DIE BAU: & KUNST:
DENKMAELER DBS
S^RH EINGAUES 221
HEINRICH KELLER- FRANKFURT A-M
DIE
BAU- und KUNSTDENKMÄLER
DES
RHEINGAUES.
DIE
BAU- und KUNSTDENKMÄLER
DES
REGIERUNGSBEZIRKS WIESBADEN
HERAUSGEGEBEN
VON DEM
BEZIRKSVERBAND DES REGIERUNGSBEZIRKS WIESBADEN
I. BAND:
DER RHEINGAU
FRANKFURT A. M.
KOMMISSIONSVERLAG VON HEINRICH KELLER.
1902.
JOLiUS SCHENK JR.
ARCHITEKT
DIE
BAU- und KUNSTDENKMÄLER
DES
RHEINGAUES
IM AUFTRAGE
DES BEZIRKSVERBANDES DES REGIERUNGSBEZIRKS WIESBADEN
BEARBEITET VON
FERDINAND LUTHMER
FRANKFURT A. M.
KOMMISSIONSVERLAG VON HEINRICH KELLER.
1902.
Druck und Papier von Ph. von Zabern, Mainz.
Photographische Aufnahmen von C. Bielek, Eltville; Pet. Weber, Mainz;
C.Böttcher, Frankfurt a. M.; Heiderich, Rüdesheim und dem Verfasser.
Lichtdruck von Martin Rommel & Co., Stuttgart.
Cliches von Meisenbach, Riffarth & Co. in Berlin
und Weinwurm & Haffner in Stuttgart.
Farbendruck von Maubach & Co., Frankfurt a. M.
Fig. 31. Rüdesheim Brömserhof.
Gewölbe - Malereien.
Siehe Seite 41 .
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in 2014
https://archive.org/details/bauundkunstdenkm01luth
VORWORT.
as im Auftrage des Bezirks- Verbandes des Regierungsbezirks Wiesbaden
bearbeitete Verzeichniss der Bau- und Kunstdenkmäler des Rheingau-
kreises bildet den ersten Band eines sich über das ganze Gebiet
des genannten Regierungsbezirks erstreckenden Inventarienwerkes. In
Zwischenräumen von etwa zwei Jahren soll diesem Bande die Bearbeitung der übrigen
Kreise etwa in nachstehender Gruppirung folgen :
Band II. Kreis Usingen; Obertaunuskreis; Kreis Höchst; Landkreis Frankfurt.
Band III. Kreis Limburg ; Unterlahnkreis ; Oberlahnkreis.
Band IV. Kreis Biedenkopf; Dillkreis; Oberwesterwaldkreis; Kreis Westerburg.
Band V. Unterwesterwaldkreis; Kreis St. Goarhausen ; Stadt- und Landkreis
Wiesbaden ; Untertaunuskreis.
Das vorliegende Buch ordnet sich dem Kreise der deutschen Inventarisations-
Werke ein, welche innerhalb der letzten zwanzig Jahre bereits den grössten Theil
der Bau- und Kunstdenkmäler Deutschlands umfasst haben. Im Besonderen sind die
Inventare der Nachbargebiete, der preussischen Rheinprovinz und des Grossherzog-
thums Hessen in der Behandlung des Stoffes und der äusseren Ausstattung vorbildlich
gewesen. Das ausgezeichnete Werk von Dr. W. Lötz und Fr. Schneider „Die Bau-
denkmäler des Regierungsbezirks Wiesbaden," Berlin 1880, Ernst und Korn, bildete
selbstverständlich die Grundlage dieses neuen Unternehmens und den zuverlässigen
Führer bei der Durchforschung seines Gebietes.
Den erweiterten Anforderungen, welche neuerdings an die Inventarisation gestellt
werden, suchte das Buch dadurch gerecht zu werden, dass die zeitliche Grenze bis
zum Ende des 18. Jahrhunderts heraufgerückt, den Denkmälern der dekorativen Kunst
eine eingehendere Aufmerksamkeit geschenkt und für die Beschreibung eine zu-
sammenhängende Darstellung gewählt wurde. Grade in letzter Beziehung war be-
stimmend der Wunsch der Herausgeber, das Interesse für die Ueberreste heimischer
Kunst in die weitesten Kreise zu tragen, indem man ihre Beschreibung in die Form
einer auch dem Nicht-Fachmann willkommenen Lektüre kleidete , deren Belastung
mit archivalischer Forschung weder als Bedürfniss, noch mit dem vorgeschriebenen
Umfang des Buches vereinbar erschien. Der Verfasser ist sich wohl bewusst, dass
nach dieser Richtung seine Arbeit nicht alle Anforderungen methodischer Geschichts-
forschung erfüllt — wie er auch darauf gefasst ist, dass manche Spezialforscher in
diesem Inventar nicht die eingehende Berücksichtigung ihrer Sondergebiete finden
werden, die sie vielleicht erwarten. Dagegen wünscht und hofft er, dass das Buch
in einem möglichst weiten Leserkreise die Freude an der Heimath und ihren Denk-
mälern befestigen hilft.
VI
LITTER ATURN ACHWEIS.
Bär, P. Hermann. Diplomatische Geschichte der Abtei Eberbach im Rheingau,
herausgeg. von Dr. K. Rossel, Wiesbaden 1855 ff., 2 Bde.
Bär, Hermami. Diplomatische Nachrichten von der natürlichen Beschaffenheit und
Kultur des Rheingaues in mittleren Zeiten. Mainz 1790, 8°, Beiträge zur Mainzer
Geschichte der mittleren Zeiten, Stück II.
Bodmann, Frans Jos. Rheingauische Alterthümer oder Landes- und Regiments ver-
fassung des westlichen oder Niederrheingaues im mittleren Zeitalter. Mainz 1819. 4°.
von Cohausen. Die Bergfriede, besonders rheinischer Burgen (in „Jahrbücher des
Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande," Bd. 28, Bonn 1860, S. 1—53. 8°.
von Essenwein, A. Die Kriegsbaukunst. Handbuch der Architektur, II. 4. Bd. 1. Heft.
Darmstadt 1889.
Geier und Görs. Denkmale romanischer Baukunst am Rhein. Frankfurt a. M. 1846 ff.
Gottschalk, Fr. Die Ritterburgen und Bergschlösser Deutschlands. 9 Bde. Halle
1815-35. 8°.
Gudenus. Codex diplomaticus, T. I — V. Goettingae 1743 — 1768. 4°.
Heideloff, Carl. Ornamentik des Mittelalters. 300 Kupfertafeln und erklärender
Text. Nürnberg o. J.
Helwich. Syntagma monumentorum. fol. Manuscr. der Erzbisch. Seminar-Bibliothek
zu Mainz.
Hochstädter} J. Mittelalterliche Bauwerke im südwestlichen Deutschland und am
Rhein. St. Michaelkapelle zu Kiederich, mit 9 Tafeln. Carlsruhe 1865, fol.
Kallenbach, Georg Gottfried und Jac. Schmitt. Die christliche Kirchenbaukunst des
Abendlandes von ihren Anfängen bis zur vollendeten Durchbildung des Spitz-
bogenstyls. Halle 1852-1853. 4°.
Keuscher. Geschichte des Schlosses Ehrenfels und des Mäusethurms, Rüdesheim 1852.
Krieg von Hochfelden, G. H. Grossh. bad. Generalmajor a. D. Geschichte der
Militär-Architektur in Deutschland mit Berücksichtigung der Nachbarländer,
von der Römerherrschaft bis zu den Kreuzzügen, nach Denkmälern und Ur-
kunden. Stuttgart 1859. 8°.
Lots, Prof. Dr. W. Die Baudenkmäler im Regierungsbezirk Wiesbaden, im Auftrage
des königl. Ministeriums für geistliche, Unterrichts- und Medizinal-Angelegen -
heiten bearbeitet; herausgegeben von Friedrich Schneider, Berlin 1880.
Meissner, Daniel. Libellus novus politicus emblematicus civitatum, pars II. Nürnberg 1638.
Meria>i. Topographia archiepiscopatus Moguntiaci 1644.
Piper, Otto. Burgenkunde. Forschungen über gesammtes Bauwesen und Geschichte
der Burgen innerhalb des deutschen Sprachgebietes, München 1895. 8°.
Rossel, K. Urkundenbuch der Abtei Eberbach im Rheingau. Wiesbaden 1862 ff.
Rossel, Dr. Karl und Görs, R. Denkmäler aus Nassau. Herausgegeben von dem
Verein für Nassauische Alterthumskunde und Geschichtsforschung. I. Heft.
Wiesbaden 1852. 4°.
VII
Rossel, Dr. Karl. Denkmäler aus Nassau. II. und III. Heft. Die Abtei Eberbach
im Rheingau. Im Auftrag des Vereins für Nassauische Alterthumskunde und
Geschichtsforschung. 1. u. 2. Lfg. Wiesbaden 1857, 1862. 4°.
Roth, F. W. Fontes rerum Nass. Wiesbaden 1880-84, 8°.
Roth, F. W. Archivar a. D. Geschichte der Stadt Geisenheim im Rheingau, nach
archivalischen Quellen bearbeitet. Herausgeg. von B. Feldmann, Pfarrer und
Schulinspector zu Geisenheim. Geisenheim 1892.
Sachs und Rossel. Album von Nassau, Sammlung der schönsten Ansichten des
Herzogthums nach Original-Aufnahmen von Michael Sachs. Mit erläut. Text
herausgeg. von Karl Rossel. Abth. I. Wiesbaden 1864. Quer 4°.
Sauer, Dr. W. Kgl. Archivar zu Wiesbaden. Codex diplomaticus nassoicus. Nass.
Urkundenbuch, I. Bd., Abth. 1-3. Wiesbaden 1885-87.
Schliephake. Geschichte von Nassau, Wiesbaden 1866—1889, Bd. 1—7. 8°.
Schmelseis, Ph. Pfarrer zu Eibingen. Rüdesheim im Rheingau von seinen Anfängen
bis zur Gegenwart, vorgeführt von Ph. Schmelzeis, Rüdesheim 1881. 8°.
Statz, V. und G. Ungewitter. Gothisches Musterbuch. Mit einer Einleitung von
A. R eiche nsperg er, Leipzig 1856 fol.
Stoff, Leopold M. E. Die Abtei Eberbach im Rheingau. Ein kurzgefasster Führer
für die Besucher derselben. Wiesbaden 1879.
von Stromberg, Chrn. Denkwürdiger und nützlicher rheinischer Antiquarius. Von
einem Nachforscher in historischen Dingen. Abth. II. Das Rheinufer von
Coblenz bis zur Mündung der Nahe, historisch u. topograph. dargestellt durch
Chrn. v. Stromberg. Bd. 1-20. Coblenz 1843-1871.
Vogel, C. D. Decan in Kirberg. Beschreibung des Herzogthums Nassau. Wies-
baden 1843.
Würdtwein, Steph. Alex. Dioecesis Moguntina in Archidiaconatus distincta et com-
mentationibus diplomaticis illustrata. T. I — III, Mannheimii 1769 — 1777. 4°.
Zaun, J. Geistl. Rath und Pfarrer zu Kiederich. Beiträge zur Geschichte des Land-
kapitels Rheingau und seiner vierundzwanzig Pfarreien. Wiesbaden 1879.
Zaun, J. Geschichte des Ortes und der Pfarrei Kiederich. Wiesbaden 1879. 8°.
vm
ZUSATZE UND BERICHTIGUNGEN.
Ueber die Frankfurter Glockengiesser, deren Namen sich auf Rhein-
gauer Glocken finden, ist folgendes zu ermitteln gewesen.
1. Joannes de Francfort, 1377, goss zwei Glocken zu Erbach (S. 175). Von diesem
Giesser berichtet Pfarrer Falk in den „Mittheil, des Ver. f. Gesch. u. Alterthumskde."
Frft. V, S. 608, dass ein Meister Johann (Henne), Glockengiesser, 1362 und 1375 in einem
Hause beim Lumpenborn in Frankfurt lebte ; wahrscheinlich derselbe „Johann, Glocken-
giesser zu Frankfurt" goss 1374 die grosse Glocke in der Burgkirche zu Friedberg.
2. Martin Moller von Frankfurt, 1477, Glocke zu Hattenheim (S. 180). Martin
Moller aus Salza, dem Frankfurt die Bartholomäus- und Karolusglocke im Dom verdankte,
arbeitete 1463 in der Giesshütte hinter dem Martha-Spital (später Konstablerwache).
(Grotefend im Korrespondenzbl. d. Westd. Zeitschr. f. Gesch. u. Kunst VI, Nr. 10, S. 239.)
3. Heinrich Müller von Frankfurt, 1484, Glocke zu Geisenheim. Wahrschein-
lich ist dies der ausgezeichnete Büchsenmeister Heinrich Molner, den Frankfurt 1453 den
Erfurtern abspenstig machte und im vorgenannten Giesshaus installirte. Derselbe focht
im Türkenkriege und richtete interessante Berichte hierüber an den Senat (ebda).
4. Hans zu Frankfurt, 1513, Glocke zu Hattenheim (S. 180) und zwei zu Kidrich
(S. 194, 195). Am lb. Januar 1511 wurde ein Hans von Winterbergk (Städtchen im Sauerland)
durch Dienstbrief (im Frft. Archiv) als Büchsenmeister für die Stadt verpflichtet. Da im
Dienstbrief der Familienname fehlt, so ist nicht festzustellen, ob dieser Giesser mit
Hans Lehne, der 1538 für Hattenheim eine weitere Glocke goss, dieselbe Person ist.
5. Stephan von Frankfurt, 1517, Glocke zu Hallgarten (S. 183). Ist wohl der
Frankfurter Büchsenmeister Steffan von Bingen, der in seinem a. 5. Mai 1515 dat.
Dienstbrief (Frft. Archiv) ausdrücklich „Glockengiesser" genannt wird. Wir finden den-
selben 1520 wieder als Giesser einer Glocke in Langen (Hess. Inventar. Kr. Offenbach).
daselbst (S. 68) ist sechseckig. Das S. 70 nach Lötz aufgeführte Hospital ist Ende
der neunziger Jahre abgebrochen. ^
Lorch, Pfarrkirche. Unter dem Dache des nördlichen Seitenschiffes bemerkt
man in der Obermauer des ersten Joches des Südchors (von Osten) eine senkrechte
Mauerfuge, bei welcher der Verband auf die ganze Höhe der Obermauer unterbrochen
ist. Die Stelle entspricht etwa der westlichen Leibung des gegenüberliegenden
Fensters. Im nächsten Joch nach Westen findet sich in derselben Oberwand, in der Höhe
des Schildbogens eine niedrige , im Halbkreis geschlossene Oeffnung, jetzt vermauert.
S. 162, 10. Z. von unten muss heissen Fig. 155.
Eltville. Die südwestliche Ecke des Palas in
der erzbischöflichen Burg (S. 66 f., Fig. 52) ist nach
nebenstehender Skizze richtigzustellen. In der ersten
Zeile derselben Seite muss das Wort „zinnen-
bekrönter" wegfallen.
Der Treppenthurm des Stockheimer Hofes
Graf zu Ingelheim
Graf zu Eitz
Graf au Schönborn
Graf Boos v. Waldeck
EINLEITUNG.
IE geographische Grenze des Rheingaukreises im Süden und bei der
am Niederwald sich vollziehenden nördlichen Abbiegung des Rheines im
Westen bis Lorchhausen ist der Rheinstrom. Im Osten zieht sich die Grenze
VjSRSSjW etwa 2 Kilometer östlich vom Lauf der Waldaffe mit diesem Bach parallel,
den sie kurz unterhalb Schlangenbad trifft. Von diesem Orte steigt sie auf den Kamm
des Gebirges empor, zieht sich 1,5 Kilometer südlich von Bärstadt und dicht unter
Hausen v. d. Höhe nach Südwesten, macht um den Mapper Hof eine starke Schleife
nach Süden und wendet sich dann, mehrere Querthäler durchschneidend, nordwestlich
ins Thal der Gladbach, von dessen Ausmündung ins Wisperthal sie dem letzteren
etwa 2,5 Kilometer folgt. Bei der Neumühle steigt sie nach Espenschied empor und
erreicht in westlicher Richtung mit einem Bogen über Norden, der die Dörfer Woll-
merschied und Ransel umfasst, das Niederthal, in welchem sie herabsteigt um bei
Lorchhausen wieder auf das Rheinufer zu treffen.
Die politischen Grenzen sind : im Osten der Landkreis Wiesbaden, im Norden
der Untertaunuskreis, nordwestlich der Kreis St. Goarshausen. Die durch den Rhein
vom Rheingau getrennten Nachbargebiete im Westen sind die Kreise St. Goar und
Kreuznach, im Süden die der grossherzoglich hessischen Provinz Rheinhessen ange-
hörigen Kreise Bingen und Mainz.
Dieses, annähernd ein rechtwinkeliges Dreieck mit dem Knie des Rheins als
Winkel bildende Gebiet wird in seinem nördlichen Theile von dem Rheingauer Ge-
birge eingenommen, dem in der „kalten Herberg" oberhalb Hallgarten mit 620 Meter
seine höchste Erhebung erreichenden südwestlichsten Theil des Taunusgebirges. Sein
Rücken zieht sich annähernd parallel dem Strome hin, zu dem es an dem nördlich
gerichteten Lauf desselben zwischen Rüdesheim und Lorch steil abfällt, meist nur ein
schmales Kulturland längs des Flusses belassend, welches zwischen Rüdesheim und
Assmannshausen sich so verengt, dass es kaum der Strasse Platz gewährt. Am west-
lichen Stromlauf dagegen zwischen Niederwalluf und Rüdesheim tritt es weiter vom
Rhein zurück, zeigt von seinem Kamme zunächst ebenfalls steile Abfälle, geht dann
aber in ein vorgeschobenes Hügelland über, welches sich hinreichend weit vom Strome
2 EINLEITUNG.
in die Ebene verläuft, um hier längs desselben einen breiten Streifen fruchtbaren
Kulturlandes zu belassen.
Der Grundstock des Gebirges besteht aus Taunusquarzit, dem sich nördlich
der Wisperschiefer, in den südlichen Vorbergen der Taunus- oder Sericitschiefer an-
schliesst. Die hügeligen Ausläufer in der Ebene bestehen aus tertiären Thonen, Cyrene-
mergel und Geröllschichten ; die Ebene aus Anschwemmungen des Rheins und zahlreicher
kleiner, vom Gebirge herabkommender Bäche, die Lehm, Sand und Geröll führen.
Für diese Bäche bildet die Höhe des Gebirges die Wasserscheide, indem sie
dieselben nach Süden dem Rhein, nach Norden der Wisper zuweist. Während die
südlichen Bäche ihren kurzen Lauf meist ziemlich gradlinig verfolgen, müssen sich
die Nebenbäche der Wisper, Gladbach, Ernstbach mit der Braubach, Ellmach, Hütten-
thaler und Presberger Bach ihren Weg durch das Schiefergebirg, ebenso wie die
Wisper selbt, in vielfachen Windungen bahnen.
Die natürliche Beschaffenheit dieses Gebietes bestimmte von frühesten Zeiten
an die Art der Besiedelung und Bebauung. Es theilt sich in ein fruchtbares, vom
grössten deutschen Strom bespültes Ufergelände und ein schwer zugängliches, von
früh an wie noch heute mit Hochwald bestandenes Bergland; zwischen beiden eine
Zone Hügelland in weichen, welligen Erhebungen, dessen der Morgen- und Mittag-
sonne offenen, gegen Norden durch das Gebirge geschützten Lehnen schon in sehr
früher Zeit als dem Weinbau besonders günstig erkannt wurden. So stellt sich uns
der Rheingau von früh an bis heute als ein Acker- und Weinbau treibendes Land
dar ; der Reichthum seiner Bodenerzeugnisse begünstigte eine verhältnissmässig dichte
Ansiedelung, die sich fast ausschliesslich — mit Ausnahme weniger Ortschaften in
den Vorbergen — am Ufer des Stromes vollzog, meist da, wo einer der zahlreichen
Bäche in denselben einmündet. Es könnte Wunder nehmen, dass sich keine dieser
zahlreichen Ansiedelungen im Lauf der Zeit zu einer grossen Stadt mit städtischen
Gewerben und weitreichendem Grosshandel entwickelte, doch fehlte bei der Abge-
schlossenheit des Rheingaues durch das äusserst schwach bevölkerte Gebirge hierfür
die Hauptbedingung, ein kaufkräftiges Hinterland. Der einzige Ort welcher im Mittel-
alter bereits Stadtrechte besass, Eltville, verdankte dieselben dem Entschluss des
Landesherrn, der hier vorübergehend seine Residenz aufschlug.
Der Rheingau ist eines von den wenigen Gebieten, deren heutiger Umkreis fast
genau die Gestalt bewahrt hat, zu der es sich in einer, den dunkeln Uranfängen der Ge-
schichte angehörigenZeit zusammenschloss. Kein Wunder, dass das Gefühl der Zusammen-
gehörigkeit, durch die Erinnerung an eine fast zwölfhundertjährige gemeinsame Ge-
schichte gefestigt, sich bis heute in ungewöhnlicher Lebhaftigkeit erhalten hat. Der Name
Rheingau (Rincgowe, pagus Rhinensis u. Aehnl.) begegnet uns seit dem achtenjahrhundert.
Allerdings umfasste er zu Anfang ein ungleich grösseres Gebiet; er reichte auf dem
rechten Rheinufer vom Lobdengau bis zum Einrich, d. h. von Weinheim an der Berg-
strasse bis unterhalb Lorch. Der Main gliederte ihn in den oberen und niederen Gau,
deren jeder einem besonderen Grafen unterstand. Der niedere Rheingau theilte sich in den
Königssundragau, der vom Main bis zur Waldaffe reichte und den eigentlichen Rheingau.
»
EINLEITUNG. ' 3
Hilchin v. Lorch Brömscr v. Rüdesheim von der Spar von Stockheim
Es scheint, dass der Königssundragau in ältester Zeit der bevorzugte und kul-
tivirtere Theil dieses Gebietes war. Wenigstens finden wir in ihm die Königsburg in
Biebrich, eine Pfalz in Wiesbaden und mehrere königliche Villen. Erst als Anfangs
des 10. Jahrhunderts dieser Gau zerstückt und zwischen den Grafen von Nassau und
den Dynasten von Eppstein aufgetheilt wurde, gewann der Rheingau erhöhte Be-
deutung, die sich befestigte, seitdem derselbe 961 und 983 durch die Schenkungen
Königs Otto I. und Otto II. an die Mainzer Erzbischöfe Wilhelm und Willigis Eigen-
thum des Erzbisthums Mainz wurde. Mit Ausnahme eines kleinen Waldgebiets im
Nordosten, der sog. Ueberhöhe, welche als Lehen der Erzbischöfe an die Grafen von
Katzenellenbogen und von diesen 1479 an Hessen kam, blieb der Rheingau in seinem
jetzigen Umfang im Besitz des Mainzer Stuhles bis zu dessen Sekularisation i. J. 1803.
Im Gegensatz zu andern Theilen dieses Besitzes behauptete der Rheingau auf
das ausgesprochenste sein eigenes politisches Gepräge, bildete gleichsam einen Staat
im Staate oder bietet, nach Riehl's allerdings vielfach angefochtener Auffassung, den
Anblick eines über ein grosses Gebiet verstreuten, aber in sich geschlossenen und
sogar äusserlich umfriedeten Stadtbildes.
Abgesehen von dieser wehrhaften Umfriedung gegen äussere Feinde, von deren
Hauptanlage, dem „Gebück" noch eingehender zu reden sein wird, erfreuten sich die
Rheingauer einer eigenen Verfassung, deren grosse Selbständigkeit das stolze Wort
„Rheingauer Luft macht frei" berechtigt erscheinen Hess. Diese Verfassung, 1324 im
„Landweisthum" niedergeschrieben und durch eine 1643 verfasste Zusammenstellung
des Landesherkommens, die amtliche Geltung hatte, bestätigt, wurde erst 1755 durch
das Mainzische Landrecht beseitigt. Sie gewährte den Bewohnern des Rheingaus
persönliche Freiheit : sie waren weder leibeigen, noch hörig, auch Niemandem zu
Leibzins oder Frondienst verpflichtet, und hatten volle Freiheit des Ein- und Aus-
zuges. Sie hatten das Recht eigener Gesetzgebung, welches auf den nach Bedarf
zusammenberufenen Gaudingen oder Landthaidingen geübt wurde, die auf der bei
Winkel im Rhein gelegenen Lutzelau, später in Eltville abgehalten wurden und auf
denen jeder, ob Bauer oder Adliger, der „einen rauchenden Herd und eine stätige
Wohnung" besass, gleiches Recht hatte. Diesen Versammlungen stand auch die
höhere Gerichtsbarkeit zu, während die niedere, sowie die Land- und Dorfpolizei von
den aus selbstgewählten Schultheissen und Schöffen bestehenden Dorfgerichten
geübt wurde.
4
EINLEITUNG.
Auf der Lutzelau pflegte auch stets der neugewählte Erzbischof und Kurfürst von
Mainz mit grossem Gepränge zu erscheinen, um sich dem Rheingau als sein neuer Ober-
herr vorzustellen, und erst nachdem er in feierlicher Handlung die Rechte und Frei-
heiten des „Weisthums" beschworen hatte, empfing er den Treuschwur der Rheingauer.
Wald, Weide und Wasser waren ursprünglich im Rheingau Gemeingut, Jedem
zu gleicher Benutzung gestattet; erst später zweigten sich davon Einzelbesitze der
Ortschaften ab. Ueber die Wahrung dieses Rechtes wachte das Markrecht oder Hain-
gericht (Haingeraide, Hängeroth), dessen Sitz in Eltville war.
a Die Rheingauer waren, wie
Nordseite durch einen lebenden Zaun von riesenhaften Abmessungen gesichert, des
Landes Bannzäune genannt.*) In dem hauptsächlich mit Buchen und Eichen be-
standenen Hochwald wurden in einem ca. 50 Schritt breiten Streifen alle Bäume in
verschiedener Höhe abgeworfen, und die unten ausschlagenden Triebe zu einem Zaun
verflochten, der allmählich für Fussgänger und Reiter undurchdringlich wurde. Um
die wenigen durch diesen Zaun führenden Wege zu sichern, wurden bei ihrem Austritt
befestigte Thore errichtet. Ob dieselben schon in sehr früher Zeit bestanden, muss
dahingestellt bleiben. Die Hauptanlage scheint in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
entstanden zu sein, wobei die Feuervertheidigung zu Grunde gelegt wurde.
Ein ganzes System solcher Vertheidigungsbauten fand sich im Thal der Waldaffa,
wo das Gebück seinen Anfang nahm. Es bestand auf der Strecke von Niederwalluf
bis zum Engpass der Klinge (oberhalb Neudorf bei der jetzigen Klingenmühle) aus
16 niedrigen, massiv erbauten Thürmen, nach der Angriffsseite rund, innen grade
abgeschnitten, in zwei Stockwerken kasemattirt mit Scharten für Geschütz. Von ihrer
*) von Cohausen. Das Rheingauer Gebück; mit einer Uebersichtskarte, in Nass. Annalen,
113, 48 — 178 und Tafel 12. Bodmann, 817 fr.
Stuhles war ihr besonderes Vor-
recht. Vor allem aber suchten
sie ihr eigenes Land gegen
fremde Einfälle zu sichern. Wäh-
rend im Süden und Westen der
Strom den natürlichen Schutz
gewährte, wurde die Ost- und
es freien Männern ziemt, ein
wehrhaftes und tapferes Ge-
schlecht. Wenn sie dem Erz-
bischof Heeresfolge leisteten, so
kämpften sie unter eigenen
Hauptleuten als die vordersten
der Schlachtordnung; die Be-
wachung des erzbischöflichen
Palastes bei Erledigung des
Figur 1. Die Klinge, nach Reijfenstein 1S49.
EINLEITUNG.
5
Greiffenklau v. Vollrats von Ippelbrunn von Hausen Langwert/i v. Simmern
Form führten sie im Volk den Namen der „Backöfen." Besonders bezeichnet wurden
unter ihnen das 1470 erbaute Bollwerk am damals so genannten Molkenborn bei
Neudorf, die „Leuchte" oder das Winkeler und das obere Oestricher Bollwerk oder
der „Stock," vom Erzbischof Berthold (1484—1504) erbaut.
Das befestigte Thor an der Klinge, wo ein vortretender Schieferfels das Thal
sperrte, lehnte sich an diesen mit einem mit Wehrgang versehenen Thorbogen,
während nach der Bachseite ein viereckiger Thurm den Abschluss herstellte. Eine
Skizze, welche Reiffenstein 1849 offenbar nach einer älteren Abbildung von dem 1822
schon abgebrochenen Thor gezeichnet hat, giebt
uns noch ein deutliches Bild der Anlage.
Hinter der Klinge verliess die Befestigung
das Thal der Waldaffa und stieg den ziemlich
steilen Hang der linken Thalseite empor, wo in
dem jetzt bestehenden Jungwald jede Spur ver-
wischt ist. Den ersten Gebückbäumen begegnet
man auf der Höhe des Dreibornskopfes. Sie sind
unter dem übrigen Waldbestand unschwer zu
erkennen und machen den Eindruck riesiger
Weidenstumpfe. Der uralte, 5—6 Jahrhunderte
zählende Stamm steigt etwa 6 m nackt in die
Höhe ; starke Wulste an seinem untern Theil ver-
rathen die Stellen, wo die zu einem Dickicht ver-
flochtenen Zweige gesessen haben ; aus der Krone
haben sich seit der Zerstörung des Gebücks 1771
neue Zweige nach oben entwickelt, welche jetzt
die Stärke ansehnlicher Stämme haben.
Auf der Höhe angelangt, wendete sich das
Gebück westlich, umzog die süd - westlich von
Bärstadt gelegene kreisrunde Schanze, welche
wahrscheinlich ehemals einen Wartthurm trug, im
Bogen und wendete sich südwestlich nach dem
Dorf Hausen vor der Höhe. Hier hatten, südöstlich
vor dem Dorf die Kidricher im Anfang des 15. Jahr-
Figur 2. Gebückbaum bei Hansen v. d. H.
EINLEITUNG.
hunderts das HauserBollwerk errichtet, einen starken burglichen Bau mit hohem
Thurm , durch einen halbmondförmigen Erdwall geschützt, der jetzt gänzlich ver-
schwunden ist; nur ein besonders schöner Gebückbaum am Eingang des Waldes er-
innert hier an die Landbefestigung. In südöstlicher Richtung dicht nördlich neben dem
uralten Rennweg oder der „hohen Strasse" fortschreitend, wo an der Kreuzung desselben
mit der von Eltville nach Obergladbach führenden Strasse wieder eine schöne Gruppe
von Bäumen erhalten ist, erreichte dann das Gebück die Mapper Schanze, einen
befestigten Thorbau, welcher die von Oestrich das Gebirge überschneidende Strasse
schützte. Von diesem steht noch eine ansehnliche Ruine, ein viereckiger Thorthurm,
durch dessen spitzbogige Thor - Oeffnung die Strasse führt, östlich angelehnt an ein
Rondel von 3,50 m innerem Durchmesser, mit Kuppelgewölbe und vier inneren Nischen
für ebenso viel Maulscharten. Zu beiden Seiten schliessen sich kurze, ebenfalls mit
Scharten versehene etwas gebogene Mauer-
stücke an. Vor dem Thore liegt an der
Westseite ein halbmondförmiges Erdwerk
mit 1,5 m hoher Brustwehr und Graben.
Nach der über einer Scharte des Rondels
eingemeisselten Zahl wurde das Bauwerk
1494 errichtet.
Bis nördlich von dem Dorf Stephans-
hausen behält das Gebück die südwestliche
Richtung bei, und nimmt dann, der von
Winkel ins Wisperthal führenden Strasse
folgend, nordwestliche Richtung an. Auf
dieser Strecke lag das starke Bollwerk
Weissenthurm, seit 1816 ebenfalls ver-
schwunden, dessen Namen noch in dem
Forsthause erhalten ist. Von hier zog sich
das Gebück auf der Höhe westlich vom
Elmachbach und dem Wehrgraben zum
Thal der Wisper hinab , das es bei der
Figur 3. Die Mapper Schanze Aussenseite. Kammerberger Mühle überschritt, um jen-
seits zwischen Rheinberg und der Aacher Schanze wieder zur Höhe emporzusteigen.
Von hier in westlicher Richtung überschritt es das Sauerthal südlich von der
Sauerburg und lief im Niederthal bei Lorchhausen gegen das Rheinthal aus.
Diese starke Landwehr wurde in hohen Ehren gehalten und durch strenge
Gesetze geschützt. Als sich 1619 die ersten Wolken des grossen Religionskrieges
zusammenzogen, verordnete ein zu Oestrich abgehaltener Landtag, dass an den Boll-
werken und Schlägen alles Schadhafte ausgebessert, kein Pfad ausserhalb der all-
gemeinen Pforten zugelassen und das Gehen oder Kriechen durch das Gebück, ja
selbst das Abschneiden einer Spiessgerte mit 10 Goldgulden bestraft werden sollte.
Dennoch vermochte dies Landesbollwerk den Angriffen des dreissigjährigen Krieges
EINLEITUNG.
7
v. Walderdorf von Breidbach von Hunoltstein Ritter v. Grünstein
nicht zu widerstehen; wiederholt fanden feindliche Kriegsvölker durch Verrath Eingang
in dasselbe, sodass es 1771 nicht mehr in wehrhaftem Zustande befunden und dem
Abbruch und der Ausrodung überliefert wurde. Die „Backöfen" mussten zu Ende
des 18. Jahrhunderts das Material zum Bau der Strasse durch das Waldaffethal hergeben.
Wie überall, so gliederte sich auch im Rheingau die Einwohnerschaft in
Nährstand, Wehrstand und Lehrstand. Der erstere, der freie Bauer- und Bürgerstand,
sass in den Ortschaften, die, wie bereits gesagt, längs des Rheinufers dicht zusammen-
gedrängt, manchmal wie bei Oestrich - Mittelheim -Winkel wie eine langgestreckte
Ortschaft nebeneinanderlagen. Es war eine vorwiegend landbauende Bevölkerung
deren Haupterzeugniss der Wein bildete. Wann der Weinbau zuerst im Rheingau
eingeführt worden, ist geschichtlich nicht festzustellen. Unter den ersten Karolingern
besitzt er schon Bedeutung, 832 wird er in Lorch, 864 in Rüdesheim zuerst urkundlich
erwähnt. Bezeichnend für seine wirtschaftliche Bedeutung ist, dass die allermeisten
rheingauischen Urkunden sich mit Kauf und Tausch von Weinbergen, Abgabepflicht
von Wein u. dgl. beschäftigen. Man darf annehmen, dass die erste Stelle unter den
deutschen Weinen, welche dem Rheingauer Gewächs heute eingeräumt wird, ihm
schon im frühen Mittelalter eigen war. Die Anrodung der heute noch berühmtesten
Weinberge, des Bodenthals bei Lorch, der Assmannshäuser und Rüdesheimer Lagen,
des Johannisbergs und der Hügel bei Geisenheim, des Markobrunns bei Erbach, des
Steinbergs, des Gräfenbergs u. A. fällt in das 9. bis 12. Jahrhundert. Schon im 13. war
man bei Hallgarten, Kidrich, Kloster Eberbach, Rauenthal der Höhe des Gebirges
mit Weinbergen so nahe gerückt, wie das Klima zuliess. Mit der hohen Schätzung des
Rheingauer Weines ging ein lebhafter Export Hand in Hand. Den Weinhandel
mit allen sich ihm angliedernden Betrieben hat man neben dem Weinbau von frühester
Zeit an als die Hauptquelle der Wohlhabenheit des Landes anzusehen. Bacharach,
Köln und Frankfurt waren die Stapelplätze des Rheingauer Weines ; von Köln aus
sorgte die Hansa für seine weitere Verbreitung in den nordischen Ländern. Bei der
Wichtigkeit dieses Erwerbszweiges ist es nur natürlich, wenn wir denselben schon
früh gemeinsamen Wirthschaftsregeln unterworfen finden, in deren Aufstellung und
gesetzmässiger Beobachtung sich wieder das Gemeingefühl dieses abgeschlossenen
Landstrichs lebhaft ausspricht Ohne hierauf näher einzugehen, sei nur auf die Keller-
visitationen, die Maassregeln gegen Weinfälschung und die rationellen Vorkehrungen
zur Erzielung entsprechender Durchschnittspreise, die sog. Gabelungen hingewiesen.
8
EINLEITUNG.
Neben dieser Hauptbeschäftigung nehmen die anderen bürgerlichen Gewerbe
in den Ortschaften keinen bedeutenden Raum ein; auffallend ist nur die Menge der
Mühlen in einem kaum über den eigenen Bedarf Brotfrucht bauenden Lande. Von
den Handwerken werden Goldschmiede in Hattenheim erwähnt; Zeug- und Waffen-
schmiede, Gerbereien, Tuchmanufaktur und Walkmühlen kommen in den einzelnen
Ortschaften vor, Töpferei in Aulhausen. Der grosse schiffbare Strom ernährte zahl-
reiche Schiffer, besonders in Rüdesheim, wo sie Lootsendienste für die Fahrt durch
das Binger Loch zu leisten hatten. Die Schwierigkeiten dieser Durchfahrt entwickelte
in Lorch und Rüdesheim ein einträgliches Fuhrwesen, welches den Transport von
Wein und Gütern über das Gebirge besorgte, wenn der Strom unpassirbar war.
Ueberraschend gross ist die Zahl der Adelsgeschlechter, welche man vom
frühen Mittelalter an im Rheingau ansässig findet. Dem Range nach die Höchst-
stehenden waren die Rheingrafen, die Nachfolger der alten Gaugrafen, die im Namen
des Kaisers den Blutbann, für den geistlichen Landesherrn die bürgerliche Gerichts-
barkeit übten. Doch endete ihre Macht sowie ihre Zugehörigkeit zum Rheingau schon
1279 mit der Sponheimer Fehde, in der sie sich auf die Seite der Feinde des Erz-
bischofs geschlagen hatten- An ihre Stelle trat als oberster Statthalter des Erzbischofs
der Vicedom (Vitzthum), eine Würde, die vom Landesherrn frei übertragen wurde, und
in deren Besitz wir z. B. das Geschlecht der Rüdesheimer Brömser wiederholt linden.
Der übrige Adel entwickelte sich aus den ritterbürtigen Dienstmannen des
Erzbischofs, die zum Theil auf dessen rheingauischen Burgen, Scharfenstein, Ehren-
fels und Eltville sassen und aus den in den einzelnen Orten reich begüterten alten
Geschlechtern, wie den Vollrats in Hattenheim, den Langwerth und Eitz in Eltville,
den Hilchen in Lorch. Zu ihnen kam eine grosse Zahl auswärtiger Adelsgeschlechter,
die in dem Rheingau Weingüter erwarben. Bei der persönlichen Freiständigkeit
der Rheingauer Bevölkerung nahmen diese Adeligen die Stellung von „Gleichen
unter Gleichen" ein und wählten ihre Wohnsitze mit Vorliebe innerhalb der rhein-
gauischen Ortschaften. In diesen sehen wir daher noch heute eine grosse Anzahl
von kaum befestigten Burghäusern, während die im übrigen Nassau so zahlreichen
Bergfesten selbständiger Dynastengeschlechter im Rheingau fehlen.
In geistlicher Beziehung war das Land schon vor der ottonischen Schenkung
dem Mainzer Erzbischof unterstellt. Er übte die geistliche Oberaufsicht und Gerichts-
barkeit. Seine Organe hierfür, die Archidiakone, waren früher die Pröbste der Mainzer
Stifter, insbesondere des St. Mauritiusstiftes, während das Peters-, Victor- und Dom-
stift die Seelsorge im Rheingau übernahm. Fast in allen Gemeinden des Rheingaues
finden wir bis zum 12. Jahrhundert die Geistlichen dieser Stifter im Besitze des Pfarr-
amts und im Bezug der Zehnten. Von dieser Zeit an werden Vicarii, Stellvertreter
mit dem Namen Plebani, Pfarrer, ernannt, deren Stellung, da der Zehnte auch ferner-
hin den Mainzer Stiftern verblieb, häufig zu Klagen Anlass gab. Eine neue Ordnung
fand das Pfarrwesen, als sich die von der ältesten Pfarrei (wahrscheinlich Oestrich)
ausgegangenen Kirchen , die sich allmählich aus Kapellen entwickelt hatten , zu
dem Landkapitel Rheingau zusammenschlössen. An der Spitze stand der Geist-
EINLEITUNG.
9
Faust v. Stromberg Specht v. Bubenheim von Sickingcn Hol// von Sponheim
liehe der Mutterkirche als Erzpriester (Archipresbyter) oder Diakon, der sein Amt
aber auch nur als Stellvertreter des Probstes des St. Morizstiftes in Mainz verwaltete.
Wann dieser Verband geschlossen wurde, ist nicht nachzuweisen ; 1397 findet sich
zuerst ein „Hermannus plebanus in Eltville et archipresbyter sedis Oestrich" erwähnt.
Ausser der Pfarrgeistlichkeit besass aber der Rheingau eine grosse Zahl von
Ordensgeistlichen, die sich in zahlreichen Klöstern — selten innerhalb der Ortschaften,
meist in den Vorbergen — angesiedelt hatten. Vom Anfang des elften Jahrhunderts bis
zum Ausgang des Mittelalters gab es im Rheingau siebenMönchs- und fünf Frauenklöster,
von denen einige allerdings früh verschwanden, andere aber bis zu ihrer Sekularisation
im Anfang des 19. Jahrhunderts bestanden haben. Unzählige Urkunden berichten von
Schenkungen und Vermächtnissen, die von den frommgesinnten Bewohnern des Rhein-
gaues diesen geistlichen Konventen zugewendet wurden. Bemerkenswerth ist dabei, dass
die zuerst auftretenden Benediktiner und Augustiner hier nicht wie anderwärts als erste
Träger der Kultur in einer noch unangebauten Gegend erscheinen. Dazu hatte die uralte
Pflege des fruchtbaren Bodens keine Gelegenheit mehr gelassen. Von tief eingreifendem
Einfluss auf die wirthschaltlichen Verhältnisse des Landes wurden erst die Cisterzienser
von Eberbach, die, durch ihre beispiellose Thätigkeit, besonders durch rationelle Kultur
von Acker und Weinland und weitsichtigem Betrieb des Weinhandels, mehrere Jahr-
hunderte lang den geistigen und wirthschaftlichen Mittelpunkt des Rheingaues bildeten.
Die äussere Geschichte des Rheingaues ist auf das Engste mit der des Erz -
bisthums Mainz verknüpft. Dass diese Zugehörigkeit dem Lande in vielen Fällen zum
Unsegen gereichte, ist bei der hervorragenden politischen Rolle, die der Mainzer Stuhl
in der deutschen Kaisergeschichte spielte und bei den zahlreichen sich hieraus er-
gebenden kriegerischen Verwickelungen nur natürlich. Es müsste den kurzen Ab-
rissen der einzelnen Ortsgeschichten vorgegriffen werden, wenn die Berichte über
verwüstende Feindeseinbrüche in der Sponheimer-Fehde, in dem 1242 ausgefochtenen
Kampf Königs Konrad gegen den auf päpstlicher Seite stehenden Erzbischof, in dem
Krieg Albrechts I. gegen Erzbischof Gerhard II. von Eppstein 1301, 17 Jahre später
in der Fehde des Mainzer Stuhls mit Ludwig dem Bayern oder wenn die Kriegs-
gräuel des dreissigjährigen, des pfälzischen Erbfolgekrieges und des Koalitionskrieges
gegen das republikanische Frankreich hier im Einzelnen aufgeführt werden sollten.
Als wichtigste Daten in der inneren Geschichte des Rheingaues sind zu be-
trachten : diejenigen der Ottonischen Schenkungen 961 und 983, durch welche derselbe
10
EINLEITUNG.
aus einem unmittelbaren Kronland des deutschen Königs Eigenthum des Mainzer
Erzbisthums wird. Ferner das Jahr 1525, in welchem die Bürger und Bauern des
Rheingaues, von der durch Südwestdeutschland gehenden tiefen sozialen Gährung an-
gesteckt, sich gegen ihren Landesherren in einer plan- und führerlosen Bewegung
auflehnten, die sie zwei Jahre später durch die ihnen aufgezwungene „Albertinische
Reformation" mit dem Verluste eines grossen Theiles ihrer Selbständigkeit büssen
mussten. Endlich der Reichsdeputations -Hauptschluss von 1803, der dem Mainzer
Besitzrecht ein Ende machte und den Rheingau dem Fürstenthum Nassau-Usingen
als Entschädigung für Gebietsverluste auf dem linken Rheinufer zusprach. Mit der
Gründung des Herzogthums Nassau 1806 ging der Rheingau in diesem auf, um 60
Jahre später mit ihm von Preussen in Besitz genommen zu werden. Die alten Amts-
kellereien, späteren Nassauischen Aemter, Rüdesheim und Eltville, wurden 1867 mit
den Aemtern St. Goarshausen und Braubach zu einem Kreise vereinigt, erhielten
jedoch 1885 durch die jetzige Einordnung zum Rheingaukreise ihre seit mehr als
einem Jahrtausend im Volksbewusstsein festgewurzelte Zusammengehörigkeit zurück.
Die Kunst des Rheingaues ist uns in zahlreichen Bauwerken, in Werken der
Skulptur und Malerei erhalten, deren Aufzählung und Beschreibung den Inhalt dieses
Buches bildet. Ihre grosse Zahl und ihr Vorkommen in den kleinsten Orten spiegelt
die auf allgemeinen Wohlstand begründete hohe Kultur des Landes wieder. Aber
ebenso wie man im Rheingau einen kulturellen Mittelpunkt, eine führende Grossstadt
vermisst, so sucht man in der Kunstentwickelung vergeblich nach einer einheitlichen
Richtung, welche den Gedanken an eine rheingauische Kunstschule berechtigt erscheinen
Hesse. Die enge Zugehörigkeit zu Mainz weist auf den Einfluss dortiger Kunstrichtungen
hin. Ebenso nahe liegt aber auch die Annahme, dass die mainaufwärts gelegenen
grossen Städte, Frankfurt und Würzburg, auf die Kunstübung im Rheingau eine
nachhaltige Einwirkung besessen haben, zumal seit der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts, als in Mainz ein blutiger Bürgerkrieg seinen kulturfeindlichen Einfluss übte.
An den Bauwerken des Rheingaues, zumal an den Profanbauten und auch
an Kultusbauten der Frühzeit, macht sich der Mangel eines geeigneten Baumaterials
fühlbar Einen Quaderbau. wie er anderwärts die Vorbedingung für die stilistische
Entwickelung der Architektur zu bilden pflegt, hat es im Rheingau nie gegeben. Das
Material, Schieferbruchstein und Geschiebe, wies auf ein rohes, mit dicken Mörtelfugen
hergestelltes Mauerwerk hin, dem man an frühesten Werken (Niederburg in Rüdesheim,
Johanniskirche in Niederwalluf) durch ährenförmigen Verband grössere Festigkeit zu
geben suchte. Der Verputz, den es erforderte, erstreckte sich häufig selbst auf die
Fensterumrahmungen und auf Blenden, Bogengesimse und Zinnen von Wehrbauten.
Erst beim Bau des Eberbacher Klosters, der überhaupt den merkbarsten Fortschritt in
der Rheingauer Baukunst darstellt, beginnt man ein von auswärts eingeführtes Haustein-
Material anfangs in bescheidenem, dann in immer grösserem Umfang zu verwenden.
So alt die Kultur des Rheinlandes ist, so ist doch die Zahl der aus romanischer
Zeit erhaltenen Bauten beschränkt. Eine Erscheinung, die mit kräftigem wirthschaft-
lichen Aufblühen fast immer verbunden ist, begegnet uns auch hier, zumal bei den
EINLEITUNG.
11
von Nickenich von Schar/enstein von Bellersheim von Dehrn
Kirchenbauten : Die alten Anlagen fallen späteren Erweiterungen zum Opfer. Sie
verschwinden im Neubau, wie in Lorch und Eltville oder bleiben wie in Rüdesheim,
Hattenheim, Winkel, Oestrich, im Unterbau der Thürme erhalten. Dafür besitzt das
Gebiet zwei völlig erhaltene romanische Kreuz -Basiliken, die bescheidene Nonnen-
kirche von Mittelheim und die prachtvolle Abteikirche in Eberbach. Marienhausen
giebt das Beispiel einfachster einschiffiger Anlage aus dieser Zeit. Auch an Profan-
bauten hat die romanische Kunst einige Werke von allerdings bescheidenstem archi-
tektonischem Schmuck hinterlassen, von denen das „graue Haus" in Winkel das seltene
Bild eines frühromanischen Wohnhauses , die Niederburg in Rüdesheim ein höchst
lehrreiches Beispiel einer Thalburg aus dieser Zeit bietet.
In gothischer Zeit steht der Profanbau unter dem Einfluss reicherer landes-
herrlicher Aufträge: ist der Umbau der Burg Ehrenfels auch noch ein etwas hastig
ausgeführter Bedürfnissbau , so zeigt sich an der Burg Eltville schon ein gewisser
fürstlicher Luxus , dessen Einfluss auf den schönen Adlerthurm zu Rüdesheim nicht
zu verkennen ist. Alle anderen Burgbauten dieser Zeit aber, die des Wisperthals
sowohl, wie Scharfenstein, scheinen, soweit die Reste erkennen lassen, über schmuck-
lose Wehrbauten in rohem Bruchsteinbau nicht hinausgekommen zu sein.
Die kirchliche Baukunst dagegen treibt zur Zeit der Gothik stolze Blüten:
die Martinskirche zu Lorch zeigt den Stil in reifer Entfaltung und einen Zug von
Grossräumigkeit, der uns auch in Geisenheim wieder begegnet. Im Allgemeinen ist der
Innen-Eindruck der Kirchen dieser Zeit mehr ein malerischer, als architektonisch ein-
heitlicher, hervorgegangen aus vielfachen, im Einzelnen schwer zu verfolgenden Um-
und Ausbauten, die in Lorch, Rüdesheim und Eltville zu zweischiffigen Anlagen ge-
führt haben. Die architektonischen Einzelheiten, die kunstvolleren Arbeiten des Stein-
metzen gehen meist nicht über ein bescheidenes Maass hinaus, das sich nur in reichen
Netzgewölben zu einem mässigen Luxus steigert. Nur in Kidrich erhebt sich die
Meisselarbeit zu einer künstlerischen Höhe, die auch anderwärts am Rhein kaum über-
troffen wird. Neben dem Chor dieser Kirche ist es noch das Tabernakel in Lorch
und das Hochgrab Gerlachs von Nassau in Eberbach aus dem Ende des 14., sowie
das Tabernakel in Kidrich und die St. Michaelskapelle daselbst aus dem 15. Jahrhundert,
die künstlerisch hochstehende Leistungen gothischer Steinmetzarbeit darstellen. An
Holzarbeiten dieser Zeit sind ausser dem in erster Linie stehenden Hochaltar von
Lorch, dessen Meister leider ebensowenig bekannt ist, wie derjenige der schönen, einer
12 EINLEITUNG.
früheren Periode angehörigen Chorstühle, zwei Werke erhalten, zu deren Anfertigung
auswärtige Künstler berufen wurden: das leider nur noch in Resten vorhandene
Gestühl in Rüdesheim des Hessen Heinrich Gyse von Ulrichstein und die Kirchenstühle
in Kidrich von dem Baiern Erhard Falkener. Die charakteristische Flachornamentik
des letzteren begegnet uns noch in dem Rest eines Gestühls in Lorch und in den
Kanzelfüllungen von Mittelheim.
Dass die Periode der Renaissance im Rheingau keine bedeutenden Werke
hinterlassen hat, darf nach dem Rückschlag auf den Bauernaufstand von 1525 und
nach den Opfern, welche der dreissigjährige Krieg dem Lande auferlegte, nicht Wunder
nehmen. Das wenige, was in dieser Zeit geschaffen wurde, das Hilchenhaus in Lorch,
der Brömserhof in Rüdesheim, Einzelheiten in Geisenheim und Eltville, gehen kaum
über eine derbe, handwerkmässige Anwendung der neuen Stilformen hinaus. Bemerkens-
werth hebt sich daraus das Langwerth'sche Haus in Eltville hervor, das allerdings
einer politisch ruhigeren Zeit, dem Ende des 17. Jahrhunderts angehört und seine Ver-
wandtschaft mit dem Mainzer Kurfürstenschloss nicht verleugnet. Eine weit höhere
Kunstentfaltung bringt diese Zeit in der Skulptur in einer Reihe künstlerisch hoch-
stehender Epitaphien. Die Kirchen von Büdesheim, Lorch, Geisenheim und Eltville
bieten hier eine reiche Ausbeute, denen sich als hervorragendstes Werk im Rheingau
der Crucifixus von 1491 vor der Lorcher Kirche anschliesst. So wenig dieses Werk
sich seinem Werthe nach in seine Umgebung einordnen lässt, so schwer ist es, für
die Reste des prachtvollen Kreuztragungsaltars in gebranntem und bemaltem Thon,
der früher dieser Kirche angehörte, einen Zusammenhang mit der übrigen Rheingauer
Kunst zu finden. Für die Malerei, bei welcher die als Altarschmuck mehrfach, zum
Theil im 19. Jahrhundert von ausserhalb in den Rheingau gebrachten Tafelbilder ausser
Betracht bleiben können, liefert nur Rüdesheim durch erhaltene Monumental-Malereien
einigen Anhalt, da die Ausmalung der Eltviller Kirche sich nicht mehr in einem ein Ur-
theil gewährenden Zustand befindet. Die um 1400 zu setzenden Passionsbilder über
den Gewölben der Rüdesheimer Pfarrkirche können in einzelnen Gestalten als so reife
Leistungen gelten, dass man wohl an einen der um diese Zeit in Mainz thätigen
Maler denken darf. Auch die ornamentalen und figürlichen Malereien im Brömserhof,
der Frührenaissance angehörig, tragen den Charakter sicherer Meisterschaft, sodass
der Mangel jeden Anhaltes über ihren Urheber doppelt zu bedauern ist.
An Werken der dekorativen Künste haben leider Glasgemälde so wenig wie
Gold und Silberarbeiten die Ungunst kriegerischer Zeiten und die Vernachlässigung
des vorigen Jahrhunderts überdauert. Zwei ausgezeichnete gothische Silberarbeiten,
die Monstranzen von Eltville und Lorch, welche ein glücklicher Zufall erhalten hat,
entbehren, wie immer in der Frühzeit, der Stempelung, welche uns auf ihren Ursprung
leiten könnte. Heilige Gefässe des 17. und 18. Jahrhunderts, welche noch in manchen
Sakristeien zu finden sind, gehen nicht über den Charakter prunkvoller, aber hand-
werklicher Leistungen aus Augsburger und Mainzer Werkstätten hinaus, auf welche
ihre Beschauzeichen hinweisen.
RÜDESHEIM
EIBINGEN. EHRENFELS. MÄUSETHURM.
IE KREISSTADT RÜDESHEIM ist die grösste unter den vier Städten
des Rheingaukreises ; sie zählt in 964 Haushaltungen 4619 Einwohner. Auf
die "Wichtigkeit ihrer Lage oberhalb des Binger Lochs , welche der von
Lorch am unteren Ausgang der Stromenge entspricht, weist schon Bodmann
hin. Zwischen beiden Orten bestand schon zu ältesten Zeiten der wichtige Ueberland-
weg, welcher, den Kammerforst durchschneidend, den Felsriegel umging, der den
Strom und sein rechtes Ufer hier unpassirbar machte. Zahlreiche Gräber an dieser
Strasse (Cohausen in Nass. Annalen XII 241) beweisen durch ihren Inhalt, dass die-
selben schon vor den Zeiten der Römer eine wichtige und vielbegangene Strasse war.
Dass auch die Römer die Wichtigkeit des Ortes nicht unterschätzt und daselbst An-
siedelungen gehabt haben, bezeugen die in Rüdesheim gemachten Funde an römischen
Gräbern, Ziegeln und Töpfergeschirren (ebenda IV. 1. 175).
Nachdem im vierten Jahrhundert die Römerherrschaft in diesen Gegenden durch
die von Osten und Norden vordringenden deutschen Stämme gebrochen war, besiedelten
Alemannen und später Franken das Land. Dieselben haben auch in Rüdesheim in
Gräberfunden, die in den Hinterhäuser Weinbergen gemacht wurden, Spuren ihrer Sess-
haftigkeit an diesem sonnigen und fruchtbaren Orte hinterlassen. Der Inhalt dieser Gräber
an Waffen und an eisernen, mit Silber kunstreich tauschirten Schmuckstücken weisen
auf wehrhafte, wohlhäbige Besitzer, ihre feinen, für Blume und Nagelprobe sinnreich ge-
formten Gläser auf Weinbauer hin (Cohausen, Centraiblatt der Bauverw. VI. 31. 32).
14
RÜDESHEIM. GESCHICHTE.
Neben Lorch und Eltville besass auch Rüdesheim einen Ober- oder Salhof der
Fränkischen Könige , welcher die Gefälle aus den königlichen Villen entgegennahm,
um sie an den Fiskalhof nach Ingelheim abzuliefern; Bodmann neigt „nach allem, was uns
Urkunden und der Zusammenhang der Geschichte bewähren," zu der Ansicht, dass die
Niederburg dieser kaiserliche Oberhof war, sodass man diese (oder was zur Zeit der
fränkischen Könige an ihrer Stelle stand) als den Kern anzusehen haben würde, um den
sich der Ort aufgebaut hätte und dem er Schutz und Ansehn unter den übrigen Orten
des Rheingaues verdankte. Aus dieser, im übrigen durch geschichtliche Ueberlieferungen
wenig aufgehellten Zeit stammt jedenfalls die erste urkundliche Erwähnung Rüdes-
heims, die dasselbe zugleich als Weinbau treibenden Ort zeigt. Es ist eine im Kloster
Bleidenstadt am 19. November 864 ausgefertigte Schenkungsurkunde (Sauer 65) über
einen „in pago Rinagowe in villa Ruodinesheim" gelegenen Weinberg von zwei
Zulasten oder 8 Ohm Erträgniss, welche Walabreht dem genannten Kloster überweist.
Durch die Schenkung Otto's II. an Willigis von Mainz ging im Jahre 983 auch
Rüdesheim mit dem ganzen westlichen Rheingau aus unmittelbarem kaiserlichen Besitz
in den des Mainzer Stuhles über, womit der frühere königliche Oberhof nunmehr der
erzbischöflichen Kammer in Bingen unterstellt wurde. Dass die Mainzer Erzbischöfe
die vorzüglichen Weinlagen zu Rüdesheim zu schätzen wussten, geht aus einer Urkunde
vom Jahre 1031 (Sauer 114) hervor, in welcher Erzbischof Bardo den Einwohnern von
Ruodensheim einen steinigen und wüsten Distrikt zur Anlage von Weinbergen über-
lässt, eine Cession, die 1074 durch Erzbischof Siegfrid I. bestätigt wird. (ebda. 131).
Die hierbei den Empfängern auferlegten Abgaben von Wein lassen erkennen, dass es
sich um eine bedeutende Kulturanlage handelt, wenn auch Schmelzeis wohl zu
hoch greift, indem er dieselbe auf ca. 900 Morgen oder annähernd den ganzen Be-
stand der heutigen Rüdesheimer Weinkulturen berechnet.
Sehr bezeichnend für die hohe Bedeutung, welche das ganze Mittelalter hindurch
der Weinbau hier als hauptsächlichste und beinahe einzige Quelle des Wohlstandes
besass, ist der Umstand, dass alle Urkunden, in denen wir Ruodensheim, Rudensheim
oder (erst 1284) Rudesheim erwähnt finden, vom Verpachten, Tauschen oder Schenken
von Weinbergen handeln. Interessant ist es dabei, in einer solchen Urkunde von
1108 (ebda. 159) einige alte Gemarkungsnamen zu finden: Ludwig und seine Frau
Bezecha schenken dem Kloster St. Jacob bei Mainz fünf Parzellen, ,,his in locis sitas:
unam in loco zu semidun, partes IIas sn bnhelun, item unam zu crucen et in
loco su breidenwingardun unum fere jugerum" .
Für die Thatsache, dass die Mainzer Erzbischöfe im zwölften Jahrhundert vor
Erbauung ihrer Feste Ehrenfels in Rüdesheim residirt haben, führt Cohausen eine
von Erzbischof Albert L 1124 in Rüdenesheim ausgestellte Urkunde an.
Aber die Zugehörigkeit zu Mainz hatte für Rüdesheim auch mancherlei Un-
bilden im Gefolge, welche der Ort im Laufe der Jahrhunderte über sich ergehen
lassen musste. Die hohe politische Stellung, welche der Mainzer Erzbischof als Erster
unter den Kurfürsten einnahm, verwickelte den Mainzer Stuhl wiederholt in die
politischen Kämpfe des 13. — 16. Jahrhunderts; und der Rheingau, dessen schwach
RÜDESHEIM. GESCHICHTE.
15
vertheidigten, reiche Beute versprechenden Orte die feindlichen Heere reizten, war
häufig der Schauplatz, auf welchem diese Fehden ausgetragen wurden. So, als im
Kampf zwischen Kaiser Friedrich und Papst Alexander III. der Erzbischof von Mainz,
Konrad von Wittelsbach, sich weigerte, den vom Kaiser aufgestellten Gegenpapst
anzuerkennen und vom Kaiser bedroht, zu Alexander flüchtete. Im Sommer 1165 fiel
auf Befehl des Kaisers der Landgraf Ludwig von Thüringen in das Mainzer Gebiet
ein (Bodmann I S. 886) und verwüstete dasselbe von Grund aus „sie fielen feindlich
ins Rheingau ein und vernichteten Rüdesheim und Geisenheim mit den Landorten
ringsum unter wüthendem Niedermetzeln von Vielen, die Widerstand geleistet hatten,
vollständig , (fwidihis evertttnt), ohne Rücksicht auf Geschlecht oder Alter oder
Würde zu nehmen."
Nach den Thüringern waren es die Brabanter, welche 1211 der Stadt verderb-
lich wurden. Erzbischof Siegfried II. hatte den über Otto IV. verhängten Kirchen-
bann verkündet ; sofort stiftete dieser seine Anhänger Heinrich von der Pfalz und
Heinrich von Brabant an, in den Rheingau mit Heeresmacht einzufallen. Wieder
waren es die wohlhabenden Orte desselben, Rüdesheim, Winkel, Oestrich und Lorch,
welche in Zerstörung und wüsten Kriegsnöthen die Kosten dieser Fehde zu tragen hatten.
Auch die Kämpfe der Hohenstaufen mit den Päpsten, denen die Mainzer Erz-
bischöfe Gefolgschaft leisteten, schlugen dem Rheingau schwere Wunden. Anfangs
der vierziger Jahre des 13. Jahrhunderts kamen die Wormser, die auf Seiten König
Konrads II. gegen den Erzbischof Siegfrid III. standen, zweihundert Mann stark, auf
kriegerisch ausgerüsteten Schiffen in den Rheingau und verwüsteten viele Orte durch
Feuer. Wenige Jahre später, 1243, wiederholte sich dieser Schiffsangriff der Wormser
auf Rüdesheim. Der Ort wurde drei Wochen lang von dem jungen König Konrad IV.
besetzt, dessen Leute durch Brandschatzung und Wegschleppen von Vieh und Habe
vielen Schaden verursachten.
Nicht minder wie diese, um die deutsche Kaiserkrone ausgefochtenen Kämpfe,
zogen auch die Privatfehden der Erzbischöfe die Rüdesheimer in Mitleidenschaft. Als
in der berüchtigten Sponheimer Fehde 1279 die Dynasten des Rheingaus, neben
den Rheingrafen auch die Edeln von Rüdesheim, im Vertrauen auf ihre festen Burgen,
die Ober- und Niederburg, gegen ihren Lehnsherrn, Erzbischof Wernher, Partei er-
griffen, erlitten sie, nachdem sie dem Kurmainzischen Gebiet durch Raubzüge vielfach
Abbruch gethan hatten, in der blutigen Schlacht von Sprendlingen bei Kreuznach mit
ihrem Verbündeten, dem Grafen von Sponheim, eine gründliche Niederlage, deren
Folgen sich in dem Anfang der achtziger Jahre in schwerer Weise für sie fühlbar
machten. Durch die harte , ihnen auferlegte Kriegsentschädigung in Verfall ge-
bracht, musste das Rüdesheimer Adelsgeschlecht auf die Stellung der Dynasten ver-
zichten und sich dem niederen Landadel einreihen.
Dass auch der Bauernaufstand von 1525 an Rüdesheim nicht ohne Schädigung
vorbeigegangen ist, darf man um so mehr annehmen, als die Bürger dieser Stadt den
bei Winkel dem Landesherrn übergebenen Forderungen der aufständischen Bauern
einen besonderen, die Aufhebung des Weinzolles Ehrenfels betreffenden Artikel bei-
16
RÜDESHEIM. PFARRKIRCHE.
gefügt hatten. Noch wichtiger aber ist für uns die staatskluge und versöhnende
Rolle, welche ein Rüdesheimer Adeliger, Heinrich Brömser, als Vizedom des Rhein-
gaues in diesem Streite spielte. Seiner Vermittelung ist es besonders zu danken,
dass nur wenige der Rädelsführer dieses missglückten Aufstandes am Leben gestraft
und anderen von Erzbischof Albrecht von Brandenburg die Erlaubniss ertheilt wurde,
aus der über sie verhängten Verbannung bald wieder heimzukehren.
Auf die tiefen und dauernden Schädigungen, welche Rüdesheim im dreissig-
jährigen, im pfälzischen und im spanischen Erbfolgekrieg zu erdulden hatte, kann hier
nur kurz hingewiesen werden, da die Ueberfälle, Kontributionen, Plünderungen etc.
welche diese Kriege den von ihnen heimgesuchten Orten brachten, in den Städten
und Dörfern des Rheingaus überall die gleichen waren.
DIE BAUWERKE VON RÜDESHEIM.
DIE PFARRKIRCHE ST. JACOB.
Die heutige Pfarrkirche St. Jacobus d. ä. kann, wenn man die frühe Besiedelung
Rüdesheims und seine Bedeutung im frühen Mittelalter in Betracht zieht, nicht die
ursprüngliche Kirche des Ortes sein, von der sie jedoch in der im Erdgeschoss des
Thurmes eingebauten frühromanischen Kapelle einen Rest enthält. Sichere Nach-
richten von Rüdesheimer Pfarrern aus dieser früheren Zeit sind in einer Urkunde von
1197 (Sauer. 304) mit der Erwähnung eines parvochiamis Egilwardus in Rudensheim
als Zeugen und einer weiteren zwischen 1254 und 1262 ausgestellten, die einen plebanus
Giselbertus de Rudensheim als Zeugen nennt, überliefert (ebd. 727). Der Bau der
jetzigen Kirche knüpft sich in Uebereinstimmung mit den spätgothischen Bauformen
an die Ueberlieferung von einer Wallfahrt des Ritters Johann Brömser von Rüdesheim,
der als Vizedom des Rheingaus 1391 zuerst in der Geschichte auftritt und 1416 starb
(Zaun. 271), desselben, der auch die Wallfahrts-Kirchen zu Nothgottes und die zu Born-
hofen gebaut hat. Schmelzeis (S. 96 ff.) weist auf die Bestätigung hin, welche diese
Ueberlieferung von der Gefangenschaft Brömsers bei den spanischen Mohamedanern
zu erfahren scheint durch den auf der Thurmspitze unter dem Kreuz als Wetterfahne
angebrachten Stern und Halbmond, sowie die Weihung der Kirche auf den Namen des
spanischen Nationalheiligen St. Jacob, die im Rheingau nicht mehr vorkommt. Der
älteste Theil der Kirche ist, wie erwähnt, das Erdgeschoss des in das nördliche Seiten-
schiff eingebauten Thurmes. Es bildet eine Kapelle von 4,65 m ins Geviert, deren
Ostwand durch eine Dreibogenstellung mit einer Mensa im Mittelbogen als Altar-
raum ausgebildet ist. Die Bogen werden von romanischen Säulen getragen, weiche
Würfelkapitäle mit hohem Kämpferstein und attische Basen mit knollenartig ange-
deuteten Eckblättern haben. Ueber dem Altartisch ist ein vermauertes, im Halbkreis
RÜDESHEIM. PFARRKIRCHE.
17
geschlossenes Fenster bemerkbar. Die drei anderen Seiten des Raumes sind rundbogig
ausgenischt; in der Nordwand giebt ein Fensterschlitz spärliches Licht, in der Nordwest-
ecke ist ein vorspringender
runder Treppenthurm vorge-
baut. Ueberdeckt ist der Raum
mit einem stumpf-spitzbogigen
Kreuzgewöl be, dessen schlicht-
gekehlte Rippen auf viel spä-
tere Einwölbung, etwa zur Zeit
der Erbauung der Kirche hin-
deuten. Im Aeusseren ist der
Thurm durch Eck- und Mittel-
Lisenen mit zwei Rundbogen-
friesen gegliedert, denen Fra-
tzenköpfe als Konsolen dienen.
Die im Vergleich mit an-
deren rheinisch - romanischen
Resten auffallende Derbheit
dieser Anlage scheint zu der
Annahme zu berechtigen, dass
dieselbe nicht dem zwölften,
sondern einem Bau des elften
Jahrhunderts entstammt. Die
übrige Kirche, deren Bauzeit
man also, wenn sie eine Grün-
dung Johann Brömsers und
seiner Gattin Erlindis von der
Spor war, in das letzte Jahr-
zehnt des vierzehnten Jahr-
hunderts zu setzen haben wird,
ist eine zweischiffige Hallen-
kirche mit schmalem nörd-
lichem Seitenschiff. Der Chor,
aus fünf Seiten des Achtecks
j • r~ . , , Fig. 5. Rüdesheim. Pfarrkirche. Romanische Kapelle im Thurm.
und einem Gewolbejoch be-
stehend, ist durch einen sich stark verengenden Triumphbogen gegen das in der Breite
des Chors angelegte vierjochige Hauptschiff abgeschlossen. Im letzten Joch nach Westen,
welches grössere Tiefe als die übrigen hat, ist eine von zwei Kreuzgewölben auf einem
Mittelpfeiler getragene Empore eingebaut, zu welcher eine in der Südwestecke recht-
eckig vorspringende Wendeltreppe führt ; eine weitere Treppe, die in der Dicke der west-
lichen Giebelmauer ausgespart ist , leitet zu dem Raum über den Gewölben und zu
den zwei sechseckigen Thürmchen, die neben dem Westgiebel des Hauptschiffes, mit
2
18
RÜDESHEIM. PFARRKIRCHE.
einem Rundbogenfries verziert, auf einfachen in den Winkeln der Strebepfeiler liegenden
Konsolen vorgekragt sind und massive Helme tragen. Die ursprüngliche im West-
giebel befindliche Hauptthüre, welche ein mit Skulpturen verziertes Tympanum
trug, ist bei einem Umbau 1766 zugemauert,
bei welchem auch der auf dem Merianschen
Stich von 1646 erkennbare viereckige Thurm-
helm durch das jetzige zopfige Thurmdach
ersetzt wurde, und an ihrer Stelle ein ovales
Fenster angebracht. Die Thür wurde, von
einer Barockarchitektur umrahmt, in die Süd-
mauer verlegt.
Das Hauptschiff hatte ursprünglich eine
gerade Balkendecke, wofür der auf dem Kirchen-
boden über den jetzigen Gewölben noch wohl
erkennbare Freskenschmuck den Beweis liefert.
Der Rüdesheimer Pfarrer Wüstenfeld über-
liefert die Thatsache, dass im Jahre 171b noch
im Gewölbe die Jahreszahl 1489 zu lesen war.
Den völlig schlichten, nur mit einer Hohlkehle
gegliederten Gewölbprofilen gegenüber hindert
nichts an der Annahme, dass diese Jahreszahl
die Ausführung der Gewölbe bezeichne. Ja, sie
giebt der weiteren Vermuthung Raum, dass
die Kirche bis zu dieser Zeit etwa hundert Jahre
lang als einschiffige Kirche gestanden habe
und dass gleichzeitig mit der Einwölbung des
Schiffs eine inzwischen nothwendig gewordene
Vergrösserung der Kirche durch Hinzufügung
des nördlichen Seitenschiffs bewerkstelligt sei.
Diese Annahme böte auch eine Erklärung für die eigenthümliche Gestalt der zwei die
beiden Schiffe trennenden Pfeiler. Dieselben sind länglich viereckig mit auffallend starker
Breitenausdehnung, die sich dadurch erklären würde, dass sie als Reste der durch-
brochenen Nordwand stehen geblieben wären, mit starken Vorlagen gegen das Haupt-
schiff, die Ecken abgeschrägt. Unbestreitbar ist, dass man bei einer ursprünglich
zweischiffigen Anlage der Kirche eine andere als diese Stützenform gefunden haben
würde, welche den Vergleich mit den wahrscheinlich unter ähnlichen Bedingungen
entstandenen Pfeilern der Lorcher Pfarrkirche nahelegt. Auch die Strebepfeiler der
Südwand, die bei einer flachgedeckten Kirche unnöthig waren, würden diesem Umbau
ihre Entstehung verdankt haben.
Die Fenster sind im Chor dreitheilig, das Maasswerk des Bogens mit Drei- und
Vierpässen, diejenigen der Schiffe zweitheilig mit nasenbesetzten Spitzbogen, die
einen Vierpassring tragen.
Fig. 6. Büdesheim.
Grundriss der Pfarrkirche s. heil. Jacob d. ä
Fig. 9. Rüdesheim. Pfarrkirche.
Grabmal des Heinrich Brömser und der Apollonia von Ingelheim.
RÜDESHEIM. PFARRKIRCHE.
19
Die Sakristei liegt in der Ecke zwischen Thurm und nördlicher Chorwand ein-
gebaut und besteht aus zwei durch einen Bogen verbundenen Räumen, die mit rippen-
losen Kreuzgewölben überdeckt sind. Die Fenster zu zweit in Blenden eingefasst,
haben einfache Spitzbogen mit Nasen. Eine kleine Freitreppe führt aussen vor dem
Westjoch des Nordschiffes von der hier stark ansteigenden Strasse unmittelbar auf
die Empore. Die Strebepfeiler haben schlichte Pultdächer.
Von den in der Kirche erhaltenen Skulpturwerken ist zuerst dasTympanon des
früheren Westportals, jetzt über dem ovalen Fenster der Westfront eingemauert, zu
nennen. Die Darstellung ist in zwei Zonen eingetheilt, unten die Anbetung der
Fig. 7. Rüdesheim. Pf arrkirche." Tympanum des alten Westportals.
Könige vor der bekrönten Gottesmutter mit dem Kinde, hinter welcher Joseph als
Greis, auf einen Krückstock gestützt, dargestellt ist. Die durch einen horizontalen
Fries von neun dichtgestellten, schön gezeichneten Rosen abgetheilte Spitze des Bogens
zeigt das von zwei Engeln gehaltene Veronikatuch, darüber das Haupt der Heiligen,
mit einem das Kinn bekleidenden und zu beiden Seiten herabfallenden Schleier ver-
hüllt. Die Darstellung, wenn auch etwas handwerklich befangen, hat in dem reichen
aber strengen Faltenwurf der Gewänder ausgesprochen archaisches Gepräge.
An der nördlichen Chorwand über der zur Sakristei führenden Thüre ist ein
reicher gothischer Tabernakel-Aufbau in Stein angebracht, der fast bis in die Spitze
des Gewölbes reicht. Er ist mit Figuren geschmückt, die in Thon gebrannt sind und
20
RÜDESHEIM. PFARRKIRCHE.
ebenso wie das Steinwerk bemalt und vergoldet waren. Der untere Theil dieses
Aufbaues, mit dem Wappen der Stifter, der Spor und Brömser geschmückt, enthält
unter einem Baldachin Christus als Weltenrichter,
der seine Wundmale zeigt. Je zwei zu jeder Seite
angebrachte Haken scheinen schwebende Engel ge-
tragen zu haben. Hierüber folgt, unter einem
reicheren Baldachin, der von zwei seitlichen Säulchen
getragen wird, die Kreuzigungsgruppe. Auch hier
weisen leere Haken zu beiden Seiten auf verloren
gegangene Figuren. Zwischen zwei Fialen, welche
die Seitenbaldachine bekrönen, steht unter einer,
mit diesen durch Strebebogen verbundenen Nische
ein Heiliger. Die das Ganze bekrönende , mit
Krabben besetzte Thurmspitze trägt abermals eine
kleine Heiligenfigur.
Von Grabsteinen sind folgende zu nennen:
1. An der Aussenseite: Conrad Brumser de
Rudesheim f 1383. Die Gestalt in ritterlicher Rüstung
mit den Wappen der Brömser und Bellersheim.
2. ebenda. Ein Herr de Breckenehe, ebenfalls in
Rittertracht t 1-150. Im Wappen drei Spitzhämmer.
3. ebenda. Wendel Meurer von Oberheimbach
t 1578; schöne Renaissanceskulptur, welche den
Mann, vor dem, Kreuz und Kelch haltenden Heiland,
knieend darstellt.
4. Im Chor, links vom Hochaltar, Renaissance-
Epitaph des Ritters Heinrich Brömser von Rüdes-
heim f 1543 und seiner Gemalin Appolonia von
Ingelheim f 1519. Die meisterhaft mit ungewöhn-
licher Lebenswahrheit ausgeführten, fast vollrunden
Figuren knieen einander gegenüber vor dem Ge-
kreuzigten, neben welchem zwei Kinderengel mit
Kelchen schweben Der Ritter trägt die Prunkrüstung
des 16. Jahrhunderts. Das Bildwerk ist von einer
Renaissancearchitektur eingeschlossen, deren korin-
thische Pilaster ebenso wie der Fries und die Schrift-
platte über dem Sockel mit sechzehn Ahnenwappen
belegt sind. In dem bekrönenden Rundgiebel ist
zwischen zwei geflügelten Engelköpfchen der seg-
nende Gott Vater dargestellt, von dem der heilige
Geist als Taube herabschwebt.
Fig. 8. Rüdeslicim.
Baldachinbau über der Sakristeithür.
Fig. 10. Rüdesheim. Pfarrkirche.
Grabmal des Heinrich Engelhard Browser f 1567.
RÜDESHEIM. PFARRKIRCHE.
21
Die Inschriftstafel trägt folgende Worte:
anno Domini 1513 uf fritag den 6- dag ]ulb ift geftorben der edel und ebrnneft fiein<
rid) örömbfer uon Rüdeßbeim/ dem öott genadt-
flnno Domint 1519 uf fondag den 6- dag flugufti ftarb die edel und erendugentbafftige
frau Appolonia uon Ingelbeim/ obgemeltes fteinrid) ßrömbfers ebelidje gemabel der
öott genadt- flmen-
5. Im Chor, nördliche Wand ist über den Chorstühlen das Epitaph des Heinrich
Engelhard Brömser f 1567, eingemauert, ein reicher Renaissance- Aufbau von unge-
wöhnlicher Schönheit. Auf einem Sarkophag, der von zwei Frauenköpfen und einem
Konsol mit Inschrifttafel getragen wird, liegt der Ritter in voller Rüstung ausgestreckt,
den Kopf von einem Schädel unterstützt, von zwei Engelknaben mit umgekehrter
Fackel bewacht. Bewundernswürdig ist die leichte, frei bewegte Haltung der ruhenden
Figur, besonders der Beine und der den Dolch der Rüstung leicht umfassenden rechten
Hand. Die ziemlich grosse obere Schrifttafel ist von vierzehn Ahnenwappen um-
rahmt ; über ihrem Abschlussgesims erhebt sich ein Aufbau, dem zwischen den alle-
gorischen Gestalten des Glaubens und der Hoffnung zwei Alabasterreliefs, die Grab-
legung und die Auferstehung Christi eingefügt sind. Den oberen Abschluss bildet
eine reiche Kartusche mit dem Brömser'schen Wappen; über ihm, als Symbol der
Liebe, ein Pelikan.
Die Inschrift der Tafel lautet:
D. O. M.
ZHerf, o mein roolmetnenter £f/rift,
IDie im f/ern felig entfcblaffen ift,
2lls in ber beften ^eit geroeft,
Seines Hilters .... ber (Ebel unb Deft
^einrieb €ngelt/art mit nahmen,
Brömbfer von Hübesf/eim (eins ftammen,
Des unb aller Cr/riftglaubigen
IDolIe bu, o <5ott, ein pfleger fein,
IDie ban 3U bir, r/er 3efu ^rifr
Sein Hoffnung aüf/ie geftanben ift.
Obiit Rudesbeimiae flnno Domini 1567 Octob- 19- üesperi infra 8 et 9 boras-,
Jobannes Ritbardus örumfer a Rudesbeim naturali affectu parenti fuo djarifflmo piae
memoriae erga posuit
anno Domini 1597-
Auf der unteren Platte steht der Spruch:
ITteitt r/er unb t/etlanb Cbriftus ift
Vom tobt erftanben, bas ift geroif.
3m tobt bin ich gelegen nieber,
Durch (Et/riftum roerb ich leben teieber.
22
RÜDESHEIM. PFARRKIRCHE.
Ein hervorragendes Skulpturwerk der Spätrenaissance ist der Aufsatz des
Marienaltars, auf der südlichen stark vortretenden Ansatzwand des Triumphbogens
stehend. Er verdankt der Verbindung der Familie Brömser mit der edlen Familie
von Cronberg seine Entstehung. Am 8. Februar 1587 verheirathete sich Hans Richard
Brömser mit Anna Margareta, der einzigen Tochter Johann Eberhards I. von Cron-
berg und der Anna von Riedesel ; zum Andenken an diese Verbindung stiftete er den
Aufsatz des Marienaltars. Anna Margarete starb 1600 und wurde ebenso wie ihr
Mann im Kloster Nothgottes beigesetzt.
