DIE bau: & KUNST:
DENKMAELER DER
KREISE BIEDENKOPF
DILL0BER:WESTER:
WALD WESTERBURG
HEINRICH KELlER • FRANKFURT A M
Digitized by
the Internet Archive
in 2014
https://archive.org/details/bauundkunstdenkm04luth
DIE
BAU- UND KUNSTDENKMÄLER
DER
KREISE BIEDENKOPF, DILL,
OBER-WESTERWALD UND WESTERBURG
DIE
BAU- UND KUNSTDENKMÄLER
DES
REGIERUNGSBEZIRKS WIESBADEN
HERAUSGEGEBEN
VON DEM
BEZIRKSVERBAND DES REGIERUNGSBEZIRKS WIESBADEN
IV. BAND:
DIE KREISE BIEDENKOPF, DILL,
OBER-WESTERWALD UND WESTERBURG
FRANKFURT A.M.
KOMMISSIONSVERLAG VON HEINRICH KELLER.
1910.
DIE
BAU- UND KUNSTDENKMÄLER
DER
KREISE BIEDENKOPF, DILL, OBER-
WESTERWALD UND WESTERBURG
IM AUFTRAGE
DES BEZIRKSVERBANDES DES REGIERUNGSBEZIRKS WIESBADEN
BEARBEITET VON
FERDINAND LUTHMER
FRANKFURT A. M.
KOMMISSIONSVERLAG VON HEINRICH KELLER.
1910.
Druck und Papier von Ph. von Zabern, Hofdruckerei, Mainz.
Photographische Aufnahmen von der Königlichen Messbildanstalt, Berlin,
dem Photographen Hardt in Limburg und anderen.
Clich^s von Guhl & Co., Frankfurt a. M.
Geographische Karte von Ludwig Ravenstein, Frankfurt a. M.
VORWORT.
ER nördliche Teil des Regierungsbezirks Wiesbaden, der in den Kreisen
Biedenkopf, Dill, Ober-Westerwald und Westerburg den Inhalt des vierten
Bandes der Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Wiesbaden
bildet, ist seinem grösseren Teile nach ein Wald- und Ackerbaugebiet,
das erst in den letzten Jahrzehnten dem Verkehr und der Industrie erschlossen wor-
den ist. Wenn es daher im Reichtum an Baudenkmälern hinter den andern Teilen
Nassaus zurücksteht, so hat es dafür manche unverwischte Eigenart, manchen Rest
bodenständiger Volkskunst bewahrt, denen in dieser Sammlung ihr Platz anzuweisen
war. So wurde auch unter die Abbildungen manches aufgenommen, für das der Name
eines Kunstdenkmals vielleicht beanstandet wird, das aber im obigen Sinne nach der
Ansicht des Verfassers in den Rahmen eines Inventars gehört. Die mannigfache
Förderung, die dem Unternehmen von allen beteiligten Kreisen, besonders von den
lokalen Forschern und Vereinen zuteil wurde, ist auch hier wieder mit geziemendem
Danke hervorzuheben.
VI
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN.
(Die nicht mit Quellenangabe versehenen oder nach Photographien hergestellten
Abbildungen sind vom Verfasser nach eigenen Aufnahmen gezeichnet.)
Fig. 1. Dorfplatz in Ruppach n. Aufn. v. Baurat Engel.
,, 2. Stadt Biedenkopf n. Merian.
„ 3. Schloss Biedenkopf. Lageplan
„ 4. „ „ von Südost
„ 5. „ „ Grundrisse des Wohnbaues. Kgl. Bauinspekt. Biedenkopf
„ 6. Biedenkopf. Kanzel aus der früheren Kirche, jetzt im städtischen historischen
Museum zu Frankfurt
„ 7. Schloss Biedenkopf, Durchschnitt 4
„ 8. Biedenkopf. Holzpfeiler aus dem Schloss
„ 9. „ Frühere Pfarrkirche, Grundriss . . Aus dem Pfarrarchiv.
„ 10. „ Breidenbacher (Not Gottes-) Kapelle
„11. „ Eckhaus Stadtgasse und Untergasse
„ 12. „ Stadtwappen Landesarchiv.
„ 13. Achenbach. Evangelische Dorfkirche . . . nach Arch. L. Hofmann.
„ 14. Battenberg. Pfarrkirche, Taufstein
„ 15. „ „ Grundriss und Längsschnitt
„ 16. „ Rathaus
„ 17. Battenfeld. Kirchturm
„ 18. „ Pfarrkirche, Längsschnitt
„ 19. „ „ Grundriss
20. „ „ roman. Türbeschlag
„ 21. Breidenbach. Malerei am Gesimsbrett der Kirche
„ 22. „ Kirchturm
„ 23. „ Pfarrkirche, Längsschnitt
„ 24. ,, „ Grundriss
„ 25. Bromskirchen. Pfarrkirche, Grundriss, Jochsystem und Details
„ 26. Buchenau, Haustür
„ 27. Dautphe. Pfarrkirche, Grundriss und Einzelheiten
„ 28. Emporen- und Unterzugstützen aus Battenfeld und Dautphe
„ 29. Dautphe. Emporenstütze
„ 30. Dexbach. Pfarrkirche, Äusseres
„ 31. Emporenstützen aus Holzhausen bei Biedenkopf und Friedensdorf
„ 32. Friedensdorf Pfarrkirche, Einzelheiten
„ 33. Frohnhausen. Pfarrkirche, Grundriss und Längsschnitt
„ 34. „ Holzarbeiten
„ 35. Gladenbach. Marktplatz
„ 36. „ Pfarrkirche, Grundriss
„ 37. „ „ Westteil
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN.
VII
Fig. 38.
„ 39.
„ 40.
„ 41.
„ 42.
„ 43.
„ 44.
„ 45.
„ 46.
„ 47.
„ 48.
„ 49.
„ 50.
„ 51.
„ 52.
„ 53.
„ 54.
„ 55.
„ 56.
„ 57.
„ 58.
„ 59.
„ 60.
„ 61.
„ 62.
n 63.
„ 64.
„ 65.
„ 66.
„ 67.
„ 68.
„ 69.
„ 70.
„ 71.
„ 72.
„ 73.
„ 74.
„ 75.
„ 76.
„ 77.
„ 78.
Gladenbach. Pfarrkirche, Längsschnitt
„ Alter Pfarrhof
„ Gitter am Katasteramt
Hatzfeld. Einzelheiten aus der Pfarrkirche
Hatzfeld und Dexbach. Kirchengrundrisse
Ruine Hermannstein. Blick in das Erdgeschoss der Unterburg
Hermannstein nach Meissner.
Ruine Hermannstein von Südost
„ „ Unterer Grundriss
„ Turmgrundrisse
„ „ Querschnitt NW nach SO
Hermannstein. Pfarrkirche, Grundriss
Leisa. Dorfkirche, Ansicht und Turmkreuz
Niederweidbach. Kirchentür
„ Wandtabernakel
„ Kirchen-Grundriss
Emporenstützen aus Dodenau und Reddighausen
Reddighausen. Kirchturm
Allendorf. Kirchturm
Dillenburg nach Merian.
Festung Dillenburg ....
Dillenburg. Pfarrkirche, Grundriss
„ „ Choransicht
„ „ Innenbild nach
„ „ Längsschnitt
„ „ Querschnitt
„ Archiv ....
„ Stadtwappen
Ansicht der Stadt Haiger .
Haiger. Pfarrkirche, Grundriss
„ „ Südansicht
n. d. Grundriss Valkenbergs 1619.
nach L. Hofmann,
desgl.
nach L. Hofmann,
desgl.
i nach Zeichn. der Kreis-
/ bauinspektion Dillenburg.
Landesarchiv,
nach Merian.
Längsschnitt .
Choransicht .
Malereien im Chorgewölbe
Fenstermasswerk
„ Stadtwappen ....
Herborn. Ansicht
„ Strassenbild mit dem Rathaus
„ Pfarrkirche, Grundriss .
„ „ Längsschnitt
„ Chor der Pfarrkirche
nach Aufnahme von
E. Stiehl 1873.
Landesarchiv,
nach Merian.
nach L. Hofmann,
desgl.
VIII VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN.
Fig. 79.
Herborn. Pfarrkirche, Malerei im Chor
))
80.
„ Schloss, Erdgeschoss-Grundriss •
nach L. Hofmann.
V
81.
„ „ Ostseite
n
82.
„ „ Grundriss des Obergeschosses
nach L. Hofmann.
83.
„ Grabplatten im Chor der Pfarrkirche
84.
„ Geschnitzte Türe am Rathaus
))
85.
„ Hohe Schule, Grundriss
nach L. Hofmann.
)i
ÖO.
„ „ „ Ansicht . . . .
gezeichnet von R. Stier.
)'
87.
„ Alter Pfarrhof
))
88.
„ Paulshof
))
89.
Försterei „Neues Haus" bei Herborn
))
90.
Herborn. Schloss, Fensterkorb . . . .
nach L. Hofmann.
))
91.
„ „ Ansicht von Süden
11
92.
Landesarchiv.
11
93.
Burgruine Beilstein von Norden
11
11
94.
95.
Ruine Beilstein, Grundriss
Beilstein, Holzhaus
1)
11
96. 1
97.}
98.
Ruine Beilstein, Süd- und Nordansicht .
Beilstein, Renaissancehaus neben der Burg .
1 nach Aquarellen v. 1824
\, im Landesarchiv,
nach Reifienstein.
11
11
99.
100.
„ Burgruine von Osten
„ Holzhaus Roos
11
101.
Bergebersbach. Pfarrkirche, Grundriss
11
102.
„ ,, Kapital und Turmdach
11
„ „ Steinkanzel
11
104.
Driedorf, Ruine der Unterburg
II
105.
nach L. Hofmann.
11
106.
Nenderoth. Pfarrkirche, Choransicht
11
107.
Burg Tringenstein (nach einem rekonstruierten Modell von J. H. Hoffmann).
11
108.
Hachenburg. Katholische Kirche vor dem Umbau, Inneres
11
109.
11 11 11 11 11 II
Äusseres
11
110.
„ Schloss, Erdgeschoss-Grundriss
Zeichn. b. d.Kgl.Regierg.
11
Iii
III.
„ Stadtwappen
Landesarchiv.
11
112.
Altstadt. Pfarrkirche
11
113.
„ „ Grundriss . . . .
nach L. Hofmann.
11
11
II
114.
115.
116.
„ „ Taufstein
Höchstenbach. Pfarrkirche
„ „ Grundriss
11
117.
Hoen. Pfarrkirche, Grundriss
11
118.
„ „ Pfeilerkopf
)i
119.
„ „ Pfosten im Turm
II
120.
„ „ Stuhlwange
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN.
IX
Photographie der
Königl. Messbildanstalt.
f. 121. Hoen. Pfarrkirche, TUrring
122. Langenhahn, Pfarrkirche
123. Marienstatt, Gesamtansicht d. Klosters v. Nordwest
124. „ Kirche, Westseite ....
125. „ „ Choransicht
126. „ ,. Grundriss des Erdgeschosses
127. „ „ Chorumgang . . Photogr. d. Kgl. Messbildanstalt.
128. „ „ Kapitale der Chorpfeiler
129. „ „ Längsschnitt
130. „ „ Grundriss in Höhe des Triforiums . nach Görz.
13L „ „ Masswerk des Fensters im Westgiebel
132. „ Übersichtsblatt der Schiftspfeiler
133. „ „ Masswerk im nördlichen Querschiffsgiebel
134. „ „ Inneres gegen Osten . Photogr. d. Kgl. Messbildanstalt.
135. „ „ Chordurchschnitt
136. „ „ Schlussteine in den westlichen Schiffsjochen
137. „ „ Altartisch, Fliesen und Bleiverglasung
138. „ „ Piscina
139. „ „ Chorgestühl ....
140. „ „ Grabmal Gerhards II. V.Sayn
und seiner Gemahlin
141. „ „ Pietas ....
142. „ „ Beichtstuhl .
143. „ „ St. Ursula-Altar .
144. „ Abteigebäude, Mittelbau .
145. „ Kirche, Chorgitter in den Seitenschiffen
146. „ Seitenaltar Phot. d. Kgl. Messbildanstalt.
147. Westerburg von Nordwesten
148. „ Evangelische Kirche, Inneres
149. „ „ „ Grundriss
150. „ „ „ St. Annen-Altar
151. „ Ruine der Liebfrauenkirche
152. „ Schloss, Vorhalle der Kapelle
153. „ „ Grundriss des ersten Stocks
154. „ „ Kapellentür und Fenster
155. „ „ Vom Kamin im Archiv
156. „ Ansicht nach einem alten Bilde
157. Elsoff, Kapelle
158. „ „ Grundriss
159. Gemünden. Kirche, Grundriss
160. „ „ Westteil
161. Meudt. Pfarrkirche, Südostansicht
Photographie der
Königl. Messbildanstalt.
X
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN.
Fig. 162. Meudt. Pfarrkirche, Grundriss
„ 163. Hof Langwiesen
„ 164. Schloss Molsberg Nach einem Modell.
„ 165. ,) )i ••■•■•>))) ))
„ 166. „ „ Vogelperspektive . . „ „ „
„ 167. Salz. Pfarrkirche von Norden . . . Phot- d. Kgl. Messbildanstalt.
„ 168. Pütschbach. Pfarrkirche, Ostansicht und Grundriss
„ 169. Salz. Pfarrkirche, Weihkessel
„ 170. „ „ Innenblick nach Osten . Phot. d. Kgl. Messbildanstalt.
„ 171. „ „ Grundriss
„ 172. Seck. Pfarrkirche, Grundriss
„ 173. Naurother Hof
„ 174. Die Weltersburg mit dem Brambacher Schlösschen
„ 175. Hof Westert
„ 176. Haus Hastrich in Himburg
„ 177. Rathaus zu Rehe
„ 178. Holzhaus zu Molsberg Phot. d. Kgl. Messbildanstalt.
„ 179. Haus Kestler zu Enspel
„ 180. Haus Nr. 36 in Bilkheim
„ 181. Fensterbildung in Enspel
„ 182. Holzhaus in Berod Phot. d. Kgl. Messbildanstalt.
„ 183. Haus Baldus in Bellingen
„ 184. Stippverzierungen aus Günterod
„ 185. „ „ Friedensdorf
„ 186. Westerburg. Stadtwappen
XI
INHALTSVERZEICHNIS.
Seite
EINLEITUNG XIII-XX
I. KREIS BIEDENKOPF 1-50
Stadt Biedenkopf 1-9
Achenbach 10
Battenberg 11 — 14
Battenfeld 15-17
Breidenbach 17—19
Breidenstein 20
Bromskirchen 20-21
Buchenau 22 — 23
Dautphe 23-26
Dexbach 27
Frankenbach 27
Friedensdorf 28 — 29
Frohnhausen 30—31
Gladenbach 31-35
Günterod 36
Hartenrod 36
Hatzfeld 36-39
Hermannstein 40—46
Königsberg 46
Leisa 46—47
Naunheim 47
Niederweidbach 48—50
Reddighausen 50
II. DILLKREIS 51-100
Stadt Dillenburg 51-59
Stadt Haiger 60-65
Stadt Herborn 66-83
Beilstein 84-91
Bergebersbach, Strassebersbach 91—93
Breitscheid 93
Burg 94
Dernbach 94
Driedorf 94—96
Feldbach 96-97
Hörbach 97
XII
INHALTSVERZEICHNIS.
Seite
Nenderoth 98
Tringen stein 99
Wallenfels 100
UI. OBERWESTERWALDKREIS 100- 136
Stadt Hachenburg 100-104
Altstadt 105-108
Dreifelden 108
Höchstenbach 109-110
Hoen 110-113
Kroppach 113-114
Marienstatt, Kloster 114—134
Niederrossbach 134—135
Rotzenhahn 135
Steinebach 136
IV. KREIS WESTERBURG 136-164
Stadt Westerburg 136—144
Berod 144-145
Elsoff 145-146
Gemünden . 146—149
Hüblingen 149
Meudt-Langwiesen 149—151
Molsberg 152-155
Neunkirchen 155
Niedererbach 156
Nomborn 156
Pütschbach 156-157
Salz 157-159
Seck, Seligenstadt 159—161
Weltersburg, Bilkheim, Naurother Hof, Hof Westert .... 161—164
DAS BAUERNHAUS 165-174
XIII
EINLEITUNG.
flS^^Sp ER vierte Band der „Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks
kV^I^lD Wiesbaden" umfasst den Kreis Biedenkopf, den Dill- und Oberwesterwald-
kreis und den Kreis Westerburg. Dies Gebiet, das nördliche Gebirgs-
•fiSKSS^^ land des Regierungsbezirks, schliesst diesen nach Norden ab und hängt
nur südlich mit altem Nassauer Land zusammen: mit dem Oberlahnkreis, dem Kreis
Limburg und dem Unterlahnkreis, dem sich südwestlich der Unlerwesterwaldkreis
anschliesst. Die Westgrenze scheidet unser Gebiet von dem Kreis Altenkirchen der
Rheinprovinz. Nördlich grenzt es an den westfälischen Regierungsbezirk Arnsberg,
nämlich an dessen südlichste Kreise Siegen, Wittgenstein und Brilon. Die östlich an-
grenzenden Kreise Frankenberg und Marburg gehören zum Regierungsbezirk Kassel ;
südöstlich folgt mit der Giessener Gegend das Grossherzogtum Hessen, Provinz Ober-
hessen, und weiter schneidet der zum Regierungsbezirk Koblenz gehörige Kreis Wetz-
lar ins untere Dilltal ein.
Über die geognostischen Verhältnisse des nördlich von der Lahn ge-
legenen Teiles des Regierungsbezirks ist bereits im dritten Bande dieses Werks eine
knappe Übersicht gegeben worden. Es mögen daher hier nur kurze Ergänzungen
über die geologische Gestaltung des obersten Laufs der Lahn und des Westerwaldes
Platz finden. Für ersteren war massgebend „Das Lahntal von seinem Ursprung bis zur
Ausmündung" von August Spiess (Ems 1866), für letzteren „Der Westerwald und
seine Bewohner etc." von E. Heyn (Marienberg 1893).
Da, wo die Lahn, etwa 20 km von ihrer Quelle, in den Kreis Biedenkopf ein-
tritt, hat sie bereits das Gebiet des Spiriferensandsteins verlassen, das sich von
den die Lahn, Eder und Sieg entsendenden südlichen Höhen des Rothaargebirges
weit nach Süden und Westen erstreckt. Schon bei Feuchtingen, 10 km vor unserer
Grenze, tritt der Fluss in die letzten südlichen Ausläufer der Calceolaschichten oder des
Lenneschiefers mit den darüber liegenden Flinzschichten, der in Westfalen und dem öst-
lichen Teil des Rheinlandes ein ausgedehntes Gebiet beherrscht. Darüber liegen talab-
wärts unmittelbar oberdevonische Schichten, welche sich hier als rote und graue Kra-
menzelschiefer sowie als einförmiger Kramenzelsandstein ziemlich mächtig ausbreiten.
XIV
EINLEITUNG.
Die Oberdevonschichten werden hier von der Lahn fast im rechten Winkel
durchbrochen und dauern an bis gegen Eckelshausen unterhalb Biedenkopf. In dieser
Partie schieben sich an zwei verschiedenen Stellen schwache Kulm-Mulden, unmittel-
bar im Lahntal auslaufend, ein. Zwischen ihnen erscheint eine sattelförmige Lamelle
älteren Schiefers, der mit dem Orthoceras-Schiefer von Wissenbach zusammenhängt,
und gabbroartige Hyperite mit echtem Hypersthenfels durchsetzen die Schichten der
Kramenzelformation, wie auch die darunter und darüber auftretenden Schichten der
nächsten Umgebung.
Im weiteren Flusslauf nach Osten, bis da, wo die Lahn unweit Gossfelden eine
entschieden südliche Richtung nimmt, bestehen die Berge beider Talseiten aus den
Schichten des unteren Steinkohlensystems. Die Kulmformation stellt sich dar in
plattenförmigen Kulmkalken und einer Reihe schön gefärbter Hornsteine und Kiesel-
schiefer ; neben diesen findet man auch graue Tonschiefer mit zahlreichen Versteinerungen.
Der flözleere Sandstein dieser Partie ist sehr einförmig und besteht aus mehr oder
weniger grobkörnigen Bänken eines rauhen, braungrauen Sandsteins, der in fein-
körnigen Sandsteinschiefer und in massige Konglomerate übergeht.
In diesen wechselnden Lamellen von Kulm und flözleerem Sandstein brechen
viele Hypersthenfelse in schönen, körnig-kristallinischen Partien. Dabei tritt noch
ein dichtes, mandelsteinartiges Gestein der Grünsteingruppe in lagerhafter Form
auf, welches aus einer besonders im Dilltal stark verbreiteten Varietät des Mela-
phyrs besteht.
Die erwähnten kristallinischen Hyperite wie auch die festen Kieselschiefer
dienen in dieser Gegend als Wegebaumaterial. Die Kulmkalke sind besonders wichtig
für die Eisenhüttenindustrie, die Kalkbrennereien und die Landwirtschaft.
Die geognostischen Verhältnisse des Westerwaldes liegen einfacher. Er stellt
sich als ein Teil des niederrheinischen Schiefergebirges dar und teilt mit diesem die
aus Gesteinen der azoischen Zeit, Graniten und Gneissen, bestehende Unterlage.
Darüber finden sich aus paläozoischer Zeit Schichten des Devon, aus den känozoischen
Schichten des Tertiär, dann des Diluviums und des Alluviums. Zu diesen vom Wasser
abgesetzten Gesteinen treten dann noch die ebenfalls der jüngeren Zeit der Erd-
bildung angehörigen Eruptivgesteine: Basalt, Trachyt, Bimssteinsand.
Die dem Devon angehörigen ältesten Gesteine des Westerwaldes, die als Koblenz-
schichten, Spiriferensandstein oder Grauwacke bezeichnet werden, bilden im Westen
des Gebietes überall das Oberflächengestein; sie setzen sich auch unter dem Gebirgs-
stock des hohen Westerwaldes fort, sind aber hier bis auf wenige Stellen, wo sie
zutage treten (Gegend von Marienberg), überall von Tertiärablagerungen und Basalten
überdeckt.
Dem Devon aufgelagert finden sich Schichten der Tertiärzeit. Sie nehmen in
sehr ausgedehntem Masse das Hochplateau des Westerwaldes ein, wechsellagern
vielfach mit Eruptivgesteinen (Basalten, Trachyten etc.), sind von diesen durchbrochen
und haben mit ihnen eine Mächtigkeit bis zu 150 m Zu den tertiären Schichten
gehören ausser den Basaltkonglomeraten (Zersetzungsprodukten des Basalts) die
EINLEITUNG.
XV
Freusberg Dernbach Greifenstein Bicken
Tone, von denen die reinplastischen Tone die Grundlage für die ausgedehnte keramische
Industrie des Westerwaldes und einen wichtigen Ausfuhr-Gegenstand bilden. Ferner
gehören hierher als wichtigstes Glied die Braunkohlen, meist auf ausgedehnten Basalt-
strömen gebettet. Sie werden im grossen abgebaut bei Marienberg, Bach, Hof,
Eichenstruth, Grosseifen, Höhn-Urdorf, Westerburg, Roth, Gusternhain und Breitscheid.
