r That fleifsig und fparfam zu
feyn, fondern auch allen Schein des Ger
gentheils zu vermeiden. Ich ging ganz
202
Benjamin Franklin’s
einfach 'gekleidet einher; und nie fall
inan mich an irgend einem öffentlichen
Lullorte. Ich ging weder auf Fifchen
noch Jagen aus. Ein Buch, und die
Wahrheit zu geliehen, bisweilen ein
felbll verfertigtes war meine ganze Aus-
fcliweifung; aber diefs doch nur feiten,
heimlich und ohne Aergernifs. Und um
zu zeigen, dafs ich mich felbll nicht bef-
fer als mein Gewerbe dünkte, fo fchob
ich bisweilen das Papier, welches ich in
den Magazinen gekauft hatte, auf einem
Schiebekarren über die Strafse nach mei-
nem Haufe.
Auf diefe Weife wurde ich überall
als ein junger diätiger Mann und pünkt-
licher Bezahler bekannt. Die Kaufleule,
welche Papierwaaren einführten, Juch-
ten meine Kundfchaft. Andere erboten
fich, mich mit Büchern zu verfehen ; und
mein kleiner Handel ging immer belfer.
Jugendjahre. 203
Während diefer Begebenheiten ver-
fielen Keimers Credit und Handel von
Tage zu Tage fo felir, dafs er endlich
aus Noth und zu Befriedigung der Gläu-
biger feine Druckerey verkaufte , und
nach Barbados ging, wo er noch eine
Zeit lang in höchft armfeligen Umflan-
den lebte. Sein Lehrling, David Harry ,
den ich während der Zeit, da ich bey
Ktimern arbeitete, unterrichtet hatte, kauf-
te feine Gerädifchaften, und liefs fich an
feiner Stelle nieder. Anfänglich furch ■
tete ich an dem Harry einen mächtigen
Mitbuhler zu bekommen, weil er zu ei-
ner angefehenen und vielgeltenden Fa-
milie gehörte. Ich bot ihm daher einen
Gefellfchaftsvertrag an, den er aber zu
meinem Glücke mit der gröfsten Verach-
/ tung von fich wies. Er war äufserft
hofärtig, trug fich wie ein kleiner Prinz,
machte Aufwand, und lief allen Lufl-
barkeiten aufserm Haufe nach. Darüber
Q04 Benjamin Franklin's
gerieth er in Schulden, vernachläfliigte
feine Arbeit, und die Arbeit verliefs ihn.
Als im Lande fich gar bald nichts mehr
für ihn zu thun fand, fo folgte er Kei-
rrurn nach Barbados nach, und nahm die
Druckerey mit. Hier nahm diefer Lehr-
burfche feinen alten Lehrherrn zum Tag-
löhner an. Sie geriethen oft zufammen
in Streit. Harry kam immer weiter zu-
rück, und fall fich endlich genöthigt, fei-
ne Lettern zu verkaufen und zu feiner
Feldarbeit in Penfylvanien zurückzukeh-
ren. Derjenige, der fie kaufte, nahm
Keimern an, um Vortheil davon zu zie-
hen, allein diefer ftarb wenige Jahre
darnach.
Es blieb mir alfo zu Philadelphia
kein anderer Mitbewerber übrig, als Brad-
ford. Allein diefer war ziemlich reich,
veranfialtete höchftens von Zeit zu Zeit
einen Druck durch durchreifende Gefel-
len, und bekümmerte fich nicht fonder-
Jugendjahre. QÖ5
lieh um die Arbeit. Da er indeßen das
Pqftamt verwaltete , fo glaubte man, dafs
er befler im Stande wäre, das Neuelle
zu liefern. Seine Zeitung galt für eine
hellere Verbreiterinn von Anzeigen, als
die meinige, mithin erhielt er deren
auch weit mehrere zum einrücken; und
diefs brachte ihm eben fo vielen Vor-
theil, als mir Schaden. Ich mochte im
mer meine Blätter mit der Poll erhalten
und abfenden, das Publicum wähnte
dennoch das Gegentheil, weil ich das
nicht anders bewerkllelligen konnte, als
durch Behechung der Pollknechte, die
fich daher nicht anders , als nur heimlich
damit befallen konnten, indem Bradford
unedel genug war, es ihnen zu verbie-
ten. Dieses Verfahren verdrofs mich un-
gemein, und ich mifsbilligte es an ihm
fo felir, dafs, als ich in der Folge mich
an feiner Stelle befand, ich mich gar fehr
hütete, ihm nachzuahmen.