Das Altarblatt in Hochrelief aus feinkörnigem Sandstein gearbeitet, stellt die
Flucht nach Aegypten in äusserst lebensvoller Auffassung dar. Die Muttergottes,
die Mittelfigur bildend, wird von dem Christuskinde nach einem von Palmen über-
ragten Hause im Hintergrund geleitet ; ihr folgt, von
einem Engel geführt, Josef. Engelkinder umgeben theils
spielend, theils führend, die anmuthige Gruppe, während
am Himmel sich ein übermüthiges Geleite von Engel-
Putten dem Zuge anschliesst. Die Säulen, welche den
in Spätrenaissanceformen gehaltenen Aufbau flankiren,
sind ebenso wie das Gebälk mit zahlreichen (leider theil-
weise zerstörten) Geschlechterwappen belegt ; vier Heilige,
Rochus, Urban, Sebastian und Agnes umgeben den
architektonischen Aufbau, auf dessen Höhe in reicher Kar-
tusche, zwischen den Gestalten von Glaube und Liebe,
die Allianzwappen der Brömser und Cronberg ange-
bracht sind.
Das Chorgestühl hat leider die verschiedenen Kriegs-
stürme, denen der Ort und die Kirche ausgesetzt waren,
nicht ungeschädigt überdauert, was um so mehr zu be-
dauern ist, als die an der Nordseite noch am besten
erhaltene Seitenwange eine gute und frische Schnitz-
arbeit im Sinne der Späthgothik aufweist. Dieselbe ist
am unteren Theil geschlossen und mit einer Maasswerk-
blende mit gewundenem Laubwerk in den Zwickeln be-
lebt; eine Säule, die nach oben in einer Fiale endet, be-
kleidet die Ecke. Der obere Theil ist mit Fischblasen-
Maasswerk durchbrochen und mit dem, vom Stechhelm
bekrönten Wappen der Brömser belegt. Der obere Ab-
schluss fehlt auch hier. Die gegenüberliegende Wange
der Südseite ist ganz geschlossen; ausserdem ist noch je
eine Reihe Sitze auf jeder Seite erhalten, welche die
übliche Form mit säulengetragenen, geschweiften Zwischen-
Fig. 12. Uedesheim. ...
Pfarrkirche. Chorstuhlwange. lehnen und einfach ornamentirten Miserikordien zeigen.
Fig. 11. Rüdesheim. Pfarrkirche. Marienaltar.
RÜDESHEIM. PFARRKIRCHE.
^3
Eine Inschrift, welche uns den Namen der Verfertiger und einen Sinnspruch über-
liefert, lautet:
Hach Cbrifti geburt taufeub nierhuubert iar unb barnaeg in bcm 5a>anc3igften iar (1420)
hat mciftcr fjeinrid? (Syfc von Ulridjftem bic^ roerf gemacbt uff fant jacobstag.
an truroe, byacht an Keuoe, gebet au ymidfdt, bas fyn bry oerlom arbeit,
(Lieb ohne Treue, Beicht ohne Reue, Gebet ohne Innigkeit, das sind drei verlorne Arbeit).
Von hohem kunstgeschichtlichem Interesse und jedenfalls einer besseren Pflege
werth, als ihnen gegenwärtig zu Theil wird, sind die Fresken aus der Leidens-
geschichte, mit welchen Johann Brömser die nördliche Oberwand des flachge-
deckten Kirchenschiffs schmücken Hess, und die bei Einziehung der Gewölbe so weit
geschont wurden (bis auf das Zerkratzen der Gesichter einiger Häscher) dass sie auf
dem Kirchenboden, wenn auch mühsam, in Dunkelheit, Schutt und Staub, noch jetzt
betrachtet werden können. Sie beginnen mit dem Gebet im Oelberg; die Verhöhnung
Christi, das Verhör vor Pontius Pilatus, die Darstellung vor dem Hohenpriester, die
Kreuzigung und die Kreuzabnahme folgen. Die Darstellungen folgen sich friesartig
ohne Unterbrechung, nur durch den abwechselnd gelbweiss und dunkelroth behandelten
Hintergrund als besondere Darstellungen charakterisirt. Ein über die ganze Bilder-
folge fortlaufender Rundbogenfries mit perspektivischen, rothgemalten Untersichten
der Bogen und grauen, mit einer viereckigen Rosette verzierten Untersicht der vier-
eckigen Kragsteine verbindet das Ganze. Der Beschauer wird sich dem eigenthüm-
lichen Renaissance -Eindruck, den dieser Fries mit seinem zwischen den Bogen er-
scheinenden perspektivischen Plafond-Muster macht, schwer entziehen können.
Die Darstellungen sind, wenn auch schlicht, so doch von starkem Ausdruck.
Namentlich die Gestalt des Christus vor Pilatus und der Gegensatz des ersteren zu
dem selbstbewusst, mit übergeschlagenem Bein in köstlichem Gewände sitzenden Land-
pfleger entbehrt nicht der dramatischen Kraft. Das reichgefaltete, aus Brokatstoff
mit blauem Futter hergestellte Costüm desselben, der gezattelte Ringkragen, die
Rüstung der Häscher (Stechhelm mit Ringkragen, langer Lendner mit Hängeärmeln),
der Eisenhut eines zurückstehenden Landsknechts — sie alle deuten mit Sicherheit
darauf, dass diese Bilder in dem ersten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts, also unmittel-
bar nach der Erbauung der Kirche entstanden sein müssen.
Von den alten Glocken der Kirche ist keine mehr erhalten, höchstens scheint
die (jetzt zersprungene) Mittagsglocke nach ihrer Inschrift früheren Jahrhunderten an-
zugehören, welche lautet (Zann 272):
Sancte- Jacob- fal- aud) fflidde- fin- Dus- rDalde- 0ot- unde- fin- müder fin-
Auf dem oberen Drittel befinden sich zwei Crucifixe.
Die grösste Glocke hat ein Bildniss der Himmelfahrt Mariae mit der Unterschrift :
5- maria 0- P- It- und am oberen Rande die Inschrift: COOperatlte DoITtlnO PetTO
letb renata CO] benefaCtorl gratlas refono Jofepljus 2ed)bauer uon Illaiti} goß mid)
in Ruedesöeim
ist also nach obigem Chronogramm 1810 gegossen.
24
RÜDESHEIM. PROFANBAUTEN.
Die Chorglocke ist mit einem Kreuz geziert und trägt die Umschrift :
Durdis • feuer • bin • id) • gefloffen • Philipp RinKer uon Uun bat nüd) gegofien
flnno 178V
Die vierte kleine Glocke hat keine Inschrift.
Im Kirchenschatz finden sich folgende heil. Gefässe und Paramente:
1. Kleiner Frühmesserkelch. Silber vergoldet in glatten noch gothisirenden
Formen; der Fuss sechspassig. Der Nodus mit getriebenen Knollen verziert. Inschrift:
Heinrich, örömfer ocm Rüdesimm- Iltaria ITlagdaleria ßrömferin oon Rüdesheiuv
geb- uon Dedesdorf 1628*
2. Grosse Monstranz. Silber mit Ziervergoldung, 0,81) hoch, 0,35 breit. Sonnen-
form, grob dekorative Arbeit auf gegossenen Engelfiguren, mit bunten Glassteinen
besetzt. Auf dem Fuss Aehren und Trauben in getriebener Arbeit. Augsburger
Beschauzeichen (1767 — 69), Meisterzeichen A. G.W. in einem Herz.
3. Kelch. Silber vergoldet, 0,28 hoch, 0,09 Weite, schwere, getriebene Rococo-
Arbeit. Am schwer ausladenden Fuss und dem die Kuppa aufnehmenden Becher reiches
getriebenes Ornament mit 6 zwischengefügten Reliefmedaillons aus der Leidensgeschichte.
4. Aquamanile. Bronze, 0,25 hoch, 0,28 lang. Neueres Geschenk der Gräfin
Ingelheim, zeigt die, auch in Nachbildungen weit verbreitete romanische Form eines
Löwen, über dessen Rücken sich ein Drache reckt, der die Handhabe bildet.
5. Zwei Levitenmäntel. Auf weissem Seidengrund liegt in starkem Relief
schwere Goldstickerei in Barockranken, durch stellenweise Unterlage von rothem
Sammet effektvoll gehoben.
6. Levitenmantel, ähnlich dem vorigen, nur im Ornament etwas früher, mit
reich in Gold gestickter Kappe.
7. Vier Messgewänder in Silberbrokat mit dem eingestickten Eberbacher Wappen
nebst demjenigen des Abtes Adolph II. Werner (1750—1795).
PROFANBAUTEN.
Rüdesheim besitzt in seinen drei Burgen, der Ober- oder Boosenburg, der
Nieder- oder Brömserburg und der Vorderburg auf dem Markte die ältesten
Burganlagen des Rheingaues, die auch als innerhalb des Stadtbereichs, also im Thal
belegen, für die Geschichte der deutschen Wehrbauten vom höchsten Interesse sind.
Um so mehr ist es zu bedauern, dass sie uns, wie die Vorderburg, in gänzlich zer-
störtem, oder in einem durch Umbauten so veränderten Zustande erhalten sind, dass
sich ihre ursprüngliche Anlage nur schwer erkennen lässt. Ihrer Beschreibung müssen
wir eine kurze Erwähnung der in Rüdesheim ansässigen Adelsgeschlechter voran-
gehen lassen. Bodmann (I 341) sagt: „Das bei weitem ausgebreitetste, reichste und
ansehnlichste Geschlecht unseres gesammten Rheingauer Landadels im Mittelalter
RÜDESHEIM. ADELSGESCHLECHTER.
25
war unstreitig jenes der berühmten Herren von Rüdesheim. Es tritt in den ältesten
Urkunden, die eines Rheingauer Adels erwähnen, fast am frühesten auf."
Das älteste Adelsgeschlecht nannte sich kurzweg von Rüdesheim. Es führte
einen getheilten Schild, der obere Theil von Gold, nicht selten mit einem blauen,
vierlätzigen Turnierkragen belegt, der untere Theil in blauem Feld goldene Lilien.
Es erlosch mit Melchior von R. 1548.
Ein anderer Zweig war : Die Füchse von Rüdesheim, die seit Ausgang
des 12. Jahrhunderts erscheinen und vermuthlich 1474 ausstarben. Sie führen einen
goldnen Schild mit schwarzem Flügel. Dasselbe Wappen führten, worauf von Cohausen
aufmerksam macht, die alten Rheingrafen, mit denen sie also eines Stammes gewesen
sein könnten. „Diesen Stamm finden wir im Jahre 1276 im Besitz der Oberburg und
im ganerbschaftlichen Mitbesitz der Niederburg. Es liegt daher die Vermuthung
nahe, dass die Rüdesheimischen, ehe sie die (bischöfliche') Niederburg gewannen, eine
Burg — die Oberburg — besassen, welche dem ältesten Stamme verblieb, während
jene, in den gemeinschaftlichen Besitz übergehend, von einem jüngeren Aste bewohnt
wurde. Ueber die Oberburg aber scheint es, konnten die Füchse frei bestimmen,
denn sie trugen dieselbe — unbekannt in welchem Jahre — dem alten Grafen von
Zweibrücken zu Lehen auf. Mit dem Erlöschen der Füchse i J. 1474 empfing sie
Johann Boos von Waldeck vom Grafen Simon Wecker von Zweibrücken als Lehen
(wovon sie bis heute den Namen der Boosenburg führt). Erst im Jahre 1830 verkaufte
sie Graf Boos von Waldeck zu Sayn an den Grafen von Schönborn -Wiesenthaid."
(Cohausen a. a. O. S- 304). Von diesem erwarb sie 1868 Herr Joh. Bapt. Sturm, der
sie einem vollständigen Umbau unterzog, sodass aus dem eleganten Landsitz heute
nur noch der charakteristisch gestaltete Bergfried als letzter Zeuge des einstigen Zu-
standes emporragt.
Als andere Nebenzweige des alten Rüdesheimer Adelsgeschlechtes lernen wir
noch die Kinder von Rüdesheim kennen, die seit Ausgang des 12. Jahrhunderts
erscheinen und mit Diether Kind v. R. 1368 aussterben- Ferner die Rüdesheimer
vom Markte, welche die Besitzer der Vorderburg gewesen zu sein scheinen, und
die Rüdesheim vom Hause. Alle diese führen das Lilienwappen. Als aus einem
Ast der Füchse hervorgegangen erscheinen die Win t er von Rüdesheim, die vom
14. bis 16. Jahrhundert auftreten, und da sie meist in Geisenheim wohnten, auch „die
von Geisenheim" genannt werden. Sie führen im schwarzen, mit goldenen Klee-
blättern besäten Feld den silbernen Flügel der Füchse.
Der bedeutendste und am längsten blühendste Ast waren die Brömser von
Rüdesheim (die Nachricht von ihrer Herkunft aus Presberg scheint auf einer will-
kürlichen Deutung ihres Namens zu beruhen). Sie erscheinen zuerst urkundlich (Bodm.)
1276. In einer Urkunde von 1286 (Sauer 1051) begegnen uns zwei Ritter Johannes
und Robert dicti Brumzere. Ihr Wappen ist getheilt, oben silber, unten im schwarzen
Feld 6 oder 8 silberne Lilien, die meist 3, 2, 1, ausnahmsweise auch 4, 3, 1 gestellt
sind. Wenn sie auch mit den übrigen Ganerben gemeinschaftlich die Stammburg,
die Niederburg, bewohnten, so schwangen sie sich doch, mehrfach mit dem Amt des
26
RÜDESHEIM. DIE NIEDERBURG.
Vizedoms bekleidet und als Stifter von Kirchen, (s. oben) zum Hauptstamm des Rüdes-
heimer Adelsgeschlechtes auf, sodass die Niederburg noch heute ihren Namen trägt.
Bei der Beschreibung der Niederburg folgen wir der eingehenden Arbeit des
Herrn von Cohausen im Centraiblatt der Bauverwaltung 1886.*) Abweichende An-
sichten Essenwein's werden gegebenen Ortes zu erwähnen sein.
Die Niederburg war eine
Wasserburg, wie die meisten
Thalburgen , vielleicht nicht
ganz in dem Sinne, wie Essen-
wein annimmt, dass sie ganz
in dem damals breiteren
Rheinstrom stand. Sie liegt
als Viereck von 33 m Länge
und 21 m Breite mit fast
genau orientirten Seiten in
Gärten, die jetzt an drei Seiten
einen 2,25 — 3 m tiefen Graben
bilden. Auf der Ostseite führt
heute eine Strasse vorbei, von
welcher aus eine Treppe den
Zugang zu dem 2,20 m höher
gelegenen Burghof vermittelt.
Die Gärten werden noch jetzt
vom Hochwasser des Rheins
überflutet. Als sie noch tiefer lagen, muss es so häufig geschehen sein, dass die Burg,
als von Wassergraben umgeben, bezeichnet wird.
Nehmen wir an, dass die Burg noch zur Zeit vor der Ottonischen Schenkung
als königlicher Saalhof angelegt worden ist, so haben wir sie uns in ihrer ursprüng-
lichen Anlage als einen von ca. 7 m hohen gezinnten Mauern umgebenen Burghof
zu denken, der in der Nordwest- und vielleicht auch in der Südostecke von je einem,
dicht an die Wehrmauer angebauten Thurm geschützt war. Der nordwestliche Thurm
ist noch heute auf 20 m Höhe (vom Hofinnern) bei 6 m im Geviert messendem Grundriss
erhalten. Er ist soweit von der Mauer zurückgesetzt, dass der Wehrgang nebst
Zinnenkranz noch aussen um ihn herumlief; der andere ist verschwunden, und die
zwischen den Gebäuden der Süd- und Ostfront klaffende Lücke giebt uns sein Maas
von 7,80 auf 11 m. Wenn eine sehr malerisch behandelte Aquarellzeichnung von
Kraus (1803) im Städel'schen Institut zu Frankfurt (s. Fig. 15) genau ist, so Hesse sich
aus einem hier an der Südostecke aus der Front vortretenden Mauerstück mit einem
Fig. 14. Rüdesheim.
Niederburg. Grundriss des Erdgeschosses
nach v. Cohausen.
*) v. Cohausen, Die Wehrbauten zu Rüdesheim a. Rh., insbes. die Niederburg. Centralbl.
der Bauverw., Jahrg. VI, No. 31, 32, S. 303 ff. u. 310 ff.
Handbuch der Architektur. 4. Band, 1. Heft. Die Kriegsbaukunst v. Dr. A. v. Essenwein,
Darmstadt 1889. S. 48 ff., 168 ff.
RÜDESHEIM. DIE NIEDERBURG.
27
Fig. 15. Niederburg nach Kraus 1803.
Thorweg schliessen, dass der jetzt fehlende südöstliche Bautheil vor der Südfront
vortrat und vielleicht einen quadratischen Grundriss von lim Seitenlänge hatte. Die
Zerstörung dieses Theiles ist mit Cohausen wohl in das Jahr 1640 zu setzen. In
diesem Jahr beschloss der französische Oberbefehlshaber, Herzog von Longueville,
der sein Hauptquartier auf Schloss Stahleck bei Bacharach hatte, die in seine Hand
gekommene Burg wehrlos zu machen und zwang die Bürger von Lorch, zu ihrer
Demolirung zu frohnden. Dass er sich nicht auf die Oeffnung der Burg durch Zer-
störung dieses Bautheiles zu beschränken gedachte, beweist ein Minengang, der in
den Bergfried, im Erdgeschoss des Verliesses, mit vieler Mühe eingebrochen worden
ist. Ueber die Beschaffenheit des Bautheils, der in der Lücke auf der Südostecke
stand, wird man immer auf Vermuthungen angewiesen bleiben. Wir sind der Ansicht
Cohausen's gefolgt, weil ein starker Wehrkörper an dieser, dem oberen Rheinlauf
zugekehrten Seite unzweifelhaft nöthig war, und weil die alte Merianische Abbildung
(s. Fig. 16) diesen Bautheil über den Zinnenkranz der andern Gebäude emporgeführt
zeigt. Cohausen glaubt ihn, nach den noch bemerkbaren Ueberständen der Südmauer,
da wo die oberen Geschosse an ihn anschlössen, sich so wie den Thurm der Ober-
burg, mit verjüngten oberen Stockwerken vorstellen zu müssen. Essenweins Annahme,
der an diese Stelle eine monumentale, gewölbte Burgküche verlegen will, scheint der
Begründung zu entbehren ; eher hat die Vermuthung Kriegs von Hochfelden, (Gesch.
d. Milit.-Arch. in Deutschi. S. 317) dass dieser Bau ein Thorgebäude mit darüber
liegender Kapelle war, eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich.
28
RÜDESHEIM. DIE NIEDERBURG.
Den Beweis für das Vorhandensein der ursprünglichen 7 m hohen Hofmauer
findet Cohausen in einer an der Südwestecke im späteren Mauerwerk noch erkennbaren
Mauerzinne, sowie in Spuren der gezinnten Hofmauer auf der West- und einem Theil
der Südseite. „Man sieht hier nämlich, dass ihr Wehrgang auf Bogen geruht hat,
deren Pfeiler, zur Hälfte zerstört, die Natur des inneren Mauerwerks bloslegen, ein
Füllwerk von wagerechten und schräg gestellten Steinen in grobkiesigem Mörtel, das
den Namen eines opus spicatum , da es sich nicht in der Bekleidung zeigt , nicht
verdient."
Den Ausbau dieser schlichten Wehranlage, (deren Entstehung Krieg von Hoch-
felden in das 10., Cohausen in das 11. Jahrhundert setzt,) zu einer Wohnburg, wie
wir sie noch heute sehn, wird man wohl entgegen Cohausen's Ansicht mit Essenwein
an das Ende des 12. Jahrhunderts setzen. Als beweiskräftig hierfür sieht Essenwein
die Profilierung der Fenster des Neubaues an, welche in ihrer ganzen Erscheinung
mehr die Zierlichkeit vom Ausgang des 12. Jahrhunderts als den Charakter des früh-
romanischen Stils zeigen.
Bei diesem Umbau wurden, unter Benutzung der Hofmauern, rings um den
viereckigen Hof massive Wohngebäude von 7,50 m Tiefe in drei Stockwerken auf-
geführt, die in den beiden untersten Stockwerken mit Tonnen- im obersten mit Kreuz-
gewölbe überdeckt waren und sich sowohl nach Aussen wie nach dem Hof mit zahl-
reichen, meist in einer Blende gekuppelten, rundbogig überdeckten Fenstern öffneten ;
im Erdgeschoss fehlen selbstverständlich die Aussenfenster aus Sicherheitsgründen.
Ein Zinnenkranz, an der Aussenseite auf Rundbogen von ca. 0.35 rad. vorgekragt,
die auf schlichten kubischen Kragsteinen ruhten, umgab (nach Merian) ringsum die
Plattform dieser Wohngebäude nach der Aussen- wie nach der Hofseite, sowie auch
diejenige der Thürme. Von den Kragsteinen sind auf der Nord- und Südfront noch
einige erhalten, der Bogenfries ist gänzlich verschwunden, doch zeigt eine Zeichnung
von Lindenschmit von 1812 noch einzelne Friesbogen. Aus dem Zinnenkranz tritt
bei Merian auf der Nordwestecke vor dem Thurm ein Wichhäuschen vor.
dass der Hof zwischen den hoch emporragenden Mauermassen jetzt einen schacht-
artigen Eindruck macht. Wann dieser Bergfried errichtet wurde, ob er gleichzeitig
mit dem Wohnhausumbau oder früher war, ist kaum festzustellen. Gegen das erstere
spricht der Umstand, dass dieser Thurm ohne Verband stumpf gegen die Wohn-
hausmauern stösst. Der Bergfried bildet im Grundriss ein Quadrat von 10,50 m
Seitenlänge; seine Mauerstärke misst unten 4 — 4,50 m, oben 3—3,50 m, seine Höhe
jetzt noch 19 m, mit welcher er um ein Stockwerk über die Dachplattform hervorragt.
Fig. 16. Rüdesheini nach Merian.
Der durch die Wohnbau-
ten schon wesentlich ver-
engte Hofraum ist durch
einen in der inneren Nord-
ostecke des Hofes errich-
teten Bergfried auf das min-
deste Maass beschränkt, so-
RÜDESHEIM. DIE NIEDERBURG.
29
Von dieser aus ging über eine offene, 16 m über dem Hof frei schwebende
Brücke der einzige Zugang zum Bergfried, der von der Kellersohle bis hier herauf
wo er mit einem von einer Oeffnung durchbrochenen Tonnengewölbe überdeckt ist
einen einzigen schachtartigen Hohlraum umschliesst. Nirgends deuten Kragsteine oder
Balkenlöcher in demselben auf frühere hölzerne Zwischengeschosse. Eine einzige
überwölbte Thüröffnung unterbricht, etwa auf der Mitte zwischen dem zweiten und
dritten Geschoss des anstossenden Wohnflügels die Innenmauer ; zu dieser Thür führt
von der oberen Plattform eine in der Mauerdicke liegende Wendeltreppe hinab, die,
Fig. 17. Rüdesheim. Niederburg. Schnitt von West nach Ost. ( nach v. Cohausen.) '
nach oben fortgesetzt, auch die jetzt verschwundenen höheren Geschosse des Bergfrieds
zugänglich machte.
Wenn auch wiederholt als Wohnburg bezeichnet, so setzte die Burg in dieser
Gestalt, in welcher sie, wenn auch trümmerhaft, auf uns gekommen ist, dem Angreifer
doch einen starken Widerstand entgegen. Die sehr dicken, (unten 2,25, oben ca. 1,80 m)
und aus Grauwacken und Quarzitgestein meist in Kopfsteinen von 25 auf 30 cm Grösse
in grobem, kiesreichem Mörtel gefügten Mauern, die festen Gewölbe, die im Scheitel
noch ca. 1 m stark sind, reihen die Burg unter die solidesten Wehranlagen des Rheins
ein, und machen eine Zerstörung durch Minirarbeit oder Wurfmaschinen, selbst von
der überhöhenden Umgebung, zu einem ziemlich aussichtslosen Unternehmen.
Aber auch in der Anlage der Zugänge der Treppen lernen wir die Umsicht
des Erbauers kennen. Ob der fehlende Bautheil dei- Südostecke ein befestigtes Thor
30
RÜDESHEIM. DIE NIEDERBURG.
besass und wie dasselbe gestaltet war, ist nicht mehr zu entscheiden. Der einzige
gegenwärtige Zugang auf der Westfront ist leicht zu vertheidigen. Der kleine Vor-
raum D (Fig. 14), der über die 2,20 m hohe Treppe erstürmt werden musste, reichte schacht-
artig ohne Zwischengeschoss bis zur Höhe der obersten Wehrplatte, von der aus er mit
Wurfgeschossen erreicht werden konnte, während der Feind das ziemlich enge Burg-
thor zu forciren versuchte. Dies Thor, 1,64 weit und 2,75 hoch, im Halbkreis auf
vortretenden unten abgeschrägten Kämpfersteinen überwölbt, ging nach aussen auf
und war durch einen Drehriegel von innen zu schliessen. Von der Pforte an zog
sich an der nördlichen Hofmauer ein Vordach , auf welches die hier aus der Mauer
vorspringenden Steinplatten deuten.
Vom Hof zum ersten Geschoss führten drei, ungefähr in der Mitte der drei
Hoffronten liegende Treppen, die ohne Thüren vom Hof aus frei zugänglich waren.
'^^^^W^^^WW^Wß erst im 1 Obergeschoss,
tretende Treppe vermittelt, sodass der Zugang der Besatzung zu dem wichtigsten
Theil der Burg, der Wehrplatte mit dem Zinnenkranz und dem Bergfried nur durch
diesen, leicht unter Kontrole zu haltenden Raum möglich war. Haben wir uns so die
Vertheidigungsanlagen vorgeführt, so bleibt noch kurz über die Vertheilung der
Räume zu sprechen. Im Erdgeschoss , das nur auf der Nordostecke zum Theil
unterkellert ist , befinden sich Wirthschaftsräume , unter ihnen die alte Küche mit
ihrem durch die Mauerdicke geschleiften und auf zwei Tragsteinen gegen den Hof
vortretenden Kamin, sowie Vorrathsräume und Stallungen. Ein gut ausgemauerter
Brunnen liegt in der Mitte des Hofes.
Im ersten Obergeschoss wird der Ost- und Nordflügel durch einen grossen Saal
in Hakenform eingenommen, der von der Ost- wie Nordseite durch je vier rundbogig
Ihre Verteidigung begann
wo sie auf kleine, durch
Fensterschlitze erhellte Vor-
plätze münden , die rechts
und links enge Thüren zu
den anstossendenGemächern
haben. Diese Thüren waren
durch Sperrbalken , die aus
der Mauer vorgeschoben
wurden, verschliessbar. Vom
ersten zum zweiten Oberge-
schoss führten ähnliche, aber
meist versetzte, in der Mauer-
dicke liegende Treppen ; die
Verbindung mit der obersten
Wehrplatte aber wurde nur
durch eine, in einem Wohn-
raum an der Südfront an-
— /
Fig. IS. Riidesheim. Niederburg. Grundriss des ersten Stocks.
RÜDESHEIM. DIE NIEDERBURG.
31
überwölbte Fenster, von denen 5 gekuppelt sind, sein Licht erhält. In jeder der beiden
Schenkel ist an der Innenmauer ein grosser Steinkamin angebracht, dessen durch einen
graden Steinbalken getragener Sturz sich auf zwei romanische Säulchen mit roh
korinthisirenden Kapitalen und Eckblättern auf der Basis stützt.
Durch die Treppe des Nordflügels wird dieser Hakensaal von einem kleineren
Gemache der Nordseite getrennt, welches ebenfalls einen (stark zerstörten) Kamin
besitzt und jetzt zu den auf der West- und Südseite eingerichteten Wohngemächern
gehört, mit denen es durch einen engen, durch den nordwestlichen Eckthurm führenden
Korridor verbunden ist.
Im zweiten Obergeschoss ist die ursprüngliche Raumeintheilung durch die von
dem jetzigen Besitzer vorgenommenen Umbauten ziemlich verwischt. Bemerkenswerth
ist in diesem Stockwerk die Ueberwülbung mit Kreuzgewölben, bei denen nicht nur
die glatten vortretenden Gurte, sondern auch die Gräte im Halbkreis angelegt sind,
so dass die Scheitel der Gewölbe etwa 1 m höher liegen als diejenigen der Gurte.
Diese Ausführung, die Erfahrung im Gewölbebau voraussetzt, kann nicht befremden,
wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Erzbischof von Mainz als Bauherr über
Werkleute verfügen konnte, die im Kirchenbau geschult waren.
Aus der Geschichte der Niederburg ist noch nachzutragen, dass dieselbe
etwa 300 Jahre vom Anfang des 10. bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts im Besitz
der Erzbischöfe von Mainz war, die, nachdem sie dieselbe, wahrscheinlich gegen Ende
des 12. Jahrhunderts, zur Wohnburg umgebaut hatten, mehrfach hier residierten.
Nachdem sie durch die Errichtung der Burg Ehrenfels entbehrlich geworden war,
ging sie etwa im ersten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts als freies Allod in den Besitz
des Rittergeschlechtes derer von Rüdesheim über, welche wahrscheinlich schon vorher
als Obermeier in derselben gesessen hatten. Nach dem unglücklichen Ausgang der
Sponheimer Fehde mussten die Rüdesheimer, die auf Seite der Gegner des Erzbischofs
gestanden hatten, 1282 die Burg dem Erzstift zum Lehen auftragen, von ihrer Burg-
hut in andern erzstiftischen Schlössern zurücktreten und als Gnade hierfür als Burg-
mannen ihre eigene Burg als Lehn verdienen. Nach dem Aussterben der Brömser
von Rüdesheim 1678 belehnte der Kurfürst Karl Heinrich von Metternich mit dem
freigewordenen Lehen der Burg und der umliegenden Gärten den Freiherrn Emme-
rich von Metternich ; wahrscheinlich war sie schon damals so in Verfall, dass sie nicht
mehr bewohnbar war und nur die Gärten benutzt wurden. Als 1811 die Metternich
in Gant kamen, fiel die Burg, die damals den Namen „Brömser Hundestall" führte,
an den Rechtsnachfolger von Mainz, den Herzog von Nassau, zurück. Dieser belehnte
mit ihr den Grafen von Ingelheim, der sie durch Ablösung zu seinem freien Eigen-
thum machte, und alsbald in einen wenigstens theilweise bewohnbaren Zustand ver-
setzte. In dieser Zeit, im Jahre 1814, besuchte Göthe auf seiner Reise zum Rochusfest
die Niederburg, der sie beschreibt und dabei die in jener Zeit vielfach verbreitete
irrige Meinung theilt, in einem römischen Kastell zu stehen.
Die zweite Burg der Rüdesheimer, die Oberburg, oder wie sie nach ihren
vorletzten Besitzern genannt wird, die Boosenburg, ist durch den modernen Umbau,
32
RÜDESHEIM. DIE OBERBURG.
welche die jetzigen Besitzer, die Familie Sturm, hat vornehmen lassen, so verändert,
dass nur noch ihr Bergfried von der alten Anlage erhalten ist. Doch giebt noch ein
im Museum zu Wiesbaden erhaltenes, von Archivar Hoffmann vor dem Umbau ange-
fertigtes Modell hinreichend genaue Auskunft über ihre Bauart. Sie bildete ein von
einer mit gezinntem Wehrgang versehenen Mauer umschlossenes Viereck von 30 auf
33 Meter, um welches sich ein Graben von durchschnittlich 9 Meter Breite zog.
Dieser ist jetzt überwölbt und dient als Weinkeller. Von der Ostseite führte über
diesen Graben eine Holzbrücke zu der Eingangsthür; eine in einer Mauervorlage der
Südseite verborgene Treppe leitete unmittelbar aus dem Hof in die Tiefe des Grabens.
Annähernd die Mitte
(mit einer kleinen Ver-
schiebung gegen Wes-
1 ten), dieses Hofes nimmt
I der Bergfried ein, der
einige ungewöhnliche
bauliche Anordnungen
zeigt. Einmal ist der-
selbe durch äussere Ab-
sätze in drei Stockwer-
ken nach oben verjüngt,
eine ziemlich seltene
und nur älteren aus dem
10. oder 9. Jahrhundert
stammenden Thürmen
eigene Art, die Mauer-
stärke nach oben zu
vermindern , während
die spätere Zeit diese
Absätze nach Innen ver-
legt. Dann besitzt der
Fig. 19. Rüdesheim. Oberburg. Grundriss (n. v. Cohausen). Bergfried der Oberburg
an der Angriffsseite, nämlich auf der West-, Nord- und Südfront, eine Ummantelung von
3 bis 372 Meter Stärke, welche aus einer 1 Meter starken Mauer besteht, die durch
starke rundbogige Tonnen in drei Stockwerken gegen die Thurmmauer eingewölbt ist.
Diese Verdoppelung, deren Hohlräume zu schmal sind, um als Aufenthaltsort für die Be-
satzung oder als Vorrathsräume zu dienen, und deren Aussenmauern auch keine Schiess-
oder Gusslöcher gehabt haben, scheint thatsächlich nur dem Zweck gedient zu haben,
den unteren Theil des Thurmes zu verstärken. An der vierten (Ost-) Seite befindet
sich ein tiefer liegender kleiner Hof, der nach dem Burghof im Süden eine kleine Pforte
hatte. Der Zugang zum Bergfried lag auf der Wehrplatte des ummantelnden Anbaus auf
14 Meter Höhe und besteht in einer engen, mit unprofilirten Hausteinen bekleideten
Pforte, deren halbkreisförmiger Bogen nur durch zwei Gewölbsteine gebildet wird.
RÜDESHEIM, OBERBURG, ADLERTHURM.
33
Der Burghof scheint in späterer Zeit, wahrscheinlich nach der Boosischen
Besitzergreifung 1474, mit "Wohngebäuden überbaut worden zu sein. Auf Merians
(offenbar nicht ganz genauer) Ansicht bemerkt man an der Westseite einen Baukörper
mit hohem Dach und zwei
Treppengiebeln, daneben an
der Südseite ein hohes Dach
mit zwei spitzen Erkerauf-
sätzen. Auch die Ansicht von
G. M. Kraus (1803) s. Fig. 4
zeigt hier ein grösstentheils
in Ruinen liegendes mehr-
stöckiges Gebäude mit gra-
den, durch Steingewände ge-
theilten Fenstern , aus wel-
chem auf der Südseite aut
Konsolen die Reste eines
Steinerkers in Renaissance-
formen vorspringen.
Von der alten S t a d t b e -
festigung,mit welcher Rüdes-
heim sich wie alle Rheingauer
Orte im Mittelalter geschützt
hatte, ist ausser einem jetzt in
die anstossenden Gehöfte ver-
bauten Theil der Stadtmauer
an der Nordseite und dem Adler-
thurm am rheinaufwärts gelege-
nen Anfang des Ortes nichts
mehr erhalten. Nach der noch
im Orte lebendigen Ueberliefe-
rung (Schmelzeis S. 81, Anm. 3)
ist die Stadtmauer von vier
Thoren durchbrochen gewesen,
Fig. 20. Rüdesheim. Oberburg. Durchschnitt (nach v. Cohausen).
dem Geisenheimer-, Eibinger-, Küh- und Feldthor. Das zuerst genannte scheint am
längsten bestanden zu haben und nebst dem über ihm befindlichen Wehrbau erst
Ende der vierziger Jahre vollständig entfernt worden zu sein.
Ein kunstgeschichtliches Interesse beansprucht der noch gut erhaltene, jetzt den
Geschwistern Scholl gehörige Adlerthurm*) als Eckbefestigung zwischen der von
*) v. Cohausen in „Zeitschrift f. Bauwesen v. Erbkam, Bd. XXXVI, Berlin Ernst & Korn,
S. 26, Abb. Atlas, Bl. 9.
3
34
RÜDESHEIM. ADLERTHURM.
der Höhe herabsteigenden östlichen und der südlichen Rheinseite des Mauerzugs, früher
unmittelbar am Rhein gelegen, wie wir es bei den meisten rheinischen Städten finden,
und den Rheinstaden an dieser Stelle flussaufwärts vollständig abschliessend.
Fig. 21. Rüdesheim. Adlerthurm (n. v. Cohausen) Durchschnitt und Grundrisse.
Der Thurm ist wie die meisten Eckthürme bei Stadtbefestigungen rund und,
nach seinen spätgothischen Bauformen zu schliessen, im 15. Jahrhundert erbaut.
Er ist 20,4 m hoch, innen im Lichten 5 m weit mit 1 m starken Mauern. Seine vier
Stockwerke erheben sich bis zur Wehrplatte auf 17 m Höhe. Das unterste, als
Verliess dienend und nur durch ein Loch im Gewölbescheitel zugänglich, ist mit einem
RÜDESHEIM. ADLERTHURM.
35
Kuppelgewölbe geschlossen ; die zwei nächsten Geschosse haben Balkenlagen, das
oberste wieder ein Kuppelgewölbe mit flach vorgelegten glatten Rippen.
Das Untergeschoss ist im An-
schluss an die alte Stadtmauer mit
einem Zwinger umgeben, der früher
sich unmittelbar vom Rhein 6—7 m
hoch erhob. Er ist zweigeschossig,
das untere Geschoss hat 12 Stich-
bogenblenden mit kreisrunden Fal-
konetscharten ; darüber einen
breiten Wehrgang mit
Zinnen, die auf einerHohl-
kehle schwach vorge-
kragt sind. Diese haben
steil abgeschrägte ausZie-
geln gemauerte Sohlen
und Dächer und sind mit
den dem 15. Jahrhundert
eigenthümlichen vor-
springenden Leisten ein-
gerahmt. Eine um die
andere sind mit Schlüssel-
lochscharten durchbro-
chen. Vier ebensolcher
Scharten befinden sich im
zweiten Obergeschoss ,
während das erste und
dritte derselben vier-
eckige Fenster mit stei-
nernen abgefasten
Rahmen haben.
In der Höhe des
dritten Oberge-
schosses sind aus-
sen 8einfacheKrag-
steine mit Flach-
bogen überwölbt
vorgelegt, als ob
man beabsichtigt
hätte , den
Thurm von
hieranacht-
Fig. 22. Rüdesheim. Wartthurm (n. Cohausen)
eckig weiterzuführen ; doch sind
dieselben jetzt nur mit sehr steil
gezogenen Wasserschlägen be-
deckt, welche in den oberen Thurm-
Cylinder einschneiden.
Die obere Wehrplatte, die auf
Merians Ansicht von 1645 sich noch
mit einem schlanken Thurmhelm
bedeckt zeigt , ist mit
einem von vier nach
innen offenen Wichhäu-
sern besetzten Zinnen-
kranz umgeben, die
schmale Strebepfeiler
auf den Ecken, spitz-
bogige, mit Nasen ver-
sehene Fensteröffnungen
und einen auf Hohlkehle
vorgekragten Zinnen-
kranz besitzen. Die ganze
Thurmkrönung ruht auf
einem Rundbogenfries
mit Nasen, auf Konsol-
steinen , die unter den
Vorderkanten der Wich-
häuser verdreifacht sind.
Ausser diesem in rothen
Sandstein ausge-
führten Bogen-
fries und den
Fenstern der
Wichhäuschen
ist das ganze
Bauwerk in
Bruchsteinen mit
Verputz herge-
stellt. — Von der
dritten
Burg
derer von
3*
36
RÜDESHEIM. VORDER BURG.
Rüdesheim, der Vorderburg, ist mitten in der Stadt in der Nähe des Marktes
nur ein Thurmrest erhalten geblieben. Diese Burg gehörte ursprünglich dem
von den „Füchsen von Rüdesheim"
abgezweigten Geschlecht derer „vom
Markte"; auch sie kam später an
die Brömser. Zur Zeit Bodmann's 1819
gehörte sie einem Herrn Jett aus
Mainz , der das daneben stehende
grosse Haus erbaute. Jetzt ist beides
im Besitz des Herrn Schön.
Der Thurm , welcher gleiches
Mauerwerk wie die Niederburg, auf
das 12. Jahrhundert weisend , zeigt,
misst 9,40m im Quadrat und ist ca. 15 m
hoch. „Er ist mit drei Gewölben in
vier .Stockwerke gelheilt, in deren
zweitem der Eingang sich befindet,
i
Ein kurzes Stück Mauer mit dem auf
Bogen ruhenden Wehrgang lässt er-
kennen, dass der Thurm, wenigstens
auf der Südseite, mauerumzogen war
so wie die ihn im Kreis umziehende
Grabengasse uns den äussern Bering der Mauer vergegenwärtigt." (v. Cohausen
Centralbl. d. B. a. a. O. S. 305 )
Auf den letzten Nebenzweig der Brömser „vom Hause" (de domo) weist ein
gothisches Wohnhaus am Markte, das mit
seinen Hintergebäuden an die Vorderburg an-
stösst und heute noch den Namen „grosses
Haus" führt (Schmelzeis 93).
Bodmann (S. 348/49) nennt dasselbe den
Saalhof. „Ursprünglich war es die Gerichts-
stätte des dortigen Oberhofs (judicium villicale
oder curiale majus) und als diese späterhin in
ein förmliches Amt und Kellerei überging unter
der beibehaltenen uralten Bezeichnung solcher
Versammlungen: Saal, Saalhof, Saalgericht
etc. etc. der Amtskellereisitz daselbst etc. etc."
Nach Cohausen wurde dasselbe um 1494
von den Brömsern erbaut, als einer dieses Ge-
schlechts Vicedom des Rheingaues war. Die Fig.24. Rüdesheim. EcktMrmchen am Markt.
Formen des jetzigen Gebäudes entsprechen dieser Angabe, wenn auch die ursprünglich
gothischen Fenster in dem 18. Jahrhundert, dem Zeitgeschmack entsprechend, ver-
Fig. 23.
Rüdesheim. Adlerthurm. Einzelheiten der Wichhäuser.
RÜDESHEIM. BRÖMSERHOF.
37
ändert wurden. Von dem ursprünglichen Bau besitzt
das zweistöckige Haus heute noch die hohen Spitzgiebel
und an der Marktseite zwei Erkerthürmchen auf den
Ecken, aus dem Achteck erbaut, hinten offen, auf Rund-
bogen vorgekragt. Kleine Strebepfeiler und Randleisten
theilen die Flächen in zwei Quadrate von welchen die
oberen mit Schlüssellochscharten durchbrochen sind; oben
ein Zinnenkranz. Die an den Giebeln aufsteigenden
Schornsteine tragen ebenfalls Zinnen und haben etwa 2 m
unter diesen Pechnasen ähnliche Mündungen. (Lötz.)
Ausser den drei festen Burgen besassen die Bröm-
ser in Rüdesheim noch einen offenen Wohnsitz in der
Obergasse, den Brömserhof, einen ausgedehnten
Gebäudekomplex, der jetzt theils im Besitz der Stadt
als Schulhaus, theils in dem der Familie Mang als Wohn-
und Oekonomiehaus dient. Er stösst mit der Rückseite
unmittelbar an die berühmte Weinlage Hinterhaus.
Der östliche Theil dieser Anlage ist das Mang'sche Haus, ein stattlicher Re-
naissancebau. Er hat nach Westen eine massive Giebelmauer, die in einem steilen,
38
RÜDESHEIM. BRÖMSERHOF.
Rüdesheim.
Fig. 26.
Thür auf sats am Ostflügel des Brömserhofs.
mit seitlichen Sandsteinvoluten ab-
geschlossenen Giebel endigt; die
Fenster, unten einfach, im Giebel
gekuppelt, haben steinerne Ge-
wände mit profilirten Fasen, deren
Stäbe sich an den Ecken über-
schneiden. Die Thür, welche im
Erdgeschoss neben dem durch
schräg aufsteigende Fenster er-
hellten Treppenthurm liegt, hat
noch von ihrer ursprünglichenForm
einen zierlichen Aufsatz bewahrt.
Rückwärts lehnt sich an diesen
Giebel ein interessantes Holz-
haus an, auf massivem Unterbau
ruhend, welcher in seinen rund-
bogigen Thür- und rechteckigen
Fenstergewänden reich profilirte
Fasen zeigt. Die Fassade ist in
drei Axen getheilt, von der nur
die mittlere mit der Eingangsthür
über einer Freitreppe und dem da-
neben befindlichen Kellereingang
Fig. 27. Riidcslicim. Holzbau am Ostflügel des Brömserhofs.
RÜDESHEIM. BRÖMSERHOF.
39
in der Flucht liegt. Rechts und links sprangen Nischen zurück, jetzt zum Theil
vermauert ; ihre Kanten sind besetzt mit starken Holzpfosten auf Steinsockeln ; die
Pfosten sind verjüngt gefast und mit kräftigen Kopfbändern versehen, welche den
Unterzugbalken des hölzernen Obergeschosses tragen. Dieses zeichnet sich durch
hübsche Verriegelung und besonders durch reich ausgeschnittene Füllbretter unter
den Fenstern aus. Ein Flügel mit steilem Giebel schliesst rechtwinkelig zu diesem
Bau das Grundstück nach Osten ab, während südlich eine Mauer mit rundbogigem
Thor es von der Strasse trennt. Die Erbauungszeit dieses Flügels ist durch die über
der Hausthür eingemeisselte Zahl 1609 angegeben.
Fig. 28. Rüdesheim. Brötnserhof. Grundriss des ivestl. Theiles.
Der vordere (jetzt städtische) Theil des Brömserhofes besteht aus einem massiven,
um einen kleinen Lichthof gruppirten nördlichen Theil, der unser Interesse besonders in
Anspruch nimmt, während ein ebenfalls massiver, an der Strasse liegender Südbau, wohl
aus der gleichen Zeit wie das den Hof abschliessende mit der Jahreszahl 1652 be-
zeichnete Thor kein architektonisches Interesse bietet. Beide Flügel werden durch
einen Fachwerkbau verbunden, der in einem an der Südwestecke des zuerst ge-
nannten Bautheils angelehnten, im oberen Theil aus Fachwerk konstruirten Thurm
endigt; derselbe trägt vier auf graden Streben ruhende sechseckige Eckthürmchen
mit spitzen Helmen.
Der Hauptbau ist 1609 begonnen worden, vielleicht von dem mit Margaretha
von Cronberg vermählten, bereits oben erwähnten Hans Richard Brömser. Ihr
Allianz -Wappen finden wir auf dem Giebelaufsatz des schönen, von zwei Pilastern
flankirten Brunnen, welcher rechts im Hofe steht. (S. Fig. 25).
40
RÜDESHEIM. BRÖMSERHOF.
An seiner nordwestlichen Ecke enthält der genannte Bau einen augenscheinlich
älteren Kern a b c d (Fig. 28) , der den kunstgeschichtlich interessantesten Theil des
Hofes darstellt. Es sind neben einem mit einem
Tonnengewölbe überdeckten Langraum an der
Giebelseite zwei überwölbte Räume, deren gemalte
Dekoration, inschriftlich aus dem Jahre 1558, noch
ziemlich vollständig erhalten und neuerdings durch
den Frankfurter Maler Herrn Ballin in diskreter
und gewissenhafter Weise restaurirt ist.
Der rechts gelegene Raum, dem nach Süden
ein Treppenthürmchen mit zierlicher steinerner
Wendeltreppe vorgelegt ist und dessen Seiten-
wände aus der Nordwand strebepfeilerartig nach
Aussen vorspringen,
scheint ein Fest- oder
Familiensaal des Bröm-
ser'schen Geschlechtes
gewesen zu sein. Er ist
7 auf 5,59 Meter gross
und mit einem Sternge
wölbe überdeckt, dessen
Rippen doppelgekehlt
sind. Diese und das
Fenster in der Nordseite
sind noch fast gothisch,
das letztere ist dreitheilig.
Die steinernen Fenster-
stöcke sind mit reichen,
in stehenden Konsolen ab-
laufenden Profilen abge-
fast. Der etwas höher geführte
Mitteltheil hat als Abschluss
einen Vorhangbogen , an den
die Abschlüsse der Seitentheile
im Viertelkreis anfallen. In der
Ostwand führt eine in einer
Nische liegende kleine Thür zu
einem Nebenraum; neben der-
selben befindet sich ein mit
steinernen Gewänden umrahm-
ter Wandschrank, dem ein gleicher in der gegenüberliegenden Wand entspricht.
Die vierzehn Gewölbekappen dieses Raumes sind aufs reichste ausgemalt; zunächst
Fig. 29. Rüdesheim. Brömserhof.
RÜDESHEIM. BRÖMSERHOF.
41
enthalten sie 32 Wappen, die so vertheilt sind, dass auf den an die vier Wände
anstossenden Kappen je vier Wappen nebeneinander, in den acht anderen Feldern
zunächst dem Gewölbscheitel in runden Schildern je zwei Wappen angebracht sind.
Die mittleren Wappen in dem grossen Feld zunächst dem Fenster erklären sich
durch die Inschrift eines Schriftbandes :
Dis feinüt mein atftt Hndjen (sie.) von uatter- heinrict) Brömßer uon Rüüesbeim-
Diß fein mein ad)t andren uon uater rüalburg greifencloin uo Dolraitljs 1 558*
Fig. 30. Rüdesheim. Brömserhof. Wappensaal.
Wir lernen hieraus als Erbauer dieser Räume die Eltern Heinrich Engelhardt|
Brömsers kennen, dessen schönes liegendes Bildnis wir auf dem Epitaph No. 5 der
Kirche gefunden haben.
Die übrigen Wappen, rheingauischen und nassauischen Geschlechtern angehörig,
sind auf Schriftbändern, die nach der genealogischen Folge nummerirt sind, benannt ;
zwei derselben sind ausgelöscht. Das Ornament, welches den übrigen Raum der Felder
überzieht, ist auf hellem Grund in lichten, natürlichen Farben gemalt und besteht aus
Pflanzenstengeln mit Blättern und Blüten in äusserst ansprechender, freier Stilisirung.
Der Sturz der Fensterleibung ist mit einem reichen, in Goldtönen gemalten Kartuschen-
12
RÜDESHEIM. BRÖMSERHOF.
schild ausgefüllt, aus dessen Mitte sich eine an dem Löwenfell kenntliche Herkulesgestalt
erhebt, welche die oben bezeichneten Wappen von Heinrich Brömser und Walburg von
Greifenklau trägt. Im Innern der Kartusche sind berittene Jäger auf der Bärenjagd
dargestellt. Die Rippen sind blassroth gemalt mit hell steinfarbenen Kämpferansätzen
und abwechselnd rothen und blauen Schlusssteinansätzen. Auf den Wänden ist nur
auf der Ostseite eine Spur von Malerei zu erkennen; die übrigen Wände dürften mit
Wandteppichen behangen gewesen sein.
Der vor diesem Zimmer liegende Raum, 9 m lang bei 3,60 m Breite, hat als
Ueberdeckung zwei rippenlose Kreuzgewölbe und wird durch ein zweitheiliges Fenster
in der Nordwand erhellt. Die Wände haben in Bankhöhe einen schmalen Absatz in
der Ausladung der die Gewölbe tragenden glatten Wandpfeiler. Auch hier ist ein
reicher malerischer Schmuck über Wände und Gewölbe vertheilt. Ueber der Bank
ist in graublauem Ton ein Rucklaken gemalt, dessen weisses Futter an den Auf hänge-
falten hervortritt ; darüber eine niedrige Balustrade, auf der allerhand Geflügel, Hahn,
Storch, Papagei, Pfau etc. sich niedergelassen hat. Der darüber aufsteigende
Schildbogen enthält auf der linken Wand neben dem Fenster die Darstellung
der Kreuzigung, die jedoch nur das halbe Feld einnimmt, da die andere Hälfte einer
Thür mit hübscher Umrahmung Raum gewährt. In dem anschliessenden Schildbogen
halten zwei prächtig gemalte palmentragende Engel in langen Gewändern einen Kranz,
in welchem wieder das Greifenklauische Wappen erscheint. In dem der Kreuzigung
gegenüberliegenden Feld ist die Auferstehung dargestellt ; das folgende Feld rechts
wird durch eine Thür zu dem vorher beschriebenen Raum durchbrochen, deren Flügel
mit einem schönen grotesken Ornament farbig auf schwarzem Grund bemalt ist. Auch
die Leibung der Thür trägt im Sturz ein Ornament, an beiden Seiten einen Männer -
und Frauenkopf, die aus einem Butzenscheibenfenster schauen.
Vor den Wandpfeilern, die wie alles Mauerwerk, roth mit Quaderung bemalt
sind, finden sich in Goldton Hermengestalten, alte bärtige Männer, dargestellt, welche
einen in grauer Steinfarbe gehaltenen Kämpferstein tragen. Auf diesem steht im
Gewölbezwickel auf dem weissen Grunde, den auch hier die Gewölbfelder durchweg
zeigen, in Goldton gemalt ein Satyr mit einem Fruchtkorb auf dem Kopf. Die
Gräte sind mit grünen Festons bekleidet, die aus Vasen hervorwachsen, und von denen,
das Gewölbefeld überrankend, wieder die gleichen stilisirten Pflanzen hervorgehen wie
in dem Nebenraum. Gleiches Ornament wächst von den beiden Gewölbescheiteln
herab, die durch goldfarbige Schilder bezeichnet werden, in deren rothem Grunde ge-
krönte Köpfe dargestellt sind. Ein von einem Kranz umschlossener ähnlicher Schild mit
einem segnenden Christus auf blauem Grund nimmt die Mitte des Gewölbes ein. Nach den
religiösen Darstellungen, die in der Dekoration dieses Raumes Verwendung gefunden
haben, würde man geneigt sein, demselben einen kirchlichen Zweck zuzusprechen, etwa
als Hauskapelle, wenn nicht das vollständige Fehlen eines Altarraumes gegen diese
Annahme spräche.
Die Erbauungszeit der übrigen Theile dieses Gebäudes wird von Lötz auf 1609
angegeben ; auffallend für diese späte Zeit und eher auf die Zeit der eben beschriebenen
RÜDESHEIM. KLUNKHARDSHOF.
43
Räume hinweisend sind die noch fast gothischen Fasen der Fenstergewände an der
Hauptfront. Jedenfalls ist auch dieser Theil des Gebäudes später umgebaut oder er-
gänzt worden ; den Schluss hat der letzte Brömser mit dem über der Eingangsthür
der Hauptfassade vortretenden, mit Glockendach bedeckten Erker und dem Portal
nach der Strasse gemacht. Dieser Erker, der ein auf Köpfen ruhendes Gewölbchen
besitzt, trägt in der vorderen Brüstung die Wappen und Initialen von Heinrich Brömser
von Rüdesheim und seiner Gemahlin Maria Magdalena von Heddesdorf. (Vgl. S. 24).
Nachdem mit diesem 1668 das alte Geschlecht der Brömser im Mannesstamm
erloschen war, vererbten (Bodmann S. 166) sich die Güter auf drei Schwestern des letzten
Heinrich ; der Brömserhof fiel an Anna Sidonie, die wieder mit einem Cronberg, Hermann,
vermählt war. Von ihnen erbte es ihr Enkel Adolf Johann Karl von Bettendorf, der 1706
starb ; später kam es nacheinander an die Familien Erthal, Frankenstein und Coudenhoven.
Zum Schluss ist noch, als
interessante Baugruppe in Rü-
desheim, der Klunkhards-
hof- zu erwähnen, der mitten
im Orte an einer engen Gasse
liegt, von welcher ein niedriger,
durch sein Erdgeschoss führen-
der Gang die Verbindung zum
Marktplatz bildet. Die Familie,
deren Namen dieser jetzt an ein-
zelne Bürgerfamilien vermie-
thete und ziemlich verwahrloste
Bau noch heute führt, scheint
eine sehr angesehene gewesen
zu sein (Schmelzeis 163 und
Anm. 4) ; wenigstens hat sie in
Leonhard Klunckard dem Klo-
ster Eberbach einenAbt gegeben,
der 1618 zu dieser Würde er-
hoben, die Brüder vor dem Ein-
fall der Schweden nach Köln
flüchtete, wo er 1632 starb. Im
Jahre 1653 starb (nach den
Kirchenbüchern) zu Rüdesheim
Fig. 32. Büdesheim. Klunkhardshof.
ein „spectabilis Dom. Joannes Klunck," der als des damaligen Kurfürsten Joh. Phil,
von Schoenborn „Aulae Tympanique Praefectus" aufgeführt wird. Auch Andreas
Caspar Klinckhardt, der 1694 — 1703 Probst des Klosters Eibingen war, scheint in
diese Familie zu gehören.
Der Klunkhardshof ist auf einem massiven Untergeschoss einstöckig in Holzbau
aufgeführt und trägt auf der Ostseite drei Dacherker, von welchen die beiden äusseren
44
EIBINGEN.
auf schmalen Ueberhängen vor der Front, der mittlere in einem stumpfen "Winkel
vorspringend aufgeführt ist, der durch ein einfach gebogenes, auf einem profilirten
Pilaster aufsetzendes Kopfband gestützt wird. Alle drei Erker sind mit steilen Schiefer-
hauben gedeckt. Die ganze Erscheinung des malerischen Baues spricht dafür, dass
unter dem jetzigen Verputz ein hübsches Holzwerk, etwa in der Art des Mang'schen
Hauses, verborgen ist, dessen Aufdeckung sehr zu wünschen wäre. Das Innere ent-
hält nichts bemerkenswerthes ausser einer wohlerhaltenen hölzernen W endeltreppe, deren
offene, kunstreiche Spindel mit Durchbrechungen und -geschnitzten Quadern verziert ist.
Obgleich Rüdesheim, in seinem südlichen Theil durch eine Feuersbrunst seiner
alten Häuser beraubt, jetzt eine durchaus moderne Rheinfront hat, so wird der Besucher
in den inneren Gassen doch noch durch manche, wenn auch nicht architektonisch
merkwürdige, so doch malerische Baugruppen erfreut. An dem im oberen Ort gele-
genen Wirthshaus zur Traube hat sich ein kunstvoll geschmiedeter Ausleger aus
dem 17. Jahrhundert erhalten.
EIBINGEN.
Pfarrdorf, 2 km nordöstlich von Rüdesheim auf der Höhe gelegen. Das Dorf,
welches neuerdings durch das Anwachsen der Stadt Rüdesheim zu einem Vorort der-
selben zu werden verspricht, war wohl schon in ältester Zeit eine Gründung von Rüdes-
heim. Es wird bereits 942 erwähnt (Sauer 87 Hibingun), gewann aber wohl erst durch
die Gründung des Klosters im Jahre 1148 grössere Bedeutung. Durch Urkunde (Sauer
226) des Erzbischofs Heinrichs I. von Mainz wird bekundet, dass Frau Marcka von Rüdes-
EIBINGEN. KLOSTER.
4.".
heim daselbst ein Kloster für Brüder und Schwestern des Augustinerordens gestiftet hat,
welches dem Martinstift zu Mainz unterstellt wurde. Die Neubegründung des Klosters
durch die heilige Hildegard 1165 hat dasselbe alsdann dem Benediktinerorden wohl als
ausschliessliches Frauenkloster zugeführt, als welches es bis 1814 unter wechselnden
Schicksalen bestand. Es scheint vorwiegend als Zufluchtsort für die Töchter des
Rüdesheimer Adels gedient zu haben. Seine Beziehungen zu dem von Hildegard
gegründeten Kloster auf dem Ruppertsberg bei Bingen waren dauernd sehr enge,
sodass, als dieses Kloster 1632 von den Schweden eingeäschert wurde, die Insassen
sich im Eibinger Kloster wieder sammelten, und die Oberin des letzteren von da ab
den Titel Aebtissin von Ruppertsberg und Eibingen führte. Vom Ruppertsberge waren
auch die Reliquien der heill. Hildegard und Rupert und zwei herrliche Handschriften
von Hildegards Werken in das Eibinger Kloster gerettet worden. Letztere sind nach
dessen Aufhebung der Wiesbadener Landesbibliothek überwiesen worden, wahrend
sich die Reliquien noch in der früheren Klosterkirche, jetzigen Pfarrkirche von Eibingen
in einem 1<S57 neu erbauten Altar befinden.
Die Geschichte des Dorfes Eibingen ist aufs engste mit der von Rüdesheim ver-
knüpft gewesen: so im Bauernaufstand von 1525, in den wechselnden Beunruhigungen
während des dreissigjährigen Krieges und in der Pestnoth von 1666 und 67, welche
auch die Einwohner von Eibingen dezimirte, sodass in dem kleinen Orte täglich vier
bis sechs Todesfälle vorkamen. Eine eigene Pfarrkirche oder Kapelle scheint der
Ort schon vor der Klostergründung
besessen zu haben; 1226 wurde der
Klosterprobst zugleich der Seelsorger
von Eibingen, von 131b finden sich
wieder selbständige Pfarrer an der,
dem heil. Johannes d. T. geweihten,
am oberen Ende des Ortes belegenen
Pfarrkirche. Dieselbe wurde, als im
Jahre 1831 das Kloster nebst der
Klosterkirche von der Gemeinde an-
gekauft wurde, als überflüssig ab-
gerissen. Zaun bespricht sie (p. 299) als
„klein, mit einem Holzgewölbe, das
unmittelbar auf Seitenmauern ruhte,
und einem 80 Fuss hohen Thurm auf
der Nordseite". Der einzige Rest aus
dieser Kirche ist der in die jetzige
Pfarrkirche übertragene Taufstein.
Von den alten Klostergebäuden
und der dem heil. Giselbert geweihten Fig. 34. Elbingen. Tau/stein aus der alten Pfarrkirche.
Kirche, welche 1508 einer gründlichen Renovation unterworfen wurde, ist nichts
mehr vorhanden. Die jetzige Anlage entstammt einem lo83 vollendeten Neubau
4h
EIBINGEN. PFARRKIRCHE.
der Kirche und des Klosters. Letzteres lehnte sich als geschlossenes Viereck an die
Südfront der Kirche. Als 1814 die letzten Nonnen das 1802 säkularisirte Kloster ver-
lassen hatten , wurde der südliche und westliche Flügel abgerissen, und das Inventar
der Kirche von der Domäne für die Rochuskapelle bei Bingen angekauft, wo es bei
dem Brand derselben unterging. Die stehen gebliebenen Gebäudetheile dienten
während der Kriegsjahre zeitweilig als Zeughaus. Im Jahre 1831 von der Gemeinde
angekauft, dient der südliche Theil des Klostergebäudes jetzt als Pfarrhaus, der nörd-
liche als Schule, die Kirche als Pfarrkirche des Ortes.
Fig. 35. Elbingen. Hiiiisergruppc ans dem ältesten Tlieil des Dorfes.
Dieselbe ist ein schlichter einschiffiger Bau von 43,50 m Länge und 10,40 m
Breite, mit grader Holzdecke und rundbogig geschlossenen Fenstern. Der Westtheil
ist mit einer 11 m tiefen Empore überbaut; der Chor enthält einen modernen Hoch-
altar und zwei ebensolche Nebenaltäre. Die Kanzel ist an die Südmauer angelehnt.
Die Formen des Baues und der Ausstattung bewegen sich im nüchternen Stil vom
Ende des 17. Jahrhunderts und bieten keinerlei künstlerisches Interesse.
Das einzige nach dieser Richtung bemerkenswerthe Stück der Kirchenausstattung
ist der aus der abgerissenen früheren Pfarrkirche hierher übertragene Taufstein.
Derselbe zeigt gothische Formen des 15. Jahrhunderts, und ist aus dem Sechseck ent-
wickelt. Auf drei Kanten des schlicht ablaufenden Fusses ruhen drei auf den Hinter-
pranken sitzende Löwen in Freiskulptur. Die Seiten des mit einem Hohlkehlengesims
bekrönten oberen Theils sind mit sechs, auf den Kanten zusammenlaufenden, auf den
Mitten der Seiten auf freihängenden Konsolen ruhenden geschweiften Wimpergen
mit Krabben, Kreuzblumen und Nasen verziert. Zwischen je 2 Wimpergen ist in
EIBINGEN.
47
Flachrelief dargestellt: Maria mit dem Kinde, die heil, drei Könige, St. Johannes der Täufer
und St. Martin mit dem Bettler. Der Taufstein ist nach Lötz 1875 restaurirt worden.
Der Ort selbst enthält in seinem oberen
östlichen Theile, in der Umgebung der
früheren Pfarrkirche noch einige Gehöfte,
deren malerische , mit steilen Schiefer-
dächern gekrönte Gruppen auf ein höheres
Alter (16.— 17. Jahrhdt.J schliessen lassen.
Grösseres Interesse beansprucht nur das
frühere Rathaus in der Obergasse (jetzt
Wohnhaus und nach Süden leider ganz ein-
gebaut) welches mit seinen Treppengiebeln,
Zinnenkranz und vier Eckthürmchen statt-
lich emporragt. Letztere achteckig über
Eck vortretend, an die Zinnen durch ein umlaufendes gothisches Hohlkehlengesims
angeschlossen, ruhen auf schlichten, durch gemauerte und verputzte Stichbogen ver-
bundenen Konsolen, sind durch schmale Strebepfeiler, welche das umlaufende Kaff-
gesims durchschneiden, auf den Ecken verstärkt, haben kleine Fensterchen mit gekehlten
Ecken, darüber kleine Zinnen und sind oben offen.
Die Fenster sind mit Ausnahme der vermauerten in den Giebeln,
welche gekehlte Steinumrahmung tragen, modern.
Ueber der ebenfalls modernen Hausthür ein spätgothisches Wappen-
schild mit nebenstehendem Hauzeichen und der Jahreszahl 1506. * ^
Fig. 36. Eibingen. Giebel am allen Rathhaus.
Fig. 37. Presberg. Stiitse (ler_Orge/emf>orc in der Kirche.
48
Fig. 37a. Ehrenfels nach Merian um 1640.
BURGRUINE EHRENFELS.
ZOLLHAUS UND MÄUSETHURM.
Die Ruine der Burg Ehrenfels erhebt sich, ein bekanntes Merkzeichen der das
Binger Loch einschliessenden Berglandschaft, auf halber Höhe der zum Niederwald
aufsteigenden Felsen, etwa 2l/2 km westlich von Rüdesheim. Bei dem im Rhein ge-
legenen Felsen, der „Mühlstein" genannt, steigt der „Eselspfad" vom Rheinufer durch
Weinberge zu der Ruine empor, welche, jetzt dem preussischen Fiskus gehörig, von
diesem erhalten wird.
Die Erbauungszeit der Burg ist nicht genau zu ermitteln. Sie liegt in den
ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts und scheint mit den kriegerischen Ver-
Literatur :
Abbldg. Merian, Top. arch. Mog. p. 18.
Dan. Meissner's Libell. nov. polit. Emblematicus civitatum, IV 1638, Bl. 10.
v. Cohausen, Bergfriede. S. 4, 20. Grundr. Abb. Tafel 3, Fig. 22.
Weidenbach, Rheing. Bl, Jahrg. 1857.
Reuscher, Gesch. des Schlosses Ehrenfels und des Mäusethurms, Rüdesheim 1852.
Gottschalk, Ritterburgen, Bd. 6, pag. 1 3 ff.
J. Ph. Schmelzeis, Rüdesheim i. Rhg., p. 68, 58, 104, 178 fr., 196, 201.
v. Stromberg, Rh. Antiquarius 2, 10, 395 — 438.
A. v. Essenwein, die Kriegsbaukunst (Handb. d. Architektur II, 4. Bd., 1. Heft) p. 134,
Abb. Fig. 77, S. 177, 178.
Piper, Burgenkunde, p. 21, 290, Fig. 187, p. 360, Fig. 270, p. 522.
EHRENFELS, GESCHICHTE.
41»
Wickelungen zusammen zu hängen, welche durch den von 1200 bis 1208 währenden
Kampf um die deutsche Kaiserkrone zwischen dem Hohenstaufen Philipp und dem
Weifen Otto , drittem Sohne Heinrichs des Löwen und Neffen des englischen
Königs Richard Löwenherz veranlasst wurden. Mainz wurde in diese Kämpfe durch
das daselbst bestehende Schisma zwischen Luitpold von Worms und Siegfrid von
Eppstein hineingezogen , welches erst 1208 nach der Ermordung Philipps zu
Gunsten Siegfrids entschieden wurde. Neue Wirren entstanden, als der Weife,
nunmehr als Otto IV. im alleinigen Besitz der Kaiserkrone seine Politik gegen
die Kirche änderte und mit dem Bann belegt wurde, den Siegfrid als Legat des
Papstes für Deutschland auf dem Fürstentag zu Nürnberg 1211 zu vollziehen hatte.
Dafür überfielen Otto's Anhänger, besonders sein Bruder, Pfalzgraf Heinrich und
der Herzog von Brabant das Mainzer Erzstift und trugen Krieg und Verheerung
in die Rheingauischen Orte.
Solchen immer aufs Neue drohenden Gefahren gegenüber mochte es dem Erz-
bischof Siegfrid dringend nöthig erscheinen, am nördlichen Eingang des Rheingaus
einen festen Waffenplatz zu besitzen. Für die Erbauung der Burg Ehrenfels um diese
Zeit spricht eine undatirte , aber zwischen 1220 und 1240 ausgestellte Urkunde (Sauer
374) Siegfrids, welche die Herausgabe der Burg an den Erzbischof durch die mit
Dietrich v. Heinzenberg wiedervermählte Wittwe ihres Erbauers Philipp von Bolanden
betriff t. Es heisst darin :
. . . Castrum in Erenvails, quod Castrum Philippus de Bonlandia construxerat
nomine ipsius archiepiscopi et cum rebus suis et cum auxilio hominum suorum,
tempore quo idem Philippus fuit officialis dicti archiepiscopi . . . etc.
(Die Burg in Ehren fels, welche Burg Philipp von Bolanden erbaut hatte, im Namen des
nämlichen Erzbischofs und mit seinem eigenen Gelde und mit Hülfe seiner eigenen Leute, zur Zeit
da derselbige Philipp Dienstmann des genannten Erzbischofs war.)
Dass auf der Burg Ehrenfels bald nach ihrer Erbauung ein Rheinzoll errichtet
wurde, beweist die urkundliche Erwähnung (Sauer 480) eines Zollschreibers Johannes
(scriptor thelonei in Erinfels) im Jahre 1239, dem 1256 die Erwähnung (ebend. 654) eines
weiteren (Fridericus) folgt. Dass dieser Zoll nicht etwa nach Bodmann's Ansicht ein
während der oben erwähnten Kaiserwirren eingesetzter Raubzoll, sondern ein vom
Reiche anerkannter war, leitet Weidenbach aus dem Umstände ab, dass in dem so-
genannten „Zollkrieg" um 1300, in welchem die ungerechten und später bewilligten
Zölle aulgehoben wurden, der von Ehrenfels nirgends erwähnt wird. Vielmehr findet
man unter den Bedingungen, die der Erzbischof von Mainz 1308 für die Wahl des
nach König Albrecht's Ermordung aufgestellten Thronkandidaten Heinrichs von Lützel-
burg fordert, die pfandweise Ueberlassung des Ehrenfelser Zolls an den Erzbischof
Peter. Von da ab bleibt der Zoll ungestört beim Mainzer Stuhle, obschon die Kaiser
ihn stets als zum Reiche gehörig betrachteten. Zur besseren Zollüberwachung des
Stromes mögen um diese Zeit auch die unterhalb der Burg näher am Rheinufer gelegenen
befestigten Zollhäuser angelegt worden sein, deren Ruinen uns noch die Abbildungen
bei Merian und Meissner aufbewahrt haben.
4
50
EHRENFELS, GESCHICHTE.
Im Laufe des 14. Jahrhunderts bildete die Burg Ehrenfels mit der gegenüber-
liegenden Klopp die starken Bollwerke des unteren Erzstiftes ; jetzt ist es das Dom-
kapitel und der Erzbischof, welche sich um den Besitz des wichtigen Punktes streiten.
Aus der Regierungszeit Erzbischofs Heinrich III. theilt Schunk (Beitr. z. Mainzer Gesch.
Fig. 38. Ruine Ehrenfels im jetzigen Zustande.
2, 39) einen merkwürdigen Befehl desselben mit. Derselbe ergeht an „Ludwig unseren
Zöllner zu Ehrenfels, den Ignis sagittarius, nämlich den Furschützen, welcher bei Dir
auf Ehrenfels sich aufhält, mit all seinen Geräthschaften (praeparamentis) zu uns nach
Aschaffenburg zu schicken und demselben zu sagen, dass wenn er einen in seiner Kunst
Gleichen wüsste, er denselben mitbringe etc.,u ein beachtenswerther Beweis für die frühe
Anwendung der Feuerwaffen bei der Vertheidigung fester Plätze.
Im Jahre 1353 wurde die Burg nebst dem Zoll und anderen Ortschaften in der
Nähe dem Kuno von Falkenstein verpfändet für die Forderung von 40 000 Gulden, die
demselben als Abfindung zustanden für seine achtjährige Führung der Mainzer An-
gelegenheiten als Stiftsverweser für den abgesetzten Mainzer Erzbischof Heinrich von
Virneburg. Schon drei Jahre zuvor hatte die Burg Kuno von Falkenstein als Zuflucht
EHRENFELS, GESCHICHTE.
51
gedient, als derselbe auf der Burg Klopp, seinem damaligen Wohnsitz, von den auf-
rührerischen Binger Bürgern nächtlicher Weile überfallen war und sich nur mit genauer
Noth durch den Sprung aus einem Fenster retten konnte. Von Ehrenfels aus entsetzte
dann Kuno die von den Bürgern belagerte Klopp und ward Herr über die Aufständischen.
Im Jahre 1379 finden wir das Domkapitel im Besitze der Burg Ehrenfels (nebst
den Burgen Klopp, Lahneck, Starkenburg und Wildenburg) Es scheint, dass Erz-
bischol Adolf als Wahlbedingung dem Kapitel zugesichert hatte, es im Besitze der
Burg zu belassen.
Fig. 39. Elirenfels nach Meissner, 1638.
Von 1356 an, nachdem die Burg zum Erzbischöflichen Hoflager eingerichtet
worden, dient sie dem Kurfürsten wiederholt zu längerem Aufenthalt, wie die von dort
datierten Urkunden Johann's IL, Konrad's III., Dietrich's von Erbach, Diether's von
Isenburg und Adolf II. von Nassau beweisen. Konrad's II. Wahl wurde nach dem
Tode Johann's II. im Jahre 1419 durch das auf der Burg versammelte Domkapitel voll-
zogen. Auch wurde in das feste Ehrenfels zuweilen der Domschatz von Mainz in
Kriegszeiten geflüchtet, wovon wir im Jahre 1374 ein Beispiel finden.
Während des 15. und 16. Jahrhunderts schweigen die Chroniken über die Geschicke
der Burg vollständig ; erst der dreissigjährige Krieg bringt ihm die wechselnden Schick-
4*
52
EHRENFELS.
sale, denen das ganze erzstiftliche Gebiet unterworfen war. Von 1631—1635 war sie
mit dem ganzen Rheingau im Besitze der Schweden, nach kurzer Besetzung durch
Bernhard von Weimar im Jahre 1631, der bald wieder nach Nürnberg abziehen musste.
Als am 25. Dezember 1635 Mainz vor den Kaiserlichen kapitulirte, fiel auch die Burg
in deren Hände. Aber schon im April des folgenden Jahres muss sie eine Belagerung
der Schweden aushalten und bald muss die aus sechs Offizieren, acht Unteroffizieren
und 100 Gemeinen bestehende Besatzung aus Mangel an Lebensmitteln sich ergeben.
Ein gleich darauf folgender Versuch der Kaiserlichen, die Feste wieder zu nehmen,
wurde mit drei Zwölfpfündern abgeschlagen. Bis zum Jahre 1650 wechselte die Burg
den verschiedenen Wechselfällen des Krieges folgend, noch mehrmals ihren Herrn, um in
dem genannten Jahre in den Händen der Spanier und Kaiserlichen zu bleiben.
Grösseren Schaden an ihrem Baubestand scheint die Burg in diesen wechselnden
Kriegsschicksalen nicht genommen zu haben. Wenigstens zeigt uns sowohl die Me-
rian'sche Abbildung von 1646 (s. Fig. 37a), wie auch das Bild bei Meissner von 1638
die Burg mit ihren Aussenwerken, die Bedachung der Thürme und Wohngebäude in
unversehrtem Zustand. Dagegen sind auf beiden Blättern die als „Zollhaus" bezeich-
neten, niedriger nach dem Rheinufer belegenen Befestigungen als Ruine dargestellt.
Erst 1689 erreichte die Burg Ehrenfels das gleiche Schicksal, als im Orleanischen
Verwüstungskriege wahrscheinlich der zu Mainz kommandirende Marquis de la Gou-
piliere neben Bingen und der Klopp auch diese stolze Bergfeste der Zerstörung preisgab.
Die Burg Ehrenfels bietet ein lehrreiches Beispiel der im Allgemeinen seltenen,
in Nassau jedoch mehrfach vertretenen Wehranlagen, deren Hauptschutz gegen die
Angriffsseite durch eine kolossale Schildmauer gebildet wird, hier durch zwei, zur
Bedeutung von Bergfrieden ausgebildete Rundthürme flankirt. Das steil vom Nieder-
wald abfallende Gelände ist vor der Schildmauer abgegraben, sodass sich hier ein
Halsgraben bildet ; mit dem gewonnenen Erdreich sind hinter der Mauer nach der
Thalseite zu Terrassen aufgeschüttet. Der vom Rhein heraufsteigende Weg mündet
in dem Halsgraben ; früher war er in der Entfernung von etwa 25 m vor der Burg
durch einen von zwei Thürmen geschützten Thorbau vertheidigt, der auf der Dan.
Meissner'schen Ansicht deutlich zu erkennen ist.
Die Vertheidigungsmittel des ursprünglichen Baues aus dem Anfang des 13.
Jahrhunderts bestanden also nach der Rheinseite zu aus den durch steile Stützmauern
mit Zinnenkränzen unzugänglich gemachten Felsterrassen und der gegen die Bergseite
gerichteten Schildmauer mit ihren Thürmen und dem Halsgraben. Rückseitig schloss
sich an die Schildmauer ein mit hoher Mauer, deren Wehrgang mit Zinnen besetzt
war, umfriedeter Hofraum von trapezförmigem Grundriss, in welchem an die nach
der Rheinseite schauende Mauer der Palasbau angelehnt war.
Eine Erweiterung hat die Anlage, nach den Bauformen der erhaltenen Reste
zu schliessen, um die Mitte des 14. Jahrhunderts mit der Einrichtung der Burg zum
kurfürstlichen Hoflager erfahren. Damals dürften die Flankirungsthürme der Schild-
mauer ihre theilweise noch erkennbaren, theils aus Meissner's Stichen ersichtlichen
Aufsätze erhalten haben; an der Ostseite wurde ein dreistöckiger mit zwei Giebeln
EHRENFELS.
53
versehener Bau der Ringmauer aussen vorgelegt ; auch die oben erwähnten Thor-
thürme am unteren Weg dürften um diese Zeit entstanden sein. Was man auf den
alten Abbildungen an Aussenwerken erkennt, namentlich eine rheinabwärts gelegene
runde Bastion deutet auf die Zeit der Feuerwaffen. Die Schildmauer steigt als
massive, 4,60 m starke Mauermasse ca. 20 m aus dem Halsgraben auf; unter dem
nach zwei Seiten mit Zinnen besetzten Wehrgang ist im Innern ein zweiter, gewölbter
Gang ausgespart mit zwei langen nach aussen gerichteten Scharten , die sich an
ihrem Fuss in ein Dreieck erweitern.
Von den beiden Flankirungsthürmen ist der östliche, auf einem eckigen Fuss
aufsetzend, in seiner ganzen Höhe rund und trägt einen achteckigen Wehrgang, früher
mit Zinnen besetzt. Jede Seite desselben ruht auf zwei Halbkreisbogen, die ebenso
wie der sie füllende unprofilirte Kleeblattbogen gemauert und geputzt sind und von
einfachen, unten abgerundeten Kragsteinen getragen werden. Der westliche Thurm ist
von ca. 8 m über dem Graben an achteckig, am oberen Theil, der jetzt abgebrochen ist
EHRENFELSER ZOLL.
sieht man auf der Nordwestecke
auf abgestuften, unten abge-
rundeten Steinkonsolen die
Reste einer Pechnase vorge-
kragt. Der Thurm hatte früher
ein Zeltdach mit oberem Grat ;
auf den Ecken sassen vier höl-
zerne Wichhäuser.
Die Zerstörung der Burg-
gebäude ist eine so vollständige,
dass der jetzige Zustand über
ihre architektonische Beschaf-
fenheit wenig Auskunft giebt.
Man bemerkt, dass die vierecki-
gen Fenster steinerne, abge-
faste Fensterstöcke mit Mittel-
pfosten hatten ; am östlichen
Flügel befindet sich ein kleiner
Spitzbogen, am daranstossen-
den Aussenbau ein Rundbogen-
fenster, an dessen Leibung Lötz
noch Spuren von Bemalung
wahrnahm.
Von dem „Ehren f eis er
Zoll," den wir nach dem Dan.
Meissner'schen Stich von 1638
wiedergeben, ist nichts mehr
erhalten ; in der ersten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts sollen
noch einige Trümmer vorhan-
den gewesen sein, welche wahr-
scheinlich durch den Bahnbau
beseitigt worden sind. Soweit
die ohne besondere Genauigkeit
dargestellten Ruinen des rhein-
abwärts gelegenen Wehrbaues
erkennen lassen , war dieser
selbst eine bedeutende Anlage
mit runden und viereckigen
Thürmen , sowie mit zinnen-
besetzten Bastionen. Tiefer, un-
mittelbar am Rheinufer, scheint
MÄUSETHURM.