Neben den dem Diluvium angehörenden ausgedehnten Schichten von Lehm und
Basaltbruchstücken und dem Alluvium, zu dem in den zahlreichen Talmulden des
Westerwaldes auch der Torf zu zählen ist, haben hier die Eruptivgesteine eine besondere
Bedeutung. Auf dem höchsten Westerwald breiten sich mit den Braunkohlenschichten
ausgedehnte Basaltdecken aus. Daneben tritt der Basalt in Gang- und Kuppenform
auf, die sich auch ausserhalb des Westerwaldes in zahlreichen Kuppen im Norden
bis an die Sieg, im Süden bis zur Lahn, im Osten bis an den Vogelsberg verfolgen
lassen. Im ganzen Gebiet des Westerwaldes sind nicht weniger als 410 Basaltkuppen
gezählt worden. Trachyte beschränken sich in ihrem Vorkommen auf den südwest-
lichen Teil des Gebirges und bilden hier zwischen Montabaur, Selters und Westerburg
etliche 20 Bergkuppen.
Die Bodengestaltung unseres Gebietes kennzeichnet sich im allgemeinen
als ein von der Nordgrenze nach Süden sich allmählich abdachendes Bergland ohne
stark hervortretende Bergformen. Seine höchsten Erhebungen bleiben unter der
Grenze von 700 m.
Im Kreis Biedenkopf gruppieren sich die höchsten Erhebungen der Eder-
berge um Battenberg. Es sind : Die hohe Warte (646 m), die Sackpfeife mit gleicher
Höhe, der Bubenberg bei Hatzfeld (614), Hassenrod (625), denen der Galgenberg bei
Oberhörlen mit 546 und der Moltenberg bei Lixfeld mit 581 m folgen. Die südlicheren
Lahnberge um Biedenkopf halten sich in Höhen zwischen 400 und 500 m.
Im Di 11 kr eis weist die Nordhöll mit der Quelle der Diezhölze und der Höll-
berg bei Driedorf die grösste Höhe mit 643 m auf. Der Angelberg, auf dem die
Scheide entspringt, folgt mit 610, die Haincher Höhe bei Offdilln mit 607 und der
Knoten bei Mengerskirchen mit 604 m. Von den übrigen Bergen des Kreises, die sich
zwischen 500 und 600 m halten, ist der Bolzenberg bei Offdilln mit 567 m der höchste.
Der Ober westerwaldkreis und W esterburg, das mit seinen nördlichsten
Ortschaften noch bis auf den hohen Westerwald reicht, verzeichnen in der Fuchs-
kaute (657 m), dem Salzburger Kopf (655), dem Altenberg (652), dem Kühfelderstein (643)
XVI
EINLEITUNG.
und dem Homberg (635) die höchsten Erhebungen des Westerwalds, denen sich
Alsberg (613), Ketzerstein bei Weissenberg (612), der Krimberg, Backofen, Reu-
schenberg mit um 600 und der Gallpusch mit 595 m anschliessen. Aus der südlich auf
300 bis 400 m herabgehenden Abdachung seien noch die Weltersburg (436) und der
Sengelberg bei Molsberg (447) hervorgehoben.
Die Wasserläufe der vier Kreise gehören zum weitaus grössten Teil an
der ganzen Süd- und Ostabdachung des Gebirges in das Quellgebiet der Lahn. Im
Norden des Kreises Biedenkopf nimmt die Ed er den Elbrigshauser- und den Linspher-
bach auf, während die Bäche des nördlichen Westerwaldes in das Gebiet der Sieg gehören.
Die Lahn tritt bei Breidenstein in den Kreis Biedenkopf ein, wo sie rechts
den Perfbach und links bei Wallau den kurzen Hainbach aufnimmt. Unterhalb Bieden-
kopf fliessen ihr auf der rechten Seite noch zu : Bei Friedensdorf die Dautphe, weiter
südlich die bei Bottenhorn entspringende Salzböde, durch deren Tal die Querbahn
Niederwalgern— Herborn geleitet ist.
Einer der Hauptnebenflüsse der Lahn, die Dill, durchströmt den nach ihr be-
nannten Kreis. Von ihrer Quelle bei Offdilln auf der Haincher Höhe fliesst sie
gerade südlich und nimmt bei Rodenbach von links den Rossbach auf. Nachdem sie
von Haiger bis Dillenburg entschieden nach Osten abgeschwenkt ist, nimmt sie bis
zu ihrem Austritt aus dem Kreise bei Edingen wieder südliche Richtung an. An Zu-
flüssen erhält sie von rechts bei Haiger den Weiherbach, dessen Tal als „Hicke-
grund" bekannt ist, und den von Süden kommenden Amdorferbach, zu denen unter-
halb Herborn noch der von Rehe herabfliessende Rehbach kommt. Bedeutendere Zu-
flüsse von links sind noch die Diezhölze, von der NordhöU an der westfälischen Grenze
kommend, der Nanzenbach, die Scheide und die Aar mit dem Siegenbach.
Der Hauptfluss des Westerwaldes ist die grosse Nister, die zwischen Brett-
hausen und Willingen entspringt, bis Emmerichenhain südlich und von da bis zu
ihrer Mündung in die Sieg unterhalb Wissen in westlicher und nordwestlicher Richtung
fliesst. Ihr unterer Lauf ist durch Felsen eingeengt und weist bei Kroppach bekannte
landschaftliche Schönheiten auf.
Nebenbäche der Nister sind: Der Biedenbach bei Emmerichenhain, der Ross-
bach (rechts), die vom Kühfelderstein kommende schwarze Nister bei Langenbach,
links die von Süden kommende Hornister, die früher die Grenze zwischen dem Nieder-
lahn- und Avalgau bezeichnete. Bei Korb auf der rechten Seite mündet der Wäsch-
bach, gegenüber der Alpenroder Bach; dann folgt mit der kleinen Nister, auch
hintere Nister genannt, der bedeutendste Zufluss, der, aus einem grossen Sumpfe
zwischen Heimerich und Stegskopf entspringend, unweit Kroppach rechts einmündet.
Auch der Oberlauf der dem Rheine zuströmenden Wied, die bei Dreifelden aus vier
Bächen zusammenströmt, gehört dem Oberwesterwaldkreis an, den sie bei dem Dorfe
Borod verlässt.
Durch den Kreis Westerburg fliesst die Elb, die aus zwei aus den Sümpfen
bei Ailertchen und aus der Nähe von Kakenberg herabkommenden Bächen entsteht
und sich bei Staffel mit der Lahn vereinigt.
EINLEITUNG. XVII
Westerburg Walderdorff Irmtraut Döring
Die Bodenkultur der nördlichen Kreise unseres Bezirks und die Beschäftigung
ihrer Bewohner bietet ein mannigfaches Bild. Im allgemeinen ist es, von einigen
offenen Tälern abgesehen, ein gebirgiges, vom Klima wenig begünstigstes Land, in
dem der Ackerbau vor der Wald- und Wiesenkultur zurücktritt; der Ertrag an
Erzen und anderen Mineralien, besonders die Hartstein-Industrie, hat in den letzten
Jahren, seit der Erschliessung des Landes durch Bahnlinien, eine erhöhte Bedeutung
gewonnen. Immer sind noch zahlreiche Arbeitskräfte darauf angewiesen, während
der guten Jahreszeit fern von ihrer Heimat, namentlich am Niederrhein und im
Bergischen, als Bergleute, Maurer oder Weissbinder Verdienst zu suchen, während
die Bestellung der Felder den daheim bleibenden Frauen und Alten obliegt.
Der Kreis Biedenkopf ist eiti Berg- und Waldland, dessen landschaftliche
Schönheit noch zu wenig bekannt ist, um in entsprechendem Masse fremde Besucher
anzuziehen. Mit Ausnahme einiger getreidebauenden Täler, wie das Breidenbacher-,
das Dautphe- und das Lahntal unterhalb Biedenkopf, ist hier die Nutzung der
Wälder und der Wiesenbau die hauptsächliche Erwerbsquelle. Ahnlich liegen
die Verhältnisse im Dillkreis, wo daneben die durch das Tal führende Bahn eine
bedeutende Industrie ins Leben gerufen hat; die neue Westerwald -Querbahn hat
der Verwertung des Basaltreichtums des Landes neuerdings bedeutenden Auf-
schwung gebracht.
Auch der Kreis Westerburg, der in seinem oberen Teile schon den Westerwald-
Charakter trägt, sieht hier die Hartstein-Industrie in bemerkenswertem Aulschwung,
während dem südlichen Teil sein milderes Klima neben ausgedehnter Wiesenwirtschaft
den Getreidebau gestattet.
Auf den Oberwesterwald hat die von Riehl geprägte Bezeichnung des „Landes
der armen Leute" mit der Kartoffel als einziger Kulturpflanze ihre Bedeutung ver-
loren, dank der Erschliessung durch mehrere Bahnlinien und den energischen Be-
mühungen der Behörden und landwirtschaftlichen Verbände um die Hebung der Vieh-
zucht. Auch hier ist die Hartstein-Industrie als Mehrerin des Wohlstandes ein-
gezogen. Daneben nimmt die Landwirtschaft mit kleinbäuerlichen Besitzverhältnissen
eine bedeutende Stelle ein. Die planmässige Züchtung der zwar kleinen, aber in dem
rauhen Klima besonders ausdauernden Rindviehrasse hat der Schlachtvieh- und Milch-
wirtschaft einen bemerkenswerten Aufschwung gegeben. Der Ackerbau erzeugt neben
Futterpflanzen Gerste, Hafer und Kartoffeln. Auch der Bergbau auf Braunkohle, der
XVUI
EINLEITUNG.
an vielen Orten betrieben wird, gibt vielfache Arbeitsgelegenheit, sodass die Abwan-
derung der Bergleute in die Eisengruben des Siegerlandes im Abnehmen begriffen ist.
Die alte karolingische Gauverfassung rechnete in unserem Gebiet den
Westerwald zum Engers- und Avalgau, in den im Elbtal bei Westerburg der Nieder-
lahngau hineinreichte. Zwischen ihnen bestand die „Herrschaft zum Westerwald" als
Mark der „freien Leute", die Gemarkungen Emmerichenhain, Marienberg und Neu-
kirch umfassend. Das Dilltal mit seiner Umgebung gehörte dem Erdehe- und Haiger-
gau an, Biedenkopf dem Oberlahngau. Als Territorialherren begegnen uns
später Kurtrier und Kurköln, die Grafen von Sayn und Nassau. Die Ausdehnung der
letzteren Herrschaft über den grössten Teil des Gebietes vollzog sich allmählich im
Laufe des 14. Jahrhunderts. Biedenkopf, das von früh an zu Hessen gehörte, kam erst
1866 unter preussische Herrschaft. Nach der früheren nassauischen Ämter-Einteilung
gehören zu den drei ursprünglich nassauischen Kreisen die früheren Ämter Hachen-
burg, Marienberg, Dillenburg, Herborn, Rennerod und Walmerod.
Auffallend klein ist die Zahl der Städte in dem hier bearbeiteten Gebiet.
Ausser den jetzt zu teilweise recht unbedeutenden Dörfern herabgesunkenen Orten,
die im Mittelalter Stadtrechte besassen, Battenberg, Breidenstein, Hatzfeld, Königsberg
im Kreise Biedenkopf und Driedorf im Dillkreise sehen von den jetzt noch bestehenden
Städten : Biedenkopf, Hachenburg, Westerburg, Dillenburg, Haiger und Herborn nur die
beiden letzten als Vororte alter Gauverbände auf ein hohes Alter zurück. Die übrigen
sind als Ansiedelungen um die Burgen der Landesherren oder eingesessener Dynasten
erst in der zweiten Hälfte oder am Ende des 13. Jahrhunderts entstanden. Von ihnen
treten Dillenburg als Residenz des Nassau- Oranischen Fürstenhauses, Herborn als Sitz
einer hohen Schule in der späteren Geschichte mit grösserer Bedeutung hervor.
Auch an geistlichen Ordensstätten ist das Gebiet arm; ein Kloster der
Benediktinerinnen zu Seligenstadt bei Seck ging schon vor 1500 ein. Die Existenz eines
Frauenklosters bei der Kirche von ßromskirchen steht geschichtlich nicht fest, bei den
Kirchen von Gemünden und Salz bestanden bis ins 14. und 15. Jahrhundert regulierte
Chorherrnstifter. Nur in dem Zisterzienserkloster Marienstatt besass der Westerwald
seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts eine geistliche Stiftung, die sich nicht nur in der
Kultivierung ihres weit ausgedehnten Gebietes, sondern auch in einem Kirchenbau
von hoher kunstgeschichtlicher Bedeutung ein bleibendes Denkmal gesetzt hat.
Wenn auch der Besitz des Gebiets an Burgen und Schlössern, der grossen
Zahl grösserer und kleinerer Territorialherren entsprechend, nicht unbedeutend ist, so ist
doch der grösste Teil derselben nur in kümmerlichen Resten auf uns gekommen. An
die Burgen der Geschlechter von Battenberg, Hatzfeld, Breidenstein, Molsberg, Trin-
genstein erinnern nur noch Mauertrümmer, oder sie sind gänzlich verschwunden und,
wie bei Molsberg, durch einen glücklichen Zufall in einem vor der Zerstörung ange-
fertigten Modell erhalten. Von den Burgen von Driedorf und Königsberg geben die
erhaltenen Mauerreste keine Vorstellung mehr. Nur Biedenkopf, Hermannstein und
EINLEITUNG.
XIX
Molsberg Breidenbach Beilstein Scheuch s. Sc/iweinsberg
Beilstein gestatten aus dem Erhaltenen einen einigermassen sicheren Rückschluss auf
ihre einstige Bedeutung und die Art ihrer Wehranlagen.
An Schlossbauten späterer Zeit besitzt das Gebiet in dem Schloss der Grafen
Sayn zu Hachenburg und dem Walderdorffschen Schlosse zu Molsberg zwei ansehn-
liche Barockbauten, von denen namentlich das letztere, wenn auch nicht in der ur-
sprünglich geplanten Ausdehnung ausgebaut, doch dadurch unser Interesse erweckt,
dass sein Erbauer, der baulustige Trierer Erzbischof Johann Philipp von Walderdorff,
sich bei anderen Schlossbauten der Hilfe des Architekten Baltasar Neumann bediente,
sodass Beziehungen dieses Meisters der Barockzeit auch zu dem Schlosse Molsberg
nicht ausgeschlossen erscheinen. Als ein stattlicher Barockbau darf auch das Abtei-
gebäude von Marienstatt gelten.
Das Schloss Westerburg, ein nüchterner Bau der klassizistischen Zeit, gewinnt
eine gewisse baugeschichtliche Wichtigkeit durch den wohlerhaltenen Kernbau aus
frühgotischer Zeit, den sein Torbau birgt.
Von kleineren Herrensitzen und befestigten Höfen konnte der Naurother Hof,
das Brambacher Schlösschen auf der Weltersburg, der Hof Westert und Hof Lang-
wiesen in das Verzeichnis aufgenommen werden.
Unter den kirchlichen Bauwerken überragt die Klosterkirche von Marien-
statt so sehr alle andern, dass der bau- und kunstgeschichtliche Wert der übrigen
von einem andern Gesichtspunkt zu beurteilen ist. Eine sehr rege kirchliche Bau-
tätigkeit, die in den nördlichen Ämtern von Nassau und in Biedenkopf in dem Jahr-
hundert des ausgehenden romanischen Stils (1150 — 1250) geherrscht haben muss, hat
uns zahlreiche über das ganze Gebiet verstreute typische Beispiele einer romanischen
Baukunst erhalten, die mit den bescheidensten Mitteln als Maurerarbeit, mit dem ge-
ringsten Aufwand an Gesimsgliederungen und einer fast primitiven Steinmetz- Orna-
mentik dennoch beachtenswerte Werke geschaffen hat. Sie beweisen, vielleicht als
lehrreiche Mahnung für die Gegenwart, mit wie geringem Aufwand sich das kirchliche
Bedürfnis in monumentaler Weise befriedigen lässt, ohne doch eines malerischen
Reizes zu entbehren, der oft in der gut gewählten Lage im Ortsbild und in der
guten Einfügung des Glockenturms in die Silhuette zu suchen ist. Altstadt und
Höchstenbach im Oberwesterwald, Gemünden, Elsoff, Pütschbach und Salz im Wester-
burgischen, Breidenbach, Dautphe, Frohnhausen, Battenberg, Battenfeld, Bromskirchen,
Gladenbach im Kreise Biedenkopf sind solche bei aller Verschiedenheit doch unter
XX
EINLEITUNG.
sich verwandte Beispiele. Meist schlichte Pfeilerbasiliken, flachgedeckt oder gewölbt,
manche mit Querschiff, sind sie zum Teil nach dem Ubergang zum protestantischen
Bekenntnis ihrer Seitenschiffe beraubt worden; die schweren Pfeiler hinderten den
Blick auf die Kanzel. Die hier verlorengegangenen Plätze wurden durch eingebaute
Emporen ersetzt, die den protestantischen Kirchen des Gebietes ein besonders
charakteristisches Innere geben. Daneben lassen sie uns oft die Kunst des Zimmer-
manns im 16. und 17. Jahrhundert bewundern; eine Auswahl besonders bemerkens-
werter Holzkonstruktionen der Emporen sind in die Sammlung aufgenommen.
Flg. 1- Blick in ein Westerwäläcr Dorf (Ruppach) .
An städtischen Pfarrkirchen sind die spätgotische Kirche von Westerburg und
die derselben Zeit angehörigen Chöre der Kirchen von Dillenburg, Herborn und-
Haiger zu nennen, während die Schiffe den weniger ausgesprochenen Stempel einer
späteren Zeit tragen. Sehr allgemein scheint im späteren Mittelalter die Ausmalung
der Kirchen unseres Gebiets gewesen zu sein ; nicht nur die Kirchen von Haiger und
Herborn brachten unter der späteren Tünche Bilderzyklen zutage, die sich als der
Konservierung wert erwiesen, auch in Altstadt und mehreren kleineren Kirchen des
Dillkreises Hess sich eine durchgeführte Bemalung nachweisen.
Das Interesse an dem Wohnhausbau im nördlichen Nassau gipfelt in den
städtischen und bäuerlichen Fachwerkbauten. Letztere besonders geben, dank der
konservativen Gesinnung der Bewohner und der dem Verkehr entzogenen Lage der
Dörfer, heute noch ein so geschlossenes und vollständiges Bild des fränkischen Holz-
baus vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, dass es angezeigt schien, diesem eine besondere
Behandlung am Schluss dieses Buches zu widmen.
Fig. 2. Die Stadl liicäoikopj iiacli iji r um .
im
BIEDENKOPF.
Literatur: Wenck, Hess. Landesgesch. 2. l86 d. Urkundenbuchs. — Kuchenbecker, Analecta
Hass. 3, 13. — Landau, Die hess. Ritterburgen 3. 3—8. — G. Zitzer, ,,Aus der Geschichte von Burg
und Stadt Biedenkopf", Biedenkopf 1907. — Abbildungen: In Dilichs Synopsis descript. tot. Hassiae ;
Merian, Topogr. Hassiae 1655; Libellus nov. polit. Emblematicus civitatum, p. Via, F. 66.
!IE Kreisstadt Biedenkopf in anmutiger, höhenumkränzter Lage an der
Lahn, die kaum 30 km von hier entspringt, schmiegt sich mit ihren auf-
steigenden Strassen an den bewaldeten Schlossberg, der von den ansehn-
lichen Resten der alten hessischen Landgrafenburg bekrönt wird.
Geschichtliches. Ob diese Reste der ersten, 1232 in einer Legende der
heiligen Elisabeth zuerst erwähnten Burg angehören, ob früher eine andere Burg auf
einem rückwärts gelegenen Teil des Schlossberges gestanden hat, wie aus einer Stelle
der hessischen Reimchronik vermutet wird, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Ge-
schichtlich überliefert ist, dass 1296 das Schloss zu Biedenkopf dem Grafen Otto,
dem Sohne des Landgrafen Heinrich mit dem Beinamen „das Kind", der sich Umtriebe
gegen seinen Vater hatte zu Schulden kommen lassen, als Verbannungsort angewiesen
wurde. Nach des Vaters Tode begann (nach Kuchenbeckers analecta Hass. 3, 13) Otto einen
Neubau — augenscheinlich mit unzureichenden Geldmitteln, da das Schloss mehr-
fach verpfändet wurde. Ein umfassender Ausbau oder die Fertigstellung des Neu-
baus muss zwischen 1360 und 1365 stattgefunden haben, da um diese Zeit Johann
von Breidenbach wieder bedeutende Gelder gegen Besitzrechte auf die Burg vorschiesst.
/
2
BIEDENKOPF, GESCHICHTLICHES.
Wahrscheinlich ist um diese Zeit erst der Wohnbau entstanden, dessen Bauformen
auf das 14. Jahrhundert hinweisen, während Otto's Bautätigkeit sich nach Lötz' An-
sicht auf den Turm beschränkt haben mag.
Erst Ludwig der Friedfertige machte die Burg wieder schuldenfrei und
erliess von hier 1455 seine „Gerichts- und Polizeiverordnung für Hessen". Sein Sohn,
Heinrich III., ver-
schrieb die Burg sei-
ner Gemahlin Anna
von Katzeneln-
bogen als Witwen-
sitz.
Im folgenden Jahr-
hundert scheint sie
baulich vernachläs-
sigt worden zu sein,
sodass sie Anfang
desr 17. Jahrhunderts
schon zum Teil fen-
sterlos war; ein In-
ventar von 1629 weist
kaum noch Ausstat-
tungsstucke auf. Sie
diente als Festung
und im 19. Jahrhun-
dert bis 1866 als
kammerfiskalischer
Fruchtspeicher,nach-
dem 1843 und 1847
eine gründliche Her-
stellung vorgenom-
men war. Gegen-
wärtig wird die Burg
vom Domänenfiskus
erhalten ; ihre Räume
Fi's- 3. Schloss Biedenkopf. Lageplatt.
dienen dem Altertumsverein Biedenkopf als Ortsmuseum.
Als erster Burggraf wird 1283 ein Ritter Eckehard genannt. Als spätere
Burgmannen kommen vor die Herren von Breidenbach, Biedenfeld, Buchenau,
Bicken, Melsbach, Linnen, Knoblauch, Döring und Hohenfels, von denen die beiden
letzteren auch in der Stadt begütert waren.
DIE STADT BIEDENKOPF wird zuerst 1304 genannt (Gudenus, Cod. dipl. HI. 24).
Im Jahr 1335 erfährt sie eine namhafte Erweiterung durch die Spital- und Hainstrasse,
\
BIEDENKOPF.
3
Fig. 4. Schloss Biedenkopf von Südost.
die von den Einwohnern ausgegangener Dörfer der nächsten Nachbarschaft angelegt
wurden. Die Stadt, die auf dem Merianschen Stich noch Befestigungen im Zusammen-
hang mit dem Schlosse, einen ßrückenturm auf der hölzernen Lahnbrücke und zwei
Tortürme mit Spitzdächern und Ecktürmchen aufweist, besass drei Tore : Am unteren
Eingang die Marienpforte, am oberen Ausgang nach Wallau zu die Eich- oder
Wallauer Pforte und am Ausgange der Spitalstrasse die Neue Pforte.
DIE PFARRKIRCHE, die Lötz bereits seit 1866 wegen Baufälligkeit ausser Ge-
brauch fand, ist 1888 abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt worden. Nach
der Beschreibung von Lötz war sie eine dreijochige Hallenkirche, die dem Über-
gangsstil angehörte. Unverkennbar ist die Ähnlichkeit des Grundrisses mit dem der
Kirche von Breidenbach (s. Fig. 24). Auch der Turmhelm, der am Neubau dem
früheren nachgebildet ist, gleicht dem der Breidenbacher Kirche. Der achteckig ge-
schlossene Chor hatte (ähnlich wie in Herborn) neben sich zwei Osttürme, von denen
nur der nördliche ausgebaut war. Der Chorschluss und der Turmhelm war spät-
gotisch (um 1500). Die Masse waren im Lichten: Länge 28,/5 m. Breite 13,40 m,
davon das Mittelschiff in den Pfeilerachsen gemessen 6,38 m, Jochweite im Mittel 6 m,
Höhe des Hauptschiffs 11,2 m. Das Schiff hatte viereckige mit starken Holzsäulen
besetzte Pfeiler, die rippenlose, spitzbogige Kreuzgewölbe trugen. Die Gewölbe der
4
BIEDENKOPF.