ao6 Benjamin Franklin’s
Bis dabin war icli bey Godfrey , der
%
nebft Frau und Kindern einen Theil mei-
nes Haufes und die Hälfte meines La-
dens zum Behuf feines Glaferhandwerks
inne hatte, in die Kofi; gegangen. Er
arbeitete fehr wenig, indem er immer
in feine Mathematik vertieft war.; Mi-
flrifs Godfrey fetzte lieh in den Kopf mich
mit der Tochter Eines ihrer Verwandten
zu verheiradien. Sie fuchte uns Gele-
genheiten zu öftern Zufammenkünften
O
zu verfchaffen, bis fie wahrnalim, dafs
ich mich ernlllich einliefs, welches eben
nicht fcliwer war, da das Mädchen we-
gen feiner perfönlichen Eigenfchaften
diefes gar fehr verdiente. Die Eltern
munterten meine Anwerbungen dadurch
auf, dafs fie mich immer zum Abend-
elfen einluden, und uns fo oft zufam-
men allein liefsen, dafs es endlich zu
Erklärungen kommen mufste. Miflrifs
Godfrey nahm es auf fich, unfern klei-
Jugendjahre. qo?
nen Ehevertrag zu vermitteln. Ich kün-
digte ihr an , dafs ich mit dem Mädchen
eine Summe Geldes erwartete, wovon
ich wenigftens meine auf die Druckerey
noch rückftandige Schuld abtragen könn-
te. Diele betrug, glaube ic^i, damals
nicht mehr über hundert Pfund Sterling.
Millrifs Godfrey brachte mir zur Antwort,
dafs man eine folche Summe jetzt nicht
vorräthig hätte. Ich bemerkte, dafs man
das Geld gegen Verpfändung des Kau-
fes wohl beym Leihhaufe erhalten könn-
te. Nach einigen Tagen lautete die Ant-
wort hierauf dahin, dafs man die Hei-
rath nun doch nicht für zuträglich hielte;
dafs man üch bey Bradford erkundigt
und erfahren hätte , die Buchdruckerpro-
fefiion bringe nicht viel ein; die Schrif-
ten würden fich bald abgenützt haben i
und dann würden neuq nöthig feyn;
J. Keimer und David Harry wären etner
nach dem andern zu Grunde gegangen,
co 8 Benjamin Franklin’s
und mir würde es wahrfcheinlich nicht
befler ergehen. Man verbot mir daher
nunmehr das Haus , und fperrte das
Mädchen ein. Ich kann nicht Tagen, ob
man in der That feine Geünnungen ge-
ändert hatte, oder ob dieis nur ein Kuuft-
fhickchen war, indem man vielleicht
glaubte , dafs wir uns fchon allzu tief mit
einander eingelaflen hätten, um von ein-
ander abzuflehen, und dafs wir uns da-
her wohl heimlich zu verbinden fuchen
möchten, wodurch denn die Eltern Frey-
heit erhalten würden, nach Belieben zu
geben, oder abzufchlagen. Da ich diefs
argwöhnte, fo verdrofs mich der Han-
del, und ich ging nicht mehr hin.
Einige Zeit darnach Tagte mir Miflrifg
' Godfrey , wie man jetzt in der vortheil-
hafteften Stimmung für mich wäre, und
wollte mich daher wieder auf den vori-
gen Weg bringen. Aber ich erklärte ihr,
dafs ich fehle ch ter di ngs mit diefer Fa-
milie
Jugendjahre. 209
mllie nichts mehr zu thun haben wollte.
Die Godfreys wurden darüber empfind-
lich. Von nun an konnten wir keines
Handels mehr eins werden, fie zogen
aus , und iiberliefsen mir das ganze Haus
allein. Ich bemhlofs jetzt keine Mietlis-
leute wieder einzunehmen. Da diefer
Vorgang mich nun einmal zur Heirath
gefiimmt hatte, fo fchaute ich umher,
und machte anderwärts meine Amver-
bungen. Allein ich fand gar bald, dafs
man die Buchdruckerkunft allgemein für
ein armfeliges Gewerbe hielt, und dafs
ich daher wohl kaum auf eine Frau mit
Geld rechnen dürfte, wenn ich anders
nicht auf jede andere Annehmlichkeit
Verzicht thun wollte. Unterdefien ver-
flocht mich diefe jugendliche Leiden-
fchaft, die fo fchwer zu bezähmen ifl,
nicht feiten in Intriguen mit verworfenen
/ Frauensperfonen, die mir hier und da
auffiiefsen. -Allein diefs ging nicht ohne
O
2 10
Benjamin Franklin’s
Kotten und Unbequemlichkeiten ab, der
Gefahr nicht zu gedenken, die ich be
händig lief, meine Gefundheit zu fchwä-
chen, oder gar eine Krankheit aufzule-
fen, die ich über alles fürchtete. Ich
war aber doch glücklich genug, diefer
Gefahr zu entgehen.