55
ein grosses massives Lagerhaus mit anstossenden Fachwerkgebäuden gestanden zu
haben. Eine äusserst malerische Baugruppe hat jedenfalls die rheinaufwärts bemerk-
bare Anlage gebildet, die vielleicht in den Zeiten des späteren Mittelalters als Woh-
nung des Zollschreibers errichtet wurde. Wir bemerken ein Pförtnerhaus mit Holz-
giebeln und einen reich gruppirten Hauptbau, der in der Hauptsache massiv und
mit hohem, von Erkern durchschnittenem Dach überdeckt, mit einem vorgebauten
Holzgiebel in Renaissanceformen nach dem Rhein sah und sich oberhalb an einen
massiven, mit einer „welschen Haube" gedeckten Rundthurm anlehnte.
Fig. 42. Mäusethurm mit Ruppertsberg nach Meissner 1638.
Mit der Ehrenfelser Burg- und Zollanlage hat jedenfalls der Mäusethurm*)
in Verbindung gestanden, wenn auch heute kaum mit voller Sicherheit zu ermitteln
ist, welches der ursprüngliche Zweck seiner Erbauung war. Die an den Thurm ge-
knüpfte Sage von dem von Mäusen verfolgten Erzbischof Hatto hat dem Bauwerk
eine Beachtung verschafft, die sich in einer ziemlich umfassenden Literatur ausspricht,
zu der Bedeutung desselben als Baurest aber in keinem Verhältniss steht. Seine Lage
auf einer Klippe mitten im Rhein genau an der Stelle, wo der Fluss sich fast recht-
*) Literatur :
Rhein. Jahrbücher 2of., S. 129 — 131, 33 f., S. 260 — 265.
Erbkam, Zeitschrift f. Bauw. 1857, Spalte 503 Tafel 64 (Rekonstruktion).
Dr. Com. Will, der Mäusethurm b. Bingen in Pick's Monatsschrift I, 205 — 216.
56
MÄUSETHURM.
winkelig nach Norden biegt, machte ihn besonders geeignet als einen von sehr weit
erkennbaren und einen ebenso weiten Ausblick gewährenden Wart- und Signalthurm.
Als solcher ist er bekanntlich heute, nach einer im Jahre 1855 vollzogenen sehr frag-
würdigen Wiederherstellung, in Benutzung. Die gleiche Bestimmung dürfte er auch
zur Zeit seiner Erbauung, die Bodmann als gleichzeitig mit Ehrenfels annimmt, gehabt
haben: sowohl den Verkehr der zu Berg und zu Thal durch das damals noch höchst
gefahrvolle Binger Loch fahrenden Schiffe zu regeln, wie auch den Insassen der Burg
und des Zollhauses, denen der Ausblick rheinabwärts verschlossen war, die von dort
kommenden Fahrzeuge zu signalisiren. Dass er selbst als Zollgebäude gedient habe,
wie man durch Ableitung seines Namens von „Mautthurm" beweisen wollte, ist wegen
der hierzu gänzlich ungeeigneten Lage mitten im gefährlichsten Fahrwasser unwahr-
scheinlich. Eher ist die Erklärung des Namens durch „Muserie" gleich Geschütz, oder,
wie Will glaubt, durch das Wort ,,musen" gleich suchen oder spähen, annehmbar.
Das Bauwerk selbst, das uns in seinem ursprünglichen Zustand auf einem Stich
von Dan. Meissner von Kloster Rupertsberg und auf dem Merianschen Blatt von
Ehrenfels (in ungenauer Abbildung) überliefert ist, entbehrt des höheren architek-
tonischen Interesses. Es war ein in Bruchsteinen, ohne jede Kunstform aufgeführter
Bedürfnissbau, viereckig in vier Geschossen aufsteigend mit 1,9 und 2,8 starken Mauern
und mit einem spitzen Dach bedeckt. Die Ecken waren mit ausgekragten Eck-
thürmchen besetzt ; an der Nordost-Ecke sprang ein sechsseitiger Treppenthurm vor,
der Ostseite war ein dreieckiger Eisbrecher vorgelegt. Die Fenster waren viereckig
mit anscheinend ungegliederten Gewänden.
57
STADT ELTVILLE.
IE STADT ELTVILLE, 12 Kilom. ostnordöstlich von Rüdesheim am
Rhein gelegen, von 3646 Einwohnern in 801 Haushaltungen bewohnt (1901),
scheint zwar schon zu Karolingischer Zeit als „Weiler" besiedelt gewesen
zu sein ; ihr Heranwachsen zu grösserer Bedeutung ist jedoch gegenüber
Rüdesheim, Lorch, Winkel etc. in eine verhältnissmässig jüngere Zeit zu setzen. Der
Name kommt in Urkunden seit dem 11. Jahrhundert meist in der lateinischen Form
Altavilla vor ; doch findet sich schon 1669 die Form Eltville, die im 12. und 13. Jahr-
hundert dann fast die herrschende bleibt. Eine Urkunde aus der Mitte des 13. Jahr-
hunderts hat die noch heute volksthümlich häufig gebrauchte Variante Eltfeldt.
Vermuthungen über römischen Ursprung, die uns bei so vielen Orten des Rhein-
gaues entgegentreten und hier besonders sich an die lateinische Form des Namens
knüpften, haben keinerlei historische Unterlage. Nach dem Uebergang des Rhein-
gaues unter kurmainzische Herrschaft behielt Eltville einen Erzbischöflichen Saal-
und Dinghof, weshalb es auch in dieser Zeit unter den rheingauischen Orten eine be-
vorzugte Stellung einnahm und dauernd Sitz eines Landgerichtes und des rhein-
gauischen Erzpriesters blieb, wie^auch während des ganzen Mittelalters das General-
Haingericht über den allgemeinen Landeswald des Rheingaues hier tagte.
Aber erst die im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts entbrennenden Streitigkeiten
zwischen der Stadt Mainz und dem dortigen Klerus verhalfen Eltville zum Rang einer
Stadt und zu der Blüte, die es seit jener Zeit bewahrt hat. Jene Streitigkeiten bewogen
bekanntlich die Mainzer Bürgerschaft, in Bischof Balduin von Trier ein thatkräftiges
und angesehenes Oberhaupt für ihren erzbischöflichen Stuhl aufzustellen, gegen welchen
dann der zu Avignon residirende Papst Johann XXII. Heinrich von Virneburg zum
Erzbischof ernannte. Diese Ernennung, gegen die sich Kapitel und Bürgerschaft auf-
lehnten, führte zum Bürgerkrieg : die dem Papst folgsamen Geistlichen wurden aus der
Stadt vertrieben, das Kloster St. Alban, das Victorstift und das erzbischöfliche Schloss
eingeäschert, aus dem zerstörten Kloster auf dem Jakobsberge machten die Bürger
eine Schutzburg für die Stadt Auch Balduin zögerte nicht, sich mit bewaffneter Hand
58
ELTVILLE, GESCHICHTE.
in den Besitz der ihm übertragenen Würde zu setzen. Er fällt verwüstend in das
Mainzer Gebiet, schafft sich sichere Stützpunkte , indem er Gaualgesheim und die
Kirche von Flörsheim befestigt — letztere um Mainz vom Main abzuschneiden. Vor
allem aber beginnt er in Eltville, hart am Rheinufer, einen Burgbau, dem er die Be-
festigung der Stadt anschliesst. Dies verstiess gegen ein von Kaiser Friedrich II. der
Stadt Mainz verliehenes Privileg, wonach auf vier Meilen von dieser Stadt entfernt
weder eine Stadt noch ein „burglich buw" entstehen durfte. Deshalb ertheilte Kaiser
Ludwig der Bayer 1332 Balduin ausdrücklich die Erlaubniss, Eltville mit Mauern,
Gräben und andern Befestigungen zu umgeben und begabte es mit Stadtrechten,
Freiheiten und Immunitäten „gleich der Stadt Frankfurt," welch letzterer Zusatz sich
jedoch nur auf die Abhaltung von Märkte n und Messen zu beziehen scheint.
In dem genannten Jahre hatte Balduin sich mit den Mainzern ausgesöhnt und
führte vier Jahre lang das Amt eines Verwesers des Erzbisthums, bis er 1336 auf
dasselbe verzichtete, und nun endlich Heinrich v. Virneburg in die lang umstrittene
Würde gelangte.
Dieser führte in Eltville die angefangenen Bauten Balduins zu Ende ; die Schäden,
die ein 1339 ausgebrochener Brand dem Neubau zufügte, wurden von Heinrich und
seinem Nachfolger Gerlach hergestellt. Letzterer hatte hier auch eine Münzstätte
unter Meister Johann von Westemale eingerichtet, den er durch einen von Aschaften-
burg 1354 datirten Erlass mit der Ausprägung gewisser Münzsorten beauftragt.
(Sauer 2705). Mehrfach war dann die neue erzbischöfliche Burg der Schauplatz der
in dieser Zeit kaum unterbrochenen Kämpfe um den deutschen Kaiserthron. So in
dem unglücklichen Ausgang des Gegenkaisers Günther v. Schwarzburg, den Heinrich
von Virneburg, auf der Partei der Feinde des Papstes stehend, nach Ludwigs des
Bayern Tode, gegen dessen Gegner Karl aufgestellt hatte. Günther, dem das Waffen-
glück nicht hold war, rettete sich auf die Eltviller Burg seines Beschützers , wo der
Vergleich mit Karl, eine Abfindung von 20000 Mark Silber, stattfand und wo auch,
einem Gerücht zufolge, Günther das Gift beigebracht worden sein soll, an dem er
kurze Zeit darauf in Frankfurt starb.
Als 1409 Erzbischof Johann II der Wahl Ruprecht's von der Pfalz entgegen-
arbeitete und einen Gegenkönig aufstellen wollte — ein Vorhaben, welches durch
Ruprechts Tod durchkreuzt wurde — hielt er es für geboten, um gegen etwaige
kriegerische Unternehmungen des Königs gerüstet zu sein, die Burg Eltville auf's
neue mit Befestigungen zu verstärken.
Jedenfalls diente die letztere seit Gerlachs Zeit den Mainzer Erzbischöfen ständig
als Residenz, da die Misshelligkeiten mit der Mainzer Bürgerschaft, die erst 1462
völlig erloschen , den Aufenthalt am Sitz des Erzbisthums verleideten. In Eltville
starben : 1373 Johann aus dem Hause Luxemburg-Ligny , 1434 Konrad aus dem Ge-
schlecht der Wildgrafen, und 1475 Adolf von Nassau, der das Schloss besonders be-
vorzugte und im Jahre 14b5 ein Inventar desselben aufnehmen liess, welches uns einen
interessanten Einblick in den bescheidenen Hausrath der Wohnung eines hohen Reichs-
fürsten gewährt. (Schliephake V, 354.) Erst als Adolfs Nachfolger Diether von Isen-
ELTVILLE, BUCHDRUCKEREI.
59
bürg (1475—1482) in Mainz die Martinsburg erbaute, wurde die ständige Residenz
wieder nach Mainz verlegt, was doch den Erzbischof Berthold von Henneberg (1484
bis 1504) nicht hinderte, die Burg Eltville im Inneren nach dem neuen Zeitgeschmack
erneuern zu lassen. Als daher durch Markgraf Albrecht von Brandenburg 1552 die
Martinsburg zerstört wurde, musste Eltville vorübergehend wieder als Residenz dienen.
Erst als das Mainzer Schloss wieder hergestellt und in dem Schlosse zu Aschaffen-
burg eine neue prächtige Sommerresidenz der Erzbischöfe geschaffen war, verfiel die
Burg zu Eltville, in welcher dem Landschreiber des Rheingaues Wohnung angewiesen
wurde, allmählig in Vernachlässigung. Noch einmal sah sie eine Hofhaltung in ihren
Mauern, als Kurfürst August von Sachsen 1584 die Kur in dem damals schon weit-
berühmten Schwalbach brauchen wollte, wegen der kriegerischen Zeitläufte aber die
befestigte Burg gern gegen den Aufenthalt in dem offenen Badeort vertauschte.
Ueber die endliche Zerstörung der Burg im dreissigjährigen Krieg fehlen die
näheren Nachrichten ; einzig die Darstellung bei Merian 1645, welche Burg und Thurm
dachlos zeigt und die Textnotiz : „Hat ein Schloss, so jetzo abgebrannt" weisen darauf hin.
Ein Ueberblick über die Geschichte von Eltville darf den Antheil nicht unerwähnt
lassen, den diese Stadt an der ersten Entwickelung der Buchdruckerkunst genommen hat.*)
Bei der Ungewissheit, welche über Gutenbergs letzte Lebensjahre herrscht, kann
über dessen persönliche Beziehungen zu Eltville nur vermuthungsweise berichtet werden.
Jedenfalls knüpften sich dieselben an die ihm verwandten Familien Bechtermüntz und
Sorgenloch. Die Brüder Heinrich und Nicolaus Bechtermüntz, Mainzer Patrizier, be-
wohnten in Eltville ein Landgut. Der ältere, Heinrich, hatte mit seiner Frau, Grete
von Schwalbach, zwei Kinder, Johann und Else, von denen der erstere 1471 Bürger-
meister von Eltville wurde und die Tochter sich 1464 mit einem Verwandten Gutenbergs,
Jakob von Sorgenloch, genannt Gensfleisch, verheirathete. In dem darauf folgenden
Jahre, 1465, am 18. Januar erfuhr Gutenberg von dem aus dem Kampfe mit Diether
von Isenburg siegreich hervorgegangenen Mainzer Kurfürsten Adolf II. von Nassau
eine Gunstbezeugung, die er wohl der Anerkennung seiner Erfindung verdankte : Er
wurde durch eine von Eltville datirte Urkunde in den Hofdienst des Kurfürsten auf-
genommen und mit dem jährlichen Geschenk eines Hofkleides, zwanzig Malter Korn
und zwei Fuder Wein bedacht.
Ob er nun als Dienstmann des Kurfürsten diesem zeitweilig nach seiner ständigen
Residenz Eltville gefolgt ist und bei dieser Gelegenheit die Brüder Bechtermüntz in
seiner Kunst unterrichtet hat oder ob diese, wie so manche anderen, seine Typen käuflich
erwarben, muss dahingestellt bleiben.
Unwahrscheinlich bleibt es jedenfalls, dass er seine Druckerei nach Eltville verlegt
habe, da die ganze Einrichtung derselben um diese Zeit schon das Eigenthum des
*) C. D. Vogel in Nass. Ann. I, Heft 2. 49 ff.
K. G. Bockenheimer, Festschrift zur Gutenbergfeier in Mainz 1900.
AI fr. Börckel, Gutenberg, sein Leben, sein Werk, sein Ruhm. Giessen 1897.
60
ELTVILLE. PFARRKIRCHE.
Mainzer Stadtsyndikus Dr. Humery war, der Gutenberg nach seinem Prozess mit
Johann Fust das Geld zu einer neuen Druckerei gegeben hatte. Unbestritten ist die
Thatsache, dass das erste Druckwerk der Bechtermüntz (4. Nov. 1467) das Vocabularium
,,ex quo" (einziges Exemplar in der Bibl. nat. zu Paris) mit den Typen des Gutenberg-
schen Catholicon gedruckt worden ist. Heinrich Bechtermüntz war in demselben Jahre,
vor Erscheinen dieses Druckes gestorben und die Druckerei wurde durch seinen Bruder
Nicolas und den ebenfalls einer alten Mainzer Patrizierfamilie entstammenden Wiegand
Spies von Ortenberg fortgeführt. Sie endete mit dem Tode des Hans Bechtermüntz,
Heinrichs Sohn, 1483. Seine Erben sollen (nach Bodmann) die Druckgeräthe an die
Kapitelherrn zu Marienthal verkauft haben.
DIE PFARRKIRCHE ST. PETER UND PAUL.
Dem muthmasslichen Alter des Ortes entsprechend muss schon früh eine Kirche
hier gestanden haben, deren einzige Erwähnung in einem Inschriftstein erhalten ist,
welcher sich im Seitenschiff eingemauert findet und schon von Domvikar Helwich 1614
abgeschrieben wurde. Derselbe enthält eine Dedikationsurkunde für den St. Catharinen-
altar und wurde „Gratia et diligentia Willigisi Archiepiscopi" (also vor 1011) gesetzt.
Die auf den Rahmen der Inschrift in arabischen Ziffern eingemeisselte Zahl 1095, welche
Anlass zu einer späteren Datirung des Urkundensteins gab, ist von Fr. Schneider
(Lötz 497 ff.) als nachträglicher Zusatz nachgewiesen worden.
Die jetzige Pfarrkirche entstammt, ebenso wie die Neuanlage der Burg und
Vergrösserung der Stadt, der Zeit des Erzbischofs Gerlach, Grafen von Nassau, wie
eine ebenfalls von Helwich überlieferte Inschrift bezeugt, welche das Gründungsjahr
1353 angiebt und gleichzeitig die Mittheilung enthält, dass der Thurm unter dem
Wild- und Rheingrafen, Conrad III. (1419 — 1434), erbaut ist. Dieser Bauperiode, welche
auch durch das im Scheitel des Westportals angebrachte Wappen bekundet wird,
gehört, nach dem gleichartigen Sockelprofil zu schliessen, auch das (südliche) Seiten-
schiff an. Aus dem im Schlussstein des östlichen Joches am Gewölbe des Haupt-
schiffs angebrachten Doppelwappen des Mainzer Rades und Nassauer Löwen schliesst
Lötz, dass dieser Theil unter Erzbischof Johannes IL, Grafen von Nassau, erbaut
sei, sodass die Erbauung der Kirche die Zeit zwischen 1353 und 1434 eingenommen
haben dürfte.
Nach Zaun (36 ff.) wäre der Thurm der ersten, aus dem 11. Jahrhundert stam-
menden Kirche bei dem Neubau verwandt worden und in den Umfassungsmauern des
westlich vor der Sakristei belegenen Treppenhauses erhalten.
Die Kirche ist eine zweischiffige, vierjochige Hallenkirche, deren dreijochiges
südliches Seitenschiff später dem Hauptbau angeschlossen ist, mit einschiffigem Chor,
welcher aus zwei Jochen und fünf Seiten des Achtecks gebildet ist. Die Choraxe
zeigt gegen diejenige des Schiffs eine leichte Ablenkung nach Süden, welche auf
die Länge des Chors ca. 30 cm beträgt. Der Westfront ist ein kräftiger Thurm vor-
Fig. 45. Eltville. Pfarrkirche. Inneres.
ELTVILLE. PPARRKIRCHE.
61
gelegt. In der Ecke zwi-
schen Seitenschiff und
Chor ist die Sakristei
eingebaut.
Die spitzbogigenKreuz-
gewölbe haben theils ein-
fache, theils doppeltge-
kehlte Rippen und Gurte,
die im Chor und Schiff
auf Konsolen aufsetzen,
welche im Schiff flott ge-
arbeitetes Laubwerk zei-
gen. Im Seitenschiff ver-
laufen die Gewölbegliede-
rungen glatt ohne Kon-
solsteine in die Pfeiler.
Die Sakristei ist mit einem
fünfrippigen Kreuzge-
wölbe überdeckt. Dem
westlichen Joche der
Schiffe ist eine Empore
auf einfachem Netzge-
wölbe eingebaut, sie ruht
auf dünnen Achteckpfei-
lern, von welchen einer
im Hauptschiff freisteht,
die andern sich als Dienste
dem ersten Trennungs-
pfeiler von Haupt- und
Seitenschiff anlehnen.
Die Fenster wechseln im
Chor und Schiff mit zwei
Mustern eines einfachen,
zweitheiligen Massvver-
kes ab, welches schlicht
hohlprohlirt ist. Das
Masswerk der dreitheil-
igen Fenster des Seiten-
schiffes hat Rundstab-
profil.
Die Strebepfeiler sind
mit schlichtenPultdächern
Fig. 43. Eltville. Grundriss der Pfarrkirche.
62
ELTVILLE. PFARRKIRCHE.
abgedeckt. Die nörd-
liche Thüre hat ein mit
einer handwerklichen
Relief-Skulptur verzier-
tes Tympanum, Christus
am Kreuz zwischen
Maria und Johannes dar-
stellend ; auch die den
Thürsturz seitlich tra-
genden Konsolen haben
figürlichenSchmuck.Vor
der Südthür ist durch
ein zwischen die Strebe-
pfeiler eingespanntes
Tonnengewölbe ein
Schutzdach gebildet.
Der Thurm behält
durch vier Geschosse
seinen quadratischen
Grundriss bei, verstärkt
durch diagonal gestellte
Strebepfeiler, welche im
zweiten Geschoss mit offenen
Figuren-Tabernakeln, oben
mit Fialenbündeln ge-
schmückt sind und in hohl-
geschweifte Pultdächer en-
digen. An Stelle des nord-
östlichen Strebepfeilers tritt
ein Treppenthurm, der
schlicht achteckig bis zur
Plattform führt. Das Erdge-
schoss, von vier Thüren
durchbrochen , bildet eine
Vorhalle und hat ein Stern-
gewölbe mit gekehlten Rip-
pen. Das reichprofilirteWest-
portal mit einem nach innen
geschweiften Wimperg und
einer durchbrochenen, von
Fig. 44. Eltville. Pfarrkirche.
ELTVILLE. PFARRKIRCHE.
63
Konsolen getragenen Gallerie versehen, ist neuerdings hergestellt. Das zweite Ge-
schoss, ebenfalls mit Sterngewölbe überdeckt und sehr hoch, hat nach der Kirche
eine vermauerte, spitzbogige Oeffnung und nach Westen ein grosses Fenster mit drei-
theiligem Fischblasen-Masswerk. Das Gesims, welches dies Stockwerk aussen markirt,
ist unter dem Westfenster nach unten verkröpft. Das dritte Geschoss hat auf der
West- und Südseite Masswerkblenden, vor denen sich an der Westseite eine durch-
brochene Gallerie vorbeizieht. Das vierte Geschoss tritt vor den untern um die
Breite eines schmalen Umgangs ohne Brüstung zurück, der die Strebepfeiler in grade
überdeckten Öffnungen durchbricht. In diesem Geschoss befinden sich vier Schall-Löcher.
Der spitze Helm, welchen der Thurm früher, nach der Ansicht bei Merian, ge-
tragen hat, fiel 1783 einem Blitzschlag zum Opfer. Das jetzt vorhandene, ein niedriges
Achteck bildende steinerne Obergeschoss nebst der hübsch profilirten geschweiften
Dachhaube entstammen ebenso wie die durchbrochene, gothisches Masswerk nach-
ahmende Brüstung der Herstellung in dieser Zeit. Ein wahrscheinlich gleichzeitiger
Dachreiter mit geschweiftem Dach sitzt auf der First des Chordachs.
An Kunstwerken besitzt die Kirche zunächst einen sehr schönen Taufstein,
ein Werk der spätesten Gothik mit einer von der Renaissance stark beeinflussten Orna-
mentik, inschriftlich von 1517. Eine quadratische, mit den Evangelistenzeichen belegte
Plinthe trägt den zu einem Achteck ausladenden Fuss und das Becken, dessen konkave
Seiten mit spätem, Einflüsse der Renaissance verrathenden Masswerk geziert sind.
Auf demselben sind als Schmuck Christus als Weltherrscher, sechs Apostelpaare und
Nicolaus und Paulus angebracht.
Ein ebenfalls der spätesten Gothik angehöriges Bildwerk ist der an der Nordseite
aussen neben dem Thurm errichtete Oelberg von 1520, eine im figürlichen derb-hand-
werkliche, aber wirkungsvolle Arbeit mit zierlichem Masswerk in dem flachbogigen
Baldachin.
In der Südwand des Chors ist ein schönes bemaltes W a n d t a b e r nak el,
ähnlich dem in Marienhausen, erhalten. Die Umrahmung zeigt gothische Formen vom
Ende des 14. Jahrhunderts, trägt eine Zinnenbekrönung und darunter einen von Fialen
flankirtcn, mit Blendmasswerk gefüllten Giebel mit Krabben und Kreuzblume. Einige
Grabsteine von Kunstwerth sind im Chor erhalten : Das älteste auf der Südseite
von Pfarrer Leonhard Meng es, f 1476, zeigt unter einem dreitheiligen gothischen
Baldachin mit nach innen geschweiften Wimpergen die Kreuzigungsgruppe mit der
kleinen Figur des Stifters in guter, handwerklicher Ausführung. Neben demselben
stellt das Epitaph der Frau Agnes von Koppenstein „des edlen Friedrich von
Stockhaim vittums im Rinkaw Hausfrow" f 1553 eine tüchtige Arbeit der Renaissance-
zeit dar. In zartem Flachrelief steht die Bestattete betend unter einer seitlich mit
Wappen belegten Rundbogennische, neben sich ihr Töchterchen, wie sie selbst in
stattlicher Patrizierkleidung, und ein nacktes Söhnchen. Ein ebenfalls künstlerischen
Werth aufweisender Grabstein auf der Nordseite des Chors ist derjenige des Licentiats
04
ELTVILLE. PFARRKIRCHE.
und Pfarrers Adam Helsius (Heisinger)
1539. In einer feinen Renaissance-Archi-
tektur kniet der Stifter unter dem in Hoch-
relief ausgearbeiteten Bild der heiligen Drei-
einigkeit. Ueber der Sakristeithür ist ein
Wandepitaph in späten, reich mitSchnallen-
und Rollwerk verzierten Renaissanceformen
aufgestellt, welches das Kniestück des in
voller Ritterrüstung dargestellten Philip-
pus Frey vonDehrn, f 1568, umrahmt.
' EinanderesstattlichesWandepitaphderSpät-
renaissance ist das der 1599 verstorbenen
Elisa beta von Schönberg, Gemahlin
Johann Georgs von Bicken, Vicedom. Eine
gute spätgothische Grabplatte mit früher
Kostumhgur und leider unleserlicher In-
schrift ist unter der Kanzel eingemauert.
Wenig bedeutend sind die Chorstühle, von
ganz handwerksmässiger gothischer Arbeit
ohne hohe Seitenwangen. Die später er-
Fig. 49. Burg Eltville. Der Thurm. .. -57-1 , „ „
ganzten V orderwande tragen r üllungen
mit unbezeichnendem Barockornament. Interesssant wegen der oben erwähnten Be-
ziehungen zu Gutenberg ist der Grabstein des Jacob vom Sorgenloch, gen. Genss-
fleisch f 147S, welcher 1823 an der Nordseite des Chors aufgegraben wurde und
jetzt in der Schmidtburgkapelle auf dem Friedhof bei der Kirche aufgestellt ist.
(Beschr. v. Dr. Schaab, Nass. Annalen, 1, 21 — 26.)
Ein schöner, in Holz geschnitzter Crucifixus unter dem Chorbogen und eine
Marienstatue mit dem Kinde an dem Südpfeiler, beide aus der spätesten Zeit der
Gothik und gut in der Bemalung hergestellt, sind zu erwähnen.
Die Kirche besass eine reiche Ausmalung, welche in den sechziger Jahren auf-
gedeckt und theilweise von A. Martin in Kidrich hergestellt wurde, jetzt aber leider schon
wieder der Feuchtigkeit zum Opfer zu fallen droht. Erhalten sind noch : an der Südwand
ein heil. Christoforus ; auf dem Chorbogen die Gestalten von Petrus und Paulus, darüber
ein Kranz von 9 Wappen, jedes Wappen von einem zierlichen Engelfigürchen getragen.
Die Malereien der Nordwand und an der Emporbühne, deren Inhalt Fr. Schneider
(Lötz 500) eingehend aufführt, sind leider bei der Restauration wieder überstrichen worden,
nachdem sie von A. Martin aufgenommen waren. Im Schatz der Kirche befindet sich
eine Monstranz, Silber vergoldet, 90 cm hoch, welche in ihrem klaren Aufbau zu
den besten Silberarbeiten des 15. Jahrhunderts zu rechnen ist. Die Glocken sind mit
Ausnahme der 1783 gegossenen dritten aus dem 19. Jahrhundert (Inschriften bei Zaun).
Von der erzbischöflichen Burg Eltville steht in wohlerhaltenem Zustand
noch der bewohnbare Bergfried, jetzt dem Fiskus gehörig und zu der in der Burg-
Fig. 48. Eltville. Pfarrkirche. Silbervergoldete Monstrans.
BURG ELTVILLE.
65
ruine eingebauten Oberförsterei gezogen. Er nimmt die südöstliche Ecke des innern
Burgberings ein, hat quadratischen Grundriss (10,65 m auf 10,20 m) und bei 25 m
Höhe vier Stockwerke über dem Verliess. Die Ecken sind vom dritten Stockwerk
an mit sechseckigen Vorsprüngen besetzt, welche in der Höhe der Wehrplatte stärker
vorgekragte Thürmchen tragen, die sich noch ein Stockwerk über das Dachgesims er-
heben. An der dem Burghof zugekehrten Nordwestecke ist der Vorsprung durch
den in gleicher Dicke den Thurm in seiner ganzen Höhe begleitenden Treppenthurm
ersetzt. Zwischen den Eckthürmen ist der Wehrgang mit Gusslöchern auf Stichbogen
i
■
II 0 ■»
Im
Fig. 51. Burg Eltville. Kamin im Wohnthurm.
vorgekragt; diese ruhen auf mit Nasen besetzten Kragsteinen und sind mit offenen
Kleebogen ausgefüllt. Das gleiche Motiv wiederholt sich als untere Stütze der sechs-
eckigen V orsprünge. Die Fenster haben rechteckige steinerne Fensterstöcke, die nur
in den oberen Stockwerken gekehlt sind ; die kleinen Fenster der Eckthürmchen sind
im Spitzbogen mit Nasen geschlossen. Alle Architekturtheile sind von rothem Main-
sandstein, die Flächen verputzt.
Im Innern interessirt vor allem im zweiten Stockwerk ein den ganzen Innen-
raum einnehmendes (jetzt getheiltes) Gemach, welches zwei zierliche Wandschränke
5
66
BURG ELTVILLE.
mit zinnenbekrönter profilirter Umrahmung und einen monumentalen Kamin besitzt,
dessen quadratische Oeffnung bis zum Sturz 2,18 m Höhe aufweist. Die auf dem
Sturz angebrachten vier Wappen deuten auf Erzbischof Gerlach und die zweite Hälfte
des 14. Jahrhunderts hin. Aus der Entstehungszeit des Thurmes 1332 — 40 dürfte der
innere Ausbau des vierten Stockwerks sein, welches in zwei ungleich grosse, spitz-
bogige Kreuzgewölbe getheilt ist, deren einfach gekehlten Rippen und doppelt ge-
kehlten Gurte auf profilirten Konsolen aufsetzen. Im dritten Stockwerk erinnern
die Thüren mit bescheidenen Renaissance-Rahmen an die Neueinrichtung, welche die
Burg unter Erzbischof Berthold von Henneberg (1484 — 1504) erfahren hat.
Die übrige, mit meh-
reren neueren Gebäude-
flügeln bebaute Ruine
vergegenwärtigt ziemlich
deutlich die Anlage der
alten Wasserburg.
Die nördliche und
westliche Front ist mit
einem 17 — 20 m breiten,
jetzt beiderseitig ausge-
mauerten Graben umge-
ben. Es ist möglich, dass
derselbe ursprünglich,
ehe sein Fussboden bis
zur jetzigen Höhe aufge-
höht war, vom Rhein aus
oberhalb der Burg mit
Wasser gefüllt werden
konnte. Von Norden her
führte über den Graben
eine Zugbrücke zu dem
spitzbogigenBurgthor mit
hohlprofilirtem Gewände ;
von den Vertheidigungs-
anlagen des Thors ist
nichts erhalten.
Die gegenüber lie-
gende südliche Seite des
Burghofs schloss ein
grösseres , sich westlich an den Thurm anlehnendes Gebäude ab , vermutlich der
Palas, vom Thurm aus durch eine in der Höhe des dritten Stockwerks noch erhaltene
Thüre zugänglich. Die Südmauer dieses Gebäudes ragt noch als mächtiges Ruinen-
stück mit starken Strebepfeilern aus dem tiefer am Rheinufer liegenden Südzwinger
BURG ELTVILLE.
67
empor. Zwischen den Strebepfeilern sind starke Stichbögen aus zwei selbständigen Back-
stein-Rollschichten geschlagen, die sich westlich gegen einen viereckigen vorgekragten
Eckthurm stützen. Unter diesen Bogen, in der Höhe des oberen Burghofs, war die
Mauer durch Fenster
mit steinernen Kreuz-
stöcken durchbrochen.
Rechtwinkelig an
diese Mauer schloss
sich oben offenbar eine
Westmauer an , vor
welcher ein schmaler
Zwinger entlang lief,
dessen nach dem Gra-
ben gerichtete Mauer
noch die Reste eines
Wehrgangs auf Stich-
bogen zeigt, die von
gerundeten und ge-
fasten Konsolsteinen
getragen werden. Der
untere Zwinger hat
zinnenbesetzteMauern
mit Eckthürmchen, die ebenfalls Zinnen haben und von denen das westliche auf Krag-
steinen mit Spitzbogen vorgekragt ist. (S. Fig. 50.)
Die 1332 gleichzeitig mit der Burg begonnene Stadtbefestigung scheint
eine ziemlich regelmässige Anlage gewesen zu sein, wenn man einen westlich von der
Burg an der Rheinfront stehenden runden Mauerthurm, einen ebensolchen an der
nordwestlichen Grenze der Stadt in eine Häuserflucht eingemauerten und einen ganz
modernisirten, an der Hauptstrasse ziemlich genau nördlich von der Burg stehenden
viereckigen Thurm als ihre Ecken annehmen kann. An der Rheinfront zwischen der
Burg und dem zuerst genannten Rundthurm erhebt sich über dem Martinsthor ein
fünfter, viereckiger Thurm, seit 1751 von der gräflichen Familie Eitz angekauft und
in ihren Edelsitz eingebaut. Die anderen früher vorhandenen Thorbefestigungen, das
Silz- und Kapellenthor sowie der Holzthurm sind verschwunden.
Nordwestlich von der Burg, östlich von der Pfarrkirche, erstreckt sich das schöne
Besitzthum des Freiherrn Langwerth von Simmern nördlich bis an die Haupt-
strasse. Es enthält zwei Profanbauten, welche unser Interesse in Anspruch nehmen.
Die nachfolgenden Notizen beruhen auf den mit dankenswerther Bereitwilligkeit
dieser Arbeit zur Verfügung gestellten Forschungen des Herrn Architekten P. Eichholz
in Wiesbaden, welcher das von ihm gesammelte Material über die Denkmäler von
Eltville hoffentlich in umfassenderer Weise veröffentlichen wird, als es hier der
Raum gestattet.
6*
Fig. 53. Eltville, Burg-Ruine. Südmauer des Palas.
68
ELTVILLE. STOCKHEIMER HOF.
Im südlichen Theil des prächtig angelegten Langwerth'schen Parkes steht ein
der späten Gothik angehöriges Gebäude , ursprünglich der „S t o c k h e i m e r Hof."
Es ähnelt in seiner Anlage und Architektur auffallend dem ebenfalls von der Familie
Stockheim erbauten „Schönborner Hof" in Geisenheim. Es ist ein schlichtes, läng-
liches Viereck mit steilem Dach und entsprechenden Giebeln ; vor die Mitte der nörd-
lichen Langseite tritt ein achteckiger Treppenthurm mit spitzem Zeltdach, vor den
westlichen Giebel ist ein Kellerhals vorgelegt, welcher im ersten Stockwerk mit einem
hübschen Fachwerkerker überbaut ist. Die Kellerthüre sowie die Hausthüre der
Nordseite sind spitzbogig geschlossen, letztere mit gothisch gekehltem Gewände. Ein
Fig. 54. Eltville. Stockheimer Hof (nach Reiffenstein).
kleines Fenster der Nordseite hat ebenfalls noch gothisches Gewände mit gebrochenem,
gradem Sturz; die übrigen Fenster haben grade Stöcke mit gekehlten Fasen. Das
Innere des Gebäudes ist modernisirt. Interessant ist im Saal des Erdgeschosses die
Wandbekleidung mit alten, in Blaumalerei unter Glasur verzierten Wandplättchen.
Ein Steinkamin mit Holzaufsatz in diesem Raum mag in seiner ursprünglichen Form
ins 17. Jahrhundert hinaufreichen. Zu diesem Hof gehörte noch eine nördlich vom
Wohnhaus stehende Scheuer, jetzt bis auf den Keller abgerissen, dessen Eingang in
der Gartenlage noch erhalten ist.
ELTVILLE. HAUS LANG WERTH V. SIMMERN.
69
Grösseres Interesse als der Rest des Stockheimer Hofes beansprucht das Lang-
werth'sche W o h n h au s, welches mit seiner Nordfront an der Hauptstrasse steht und
wenn es auch nur ein stark verändertes Bild seiner früheren Erscheinung giebt, doch
durch seine feine und gross gezeichnete Renaissance-Architektur die Aufmerksamkeit
auf sich zieht. i
Nach Ermittelungen
im Landes-Archiv zu
Wiesbaden hat im
Jahre 1668 der Erz-
bischof Philipp von
Schönborn dem schwe-
dischen Gesandten am
kurfürstlichen Hofe ,
Habeus von Lichten-
stern*) einen „Bau-
platz mit Scheuer
zwischen dem Stock-
heimer Hof und der
gemeinen Gasse" ver-
kauft. Nach einer spä-
teren Urkunde (von
1754) ist „sogleich nach
diesemKauf auf diesem
Grundstück ein Haus
gebaut." Wenn wir
somit etwa das Jahr
1670 als Erbauungszeit
des jetzigen Lang-
werth'schen Hauses
anzusehen haben , so
kann vielleicht die
Strenge seiner Archi-
tekturformen in dieser
späten Zeit über-
raschen , in welcher
anderwärts schon das
beginnende Barock
Fig. 56. Eltville. Fenster vom Hans Langwerth v. S.
(nach P. Eichhola).
sich geltend machte. Doch muss man sich dabei gegenwärtig halten, dass in dieser
Zeit ein geradezu klassisches Denkmal deutscher Renaissance , das kurfürstliche
Schloss in Mainz, seiner Vollendung entgegen ging.
*) Dieser Habeus von Lichtenstern war ein Freund des Philosophen Leibnitz und für dessen
Berufung an den Hannoverschen Hof der Sophie Charlotte thätig.
70
ELTVILLE. PROFANBAUTEN.
Von der ursprünglichen Erscheinung des Lichtenstern'schen Wohnhauses kann
man in dem jetzigen mit Sicherheit nicht viel mehr nachweisen, als die Mittelfenster
und das Portal des Erdgeschosses und die Ecklisenen desselben.
Die Fenster, dreitheilig und von der stattlichen Lichthöhe von 2,10 m, werden
durch vier in gleichen Abständen stehende jonische Pilaster von sehr schlanken Ver-
hältnissen getheilt, welche sich an gequaderte Pfeilerchen lehnen und am untern
Theil mit schlicht eingesetztem Beschläg-Ornament geziert sind. Das gleiche Orna-
ment findet sich auf dem über dem zweitheiligen Architrav sich hinziehenden schmalen
Fries und in dem Tympanum des flachen Giebels; die Hängeplatte wird von zarten
Konsolen, die Sohlbank von einem Eierstab getragen. Diese Fenster wiederholen
sich in dem weit niedrigeren Obergeschoss ; um hier untergebracht zu werden, mussten
sie mit ihrer Sohlbank unmittelbar aut das umlaufende Gurtgesims aufgesetzt und bis
zur inneren Fensterbankhöhe vermauert werden. Man erkennt auf den ersten Blick,
dass diese Anlage des Obergeschosses von einem späteren, roh und eilig ausgeführten
Umbau stammt, bei welchem die inneren Pilaster auseinandergeschoben wurden, um
ein breiteres Mittelfenster zu gewinnen, und auch sonst der ursprünglichen schlichten
und vornehmen Architektur mancherlei Gewalt angethan wurde. Jedenfalls hat die
von Herrn Eichholz vertretene Ansicht grosse Wahrscheinlichkeit für sich, dass das
Haus ursprünglich zwei gleichwerthige Stockwerke gehabt habe und durch zwei-
maligen Umbau (einmal im 18. Jahrhundert etwa bei dem 1770 erfolgten Uebergang
an die Langwerth'sche Familie und einmal in den dreissiger Jahren des 19. Jahr-
hunderts) auf seine jetzige Gestalt gebracht sei. Die am Portal angebrachten Jahres-
zahlen und Wappen sind für die Datirung ohne Belang.
Von sonstigen Profangebäuden ist in Eltville das Hospital zu erwähnen, das
an der südlichen Ecke der Stadt gelegen, früher Eltville und Nieder-Ingelheim ge-
meinsam war. Es ist ein schlichter gothischer Bau von drei Stockwerken mit abge-
kämmten Giebelmauern an der Ost- und Westseite, erstere
durch beschieferte Abwalmung des Daches ersetzt. In der
Mitte des Erdgeschosses gegen Osten ist eine spitzbogige
Thür mit gekehltem Profil, über dem Scheitel das Stadt-
wappen, längs getheilt mit dem Mainzer Doppelrad und
zwei aufrecht stehenden Schlüsseln, darüber die Jahreszahl
1477. In den Fenstern daneben Kreuzstöcke mit Hohl-
kehlen, im zweiten Stock Doppelfenster mit Mittelpfosten,
im dritten einfache Fenster mit Kehlprofil. Das schlichte
Fig. 57. Eltville. Gebälk der Stockwerke ist alt ; im Vorplatz befindet sich
ein vergoldetes Holzrelief, die Krönung Mariä, aus der
Rococcozeit (Fr. Schneider b. Lötz 501 v. 1880).
Das Frühmessereigebäude hinter der Kirche bewahrt seinen gothischen
Charakter noch durch die spitzen Giebel, ein vermauertes Fenster und einen origi-
nellen Schornsteinkopf mit vier Spitzgiebeln. Es soll Gutenberg zur Wohnung ge-
dient haben.
Frülimesserei
(nach Reiffenstein .
ELTVILLE. ELTZ'SCHES PALAIS.
71
Ueber den Gräflich Eltz'schen Edelsitz, der westlich der Pfarrkirche sich
am Rhein entlang zieht, giebt Fr. Schneider (bei Lötz 501—502) nach Mittheilungen des
Grafen Karl zu Eitz geschichtliche Notizen, denen wir folgendes entnehmen: „Der
älteste Theil des Haupthauses »zur Krone« oder »zur untersten Laube« genannt, ward
1577 vom Vicedom von Bicken erworben. Bereits 1620 cedirt die Hattstein'sche Familie
an Johann Heinrich von Eitz Schuldforderungen, welche auf dem Gute standen, und
1629 verkaufte ihm Johann Philipp von Hattstein seine „freindlich Behausung"
nebst allem Zubehör um 18 797 Gulden. Im Jahre 1745 — 1750 erbaute Domprobst Hugo
Franz von Eitz den östlichen, der Kirche zunächst gelegenen Bau und Anselm Casimir
erwirbt 1751 den Martinsthurm , der in seiner Thorfahrt erhalten bleibt , in seinem
oberen Theil jedoch mit dem Hauptgebäude zusammengezogen wird. Derselbe ver-
anlasst auch die jetzt fast verschwundene Bemalung der Giebelfronten nach der Rhein-
seite. Nach der Strasse gefällige Einfahrt mit Giebelkrönung und dem Eltzschen
Wappen. 1752 wurde der Kellereibau aufgeführt und 1800 das ehemals Victorstift-
liche Haus neben dem östlichen Flügel erworben!'
Künstlerisch wichtiger als die Innenausstattung, die bei niedrigen Etagenhöhen
einige schöne Stuckdecken aufweist, ist im Eltz'schen Sitze der Reichtum an Möbeln
und Sammlungsstücken, die als alter Familienbesitz vielfach auf den Erzbischof Karl
Philipp von Eitz zurückgehen und dadurch besonderen Werth haben. Ohne auf Einzel-
heiten eingehen zu können, mag der Bericht nur die Elfenbeinschnitzereien und die kost-
bare Sammlung Höchster Porzellane erwähnen. Von den Möbeln sind besonders ein Spiel-
tisch, ein Schreibtisch und eine Stockuhr zu erwähnen als Arbeiten des berühmten
Neuwieder Meisters Röntgen. Von besonderer Pracht ist ein in Nussbaumholz ge-
schnitzter und vergoldeter grosser Schreibschrank mit zwei Sesseln, eine Louis-quinze-
Uhr in Messing und Ebenholz markettirt auf ebensolcher Konsole ; ein Schreibschrank
mit parkettartigem Furnier, ein Damenschreibtisch mit Intarsien und ein grösserer
Sekretär, dessen Intarsien Musikinstrumente darstellen, u. v. A.
Fig. 58. Altes Rathaus in Geisenheim, 1852 abgebrochen.
STADT GEISENHEIM.
JOHANNISBERG. NOTHGOTTES. MARIENTHAL.
IE STADT GEISENHEIM*), 3,2 km östlich von Rüdesheim gelegen,
gehört zu den ältesten Ansiedelungen des Rheingaus ; eine Schenkungs-
urkunde des Grabfeldischen Grafen Alwalah (Sauer 2), wahrscheinlich
einem Zweige des weifischen Geschlechtes angehörig, erwähnt sie bereits
im Jahre 779. Die früheste Nachricht von dem in Geisenheim betriebenen Weinbau
hat eine Urkunde des Erzbischofs Ottgarius von Mainz von 838 (Sauer 58) überliefert,
in welcher derselbe seine von seinem Dienstmann Hildibert erworbenen Gebäude,
Aecker, Weinberge und Hörigen in Geisenheim dem Kloster Bleidenstatt schenkt.
*) Literatur: F. W. E. Roth, Geschichte der Stadt Geisenheim i. Rheingau, herausgeg.
v. Pfarrer B. Feldmann, Selbstverlag 1892. — Rh. Antiquarius 11.10.637 fr. — Schmelzeis,
Gesch. v. Rüdesheim, 76. — Sauer, Cod. dipl. — Schliephake. — Zaun 242fr.
GEISENHEIM.
73
Auch das Mainzer Domstift erscheint früh als Besitzer von Gütern in Geisen-
heim, zuerst durch eine Schenkung des Erzbischofs Adalbert I. zwischen 1111 und 1137,
welche die Zehntgerechtigkeit des Domstifts zu Geisenheim und damit die spätere
kirchliche Stellung der Pfarrei Geisenheim zu jenem begründete. Befestigt wurde
dieselbe im Jahre 1146 (Sauer 219), als Erzbischof Heinrich I. dem Stift das Patronats-
recht über die Geisenheimer Pfarrei verlieh und diese damit dem Domkapitel ein-
verleibte. Das Domstift erhielt damit für immer das gesammte Einkommen der
Geisenheimer Kirche, das Kapitel hatte einen Priester zur Bedienung derselben zu
wählen, der vom Stiftsdekan die Investitur, vom Archidiakon die Seelsorge empfangen
und dafür ein zu seinem Unterhalt genügendes Einkommen erhalten sollte (Gud. I 179).
Der Ort, ursprünglich nur als Dorf angelegt, scheint sich langsam entwickelt
zu haben. Erst 1354 (Sauer 2747) erhält er von Erzbischof Gerlach das sogen, kleine
Stadtrecht. Er durfte sich hiernach unter Aufsicht des Vicedoms des Rheingaus und
des Schultheissen zu Eltville mit Mauern, Thürmen und Gräben befestigen. Durch
diese Vergünstigung mit Eltville auf eine Stufe gestellt, scheint sich der Ort in den
folgenden Jahrhunderten stetig entwickelt zu haben, wenn er auch kaum die Bedeutung
der andern heutigen Städte im Rheingau gewann. Im Jahre 1566 zählte er 266 Häuser ;
ausser dem Weinbau, welcher wohl die Haupterwerbsquelle bildete , betrieben die
Bürger Gerberei und Tuchweberei, wie aus einem 1420 wegen eines Wasserrechts
zwischen diesen Gewerben ausgebrochenen Streit hervorgeht.
Wie die anderen bedeutenderen Orte des Rheingaus, besass auch Geisenheim
eigene Adelsgeschlechter. Anfangs des 12. Jahrhunderts erscheint ein Embricho
de Geisenheim. Die Winter von Geisenheim waren eine Abzweigung des gleichnamigen
Rüdesheimer Geschlechts. Ausserdem treten die von Ried und von Schoenberg auf.
Die Geschichte der Stadt, wie sie Roth mit grosser Sorgfalt nach archivalischen
Quellen aufzeichnet, unterscheidet sich nicht wesentlich von derjenigen anderer Rhein-
gauer Orte. Wo sie sich mit der allgemeinen Zeitgeschichte berührt, ist es meist
nur, um kriegerische Heimsuchungen aufzuzeichnen. Der Rheinzoll bei Geisenheim
war ebenfalls ein mehrfach wiederkehrendes Streit- und Pfandobjekt. Im 12. Jahr-
hundert hatte die Stadt in dem Kampf zwischen Kaiser Friedrich und Papst Alexander III.
als Eigenthum des Mainzer Stuhls, der auf päpstlicher Seite stand , durch die unter
Landgraf Ludwig in den Rheingau einbrechenden Thüringer zu leiden. Im vierzehnten
war es die Fehde zwischen König Albrecht I. und dem Erzbischof Gerhard von
Eppenstein, die 1301 Geisenheim in Asche legte. Auch das 16. Jahrhundert erscheint
uns in der Ueberlieferung als eine Zeit der Noth und Bedrückung für die Stadt,
Durchmärsche deutscher Söldner, welche in Frankreich zur Ausrottung der Huge-
notten Dienste nahmen und daher von den Erzbischöfen als Freunde behandelt werden
mussten, brachten endlose Kontributionen mit ihrem Gefolge von Schulden ; dazu Pest
und die schwere, dem ganzen Reich auferlegte Türkensteuer zur Abwehr der Un-
gläubigen von der bedrohten Ostgrenze. Nicht minder entrollt der dreissigjährige
Krieg in der Geschichte der Stadt das bekannte Bild von feindlicher Besetzung durch
Schweden und Hessen, von Kontributionen und Kriegssteuern. 1663 wird in Geisenheim
74
GEISENHEIM. PFARRKIRCHE.
dem Schwedenkönig als Landesherrn gehuldigt; trotzdem hausen im folgenden Jahre
dessen Verbündete, die Hessen als Feinde in der Stadt, berauben die Kirche und ver-
anlassen einen Kirchenbrand, dem die beiden Thürme mit den Glocken zum Opfer
fallen. So furchtbar hat die Kriegsnoth auf der Stadt gelegen, dass im Friedensjahr
1648 nur noch 53 Bürger gezählt werden , während dreissig Jahre früher die Stadt
239 Häuser hatte. Ein geringer Trost für die Stadt war es, dass in ihren Mauern,
im gräflich Schönborn'schen Hofe, dem Lieblingsaufenthalt des 1647 neu erwählten
Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn , das Friedensinstrument verfasst wurde,
dessen Unterzeichnung zu Münster im folgenden Jahre dem dreissigjährigen Kriegs-
elend ein Ende machte.
Die Pest, welche im Jahre 1666 den Rheingau heimsuchte, raffte in Geisenheim,
das sich hiernach ziemlich rasch wieder bevölkert haben muss, 937 Einwohner hin.
Auch der bayerisch-französische Frbfolgekrieg, sowie die Einfälle der Revolu-
tionsheere zu Ende des 18. Jahrhunderts zogen mit dem gesammten Rheingau auch
die Stadt Geisenheim vielfach in Mitleidenschaft.
DIE PFARRKIRCHE.
Der stattliche Bau der Pfarrkirche von Geisenheim entstammt dem Ende
des 15. Jahrhunderts. Die Zeit, in welcher das Schiff, der älteste Theil des jetzigen
Baues, ausgeführt wurde, ist nicht urkundlich überliefert. Da Helwich jedoch in seinem
Epitaphienverzeichniss von 1614 zwei solcher von 1494 anführt, so muss das Schiff um
diese Zeit schon in Gebrauch gewesen sein. Sicherer ist der Bau des Chores zu datiren.
Im Jahre 1513 einigte sich nach längeren Petitionen seitens der Gemeinde das Mainzer
Domkapitel mit derselben dahin, dass ersteres den Chor nebst Sakristei, letztere das
Schiff erbaue und unterhalte. Kurfürst Uriel von Mainz bestätigte durch sein Siegel
diese wichtige Vereinbarung. Im Jahre 1518 wird dann an den Meister Niclass Steyn-
metzen der Bau eines Lettners „zwischen dem Fronbogen" verdungen, sodass man die
Vollendung des Chorbaus wohl um diese Zeit zu setzen hat. In dem reichen Netz-
gewölbe des letzteren wurden zur Erinnerung an die Bauherren auf den Kreuzungs-
punkten der Rippen die Wappen und Namen des Domkapitels angebracht. Nach Hel-
wich waren dies folgende: Adolfus Raw de Holtzhausen, decanus. Wilhelmus Comes
de Honstein, Custos. Laurentius, Truchsess de Bommersfeldt, Scholasticus. Fridericus,
Comes Palat. Rheni, princeps Simmeranus, Cantor. Joannes de Hattstein, Senior.
Adolffus a Stockheim. Ulricus a Schechingen. Thomas Comes a Rheineck. Henricus
Reus de Plawen. Joannes a Guttenberg. Gilbertus a Buchseck. Cuno Schenk a
Schweinsberg. Henricus a Praunheim. Fridericus Kuchenmeister a Gamberg. Joannes
Quaed. Otto a Langen. Baltasarus Graslach a Diepurg. Joannes Specht a Buben-
heim. Theodoricus Zobel a Giebelstatt. Joannes a Vilbel. Martinus Truchsess a
Bommersfelt. Joannes a Grumbach. Gottfridus de Hattstein.
Eine durchgreifende Renovirung im Charakter der Zeit, der leider eine grosse
Zahl von alten Ausstattungsstücken (der alte Katharinen- und Peter Paul-Altar, die
Fig. 61, Geisenheim.
Inneres der Pfarrkirche.
GEISENHEIM. PFARRKIRCHE.
reichgeschnitzten Chorstühle alter Adelsgeschlechter, geschnitzte und gemalte Stations-
bilder, Verzierungen der Orgel etc.) zum Opfer fielen, erfuhr die Kirche in den Jahren
1745—52. Um diese Zeit ist das
jetzt noch vorhandene Chorge-
stühl entstanden, welches in
einem virtuos gehandhabten
Rococco mit zwei ebensolchen,
an der Oberwand des Chors
einander gegenüberstehenden
Epitaphien aus schwarzem Mar-
mor (datirt 1755) zusammen
gebaut ist.
An Stelle der baufällig gewor-
denen alten Westthürme wur-
den diese nebst den zwei west-
lichen Jochen des Schiffs durch
Baurath Hofmann in Wies-
baden 1833 neu erbaut. In den
folgenden Jahren bis 1841 wurde
auch das Innere von demselben
Architekten hergestellt, statt der
früheren Holzdecke die Gewölbe
des Schiffs eingezogen und die
Emporbühnen mit ihrer zier-
lichen Masswerk - Gallerie er-
baut.
Die Kirche stellt sich als
eine sehr regelmässige, drei-
schiffige Hallenkirche von fünf
Jochen dar; der Chor, zwei-
jochig und in der Breite des
Mittelschiffs, schliesst in fünf
Seiten des Achtecks. In die
Seitenschiffe sind hoch empor-
geführte, auf profilirten Rund-
bogen ruhende Emporen mit
Sterngewölben eingebaut ,
welche in den beiden östlichen
Jochen des Südschiffs mit Mass-
werk verziert sind. Alle Gurt-
bogen und die Gräte der Seiten-
schiff-Gewölbe schneiden in die
Fig. 59. Geisenheim. Pfarrkirche.
76
GEISENHEIM. PFARRKIRCHE. EPITAPHIEN.
einfach achteckigen Pfeiler ein; die Gräte der Mittelschiffsgewölbe setzen auf verzierten
Konsolen auf. Die Pfeiler haben ziemlich reiches, spätestgothisches Sockelprofil mit
auf den Ecken sich überschneidenden Rund-
stäben. Auch die in das westliche Schiffs-
joch eingebaute Orgelbühne ruht auf einem
Netzgewölbe. Von besonderem Reichthum
ist dasjenige des Chors. Die Fenster, drei-
theilig, mit Masswerk in spätgothischer
Zeichnung, sind in der Höhe der Emporen
durch ein im Aeusseren mit Blendmass-
werk verziertes Mauerstück unterbrochen,
im Chor tritt an dessen Stelle ein schma-
leres Steinband. In dem Mitteljoch des
nördlichen Seitenschiffs liegt ein Seitenein-
gang mit einer von reichem Netzgewölbe
überspannten Vorhalle. Die Strebepfeiler
haben konkave Giebelpultdächer.
Von den zahlreichen Epitaphien der
Kirche, welche Helwich 1614 fand, sind nur
zwei im Chor erhalten, beide bemerkenswerth
als Kunstwerke. Das ältere befindet sich auf
der Nordseite des Chors. Es trägt die Inschrift :
ANNO DOM. MDXXVEI (1528) DEN XXVIII DAG JULII IST VER-
SCHIEDEN DER EDEL UND ERNFEST FRIEDRICH VO. STOCK-
HEIM DER ELTER SEINES ALTERS IM 66. JAR DE. GOT GEN ADE.
ANNO CHRISTI MDXXIX (1529) DEN X. DAG JUNII STARB DIE
EDEL UND DUGENTSAME FRAW IRMEL VON CARBEN IM
XXXXVJAR IRES ALTERS UND IM XXVIII. JAR IRES ELICHEN
STANTS SEIN ELICHER GEMAHEL DIESER UND ALLER CHRIST-
GLAUBIGEN SELEN GOT GENEDIG UND BARMHERTZIG SIE.
Ausgezeichnet ist die standfeste Haltung des in voller Rüstung, den Helm neben
dem rechten Fuss stehenden Ritters, der mit der Rechten einen Speer hält, während
die Linke das Schwert umfasst. In sprechendem, hohes künstlerisches Vermögen be-
kundenden Gegensatz dazu steht die fast hingebend demütige Bewegung in der Gestalt
der Matrone. Ein feiner Renaissance-Rahmen mit zartem Ornament, auf den vier
Ecken mit Wappen belegt und von rundem Muschelgiebel bekrönt, umschliesst das ganze.
Ebenbürtig an künstlerischem Werth steht diesem Bildwerk der deutschen
Renaissance das auf der Südwand angebrachte Epitaph gegenüber, ein Meisterwerk
der Barockkunst aus schwarzem und weissem Marmor. Seine Inschrift lautet :
ftic quiescit Philippus erunnus de Srtjoenbom/ Johannis Pbilippi flrdnepiscopi
et Clectoris moguntini frater- Dir fuit in Religione ortpodof a pius/ in Confiliis
prudens/ et manu ftrenuus- In cujus memoriam Conjunf et Liberi fuperstites
Fig. 60.
Geisenheim. Pfarrkirche. Chor-Durchschnitt.
GEISENHEIM. PFARRKIRCHE, KUNSTWERKE.
77
tjoc monumentum moefti posuerunt/ muit annos lxiii mortuus eft guarto no-
uembris Ann mdclxviii (1668).
In einer ernsten und schön abgewogenen Spätrenaissance-Umrahmung ist in
Hochrelief der Verstorbene in Kriegsrüstung vor Christus knieend dargestellt, dem
sich Maria fürbittend naht. Hinter dem Ritter, ihn mit der Linken leise berührend,
erscheint das Bild der Gattin in Wittwentracht ; eine nackte Putte im Vordergrund,
hinter der eine Kanone auf den kriegerischen Stand des Verewigten deutet, hält das
Schlachtschwert desselben. In den gehaltenen, ausdrucksvollen Bewegungen und den
fein individualisirten Köpfen lebt eine Meisterschaft, die dies Bildwerk den besten
Epitaphien des Mainzer Doms gleichstellt.
Einen weiteren Kunstschatz enthält die Geisenheimer Pfarrkirche in einem im
südlichen Seitenschiff hängenden Tafelgemälde, welches den Namenszug des
Bernhard vonOrley mit der Jahreszahl 1561 trägt. Es ist 1,58 m hoch und 1,15 m
breit. In triptychonartiger Weise angeordnet wird es durch einen gezahnten Flach-
bogen , dessen Zwickel mit spätgothischem , in Goldgrund gravirtem Ornament ge-
schmückt sind, zusammengehalten. Durch die zwei, die Dreitheilung bewirkenden
Pfeiler sieht man in das Innere einer spätgothischen Kirchenhalle mit rundbogigen "Wöl-
bungen. Im Mittelbild, dessen oberen Theil das von Engeln getragene Veronika-Tuch
einnimmt, erhebt sich ein von musizirenden Engeln umgebener Thron. Auf diesem
sitzt unter dem Symbol des heil. Geistes Maria, eine Nelke in der rechten Hand und
das aufgeschlagene Evangelienbuch auf den Knieen und wendet sich zur Linken, wo
eine, soeben von einem Faltstuhl aufgestandene Heilige, (St. Anna?) ihr das Jesuskind
entgegenhält. Das linke Feld zeigt die heilige Helena mit dem Kreuz Christi und
zwei Nägeln und die heil. Justina ; im rechten Flügel ist die Anbetung der Könige
dargestellt, über welchen an der von einer rundbogigen Renaissance- Architektur ge-
theilten Wand ein Engelchor als Wandgemälde erscheint. Das Bild ist von sehr
guter Erhaltung und ausserordentlicher Schönheit und Leuchtkraft der Farben.
Ein aussergewöhnlich schön profilirter W e i h w as s er k ess el in Rothguss mit
fein ornamentirtem Henkel, welcher in der Kirche hängt und auf der oberen
Rundung des Bauches die Inschrift trägt : ITlarCUS ÖOrtUiail UtlÜ Idannaljan U0tl ITlOCrS
fein hausfrau^ weist nebst zwei schönen ebenfalls in Rothguss ausgeführten Leuchtern
in Kandelaberform auf dreieckigem Fuss vielleicht auf eine gleiche Stiftung mit dem
Gemälde des niederländischen Meisters hin.
An sonstigen Kunstwerken der Kirche ist noch ein spätgothischer, in Holz ge-
schnitzter und bemalter Seitenaltar im südlichen Seitenschiff zu erwähnen, welcher unter
einem reich durchbrochenen dreitheiligen Spitzbogenbaldachin die Anbetung der Könige
zeigt. Die Krönung bildet eine reiche Gruppe von drei off enen Baldachinen mit heiligen
Figuren ; die Verschlussflügel sind mit Heiligenbildern auf Goldgrund bemalt. Der
Altar stammt aus Süddeutschland und ist bei der Restauration vonl840 aufgestellt worden.
Neben diesem Altar steht eine schöne Lichterbank aus Schmiedeeisen, der
deutschen Frührenaissance angehörig. Zwischen die zwei, aus gewundenen Stäben be-
stehenden Ständer spannt sich ein Gitter in reicher durchlochter Rundeisen-Arbeit ;
TS
GEISENHEIM. PFARRKIRCHE, KUNSTWERKE.
das Mittelfeld enthielt eine auf Blech gemalte Maria in der Strahlenglorie, links und
rechts die heiligen Monogramme. Ueber dem Gitter, auf dem oberen Schenkel des
Rahmens erheben sich sieben Lichthalter mit breiten Tellern, denen in der Höhe des
Rahmens beiderseitig je 8 kleinere Lichtarme entsprechen.
Von den Glocken der Kirche berichtet Zaun (S. 243/44), dass die grösste die
Jahreszahl 1401, die zweite die Inschrift trägt:
Sanctus Johannes- lucas- marciis- Iltatbeus
martinus beiß id)
2u der ehren Gottes läute id)
Die lebendigen berufe id)
Die Codten beclage id)
ITJolff heinridj uon ßreitbad)
Oicedomb in Kindjauj mi-
Die dritte Glocke hat die Umschrift :
tainrid) müller uon franhfurt
der goß mich anno domini mcccclxxxiiii (1484) }■ ft. S-
mara benedicta beiße idj-
Gering ist der Besitz der Geisenheimer Kirche an heiligen Gefässen; das Meiste
scheint den wiederholten Plünderungen zum Opfer gefallen zu sein. Aus dem 18. Jahr-
hundert ist zu erwähnen : ein silbervergoldetes Ostensorium in Sonnenform (mit Kreuz-
partikel und Autentik) 40 cm hoch, 22 cm breit. Der glockenförmige viertheilige Fuss
mit getriebenem Rococco-Ornament ; um die Reliquie ein Kranz von grünemaillirten
Blättchen mit Almandinen und kleinen Diamanten, laut Inschrift Stiftung der Gräfin
Fig. 63a. Geisenheim.
Pfarrkirche.
Gemälde des Bernhard von Orley.
GEISENHEIM. FRÜHERES RATHAUS.
7Q
Clara Elisabetha von Ostein geb. Gräfin von Eltz-Kempenig, Anno 1752. Der Familie
von Ostein verdankt die Kirche auch die übrigen Altargefässe, u. A. eine Platte mit
Messkännchen und ein Räuchergefäss in Weisssilber, welche in ihren schlichten Louis-
seize-Formen dem Ende des 18. Jahrhunderts angehören.
Unter den übrigens werthlosen Paramenten ist ein auf ein schwarzes Messgewand
aufgesticktes Kreuz mit Passionsscenen, gute Arbeit des 14. Jahrhunderts, zu erwähnen.
Das alte Rathaus von Geisenheim, welches 1852 abgebrochen wurde (s. Fig. 58),
muss ein stattlicher und malerischer Holzbau auf massivem Erdgeschoss gewesen sein,
das Riegelwerk in der bekannten Weise mit Nasen verziert. Interessant war in dem-
selben ein in einer Aquarellkopie (im Besitz des Wiesbadener Alterthumsvereins)
erhaltenes Frescobild, welches eine Meineidige vor Gericht darstellte. Erkennbar sind
7 Köpfe und Halbfiguren, alle mit Schriftbändern, die vom Munde ausgehn. Von
rechts beginnend, erkennt man zunächst eine Frau in gelbgrünem Gewand auf ein
rothes Buch schwörend,
das ihr ein Beamter in
weissem Gewand mit
schwarzem Kragen und
schwarzer Schapel vor-
hält. Hinter ihm der
Richter mit Stab, rothem
Gewand und Hut auf
einem Sessel unter ge-
schweiftem Baldachin
sitzend. In der Luft er-
scheint der bärtige Kopf
des Moses mit den Ge-
setztafeln , auf welche
er mit der rechten Hand
weist. Die Frau wird von
einem aus Flammen be-
stehenden Teufel an Kopt
und Armen gefasst. Aus
ihrem Munde springt ein
kleines Teufelchen, wäh-
rend sie laut dem Spruch-
band die Worte spricht:
Ja id) unl daruor finera daß id) nun moege erlern
Teufel : Darnach, daß du unredjt Jjaft gefiuorn des l)ilf
Beamter : de tru uit bred) daß es got nit an dir red)-
Richter: uon • • • el • • • ife • fo • fp • fo • unrdeftu der anfprad) frp-
Moses : • • • tcp did) • daß • du • falt • nit • fals • bp • got • ftuern-
Fig. 65. Gciseiilicim. Sc/wnborner Ho/.
80
GEISENHEIM. SCHÖNBORNER HOF.
Auf der linken Seite ist eine Frau in rothem Unterkleid, grünem Mantel und weissem
Kopf- und Kinntuch mit vorgestreckten Händen der anderen Gruppe zugewendet :
nem • • • e • min • nodt) • dra • • dass • • • muß • geben • • •
Aehnlicher Frauenkopf mit der Legende :
laß • fru • gemern • id) • roü • m • • • dem ten • oerbern-
Daneben ist in Kontur ein unter einem Schwert geneigter Frauenkopf mit der Schrift:
• • • idt) ni • • • fi • • ret ♦ • • on • geretbt • • • fo • rieht-
Unter den noch bestehenden Profanbauten
Fig. 66. Geisenheim. Schönborner Hof. Fig. 67.
Täfelung im Erdgeschoss. Geisenheim. Schönborner Hof. Thür.
dings wesentlich kleineren) Stockheimer Hof in Eltville. Dies, sowie das mehrfach
an ihm vorkommende Stockheim'sche Wappen lassen den Schluss zu, dass das statt-
liche spätgothische Gebäude von dieser Familie erbaut und von ihr in Schönborn-
schen Besitz übergegangen sei, in dem es sich noch 1861 befand. Jetzt gehört es der
GEISENHEIM. SCHÖNBORNER HOF.
81
Familie Höhl und ist durch den Frankfurter Architekten H. Th. Schmidt in stiltreuer
Weise hergestellt worden.
Dem massiven, dreistöckigen Hause ist
in der Mitte der Südseite ein achteckiger,
innen runder Treppenthurm, am Ostende
ein dreigeschossiger Erker mit zwei Ober-
geschossen in Holzbau vorgelegt ; die vier
Ecken sind mit massiven, auf rundbogig
überdeckten Konsolen vorgekragten Eck-
thürmchen besetzt, die rund beginnend in
der Balkenhöhe ins Achteck übergehen.
Die Fenster, meist gekuppelt, haben
steinerne, hohlgefaste Gewände. Von
malerischer Wirkung sind die schwach
gebrochenen Ecken der steilen östlichen
und westlichen Dachwalme. Das Innere
birgt einen ausserordentlichen Reichthum
an schönen Holzarbeiten in Täfelungen
und Thüren, zum Theil mit prächtigen
Schnitzereien verziert; dieselben tragen
die Jahreszahl 1683.
Ein ebenfalls Schönborn'scher Besitz
ist der im Nordosten des Ortes stehende
„B i e r h o f," ein zwar schmuckloses, aber
den Stil des 16. Jahrhunderts deutlich
verrathendes massives Gebäude, dessen io
steinerne - Fensterstöcke Kehlfasen mit
schmucklosem Ablauf haben. Auch die
mit schlichten architektonischen Um-
rahmungen aus der Zeit versehenen
inneren Thüren sind erhalten.
Unweit vom Bierhof bemerkt man in
dem östlichen und westlichen Giebel eines
Privathauses jetzt vermauerte kleine,rund-
bogig geschlossene Doppelfenster,
welche durch niedrige, schlichtest-roma-
nische Säulchen mit Würfelkapitäl, dop-
peltem Halsgurt und Wulstbasis getheilt
werden, mit übergelegten Konsolsteinen,
sehr ähnlich denen an dem Vierungsthurm zu Mittelheim und wohl ebenfalls aus dem
Beginn des 12. Jahrhunderts stammend. Andere romanische Reste sind an dem ganz
erneuerten Hause nicht erhalten. Bemerkenswerth ist ein neben demselben stehendes
6
Fig. 68.
Geisenheim. Schönborner Hof.
Thür im Erdgeschoss.
82
GEISENHEIM.
Fachwerkhaus, welches neben sehr schöner ausgeschnittener Verriegelung und
Kopf bändern auf dem Dachstirnbrett eine schablonirte Bemalung gothischen Charakters
und die Jahreszahl 1588 nebst Haumarke trägt.
Von den Ansitzen der übrigen
in Geisenheim begüterten Adelsge-
schlechtern ist das von Zwierlein-
sche Haus ein schlichter Massivbau,
zweistöckig mit Ecklisenen, ohne
künstlerische Bedeutung. Auch das
gräflich Ingelheim'sche Haus, in
einem prächtigen Garten gelegen, ist
ein schlichter Spätrenaissancebau in
zwei massiven Stockwerken mit zier-
lich gequaderten Ecken, die Fenster-
stöcke mit profilirten, in eine Schrä-
gung ablaufenden Fasen. Architek-
tonisch hervorgehoben ist die aller-
dings stark restaurirte, auf toska-
Fig.69. Geisenheim. Roman. Fenster. nischen Säulen mit Korbbogen ruhende
gewölbte Vorhalle des Mitteleingangs, über der
sich ein mit Eckpilastern, einem mit der Jahres-
zahl 1681 bezeichneten schönen Wappen und
Sonnenuhr versehener Aufbau erhebt , der von
einem stark verschnörkelten Spätrenaissance-
Giebel überragt wird.
Fig. 70. Geisenheim.
Portalbau am Ingelheimer Hof.
Fig. 71. Geisenheim. Altes Fachwerkhaus.
Fig. 72. Johannisberg nach Meissner 1638.
JOHANNISBERG.
er stolze Bergkopf, der sich 5 km östlich von Rüdesheim nach dem Dorfe
Winkel zu gegen den Rhein vorschiebt und den ganzen Gau beherrscht, wie
er selbst auch von fast allen Orten des unteren Rheingaus gesehen werden
i kann, scheint durch seine Lage wie für ein Kloster des stolzen Benediktiner-
ordens bestimmt. Von alters her im Besitz des Mainzer Stuhles (woher sein ursprüng-
licher Name Bischofsberg abzuleiten ist), wurde er 1090 oder 1091 vom Erzbischof Ruthard
(1088—1109) dem St. Albanskloster zu Mainz übergeben (Sauer 136), um auf demselben
ein Benediktinerkloster zu errichten. Ruthard selbst konnte in der noch nicht vollendeten
Kirche einen Altar zu Ehren des heil. Nikolaus weihen. Dem Hauptaltar des heil.
Johannes schenkten später der Rheingraf Richolf und seine Gemahlin Dankmut sowie
deren Sohn Ludwig einen grossen Theil ihrer Besitzungen. Mit dem Eintritt dieses
Sohnes Ludwig und seiner Schwester Werntrud in das Kloster erlosch der Stamm
der Rheingrafen. Durch diese und andere Schenkungen erstarkte das bis dahin als
Probstei von St. Alban verwaltete Kloster, dem Kaiser Heinrich V. 1109 seine Im-
munität bestätigt hatte (Sauer 162) derart, dass Erzbischof Adalbert I. von Mainz
1130 dasselbe zu einer selbständigen Abtei erhob, wofür er das Albansstift durch
Schenkungen in Lorch und anderwärts entschädigte. Hierdurch wurden auch die in-
zwischen um das Kloster zahlreich angesiedelten Kolonen, welche den Stamm des
Dorfes Johannisberg bildeten, dem Vogteirecht des Abtes unterstellt.
In der Folge wurden die weiblichen Insassen des Klosters, welches, wie die
meisten rheingauischen Klöster des 12. Jahrhunderts , ursprünglich für Mönche und
Nonnen bestimmt war, von den Brüdern getrennt und in der am Fuss des Berges
gegründeten St. Georgen-Klause angesiedelt.
Das ganze 13. Jahrhundert hindurch hatte sich Kloster Johannisberg grosser
Blüte zu erfreuen : wir erfahren von zahlreichen Schenkungen und Ankäufen, durch
welche sich sein Grundbesitz ansehnlich vergrössert; im Jahr 1140 nimmt König
Conrad III. dasselbe in seinen besonderen Schutz ; 1218 bestätigt Erzbischof Siegfrid II.
6*
84
JOHANNISBERG. GESCHICHTE.
das ihm von Rheingraf Wolfram geschenkte Patronatsrecht über die Kirche in
Winkel, und noch bis an's Ende des 13. Jahrhunderts tritt das Kloster in verschiedenen
Urkunden als Käufer benachbarter Ländereien auf. Im 14. Jahrhundert jedoch blieb
das Schicksal, welches viele Stiftungen des Benediktiner-Ordens im späteren Mittel-
alter traf, auch dem Kloster Johannisberg nicht erspart. Während das unter der
strengeren Zucht des heil. Bernhard lebende Eberbach grade um diese Zeit auf die
Höhe seiner Entwickelung gelangte, war in Johannisberg mangelhafte Disciplin und
Verweichlichung und damit Unordnung und wirthschaftlicher Verfall eingezogen. In
einer Urkunde des Erzbischofs Peter von 1313 (Sauer 1517) wird das Kloster bereits
„niedergedrückt von grossen und verschiedenen Schuldenlasten" genannt. Auch ein
Reliquienfund, der 1358 in der Sakristei der Klosterkirche gemacht und von dem
Kloster zur Auffrischung seines Anselms benutzt wurde, brachte nur vorübergehende
Hülfe und 1383 macht es die finanzielle Bedrängniss nöthig, dass Erzbischof Adolf I.
die Verwaltung des Klosters selbst in die Hand nimmt und seinem Vicedom Ulrich
von Cronberg überträgt. Eine weitere Massregel war die 1452 eingeführte Bursfelder
Reformation durch Erzbischof Diether, der dabei das Kloster der Visitatur und Cor-
rektion des Jakobsklosters in Mainz unterstellte.
Den Todesstoss gab dem Johannisberger Kloster der Bauernaufstand von 1525.
Als dann noch im Jahre 1552 bei dem Einfall des Markgrafen Albrecht von Branden-
burg in den Rheingau die Abtei eingeäschert wurde, verliefen sich die Mönche; mit
der Absetzung des letzten Abtes 1563 hörte der Johannisberg als Kloster auf zu
existiren. Die Güter blieben unter fortwährenden finanziellen Nöthen noch bis in den
dreissigjährigen Krieg unter der Verwaltung des Mainzer Stuhles, der sie schliesslich
1641 an den Reichspfennigmeister Hubert von Bleyberg für 30 000 Gulden verpfändete.
Doch auch die Nachkommen des neuen Besitzers fanden bei der Bewirtschaftung
ihre Rechnung nicht, und 1716 ging das Erzbisthum Mainz gern auf das Angebot des
Klosters Fulda ein, gegen Erstattung des Pfandschillings den Johannisberg zu über-
nehmen. Dieses Hess zunächst die Klosterkirche nach den Plänen Johannes Dientzen-
höfers umbauen. Unter Fürstabt Adalbert von Walderdorff wurde dreissig Jahre
später an Stelle des zerstörten Klosters das jetzige Schloss erbaut, welches bis 1802
im Besitz von Fulda blieb. Von diesem Jahre bis 1805 kam es an Nassau-Oranien,
dann in den Besitz von Frankreich, welches das Schloss dem General Kellermann
(Herzog von Valmy) überwies. Beim Friedensschluss 1813 wurde es vorübergehend
an Nassau zurückgegeben, schon 1815 jedoch von Oesterreich in Besitz genommen,
welches dasselbe im folgenden Jahre dem Fürsten Metternich schenkte. Im Besitz
dieser Familie befindet sich Kirche und Schloss noch heute. Erslere dient der Ge-
meinde von Dorf Johannisberg als Pfarrkirche.
Das Nonnenkloster Klaus Johannisberg theilte das Schicksal der Abtei. Als
auch hier im 15. Jahrhundert die Klosterzucht, sowie die Oekonomie verfallen waren,
ordnete Erzbischof Theodorich eine Untersuchung an, welche 1452 zur Aufhebung
des Klosters führte. Die letzten Schwestern, welche sich diesem Beschluss nicht
fügen wollten, mussten mit dem Kirchenbann belegt werden. Der Hof, der zunächst
JOHANNISBERG. KIRCHE, KLAUSE.
85
unter erzbischöflicher Verwaltung stand, später in Gräfl. Schönborn'schen Besitz über-
ging, in welchem er sich noch jetzt befindet, diente nach Verlassen der Lützelaue
einigemal zur Abhaltung der Rheingauischen Gauversammlungen.
Die Kirche zu Johannisberg verräth in ihrer jetzigen Gestalt wenig mehr von
der Erscheinung, welche sie zu Anfang des 12. Jahrhunderts zeigte ; nur die halbrunde
Hauptapside hat die alte Form bewahrt. Wir haben uns die Kirche als flachgedeckte
Pfeiler-Basilika von sieben Axen in der Länge, mit Querschiff und drei sich unmittelbar
an letzteres anschliessenden halbrunden Apsiden vorzustellen. Die Maasse waren (nach
R. Görz) 44 m Länge von der Chornische bis an die Westmauer einer westlich vor-
liegenden Vorhalle, 27,3 m Breite des Querschiffs, 17,6 m Breite des Langhauses zwischen
den Aussenwänden, 7,8 m Breite im Mittelschiff, 3,9 m der Seitenschiffe. Die Pfeiler
haben eine Axenweite von 3,61 m. Bei dem Umbau von Dientzenhöfer kurz nach 1716
wurde nicht nur die ganze Innenarchitektur im Stil seiner Zeit umgemodelt, die Wände
mit einer grossen Hohlkehle zur Decke übergeleitet, sondern auch der nördliche Arm
zu einer Sakristei umgebaut. Auch der Charakter dieses Umbaus ist durch eine Her-
stellung im 19. Jahrhundert vollständig verwischt ; nur die prächtige Marmorkanzel,
sowie der Hochaltar aus gleichem Material, der in eine die Chornische abschliessende
offene Säulenhalle eingebaut ist, bewahren noch die Erinnerung an den Bamberger
Architekten. Auch eine lebensvolle Statue des heil. Johann von Nepomuk gehört
wohl dieser Zeit an. Das Chorgestühl inschriftlich von 1737 ist ärmlich.
Auch das Schloss hat von dem Bau des Fuldaer Fürstbischofs von der Mitte
des 18. Jahrhunderts nur zwei stattliche Pavillons mit Mansardedach bewahrt, welche
den Eingang zu dem Schlosshof flankiren, der von den zwei nach Norden vorspringenden
Flügeln des hufeisenförmig angelegten Schlossbaus gebildet wird. Letzterer ist im
nüchternsten Stil aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts umgebaut und in der zweiten Hälfte
des Jahrhunderts durch einen französischen Dekorateur im Innern ausgestattet worden.
Auch von der J o hannisbergerKlause scheint nichts auf unsere Tage gekommen
zu sein. Der jetzt so genannte Hof am Fusse des Johannisberges ist ein lang gestrecktes Ge-
bäude mit östlich angebauter Kapelle, welche in Thür- und Fenster-
gestellen unverkennbar den Charakter des 15. Jahrhunderts tragen.