Seitenschiffe mit halbkreisförmigen Schildbögen stiegen etwas gegen das Mittelschiff
an. Die Fenster waren teilweise rundbogig, teilweise durch spätgotische mit Mittel-
pfosten und Masswerk ersetzt. Der Westturm, viereckig aufsteigend und mit einem
Rundbogenfries abschliessend, trug einen schönen, schlanken, achteckigen Helm, hatte
unten vier beschieferte Holzgiebel mit je zwei rundbogigen Schallfenstern, konkaven
Schenkeln und po-
lygoner Spitze, am
Fusse des oberen
Drittels acht kleine
Giebel, über denen
er sich in etwas ver-
jüngter Form fort-
setzte. Von der
alten Kirche ist
ausserden Glocken
und einigen Aus-
stattungsstücken
noch die „Not-
gotteskapelle"
erhalten, die zwi-
schen der Nord-
seite des Chors und
dem Turm lag. Sie
scheint 1415 erbaut
zu sein, in welchem
Jahre ein Joh. Banff
eineWiese zuihrem
Bau schenkt ; 151 1
macht die Schuh-
macherzunft für sie
Fig. 5. Scfiloss Biedenkopf. Grundriss vom Erd- und Obcrgeschoss. eme Stiftung Sie
hat zwei spitzbogige Kreuzgewölbe mit hohlprofilierten Rippen, die aus den nach
innen gezogenen Strebepfeilern hervorwachsen. Türe und Fenster sind spitzbogig
mit schrägen Gewänden ; an der Nordecke ist ein Relief, drei Figuren unter
Wimpergen, eingemauert.
Glocken. Die grösste : Ularia l)eiß idt) Ijeinridt) hangefer oon gefen gos mitj) amen,
anno domini m • CCCC • LXXXD (1485).
Die zweite : f flum • turbOF • procul • ccdat • ignis • grando • tonitrus • fulgor • fames •
peftis • gladius • fatl)an • et • öomo • malignus f ljus (?) • ob • graciam • crifti • marie •
fancti • ioöannis • o • ref • glorie • ueni • cum • pace • t anno • milleno • c • quater • ac •
quadrageno • (1440) • per • magiffrum • petrum • agaft • cognomine • dictum • fefto • poft •
feftum • die • natiüitatis • marie • duo • adjuncta • campana • confufa (Inschrift in drei Zeilen).
Fig. 6. Biedenkopf. Kansel aus der früheren Kirche (jetzt im histor. Museum in Frankfurt).
BIEDENKOPF.
5
Die dritte: NOS • ET • NOSTRA • PIA • GUBERNA • VIGO (Virgo) • MARIA
JOHS. Darunter A und il mit Kreuzen bekrönt.
Fig. 7. Schloss Biedenkopf. Durchschnitt .
Von der alten Ausstattung sind noch vorhanden :
Eine Messinggrabplatte etwa aus dem 18. Jahrhundert (Lötz) mit der Um-
schrift: Dominus hiltirinus üoUator facre töeologie arciumque doctor egregius trium
beneficiorum fundator plebearius (sie) ljuius ecclefie Digilantiffimus obüt 1520, 24. febr.
Ein Geistlicher in spätestgotischem Flachrelief mit scharfbrüchigen Gewand-
falten. Ein anderes kleines Messingrelief von 1573 mit zahlreichen Figuren, hand-
werksmässige Glockengiesser-Arbeit.
Gusseisenplatte von einem Ofen von 1535 mit Relieffiguren im Renaissancen-
stil, zirka 1 m hoch, 23 cm breit.
Tauf stein im Übergangsstil, der Oberteil jetzt als Springbrunnen im Pfarr-
garten stehend, grosses rundes, unten zwölfeckiges mit zwölf Rundbogen verziertes
Becken. Es stand ursprünglich auf sechs jetzt verschwundenen Säulchen, deren glatte
Kelchkapitäle aus dem oberen Rande vorspringen ; zwei Sockel sind noch vorhanden.
Holsskulptur . Pietas, klein, spätgotisch, von charakteristischer Arbeit, nament-
lich die Köpfe.
Die schöne Holskansel mit Schalldeckel in Renaissanceformen des 17. Jahr-
hunderts wurde beim Abbruch der Kirche an das städtische historische Museum in
Frankfurt abgegeben, wo sie gegenwärtig aufgestellt ist (s. Fig. 6).
DIE SPITALKIRCHE, eine Stiftung des Ritters Gerlach von Breiden-
bach und Junkers Hermann von Löwenstein wurde 1417 erbaut. Das Schiff,
6
BIEDENKOPF.
Fig. S. Biedenkopf. Holapf eiler aus dem Sc/tloss.
unter einem Baldachin, eingefügt. Die
Schlussteine sind ebenfalls mit den Wappen
der Breidenbach und anderer belegt. Das
Chorhaupt und das folgende Joch haben in
jedem Schildbogen ein Fenster, im nächsten
Joch fehlen dieselben. Diese sieben Fenster
liegen in schrägen, aussen zu einer Hohl-
kehle ausgearbeiteten Leibungen, sind zwei-
teilig mit hohlprofilierten Pfosten und schlich-
tem, spätgotischem Masswerk. Unter den
Fenstern sind die Wände flachbogig aus-
genischt. Der Chorbogen ist aussen und
innen mit einer Hohlkehle abgefast.
In einer mit Nasen besetzten Blende
des Chors ist eine Piscina. Die Holzkanzel,
Spätrenaissance, 17. Jahrhundert, ähnelt der
in der Stadtkirche und der Kanzel der
Kirche von Breidenbach.
das im 17. Jahrhundert eine Erweiterung
erfuhr, ist neuerdings gotisierend restau-
riert. Der achteckig geschlossene Chor
hat drei Kreuzgewölbjoche, deren fast
rundbogige Gurte und Gräte einfach ge-
kehlt auf Diensten ruhen. Diese, mit
Kehle und Plättchen in die Wand über-
gehend, haben dreiteilige, unten runde,
darüber achteckige Basis. Ihre Kapitäle
sind mit spätem Laub, Köpfen und Wap-
pen der beiden Stifter verziert. In den
Dienst der Nordostecke ist ein spät-
gotisches Figürchen, ein Engel Gabriel
Fig. 9. Biedenkopf. Frühere Pfarrkirche.
BIEDENKOPF.
7
DAS SCHLOSS besteht im wesentlichen aus einem Hauptgebäude, das die
östliche Seite des mit einer Mauer umzogenen Burghofs einnimmt. In der südlichen
Schmalseite des Mauerrings erhebt sich der runde Turm, halb inner-, halb ausser-
Fig. /y.ij Bitäenkopf. Breidenbacher (Aot Gottes-) Kapelle.
halb des Berings stehend. Er beherrscht einen tiefer liegenden Zwinger, durch den
von Westen her der ursprüngliche Burgweg emporstieg. Das Burgtor, durch das man
den inneren Burghof betritt, steht ebenfalls unter dem unmittelbaren Schutz des Turmes ;
ausser diesem dient zu seiner Verteidigung noch ein an der Sudostecke des Mauer-
8
BIEDENKOPF.
berings aus dem Wehrgang unmittelbar über dem Tor vorgekragtes Türmchen mit
Pyramidendach. Ein langer Zwinger ist der ganzen Ostseite des Schlosses vorgelegt..
Der Turm hat seinen einzigen, hochgelegenen Zugang von dem mit Zinnen be-
setzten Wehrgang der Hofmauer. Den untersten Teil nimmt das Verliess mit durch
Vorkragung gebildetem Kuppelgewölbe ein, ein zweites Gewölbe schliesst das Innere
oben ab und bildet den Bo-
den der Wehrplatte, deren
Zinnen von der Herstellung
des Jahres 1847 herrühren.
Durch Balkenlagen ist
der Turm in mehrere Stock-
werke geteilt, die durch eine
zu derselben Zeit erbaute
Wendeltreppe zugänglich
gemacht sind. Die spärliche
Beleuchtung erfolgt durch
einige Lichtschlitze.
Das Wohngebäude,
vor dessen Westfront im
Hofe ein Eingang in den
Keller führt, ist sehr massiv
in zwei Stockwerken erbaut,
deren Verbindung ursprüng-
lich durch einen aus der
Westseite vorspringenden
Treppenturm vermittelt wur-
de. Jetzt dienen Holztreppen
im Innern dem gleichen
Zweck. Jedes der Stock-
werke enthält in der Mitte
einen grossen, 8 auf 12,5 m
messenden Raum, dem sich
Fig. 11. Biedenkopf. Eckhaus Stadtgasse und Untergasse.
nördlich und südlich je ein kleiner Raum vorlegt. Der untere Saal ist vom Hof her
durch eine Spitzbogentür zugänglich, deren Gewände aus einem Rundstab zwischen
Hohlkehlen besteht. Spitzbogig sind auch die inneren Türen, während die Fenster
rechteckige, steinerne, schlicht abgefaste Kreuzstöcke haben. Zwei Auskragungen
auf Konsolsteinen an der Nord- und Ostseite dürften eher als Abtritte denn als Guss-
erker anzusehen sein. Die Balkenlagen ruhen auf Unterzügen, die durch starke, ab-
gefaste Pfosten mit Sattelholz und Kopf bändern gestützt werden. Ein Kamin im Saal
des ersten Stockwerks hat noch seinen Mantel, der durch Steinpfeiler mit schlichten,
im Viertelkreis vorgekragten und kräftig gefasten Konsolsteinen getragen wird. Im
Erdgeschoss ist die Küche mit grossem Rauchfang, Wasserstein und Backofen erhalten.
STADTMAUER.
9
Von der alten STADTMAUER sind noch Reste zu verfolgen, die vom Burg-
bering auf einem Felsgrat bis zum Wallauer Tor sich hinunterziehen, an dem noch der
Rest eines Rundturms erhalten ist. Die Stützmauern der Gärten der Untergasse ent-
halten ebenfalls noch Teile der Stadtmauer.
Der ältere innerhalb des Mauerrings gelegene Teil der Stadt weist einige gute
Fachwerkhäuser auf. Ein gutes Strassenbild gewährt das Zusammenschneiden
der Untergasse mit der Stadtgasse (s. Fig. 11).
Flg. 12. Biedenkopf. Stadtwappen.
10
ACHENBACH.
ACHENBACH.
JFig. 13. Acliciibach. Evangelische Dorjkirche.
AS Dorf
Ache n -
bach, 11
km Süd -
nach West
von Biedenkopf gele-
gen, besitzt in seiner,
dem 18. Jahrhundert
entstammenden evan-
gelischen Dorfkir-
che ein Beispiel von
einer so vorbildlichen
Anordnung für die Ge-
staltungkleinsterDorf-
kirchen, dass ihre Auf-
nahme in dies Ver-
zeichnis berechtigt er-
scheint. Ein quadrati-
scher Raum, 9,90 m
innerer Weite mit abgeschräg-
ten Ecken, sodass ein nicht ganz
vollständiges Achteck entsteht,
trägt über einem Zeltdach ein
schlichtes, beschiefertes Mittel-
türmchen für die Glocken. Sie-
ben Fenster geben dem Innern
grosse Helh'gkeit; besondere
Beachtung verdient die Anord-
nung der Kanzel, die über dem
Altar aus der Brüstung der
Empore hervortritt. Eine höl-
zerne Wand, die als wirksames
dekoratives Motiv mit zwei
Brettstützen bis zur Decke em-
porgeführt]ist,[bildet den Hinter-
grund der Kanzel. Unter der
Empore, im Angesicht der Ge-
meinde, haben der Pfarrstuhl
und die Sitze für die Kirchen-
vorsteher ihre Stelle gefunden.
BATTENBERG, GESCHICHTLICHES.
11
BATTENBERG.
Wenck, Hess. Landesgesch. 3, 91 ff. — Schmidt, Gesch. des Grossherzogtums Hessen 1, 250;
2, 262. — Lacomblet, Urkundenbuch i, 286, 314, 332. — Gudenus i, 546, 547, 549, 854; 2, 54, 55. —
Landau, Beschr. von Kurhessen 402.
US dem breiten und anmutigen Edertal erhebt sich, den Fluss zu einem
grossen Bogen zwingend, ein steiler Schieferfels, der auf seinem Rücken
die Stadt Battenberg trägt. Fluss und Fels mit der auf seinen Rand
vorgeschobenen Baumasse der ,,Neuburg" bilden ein sehr schönes Land-
schaftsbild, im Hinlergrund abgeschlossen von den bewaldeten Höhen des oberen
Edertals, aus denen der Burgberg dicht hinter der Stadt in schöner Linie hervorspringt.
Geschieh tli che s. Ein Graf von Holenlint (Hohenlinden) scheint auf dem
Fels über der Eder zuerst eine Burg erbaut zu haben. Als erster, der den Namen
von Battenberg führte, findet sich 1166 ein Theodoricus de Battenburg als
Zeuge in einer Urkunde des Erzbischofs Reinald
von Cöln (Lacomblet, Urkundenbuch I, 286). 1174 er-
scheint ein Nachkomme des Grafen von Hohen-
linden, Graf Werner von Widechenstein
(Witgenstein), der sich mitunter Graf von Batten-
berg nennt (a. a. O. i, 314, 332). Im 12. Jahrhundert
erstreckte sich die Herrschaft der Battenberger
über einen grossen Teil des Oberlahngaues, wie
sie denn nach dem Aussterben der Gisonen (1137)
länger als ein Jahrhundert die höchste Gerichts-
barkeit in der Grafschaft Stift (Wetter) ausübten,
bis sie aus dem Besitz derselben in den Centen
Dautphe, Lixfeld, Laasphe und Wetter durch die
Landgrafen von Hessen verdrängt wurden. Ein
Sohn jenes W^erner von Witgenstein, Graf
Werner von Battenberg, trat 1228 in das
Johanniter- Ordenshaus zu Wiesenfeld ein und
wurde 1238 Komtur desselben (Gudenus l, 546, 549; F'Sl4. Battenberg. Pfarrkirche. Tauf stein.
2, 55. — Landau, Beschr. von Kurhesseu 402). 1234 trat dessen Bruder, Graf W i 1 1 ek i n d
vonWitgenstein-Battenberg, die Hälfte der Schlösser Battenberg und Keller-
berg nebst der dazu gehörigen Grafschaft Stift an den Erzbischof von Mainz ab, der
1291 Schloss und Stadt Battenberg allein erhielt (Gudenus i, 547, 854; 2, 54), während
Hermann I. von Battenberg das Schloss Kellerberg bekam, das aber sechs
Jahre später durch Kauf ebenfalls an Mainz gelangte. 1227 hatten die beiden Brüder
Schloss Kellerberg dem Landgrafen Heinrich Raspe zu Lehen aufgetragen. Der letzte
Graf von Battenberg, Graf Gerhard, starb 1342 als Domherr zu Mainz. Im Jahre
1464 waren beide Schlösser noch in gutem Zustand und Battenberg von einem Mainzer
Beamten bewohnt; damals kam Battenberg an Hessen-Darmstadt, 1866 an Preussen.
12
BATTENBERG.
r I I I I I I I ■-! 1
Fig. 15. Battenberg. Pfarrkirche.
DIE EVANGELISCHE PFARRKIRCHE, 1886 renoviert, ist eine dreischiffige
gewölbte Hallenkirche, deren Erbauungszeit um 1300 anzusetzen ist. Das Schiff ist
dreijochig. Die schmalen Seitenschiffe sind durch starke Rundpfeiler vom Mittelschiff
getrennt, deren Kämpfergesimse, aus Platte und Kehle bestehend, in der Barockzeit
teilvpeise mit antikisierenden Stuckgesimsen überkleidet wurden. Die spitzbogigen
breiten Längs- und Quergurte springen nicht vor den Gewölbekappen vor. Die halben
I
PFARRKIRCHE.
13
Kreuzgewölbe der Seitenschiffe und diejenige des Mittelschiffs haben keine Rippen ; die
Gräte des letzteren verlaufen kuppelartig gegen den Scheitel. Die Seitenschiffe en-
digen gegen Osten in halbrunden Wandnischen; der Chor ist rechteckig, der Chor-
bogen breit und ungegliedert. Die Gräte des ebenfalls kuppelartigen Chorgewölbes
entspringen östlich aus den Ecken, während sie westlich auf Eckpfeilern aufsetzen.
Das Chorgewölbe hat in der Barockzeit eine Stuckverzierung erhalten.
Fig. 16. Battenberg. Rathaus.
In der Ostwand des Chors ist ein Spitzbogenfenster, teilweise vermauert, dessen
hohlprofilierter Mittelpfosten einfaches spätes Masswerk trägt. Zwei kleine Fenster
mit stumpfen Spitzbögen in den Ostnischen der Seitenschiffe sind vermauert. Die
übrigen Fenster haben bei einem Umbau ihre Mittelpfosten verloren und viereckigen
Schluss erhalten. Im Westgiebel ist eine früher an der Südseite des Schiffs befindliche
spitzbogige Pforte mit spätestgotisch profiliertem Gewände; über der Westseite ein
viereckiger grosser Dachreiter mit achteckigem Helm.
14
BATTENBERG.
Ein Tauf stein aus Marmor mit der Jahreszahl 1608, von vier Konsolen ge-
tragen, zeigt eine zierliche Barock-Silhuette. Ausser ihm enthält der Chor einige un-
bedeutende Epitaphien.
Elisabeta Ebelin, geborene Ganetin, f 1628. In Spätrenaissanceformen.
Jost Bücking, genannt
Rümpel, Rentmeister, f 1633.
In einem Renaissance-Säulen-
rahmen ein Kruzifixus mit An-
betenden, Reste von Bemalung.
HansGrebe. Ohnejahres-
zahl, mit verstümmelten Wappen
und Bildnissen.
Carolus Joh. Phil.
Loehner de Laurenburg,
Hessen - Darmstädtischer Offi-
zier, t 1708.
Glocken : Feuerglocke ,
1510, mit^denl Namen St. Maria,
Lucas, Marcus, Johannes und
Matthäus. — Grosse Glocke,
1526, mit einem Kruzifix in Re-
— lief und den Namen Jesu Christi
^^'jiO-^'^^^^und der Maria. — Totenglöck-
^^~^lein, 1609, von Peter Nelmann
gegossen (Lötz).
''ig. 17. Battenfeld. Kirchturm.
Von dem al-
ten STADT-
SCHLOSS ist
nur noch ein
Keller mit rund-
bogigem Ton-
nengewölbe und
rundbogigem
Eingang, anscheinend aus dem 16. Jahrh. herrührend, unter dem Pfarrhause vorhanden.
Von der Ruine des Schlosses Kellerberg auf dem Burgberge steht nur noch
ein runder Turm in Bruchsteinmauerwerk.
DAS RATHAUS, ein stattlicher Holzbau, mit (neu) beschieferter West- und
Nordseite, erhebt sich mit einer hohen Freitreppe auf der höchsten Stelle des an-
steigenden Marktplatzes. Auf den Ecken der nach Westen gewendeten Giebelseite
springen im zweiten Stockwerk zwei achteckige Erker vor. Die Südseite hat vom
ersten Stockwerk an einen starken Überhang, der auf Holzsäulen gestützt ist.
BATTENFELD, PFARRKIRCHE.
15
Fig. IS. Battenfeld. Pfarrkirche. Längsschnitt.
BATTENFELD.
Aufnahme^von Lechner in „Denkmäler deutscher Baukunst, dargestellt von dem Hess. Verein
für die Aufnahme mittelalterlicher Kunstwerke zu Darmstadt", 1856, l. Bd.
ATTENFELD, 1,5 km östlich von Battenberg im Edertal gelegen, ist ein
grosses Kirchdorf, von dessen Wohlhabenheit eine beträchtliche Anzahl
gut erhaltener Fachwerkhäuser in der derben, dem hessischen Charakter
verwandten Bauweise der Gegend zeugen.
DIE EVANGELISCHE PFARRKIRCHE ist eine durchweg gewölbte Pfeiler-
basilika mit Querschiff, quadratischem Chor und viereckigem Westturm, deren Seiten-
schiffe verschwunden sind ; in Bruchstein mit Sandstein ausgeführt. Die Formen
Fig. 19. Battenfeld. Pfarrkirche. Grundriss.
deuten auf das 12. Jahrhundert. Das Innere macht durch die plumpe Pfeilerbildung
und die durch Aufhöhung des Bodens verminderte Höhe einen schweren Eindruck.
Die zwei nahezu quadratischen Schiffsjoche haben Blendbogen auf kleinen Eck-
pfeilern und sind durch einen auf einem viereckigen Pfeiler aufsetzenden ungegliederten
Gurt im stumpfen Spitzbogen getrennt. Die Kämpfergesimse der scharfgratigen Kreuz-
gewölbe, die im späteren Mittelalter erneuert zu sein scheinen, bestehen aus ein-
16
BATTENFELD.
Fig. 20. Battenfeld. Pfarrkirche. Tiirbesclilag.
fachen Schmiegen. Die vermauerten
niedrigen Seitenarkaden, aussen und
innen erkennbar, haben teilweise mit
Schuppen und Zahnschnitt verzierte
Kämpfergesimse auf den sehr breiten
Pfeilern.
Der Bogen nach der Vierung ruht
auf Pfeilern mit mehrfach abgetreppten
Vorlagen und einem Kämpfergesims aus
Platte und Kehle zwischen zwei Wülsten.
Das niedrige, romanisch rundbogige
Kreuzgewölbe der Vierung ist von eben-
solchen Gurten umgeben; die Kreuzflügel
mit schmalen Tonnen geschlossen. In
den Schildmauern des Querschiffs stehen
je zwei kleine rundbogige Fenster, in
den Schiffsjochen je ein solches. Der
Chor, etwas schmäler als das Schiff, hat
ein spitzbogiges Kreuzgewölbe mit im
Scheitel verlaufenden Gräten, die auf
kleinen Eckpfeilern aufsetzen. In der
Süd- und Ostwand des Chors öftnen sich
grosse spitzbogige Fenster ohne Mass-
werk mit schrägen Gewänden.
Das Erdgeschoss des Turmes, von
aussen unzugänglich, ist mit einem kup-
pelartigen rundbogigen Kreuzgewölbe
überdeckt und öffnet sich nach dem
Schiff in einer Rundbogentür mit abge-
trepptem Gewände und rohem roma-
nischem Kämpfergesims. Im äusseren
steigt der Turm völlig schmucklos ohne
Fenster auf und trägt eine gotische Spitze,
die von vier hölzernen und beschieferten
Ecktürmchen umgeben ist. Auch sonst
ist das Äussere der Kirche völlig schmucklos und ohne Gesimse.
An der Nordseite des Chors schliesst sich die mit zwei rundbogigen Kreuz-
gewölben überdeckte Sakristei an.
An Skulpturen ist eine an der äusseren Giebel wand des Querschiffs hoch
eingemauerte Rüterfigur mit Schild zu erwähnen, eine sehr primitive Arbeit aus
der Entstehungszeit der Kirche. Im Scheitel des Trennungsgurtes der beiden Schiff-
gewölbe sind zwei Wappenschilde in spätgotischer Form angebracht.
BREIDENBACH, PFARRKIRCHE.
17
Die Nordtür des QuerschifFs besitzt noch ihren alten romanischen Beschlag von
sehr charakteristischer Form. Einzelne Teile fehlen, andere sind bei einer Herstellung
an unrichtiger Stelle angebracht ; doch konnte er in Fig. 20 nach den auf dem Holz
zurückgelassenen Spuren in"der ursprünglichen Form wiedergegeben werden.
Fig. 21. ßi i ideiibach. Malerei am Gcsinisbretl der Kirche.