Als Nachbar und alter Bekannter hatte
ich mit der Familie der Mifs Read ein
freundfchafdiches Verkehr unterhalten.
Ihre Eltern waren mir immer gewogen
geblieben, feitdem ich in ihrem Haufe
gewohnt hatte. Ich wurde öfters zu ihnen
eingeladen; fie fragten mich über ihre
Angelegenheiten um Rath; und ich war
ihnen bisweilen nützlich gewtfen. Mich
rührte die unglückliche Lage ihrer Toch-
ter, die melancholifch und feiten munter
war, und immer die Einfamkeit fachte.
Ich fall meine Unbefonnenlieit und Un-
beftändigkeit während meines Aufenthal-
tes in London für die^Haupturfache ih-
Jugendjahre. 211
res Unglücks an; obgleich ihre Mutter
treuherzig genug war, lieh felbft weit
mehr Schuld beyzumeflen, als mir, weil
he nicht nur vor meiner Abreife die
Heirath verhindert, fondern ihre Toch-
ter auch vermocht hatte, während mei-
ner Abwefenheit einen andern zu hei-
rathen.
Unfere gegenfeitige Zuneigung er-
wachte wieder, allein es fetzten hch da-
mals unferer Verbindung mächtige Hin-
dernifle entgegen. Ilu-e erfle Heirath
hielt man freylich nicht für gültig, indem,
wie die Rede ging, noch eine erfle Frau
in England am Leben war; allein es hielt
fchwer bey einer fo grofsen Entfernung
die Beweife herbeyzufchaffen; und ob
hch auch gleich das Gerücht verbreitete,
dafs ihr Mann geflorben wäre, fo hatten
wir doch einestheils davon keine Gewifs-
heit, anderntheils hatte er auch viel
Schulden binterlaffen , um derentwillen.
O 2
t
2 1 2 Benjamin Franklin’ s
vielleicht fein Nachfolger in Anfpruch
genommen werden konnte. Wir fetzten
uns indeflen kühnlich über alle diefe Be-
denklichkeiten hinaus, und ich heirathe-
te he am erften September 1730. Nichts
von allen dem, was wir befürchtet hat-
ten, widerfuhr uns. Sie wurde für mich
eine gute und getreue Lebensgefahrtinn,
und half mir gar fehr meinen Laden in
Aufnahme bringen. Wir kamen gut mit
einander fort, und Jaeftrebten uns immer
wechfelsweife einander glücklich zu ma-
chen. Auf diefe Weife verbefierte ich
denn, fo gut ich konnte, diefen grofsen
Fehltritt meiner Jugend.
Unfer Club war damals noch in keine
Schenke verlegt. Wir verhimmelten uns
beym Herrn Grace, der einen Theil fei-
nes Haufes dazu gewidmet hatte. Eines
Tages bemerkte Einer von uns, da bey
\ *
unfern Unterfuchungen über die vorge-
legten Fragen unfere Bücher öfters an-
Jugendjahre. 213
geführt würden, fo würde es bequem
feyn, he alle an unferm Verfammlungs-
orte beyfammen zu haben , um im Falle
der Noth fogleich naclifchlagen zu kön-
nen. Wenn wir folchergeftalt aus un-
fern befondern Bibliotheken eine gemein-
fchaftliche machten, fo gewönne jeder
von uns den Vortheil, auch von den
Büchern der übrigen Mitglieder Ge-
brauch machen zu können, welches fall
eben fo viel werth wäre, als wenn ein
Jeder he insgefamt felbft befäfse. Diefs
fand Beyfall und wurde ausgeführt. Wir
brachten alle Bücher, die wir entbehren
zu können glaubten, in den Verfainm-
lungsfaal. Die Anzahl war nicht fo grofs,
als wir geglaubt hatten. Ob he aber
gleich häufig von uns gebraucht worden
waren, fo bellimmten uns doch einige
Unannehmlichkeiten , die von einem
Mangel an Sorgfalt herrührten, die
Sammlung nach Jahresfrift wieder ziu
' , .1
q 14 Benjamin Franklin’s Jugendjalire.
zerreifsen; und jeder nahm feine Bücher
wieder zu ficli in feinffaus.
Um diefe Zeit that ich meinen erflen
Vorfchlag zu einer öffentlichen Lefean-
ftalt, vermitteln; einer auf Subfcription
anzulegenden Bibliothek. Ich verfertigte
einen Profpectus; liefs die Bedingungen
dazu von uriferm berühmten Notarius
Br och den förmlich entwerfen, und mein
Project gelang, wie man in der Folge
fehen wird.
' p 1 <