Es ist daher die Annahme naheliegend, dass man es hierin nicht
mit dem um die Mitte des zwölften Jahrhunderts gebauten kleinen
Kloster, welches nach der Trennung der männlichen und weib-
lichen Konventualen auf dem Johannisberg die Nonnen aufnahm,
sondern mit einem Oekonomiehof zu thun hat, den nach Aus-
treibung der Nonnen 1452 das Erzstift zur besseren Bewirtschaf-
tung des Klostergutes gebaut haben mag. Erwähnt mag noch
werden, dass nach mündlicher Mittheilung man beim Ackern
auf den Feldern südlich von der jetzigen Klause nicht selten
auf Baufundamente stösst. Die übrigens ganz schmucklose, ge-
wölbte Kapelle hat auf ihrem Dachreiter eine hübsche schmiede-
Fig. 73. Klaus Johannis-
eiserne Wetterfahne mit dem heil. Georg. berg Wetterfahne
86
Fig. 74. Kloster Nothgottes. Hofansicht nach Reiffenstein 183S.
KLOSTER NOTHGOTTES.
[enn man den Lauf des Geisenheimer Baches von diesem Orte an drei einhalb
Kilometer thalaufwärts verfolgt, so öffnet sich dem Beschauer ein schmales
Wiesenthal, von Waldbergen eingeschlossen, in dem die Ruinen des
Klosters Nothgottes eingebettet liegen. Früher ein vielbesuchter Wall-
fahrtsort, welchem sich zahlreiche Prozessionen besonders am Oster- und Pfingst-
montag und am Himmelfahrtstage aus Rüdesheim und der Umgegend , aber auch von
fernerher, von der Mosel und dem Niederrhein zuwandten, fristet die Kirche, theilweise
in Ruinen, als Kornscheuer ein würdeloses Dasein, während die Klostergebäude , der
Familie von Zwierlein gehörend, als Oekonomiegut dienen.
Die im Dunkel der Sage verschwimmende Gründungsgeschichte des Klosters
knüpft sich an die Familie der Brömser von Rüdesheim. Einer derselben, Johannes, so
erzählt die Sage, der auf einem Kreuzzuge begriffen in die Kämpfe der spanischen Könige
gegen die Mauren verwickelt wurde, gerieth in die Gefangenschaft der letzteren, aus
der er auf wunderbare Weise befreit wurde. In seine Heimath zurückgekehrt, erfüllte er
das Gelübde, dem er seine Befreiung verdankte, nur zur Hälfte durch den Bau der Kirche
zu Rüdesheim (S. Seite 16) ; an der Erfüllung des weiteren Versprechens wurde
er durch einen wunderbaren Vorgang gemahnt. Ein Stier, den sein Knecht im „Hau-
wald" weidete, grub mit den Hörnern am Fuss einer Eiche ein handgrosses Bildwerk
des am Oelberg betenden Christus aus, welches der Knecht den Kindern seines Herrn
KLOSTER NOTHGOTTES.
87
zum Spielen übergab. Am folgenden Tage wiederholte sich der gleiche Vorgang,
wobei sich gleichzeitig eine mahnende Stimme vernehmen liess, die mehrmals die Worte
„Noth Gottes" rief. Hierdurch an sein Gelübde gemahnt, erbaute der Ritter an der
Stelle der Auffindung des Bildes eine Kapelle zur Noth Gottes (Domini agonizantis).
Geschichtlich feststehend erscheint dem gegenüber die Ueberlieferung, dass die Kirche
zu Nothgottes 1390 vom Mainzer Weihbischof Hermann von Scopia geweiht worden ist.
Ob es sich hierbei um eine Neugründung handelte, oder ob an derselben Stelle schon
eine frühere Kapelle gestanden hat, ist unerweisbar. Im Jahre 1621 wurde bei dieser
Kirche durch den damaligen Vizedom des Rheingaus, Johann Richard Brömser, ein
Kapuzinerkloster gegründet. In einer Schenkungsurkunde , welche abschriftlich sich
im Rüdesheimer Pfarrarchiv befindet und die von dem Brömserschen Landhaus zu
Plixholz (jetzt eine Ruine, die eine viertel Stunde nordöstlich oberhalb des Klosters
liegt) datirt ist, überweist er den genannten Ordensgeistlichen die Kirche und beginnt
im darauffolgenden Jahre den Bau der Konventsgebäude und „des Chors " Dass
letztere Angabe irrthümlich ist und sich wohl auf den Ausbau der Kirche durch zwei
Kreuzflügel bezieht, werden wir weiter unten sehen. Die Einsegnung des Grundsteins
vollzog der Abt Leonhard Klunkard von Eberbach ; die Vollendung des Klosterbaus
geschah unter dem Sohn Johann Richard's, Heinrich Brömser, dessen Wappen mit
der Aufschrift H. B. V. D. (Henricus Brömser, Vicedomus) die Thüre des vorderen
Klosterflügels bekrönt. Die ebendaselbst angebrachte Zahl 1604 lässt sich ebensowenig
wie die am Westgiebel der Kirche eingemeisselte Zahl 1620 mit den obigen Daten
vereinigen und ist vielleicht als ein später auf ungenauer geschichtlicher Ueberlieferung
beruhender Zusatz aufzufassen.
Unter dem Patronat der Familie Brömser, welche auch die Orgel stiftete und
für den geistlichen Gesang an den Wallfahrtstagen durch Dotirung des Rüdesheimer
Organisten sorgte, gedieh das kleine Kloster und leistete namentlich im Pestjahr 1666
vielfache wirksame Hülfe.
Im Jahre 1813 traf, wie die übrigen rheinischen Klöster, so auch das Kapuziner-
kloster Nothgottes das Loos der Aufhebung ; die Exsekration wurde, nachdem dasselbe
durch den Freiherrn von Zwierlein angekauft worden war , durch den Rüdesheimer
Pfarrer Benzing vollzogen. Das Gnadenbild, dessen wunderbare Auffindung Anlass
zur Gründung der Kirche gegeben hatte, kam in die Pfarrkirche zu Rüdesheim, wo
es noch heute auf dem Martinus-Altar (im nördl. Seitenschiff) aufgestellt ist.
Die Kirche ist ein ziemlich schmuckloser Bau aus Schieferbruchsteinen , drei-
schiffig mit niedrigen Seitenschiffen. Das Mittelschiff misst bei 20,60 m Länge bis in
das aus fünf Achteckseiten gebildete Chorhaupt, 5,65 m Breite, die Seitenschiffe 2,40 m.
Die Gewölbe werden durch vier Pfeiler von quadratischem Querschnitt ohne Gesimse
getragen. Im Mittelschiff sind sie eingestürzt, diejenigen der Seitenschiffe zeigen ein-
fach gekehlte Rippen und verzierte Schlusssteine und setzen auf Kragsteinen auf, die
mit krausem Laubwerk geschmückt sind. Nur der Chor hat Strebepfeiler. Ein Fenster
im Schildbogen der Westfront, sowie die im Chor und in den anstossenden Gewölb-
feldern erhaltenen Fenster haben gothisches Masswerk von einfacher Zeichnung : auf
88
KLOSTER NOTHGOTTES.
Ü^bcr fl ift eine
€m|iorbüfjne-
Fig. 75. Nothgottes. Gruiidriss der Klosterkirche.
Bei der Gründung des Klosters 1621 wurde die
Kirche durch zwei Kreuzflügel erweitert, welche an
die mit einem Rundbogen mit geputztem Profil durch-
brochene Aussenmauer des Mitteljochs der Seiten-
schiffe angebaut wurden. Diese Flügel sind mit
rippenlosen Kreuzgewölben überdeckt und haben
rundbogig geschlossene Oberfenster ; sie endigen
in drei Achteckseiten und haben 9 m Länge bei
5,45 m Breite. Das an Stelle des ursprünglichen
Westportals ausgebrochene rundbogige Scheunen-
thor trägt im Schlussstein die Zahlen 1620—1813.
Da beide gleiche Zahlenform zeigen, so dürfte die
Annahme berechtigt sein, dass sie beide, ebenso wie
die oben erwähnte Zahl 1604 am südlichen Kloster-
flügel von der Zwierleinschen Besitzergreifung
stammen. Ein ziemlich rohes Sandsteinrelief im
Spitzbogen , Christus betend am Oelberg mit der
aus den Wolken segnend herabweisenden Hand
Gottes , welches in der Westmauer des südlichen
Kreuzflügels aussen eingemauert ist, scheint das
Tympanon der ursprünglichen Westthüre zu sein.
Das noch vollständig, wenn auch in äusserster Ver-
wahrlosung erhaltene Klostergebäude ist ein beinahe
dürftiger Nutzbau, theilweise in Holzbau mit Lehm-
zwei nasenbesetzten Spitz-
bogen liegen Ringe mit Drei-
und Vierpässen. Im west-
lichen Joch des südlichen
Seitenschiffs ist eine spitz-
bogig überwölbte Empore
erhalten, deren Brüstungsge-
länder in Fischblasenmass-
werk gestaltet ist. Im gegen-
überliegenden Feld ist die
Empore abgebrochen.
Sämmtliche F"ormen des be-
schriebenen Baues , ein-
schliesslich des Chors, weisen
auf die Entstehungszeit der
Kirche 1390.
Fig. 76. Nothgottes. Offene Halle.
KLOSTER MARIENTHAL.
89
wänden ausgeführt. Interessant sind die minimalen Abmessungen des an den Kirchenchor
anstossenden Wohnflügels : der Mittelgang zwischen den Zellen misst 1,53 m Breite,
die Zellen haben 2,20 m im Geviert. Entbehrt der Bau auch jeder Kunstform, so ge-
währt er mit der zufälligen Verschneidung der Dächer doch, zumal im jetzigen Zu-
stand des Verfalls, ein sehr malerisches Bild, von welchem eine im Jahr 1838 auf-
genommene Skizze von Reiffenstein eine Vorstellung gibt. Man sieht auf derselben
auch den noch erhaltenen, aus dem Sechseck konstruirten schieferbekleideten Dach-
reiter über der Kreuzung und das viereckige Glockenthürmchen über dem Kloster-
gebäude. An die Zeit der grossen Wallfahrten nach Nothgottes erinnert eine offene
Halle von 4,50 m im Geviert, die noch vor der Westfront der Kirche, jenseits des
hier angebrachten Einfahrtsthors steht. Sie ist mit Schiefer gedeckt, die Pfosten und
das Gebälk aus Eichenholz reich gekehlt und mit einfacher Schnitzerei verziert. Die
Kapitale der hermenartig gestalteten Pfosten tragen die Jahreszahl 1704.
KLOSTER MARIENTHAL.
In dem tief eingeschnittenen Waldthal des Klingelbachs, 3,5 km nördlich von
Geisenheim, liegt das Kloster Marienthal, jetzt wieder ein vielbesuchter Wallfahrtsort,
nachdem die völlig zerstörte Kirche 1857 und 1858 wieder hergestellt und um eine
Kapelle an der Südseite bereichert worden.
Die Kirche führt ihre Entstehung auf einen wunderthätigen Bildstock im Thal
des Klingelbachs zurück, den Junker Hans Schaffrait von Oppelsheim als Herr des
Ortes 1313 mit einer Kapelle umgeben liess, die dreizehn Jahre später zu einer Kirche
ausgebaut wurde. Diese wurde 1330 von dem Mainzer Stiftsverweser Balduin geweiht;
sie hatte vier Priester und einen Probst und erfreute sich bald verschiedener Dotationen,
sowie eines 1361 von Konrad von Geisenheim erwirkten päpstlichen Ablasses.
Im Jahre 1463 haben dann mit Konsens des Erzstiftes die Junker Ulrich, Diether
und Reynfridt von Rüdesheim als Lehnsherren von ,Mergendale' die vier Priester ab-
geschafft und das Patronatsrecht mit dem Glockenamt, sammt allen Renten, Gülten
und Einkommen den Fraterherrn, sive Canonicis de communi vita, die aus der Gesell-
schaft der Brüder zum Weidenbach in Cöln dahin berufen waren, übergeben.
Diese Frater- oder Gogelherren, eine halbgeistliche Brüderschaft, die von Gerhart
Groot in Utrecht gestiftet war, hatte sich im späten Mittelalter über den Niederrhein
und Westfalen stark verbreitet und 1439 vom Papst Eugen IV. ihre Bestätigung als
Kongregation erhalten. In Mitteldeutschland besassen sie ausser in Marienthal Häuser
in Butzbach, Königstein und Herrenberg. Ihre Hauptbeschäftigung bestand in der Pflege
der Buchkunst. Als Buchschreiber und Buchbinder haben sie zu Ausgang des Mittel-
alters eine reiche Thätigkeit entwickelt. Als nach 1462 von Mainz aus die neue Kunst
des Buchdrucks mit beweglichen Typen sich verbreitete, waren die Gogelherren von
Marienthal unter den ersten, sich durch Anlage einer Druckerei die neue Erfindung
zu Nutze zu machen. Leider folgte auf eine kurze Zeit gelehrter Blüte, deren sich
1
90
KLOSTER MARIENTHAL.
die Kongregation zu erfreuen hatte, bald der Verfall, besonders seitdem sie sich 1525
den Forderungen der rebellischen Bauern hatten unterwerfen müssen. Im Jahre 1540
trat an ihre Stelle in Marienthal eine Mission der regulirten Augustiner Chorherren
von Pfaffenschwabenheim, die aber schon 1585 von Erzbischof Wolfgang wegen schlech-
ter Führung beseitigt wurden. Von 1612 bis zu ihrer Aufhebung in Mainz 1773 hatten
dann die Jesuiten das Kloster in Besitz ; im folgenden Jahr wurde es an den Grafen
von Ostein in Geisenheim verkauft, der die Kirche durch Abdecken des Daches dem
Verfall preisgab. Das alte Fraterhaus war schon 1624 abgebrannt.
Die Kirche ist einschiffig, vierjochig mit achteckigem Chor und Westempore.
Von dem alten BauJst das einzige als bemerkenswerth erhaltene das Westportal, in
dessen Tympanum unter einem mit Krabbenblättern besetzten Wimperg sich ein Marien-
relief befindet, welches durch seine horizontale Zweitheilung und einen Fries von dicht -
stehenden Rosen an die Skulptur an dem alten Portal der Kirche von Rüdesheim
erinnert. Unten ist in symmetrischer Anordnung die Verkündigung dargestellt, mit
einer Heiligenfigur rechts und links; die Spitze des Bogens wird von der Krönung
Maria durch Christus zwischen zwei knieenden Engeln mit Kerzen eingenommen.
Das reich profilirte Gewände des Spitzbogens wird von zwei leeren Figurennischen
unterbrochen.
An der Nordseite der Kirche ist aussen ein Krucifixus mit Maria und Johannes
in überlebensgrossen, derb und kraftvoll gemeisselten Figuren aufgestellt, welches
früher der jetzt verschwundenen Nikolauskapelle in Geisenheim angehörte. Im Innern
der gothische Grabstein eines Ritters, kunstlos.
STADT LORCH.
RUINE NOLLING. LORCHHAUSEN.
IE STADT LORCH Hegt in der nördlichsten Ecke des Rheingaus, der
wenige Kilometer unterhalb derselben sein Ende findet, da wo der Rhein
die Wisper aufnimmt, grösstentheils auf dem linken Ufer dieses Baches.
Sie breitet sich in einer langen Strasse auf dem schmalen Vorland aus,
welches die zurücktretenden Höhen am Rhein- und Wisperufer freilassen und ersteigt
noch in einzelnen Strassenzügen die im Winkel der beiden Flussläufe sich aufbauenden
Hügelterrassen. Die höchste derselben krönt, stattlich den Ort beherrschend, die
Pfarrkirche St. Martin. Auf dem rechten Wisperufer, das mit der Stadt durch eine
steinerne Bogenbrücke verbunden ist, hat noch ein kleinerer Stadttheil, das „Kirch-
spiel," Platz gefunden, in den engen Raum zusammengedrängt, den die vom 415 m
hohen Teufelskadrich steil abfallenden Felsen am Ufer des Rheins und der Wisper •
freilassen. Er wird überragt von der auf halber Höhe des genannten Berges kühn
an die Felsen angeklebten Burgruine Nolling.
Durch den Engpass des Binger Lochs mit seinen bis in die Mitte des neun-
zehnten Jahrhunderts dem Schiffsverkehr gefährlichen Stromschnellen und durch die
von der Höhe des Niederwaldes und des Kammerforstes steil in den Strom fallenden
Abhänge war Lorch von jeher vom eigentlichen Rheingau abgeschnitten. Diese
isolirte Lage erklärt manche Erscheinung in der Entwickelung seiner Geschichte und
Ortsverfassung. So lange Schifffahrt auf dem Rhein betrieben wurde, also wohl von
Römerzeiten an, mussten hier die schweren, vom Niederrhein kommenden Schiffe ihre
Ladung in kleinere Fahrzeuge umladen, denen die Durchfahrt durch das Binger Loch
möglich war. Andrerseits öffnete sich hier im Wisperthal der bedeutendste Zugang
ins Innere des Landes : für die römischen Heere die nördliche Strasse vom Rhein zu
den Limeskastellen und für die Händler, welche den Fluss bei Hochwasser unpassirbar
fanden, eine Handelsstrasse, die vom vorderen Theil des Wisperthals durch dessen
Seitenthäler auf die Höhe des Gebirges und unter Umgehung des vorgeschobenen
Bergriegels bei Rüdesheim und Geisenheim in den Rheingau hinabführte.
92
LORCH. GESCHICHTE.
Aber auch in politischer Beziehung machte seine geographische Lage Lorch
zu einem vorgeschobenen Bollwerk des Rheingaues gegen nordwärts her drohende
Feinde. Wenn es auch in frühen Urkunden nur als Dorf (villula) bezeichnet wird,
so war doch sowohl der Ort befestigt und von einem früh erwähnten Kastell überragt
wie auch der Eingang des Wisperthaies durch Wehrbauten, zu denen man die Burg
Nolling wird rechnen müssen, gesichert war. Ja man kann das tief eingeschnittene
bis zur Kemeler Hochebene sich hinaufziehende Thal mit seinen steil abfallenden
Bergwänden selbst als einen natürlichen Vertheidigungsgraben des Rheingaus gegen
das Einrich betrachten, dem durch die an besonders bedrohten Punkten errichteten
Burgbauten Kammerburg, Rheinberg, Lauxburg und Gerolstein noch besonderer
Schutz gegeben war. Das Gebück, vom Weissenthurm herabsteigend, traf diese
Vertheidigungslinie etwa in der Mitte ihrer Längenausdehnung bei der Kammerburg.
Es kann bei diesen auf kriegerische Abwehr hindeutenden natürlichen Verhältnissen
nicht Wunder nehmen, wenn sich unter den Bewohnern von Lorch im Mittelalter eine
ungewöhnlich grosse Vertretung des Wehrstandes findet, und wenn die Bevölkerung
des Ortes, sogar in ihrem weiblichen Theil, als kriegerisch und tapfer geschildert wird.
Ob der wichtige Punkt an der Mündung der Wisper schon zur Römerzeit
dauernd besiedelt gewesen ist, lässt sich geschichtlich nicht feststellen. Man wird sich
in dieser Frage mit der aus der geographischen Lage gewonnenen Wahrscheinlichkeit
und mit den Spuren ihrer Anwesenheit begnügen müssen, welche die im Jahre 1867
beim früheren Gasthof zum Schwan aulgedeckten Römergräber*) hinterlassen haben.
Die erste sichere Erwähnung des Ortes findet sich in einer aus Frankfurt datirten
Urkunde Ludwigs des Frommen vom 17. Juli 832 (Sauer 55), in welcher dieser Kaiser
aus dem Reichsfiskus „im Rheingau und in dem Lorecho genannten Dorfe zwölf Tag-
werke Ackerland und einen Weinberg von zwei Zulasten Erträgniss abzweigt und
dem Kloster Hasenried zum Geschenk gibt." Abgesehen von dem Beweis für das
hohe Alter der Ansiedelung ist diese Schenkung uns auch noch als Belag dafür in-
teressant, dass der Lorcher Weinbau der älteste im Rheingau war, da als der nächst
älteste Weinbau treibende Ort Geisenheim erst 838 erwähnt wird. Für die Bedeutung
des Ortes in dieser frühen Zeit ist aber die Nachricht von grösserer Wichtigkeit, dass
die Karolinger daselbst einen Saal oder Oberhof wie zu Frankfurt besassen, in welchem
die Fiskalgefälle eines grösseren Bezirks in Empfang genommen wurden. Es liegt
nicht ausserhalb der geschichtlichen Möglichkeit, dass in dem ältesten Baurest
von Lorch noch eine Spur dieses Saalhofs erhalten ist , dessen Lage wir dann auf
einer Felsterrasse unterhalb der Pfarrkirche zu suchen hätten.
Seit durch die mehrerwähnte Schenkung Otto's II. an Erzbischof Hatto im
Jahre 983 der ganze Rheingau in den Besitz des Erzstiftes Mainz kam, ist auch die
politische wie die kirchliche Geschichte von Lorch eng mit der des Erzbisthums ver-
knüpft. Es muss beim Fehlen urkundlicher Nachrichten aus dieser frühen Zeit dahin
gestellt bleiben, ob damals schon das eigentümliche Verhältniss der Pfarrei Lorch
*) S. Mitth. d. Nass. Alt.-V. 1867, 5 u 6, p. 16.
LORCH. GESCHICHTE.
93
zu Mainz begründet wurde , das vom späteren Mittelalter an bis in das 19. Jahr-
hundert bestand. Der Mainzer Domprobst war nämlich der eigentliche Pfarrer von
Lorch (Zaun 313) und besetzte die ihm unterstellte Pfründe meist mit einem Kanonikus
oder Vikarius seines Stiftes.
Mehrfache Brände und Verwüstungen, durch welche der dreissigjährige Krieg
die Stadt heimsuchte, und die Pest von 1666, welche dieselbe entvölkerte, haben nicht
nur die meisten Dokumente über die Geschichte des Ortes während der früheren
Jahrhunderte des Mittelalters vernichtet, sondern auch die Namen und Wohnungen
so vollständig verwischt, dass wir, um uns ein Bild des Ortes während dieser Zeit zu
machen, auf die Angaben angewiesen sind, die ein Einwohner des Ortes, der Rentier
Keuchen, mit grosser Sorgfalt aus den noch vorhandenen Akten und Beedbüchern
ausgezogen hat.
Von einem „Castellum in Villa Lorecha" spricht eine zwischen 1107 und 1114
zu datirende Urkunde (Sauer 156), über dessen Lage nur Vermuthungen ausgesprochen
werden können. Nach der Lage des Ortes hätte dasselbe seinen natürlichen Standort
auf dem hinter der Kirche sich ausbreitenden Plateau haben müssen, von wo aus das-
selbe das Wisper- und Rheinthal gleicherweise beherrschen konnte. Ein an dieser
Stelle in einem steil aufsteigenden Weinbergsweg noch erkennbarer Bogenrest „das
Burgthor" genannt, scheint die obige Annahme zu unterstützen. Von der sonstigen
Befestigung des Ortes zeugt das Vorhandensein von fünf Thoren im 16. Jahrhundert.
Erwähnt wird sie im Jahre 1620; damals war dieselbe schon so zerfallen, dass die
Einwohner in einer Bittschrift an den Mainzer Kurfürsten sie nicht mehr erhalten zu
können erklärten.
Nach dem Beedbuche von 1518 war Lorch in vier Stadtviertel getheilt : 1 . Das
Obersdorfer Viertel, welches , bereits 1309 als Villa superior erwähnt , vom oberen
Anfang des Ortes bis zum Frohnhof reichte, (an der Stelle, wo jetzt der Gasthof zum
Adler steht). 2. Das Frohnhofsviertel, der eigentliche Kern des Ortes, vom Frohnhof
bis zum Markt reichend, umlasste das Hospital (der Wisperbrücke gegenüber), die
Kirche und den Oberweg. 3 Das Gassenviertel, den Rest bis zur Wisper und die
auf dem linken Wisperufer hinaufziehenden Gassen. 4. Das Niederbrücker Viertel,
den Theil, der jenseits des Baches rheinabwärts und das rechte Wisperufer hinauf
sich erstreckte.
Von den Heimsuchungen, welche Lorch im Lauf des 16. bis 18. Jahrhunderts
erfuhr, sind folgende zu erwähnen : Feuersbrünste, die 1554 und 1612 viele Häuser in
Asche legten, pestartige Epidemien, denen 1622 und lb24 viele hundert Einwohner
erlagen ; endlich die von 1666, die den Ort 434, oder die Hälfte seiner Einwohner
kostete. In den Kriegen, in welche das Mainzer Erzstift verwickelt war, hatte Lorch
durch Brandschatzung, Zerstörung und Kontributionen viel zu leiden. So wurden
1629 dreissig Häuser in Asche gelegt, zwanzig standen leer, sodass sich die Bürger-
schaft heftig gegen die Kontribution von 5000 Gulden wehrte, welche der Erzbischof
ihr auferlegt hatte. 1632 musste der Ort ein Jahr lang jeden Monat 213 Reichsthaler
an die Schweden erlegen. 1633 hatte Lorch mit Lorchhausen und Presberg 178 Fuder
^4
LORCH. ADEL.
und 4 Ohm Wein herzugeben und . eine Anzahl Bürger nach Mainz zum Schanzen
zu stellen. Der Schaden, den der Ort in 18 Monaten von Beginn des Jahres 1632 bis
Mitte des folgenden Jahres erlitt, wird auf 37872 Gulden berechnet. Auch in den
nächsten Jahren folgten Zerstörung und Plünderungen aufeinander, sodass von Ostern
bis August 1635 die gesammte Bevölkerung sich in den Schluchten des Wisperthaies
verborgen hielt.
Der Zug des Herzogs von Longueville mit der französisch-weimarischen Armee
gegen Hessen, der zu Schluss des Jahres 1639 über eine zwischen Lorch und Lorch-
hausen geschlagene Schiffbrücke das Wisperthal hinaufging, brachte dem Ort wieder
fast gänzliche Zerstörung. Auf des Generals Befehl mussten im folgenden Jahr
die Lorcher die auf dem Schloss Stahleck zurückgelassene französische Besatzung
verproviantiren und in demselben Jahre den Franzosen zur Demolirung der Rüdes-
heimer Burgen frohnden (S. Seite 27). Nicht minder wie der dreissigjährige, hinterliess
der Pfälzische Krieg 1688—1690 in der vielgeprüften Stadt seine Spuren: bald mussten
die französischen Besatzungen der benachbarten Burgen verpflegt, bald den end-
losen Truppenzügen, die über eine zwischen Lorch und Heimbach geschlagene Schiff-
brücke ins Einrich zogen, Proviant gestellt werden. Ebenso machte sich der spanische
Erbfolgekrieg für Lorch fühlbar, und die Feldzüge gegen das revolutionäre Frankreich
kosteten den Ort 42000 Gulden.
Haben so die Aufzeichnungen der politischen Geschichte nur Krieg und Zer-
störungen überliefert, so empfängt man von der friedlichen Entwickelung des Ortes
in die uns Keuchen's Forschungen einen Blick thun lassen, ein freundlicheres Bild.
Lorch hatte um die Mitte des 16. Jahrhunderts eine Bevölkerung von etwa 1600
bis 1800 Seelen. Unter diesen hatte die Zahl der Adeligen einen ungewöhnlich grossen
Antheil. Schon die unten aufzuführenden nur zum kleinsten Theil noch bestehenden
Adelshäuser lassen dies erkennen. In den Urkunden erscheint eine ausserordentlich
grosse Zahl von Familien, die sich entweder kurzweg ,von Lorch' nennen, oder diese
Bezeichnung ihrem Familiennamen beifügen. Zu nennen sind die Gerlach von Lorch,
die Schetzel, Hilchen von Lorch, die von Lorch genannt Leyen, Hartwich, zur Born-
gasse, Ried, Waldecke ; neben diesen eingesessenen Geschlechtern eine Anzahl fremder
Adeliger, die in Lorch wohnten.*) Dass diese Standesgenossen gegenüber der Bürger-
schaft sich früh zusammengeschlossen und einen wesentlichen Einfluss auf die Stadt-
verwaltung gewonnen haben, geht aus vielen Anzeichen hervor ; ihren Ausdruck fand
diese Interessengemeinschaft in der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zuerst
auftretenden Schuljunker schalt. Ueber ihre Entstehung fehlen genaue Nach-
weise; doch legt die Geschichte des Ortes die Vermuthung nahe, dass man dieselbe
zwischen 1527 und 1548 zu setzen hat.
Lorch war durch den Krieg des Erzstiftes so herabgekommen, dass der Kar-
dinal-Erzbischof Albrecht von Mainz sich veranlasst sah, den Ort durch Urkunde
*) Näheres bei Keuchen „Lorch und seine Adelsgeschlechter" Rheingauische Blätter i. Jahrg.
No. 36 ft'. Rüdesheim 1856.
LORCH. SCHULJUNKERSCHAFT.
95
vom 12. April 1519 vermittelst eines kaiserlichen Staats-Moratoriums zu retten, wo-
durch die Lorcher auf fünf Jahre von ihren Schulden befreit und nicht verklagbar sein
sollten. Dagegen wurde die ganze Finanzverwaltung der Stadt unter die Aufsicht
des Vizedoms des Rheingaues gestellt, sodass man in dem Schultheissenverzeichniss
von 1518 — 1560 nur diese Beamten als Oberschultheissen aufgeführt findet. War
hierdurch schon die Selbständigkeit des Ortes stark erschüttert, so brachte das für
den Rheingau so verhängnissvolle Jahr 1525 mit seinen sozialen Unruhen und der
darauffolgenden „Albertinischen Reformation" von 1527 die vollständige Einziehung
aller bürgerlichen Privilegien , während diejenigen des Adels neu bestätigt wurden.
In diesen Vorgängen darf man wohl Ursachen sehen, die das Entstehen der „Schul-
junkerschaft" als kräftigen Zusammenschluss des Lorcher Adels auf Kosten der
Bürgerschaft in diese Zeit setzen lassen, zumal man eine weitere schnelle Entwickelung
in dieser Richtung auch in der nächsten Folgezeit erkennen kann. Bald nach 1525
erfolgt der Uebertritt des Rheingauer Adels zu der in mittelbarer Folge der Bauern-
kriege gestifteten reichsritterschaftlichen Verbindung. Auch die Türkenkriege des 16.
Jahrhunderts, in welchen der Kaiser sich vornehmlich auf den Reichsadel stützen
musste, führten zu immer neuen Erweiterungen der Privilegien des letzteren, sodass
es nicht Wunder nehmen darf, wenn sich in dieser Zeit schliesslich der alte dem
Kurfürsten unterstehende Landadel des Rheingaues in einen selbständigen Reichs-
adel verwandelt.
Die Schul junkerschaft, in welcher dieser Adel, soweit Lorch in Betracht
kommt, eine Organisation mit besonderen Rechten geschaffen hat, ist zwar in dieser
und in ihren Satzungen bekannt; schwieriger ist der Name zu erklären, zumal Bod-
manns Vorgang zu einem Zusammenwerfen desselben mit einer „Junkerschule" die
in Lorch bestanden zu haben scheint, geführt hat.
Die einzige von dieser letzteren sprechende geschichtliche Notiz ist ein Raths-
protokoll von 1731, worin der Abbruch des „vorhin gewesenen sogenannten adligen
Schulhauses zwischen dem Pfarrgarten und der Wolfgangstrasse" beschlossen wird.
Die Umschrift des Grabsteins eines Joh. Friedr. von Wolfskehl (gest. 15. April 1609)
in der Kirche von Bacharach „wurde zu Lorch in wahrhaft christlicher Religion
und Anrufung Gottes erzogen" kann in ihrer Allgemeinheit nicht zur Stütze für die
Existenz einer für adelige Alumnen bestimmten Schulanstalt in Lorch herangezogen
werden. Es muss daher unentschieden bleiben, ob die im 16. Jahrhundert entstandene
Schuljunkerschaft aus der nur aus obiger Notiz bekannten, adeligen Schule hervor-
gegangen ist, deren Blüte Bodmann selbst nur in's 13., 14. und 15. Jahrhundert
setzen will.
Diese adelige Gemeinschaft nun bestand aus nur sechs Junkern mit ihrem
Präses, dem jeweiligen Domprobst von Mainz, der ja, wie oben gesagt, Oberpfarrer
und Zehntherr in Lorch war und die Würde eines Ober-Schuljunkers bekleidete.
Die Mitglieder mussten reichsunmittelbar und in Lorch begütert sein. Zwei Mit-
glieder derselben Familie durften nicht gleichzeitig der Gemeinschaft angehören.
Diese hielt ihre Sitzungen auf dem Rathause, bestimmungsgemäss wenigstens alle
96
LORCH. ALLGEMEINES.
drei Jahre, doch liegen auch Pausen von 10 bis 17 Jahren zwischen einzelnen
Versammlungen. Der letzteren wohnten von Lorcher Bürgern der Schultheiss,
Pfarrer und vier Mitglieder des Raths und Gerichtes bei. Die Geschäfte dieser Ver-
sammlungen umfassten die Aufsicht über den baulichen Zustand der Kirche, des
Pfarrhofes und Hospitals, Prüfung der Rechnungen derselben, die Revision des Hain-
gerichtes, von welchem noch die Rede sein wird ; Inspektion der Maasse und Gewichte,
sowie Prüfung von Fleisch und Brot, Ernennung des Pfarrvikars und endlich die
Wahrnehmung der Sonder- Vorrechte der Schuljunkerschaft. Die letzteren bestanden
darin, dass dieselbe jeden neuen Schultheiss zu präsentiren, Schulmeister, Glöckner
und Kirchendiener zu ernennen hatte, die ausschliessliche Benutzung der Lorcher
Jagd und Fischerei und vom Waldertrag ein doppeltes Loos zu beanspruchen und freie
Fahrt im Marktschiff nach Bingen hatte. Die Schuljunkerschaft bestand, nachdem schon
früher auf manche der genannten Privilegien verzichtet worden war, zu Recht bis 1804.
Ueber die Bevölkerung Lorchs, deren Verfassung und Gewerbe ist nach
Keuchen's Ermittelungen noch folgendes nachzutragen : im Jahre 1569 zählte man in
Lorch und Lorchhausen zusammen 310 Beedpflichtige. Diese, als Familien zu fünf
Personen gerechnet geben eine Einwohnerzahl von circa 1600 Personen. Nach der
starken Einbusse welche die oben erwähnten Kriegsjahre brachten, finden wir 1687 in
Lorch nur 172, in Lorchhausen nur 45 Familien, zusammen also 1085 Seelen. Eine
kleine Zunahme zeigt das Jahr 1718 mit im Ganzen 768 Bürgern, ungerechnet dieFrauen
und Kinder. In der Gegenwart zählt Lorch 2150 Einwohner in 490 Haushaltungen.
Die Lorcher Gemarkung umfasste 1669 etwa 1000 Morgen Aecker und Wiesen,
und 617 Morgen Weinberg. 1730 nur 407 Morgen Aecker und Wiesen, während die
Zahl der Weinberge auf 659 Morgen gestiegen war. Ueber das Alter des Wein-
baues in Lorch wurde bereits bei der ersten urkundlichen Erwähnung des Ortes ge-
sprochen ; hier sei nur noch erwähnt, dass vor dem 15. Jahrhundert in Lorch viel Rothwein
gebaut wurde, der von da ab den jetzt bevorzugten weissen Reben zu weichen scheint.
Auch die Schiffahrt scheint unter den Gewerben Lorch's schon früh eine nicht
unbedeutende Rolle gespielt zu haben. Urkundlich finden wir schon 1104 Schiffahrts-
betrieb zu Lorch, welches als Ladestadt für die zu Berg ziehenden Güter zwei Krahnen
am Rhein besass. 1398 wurden dieselben aufs Neue an zwei Bürger verliehen. Die
Thätigkeit am Rheinstaden bezog sich, wie bereits oben erwähnt auf die Umladung
von Gütern, die in kleineren Fahrzeugen durch das Binger Loch befördert werden
sollten, wo im Mittelalter die Durchfahrt ausschliesslich auf der linken Rheinseite
möglich war — oder auf die Ueberladung auf Wagen, welche die Waaren über das
Gebirge nach Rüdesheim und Geisenheim brachten, — sei es, dass man wegen der
Strom- und Eisverhältnisse die Durchfahrt zu Wasser nicht wagte, oder dass man
die Zölle umgehen wollte, die zu Sooneck, Vautzberg und Ehrenfels erhoben wurden.
Hiernach kann auch der Frachtfuhrwerksbetrieb in Lorch nicht unerheblich gewesen sein.
Auch der Holzhandel ist unter den Gewerbebetrieben Lorch's zu nennen,
welches 1773 gegen 380 Morgen Wald besass und eine nicht unerhebliche Flösserei
von Scheitholz auf der Wisper betrieb. Hierbei mag auch das Haingericht in
Fig. 76 a. Loy cli. Pfarrkirche. Blick in den Chor mit Sakramentshäuschen.
DIE BAUWERKE VON LORCH.
'17
Lorch Erwähnung finden. Diese uralte rheingauische Einrichtung bestand auch hier.
Jede Gemeinde des Rheingaus besass Gemeindewald, der zur Feldmark des Ortes ge-
hörte, während der allgemeine Landeswald dem General-Haingericht zu Eltville unter-
stand. Nach der politischen Landesabtheilung in Aemter, die sich zwischen 1398 und
1415 vollzog, wurden für die einzelnen Orte Partikular-Haingerichte (Haingeraide,
Hengerath) eingesetzt. Die Befugnisse des in Lorch bestehenden erstreckte sich ausser
über Feld, Wald, Wasser, Weide und Wege auch über Maass und Gewicht, Brot-
und Fleischbeschau. Es bestand ursprünglich aus einer gleichen Zahl von Adeligen
und Bürgern, kam aber nach der Albertinischen Reformation (1527) und der Ein-
ziehung der bürgerlichen Privilegien ausschliesslich in die Hände des Adels.
Einen beträchtlichen Antheil an der Blüte Lorchs im früheren Mittelalter scheint
endlich die Wollenweberei gehabt zu haben, deren lebhafter Betrieb urkundlich
feststeht. In den Jahren 1391, 1498, 1569 werden „Pannitonsores, Textores, Weber-
stuben, Weberbruderschaft" mehrfach erwähnt. Die Erzeugnisse dieses Gewerbes
gingen sowohl rheinabwärts, wie aufwärts zur Messe nach Frankfurt, auf welchem Wege
es allerdings durch den Zoll bei Ehrenfels belastet wurde. Vielleicht waren diese
Tuchweber Einwanderer vom Niederrhein, die sich später der Reformation zu-
gänglich erwiesen. Wenigstens scheint (nach Keuchen) diese Industrie sehr zum
Nachtheil des Ortes in der Zeit erloschen zu sein , als Kurfürst Albrecht I. 1525 die
lutherische Lehre im Rheingau gewaltsam unterdrückte und die Tuchmacher zur
Auswanderung in die Grafschaft Katzenelnbogen veranlasste , welche unter Philipp
dem Grossmüthigen dem protestantischen Bekenntniss angehörte.
DIE BAUWERKE VON LORCH.
PFARRKIRCHE ST. MARTIN.
Die dem heiligen Martin geweihte Pfarrkirche nimmt die höchste Stelle des
(ursprünglichen) Ortes ein und thront auf ihrer Felsterrasse als eines der imposantesten
kirchlichen Bauwerke des Rheingaus. Ebenso stattlich tritt ihre Erscheinung dem
auf dem Rhein vorüberfahrenden entgegen, wie sie für den Beschauer, welcher die Höhe
bei dem neuen Friedhof ersteigt, das Bild eines bedeutenden, den Mittelpunkt des
malerisch gruppirten Ortes bildenden Monumentes bietet. Von den Friedhöfen, welche
sie in früherer Zeit nördlich und südlich einschlössen, ist jetzt der südliche als freie
Terrasse mit kirchlichen Anlagen erhalten.
Ein Blick auf den Gr undriss der Kirche zeigt, dass dieselbe nicht nach einheit-
lichem Plane und unter normalen Verhältnissen erbaut worden ist. Schon die unge-
wöhnliche Abweichung der Hauptaxe von der Ostlinie nach Süden, die im Chor 12 Grad,
bei der Nordwand 14,5, im Thurm 19,5 und bei der Südwand der Vorhalle sogar 22 Grad
beträgt, muss auffallen und zusammen mit dem hierin ausgesprochenen mehrfachen
Wechsel der Axenrichtung die Ueberzeugung nahe legen, dass die Kirche zu ver-
7
98
LORCH. PFARRKIRCHE.
schiedenen Zeiten entstanden ist — eine Ansicht, die durch die Bauformen lediglich
bestätigt wird.
Dass wir es in diesem, nach Ausweis seines Stils vom Ende des 13. bis zum
Anfang des 16. Jahrhunderts errichteten Bauwerk nicht mit der ersten Kirche von
Lorch zu thun haben , erhellt ohne
weiteres aus der oben angeführten
Thatsache, dass Lorch schon im 9. Jahr-
hundert einen kaiserlichen Saalhof und
zu Anfang des 12. Jahrhunderts eine
Burg nebst Befestigungen besass, also
jedenfalls eine namhafte Ein-
wohnerzahl aufwies, für deren
kirchliche Bedürfnisse gesorgt
werden musste. Leider ist von
der ursprünglichen, wohl der
romanischen Periode angehö-
Fig. 77a. Lorch. Pfarrkirche. Ansicht von Nord-Osten.
rigen Kirche jede Spur verschwunden, wenn man nicht einen der Stilform nach
ziemlich frühen Crucifixus auf der "Westempore als letzten Rest dieses ursprüng-
lichen Bauwerks auffassen will. (Ein von Lötz erwähntes, reich und eigenthümlich
gegliedertes Bruchstück von Stein mit Blattschmuck aus spätestromanischer Zeit
ist von dieser Stelle leider verschwunden.) Ein Blick auf den überaus massiven, in die
Südwestecke ganz unorganisch einschneidenden Thurm-Unterbau, dessen südliche Ab-
weichung die Veranlassung zu dem auffallenden Knick in der Axe des Südschiffs ge-
geben haben mag, legt die Vermuthung nahe, in diesem den ältesten Theil der Kirche
zu sehen, wofür leider nur bei dem Fehlen jeder Kunstform der Beweis mangelt.
LORCH. PFARRKIRCHE.
90
Die jetzige Kirche ist eine
zweischiffige Anlage , deren
beide Schiffe selbständig ent-
wickelte Chorschlüsse zeigen :
im Südschiff ist derselbe aus fünf
Seiten des Achtecks, im Nord-
schiff aus vier Seiten des Sechs-
ecks gebildet. Ausser diesen
Chorhäuptern zählt jedes Schiff
sechs Gewölbfelder. Die Breite
des Chors misst 8,25, des Süd-
schiffs 8,92, des Nordschiffs im
Mittel 6,15 Meter. Die Länge
des letzteren bis zu den Schräg-
seiten des Chors beträgt 36,40
Meter, die Kämpferhöhe ist im
Südschiff 12, im Nordschiff 5,90
Meter. An den Westgiebel
schliesst sich eine innere und
eine äussere Vorhalle mit dar-
über angeordneter Empore an,
zu welcher eine Wendeltreppe
in einem an der Nordwestecke
vorgelegten aus dem Fünfeck
konstruirten Treppenthurm em-
porführt.
Der älteste Theil der Kirche
ist unzweifelhaft der Südchor,
aus dem Chorhaupt und zwei
Gewölbefeldern bestehend, ein
prächtiges Werk der soeben zur
Reife entwickelten rheinischen
Gothik, der sich in Mauer-
stärken, Profilen und Fenster-
ausbildung wesentlich von den
übrigen, augenscheinlich spar-
samer und flüchtiger gebauten
Theilen der Kirche abhebt.
Man wird denselben ins letzte
Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts
{ftfni'rhiprhr f>t HBfU'tin
,1-
Fig. 77b. Lorch. Grundriss der Pfarrkirche St. Martin.*)
*) Berichtigung: das Kreuzgewölbe im Thurm ist ohne Rippen und Schlussstein.
7*
100
LORCH. PFARRKIRCHE.
setzen dürfen. Das älteste durch Vermächtnisse bezeichnete Datum unter den
spärlichen Daten der Kirchengeschichte, 1304, für denselben in Anspruch zu
nehmen, hindert der Umstand, dass bei dieser Gelegenheit schon eine Marien- und
Fig. 78. Lorch. Pfarrkirche St. Martin. Querschnitt.
Georgskapelle erwähnt wird, also ein Theil der Kirche bereits bestanden haben muss.
Man wird also kaum fehlgehn, wenn man annimmt, dass 1304 das Datum für den
Weiterbau des südlichen Seitenschiffs ist, wobei durch Beiziehen, namentlich des ersten
östlichen Gewölbefeldes, ein Einlenken an die Flucht des bereits vorhandenen Thurm-
LORCH. PFARRKIRCHE.
101
Unterbaues erstrebt wurde. So dürfte der Bau als einschiffige Kirche mit beiderseits
nach aussen vortretenden Strebepfeilern fast ein Jahrhundert lang in Benutzung
gewesen sein, bis Ende des 14. Jahrhunderts eine Erweiterung durch Hinzufügung eines
zweiten (Nord-) Schiffes nöthig wurde. Zu diesem Erweiterungsbau schenkte laut Urkunde
1398 Johann Katzekind, Priester in Lorch, Haus und Hof der Kirche, um es bei dem Bau
zu benutzen, mit der Bestimmung, „dass nur ordentliche Bauleute darin wohnen sollen.'1
Die Bauformen dieses Nordschiffes, besonders das Masswerk seiner Chorfenster,
die Gewölberippen und Schlusssteinverzierungen weisen auf den Anfang des fünf-
zehnten Jahrhunderts hin. Um den neuen Theil, der erheblich niedriger als der ur-
sprüngliche angelegt wurde, mit letzterem zu verbinden, wurden die nördlichen Strebe-
pfeiler (welche sich in Sockelprofilen und Hausteinkonstruktion heute noch als
Theile eines Aussenbaus verrathen), in der Höhe der neuen Seitenschiffgewölbe
durch breite, spitzbogige Gurte verbunden, in den vier Schiffsjochen das Mauerwerk
ausgebrochen und die Kanten abgeschrägt, sodass Pfeiler von ungewöhnlichem Quer-
schnitt entstanden ; die nördlichen Strebepfeiler des Neubaues wurden dementsprechend
ebenfalls ins Innere gezogen und mit breiten Gurten überdeckt, sodass hier eine Reihe
von Seitenkapellen entstand. So wurde der Bau wahrscheinlich in ziemlich lang-
samem Fortschreiten bis zur Westfront geführt. Wenigstens ist die äussere Vorhalle,
die nach den Bauformen mit der inneren gleichzeitig sein dürfte, erst zwischen den
Jahren 1459 und 1482 vollendet worden , wie das in derselben als Schlussstein an-
gebrachteWappen des Erzbischofs Diether von Isenburg beweist, der neben mehreren
ebenfalls daselbst durch ihre Wappen vertretenen Lorcher Adeligen, besonders der
Hilchen, als der Erbauer dieser Vorhalle gelten muss. Die Bauzeit des Thurmes,
der schlicht und ohne Streben oder sonstige Gliederung, aber in auffallend starkem
Mauerwerk aufsteigt, ist bei dem völligen Fehlen aller Kunstformen (auch das Kreuz-
gewölbe über dem Erdgeschoss desselben hat keine Rippen) sehr schwer festzustellen
Von seinen späteren Schicksalen ist nur bekannt, dass im Jahre 1554 das Thurmdach,
wie auch das Kirchendach abbrannte. Ob der Thurm bei der Herstellung eine Er-
höhung erfuhr, muss dahingestellt bleiben. Die in dem vierten Stockwerk angebrachte
Zahl 1576 muss sich auf die Herstellung nach diesem Brande beziehen , womit auch
das späte und charakterlose Blendmasswerk in der halbkreisförmigen Ueberdeckung
der Schalllöcher übereinstimmt.
Die Kirche wurde bei den verschiedenen durch die Kriegsnöthe über die Stadt
verhängten Zerstörungen in Mitleidenschaft gezogen. 1698 war sie fast völlig Ruine,
die Fenster grösstentheils zerschlagen. 1719 begannen Reparaturen; diesem Jahre
entstammt das jetzige, durch kunstlose Uebereckung ins Achteck übergeführte Thurm-
dach und das schmiedeeiserne, von einem Hahn überragte Kreuz. Die plumpe eiserne
Verankerung, welche noch jetzt den Chor verunziert, wurde 1780 eingezogen. Eine
schlimme Vergewaltigung erlitt die Kirche durch eine „Restauration" des Pfarrers
Geiger 1819 (Keuchen). „Er entfernte mehrere das Innere verunstaltende und über-
flüssige Altäre, ebenso das Chorgestühl und das den Chor abschliessende eiserne
Gitter; Hess ausser sechs gut erhaltenen alle andere, meist eingesunkene Grabsteine
102
LORCH. PFARRKIRCHE.
herausnehmen, um die Kirche zu ebnen und mit Platten zu belegen, und würde selbst den
Hochaltar entfernt und das steinerne Christusbild vom Kirchhof dahin gesetzt haben,
wenn nicht einzelne Glieder der Gemeinde dagegen opponirt hätten. Er handelte
aber rücksichtslos, indem er auch, um die nicht unbedeutenden Reparaturen zu be-
streiten, für weniges Geld die kostbaren gebrannten Figuren des Kreuzaltars (das
Leiden Christi vorstellend) an Archivar Habel, und den noch von Zeit und Um-
ständen verschont gebliebenen Theil der gebrannten farbigen Fenster des Chors und
der Südseite, in dem fast sämmtliche Wappen des Lorcher Adels befindlich gewesen
sein sollen, an Herrn von Zwierlein verkaufte."
Einer gründlichen und sachgemässen Restauration wurde der Chor durch
den Fiskus, welcher dem Domprobst in der Baupflicht gefolgt war, von 1871 — 74 mit
einem Kostenaufwand von 72,000 Mark unterzogen ; gemalte Fenster wurden von dem-
selben 1888 und 1891 im Chor angebracht ; ihre Unterhaltung liegt dem Lokalkirchen-
fonds ob. Der Herstellung des Chors folgte auf Kosten der Kirchengemeinde die-
jenige der Schiffe, welche der Architekt Max Meckel leitete.
Der Chor, ein Bau von edlen Verhältnissen, ist in den Ecken durch Dienste
gegliedert, die mit einem zweifachen Sockel auf eine umlaufende niedrige Steinbank
aufsetzen und in den Ecken zu je drei , an den Jochen zu je fünf Rundstäben ge-
bündelt sind. Die Kapitale sind mit reichem Blattwerk der Hochgothik geschmückt ;
die zweite Kapitälgruppe der Südwand, von Westen aus gerechnet, ist auffallender-
weise mit frühgothischen Knospen von ziemlich roher Arbeit besetzt. Die auf
den Kapitalen aufsitzenden Gewölbrippen haben je drei Birnstäbe, die Schildbogen
einen Birnstab zwischen Hohlkehlen. Die Schlusssteine sind sämmtlich verziert : der
im Chor befindliche mit einer Rosette aus sechs um ein mittleres gruppirten Wein-
blättern; der zweite (nach Westen) mit einer Rose, um welche sich vier Gruppen von
je drei Eichblättern mit zwei Eicheln legen. Der Dritte, der zum Herablassen der
Pfingsttaube als grösserer , offener Ring gestaltet ist, zeigt einen Kranz von zwölf
Blättern des Hahnenfusses. Die nächsten Gewölbfelder des Schiffs haben, in gleicher
Richtung fortschreitend, als Schlusssteinschmuck: einen bartlosen Kopf, aus dessen
Mund neun Eichenblätter hervorwachsen; eine grosse fünfblätterige Rose und einen
Kopf, von fünf Huflattigblättern umgeben.
Die Chorfenster, welche ausser dem dreitheiligen Ostfenster zweitheilig sind
liegen in aussen reichgegliederten, innen abgeschrägten Gewänden und zeigen ein
strenges Rundstabmasswerk (s. Fig. 82) mit achteckigen Sockeln und Blattkapitälen.
Inneres und äusseres Kaffgesims, sowie das Hauptgesims sind aus stumpfen Birnstäben
und Hohlkehle gebildet. Die verhältnissmässig schwachen Strebepfeiler des Chors
sind durch einen Wasserschlag und ein umlaufendes Gesims gegliedert und mit
(modernen) Fialen gekrönt.
Das Gewölbe der vier Felder des Südschiffs hat Rippen mit einfachem Hohl-
profil, die an der Südwand auf halbrunde Kragsteine mit aus dem Sechseck gezeich-
LORCH. PFARRKIRCHE.
103
neten Deckplatten, an der Nordwand auf halbsechseckige Konsolen aufsetzen. Die
zwei Fenster des Südschiffs, die in der Zeichnung des Masswerkes sich an die Chor-
fenster anschliessen, liegen in schrägen Gewänden, deren Bogen im Aeussern ein
Hohlprofil haben und zeigen flachprofilirte Pfosten. Die Strebepfeiler sind mit Giebel-
dächern abgedeckt. Die ganze Ausführung dieses Theiles verräth gegenüber der des
Fig. 82. Lorch. Pfarrkirche. Fenstermasswerk im Chor.
Das nördliche Seitenschiff öffnet sich nur in seinen vier westlichen
Jochen voll gegen das Südschiff; im Chor ist durch eine halbhohe spitzbogig über-
deckte Oeffnung eine Verbindung hergestellt ; das nächste Joch ganz geschlossen
und in dem dritten ein niedriger Durchweg in der Dicke der Ausmauerung ausgespart.
Die Schlichtheit der Ausführung, die sich auch hier in dem einfachen Hohlprofil der
Gewölbrippen und der schlicht in drei Spitzbogen entwickelten Fenstermasswerke aus-
spricht, erfährt nur eine Bereicherung in den zwei mit reicherem Masswerk ver-
sehenen Chorfenstern, in den verschiedenen, zierlich gebildeten Gewölbekonsolen, von
welchen die Abbildung 83 eine Vorstellung giebt, sowie in der Verzierung der Schluss-
steine. Diese zeigt vom Chorgewölbe beginnend: 1. Ein Agnus dei. 2. und 3. Männer-
köpfe, deren Mund Lattich- und Rebenblätter entwachsen. 4. Einen knieenden Pilger,
der eine Geissei in der Hand hält. 5. Eine fünfblättrige Doppelrose. 6. Einen Christus-
kopf. 7. Einen kleinen Kopf mit Blattwerk.
104
LORCH. PFARRKIRCHE.
Im dritten Joch (von Westen an) ist eine spitzbogige Thür mit hohlprofilirtem
Gewände und Nasen im Spitzbogen angeordnet ; eine zweite (moderne) Seitenthür führt
aus dem vierten Joche des Südschiffs ins Freie. Der Thurm, dessen Erdgeschoss
nur durch eine Thür im Innern des
Fig. 83. Lorch. Pfarrkirche. Fig. 84. Lorch. Pfarrkirche.
Gewölbekonsole im nördl. Seitenschiff. Schlussstein im nördlichen Seitenschiff.
das westlichste Joch des Südschiffs ein, sodass dessen Gewölberippen sich unschön an
seiner Mauerfläche todtlaufen. Von seiner Nordostecke bis zur nördlichen Kirchenmauer
und in der Tiefe des Thurmvorsprungs ist auf zwei durch einen Pfeiler mit Segment-
bogen gestützten Kreuzgewölben eine Empore in die Kirche eingebaut; vor dem
Pfeiler ist etwas über Kämpferhöhe eine Säule emporgeführt, welche eine moderne
Heiligen-Figur trägt. Die Westwand der
Kirche, welche die Rückwand dieses
Raumes bildet, ist nach einer dreijochigen
inneren Vorhalle hin durchbrochen,
deren nördlichstes Joch als Taufkapelle
durch ein (modernes) Gitter abgeschlossen
ist und von einem kleinen, neben dem
Treppenthurm angebrachten spitzbogi-
gen Fenster beleuchtet wird. Die Kreuz-
gewölbe dieser Vorhalle, die nach der
Kirche zu auf dünnen, abgeschrägten
Pfeilern ruhen, haben verzierte Schluss-
steine, welche in spätgothischen Drei-,
Vier- und Fünfpässen Wappen von
Lorcher Adelsgeschlechtern tragen.
Vor dieser innern Vorhalle zieht sich,
zum Theil auf den Thurm übergreifend,
Fig. 85. Lorch. Pfarrkirche. Säulensockel am
Westportal der äusseren Vorhalle.
Fig. 88. Lorch. Pfarrkirche Grabstein des Feldmarschalls Joh. Hilchen.
LORCH. PFARRKIRCHE.
105
eine äussere Vorhalle, deren auffallend verzogener Grundriss sich vielleicht durch
den Zwang des hier zur Marktstrasse ca. 3 Meter steil abfallenden Terrains erklärt. Sie
ist mit vier ungleich grossen, länglichen Kreuzgewölben mit niedrigem Kämpferansatz
überdeckt ; die aus den Wandpfeilern schlicht hervorwachsenden Rippen haben doppeltes
Kehlprofil und reichverzierte Schlusssteine, die ausser einem schöngezeichneten Christus-
kopf die Wappen Diethers von Isenburg, der Hilchen und der Breidenbach enthalten.
Die südliche und nördliche Stirnwand der /,
Vorhalle öffnen sich in breiten profilirten
Spitzbogen ; in der Westwand ist nur eine
spitzbogige Oeffnung nach der hohen zum
Markt führenden Treppe, welche durch ein
Kreuzgewölbe überdeckt ist. Dieses auf eine
reichgegliederte Säulengruppe aufsetzend,
ist zwischen die zwei die Treppe einschlies-
senden starken Strebepfeiler eingespannt.
Dieselben erheben sich , mit Pultdächern
abgedeckt bis zu den spitzbogigen Mass-
werkfenstern, welche in dem über der West-
wand der Vorhalle aufsteigenden Giebel die
obere Empore erhellen. Von der äusseren
in die innere Vorhalle führt ein kleines
We s t p o r t a 1 , dessen Gewände zwischen
Hohlkehlen mit zwei Rundstäben versehen
sind. Diese mit Sockeln und Laubkapitälen
versehen, durchkreuzen sich in der Höhe
des Spitzbogens. Rechts neben der Thüre
ist unter dem Gewölbansatz eine ausge-
klinkte Pfeilerecke durch einen Engel mit Fig. 86. Lorch. Pfarrkirche.
„ Gewölbansats in der äusseren Vorhalle.
einem hchnftbande abgetragen.
Die West empöre erstreckt sich im Innern ausser über den zweijochigen Ein-
bau noch über die Tiefe der innern und äussern Vorhalle ; ihr quadratischer, nur durch
das Einspringen der Thurmecke verkürzter Raum sollte mit vier nicht zur Ausführung
gekommenen Kreuzgewölben überdeckt werden, für welche auf der Zwischenwand
zwischen innerer und äusserer Vorhalle ein achteckiger Pfeiler errichtet wurde. Vier
an den Abschrägungen desselben vorspringende Männerköpfe tragen die Ansätze ge-
kehlter Rippen. Nach der Kirche ist die Empore durch eine Steinbrüstung mit Fisch-
blasenmasswerk begrenzt. Die bei Keuchen vorkommende Notiz, dass zu dieser
Brüstung eine nach dem Brande von 1554 abgenommene Thurmgallerie benutzt worden
sei, hat bei der Zierlichkeit und Wohlerhaltung derselben wenig Wahrscheinlichkeit.
Von der Empore führt eine spätgothische Thür mit gebrochenem Sturz und Hohl-
kehlengewände in einen vom südlichsten Theil der Empore abgetheilten Raum, der
spitzbogig überwölbt ist. Diese Thüre trägt auf ihren Holzflügeln noch das alte Beschläg
106
LORCH. PFARRKIRCHE. EINZELHEITEN.
und eine äusserst zierlich mit einem spätgothischen Laubstab und einem wappen-
haltenden Engel geschmückte Schlagleiste. Auch die zur Empore führende Thür aus
dem Treppenthurm besitzt noch ihr altes Eisenwerk.
Fig. 87. Lorch. Pfarrkirche. Thür auf der Empore.
EINZELHEITEN DER KIRCHE.
Auf der Nordseite des Chors, an der Ecke der nach dem Nordschiff durch-
gebrochenen Oeffnung erhebt sich ein sehr zierliches Tabernakel, dessen Formen
auf das Ende des 14. Jahrhunderts hinweisen. Es ruht mit einem mit nasenbesetzten
Rundbogen zwischen Hängepfosten gezierten Konsol auf einer zierlichen Tragsäule
mit Laubkapitäl ; der aus dem Achteck entwickelte Kasten, zwischen dessen Säul-
chen Eisengitter eingespannt sind, wird von Wimpergen mit Kreuzblumen zwischen
LORCH. PFARRKIRCHE. EINZELHEITEN.
107
Fialen überragt. Die Spitze entwickelt sich in zwei Stockwerken mit der üblichen
Uebereckung. Das Bauwerk wurde 1858 restaurirt. Neben ihm ist eine vergitterte,
mit einem geschweiften Giebel und Kreuzblume gekrönte spitzbogige Wandnische
angebracht.
Unmittelbar neben dieser öffnet sich die spitz-
bogige, mit profilirten Gewänden und schönem
gothischem Eisenbeschlag geschmückte Thür zu
der kleinen Sakristei, die zwischen die Strebe-
pfeiler des Chors eingebaut , das verschobene
Viereck ihres Grundrisses mit zwei dreieckigen
Kreuzgewölben überdeckt zeigt und durch zwei
kleine ungetheilte Spitzbogenfenster erhellt wird.
Der in der innern Vorhalle aufgestellte Tauf-
stein ist ein hervorragendes Werk spätgothi-
scher Steinskulptur. Er ist inschriftlich 1464 ge-
arbeitet und 1864 vortrefflich restaurirt worden.
Aus dem Achteck entwickelt, misst er 1,28 Meter
Durchmesser und ebensoviel Höhe. Auf der vier-
eckigen Sockelplatte sitzen übereck vier Thiere,
abwechselnd Löwen und Hunde , dazwischen ein
Todtenkopf mit einer Schlange und eine Eidechse.
Das achteckige Becken erhebt sich auf einem
stumpfen graden Stengel, der mit 16 mit Sockeln
versehenen Rundstäben besetzt ist. Diese folgen
knickend zu je zwei mit mehrfacher Ueberschneidung ihrer Begleitprofile der Linie
des untern Anlaufs und tragen an dessen schrägen Seiten zwischen sich die sitzenden
Gestalten von vier Kirchenvätern und die vier Evangelisten-Symbole. Der grade
Theil des Beckens ist auf den acht Seiten mit je zwei auf Blendmasswerk aufliegenden
geschweiften Wimpergen besetzt, deren Kreuzblumen mit ihren Spitzen die reichen
Profile des oberen kräftigen Abschlussgesimses durchdringen.
Trotz der vielfachen Unbilden und Restaurationen ist die Kirche nicht arm an
geschichtlich und künstlerisch werthvollen Grabsteinen.
1. Johannes Marschalk, miles de Waldek f 1364 (im Chor des Nordschiffes).
2. Johann von Eschbach und seine Hausfrau Anna von Eschbach, geb. von
Nassau f 1469.
3. Johann von Breitbach, Herr zu Olbrug Ritter f 1511 und seine Hausfrau
Loret, Tochter Johanes von Schoneck f 1500.
4. Philips Hilchin von Lorche t 1517 und seine Frau Elizabeth von Bicken f 148...
5. Johann Hilchin von Lorch f 1512 und seine Hausfrau Eisgin von Wallerdorf
t 1512.
6. Johann Hielchen von Lorch , Ritter , oberster Feldmarschall gegen Türken
und Franzosen 1542—44, f 1548.
Fig. 89. Lorch. Pfarrkirche. Altes
Besch/äg der Thür im Treppenthurm.
108
LORCH. PFARRKIRCHE. KUNSTWERKE IN STEIN.
Waren die bis 5. genannten Grabsteine interessant durch die sorgfältig aus-
geführten Rüstungen der Männer und die Kostüme der Frauen (sodass der unter fünf
aufgeführte Stein von Hefner-Alteneck in seinem Werk „Trachten des christlichen
Mittelalters 2. T. 104 abgebildet wurde) und künstlerisch werthvoll durch die sprechende
Charakteristik der Persönlichkeiten und die treffliche Ornamentik der Wappen, so
tritt uns unter 6. ein statt-
liches Renaissance-Monu-
ment mit einer hochkünst-
lerisch behandelten Bild-
nissfigur entgegen. In
betender Stellung steht
der Ritter, begleitet von
seinem Hunde, in der
Prachtrüstung des Feld-
hauptmanns, umgeben
von den Wappen seines
Geschlechtes und über-
ragt von einer mit einer
Renaissance - Bekrönung
abgeschlossenen In-
schriftstafel. Das Denk-
mal ist 1880 durch Hausen
renovirt worden.
Endlich ist noch der
an der Südwand des Chors
eingelassene Denkstein
des Probstes Marquard
von Stein, ebenfalls ein
treffliches Werk der Re-
naissancekunst zu erwäh-
nen. Ein leider der Kir-
Fig.[90. Lorch. Pfarrkirche. Tun) stein von 1464. che durch die Geigersche
„Restauration" verloren
gegangenes Bilderwerk von hohem Kunstwerth kann hier wenigstens in der Abbildung
vorgeführt werden. Es ist der „Kreuzaltar," welchen Keuchen erwähnt. Die
frühere Stellung desselben in der Kirche ist etwas unklar, da nach Zaun ein Kreuz-
altar 1391 und 1482 erwähnt wird, seitdem aber „spurlos verschwunden" sei, auch in
dem 1614 geschriebenen Helwich'schen Kircheninventar in der Lorcher Pfarrkirche
kein Kreuzaltar aufgeführt wird. Vielleicht gehörte das treffliche Kunstwerk, dessen
Reste gegenwärtig mit den übrigen Relicten der Habel'schen Sammlung im Besitz
des Herrn Kreisrichters a. D. Conrady auf Burg Miltenberg a. M. sich befinden, als
Predella einem andern Altar an. Jedenfalls gibt ein Stich in „Beiträge zur deutschen
LORCH. PFARRKIRCHE. KUNSTWERKE IN STEIN.
109
Kunst- und Geschichtskunde durch
Kunstdenkmäler von Franz Hubert
Müller" (4° Leipzig und Darmstadt,
Leske 1837), dem die Abbildung
Nr. 93 nachgebildet ist, die Gesammt-
erscheinung des Werkes in einer
flachgestreckten , oben architekto-
nisch abgegrenzten spätgothischen
Nische. Von den daselbst abgebil-
deten Figuren sind ausser dem kreuz-
tragenden Christus nur die drei
klagenden Frauen mit Johannes als
zusammenhängende Gruppe, ferner
zwei Paare Kriegsknechte vorhanden.
Die Figuren sind ca. 0,55 Meter hoch,
in Thon gebrannt und mit vollstän-
diger, wenn auch theilweise zerstörter
Bemalung versehen. Die Bewegung
der Gestalten ist durchweg edel und
von dramatischer Lebendigkeit —
besonders schön der Gesichtsaus-
Fig. 93. Lorch. Pfarrkirche. Früherer Kreuztragnngsaltar nach einem Stich von 1837.
110 LORCH. PFARRKIRCHE. KUNSTWERKE IN STEIN UND HOLZ.
*
druck des unter der Last des Kreuzes niedergebeugten Christus, den ein gepanzerter
Krieger am rechten Arme zu ergreifen im Begriff steht. Auch die ohnmächtig zusammen-
sinkende Mutter, die von Magdalena und Johannes zart unterstützt wird und die
nächste Gruppe der Knechte, deren erster die klagenden Frauen bedroht, während
der nächste ihn zu beschwichtigen scheint, sind besonders ausdrucksvoll. Der Stil-
form und den Kostümen nach würden diese Bildwerke an das Ende des 15. Jahr-
hunderts zu setzen sein ; es muss dahin gestellt bleiben, ob dieselben von auswärts
eingeführt oder Erzeugnisse einheimischer Kunst sind. Vielleicht bieten sie, den
letzteren Fall angenommen, Veranlassung zur Feststellung einer hochentwickelten
Terrakotta-Plastik am Mittelrhein, auf welche vielleicht auch die Reste der Figuren
über der Sakristeithüre der Kirche von Rüdesheim hinweisen.
Ein hochbedeutendes Bildwerk von Stein besitzt Lorch noch in dem lebens-
grossen Crucifixus, welcher
auf dem Friedhof südlich vor
der Kirche steht. Derselbe ist
mit der Jahreszahl 1491
und dem nebenstehenden
Steinmetzzeichen ver-
sehen. Die frühe Datirung muss
um so mehr überraschen, als der
Körper des Gekreuzigten in dem
Adel seiner Bewegung und der
mit vollem Verständniss der
Natur nachgebildeten Model-
lirung des Nackten durchaus
das Gepräge edler Renais-
sancekunst trägt und vielleicht
zu den vollendetsten Werken
der deutschen Skulptur dieser
Zeit gehört.
Unter den Kunstwerken in
Holz, welche die Lorcher
Pfarrkirche birgt, steht wieder,
wenn auch nicht dem Kunst-
werth so doch dem Alter nach
der Crucifixus obenan, der
sich an den achteckigen Stein-
pfeiler auf der Empore ange-
lehnt findet. Die archaische Be-
wegung und Behandlung des
Körpers weist auf das 13. Jahr-
Fi%.95. Lorch. Pfarrkirche. Südliche Chorstuhlwangen.
Fig. 96. Lorch. Pfarrkirche. Hochaltar von 1483.
LORCH. PFARRKIRCHE. KUNSTWERKE IN HOLZ.
111
hundert als Entstehungszeit hin ; immerhin ist auch hier die nach dem Nackten studirte
Muskulatur vollendeter als sonstige Werke des frühgothischen Stils aufweisen. Das reich-
gefaltete Lendentuch hat einen mit
Kittmasse aufgetragenen , wahr-
scheinlich vergoldeten Saum, in
welchem noch die Lager der einge-
drückten , jetzt ausgebrochenen
Glas-Edelsteine zu bemerken sind.
Leider ist das werthvolle Bildwerk
durch vielfachen barbarischen An-
strich mit Oelfarbe entstellt und ver-
diente eine sachkundige Reinigung.
Der Zeit nach zunächst stehen die-
sem Crucifixus die Chorstühle,
welche die Nord- und Südwand des
Chores einnehmen. Sie sind neuer-
dings gut restaurirt und stellen in
ihrer jetzigen Erscheinung eins der
besten Beispiele frühgothischer
Schnitzwerke dar, dessen Einzel-
heiten durchaus den kräftigen
Schnitt und die ungekünstelte
Frische der Periode um 1300 auf-
weisen. Die vier Stuhlwangen, in
ihren unteren Theilen mit Blend-
architekturen belegt, oben aus Fig. 97. Lorch. Pfarrkirche. Nördliche Chorstuhlwangen.
Doppelvoluten gebildet, sind mit trefflichem Blattwerk, und ebenso wie die Köpfe der
Zwischenwangen und die Miserikordien mit fantastischen Thier- und Menschengebilden
belebt, welche deutlich von der übermütigen Gestaltungslust des alten Bildschnitzers reden.
An der das Südschiff westlich begrenzenden Thurmmauer sind die Reste eines
spätgothischen Gestühls, augenscheinlich aus Trümmern .zusammengebaut, aufgestellt
welche die charakteristischen Formen des dem Anfang des 15. Jahrhunderts angehörigen
Flachschnitt-Ornamentes zeigen. Besonders die Bekrönung der Rückwand, die unter
einem Zinnenkranz ein gewundenes Rankenornament trägt, ist sehr schön und zeigt grosse
Verwandtschaft mit den Kidricher Kirchenstühlen des Erhard Falkener aus Abensberg
(s. Fig. 77). Auch das eingeritzte Bandornament mit Sprüchen, mit welchem die Tafeln
der Rückwand und die Wangen verziert sind, erinnert an das Kidricher Stuhlwerk.
An der Chorwand rechts vom Altar ist eine gemalte Holzskulptur, die
schlafenden Wächter am Oelberg, angebracht, die dem Anfang des 15. Jahrhunderts an-
gehören dürfte und aus der früher auf dem Friedhof vorhandenen Nothgottes-Kapelle
stammen soll. Die viel spätere kleine Christusfigur, welche der Gruppe hinzugefügt
ist, erweist sich deutlich als nicht dazu gehörig.
112
LORCH. PFARRKIRCHE. HAUPTALTAR. GLOCKEN.
. Das am meisten Bewunderung erregende Schnitzwerk der Kirche ist der Auf-
satz des Hauptaltars, laut Inschrift von 1483, ein imposantes, überreiches Werk
der süddeutschen Schnitzerkunst, die sich in aufstrebendem Tabernakelbau mit ge-
schweiften Giebeln und gebogenen Fialen, durchbrochenem Ornament an Wimpergen,
Baldachinen und Strebebogen nicht genug thun konnte. Der Altar, der stark zerstört
und besonders durch die Geigerschen Eingriffe mitgenommen war, ist durch den Nass.
Alt. Verein von den Bildhauern Leissring und Wenck in Wiesbaden 1852—58 sehr
gut restaurirt und von Maler Wecker aus Coblenz neu gefasst worden.
Der Aufbau wird über dem Altartisch von einer seitwärts lebhaft profilirten
Predella getragen, die in Nischen zwei Halbfiguren (Bildnisse der Stifter?) enthält. Das
Altarblatt ist in eine fünftheilige, zweistöckige Nischenarchitektur aufgelöst, welche
oben staffeiförmig endigt und unter reichen Baldachinen 10 stehende Figuren enthält :
in der mittleren Hauptnische Maria mit dem Jesuskinde, darüber den Kirchenpatron
Martinus zu Pferde, den Mantel theilend. Die Heiligen der Seitennischen sind unten
die hl. Elisabeth, Barbara, Margaretha und Katharina, oben Simon, Antonius, Johannes
der Täufer und Wendelin. Die mit schönem Laubwerk belegten Flügel sind innen
und aussen mit je zwei Bildern bemalt, die leider durch eine Uebermalung im 17. Jahr-
hundert vollständig zerstört sind. Gegenstände der acht Darstellungen sind innen:
Christi Auferstehung, Himmelfahrt, Ausgiessung des heil. Geistes und die Aufnahme
Mariae; aussen vier Geheimnisse aus dem schmerzhaften Rosenkranz.
Ueber dem Altarblatt erheben sich als prachtvolle Bekrönung drei Thürme,
unter sich und mit zwei seitwärts aufsteigenden Fialen durch geschweifte, reichorna-
mentirte Strebebogen verbunden. Der untere Theil dieser Thürme wird von Figuren-
nischen eingenommen, in denen unter Baldachinen Christus mit Maria und Johannes
stehen, während seitwärts noch zwei Brustbilder von Propheten angebracht sind.
So unübertrefflich das lebendige, abwechselungsreiche Ornament des Altars ge-
schnitzt ist, so tragen die Figuren doch einen etwas handwerklichen Charakter und stehen
bei weitem nicht auf der künstlerischen Höhe der oben erwähnten Kreuztragungsgruppe.
Die ganze Höhe des Altaraufsatzes beträgt 15,20 Meter. Die Breite mit ge-
öffneten Flügeln 8,30 Meter.
Die Kirche besitzt in ihren fünf Glocken ein vorzügliches Geläute, welches
als das schönste im Rheingau gepriesen wird. Da die älteren Glocken bei dem Brand
vom 16. Oktober 1554 geschmolzen waren, so sind die gegenwärtigen alle jüngeren Datums.
Die grösste Glocke von 1,64 Meter Durchmesser und 60 Centner Gewicht hat
als Schmuck am oberen Theil einen Kranz von kleinen Heiligenfiguren, welche unter
Wimpergen mit Renaissancestützen stehen. Ihre Inschrift lautet:
S- martinus beiß id)
in gottes erjr lernen id)
den lebendigen rufen id)
die doden beclagen id)
heinrid) uon Crier goß mid)
anno domini 1559-
Fig. 96'. Lorch. Pfarrkirche. Frühgoth. Crucißxus in Hols auf der Empore.
LORCH. PFARRKIRCHE.
113
Die zweite Glocke von 1,33 Meter Durchmesser hat eine Darstellung der
Kreuzigung und gothische Verzierungen und die Inschrift:
Gloria in efcelsis deo
et in terra paf Jorninibus
bone ooluntatis öregorius
treuirensis me faiv
anno domini 1565.
Die dritte 1,22 Meter im Durchmesser haltend trägt die Worte:
populum et cito/
ad diuina uoro
quietem defatigatis clango
anno dorn- mi-
Die vierte misst 1,10 Meter und sagt:
martin Roth in mapnt? 1776 goß mid>
Die fünfte hat 0,65 Meter Durchmesser und die Worte:
flue Ittaria gratia plena dominus tecum Petrus Spedt me fecit- IHoguntiae 1659-
An heiligen Geräthen besitzt die Pfarrkirche zu Lorch zwei Kelche aus
vergoldetem Silber, welche in ihren einfachen, aus dem Sechseck entwickelten Formen
auf das 15. Jahrhundert hinweisen. Der Eine derselben trägt auf den Stirnflächen
der den Nodus durchdringende Prismen die Buchstaben j £ 5 U S i und auf dem Fuss
eingravirt eine segnende Hand. Auf dem Andern liest man auf dem Fuss die in Minus-
keln auf einem Schriftband gravirte Inschrift: peter de CUüa et featperina Cjllf d0-
Ein Prachtstück besitzt die Kirche in ihrer Monstranz, deren Erhaltung während
der vielfachen Unbilden, denen die Stadt ausgesetzt war, umsomehr erfreuen muss, als
uns darin ein stattliches Meisterwerk gothischer Silberschmiedekunst überliefert ist.
Die Monstranz, 0,74 Meter hoch, ganz in vergoldetem Silber ausgeführt, erhebt
sich in Tabernakelform auf einem sechstheiligen, geschweiften Fuss, der unter dem
reich verzierten Nodus eine kleine mit Zinnen bekrönte Blendarkaden- Architektur
zeigt. Der Mitteltheil hat in der untersten seiner drei Höhentheilungen eine offene,
von vier Strebepfeilern getragene und von Wimpergen bekrönte Nische. Ueber dieser
folgt als Glascylinder das Behältniss für das Allerheiligste, dessen Lunula in neuerer
Zeit auf das kostbarste mit einem Aufwand von Edelsteinen erneuert worden ist.
Ueber dem kräftigen, diesen Theil abschliessenden, mit Rosetten besetzten Hohlkehlen-
Gesims erhebt sich ein ebenfalls mit Rosetten besetztes Kuppeldach, und auf diesem
ein Baldachin, unter welchem Maria mit dem Kinde steht ; die Spitze des mit Krabben
besetzten durchbrochenen Daches nimmt ein Crucifix ein. Zwei kräftige Strebepfeiler,
reich entwickelt, mit Figurennischen besetzt und in Fialen endend, begleiten rechts und links
den Mitteltheil und stützen sich auf zwei prächtige, vom Fusstheil abzweigende Rosetten.
Ausser seiner Pfarrkirche besass Lorch im Mittelalter noch eine Anzahl von
kleineren Gotteshäusern, die heute mit einziger Ausnahme der Kreuzkapelle im
Wisperthal verschwunden sind (Zaun 331 ff.).
8
114
LORCH. FRÜHERE KAPELLEN. PROFANGEBÄUDE.
1. Die Michaels- oder Todtenkapelle, ein Holzbau auf dem südlich vor der
Kirche liegenden Gottesacker hinter dem jetzt noch daselbst stehenden Crucifix, er-
wähnt 1451, 1482 und 1485, im Jahre 1811 wegen Baufälligkeit abgerissen. Unter ihr
befand sich ein Beinhaus, (Kerner) mit einem Marienaltar.
2. Die Muttergotteskapelle, ein kleiner Massivbau, östlich an die Michaels-
kapelle anstossend und mit dieser im Innern verbunden. Aus ihr soll die oben er-
wähnte Holzskulptur an der südlichen Chorwand der Kirche stammen. Die Kapelle
wird 1687 erwähnt und wurde gleichzeitig mit der Michaelskapelle zerstört.
3. Die Marienkapelle am Obersdorfer Thor, wird bereits 1305 erwähnt: sie
ging 1613 durch Brand zu Grunde.
4. Die Markuskapelle, ein ziemlich grosses Bauwerk von 40 Fuss Länge
und 23 Fuss Breite mit gewölbtem Chor, stand im Oberflecken unweit der vorigen
und wird bereits 1364 in einer Stiftung erwähnt. Als sie baufällig geworden, Hess sie
der Glaser und Rathsherr Nie. Brenn auf seine Kosten wieder herstellen, dotirte sie
mit Weinbergen und Geld und erweiterte sie 1622 noch ansehnlich. Noch 1819 wurde
während der baulichen Herstellung der Pfarrkirche in der Markuskapelle der Gottes-
dienst gehalten. 1822 wurde sie auf den Abbruch verkauft. Eine an einem Hause
der Hauptstrasse eingemauerte Steintafel mit dem Bildniss des Evangelisten und einer
bezüglichen Inschrift bewahrt noch ihr Gedächtniss.
5. Die Heiliggeistkapelle im Hospital lag dicht an der Wisperbrücke bei
dem, dem „Strunk" gegenüber belegenen Hospital. Im Jahre 1388 erwähnt, war sie
noch 1733 im Gebrauch und diente 1784 als Kelterhaus.
6. Die Eberbacher Kapelle in dem Eberbacher Klosterhof, der 1284 er-
wähnt wird. Die Kapelle baute Abt Heinrich II. vor 1370 und weihte sie dem heil.
Eberhard. Sie wurde noch 1784 benutzt, ist aber dann mit dem Hofe verschwunden.
7. Die Heiligkreuzkapelle, etwa zwei Kilometer im Wisperthal aufwärts
ausserhalb des Ortes gelegen. Sie wurde 1677 aus freiwilligen Beiträgen als Wall-
fahrtskirche erbaut, 1738 erweitert, 1826 restaurirt ; sie steht heute noch und dient am
Feste Kreuz-Erfindung als Ziel einer aus dem Gau stark besuchten Prozession.