BREIDENBACH.
Kremer, Origines Nass. 2, 51. — Archiv f. hess. Geschichte, Darmstadt 1836, i. 2. 231.
AS Pfarrdorf Breidenbach am Perfbach, kurz unterhalb von dessen
Vereinigung mit dem Dietebach, liegt 6 km west-südwestlich von Bieden-
kopf in einem breiten, äusserst fruchtbaren Talgrund, der nach ihm
seinen Namen trägt. Früher waren hier 30 Orte eingepfarrt, jetzt sind
deren noch 10.
Der Ort besass schon 913 eine Kirche, die dem Stift Weilburg gehörte. Die zu
ihr gehörige Kapelle zu Yzenhusen (Ober-Eisenhausen im oberen Perftal) wurde
1103 von ihr getrennt. Im frühen Mittelalter wird Graf Eb er hard , Konrads I. Bruder,
als Herr im Grund Breidenbach im Perfgau, einem Untergau des Oberlahngaus, ge-
nannt. Um 1 100 übte Graf Werner als Vogt hier die oberste Gerichtsbarkeit aus.
Diese ging nach Aussterben seines Geschlechtes zunächst an die Grafen von Batten-
berg und hierauf an die Herren von Breidenbach und Breidenstein über.
DIE PFARRKIRCHE ist eine dreischiffige, dreijochige Hallenkirche, die den
Übergangsstil des 13. Jahrhunderts zeigt. Der Bau ist sehr plump in Bruchsteinen
gemauert, hat quadratischen Chor und ebensolchen Westturm, beide der Breite des
Mittelschiffs entsprechend.
Die Mittelschi ff spfeiler haben quadratischen Querschnitt mit drei vorgelegten
Halbsäulen, auf denen die ungegliederten Gurtbögen aufsetzen. In den Seitenschiffen
laufen diese unmittelbar von den Pfeilern aus, denen an den Seitenschiffwänden
breitere Vorlagen entsprechen, sodass sich auch die Gurte hierher verbreitern. An
der Turmseite werden die Längsgurte ebenfalls von Halbsäulen aufgenommen; an der
Chorseite fehlen diese. Die Halbsäulen haben plumpe, gemauerte Würfelkapitäle ohne
Halsring, deren Deckplatten nicht um den viereckigen Pfeilerkern verkröpft sind.
2
18
BREIDENBACH.
Der breite, ungegliederte Chorbogen ist stark eingezogen; sämtliche Bögen
zeigen den stumpfen Spitzbogen des 13. Jahrhunderts mit Ausnahme der Schildbögen
in den Seitenschiffen, die den Halbkreis haben. An der Ostwand jedes Seitenschififs
ist eine rundbogige Altarnische ausgespart. Die Ge-
wölbe des Mittelschiffs wie des Chors und des Turm-
Erdgeschosses sind sehr hochbusige Kreuzgewölbe mit
im Scheitel verlaufenden Rippen; die Seitenschiffjoche
sind mit halben gleichartigen Gewölben überdeckt.
Von den schlanken Fenstern des Schiffs haben
einige noch den Rundbogen; andere haben wohl bei
einer späteren Veränderung spitzbogigen Schluss er-
halten. Ebenfalls später eingesetzt sind die Chorfenster;
eins in der Ostwand, das seinen Mittelpfosten verloren
hat, mit flachprofiliertem Steingewände und einem Vier-
pass auf zwei Spitzbogen, und ein südliches Fenster mit
Fischblase über zwei nasenbesetzten Rundbogen.
Im Äussern befinden sich unter der Sohlbank
dieses Fensters zwei quadratische Blenden mit Nasen-
verzierung; sie ent-
halten zwei Wap-
pen, eins das Brei-
denbachsche mit der
doppelten Wolfs-
angel, das andere
in der unteren
linken Hälfte zwei
oder drei Sparren,
in der oberen rech-
ten nichts enthal-
tend; dazu die In-
schrift: Anno do-
mini mcccclxxix
(1479) gerard von
Breidbach, Lvse sin husfrawe (Lötz). Eine rundbogige Tür mit ungegliederter Ein-
fassung führt in das nördliche Seitenschiff; die Westtüre, die in das sich in voller
Breite gegen das Mittelschiff öffnende Turm-Erdgeschoss führt, ist neueren Datums.
Das Äussere der Kirche ist völlig schmucklos, durch später angebaute gewaltige
Strebepfeiler, die nach oben stark geböscht sind, verunziert. An der Südwestecke
hat sich an dem schrägen Gesimsbrett noch die Spur einer flotten Malerei hellrot
auf dunkelrot erhalten.
Der völlig schlichte Turm, dem an der Nordwestecke ebenfalls ein Strebepfeiler
vorgelegt ist, hat einen sehr schlanken Helm, dessen Gratsparren um ein Achtel ge-
Fig. 22. Breidenbach. Kirchturm.
PFARRKIRCHE.
19
dreht sind. Am Fuss wird er von vier einwärts geschweiften Giebeln mit Nasengauben
begleitet, die eine htibsche Silhuette geben. Im obersten Geschoss des Turmes öffnen
sich vier kleine spitzbogige Schallöffnungen.
Fi^. 23. Breidenbaeft. Pfarrkirche. Durchschnitt.
Das Innere der Kirche ist stark durch Emporen verbaut; das Gestühl der
Herren von Breidenstein rechts und links neben dem Chorbogen zeigt ein gutes Barock.
Fig. 24. Breidenbach. Pfarrkirche. Grundriss.
Von sehr schöner Renaissance-Arbeit mit reichem Intarsienschmuck ist die
Kanzel, welche die grösste Ähnlichkeit mit der früheren Kanzel aus der Kirche in
Biedenkopf, jetzt im städtischen Museum zu Frankfurt, zeigt (s. Fig. 6).
2*
20
BREIDENSTEIN. — BROMSKIRCHEN.
BREIDENSTEIN.
'ON Breidenbach 3,5 km im Perftal abwärts liegt die ,,St(idt" Breiden-
stein, ein alter Ansitz der Herren von Breidenbach, die hier ein
neueres Schloss mit Park besitzen. Die Brüder Gerlach und Johann
von Breidenbach, Johannes von Breidenbachs Söhne, trugen 1395
dem Landgrafen Hermann von Hessen zu Lehen auf „den Hubenberg samt der
Burg, die sie auf demselben erbauen wollten". 1398 erhielten sie vom Kaiser Wenzel
die Erlaubnis, unter den Mauern der Burg, genannt Breidenstein, ein Städtchen an-
zulegen (Urk. b. Senckenberg, Selecta juris et historiarum 5, 55). Zeit und Art der Burg sind
unbekannt (Schmidt, i, 243, 246).
Nur Stücke der Ringmauern der Burg von Bruchsteinen sind noch vorhanden (Lötz).
Die kleine KIRCHE (Filialkirche von Breidenbach) ist architektonisch unbedeutend,
auf zwei Drittel der Höhe in Bruchsteinen gemauert, darüber ein Holzdrempel mit
sichtbarem Zimmerwerk, auf dem Dache ein kleines Glockentürmchen.
BROMSKIRCHEN.
Denkmäler der deutschen Baukunst, Darmstadt 1856 (Abbildung).
ER Marktflecken Bromskirchen, der nördlichste Ort des Regierungs-
bezirks, 21,5 km nordöstlich von Biedenkopf im Lensphetal, gehörte als
Fromeldiskirchen zum Oberlahngau und war Sitz eines Centgerichts unter
dem Obergericht Wetter. Aus dem Besitz der Herren von Battenberg
kam es 1238 an Mainz, das es 1464 mit anderen Ortschaften an den Landgrafen
Heinrich II. von Hessen verpfändete.
Die evangelische PFARRKIRCHE ST. MARTIN soll zu einem Nonnenkloster
gehört haben. Der jetzige Bau zeigt verschiedene Entstehungszeiten. Das Schiff stellt sich
als den Rest einer dreischiffigen romanischen Basilika dar, deren Seitenschiffe wahr-
scheinlich zur Reformationszeit abgebrochen worden sind. Die zwei Joche des wohl
schon ursprünglich flachgedeckten Mittelschiffs haben Wandblenden mit halbkreis-
förmigem Schluss ; sie waren durch einen Gurtbogen getrennt, dessen Pfeilervorlagen
jetzt auf Kämpferhöhe aufhören. In jedem Joch öffneten sich zwei niedrige Arkaden
nach den Seitenschiffen, deren Bogen auf sehr kurzen und breiten Mauerpfeilern mit
verzierten Kämpfersteinen aufsetzen. Die Sockel liegen unter dem Kirchenfussboden.
Die Arkarden sind jetzt zum Teil ganz geschlossen, zum Teil als Fenster benutzt.
Die ursprünglichen Oberfenster sind im spätesten Mittelalter, etwa im 16. Jahrhundert,
durch grössere mit Vorhangbogen geschlossene Fenster ersetzt. Der im halben
Seckseck geschlossene, flachgedeckte Chor ist inschrfftlich 1700 erbaut. Die verzierten
PFARRKIRCHE.
21
Schmiegen der Arkadenpfeiler sind teils mit schuppenartigem, teils mit Blattornament
geziert, dessen Formen auf das 12. Jahrhundert deuten; zuweilen wechselt das Ornament
an verschiedenen Seiten desselben Pfeilers.
Fig. 25. Bromskirchen. Pfarrkirche.
Eine WesttUr, inschriftlich von 1585, ist rundbogig geschlossen und reich
profiliert ; von den Rundstäben ist der eine gewunden, der andere hat einen ge-
wundenen Sockel.
Ein Turm ist 1644 abgebrochen, an seiner Stelle ist über dem beschieferten
Westgiebel ein viereckiger Dachreiter mit achteckigem Helm erbaut. Das Äussere
ist ganz schmucklos in Bruchsteinen erbaut und verputzt. Die Emporen im Innern
zeigen gute Holzarbeit; sie wurden inschriftlich 1580 errichtet.
Der Ort besitzt einige einfache, aber charakteristische Holzbauten. Der
stattlichste ist das neben der Kirche stehende Rathaus, dessen zierliche Tür die Jahres-
zahl 1619 trägt.
22
BUCHENAU.
BUCHENAU.
flS^i^yAS Dorf Buchenau, 6,5 km südöstlich von Biedenkopf, 1,5 km von der
VwöKqR Grenze des Regierungs-Bezirks Kassel an der Lahn gelegen, besitzt eine
^p^^^K wahrscheinlich der Spätgotik angehörige Kirche von geringem kunst-
VÄShC*-* geschichtlichem Interesse. Sie ist einschiffig und flachgedeckt. Der Chor,
im Erdgeschoss des an der Ostseite liegenden Turmes untergebracht, zeigt in seinem
rippenlosen Kreuzgewölbe und im Chorbogen den Spitzbogen. Einige Fenster haben
iHHllllll I I I I I I I I I I
Fig. 26. Buchenau. Haustüre.
BUCHENAU, KIRCHE. — DAUTPHE.
23
spätgotisches Masswerk auf Mittelpfosten. Eine vermauerte Tür in der Nordwand ist
rundbogig geschlossen.
DIE KIRCHE ist die Begräbnisstätte der Familie von Döring, vo^ der drei
Grabsteine Kunde geben: 1. Der mit der lebensgrossen Figur des Ritters und wappen-
geschmückte des Philipp von Döring, t 1563; 2. Grabstein „die edel und tugenthafte
frawe Magdalena Döringer, geborne von der Lip gnt. Htm der got gnot", t 1575,
eine gute Renaissancearbeit mit schöner Schrift und vier Wappen, von der Lip gen.
Hun, Rozheim, von Ulmen und Winnenberg ; 3. Alexander v. Döring von Elmshausen,
t 1596, mit langer lateinischer Inschrift und dem Sinnspruch: ,,Le dernier ou la fin de
tout est la mort."
Eine bemerkenswerte Bauernarbeit ist ein tragbarer Opferstock aus Holz,
von becherartiger Form und durch Hohlschnittverzierung gefällig geschmückt (Fig. 34).
Das Dorf Buchenau ist mit geringen Ausnahmen an der nach dem Bahnhof
führenden Strasse ein fast unberührtes Beispiel eines in malerischer Schönheit er-
haltenen Fachbaudorfes, dessen stattliche Häuser und Gehöfte sich frei von jedem
Fluchtlinienzwang gruppieren. Eins der grössten, das Haus Nr. 64, in dem früher eine
Schmiede betrieben wurde, hat in den fächerförmig geschnitzten Sockelstreben der
Pfosten und in den bandartig gewundenen Füllbrettern zwischen den Balkenköpfen
schon deutlichen Anklang an niederhessische Art. Sehr hübsch ist auch die mit der
Jahreszahl 1682 bezeichnete Haustüre, die Fig. 26 dargestellt wird.
DAUTPHE.
AS Pfarrdorf D a u t p h e , 6 km südlich von Biedenkopf gelegen, wird schon
970 erwähnt, und war im 15. Jahrhundert Gerichtsort über 13 Dörfer.
DIE PFARRKIRCHE besteht aus drei durch Vertikalfugen im
Mauerwerk getrennte Teile, von denen die beiden westlichen jetzt unter
einem Dach vereinigt sind : einem Westteil, wahrscheinlich dem Erdgeschoss eines
unvollendet gebliebenen Turms, dem aussen ebenso breiten Schiff und dem ein wenig
eingezogenen Chor. Über diesem hat man, wie schon aus der besonderen Stärke seiner
Mauern geschlossen werden kann, einen Turm errichtet, nachdem der Bau des West-
turms aufgegeben war. 1823 ist derselbe durch Blitzschlag zerstört und der Rest mit
einem niedrigen Dach mit achteckigem Glockentürmchen auf der Spitze versehen worden.
Der Westraum, ohne Fensteröffnungen, hat flache Decke. Bemerkenswert ist
er durch das im Äusseren und Inneren sichtbare Ährenmauerwerk ; an der Südmauer
sind immer zwei bis drei Schichten in dieser Art, übrigens nachlässig gemauert; ihnen
folgen zwei Schichten in lagerhaftem Verband. Eine roh gemauerte Öffnung mit
stumpfem Spitzbogen verbindet diesen Raum mit dem Schiff; sie ist durch eine hübsche,
gestäbte Holztür mit der Jahreszahl 1534 verschlossen
24
DAUTPHE.
Gleichzeitig mit dem Westbau, Anfang des 13. Jahrhunderts, scheint das Schiff
zu sein, das einschiffig und flach gedeckt ist. Seine Mauern zeigen gute Bruchstein-
I ■ ■ ■ ■ I I I I I I — I Ai-tilvd Cjrundnlj
öie Eiiifclheitfii iuHOjndic» lllnjslab
Fig. 27. Dautphe. Pfarrkirche. Grundriss und Einzelheiten.
ausführung , hier .und da mit Spuren von Ährenverband; Ecken und Ttir- und Fenster-
umkleidungen in Haustein. An den vier Ecken ragen oben unter dem Dache zierlich
profilierte Kragsteine vor; in der Nähe der Südv^estecke ist eine kleine kreisrunde
Öffnung, die innen in einer viereckigen Blende liegt. Die kleinen romanischen Fenster
PFARRKIRCHE.
25
Fig. 28. Emporen- und Uiileraug-Sliitaeit.
mit schrägen in guter Hausteinarbeit ausgeführten Gewänden liegen hoch; daneben
kommen auch einige gotische und dem Barockstil angehörige Fenster vor. In der Süd-
wand ist eine rundbogige Türe mit glattem
Gewände.
Die Ostmauer des Schiffs fehlt, sodass
der Chorbogen in der Westmauer des Chors
liegt, die hier 1,83 m Stärke hat, während
die andern Chormauern 1,75 m dick sind.
Der Chor verrät in seinen Architektur-
formen seine Entstehung in frühgotischer
Zeit, etwa zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts.
Der hohe, ungegliederte Chorbogen ist
spitzbogig mit schön profiliertem Kämpfer-
gesims ; ebenso das Chorgewölbe mit Rippen
aus stumpfem Birnstab zwischen Hohlkehlen,
und einem Schlusstein mit einem von acht
Blättern umgebenen Kopf. Die Eckdienste
des Gewölbes sind bis auf die Kapitäle und
den achteckigen Sockel zerstört. Das Ost-
fenster des Chors hat frühgotisches Mass-
werk, das, von einem mit Kapitälchen und
Sockeln versehenen Rundstab begleitet, aus
zwei nasenbesetzten Spitzbögen und Kreis
mit Dreipass besteht. Die Süd- und Nord-
fenster sind einfacher und ohne Rundstab,
auch zum Teil zerstört. In der Südwand -s^
des Chors befindet sich eine hübsche früh- Fig. 29. Dautphe. Emporensiatse.
26
DAUTPHE, PFARRKIRCHE.
gotische Tür, das Gewände mit einem Eckrundstab belegt, der auf dem Sturz ein flach
ausgegründetes Tympanon in Kleeblattform mit bewegten Lilienblumen bildet.
Im Chor ist eine frühgotische
Piscina erhalten, in einer viereckigen
Nische liegend, die oben mit einem
hohen spitzbogigen , nasenbesetzten
Blendbogen endigt.
Die Altarmensa, mit abge-
schrägten Ecken, besitzt noch ihre
schön frühgotisch profilierte Platte
(grosse Kehle zwischen zwei Rund-
stäben, darüber Platte).
Von sehr kräftiger Zeichnung
sind die Emporbühnen des Schiffs,
inschriftlich von 1543; auch ein Fa-
milie i ige stühl an der Nordseite
zeigt Spätrenaissanceformen von
einem gewissen
Reichtum und
trägt die In-
schrift : Jere-
mias Breiden-
stein für mich
und meine Er-
ben lassen die-
sen Stuel berei-
ten anno Do-
mini 1619. Aus
derselben Zeit
dürfte auch die
reich ornamen-
tierte, der frühe-
ren Biedenkop-
fer sehr ähnliche
Fig. 30. Dexbach. Pfarrkirche. Kanzel sein.
DEXBACH. — FRANKENBACH.
27
DEXBACH.
jpjJl^iK^ AS Pfarrdorf Dex bach , im engen Waldtal des Treisbaches, 5,5 km nord-
ksÄ^^JsIc östlich von Biedenkopf gelegen, hat eine der Spätgotik angehörige ein-
^■?5f5<3)f\ schiffige Pfarrkirche. Das Schiff enthält zwei Joche, durch einen breiten
VCrK.»»-. Gurtbogen getrennt, der, wie die kräftig eingesetzten Schildbögen spitzbogig
und ganz ungegliedert ist und auf Wandpfeilern ohne Kämpfergesims aufsetzt. Die rip-
penlosen Kreuzgewölbe verlaufen gegen den Scheitel kuppelartig. In der Südwand eine
Türe mit geradem Sturz; die Fenster der Süd- und Westwand sind bei einer nach 1874
ausgeführten Herstellung gleichmässig im Spitzbogen überdeckt worden, das im östlichen
Joche mit einfachem Masswerk auf Mittelpfeiler. Der Chor, im äusseren schmäler als
das Schiff, hat ein spitzbogiges Kreuzgewölbe, dessen hohlprofilierte Rippen auf runden
Eckdiehsten aufsetzen ; diese haben schlichte runde Sockel und kelchförmige, vieleckige
Kapitäle; den Schlussstein des Chorgewölbes deckt ein spätgotischer Schild mit dem
Buchstabens. Diebeiden Chorfenster haben Fischblasenmasswerk auf einer Mittelstütze.
Das Chordach ist auf seiner östlichen Hälfte durch einen Holzdrempel erhöht;
auf dem First erhebt sich ein hölzerner, beschieferter Dachreiter, dessen Dach die
Eigentümlichkeit zeigt, dass seine Giebel sich nicht über den Seiten, sondern über
den abwechselnden Ecken erheben und dadurch in der Mitte gebrochen sind.
FRANKENBACH.
l^%^yj:RANKENBACH. DORFKIRCHE. In dem als Chorraum dienenden Erd-
Vj^^^l^i^J geschoss des Turmes sind bei einer im Jahre 1909 vorgenommenen Her-
u^bÄ^i«^ st^ll^'^S Anstrichs Wan dbil der am Gewölbe und den Wänden zutage
oi^iei^^ getreten, die Evangelisten darstellend, die auf das Ende des 15. Jahrhunderts
deuten. Sie wurden erhalten und fixiert.
28
FRIEDENSDORF.
FRIEDENSDORF.
>^BTRAGUNG DES
UNTERZUG^
VOIM?En
CHORBO&EN
AS Dorf Fried ensdorf liegt 7,5 km südlich von Biedenkopf im Lahntal.
Seine kleine KIRCHE besitzt einen dem 13. Jahrhundert angehörigen
Chor, übrigens einen völlig schmucklosen, viereckigen Basaltbau mit
♦ Kreuzgewölbe, dessen Gräte auf Eckpfeilern ohne Kämpfergesims auf-
ruhen. Der Chorbogen und die
kleinen Fenster sind spitzbogig
mit schlichten Schrägen.
Das flachgedeckte, aus Fach-
werk gebaute Schiff ist bemer-
kenswert durch die schöne und
sorgfältige Arbeit der einen mitt-
leren Unterzug tragenden Stützen,
die in Fig. 31 abgebildet
sind; der untere Teil mit
^1^^ flachen Kerbschnitten ver-
ziert. Um den Chorbogen
nicht durch einen Pfeiler zu
verstellen, hat der Zimmer-
mann einen Wechsel auf zwei
Ständer neben dem Bogen
gelegt, der ge-
schickt gegen
den Unterzug
verstrebt ist.
Der Kir-
c h enf u s sbo-
den zeigt ein
besonders hüb-
sches Beispiel
der in der Ge-
gend häufigen
Pflasterung
mit Lahnge-
schieben, die in
Reihen fisch-
grätenartig an-
^K'i. 32. Friedensdorf. Pfarrkirche. Deckenstütse undtPßasterung. geordnet und
am Chor wie an der Westtür durch Rosetten unterbrochen sind. Die West tür hat
noch die alten, einfach jaber ^übsch gearbeiteten Eisenbänder. Friedensdorf ist in
seinen Fachwerkhäusern noch reich an eingeritzten und schwach nachmodellierten
PFARRKIRCHE.
29
Putz-Verzierungen, eine Technik, die im Kreise Biedenkopf bis in die jüngste Zeit
gepflegt wird. Das jüngste Beispiel ist vom Jahre 1893 datiert. Auf dem im letzten
Kapitel d. B. („Holzhäuser") mitgeteilten, 1878 ausgeführten Beispiel nennt sich als
Meister „Dam von Holzhatisett (bei Gladenbach) verfertigt von Schneider, den
12. Juli".
|riiiiiiii| — r I I I I I I I I I
Fig. 33. Frohnhausen. Pfarrkirche. Längsschnitt und Grtindriss.
30
FROHNHAUSEN.
FROHNHAUSEN.
Jas evangelische Pfarrdorf Frohnhausen liegt 9 km nordöstlich von
Riedenkopf in einem anmutigen Wiesental am südlichen Fuss des Ziegen-
bergs und des höheren Kohlenbergs.
Seine KIRCHE, in die auch das benachbarte Dorf Oberasphe ein-
gepfarrt ist, soll zu einem Benediktiner-Nonnenkloster gehört haben, das seit der Re-
formation verschwun-
den ist. Sie stellt in
ihrem jetzigen Zustand
eine kleine romanische,
gewölbteBasilikaohne
Querschiff und mit feh-
lendem stidlichen Sei-
tenschiff dar. Die Ge-
wölbe des nördlichen
Seitenschiffs und des
Mittelschiffs sind zer-
stört ; ersteres ist jetzt
flachgedeckt ; das Mit-
telschiff ist später, viel-
leicht zur Zeit der Her-
richtung für den pro-
testantischen Gottes-
dienst, mit einem qua-
dratischen, rundbogi-
gen und zwei oblon-
gen, scharf spitzbogi-
gen Gewölben aus
Holz und Lehmsta-
kung überdeckt. Zur
selben Zeit dürfte auch
der viereckige, aussen
beschieferte Dachrei-
ter mit achteckigem
Helm auf der West-
seite entstanden sein,
zu dessen Unterstüt-
zung durch die Mitte
des westlichen Joches
eine Fachwerkwand
Fig. 34. Frohuluaisen. Holsverzicriuiguiul Haustür. gezogen worden ist.
OPrtRiTOCK.NBULHtNAU
HOLZ m Mf3SINCTLLLEi\
FROHNHAUSEN, KIRCHE. — GLADENBACH.
31
Im Chor ist noch das ursprüngh'che rundbogige Kreuzgewölbe mit im Scheitel
verlaufenden Gräten vorhanden, die auf Eckpfeilern aufsetzen. Die Fenster sind zum
Teil in gotischer Zeit, zum Teil später erweitert; in der Nordwand ist eine späte
spitzbogige Tür mit gefastem Gewände. Die Sakristei nördlich neben dem Chor ist
mit einer Längstonne überdeckt. Vor dem Altar steht ein Taufstein in roh-spät-
gotischen Formen mit der Jahreszahl MVXII (1512).
Von den vier Glocken hat nur die grösste eine Inschrift : tllaria • JOl)anCS • ftcis •
Id!) • in • godes • namen • leidet • man • mid) • bes • roeter • uertreiben • id). Darunter Christus
am Kreuz mit Maria und Johannes in Relief. 16. Jahrhundert.
An den Holzhäusern des Ortes befindet sich manche hübsche Schnitzerei, wo-
bei die häufige Anwendung des Rades auffällt. Eine charakteristische Haustür aus
dem 17. Jahrhundert besitzt noch das Bürgermeisterhaus.
Fig. 35. Gladenbach. Marktplatz.
GLADENBACH.
ER Marktflecken Gladenbach liegt 16,5 km südlich von Biedenkopf in
einem Nebental der Salzböde an der Bahn Niederwalgern - Herborn. Der
stattliche Ort ist der Hauptort des ehemaligen hessischen „Hinterlandes".
Die evangelische KIRCHE ST. MARTIN stellt sich als eine ur-
sprünglich flachgedeckte romanische Pfeilerbasilika dar, die in spätgotischer Zeit
einen durchgreifenden Umbau durch Hinzufügung eines im Achteck geschlossenen
Chors und Einwölbung des Mittelschiffs erfahren hat. Durch die tiefe Lage der Ar-
kadenkämpfer und eine fast beispiellose Verbauung mit mehrgeschossigen hölzernen
Emporen macht das Innere einen wenig erfreulichen Eindruck.
Die ursprüngliche Anlage hatte drei Bogenstellungen des Mittelschiffs, von
denen die westlichen ganz schmal und rundbogig, die beiden folgenden in gedrücktem
32
GLADENBACH.
Spitzbogen überwölbt sind. Die Pfeiler sind von ungewöhnlicher Breitenausdehnung.
Das letzte Pfeilerpaar vor dem Chor hat flache Vorlagen, denen ebensolche Wandpfeiler
I I I I I I I I I I I
Fig. 3b. Gladenbach. Pfarrkirche. Grundriss.
an den Seitenschiffwänden entsprechen. Diese Vorlagen, die jetzt dicht über Kämpfer-
höhe abgebrochen sind, trugen wahrscheinlich im Mittelschiff den Chorbogen, dem
Fig. 37. Gladenbach. Pfarrkirche. Westteil.
34
GLADENBACH.
ein quadratischer Chorraum mit rundbogiger Öffnung nach den Seitenschiffen folgte;
diesem dürfte sich eine runde Hauptapsis angeschlossen haben, die beim Neubau des
Chors entfernt wurde. Ob auch die Seitenschiffe, die man sich ebenfalls mit Rundbogen
über den erwähnten Vorlagen abgeschlossen zu denken hat, Nebenapsiden besassen,
würde sich nur durch Fundamentaufgrabungen nachweisen lassen.
Fig. 39. Gladenbach. Aller Pfarrhof.
Die Obermauer des Mittelschiffs ist noch von den ursprünglichen kleinen roma-
nischen Rundfenstern durchbrochen, die ohne Achsenbeziehung zu den Schiffarkaden
verteilt sind; diejenigen des früheren Chorraums stehen näher zusammen und sind
durch einen grösseren Zwischenraum von den übrigen getrennt. Die Rundbogenfenster
in den flachgedeckten Seitenschiffen scheinen in neuerer Zeit vergrössert zu sein. Bei
der Überwölbung in gotischer Zeit wurde die ganze Länge des Schiffs in vier an-
nähernd gleiche Felder geteilt. Die spitzbogigen Kreuzgewölbe haben einfach gekehlte
Rippen, die auf schlichten Konsolen aufruhen; die romanischen Oberfenster sind zum
KIRCHE ST. MARTIN.
35
Teil in die Gewölbkappen eingeschnitten. Der Chor hat zwei Kreuzgewölbe mit
gleichem Rippenprofil und Konsolen, deren einer an der Nordwand ein Wappenschild
angefügt ist, das in roher Arbeit Kelch und Hostie trägt. Der jetzige Chorbogen ist
an der Westseite abgefast. Die zweiteiligen Chorfenster mit schrägen Gewänden
haben spätgotisches Mass werk. Zwei Türen in der Süd- und Westfront sind in
schlichtem Rundbogen ohne alle Profile geschlossen.
Das Äussere ist verputzt und ohne architektonische Gliederung; ein Dachgesims
fehlt. Das Dach trägt zwei Dachreiter, von denen der westliche, grössere, viereckig,
der kleinere über dem Chor sechseckig ist.
Im Chor ist ein gleichzeitiges, sehr verstümmeltes Wandtabernakel mit profi-
lierten Eckpfosten und einem Blendgiebel, dessen Spitzbogen mit Fischblasenmasswerk
gefüllt ist ; am Gesims zwei Wappen.
Der Ort, der durch seine Lage am Hügel malerische Strassenbilder bietet, ist
leider durch zahlreiche moderne Bauten seines ursprünglichen Charakters stark ent-
kleidet. Einige alte Holzhäuser von gutem Charakter sind erhalten, unter denen
besonders der alte Pfarrhof mit dem Namen des Erbauers Johmin Wacke, 1607 (jetzt
in Privatbesitz) unterhalb der Kirche zu nennen ist, mit hübscher Haustür und
Schnitzereien zwischen den Balkenköpfen des Überhangs. Ein anderes, von einem
Bäcker bewohnt, im obersten Teil des Ortes trägt den Na.men Johnini Jost Roth, 1798
und am Stall die Inschrift ,, Werkmeister war der berühmte Zimmermeister Jakob
Blöcher su Gladenbach, 1800." Ein drittes steht am unteren Ausgang des Ortes
jenseits des Baches an der Brücke.
Ein guter Barockbau ist das jetzige K at a s t e r am t an dem kleinen Marktplatz,
der, durch das staffeiförmige Zurücktreten der Häuser der Marktstrasse gebildet, ein
gutes Architekturbild bietet. Das Katasteramt ist ein zweistöckiger Massivbau von
fünf Fenstern Front mit Mansardendach. Seinen Hauptschmuck bildet der mit der
Haustür architektonisch zusammengezogene Balkon, dessen gutgezeichnetes Schmiede-
gitter die gekrönten Buchstaben L L (Landgraf Ludwig) enthält. Die Stockwerk-
treppe hat ein hübsches Geländer von ausgesägten Brettern (s. Fig. 35).
Fig. 40. Gladenbach. Gitter am Katasteramt.
3*
36
GÜNTEROD. — HARTENROD. — HATZFELD.
GÜNTEROD.
^^ÜNTEROD, 20 km südlich von Biedenkopf gelegen, besitzt in der KIRCHE
ST. PETER einen unbedeutenden einschiffigen Bau mit schmälerem, vier-
eckigem Chor, der dem ährenförmigen Verbände seines Mauerwerkes und
der (vermauerten) Rundbogentür an seiner Südseite zufolge noch aus der
romanischen Bauzeit (12, oder 13. Jahrhundert) herrührt, aber 1809 seinen Chorbogen
und seine alten Fenster verloren hat. Sein achteckiges Helmdach, worin die Glocken
hängen, gibt ihm ein turmartiges Aussehen. Das Schiff hat eine hölzerne Tür von 1729.
Zwei Glocken : die grössere von 1453, die kleinere ohne Jahreszahl mit der In-
schrift: joöan bruiDilre gois mid) (Lötz).
2^
HARTENROD.
ARTENROD, 18 km südlich von Biedenkopf.
Taufstein aus der 1845 abgebrochenen alten Kirche, spätgotisch,
achteckig mit Reliefschmuck : Christus, Maria, Blumen, Wappen. Steht
seit etwa 35 Jahren vor der Tür des Wirtshauses als Wasserbehälter
(Dr. Ph. Dieffenbach; Pfarrer Hemmann in Hartenrod, 1875; Lötz).
In dem wohl von altersher wohlhabenden Dorfe finden sich noch schöne Bei-
spiele von Holzbauten mit ungewöhnlichen Verriegelungen, wie auch gute Haus-
türen aus dem 18. Jahrhundert erhalten.
HATZFELD.
AS Städtchen Hatzfeld, 9 km nordöstlich von Biedenkopf, in anmutiger
Lage an der Eder, aus deren Wiesental schönbewaldete Berge empor-
steigen, lehnt sich an den Bergkegel, auf dem noch geringe Mauerspuren den
Stammsitz eines der bedeutendsten hessischen Adelsgeschlechter bezeichnen.
Der erste Hatzfeld, „ Volpertus de Hepisuelt et frater ejus" , erscheinen in einer
Urkunde des Erzbischofs Arnold von Köln 1138 bis 1151; zwei andere Namen des
Stammes, Volpertus et Godefrid de Hapesveld, werden 1213 genannt (Gudenus, Codex i,
429, 488). Seit 1311 wurde die Burg Lehen der Landgrafen von Hessen, denen sie
von den Brüdern Gottfried und Krafto aufgetragen wurde. Die Blüte des Hauses
datiert von M e Ich i o r v o n Ha t z f eld (1593 bis "1658), der im dreissigjährigen Kriege
sich als kaiserlicher Heerführer auszeichnete und später als kaiserlicher Generalfeld-
marschall ein Hilfskorps von 16 000 Mann dem König von Polen in dessen Krieg mit
den Schweden zuführte. Schon 1635 in den Reichsgrafenstand erhoben, erhielt er die
der Familie Schaffgotsch konfiszierte Herrschaft Trachenburg in Schlesien. Diese
HATZFELD.
37
PftlLER NEBLN PER KANZEL
Fig. 41. Hatafeld. Einaelheiten äey Kirche.
wurde 1741 von Friedrich II. von Preussen zum Fürstentum gemacht, was 1748 die
Erhebung der Familie in den Reichsfürstenstand zur Folge hatte. Die Stammburg
des jetzt noch in mehreren Zweigen blühenden Hauses war noch 1707 bewohnt. Jetzt
ist sie bis auf einen Turmstumpf und unansehnliche Mauerreste verschwunden.
38
HATZFELD, PFARRKIRCHE.
Einen Kilometer talabwärts von dem Städtchen, an der Stelle des im dreissigjährigen
Kriege von den Schweden zerstörten Dorfes Niederhatzfeld, steht auf dem jetzigen
Friedhof der Stadt die Emmauskapelle, heute nach einer in den 70er Jahren vorigen
Jahrhunderts vorgenommenen Hersteilung kaum noch als Kirche kenntlich. Ursprüng-
lich wohl als kleine romanische ßasilika angelegt, ohne alle Kunstformen, hat sie
die beiden Seitenschiffe eingebüsst, deren vermauerte Arkaden im Innern noch als
Blenden hervortreten, während sie im Äusseren fast bis zur Kämpferhöhe verschüttet
sind. Das Hauptschiff hat zwei oblonge Kreuzgewölbe, deren Trennungsbogen auf
Wandpfeilern ruht, mit Schildbögen auf Pfeilerecken. Der Chor, dessen Mauern mit
denen des Schiffs nicht in Verband gemauert, also wohl etwas später, aber noch im
12. Jahrhundert angebaut sind, ist rechteckig und mit einem Kreuzgewölbe ohne
Schildbogen überdeckt, dessen Rippen, ebenso wie bei den Schiffgewölben, nach dem
Scheitel zu flach verlaufen. Unter jedem Gewölbe sitzen nahe unter dem Schildbogen
kleine rundbogige Fenster. Das flache Zeltdach mit Dachreiter ist neu.
HATZFELD
DIE EVANGELISCHE PFARRKIRCHE von Hatzfeld, am Burgberg über
dem Ort gelegen, ist ein nicht uninteressanter Holzbau auf massivem Bruchsteinsockel,
der an der Bergseite höher ist als
an der Vorderseite. Sie besteht aus
zwei viereckigen Räumen, deren vor-
derer, das Schiff, 10 m lang und breit,
der hintere mit dem Altar 8,60 m lang
und 6,30 breit ist. Die flache Decke
hat Längsunterzüge, die im vorderen
Raum von sechs, im Chor von zwei
Pfeilern mit Sattelhölzern und Kopf-
bändern gestützt werden. Vor den
übrigen schlichteren Rundpfeilern mit
achteckigem Sockel zeichnet sich der
südliche Trennungspfeiler zwischen
Chor und Schiff, neben dem die Kanzel
frei aufgebaut ist, auffallend aus durch
seine energische und wohlabgewogene
Profilierung, die durchweg aus dem
47 cm starken Holz herausgearbeitet
ist. Als Untersatz dient ihm ein um-
PEXBACH
Fig. 42. Hatzfeld und Dexbach. Kirchengrundrisse.
gekehrtes romanisches Steinkapitäl, von dessen Säule ein kurzes Stück viereckig ab-
gearbeitet ist. Nach den Formen des Holzwerks dürfte als Entstehungszeit der Kirche
das Ende des 17. Jahrhunderts anzunehmen sein. Sie als eine für kurze Dauer errichtete
Notkirche anzusehen, verbietet die fast elegante Zimmerarbeit. Die Eingangstür
neben dem erwähnten Pfeiler zeigt eine primitive Barockumrahmung in ganz flacher
Holzschnitzerei und trägt die Inschrift: Erneuert im Jahre 1787. Einer Überlieferung
HATZFELD.
39
des Kirchenbuchs zufolge wurde die Kirche 1797 (87?) durch einen Sturmwind stark
beschädigt; durch einen Zimmermeister aus Allendorf wurde sie wieder gerade ge-
richtet und mit neuen Pfeilern versehen. Vielleicht ist der Kanzelpfeiler der Rest des
Zustandes vor dieser Herstellung.
Fifi. -)3. Ruine Herinannstein. Erdgeschoss der Unterburg.
Bemerkenswert ist ein jetzt an der nördlichen Emporenbrüstung im Chor aufge-
hängtes Kreuz mit den vier in Vierpässen liegenden und mit gotischen Lilien besetzten
Evangelistenzeichen von schöner, spätestens ins 16. Jahrhundert zu setzender Zeichnung.
Eigentümlich ist auch der Fuss der barocken Kanzel; es ist eine auf dem
Kapitäl stehende kurze Steinsäule ; wenn dieses auch dem romanischen Kapital unter
dem Pfeiler ziemlich treu nachgebildet ist, so lässt die Säule mit ihrem verjüngten
und stark geschwellten Schaft ihre Entstehung im 17. Jahrhundert vermuten.
Das kupferne Taufbecken hat als Untersatz einen viereckigen Holzpfeiler, dessen
Profilierung mit der des Kanzelpfeilers durchaus verwandt ist.
Der Ort Hatzfeld hat noch eine Anzahl sehr charaktervoller, mit Stroh ge-
deckter Holzhäuser, bei denen sich bereits die Nachbarschaft von Westfalen in den
gekreuzten, als Pferdeköpfe ausgeschnittenen Giebelbrettern ankündigt. Am Hause
des^Schmiedemeisters Wetter ist eine schön geschnitzte Türunirahmung mit Wappen
und der Jahreszahl 1711 erhalten.
40
HERMANNSTEIN.
HERMANNSTEIN.
Literatur: Wenck, Hess. Landesgesch. 3. 153 — 155. — C. F. Günther, Bilder aus der hess.
Vorzeit, 347 — 351 (mit Abb.), Darmstadt 1853. — G. Landau, Die hess. Ritterburgen und ihre
Besitzer (Cassel 1839), 4. 81 — 90. — DiefFenbach, Hermannstein. Hess. Archiv, 7. 167—173. — Piper,
Burgenkunde (1895) I. 270—272. — Abbildungen: Meissner, in Libellus nov. polit. emblem. civitatum.
pars Via F. 66.
Tal der Dill, da, wo sich dieses bei seiner Ausmündung in das Lahn-
tal zu einer weiten Ebene ausbreitet, 3 km nördlich von Wetzlar, erhebt
sich zur Linken des Flusses der Schwarzenberg. An seiner Abdachung
ragen auf einem mässig hohen, aber nach zwei Seiten fast senkrecht ab-
fallenden Felsklotz die Trümmer der Burg Hermannstein, von weitem kenntlich
durch zwei hohe Schornsteine, die über einem mächtigen Turmbau frei in die Luft
emporsteigen.
Geschichtliches. Hermannstein ist eine hessische Grenzburg, nach ihrem
Erbauer, dem Landgrafen Hermann I., dem Gelehrten, benannt, der von 1376 bis
1413 regierte. Dieser hatte mit den Ritterbündnissen, die sich um diese Zeit im Rhein-
und Lahntal bildeten, schwere und langwierige Kämpfe um seine Territorialhoheit zu
bestehen. Aus dem eben erst aufgelösten Sternerbund bildete sich ein neuer, der
Bund „der alten Minne", in dem wieder seine alten Feinde und Nachbarn, der an
der Ausdehnung seiner Herrschaft arbeitende Graf Johann von Nassau-Dillen-
burg und Johann von Solms, seine Grenzen bedrohten. Letzterer hatte bürger-
liche Unruhen in Wetzlar benutzt, um sich dieser Stadt zu bemächtigen, und Hermann
bedurfte gegen diesen Feind eines neuen Stützpunktes, den er sich auf Solmsschem
GESCHICHTLICHES.
41
Fig. 45. Ruine Heymannstein von Südost.
Boden, mitten in der durch die Solmsschen Grenzburgen Hohensolms, Königsberg,
Wetzlar und Braunfels bezeichneten Linie, unter dem Schutz einer ansehnlichen
Streitmacht von 1373 bis 1379 erbaute. Erst durch einen in letzterem Jahre geschlossenen
Vertrag wurde die Fehde endgültig beigelegt, das neuerbaute Schloss für alle Zeit
den Landgrafen von Hessen als eigen zugesprochen und die Erbauung eines ge-
meinschaftlichen Ortes mit einer Burg am Fusse des Hermannsteins vereinbart. Das
früher hier gelegene Dorf Mülheim, das wahrscheinlich während dieser Kämpfe zu-
grunde gegangen war, wurde wieder aufgebaut und später nach der Burg benannt.
Die Talburg scheint nicht zur Ausführung gekommen zu sein.
42
HERMANNSTEIN.
Die weiteren geschichtlichen Erwähnungen der Burg beschränken sich auf mehr-
fache Verpfändungen. Im Jahre 1466 war der Pfandinhaber der dortige Amtmann
Ludwig von Mudersbach, von dessen Witwe 1481 der Hofmarschall des Land-
grafen Heinrichs III., Johann Schenk zu Schweinsberg, die Burg mit tausend
Gulden einlöste und mit Bewilligung des Landgrafen in seinen Besitz brachte. Von
da ab ist Hermannstein Eigentum der Familie Schenk, in der die Nachkommen
ClNTCRBUFl,C £WTES OBERCE)CHO)b
Fig. 46. Ruine Hermannsteiii. Unterer Grundrtss.
jenes Johann einen gesonderten Stamm bilden, der sich die Hermannsteiner Linie
nennt. Von diesen wird die Burg, die nie eine gewaltsame Zerstörung erfahren hat,
sondern durch Vernachlässigung zur Ruine geworden ist, in diesem Zustande erhalten.
Baubeschreibung. Die Burg besteht aus zwei Teilen, die in ihrer Höhen-
lage so verschieden sind, dass das Erdgeschoss des oberen Baues mit dem zweiten
Obergeschoss der Unterburg in einer Ebene liegt.
Der eigentliche in den 70er Jahren des 13. Jahrhunderts erbaute Wehrbau ist
der mächtige Wohnturm, auf der vorgeschobenen Klippe des Schwarzenbergs erbaut,
BAUBESCHREIBUNG.
43
die nur an der Nordseite «Biit dem Bergzug zusammenhängt und hier durch einen tiefen
Hohlweg, wohl den ursprünglichen Halsgraben, von ihm getrennt ist. Wahrscheinlich
ist dieser Hohlweg, der sich jetzt um den östlich von dem Turm liegenden unteren
Bau zum Dorf hinabzieht, im Lauf der Zeit angehöht worden. Nach Nordwest, West
und Südwest fällt der den Turm tragende Fels steil ab; an seinen Fuss gruppieren
sich die Wirtschaftsgebäude, darunter ein Haus von 1483.
Der Grundriss des Turmes bildet
ein verschobenes Viereck von bedeuten-
der, im Erdgeschoss durchschnittlich
2,50 m messender Mauerstärke mit drei
abgerundeten Ecken, während die vierte,
nördliche, einfach abgeschrägt ist. Aus
der Angriffsseite (Nordost) springt eine
halbkreisförmige, massive Vorlage her-
aus, die den Turm auf seine ganze Höhe
begleitet. Der Turm enthält zwei hohe,
mit Kreuzgewölben überdeckte Räume,
deren jeder durch eine Holzbalkenlage
in zwei Stockwerke geteilt war. Das
oberste Gewölbe bildet die Wehrplatte,
über der sich der Wehrgang noch um
3,20 m erhebt. In der Ostecke liegt, nach
aussen nicht hervortretend, der Treppen-
turm, der vom letzten Absatz unter der
Wehrplatte in die Mauerdicke der Nord-
ostseite überspringt. In der Mitte dieser
Seite tritt die Treppe auf die Wehrplatte
aus, um die Ecke für einen der kleinen
Rundtürme freizugeben, die, ebenfalls
aussen nicht vortretend, die drei abge-
rundeten Ecken einnehmen. Durch die
vierte, gebrochene Ecke führt ein schma-
ler Durchgang zu einem auf zwei Kon-
Fis:. 47. Ruine Herntannstcin. Turnigruiidrisse.
solstemen vorgekragten Abtritt. In der
Südostseite, gerade über dem hier zu ebener Erde liegenden Turmeingang, ist
ein Gusserker auf Konsolen vorgekragt; in der gegenüberliegenden Wand ist ein
Kamin. Zwei hohe Schornsteine überragen den Wehrgang, unten durch abgesetzt
vortretende Verbreiterungen gestützt. Bis 1780 war der Turm mit einem hohen Walm-
dach bedeckt, das an den vier Ecken mit Wichhäusern besetzt war (s. Abb. 44). In
der Südwestwand ist ein grosses Fenster mit steinernem Kreuzstock, der durch Kehle
und Falz gegliedert ist. Ähnliche Fenster sind in den unteren Stockwerken ; nur
die Angriffsseite hat keine Durchbrechungen.
44
HERMANNSTEIN.