PROFANGEBÄUDE.
Unter den in Lorch erhaltenen Profanbauwerken ist das älteste eine Mauer mit
vermauertem rundbogigem Portal, welche auf einer Terrasse südlich unter der Kirche
stehend, mit einiger Wahrscheinlichkeit als der einzige Rest des in der Karolinger-
zeit in Lorch erwähnten kaiserlichen Saalhofs angesehen werden darf. Leider ist der
interessante Thorbau gegenwärtig durch ein davor in jüngster Zeit errichtetes Haus
der Untersuchung entzogen, und auch rückwärts durch einen hoffentlich zu entfernenden
Backofen gänzlich zugebaut. Wir sind hier also ganz auf Cohausen's erschöpfende
mit einer Abbildung begleitete Arbeit in den Nass. Annalen (12, Jahrgang 1873,
S. 309 ff., Tafel 9) angewiesen.
Fig. 99. Lorch. Pfarrkirche, Silbcrvergoldetc Monstran
LORCH. ALTES PORTAL.
115
Das Thor war 1,60 Meter weit ; seine nur aus Bruchsteinen gemauerte Schwelle
lag 0,60 Meter über dem Boden. In der Höhe von 2,15 liegt ein 0,38 starker Sturz
von Sandstein, der wie alle Steine d-es Thores völlig ungegliedert und an drei Stellen
gebrochen ist. Ueber demselben erhebt sich ein Entlastungsbogen im Halbkreis in
der Breite der Lichtweite der
Thür. Derselbe besteht aus
zwei konzentrischen Kränzen
von keilförmig behauenen Tuff-
steinen, abwechselnd mit je zwei
Ziegeln und mit Ziegel- Flach-
schichten abgedeckt. Die Ziegel
messen 0,43 Länge bei 0,29
Breite und 0,065 Dicke und sind,
auch wo sie als Wölbsteine be-
nutzt sind, nicht konisch gear-
beitet. Die Mauer, in welcher
das Portal ca. drei Meter vom
östlichen Ende entfernt sitzt,
ist 13,50 Meter lang und im
Durchschnitt 6 Meter hoch ;
ihre Dicke beträgt 2,40, über
der Thür nur 0,80. Das Material
ist Grauwacke in wagrechten,
in gleicher Höhe geführten
Schichten, meist als Kopfsteine
mit wenigen Streckern ver-
mauert, mit breiten, bis 6 cm
starken Fugen, in denen sich
ein grober Kiesmörtel findet.
Diese Werkweise, besonders
die Ausführung des Bogens mit
keilförmigen Tuff- und platten Ziegelsteinen, die mit derjenigen grosse Aehnlichkeit hat,
welche man an den aus dem 8. Jahrhundert stammenden Arkaden bei St. Caecilia in Köln
und den Bögen über den Fenstern der Nordseite des westlichen Vorbaus von St.
Pantaleon daselbst findet, veranlasst Cohausen, diesen Bau ins frühe Mittelalter, jeden-
falls beträchtlich vor dem 11. Jahrhundert zu setzen. Er weist aus Wahrscheinlichkeits-
gründen die Annahme nicht von der Hand, dass er zu dem Saalhof der fränkischen
Könige gehört habe. „Ob aber dieser von den fränkischen Königen neu erbaut oder ob
er aus den Ueberresten einer römischen Villa erbaut sei, steht dahin." Er kommt zu dem
Schluss „dass dies Portal unbedingt älter als Ende des 11. Jahrhunderts ist und
nur aus Gründen der Wahrscheinlichkeit nicht der römischen, sondern der christ-
lichen Zeit angehört."
Fig. 100. Lorch. Vermauertes Portal, (n. v. Cohausen).
116
LORCH. BEFESTIGUNGEN.
Die Befestigung von Lorch, die in ihrer Gesammtheit den dreissigjährigen
Krieg wahrscheinlich nicht überdauert hat, muss nach der Zahl der Thore und nach der
Lage einzelner noch erkennbarer Reste nicht unbedeutend gewesen sein , wenn sie
an die Burg anschliessend, von der wir allerdings nicht einmal die Lage zuverlässig
kennen, auf der einen Seite die Rheinseite bis zur Grenze des Obersdorfes, auf der
andern den weit ins Wisperthal hinaufreichenden Ort mit seinem Anhang auf der
rechten Seite des Baches umfasst hat. Es werden uns sieben Thore unter folgenden
Bezeichnungen genannt :
1. Am oberen Ende des Ortes die Obersdorfer Pforte. 2. Auf der Höhe
des Berges das Kellerspförtchen am Ende der Karthäuserstrasse. 3. Das
Plätzerthor hinter der Kirche am „Römerberg," von wo die Leygasse den Berg
hinaufführt. 4. Die Kuhpforte, die den Eingang vom Wisperthal schützte, war
die stärkste von allen, durch einen hohen Thurm mit Fallgitter vertheidigt. Neben
ihr setzte die Befestigungsmauer, von welcher noch Grundmauern in einem Stall in
der Langgasse erhalten sein sollen, mit einem Bogen auf das rechte Ufer der Wisper
über und lief gegen den Berg, wo 5. das Scheuerthor mit dem Hexenthurm
folgte. Von diesem Thurm ist noch ein zweistöckiger Rest mit anstossender mit
Rundbogenblenden versehener Stadtmauer erhalten. Im Obergeschoss des Thurms
ist noch die rundbogig überdeckte Oeffnung bemerkbar, welche den Austritt auf den
Wehrgang bildete. Unweit davon bachabwärts erkennt man bei dem, zum Nolling
emporsteigenden Weg an der Bergseite den Rest eines Thorbogens mit anschliessendem
Mauerstück. Der Thorpfeiler ist 1,15 stark, aus auffallend grossen Sandsteinquadern
sorgfältig erbaut und liegt etwa in der Flucht der östlichen Palasmauer des Nolling,
wenn man dieselbe den Bergabhang herunter fortgesetzt denkt. Unzweifelhaft haben
wir hierin den Rest des (6.) Weiseiber gerthors zusehen. Endlich 7. das Nied er-
flurer Thor, welches den Ort rheinabwärts abschloss.
Die vom dreissigjährigen Krieg verschonten Reste dieser Befestigungen wurden
1816 vollends abgebrochen. Erhalten blieb bis heute ausser dem Hexenthurm nur die
Befestigung an der Wisper mün dun g. Diese, jetzt durch Anschwemmungen
des Bachs und den auf einer Brücke vor ihr vorübergeführten Eisenbahndamm ent-
stellt, muss früher ein malerisches Bild gezeigt haben. Von der zweijochigen, 1556 er-
bauten Wisperbrücke ziehen sich auf beiden Ufern starke Ufermauern bis zu diesen
Thürmen; die des linken Ufers jetzt auf Brüstungshöhe abgeschlossen und in ihrer
Mitte durch eine in einer spitzbogigen Thür endigende malerische Wassertreppe
unterbrochen, schliesst unmittelbar an einen niedrigen Mauerrest an, der an den
dicken Eckthurm, den „Strunk" glatt anschneidet. Dieser Thurm, 1567 „als Ge-
fängnissthurm" erbaut, darf als richtiger, die Wispermündung deckender Festungs-
thurm angesehen werden, wenn auch sein nur durch ein Loch im Gewölbe zugäng-
liches Erdgeschoss als Verliess gedient haben mag. Das Obergeschoss ist durch
einen auf der Landseite vortretenden polygonalen Treppenthurm zugänglich; es ist
mit einem Kuppelgewölbe überdeckt, welches ebenso wie die über der obern Plattform
hervorragenden Zinnen restaurirt ist. In den dicken Wänden, die aus Schieferbruch-
LORCH. BEFESTIGUNGEN. HÖFE.
117
Fig. 101. Lorch. Befestigung an der Wispermündung.
stein mit regelmässig wiederkehrenden Sandsteinschichten gemauert sind, befinden sich
innen vier tiefe, mit Stichbogen überdeckte Blenden, welche abwechselnd viereckige
Fenster und Schlüsselscharten enthalten.
Die Ufermauer des rechten Ufers zeigt an dem oberen an die Brücke an-
schliessenden Theil noch den alten Wehrgang ; grösstentheils ist sie mit einem höl-
zernen Wohngebäude überbaut, welches sich westlich an den mit einer spitzen Schiefer-
haube bedeckten Thurm anlehnt. Dieser, ganz aus Schieferbruchstein 1,53 Meter
stark erbaut, zeigt noch den auf gemauertem Rundbogenfries vorgekragten, mit schlitz -
artigen Schiessscharten versehenen Wehrgang; ein kurzes Stück der alten Be-
festigungsmauer schliesst sich rheinabwärts an.
Von den zahlreichen Höfen der in Lorch einheimischen oder angesessenen Ge-
schlechter ist leider nur wenig mehr erhalten. Ausser den weiterhin zu beschreibenden
noch heute bestehenden zählt Keuchen folgende auf :
In der Langgasse der Schönbornische Hof, der nach einer Notiz von 1617
früher denen von Hunoltstein , dann denen von Wolfskehl gehörte. Nach einem im
letzten Jahrhundert stattgehabten Brande steht von demselben jetzt noch eine Mauer
mit Treppengiebel.
An der Stelle des jetzigen Gasthofes zum Adler stand früher der kurfürst-
liche Saalhof und ein viereckiger grosser Thurm, der Sicking'sche auch Breit-
118
LORCH. PROFANBAUTEN.
bach's che Thurm genannt. Die Familien von Stein und von Staffel, die mehr-
fach mit einander verschwägert waren, besassen Häuser, deren Lage nicht mehr
genau zu bestimmen ist; das Staffel'sche Haus war an der Wisper gelegen.
Der Jakobsberger Hof wurde 1678 durch Herrn von Stockheim vom Kloster
Jakobsberg gekauft und lag der Judengasse gegenüber in der Rittergasse.
Der älteste der noch erhaltenen Höfe scheint das im Kirchspiel, auf dem rechten
Wisperufer unmittelbar unter dem Nolling gelegene sog. Epheuhaus zu sein; doch
ist dasselbe durch Umbau so entstellt, dass nur noch einige einfache gothische zwei-
theilige Spitzbogenfenster an der Rückseite seine frühe Entstehung erkennen lassen.
Es ist der Breitbach'sche Hof und gehörte früher dem Joh. Sanek von Waldeck,
dessen einzige Tochter Moes den Gerlach von Breitbach heirathete.
Unmittelbar an dies anstossend lag ein Phil. Hilchen'sches Besitzthum, von dem
noch die jetzt bestehende massive Scheuer zu stammen scheint, die in ihren Treppen-
Mit welchem Aufwand an Kunstfertigkeit der Holzbau auch in Lorch gepflegt
worden ist, verräth eine noch glücklich erhaltene hölzerne Hausthür in der Lang-
gasse No. 172 mit der Jahreszahl 1609. Der karniesartig geschweifte Thürsturz, mit
aufrechtstehenden Blättern geziert, wird von zwei auf Voluten ruhenden zierlichen
Kandelabersäulchen getragen ; verzierte Knaggen geben der Thüröffnung rundbogigen
Abschluss. Eckige Stützen, deren Ornamentik verloren gegangen zu sein scheint,
tragen ein Obergesims, unter dem zwei quadratische Oberlichtfenster sich öffnen.
Zu den Besitzungen der in Lorch am meisten begüterten Familie Hilchen gehörte
Fig. 102. Lorch. Holzhaus im Kirchspiel.
giebeln und einfach gekehlten stei-
nernen Fensterstöcken und Thür-
gewänden auf das 15. Jahrhundert
deutet und auch im Innern mit
schweren Holzständern und Unter-
zügen ohne weitere Kunstformen
den alten Zustand zeigt. Ob auch
das gegenüber liegende Holz-
hau s zu diesem Anwesen gehörte,
muss dahin gestellt bleiben; jeden-
falls interessirt es als einer von
den wenigen Resten von früherem
Holzbau in Lorch. Ein zweites,
das oben erwähnte an die Wisper-
befestigung angelehnte Holzhaus,
dessen besondere Schönheit ge-
rühmt wird ist erst in den letzten
Jahren trotz mehrseitiger zu seiner
Erhaltung angewandter Bemühun-
gen von dem jetzigen Besitzer
durch Tünche entstellt worden.
LOCRH. PROFANBAUTEN.
119
u. A. der jetzt noch, wenn auch in vernach-
lässigtem Zustand erhaltene , sogenannte
Zehntenhof; jetzt der Familie von Kiel-
mannsegge gehörig und kleinen Hand-
werkerfamilien als Wohnung dienend. Das
Haus war (nach Keuchen) von Philipp Hilchen
von Lorch, der 1581 starb, bewohnt, da sich
das Wappen desselben und seiner Gemahlin
Ursula von Walborn im Erdgeschoss aussen
eingemauert findet. Nach dem Tode seines
Sohnes Johann Adam Hilchen kam es
durch Erbschaft 1606 an Johann Werner
Roist von Wert, 1728 an die der letzteren
Familie angehörige Maria Catharina von
Calcum, dann an die von Brembt. Von
dieser kaufte es 1807 die Domäne und be-
nutzte es als Zehntenhof, welcher Name
ihm noch geblieben ist. Nach Ablösung
der Zehnten verkaufte sie es an Freifrau
von Giesk, geb. von Stein, deren ;Schwager,
Fig. 103.
zeigt in seinen stattlichen,
Graf von Kielmannsegge es dann in den Besitz dieser Familie brachte.
Das thurmartige, mit einem vierseitig abgewalmten Dache bedeckte Haus
mit gekehlten steinernen Kreuzstöcken ausgesetzten
Fenstern, die in ihren tiefen Nischen
steinerne Sitzbänke haben , und
seinem auf Kragsteinen gemauerten
Rundbogenfries unter dem Haupt-
gesims den Charakter eines spät
gothischen Adelshauses. Auf der
Nordseite führt eine malerische
Aussentreppe in das erste Stock-
werk, dem auf der Westseite ein
hölzerner Treppenbau mit hüb-
schem Ueberdach vorgelegt ist.
Die nach dem Berg gerichtete
Rückseite ist in Fachwerk aus-
geführt mit langen schlicht ge-
schweiften Bügen unter den Ueber-
hängen und schlichter, aber wir-
kungsvoller Verriegelung der
unteren Gefache. Von den mas-
sig. 104. siven Seitenwänden, die den stark
j&rrjRiclnuinnprggr'fVlK ^rbntm(|of>
120
LORCH. PROFANBAUTEN.
ausladenden Ueberhängen
durch Auskragungen folgen,
trägt die südliche Stirnwand
ein stark zerstörtes Fresko-
bild spätgothischenCharakters,
das als heil. Christophorus mit
dem Jesusknaben gedeutet wird.
Während vom letzteren nur
noch der Kopf und die segnende
Hand zu unterscheiden ist, sind
bei der grossen, augenschein-
lich im Wasser schreitenden
Figur Farben und Konture deut-
lich zu erkennen. Sie ist mit
engen Hosen bekleidet, die eben-
so wie der weite, von den
Armen zurückgeschlageneMan-
tel grau sind. Den Oberkörper
bedeckt ein blaugrüner Rock,
den Kopf eine anliegende Ka-
Fig. 105. Lorch. Der Kielmannsegge' sehe Zehntenhof. Rückseite.
puze, die ebenso wie der Schuh am linken Fuss und der
Stab gelb gemalt sind. Das Erdreich ist graugrün, der durch
dunkle Konture abgegrenzte Fleck, in welchem die Gestalt
steht, wohl als Wasser, weiss charakterisirt. Spuren einer
rothen Umrahmung begrenzen das ganze, etwa 2,50 m hohe
Bild. Eine gut gemeisselte Renaissance - Konsole mit bär-
tigem Kopf, die als Fundstück im Hofe des Zehntenhofs
eingemauert war, ist in jüngster Zeit verschwunden.
Das stattlichste unter den
Lorcher Adelshäusern ist das
sogenannte Hilchenhaus,
das mit seiner monumen-
talen Giebelfassade auf-
ragend, der Rheinfront des
Ortes sein Gepräge giebt.
Das Haus ist laut In-
schrift 1546-48 von dem Feld-
Fig. 107. Lorch. Steinkonsole.
Fig. 106. Lorch. Freskobild am
marschall Johann Hilchen Kielmannsegge' schenZehntenhof.
Fig. 108. Lorch. Hilchenhaus. Fassade.
LORCH. HILCHENHAUS.
121
Fig.~109. Lorch. Hilchenhaus. Gritndriss.
J&rofil c-ö
Fig. 110. Lorch. Netsgewölbe im Erker
des Hilchenhauses.
von Lorch, dessen schöner Grabstein
die Pfarrkirche schmückt, erbaut wor-
den. Durch dessen Tochter Maria
kam es an Adam Vogt von Hunoltstein, der 1573 die Giebel vollendete. 1716 ging
es an die Familie Eckbrecht von Dürckheim über, kam fünf Jahre später durch Kauf
an Karl Heinrich von Sohlern und aus dessen Familie 1831 an die von Hausen.
Gegenwärtig befindet es sich in gräflich Walderdorf'schem Besitz und ist als Wohn-
haus vermiethet. Ein interessantes Fachwerkhaus, welches sich nördlich anschloss,
ist bei einem unter Hausen'schem Besitz ausgeführtem Umbau welchem der Treppen-
thurm seine jetzige Gestalt verdankt, abgebrochen worden.
Das sehr massiv gebaute Haus enthält in dem wenig unter der Strasse liegenden
Untergeschoss schöne, auf Pfeilern gewölbte Räume, die als Pferdeställe gedient
haben sollen. In dem Erd-
und Obergeschossen wird
das Haus durch einen Quer-
korridor getheilt, der ebenso
wie die Küche mit Tonnen-
gewölben überdeckt ist; ein
im Erdgeschoss nach dem
Garten liegender mit zwei
Kreuzgewölben bedeckter
Raum (jetzt durch eine Wand
getheilt) war vielleicht die Fig. III. Lorch. Thürsturs im Hilchenhaus.
Hauskapelle. Dem Saal ist in zwei Geschossen ein quadratischer Erker vorgelegt,
der sehr reiche, in Birnstäben gegliederte Netzgewölbe enthält. Neben demselben bildet
die durch eine Säule von dem Ausgang nach dem Balkon abgetheilte Fensternische ein
122
LORCH.
Fig. 112. Lorch. Fenster gruppe im Hilchenhaus.
charakteristisches Architekturbild. Der
Sturz über der zu diesem Saal führen-
den Thüre zeigt eine spätgothische
Ausbildung mit dem Wappenbild der
Hilchen, der Lilie.
Im Aeussern steigt die Fassade
in sieben Axen auf, die am staffei-
förmigen Giebel durch schmale, in
Füllungen gesetzte Lisenen mit herum-
gekröpften Gesimsbändern gegliedert
und mit halbkreisförmigen Muschel-
giebeln abgeschlossen sind, neben
denen Steinkugeln die Endigung der
Lisenen und freistehende Voluten die
Ueberleitung der Staffeln bilden. Die
steinernen Kreuzstöcke der Fenster
haben karniesartig profilirte Abfasun-
gen. Der kräftig vortretende Erker
ruht auf zwei gedrungenen toska-
nischen Säulen mit schweren Krag-
steinen; um den Erker und über den anschliessenden nördlichen Theil der Fas-
sade zieht sich ein Balkon , dessen geschlossene Brüstung in ihren Füllungen
eine Reihe fast gänzlich verwitterter Wappen
trägt. Ein Portal, welches den unter dem
Hause durchgeführten Strassen-Durchgang
öffnet, ist mit ziemlich kunstlosen Kandelaber-
säulchen flankirt ; der in flachem Giebel ge-
brochene Sturz enthält eine Steinskulptur,
einen älteren Mann in einer Schaube dar-
stellend, der einem stutzerhaft gekleideten,
bartlosen jungen Manne einen Becher dar-
reicht. Zwischen beiden theilt eine Säule
die Darstellung, auf welcher ein jugend-
licher Herkules mit der Schlange steht.
Der Erker ist mit einer geschweiften,
geschieferten Haube bedeckt und trägt unter
den Fenstern des Obergeschosses einen
Halbkreis mit Muschelmotiv. Eine in der
Seitenfront liegende, jetzt mit Brettern
verschalte Terrassenthür soll eine einen
Affen darstellende Skulptur enthalten.
Fig. 113. Lorch. Strassenbild.
LORCH.
123
DIE BURG NOLLING.
Der kleine Wehrbau, welcher auf halber Höhe des „Teufelskadrich," auf dem
rechten Wisperufer steil über den Häusern des „Kirchspiels" auf unzugänglichen
Schieferschroffen als Ruine erhalten ist, darf, wie bereits oben gesagt wurde,
mit soviel Wahrscheinlichkeit als ein Aussenwerk der Lorcher Stadtbefestigung
betrachtet werden, dass seine Erwähnung im Anschluss an Lorch begründet erscheint.
So klein und unbedeutend die Burg ist, so erscheint sie doch für die Geschichte des Burgen-
baues hervorragend wichtig, weil sie das einzig vorhandene Beispiel eines ursprünglich
in Holzbau aufgeführten, später mit einem Steinmantel umkleideten Wehrbaues ist.
Eine Erwähnung der Burg findet sich (nach Bodmann, S. 170) bereits im Jahre
1110; da im übrigen die Geschichte über sie vollständig schweigt, auch keine Spur
einer Kunstform an dem schlichten Schieferbau zu entdecken ist, so ist man auf das
angewiesen, was der Bau selber von seiner Entstehung verräth.
Nolling (auch Nollig oder Nollicht
geschrieben) besteht aus einem Burg-
haus von zwei Stockwerken, von dem
noch die ca. 9,5 Meter hohen Um-
fassungsmauern stehen; es misst im
Lichten 7 zu 7 Meter; die Mauern
sind 1 ,33 stark. Es liegt auf einem durch
einen doppelten Halsgraben unmittel-
bar vor seiner Nordwestfront vom her-
absteigenden Gebirg abgetrennten
Eelsklotz, der an der südwestlichen,
nach dem Rhein abfallenden Seite bei
B auf ca. zehn Meter Höhe dicht von
der Mauer an senkrecht abgearbeitet
ist; nach den übrigen Seiten verläuft
er sich heute so in den umgebenden
Weinbergen, dass eine Nachforschung
nach etwa vorhandenen Ringmauern
unmöglich ist.
üöur&ruiue jHollinfl
fori Xorctj •
Fig., 114.
Die Burg besass bei ihrer Kleinheit und ihrer unmittelbar an den Halsgraben
vorgeschobenen Lage keinen Bergfried; dafür ist hier, auf der Angriffseite die Um-
fassungsmauer auf 2 Meter zu einer Schildmauer verstärkt und von zwei 3,80 Meter
starken Rundthürmen fiankirt, die durch einen in der Mauerdicke ausgesparten Gang
mit einander verbunden sind. Die Aehnlichkeit dieser Anlage mit der Schildmauer
der Burg Ehrenfels springt in die Augen. Die Schildmauer hat keinerlei Durch-
brechung oder Scharten, sodass ihre Vertheidigung nur von einem nicht mehr vor-
handenen oberen Wehrgang aus geschah. Der nördliche der beiden Thürme zeigt auf
der äussern Seite (bei A) etwa auf die Hälfte seiner Höhe eine Verzahnung von grossen
124
LORCH. RUINE NOLLING.
Schieferbruchsteinen, die darauf hindeutet, dass sich hier eine Ringmauer mit vielleicht
weiteren Befestigungen angeschlossen hat. Ob man sich diese als den Berg hinabsteigend
und etwa im Zusammenhang mit dem oben erwähnten Thorrest zu denken hat muss bei
dem völligen Versagen aller Spuren in dem Weinbergsgelände dahin gestellt bleiben.
Weitaus das Interessanteste an der Burg Nolling sind die Spuren eines ehemaligen
Holzbaues, dessen vollständiges Pfosten-, Riegel- und Strebenwerk sich in den inneren
Flächen der Palasmauern abzeichnet. Das Holz ist bis auf die letzte Spur verschwunden,
auch keine Reste von Brandkohle bemerkbar.
Erkennbar sind die hölzernen Konstruktions-
theile als Kanäle, die an der Bergseite mit
durchschnittlich 30 cm Breite und 15 — 20 cm
Tiefe offen liegen. An den drei anderen
Seiten liegen dieselben, 30 cm ins Geviert
messend, ca. 35 cm tief im Mauerwerk und
sind meist nur da erkennbar, wo Balken-
köpfe oder Riegel eingebunden waren. An
der Rückseite der Schildmauer ist auch noch
der Abdruck einer Blocktreppe, ja an einer
Stelle derjenige einer auf die Pfosten aufge-
nagelten Brettverschalung im Mörtel des
Mauerwerks erhalten. An dem obersten Ende
der Pfostenabdrücke dieser Wand sieht man
die Spuren von Streben, welche sich schräg
aufwärts in die Dicke der Schildmauer hinein-
verlaufen. Selbstverständlich hat diese un-
gewöhnliche und auffallende Konstruktion ver-
schiedene Erklärungsversuche hervorgerufen.
Von Cohausen (Die Bergfriede etc. S. 43 u.
Tafel 15, Fig. 85, 86) ist geneigt, dieselbe
für eine Hilfskonstruktion einer „im feind-
lichen Feuer" schnell errichteten Burg zu
Spuren von Verzimmerung an der Nordwand. Gggen diege Annahme scheint die
Solidität der Holzkonstruktionen und die Stärke der Hölzer zu sprechen. Selbst wenn
man annehmen will, dass die einzig in Betracht kommende Waldung, der Kammer-
forst in früheren Zeiten hinreichend starke Bäume besessen hätte, um daraus diese
30:30 cm starken Hölzer zu beschlagen, so hätte die Herrichtung derselben und der
Transport auf die durch Fahrwege unerreichbare Felsspitze wochenlange Arbeit be-
durft, konnte also nicht wohl als plötzlicher Nothbau gegen einen heranrückenden
Feind ausgeführt werden. Piper (Burgenkunde S. 167 ff.) der sich ebenfalls gegen
die Cohausen'sche Erklärung wendet, scheint die Burg nicht selbst besucht zu haben,
da er die Holzkonstruktion als eine Verstärkung des Mauerwerks „begründet durch
die Kleinheit und Unregelmässigkeit der Bausteine" ansieht. Die Schildmauer, auf
Fig. 115. Burgruine Nolling.
LORCHHAUSEN.
125
deren Stärke es doch wesentlich ankam, ist nun grade aus besonders grossen Schiefer-
bänken von ca. 1 Meter Länge und 25 cm Dicke aufgemauert. Die drei andern
Mauern des Palas zeigen allerdings kleinere Steine , jedoch nicht kleiner, als die
meisten mittelrheinischen Burgen, bei deren keiner man die hier angewendete Holz-
konstruktion findet.
Vielleicht bietet sich als einfachste Erklärung die Annahme, die auch bei einer
Entstehung der ßurg im Anfang des 12. Jahrhunderts nichts Auffälliges hätte, dass
der kleine Wehrbau zuerst als Holzhaus erbaut worden ist. Die oben erwähnten,
von der Spitze der nach der Angriffsseite gekehrten Wand nach aussen schräg empor-
geführten Streben hätten dann vielleicht einen an dieser Stelle nothwendigen hölzernen
Wehrgang getragen. Bei einer später als nöthig befundenen Verstärkung der Burg
hat man dann die steinerne Ummantelung nebst Schildmauer und Eckthürmen aus-
geführt, wobei man natürlich die alte Ausmauerung der Fachwerkwände heraus-
schlagen und diese im Verband mit der Ummantelung neu ausmauern musste.
LORCHHAUSEN.
Das Dorf Lorchhausen liegt zwei Kilometer nördlich von Lorch als nördlichster
Ort des Rheingaus da, wo in das Rheinthal das Niederthal einmündet, das nach dem
Weisthum von 1454 die Grenze zwischen Rheingau und Einrich bildete. In frühen
Urkunden (Sauer 484) kommt es unter dem Namen Husen vor; schon 1264 (ibid. 753)
finden wir als Zeugen einen Henricus plebanus de Husen. Auch später, 1390 wird
ein Pleban und Frühmesser, 1401 ein Kapellan, 1482 wieder ein Pleban nebst Früh-
messer in Lorcherhausen, wie es auch genannt wird, erwähnt. Doch gehörten (nach
Zaun) diese Geistlichen nach Lorch, wo sie residirten und noch weitere Benefizien
hatten. Denn erst 1551 besserten sich die Einkünfte der Kirche in Lorchhausen durch
Legat eines Wohnhauses und etlicher Weingärten soweit, dass daselbst eine eigene
Pfarrei gegründet werden konnte.
Ueber die Schicksale des kleinen Ortes fehlen alle Nachrichten. Man darf an-
nehmen, dass es ein Ableger von Lorch gewesen ist und dass Adelige , welche in
Lorch keinen Platz zur Ansiedelung fanden, sich diesem nahe gelegenen Dorf zu-
wandten. Wiederholt werden Adelige, die sich ,von Lorchhausen' nennen, in Urkunden
erwähnt; so 1361 (Sauer 3028) bekundet Billunk von Lorchhausen mit dem Grafen
Wilhelm von Katzenelnbogen gesühnt zu sein. Am 12. Mai 1373 verpfändet der
Henne Humbrecht von Lorchhausen, Scheffe daselbst, dem Heinrich Wesche von
Lorchhausen, Edelknecht, einen daselbst gelegenen Weinberg und ersucht den Edel-
knecht Stauche von Lorchhausen diese Urkunde zu besiegeln.
Der Erwerb des Ortes hat sich, wie man aus seiner Lage schliessen darf, auf
den Weinbau beschränkt. Solange das gegenüberliegende Bacharach der Haupt-
stapelplatz des Rheinischen Weinhandels war , darf der Lorchhausener Weinbau als
blühend betrachtet werden. Dass der Ort im Mittelalter eine gewisse Bedeutung
126
LORCHHAUSEN. DIE BURGEN DES WISPERTHALES.
gehabt hat, geht aus den Resten von Befestigungen hervor, die sich noch heute auf
der Höhe der Kirche finden und einer Burg Saareck oder Saureck angehört haben
sollen. Von einer etwaigen Befestigung des Ortes nach der Rheinseite hat der Bahn-
bau alle Spuren bis auf einige wohl hierher zu rechnende Thore verwischt. Von
der ursprünglichen Kirche berichtet Zaun (351 ff.), dass sie sehr alt, dem heil. Boni-
fazius geweiht und dass ihr Thurm mit vier Nebenthürmchen geziert gewesen sei. Im
Jahre 1872 ging sie durch Brand gänzlich zu Grunde und wurde in den folgenden
Jahren durch einen stattlichen Neubau ersetzt, welcher in gothischen Formen in Bruch-
stein mit Sandstein- Architekturtheilen errichtet, im Grundriss Kreuzform und Basiliken-
Anlage mit drei Schiffsjochen und Westthurm zeigt.
Die Ruinen der alten Kirche, jetzt als Scheune benutzt und unter Dach
gehalten, stehen auf dem rechten Bachufer. Ihr gegenwärtiger Bestand lässt von einem
lrühenBau nichts mehr erkennen ; vielmehr weisen die sehr spärlichen Architekturformen
auf das 17. Jahrhundert.
DIE BURGEN DES WISPERTHALES.
GEROLSTEIN, LAUKENMÜHLE, KAMMERBERG, RHEINBERG.
^AS WISPERTHAL enthält auf seinem langgestreckten Lauf eine Anzahl
von Wehrbauten, die leider erst so spät in der Geschichte auftreten, dass
man daraut verzichten muss, für ihre ursprüngliche Anlage nach einem
gemeinschaftlichen Plane zu suchen. Wohl drängt sich der Gedanke an
einen solchen auf, wenn man das tief eingeschnittene Thal als natürlichen Grenzgraben
des Rheingaus gegen Nordwesten betrachtet. Auf der andern Seite ist das Wisperthal
aber, wie bereits oben erwähnt wurde, die natürlichste und wichtigste Verkehrsstrasse,
welche aus dem durch das Bollwerk des Rheingauergebirges vom Fluss abgeschnittenen
Hinterland zum Rhein führt. Wenn daher die höher gelegenen Burgen, Gerolstein
und Rheinberg in den gesetzlosen Zeiten des spätem Mittelalters den auf ihnen hau-
senden Dynastengeschlechtern als sichere Rückzugspunkte für die durch jene Ver-
kehrsstrasse begünstigten Fehden und Raubzüge dienen konnten, so sind die kleineren
Burgen Haneck, Laukenmühle und Kammerberg doch vielleicht nicht mit Unrecht wegen
ihrer Lage unmittelbar an der das Thal durchziehenden Strasse als Anlagen zum Schutz
oder zur gelegentlichen Sperrung der letzteren aufzufassen, zumal ihre Kleinheit kaum
gestattet, sie sich als Wohnsitz zahlreicher Burgmänner vorzustellen. Allen gemein-
schaftlich ist der Charakter ziemlich roher Nutzbauten ; bei keiner derselben findet sich
eine weitergehende architektonische Ausbildung. Ihr Baumaterial ist der im Thal
brechende Schiefer ohne Anwendung von Hausteinen.
WISPERTHAL. GEROLSTEIN.
127
Gerolstein, auf dem linken Ufer des Baches am meisten thalaufwärts ge-
legen, nimmt einen vom Gebirge gegen das Thal vortretenden, nach den Seiten steil
abfallenden Schieferfelsen ein, dem sich die Burg in ihrer Anlage anschliesst. Der
jetzige Zustand des Bauwerks ist derart, dass sie nicht ohne Gefahr zu ersteigen,
und dass ihr westlicher Theil, den Lötz noch besucht zu haben scheint fast unzu-
gänglich ist.
Von der Geschichte der Burg und des auf ihr wohnenden Rittergeschlechtes
das den Namen von Gerardestein, Gerhartstein, Gerartstyn und Gerolstein führt,
ist wenig bekannt. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts (nach Vogel seit 1170) er-
scheinen Mitglieder der Familie wiederholt als Zeu-
gen. 1268 schlichtet ein Kuno von Gerolstein
(Sauer 792) einen Streit mit dem Kloster Schönau
durch einen Vergleich ; 1292 wird (Sauer 1138) Henzo
von Gerhardesteins Gefolgmann des Grafen Adolf
von Berg dem Grafen Eberhard von Katzenelnbogen
tauschweise als Lehnsmann überwiesen. Seit dieser
Zeit scheint die Burg Katzenelnbogen'sches Lehen
gewesen zu sein, bis die Familie 1573 mit Heinrich
von Gerolstein ausstarb. Das Lehen fiel an Land-
graf Philipp II. als Inhaber der niederen Grafschaft
Katzenelnbogen zurück, der die von Nordeck mit
einem Theil belehnte. Das einzige aus der Ge-
schichte der Burg überlieferte Ereigniss ist die Be-
lagerung derselben durch Erzbischof Balduin von
Trier 1553, die aber wegen Wassermangel der Be-
lagerer aufgehoben werden musste. Schon 1301 wird
eine Burgkapelle erwähnt ; 1363 dotirten Philipp Ger-
hard und Cuno von Gerolstein den Marienaltar in der
Dorfkapelle; 1405 gab Philipp von Gerolstein der Burgkapelle von Haneck verschiedene
Güter zu Kesselbach, Ockenheim und Hahn bei Bleidenstadt.
Durch einen in den Schiefergrat, auf welchem die Burg liegt eingeschnittenen
Halsgraben von ca. 20 Meter oberer Weite von dem überhöhenden Bergrücken ge-
trennt gehört die Anlage zu denen, welche dem Angreifer zunächst den Bergfried
entgegenstellen. Dieser erhebt sich ca. 30 Meter vom Halsgraben entfernt auf steil
ansteigendem Terrain, und richtet der Angriffseite 3 Seiten eines Siebenecks entgegen ;
an der Westseite, welche dem verschwundenen Thor zugekehrt war, sind Vorkragungen
für Pechnasen zu bemerken. Das runde Innere ist jetzt durch eine niedrige, in die
Südostseite gebrochene Lücke zugänglich. Die an den Bergfried anschliessende östliche
Umfassungsmauer der Burg ist in stumpfem Winkel nach aussen geknickt. Die Ecke
nimmt ein achteckiger Treppenthurm ein, der ebenso wie die neben ihm bemerkbaren
Auskragungen für einen Abtritt darauf zu deuten scheint, dass sich hier im Innern
der Palas angelehnt hat. Am nördlichen Ende dieser Umfassungsmauer wo dieselbe
»IIP,
Fig. 116. Gerolstein. Gritmliiss.
128
GEROLSTEIN. HANECK. LAUKENMÜHLE.
nach Westen umbiegt befinden sich die Reste eines ausgekragten achteckigen Wich-
häuschens. Von dieser Ecke aus führen Reste einer Zwingermauer auf dem steilen
Berggrat abwärts ; sie führen zu einem tief unter der Burg gelegenen äusseren Thor,
flankirt von einem sechseckigen Thürmchen.
Im Innern des Burghofs sah Lötz noch „westlich von der Wendeltreppe ein
Mauerstück mit spitzbogigem Thore, neben welchem östlich und in weiterer Entfer-
nung an einer westlichen Ecke runde Wandpfeiler, nach Süden vorspringend und nördlich
Stichbogenblenden, unter deren einer eine rundbogige Thür; über dem Thore ein
Kamin, die übrigen Thüren der Burg mit Stichbogen."
Auf einer viel niedrigeren, nordwestlich von dem Burgfelsen sich abzweigenden Fels-
stufe liegt die Ruine der kleinen Burg H a n e c k , (im Volksmunde die „Junkernburg" ge-
nannt), aus einem runden Thurm mit anschliessenden Mauerresten bestehend. Sie
wurde von Mitgliedern der Gerolsteiner Dynastenfamilie bewohnt und findet zuerst
1405 bei der oben erwähnten Begabung ihrer Kapelle durch Philipp von Gerhardstein
Erwähnung. 1461 war sie Mainzer Lehen. Wilhelm Hedderich von Gerolstein, der
1569 ohne Nachkommen starb, war der letzte seines Geschlechts, welcher die Burg
bewohnte. Seine Wittwe wurde 1574 vom Erzbischof von Mainz mit 600 fl. abgefunden
und von da an das Schloss Haneck nebst Zubehörungen bis nach 1621 vom Kur-
mainzischen Landschreiber im Rheingau verwaltet. Später waren die Erbamtmänner
Brenner von Lahnstein in Reichenberg von Hessen mit der Burg belehnt. Die Zeit
der Zerstörung ist hier ebensowenig bekannt wie bei Gerolstein.*)
Etwa eine Stunde unterhalb Gerolstein liegt die kleine Burg Lauken-
mühle. Sie nimmt die nur wenige Meter über den Thalgrund sich erhebende
Felsennase ein, welche hier die Wisper zwingt, einen scharfen Bogen über Nordwesten
zu beschreiben.
Ueber Gründung und Zerstörung dieses Burghauses ist nichts bekannt. Sie
war Mainzer Lehen und durch Erzbischof Konrad III. zuerst einem Wildgrafen von
Daun, dann 1424 dem Vicedom Kuno von Scharffenstein und dem Adam von Allendorf
auf Lebenszeit eingeräumt. Später gelangte die Burg an die von Breitbach und von
Greiffenklau, die sie 1508 dem Wilhelm von Hemdling überliessen. Als sie 1527 an
Mainz zurückfiel, war sie schon verfallen.
Die Burg, ein schlichter Schieferbau ohne jede Kunstform bestand aus einem vier-
eckigen Wohnthurm, der durch einen doppelten, scharf in das Schiefergebirg einge-
schnittenen Halsgraben gegen die Bergseite geschützt, die nach dieser Seite gerichtete
Frontmauer mit abgerundeten Ecken auf zwei Meter Dicke verstärkt zeigt. An den
runden Ecken sind niedrige Mauerklötze vorgelegt, welche vielleicht die Auflager der
Zugbrücke bildeten.
Es sind noch drei Stockwerke mit hölzerner Zwischendecke zu erkennen, welche
im Innern 3,90 auf 4,10 Meter messen. Im unteren liegt neben der südöstlichen Ecke
die rundbogige Eingangsthür, in deren mit Holzbalken überdeckter Leibung die
*) Götze, Handschrift!. Mittheilungen zur Gesch. der Burg Haneck bei Lötz 212.
LAUKENMÜHLE. KAMMERBERG.
129
Löcher für den Riegelbalken erhalten sind. Neben der Thür in der Ostseite ist ein
schräg gegen die Angriffsseite gerichtetes Schiessloch. Im ersten Obergeschoss ist
in der Ostwand eine runde Kamin-Nische erkennbar ; in der Südostseite eine grosse
rechteckige Fensterblende mit hölzernem Sturz und ein kleiner Wandschrank. Im
folgenden Geschoss hat die Südwand noch Reste von Fensterpfeilern mit schwächeren
Brüstungen , die vielleicht auch Reste von Zinnen sein können ; eine Untersuchung
ist bei der Baufälligkeit nicht möglich. Die Nordostecke des Baues mit den Hälften
der anstossenden Mauern ist eingefallen.
Auf dem Rücken des Bergsattels, der zwischen dem (westlichen) Hemsbach und
dem (östlichen) Werkerbach sich zum Wisperthal hinabsenkt und der auf seiner
mittleren Stufe die Stammburg der Rheingrafen trägt, liegen auf einem tieferen
Plateau, wenig über die Thalsohle erhoben, die Reste der Burg Kammerberg.
Wenn Vogel dieser Burg als mitten im Erzstiftischen Kammerforst erbaut, nur die
Bedeutung eines Jagdschlosses beimessen will, so spricht dagegen einmal ihre wehr-
hafte Anlage, dann aber auch der bezeichnende Umstand, dass grade hier die vom
Weissenstein herabsteigende Gau-Befestigung, das Gebück, den Wisperbach überschritt,
um westlich von Rheinberg nach Ransel emporzusteigen. Eine Beziehung dieser Burg-
anlage zu der wichtigen Landesbefestigung ist daher wohl mit Sicherheit anzunehmen.
Leider sind die geschichtlichen Ausweise über Burg Kammerberg ebenso dürftig,
wie diejenigen, welche uns die spärlichen, heute noch erhaltenen Reste geben. Man
weiss, dass sie Besitz des Mainzer Erzstiftes war und dass sie von Erzbischof Gerhard
zeitweilig bewohnt wurde, der 1298 und 1303 von hier Urkunden datirt. Ebenso, dass
sie keinem Rittergeschlecht den Namen gab, sondern mit Burgmännern besetzt war. Ein
solcher war der Edelknecht Rudolf Deikner 1340. Im selben Jahre nimmt ein Spon-
heimischer Vasall, der Weinberge in Lorch besass, von ihr den Namen Peter von Camer-
berg an. Im 16. Jahrhundert wurde sie mehrfach verpfändet, so an die Herrn von Rüdes-
heim, die von Blankenheim, endlich an Kurpfalz. Anfangs des 19. Jahrhunderts wurde die
Ruine, ebenso wie Rheinberg an Freiherrn von Zwierlein in Geisenheim verkauft, von wel-
chem in den letzten Jahren beide Burgen in den Besitz der Familie Haniel übergegangen sind.
Der noch erkennbare obere Burgbering von ca. elf Meter Breite und zwanzig
Meter Längenausdehnung von Nord nach Süd lässt an der Nordfront noch die auf ca.
vier Meter Höhe stehende, 1,60 starke Schildmauer erkennen, welche sich in stumpfem
Winkel gegen die Bergseite ausbiegt und westlich in einem starken viereckigem Pfeiler
endigt. Mauer-Reste eines tieferen Zwingers umziehen den Bering an der West- und
Südseite. Architektonische Einzelheiten sucht man in den Trümmern der aus Schiefer
errichteten Mauern vergeblich.
Ergiebiger als die bisher betrachteten Burgruinen ist das, was Rheinberg dem
Forscher bietet, wie auch seine Geschichte enger mit der des Rheingaues verknüpft
ist. Als Sitz der Rheingrafen, die ihr den Namen gaben, gehört sie wohl zu den
frühesten Burgen des Rheingaus. Nach Vogel wird sie schon 1170 als Mainzer Lehen
9
130
BURG RHEINBERG. GESCHICHTE.
genannt, und war eine der vier Burgen, die das Erzstift zur Verteidigung der Landes-
grenzen baute (Rheinberg, Scharfenstein, Eltville und Ehrenfels). Erzbischof Conrad
führt in einer zwischen 1187 und 1190datirten Urkunde unter anderen Beeinträchtigungen
des Erzstiftes auch die Entfremdung von Burgen, sicuti Reinberc, quod domno vegi cot-
latumfuit, an (Sauer 287). Um 1200 hatten die Rheingrafen ansehnliche Burglehne an die
Ritter von Katzenelnbogen, Blidenstadt, Waldeck, Bodo von Edichenstein, Specht von Dietz
und an Eberbach ausgesetzt (Vogel). In den Urkunden des dreizehnten Jahrhunderts be-
gegnet man den Herren von Rheinberg häufig als Truchsessen des Erzstiftes. Durch Heirath
einer rheingräflichen Tochter kam Ylob die Hälfte des Lehens an die Ritter von Heppenheft.
C
Fig. 117. Ruine Rheinberg von Südost.
Als Nachwirkung der Sponheimer Fehde hatte die Burg Rheinberg 1279 eine
schwere Belagerung durch Erzbischof Werner zu bestehen. Diese Fehde, in welcher
der höhere Adel des Erzbisthums und der Nachbargebiete gegen den von den Städten
unterstützten Erzbischof stand, hatte durch die Schlacht bei Sprendlingen, in welcher
Siegfrid von Rheinberg mit den Leiningen und Katzenelnbogen gefangen worden war,
für das Erzstift glücklich geendet. Jetzt zog Werner, um den abtrünnigen Lehnsmann
zu strafen, zur Belagerung vor dessen Burg. Von dieser Belagerung wird die Er-
richtung eines Gegenforts, der „Aachener Schanze,"*) durch Aachener Tuchweber er-
wähnt, was den Gedanken nahelegt, dass mit diesen auch die Tuchweber von Lorch
vor der Burg des Rheingrafen gelegen haben könnten. Die Burg wurde erobert,
vermutlich nach starker Gegenwehr, da bei der Belagerung der ursprüngliche Bergfried
zerstört zu sein scheint. Die Rheingrafen wurden gezwungen, ihre Burg zu verlassen ;
sie wanderten in den Nahegau aus und bauten die Burg Rheingrafenstein am Ausfluss
der Alsenz in die Nahe, die sie fortan als offenes Haus des Erzbischofs halten mussten.
Werners Nachfolger, Erzbischof Gerhard scheint die durch die Belagerung ent-
standenen Schäden von Rheinberg bald wieder beseitigt zu haben. Der jetzt noch er-
*) S. über diese Nass. Annalen XIII, S. 149.
BURG RHEINBERG.
131
haltene Bergfried dürfte dieser Wiederher-
stellung angehören. Doch sollte das Erzstift
nicht lange im Besitz der Burg bleiben, die
nach Ausbruch des sogenannten Zollkriegs
zwischen den mit den Pfalzgrafen verbünde-
ten rheinischen Kurfürsten und dem König
Albrecht , auf dessen Seite die Rheinischen
Städte traten, im Jahre 1301 von Albrecht ge-
nommen und bis 1304 gegen die Belagerung
der Erzbischöflichen gehalten wurde.
Im weiteren Verlauf des 14. Jahrhunderts
wurde Rheinberg zur Ganerbenburg, an der
neben den Granssen von Rheinberg noch die
von Wunneburg und die von Scharffenstein mit
Katzenelnbogen und Schmiedeburg je zu ein
Drittel Antheil hatten. Das Lehensverhältniss
zu Mainz scheint um diese Zeit erloschen zu
sein, denn 1399 trugen die Ganerben sie dem
Pfalzgrafen Ruprecht zu Lehen auf. Dieser
nahm 1401 die Ritter Ulrich von Schmiedeberg,
Johann von Schauenburg und Hans von Cronen-
berg zu Ganerben auf. Einen neuen Burg-
frieden errichtete Kurfürst Friedrich I. mit den
damaligen Inhabern, den Granssen von Rhein-
berg, den Hilchen von Lorch, den Herrn von
Fig. 118.
Burg Rheinberg. Bergfried-Durchschnitt.
Hohenweisel und Lindau. Noch 1471 wurde die Burgkapelle mit dem Altar des heiligen
Kreuzes mit einem Geistlichen versehen. Dies ist die letzte Nachricht von dem Rheinberg,
der mit Gütern und Gefällen in neueren Zeiten ein Lehen der Grafen von Sickingen
und im 19. Jahrhundert an die Herren von Zwierlein verkauft wurde Die 1226
zuerst erscheinende alte Familie der Herren von Rheinberg, die Mainzer Truch-
sesse waren, starb 1615 aus.
Die langgestreckte Burganlage ist gegen die stark überhöhende Angriffseite
durch einen breiten Halsgraben geschützt, in welchem noch der gemauerte Mittelpfeiler
der Brücke erhalten ist. Vor demselben trug ein künstlich abgeebnetes Felsstück, noch-
mals durch einen Halsgraben gegen die Bergseite geschützt, ein jetzt ganz ver-
schwundenes Vorwerk. Den Kern der Burg bildet der Bergfried, welcher auf
einem ausgesparten Felsklotz den höchsten Theil einnimmt. Er ist ziemlich genau
nach den Himmelsgegenden gerichtet, sodass er der Angriffseite seine nordwestliche
Ecke zuwendet. Er hat schwach trapezförmigen Grundriss bei innerem Masse von
3,07 auf 2,50 Meter. Die Mauerstärke beträgt 2,20 Meter. Ueber dem Verliess hatte
er drei durch Balkenlagen getrennte Stockwerke, welche durch Leitern miteinander
132
DIE BURGEN DES WISPERTHALES.
Örfibfn
iL
verbunden waren. Kamine sind noch im ersten und zweiten Geschoss an der
Nordseite zu erkennen ; im zweiten ist der auf hölzernen Unterzügen gemauerte Mantel
erhalten. Hier haben die Ost- und Westseiten (die Südseite ist zerstört) tiefe Spitz-
bogenblenden mit Steinsitzen, zwischen
denen sich schlitzartige Fenster in sich
stark erweiternden Leibungen mit Holz-
überdeckung öffnen. Aehnliche etwas
grössere Fenster im dritten Stock haben
Holzstürze. Ueber dem dritten Geschoss
war ein Wehrgang mit je drei Scharten
auf jeder Seite, die nur zum Theil noch
erhalten sind.
An den Bergfried (s. Grundriss A)
schliesst sich auf der Höhe des Felskegels
der innere Burghof. Vor die Ostmauer
desselben, die mit der Nordmauer eine
abgerundete Ecke bildet, ist, jedenfalls
zur pfälzischen Zeit, ein Geschütz-Rondel
(B) vorgelegt, in etwas überhöhtem Halb-
kreis vortretend, welches über dem ein-
gefallenen Tonnengewölbe des Unterge-
schosses drei Geschützlöcher zeigt.
An die Südwestecke des Bergfrieds
schliesst sich, die Westseite desselben
fortsetzend eine mit zwei Rundbogen-
blenden versehene Mauer, welche den
tiefer gelegenen südlichen äussern Burg-
hof abschliesst. Die südöstliche Abschluss-
mauer desselben hat einen erkerartigen
Ausbau.
Ebenso schliesst sich nördlich an die
innere Burg, etwa 5 Meter tiefer als diese,
ein grosser nördlicher Burghof an, durch
eine lange und hohe Futtermauer nach
dem westlichen Bergabhang, der steil
Fig. U9. Ruine Rheinberg. Grundriss. ins Hemsbachthal abfällt, begrenzt. Er
enthält dicht unter dem Felskegel des oberen Burghofs den noch erhaltenen Brunnen.
In der nordwestlichen Abschlussmauer dieses Hofes war das rundbogige Haupt-
thor, an dem noch die Schlitze für den Riegelbalken erhalten sind. Vor diesem Thor
bis dicht an den steil eingeschnittenen Halsgraben vortretend liegt eine kleine Vor-
burg, in deren nordwestlicher Ecke ein Wachthaus zu erkennen ist.
3^
133
ASSMANNSHAUSEN.
AS DORF ASSMANNSHAUSEN liegt vier Kilometer nordwestlich von
Rüdesheim an dem durch den jähen Abfall des Niederwaldes hier besonders
eingeengten -Rheinufer auf der kleinen Erweiterung, welche die Mündung
des steilen und engen, von dem Aulhauser Bach durchströmten Höllenthals
in das Rheinthal bildet. Auf diesem knappen Raum eng zusammengedrängt sind die
Häuser des Ortes theils an der Lorcher Strasse, theils in das Höllenthal hinauf um
die Pfarrkirche gruppirt, welche auf dem linken Ufer des Aulhauser Baches . nächst
der Lorcher Strasse auf etwas erhöhtem Bauplatz errichtet ist.
Die erste urkundliche Er-
wähnung des Ortes (Sauer
157) von 1108 hat die Na-
mensform Hasemanneshusen
und bezieht sich auf Neu-
anlage von Weinbergen, was
für eine bereits frühere Wein-
kultur des Ortes spricht. In
der That wäre die Anlage
eines Dorfes an diesem von
dem Verkehr mit dem übri-
gen Rheingau fast ganz ab-
geschnittenen Orte schwer
zu erklären, wenn nicht schon
früh die bevorzugte Eignung
der nächstgelegenen Höhen, j
besonders der Berglehne auf
dem rechten Ufer des Aul-
hauser Baches erkannt und
ausgenutzt wäre. Seine Be-
zeichnung als „villula" in
einerUrkunde vonl 173 deutet
noch auf geringe Einwohner- Fig. 120. Assmannshausen. Strassenbild (nach Reiffenstein).
134
ASSMANNSHAUSEN. PFARRKIRCHE.
zahl, sodass es nicht Wunder nehmen kann, wenn es einer eigenen Gerichtsbarkeit
entbehrte und noch in einer Verfügung des Mainzer geistlichen Gerichts von 1325
unter der Jurisdiktion des Rüdesheimer Gerichtes stehend erscheint ; doch besass es
bereits 1361 ein eigenes Schöffengericht. Die Bedeutung des Ortes wuchs durch die
Erwerbung von Weingütern, welche viele auswärtige Adelsgeschlechter, Stifte und
Klöster innerhalb seiner Gemarkung vollzogen. So finden wir Ende des 15. Jahr-
hunderts die Grafen von Sponheim und von Nassau - Saarbrücken und im 16. die
von Molsberg hier begütert ; im Jahre 1676 verkauften die Mosbach von Lindenfels
ihre hier belegenen Lehengüter an die Familie von Schönborn, in deren Besitz sie
noch in neuerer Zeit waren.
Ausser dem Weinbau, der in früherer Zeit vorwiegend weissen Wein, erst seit
dem Jahre 1740 nach einem grossen Frostschaden den dem Burgunder ähnlichen
Rothwein kultivirte, bildete auch der Bergbau eine wenn auch nicht bedeutende
Einnahmequelle des Ortes. Das Bergwerk, welches auf Silber abgebaut wurde, verlieh
Erzbischof Dietrich von Erbach 1437 an Kraft von Diefenbach und Wenzel Swenken-
stein und ihre Erben. Erzbischof Diether von Isenburg erliess 1478 für die Gruben
Trachenstein und Grabenwege eine weitläufige „Zihung, Friheit und Ordinanz", welche
viele metallurgische Kenntniss bekundet.
Die im Rheinbett entspringenden warmen Brom-Lithionquellen, welche heute
in der am unteren Ende des Ortes gelegenen Kuranstalt
ihre Verwendung finden, scheinen schon im Mittelalter
bekannt, später aber, wohl wegen der Schwierigkeit
ihrer Fassung wieder verloren gegangen zu sein. Im
Jahre 1489 überträgt Erzbischof Berthold von Henneberg
dem Hansen Sigeller von Aschaffenburg das Recht, die
Quellen wieder aufzusuchen und auszubeuten. Da dieser
aber nicht kapitalkräftig genug gewesen zu sein scheint,
so überliess der Erzbischof das ihm gehörige Halbtheil
an den Quellen dem Mainzer Domdechanten Bernhard
von Breidenbach, der aber in der Auffindung derselben
ebensowenig glücklich war, wie die späteren Versuche
die 1660 und 1690 angestellt wurden. Erst 1705 wurden
die Quellen dauernd gefasst und eine Zeitlang zum
Badebetrieb benutzt, geriethen aber wieder in Ver-
gessenheit, bis, nach der nochmaligen Fassung durch
Baron Klein in Assmannshausen im Jahre 1839, die
Quellen endlich 1872 zu der jetzt bestehenden Badeanlage
verwerthet wurden.
Die Pfarrkirche sub tit. Exaltationis S. Crucis
Fig j2i geweiht, steht auf dem linken Ufer des Aulhauser Baches,
AaWSSrL imUmbatr da, wo der denselben begleitende Weg mit der Lorcher
ASSMANNSHAUSEN. PFARRKIRCHE.
135
Strasse zusammentrifft. Wenn wir auch aus einer Bulle Papst Innocenz VI. von 1361,
welche den um die Ausschmückung der Kirche Verdienten einen 40tägigen Ablass
gewährt, auf das Vorhandensein einer Kirche zu dieser Zeit schliessen müssen, so
weisen doch die spätgothischen Bauformen der jetzigen Kirche dieselben ganz in das
15. Jahrhundert. Die Kirche zehntete dem Mainzer
Domkapitel, vom 16. Jahrhundert an dem Victorstift in
Mainz, dessen Probst Oberpfarrer in Assmannshausen
war. Einen grösseren Bauschaden, der 1734 die Kirche
infolge eines Blitzstrahls traf, Hess das Victorstift aus-
bessern. Eine weitere Ausbesserung erfolgte 1869, und
in den letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts eine Ver-
längerung um ein Gewölbejoch nach Westen mit dem
Bau einer Sakristei, welche sich südlich an den Thurm
anlehnt, durch Baumeister Pauli in Rüdesheim.
Die alte Kirche, einschiffig, besass drei oblonge
Kreuzgewölbe im Schiff, von 5,65 m lichter Weite mit
halb innen, halb aussen liegenden Strebepfeilern. Der
Chor, dessen vorderer Theil von dem Erdgeschoss des
nahezu quadratischen Thurms gebildet wird, ist gegen
die Schiff breite auf
4,80 m eingezogen
und schliesst in fünf
Seiten des Acht-
ecks. Das Sternge-
wölbe im vorderen
Theil setzt auf kur-
zen Diensten auf,
welche auf Köpfen
ruhen ; die übrigen
Gewölberippen
wachsen glatt aus
den Strebepfeilern
heraus.
Die rundbogig
geschlossenen Fen-
ster, welche ohne
Rücksicht auf die Fig- 122. Assmannshausen. Pfarrkirche. Südseite vor dem Umbau.
Gewölbeaxen eingesetzt sind, liegen in abgeschrägten Nischen und haben zweitheiliges
Masswerk. Die im Westen angelegte Orgelempore wurde von drei Kreuzgewölben auf
dünnen achteckigen Pfeilern ohne Kapitale getragen. Jetzt ist die Tiefe der Orgelbühne
auf drei Joche in der Länge erweitert. An Stelle des engen, in der Nordwestecke an-
gebrachten Treppenthürmchens ist ein neues dicht daneben angelegt.
136
ASSMANNSHAUSEN
Der Thurm steigt viereckig
ohne Gliederung, nur durch zwei
Horizontalgesimse unterbrochen,
in vier Geschossen auf. Das zweite
über dem Chorgewölbe liegende,
mit rippenlosem Kreuzgewölbe
überdeckt, diente als Schatzkam-
mer; das vierte als Glockenstube.
Es ist auf allen vier Seiten von gros-
sen rundbogigen Schallöffnungen
durchbrochen; die südliche ist der
Höhe nach durch einen eingesetz-
ten Rundbogen getheilt. Der acht-
eckige mit Schiefer gedeckte Helm
erhebt sich hinter einer Gallerie von
Rundbogenblenden ; auf den Ecken
sitzen einfachste steinerne Wasser-
speier in Rinnenform.
Der Thurm enthält vier
Glocken , von denen die kleinste
die Namen der Evangelisten in
gothischen Majuskeln des 14. Jahr-
hunderts trägt. Diegrösste mit der
Fig. 123. Assiiiamis/iansen. Strassenbild (nach Reiffenstein). Inschrift .
Datum anno domini mcccclfff iii (1483; feria sefta post tlpem beati mitpapelis arctjangeli
ista campana facta et uocor marta-
Die zweite :
Die dritte:
Cpriftian Klapper oad) ju mens goß midt) 1578-
1711 goß mid) Cpriftopb Rotrj in main?-
Von Kunstwerken besitzt die Kirche nur ein werthvolles Altarbild auf dem
modernen Hauptaltar, den Tod der Maria darstellend. Dasselbe ist süddeutschen
(Nürnberger?) Ursprungs (nach Zaun dem Matth. Grünwald zugeschrieben) und zeichnet
sich durch helle, lebhafte Färbung und durch energische Charakterisirung des jüdischen
Typus in den Köpfen aus. Das Bild kam gegen Mitte des 19. Jahrhunderts als Ge-
schenk des Gutsbesitzers A. Brandscheid an die Kirche, dem es aus der Hinterlassen-
schaft des in Assmannshausen ansässigen Baron Karl v. Klein zugefallen war.
In der Sakristei eine (neu polychromirte) in Holz geschnitzte Maria, auf deren
Schooss das nackte Christuskind steht. Das knitterige Gewand lässt süddeutsche
Herkunft vom 15. Jahrhundert vermuthen.
An heiligen Gefässen besitzt die Kirche eine Monstranz mit Kreuzpartikel,
Sonnenform, im Charakter des 18. Jahrhunderts, Silber theilweise vergoldet, sowie
AULHAUSEN. MARIENHAUSEN.
137
zwei Messkännchen auf Teller , handwerkliche
Rococcoarbeit aus einer Mainzer Werkstatt von 1751 .
Assmannshausen hat, wie die meisten kleinen
Uferorte, den malerischen Eindruck den es den
Resten alter Profanbauten verdankte, seit dem
Bau der Eisenbahn und der Steigerung des Ver-
kehrs grösstentheils eingebüsst. Immerhin sind
noch einige alte Wohnhäuser erhalten, welche wir
nach Skizzen von Reiffenstein (s. Fig. 120, 123 u. 124)
wiedergeben. Das letztere ist ein noch bestehendes
Steinhaus, mit hohem gothischen Giebel auf der
Westseite, den Resten von vier Eckthürmchen
Fig. 124. Assmannshausen.
Steinernes Haus (nach Reiffenstein 1862)
und einer (nicht mehr erhaltenen) Schornsteinauskragung aus Backstein.
AULHAUSEN, MARIENHAUSEN.*)
Am oberen Ende der tiefen Schlucht, in welcher der Aulhauser Bach herab-
fällt, um bei Assmannshausen sich in den Rhein zu ergiessen, liegt das kleine Dorf
Aulhausen, das bereits als „Husen" in Urkunden
zwischen 1108 und 1128 vorkommt. Seinen jetzigen
Namen (Ullnhusen) trägt es von den Ullnern oder
Töpfern , die angelockt von den daselbst ent-
deckten Thonlagern und dem Holzreichthum der
umgebenden Waldungen, sich dort offenbar in
sehr früher Zeit niederliessen. Die Erzbischöfe
verliehen ihnen Holzungsrecht im Kammerforst;
die Abgaben hierfür wurden später zu Lehen aus-
gethan, wie ein Lehensbrief für Heinrich Brömser
von Rüdesheim vom Jahre 1623 beweist „Ullner,
die zu Ullenhausen wohnen , als vor Zeiten ge-
wohnt haben, sollen ihm von jedem Rad eine
Mark geben und auch Krüg und Tüppen genug
alle Hochzeit geben ins Haus, und dieselben Uliner
sollen auch Recht haben, liegend windfällig Holz
und Heimbuchen Holz zu fällen in dem vor-
geschriebenen Forst." Noch 1740 wird ihnen vom
Kloster Marienhausen gestattet auf dessen Boden,
,wie seit undenklichen Zeiten" Thon zu gewinnen.
Fig. 125. Aulhausen. Holzerker. Jetzt ist diese Industrie vollständig erloschen.
Das kleine Dorf, welches heute 672 Einwohner in 72 Haushaltungen zählt, gehört
*) Rh. Antiqu. II. io. S. 346 fr. Zaun Landk. Rhg. 291 ff.
138
KLOSTER MARIENHAUSEN.
kirchlich und kommunal zu
Rüdesheim und besitzt eine
Kirche, der heil. Petronella
geweiht , die (nach Zaun)
zuerst 1401 erwähnt wird.
Sie ist spätgothisch, ein-
schiffig mit achteckigem
Chorschluss. Im Westgiebel
befindet sich über dem spitz-
bogigen Thor ein gothisches,
zweitheiliges Fenster. Die
als hölzernesTonnengewölbe
ausgeführte Decke, sowie
der Dachreiter zeigen die
Dekorationsformen des 18
Jahrhunderts.
Der Ort birgt nichts
bemerkenswerthes ausser
einem an der Dorfstrasse
der Kirche gegenüberliegen-
den alten Holzhaus mit
Fig. 126. Marienhausen. Consolen der Kirchen- Apsis. frei über dem massiven Erd-
geschoss vorgekragten Erker, das mit seinen durch gedrehte Säulchen gezierten Eck-
pfosten und der hübschen Verriegelung im Giebel ein malerisches Bild bietet.
Wichtiger als das Dorf ist für die rheingauische Denkmalforschung das wenig
aufwärts gelegene Kloster Marienhausen,*) welchem es seine Entstehung ver-
dankt. Dasselbe ist im 12. Jahrhundert, wahrscheinlich von Lorcher Adeligen
als Unterkunft für deren Töchter ge-
stiftet worden. Es folgte von Anfang
an der Cistercienser Ordensregel.
Schon bald nach 1181 wurde eine vom
heil. Eberhard zu Kumd (Comeda) in
der Pfalz gestiftete Klause mit Cister-
cienserinnen aus Marienhausen be
setzt. Im Jahre 1189 enthebt Erz-
bischof Konrad I. von Mainz das Klo-
ster der Vogtei des Giselbert von
Rüdesheim, dem als Entschädigung
die von seinem Vater dem Kloster
geschenkten Weinberge ZU Oestrich *** 127' Marienhausen. Klosterhofskizze
& fe nach Reiffenstein (1838).
*) Bodmann 234. Tollner hist. Palat. addit. 38. Lötz 15 fr.
AULHAUSEN. MARIENHAUSEN.
139
zurückgegeben werden
(Sauer 288) und unter-
stellt es unter Befreiung
von der gewöhnlichen
Steuer unmittelbar dem
erzbischöflichen Stuhl.
Dieser Vergünstigung
scheint das Kloster eine
Zeit gedeihlicher Ent-
wickelung gedankt zu
haben, sodass es sich 1219
eine Kirche erbauen
konnte , die von Erz-
bischof Siegfrid einge« Fig. 129.
weiht wird. Aber schon
1261 war ein Vermögens-
verfall eingetreten (Sauer
709), von dem ein Schrei-
ben des Klosters an den
Er zbischof Werner Zeug-
niss gibt. Dasselbe, schrei-
ben die Nonnen, sei von
Feinden so zugerichtet, ,,itt in nobis juxta elogium
Sanctorum a planta pedis nsqae ad verticem
vix ulla sit sauüas."
Von seinen späteren Schicksalen erfahren
wir wenig — die Verschreibung des Klosters
gegen die rebellischen Bauern vom 24. Mai 1525
trägt die Unterschrift der Aebtissin Elisabet von
Holzfeld — doch scheint es unter der Paternität
des Klosters Eberbach, unter der es bis zu seiner
Auflösung gestanden hat, wirthschäftlich gediehen
zu sein. Denn ein durchgreifender Umbau der
Klostergebäude, welcher im Jahre 1752 stattfand,
hat uns dieselben in einem sehr soliden, stellen-
weise sogar luxuriösen Zustand überliefert.
Nach der Aufhebung des Klosters imjahre 1803
wurde die Kirche profanirt und nebst den als
Oekonomiegut benutzten Klostergebäuden von den
Herren v. Zwierlein angekauft. Lötz und Schneider
haben es in diesem halbzerstörten Zustande noch
beschrieben. Eine Skizze, welche Reiffenstein 1838
Marieiihattscn. Roman. Sittlichen.
Fig. 128. Marienhausen.
Klosterkirche. Grundriss
Fig. 130. Mari entlausen. Klosterkirche.
Wandtabernakel.
140
KLOSTER MARIENHAUSEN.
von dem Kloster anfertigte, zeigt noch den in Holzfachwerk mit geschweiften Renais-
sancegiebeln an die Südmauer angelehnten Flügelbau über dem mit spitzbogigen
Fenstern versehenen Kreuzgang. Frst Ende der achtziger Jahre ging es in das Eigen-
thum der Diöcese Limburg über, welche die Diöcesan-Rettungsanstalt. die bis 1865 in
Montabaur, von da ab in Marienstatt bestanden hatte, hierher verlegte, und die Kirche
Fig. 131. Marienhausen. Wandschrank.
durch den Architekten Meckel einer gründlichen und wohlgelungenen Restauration
unterziehen Hess, wobei der Maler Pothast die Ausmalung besorgte.
Die Kirche, ein ziemlich schmuckloser einschiffiger Bau, zeigt in ihren rund-
bogigen Fenstern und dem von Konsolen getragenen Rundbogenfriese ihres Haupt-
gesimses die spätromanischen Formen ihrer Entstehungszeit 1219. Die Decke ist mit
fünf sichtbaren Balkendurchzügen aus Holz im Segmentbogen konstruirt, der sich in
MARIENHAUSEN.
141
dem aus dem Sechseck geschlossenen Chor gewölbartig zusammenschneidet. Im
Westen ist eine ebenso tiefe wie breite Empore eingebaut, deren zwei westliche Holz-
pfeiler die Formen des Umbaus von 1752 zeigen. Im westlichen Giebel der Kirche
befinden sich drei Fenster von denen das mittlere zweitheiliges gothisches Masswerk,
die beiden kleineren Rundbogenfenster später eingesetzte gothische Nasen enthalten.
An der Rückseite der zwei modernen Seitenaltäre sind zwei kurze, wahrscheinlich
einer früheren Chorschranke angehörige Steinsäulchen eingebaut, die hübsche roma-
nische Knaufkapitäle und attische Basen mit Eckblättern haben. (S. Fig. 129.)
1 III
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Fig. 132. Marienhausen. Sprechgitter im Empfangssaal.
Ein (nach Lötz) früher im zerstörten nördlichen Kreuzgangflügel befindliches
Wandtabernakel ist jetzt in der nördlichen Schrägwand des Chors angebracht.
Dasselbe hat unten und oben unter dem abschliessenden Zinnenkranz eine mit gothi-
schem Laubwerk und Rosen ausgefüllte Hohlkehle, wird von zwei in Fialen endi-
genden Strebepfeilern flankirt und trägt als Bekrönung des mit einem Eisengitter ab-
geschlossenen Schreines einen gleichseitigen Giebel auf einer mit Nasen besetzten
spitzbogigen Blendarchitektur. Im innern Feld dieses mit ausdrucksvollen Krabben-
und Kreuzblumen besetzten Giebels ist die heilige Veronica dargestellt, das Schweiss-
142
MARIEN HAUSEN.
tuch haltend , neben welchem zwei Engel knieen ; das Ganze in der Gothik des
14. Jahrhunderts.
An der Südwand des Kirchenschiffs befindet sich ein Wandschrank, durch vier
hölzerne Thürflügel mit reichem, gut restaurirtem Eisenbeschlag verschlossen. Die
von Lötz angeführte Holzstatue St. Margaretha ist seit der Restauration verschwunden.
Die Diakonfigur mit Pulttafel (lectorile) liegt mit abgeschlagenem Kopf neben den
daselbst erwähnten Holzfiguren auf dem früheren Kirchhof.
Der Westflügel des Klosters trägt noch die Formen des Umbaues von 1752.
Neben einem in ansprechenden, wenn auch einfachen Barockformen geschnitzten Treppen-
geländer, ist im ersten Stockwerk namentlich der Saal erhalten, der zum Empfang
profanen Besuches diente und zu diesem Zwecke ein sehr reich in Eichenholz ge-
schnitztes Sprechgitter enthält, welches fast die Hälfte einer Wand einnimmt. Neben
demselben befindet sich eine reich dekorirte Ofennische ; das in derselben neben der
obigen Jahreszahl angebrachte Wappen enthält eine Säule und die Unterschrift „Mit
Lieb und Beständigkeit." Die Stuckarbeiten der Decke, in Rococcostil , wohl von
Mainzer Stuckateuren angetragen , sind reich und abwechselnd ; die von Lötz er-
wähnten Ledertapeten leider verschwunden. Auch die Windfahne auf dem Dach dieses
Flügels ist als gute Schmiedearbeit des 18. Jahrhunderts bemerkenswerth.
Fig. 133. Marienhausen. Stuckatur au
der Decke des Empfangssaales.
143
Fig. 134. Eberbach. Ansicht nach Merian.
CISTERCIENSER- ABTEI EBERBACH.
ON HATTENHEIM 3,50 Kilometer nördlich, von Rüdesheim 11,5 Kilo-
meter in nordöstlicher Richtung entfernt liegt in einem anmuthigen, nur
nach Süden geöffneten Thal das ehemalige Cistercienserkloster Eberbach.
Das Thal, von dem Kisselbach durchflössen, der von der „kalten Herberg,"
der höchsten Erhebung des Rheingauer Gebirges herabkommt, ist nach Westen und
Norden durch steil aufsteigende Berge geschützt, während nach Osten zu die Berg-
lehne sanfter ansteigt; es zieht sich in gut kultivirtem Wiesen- und Ackergelände
zur Rheinebene hinab, auf der Westseite von dem Hügelrücken begleitet, auf welchem
der König der Rheingauer Weine, der Steinberger Kabinetswein wächst. Weltab-
geschieden inmitten eines der menschlichen Kulturarbeit den höchsten Ertrag ver-
sprechenden Geländes, zeigt die Lage des Klosters im höchsten Maasse die Eigen-
schaften, die der heilige Robert, der Begründer des Ordens von Citeaux von den An-
siedelungen seiner Brüder verlangte.
Die Gründung dieser Klosteranlage, die in kultureller und lange auch in
geistiger Beziehung als der eigentliche Mittelpunkt des Rheingaus gelten durfte, geht,
verglichen mit den uralten Ortschaften am Rheinufer, nicht in sehr fernliegende Zeiten
hinauf. Die erste Besiedelung des Thaies geschah um 1116, als Erzbischof Adalbert
von Mainz hier regulirte Chorherrn des Augustiner-Ordens ansiedelte, die aber, da ihre
Klosterzucht zu wünschen übrig Hess, bald nach Gottesthal (um welches sich später
der Ort Mittelheim anbaute) versetzt wurden. Nachdem Adalbert den Ort, den er
vorübergehend den Benediktinern von Johannisberg zur Gründung eines Priorats
überlassen, von diesen 1131 für 50 Pfund Silber zurückgekauft, wandte er sich an den
144
CISTERCIENSER- ABTEI EBERBACH.
heil. Bernhard, der, als Abt von Clairvaux der bedeutendste unter den Nachfolgern
des heil. Robert, dem entarteten Mönchthum ein neues, von hohem sittlichen Ernst
erfülltes Leben eingeflösst hatte. Bernhard, dessen persönliche Anwesenheit in Eber-
bach von dem Geschichtsschreiber des Ordens, P. Hermann Bär glaubwürdig gemacht
wird, sandte eine Anzahl Mönche unter dem Abte Ruthard, der 1131 von dem ver-
lassenen Chorherrnstift Besitz ergriff und somit Eberbach als erstes Cistercienser-
kloster auf deutschem Boden gründete.
Die hohe Frömmigkeit der neuen geistlichen Ansiedler, welche ihnen bald die
Achtung des rheingauischen Landes gewann und die frische Thatkraft, mit welcher
sie die Kultivirung des Landes in Angriff nahmen, führte ein schnelles Aufblühen des
Klosters herbei. Schon nach sechs Jahren erbauten sie ihren ersten Aussenhof Leheim,
dem bald als zweiter der Hof Nenthres unterhalb Bingen auf dem linken Rheinufer
folgte; von letzterem aus wurden dann besonders die späteren Gütererwerbungen
zwischen Rhein und Nahe betrieben. Für das rasche Aufblühen des Ordens spricht
auch die Thatsache , dass derselbe noch im Laufe des 12. Jahrhunderts rasch auf-
einander vier grosse Tochterklöster gründen konnte, nämlich 1142 Schönau im Oden-
wald, 1144 Otterberg in der Pfalz, 1147 Gottesthal bei Lüttich*) und 1174 Arnsburg
in der Wetterau.
Von dem praktischen Sinn der Klosterbrüder zeugt es , dass sie den Weinbau
und Weinhandel von Anbeginn an die Spitze ihrer wirtschaftlichen Thätigkeit ge-
stellt zu haben scheinen. Schon 1162 wird für den durch die Hansa aufgenommenen
Vertrieb der Rheingauer Weine nach den nordischen Ländern in Cöln eine Kellerei
und ein Haus erworben. Um diese Zeit scheint auch der Steinberg angerodet worden
zu sein, da der am Fuss dieses Berges gelegene Neuhof 1173 als Nova grangia
erwähnt wird.
Die Beziehungen zu dem Cölner Zwischenhandel blieben so lebhaft, dass noch
1291 diese Stadt dem Kloster das St. Servatienthor schenkte, um über demselben ein
Absteigequartier für die Mönche zu bauen.
Im Kloster selbst hatten sich die Mönche mehrere Jahrzehnte lang wohl mit
einem interimistischen Wohnsitz begnügen müssen. Dreissig bis vierzig Jahre nach
der Gründung führte die Zunahme der Insassen und die schnell wachsende Bedeutung
des Klosters zu der Angriffnahme der Bau-Anlagen, welche noch heute die Haupt-
gebäude des Klosters und vor allem die grosse Klosterkirche umfassen. Doch konnte
erst der vierte Abt die Vollendung der Gebäude und die Einweihung der Kirche voll-
ziehen. Auf Ruthard der 1157 starb,**) folgte Arnold I. Unter diesen Abt fällt der
Streit Kaiser Friedrichs I. mit der Kirche, in welchem das Kloster auf Seite des Papstes
und Erzbischofs stand, was die vorübergehende Flucht des Abtes mit einem Theil des
Convents zur Folge hatte. Der Prior Mefrid, welcher unterdess im Kloster ein Inter-
regnum führte, erfreute sich des Schutzes der heil. Hildegard, der Aebtissin von Ruperts-
berg. Arnold, der nach beigelegtem Streit 1168 in das Kloster zurückkehrte, starb
*) Rosselt (Denkm. a. N.) nennt Gnadenthal. **) S. Leop. Stoff in Nass. Anm. 15, S. 266 ff.
EBERBACH. GESCHICHTE.
145
Fig. 135 . Eberbach nach Meissner J638.
wenige Jahre darauf und hatte Eberhard zum Nachfolger, unter dessen bis 1177
währender Regierung unter anderm der Mapperhof in dem auf dem Kamme des
Gebirges gelegenen Walde Appo gebaut und das Tochterkloster Arnsberg gegründet
wurde. Erst unter Arnold II. (1177—1190) war der Kirchen- und Kloster-Neubau so-
weit gefördert, dass 1178 der Abt in den kleinen Kapellen des Querschiffs zwei Altäre
weihen konnte; acht Jahre später, am 23. Mai 1186, erfolgte endlich die Einweihung
der Kirche durch Erzbischof Konrad I. Die Anwesenheit der Bischöfe von Worms,
Strassburg und Münster bei diesem kirchlichen Akt spricht deutlich für die Bedeutung,
welche das Eberbacher Kloster gewonnen hatte.
Aber wenn die Gütererwerbungen des Klosters im Rheingau, der Königs-
sundra, dem Einrich und Niederlahngau (seit 1190 auch in der Trierer Diözese auf
dem Westerwald) stetig zunahmen, so deutet doch der Aufruhr der Konversen unter
Abt Albero von Stein (seit 1219) auf den Beginn innerer Unordnungen selbst in
diesem streng organisirten Gemeinwesen. Auch die Finanzlage des Ordens hat sich
um die Mitte des 13. Jahrhunderts so verschlechtert, dass trotz vorübergehender
Besserung unter Abt Richolf (f 1285) wir das Kloster um den Beginn des 14. Jahr-
hunderts in den Händen jüdischer Geldverleiher finden, gegen deren Ansprüche König
Albrecht eine besondere Verfügung erlässt, die eine vorübergehende Hülfe herbei-
führt. Erst unter (dem zwanzigsten) Abt Wilhelm 1310 bessert sich die Vermögens-
lage dauernd und es folgt nun eine geschichtlich wenig hervortretende Zeit unter
unbedeutenden Aebten, in welcher die Klosterbrüder der Verwaltung ihres aus-
gedehnten Besitzes und der Pflege der Wissenschaften oblagen. Aber die innere
Kraft des grossen Gemeinwesens war doch schon soweit untergraben , dass es den
sozialen Unruhen des Bauernkriegs nicht mehr zu widerstehen vermochte. Mit den
Bauernhorden, welche 1525 in seinem Gebiet auf dem „Wachholder" mehrere Wochen
hindurch ihr Hauptquartier aufschlugen, suchte es sich auf klägliche Weise abzu-
finden. Diese Wirren brachten u. A. dem Klosterhospital , welches seit 300 Jahren
segensreich gewirkt hatte, den Untergang. Und wenn auch nach Niederwerfung der
10
146
EBERBACH. GESAMMTANLAGE.
Empörung durch die „Reformation" des Erzbischofs Albert von Brandenburg die ihm
von den Bauern streitig gemachten Privilegien grösstenteils wieder bestätigt wurden,
so ist doch von nun an die Kraft des Klosters gebrochen, „seine Zeit", sagt Vogel,
„war vorüber; bedeutungslos in seiner Existenz und seinem Wirken dauerte es noch
bis in die neuesten Zeiten fort, wo es aufgehoben wurde."