Von den mit schlicht gekehlten Rippen versehenen spitzbogigen Kreuzgewölben
ruht das unterste auf einem achteckigen Mittelpfeiler, der am Fuss und Kämpfer ins
Viereck übergeführt ist ; das obere auf einem Pfeiler von quadratischem Querschnitt,
c
1
aus dem die Gurte und Rippen glatt
hervorwachsen. Im untersten Saal,
dessen Fenster auffallend hoch über
dem Fussboden liegen, ist ein Ge-
wölbefeld durch eine fast bis zur
Mittelsäule vorspringende Mauer ab-
geteilt ; ein grosser Kaminmantel lässt
in dieser Abteilung die Küche ver-
muten; im ersten Obergeschoss liegt
ein Kamin an der Südostwand.
Der untere Bau entbehrt voll-
ständig alle Wehrvorrichtungen ; nur
die links neben ihm in ein schmales
unteres Höfchen führende Tür ist
durch einen aus der Futtermauer vor-
springenden Rundturm verteidigt. Im
übrigen gibt sich das Gebäude als
Herrenhaus aus spätgotischer Zeit
zu erkennen. Nichts an den erhal-
tenen Bauformen würde hindern.
AO&tBKOCHEN
Fig. 48. Ruine Herniannstcin. Querschnitt NW.fnacli SO.
seine Entstehung um 1480, nach der Erwerbung der Burg durch die Schenksche
Familie, zu setzen.
Der in der südlichen Stirnseite gelegene Eingang führt zunächst in einen Raum,
dessen vier rippenlose Kreuzgewölbe an den Wänden auf zum Teil roh skulptierten
Tragsteinen, in der Mitte auf einer Rundsäule ruhen, die am Sockel ins Sechseck, am
Kapitäl ins Viereck übergeht.
KIRCHE.
45
Unter dem rechten, hinteren Gewölbe ist ein Einbau aus Steinplatten erhalten,
der als Herdplatz oder Räucherkammer zu deuten ist und den Raum als Küche erkennen
lässt (s. F"ig. 43). Hinter derselben, durch eine spitzbogige Tür zugänglich, liegen die
ebenfalls gewölbten Keller, von denen einer einen. Zugang von aussen hat. Links vom
Eingang führt eine sich anfangs um eine abgerundete Mauerecke herumbiegende,
dann gerade laufende Treppe in das erste Obergeschoss, das zwar zum grossen Teil ab-
gebrochen ist, seine Anordnungen aber noch deutlich erkennen lässt. Es hat an seinem
rückwärtigen, an den Fels gelehnten Teil einen Korridor, von dem ungefähr in der
Mitte ein schmaler Gang mit Tonnengewölbe bis zur Vorderfront läuft. Dieser teilt
das Geschoss in einen
grossen Vordersaal und
einen , vielleicht als
Küche benutzten Hinter-
raum. Der vordere Saal
war auf einer runden
Mittelsäule mit vier
Kreuzgewölben über-
deckt, deren Rippen sich
am Kämpfer überkreuz-
ten. In der Südwand
war ein grosses Fenster mit gekehltem steinernen Kreuzstock ; aus der Ostwand
sprang ein Erker im halbem Achteck vor. Seine noch erhaltene Bodenplatte ruht
auf mit Rippen besetzten Auskragungen, denen ein männlicher und ein weiblicher
Kopf als Stütze dienen. Auf dem Meissnerschen Bilde reicht dieser Erker durch
zwei Stockwerke und ist mit einem Satteldach bedeckt, das in das hohe Dach des
Hauptgebäudes einschneidet. An der Rückseite dieses Stockwerks beginnt die in
einem polygonalen Turm liegende stattliche Wendeltreppe, die zu dem fast ganz zer-
störten zweiten Obergeschoss und damit zu dem Eingang in den Wohnturm führt.
Das Wohngebäude und den Burgfelsen umziehen in verschiedenem Abstand und
verschiedener Höhenlage Zwingermauern, die an der Westseite sich mit den hier
im Tal angebauten Wirtschaftsgebäuden vereinigen. Ausser dem erwähnten 1483
errichteten Bau sind es langgestreckte, um einen länglich-viereckigen Hof gelegene
Fachwerkbauten mit einer teilweise reichen, auf das 16. Jahrhundert deutenden Holz-
behandlung. Derselben Zeit scheint auch das steinerne Erdgeschoss eines der Flügel
zu entstammen.
I^ig. 49. Hermannstein. Kirchengrundriss.
DIE KIRCHE des Dorfes Hermannstein ist inschriftlich 1491 und 1492 erbaut,
also nach dem Übergang der Burg an die Schenksche Familie. Der sehr schlichte
Bau besteht aus Westturm, Schiff und im Achteck geschlossenen Chor. Letzterer
hat ein Netzgewölbe mit hohlprofilierten Rippen und zweiteilige, spitzbogige Fenster
mit spätgotischem Masswerk. Der ebenfalls spitzbogige Chorbogen ist an der Chor-
seite gefast, nach dem Schiff zu mit einer Hohlkehle profiliert.
46
KÖNIGSBERG. — LEISA.
Das Schilf hat eine im Korbbogen gewölbte Bretterdecke, in der Oberlicht-
fenster liegen. Der Turm erhebt sich in drei Stockwerken und ist mit einem spitzen
Zeltdach bedeckt. Die Westtür, die zur Turmvorhalle führt, ist mit einem Rund-
stab zwischen Kehlen profiliert, der sich im Scheitel überschneidet und mit spät-
gotischen Sockeln versehen ist. Die jetzt als Fenster verwendete Tür in der Süd-
mauer besitzt noch die alte Angel aus Stein und den Mauerschlitz für den Sperrbalken.
Über ihr befindet sich ein Steinrelief inschriftlich von 1492, die Geburt
Christi darstellend.
Aus der gleichen Zeit scheint der Tauf stein zu stammen, dem der untere
Teil fehlt und der achteckige Pokalform hat.
Epitaph: Heinrich Christophorus Schenck zu Schweinsberg in Hermannstein
und Katharina Susamia de Butter. Gute, handwerkliche Renaissancefiguren, der
Ritter in voller Rüstung.
KÖNIGSBERG.
ONIGSBERG, 30 km südlich von Biedenkopf gelegen, besitzt noch die
Reste einer gräflich Solmsschen Grenzburg. R e i n b o 1 d , Graf v o n S o 1 m s
(1255 bis 1273j nannte sich 1257 und 1260 Graf von Cuningesberg (Gudenus,
Codex 2, 157, 184, 267), welchen Namen er vermutlich von dem von seinem Vater
Marquard (1225 bis 1255) erbauten Wohnsitze angenommen hatte (Wenck, 3, 143 und
Urk. S. 127 f.; Beyer, 3,978). 1357 erwarb Landgraf Heinrich II. von Hessen, der
Eiserne genannt, Königsberg mit seinen Zugehörungen von dem Grafen von Solms
(Wenck, 3, 142 u. 2, Urk. 389; Schmidt, Gesch. v. Hessen 2, 242 f., 2735.).
Unbedeutender Bruchsteinbau von unregelmässiger Anlage mit Einzelheiten
von Sandstein (grösstenteils 1874 abgebrochen). Die rechteckigen Fenster mit Fasen-
gewänden meist ausgebrochen. An einer Ecke des äusseren Zwingers ein kleiner runder
Turm mit Rundbogenfries (Lötz 1874).
Die mit den zahlreichen Zwingern der Burg zusammenhängende Orts-
befestigung ist nur in einzelnen Mauerresten erhalten. Neben einem abgebrochenen
Tor steht noch ein runder Mauerturm an der Dorfstrasse.
LEISA.
IE Dorfkirche von Leisa, 12 km nordöstlich von Biedenkopf, 2,5 km süd-
lich von Battenberg, dürfte ihre Entstehungszeit an einen 12% erteilten
Ablass knüpfen, wenn auch die primitiven Formen des Schiffs keine ge-
nauere Bestimmung zulassen. Der Chor ist laut Inschrift 1723 erbaut.
Das Langhaus ist durch zwei sehr nahe an die Seitenwände gerückte Rundpfeiler
NAUNHEIM.
47
mit schlichtem Schmiegenge-
sims in drei gleichhohe Schiffe
geteilt, mit rippenlosen, roh
gemauerten Gewölben , deren
Gräte im Scheitel kuppelartig
zusammenlaufen. Von den ur-
sprünglichen kleinen Rund-
bogenfenstern ist nur in der
Nordwand eins erhalten. Nach
Westen schliesst sich an das
Langhaus ein flachgedeckter
schmaler Raum, der in derWest-
wand drei Schiesscharten hat.
Der Chorbogen ist spitzbogig
und ungegliedert. Über ihm
ein viereckiger , beschieferter
Dachreiter mit ins Achteck
übergeführtem Helm; auf dem
First des Chordachs eine eiserne
Spitze mit sogenanntem Wie-
derkreuz, Herz und Sonne.
Fig. 50. Leisel. Dorf kir che.
NAUNHEIM.
AUNHEIM, 37 km südlich von Biedenkopf, 3,7 km nord nordwestlich von
Wetzlar.
KIRCHE. Turm spätgotisch vom Anfang des 16. Jahrhunderts.
Schiff inschriitlich von 1739.
Im niedrigen mit Walmdach versehenen Turme liegt der Chor mit einem
Kreuzgewölbe, dessen Rippen mit einfachstem Hohlprofil auf rohen Köpfen oder
einem Brustbilde oder einer männlichen Gestalt mit einer Perlenschnur um den Hals
aufsetzen. Unter dem einen Kopfe ein jetzt verstümmeltes Wappenschild mit Mono-
gramm H. S. Der Chorbogen ohne alle Gliederung. Die Fenster zweiteilig mit
die äussere Mauer berührendem Masswerk.
Taufstehi, westlich von der Kirche, spätgotisch, ohne Schmuck, oben pris-
matisch zwölfeckig, darunter ein spätgotisches Kehlengesims, unten rund, bauchig, fast
konisch sich nach unten verengend (Abb. bei Dr. Ph. Dieffenbach, Mittelalterl. Taufsteine im
Archiv für hess. Geschichte Bd. 6 225, Fig. 13).
Holsskulpturen : Christus am Kreuz, Maria und Johannes, spätgotisch. Maria
mit dem Kinde auf dem Halbmonde, desgleichen, jetzt an der Emporbühne (Lötz).
48
NIEDERWEIDBACH.
NIEDERWEIDBACH.
jAS Dorf Niederweidbach, 23,5 km südlich von Biedenkopf, 3 km
östlich von der Bahnstation Bischoffen (Herborn— Niederwalgern) gelegen,
besitzt in seiner jetzt evangelischen Kirche eine spätgotische,
der heiligen Jungfrau geweihte Wallfahrtskirche, deren Schiff nach einer
über dem Südportal eingemeisselten Zahl 1498 erbaut worden ist. Der Chor scheint seinen
einfacheren For-
men nach älter
zu sein. Sie ist
eine der in un-
serem Bezirk
seltenen zwei-
schiffigen Hal-
lenkirchen; über
dem gegen das
Schiff nur wenig
eingezogenen
Chor erhebt sich
ein niedriger
Turm.DasSchiff
ist mit sechs ob-
longen Kreuz-
gewölben über-
deckt , deren
Gurte doppelt,
die Rippen ein-
fach gekehlt
sind; der auf den
Chorbogen zu-
führende Gurt
ist gegabelt. Das
Gewölbe wird
in der Mitte von
zwei Pfeilern ge-
tragen, von de-
nen der östliche
rund, der west-
liche achteckig
Fig. 51. Niederweidbach. Kirchentür 1825.
ist; sie haben einfach gekehlte Kämpfergesimse, auf denen die Rippen und Gurte so auf-
setzen, dass ihre Platten mit der des Gesimses bündig liegen. Die Gewölbkonsolen an
den Wänden sind zum Teil mit Köpfen und Wappen geziert. Die drei Südfenster des
KIRCHE.
Schiffs sind zweiteilig mit Fischblasen-
masswerk, die zwei nördlichen unge-
teilt. Die Türe in der Südseite hat
eine reiche, aber erst dicht unter dem
Kämpfer beginnende Gliederung ,
deren mit gedrehten Sockeln ver-
sehene Stäbe sich mehrfach über-
schneiden; eine ähnlich gegliederte
Türe befindet sich in der südlichen
Chorwand. In die Nordwestecke des
Schiffs springt ein kleiner Treppen-
turm ein.
Der quadratische Chor hat ein
rippenloses Kreuzgewölbe, in der ge-
raden Ostwand ein zweigeteiltes Fen-
ster mit Masswerk, das auf höheres
Alter als das Schiff deutet, in der
Süd- und Nordwand je ein einteiliges
Fenster mit nasenbesetztem Gewände.
Der Chorbogen ist stark verengt und
von auffallend dicker, ungegliederter
Leibung.
Das Äussere ist ganz schlicht;
Strebepfeiler fehlen. Der Turm über
d^m Chor hat ein neueres Dach, in
welchem die Glocken hängen, von
zwei übereck gespannten, gemauerten
Rundbogen getragen.
An der Nordwand des Chors ist
ein zierliches, leider von der Orgel-
empore überschnittenes Wandtaber-
nakel, das auf einer gedrehten Säule
ruht. Der Schrein ist von zwei über-
eck gestellten Fialen begleitet, die,
in ihren oberen Verdachungen mit
lilienförmigen Kreuzblumen belegt,
unter dem sehr kräftigen, mit Zinnen
besetzten Abschlussgesims endigen.
In dem mit Krabben besetzten Giebel-
feld sind die Leidenswerkzeuge (hei-
liger Rock, Staupsäule und Dornen-
krone) angebracht.
I I 1 I I I I I I 1
Fig. 52. Niederweidbach. Tabernakel.
50
REDDIGHAUSEN.
Fig. 53. Nieäerweidbac/i. Kirche.
Ein jetzt vor der Kirche liegender gotischer Tauf-
steiii ist schlicht konisch, mit zilindrischem Rand, der mit
zehn nasenbesetzten Rundbogen verziert ist.
Ein Flügelaltar , der sich aus katholischer Zeit er-
halten hat, ist ein nicht unbedeutendes, leider durch un-
geschickte Restauration an den Gemälden der Flügel ge-
schädigtes Werk der späten Gotik, wahrscheinlich aus der
Erbauungszeit des Schiffs. Unter einer dreiteiligen Bal-
dachin-Architektur steht Maria mit dem C)iristnski>ule,
links Jakobus der Jüngere (in Pilgertracht), rechts Bischof
Nikolaus von Myra (Bibel mit drei Broten).
Die sehr wertvollen, auf gemustertem Goldgrund
gemalten Bilder der Flügel, auf denen besonders einige
ausdrucksvolle Köpfe hervorstechen, behandeln unter einer
Renaissance-Umrahmung : Die heilige Familie, die Hinmiel-
fahrt Mariae in Gegenwart der Apostel und ihre Krö-
nung durch Gott Vater und Christus.
REDDIGHAUSEN.
lORF Reddighausen an der Eder, 4 km westlich von Battenberg.
KIRCHE, Holzbau. Interessant durch die gute Ausbildung der
Deckenstützen mit Sattelhölzern und Kopf bändern und durch die hübsche
für Dorf kirchen vorbildliche Zeichnung des achteckigen Dachreiters, dem die
acht kleinen Schallöcher im oberen Achteckaufsatz eine gefällige Bereicherung geben.
Auch Dodenau, 2 km von Reddighausen, hat gut gezeichnete Deckenstützen.
DoileRau
Fig. 54. Kirchen zu Dodenau und Reddighausen. Empoi eiistützen.
52
DILLENBURG, GESCHICHTLICHES.
DILLENBURG.
Kremer, Orig. Nass. II. 293. — Amoldi, Gesch. der Nass.-Oran. Länder I. 188; IL b, 82. —
Vogel, Beschr. v. Nassau 707 ff. — Nass. Ann. 10, 223 — 252. — A. Cremer in der Zeitschr. für
das Bauwesen 1873, 495—502 u. Bl. 56, 57, Atlas. — C. Dönges, Belagerung etc. von Schloss und
Festung Dillenburg (Veröffentl. d. histor. Vereins in Dillenburg Nr. 3), Dillenburg 1904.
IE Kreisstadt Dillen bürg ist zwar im Vergleich zu den uralten Nach-
barstädten Herborn und Haiger eine jüngere Ansiedelung; als Residenz
der Grafen, später Fürsten der Nassau-Ottonischen Linie wurde ihr jedoch
fast von der Zeit ihrer Gründung im 13. Jahrhundert an eine hervor-
ragende Bedeutung zuteil.
Geschichtliches. Die
Gründung der Stadt Dillenburg
knüpft sich eng an die Erbau-
ung des Schlosses durch den
Grafen Heinrich II. von
Nassau (1197 bis 1247). Als
I^andesherren in dieser Gegend
linden wir die Nassauer Grafen
zuerst 1231 ; es ist also anzu-
nehmen, dass auch bald nach
i dieser Zeit als Schutz- und
Wljj^^Z- Grenzburg des neuerworbenen
Landes die Burg auf dem
Dillenberg in der Gemarkung
des Dorfes Veitbach erbaut
worden ist. Erwähnung findet
sie zum erstenmale nach Hein-
richs Tode im Jahre 1255. Von
seinen Nachfolgern mehrfach
zum Wohnsitz gewählt, wurde
sie ständige Residenz von Wil-
helm dem Reichen (1516
bis 1559) an bis zum Aussterben
der Beilstein-Dillenburger Linie
Fig. 58 . Festung Dillenburg nach tleiii Grundriss Valkeiibergs 1619. j^jf Christian 1739.
Die Stadt scheint ihren Ursprung von den Ansitzen der zahlreichen Burg-
männer genommen zu haben, unter denen die von Dillenburg 1279 bis 1342 vorkommen,
zu denen ferner die von Abenrade, Fleckenbühl, Heyde, Haiger, Hunsbach, Rols-
hausen, Schönbach und Sprikast gehörten. Sie wohnten meist am Fuss des Burg-
bergs in der Marbach, dem ältesten Teil der Stadt, die schon, ehe sie noch durch
Mauern und Tore geschützt war, von Kaiser Ludwig 1344 Stadtrechte erhielt.
PFARRKIRCHE.
53
Bis 1441 stand die Stadt unter dem Gericht von Herborn; mit der Verleihung
eines eigenen Gerichts vergrösserte sie sich bald und erhielt 1479 die zweite Haupt-
strasse, die ,,iieue Stadt". Eine starke Zunahme erfuhr sie später durch den Zuzug
der Einwohner aus dem benachbarten Dorfe Feldbach, dessen Pfarrei 1490 hierher
verlegt wurde. An diese Erweiterung schliesst sich auch die Erbauung der Stadt-
kirche, während seit 1453 hier nur eine Kapelle bestanden hatte. Die bis dahin offene
Stadt wurde erst durch Johann den Älteren {1559 bis 1606) mit Befestigungen ver-
sehen, der auch im übrigen durch Gewährung bürgerlicher Freiheit und Anordnung
von Jahrmärkten für ihr Aufblühen sorgte.
Fig. 59. Dille)ibuyg. Pfarrkirche (vor dem Bau des Trcppcnturiiis).
Nachdem das Schloss im siebenjährigen Kriege 1760 [durch die Franzosen zer-
stört war, erweiterte sich die Stadt beträchtlich, in der 1787 die neue Marktstrasse
angelegt wurde. Bedeutende Feuersbrünste (suchten die Stadt 1524 und 1723 heim.
Die Reformation wurde 1530 eingeführt; 1536 entstand eine Lateinschule, die 1744
zu einem Pädagogium erhoben wurde.
DIE PFARRKIRCHE ST. JOHANN, während der Regierungszeit des Grafen
Johann V. 1475 bis 1516 erbaut, ist eine einschiffige, spätgotische Kirche, mit ge-
wölbtem Chor, flachgedecktem, 1594 bis 1597 erneuertem Schiff und Westturm.
Der Chor, aus zwei oblongen Jochen und halbem Achteck bestehend, hat
Slerngewölbe mit einfach hohlprofilierten Rippen, die auf Konsolen mit Blattwerk
und Köpfen aufsetzen und von deren Schlussteinen einer das nassauische Wappen
trägt. Die spitzbogigen Fenster liegen in glatten, schrägen Gewänden und haben
anstelle des verloren gegangenen Masswerks, ebenso wie das Schiff, eine Teilung
durch schmiedeeiserne Rahmen. Die Strebepfeiler sind einmal abgesetzt und haben
gebrochene Pultdächer aus Haustein. Der Chorbogen ist ungegliedert.
54
DILLENBURG.
Die Wände des Schiifs sind aussen
durch flache Vorlagen geteilt. Das Innere
ist mit Holzemporen angefüllt, die in einer
gefälligen Renaissancearchitektur gehalten,
sich auch über die nördliche und südliche
Chorwand erstrecken, hier, wegen der um
1,10 m höheren Lage des Fussbodens, ein-
geschossig, während im Schiff noch ein un-
teres Geschoss gewonnen ist.
Die Erhöhung des Chors hat ihren
Grund in dessen Bestimmung als Begräbnis-
stätte einer grossen Anzahl von Angehörigen
des Nassau-Oranischen Fürstenhauses, unter
denen Graf Wilhelm der Reiche, f 1559, dessen
Gattin, Juliane von Stolberg, f 1580, die Eltern
Wilhelm des Schweigers und dessen Bruder,
Johann VI , f 1606, hervorzuheben sind.
An der Südseite des Chors ist eine
Gruftkapelle angebaut, die, mit zwei rip-
penlosen Kreuzgewölben überdeckt, mehrere
hölzerne mit Metall beschlagene Särge ent-
hält ; über derselben ist ein von dem hinter
der Kirche stark ansteigenden Gelände eben-
erdig zugänglicher, vielleicht ursprünglich als
Fürstenloge bestimmter Raum angeordnet.
Nördlich vor das westlichste
Joch des Chors ist in den letzten
Jahren durch den Architekten
L. Hofmann (Herborn) ein acht-
eckiger Turm mit einer Emporen-
treppe eingebaut, der ein Teil
eines nicht zur Ausführung ge-
kommenen Erweiterungsprojek-
tes der Kirche bildete.
Eine von der Südseite in das
Schiff führende Tür ist rundbogig,
im Profil mit einem Rundstab,
der sich im Scheitel kreuzt.
Der Turm, einfach qua-
Fig. 60. Dillenburg. Pfarrkirche Choransicht. Ij. |^| dratisch, hat im Erdgeschoss ein
rippenloses Kreuzgewölbe. Die an der Nord- und Südseite gekuppelten Schallöff-
nungen ruhen mit ihren Rundbogen auf eckigen, oben durch Auskragungen bis auf
Fig. 61. Dillcnbuy^i. Pfarrku clic. Iniuiibihi mich Osten.
56
DILLENBURG.
die Mauerdicke verstärkten Pfeilern. Grabplatte im Chor mit der Inschrift: ,,hie
ligt das .... und . . . gehirn johan graven csu fiassau csu dietz csii viganden
her CSU Herda sin hercz begraben dein got gnedig sie obiit antio domini m cccc»
Ixxv" of saut blasius tag" (1475). Zwei Halbfiguren von Engeln, die das Herz halten,
unter einem geschweiften mit Krabben besetzten Wimperg, am Fuss ein grosser
rundbogiger Schild mit dem nassauischen Wappen.
Glocke)i. Die grösste mit der Kreuzigungsgruppe in zwölf Zentimeter hohen
Relieffiguren geschmückt, ist 1515 von Heinrich von Prüm gegossen.
Die zweite im gleichen Jahre von demselben gegossen, trägt als Schmuck die
sitzende Gestalt der heiligen Anna und Maria mit dem Christuskind auf dem Schoss.
Die dritte trägt die Jahreszahl 1485.
SCHLOSSRUINE. Von der ersten Gründung durch Graf Heinrich II. in der
Mitte des 13. Jahrhunderts bis zu dem gewaltigen Baukomplex, von dem uns das
Meriansche Bild eine Vorstellung gibt, hat das Schloss Dillenburg eine Anzahl von
Bauperioden durchgemacht, als deren wichtigste folgende genannt seien:
In der Dernbachschen Fehde unter Heinrich I. (t 1343) soll es schon zerstört
aber in grösserem Umfang wieder aufgebaut sein. Eine bedeutende Erweiterung
erfuhr es unter Graf Johann V. zwischen 1468 und 1486, nachdem es 1461 mit Pulver-
geschütz versehen war. In den Jahren 1535 und 1536 erbaute Wilhelm der Reiche
die noch heute bestehende gewallige Futtermauer von 20 m Höhe und 300 m Länge
aus Säulenbasalt ; als Baumeister wird Uz oder Ulrich von Anspach genannt. An
den bedeutendsten aus dem Geschlecht der Oranier, den 1533 auf dem Schlosse ge-
borenen Wilhelm den Schweiger, den Vorkämpfer der niederländischen Freiheit,
erinnert die noch heute grünende ,, Wilhelmslinde" , unter der er am 14. April 1568
die niederländischen Gesandten empfangen haben soll, die ihm die Führerschaft in dem
Freiheitskampf gegen Spanien anboten. Bei Beginn des dreissigjährigen Krieges,
1619, wurde das Schloss durch den holländischen Ingenieurhauptmann von Valkenburg
auf seine Kriegstüchtigkeit geprüft, der auch einen noch gut erhaltenen Plan des
Schlosses anfertigte. Doch scheint dieses von den Schicksalen des dreissigjährigen
Krieges nicht berührt worden zu sein, um erst im siebenjährigen Krieg ein Ende zu
finden. Inzwischen hörte es schon 1742 mit der Verlegung der Nassau-Oranischen
Regierung nach Dillenburg auf, fürstliche Residenz zu sein und wurde zur Unter-
bringung der Verwaltung der vier Fürstentümer Dillenburg, Siegen, Diez und Hadamar
nebst den hierzu nötigen Beamtenwohnungen benutzt.
Im Jahre der Zerstörung, 1760, stand der damals zwölfjährige Erbprinz Wilhelm V.
unter der Vormundschaft des Herzogs Karl I. von Braunschweig- Wolfenbüttel. So
erklärt es sich, dass, obwohl die Nassau Oranier im siebenjährigen Kriege neutral
geblieben waren, dem Herzog Karl von Braunschweig für ein Friedrich zu Hülfe
gesandtes Kontingent englisch-hannoverscher Truppen das Schloss Dillenburg als
Stützpunkt eingeräumt wurde. Nachdem das französische Korps des Generals Broglie
unter Oberst Filley diesen achtzehn Tage belagert und beschossen hatte, musste die
SCHLOSSRUINE.
57
Besatzung unter General Düring am 15. Juli das in Brand geschossene Schloss
übergeben.
Die Brandruine stand noch acht Jalire, bis die nassauische Regierung den Be-
fehl zu der vollständigen Zerstörung derselben gab, namentlich um daraus Bau-
material für die 1768 angelegte Wilhelmstrasse zu gewinnen.
Fig. 63. Dillenbtirg. Pfarrkirche. Querschnitt durch den Chor.
Diese Zerstörung erfolgte so gründlich und wurde durch Planierungsarbeiten
in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts so wirksam zum Abschluss gebracht,
dass ausser den gewaltigen unterirdischen Gängen und Kasematten und der grossen
Stützmauer nach der Stadtseite heute nur noch dürftige Mauerreste von dem ehemals
stolzen Schlosse übrig sind. Es würde also über das ehemalige Aussehen und die
Anlage desselben heute kaum ein sicheres Bild gewonnen werden können, ohne die
von Dillich 1605 gezeichnete und später von Merian 1654 benutzte Ansicht und den
oben erwähnten Grundriss Valkenbergs, wozu noch eingehende Inventare und Schil-
derungen der Innenausstattung hinzutreten, die von Prof. A. Spiess (Nass. Ann. lo,
223—252) benutzt worden sind.
Einen allgemeinen Überblick über die Anlage gewährt auch Dönges, (L. C. S. 12),
nach dem das Wesentliche hier mitgeteilt sei (s. Fig. 58).
„Vier Bollwerke bildeten die Hauptverteidigungspunkte des Schlosses : Nach
Süden das „Rondel", das „Junkergemach" nach Osten, die „scharfe Ecke"
nach Norden und das ,,Jägerge mach" nach Westen.
58
DILLENBURG.
Drei Haupteingänge führten zum Schloss: Das Feldtor, es befand sich da,
wo heute die „ WilhelmsHnde" noch steht, das Kirch entor bei der „scharfen
Ecke" und das Grabentor, unter dem „Junkergemach" hindurch auf den unteren
Schlosshof führend. Man gelangte, durch das Kirchentor ankommend, in den Wallgraben
zwischen der scharfen Ecke und dem Junkergemach durch ein Tor in die grosse Tor-
fahrt unter dem Fischerschen Garten.
Aus der Torfahrt gelangte man durch
den Wallgraben nach dem Feldtor.
Hinter den Wallgräben lagen hier
und auch zwischen Feld- und Gra-
bentor die Kasematten stellenweise
in drei Stockwerken übereinander."
Über die eigentlichen Schlossbau-
ten sagt Spiess (S. 235^); „Auf der
höchsten Höhe des Berges umgaben
die Gebäude des alten Schlosses, meist
noch in mittelalterlichem Stile, den
sogenannten oberen Schlosshof,
welcher ein unregelmässiges Vier-
D
STADTBEFESTIGUNG.
59
eck bildete. Hier haben wir die früheren Wohnungen der Herrschaft mit ihren
mannigfachen Gängen und Treppen, mit ihren ungleichen Gemächern und verschie-
denen Kellerräumen zu suchen, sowie sich auch die Kanzlei und der ansehnliche
Bau der Schlossküche hier befand. Ausserdem aber schloss sich nach Norden
zu an diese Bauten die in neuerem Stil aufgeführte Schlosskirche an. In dem
nördlichen Winkel des Vierecks stand, nur zur Hälfte mit seiner Rundung aus den
Gebäuden hervortretend, der alte, nicht sehr hohe Schlossturm. Dieser Schloss-
hof war indessen mit Fuhrwerk nicht zu erreichen ; es führten nur durch die ihn um-
gebenden Gebäude Zugänge zu ihm, ehe Graf Johann die vom unteren Schloss-
hof aufwärts gehende grosse Freitreppe angelegt hatte.
Der nach Süden zu gelegene unter e Schlosshof war westlich von dem vom
Grafen Johann erbauten stattlichen, mit einem Turm versehenen Zeughaus und von
dem sogenannten Wächter- oder T h e i s gen st u r m , südlich und südöstlich von
dem Marstal 1, der Schmiede, Schlosserei und anderen Gebäuden, sowie an der Seite des
alten Schlosses hin von dem wahrscheinlich auch schon von Johann erbauten neuen
Bau umgeben, welcher mit den älteren Schlossgebäuden in Verbindung gesetzt war."
Ein monumentales Barockgebäude besitzt Dillenburg in dem früheren Archiv,
jetzigen Amtsgerichtsgebäude, dessen Entstehung bald nach der Anlage der Wilhelm-
strasse, um 1770 zu setzen ist. Es ist aus Bruchsteinen mit Eckquadern, Fenster-
einfassungen und Hauptgesims aus rotem Sandstein errichtet, jedes der beiden Ge-
schosse mit zwölf oblongen Kreuzgewölben und einem quadratischen Kreuzgewölbe
über dem Vorraum der Treppe überwölbt.
STADTBEFESTIGUNG. Obgleich wie erwähnt Dillenburg seit 1344 im Besitz
von Stadtrechten war,
blieb es doch noch dritt-
halbhundert Jahre ein
offener Ort. Die Ansicht
von 1517 zeigt noch Pal-
lisaden längs des Dill-
ufers und nur am süd-
lichsten Teil ein Stück
Mauer mit Zinnen, die
das unterste Tor vertei-
digten. Die 1588 begon-
nenen Mauern und Tore,
die man auf dem Merian-
schen Bilde die Stadt um-
Fig.65. Dillenburg. Stadtwappen.
ziehen sieht, sind fast ganz
verschwunden. Nur an
der Dill ist noch ein
Stück mit niedrigen, tief-
liegenden Schiesslöchern
und einem runden Mauer-
turm erhalten, der kürz-
lich hergestellt worden
ist ; ausserdem sieht man
noch am Ende der Mar-
bach ein Stück des von
hier den Berg empor
zum Schloss führenden
Mauerzugs.
60
HAIGER, GESCHICHTLICHES.
Fig. 66. Ansicht der Stadl Haiger nach Merian.
HAIGER.
Vogel, Beschreibung 159, 186, 367, 711 ff.
Gesch. der Oran.-Nass. Lander I 133 ff.; Illb 165.
Kremer, Origines 2, 40, 120. — Arnoldi,
Codex Laurishain. III Nr. 3058, 3047.
IE Stadt Haiger Hegt b km westlich von Dillenburg in einem anmutigen
durch das Zusammentreffen dreier Täler gebildeten Talgrund, in dem
sich die Wässer des Au- und Weierbachs mit der Dill vereinigen.
Geschichtliches. Der Ort, dessen hohes Alter zumeist aus den
Lorscher Urkunden zu belegen ist (ao. 781, Heigrehe) war Mittelpunkt und Gerichts-
stätte des Haigergaus, dessen Grenzen in einem 913 errichteten und 1048 erneuerten
Weistum festgelegt sind. Sie liefen von der Quelle der Diezhölze (nahe bei der
Lahnquelle) bis zu deren Mündung in die Dill oberhalb Dillenburg und zogen in einer
schwach nach Süden abweichenden Linie nach Westen bis sie zwischen Marienberg
und Hachenburg die grosse Niester erreichten. Dieser folgten sie bis zur Boden-
bach und wandten sich dann wieder scharf nach Osten auf durchschnittlich 10 km
Entfernung mit der ersten Linie parallel, das Siegener Land durchschneidend, bis
zur Kalten Eiche, von wo sie längs der jetzigen Grenze des Regierungsbezirks wieder
die Quelle der Diezhölze erreichten.
Als Gaugrafen kommen für den Haigergau erst spät im 13. und 14. Jahrhundert
die Dynasten von Molsberg vor. Ob Vogels Annahme richtig ist, dass sie auch in
dieser Würde die Erben der im 12. Jahrhundert ausgestorbenen, in diesem Gau an-
sässigen Grafen von Freusberg waren, oder ob der Gau in ältester Zeit Königsgut
war, muss dahingestellt bleiben. Die erste Erwähnung des Ortes Haiger findet sich
in einer Schenkung an das Kloster Lorsch von 778, die 781 bestätigt wird; eine
andere Schenkung an das Kloster Weissenburg datiert aus demselben Jahrhundert.
Im Anfang des 10. Jahrhunderts hat König Konrad I. hier eine Kirche erbaut, die
PFARRKIRCHE.
61
als Ecclesia baptismalis bezeichnet wird. Er fundierte sie auf den kaiserlichen
Hof mit Zehnten und schenkte sie 913 an das von ihm gegründete Stift zu
Weilburg, mit dem sie 993 an Worms überging. Nach einem Erweiterungs- oder
Neubau wurde sie 1048 von den Bischöfen von Trier und Worms geweiht (Philippi,
Siegener Urkundenbuch Nr. 2).
Fig. 67. Haiger. Pfarrkirclie.
Schon im 13. Jahrhundert besass in dem Haigerer Gericht auch das Haus Nassau
Gerechtsame, die bei der Teilung von 1255 an die Ottonische Linie fallen. Heinrich I.
erwirbt 1311 und 1323 von Gyso von Molsberg die Landeshoheit über das Gericht
Haiger und bringt auch alle Gerechtsame, welche die Adligen von Haiger hier be-
sassen, durch Kauf an sich, sodass von da ab Haiger dauernd zum nassauischen Be-
sitz gehört. Bei der Erbteilung der alten Dillenburger Linie von 1425 erhält
Johann III. die Burg zu Haiger als Wohnsitz. Dreissig Jahre später ging diese als Erb-
Burglehn an ihre ursprünglichen Besitzer, die Adligen von Haiger zurück. Dieses
Geschlecht, das urkundlich zuerst 1158 erscheint, erlosch 1511, worauf auch ihr Stamm-
sitz bald zerfiel, sodass 1617 nur noch einige Reste übrig waren. Heute ist sie bis
auf die letzte Spur verschwunden.
DIE EVANGELISCHE PFARRKIRCHE wurde, wie erwähnt, von Konrad I.
als „Taufkirche" erbaut; an ihr bestand bis zur Einführung der Reformation 1537
das Ruralkapitel oder Erzpriestertum für den ganzen ehemaligen Gau.
Baubeschreibung. Die jetzige Kirche, die Lötz mit Recht „ein sehr merk-
würdiges Gebäude nennt", zeigt zwischen einem ganz ungegliederten massiven West
62
HAIGER.
türm und dem ebenso massiv gebauten, in drei Seiten des Fünfecks geschlossenen
Chor ein fast quadratisches Schiff, das aus neun oblongen, auf vier Pfeilern ruhenden
gleichhohen Gewölbfeldern besteht. Diese, durch die Leichtigkeit ihrer Umfassungs-
wände auffallende Hallenkirche, macht den Eindruck eines Zen-
tralbaus. Einigermassen verwischt wird die zentrale Anlage da-
durch, dass die beiden östlichen Seitenschiffjoche in wenig orga-
nischer Weise eine Erweiterung nach Norden und Süden durch
vorgestreckte Abschlüsse im halben Achteck erhalten haben,
deren Gewölbe 1,50 m tiefer als die Schiffgewölbe liegen. So
erhält der Grundriss Ähnlichkeit mit einer kreuzförmigen Hallen-
kirche, als welche wir sie bei Lötz bezeichnet finden.
Die Bauformen, durchweg der spätesten Gotik angehörig,
weisen als Zeit der Erbauung auf die zweite Hälfte des 15. Jahr-
hunderts. Die vier Mittelpfeiler haben Vierpass-Querschnitt auf
zylindrischen hohen Sockeln, anstelle der Kapitäle ungegliederte
Platten. Die Gewölbe sind spitzbogige Kreuzgewölbe mit hohl
gegliederten Rippen, die in Spitzen in die Wände verlaufen, nur
Fig 68. Haiger. Pfarrkirche. Siidausichl .
im westlichen Joch der Seitenschiffe ohne Rippen, im östlichen Joch des nördlichen
Seitenschiffs von Köpfen, des südlichen von gegliederten Konsolen gestützt. Auch
im Mitteljoch, das ein Sterngewölbe hat, ruhen die Rippen auf Kragsteinen mit
Köpfen oder Wappenschilden. Der dies Gewölbe nach Osten begrenzende Gurt-
bogen ist halbkreisförmig, der Chorbogen ungegliedert, der Chor mit zwei Ge-
wölben überdeckt, von denen dasjenige des Chorschlusses im Schlusstein den heiligen
Martin mit dem Bettler zeigt.
PFARRKIRCHE.
63
Die Fenster sind durchweg spitzbogig mit schrägen Gewänden und spätgotischem
hohlprofiliertem Masswerk. Das östliche Chorfenster ist dreiteilig, die übrigen zwei-
teilig und ungeteilt. Die Fenster der Seitenschiff- Vorbauten liegen im Äussern in
flachen Blenden , oben
durch Rundbogenfriese
abgeschlossen. Eine spitz-
bogige Tür im Chor und
eine rundbogige im süd-
lichen Seitenschiff sind
ganz ungegliedert.
Die Strebepfeiler am
Chor sind flach und un-
gegliedert , mit Pultdä-
chern abgedeckt ; ausser
ihnen finden sich noch
Strebepfeiler an der Süd-
wand und der Nordwest-
ecke des Schiffs.
Unter dem Ostteil
des Chors befindet sich
eine kleine Krypta von
unregelmässig fünfseiti-
gem Grundriss, mit einem
rippenlosen, rundbogigen
Kreuzgewölbe überdeckt,
dessen Schildbogen teils
rund und teils spitzbogig
sind. Die Eingangstür
hat einen mit Nasen be-
setzten Spitzbogen.
Der Turm, nur von
aussen durch eine rund-
bogige Tür zugänglich,
geht massiv, an der West-
seite mit einem gebösch-
ten Strebepfeiler besetzt,
bis zur First des Kirchen-
dachs. Hierauf setzt sich
eine in Holz erbaute und
beschieferte Glockenstu-
be, die eine welsche Hau-
be trägt. Im Innern steigt
64
HAIGER.
der Glockenstuhl frei verzimmert von einem 3 m über Erdgeschoss liegenden Mauer-
absatz auf. Die Nordwand des Chors enthält ein steinernes Watidtaberiiakel in
plumpen spätgotischen Formen mit Wimperg. Bei der Neutünchung der Kirche im
Jahre 1902 kamen alte Wandmalereien zum Vor-
schein, die, soweit sie im Schiff nur aus spärlichen,
zusammenhanglosen Resten bestanden, wieder zu-
getüncht wurden. Diejenigen des Chors erwiesen
sich jedoch als eine nach bestimmten Grundgedanken
abgeschlossene Bilderfolge von so erheblichem Kunst-
wert, dass ihre vollständige Aufdeckung und Erhal-
tung beschlossen und unter Beihilfe der kgl. Staats-
regierung und des Bezirksverbandes bis zum Herbst
des Jahres 1905 mit einer Aufwendung von rund
5000 Mark von dem Maler Wilhelm Batzem in Köln
in vorzüglicher Weise ausgeführt wurde.
Die Bilder, deren Entstehung ihrem Stil nach in
das Ende des 15. oder Anfang des 16. Jahrhunderts
zu setzen ist, haben zum Gegenstand die Passion,
die zwölf Apostel und das jüngste Gericht. Letzteres,
an den Gewölben dargestellt, hat zum Mittelpunkt
Christus als Weltrichter nach der Darstellung der
Offenbarung Johannis. Christus thront mit segnend
erhobener rechter Hand, aus seinem
Munde geht ein Schwert und ein
Lilienstengel hervor. Zu seiner Rech-
ten und Linken knieen zwei gegen
ihn geneigte Gestalten. Die Gewölb-
kappen nächst dem Chorbogen wer-
den von Engeln des Gerichts ein-
genommen, die mit ihren Posaunen
die Toten erwecken, andere Engel
tragen die Leidenswerkzeuge. In den
Gewölbzwickeln nächst den Lang-
wänden sind die Strafen und Beloh-
Fis. 70. HaiKcr. Pfarrkirche. Choransicht. nungen des jüngsten Tages zur An-
schauung gebracht ; die Anordnungen der Figurengruppen ist meist so getroffen, dass
in den vom Schiff der Kirche sichtbaren Feldern die dem Weltrichter durch Engeln
zugeführten Seligen, in den abgewendeten Feldern die Verdammten angebracht sind,
die von Teufeln in oft sehr drastischer Darstellung gepeinigt werden. Die vier Ge-
wölbzwickeln des Chorschlusses enthalten die vier Tiere (Offenbarung 4), welche
später die Bedeutung der Evangelischen Symbole angenommen haben, in besonders
schöner, streng heraldischer Zeichnung.
Fig. 71. Haiger. Pfarrkirche. Mcilereieii im Clioygen.'ölbe.
PFARRKIRCHE.
65
Von den Schlussteinen des Gewölbes strahlt ein Ornament aus in den Formen
der spätesten Gotik. Die Fläche der Kappen ist mit einem Blumenmuster überstreut.
Um den unteren Teil der Wände unter den Fensterbänken zieht sich in fries-
artig aneinandergereihten Bildern die Darstellung der Passion entlang. Die Bilder,
Fig. 72. Haiger. Pfarrkirche. Fenstermasswerk.
die an der Nordseite bei dem Triumphbogen mit dem Einzug in Jerusalem beginnen
und an der gleichen Stelle an der Südwand mit der Grablegung endigen, sind auf
weissem Grund gemalt, der durch ein Streumuster von roten Rosen mit je zwei grünen
Blättern belebt ist. Als unterer Abschluss dient ein gelbes Band, auf dem rote Ro-
setten gleichmässig verteilt sind.
Über diesem Passionsfries umzieht die Chorwände eine Folge der Apostel, grosse
Figuren in lebendig bewegten Stellungen und mit zum Teil vorzüglich gemalten Köpfen ;
sie halten Schriftrollen mit ihren in gotischen Minuskeln geschriebenen Namen. Ein Teil
der Apostelfiguren hat in
den breiten Leibungen
der Fenster Platz gefun-
den. An der südlichen
Seite ist auf der Leibung
des Chorbogens noch das
ausserhalb dieser Bilder-
folge stehende, in kleinem
Masstab ausgeführte,aber
wohlerhaltene Bild von
dem Begräbnis des hei-
ligen Sebald aufgefunden
Leichnam desHeiligen, an
Pilgerhut und Heiligen-
schein erkennbar, wird,
vne er es nach der Le-
gende bei Lebzeiten be-
stimmt hatte, auf einem
mit zwei Stieren bespann-
ten Wagen vor ein Haus
geführt, in dessen Tor-
weg und näherer Umge-
bung mehrere Personen
mit dem Ausdruck des Er-
und erhalten worden. Der Fig. 73. Haiger Stadtwappen. Staunens zu sehen sind.
5
66
HERBORN.
Fig. 74. Herborn. Aitsiclit nacli Mcrian.
HERBORN.
J. H. Steubing, Topographie der Stadt Herborn, Marburg 1792, 8". — Vogel, Beschreibung,
159, 212, 718. — P. Wagner, Nass. Annalen, Bd. 32, 26—44.
!IE Stadt Herborn, 6 km südlich von Dillenburg an der Dill gelegen,
sieht auf ein hohes Alter zurück, dessen erste Jahrhunderte leider nicht
durch sichere geschichtliche Kunde aufgehellt werden. Von der Mitte
des 13. Jahrhunderts an finden wir die Stadt und Mark Herborn im Be-
sitz der nassauischen Grafen. Der Weg, auf dem sie zu diesem Besitz gelangt sind,
kann bis jetzt nur vermutungsweise angegeben werden. In der oben angeführten
Abhandlung widerlegt P. Wagner die von C. D. Vogel aufgestellte Vermutung,
dass die Herborner Mark ein AUodialbesitz der Grafen von Gleiberg gewesen
und infolge Heirat durch Erbfolge an das nassauische Haus gekommen sei. Er
selbst gelangt zu der Überzeugung, dass die Herborner Mark nicht ein Teil des
alten Erdehe-Gaus, sondern ein selbständiger Untergau des Niederlahngaus und in
ältester Zeit unmittelbares Königsgut gewesen sei. Bis zum 13. Jahrhundert ist nicht
nachzuweisen, dass eine auswärtige Herrschaft darin Fuss gefasst habe. Herborn
war schon im frühen Mittelalter der wirtschaftliche, kirchliche und politische Mittel-
punkt der Herborner Mark, einer Landesgemeinschaft, die ihren Namen von der
Stadt trug, nicht umgekehrt. Ihre Grenze erstreckt sich von einer Linie Heiligen-
born-Fleissbach im Südwesten, anfangs stark ausbauchend, dann sich wieder ver-
jüngend, bis zu einer Linie Eiershausen-Hirzenhain- Wallenfels im Nordosten. Ihre
Ostlinie fällt ziemlich genau mit der Grenze des Kreises Dillenburg zusammen.
GESCHICHTLICHES.
67
Die erste Erwähnung der Mark Herborn geschieht 1048 in einer Urkunde über
die Weihe der dem Walpurgiskloster in Weilburg geschenkten Kirche in Haiger
sowie über die Begrenzung des Kirchspiels ,,inter Donerbach et Haigere, übt termi-
natur Herbore marca" etc. Da diese Grenzbestimmung aber eine wörtliche Wieder-
holung derjenigen von der Schenkung selbst ist, die im Jahre 914 erfolgte, so kann
man die erste Erwähnung der Herborner Mark in dieses Jahr setzen.