Von äusseren Ereignissen, die zum Theil auf den Zustand der Bauten Bezug
haben, sind aus dieser Zeit des Niedergangs noch folgende nachzutragen. Die Leiden,
die der dreissigjährige Krieg dem Rheingau brachte, hatte es besonders im Jahre 1631
zu empfinden, als unter dem 45. Abt Leonhard I. Klunkhard aus Rüdesheim die mit
den Schweden verbündeten hessischen Truppen es einer grausamen Plünderung
unterzogen , bei der fast die ganze reiche Klosterbibliothek vernichtet wurde ; die
Kirche wurde zum Pferdestall entweiht und der Abt mit dem Konvent zur Flucht
nach Cöln genöthigt. Im folgenden Jahre nahm Axel Oxenstierna vorübergehend
Besitz von dem Kloster, dessen immer noch reiche Liegenschaften zu einem Theil
der deutschen Dotation für den schwedischen Kanzler ausersehen waren.
Nachdem es sich von den Drangsalen des dreissigjährigen Krieges nothdürftig
erholt hatte, fiel es in den letzten Jahren des 17. Jahrhunderts den Unbilden der Ele-
mente zum Opfer. Ein furchtbarer Wirbelsturm machte 1679 fast alle Gebäude dachlos ;
bald darauf wurde es von einer plötzlichen Ueberschwemmung des Kisselbachs heim-
gesucht, welche die Fundamente und Fussböden unterspülte. So entschloss sich der
Abt Michael Schmock von Kidrich (seit 1702) zu einer umfassenden Herstellung, zu
welcher der Erzbischof Lothar Franz von Schönborn thatkräftige Hülfe lieh. Die
Conventualen wurden in die benachbarten Klöster ausquartirt und namentlich bei der
Kirche durch Erhöhung des Fussbodens, Erneuerung der Altäre und Aufstellung
einer neuen Orgel eingreifende Aenderungen durchgeführt. Noch einmal, 1746 unter
Abt Hermann (von Mengerskirchen) wurden Erneuerungsarbeiten an den Dächern
und Thürmen ausgeführt. Mit Schluss des Jahrhunderts endlich ward das Kloster in
den Revolutionskriegen von französischen Truppen besetzt und entweiht und durch
den Reichsdeputationsschluss vom 25. Februar 1803 säkularisirt. Es wurde mit dem
ganzen rechtsrheinischen Besitz des Mainzer Erzbisthums als Entschädigung an den
Fürsten Carl Wilhelm von Nassau-Usingen abgetreten.
Gegenwärtig — hoffentlich nicht mehr auf lange — finden die herrlichen Abtei-
gebäude eine unwürdige Verwendung als Strafanstalt; ein kleiner Theil dient der
Domanialkellerei zu ökonomischen Zwecken.
BAUBESCHREIBUNG.
Es ist zu bedauern, dass der Geschichtsschreiber des Klosters, Pater Hermann
Bär, der letzte Bursierer der Abtei, in seiner ausserordentlich eingehenden Arbeit dem
Bau des Klosters sogut wie gar kein Interesse gewidmet hat, sodass sich derselben
ausser der Angabe über die Weihung der ersten zwei Altäre und derjenigen der Kirche
keine auf die Baugeschichte bezüglichen Angaben entnehmen lassen. Es ist also hier,
Fig. 137.
Cisterzienser- Kloster Eberbach
Gesammtplan.
Im Kapitelhause ist der Schnitt durch das Obergeschoß,
überall sonst durch das Erdgeschoß gelegt. Die nicht an-
gelegten Theile sind zerstört.
EBERBACH. GESAMMTANLAGE.
147
wie so oft, die Erscheinung der Bauten selbst, auf die man sich bei der Datirung der-
selben angewiesen sieht. Bei den durchgreifenden Umgestaltungen, welche das Kloster
in der Zeit der Gothik, ferner um 1500 und im 18. Jahrhundert erfahren hat, ebenso
wie bei den durch die jetzige Bestimmung herbeigeführten gewaltsamen Zertheilungen
und Trennungen der Räume, welche die Uebersicht ausserordentlich erschweren, kann
eine Bestimmung der einzelnen Gebäudetheile und ihrer Entstehungszeit nur tastend
und mit Vorbehalt geschehn.*)
Wenn man aus dem durch viele Um- und Anbauten komplizirt gewordenen
Grundriss des Klosters den mittelalterlichen Kern herauszuschälen versucht , so tritt
die reine und in ihren Grundgedanken einfache Anlage des Cistercienserklosters, wie
sie sich aus den Satzungen des Ordens ergiebt, klar zu Tage. Auf den ersten Blick
fällt die Aehnlichkeit mit andern Ordensbauten, wie Maulbronn, Babenhausen, Bronn-
bach, vor allem aber mit französischen Cistercienseranlagen ins Auge. Mit der von
Vaux-de-Sernay (Diöcese v. Paris, s. Viollet-le-Duc. Dict. rais. d. l'arch. I. 273 ff.) ist
Eberbach fast identisch.
Innerhalb einer Ringmauer von 1100 m Länge, welche das ganze Klostergebiet
in unregelmässiger Ellipsenform umgiebt und von dem hindurchfliessenden Eber- oder
Kisselbach in zwei ungleiche Theile getheilt wird, liegt die Abtei in zwei ziemlich genau
nach den Himmelsgegenden gerichteten Baugruppen. Die grössere, westliche, enthält
die eigentliche Clausur und das Haus der Laienbrüder (Conversen) ; die östliche, klei-
nere, ist nach Schäfer's Untersuchungen jetzt wohl endgültig als selbständiger Hospital-
bau zu betrachten.
Im eigentlichen Klosterbau ist die sehr gross angelegte Kirche der dominirende
und für das Uebrige bestimmende Bau gewesen ; das Kloster schliesst sich ihr nördlich
an. Es ist um einen fast quadratischen Kreuzgang so gruppirt, dass ein an den Osttheil
der Kirche (Querschiff) unmittelbar anschliessender ca. 80 m langer , 16 m breiter
Baukörper die zum Tages- und Nachtaufenthalt der Conventualen bestimmten Räume,
ein rechtwinkelig daran stossender Flügel von 47 m Länge und verschiedener Tiefe
Refektorium , Küche und verschiedene andere Wirthschaftsräume und ein von der
eigentlichen Clausur durch eine 16 m breite „Klostergasse" getrennter Westbau von
87 m Länge und ca. 16 m Tiefe, also in ziemlich genau dem Conventualenhaus entspre-
chenden Maassen, die Wohnung der Laienbrüder enthält. Dadurch, dass dieser Bau-
theil mit seinem Südgiebel an den Westgiebel der Kirche stösst, ist hier ein vollkom-
mener Abschluss des innern Klosters erzielt. Die Kirche, deren Schiff an einer nicht
mehr nachzuweisenden Stelle einen Lettner als Grenze zwischen dem für Laien und
dem für Brüder bestimmten Theil enthielt, war im westlichen Theil sowohl von Aussen (für
* ) Kurz vor Drucklegung dieses Buches ist das "Werk von Oberbaurath Carl Schäfer: Die
Abtei Eberbach im Mittelalter (Berlin, Wasmuth 1901) erschienen. Diese in jedem Sinne
vorbildliche Monographie hat der Verfasser noch benutzen können ; er hatte dabei die Freude, die
meisten seiner eigenen Annahmen bestätigt zu sehen ; bei andern hat er sich den Ergebnissen der mit
vollster fachmännischer Sicherheit durchgeführten Untersuchungen gerne untergeordnet, und kann für
das genaue Studium von Eberbach nur auf dies grundlegende Werk hinweisen.
10*
r
die Umwohner), wie
von der Kloster-
gasse aus (für die
Laienbrüder) zu-
gänglich. Die Or-
densbrüder benutz-
ten mehrere in der
Nordwand der
Kirche liegende
Thüren , von wel-
chen noch eine in
Gebrauch ist. Den
Haupteingang des
eigentlichen Klo-
sters hat man (mit
Schäfer) in einem
das Laienbruder-
haus ungefähr in
der Mitte durch-
setzenden Korridor
zu suchen. Von
diesem führte für
letztere der Zu-
gang zu ihrem Ge-
lass durch die Klo-
stergasse , für die
Conventualen
ebendort die ein-
zige Thüre in den
Kreuzgang und da-
mit in die allen
Laien versagte
Clausur. Vor dem
einzigen weiteren
Ausgang der letz-
teren, der in der
Ostwand des Bru-
derhauses lag, ist
ein umfriedeter
Garten anzuneh-
men.
EBERBACH. KIRCHE.
149
DIE KIRCHE.
Die Kirche ist eine durchweg gewölbte Basilika von gebundenem Grundriss, d.h. das
Mittelschiff hat die doppelte Breite der Seitenschiffe, so dass auf jedes quadratische Joch
des ersteren zwei ebensolche Seitenschiffjoche entfallen. Bei elf Jochen der letzteren
sehen wir also die ungewöhnliche Erscheinung , dass das Mittelschiff mit fünf ganzen
und einem halben Kreuzgewölbe überdeckt ist. Das Querschiff hat drei Joche, von
denen die seitlichen etwas länger als das dem Mittelschiff entsprechende quadratische
Mitteljoch angelegt sind. Der Chor, östlich mit einer graden Wand abgeschlossen,
ist aus dem Quadrat etwas in die Länge und gegen die Mittelschiffbreite etwas ein-
gezogen. Vor die Ostwand jedes der Seitenjoche des Querschiffs sind drei kleine
und niedrige Kapellen vorgelegt, ebenfalls nach Osten grade geschlossen. Dieser
Grundriss entspricht fast genau (bis auf die Zahl der letztgenannten Kapellen) dem-
jenigen von Fontenay und ist dem von Maulbronn sehr nahe verwandt.
Die Architektur der Kirche ist von äusserster Strenge und Einfachheit, was in
Verbindung mit ihrer Grossräumigkeit und den schönen Verhältnissen einen be-
wältigenden Eindruck ergeben haben muss, ehe das Bauwerk seiner jetzigen Theilung
durch eine die Länge in zwei Hälften schneidende Mauer und sonstiger Profanirung
anheimgefallen ist. Die Schlichtheit des Details mag ebensowohl auf die Ordenssitte
wie auf den Mangel an gutem Baumaterial zurückzuführen sein. Dass ein Quaderbau,
dessen Material weither bezogen werden musste, hier alsbald als entbehrlicher Luxus
erkannt worden ist, beweist das Aufgeben eines Lisenenschmucks am Osttheil der
Kirche, der an verschiedenen Stellen angefangen, aber nach sieben bis zwölf Schichten
wieder verlassen wurde. Dennoch begegnen wir im ganzen Klosterbau vielen
Architekturtheilen aus Haustein , dessen Material in den frühesten Zeiten ein fein-
körniger Kalkstein, später Mainsandstein von verschiedener Herkunft und Färbung
war. Daneben finden die im Bruch zugehauenen kleinen Mauerquadern aus Brohler
Tuffstein (sog. Moellons, ein am ganzen Rhein sehr verbreitetes Baumaterial) vielfach
Verwendung. Das Mauerwerk selbst ist fast durchweg aus Quarzitschiefer des
Taunus, untermischt mit Wacken (zerschlagenen Findlingen) ; auch Backstein kommt
frühzeitig vor. Dieses Bruchsteinmauerwerk ist durchweg im Aeusseren verputzt.
Sämmtliche Pfeiler der Kirche haben rechteckigen Querschnitt, dem zur Stütze
der Seitenschiffgurte flache rechteckige Pfeiler vorgelegt sind, mit ebensolchen Vor-
lagen an den Seitenschiffwänden korrespondirend. Die Gurte des Mittelschiffs werden
von flachen Vorlagen aufgenommen, welche erst am Kämpfergesims der Seitenschiff-
bogen mit Konsolen beginnen, die einen Theil des Gesimses verkröpft und darunter
zwei durch einen Karnies getrennte Platten , zu unterst eine umgedrehte halbe vierseitige
Pyramide zeigen. Dies einfache Kragsteinmotiv kehrt an mehreren Stellen des Kloster-
baues wieder (s. Fig. 141). Die Basen der Pfeiler bestehen aus Platte, einem umgekehrt
echinusartigen Wulst und kleiner Ansatzplatte. Im Chor und der Vierung sind in
die Ecken kleine dienstartige Dreiviertelsäulen als Träger der Gewölbe-Diagonalen
eingefügt, die unverzierte Würfelkapitäle und attische Basen mit Eckblättern haben.
150
EBERBACH. KIRCHE.
EBERBACH. KIRCHE.
151
Unter den Gewölben sind Schildbogen durchgeführt, die im Mittelschiff durch kleine,
seitlich an die Vorlage der Oberwand vorgekragte Konsolen aufgenommen werden;
die Gurtbogen haben rechteckigen unprofilirten Querschnitt.
Die Fenster, klein, rundbogig geschlossen und mit einfach abgeschrägten, ver-
putzten Gewänden versehen, sind im Schiff so vertheilt, dass auf jedes Seitenschiff-
joch eins kommt, während im Schildbogen des Mittelschiffgewölbes zwei nebeneinander
liegen. Die Ostwand des Querschiffs ist mit je einem in der Oberwand und je einem
in den Kapellen durchbrochen; der Südgiebel mit 3, zu 2 und 1 übereinander ange-
ordneten Fenstern. Von den Fenstern der östlichen Chorwand sind noch die drei
unteren (das mittelste vermauert) erhalten ; darüber wurde bei dem Umbau des 14. Jahr-
U i i i i * 1 1 '\ 1 i r
Fig. 139. Kloster Eberbach. Schnitt durch das Querschiff.
hunderts ein grosses Spitzbogenfenster gebrochen, das jetzt seines Masswerks beraubt
und bis zum Kämpfer ebenfalls vermauert ist. Im Westgiebel der Kirche ist über
zwei nebeneinanderstehenden Halbkreisfenstern ein Rundfenster angebracht, dessen
Gewänd eine reichere Folge von Profilen, aus Absätzen, Schmiegen und Rundstäben
bestehend aufweist. Dasselbe ist im Aeussern durch halbkreisförmig geschlossene Blend-
nischen mit den untern Fenstern zusammengezogen. In diesem Giebel liegt in der Mauer-
stärke eine 57 cm breite Treppe, welche den einzigen Zugang aus der Kirche nach
dem Dachboden darstellt. Von besonderen zur ursprünglichen Kirche gehörigen
Räumen sind noch zu nennen: über den Kapellen des Querschiffs kleine Räume, von
Tonnengewölben überdeckt und nach Osten mit Rundbogenfenstern versehen, welche
diesen Theil der Ostfront zweigeschossig erscheinen lassen. Der nördliche Raum, vom
Conventsbau zugänglich, wird als Schreibstube, der südliche als Paramentenkammer
152
EBERBACH. KIRCHE.
bezeichnet. Zu ihm fehlt jetzt jede Verbindung ; hier muss wohl eine an der südlichen
Giebelwand innen emporgeführte schmale Treppe, die jetzt verschwunden ist, ange-
nommen werden.
Der zweite Raum ist eine kleine Vorhalle, Paradies, welche dem im zweiten
Seitenschiffjoch (von Westen) befindlichen Laienportal vorgelegt ist. Der kleine, ganz
schmucklose mit einem Kreuzgewölbe überdeckte Raum war ursprünglich nach Süden
und Osten in einem Bogen geöffnet, und muss wegen seiner unschönen Verbindung
mit dem Kirchenportal als späterer Zusatz betrachtet werden. Als Bauzeit der Kirche
hat man die Jahre von ca. 1170 bis zu ihrer urkundlich feststehenden Einweihung
1186 anzunehmen.
* * S 4 S*.
I I 1 I I
Fig. 140. Eberbach. Kirche. Westliche Giebelfenster.
Einen eingreifenden Um- bezw. Erweiterungsbau erfuhr die Kirche im Anfang
des 14. Jahrhunderts durch die Anfügung von neun Kapellen am südlichen Seitenschiff.
Es war in der Ordensregel vorgesehen, dass diejenigen unter den Brüdern, welche die
Priesterweihen empfangen hatten, einen Altar zum täglichen Messelesen zugewiesen er-
hielten. Durch die Anlage dieser Kapellen, von denen jede einen Altar erhielt, be-
zifferte sich die Zahl der gleichzeitig verfügbaren Altäre auf fünfzehn. Die erste dieser
neuen Kapellen wurde vor dem dritten Joch (von Westen) des südlichen Seitenschiffes
im Jahre 1313 nach der Stiftung des Sifrid von Dotzheim erbaut; ihr folgten, wie die
Bauformen beweisen, in den nächsten Jahrzehnten die übrigen. Zur Anlage dieser
EBERBACH. KIRCHE.
153
Fig. 141. Eberbach. Gewölbe-Konsolen, a u. b aus der Kirche, c aus der Küche, d aus dem Conversenhaus.
Kapellen wurde bis zur Gewölbhöhe die Südwand des Seitenschiffs durchbrochen.
Auch die Kapellen unter einander wurden durch offene Spitzbogen verbunden,
so dass jetzt, nachdem die nach Osten gerichteten und die Trennung der einzelnen
Kapellen bildenden Altäre verschwunden sind, die Anlage den Eindruck eines
durchlaufenden Seitenschiffs hervorruft. Der südliche Pfeiler jeder Kapelle erhielt
zwei noch vorhandene Mauernischen, die Credenz und Piscina.
Die Strebepfeiler der Kapellen sind ins Innere gezogen, die Gewölbe aus Back-
stein mit sandsteinernen gekehlten Rippen auf Schalung gemauert, die im Verputz
der Kappen noch zu erkennen ist.
Nach Süden öffnete sich jede Kapelle mit einem spitzbogigen Masswerkfenster ;
die Zeichnung der Masswerke zeigt, von Westen nach Osten fortschreitend, eine dem
Fortgang des Baues entsprechende Aenderung, an der die Profile theilnehmen. Jede dieser
Südkapellen war ursprünglich aussen mit einem selbständigen gothisch-spitzen Giebel-
dach bedeckt, von denen die Ansätze an der Kirchenmauer noch durch Schäfer fest-
gestellt werden konnten. \ [Bei dem Erneuerungsbau nach dem Orkan von 1679 wurden
Fig. 142. Eberbach. Masswerk in den Kapellen der Abteikirche.
154
EBERBACH. KREUZGANG.
nebst der Erneuerung des Hauptdaches auch die Kapellendächer in der jetzt noch
bestehenden Anordnung — je zwei Kapellen unter einem Dache, abgeändert.
Derselben Bauperiode wie die Kapellen gehört die oben erwähnte Aenderung
des östlichen Chorfensters an, mit welchem gleichzeitig auch in der Nord- und Süd-
wand des Chors grosse, spitzbogige Masswerkfenster angelegt wurden. Das noch
erhaltene südliche zeigt die gleiche Behandlung wie die Kapellenfenster. Auch das
spitzbogige Portal der südlichen Querschiffwand dürfte im U.Jahrhundert entstanden sein.
Von den in späterer Zeit in der Kirche in grösserer Zahl aufgestellten Altären
hat sich die Piscina eines in der Laienabtheilung befindlichen in einer zierlich spät-
gothisch umrahmten Nische in der Nordwand erhalten, deren Sohlbank die Inschrift
Sta elp?abet& latg (lantgravia) trägt.
DER KREUZGANG.
Von dem zwischen den Aussenmauern von Nord nach Süd 36 m, von Ost nach
West 31 m messenden Kreuzgang ist gegenwärtig der West- und Nordflügel voll-
ständig, von dem Ostflügel ein Rest von drei Jochen erhalten. Von dem Uebrigen
fehlt die Aussenmauer, so dass sich der Zustand des Süd- und Ostflügels nur aus den
Ansatzbogen und den Consolen mit Gewölbeanfängen ergänzen lässt. Aber auch das
noch Erhaltene, durchweg der gothischen Bauperiode entstammend, kann nicht der
ursprüngliche, bei der Anlage des Klosters als unentbehrlicher Bautheil errichtete
Kreuzgang sein, vielmehr ist man durch einen im Nordflügel vorhandenen romanischen
Rest darauf hingewiesen, einen mit der ersten Klosteranlage gleichzeitigen, romanischen
Kreuzgang anzunehmen, für dessen Rekonstruktion allerdings jeder Anhalt fehlt. Nur
dass derselbe ungewölbt war, scheint nach Schäfer aus dem Fehlen jeder Spur früherer
Gewölbansätze hervorzugehn.
Der oben erwähnte Rest ist ein romanisches Portal mit vorliegendem, von einer
Stichkappe nach dem Portal hin durchsetzten Tonnengewölbe, welches sich in dem
Nordflügel befindet und den Zugang zu dem (im 18. Jahrhundert modernisirten) Refek-
torium bildet. Nachgrabungen haben zu der Ueberzeugung geführt, dass entsprechend
den Einrichtungen zahlreicher anderer Cistercienserklöster (u. A. des ältesten Tochter-
klosters von Eberbach, Schönau im Odenwald) vor diesem überwölbten Raum ein
L a v a b o mit grosser Brunnenschale gestanden hat, welches zur Reinigung vor dem
Eintritt in den Speisesaal diente. Die Schale hat sich als Spülstein in der Klosterküche
erhalten ; sie ist kreisrund, 2,30 m im Durchmesser bei 42 cm Dicke und geht aussen
mit schwach ausgehöhlten Flächen ins Sechzehneck über, dem 16 Durchbohrungen für
metallne Wassertüllen entsprechen. Es sei auf die Rekonstruktion Schäfers hingewiesen,
in welche derselbe noch eine kleinere, jetzt im Museum in Wiesbaden aufbewahrte
Steinschale aus Eberbach, dort fälschlich als Taufschale bezeichnet, einbezogen hat. Ein
breiter Mauerrest, welcher die Architektur des nördlichen Kreuzgangsflügels an dieser
Stelle auffallend unterbricht, war die mit einem grossen Halbkreisbogen durchbrochene
Nordwand des in den Kreuzgarten kapellenartig hineinragenden Lavabo- Vorbaues.
EBERBACH. KREUZGANG.
155
Fig. 143. Eberbach. Westlicher Kreuegangflügel nach Schäfer.
Dass der jetzige Kreuzgang nicht in einem Zuge erbaut worden ist, lehrt ein Blick
auf die stilistisch stark von einander abweichenden baulichen Einzelheiten. Doch ist die
Reihenfolge schwer festzustellen. Bemerkenswerth ist, dass die Gewölbekonsolen in den
drei noch erhaltenen Jochen des Ostflügels an der Wand des Conventbaues die ältesten,
der Frühgothik des 13. Jahrhunderts angehörige Ornamentformen zeigen (s. Fig. 151).
Wenn man Schäfer auf Grund von dessen genauen Untersuchungen der Aussenmauern
folgt, so wird man den Westflügel für den zuerst gebauten ansprechen. Dieser hat
(ohne die Ecktraveen) zehn freie Gewölbjoche, die nach der Klostergasse nur durch
eine starke, noch der ersten romanischen Anlage angehörige Mauer abgeschlossen
sind. Die in dieser befindliche Thür, der einzige Ausgang aus der Clausur, ist romanisch
angelegt und in späterer Zeit gothisch umgearbeitet. Nach dem Kreuzgarten ist der
Fig. 144. Eberbach. Konsolen im östl. Theil des nördl. Kreuzgangflügels.
156
EBERBACH. KREUZGANG.
Fig. 145. Eberbach. Gewölbekonsole im östl. Krensgaiigflügel.
Westflügel durch eine Wand
abgeschlossen,die mit Strebe-
pfeilern mit steilen Wasser-
schlägen besetzt und von
Oeffnungen mit einem sehr
ungewöhnlichen Masswerk
in zwei regelmässig wech-
selnden Mustern durch-
brochen ist. Dieses in der
nördlichen Hälfte der Joche
noch erhaltene Masswerk ist
in Abb. 143 dargestellt. Die
Pfosten haben regelmässig
achteckigen Querschnitt,
Basen und Kapitale. Die
Kreuzgewölbe im Innern setzen mit ihren schlicht gekehlten Gurten und Rippen auf
schmucklosen, aus dem halben Achteck konstruirten Konsolen auf; ihre Schluss-
steine haben Rundschilde mit spätgothischem Laubwerk und Köpfen belegt.
Der gleichen Zeit und Formgebung wie der Westflügel, Ausgang des 13. Jahr-
hunderts, gehören die anschliessenden vier Joche des Nordflügels bis zur Refektorium-
thüre an, nur zeigen die Rippen hier Birnprofile. Oestlich von dieser sehen wir zwei
Joche in abweichender, ausgesprochen späterer Stilfassung. Hier sind die Oeffnungen
viertheilig, mit reichem und spätem Masswerk ausgesetzt, mit Nuthen zur Verglasung
und abgeschrägten Sohlbänken (beim Typus des Westflügels sind diese Nuthen unter
Zerstörung des Kapitals später eingehauen, die Sohlbänke grade). Die Konsolen sind
hier mit Köpfen verziert, aus denen spätgothisches Laubwerk hervorwächst (Fig. 144).
Wohl aus derselben Zeit wie diese letzteren, aber von anderer Hand sind die
sieben Konsolen der Ostwand, bei deren verschiedener Höhenlage die vorhandenen iOeff-
nungen des Konventbaues
bestimmend gewesen sind.
Diese Konsolen dürfen
neben einigen Grabstei-
nen in der Kirche als die
feinsten Werke der Stein-
metzkunst in Eberbach
gelten. Neben einer voll-
endeten Ornamentik zei-
gen sie eine Neigung zum
launigen Fabuliren : es
sei auf den zierlichen En-
gel, den lesenden Mönch
und die im fünften Konsol Fig. 146. Eberbach. Gewölbekonsole im östl. Krenagangfliigel.
EBERBACH. KREUZGANG. 157
von Westen dargesellte sehr intime
heilige Famiii enscene hingewiesen.
Derber, aber auch höchst charakteri-
stisch sind die Konsolen des zerstörten
Südflügels. Unter die Gesimsplatten
ducken sich Halbfiguren, mit Kronen
und Diademen geschmückt, die Schrift-
bänder (Thorarollen ?) in den Händen
tragen und vielleicht die Könige '
und Propheten des alten Testa-
mentes versinnbildlichen. Dieser J
Eig. 148. Eberbach.
Treppenthurm im Kreusgarten.
Fig. 147. Eberbach.
Gewölbekonsole im südlichen Kreuagangflügel.
Flügel ist der einzige, in welchem
die Schildbögen spitzbogig sind ; sonst
herrscht im ganzen Kreuzgang der
Rundbogen vor. Erwähnenswerth ist
noch eine Mauernische in dem süd-
östlichen Eckfelde des Kreuzgangs, in
welcher Schäfer wohl mit Recht das
nach der Ordensregel innerhalb der
Clausur stets vorhandene offene Grab
erblickt.
Die jetzige Erscheinung des Kreuz-
gangs hat, abgesehen von der theil-
weisen Zerstörung, durch spätere Zu-
bauten ein verändertes Ansehen er-
halten. So ist auf den ganzen Nord-
flügel ein Obergeschoss zu Wohn-
zwecken aufgesetzt. Das gleiche ist
im Jubiläumsjahr 1500 mit dem West-
flügel geschehen, der später wegen
der Benutzung dieser Wohnung durch
Oxenstierna, den schwedischen Gene-
ralissimus nach dem Tode Gustav
Adolfs , den Namen „Schwedenbau"
erhielt. Um diesem Wohntrakt die
nöthige Tiefe zu geben, wurden die
iüÄ"* nach dem Kreuzgarten vorliegenden
Strebepfeiler oben durch rohe Seg-
mentbögen verbunden und vor die
Westmauer des Kreuzgangsflügels
158
EBERBACH. CONVENTUALENHAUS.
in die Klostergasse eine Reihe schwerer Holzpfeiler gestellt, welche die Westwand
des Schwedenbaus tragen. Aus dieser Umänderung stammt inschriftlich auch der
Wendeltreppen -Vorbau , der den Westflügel etwa in der Mitte unterbricht. Dieser
besitzt nach dem Kreuzgarten im massiven Erdgeschoss eine spitzbogige Thür, oben einen
sehr malerisch wirkenden Holzbau- Aufsatz und an dem hübschen achtgiebeligen Spitz-
thürmchen in Blei getriebene Thierköpfe als Wasserspeier, unter denen man neben
Ziegen und Ochsen mehrfach das Wappenthier des Klosters, den Eber, bemerkt.
DAS CONVENTUALENHAUS.
Zwischen diesem und dem Nordflügel des Kirchenquerschiffs liegt eine kleine
Axe, welche dreigeschossig, im Erdgeschoss die Sakristei, im ersten Stock die Biblio-
thek und das Archiv, im Obergeschoss einen als Krankensaal anzusprechenden Raum
enthält, alle mit Tonnengewölben überdeckt. Das Mittelgeschoss, von dem aus der
über den Nordkapellen belegene, als Schreibzimmer erklärte Raum zugänglich war,
weist noch den Rest eines Fussbodenbelags aus roth, schwarz und gelb glasirten
Fliesen auf. Die wenig planmässige Anordnung dieses, in neun verschiedenen Mosaik-
mustern wechselnden Fussbodens (s. Schäfer, Text. p. 85) legt die Vermuthung nahe,
dass derselbe später aus kleinen, in verschiedenen Räumen vorgefundenen Resten hier
zusammengebracht wurde. Der dreigeschossige Zwischenbau hatte kleine Fenster-
öffnungen und entbehrte jede weitere architektonische Ausbildung ; ein kleines Chörchen,
welches die Sakristei besass, ist verschwunden, aber von Schäfer nach vorhandenen
Andeutungen rekonstruirt worden. Durch den Sakristei- und Bibliothekbau führt
eine einläufige Treppe aus dem Querschiff der Kirche in das im ersten Stock des
Conventbaus gelegene Dormitorium, welche die Mönche beim nächtlichen Gottes-
dienst benutzten.
Es mag hier die Frage aufgeworfen werden, ob man in dem als Bibliothek und
Archiv bezeichneten Raum über der Sakristei nicht die ursprüngliche Abtswohnung
zu suchen hat. Da für diesen unentbehrlichen Raum sich in der ganzen ursprünglichen
Klosteranlage kein annehmbarer Ort findet, dieser aber durch seine Lage in nächster
Nähe der Kirche und des Conventualenhauses seiner Bestimmung besser entsprochen
haben würde, als der von Schäfer angenommene , ausserhalb der Clausur am nörd-
lichsten Ende des Laienbrüderhauses, so ist diese Frage vielleicht diskutirbar.
Der an diese Zwischenaxe anschliessende grosse Bau, der Wohnbau der
Brüder, der auf den ersten Blick einen ziemlich einheitlichen Eindruck macht, giebt
bei eingehender Betrachtung eine Menge Räthsel auf, deren Lösung durch die heutige
Benutzung des grössten Theils der Erdgeschossräume zu Domanial-Weinkellern wesent-
lich erschwert wird. Die auf Grund genauester Untersuchung und mit scharfsinniger
Kombination durchgeführte Erklärung dieser Raumgruppen, sowie die Bestimmung
ihrer Zeitfolge ist wohl der glänzendste Abschnitt in Schäfers Monographie, auf den
hier ganz besonders hingewiesen werden muss. Wir können den Resultaten dieser
Untersuchung hier nur kurz folgen.
Fig. 149. Eberbach. Kapitelsaal.
EBERBACH. CONVENTUALENHAUS.
159
Im Erdgeschoss folgt, von Süden nach Norden fortschreitend, zuerst der Kapitel-
saal, dann ein Durchgang vom Kreuzgang zum Klostergarten, dann ein grosser Saal
zum Tagesaufenthalt der Brüder, die „Fraternei."
Der prächtige spätgothische Kapitelsaal, welcher jetzt das Hauptinteresse
der die Abtei Besuchenden in Anspruch nimmt und 1876 gut restaurirt worden ist,
enthält noch die Spuren des viel bescheideneren, bei der Anlage des Klosters erbauten
Kapitelsaals. Es sind dies vier Fenster, die, ziemlich tief liegend, die geringere Höhe
des ursprünglichen Saales beweisen. Zwei
davon, in der Ostfront, sind einfach rund-
bogig geschlossen ; zwei in der Westfront
bilden Doppel-Arkaden , die in der Mitte
auf je zwei hinter einander stehenden Säul-
chen ruhen. Diese sowie ihre etwas bar-
barischen Gliederungen muthen in der roma-
nischen Architektur von Eberbach fremd an.
Dieser alte Saal wurde gegen Mitte
des 14. Jahrhunderts aufs prächtigste um-
gebaut. Die alten Umfassungsmauern, welche
14 Meter ins Geviert massen, wurden benutzt
und über sie ein reiches Sterngewölbe aus
dem Achteck konstruirt , welches auf einem
Mittelpfeiler ruht. Dieser Pfeiler, von acht-
eckigem Querschnitt , hat auf den Seiten
spitzbogig mit Nasen endigende Blenden
und ein mit schon etwas kraus gezeichnetem
Blattwerk verziertes Kelchkapitäl. Die
birnenförmigen Gurte zeigen die Eigen-
thümlichkeit, dass sie bis dicht an den Rand
der Kämpferplatte vortreten, so dass ihre
vordere Platte mit der entsprechenden Platte
der letzteren bündig liegt. An den Wänden
werden die Gurte und Rippen durch schöne
Konsolen aufgenommen, die aus dem Acht-
eck gezeichnet unter einer grossen Kehle
mit Hängemasswerk geschmückt sind. Die
Schlusssteine tragen gothische Laubwerk
Rosetten.
Zur Beleuchtung des höher gewordenen Saales wurden in die Schildbögen über
den romanischen Fenstern an der Ostseite drei spitzbogige Fenster mit zweitheiligem
Masswerk eingesetzt.
Der hinter dem Durchgang anschliessende Saal, die Fraternei, ca. 55 Meter
lang 13,50 Meter breit und zweischiffig , ist mit 16 Kreuzgewölben überdeckt, die auf
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Fig. 150. Eberbach. Mittelpfeiler des Kapitclsaats.
160
EBERBACH. CONVENTUALENHAUS.
CflPlTflLQ ÜKlD CONS0L6N
Fig. 151. Eberbach. Kapitale aus dem Schlafsaal der Brüder.
sieben in der Mittellinie stehenden Säulen ruhen. Diese Säulen von schwerer, wuch-
tiger Zeichnung sind rund , haben eine Basis aus zwei Wülsten auf runder Plinte,
hohe, schlichte Kelchkapitäle, von denen einige einen um den Kelch gelegten Kranz
von streng stilisirten, fast nachmusterartig aufgelegten Blättern tragen. Die Gewölbe
mit einfach gekehlten Profilen sind wegen der beschränkten Höhe nicht überall im
Fig. 152. Eberbach. Schlafsaal der Mönche.
EBERBACH. CONVENTUALENBAU.
161
vollen Rundbogen ausgeführt. Schäfer setzt die Ausführung dieses Baues in zwei
Perioden, die zwischen 1245 und 1260 liegen.
Auch über die Umgestaltungen dieses Bautheils von 1180 bis 1245 stellt Schäfer
auf Grund eingehenden Studiums , besonders der Fensterwände , bestimmte Ver-
muthungen auf, die man in seinem Werke nachlesen möge.
Das Obergeschoss dieses ganzen Flügels nimmt der Schlafsaal der Mönche
(Dormitorium, Dorment) ein, von 74 m Länge und 13,50 m Breite Lichtweite, heute
noch der grösste und imponirendste Raum im Klostergebäude, wenn er auch durch
Einbauten, welche die verweichlichten Mönche im 18. Jahrhumdert zur Abtheilung
geschlossener Schlafsäle in demselben ausführten, in seiner Prachtwirkung beeinträchtigt
ist. Er ist zweischiffig ; die 22 Felder der weitgespannten Kreuzgewölbe ruhen auf
zehn in der Mittellinie stehenden Rundpfeilern auf, nur der südlichste hat achteckigen
Querschnitt. Die überraschende Schönheit des Raumeindrucks beruht nicht zum
Wenigsten auf dem starken Gegensatz der Höhe (6,80) zu den etwa mannshohen
Säulen. Die Höhe dieser Säulen weicht unter einander in einer dem Auge sofort
auffallenden Weise ab ; im Allgemeinen steigt sie von der Nordwand an (von 1,64 m)
nach Süden (auf zwei Meter), aber in unregelmässigen Intervallen. Dass der Gedanke
an eine etwa aus perspektivischen Gründen absichtlich eingeführte Höhenverminderung
von Süden nach Norden durchaus von der Hand zu weisen ist, spricht auch Schäfer
in der überzeugenden Form aus, dass den Alten jeder Gedanke an solche „Mätzchen"
fern gelegen hätte. Thatsächlich liegen die Kämpfer in der Wagrechten und nur der
infolge der unregelmässigen Ausführung der Gewölbe des Erdgeschosses nach Norden
hin ansteigende Boden hat eine Minderung der Säulenhöhe zur Folge gehabt.
Die Architektur des Saales zeigt eine edle Frühgothik: die Basen der Säulen
haben über vierseitiger Plinte einen über dieselbe vortretenden gekanteten Wulst;
dicht darüber mit enger Einschneidung einen kleineren Rundstab. Die Kapitale haben
viereckige Deckplatten, darunter runde, mit dem oberen Randprofil übertretende Kelche.
Diese sind mit prächtig gemeisseltem, der heimischen Flora entnommenen Blattwerk,
an zwei Beispielen noch in Knospenform belegt ; Fig. 151 giebt eine Vorstellung von
diesen zum schönsten Ornament der deutschen Frühgothik gehörenden Bautheilen.
Die Wandkonsolen, auf welche die in einfacher Kehlung profilirten Gurte und die
birnenförmig gestalteten Rippen aufsetzen, sind kelchförmig und aus dem Achteck ge-
zeichnet, einige mit bescheidenem Blätterschmuck.
Die Fenster des Schlafsaals wurden im 18. Jahrhundert verändert , indem man
zwei Reihen übereinander anlegte. Aus den im äusseren Mauerwerk noch sichtbaren
Spuren lässt sich schliessen, dass die ursprünglichen Fenster, der jetzigen unteren
Reihe entsprechend, zu zwei und drei nebeneinander in jedem Gewölbefeld angeordnet
waren, mit einfach gefasten Gewänden. Die Nordwand hatte rechteckige Fenster;
im Dachgiebel daselbst befindet sich noch ein Doppelfenster mit Kleeblattbogen, welches
für den Schluss der Saalfenster einen Anhalt geben mag. Der ganze Dormitorium-
Bau ist mit starken Strebepfeilern besetzt, die steile Pultdächer und in Kämpferhöhe
des Erdgeschosses wie in Fensterbankhöhe des Oberstocks ein Kaffgesims haben.
Ii
162
EBERBACH. REFEKTURBAU.
Die vier südlichsten Felder des Schlafsaals zeigen eine von der vorher be-
schriebenen etwas abweichende Formbehandlung , die für das achte und neunte Feld
(von Norden gerechnet) eine um wenige Jahrzehnte jüngere Entstehung annehmen
lässt. Das zehnte und elfte Feld hingegen zeigt sich im Stil mit dem darunter-
liegenden Kapitelsaal aufs genaueste übereinstimmend,
sodass die Annahme naheliegt, diss erst nach Voll-
endung des letzteren um 1330 diese beiden Joche
erbaut und damit der prächtige Schlafsaal, dessen Bau-
zeit im Uebrigen in die Jahre von 1270 bis 1290 zu setzen
ist, vollendet wurde. Eine wahrscheinlich mit der Er-
bauung des Saales gleichzeitige Treppe mündet im
siebenten Gewölbefeld (von Norden) offen in den Saal
ein. Sie tritt im Ostflügel des Kreuzgangs, im dritten
Feld (von Norden) an, wo eine frühgothische Thür mit
reichem, erhaltenem Beschlag auf den alten Thürflügeln
sie abschliesst ; zwischen Wangenmauern , im untern
Lauf von einem Kreuzgewölbe überdeckt, steigt sie auf
und wendet sich ungefähr auf halber Höhe nach links.
3^
DER REFEKTURBAU.
Von dem Bruderhaus durch einen kleinen , mit
der Fraternei durch eine jetzt vermauerte Thür ver-
bundenen Hof getrennt, der jetzt ins Innere der
hier eingerichteten Wohnräume gezogen ist, schliesst
sich an den Nordflügel des Kreuzgangs der Bau,
welcher der Klostersitte entsprechend die R e -
fektur, den Speisesaal der Brüder und im unmittel-
baren Anschluss daran Küche und Backstube enthielt.
Das Refektorium hat wie oben erwähnt von seiner alten
Anlage noch die romanische, vom Kreuzgang aus über
Fig. 153. Eberbach. Beschlag der mehrere Stufen emporführende Thüre bewahrt, die in
Thun am Aufgang zum Schlafsaal. j-^ dargestellt ist. Das Refektorium selbst, über
dessen ursprüngliche Einrichtung man nur Vermuthungen aufstellen kann, zeigt heute die
Gestalt, welche es durch einen 1720 erfolgten Umbau erhalten hat. Es ist ein prächtiger
Barocksaal in dem nur eine in der Ostwand erhaltene Rundnische aus Stein vielleicht
den letzten Rest der alten Form (Platz des Lektors?) darstellt. Die romanische
Thür ist im Innern mit einer barocken Steinumrahmung umgeben. Die Wände sind
in der ganzen Höhe mit Eichenholz einfach getäfelt, die Thüren mit Nussbaum-Maser-
holz furnirt und schönen messingenen Beschlägen verziert. Von sehr guter Arbeit
ist die Stuckdecke, die in zwei Felder getheilt sich in einer grossen, reichornamen-
tirten Voute mit den Wänden verbindet. Ein grosser Schrank in deutscher Spät-
EBERBACH. REFEKTURBAU. KÜCHE.
163
renaissance, (etwa Mitte 17. Jahrhunderts) welcher im Refektorium steht, zeigt gute
Verhältnisse und hübsche Schnitzerei, ist aber leider in unverständigster Weise mit
Farben überstrichen.
Die Küche, ein Raum von 11 Meter Länge und 8,50'Meter Breite im Lichten,
tritt mit ihrer Längenaxe vor die Flucht des Refekturbaues nach Norden vor. Sie
zeigt noch die alte Anlage in sechs, auf zwei Pfeilern ruhenden Kreuzgewölben, wenn
auch auf den ersten
Blick die ausge-
sprochene Barock-
form der Pfeiler
über die Ent-
stehungszeit dieses
Raumes täuschen
kann. Die Prüfung
der romanischen
Kreuzgewölbe mit
ihren flach vortre-
tenden kantigen
Gurten und na-
mentlich derWand-
konsolen (s. Fig.
141) welche denen
der Kirche ausser-
ordentlich ähnlich
sind , überzeugt
bald, dass wir hier
die ursprüngliche
Küche vor uns
haben, deren frei-
stehende Säulen
sich wahrscheinlich
im Laufe der Zeit
für die Last der
Gewölbe und des
hier vorhandenen
,",1 , Fig. 155. Eberbacli. Romanische Thür sunt Refektorium.
Obergeschosses zu * J
schwach erwiesen und vielleicht bei dem Umbau der Refektur, unter sorgfältiger Er-
haltung der Gewölbe, ausgebrochen und durch die jetzigen Pfeiler ersetzt worden sind.
Ein schmaler Raum, der zwischen der Küche und der Kreuzgangswand übrig bleibt,
enthielt nach den von Schäfer aufgefundenen Spuren in seiner östlichen Hälfte den
Herd mit grossem auf einem Balken ruhenden Rauchfang, im westlichen Theil eine
Treppe zum Obergeschoss.
u*
164
EBERBACH. LAIENBRÜDERHAUS.
Der folgende mit zwei ursprünglichen Kreuzgewölben überdeckte Raum, neben
dem sich wieder der entsprechende schmale Raum mit Kamin hinzieht, wird als die
Klosterbäckerei gedeutet, an die sich ein ungewölbter Raum anschliesst zum Austheilen
der Speisen an die Laienbrüder und an Bedürftige, die sich in einer vor diesem liegenden
Halle einfanden. Diesen jetzt ganz modernisirten und mit flacher Decke versehenen
Bautheil erklärt Schäfer als Portikus, der gewölbt und nach Norden und Süden in je
zwei Rundbogen geöffnet war, während in der geschlossenen Westwand eine vom Haupt-
eingang des Klosters im Konversenhaus über einen kleinen offenen Hof zugängliche
Thür und in der Ostwand Thür und Schalter zum Verkehr mit der Küche vorhanden war.
Der ganze Refekturflügel ist jetzt mit einem wahrscheinlich gleichzeitig mit dem
„Schwedenbau" errichteten Obergeschoss versehen, von dem nur der über der Küche
gelegene und demselben an Grösse gleiche Raum aus der ersten romanischen Anlage
(um 1200) stammt. Schäfer sieht in diesem mit 6 Kreuzgewölben auf zwei spät-
romanischen Rundsäulen überdeckten, schönen Gemach, dem einzigen Wohnraum
im Kloster, der den aus der Küche aufsteigenden Kamin zur Verfügung hatte,
die Wärmestube des Klosters. Solche waren in allen Cistercienserklöstern ein
von der Ordensvorschrift anerkanntes Bedürfniss , da keiner der übrigen Räume
heizbar war, und sie mochten wohl in dem Winter des Taunusgebirges besonders
unentbehrlich sein. Hier würde also bei der genannten Benutzung des Raumes ein
grosser Kamin zu ergänzen sein. ^
DAS LAIENBRÜDERHAUS.
Der mächtige Westflügel des Klosters, der jenseits der Klostergasse gelegen,
den Konversen zum Wohnraum diente, führt jetzt den Namen Abt bau oder Prälatur.
Diesen verdankt er einem durchgreifenden Umbau aus der Zeit nach 1709, bei der er
durch einen am Südgiebel nach Westen vorgelegten Flügel erweitert, mit einem
zweiten Obergeschoss versehen und in der Innentheilung und den Fenstern gänz-
lich verändert wurde um die Wohnung des Abtes aufzunehmen. Sieht man von
diesen in dem schlichten Barockstil der späteren Eberbacher Bauten gehaltenen Um-
änderungen ab, ebenso wie von dem durch Auf höhung des äusseren Bodens hervorgeru-
fenen kellerartigen Eindruck des Erdgeschosses, so entwickelt sich vor unsern Augen ein
überraschend grossräumiger Hallenbau aus der letzten Zeit des romanischen Stils,
der in den Höhen- und Axen-Massen selbst diejenigen des ursprünglichen Conven-
tualenhauses übertrifft, eine merkwürdige und kaum erklärbare Erscheinung.
Das Erdgeschoss, jetzt ganz als Keller dienend, enthielt in den sieben südlichen
Doppeljochen das Refektorium, in den fünf nördlichen einen grossen Vorrathskeller.
Zwischen beiden durchsetzte den Bau der langgestreckte Flur, welcher den einzigen
Eingang zum Kloster bildete.
Die Räume sind durchweg zweischiffig eingewölbt; die Kreuzgewölbe, mit Gurten
in gestelztem Rund- und geputzten Gräten im Korbbogen, sind mit besonderer Sorg-
falt ausgeführt; die Kämpfer mit werkmässig zugerichteten Steinen, darauf die Gräte
bis zu einer gewissen Höhe mit Moellons gemauert ; weiterhin das Gewölbe in Bruch-
EBERBACH. LAIENBRÜDERHAUS.
165
steinen auf Schalung gemauert und verputzt. Die ganz aus Schnittstellen ausge-
führten, flachvortretenden Gurte setzen an den Wänden auf Konsolen auf, die ähnlich
denen der Kirche profilirt sind. In der Mitte werden sie von einer Reihe von Rund-
säulen getragen, die einfache , schwach ausladende Knospenkapitäle und auffallend
zierliche attische Basen aufweisen. Einige dieser Säulen in den nördlichen Traveen
des Refektoriums sind später ummantelt und stecken in gemauerten Kreuzpfeilern.
Obgleich die enorm starken Umfassungsmauern den Schub der Gewölbe hätten tragen
können, so sind denselben dennoch Strebepfeiler vorgelegt mit Kaffgesimsen in Haustein
j a 1 I. '. i„ *
Fig. 156. Eberbach. Thor anr Refektur des Konversenhauses.
und steilen, gemauerten und geputzten Pultdächern. Die Fenster, schmal mit tiefen
abgeschrägten Leibungen, liegen je zu zwei in jedem Joch der Ost- und Westmauer;
in dem nördlichsten Felde der Westwand ist über die beiden Fenster ein kleines
Rundfenster beigefügt. Den Zugang zur Refektur von der Klostergasse bildet ein
sehr schönes romanisches Portal, dessen abgestufte Leibungen eingelegte Rund-
stäbchen mit eigenthümlich archaischen Kapitälchen zeigen. Der in flachem Giebel
gezeichnete Sturz trägt ein Kreuz von ungewöhnlicher Form ; das Portal besitzt noch
die alte Holzthür mit gleichzeitigem Beschlag.
Der Keller unterscheidet sich vom Refektorium nur durch die schlichtere Behand-
lung seiner Stützen. Es sind viereckige Pfeiler, auf den Kanten bis auf halbe Höhe mit
166 EBERBACH. LAIENBRÜDERHAUS.
Fig. 157. Eberbach. Kapitäle im Schlafsaal der Laienbriider.
eingelegten Rundstäben, die Kämpfergesimse einfach glatte Schrägen ; die Fenster sind
hier schmale Schlitze, je eins in jedem Gewölbfeld, grade oder mit Flachbogen überdeckt.
Das Obergeschoss, jetzt durch Zwischenwände mehrfach getheilt und als
Werkstatt für die im Gefangenenhaus betriebenen Industrien der genauen Unter-
suchung besonders unzugänglich, muss in seiner ursprünglichen Anlage als Raum-
wirkung das Dorment der Brüder noch übertroffen haben. Der Schlafsaal der
Laienbrüder mass 85 Meter in der Länge, die Gewölbescheitel liegen auf 5,50
Meter Höhe. Die Anlage und Einwölbung ist die gleiche wie im Erdgeschoss. Die
Säulen sind dünner als dort. Auch sie haben attische Basen und romanische Kapitale
von so frühem Charakter, dass eine Erklärung dieses stilistischen Rückschritts im
Verlauf des Baues schwer zu erklären ist. Die aus dem Würfelkapitäl entwickelte,
mit schüchternen Eckvoluten eine letzte Erinnerung an das römisch-korinthische
Kapital darstellende Form, in der Technik fast kindlich unbeholfen, erinnert an gewisse
in Frankreich vorkommende Frühformen. Vielleicht hat man diese Kapitälformen
ebenso wie das romanische Portal im Erdgeschoss auf Rechnung einer gewissen
archaisirenden Neigung zu setzen, die Schäfer in verschiedenen Erscheinungen des
Eberbacher Baues erkennen will.
Die Fenster des Obergeschosses sind nach den durchgreifenden Veränderungen
des 18. Jahrhunderts in ihrer Form und Anordnung nicht mehr nachweisbar.
Der erste Umbau, den das Laienhaus im 17. Jahrhundert erfuhr, brachte eine
Verlängerung nach Norden zur Unterbringung von Oekonomie-Räumen und eine
Veränderung der ersten Treppenanlage, welche Schäfer am Nordgiebel des ursprüng-
lichen Baues annimmt. Ungefähr in der Mitte der Länge vor dem Eingangsfiur wurde
vor die Ostfront ein Treppenthurm mit breiter, bequemer Wendeltreppe gesetzt. Der
oben achteckige Thurm, mit hübscher welscher Haube abgedeckt, hat dem Portikus
des Nordflügels gegenüber ein gut gezeichnetes Renaissanceportal mit Wappen. Von
den Umbauten des 18. Jahrhunderts war oben kurz die Rede.
EBERBACH. HOSPITALBAU.
167
DER HOSPITALBAU.
Der im Osten des Klosters auf dem linken Bachufer isolirt gelegene Bau hat
seit lange her bei verschiedenen Forschern die abweichendsten Erklärungen gefunden.
Ursprünglich als „alte Kirche" bezeichnet, eine Annahme, die durch nichts gestützt
wird, wurde er weiterhin als „Sommer -Refektorium" angesprochen, das durch
Umbau eines ursprünglich zweigeschossigen Gebäudes entstanden sein sollte , in
welchem man eine allererste Ansiedelung der Mönche sehen wollte. Ueber das
Nähere dieser Hypothesen und ihre "Widerlegung ist bei Schäfer, Abschnitt C. das
Nähere nachzulesen.
Was dem unbefangenen Beobachter bei genauer Untersuchung nicht entgehen
kann, ist der Eindruck eines durchaus einheitlich projektirten und ausgeführten Baues,
für welchen die klare Disposition der Gewölbe und die axengemässe Eintheilung der
Fenster spricht. Jeder Umbau würde hierin, sowie in der konstruktiven Ausführung
Spuren hinterlassen haben, von denen der Bau keine aufweist. Allerdings
erkennt man in der Westfront unter theilweise abgefallenem Bewurf eine Reihe ver-
mauerter unterer, kleinerer Fenster, in der Axe der obern angeordnet, aber auch
soweit sich dies beim jetzigen Zustand erkennen lässt in Gruppen vorkommend. Diese
untere Fensterreihe, welche die Hauptstütze für die Annahme einer ursprünglich
zweigeschossigen Anlage dieses Gebäudes abgeben musste, erklärt sich aber zwanglos
aus einem Vergleich mit gleichzeitigen französischen Hospitalanlagen , in denen dem
Krankensaal diese untere, durch Läden verschlossene Fensterreihe zur Lüftung
gegeben wurde, während die oberen, wie in Eberbach, mit fester Verglasung in den
Falzen des Gewändes versehen waren. So stellt uns dieser ausserordentlich schöne,
38 Meter lange und 16 Meter breite dreischiffige Raum einen Hospitalsaal aus der
edelsten Uebergangszeit, den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts dar. Nicht mit
Unrecht weist Schäfer auf die Stilverwandschaft mit dem Limburger Dom hin, die
sich besonders in der gleichzeitigen Anwendung von rein romanischen, reich verzierten
Würfelkapitälen und Knospenkapitälen ausspricht (s. Fig. 159). Bei einem finden wir
sogar beide Motive vertreten, als ob während der Arbeit durch einen Einfluss von
Aussen her eine Aenderung des Geschmacks eingetreten wäre.
Die Säulen stehen zu je sieben in zwei Reihen. Das Mittelschiff ist etwas breiter
als die Seitenschiffe. Die Säulen sind schlank, nach oben verjüngt und von wesentlich
anderem Charakter als diejenigen in den Dormitorien. Die Kapitale haben starke
Kämpferplatten, die Basen die attische Form mit Eckblättern.
Die Gewölbe, rippenlos mit kantigen Gurten, denen sich im Mittelschiff ein
kleiner Schildbogen vorlegt, sind durchweg spitzbogig, die Kappen ansteigend ohne
Busen. An den Wänden entsprechen den Säulen Kragsteine mit Platte, Wulst und
langgezogener Kehle, die von einer ornamentirten Konsolform getragen wird.
Die Fenster, in Kämpferhöhe des Gewölbes beginnend, sind im Rundbogen
geschlossen und haben die in Eberbach üblichen geputzten schrägen Leibungen;
der Zahl der Gewölbefelder entsprechend hat die Westfront acht Fenster; die
Ostfront wegen der früher hier anstossenden Hospitalbauten eins weniger, der
EBERBACH. HOSPITALBAU.
169
Nordgiebel drei; im Südgiebel ist in jedem Seitenschiff ein grösseres, tiefer herab-
reichendes Fenster angebracht. Im Mittelschiff wird dieser Giebel von einer
spitzbogigen Oeffnung durchbrochen, die den Raum nach einem vorgelegten
quadratischen Chörlein öffnet. Dieses muss in gothischer Zeit (Ende des 14. Jahr-
hunderts) um- bezw. ausgebaut worden sein , denn sein Kreuzgewölbe hat gothisch
profilirte Rippen, und zwei Fenster in der Süd- und Ostwand zeigen spätgothisches
Masswerk. Für die Benutzung des Chörleins als Altarraum spricht die noch
erhaltene Credenznische.
Welche Gebäude ausser diesem Saal , der jetzt der Kgl. Domäne als Kelter-
haus dient , noch dem Hospital angehört haben , muss bei der Unmöglichkeit von
Nachgrabungen auf das Gebiet der Vermuthungen beschränkt bleiben. Eine Abbildung
des Klosters auf einem Stich von Dilich (Fig. 135) giebt hierfür einen schwachen Anhalt,
indem er eine Gebäudegruppe östlich an den grossen Saal anschliessend zeigt, deren
südlicher Theil von der Kapelle des heil. Thomas eingenommen wurde. Diese, von
Bär ebenfalls erwähnt, wurde um 1780 abgebrochen.
An den Nordgiebel des Hospitalsaals angebaut hat sich noch ein zweistöckiges
Gebäude erhalten, dem späteren Mittelalter angehörig, in dessen Erdgeschoss Schäfer
das Refektorium der Hospitalbewohner verlegt, während er im Obergeschoss den
Schlafsaal der Pfründner (altersschwache, aber nicht kranke Mönche) sieht. Beide
Räume haben Balkendecken ; die des Erdgeschosses ist nebst ihren Holzpfeilern noch
die ursprüngliche. Die Fenster, im Erdgeschoss gepaart, haben steinerne, gekehlte
Fensterstöcke, im Obergeschoss Kreuzstöcke. Die Verbindung beider Stockwerke
wird durch eine in einem vorgelegten Thurme angebrachte Wendeltreppe vermittelt.
Der Mauerbering des Klosters wurde im Süden, wo der Weg aus der Ebene
heraufsteigt, von einem Th o r mit übergebautem Th o r h a u s durchbrochen , welches, aller-
dings in veränderter Form, noch heute benutzt wird. Das wohl der Zeit der ersten
Klosterbauten (um 1200) angehörige Thor besteht aus einer grösseren, rundbogigen
Oeffnung für Fuhrwerk und einer kleineren, ebenso geschlossenen, für Fussgänger,
jede in einer viereckigen Blende liegend und aus Kalksteinquadern aufgeführt. Im
Jahre 1774 wurde neben diesem Thor , parallel mit dem alten Weg , eine neue
allmälig bis zum Obergeschoss des Thorhauses aufsteigende Strasse gebaut , welche
in der Flucht des letzteren von einem vom Abt Werner errichteten grossen Sand-
steinportal aufgenommen wurde. Dieses, aus einem grossen ovalgeschlossenen Mittel-
bogen und zwei in Segmentbogen geschlossenen Seitenpforten (mit den originalen
Holzthüren) bestehend , ist wohl die erfreulichste Leistung der Bauthätigkeit der
Barockzeit in Eberbach. Das Thorhaus wurde bei dieser Gelegenheit erweitert und
zur Fremdenherberge eingerichtet. Vor einem Fenster desselben befindet sich^ ein
hübscher geschmiedeter Fensterkorb.
Unter den spärlichen Skulpturresten von Grabsteinen, die sich in der Kirche er-
halten haben, nimmt die erste Stelle das prachtvolle Hochgrab des Mainzer Erz-
bischofs Gerlach Grafen von Nassau, f 1371, ein, das uns jetzt freilich nicht mehr an
seiner ursprünglichen Stelle und in einer bei der Versetzung veränderten Gestalt ent-
170
EBERBACH. GRABSTEINE.
gegentritt, immer aber zu den besten Grabdenkmälern der Gothik gerechnet
werden darf. Heute steht es an der Nordwand des Chors und enthält ausser
dem Grabstein mit der Portraitfigur des oben
Genannten noch denjenigen des Erzbischofs
Adolf II. Grafen von Nassau, f 1475, beide
aufrecht gegen die Kirchenwand gelehnt und die
beiden Bogennischen des zweiaxigen Ueberbaues
ausfüllend.
Ursprünglich (nach Bär) unter der Vierung
aufgestellt (nach Anderen im nördlichen Kreuz-
flügel) war dasselbe eine 90 cm hohe Tumba mit
dem liegenden Bilde Gerlach's, die Ecken mit
Löwen, die Seiten mit Reliefs geschmückt, von
denen noch die Darstellung der Auferstehung
und die Erscheinung Christi als Gärtner bei Maria
Magdalena erhalten sind. Ueber dieser Tumba
erhob sich ein mit zwei Kreuzgewölben überdeckter
Baldachin, von sechs Bündelpfeilern getragen, die
zwischen sich die mit offenem Masswerk ausge-
füllten Spitzbogen, von Wimpergen überragt,
tragen und in Baldachine mit hoher Fialenendi-
gung auslaufen. Unter den Baldachinen steht in der
Mitte die gekrönte Mutter Gottes mit dem Kinde,
auf den Ecken je zwei Apostelfiguren. Die Wimperg-
flächen sind mit den Reliefgestalten des Königs
Salomo und eines Propheten ausgefüllt. Eig. 161
giebt die ursprüngliche Erscheinung nach Schäfer's
Rekonstruktion.*)
Von den übrigen im Chor aufgestellten
Grabsteinen beansprucht wohl die grösste Be-
achtung als Kunstwerk derjenige eines betenden
Mannes, der in Relief unter einem mit Laub-
werk ausgefüllten spätestgothischen Kleebogen
steht; die Ecken des Steines sind mit dünnen
Säulchen ausgefüllt, welche (leere) Figuren-
Nischen unter Baldachinen tragen. Mit Recht
Fig. 160. Eberbach. Fenster mit Verbleiung wjrd Lötz durch den wunderbar geistigen Aus-
(im Museum au Wiesbaden). , , , _ . . r „
druck des Portraitkopies an Dürer erinnert.
Die Inschrift ist leider zerstört ; doch deutet das linke Wappen auf die Familie
Eselweck.
*) Mit freundlicher Bewilligung der Verlagshandlung E. Wasmuth dem citirten Werk von
Schäfer entnommen.
EBERBACH. GRABSTEINE.
171
Ein schöner gothi-
scher Grabstein ist
auch der diesem
gegenüber an der Süd-
wand des Chors auf-
gestellte des Eberhard
von Stein, (eberbard
de lapide/ quondam
Ccdc mogunt- cantor
magtlif-) 1 1330. Dieser
steht auf zwei Thier-
gestalten unter einem
von Strebepfeilern ge-
tragenen schwach ge-
schweiften Spitzbogen.
Der beginnenden
Renaissance gehört
der schöne Grabstein
des Adam von Allen-
dorf f 1518. Oben sitzt
auf einem Halbmond
Mutter Anna, auf dem
rechtenArm das Jesus-
kind, dem die auf dem
linken Kniee Anna's
ruhende Maria eine
Traube reicht ; dar-
unter kniet der Ritter
mit seiner Frau.
Eine Anzahl von
Grabsteinen der Gra-
fen von Katzeneln-
bogen, die ihr Erbbe-
gräbniss im südlichen
Kreuzarm hatten und
von denen noch einige
in der Kirche vorhan- ftg~ 161. Hochgrab des Ersbischofs Gerlach von Mains.
den sind, ist in die Burg im Schlossgarten zu Biebrich verbracht worden.
Ein aus der Eberbacher Kirche stammender Rest einer sehr kunstvollen Blei
verglasung befindet sich im Museum zu Wiesbaden.
172
ERBACH.
as am Rheinufer, 13,2 km ostnordöstlich von Rüdesheim gelegene Pfarrdorf
Erbach bestand bereits vor 954 und führt in den Urkunden des 11. und
12. Jahrhunderts nach dem es durchfliessenden Bach die Namensform
Eberbach, Everbach und Erberbach. Es pfarrte nach Eltville bis um die
Mitte des 13. Jahrhunderts (Zaun 135). Im Jahre 1173 scheint es jedenfalls noch eine
kleine unselbständige Gemeinde gewesen zu sein ; es schenkte in diesem Jahre dem
Kloster Eberbach ein Stück Wald zu einer Weganlage und erhielt zum Gedächtniss
dessen einen „theilweise vergoldeten Kelch" zum Geschenk. Das Hochstift Hildesheim
hatte hier einen Hof, den es 1236 an Bleidenstadt verkaufte.
Ein eigenes Adelsgeschlecht von Eberbach erscheint in Urkunden von 1189 bis
1275 (Vogel hist. Top. 44). Später tritt hier das Geschlecht von Allendorf auf, welches
1356 einen Burgsitz erbaute und 1568 ausstarb.
Die Pfarrkirche zu St. Marcus, welche am unteren Ende des Ortes liegt, nimmt
wahrscheinlich die Stelle einer bereits 996 vorhandenen Kapelle ein, welche, wie Zaun
aus den um diese Zeit in grösserer Zahl ertheilten Ablässen schliesst, 1304 durch
eine kleine Kirche ersetzt war. Doch stammen die ältesten spätgothischen Theile der
jetzigen Kirche nicht von diesem Bau, sondern von einem Neubau, der in der Mitte des
15. Jahrhunderts begonnen wurde und den man sich als eine dreischiffige Hallenkirche
zu denken hat, welche die drei westlichen Joche der jetzigen Kirche mit Westthurm
und kleinem Chor umfasste. Dieser Bau erfuhr 1721 bis 1723 eine umfassende
Erweiterung, bei der man den Chor entfernte, die Kirche um zwei Schiffe nach
Osten verlängerte und die Gewölbe des Mittelschiffs um sechs Meter erhöhte, so dass
die Kirche Basilikenform erhielt. Der Umbau fand 1727 und 1728 mit der Erbauung
des neuen Chors seinen Abschluss.
Der Thurm, der in der Breite des Mittelschiffs ohne Strebepfeiler vor der West-
front sich zur Höhe von ca 55 Meter erhebt, setzt sich in drei durch Wasserschläge
getrennten Geschossen ab. Das Erdgeschoss, welches die Vorhalle der Kirche bildet,
trägt im mittleren Schlussstein den Marcuslöwen, in einem seitlichen Schlussstein ein
Wappen mit der Jahreszahl 1477. Die Gewölbrippen werden von kleinen, mit Un-
geheuern verzierten Konsolen getragen. Das Westportal zeigt eine reiche Profilirung
mit im Scheitel gekreuzten Stäben. In der nordöstlichen Ecke mündet die Wendel-
treppe in einem mit flachem Eselsrücken geschlossenen Thürchen. Das zweite Thurm-
geschoss hinter der Orgel hat ein einfaches Kreuzgewölbe mit gekehlten Rippen. Das
ERBACH. KIRCHE.
173
oberste Geschoss ist von vier grossen Fenstern mit spätgothischem, theilweise zerstörtem
Masswerk durchbrochen. Gleichen Stilcharakter trägt die den Thurm oben ab-
schliessende durchbrochene Masswerkbrüstung, an deren Ecken Wasserspeier
vorgekragt sind, darüber kleine Fialen. Eine schlanke Spitze mit vier Eck-
thürmchen, welche früher den
Thurm bekrönte, wurde 1829
durch die jetzige höchst un-
würdige Haube ersetzt, deren
Entfernung sehr zu wünschen
wäre.
Das dreischifhge, fünfjochige
Langhaus hat in den Seiten-
schiffen Netzgewölbe, von denen
sich die südlichen durch beson-
deren Reichthum auszeichnen.
Die Rippen derselben, in den
älteren, westlichen Jochen auf
meisterhaft gearbeiteten spät-
gothischen Laubkonsolen auf-
setzend (s. Fig. 165), sind einfach,
die des Nordschiffes doppelt
gekehlt. Die Gewölbe der zwei
neueren, östlichen Joche (mit
der Jahreszahl 1723) sind den
alten mit Geschick nachgebildet
undunterscheiden sich nur durch
schlichtere Konsolformen. Die
achteckigen Pfeiler des Mittel-
schiffs nehmen ohne Kapitale die
Trennungsgurte der Schiffe auf,
die auf den beiderseitigen Schrä-
gungen durch Hohlkehlen be-
lebt sind. Das zweite Gewölbe-
feld von Osten im nördlichen
Seitenschiff trägt ein Wappen,
goldener Löwe im rothen Feld
mit derUmschriftlUCasPftUippuS
fllberld) L- ö- de Diet? ; das gegen-
überliegende acht Wappen, die
sich um den, den mittleren
Schlussstein schmückenden
Marcuslöwen gruppiren. Das Fig. 163. Erbach. Grundriss der Pfarrkirche.
174
ERBACH. KIRCHE.
Fig. 164. Erbach. Strebepfeiler
und Gewö/bausiitse im nördl. Seitenschiff.
mittelste Feld dieser Seite trägt die Jahreszahl
1506, welche also wohl das Abschlussjahr des
ersten Baues bezeichnet. Die schlichten Kreuz-
gewölbe des Mittelschiffs ruhen auf viereckigen,
der Oberwand auf Konsolen vorgelegten Pi-
lastern mit toskanischen Kapitalen. Auch
der Chor verräth in den Einzelformen seine
späte Entstehungszeit. Die Seitenschifffenster,
im nördlichen zwei-, im südlichen dreitheilig,
j haben spätgothisches, einfach gekehltes Mass-
;rf= werk und liegen in glatten Schrägen. Die
Strebepfeiler des Südschiffs, nach Aussen vor-
gelegt, haben Giebelpultdächer. Diejenigen
| des nördlichen sind ins Innere gezogen und hier
in sehr hübscher Weise dadurch leichter ge-
macht, dass ihr unterer Theil 1,50 Meter hoch,
als freistehender achteckiger Pfeiler gestaltet
ist, über dem ein profilirter Binderstein mit
Laubkonsolen die Gewölberippen aufnimmt. Die
oberen Fenster des Mittelschiffs sind wie die des
Chors ohne Masswerk im Halbkreis geschlossen.
An Steinskulpturen enthält die Kirche ein kleines,
auf einem Pfeiler im Südschiff eingemeisseltes Epi-
taph-Relief aus spätgothischer Zeit, das Brustbild
eines Geistlichen darstellend, welcher einen Kelch
mit der Hostie vor sich hält.
Ein schöner Grabstein in Renaissanceformen
in der Nordwand des nördlichen Seitenschiffs zeigt die
geharnischte Figur eines Ritters von Allendorf in
betender Stellung, über dem von zwei Engeln ein
die Figur umgebendes Spruchband gehalten wird.
Auf dem Rand sind 16 Geschlechtswappen angebracht.
An der östlichen Abschlusswand desselben Seiten-
schiffs ist das ebenfalls knieende Bild des „Nicolaus
von Aldendorf" (t 1546) mit seiner Frau neben dem
Crucifix erhalten. Beider Wappen füllt den Rund-
bogen der Einrahmung, zwei weitere Wappen werden
von Engeln gehalten. Eine gute Arbeit der Spätzeit
ist auch der Grabstein, welcher die Maria Barbara
Horadamin, geborene von Schumann, t 1725, und den
Amtsrichter und Prätor Johann Georg Horadam,t 1733,
in Relief knieend mit dem Rosenkranz darstellt.
Fig. 165. Erbach.
Skulptur an einein Südpfeiler.
1
Wfi.
ERBACH. KIRCHE.
175
Der Hauptaltar, die Kanzel und die Orgel sind gute handwerkliche Holzarbeiten
aus der Zeit der Kirchenerweiterung (1728); die Seitenaltäre und das Tabernakel
des Hochaltars zeigen schon klassicistische Formen und eine edle Profilirung. Drei
Kirchenstühle, welche im Westtheil des Schiffes stehen, scheinen ebenfalls aus dem
Anfang des 18. Jahrhunderts zu stammen und sind mit derb geschnittenem Laubwerk
dieser Zeit verziert.
Von den Glocken entstammen zwei noch der Zeit vor der ersten gothischen
Bauperiode (von 1377). Ihre Inschriften lauten:
flnno mccclf f üii festo 5- flegpdij fundata P- 0- 2- (pio omnium zelo)
Anna mater ttlariae per manus Joannis de francfort-
flnno mccclffüii festo S-flegpdU fundata Lucas marcus matpaeus Joannes
per manus Joannis de francfort-
Die beiden anderen Glocken sind 1768 und 1845 gegossen.
An heiligen Gefässen und Paramenten enthält der Kirchenschatz Folgendes :
Speisekelch, 32 cm hoch, Silber, theilweise vergoldet, von 1640.^ Auf dem
im Sechspass gezeichneten Fuss erhebt sich der Kelch, glatt, aber von edler Silhuette.
Bemerkenswerth ist auf dem glatten, gewölbten Deckel ein fast gothisirender Aufsatz,
der zwischen acht von gedrehten Säulchen getragenen Fialen durchbrochene Seiten-
flächen und oben eine kleine Kuppel zeigt.
Monstranz, in Sonnenform; der ovale, glockenartige Fuss mit schönem,
getriebenem Barockornament geschmückt, dem die vier Evangelistenzeichen in ovalen
Medaillons eingefügt sind. Inschrift :
ANTONIUS ABBAS ARNSBURG.
DONA VIT ECCLESIAE ARNSBURGENSI 1729.
Aus dem Schatz desselben Wetterauer Klosters stammt ein silbervergoldeter
Kelch, 29 cm hoch. Der gegen die kleine Kuppe auffallend breite Fuss trägt
schönes, getriebenes Barockornament. Inschrift :
F. CASPARUS WIESEN PROFESSUS ARNSBURGENSIS ET CONFESSARIUS
IN ENGELT AHAL DONA VIT B. MARIAE V. IN ARNSBURG ANNO 1728.
Messkännchen mit Teller, mit gutem Ornament des spätesten Louis-seize-
Stils. Aus derselben Zeit eine ewige Lampe und ein W e i h r a u c h f a s s in Silber.
Zwei gestickte Messgewänder, zum Theil mit figürlichen Darstellungen,
datirt 1727 und 1792, ebenfalls aus Arnsburg stammend.
Zwei vollständige „Kapellen" (Priester- und Levitengewänder pp.) aus kost-
barem gewirkten Seidenbrokat; sie gehören ebenfalls dem 18. Jahrhundert an und
sollen aus dem St. Burkard-Kloster in Würzburg stammen.
Auf dem Friedhof nordwestlich von der Kirche ist eine steinerne Kreuzigungs-
gruppe zu erwähnen. An der guten, handwerklichen Arbeit, welche dem Ende des
15. Jahrhunderts zu entstammen scheint, ist besonders die stark durchbrochene Aus-
führung der Haare und des flatternden Lendentuchs hervorzuheben.
3^
176
ERBACH. SCHLOSS REINHARDSHAUSEN.
SCHLOSS REINHARDSHAUSEN.
Das am westlichen Ausgang des Dorfes Erbach gelegene Schloss Reinhards-
hausen wurde (nach v. Stromberg II. 11 306 ff.) im Jahre 1754 von Graf Clemens
August von Westfalen erbaut. Vielleicht nimmt es den Platz des früheren Allen-
dorfschen Burgsitzes ein ; ein gewölbter Raum in der Verwalterwohnung scheint auf
die Benutzung alter Baureste zu deuten. Das jetzige Schloss beansprucht als Bau-
werk kein besonderes Interesse; um so mehr durch die Sammlung von Kunst-
werken, welche die spätere Besitzerin, Marianne von Nassau-Oranien, Prinzessin
der Niederlande (1810—1883) seit 1830 vermählt mit Prinz Albrecht von Preussen,
nachdem sie dieselbe während ihres langjährigen Aufenthaltes in Italien erworben,
hier in mehreren schön ausgestatteten, als Museum neugebauten Sälen aufgestellt hat.
Dieselben befinden sich jetzt im Besitz ihres Sohnes, Sr. Königl. Hoheit des Prinzen
Albrecht von Preussen, Statthalters von Braunschweig.
Wenn ein beträchtlicher Theil der Bilder und Skulpturen auch von italienischen,
französischen und deutschen, zur Zeit der Sammlerin lebenden Künstlern herrührt
und somit noch nicht das Alter erreicht hat, in dem die Kunstgeschichte ihnen eine
objektive Würdigung angedeihen lässt, so zeugen doch alle Erwerbungen von dem
in hohem Grade künstlerisch geschulten Geschmack der Besitzerin. Unter den Werken
älterer Kunst finden sich unzweifelhaft Stücke von seltenem Werthe, der wohl den
Wunsch nach einer allgemeineren Würdigung und namentlich nach einer kritischen
Ueberarbeitung des Katalogs gerechtfertigt erscheinen lässt. An dieser Stelle ist
Beschränkung auf die Nennung einiger weniger Hauptwerke geboten.
Aus der Sammlung antiker Skulpturen seien als besonders bemerkenswerth
hervorgehoben: Torso eines Hermaphroditen; Bacchuskopf; Statuette eines Kindes mit
Taube ; alter weiblicher Kopf; Büste eines alten Mannes mit kurzem Bart; Herkules
köpf (auf einer besonders kostbaren Säule aus grünlichem numidischen Alabaster
stehend).
Das Hauptstück der Gemäldesammlung ist eine Raffael zugeschriebene heilige
Familie. Das kleine Bild zeigt bei einer bewundernswerth goldig leuchtenden Farbe
eine miniaturartige Feinheit der Ausführung. Die Mutter beugt sich über das auf
einem Lamm rittlings sitzende Jesuskind ; hinter ihr steht Joseph auf einen Stab ge-
lehnt. Dies Bild scheint diejenige alte Kopie des im Museum zu Madrid befindlichen
Raffael'schen Originales zu sein, welche Passavant (Raphael d'Urbin II. S. 55) mit den
Worten erwähnt: Copies anciennes. b) Chez Ic comte Castelbarco ä Milan, cette
copie, d'un fini pröcieux a tte" achette d'une famille r omaine en 1840 pour 12.000
scudi. Von der Prinzessin wurde das Bild 1841 oder 1842 in Rom gekauft und führt
den Namen Madonna von Castelbarco.
Ebenfalls ein Bild von hohem Werthe ist eine Lionardo da Vinci zuge-
schriebene Madonna; das auf ihrem Schosse stehende Kind greift mit abgewendetem
Kopf nach ihrem Busentuch ; rechts oben in dem ganz dunkeln Hintergrunde ist eine
Lilie angedeutet.
ERBACH. SCHLOSS REINHARDSHAUSEN.
177
Als Cesare daSesto ist ein schönes Altarbild bezeichnet, welches die Madonna
zwischen dem heiligen Sebastian und Antonius darstellt. Unter den übrigen älteren
Bildern sind von Italienern noch zwei schöne Canaletto und ein Leichnahm Christi
von LudovicoCigoli zu nennen. Von Bartol. Gonzalez ist ein Kirchen-Inneres
von Werth vorhanden. Auch die Niederländer sind gut vertreten ; eine Vögelgruppe
von Hondekoetor, ein Klausner von P. de Hooghe sind besonders zu nennen.
Sehr beachtenswerth ist eine Anzahl Nassau'scher Familienporträts, unter denen nament-
lich ein Frauenbildniss (als Diana) von Nie. Maes sich hervorhebt.
In einem oberen Stockwerk ist eine kleine, aus dem Nachlasse des Prinzen
Albrecht von Preussen stammende Sammlung ostasiatischer Gegenstände auf-
gestellt, deren genauere Durchmusterung durch einen Fachkenner wahrscheinlich
manches interessante Stück namentlich keramischer Arbeiten ergeben würde.
12
178
HATTENHEIM. HALLGARTEN.
AS DORF HATTENHEIM, 10,7 km östlich von Rüdesheim an dem
nördlichen Arme des hier durch die grosse Mariannenau getheilten Rheins
gelegen, aber durch starke Verlandung von dem Strome getrennt, führt
sein Bestehen bis ins 10. Jahrhundert zurück. Im Jahre 954 wird es als
eine nach Eltville pfarrende Vüliüa erwähnt. Die Form des Namens schwankt in den
Urkunden vom 11. — 13. Jahrhundert zwischen Haderheim, Hatherheim, Hattinheim und
der heutigen Schreibweise. Allmählich scheint es, wohl durch den in seiner Gemar-
kung mit besonderem Erfolg betriebenen Weinbau (schon 1104 wird der „vinearum
in Marcoburmn in marca Haderheim" Erwähnung gethan) zu grösserer Bedeutung
herangewachsen zu sein, da es 1225 schon seinen eigenen Schöffenstuhl hatte. Auch
die kirchliche Abhängigkeit von Eltville hörte mit dem Anfang des 13. Jahrhunderts
auf, da 1232 bereits ein Pleban Antonius daselbst genannt wird. Eine Kapelle mit
Begräbnissrecht besass es schon zur Zeit des Erzbischofs Willigis im Jahre 995
(Zaun 150). Ein Rittergeschlecht von Hattenheim hatte hier 1118 eine kleine Burg und ist
1411 ausgestorben. Wir erfahren von ihm u. A., dass ein Brüderpaar Wolpero und
Rudeger von Hattenheim 1118 dem Kloster Dissibodenberg an der Nahe seine Güter
zu Windesheim geschenkt hat, sowie dass es im 14. Jahrhundert mit dem Geschlechte
von Scharfenstein verschwägert war. Letzteres besass ebenfalls in Hattenheim Güter
(Vogel 44), die 1381 an Diether, Kämmerer von Worms, kamen.
Nach dem Aussterben der Edlen von Hattenheim gelangte deren Burg an ein
Geschlecht (von Stramberg, II. 11, 298 ff.), das in der Wetterau heimisch, ursprünglich
von Langerle geheissen haben soll und sich später von Langwerth nannte. Diesem
Namen wurde, seitdem Nicolaus von Langwerth 1464 als des Pfalzgrafen Ludwig
Kanzler zu Simmern auf dem Hundsrück erscheint, der Beinamen von Simmern hinzu-
gefügt. Im späteren Mittelalter war auch die Familie von Greiffenklau hier begütert,
von deren Hof neben den Ruinen der Langwerth'schen Burg noch Reste erhalten sind.
Von der ursprünglichen Kirche, welche sich im Anfang des 13. Jahrhunderts
aus der um 995 gebauten Kapelle entwickelte und 1239 laut Urkunde (Bodmann II, 835
und Sauer 472) eingewölbt wurde, ist in dem Thurm der jetzigen Kirche der letzte
Rest erhalten. Sein Erdgeschoss, von einem rippenlosen Kreuzgewölbe mit theils
rund-, theils spitzbogigen Schildbogen überdeckt, scheint den Chor der früheren Kirche
gebildet zu haben. Ein oberes Gewölbe ist herausgebrochen. Die Schallöffnungen
HATTENHEIM. KIRCHE.
179
zeigen die einfachsten Formen des Uebergangsstils ohne Gliederungen : von einer
Spitzbogenblende eingefasst, ruhen zwei Spitzbogenfenster auf einem Mittelpfeiler von
quadratischem Querschnitt. Der Thurm endigt in vier Giebelflächen, zwischen denen
sich der stumpfe, achteckige Helm erhebt.
Die im Osten des Thurmes anschliessende Sakristei gehört nach den einfach
hohlgekehlten Rippen des Kreuzgewölbes , dessen Schlussstein einen Christuskopf in
Relief trägt, ebenfalls noch der gothischen Periode an, wahrscheinlich derselben Zeit,
aus welcher ein in der Nordwand der
Sakristei eingelassener Denkstein stammt,
der eine Hand mit Kelch und in gothi-
schen Minuskeln die Inschrift COttradUS
tJOffbeini 1100 zeigt. (In dem ältesten
Hattenheimer Anniversarienbuch wird
1465 ein sei. Pfarrer Conrad von Hof-
heim erwähnt, der ein Legat gestiftet
hat. Zaun 162.)
Die viereckigen Fenster der Sakristei
sind modern.
Die jetzige dem heil. Vincenz ge-
weihte Kirche ist 1739 begonnen und 1740
geweiht. Sie ist ein längliches Recht-
eck mit einer durch Abrundung der
Seitenwände gebildeten östlichen Ein-
ziehung, welche den halbkreisförmig ge-
schlossenen Chor bildet. Die Kirche hat
eine flache Decke, die mit derb-dekora-
tiven Gemälden von J. Voleanus ge-
schmückt ist. Im Westen hat sie einen
äusseren Durchgang, über welchem sich
im Innern die Orgelbühne erhebt.
Hinter dem jetzigen, dem 18. Jahrhun-
dert angehörigen Altar scheint die AI t ar-
me nsa der alten Kirche erhalten zu sein; in ihrer Rückwand befindet sich eine Oeffnung,
welche durch eine Holzthür mit schönem gothischen Eisenbeschlag verschlossen ist.
Von einigem Kunstwerth sind die mit der Erbauung der Kirche gleichzeitigen
Kirchenstühle aus Eichenholz, welche geschnitzte Wangen in flottem Barockstil
zeigen. Von der gleichen Hand sind die beiden Wangen des im übrigen schmucklosen
Chorgestühls. Auch die in Wandnischen eingebauten Beichtstühle zeigen in ihren
Fronten ähnliche Formen.
Später als diese Arbeiten, etwa vom Ende des 18. Jahrhunderts, ist der Hoch-
altar und die Kanzel zu datiren. Erstere ist ein imposantes Stück Schreinerarbeit
mit guten, figürlichen Skulpturen ; die Kanzel zeigt feine Formen des Louis-seize-Stils.
12*
180
HATTENHEIM. KIRCHE.
Die Seitenaltäre sind älter aber
künstlerisch unbedeutend; der nördliche
interessirt durch ein auf der Höhe seines
Giebels stehendes , übrigens werthloses
Bildniss der heil. Kümmerniss , in der
bekannten Darstellung mit langem
Frauengewand und Bart.
An Epitaphien enthält die Kirche
einen Grabstein eines Langwerth von
Simmern aus rothem Sandstein von 1700,
ein ziemlich charakterloses Werk, welches
nur dadurch interessirt, dass es noch die
in der Renaissance übliche Aufreihung
der Geschlechterwappen zeigt. Künst-
lerisch werthvoller in flottem Rococco ist
ein kleines, in hellem Sandstein ge-
meisseltes Grabschild desselben Ge-
schlechts von 1730 und das aus schwarzem
und weissem Stein ebenfalls in Rococco-
formen gearbeitete Grabmal des Pfarrers
Val. Schumann f 1760, unter dessen
Amtsführung der Kirchenbau ausgeführt
Fig. 167. Hattenheim. Kirchenstuhlwange. wurde. Dem klassizistischen Stil gehört
ein Kenotaph von 1810 und ein in schwarzem und weissem
Marmor ausgeführtes Epitaph des Val. Heimes f 1806 an.
Im Thurme befinden sich fünf Glocken, die grösste
mit der Inschrift osana • Reißen • id) • mei fter • martin • moller •
oon-fra&fort • gos • mid) • anno • moccccolffuiio (1477).
Die zweite : ITIaria 6lo* ))t\s id) in gottes eer laut id) •
meifter Jans ?u franrttfort gos mid) anno jar (1513).
(Die gleiche Inschrift wie auf der vierten Glocke in Kidrich.)
Die dritte und vierte sind von 1834 , die fünfte aus der
jetzt bis auf das untere als Beinhaus benutzte Gewölbe
abgebrochenen Margarethenkapelle stammend, hat die In-
schrift: lefus ITIaria 1538 Hans leime gos mid)-
Nicht unbeträchtlich ist der in der Sakristei mangel-
haft aufbewahrte Kirchenschatz; er enthält:
Silbervergoldete Monstranz in Sonnenform, 0,75 m
hoch, derbe dekorative Arbeit, mit den eingravirten
Inschriften :
VAL. SCHUMANN PRAETOR IN HATTEN-
HEIM ME FIERI CURAVIT A° 1632. Fig. 168. Hattenh. Chorstuhlwange.
HATTENHEIM. BURG LANGWERTH v. S.
181
JOES VALENTINUS PASTOR ET JOES SCHUMANN PRAETOR IN
HATTENHEIM ME NO VITER EXSTRUXERUNT 1743.
Kelch, silbervergoldet, Barockform von ca. 1650 mit sehr schön getriebenem
zierlichen Ornament, besonders an der durchbrochenen Schale der Kuppa. Auf dem
Fuss sechs Rundbilder mit Darstellungen aus dem Leben der Maria in Emailmalerei
auf weissem Grunde. Mainzer Beschauzeichen.
Drei Kelche in Silber vergoldet, Rococco-Form.
Zwei glatte, silbervergoldete Kelche in Barockform, einer mit der Jahreszahl
1690; Ciborium in Louis-seize-Form, silbervergoldet.
Kleines Kreuz-Reliquiar in Silber mit Ziervergoldung.
Zwei Messkännchen auf Platte, in Silber getrieben, Rococco.
Zwei Messgewänder mit reicher Goldstickerei und der Jahreszahl 1750, nach
dem eingestickten Wappen aus Kloster Eberbach stammend.
Die Burg der Edlen von Hattenheim, jetzt den Langwerth vonSimmern ge-
hörig, ist als kleine Ruine mitten im Orte gelegen in ihrem Bering noch zu erkennen.
Als einzig erhaltener Theil ragt aus derselben ein hoher Wohnthurm empor, jetzt
als Scheune dienend. Er misst im Innern 10,80 auf 7 Meter und hat ein Meter starke
Mauern. Die vier Stockwerke waren
durch Holzbalkenlagen getrennt, deren
Pfetten auf erhaltenen Steinkonsolen
ruhten. Im Erdgeschoss sind an der
Nordwand noch die Reste eines
grossen Kamins sichtbar, der im
Innern 2,20 Meter Breite und schlicht
gekehlte Wangensteine hat. Im ersten
Stock bemerkt man in der Südwand
einen Wandschrank mit Steingewän-
den ; im zweiten Stock in der Nord-
westecke eineThüre mit Steingewände,
die in ein kleines, in der Mauerdicke
liegendes Gelass führte. Sämmtliche
Geschosse haben (jetzt meist ver-
mauerte) rechteckige Doppelfenster
mit einfach abgefasten Steingewänden
und gemauerten Sitzbänken in den
Fensternischen. Im Aeusseren erhebt
sich über der Nordfront ein Treppen-
giebel fast bis zur Firsthöhe des Zelt-
dachs, von einem hohen Schornstein
überragt.
Hattenheim. Burg Langwerth von Simmern.
Fig. 169.
182
HATTENHEIM. HALLGARTEN.
Von dem die Nord-
westecke des engeren, ein
längliches Rechteck bil-
denden Burghofs einneh-
mendenWohnthurm führt
eine mit (zerstörtem)
Wehrgang versehene
Mauer zu einem in der
Südwestecke gelegenen
quadratischen, unter-
kellerten Befestigungs-
thurm, von dem noch ein
Stockwerk steht. Oestlich
schloss sich an diesen
hinter einer kleinen Pforte
i ein Wohnbau an, von dem
Fig. 170. Hattenheim. Burg Langwerth von Simmern. noch ejn gpitzer GiebeJ
emporragt. An die Breitseite dieses Hauses lehnte sich ein zweiter Wohnbau, von
dem nur die mit Steinkonsolen die Balkenlage andeutende Ostmauer steht, welche
gleichzeitig die Grenze nach dem anstossenden Greiffenklau'schen Hofe bildet. Der
Keller unter diesem Hause ist noch in Benutzung.
Von dem Greiffenklau'schen Hofe ist
noch das spitzbogige Thor in der Abschluss-Mauer
nach der Dorfstrasse erhalten, neben dem sich
an der Ecke des (modernisirten) Wohngebäudes ein
malerischer Eckthurm von achteckigem Grundriss
erhebt. Der auf spitzbogigen Blenden aufgesetzte
Oberstock ist auf den Kanten mit geputzten Back-
steinlisenen besetzt und mit einer geschweiften Dach-
haube bedeckt. Von den gekuppelten rundbogigen
Fenstern sind noch Spuren erhalten.
HALLGARTEN.
Die erste urkundliche Erwähnung des 2,5 Kilo-
meter westnordwestlich von Hattenheim auf einer
Vorhöhe des Gebirges gelegenen Pfarrdorfes Hall-
garten geschieht (Sauer 164) im Jahre 1155, wo das-
selbe als Allod des Johannistiftes zu Mainz (allodium
nomine Hargardun) an Ruthart von Winkel ver-
tauscht wird. Das Cistercienserkloster Eberbach hat
Fig. 171. Hattenheim.
schon 1163, also kurz nach seiner Gründung daselbst Eckthurmchen im Greijfenkiauer Hof.
HALLGARTEN.
183
Besitzungen, die es in der Folge ansehnlich vermehrte. Eine Gemeindeverfassung
des Ortes ist erst 1224 nachzuweisen, in welchem Jahre in einer Streitsache zwischen
der Abtei Johannisberg und der Gemeinde Winkel u. A. ein Schultheiss von Hall-
garten als Schiedsmann auftritt (Sauer 401). Es gehörte zum Zehntbezirk des Victor-
stiftes zu Mainz und zur Pfarrei Oestrich. Erst zwischen 1333—38 erhielt es einen
eigenen Pfarrer (Vogel Beschr. 585).
Um diese Zeit muss, nach einem für die Erhaltung und Ausschmückung der
Kirche ertheilten Ablass von 1345 auch die jetzige Kirche erbaut worden sein.
Dieselbe ist ein unbedeutender Bruchsteinbau, einschiffig mit viereckigem,
schmucklosem Thurm an der Nordseite des Chors. Letzterer und der spitzbogige
ungegliederte Chorbogen sind die einzigen erhaltenen Reste der ursprünglichen
Anlage. Das Schiff wurde 1744 erbaut. Der Chor ist mit einem Kreuzgewölbe über-
wölbt, dessen einfach hohlgegliederte Rippen in die Wände verlaufen ; aussen hat der
Chor rohe Strebepfeiler. Der Thurmhelm ist achteckig mit vier kleinen Eckthürmchen.
Von den vier Glocken sind die drei grössten alt, die erste hat die Inschrift :
Peter oon menje der goß midi
Hlaria beißen id)
Den Bürgern oon hallgarten bin id)-
Die zweite, die Wächterglocke hat folgende Umschrift :
ITlaria glo* beiß id)
In der ehr gottes leut id)
nieifter Stephan uon franfefurt goß mid) flnno 1517-
Die dritte oder Schröterglocke :
meifter loljann uon IUenK der goß mid) (Zaun 201).
Von dem ziemlich reichen Inventar der Kirche, welches Zaun aus 1772 anführt,
ist nur noch erhalten : „ein sehr kostbares Messgewand von rothem Damast mit
gesticktem Balken, ist ein Legat des Geistl. Rathes Barth zu Frankfurt. Der Balken
ist 1638 gefertigt und der neue rothe Stoff 1757 zugefügt worden." (Zaun 205.)
184
KIDRICH
UND RUINE SCHARFENSTEIN.
uf dem letzten Ausläufer der vom Heidekopf herabsteigenden Abdachung,
einem Hügel, der im Osten von dem unweit Hausen vor der Höhe ent-
springenden Bache bespült wird, liegt, drei Kilometer nordwestlich von Elt-
ville und 13,5 Kilometer nordöstlich gegen Nord von Rüdesheim das Dorf
Kidri ch. Mit Recht ist es unter den Ortschaften des Rheingaues als diejenige berühmt,
die sich am treuesten den malerisch-alterthümlichen Charakter bewahrt hat. Wer jenseits
des Kidricher Bachs, auf halber Höhe des zur Ruine Scharfenstein emporführenden Weges
zurückschaut, mag, wenn er die zierliche Silhuette der Pfarrkirche und St. Michaels-
Kapelle aus den spitzen Dächern , den reizvollen Fachwerkgiebeln und Erkern
emporsteigen sieht, ein Bild aus Merian vor sich zu sehen glauben. Kidrich verdankt
diesen Vorzug theils seiner abgelegenen Lage, welche die Kriegsstürme, die den
vorderen Rheingauischen Orten vielfache Zerstörungen brachten, von ihm fernhielt, —
theils aber auch der Einwirkung eines kunstsinnigen Mannes, des Baronet Sir John
Sutton, der, von dem Reiz des abgeschiedenen Oertchens gefesselt, von der Mitte der
fünfziger Jahre an fast zwanzig Jahre während längerer Fristen in demselben gelebt und
durch reiche, mit feinem Kunstverständniss verwendete Geldopfer für die Erhaltung
und Wiederherstellung des künstlerischen Charakters seines Wohnsitzes gewirkt hat.
Besonders die Pfarrkirche St. Valentin verdankt ihm die von 1857 bis 1874 durch
den Frankfurter Dombaumeister Denzinger geleitete, ausserordentlich glückliche
Wiederherstellung.
Gehört Kidrich auch zu den ältesten Orten des Rheingaues, so ist von seiner
Geschichte doch wenig zu berichten. In einer Urkunde, die zwischen 937 und 954 zu
datiren ist, wird es zuerst genannt. Sein Name kommt in verschiedenen Formen vor:
Chitricho (1128), Cheterecho (1143), Ketecho (1183), Ketherke (1218), Ketrike (1231), in
der Form Kidrich zum ersten Male 1292. Diese zahlreichen urkundlichen Erwäh-
nungen, die wir bei Sauer finden, werfen aber kein Licht auf die Geschichte des Ortes;
fast alle handeln von Kauf, Tausch und Vererbung von Aeckern und Weinbergen
und beweisen u. A. das hohe Ansehen, dessen sich Kidrichs noch heute so berühmte
Weinlage, der Gräfenberg, schon in dieser frühen Zeit zu erfreuen hatte.
Die erste Erwähnung einer Kirche und eines Klosters in Kidrich geschieht 1275,
in einem von dem Abt und dem Convent des Klosters Eberbach bekundeten Ver-
KIDRICH. GESCHICHTE.
185
mächtniss einer honesta matrona Adilhildis de Kederche- Zweck desselben war die
Beschaffung von Kerzen auf den Altären der Krypta des Infirmitoriums des Klosters
und der Kirche zu Kidrich.
Wenn dies auch nicht derselbe Kirchenbau war, den wir heute in Kidrich sehen,
so kann man doch annehmen, dass auch diese frühere Anlage den heil. Bischof Valentin
zum Patron hatte , und dass die Fürsorge für Gelähmte und Epileptische , welche
diesem Heiligen zugeschrieben wird, schon frühe Hülfsbedürftige in grosser Zahl
seinen hier verwahrten Reliquien zugeführt hat. Nachweislich bestand schon am Ende
des 14. Jahrhunderts hier „die elendige Brüderschaft" (Confraternitas B. Mar. V. Exulum)
(Zaun 133) zur Verpflegung der armen und kranken Pilger und zur Bestattung der
am Orte verstorbenen. Diese Pilgerfahrten, die heute noch bestehen und am ersten
Sonntag nach der Oktave von Mariae
Himmelfahrt gehalten werden, müssen im
15. Jahrhundert eine besondere Bedeutung
gehabt haben. Im Jahre 1417 hat der Glöckner
Friedr. Sinder sein Haus nebst den dazu
gehörigen Gütern der Kirche zu einem
Hospital für die Pilger hergegeben. Es
stand an der Hauptstrasse, der Südseite der
Kirche gerade gegenüber, an der Stelle,
welche jetzt von dem Rathhause eingenom-
men wird. In neuester Zeit hat die Pflege
der Epileptisch-Kranken in dem grossartig
angelegten St. Valentins-Stift bekanntlich
eine umfassende und segensreich wirkende
Stätte gefunden.
Neben mehreren Adelsgeschlechtern,
die wir bei der Aufzählung ihrer Höfe zu
nennen haben werden, war in Kidrich auch
das Kloster Eberbach begütert , meist in
Folge von frommen Schenkungen. Ueberhaupt waren die Beziehungen des Ortes
zu dem nahe benachbarten Cistercienserkloster ziemlich lebhafte. In dem Liber ani-
morum Eberbachs kommen von 1197 bis 1753 sechzehn aus Kidrich gebürtige Sacer-
dotes et monachi vor, darunter zwei Aebte, nämlich Philipp Sommer, 1571 bis 1600,
und Mich. Schnock 1702 bis 1727. Nicht immer aber waren diese Beziehungen freund-
licher Natur. Im Jahre 1367 weigerte sich das Kloster, von seinen in Kidrich be-
legenen Gütern die Beede zu entrichten , so dass zur Schlichtung dieses Streites
Erzbischof Gerlach von Mainz sämmtliche Schultheissen und Schöffen des Rheingaues
zusammen berufen musste.
Dass der Ort ein eigenes Adelsgeschlecht besass, welches sich „von Kidrich"
nannte, geht aus vielfacher urkundlicher Erwähnung desselben hervor, die aus dem
frühesten Mittelalter bis ins 14. Jahrhundert reicht. Doch wird man nicht irre gehen,
Fig. 173. Kidrich. Ecke um Zehntenhof.
186
KIDRICH. GESCHICHTE.
wenn man dieselben als eines Stammes und als Vorfahren des im Rheingau weit
verbreiteten Geschlechtes der Herren von Scharfenstein ansieht. Aus den Herren
von Kidrich, welche der Mainzer Erzbischof als Burgmänner auf seine Burg Scharfen-
stein setzte, wurde allmälig eine nach dieser Burg benannte Familie, die sich an ver-
schiedenen Orten des Rheingaues ansiedelt und Nebenäste bildet mit verschiedenen
Wappen.*) So führten die Grünen von Scharfenstein im silbernen Schilde einen
grünen breiten, mit zwei schmäleren eingefassten Querbalken; sie starben 1517 mit
Johann von Scharfenstein aus. Die Schwarzen führten das gleiche Wappen mit
schwarzen Balken, die mit den Steinen und die Cr atze von Scharfenstein führten
in silbernem, mit vierzehn schwarzen Steinen belegten Felde rothe Querbalken. Der
letztere Ast, der später in den
Grafenstand erhoben wurde,
erlosch mit Hugo Cratz
von Scharfenstein 1712.
Die Burg scheint Ende
des 12. Jahrhunderts erbaut
zu sein; 1191 wird sie zuerst
genannt; 1195 finden wir
einen Walter von Scharfen-
stein als Domherrn zu Mainz.
Im 13. Jahrhundert war sie
als eine der vier erzstifti-
schen Burgen (mit Ehrenfels,
Rheinberg und Eltville)
häufig die Residenz der Erz-
bischöfe, wie die von dort
datirten Urkunden Sieg-
frids II. (1215), Gerhards I.
(1253) und Gerhards II. (1289)
beweisen.
Im Jahre 1251 am 15. November verweilte der deutsche König Wilhelm auf der
Burg. Eine Belagerung durch die im Dienst König Albrecht's ausgezogenen Mainzer
musste sie im Jahre 1301 aushalten. Obgleich die Angreifer nach drei Tagen un-
verrichteter Sache abziehen mussten, wurde die Burg von Gerhard II. dem König
überliefert, in dessen Besitz sie sich noch 1304 befand. Von ihren späteren Schick-
salen ist nichts bekannt, ebensowenig die Zeit und der Grund ihrer Zerstörung ; im
16. Jahrhundert muss sie noch in wehrhaftem Zustand gewesen sein.
Hier mag die Erwähnung des Kar thäuserklost e rs im Petersthal ange-
schlossen werden, von dem zwar jeder Rest verschwunden ist, das uns aber wegen seiner
Beziehungen zu Scharfenstein interessirt.**) Erzbischof Peter von Mainz, der in seiner
*) Bodmannn I, 145, 150 ff. Sachs und Rossel, Album von Nassau.
**) Bodmann 220.
Fig. 174. Kidrich. Giebel an der Mühle.
. 175. Kiäricli. Pfarrkirche. St. Johannisaltar,
BAUWERKE KIDRICHS.
187
Jugend die Karthause bei Grenoble besucht hatte, wendete sich im Jahre 1308 dorthin,
in der Absicht, ein Kloster dieses Ordens auf seinem Gebiet zu gründen. Er hatte
dazu einen Ort im Petersthal bestimmt, der als castellum Nuwenhus retro Castrum
Scharphynstein (Urkunde Mainz 1309) bezeichnet wird ; ein im übrigen unbekanntes
Burghaus der Mainzer Erzbischöfe, welches nach einer daselbst erlassenen Urkunde
schon hundert Jahre früher bestanden haben muss (Bodmann). Von der Grande Char-
treuse wurden dann Mönche nach Mainz entsendet, unter ihnen ein Johannes Polonus,
für welche wahrscheinlich um 1312 im Petersthal hinter Scharfenstein ein Kloster erbaut
wurde. Doch war die Stiftung an diesem Orte nicht von langer Dauer. Reibereien
mit dem rheingauischen Adel, besonders mit den nächsten auf Scharfenstein hausenden
Nachbarn, welche die Ruhe des Klosters durch geräuschvolle Jagdzüge stören sollten,
vielleicht auch die Armuth des unfruchtbaren, engen ThaJes führten zu Unzufriedenheit
der Klosterbrüder, die nach dem Tode ihres Stifters 1320 bei dessen Nachfolger Mathias
Beschwerde führten. Dieser ordnete 1322 die Verlegung des Klosters auf den Michels-
berg bei Mainz, auf ein von Katharina Spiegel geschenktes Gelände an.
BAUWERKE KIDRICHS.
DIE PFARRKIRCHE ST. VALENTIN.
Die Pfarrkirche St. Valentin zeigt zwei Bauperioden. Von der ersten, welche
etwa in den Anfang des 14. Jahrhunderts zu setzen ist,*) stammen noch die unteren
Seitenschiffe und die achteckigen Mittelschiffpfeiler. Vielleicht waren die etwa 1 Meter
über dem Bogenansatz an den Mittelschiffwänden noch vorhandenen Konsolen, auf
denen starke, bei der Restauration ohne Verputz gelassene eingebundene Quadern
aufsetzen, die Ansätze des ursprünglichen Mittelschiffgewölbes.
Im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts wurde die Kirche einer umfassenden
Erweiterung und Verschönerung unterzogen. Im Jahre 1481 (nach der im Chor-
gewölbe befindlichen Jahreszahl) wurde der jetzige prächtige Chorbau zu Ende geführt.
Hieran schloss sich der Umbau des Schiffs. Das Mittelschiff wurde auf die Höhe der
Chorwölbung gebracht und mit Sterngewölben geschlossen ; zu diesem Zweck wurden
die Seitenschiffe mit Emporen überbaut, indem man auf die Mittelschiffwände, vielleicht
in der Höhe des früheren Dachansatzes, eine zweite Arkade auf kurzen achteckigen
Pfeilern errichtete, und die erhöhten Aussenmauern mit einer zweiten, oberen Fenster-
reihe versah. So stellt sich uns die Kirche als eine dreischiffige Hallenkirche von
vier Jochen in der Länge dar ; das westliche Mittelschiff wird von dem Thurm ein-
genommen, dessen Erdgeschoss sich nach dem Mittelschiff mit einem Rundbogen, nach
den Seitenschiffen mit Spitzbogen, alle unprofilirt öffnet. Die Breite der Seitenschiffe
beträgt 4,08 Meter (nördlich) und 4,27 Meter (südlich), die des Mittelschiffs 7,38 Meter,
*) Diese Datirung gründet Zaun auf die Jahreszahl 13 13, welche sich auf einer Pfeife der
alten Orgel eingeätzt fand, sowie auf den, jetzt im Chor aufgestellten Grabstein des Gerhard von
Scharfenstein f 1352.
188
KIDRICH. PFARRKIRCHE.
die ganze Länge des
Schiffs bis zur west-
lichen Thurmwand
23,82 Meter.
Der Chor ragt mit
10,47 Meter Breite über
das Mittelschiff hinaus ;
er ist zweijochig und
im Achteck geschlos-
sen. In die Ecken
zwischen Chor und
Seitenschiffen legen
sich zwei Sakristeien;
die nördliche kleiner,
die südliche grösser
und aussen mit einem
geschweiften Giebel
geschlossen , dessen
Kanten mit einem
durchbrochenen Stein-
kamm besetzt sind,
während die Ecken
unten mit zierlichen
Baldachinen, oben mit
Fialen geschmückt
sind. Der ganze Chor-
bau zeichnet sich durch
eine ausserordentlich
reiche und meister-
hafte Behandlung der
spätgothischen Bau-
formen aus, so dass
er in dieser Hinsicht
wohl als das edelste
Werk des Rheingaus
bezeichnet werden
darf. Besonders reich
sind seine Strebepfei-
Fig. 176. Kidrich. Kirchcngrundriss. ler mit Baldachinen,
Fialenbündeln und Laubkrabben auf den geschweiften Pultdächern ausgebildet. Auch
das Masswerk der Fenster, die in reich profilirten Nischen liegen, zeigt die gleiche
Ausbildung. Die im Chorschluss dreitheiligen, in den graden Seiten viertheiligen
KIDRICH. PFARRKIRCHE.
189
Masswerke sind in halber Höhe von einer steinernen Bank mit steilem^Wasserschlag
durchsetzt, unter der mit Nasen besetzte sog. Eselsrücken-Bogen angebracht sind.
Im Innern ist der Chor
mit einem reichen Stern-
gewölbe geschlossen, dessen
mittlerer Schlussstein mit
einem Christuskopf verziert
ist, während auf den Kreu-
zungen der Rippen acht
Wappen angebracht sind.
Eins trägt ausser der oben
m^mm erwähnten Jahres-
I zahl 1481 das Stein-
f ▼ metzzeichen , das
sich auch an den Schiffs-
gewölben und auf der Kanzel
wiederfindet. Die Rippen
wachsen ohne Kapital aus
dreifachen und in der Mitte
der graden Seite aus fünf-
fachenDienstbündeln hervor ;
erstere setzen auf Sockeln
mit gedrehten Seiten auf.
Die Fenster in dem graden
Joche des Chores sind wegen
der sich aussen vorlegenden
Sakristeien vermauert und
erscheinen nur im Innern als
Blendmasswerk. Der Ueber-
stand des Chors über die
Mittelschiff breite ist an der
Hochwand der Südseite zu
einem von der dortigen Em-
pore aus zugänglichen Bal-
kon mit Durchblick nach dem
Chor benutzt, der auf zwei
Kragsteinen nach hierhin
vorgebaut ist. Der Triumph-
bogen hat die Breite des
Mittelschiffs und daher nur
nach der Chorseite eine starke Abschrägung, die unten in einen übereckten Sockel endigt.
Vom Kämpfer an entwickelt er sich beiderseitig in reicher Profilirung. Die Axe des
Fig. 177. Kidrich. Kirche. Längenschnitt.
Fig. 178. Kidrich. Chorpartie der Pfarrkirche S. Valentin.
KIDRICH. PFARRKIRCHE.
191
Chors zeigt eine nördliche Abweichung von der Kirchenaxe, welche auf die Länge
des Chors etwa 30 cm beträgt.
Die beiden Sakristeien sind ebenfalls mit Sterngewölben überdeckt, deren reich-
profilirten Rippen in der südlichen in einen Schlussstein mit schönem in Hochrelief aus-
geführtem Wappen zusammenlaufen ; in den Ecken werden sie von gebündelten
Diensten aufgenommen.
Im Schiff wachsen die mit Doppelkehle profilirten Arkadenbogen ohne Kapitale
aus den achteckigen Pfeilern hervor; das gleiche gilt von den Gurten und Gräten
der Kreuzgewölbe des oberen Seitenschiffs und der Sterngewölbe des Mittelschiffs,
während die unteren Seitenschiffgewölbe auf Konsolen aufsetzen, die im südlichen mit
Laubwerk, im nördlichen mit figürlichen Darstellungen geschmückt sind ; unter diesen
ist besonders der dem Engel zulauschende Evangelist Matthäus bemerkenswerth, dem
eine Sibylle das Buch hält. Die Schlusssteine der Seitenschiffe zeigen (von Westen
beginnend) nördlich das Evangelistenzeichen von Lukas und Markus, einen Phönix
und ein Wappen; südlich die Zeichen von Matthäus und Johannes, dann zwei Wappen-
gruppen. Im Schlusstein des Thurm-
gewölbes ist ein Christuskopf angebracht.
Die Sterngewölbe des Mittelschiffs,
weniger reich als die im Chor, tragen
ebenfalls auf den Kreuzungspunkten und
in den Schlusssteinen Wappen ; das letzte
zunächst dem Thurm mit der Jahres-
zahl 1490 und dem mehrfach erwähnten
Steinmetzzeichen deutet auf die Beendi-
gung dieser Arbeit, die somit neun Jahre
in Anspruch genommen hat; an der Aus-
stattung der Kirche ist dann noch einige
Jahre weitergebaut worden, wie das
Datum 1493 auf der Kanzel beweist.
Die oberen Seitenschiffe haben durchbrochene Steinbrüstungen von spätgothischem
Masswerk. Die alte Bemalung der Gewölbekappen, die in charakteristischen Pflanzen-
formen sich von den Kreuzungspunkten der Rippen abzweigt, ist in vortrefflicher Weise
durch Maler Martin restaurirt.
Der Thurm steigt in quadratischem Grundriss, ohne Strebepfeiler, durch alle
Geschosse auf und wird beiderseitig durch sechseckige in den Winkeln der Seiten-
schiffe liegende Treppenthürmchen begleitet, von denen das nördliche erst vom Kirchen-
dach-Ansatz an vorgekragt ist. Der Thurm ist mit Ecklisenen belegt, die über dem
zweiten und vierten Geschoss durch Bogenfriese verbunden sind. Diese bestehen aus
schöngearbeiteten, auf schlanken Konsolen aufsitzenden Spitzbogen mit Nasen, deren
Spitzen in Lilien endigen. Ueber dem obersten Fries erhebt sich noch ein mit vier
Schall-Löchern durchbrochenes Geschoss, welches ebenso wie der achteckige, mit vier
viereckigen Eckthürmchen übergeleitete und mit Schiefer gedeckte Helm im Jahre 1873
Fig. 179. Kidrich. Pfarrkirche.
Gewölbekonsolen im nördl. Seitenschiff.
192
KIDRICH. PFARRKIRCHE.
4-
Fig. 181. Kidrich. Pfarrkirche. Westl. Thurmfenster.
durch" Denzinger an Stelle des
dem Jahre 1712 entstammenden
Zwiebeldachs neu hinzugefügt
worden ist. Im Erdgeschoss des
Thurmes öffnet sich das Westportal,
dessen reichgegliederte Nische von
zwei schlanken Säulen flankirt wird.
Dieselben tragen eine mehrge-
schossige Fialenentwickelung ,
zwischen welche sich der ge-
schweifte,mitKrabben geschmückte
Wimperg setzt. Das Tympanum,
durch einen Mittelpfeiler gestützt,
auf dessen Säule die Gestalt des
Kirchenpatrons steht, enthält eine
bemalte Reliefskulptur, deren Fi-
guren lebhafte Bewegung und
reichen, weichfliessenden Falten-
wurf zeigen; oben der segnende
Gottvater zwischen zwei schwe-
benden Engeln mit Musikinstru-
menten, darunter links Mariä Verkündigung, rechts die Krönung Mariä. Die einrahmenden
Hohlkehlen sind mit dichtgestelltem Blattwerk besetzt. Unmittelbar über dem Portal
befindet sich ein Fenster mit reichem, viertheiligem Masswerk in spätestgothischen Formen.
Das vierte Thurmgeschoss hat auf den drei freistehenden Seiten je zwei schlanke
Schalllöcher mit Masswerk.
Die Fenster des Schiffs, in zwei Reihen übereinander stehend, haben an der
Südseite dreitheiliges, an der Nordseite zweitheiliges Masswerk.
Das niedrige Südportal zeigt in seinem Tym-
panum ebenfalls eine Skulptur von ziemlich roher
Arbeit, die wohl noch von dem älteren Bau des
Schiffes herrührt und den gekreuzigten Christus
mit Maria und Johannes darstellt. Die Strebe-
pfeiler des Schiffs sind einfach und schliessen mit
Pultdächern ab, in welche Giebel einschneiden.
Auf dem Chordach erhebt sich ein ge-
schieferter moderner Dachreiter.
Von den einzelnen Dekorationsstücken der
Kirche ist als ein hervorragendes Werk das
Sakramentshäuschen zu erwähnen, welches
die im Chor herrschenden spätgothischen Formen
Fig. 182. Kidrich. Pfarrkirche.
Fenstermasswerk der Südfronte.
Fig. 180. Kuirich.
Westportal der Pfarrkirche.
KIDRICH. PFARRKIRCHE. EINZELHEITEN.
193
in reichster Entfaltung zeigt. Es steigt über dem jetzt leeren Sakramentsbehältniss
in drei Geschossen bis zu den Gewölbanfängen auf, in üppigster Weise mit geschweiften
und vorgebogenen Wimpergen und Fialenwerk entwickelt. Es hatte vielfache Be-
schädigungen zu erleiden ge-
habt und ist im Jahre 1869
genau nach den vorhandenen
Bruchstücken von dem Bild-
hauer Broichmann in Limburg
restaurirt worden.
In ähnlicher Weise ist auch
der Lettner, der um 1700
entfernt wurde, nach den noch
vorhandenen alten Theilen neu
hergestellt worden. Er ist drei-
jochig auf glatten, achteckigen
Pfeilern ohne Kapitale mit Netz-
gewölben überwölbt , deren
Rippenkreuzungen mit Wappen
belegt sind. Die obere Platt-
form, durch eine südlich ange-
baute Wendeltreppe in steiner-
nem Gehäuse zugänglich, wird
beiderseits durch eine in Fisch-
blasenmasswerk durchbrochene
Brüstung abgeschlossen. Die
vier an der Westfront auf Kon-
solen stehenden Figuren sind
von dem Bildhauer Eischeid in
Cöln neu hergestellt.
Ein in seiner schlichten Ele-
ganz vorbildliches Werk ist die
gleichzeitig mit dem Umbau der
Kirche und laut Inschrift und
Meisterzeichen von demselben
Meister 1493 errichtete Stein-
kanzel. Der grade, sechs -
eckigeKanzelkörper ist in durch-
brochenem Masswerk gehalten ; FiS- 183. Kidrich. Kanzel der Pfarrkirche.
seine Ecken tragen Konsolen für vier leider fehlende Eckfiguren, deren Ergänzung
dringend zu wünschen wäre. Er ruht auf einem sechseckigen Fuss, dessen Kanten von
nach oben kelchartig auseinandergehenden Rundstäben mit gewundenen Sockeln
begleitet werden. An der Vorderseite ist das Wappen der Knebel von Katzenelnbogen
13
194
KIDRICH. KIRCHE.
angebracht. Die Stirnseiten der stei-
nernen Kanzeltreppenstufen tragen
Rundbogen mit Nasen.
In der südlichen Sakristei sind zwei
Wandschränke mit schöner Stein-
umrahmung bemerkenswerth : das
Gewänd ist mit Rundstäben, die sich
an den Ecken überschneiden und ge-
wundenen Sockel haben, besetzt, den
graden Sturz, der einen Zinnenkranz
trägt, zieren zwei Wappen. Ein
dritter Wandschrank mit glattem,
spitzbogig geschlossenem Gewänd ist
bemerkenswerth durch sein pracht-
volles Schmiedeeisenbeschläg. Eine
ebendort in einer Wandblende ange-
brachte Piscina ist im Halbkreis-
bogen mit gothischen Nasen ge-
schlossen, die in schöngearbeitete
Lilien auslaufen.
Ein im Chor links vom Hochaltar
eingemauertes Epitaph des Ritters
Diether von Hoenstein f 1571 und
seiner Frau Katarina Rodin f 1560,
beide neben dem Crucifix knieend,
ist eine handwerkliche Steinmetzarbeit
der Renaissance.
Fig. 184. Kidric Ii. . . t
Pfarrkirche. Wandschrank in der Sakristei. Ausser diesen hat in der Kirche
eine grosse Zahl rheinischer und nassauischer Adliger ihre Ruhestätte gefunden, deren
Grabsteine jedoch kein weiteres kunstgeschichtliches Interesse gewähren. Die Auf-
zählung derselben findet man bei Zaun Seite 125, 126.
Die Kirche besitzt acht Glocken, von welchen die fünf grösseren im Thurm,
die anderen im Dachreiter hängen. Die grösste, von 1513, mit 1,75 Meter Oeffnung
und 1,70 Meter Höhe, trägt das Bild der heiligen Maria mit dem Kinde und des hei-
ligen Valentin, darüber die Inschriften: (Lötz 254)
magne öalentine/ prineeps/
pater/ atgue, patronc, pec Osanna/
tue resonat laudi; piefugue • Osanna peis Up-
meifter Hans jvi fran&furt gos mid)- flnno XD* K]\} ]ar-
0 peilige maria/ allerfufte mutter öottes/ biet 6ot oor uns armen funder und funderin in
der ftunde unferes dotes-
KIDRICH. KIRCHE. GLOCKEN UND ALTÄRE.
195
Die zweite, 1,60 Meter breit, 1,50 Meter hoch, trägt die Reliefbilder von Dionys
und Maria und erhielt beim Umguss 1868 die Inschrift:
0 maria rein/
laß Kidrid) dir empfohlen fein/
erbarme diät) der Sunder dein/
die ju dir o mutter fdjrein-
meifter hoogbups oon Brügge goß mid) fein
mDCccixom-
0 Dionijsi/ benigne curator infirmonum/ cura morbos animarum tibi fideliter scnnentium-
Die dritte, die „Gemeindeglocke" von 1389, hat das Bild des heiligen Petrus auf
einer Wolke, ist 1,40 Meter breit, 1,42 Meter hoch und trägt die Aufschrift:
lucas • marcus • Ittatteus • Joannes-
Hnno domini mcCQXXXlX-
feria • D • post • midjaelis-
Auf dem Rande: Bot ITlaria-
Die vierte (Messglocke), im gleichen Jahr und von demselben Frankfurter Meister
wie die grösste Glocke gegossen, ist 1,28 Meter breit und 1,19 Meter hoch und zeigt
die Inschrift:
maria 6lo* Jjeis id)
in Gottes eer laut id)
meifter bans }u franfort gos mid)
anno Xt)s K\\} jar-
Die fünfte, das Todtenglöckchen, 72 cm hoch und breit, ist die älteste und bezeichnet :
t ref • Kaspar • öaldifer • milgiar-
ALTÄRE.
1. Der Hochaltar, dem heiligen Valentin geweiht, wurde von dem 1619 ver-
storbenen Caspar von Eitz gestiftet; ein sehr stattliches Werk der deutschen Hoch-
renaissance, in bemaltem und vergoldetem Sandstein und mit guten Reliefs in Ala-
baster geschmückt. Das metallene Tabernakel modern (von 1876).
2. Der Katharinenaltar, im südlichen Seitenschiff, ist gleichzeitig mit dem
Hauptaltar eine Stiftung der Juliane von Schwalbach geb. Eitz f 1620, und ebenfalls
ein sehr beachtenswerth.es Renaissancewerk, das in einem Aufbau von korinthischen
Säulen den Crucifixus mit Maria, Magdalena und Johannes zeigt, über denselben die
Auferstehung und mehrere Heilige. Rechts und links sind die Gestalten der Stifter
mit zahlreichen Ahnenwappen angebracht.
3. Der Johannisaltar im nördlichen Seitenschiff ; reiches, spätestgothisches
Altarwerk von grosser Schönheit ; dem Stil nach gleichzeitig mit dem Umbau der
Kirche. In der Mitte ist unter einem aus fünf verschlungenen Wimpergen gebildeten
Baldachin Maria und Anna mit dem Christuskinde dargestellt, zur Rechten und
Linken unter ähnlichen Baldachinen Johannes Evangelist und der Täufer. Unter
196
KIDRICH. ALTÄRE UND EISENARBEITEN.
dem dreitheiligen Tabernakel, welches sich über dem Altarblatt stufenförmig aufbaut,
in der Mitte die heilige Katharina, Rochus und ein anderer Heiliger. Die beiden
Flügelbilder, welche die Geburt Christi und die Krönung Maria darstellen, sind von
August Martin neu gemalt.
4. Der Margarethenaltar auf der nördlichen Empore. Er ist 1426 zuerst
gestiftet und dotirt, 1684 zum zweiten Male geweiht worden (Zaun). In seiner gegen-
wärtigen, guten Wiederherstellung stellt er einen sehr zierlichen, spätgothischen
Flügelaltar dar, der unter geschweiften Baldachinen in der Mitte die heil. Margarethe,
links den heil. Antonius Eremita, rechts den heil. Nicolas enthält. Oben steht der
heilige Christoforus zwischen zwei heiligen Frauen; die Flügel sind noch unbemalt.
5. Ein neu erworbener Flügelaltar auf der südlichen Empore, schöne Arbeit
des frühen 15. Jahrhunderts, dessen reicher Figurenschmuck die Freuden und Schmerzen
Marias darstellt.
6. Der Marie naltar unter dem Lettner, neuerdings (1874) an der ursprüng-
lichen Stelle , anstatt eines 1720 beim Abbruch des Lettners hergestellten Altars
errichtet. Das Marienbild, welches ihn ziert, war auf dem Kirchenspeicher gefunden
worden und stammt vielleicht von dem vor 1396 errichteten ursprünglichen Marienaltar.
7. Johannes vom Nepomuk- Altar auf dem Lettner, neu, noch ungeweiht mit
einem Gemälde Aug. Martin's, welches Scenen aus dem Leben des Heiligen darstellt.
Im Thurm über dem westlichen Eingang, an der Stelle, welche jetzt durch die
Orgel eingenommen wird, stand früher, wie in vielen Kirchen an dieser Stelle, ein
Altar des heil. Erzengel Michael. Er war 1427 errichtet und wurde schon 1440 in
die neu erbaute Michaelskapelle übertragen. (Zaun 121.)
EISEN- UND HOLZARBEITEN.
Wie der Erweiterungsbau der Kirche am Ende des 15. Jahrhunderts eine Anzahl
tüchtiger Handwerker und Künstler in Kidrich vereinigte, so hat auch ein Schmied
von hervorragendem Können uns sehr beachtenswerthe Werke aus dieser Zeit hinter-
lassen. Des ungewöhnlich reichen Zierbeschlags auf dem Wandschrank der
Sakristei ist schon oben Erwähnung geschehen. Mit einem meisterhaft im Raum
vertheilten, lustigen Rankenwerk, das in zahllose Blätter endigt , überzieht derselbe
die feststehenden Bretter und die Thür des Schrankverschlusses. Kaum minder reich
und augenscheinlich von derselben Hand ist der Beschlag auf der südlichen
Sakristeithür; der einfachere, in seinen Formen von den vorigen abweichende
Beschlag der südlichen Kirchenthür deutet auf frühere Herkunft und stammt vielleicht
noch aus der Zeit vor dem Umbau. Vor Allem ist der prachtvolle schmiedeeiserne
Standleuchter zu erwähnen, der auf zwei sechseckigen mit durchbrochenen
Kämmen und kleinen Zinnen besetzten Rahmen die Kerzenteller trägt; Stützen im
Viertelkreis gebogen und mit Nasen besetzt, tragen dieselben gegen den Stamm ab,
der aus kräftigem Vierkanteisen gewunden, unten auf vier ebensolchen , im Viertel-
kreis gebogenen und mit Nasen verzierten Füssen steht, oben aber in eine kecke, aus
KIDRICH. EISENARBEITEN.
197
Fig. 187. Kidrich. Pfarrkirche. Thür zur siidl. Sakristei.
Blättern gebildete Doppelblume endigt. (Statz u. Ungewitter, goth. Musterbuch, Taf. 193.)
Auch ein anderer, einfacherer Leuchter, auf drei Füssen ruhend, mit gothischem Wasser-
schlag zeigt dieselbe Meisterhand.
198
KIDRICH. EISEN ARBEITEN.
Fig. 188. Kidrich. Pfarrkirche.
Geschmiedeter Leuchter.
Einen besonderen und seltenen Schmuck
besitzt die Kirche an dem noch vollständig
erhaltenen Gestühl aus Eichenholz, dessen
Seitenlehnen und Vorderwände aufs reichste
mit ausgegründetem Ornament verziert sind.
Während letztere mit phantastischem
Blumen- und Rankemverk, in welchem der
Wein häufig wiederkehrt,
ganz überzogen sind oder
auch ein mit Sinnsprüchen
beschriebenesBandornament
aufweisen, haben die Lehnen
im Innern ihrer Fläche ein
vertieftes , mit zierlichstem
Masswerk in Relief deko-
rirtes Feld, welches von den
ausgegründeten Ranken als
Rahmen umzogen wird.
Unter den Sinnsprüchen
lesen wir u. A. folgenden:
Die geredtfiglseit lit in großer not
die tTJarbeit ift geftblagen dot
der glauben hat den ftrit nerloren
die falfdjeit die ift hothgeborn
das dut got deme bern 2orn
o menferj las ab das du nit
werden ewiglich uerlorn
lobt geretbtigfeeit —
Der Meister hat uns seinen Namen in folgender
Inschrift überliefert :
Diß werfe bat gemacht Crbart falUener uon flbensperg
uß beiern/ wohnhaft ?u gau Odernbeim da man lalt nad)
der geburt crifti unfer lieben bern dufet fünfhundert und
Kbcn jar (1510).
Von demselben oberfränkischen Meister besitzen
wir ein ähnliches Werk von 1496 zu Bechtolsheim in
Rheinhessen. Die Kidricher Stühle sind 1869 von dem
schon erwähnten Bildhauer Broichmann in Limburg
vortrefflich restaurirt, der inach ihrem Muster auch die
Emporen 1872 mit neuem Stuhlwerk versehen hat. Man
zählt von den alten Stühlen 22 Stück grössere , drei
Meter lang, und 34 kleinere, welche mit den schönen Wangenstücken geschmückt
Fig. 189. Kidrich. Pfarrkirche.
Stit/iiwange.
KIDRICH. EISEN ARBEITEN.
199
sind. Von anderer Hand und mehr dem
rheinischgothischen Typus entsprechend sind
die Chorstühle, die ganz schlichte Vorder-
wände und an den Knäufen und Miserikordien
einfaches gothisches Blattwerk zeigen, dafür
aber an den Seitenwangen sich zu grösserem
Fig. 190. Kidrich. Pfarrkirche.
}Stitlilwange.
Fig. 191. Kidrich. Pfarrkirche.
Chorgestühl.
Reichthum erheben. Diese sind mit auf Grund geschnittenem spätgothischen Masswerk
verziert und auf der Stirnseite mit eckigen Säulchen besetzt, deren vorderes auf seinem
emporragenden blattlosen Kapital je die Gestalt eines heil. Bischofs trägt. Die
niedrigen Vorderwangen tragen einfach geschnitzte Thiergestalten. Interessant ist ein
auf der Rückseite des Lettners im Chor stehender Dreisitz durch die noch völlig
der gothischen Chorstuhlform entsprechende Anordnung, während die Ornament-
tormen sowohl in den kleinen Kandelabersäulchen , wie den als Knäufe vorge-
200
KIDRICH. EISENARBEITEN. BILDWERKE.
streckten Köpfen und dem Flachornament der Wangen die Hand eines tüchtigen
Schnitzers der Frührenaissance verrathen.
Die Orgel, im ersten Thurmgeschoss stehend, ist 1857 und 1858 von A. Hoog-
huys in Brügge gründlich reparirt und vervollständigt worden. Der ursprüngliche
Bau stammt aus der Zeit zwischen 1492 und 1510. Das Gehäuse baut sich auf kräf-
tigen, mit gothischem Laubwerk bemalten
Seitenkonsolen als ein Bau aus drei zinnen-
bekrönten Thürmen auf, von denen die seit-
lichen viereckig sind, der mittlere achteckig ;
geschweifte Wimperge mit Krabben und
Kreuzblumen füllen den Raum zwischen
den Thürmen aus. Die zum Verschluss des
Gehäuses dienenden Flügel sind mit Dar-
stellungen der Geburt und der Anbetung
modern, aber in strengem Stilanschluss
von Martin bemalt.
BILDWERKE.
Von den Bildwerken, mit denen die
Kirche noch immer reich ausgestattet ist,
von denen ein Theil jedoch nicht aus dem
alten Besitz derselben, sondern von der
Restauration der siebziger Jahre stammt,
ist zunächst der im Chorbogen aufgehängte
Crucifixus zu erwähnen, ein spätgothisches
Werk von starkem, naturalistischem Aus-
druck, der sich u. A. in dem vom Winde
geblähten Lendentuch ausspricht. Maria und Johannes, an den Pfeilern des Chor-
bogens auf Konsolen stehend, sind ebenfalls von lebhafter Bewegung und schönem
Ausdruck der Köpfe ; zwei kerzentragende Engel , welche neben dem Crucifix
schweben, sind neuerdings in Nürnberg erworben und zeigen unverkennbar Riemen-
schneider'sche Schule.
Am ersten nördlichen Schiffpfeiler nächst dem Lettner ist die bemalte Holz-
skulptur der heiligen Anna mit dem Christuskinde und Mariaals Kind aufgestellt,
ein Bildwerk von hoher Schönheit, das ebenfalls auf fränkische Herkunft weist. An
dem gegenüberstehenden Pfeiler steht eine stark vergoldete Maria mit dem Kinde,
eine etwas plumpe Holzfigur, wahrscheinlich süddeutscher Herkunft. Zu erwähnen
ist ferner eine in der nördlichen Seitenschiffwand aufgestellte , in Holz geschnitzte
und bemalte Pieta, ein ziemlich kunstloses, spätgothisches Werk, sowie im südlichen
Seitenschiff ein heiliger Valentin, sitzend in segnender Stellung , gute poly-
chromirte Holzschnitzerei des 14. Jahrhunderts. Ebendort eine auf einer gemalten
Landschaft mit Architekturen sitzende Flachrelieffigur des heil. Jac ob von Compostella.
Fig. 192. Kidricli. Pfarrkirche. Dreisits im Chor.
Fig. 193. Kidrich. St. Michaelskapelle.
KIDRICH. BILDWERKE. KAPELLE ST. MICHAEL. 201
An Bildern, die wahrscheinlich ursprünglich Altarflügel gewesen sind, sieht
man im nördlichen Seitenschiff ein Doppelbild, den heiligen Sebastian und den
Engel des Gerichts mit der Waage darstellend, sowie im südlichen Seitenschiff den
leidenden Heiland mit Ruthe und Geissei, von einem Engel unterstützt, mit Schrift-
band, und die schmerzhafte Mutter
mitjohannes, süddeutsche Arbeiten
des 16. Jahrhunderts. An der Rück-
seite des Marienaltars im Chor ist
ein Triptychon angebracht, welches
auf Goldgrund den thronenden
Christus mit Maria und Johannes
dem Täufer als Knaben darstellt.
An Fresken, die bei derRestau-
ration der Kirche stark übermalt
sind, sieht man auf der Nordwand
des Chors den heil. Bischof Nicasius
und St. Valentin und im südlichen
Seitenschiff den heiligen Josef.
Die überall gut restaurirten
ornamentalen Gewölbemalereien
wurden bereits erwähnt. Die Sa-
kristei ist mit gut wirkenden, auf den
Altardienst bezüglichen Spruch-
versen in gothischen Minuskeln
ringsum bemalt. Von den Glas-
malereien, welche früher dieFenster
schmückten, ist das Meiste in den
dreissiger Jahren verkauft worden
und in Zwierlein'schen Besitz sowie
in dieBrömserburg und nachSchloss
Rheinstein verbracht worden(Zaun).
An Ort und Stelle sieht man noch
die Glasbilder des Fensters im nörd-
lichen Seitenschiff, aus dem 14. Jahr-
hundert stammend : Zwei unter
Wimpergen stehende Heilige, auf
grünem mit weissen Mustern ver-
ziertem Teppichgrund; oben Vier- Fig. 194. Kidrich. St. Michaelskapelle. Oberer Grundriss.
pässe mit Blätterschmuck. Aehnlich, aber minderwerthig ist dasFenster über derNordthüre.
Im mittleren Chorfenster sind Reste aus dem 16. Jahrhundert, Christus mit Maria und Jo-
hannes darstellend, ebenso in der Sakristei aus derselben Zeit fünf Heilige auf Teppichgrund.
*
202
KIDRICH. KAPELLE ST. MICHAEL.
DIE TODTENKAPELLE ST. MICHAEL.
Dieser zierliche, der Pfarrkirche südlich gegenüberliegende Bau gilt mit Recht
als eine Perle der deutschen Spätgothik und hat das Glück gehabt, zuerst von Hoff-
mann 1845 bis 1847, dann von Görz 1851 bis 1858 in pietätvoller Weise wieder her-
gestellt zu werden, wobei dem Bildhauer Wenk aus Wiesbaden besonderes Verdienst
gebührt; auch für diese Restauration haben die reichen Mittel des Baronet Sutton
zur Verfügung gestanden.
Die Kapelle ist (nach Zaun) um 1440 erbaut worden und wurde 1444 bereits benutzt.
Das Erdgeschoss bildet ein einfaches, offenes Gruftgewölbe, durch breite vier-
eckige Pfeiler in zwei Schiffe getheilt, die mit Tonnengewölben überdeckt sind, in welche
verbindende Stichbogenkappen einschneiden.
Hierüber erhebt sich die Kapelle als ein-
schiffiger, dreijochiger Raum mit Netz-
gewölben überdeckt, deren Rippen aus ge-
bündelten Wanddiensten auf doppelten
Sockeln, aber ohne Kapitale hervorwachsen.
Der kleine achteckige Chor liegt in einem
ausgekragten Erker von reicher Aussen-
architektur. Die stützende Konsole des-
selben, mit einem achteckigen Pfeiler auf
den Sockel des Untergeschosses aufsetzend,
entwickelt sich in reicher Folge von Pro-
l len, die eins um das andre mit schön-
gezeichnetem gothischem Blattwerk besetzt
sind. Zarte Strebepfeiler begleiten die Ecken
und entwickeln sich, vom Kaffgesims an
übereckt, wo kleine Thiergestalten die Ecken
ausfüllen, oben zu Fialen, zwischen denen
zierliche, die Fenster bekrönende Wim-
perge in geschweifter Form sich einordnen.
Kidrich. Masswerk aus der st. Michaelkapelle. Das aus Stein konstruirte Zeltdach ist mit
einer Kreuzblume gekrönt. Am Anfall der Wimperge sind kleine Wasserspeier in
Thiergestalt vorgestreckt ; die Flächen unter den Fenstern sind durch rundbogiges
Blendmasswerk belebt. Im Innern ruht das Sterngewölbe auf glatten Eckdiensten ;
der Chorbogen ist nach der Kirche zu als geschweifter Wimperg mit offenen, hän-
genden Kleeblattbögen zwischen fialengekrönten Eckpfeilern gestaltet.
Die sechs Fenster des Schiffs zeigen dreitheiliges Masswerk in zierlichem, in
zwei Varianten abwechselndem Fischblasen-Muster. Die Strebepfeiler, mit Pultdächern
abgedeckt, sind über dem Kaffgesims mit Figurenbaldachinen geschmückt, die in Fialen
endigen. Zwischen die beiden Strebepfeiler der Nordfront ist eine offene Kanzel ein-
gebaut, deren durchbrochene Masswerk-Brüstung auf einem Segmentbogen ruht; die
Fig. 196. Kidrich. St. Michaelskapelle. Chörlein.
KIDRICH. KAPELLE ST. MICHAEL.
203
Ueberdeckung bildet ein Halbkreisbogen mit geschweiftem Wimperg. Der schlanke,
der Mitte des Westgiebels vorgelegte Treppenthurm ist achteckig mit viereckigem
Erdgeschoss; die Ueberleitung bilden offene Figurennischen mit Baldachinen. Be-
sonders schön ist die offene Steinlaterne, welche den Schluss des Thürmchens bildet;
sie baut sich aus acht Strebepfeilern mit Fialenbekrönung und zwischengesetzten Giebeln
auf, unter denen sich spitzbogige, mit Nasen besetzte Schall-Löcher öffnen; die mit
Krabben besetzten Steinrippen des Helms sind durch Masswerk verbunden. Auch
die innere Wendeltreppe zeigt die gleiche sorgfältige Durchführung: ihre hohle Spindel
ist aus drei gewundenen Säulchen gebildet, die durch Rundbogen verbunden sind.
Das Innere der Kapelle ist einfach,
aber sehr glücklich ausgemalt ; einen werth-
vollen Schmuck empfängt es durch einen
Kronleuchter aus Schmiedeeisen von un-
gewöhnlich schöner Arbeit. Ueber dem
Korb, aus dem sich die sieben reichverzierten
Arme entwickeln, steht, von sieben Engels-
köpfen getragen , in der Mondsichel die
Jungfrau Maria mit dem nackten Jesus-
kinde, ein in seiner reichen Gewandung und
dem Ausdruck der Köpfe meisterhaftes
lebensgrosses Holzschnitzwerk, dessen ur-
sprüngliche Bemalung ebenfalls in ent-
sprechender Weise wieder hergestellt ist.
Die in der Gruftkirche noch vorhan-
denen Grabsteine, derjenige des Pfarrers
Petrus Vallawe f 1465 und seiner Mutter
Anna t 1464 (eingravierte Umrisszeichnung
mit Reliefköpfen) und des Altaristen der ' ' /
Kapelle Hartmann Kirchenmeyster f 1467 -
mit dem Brustbild desselben sind hand- ^ m , KiArich . Treppenspindel im Thürmchen
werkliche Arbeiten von schlechter Erhaltung. von St. Michael.
Zwischen der St. Michaelkapelle und der Pfarrkirche steht auf dem alten, noch
mit einigen werthlosen Denksteinen besetzten Gottesacker eine schöne Kreuzigungs-
gruppe. Der edel und ruhig gezeichnete Crucifixus weist ebenso wie die beiden
Schächer, von welchen besonders der rechte vortrefflich in der Gewandung behandelt
ist, auf die Meisterschaft, welche selbst handwerklichen Arbeiten des 16. Jahrhunderts
eigen zu sein pflegt.
Von den Profangebäuden in Kidrich ist zunächst zu erwähnen:
Das Rathaus, ein solider Renaissancebau, aus Bruchsteinen und Verputz mit
steinernen Gewänden und Gesimsen. Gegenüber der Südfront der Kirche nimmt es
204
KIDRICH. PROFANGEBÄUDE.
Fif>. 199. Kidrich. Rathhans.
geschosses ist eine ornamental
in stattlicher Breite den Platz
ein, auf welchem früher das
oben erwähnte Pilgerhospital
gestanden hat. Da dieser Platz
1585 in den Besitz der Gemeinde
überging , so ist mit diesem
Jahre auch wohl der Baubeginn
des Rathauses gegeben.
Der Bau hat ein Erd- und
ein Obergeschoss , rundbogig
geschlossene Thor- und Thür-
öffnungen, im Obergeschoss ge-
kuppelte rechteckige Fenster
mit abgefasten Gewänden. Den
Hauptschmuck bilden zwei Er-
ker, auf je drei Steinkonsolen
vorgekragt, mit Satteldächern
hinter geschweiften Giebeln in
das grosse Hauptdach einschnei-
dend. Aussen in Höhe der
Fensterbrüstung des Ober-
mit Doppelwappen eingelassen.
eingerahmte Tafel
Aus dem Westgiebel steigt ein Kamin mit originellem Aufsatz empor.
Der Eberbacher Hof beruht auf einer Schenkung, welche Dydo und Elisa-
beth von Scharfenstein im Jahre 1312 dem Kloster machten ; bei dieser Gelegenheit
wurde zuerst auf dem Hofgut eine Kapelle gebaut. Das noch bestehende Hofgebäude,
jetzt in Privatbesitz, scheint unter dem Abt Michael Schnock (1702—1727) gebaut
worden zu sein; an einem Seitenbau findet man noch das
Wappen des Abtes Adolfus Dreymüller 1735. Die Kapelle
dient jetzt als Kornboden. Der Raum ist in der Länge getheilt
und durch eine eingezogene Zwischendecke entstellt. Doch
ist noch die Stuckdecke erhalten, die auf einer Voute drei
Wappenkartuschen, von Laub umgeben, aufweist.
Mehrere Adelshöfe lagen unmittelbar unter dem Felsen,
welcher die Ruine des Scharfenstein trägt. Zu oberst am
Bach lag der Graf Cr atzische Hof, an dessen Stelle jetzt ein
zu Anfang des 19. Jahrhunderts erbautes Holzhaus mit Man-
sarde und einer seitlichen Laube steht, die in halbem Verfall
und in dem verwilderten Garten ein malerisches Bild gewährt.
Der daneben liegende Hornecker Hof mit Mühle ist als
massives Bauwerk noch erhalten, aber aussen und innen voll-
ständig erneuert und ohne Interesse.
Fig. 198. Kidrich. St. Michaelskapelle. Inneres.
KIDRICH. PROFANGEBÄUDE.
205
Dagegen bietet der daneben Hegende gräflich Bassenheimische Hoff auch heute
noch das Bild eines stattlichen Adelshofes. Es ist ein grosses, solides Steinhaus mit
steinernen Fensterstöcken, hohem Dach und drei Giebeln nach der Thalseite. Auf der
andern Seite schliesst sich der grosse Wirthschaftshof an, nach Süden durch ein wehr-
haftes Thor abgeschlossen. Ein hölzerner Wehrgang zieht sich über der Thoröffnung
hinter der massiven, mit Schiessscharten versehenen Aussenmauer hin. Sehr statt-
lich ist das Vestibül
im Erdgeschoss mit of-
fener Holztreppe, deren
Geländer aus schön ge-
drehtenDocken gebildet
ist. Die Eingänge zu
den Zimmern haben
reiche Holzportale im
Stile des Unteutsch. Ein
Saal im Obergeschoss
zeigt noch die Rahmen
der «alten Vertäfelung
mit eingebautenThüren,
in welchen die Flächen
mit Stoff oder Leder-
tapeten bespannt ge-
wesen sein mögen. Die
Zimmer sind von dem
jetzigen Besitzer mit
zahlreichen alterthüm-
lichen Möbelstücken
ausgestattet. Der Hof
wurde 1661 vom Dom-
probst Adolf Hund von
Saulheim erbaut, dessen
Steinwappen noch an
der Südfront zu sehen
ist, und kam 1694 an
die Bassenheim. An-
fang des 19. Jahrhun- Fi&- 20L Kidrich. Bassenheimer (Saulheimer) Hof. Treppenhaus.
derts ging er von diesen in den Besitz der Familie Liebler in Mainz über, in
welcher er bis heute sich fortgeerbt hat.
Von dem Langenhof, nach einer aus Norddeutschland stammenden Familie
Langeln genannt, die ihn um 1480 erbaute, ist ein in einer oberen Strasse gelegenes
stattliches Haus mit massivem Erdgeschoss und in reichem Fachwerkbau ausge-
führten Obergeschoss erhalten, neuerdings restaurirt.
206
KIDRICH. PROFANGEBÄUDE.
Der Köther Hof, ein niedriges,
einstöckiges Gebäude in der Unter-
gasse und der Metternich'sche
Hof, der jetzt ein Nebengebäude des
Valentinus - Stiftes bildet, bieten
kein weiteres Interesse.
Der Sc hwa Ibach er Hof gehört
jetzt der Familie von Ritter ; Johann
Anselm von Ritter erbaute 1750
das noch heute bestehende Herr-
schaftshaus, einen anspruchsvollen
Bau im klassicistischen Stil mit
durch zwei Stockwerke gehenden
korinthischen Pilastern und einem
Mittelgiebel. Im Innern befindet
sich eine 1773 geweihte Hauska-
pelle, welche, wenn auch unbenutzt,
Fig. 202. Kidrich. Chor schule.
doch noch zum Gottesdienst einge-
richtet sein soll.
Zahlreich sind in Kidrich noch
die alten Fachwerkhäuser, welche,
theilweise durch Lord Suttons Für-
sorge erhalten und hergerichtet, dem
Ort sein malerisches Gepräge geben.
Wir geben einige derselben in Ab-
bildungen.
Von der Befestigungsmauer ,
welche den Ort im Mittelalter um-
zogen hat, ist neben dem Anschlags-
pfeiler des nordwestlichen Schwal-
bacher Thors noch ein geringer Rest
erhalten.
Ueber die Burg Schar f enstein,
deren Geschichte oben kurz gestreift
wurde, ist noch zu erwähnen, dass die
Ruinen derselben heute sich auf dem
Kidrich gegenüberliegenden Berg
erheben, der zu dem Kidricher Bach
in steilen Schieferklippen abfällt. Er-
jTrrpptnanUigf im Jhurm iJn* 0\uine <5>thftrff nff rin
Fig. 203. (nach v. Cohausen).
KIDRICH. PRO FANGEBÄUDE.
207
halten ist noch der Bergfried und Reste des Beringes; der doppelte Halsgraben,
jeder von ca. 16 Meter Breite ist deutlich erkennbar. Der Mauerring bildet nach
dieser Seite einen stumpf vorspringenden Winkel, in welchem sich dicht hinter der
Mauer der kreisrunde Bergfried erhebt. Derselbe ist noch in einer Höhe von
30 Meter wohl erhalten; er ist aus Schieferbruchstein mit Sandsteingewänden der
Oeffnungen erbaut. Das erste Geschoss, an dem eine auf Konsolen vortretende Stein-
platte den jetzt durch eine Leiter von aussen zugänglichen Eingang bildet, liegt ca.
7 Meter über dem Erdboden. Dies erste Stockwerk, unter welchem sich das enge
schachtartige Verliess befindet, hat im Innern viereckigen Grundriss, der an einer Seite
durch eine halbkreisförmige Nische erweitert wird und ist mit einem rundbogigen
Tonnengewölbe bedeckt. Die beiden folgenden Geschosse, innen rund mit drei Meter
Durchmesser, waren durch eine Balkendecke getrennt, deren Steinaunagen noch er-
halten sind und schliessen oben mit einem Kuppelgewölbe. Interessant ist die Anlage
der in der Mauerdicke ausgesparten Treppen, die sich von Stockwerk zu Stockwerk
versetzen (S. Grundriss Fig. 203). Auch bei diesem Bergfried findet man als
Maueranker über Kreuz gelegt vier starke Balken, (hier über dem Verliessgewölbe)
deren acht vortretende Köpfe beim Bau zugleich als Auflager der Rüstung gedient
haben mögen und nach dem Erhärten des Mauerwerks bündig abgesägt wurden.
208
Fig. 204. Nendorf. Alte Befestigung (n. Reijfenstcin 1838).
NIEDERWALLUF. NEUDORF.
AS DORF NIEDERWALLUF, an dem Bach Waldaffe, der östlichen Grenze
des Rheingaues, 18,2 Kilometer ostnordöstlich von Rüdesheim am Rheinufer
gelegen, hatte bei seiner ersten Besiedelung, welche in das 8. Jahrhundert
zurückgeht, seinen Sitz auf dem linken Ufer des Baches und gehörte
infolge dessen zur Königessundra. Seine erste Erwähnung geschieht 770 (Sauer 4),
in welchem Jahre dem Kloster Lorsch von einem Seibrecht Güter „in villa Waltaffe"
geschenkt werden. In den tradit. Fuldenses von 799 (Sauer 37) werden Grundstücke
erwähnt, welche Fulda hier erwirbt. Noch in Urkunden über Schenkungen von 822
und 958 (Sauer 53, 92) wird Waldaffe ausdrücklich als zur Kunigessundra gehörig
erwähnt. Es unterstand schon früh dem „Lindauer Gericht" (Hirt , Topogr. des
Herzogthums Nassau 183b, S. 34), über welches Vogel Folgendes mittheilt: „Durch
königliche Schenkung war die Fronhube in Waldaffe (Walluf) an die Abtei Cornelius-
münster bei Aachen gekommen, wodurch sich auch hier eine geistliche Immunität
oder Vogtei bildete, die von der Gaugerichtsbarkeit eximirt war. Ihre Grenzen liefen
vom Rhein aus, dem Bache Waldaffe nach, bis an den Rechtenbach, dann mit diesem
bis an die Schiersteiner Mark und an dieser hinab bis an den Rhein. Die Abtei
hatte sie um 1200 an den Rheingrafen Wolfram verpfändet (Sauer 732) und verkaufte
sie 1263 an die adelige Familie von Wisebaden. Nach dieser erscheinen schon 1310
die von Lindau in ihrem Besitze, wovon sie nun auch den Namen trug. Durch Kauf
kam sie von diesen 1768 an die Grafen von der Leyen. Sie ging von Nassau zu
Lehen ; allein im 17. Jahrhundert masste sich auch Mainz die Lehensherrlichkeit an.
Das Gericht, aus einem Vogt und sieben Schöffen bestehend, wurde zu Nieder-
walluf gehegt und hielt viermal ungebeten Ding. Doch im 17. Jahrhundert war es
NIEDERWALLUF. JOHANNISKIRCHE.
209
gänzlich aufgelöst, und die benachbarten Aemter hatten seine Jurisdiktion an sich
gezogen. Den Zehnten im Lindauer Gericht zog das Petersstift in Mainz."
An die frühere Lage des Ortes auf dem linken Bachufer erinnert die Ruine
der St. Johanniskirche. Eine solche scheint schon im 10. Jahrhundert vorhanden ge-
wesen zu sein, denn 955 hatte Walluf, obgleich Filiale von Eltville, sein eigenes Tauf-
und Begräbnissrecht mit hier residirendem Priester (Zaun).
Die jetzt noch erhaltenen Ueberreste der St. Johanniskirche, in neuester Zeit
zu einem Eiskeller verwendet, zeigen kaum eine Spur von dieser ursprünglichen Anlage ;
ein ganz schmuckloser Bedürfnissbau aus spätestgothischer Zeit trug, wie Reiffenstein
auf einer Skizze von 1873 angiebt, die Ruine über der Thür die Jahreszahl 1508.
Dieselbe umfasst noch das augenscheinlich früher flach gedeckte Kirchenschiff von
10,10 Meter Breite und 12,75 Meter Länge im Aeusseren. Man erkennt noch in der
Ostwand den 4,15 Meter breiten spitzbogigen Triumphbogen, in der Westwand die
ebenso geschlossene Eingangsthür und auf den Langseiten je zwei, in gedrücktem Spitz-
bogen überwölbte Fenster, in welchen Zaun noch Reste von Masswerk gesehen
hat. Heute sind alle Oeffnungen vermauert. Der Sockel ist durch einen glatten
Wasserschlag abgesetzt, das Mauerwerk aus Bruchstein und Rheingeschiebe sehr
unregelmässig errichtet ; nur die Ecken sind aus Quadern von rothem Sandstein auf-
gemauert, die an der Südostecke in Verzahnung stehen. Auffallend und vielleicht auf
Reste der ursprünglichen Kirche aus dem 10. Jahrhundert weisend, sind zwei auf der
nördlichen Längswand bemerkbare, jetzt auf Erdbodenhöhe ansetzende Rundbogen im
Mauerwerk, zwischen denen sich einige Schichten in ährenförmigem Mauerwerk befinden.
Auf ein vor dem Westgiebel früher vorhandenes hölzernes Vordach deuten
vier daselbst eingemauerte Hakensteine zur Aufnahme der Pfetten ; auf der Südwestecke
ist ein kleiner Inschriftstein mit unleserlicher Inschrift in deutscher Sprache eingemauert.
Einige Schritte von der Südostecke der Kirchenruine erheben sich aus dem
Felde die Fundamentreste eines quadratischen Bauwerks aus Gussmauerwerk , etwa
1,50 Meter über dem Boden. Die Zeit, wann die Johanniskirche verlassen worden ist,
steht nicht fest. Man weiss, dass sie 1773 noch in Dach und Fach gehalten wurde,
doch war 1671 schon das Chorgewölbe zerstört.
Die jetzige, ebenfalls Johannes d. Täufer geweihte Pfarrkirche beansprucht kein
weitergehendes künstlerisches Interesse. Das schlichte , flachgedeckte Bauwerk hat
länglich-rechteckigen Grundriss ; der durch einen Korbbogen vom gleichbreiten Schiff
getrennte Chor schliesst in drei Seiten eines gedrückten Achtecks. Von den drei
spitzbogig gewölbten Chorfenstern hat das mittlere einfach gothisches Masswerk.
Die sechs Fenster des Schiffs sind rundbogig geschlossen; ein kleines, neben dem
nördlichen Seitenaltar befindliches Spitzbogenfenster ist mit Nasen besetzt. Nördlich
ist an das Schiff ein querschiffartiger, viereckiger Ausbau mit Empore angefügt, von
dem eine mit gothischer Hohlkehle und gebrochenem Spitzbogen , sowie mit einem
guten Eisengriff versehene Thür ins Freie führt. Auf der Nordwestseite ist aussen
eine Freitreppe zu der tiefen Orgelempore vorgelegt, die mit ihren Steinkonsolen
und einer wappengeschmückten Renaissancesäule eine gefällige Baugruppe bildet.
14
210
NIEDERWALLUF. NEUDORF.
Von den drei in Barockarchitektur gehaltenen Altären zeichnet sich der Hoch-
altar durch edlere Linienführung aus, während die Seitenaltäre etwas mit Schnitz-
werk im „style auriculaire" überladen sind. Das Orgelgehäuse, welches ebenfalls die
geschweiften Formen vom ausgehenden 17. Jahrhundert zeigt, ist klein aber gut pro-
portionirt. Ein Taufstein, einfache Halbkugel mit Lippenprofil auf runder Säule, deren
Basis im Boden steckt, trägt ein stark gestörtes Wappen mit dem Mainzer Rad und
die Jahreszahl 1603. Ein älteres Stück ist die Kanzel, datirt 1576, entweder aus der
alten St. Johanniskirche hierher übertragen, oder, wofür die Masswerke und Spitz-
bogen im Chorfenster ebenfalls sprechen würden,
von einer früheren, dem 16. Jahrhundert angehörigen
Bauperiode dieser Kirche stammend. Die Kanzel
springt aus der Südwand der Kirche vor, und
enthält zwei Füllungen von hübscher Renaissance-
Flachschnitzerei.
An einem hinter der Kirche gelegenen Hause
bemerkt man an der Ecke eines Fachwerkbaues
eine gut bewegte Rococcofigur des Heil. Florian ;
die in flottem Kartuschenwerk gearbeitete Konsole
trägt die Jahreszahl 1766.
NEUDORF.
Das Dorf Neudorf liegt drei Kilometer nördlich
von Eltville in dem von dem Walluf-Bach durch-
flossenen Thal. Heute ein kleines, wohlhabendes
Dorf, verdankte es im Mittelalter seine grössere
Bedeutung seiner durch das Gebück besonders ge-
schützten Lage, welches sich bis kurz hinter Neu-
dorf im Thale des Baches entlang zog und nahe
hinter dem Ort bei der „Klinge" genannten Befesti-
gung den westlichen Bergabhang emporstieg (s. S. 4).
In Neudorf, welches ursprünglich den Namen
Martinsthal führte , scheinen sich zu ver-
schiedenen Zeiten die Bewohner mehrerer im Thal gelegener ausgegangener Ort-
schaften vereinigt und ihm mit einer grösseren Einwohnerzahl den Namen Neudorf
gegeben zu haben, der übrigens schon 1380 als „Nuwendorf by Glimendal" vor-
kommt. Letzteres war eine etwas thalaufwärts gelegene Burg, welche einem weit-
verzweigten Geschlecht den Namen gegeben hat. Zu einer nicht mehr genau zu
bestimmenden Zeit haben auch die von Glimmenthai ihre Burg verlassen (die voll-
ständig verschwunden ist) und sich in Neudorf angesiedelt. 1429 unterzeichnet ein
Syfrid von Glimmendail genannt Barfuss mit andern Bewohnern von Neudorf eine
mit dem Petersstift zu Mainz geschlossene Vereinbarung (Zaun 98).
Fig. 205. Niederwalluf. Pfarrkirche.
Holzfüllung in der Kanzel.
NEUDORF. PFARRKIRCHE. 211
Auch das unterhalb Neudorf gelegene Dörfchen Rode (zum Rodechin) hat bei
seinem wohl durch die Unsicherheit der Lage ausserhalb des Gebücks veranlassten
Ausgang um 1350 die Einwohnerzahl von Neudorf vermehrt. Rode kommt bereits
824, dann 1017 und 1018 vor, hatte eine eigene Kirche und eigenen Pfarrer (Bodmann
I. 11, 13). Um 1158 entstand zu Rode ein Nonnenkloster infolge einer Schenkung des
Ritters Embricho von Steinheim, der sein Erbe auf dem Rödchen an das Kloster
Selbold schenkte. Schon 1248 war das Kloster im Besitz der Ritter des heiligen
Grabes, welche beim Bauernaufstand von 1525 von dort vertrieben wurden. Die Kirche
bestand als Wallfahrtskirche bis 1804,
wo sie abgerissen wurde (Zaun 10, 5).
Auch der Ort Rode ist spurlos ver-
schwunden.
Das durch die verschiedenen Zuzüge
erstarkte Martinsthal oder Neudorf er-
hielt 1363 vom Erzbischof Gerlach die
Erlaubniss, sich mit Mauern und Thür-
men zu versehen. Von diesen heute
nicht mehr erkennbaren Befestigungen
muss in der ersten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts noch ein Rest bestanden haben,
wie aus einer 1838 von Reiffenstein ge-
zeichneten Skizze hervorgeht (Fig. 204).
Diese zeigt eine mit Stichbogenblenden
und einem offenen Wehrgang versehene
Mauer, an welche sich ein im Erd-
geschoss massives, mit einem hölzernen
Obergeschoss überbautes Wohnhaus an-
lehnt. Der aus Quadern gebaute Eck-
pfeiler und der spitzbogige Thorweg
deuten auf ein höheres Alter.
Nachdem der Ort früher nach Elt-
ville gepfarrt hatte, machte im Anfang
des 15. Jahrhunderts das Anwachsen FiS- 206. Nendorf. Holserker (nach Reiffenstein).
desselben den Bau einer eigenen Kirche und die Anstellung eines Pfarrers möglich.
Nur die Taufen mussten noch in der Mutterkirche vollzogen werden, bis 1511 Erz-
bischof Uriel auch die Errichtung eines Taufsteines erlaubte (Vogel 35).
Die den heil. Sebastian und Laurentius geweihte Kirche, welche 1429 beendet
wurde, ist ein künstlerisch wenig interessirender, einschiffiger Bruchsteinbau ohne
Strebepfeiler mit gleichbreitem, im Achteck geschlossenen Chor ; im Schiff und Chor
ein durchlaufendes Sterngewölbe mit einfach gekehlten Rippen, in welche der (wahr-
scheinlich später eingesetzte) spitzbogige , unprofilirte Triumphbogen unorganisch
einschneidet. Die Gewölbrippen verlaufen in runde Wanddienste ohne Kapitale. Der
14*
212
NEUDORF. GLOCKEN.
Schlussstein des Chorgewölbes trägt ein Wappen , in rothem Schild zwei gekreuzte
Pfeile zeigend ; um den mittelsten Schlussstein des Schiffs findet sich die Jahreszahl
M°CCCC° und XII angeschrieben, was auf eine ziemlich lange Bauzeit deuten würde.
Die Fenster sind spitzbogig geschlossen mit zweitheiligem, spätgothischem Masswerk.
An der Nordseite des Schiffs ist eine kleine Sakristei mit rippenlosem Kreuz-
gewölbe angebaut. Der Südwestecke ist ein malerisch wirkendes Treppenthürmchen
mit geschweifter Dachhaube vorgelegt, welches zu der an der Westseite angeordneten
tiefen Orgelempore führt.
Die drei Altäre zeigen grosse Aehnlichkeit mit denen in Niederwalluf und
dürften von derselben Hand zu Anfang des 18. Jahrhunderts geschnitzt sein.
Von den drei Glocken hat die grösste die Inschrift :
üon St- Sebastian bin id) genannt/
2u neudorf im Rbeingau mobl bekannt-
2u Gottes Cbr laut id)/
Hemmend) und öregorp goßen mid)
anno 1561-
Die zweite: 1727 goß mid) Georg Cbriftopb Rotb uon main)- (Lötz 335.)
Von alten Fachwerkhäusern ist das Meiste durch Verputz unkenntlich gemacht
worden. Erhalten hat sich ein hübscher Erker, auf Sattelhölzern über Eck vorgebaut
und mit geschweiftem Dach an dem jetzigen Gasthaus in der Mitte des Ortes (s. Fig. 206).
213
RAUENTHAL.
\as durch seinen Wein berühmte, 16,2 Kilometer nordöstlich von Rüdes-
heim auf einer zum Schlangenbader Bach steil abfallenden Höhe gelegene
Kirchdorf Rauenthal gehört zu den jüngeren Ansiedelungen des Rhein-
gaues. Erst im 13. Jahrhundert überwies das Erzstift Mainz den ihm
gehörigen , bis dahin noch wüsten Berg einer Anzahl von Kolonen zur Anrodung,
welche sich allmälig auf dem östlichen Ab-
hang des Berges ansiedelten. Der Erfolg
der Urbarmachung muss bald ein günstiger
gewesen sein, denn der Erzbischof behielt
sich einen Weinzins (von der Ruthe einen
Schoppen Lauterwein) aus, eine Abgabe,
die unter dem Namen „Bergrecht" bis 1824
bestand. Als in der Folge der Weinbau
auf dem Rauenthaler Berge sich immer
einträglicher erwies, suchte auch das St.
Petersstift und umwohnende Adelsgeschlech-
ter sich theils den Zehnten der nicht dem
Bergrecht unterstehenden Weinberge anzu-
eignen, theils eigene Weinberge zu erwerben,
indem sie in dem Dorfe Wohnung nahmen.
Aus dieser Zunahme des Ortes , der
ursprünglich nach Eltville eingepfarrt war,
erwuchs schon 1339 das Bedürfniss einer
eigenen Kapelle. Diese, dem heil. Antonius
geweiht, wurde in dem genannten Jahre von
Erzbischof Heinrich bestätigt, wobei der
Ausdruck „de novo" darauf schliessen lässt,
dass bereits vorher im Orte ein kleines
Gotteshaus bestanden habe. Zaun will,
vielleicht nicht mit Unrecht, Reste des-
selben in der nördlich neben der jetzigen
Kirche gelegenen kleinen Michaelskapelle
vermuthen, deren unteres Geschoss als Fig. 207. Rauenthal. Grundriss der Pfarrkirche.
214
RAUENTHAL. PFARRKIRCHE.
Beinhaus diente. Wann die ursprüngliche St. An-
toniuskapelle zur jetzigen Pfarrkirche ausgebaut
wurde, ist nur annähernd aus der Thatsache zu
schliessen, dass im Jahre 1459 auf Ansuchen des
Pfarrers mehrere Kardinäle Ablass gaben für
solche, die etwas für die Kirche beisteuerten.
Die am Südportal der Kirche angebrachte Jahres-
zahl 1464, sowie die Zahl 1492, die sich neben
dem Namenszug des Pfarrers Wilhelm von Bär-
stadt auf einem Schlussstein des Gewölbes findet,
lassen den Schluss zu, dass innerhalb dieser
siebenundzwanzig Jahre die jetzige Kirche erbaut
wurde. Im Jahre 1558 wurde der Ort durch eine
Feuersbrunst zum grossen Theil zerstört, bei der
auch die Kirche zu
Fig. 208.
Rauenthal. Pfarrkirche.
Gewölbeansatz.
Fig. 209. Ratlenthal. Pfarrkirche von Osten.
Schaden kam , so dass das St. Victorstift in dem ge-
nannten Jahr mit kleinen Beträgen für deren Wieder-
herstellung eintreten musste.
Die Kirche ist ein spätgothischer Bau von schlichter
Ausführung , nur in den reicheren Wölbungen den
Einfluss des benachbarten Kidrich andeutend. Der
zweijochige Chor, schmaler als das Schiff, schliesst im
halben Achteck, mit nach aussen gelegten Strebepfeilern,
die mit konkaven Pultdächern abgedeckt sind. Das
Sterngewölbe, dessen Rippen
mit einfacher Kehle profilirt
sind, ruht auf Konsolen mit
Köpfen. Südlich ist dem Chor
eine ziemlich geräumige Sa-
kristei von länglich recht-
eckigem Grundriss vorge-
legt , mit einem Stern-
gewölbe überdeckt. Ein
spitzbogiger ungegliederter
Triumphbogen öffnet den
Chor nach dem Schiff. Dieses
ist einschiffig, mit nach innen
gezogenen Strebepfeilern;
die abgerundeten Ecken der
letzteren sind oben durch
Auskragungen zu den eckig
ansetzenden Blendbogen
RAUENTHAL. PFARRKIRCHE.
215
übergeleitet. Das dreijochige ziemlich reiche Netzgewölbe hat doppelt gekehlte Rippen und
setzt auf runde, mit Wappenschildern gezierte Konsolen auf. Der westliche Schlussstein
trägt wie erwähnt, die Jahreszahl 1492 und die
Umschrift roillielmus lüilbelmi de berstat
pkbanilS. Nach Norden hin findet sich
wm^m in demselben Netzgewölbe das
l Meisterzeichen, ein Beweis , dass
S ▼ der Steinmetz , welcher um die
genannte Zeit an der Kidricher Pfarrkirche
arbeitete, auch die Netzgewölbe in Rauen-
thal ausgeführt hat. Die Fenster sind im Fig.210.Rauenthal. Pfarrkirche. Weihwasserstein.
Schiff ebenso wie im Chor zweitheilig mit
geringem Fischblasen-Masswerk ; eine ein-
fache profilirte Thür in der Südmauer mit
der Jahreszahl 1464 führt durch die mit
einem Kreuzgewölbe überdeckte Vor-
halle ins Freie. Der Nordwestecke des
Schiffs ist ein Treppenthürmchen ange-
schlossen, in welchem eine Treppe aus
Schieferplatten bis ins zweite Thurm-
Fig. 211. Kaltenthal. Pfarrkirche. Standlenchtcr
von Schmiedeeisen.
Fig. 212. Rauenthal. Pfarrkirche.
Thürbcschlag in der Thurmvorhalle.
geschoss führt. Der Thurm, viereckig, ohne Strebepfeiler ist der westlichen Schiffs-
mauer vorgelegt. Das gewölbte Erdgeschoss dient als westliche Vorhalle, ein darüber
216
RAUENTHAL. KUNSTWERKE. FACHWERKHAUS.
befindliches gewölbtes Stockwerk, durch eine schwer mit Eisen beschlagene Thür
mit dem Kirchenschiff verbunden, diente vielleicht als Schatzkammer. Das dritte
Geschoss hat zweitheilige Schal löffnungen , deren auf die Hochgothik deutendes
Masswerk aus Vierpasskreisen über Nasen-besetzten Spitzbogen besteht. Der Thurm
verräth eine sorgfältigere Ausführung als der übrige Bau: der reich profilirte Sockel,
die Eckquadern, das zweimalige Kaffgesims
sowie die Schalllöcher sind in rothem Sand-
stein ausgeführt, während am Schiff und
Chor das Bruchsteinmauerwerk vorherrscht.
Der Thurmhelm ist mit vier Eckthürmchen
und einem Dachreiter besetzt.
An alten Inventarstücken enthält die
RauenthalerKirche wenig : ein spätgothischer
Weihwasserstein ist kelchförmig, mit
Masswerk besetzt. Ein gutes Stück mittel-
Fig.213. Rauenthai. Pfarrkirche. Wapdleuchter. alterlicher Schmiedearbeit ist ein Stand-
leuchter auf drei Füssen, der an den in der Kidricher Kirche erhaltenen erinnert. Ein
tüchtiges, wahrscheinlich der gleichen Werkstatt entstammendes Schmiedestück ist
ferner der Beschlag der inneren Westthür in der Vorhalle. Dass auch in der Renaissance-
zeit noch tüchtige Schmiede hier arbeiteten, beweist
ein kleiner Armleuchter an der südlichen Emporen-
säule. Die hufeisenförmig weit ins Schiff vorgebaute
Orgelempore wird von vier Säulen getragen. Sie
sowohl, wie die Orgel, die Kanzel und der dem
heil. Antonius geweihte Hauptaltar nebst den der
Mutter Gottes und der -heil. Anna geweihten Neben-
altären sind gute handwerkliche Arbeiten des Barock-
stils , für welche wohl das Jahr der Neuerrichtung
des Hauptaltars 1691 massgebend sein mag.
Nördlich neben dem Chor der Kirche steht ein
jetzt ganz vernachlässigtes Gebäude , welches in
seinem Obergeschoss früher das Schulzimmer ent-
hielt und vordem eine Michaelskapelle gewesen sein
soll. Das Erdgeschoss, mit rippenlosem Stichkappen-
gewölbe auf einem viereckigen Mittelpfeiler ohne
Kapital überdeckt, diente als Karner oder Beinhaus. Fig. 214. Rauenthai. Holsgiebd.
Die spitzen Giebel (der westliche massiv) sowie ein kleines vermauertes Fenster mit
Nasen deuten auf die Spätgothik als Erbauungszeit.
Von bemerkenswerthen Fachwerkbauten, an welchen es, wie in den übrigen
Rheingaudörfern, auch in Rauenthai nicht gefehlt haben dürfte, ist nur noch ein kleiner
Giebel mit Krüppelwalm am nordöstlichen Ende des Dorfes erhalten.
3^
217
VBA
Fig. 215. Schloss Vollrats 1862 (nach Reiffenstein).
WINKEL, MITTELHEIM, OESTRICH.
(SCHLOSS VOLLRATS.)
?IE DREI KIRCHDÖRFER WINKEL, MITTELHEIM und OESTRICH
bilden heute eine fast zusammenhängende Ansiedelung , die sich drei
Kilometer lang am Rheinufer hinzieht von der Mündung des Klingel-
bachs an, der, von Stephanshausen herabkommend, 6,5 Kilometer östlich
von Rüdesheim sich in den Rhein ergiesst, bis zu dem am „Grauen Stein" entspringenden
Pfingstbach, der bei Oestrich mündet. Da die drei Ortschaften schon im frühen
Mittelalter politisch zusammengehörten, so ist es wohl nicht unberechtigt, sie auch
hier gemeinschaftlich zu behandeln.
Winkel, der älteste der drei Orte, gab bis ins 13. Jahrhundert auch den beiden
andern seinen Namen. Dass dieser Name in den Jahrbüchern des Pithäus um 850
Winzella lautet, hat zu der Vermuthung geführt, dass der Ort bereits zur Römerzeit
als Weinlager (vini-cella) gedient habe. Doch ist dagegenzuhalten, dass die heute
gebräuchliche Form bereits in einer Urkunde von 901 (Sauer 81) und von da an
häufiger vorkommt und nur in einer Urkunde von 1109 („ecclesiam in villa nostra
Clingelmunda infra Winsellam") der Name in der die obige Deutung zulassenden
Form wiedererscheint. Wenn hiernach die römische Abstammung des Ortes fraglich
erscheint, so ist doch ein Beweis für sein hohes Alter in der Nachricht enthalten,
dass der Erzbischof von Mainz Rhaban Maurus (seit 874) hier seinen Wohnsitz gehabt
218
WINKEL. GESCHICHTE.
fannales fuldenses b. Pertz Monum. I. 1. 366) und bei einer Hungersnoth im Jahre 850
hier an den Bewohnern des Rheingaues grosse Mildthätigkeit geübt habe; wie er
denn auch am 4. Februar 856 in seiner „Villa zu Winkel" gestorben sein soll.
Vom 9. bis ins 13. Jahrhundert finden wir besonders das Kloster Bleidenstadt
hier mit Höfen und Weingärten begütert; noch 1213 (Sauer 332) erwirbt es durch
Tausch den in Winkel gelegenen Hof des Klosters St. Alban zu Mainz. Um diese
Zeit scheinen die drei Orte noch den gemeinschaftlichen Namen Winkel geführt zu
haben, da das Kloster Gottesthal, welches in Mittelheim gegründet war, als „in Winkel"
bezeichnet wird. Erst 1254 scheint eine Trennung der kirchlichen Gemeinden statt-
gefunden zu haben, da in diesem Jahr zuerst eine Kirche in Oestrich erwähnt wird,
die dem Victorstift zu Mainz unterstand. (Dem Namen Oestrich begegnet man
bereits im 11. Jahrhundert.) Ein gemeinsames Centgericht der drei Orte war (nach
Vogel) noch 1368 vorhanden.
In Winkel*) hatte ein Zweig des ältesten Rheingrafengeschlechts seinen Sitz.
Ein Graf Richolf, der nach 1109 lebte und in zweiter Ehe mit Dankmud, der Tochter
des Dudo von Lorch vermählt war, stiftete die St. Georgsklause unter dem Johannis-
berg und erbaute in Klingelmünde die St. Bartolomäuskirche, nach welcher der Ort
den Namen St. Bartolomä annahm. Die Kirche nebst einem zum Leprosenhaus be-
stimmten Gebäude sowie die Rheininsel Lützelaue übergab er 1109 dem Kloster
Johannisberg (damals noch Bischofsberg) , in welchem er und seine Gemahlin, nach-
dem sie dem weltlichen Stande entsagt hatten, auch starben. Sein Sohn Ludwig folgte
seinen Eltern in den geistlichen Stand, so dass mit ihm der Winkeler Zweig der Rhein-
grafen erlosch. Seine Güter fielen an seinen Oheim Wulferich von Lorch, der sich
darauf „von Winkel" benannte; er starb 1118. Seinem Sohne gleichen Namens werden
wir bei der Stiftung der Kanonie Gottesthal wieder begegnen.
Gleichzeitig mit diesen Abkömmlingen des Rheingrafen lebte in dem Orte ein
zweites Rittergeschlecht, welches sich ebenfalls von Winkel nannte. Der erste Ritter,
der uns aus diesem Stamme bekannt wird, ist Heinrich I., vermählt mit der Tochter
Volkmars von Heppenheft. Die Enkel dieses Paares, Embricho und Heinrich II.,
führten den Namen „von Winkel, genannt Greiffenklau," welchem Namen ein Urenkel
Friedrich zu Mitte des 14. Jahrhunderts den Zusatz zum Volrades beifügte, nach dem
unweit Winkel gelegenen Schlosse, welches die Greiffenklau um diese Zeit erbaut zu
haben scheinen. Wie es scheint, war dies eine Erbschaft von den alten Volraden,
einer adeligen Familie, die ebenfalls in Winkel ihren Sitz hatte. Da sich das „graue
Haus" zu Winkel seit dieser Zeit ebenfalls im Besitz der Greiffenklau zu Vollrads
befindet, so ist die Vermuthung nicht ausgeschlossen, dass man in diesem den ur-
sprünglichen Ansitz der Vollraden zu sehen hat.
Das ausgegangene Dorf Klingelmünde oder Bartolomä, welches in der oben
erwähnten Urkunde genannt wird und , als zu Winkel gehörig , am Ausfluss des
Klingelbachs lag, hat insofern für die Geschichte des Rheingaues Bedeutung, als in
*) Kirchenrath Dahl, Frankf. Didaskalia 1827.
MITTELHEIM GESCHICHTE.
219
seinem Bering die Rheingauischen allgemeinen Landesversammlungen abgehalten
wurden, nachdem die Lützelau oder Grafenau, welche ursprünglich deren Stätte ge-
wesen, vom Strom weggespült war. Erst, als Eltville im 16. Jahrhundert als erz-
bischöfliche Residenz Bedeutung gewonnen hatte, wurden die Landesversammlungen
nach dieser Stadt verlegt.
Die oben erwähnte, von Rheingraf Richolf um 1109 erbaute Kirche von Klingel-
münde gerieth nach der Aufhebung des Klosters Johannisberg (1563) in Verfall und
wurde 1626 dem Jesuitenkollegium von Mainz überwiesen, welches sie soweit herstellen
liess, dass sie während des Neubaues der Pfarrkirche von Winkel den dortigen Be-
wohnern als Gotteshaus diente (Zaun S. 227). Mit der Auflösung des Jesuitenordens
1774 wurde die Kirche abgebrochen.
Dass in Winkel selbst schon sehr früh eine Kirche oder Kapelle bestanden
haben muss, ist schon durch die Ueberlieferung bedingt, dass der Erzbischof Rhabanus
hier residirt habe. Dieselbe war der heiligen Walpurgis geweiht und stand unter dem
Patronat der Rheingrafen, später der Greiffenklau. Sie ist bis auf die letzte Spur
verschwunden, als infolge ihrer Baufälligkeit und unzureichenden Grösse sich die Ge-
meinde 1674 entschloss, eine neue Kirche zu bauen, deren Chor 1678 vollendet wurde.
Das Dorf M i 1 1 e 1 h e i m hat jedenfalls schon früh als kleine, zu Winkel gehörige
Ansiedelung bestanden. Die Form des Namens Mittilaha (Mittelbach) 1191 deutet
auf den Wasserlauf hin, der hier zwischen den grösseren Bächen Klingel- und Pfingst-
bach dem Rheine zufliesst. Im 13. Jahrhundert kommt der Name als Medilnheim vor.
Eine selbständige Bedeutung gewann der Ort jedoch erst durch die Gründung der
Augustiner-Kanonie.
Der Mainzer Ministeriale Wulferich II. von Winkel hatte auf seinem Eigenthum
(der „Rendewineshuba" Sauer 238) ein Kloster, welches den Namen Gottesthal er-
hielt, mit einer dem heiligen Egidius geweihten Kirche erbaut und stellte 1138 dasselbe
den von Erzbischof Adalbert I. im Jahre 1131 wegen schlechter Klosterdisciplin aus
Eberbach ausgewiesenen Augustiner-Chorherren und Schwestern zur Verfügung.
Als erster Probst trat in das neue Kloster Erenfried, Stiftsherr zu Unserer lieben
Frauen zu Mainz.
Die manchem Wechsel unterworfene früheste Geschichte dieser Stiftung ist
nicht ganz klar; unter Anderem steht urkundlich nicht fest, ob (wie Bodmann annimmt)
dieselbe ein Doppelkloster war. Hierfür scheint zu sprechen, dass in einer Urkunde
von 1151 (Gud. C. D. I. 208, Sauer 229) Erzbischof Heinrich I. von Mainz die Schenkung
einer bei Eltville belegenen Rheinaue bestätigt, „die sein Vorgänger Markolf aus
Mitleid mit der Armuth der Brüder und Schwestern, welche unter der Regel des sei.
Augustinus in gemeinsamem Leben in Winkel wohnten," denselben gemacht hatte,
sowie die Schenkung einer Mühle mit anliegendem Weinberg seitens seines Ministerialen
Meingot, „veranlasst durch die Bitten des Abtes Folbert und der Brüder und
Schwestern des genannten Klosters."
Schon 1213 erscheint Gottesthal nur von Nonnen bewohnt, wie aus den Urkunden
(Sauer 335, 336) hervorgeht, welche über die Schlichtung eines Besitzstreites zwischen
220
OESTRICH. GESCHICHTE.
dem genannten Kloster und Eberbach aufgenommen wurden, wobei der Probst Arnold
die Gottesthaler Nonnen vertritt.
Aber auch dies Nonnenkloster bestand nicht lange an der ursprünglichen Stelle.
Schon vor 1250 vertauschte es dieselbe mit einer neuen Niederlassung ausserhalb des
Ortes (Zaun 191) „in einem lieblichen Wiesenthal," welche nunmehr den Namen Gottes-
thal erhielt. Ein neues Kloster und eine stattliche Kirche, zu deren Bau der Rhein-
graf Siegfrid freigebig beisteuerte, wurde 1250 fertig. Mit der Uebersiedelung
beschlossen die Nonnen, die strengere Ordensregel des heil. Bernhard anzunehmen,
und ihr Kloster, wie es im 13. Jahrhundert zahlreiche Klöster des Rheingaues thaten,
der Aufsicht von Eberbach zu unterstellen. Eine kleine Anzahl der Schwestern,
welche dieser Neuerung nicht folgen und bei der alten Augustiner-Regel bleiben
wollten, wurden auf Anordnung des Erzbischofs Gerhard 1251 in das alte Kloster zu
Mittelheim zurückversetzt, welches, da den schismatischen Nonnen die Aufnahme von
Novizen untersagt wurde, bald ausstarb. Die uralte Kirche des heil. Egidius und das
Kloster gingen dann als Pfarrkirche und Pfarrhaus in den Besitz der Gemeinde
Mittelheim über; das Patronat derselben blieb bei Gottesthal.
Im Jahre 1386 wurden die Marken von Mittelheim und Oestrich geschieden
(Bodmann I. 88, 89), doch gehörte Mittelheim noch 1396 und auch nach der neuen
Ordnung der Rheingauer Verfassung durch Erzbischof Albrecht 1527 nach Oestrich
in das Gericht. Der Ort zählte damals 62 Herdstätten.
Ausser der Pfarrkirche besass Mittelheim drei Kapellen : zur heil. Jungfrau,
zum heil. Laurentius und eine nahe am Rhein gelegene Kapelle zum heil. Nicolaus.
Das Kloster Gottesthal versank im 14. Jahrhundert in Dürftigkeit (Vogel S. 47).
1631 mussten seine Insassen vor den Schweden über den Rhein flüchten, wobei seine
Urkunden verloren gingen. Im Jahre 1801 wurde es aufgehoben, die Gebäude wurden
verkauft und 1812 bis auf den Grund abgebrochen.
Das Pfarrdorf Oestrich erscheint unter der Namensform Hostercho bereits
in einer Urkunde von 1201 (Sauer 111), nach welcher das Mainzer St. Albansstift
daselbst einen Hof erwarb. Der Annahme, dass in dem Namen eine Hindeutung auf
den östlichsten Theil von Winkel, welches ursprünglich die drei fast zusammen-
hängenden Dörfer umfasste , enthalten sein könnte , scheint die alte Namensform zu
widersprechen, die (1123 um 1171 Hosteriche, um 1200 Hosterich) erst im 13. Jahr-
hundert durch die heutige Form verdrängt wird. Im Jahre 1123 schenkte der Mainzer
Kämmerer Meingoz beim Antritt eines Kreuzzugs sein Eigenthum in Hostriche und
Richerteshusen dem Kloster Altenmünster in Mainz, was dieses 1388 an Eberbach
verkaufte. Auch das Kloster Bleidenstadt war hier, wie in Winkel, begütert und
vertauschte 1171 einen Hof daselbst dem Victorstift gegen einen in Lorch belegenen.
Die Trennung der Gemarkung Oestrich-Mittelheim von derjenigen von Winkel
vollzog sich gegen Ende des 12. Jahrhunderts. Sie umfasste ein grosses Gebiet, nämlich
ausser Mittelheim noch Reichartshausen, Hallgarten, Johannisberg, Stephanshausen und
Gladbach. Ob das hohe Ansehen, das Oestrich im Mittelalter als die älteste christliche
Gemeinde im Rheingau besass („Sedes Christianitatis et Archipresbyterii Capituli
REICH ARDSHAUSEN. WINKEL. PFARRKIRCHE.
Ruralis Rhigaviae"), sich auf diesen Ort im engesten Sinne oder auf die ganze An-
siedelung Oestrich-Winkel bezog, ist bei der Unklarheit der Namengebung schwer zu
entscheiden. Die Pfarrei mit ihrem ausgedehnten Zehntrecht kam wahrscheinlich
schon um das Jahr 1000 in den Besitz des 777 bereits erwähnten und durch Kaiser
Otto III. zu seiner späteren Bedeutung erhobenen St. Victorstiftes in Mainz, dessen Probst
über die Zehnten und die Besetzung der Pfarrei zu Oestrich zu verfügen hatte.
Dieser trat sie 1254 an das Kapitel von St. Victor ab, dessen Vicar nun Pfarrer in
Oestrich wurde.
Oestrich hatte kein eigenes Adelsgeschlecht, doch baute 1391 der Ritter Freile
zum Jungen eine kleine Burg als Stammhaus nebst einer Kapelle. Das Geschlecht
zum Jungen (de Juveni), das in Frankfurt und Mainz ansässig war, stammte aus Ungarn,
zog mit Friedrich Barbarossa nach Italien und wurde 1173 in Heinrich zum Jungen in
Verona wegen seiner treuen Dienste im Zuge des Kaisers wider die Mailänder geadelt.
Das Burghaus dieses Geschlechtes kam später in den Besitz des Mainzer Domkapitels
und zuletzt in die Hände des Herrn Wittekind zu Frankfurt.
Reichardshausen wird 1123 als Dorf genannt, das zur Gemeinde Oestrich
gehörte ; unter dem Abte Rudhard von Eberbach geht es in den Besitz dieses Klosters
über, indem dasselbe einen ihm gehörigen Hof in Winkel gegen eine Hube eintauschte,
welche Dudo, Edelmann und Ministerial zu Mainz in Reichardshausen besass. Theils
durch die Nachbarschaft von Hattenheim und Oestrich in der Entwickelung gehemmt,
theils auch vielleicht auf Betreiben des Klosters, ging der Ort als solcher ein und
verwandelte sich in einen Hof des letzteren, der diesem wegen seiner bequemen Lage
am Rhein als Niederlage für die auf dem Strom aus- und zugeführten Landeserzeugnisse
willkommen sein musste.
Der Hof erhielt im 13. Jahrhundert mehrfachen Zuwachs durch Ankauf und
Schenkung nahegelegener Rheininseln; 1234 durch die von Schultheiss Siebold von
Winkel eingetauschten Ländereien , welche bei dieser Gelegenheit die Gebrüder
Embricho von Lahneck und Konrad Greiffenklau von WTinkel von der Lehnsherrschaft
freigaben. So blieb der Hof bei dem Kloster bis zu dessen Säkularisation als eines
seiner werthvollsten Güter. Herzog Friedrich August von Nassau, dem er nach der
Säkularisation mit dem übrigen Eberbacher Besitz zugefallen war, schenkte ihn der
Herzogin Luise, nach deren Tode er 1816 in den Besitz des Schönborn'schen Hauses
überging. Heute ist das Gut Eigenthum der Weinhandiung von Wilhelmj, welche
in dem von den drei Flügeln des Gebäudes umgebenen Hof eine weiträumige, bis
zum ersten Stock reichende Kelleranlage mit oberer Plattform und Treppenanlage
an der Ostseite erbaut hat. Im Innern sind noch die dekorativen Einrichtungen
und das Mobiliar aus dem Besitz der Herzogin Luise in schlichtem Empirestil theil-
weise erhalten.
Die Pfarrkirche zu Winkel, Ende des 17. Jahrhunderts erbaut (Chor 1678
vollendet), bietet keinerlei künstlerisches Interesse. Wie mehrfach im Rheingau
(Oestrich, Hattenheim, Rüdesheim) ist bei dem Neubau der romanische Thurm benutzt
worden, der nördlich am Ostende neben dem Schiff steht, in dieses halb einschneidend.
WINKEL. DAS GRAUE HAUS.
223
Sie besitzt eine alte Glocke mit der Inschrift Rvt Htatia gratia plcna Dominus tCCUttl
anno domini mCCCCIKKK]}}] (1484); die übrigen sind neueren Datums. Ausserdem
erwähnt Zaun ein Ostensorium mit Kreuzpartikel, aus dem Kaiserlichen Schatze zu
Wien stammend (Zaun 217).
Wesentliche kunstgeschichtliche Bedeutung hat das Graue Haus,*) als einziger
erhaltener Wohnhausbau des Rheingaus aus frühromanischer Zeit, welches die Tradition
zur Wohnung des Erzbischofs Rhabanus Maurus stempelt. Das Haus steht allein in
Weingärten am südlichen Ende des Ortes, einige hundert Schritte vom Rhein, ist
jetzt Gräfl. Matuschka'scher Besitz (als Greiffenklau'scher Erbe) und wird von Winzern
bewohnt. Sein Grundriss ist ein oblonges Rechteck, im Erdgeschoss zwei durch eine
Längswand getheilte, unverputzte, kellerartige Räume mit Balkendecke enthaltend, die
durch Mauerschlitze Licht erhalten. Die Eingangsthür ist rundbogig, der Bogen mit
wechselnden Steinschichten und pronlirtem Kämpferstein. Westlich schliesst sich ein
schmaler Küchenbau an, welcher niedriger als der Hauptbau, mit seinem Pultdach
gegen den Westgiebel anfällt und noch seinen hohen Schornstein besitzt.
Bemerkenswerth ist der mit einem flachgiebelartigen Ornament versehene
Steinsturz der in diesen Anbau führenden Thüre.
Das Obergeschoss enthielt einen Saal, von welchem in der Südostecke ein
kleineres Gemach durch eine noch stehende Wand abgetrennt war. Dies Gemach
hatte zwei Fenster nach Süd und Ost. Das kleinere Südfenster besitzt noch sein
aus einem einzigen gelblichen Sandstein gearbeitetes Fenstergestell. Es ist ein rund-
bogiges Doppelfenster , durch ein kleines, den oberen Sturz tragendes Halbsäulchen
mit Würfelkapitäl getheilt.
Die Südwand des grossen Saals enthielt eine Fenstergruppe, die später zu vier recht-
eckigen Oeffnungen mit hölzernem Fensterstock verbaut wurde und sich aus zwei jetzt
vermauerten Bogenfenstern mit aus Ziegeln und Sandstein wechselnden Bogensteinen
und Kämpfergesims erkennen lässt. Das in der östlichen Giebelfront belegene Doppel-
fenster desselben Saales , welches zwar mit einem graden Sturz geschlossen, aber
durch die in diesen eingearbeiteten Bogenblenden doch als Bogenfenster markirt ist,
zeigt in dem Mittelpfeiler und Sturz kerbschnittartige Verzierungen. An der Trennungs-
mauer des kleineren Gemachs ist nach Norden zu eine Mauernische erhalten, die Görz
als einen, von einem Baldachin überdeckten Sitz ergänzen will, worauf die seitlich
vortretenden Kragsteine deuten, auf denen man sich vielleicht kleine Säulchen auf-
setzend denken kann. Eine Thüre mit flacheingearbeitetem Kreuz im Sturz führt in
eine über dem Küchenanbau liegende, mit einem Tonnengewölbe überdeckte Haus-
kapelle. An den Ecken der Südmauer unter dem Dachanfall sind zwei ziemlich roh
gearbeitete Bärenköpfe zu erkennen. Abgesehen von den archaischen Formen der
Thürsturz-Ornamente würden die sonstigen spärlichen Architekturformen des Gebäudes
auf seine Erbauung im 11. oder Anfang des 12. Jahrhunderts hineinweisen.
*) Denkmäler aus Nassau. I. Heft. Wiesbaden 1852. Aufn. u. Beschr. von R. Görz. —
Vogel, Beschreibung 595 f. — Stromberg, Rh. Antiqu. 2. 11. 157.
224
SCHLOSS VOLLRATS.
Fig. 217. Schloss Vollrats. Greiffenklau'sches Wappen.
Das Schloss Voll-
rats*), drei Kilometer
nördlich von Winkel in
einer Gebirgsfalte male-
risch gelegen, war schon
im 13. Jahrhundert im
Besitz des oben erwähnten
Mainzer Ministerialen-
geschlechtes derer von
Winkel, von denen die
späteren Besitzer der
Burg , die Greiffenklau,
abstammen. 1218 wird
ein Volradus de Winkelet
nüles erwähnt, 1268 ein
Conradus dictus Volrades
armiger, 1298 Henricus
miles dictus Volraids.
1332 tritt der Ritter Fried-
rich Greiffenklauwe zu-
erst mit dem ständigen
Beinamen zum Vollrades
auf, der von da ab an Stelle des Stammnamens von Winkel getreten zu sein scheint.
Von der alten Burganlage ist heute nur noch der als Wasserburg zu bezeich-
nende viereckige Wohnthurm erhalten, der in einem ummauerten, viereckigen Wasser-
graben sich erhebt. Auf der Südostecke lehnt sich an ihn ein achteckiger Treppen-
thurm. Er wurde laut Inschrift 1471 erbaut. Aus dieser Zeit ist die spätgothische
Eingangsthür mit gedrücktem Rundbogenschluss unter niedrigem Eselrücken und
durchkreuztem Rundstabprofil erhalten, ebenso wie das schöne Greiffenklau'sche
Wappen und eine mit rippenlosen
Kreuzgewölben und Bänken in den
Fensterleibungen versehene Halle
im Erdgeschoss. Bei einem Umbau
in den Jahren 1571 bis 1589 erhielt
der Thurm an der Südseite einen auf
schweren Profilen mit Eierstab und
Zahnschnitt ausgekragten Steinerker,
sowie das geschweifte Dach. Die Fen-
ster haben einfache Fasen und Kehlen.
Ein kleiner Vorhof, von einer mit
Schiessscharten versehenen Mauer umgeben, deckt die Zugbrücke, welche über den
*) Rh. Antiqu. II. II. 211 ff.
Fig. 218. Schloss Vollrats. Halle im Erdgeschoss
(nach Reiffenstein 1862).
MITTELHEIM. PFARRKIRCHE.
225
Fig. 219. Mittelheim. Pfarrkirche. Nordfront.
Graben führt. — Die übrigen Gebäude des Schlosses gehören der Spätzeit an ; es sind
Wohn- und Wirtschaftsgebäude, an drei Stellen mit spitz aufsteigenden Voluten-
giebeln ausgezeichnet. Ueber der Eingangsthür des westlich gelegenen Wohn-
gebäudes, welches zwischen 1688 und 1704 von Erwin von Greiffenklau und Lioba
von Sickingen erbaut wurde, steht das Allianzwappen beider Geschlechter. An einem
Wirthschaftsbau (nördlich) die Wappen des Johann Philipp Greiffenklau von Voll-
rats, Erzbischofs von Würzburg 1699, sowie des oben erwähnten Erwin und seiner
zweiten Frau, einer geborenen von Kottwitz. Gegenwärtig ist das Schloss durch Erb-
folge im Besitz des schlesischen Grafengeschlechtes Matuschka.
Die Pfarrkirche St. Egidius in Mittelheim ist ausser der grossen, aber
im 18. Jahrhundert stark umgebauten Cistercienserkirche in Eberbach die einzige
Kirche des Rheingaues, welche uns das echte Bild einer Klosterkirche aus dem An-
fang des 12. Jahrhunderts erhalten hat. Diese stilreine Erscheinung einer romanischen
flachgedeckten Pfeilerbasilika mit Kreuzanlage giebt ihr einen kunstgeschichtlichen
Werth, der über die schlichte, fast dürftige Ausführung des Bauwerks hinausgeht.
Sie ist ganz aus Bruchsteinen erbaut; Haustein hat nur am Westportal, den Zwerg-
säulchen der Fenster am Vierungsthurm und den Kapitalen der Vierungspfeiler Ver-
wendung gefunden; selbst ein Hauptgesims fehlt.
Die Schiffe sind durch sechs rundbogige Arkaden auf gemauerten, im Grundriss
oblongen Pfeilern ohne Kapitale oder Kämpfergesims getrennt; das Mittelschiff misst
6,13 Meter, die Seitenschiffe 2,58 und 2,47 Meter Breite; die Gesammtlänge des Schiffs
15
226
MITTELHEIM. PFARRKIRCHE.
beträgt 22 Meter. Das Querschiff, 5,95 Meter breit bei 21,90 Meter Länge ist, ebenso
wie die Langschiffe, flach gedeckt. Ueber der Vierung, die von Kreuzpfeilern be-
grenzt wird , erhebt
sich ein quadratischer,
niedriger Vierungs-
thurm mit schlichtem
Zeltdach. Jede Thurm-
seite hat zwei Rund-
bogenblenden , die
durch zwei rundbogig
überdeckte, von einer
stumpfen Säule mit
Würfelkapitäl ge-
theilte Fenster aus-
gefüllt werden. Die
Kämpfergesimse der
Vierungspfeiler sind
ganz schlicht nur aus
einer Platte mit un-
terer Schrägung ge-
bildet, an den west-
lichen Pfeilern mit
primitiven Ornamen-
ten geschmückt. Von
den Vierungsbogen
sind die in der Längs-
axe der Kirche stehen-
den höher als die
beiden andern.
Die Kreuzflügel
hatten kleine und nie-
drigere Apsiden, von
denen nur die nördliche
erhalten ist, jetzt in
einen Oelberg verwan-
delt, in welchem die
Fig. 220. Mittelheim. Pfarrkirche. Grundriss.
Figuren Christi und der drei Jünger, ziemlich rohe Handwerksarbeit der Spätgothik, noch
vorhanden sind. In der östlichen Aussenmauer des südlichen Querarms ist, sehr nahe
an die südliche Giebelmauer gerückt, noch ein Halbkreisbogen zu erkennen, dessen aus
Wulst und Kehle gebildetes Kämpfergesims auf dem Niveau des Kirchenfussbodens
aufsetzt. Letzterer ist augenscheinlich, vielleicht infolge von Ueberschwemmungen,
stark erhöht; noch mehr macht sich diese Erhöhung an dem die Kirche umgebenden Terrain
MITTELHEIM. PFARRKIRCHE.
227
Fig. 221. Mittelheim. Pfarrkirche. Westfront. Längenschnitt durch Chor und Vierung.
bemerkbar, welches den innern Fuss-
boden am Chor fast um 1 Meter
Höhe überragt..
Der Chor, in der Breite auf 5,22
Meter eingezogen , ist mit einem
Kreuzgewölbe überdeckt und hat eine
halbkreisförmige Apsis. Im Aeusseren
hat Chor und Apsis einen beschei-
denen Schmuck durch einen gemauer-
ten und verputzten Rundbogenfries
erhalten.
Das Westportal, in rund-
bogiger Blende von rothem und
weissem Sandstein mit gradem Sturz
geschlossen und von zwei Säulen mit
unausgearbeiteten Knäufen flankirt,
interessirt durch die mit ihrem vollen
Eisenbeschlag erhaltene Thür-
flügel. Dieser zeigt die charakteristi-
schen Vertheilungen und Endigungs-
formen des späteren romanischen Stils.
Der Schmucklosigkeit der Kirche
Fig. 222. Mittelheim. Pfarrkirche.
entsprechend, ist auch ihreAusstattung Versierte Kämpfer gesimse an der Vierung.
15»
228 MITTELHEIM. PFARRKIRCHE.
Fig. 223. Mittelheim. Pfarrkirche. Westportal.
sehr bescheiden. Im Chor befindet sich ein schlichtes Wandtabernakel , spätgothisch
mit Zinnenbekrönung und zwei Wappen. Reicher ist der spätgothische Taufstein gestaltet,
dessen kelchförmiger Obertheil ebenso wie der Fuss mit Masswerk geschmückt ist.
Die ebenfalls spätgothische, sechseckige Holzkanzel, von einer achteckigen
Bündelsäule getragen, hat auf ihren vier freistehenden Seiten flachgeschnitztes Band-
MITTELHEIM. PFARRKIRCHE.
229
Fig. 224. Mittelheim. Pfarrkirche. Taufstein.
Fig. 225. Mittelheim.
Pfarrkirche.
Kansclfüllung.
werk, dem an den Kidricher Kirchenstühlen durchaus ähnlich,
auf welchem folgende Sprüche zu lesen sind:
flnno domint dufend fünfhundert und elf iar.
5t. Cgidius unfer roerder patron
urir flrm funder ruffcn did) flu
das du unsz alzit bi roolt ftan.
Bedenk das Cnt.
It)il du feiig wem fo du did) üou dtnen funden kern,
ßab 6ot lieb uor allen dingen
fo mag dir fanct egidius den bimel bringen.
Im nördlichen Seitenschiff, nahe dem Querschiff, ist ein Grabstein eingemauert,
welcher eine schöne Kostumfigur, die frau margaretba uon fran&enftein uridtroe geborn
OOU Oberftein, t 157t in einer Nische darstellt, deren Pilaster sich mit schönem
Renaissance-Flachornament geschmückt zeigt, während die Ecken mit vier Wappen
belegt sind.
Die Kirche besitzt ein Messgewand von besonderer Schönheit. Auf rothem
Sammt sind in schwerster Silberstickerei schöne, fast den ganzen Grund bedeckende
Barockornamente aufgelegt, deren Zeichnung ihre Entstehung in den Anfang des
18. Jahrhunderts setzen läst. Das Messgewand wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von
230
OESTRICH. PFARRKIRCHE.
Domvikar Val- Heimes aus Hattenheim der Kirche geschenkt. Von dem Nonnen-
kloster ist nichts mehr erhalten, selbst seine Lage, ob südlich von der Kirche oder
nördlich auf dem ziemlich grossen freien Raum vor derselben, nicht festzustellen. Für
erstere Annahme spricht ein Baurest aus dem späteren Mittelalter, der sich mit einem
steilen Halbgiebel, in welchem
ein spitzbogiges Masswerk-
fenster, an die Südseite des
Chors anlehnt und in seinem
Untergeschoss jetzt als Sakri-
stei dient.
Die Pfarrkirche St.
Martin zu Oestrich stammt
in ihrem jetzigen Bestände, nach
einer über dem Portal in der
Südwand eingehauenen In-
schrift, aus dem Jahre 1508 und
zeigt spätgothische Architektur.
Nur der Thurm verräth sich in
seinen romanischen Formen als
der Rest einer älteren Kirche.
Die Kirche wurde 1535 von den
Schweden eingeäschert und ist
in den Jahren 1893 und 1894 durch
den Mainzer Architekten L.
B e c k e r in angemessener Weise
wiederhergestellt worden.
Fig. 226. Oestrich. Nordfront der Pfarrkirche (restanrirt).
Die Kirche ist eine dreischiffige Hallenkirche von vier Jochen, denen sich west-
lich in der Breite des Mittelschiffs eine Vorhalle in der halben Tiefe der Schiffsjoche
vorlegt, von zwei achteckigen Treppenthürmchen flankirt, von welchen der südliche
erhalten war. Die schlanken Schiffspfeiler sind achteckig, ohne Kapitale, die Scheide-
bogen beiderseitig mit einfachen Hohlkehlen wie auch die Gewölberippen. Das be-
sonders im Chor reich ausgebildete Sterngewölbe ist nach^den bei dem Brande er-
OESTRICH. PFARRKIRCHE.
231
halten gebliebenen Ansätzen wieder hergestellt. Der Chor mit zwei Jochen und im
halben Sechseck geschlossen, ist breiter und höher als die Kirche. Die Fenster haben
zweitheiliges, im Chor dreitheiliges, hohlgegliedertes reiches Masswerk in Fischblasen-
form, demjenigen von Kidrich ähnlich. Die Strebepfeiler tragen geschweifte Giebel-
Pultdächer; am Südschiff, wo die Seitenschiffmauer in zweieinhalben Spitzgiebeln
hochgeführt ist, werden die als
einfache Rinnen gestalteten
Wasserspeier , welche das
Wasser zwischen den ins Haupt-
dach einschneidenden Pult-
dächern abführen, von kleinen
achteckigen Pfeilern gestützt,
die auf den Giebeln der Strebe-
pfeiler aufsetzen. Zwei Seiten-
thüren , welche nördlich und
südlich in die Westjoche der
Seitenschiffe führen, sind durch
Kreuzgewölbe , die zwischen
den Strebepfeilern eingespannt
und jetzt zu Vorhallen ausge-
baut sind, geschützt. Das spitz-
bogige Westportal hat reiches
Gewändeprofil mit gekreuzten
Stäben und eine von einem
schmaleren Giebel bekrönte
rechtwinkelige Umrahmung mit
Blendmasswerk.
Der Thurm, dem 12. Jahr-
hundert angehörig, schneidet in
die beiden östlichen Joche des
südlichen Seitenschiffs ein. Er
ist viergeschossig, hat Eck- und
Mittel-Lisenen und Rundbogen-
friese. Die im Halbkreis ge-
schlossenen Schall-Löcher sind
durch kleine Säulchen mit ein-
fachen Würfelkapitälen getheilt und liegen in Rundbogenblenden. Vor die Nord-
seite des Thurmes ist im Innern der Kirche neuerdings eine massive Orgelempore
vorgebaut. Die alte Sakristei an der Südseite hat an ihrer spitzbogigen Thür ihr
hübsches altes Beschläge erhalten ; ihr Kreuzgewölbe hat im Schlussstein eine grosse,
schön gemeisselte Rose. Im Sakristeifenster sind zwei runde Scheiben, dem 16. Jahr-
hundert angehörig, eingesetzt, von welchen die eine das Stadtwappen, die andre
m=\ |.
4=*=4=
Fig. 227. Oestrich. Pfarrkirche. Grumiriss.
232
OESTRICH.
den Kirchenpatron St. Mar-
tinus zeigt.
An Skulpturwerken ist im
nördlichen Seitenschiff ein hei-
liges Grab zu erwähnen, welches
in handwerksmässiger spät-
gothischer Ausführung den
Leichnam Christi, die drei
Frauen und die schlafenden
Wächter enthält. Der Hochaltar
ist neu mit Verwendung von
sechs alten Figuren aus der
Münzenberger'schen Samm-
lung. Der nördliche Seitenaltar,
derselben Herkunft, ist alt und
enthält drei recht gute Heiligen-
figuren und eine interessante
Predella. Der Besitz der Kirche
an heiligen Gefässen ist nicht
bedeutend. Zu erwähnen ist
eine Monstranz, Silber mit
theilweiser Vergoldung , 0,78
Fig. 228. Oestrich. & . FiS- 229- Oestrich.
Pfarrkirche. Sakristeithür. Meter hoch , 0,36 Meter breit Schornstein auf dem Rathaus.
in Sonnenform. Der Fuss, viertheilig, ist mit Barockornament schön getrieben und
trägt auf der Vorder- und Rückseite die Leidenswerkzeuge. Die Kapsel ist mit einem
getriebenen Kranz von Aehren und Weinranken umgeben. Augsburger Arbeit des
18. Jahrhunderts. Meisterzeichen J. G. L. im Dreipass angeordnet. Ferner ein kleines
Reliquiar in Sonnenform, silbervergoldet, mit Glassteinen besetzt, aus derselben Zeit.
Der Ort Oestrich besitzt noch eine Anzahl bürgerlicher Bauten aus dem
16. und 17. Jahrhundert, die, wenn auch fast durchweg durch Verputz etc. entstellt,
mit hohen Giebeln, mit Thürmchen und glatt vorgekragten Erkern mit geschweiften
Hauben den malerischen Charakter der rheinischen Holzbauten nicht verleugnen.
Ziemlich wohl erhalten ist noch ein Hof am unteren Ende des Ortes (Eingang der
Krahnenstrasse) der, im Erdgeschoss massiv mit viereckigen Doppelfenstern und rund-
bogiger Hofthür mit hübschem Karniesprofil, im Obergeschoss, welches auch die Thor-
einfahrt überbaut , interessantes Riegelwerk mit einem erhaltenen Rundbogenfenster
aufweist. Ueber der Hausthür ein Wappen, im gespaltenen Feld rechts eine Haus-
marke, links eine Winzerfigur, die sich als Helmzier wiederholt. Jahreszahl lo84.
13^
NAMENS-, ORTS- UND SACHVERZEICHNISS.
(Die Zahlen bezeichnen
Aachener Schanze 6, 130.
Adalbert, Erzbischof 83. 143.
Adelsgeschlechter 8.
Adelssitze 37-42. 67 ff. 80.
117-122. 181. 182. 217.
Adolf I.v.Nassau,Erzb.58. 84.
Albero v. Stein, Abt v. Eber-
bach 145.
Albertinische Reformation
10. 95.
Albrecht, Prinz v. Preussen
176.
Allendorf von, Eam. 172 f.
Altäre 22. 77. 108. 111. 179.
195. 196. 210.
Appo,Wald (Mapperhof) 145.
ArnoldI.,Abtv.Eberbachl44.
Arnold II., Abt v. Eberbach
145.
Arnsberg (Wetterau)Kloster
144.
AssHiamishaitsen 133—137.
- Alte Wohnhäuser 133.
136. 137.
— Bergbau 134.
— Glocken 136.
— Mineralquelle 134.
— Pfarrkirche 737-136.
— Pfarrkirche,Altarbildl36.
— Pfarrk., heil. Gefässe 136.
- Weinbau 133. 134-
August v. Sachsen, Kurfürst
59.
Augustiner-Chorherren,
Eberbach 143.
Augustiner-Kanonie Mittel-
heim 219.
Aulhauser Bach 133.
die Seiten, die cursiv gedrucl
[ Aulhausen, Dorf 137.
— Holzhaus, altes, 138.
I - Kirche 137.
! — Töpferei 137.
Backöfen (Forts) 4. 7.
Bär, Pat. Hermann 144. 146.
Balduin v. Trier, Erzbischof
57. 127.
Ballin, Maler 39.
Barock- und Rococco-Bau-
und Kunstwerke 45. 71.
75. 76. 82. 85. 114. 126.
141. 142. 179. 180. 205.
206. 221.
Bartolomä (Klingelmünde)
218.
Bauernaufstand (1525) 15.
Baumaterialien 10.
Bechtermünz Farn 59.
L. Becker, Archit. 230.
v. Bellersheim (Wappen) 11.
Beleuchtungskörper 78.198.
203. 215. 216.
Benediktiner 83.
Bergfriede 28. 32. 64. 127.
131. 206. 224.
Bergrecht (Rauenthal) 213.
heil. Bernhard in Eberbach
144.
Bernhard von Orley, Ge-
mälde 77.
I Berthold (von Henneberg)
Erzb. 59. 66. 134.
Bettendorf, Ad. Joh. Karl
von 42.
Biebrich, Burg im Schloss-
garten 171.
solche mit Abbildungen.)
Bleidenstadt, Kloster 218.
Bleyberg, Hubert v. 84.
Bolanden, Phil, von 49.
Boos von Waldeck, Graf 25,
Wappen 1.
Braubach, die 2.
von Breidbach (Wappen) 7.
Breitbach, Wolf Heinr. v.,
Vicedom 78.
Brömser von Rüdesheim
(Wappen) 3.
Brömserburg 24 — 31.
Brömser, Heinr., Vicedom 86.
Brömser, Rieh. (1621) 87.
Broichmann, Bildh. 198.
Bubenheim , Specht von
(Wappen) 9.
Burgen und Schanzen 5. 6.
26-32. 48—56. 65-67.
123-V25. 126. 127-132.
181. 206. 207.
Camerberg, Peter v. 129.
Canaletto(Reinhardshs.) 177.
Castelbarco, Madonna v. 176.
„Cesare de Sesto", Altarbild
177.
Chor- und Kirchenstühle 22.
64. 75. 110. 111. 180.198.
199. 200.
Cigoli, Ludovico (Reinhards-
hausen) 177.
Conrad Erzbischof 130.
Conrad III., Rheingraf 60.
Conrady'sche Sammlung,
Miltenberg 108.
Conversen, Aufruhr der,
Eberbach 145.
234
NAMENS-, ORTS- UND SACHVERZEICHNIS.
Corneliusmünster, Abtei 208.
Coudenhoven, von 42.
Cratz von Scharfenstein, die
186.
Crucifixe 64. 90. 110. 175.
Daun, Wildgraf von, 128.
Dehrn, von, (Wappen) 11.
Grabstein 64.
Dekorative Künste, Werke
der, allgem. 12.
Denzinger,Dombaumstr. 184.
Diakon (Erzpriester) 8.
Dientzenhöfer, Tohs. 84.
Diether von Isenburg, Erz-
bischof 59. 84.
Dietrich von Erbach, Erz-
bischof 134.
Dietz, Lucas Phil. Alberich v.
173.
Domkapitel, Mainz, Wappen
74.
Dudo v. Lorch, Mainz, Mini-
steriale 218. 221.
Dreibornskopf 5.
Eberbach, Cisterz. Abtei
143-171.
— Abtbau (Prälatur) 164.
— „alte Kirche" 167.
— Ans. n. Meissner (1638)
145.
— Ansicht n. Merian 143.
— Barock-Portal 169.
— Brunnenschale 154.
— Conventualenh./J^— 162.
— Dorment der Konversen
166, frührom. Kapitale
daselbst 166.
— Fraternei 159.
— Fussbodenfliese 158.
— Gesammtanlage 147 f.
— Geschichte 144 f.
— Gewölbekonsol. 149. 153.
— Grabstein Adam v. Allen-
dorf 171.
— Grab Adolfs II. v. Nassau
170.
— Grabstein von Eselweck
170.
Eberbach. Grabstein d. Graf,
v. Katzenelnbogen 171.
— Grabstein des Eberhard
v. Stein 171.
— Hochgrab Gerlachs v.
Nassau 169. 171.
— Hospitalbau 167 ff.
— Hospitalsaal Kapitäle/ö^.
— Kapitelsaal 159.
— Kirche 149 ff.
— Kirche , Durchschnitte
150. 151.
— Kirche , Fenstergruppe,
Westgiebel 151. 152.
— Kirche, Grundriss 148.
— Kirche, Masswerk in d.
Südkapellen 153.
— Kirche, goth. Südkapellen
152. 153.
— Klosterbäckerei 164.
— Klostergasse 147.
— Klosterküche 163.
— Kreuzgang 154—153.
— Kreuzg., Obergeschosse
157.
— Kreuzg., Treppenthurm
157. 158.
— Kreuzg., Westflügel 155.
— Laienbrüderhaus 164 ff.
— Lavabo (zerst.) 154.
— Rom.Portal a.Konversen-
haus 165.
— Rom. Portal zur Refektur
162. 163.
— Refektur,Barocksaal 162.
— Renaiss. - Treppenthurm
166, Portal das. 166.
— Schlafsaal der Mönche
161 f.
— Schlafsaal der Mönche,
Kapitale 160, 161.
— Schlafsaal d. M., wech-
selnde Säulenhöhe 161.
— Schrank, Renaiss.-, in d.
Refektur 162.
— Stuckdecke, barocke, in
der Refektur 162.
— Treppe zum Schlafsaal
d. M. 162.
— Weinbau u. -Handel 144.
Eberbach. Wärmestube 164.
Eberhard, heil. 138.
Eberhard, Abt v. Eberb. 145.
Eckthürmchen 28. 35. 36.
46. 64. 79. 182.
Ehrenfels , Burg - Ruhte
48-55.
— Erweiterung i. 14. Jdt. 52.
— Verschw. Fachwerkbaut.
54.
— Geschichte 49—52.
— Lagerhaus 55.
— Schildmauer 53.
— Zollhaus 52. 54.
Elbingen 44 —47.
— Augustiner-Kloster 44. 45.
— alte Gehöfte 46. 47.
— zerstörte Pfarrkirche 45.
— jetzige Pfarrkirche 45.
— Rathaus 47.
— Taufstein 46.
Eichholz, P., Archit. 67.
Einrich 2. 92. 94.
Einwohnerschaft d. Rhg. 7.
Eisenarbeiten 43. 78. 198.
203. 215. 216.
Eisenbeschläge 106. 107.
141. 162. 165. 179. 197.
215. 228. 232.
Elmachbach 26.
Eltfeldt 57.
Eltville 57—71.
— Buchdruckerei 58.
— Burg-Palas 66. 67.
— Eltz'scher Palast 71.
— Eltz'sche Sammlung 71.
— Frühmessereigeb. 70.
— Hospital 70.
— Kamin in der Burg65. 66.
— Martinsthor 67. 71.
— Stadtbefestigung 67.
— Stockheimer Hof 68.
— Pfarrkirche 60— 64.
— Pfarrk., Ausmalung 64.
— Pfarrk , Chorstühle 64.
— Pfarrk., Grabsteine 65.64.
— Pfarrk., Inschriftstein 60.
— Pfarrk., Monstranz 64.
— Pfarrk., Oelberg 63.
— Pfarrk., Taufstein 63.
NAMENS-, ORTS- UND SACHVERZEICHNIS.
235
Eltville. Pfarrk., Thurm 62.
— Pfarrkirche, Wandtaber-
nakel 63.
— Pfarrk. Westportal 62.
— Wohnhaus Langwerth v.
Simmern 69.
- Stadtrechte 58.
Eitz, Graf zu (Wappen) 1.
Eitz, Graf Karl zu 71.
Eltz'sche Sammlung 71.
Eitz, Karl Philipp, Erzb. 71.
Emporen 17. 47. 61. 75. 105.
135. 141. 187. 189.
Erbach, Dorf 172 ff.
— Epitaphien 174.
— Gewölbeansatz 174.
— Glocken 175.
— Heil. Gefässe und Para-
mente 175.
— Pfarrkirche 172 ff.
Erenfried, I. Probst v. Gottes-
thal 219.
Ernstbach 2.
Eschbach, Joh. von, Grab-
stein 107.
Fachwerkbauten 38. 40. 43.
46. 54. 72. 82. 88. 118.
122. 124. 133. 136. 138.
157. 185. 186. 206. 211.
216.
Falkener, Erhart v. Aben-
heim 198.
Falkenstein,Kuno v. ,Mainzer
Bisthumsverweser 50.
Fenstermasswerk, gothisch
18. 61. 76. 88. 102. 103.
135. 141. 153. 154. 155.
188. 192. 205. 215.
Fenster, romanisch 82. 152.
222.
Fenstersitze 119. 132. 181.
Feuerschütz 50.
Fraterherrn 89.
Fresken Rüdesheim 23. 42.
Friedrich August, Herzog
von Nassau 221.
Gabelungen 7.
Gaudinge 3.
Gebirge, Rheingauer 1.
Gebück 4 ff. 129.
Geiger, Pfarrer von Lorch
(1819) 101.
Geisenheim, Stadt 72— 82.
— Adelsgeschlechter 73.
— altes Rathaus 72. 79.
— Bierhof 81.
— rom. Fenster 81.
— Geschichte 73 f.
— Glocken 78.
— Holzbau 18. 82.
— Ingelheim'scher Hof 82.
— Pfarrkirche 74-19.
— Chorgestühl 75.
— Pfarrkirche, Epitaphien
76. 77.
— Pfarrk., Eiserne Lichter-
bank 78.
— Pfarrk., Seitenaltar 77.
— Pfarrkirche, bronz. Weih-
kessel 77.
— Schoenborner Hof 79.
80. 81.
— Stadtrechte 73.
Geistl. Oberaufsicht 8.
St. Georgsklaus (Johannis-
berg) 218.
Gemälde 77. 136. 176. 177. 201.
Geschichte (äuss. d. Rhg.) 9.
Gerhard, Erzbisch. 129. 130.
Gerlach, Erzbischof 58.
Gerolstein, Burgruine 127.
— Familie von 127.
Gewerbe, bürgerliche 7.
Gladbach 2.
Glasfenster 170. 201.
Glimmenthai, Siegfrid v.210.
Glocken u. Glockengiesser
23. 24. 64. 112. 136. 175.
180. 183. 194. 195. 212.
Gogelherren 89.
Görz, Arch. 202.
Gonzalez , Bartol. , (Rein-
hardshausen) 177.
Goth. Bauwerke, kirchliche
18. 45. 60-64. 74-76.
87. 97-113. 134-136.
137. 152 ff. 159 ff. 167 ff.
773-175. 179. 183. 187
bis 193. 201-203. 211.
213. 214. 230 f.
Goth. Bauwerke, profane, 34
bis 36. 36. 46. 70. 127 ff.
137. 217.
Gottesthal, Kloster, 143. 218.
219.
Goupiliere, Marqu. de la, 52.
Grabsteine Rüdesh. 20. 21.
Eltv. 63.64. Geish. 76.77.
Lorch 107-109. Eberb.
170.171. Erb. 174. Hatth.
180. Kidr. 194. 203. Mittel-
heim 229.
Gräfenberg, der, 184.
Granssen v. Rheinberg, die
131.
Graues Haus (Winkel) 218.
223.
Greiffenklau, Fam., 128. 218.
224. Wappen 5.
Greiffenklauer Hof, Hatten-
heim 182.
Gregorius trevirensis,
Glockengiess.(Lorch) 113.
Grenzen d. Rheingaus 1.
Günther von Schwarzburg,
König, 58.
Gutenberg 59.
Gyse, Heinr., v. Ulrichstein
23.
Habel'sche Sammlung 108.
Haingericht 4.
Hallgarten, Dorf, 182. 183.
— Glocken, 183.
- Kirche, 183.
Hanek, Burgruine, 128.
Hans v. Franckfurt, Glocken-
giesser, 180. 194. 195.
Hasenried, Kloster, 92.
Hattenheim, Dorf, 178 ff.
— Epitaphien in der Kirche
180.
— Glocken 180.
— Heil. Gef. u. Paramente
180. 181.
— Kirche 178 ff.
— Kirchen- und Chorstühle
179. 180.
236
NAMENS-, ORTS- UND SACH VERZEICHNIS.
Hattenh. Rittergeschi. v. 178.
— Sakristei 179.
— Thür, Eisenbeschl. 179.
Hattstein, Joh. Phil, von 71.
Hausen, von 121, Wappen 5.
Hausen, Bollwerk 5.
Heimes, Val., Epitaph 180.
Heinrich V., d. Kaiser 83.
Heinrich I., Erzb. 219.
Heinrich v. Trier, Glocken-
giesser, Lorch 112.
Helsius, Adam (Grabstein) 64.
Hemmerich und Gregory,
Glockeng. 212.
Hemsbach 129.
Heppenheft, Ritter von 130.
Hermannus, archipresbyt. 9.
Hermann, Abt v. Eberb. 146.
Hilchen v. Lorch 131.
Hilchenhaus (Lorch) 121.
122.
Hilchen, Joh., Feldmarschall,
120. Gräbst. 107.
Hilchin, Joh., von Lorche,
Grabstein 107.
Hilchin v. Lorch (Wapp.) 3.
Hilchin, Phil., von Lorche,
Gräbst. 107.
Hildegard, heil. 44. 45. 144.
Hoehl, Farn. 81.
Hoenstein, Liether v., Epit.
194.
Höllenthal b. Assmhsn. 133.
Hoffmann, ßaurath 75. 202.
Hoffheim, Conradus, Pfarr.
zu Hattenh. 179
Hohenwiesel, Herrn von 131.
Holzarbeiten (allgem.) 11.
Holzfeld, Elisab. v., Aebtiss.
v. Marienhausen 138.
Hondekoeter (Reinhardsh.)
177.
de Hooghe , P. de (Rein-
hardsh.) 177.
Hooghuys (Brügge)Glocken-
giesser (1868) 195.
Horadam, Joh. Georg, Amts-
richter, Epitaph 174.
Dr. Humery, Mainz. Stadt-
syndikus 60.
Hunoltstein, Adam, Vogt v.
121. (Wappen) 7.
Hüttenthaler Bach 2.
Ingelheim, Graf v. 31. 82.
Wappen 1.
Joannes de francft., Glocken-
giesser 175.
Johannes II., Graf v. Nassau,
Erzb. 60.
Johann (Luxembg. - Ligny)
Erzb. 58.
Johann v. Mainz, Glocken-
giesser 183.
Joliannisbcrg, Dorf 83.
— Kirche 85.
— Klause St. Georg 83.
84. 85.
— Schlossbau 84.
von Ippelbrunn (Wappen) 5.
zum Jungen, Freile von,
Ritter 221.
Junkernburg, die 128.
Junkerschule 95.
Kalte Herberg 1. 143.
Kamine 31. 65. 68. 131.
Kanunerberg, Ruine 129.
Kammerberger Mühle 6.
Kammerforst, Weg über d.
91.
Kanzeln 85. 179. 193. 202.
210. 229.
Kapellen , Rüdesheim 17.
Katzekind, Joh., Pfarrer von
Lorch (1398) 101.
Katzenelnbogen, Graf Eber-
hard von 127.
Katzenelnbogen, Knebel v.,
Wappen 193.
Kelche und Ciborien 24. 79.
113. 175. 181.
Kellermann, General 84.
Keuchen, Gesphichtsschr. v.
Lorch 93 ff.
Kidrich, Adelige von 185.
Kid rieh, Dorf 184 -207.
— Bassenheimer (Saulheim.)
Hof 205.
- Chorschule 206.
Kidrich. Eberbacher Hof 204.
— Graf Cratzische Hof 204.
— Holzhaus. 185. 186. 206.
— Pfarrkirche St. Valentin
187-201.
— Kirche, Altäre 195 f.
— Kirche, Bildwerke 200.
— Pfarrkirche, Chor 188.
— Kirche, Chor- u. Kirchen-
gestühl 198. 199.
— Kirche, Eisenarbeit. 196 f.
— Kirche, Gemälde 201.
— Kirche, Gewölbkons. 191.
— Kirche, Glasgemälde 201.
— - Kirche, Glocken 194.
— Kirche, Kanzel 193.
— Kirche, Lettner 193.
— Kirche, Orgel 200.
- Kirche, Sakramentsh. 192.
— Pfarrk. Sakrist. 191. 194.
— Kirche, Standleucht. 198.
— Kirche, Thurm 191.
- Kirche, Westportal 192.
— Langenhof 205.
— Michaelkapelle 201-203.
— Michaelkapelle Aussen-
kanzel 202.
- Michk. Chor 202.
— Michkap. Fenstermass-
werk 202.
— Michkap. Kronleucht. 203.
— Michk. Treppenth. 203.
— Pilgerfahrten 185.
— Rathaus 203. 204.
— Ritterscher (Schwalbach.)
Hof 206.
- St. Valentinusstift 185.
Kielmannsegge, Graf v. 119.
Kirchenmeyster H , Altarist,
Epit. 203.
Kirchl. Baukunst (allgem.)ll.
Kirchthürme 17. 62. 75. 104.
136. 173. 191. 215 f. 231.
Kisselbach (Eberbach), d. 143.
Klapperbach,Christ. v.Mainz,
Glockengiesser 136.
Klinge (Engpass) 4.
Klingelbach 89. 217.
Klingelmünde (St. Bartolo-
mäus-Kirche) 218.
NAMENS-, ORTS- UND SACHVERZEICHNISS.
237
Klöster 9. 45. 56-89. 89-90.
138-142.143-171.219.220.
Klunkard, Leonh., Abt von
Eberbach 43. 87.
Königssundragau 2. 208.
Konrad L, Erzb. 58. 138. 145.
Konrad IV., König 15.
Koppenstein, Agnes v. (Grab-
stein) 63.
Kümmerniss, heil., Statuette
der 180.
Kunst d. Rheing. (allg.) 10.
Landkapitel, Rheingau 8.
Landweisthum 3.
Landthaidinge 3.
Langwerth von Simmern
(Wappen) 5.
Langwerth von Simmern 67 f.
178. Burghaus dess. 181 f.
Laukenmühle, Burgruine
128. 129.
Leonhard L, Klunkhard, Abt
von Eberbach 146.
Lettner 147. 193.
Leuchte (Fort) 4.
Leyen, Grafen von der 208.
Lichtenstern, Habeus von 69.
Lindauer Gericht 208.
„Lionardo da Vinci", Ma-
donna, Reinhsn. 176.
Lobdengau 2.
Longueville, Herzg. v. 27. 94.
Lorch, Stadt 91.
— Adelsfamilien 94.
— Adelshöfe 117-122.
— Befestigung 116.
— Bevölker. u. Gewerbe 96.
— Breitbach'scher Hof 118.
— Burgthor 93.
— Crucifixus vor der Kirche,
steinerner 110.
— Epheuhaus 118.
— Freskobild am Zehnten-
hof 120.
— Gemarkung 96.
— Haingericht 96 97.
— Heiligkreuzkapelle 114.
— Hexenthurm 116.
— Hilchenhaus 120-122.
irch. Hilchenhaus-Skulp-
turen am Portal 122.
Phil. Hilchen'scher Besitz
im Kirchspiel 118.
Holzhaus im Kirchspiel
118.
Holzportal, Langg. 119.
Jakobsberger Hof 118.
Junkerschule 95.
verschw. Kapellen 114.
Kriegsleiden 93.
Monstranz 113.
Pfarrei, v. Mainz abhg. 93.
Pfarrkirche 97-113.
Pfarrk. Axenabweichung
97.
Pfarrk., Chorfenster 102.
Pfarrk., Chorstühle 110.
Pfarrk., Crucifixus, hölz.,
frühgoth. 110.
Pfarrk., Empore 104. 105.
Pfarrk., Geschichte 99 bis
102.
Pfarrk., Gestühl,spätgoth.
111.
Pfarrk., Grabsteine 107.
Pfarrk., Glocken 112.
Pfarrk., Hauptaltar 112.
Pfarrk., heil. Geräthe 113.
Pfarrk., Holzsculptur,
Oelberg 111.
Pfarrk., Kreuztragungs-
altar 108. 109.
Pfarrk., Nordschiff 10 1.103.
Pfarrk., Sakristei 107.
Pfarrk., Südchor 99. 102.
Pfarrk., Tabernakel 106.
Pfarrk.,Taufsteinl077tfS.
Pfarrk., Thurm 101. 104.
Pfarrk., Thüre a. d. Em-
pore 105.
Pfarrk., Vorhalle, innere
104.
Pfarrk., Vorhalle, äussere
105.
Pfarrk., Westportal 105.
frührom. Portal 114. 115.
Römergräber 92.
Saalhof 92.
Schönborn'scher Hof 117.
. Schuljunkersch.94. 95.
— frühere Stadtthore 116.
— Stadtviertel 93.
— Strunk, der 116. 117.
— Wisperbrücke- und Be-
festigung 116.
— Wollenweberei 97.
— Zehntenhof, Kielmanns-
egge'scher 119. 120.
Lorchhausen 125. 126.
— Edelknechte von 125.
— Kirchenruine 126.
Lothar Franz v. Schönborn,
Erzb. 146.
Lützelaue (Rheininsel) 4. 218.
Mäusethurm 55.
Malerei, Werke d. (allg.) 12.
Mapper Schanze 6-
Mapperhof, angelegt 145.
Marianne v. Oran., Prinzessin
v. Preussen 176.
Marienhausen , Kloster
138-142.
— Barock-Saal 141. 142.
— Kirche 139. 140.
— Sprechgitter 142.
— Wandschrankbeschl. ./<//.
— Wandtabernakel 140.
Marienthal, Kloster 89. 90.
— Kreuzigungsgruppe 90.
— Westportal 90.
Markrecht 4.
Martin, A., Maler, 64. 191.
Martinsthal 210.
Matuschka, Grafen 225.
Meckel, Archit. Max. 102, 139.
Menges, Leonh., Pfarrer v.
Eltville 63.
Metternich, Karl von, Kur-
fürst von Mainz 31.
Metternich, Fürst 85.
Mittelheim, Dorf 217-229.
- Egidiuskirche 220. 225
bis 227.
— Kirche, Tabernakel 227.
— Kirche, Taufstein 229.
— Kirche, Kanzel 229.
— Kirche, Westportal 227.
228.
238
NAMENS-, ORTS- UND SACHVERZEICHNIS.
Moller, Mart, v. Frankfurt,
Glockeng. 180.
Monstranzen 12. 24. 64. 78.
113. 136. 175. 180. 232.
Mühlstein, Fels 48.
Müller, Heinrich, v. Frankf.,
Glockengiesser 78.
Nass. Familienporträts (Rein-
hardshausen 117.
Nassau - Usingen , Fürsten-
thum 10.
Neudorf (Martinsthal) 208.
210.
— alte Befestigung..^. 210.
— Glocken 212.
- Holzhaus 211.
— Kirche, 211. 212.
Neuhof (nova grangia) 144.
von Nickenich (Wappen) 11.
Niclass, Steinmetz 74.
Niederthal 1. 91.
Niederwald, Weg üb. d. 91.
Niederwalluf, Dorf 208.
— Johanniskirche, Ruine 209.
— Pfarrkirche 209.
— Altäre und Kanzel 210.
Nolling 92. 116. 123-V25.
— Holzbau-Abdrücke 124.
Nordeck, Fam. von 127.
Nothgottes, Kloster 22. 86
bis 89.
— Wallfahrtskirche 86-88.
— Halle im Hof 89.
— Klostergründung 87.
— Sandsteinrelief 88.
Nuwenhus, castellum 187.
Oestrich, Dorf 217-232.
— bürgerl. Bauten 232.
— Pfarrkirche St. Martin
230. 231.
— Pfarrk., heil. Gefässe 232.
— Pfrk., Sakristeithür 232.
— Pfarrk., Thurm 231.
— Schornsteinkopf a. Rat-
haus 232.
Orgelgehäuse 175. 200. 216.
Ostein, Graf von 90.
Ottgarius, Erzb. 72.
Otterberg (Pfalz), Klost. 144.
Oxenstierna, Axel 146. 157.
Paramente 24.79. 175. 183. 229.
Pauli, Baumeister, Rüdes-
heim 135.
Peter, Erzb. v. Mainz 84. 186.
Peterv.Mainz,Glockeng. 183.
Petersthal, Karthäuser-
kloster 186.
Pfaffenschwabenheim,
August. Chorh. 90.
Pfarrwesen(Ordnung dess.) 8.
Pfingstbach 217.
Philipp II., Landgr. v. Hessen
97. 127.
Plastische Bildwerke 19. 20.
22. 62. 76. 90. 107. 109.
171. 176. 200. 203. 210. 226.
Plixholz Hof 87.
Portale 19. 62. 81. 90. 105.
115. 119. 163. 165. 192.
227.
Portalskulpturen 19. 62. 88.
90. 192.
Pressberger Bach 2.
Pressberg , Kirchenempore
47.
Profanbauten, goth. allg. 11.
„Raffael", Madonna v. Castel-
barco, Reinhsn. 176.
Rauenthal, Dorf, 213—216.
— Fachwerkgiebel 216.
— Kirche 214.
— Kirche, Altäre 216.
— Kirche, eis. Standleuchter
u.Wandleuchter2i5.2i6.
— Kirche, Gewölbansätze,
214.
— Kirche, Weihwasserstein
215.
— früh.Michaelskap. 213.216.
Reichardshausen, Hof und
Dorf 221.
Reichsritterschaft (Lorch) 95.
Reichsdeputations-Haupt-
schluss 10.
Reinhardshauseti, Schloss
und Sammlung 176. 177.
Renaissance, Werke der
(allgem.) 12.
Renaissance - Bauwerke 37
bis 42. 43. 68. 69. 80. 81.
85. 119. 120-122. 157.
167. 169. 204.
Rennweg 6.
Rettungsanstalt, Marien-
hausen 139.
Rhaban Maurus, Erzbischof
217. 223.
Rheiuberg , Ruine 6, 129
bis 132.
Rheinberg, Bergfried 130,
131, 132.
Rheinberg, Grundriss 132.
Rheingrafen, die 8. 129. 218.
Rheingrafenstein, Burg 130.
Rheinzoll, Ehrenfels. 49, 54.
Richolf,Abt v. Eberbach 145.
Richolf, Rheingraf 83, 218.
von Ried 73.
Rinker, Phil, von Leun,
Glockeng. 24.
Ritter v. Grünstein (Wapp.) 7.
Rode, Dorf (zum Rodechin)
Nonnenkloster 211.
Röntgen, Möbel von 71.
Romanische Bauten (allgem.)
10. 11.
Roman. Bauwerke , kirchl.
17. 60. 85. 139. 143-171.
209. 220. 225-230.
Roman. Bauwerke, profane
26-32. 36. 115. 222. 223.
Roth , Christ, von Mainz
Glockeng. 136.
Roth, F. W. E., Gesch. v.
Geisenheim 72.
Roth, Martin, Glockeng. v.
Mainz 113.
Rüdesheim 13—44.
— Adelsgeschlechter 24. 25.
— Adlerthurm 34 ff.
— „Bosenburg" 31 ff.
— „Brömserburg" 26—31.
— Brömser von R. 25.
— Brömser, Vizedom 16.
— Brömser , Joh. Richard
21. 22.
NAMENS-, ORTS- UND SACHVERZEICHNIS
239
Rüdshm. ßrömserhof 37 ff.
— Brömserhf., Holzhaus 38.
— ßrömserhof, Malereien
39. 40.
— Cronberg, Anna Margar.
von 22.
— Egilwardus parroch. 16.
— Erlindis von d. Spor 17.
— Füchse von R. 25.
— Gemarkungsnamen 14.
— Goth. Haus a. Markt 36.
— Gräberfunde, römische u.
fränkische 13.
— Hause, Rüdesheim. v. 25.
— Kinder von R. 25.
— Kapelle, roman., in der
Pfarrk. 16. 17.
— Kämpfe, polit. 14—16.
— Klunkhardshof 43.
— Markt, Rüdesheimer v. 25.
— Niederburg 26—31. 13.
26-30.
— Niederburg, Bergfried 28.
— Niederburg, Gesch. 21.
— Niederburg, Wahrhaftig-
keit 29.
— Oberburg 31. 32. 33.
— Pfarrkirche St. Jacob 16
bis 24.
— Pfarrk.,Grabsteine 20.21.
— Pfarrk., Chorgestühl 22.
— Pfarrk., Einwölbung und
Vergrösserung 18.
— Pfarrk., Fresken 23.
— Pfarrk., Glocken 23.
— Pfarrk., Marienaltar 22.
— Pfarrk., Paramente u. Ge-
fässe 24.
— Pfarrk., Sakristei 19.
— Pfrk., Tabernakelbau 19.
— Pfarrk., Tympanum, früh-
goth. 19.
— Profanbauten 24— 43.
— Residenz, Erzbischöfl. 14.
— Salhof 14. 36.
— Stadtbefestigung 33.
— Vorderburg 36.
— Winter von R. 25.
— Wirthshausschild in
Schmiedeeisen 43.
Ruppertsberg 44. 55.
Ruthard, Abt. Eberbach 144.
Ruthard, Erzbischof 83.
Saareck, verschw. Burg von
Lorchhausen 126.
Sammlungen 71. 176. 177.
Sanek von Waldeck 118.
Sauerthal 6.
Scopia, Herrn, v., Weihbisch.,
Mainz 87.
Schäfer, Carl, Oberbaurath
147.
Schanze b. Bärstadt 5.
Scharfenstein, Fam. v., 131.
178. 186. Wappen 11.
Scharfenstein, Ruine 206.
207.
Scharfenstein, Kuno v., Vice-
dom 128.
Schenkungen Otto's I. u. II. 3.
Schlösser 176. 217. 221. 224.
Schmiedeberg, Ulrich v. 131.
Schmidt, Hch.Theod., Archi-
tekt 81.
Schnock, Mich., Abt von
Eberbach 185.
Schönau (Odenwald) Kloster
144.
von Schoenberg 64. 73.
Schoenborn, Grafen zu 69.
74. 76. Wappen 1.
Schuljunkerschaft 94.
Schumann, Val., Pfarrer zu
Hattenh. 180.
Sickingen, Grafen von 131.
Wappen 9.
Siegfrid I, Erzbischof 14. 15.
49. 138.
Siegfrid v. Rheinberg 130.
Siegfrid, Rheingraf i. Winkel
220.
Sigeller, Hans, v. Aschaffen-
burg 134.
Sinder, Friedr., Glöckner zu
Kidrich 185.
Skulpturen, antike, in Rein-
hardshausen 176.
Skulpturwerke im Rheing.
(allgem.) 12.
Sommer, Phil., Abt v. Eber-
bach 185.
Sorgenloch, Fam. 59.
Spar, von der (Wappen) 3.
Spanheim, Wolffv. (Wapp.)9.
Speck, Petrus, Glockeng.,
Mainz 113.
Sponheimer Fehde 15. 130.
Sprendlingen, Schlacht b. 15.
Stadtbefestigungen 33. 67.
116. 206. 208.
Stein, Probst Marquard v.,
Denkstein 108.
Steinberg, der 144.
Steinheim, Embricho von211.
Steinmetzarbeit, (allgem.) 11.
Stephanshausen (Dorf) 6.
Stephan v. Frankf., Glocken-
giesser 183.
Stock (Fort) 4.
Stockheim, Friedrich v. 76.
Wappen 3.
Stromberg , Faust von
(Wappen) 9.
Sturm, Joh. Bapt. 25. 32.
Sutton, Baronet Sir John 184.
Tabernakel (freistehend) 19.
20. 106. 192 f.
Taufsteine und Weihbecken
45. 63. 107. 215. 229.
Ueberhöhe 3.
Uriel, Erzbisch, v. Mainz 74.
Vallawe, Petr. Pfarrer von
Kidr. Epit. 203.
Verband, ährenförm. 10. 209.
Verfassung d. Rhg. 3.
Vicedom (Vitzthum) 8.
Virneburg, Heinr. v. , Erz-
bischof 57.
Voleanus,J.,Deckengemälde
von, 179.
Schloss Vollrads, 217. 224.
225.
Wachholder, auf dem 145.
Waldaffa-Thal 4. 208. 210.
240
NAMENS-, ORTS- UND SACHVERZEICHNISS.
Waldek, Joh., Marschall v.,
Grabstein 107.
Walderdorff, Graf von 121.
Wappen 7.
Walderdorff,Adalbv., Fürst-
abt v. Fulda 84.
Wandmalereien 23. 40-42.
64. 79. 120.
Wandtabernakel 63. 107. 140.
154. 227.
Wappen 1. 3. 5. 7. 9. 11. 21.
22. 40. 63. 65. 100. 106.
109. 210. 218.
Wasserburg 26. 66. 224.
Wehrgraben 6.
Weinbau u. Weinhandel 7.
Weissenthurm 6.
Werkerbach 129.
Werner, Abt v. Eberb. 169.
Werner, Erzbischof 130.
Westfalen,Grf.Cl.Aug.v.l76.
Westemale, Joh. von Münz-
meister 58.
Wilhelm, Abt v. Eberb. 145.
Wilhelmus, Wilhelmi von
Bärstadt, Pfarrer 215.
Wilhelmj, Weinhandlg. 221.
Willigis, Erzbischof 178.
Winkel, Dorf 217-223.
- Kirche 221.
— von, Rittergeschlecht 218.
Winter von Geisenheim 73.
Wisperthal, 2. 92, Burgen
dess. 126-132.
Wohnthürme 40. 65 ff. 123 ff.
128. 181. 224.
Wolfgang, Erzbisch. 90.
Wolfram, Rheingraf 84.
Wulferich von Lorch 218.
Wunneburg, Herrn von 131.
Zechbauer, Jos., Glocken-
giesser 23.
Zollkrieg 131.
Zweibrücken, Graf Simon
Wecker von 25
Zwierlein, v. 82. 86. 87. 129.
131. 139.
GETTY RESEARCH INSTITUTE
3 3125 01409 3369
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