Fig. 75. Herborn. Strassenansicht mit dem Rathaus.
Von 1231 an ist Nassau im Besitz der Hoheitsrechte über die Mark ; es musste
diese Rechte im 13. und 14. Jahrhundert wiederholt gegen zwei einheimische Ge-
schlechter, die Dernbach und Bicken, verteidigen. Die erste Kunde von nassauischem
Besitz gibt 1231 die Schenkung des Patronats über die Herborner Kirche an den
Deutsch-Orden durch Graf Heinrich II. von Nassau. Ursprünglich trug dies
Patronat der Landgraf von Thüringen vom König Heinrich VII. zu Lehen und
hatte seinerseits damit den Nassauer Grafen belehnt. Wenn die Annahme richtig ist,
dass die Herborner Mark Königsgut war, so ist zu vermuten, dass König Heinrich
nicht nur die Kirche, sondern alle Königsrechte an der Mark dem Landgrafen von
Thüringen gegeben hat, der in dieser Zeit (1130—1247) auch Graf von Hessen war.
68
HERBORN.
Im 14. Jahrhundert ist die Mark also hessisches Lehen. Nachdem (sie bei der
ersten nassauischen Teilung 1255 an Otto gefallen war, ging sie bei der zweiten
Teilung 1303 mit dem Kalen-
berger Zent an den jüngsten
der Brüder, Johann, über,
der ohne Nachkommen starb.
Er sicherte aber seinem Bruder
-Heinrich das Land, indem
er es ihm zu Lehen auftrug.
Hierzu gibt Landgraf Heinrich
von Hessen als Oberlehensherr
seine Zustimmung.
Auch in die erwähnten lang-
jährigen Kämpfe der Nassauer
mit den einheimischen Adels-
häusern griffen die hessischen
Landesherren wiederholt ein.
Die Nassauer nahmen sich
des Herborner Gebietszu-
wachses eifrig an ; auf Bitten
der Grafen Walram und Otto
verlieh der deutsche König Wil-
helm dem Orte Herborn 1251
Stadtrechte (Kremer, Origines 2,
287). Sie oder ihre Nachfolger
bauten daselbst eine Burg, die
1341 zuerst urkundlich erwähnt
wird. Im 15. und 16. Jahrhun-
dert gedieh die Stadt durch
Handel und Gewerbe zu an-
sehnlicher Blüte. Einer der be-
deutendsten Herrscher aus dem
Nassau- Oranischen Hause, Graf
Johann VI. von Dillen-
burg, stiftete hier eine hohe
Schule, die am l.juli 1584 er-
öffnet wurde und bald, nament-
I
Fig. 76. Herborrt. Pfarrkirche. Grundriss.
lieh durch ihre theologische Fakultät, eine grosse Bedeutung im wissenschaftlichen
Leben Deutschlands gewann.
DIE STADTKIRCHE, von deren Schenkung an den deutschen Orden 1231
bereits die Rede war, dürfte in ihren ältesten Teilen, den beiden sehr nahe beiein-
STADTKIRCHE.
69
ander stehenden Chor-
türmen, aus romanischer
Zeit stammen. Der jetzige
Bau zeigt einen spät-
gotischen , einschiffigen
Chor, im halben Achteck
geschlossen und mit rei-
chen Netzgewölben über-
deckt. Diese sind ein-
fach hohl profiliert und
setzen auf roh gearbei-
teten wappenhaltenden
Brustbildern von Engeln,
an den östlichen Ecken
auf Köpfen auf. Die
schmalen, spitzbogig ge-
schlossenen Fenster, mit
spätem Holzmasswerk
ausgesetzt, zeigen noch
Ansätze des alten Stein-
masswerks, das bei einer
jetzt im Werk begriffenen
Herstellung wieder er-
gänzt werden soll. Im
Westteil wird der Chor
verengt durch zwei vier-
eckige Türme, die auf
dem Merianschen Plan
noch über das Dach hoch-
geführt und mit welschen
Hauben (urkundlich von
1562) bedeckt erscheinen.
Sie wurden 1815 bis 1817
abgetragen und endigen
jetzt unter dem Chordach
Das Schiff ist ein
nahezu quadratischer ,
schmuckloser Raum, des-
sen flache Decke vermit-
telst zweier starker Unter-
züge von vier schlanken,
steinernen Rundpfeilern
t>4
S
>W^\N\\N\\'^a;.i<^N\,\i;S,\svxV.N..N\SSS-i
10
HERBORN.
mit schlichten Knaufprofilen und Sattelhölzern getragen wird. Auch hier sind die
Fenster spitzbogig mit Holzmasswerk.
Der Turm, im Erdgeschoss nach der Kirche zu in seiner ganzen Breite rund-
bogig geöffnet, hat keine Gewölbe, sondern vier Balkenlagen. Er ist 1620 hergestellt,
Flg. 78. Herborn. Chor der Pfarrkirche.
eingestürzt. Das jetzige achteckige Glockenhaus mit geschweiftem Dach wurde
1822 erbaut. Auf dem Merianschen Bilde hat er ein schlankes Spitzdach.
Die Kirche ist ganz mit Holzemporen, im Schiff zwei-, im Chor eingeschossig,
angefüllt, deren gut profilierte Stützen und nicht ohne Aufwand gearbeiteten Brüstungen
STADTKIRCHE.
71
auf die Mitte des 17. Jahrhunderts weisen. Als Bauzeiten der Kirche führt Lötz
nach Steubing die Jahre 1598 bis 1609, 1650, 1705, 1802 an. Bei einer Herstellung,
der die Kirche im laufenden Jahr unterzogen wird, sind im Chor Reste von Bemalung
aus drei verschiedenen Perioden zutage getreten. Von einer in ornamentalen
Fig. 79. Heyborn. Pfarrkirche. Maleret im Chor.
Streifen und einem Bilderfries aus dem Leben Jesu bestehenden frühgotischen Deko-
ration sind nur undeutliche Reste erhalten, in welche mehrere ihrer Form nach
noch ältere Konsekrationskreuze unorganisch einschneiden. Hierüber liegt als zweite
Schicht eine reiche spätgotische Bemalung, die am unteren Wandteil aus sehr schönen
72
HERBORN.
Üppigen Blumenranken im Dürer-Charakter mit eingefügten Evangelistenzeichen be-
steht; darüber in Fensterhöhe grosse Apostelfiguren unter Baldachinen, ähnlich wie
in Haiger. Eine grosse Christoforus-Figur auf der Nordwand verschwindet zum Teil
hinter den Gewölbansätzen; dies in Verbindung mit Resten von Tünche der Ober-
Fig. 80. Herborn. Schloss. Erdgeschoss.
mauern über den Gewölbkappen lässt den Schluss zu, dass der Chor zur Zeit dieser
Bemalung flachgedeckt war. Diese reiche Bemalung ist, wie ein Schild mit der
Jahreszahl und den Buchstaben K. D. besagt, 1491 mit weisser Tünche zugestrichen
worden. Die roten Kanten der Fensterleibungen und ein reiches, flottes Ranken-
muster aus schwarzen Linien mit grünen Blättern und farbigen Blumen (s. Fig. 78)
auf den Gewölbkappen scheinen dieser Zeit zu entstammen.
DAS SCHLOSS, auf den westlich die Stadt einrahmenden Höhen aus grünem
Buschwerk aufsteigend, beherrscht in charaktervoller Weise das Stadtbild. Seine
Erbauungszeit ist jedenfalls kurz nach dem Jahre 1251 zu setzen, in welchem dem
74
HERBORN.
Dorf Herborn Stadtrechte verliehen wurden und die Grafen von Nassau als neue
Landesherren sich hier einen festen Sitz erbauten. 1341 geschieht seiner zum ersten-
male urkundliche Erwähnung.
Nach der Gründung der hohen Schule 1584 wurde es vorübergehend zu Auditorien,
Bibliothek und der „Kommunität" (dem gemeinschaftlichen Tisch der Studenten) be-
nutzt. Bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts war hier die Nassau-Oranische Münz-
stätte. 1725 wurde es zum Witwensitz der Fürstin Dorothea eingerichtet, in den
achtziger Jahren brachte die Einrichtung von Beamtenwohnungen viele entstellende
Umbauten. Gegenwärtig wird das Schloss von einem Lehrerseminar eingenommen.
Fig. 82. Herhorn. Schloss. Obcrgesc/toss.
Das Schloss bildet einen dreistöckigen, nach Osten gerichteten, wenig liefen
Baukörper, der an den beiden Enden von Rundtürmen begrenzt wird, während ein
dritter Turm aus der Front an der Stelle vorspringt, wo diese nach aussen einen
stumpfen Winkel bildet. Dieser Turm ist im Krdgeschoss viereckig, in den oberen
Stockwerken rund mit halbkreisförmigen Vorlagen, die unter dem auf gemauertem
Rundbogenfries vorgekragten Wehrgang aufhören. Ein gleicher Wehrgang beendigt
die Ecktürme. Alle Türme haben Pyramidendächer, aus denen nach dem Merianschen
Bilde vier schlanke Dacherker vorsprangen; jetzt sind sie nur bei dem südlichen
erhalten. An die Rückseite des Schlosses schliesst sich ein ummauerter Hof mit
Nebengebäuden an, der an der Nordwestseite ein früher durch zwei Rundtürme ver-
teidigtes Tor besitzt, von denen nur der linke erhalten ist.
Das Innere des Schlosses hat infolge der vielen Umbauten alles Charakteristische
verloren. Zu erwähnen ist noch an dem Erdgeschoss der mit einem Treppengiebel
endigenden Nordfront ein schöner Fensterkorb aus Schmiedeeisen (s. Fig. 90).
RATHAUS. Das älteste Rathaus der Stadt war der östliche Flügel des Hoch-
schul-Gebäudes. Diesen überliess 1588 die Stadt dem Grafen Johann dem Älteren
als dieser die hohe Schule zu gründen beabsichtigte, gegen 650 Rädergulden und das
nötige Holz zu einem Rathaus-Neubau, der dann laut Inschrift im folgenden Jahre
am Buttermarkt errichtet wurde.
Flg. 83. Herborn. Grabplatten aus der Kirche.
RATHAUS.
75
Bei dem grossen Brande von 1626 wurden die beiden oberen, in Fachwerk er-
bauten Stockwerke eingeäschert, aber schon am 1. August 1629 wieder aufgeschlagen.
Das Erdgeschoss und erste Obergeschoss sind in Stein erbaut ; zwei rundbogige
Portale führen in das Erdgeschoss. Das am Buttermarkt hat in den Gewänden kleine
Flg. 84. Herborn. Tür am Rathaus und andere Holsschnitsereien.
mit Muscheln geschlossene Nischen, die Umrahmung mit Karniesprofil und Schmuck
aus Wappen und Beschlagornament ; hierin wie in den Schnitzereien der Stockwerk-
gebälke und Füllbretter ist ein unverkennbarer Anklang an niederhessische Art.
Das Tor der Seitenfront zeigt in seiner Gliederung noch mittelalterliche Anklänge.
Eine weitere Rundbogentür hat ein schön geschnitztes Holzgewände mit ausgegründetem
Rankenornament und der Inschrift:
RECHT • EHL • MAS • UND • GEWICHT ■ GEFELT GOT • UND •
RECHT • GERICHT • 1627.
76
HERBORN, SCHULHOF, STADTBEFESTIGUNG.
Die nicht unmalerische Halle im Erdgeschoss mit olfener Holztreppe und einem
Holzgitter hat eine Balkendecke, deren Unterzug von einem geschnitzten Pfosten
mit Sattelholz und Kopfbändern gestützt wird.
DER SCHULHOF wurde unter Benutzung des alten Rathauses wahrscheinlich
Ende des 16. Jahrhunderts erbaut, als nach Fertigstellung des neuen Rathauses 1591
Fig. 85. Ilcrboi ii. Dey Schulhof . Obergeschoss.
jenes frei wurde. Er ist ein massiver Bau von zwei Stock-
werken mit einem runden, mit welscher Haube gedecktem
Treppenturm in der Ecke, den der genannte Bau mit einem
jüngeren in Holz gebauten Flügel bildet. Das Erdgeschoss
wird durch eine grosse Halle gebildet, deren Balkendecke
von schweren Holzsäulen mit Kopfbändern getragen wird.
Sie diente der Hochschule als Aula. Dacherker und ein '
Giebel an der Strasse mit schönem Riegelwerk geben dem
Gebäude seinen Schmuck, ebensowie ein steinerner Erker, der an diesem Nordgiebel
inschriftlich im Jahre 1645 angebracht ist und an seinen starkgegliederten Konsolen
und den Fensterumrahmungen mit Flachrelief-Ornament geschmückt ist.
STADTBEFESTIGUNG. Von der Stadtbefestigung, deren Erbauung bald nach
der Stadtrechtverleihung 1251 zu datieren ist, sind noch wesentliche Teile erhalten, die
dem Ortsbild stellenweise ein mittelalterliches Gepräge geben. Die alte Stadtmauer,
von der bis zu dem Brande vom 11. August 1904 noch fast die ganze Ostseite stand,
aber auch heute noch zahlreiche Reste erhalten sind, war an der Westhälfte von einem
trockenen, an der Osthälfte von einem nassen Graben umzogen, der aus dem die
Stadt fast genau in der Mitte durchziehenden Mühlgraben sein Wasser erhielt. Die
Ringmauer war durch zwei Türme verstärkt ; diese waren, von der Südostecke be-
ginnend : der Hexenturm, der Turm des Untertors oder Sinner Porte mit seinem von
zwei Ecktürmen flankierten Vortor, der Speckturm am Eintritt des Mühlgrabens in
die Stadt, der Hainturm zum Schutz der Hainpforte. Die Südwestecke der Um-
mauerung nimmt das Schloss ein; ihm folgt auf der Westseite der Hexenturm und
der Karzerturm, auf der Nordseite der Bürgerturm und als besonderes Verteidigungs-
Fig. 6'6. Herburn. Hohe Schule.
78
HERBORN.
werk der Zwinger, der sich mit einer zweiten Mauer vor die Bornpforte, den Aus-
tritt des Mühlgrabens und die Schieiter Porte mit ihrem Übergang über die Dill
vermittelst der 1901 abgebrochenen Brücke legte. Die Bornpforte wurde durch den
„dicken Turm", der Mühlgraben durch den Schleifturm und die Brücke durch das
Fig. 87. Herborn. Alter Pfarrhof.
Johannistürmchen geschützt. Die Nordostecke nahm der Dillturm ein, und das öst-
liche Stadttor schützte der Leonhards- oder Sandturm. Von diesen zwölf Türmen
stehen noch der Hexen-, Leonhards-, Dillturm und der dicke Turm; sie sind in den
letzten Jahren sachgemäss hergestellt worden.
So, wie die Stadt in ihrem äusseren Gesamtbild noch den malerischen Charakter
ihres mittelalterlichen Aussehens trägt, so sind auch in ihren Strassen noch eine Reihe
stattlicher, heute meist an der Wetterseite beschieferter Giebelhäuser erhalten, die
ihr in einem überraschenden Reichtum malerischer Strassenbilder das Gepräge der wohl-
habenden und betriebsamen alten Landstadt bewahrt haben. Um einige davon hervor-
zuheben, sei das nördlich von dem Schloss auf der Höhe stehende dritte Pfarrhaus
von 1687 genannt, ein malerischer Bau mit massivem Erdgeschoss und zwei Fach-
werk-Obergeschossen, von denen das obere verschiefert ist; aus der Mitte der Front
springt ein mit welscher Haube bedeckter achteckiger Treppenturm vor. Ferner ist
das frühere Corvinsche Haus nördlich von der Pfarrkirche an der früheren
Bornpforte zu nennen, auch der P a u 1 s h o f genannt, früher der Sitz einer Druckerei,
NEUES HAUS.
79
ebenfalls mit Giebel und Treppenturm geschmückt, leider nicht ganz in seiner ursprüng-
lichen Gestalt erhalten.
Am Buttermarkt, dem Rathaus gegenüber, ist kürzlich ein besonders stattliches
Haus des 17. Jahrhunderts von der Tünche befreit worden (Besitzer H. Nassauer).
Fig. 88. Herborn. Paulshof.
Das vierstöckige, mit Mansardendach bedeckte Haus ist besonders dadurch wertvoll,
dass es die Fensteranordnung noch unverändert und wenigstens auf der Seitenfront
noch das ursprüngliche Holzwerk des Erdgeschosses aufweist.
NEUES HAUS. Etwa 3 km nördlich von Herborn liegt auf einer Anhöhe
über dem Amdorf-Bache die Unterförsterei „Neues Haus", die als eine Anlage des
18. Jahrhunderts Interesse beansprucht. Das Haus ist augenscheinlich über die
Zwecke des Forstdienstes hinaus als Ausflugsziel für die Bewohner von Herborn
und Dillenburg von vornherein angelegt, als welches es heute noch dient. Darauf
deutet in der Grundrissanlage der grosse Saal des Obergeschosses, dessen Wände
mit landschaftlichen Malereien verziert sind; ebenso auch eine das ganze Haus
umziehende, auf Holzsäulen toskanischer Ordnung ruhende Halle, die den Be-
suchern Wetterschutz und schöne Ausblicke in das anmutige Waldtal gewährt. Zwei
Treppenhäuser im Innern sind augenscheinlich bestimmt, den Verkehr der Besucher
vom Wirtschaftsbetrieb zu trennen.
80
HERBORN.I
DAS HEIMAT-MUSEUM, durch Herrn J. H. Hoff mann im Laufe eines
Vierteljahrhunderts mit ungewöhnlicher Hingabe gesammelt, ist im Erdgeschoss und
ersten Oberstock des alten Hochschul-Gebäudes aufgestellt. Einer kurzen Übersicht
tlber den zeit- und sittengeschichtlich wertvollen Inhalt sind die Notizen des Ge-
nannten zugrunde gelegt.
J^ig. 89. Försterei „Neues Haus" bei Herborn.
Vor- und friihgeschichtlich: Zimmer 1 Erdgeschoss, Sieben Schaukasten
mit Funden aus den Steinkammern bei Erdbach, zahlreiche Ton- und Steinzeug-
Gefässe, ein Pfahlbau-Modell und Funde aus Schweizer Pfahlbauten ; Urnen, Knochen
und Scherben aus einem Brandgrab, Grabfund nebst Torf aus der La T^ne-Zeit.
Raum 11, Obergeschoss: Fränkischer Grabfund von See Ibach, bestehend aus
Perlen und einer 60 Millimeter grossen goldenen Fibel, einigen silbertauschierten
Gürtelteilen, Pfeilspitzen und einem Kurzschwert. An militärischen Altertümern aus
späterer bis zur jüngsten Zeit enthält das Museum (Raum 15) Fahnen aus dem
17. bis 18. Jahrhundert, Abbildungen von Nassauer Soldaten und Ausrüstungsgegen-
stände für solche aus der Rheinbundzeit (1808 bis 1813), in Raum 3 eine Gruppe
Nassauer Soldaten in Rheinbund-Uniformen, ebensolche in Raum 7. Ferner als Proben
der bereits im 15. Jahrhundert blühenden Herborner Geschützgiesserei *) ein Wall-
geschütz und mehrere Hakenbüchsen. An die Waffen schliesst sich die heral-
dische Abteilung mit (Raum 7) Wappen der Adelsgeschlechter, die hier Burgmänner
*) S. Mittelalterliche Geschützfabrikalion im vorm. Fürstentum Nassau-Dillenburg, Vortrag von
G. Voigtmann-Haiger.
HEIMAT- MUSEUM.
81
waren oder Burgsitze hatten, 13 Holztafeln vom Rathause, 1628. Die Wappen
von Nassau- Dillenburg, Herborn, zwei von Angehörigen der Solmser Linien,
Bürgermeister- und bürgerliche Wappen sowie 30 Kaisersiegel in Raum 10.
An Bildnissen
sind zunächst etwa hun-
dert teils in Öl, teils in
Druck zu nennen , die
meistens Mitglieder des
Hauses Nassau darstellen;
ihnen schliessen sich im
Raum 10 die Bildnisse
der Parlamentsmitglieder
von 1848 an, endlich in
dem oberen Korridor eine
grosse Sammlung von
Trachtenbildern, die
ein Bild der männlichen
und weiblichen bürger-
lichen Tracht aus der Zeit
von 1834 bis zur Gegen-
wart geben.
Die Vergangen-
heitderStadtist durch
Modelle und Abbildungen
reichlich vertreten , in
Zimmer 1 befindet sich ein
in Zinn gegossenes Mo-
dell des Schlosses, in
Raum 11 ein zirka 5 qm
grosses Modell der
Stadt aus der Zeit um
1600. Man überblickt
durch eine in einer Mauer
angebrachte Maulscharte
die alten Mauern mit
zahlreichen Türmen, den
Zwinger, die Vortore und
auf der Anhöhe das
Schloss und die Kirche;
im Vordergrund den Hintersand, den Friedhof mit St. Leonhardskirche, Garten usw.
Diese Modelle werden ergänzt durch zahlreiche Bilder von Herborn von 1600 an
bis zur Gegenwart.
Fig. 90. Herborn. Schloss. Fensterkorb.
6
82
HERBORN.
J^ig. 91. Herboni. Das Schloss von Süäen.
Die in Raum 9 aufgestellte Bücherei, über 3000 Bände umfassend, enthält
interessante Urkunden und Einblattdrucke, zu denen im Raum 3 noch fünf Schau-
kasten mit Wiegendrucken und Proben der alten Herborner Offizin hinzutreten.
Von den eigentlich kulturgeschichtlichen Altertümern ist nur ein
Teil gesondert aufgestellt, wie die über 50 Beleuchtungsgeräte aus ältester Zeit bis
zur Gegenwart, Backformen aus Holz in Raum 1, kunstreich gearbeitete Kämme der
Frauen- und Mädchentracht, Gussplatten von Öfen mit Wappen und biblischen Ge-
schichten, Druckformen zu Kleiderstoffen, Wirtshausschilder, eine Schlüssel- und
Schlossammlung. Die meisten dieser Gegenstände sind, wie es dem Charakter eines
HEIMAT-MUSEUM.
83
Heimatmuseums entspricht, zu Raumbildern vereinigt, die, zum Teil mit der Staffage
von Kostümfiguren ausgestattet, eine lebendige Anschauung des bürgerlichen Lebens
in früheren Jahrhunderten geben.
So zeigt Raum 4 eine Bauernstube mit dem Webstuhl für die hier früher be-
triebene Strumpfwirkerei, daneben eine Küche mit Herd und allen Geräten von 1700.
Raum 11 enthält die vollständige Hochschul- Apotheke mit Mörsern, Büchsen, Flaschen,
Retorten und Wagen ; an sie schliesst sich das Zimmer eines Gelehrten, mit Planetarium,
Himmelsglobus, Elektrisiermaschine, alten Landkarten und ähnlichem.
Raum 13 stellt ein gut bürgerliches Wohnzimmer gegen Ende des 18. Jahr-
hunderts dar, in dem die Wände mit Porträts und Kostümbildern bedeckt sind und der
Glasschrank altes Porzellan und Glas enthält. Ein altes Spinett und ein Spinnrad
ergänzen das Bild. Endlich ist Raum 14, ein Turmzimmerchen, als Trinkstube aus-
gestattet, mit Leuchterweibchen, Zinn- und Steinkrügen, Wappengläsern und ähnlichem.
Fig. 92. Wappen der Stadl Hefborn.
6*
84
BEILSTEIN.
Fig. 93. Burgruine Beilstein von Norden.
BEILSTEIN.
Vogel, Beschr. v. Nassau 363 ff., 726 ff. — Sauer, Nass. Ann. 28, (1896) i— 51. — C. Knetsch,
Die Erbauung der Kirche zu Beilstein, Nass. Ann. Bd. 34 (1904) S. 278 ff.
M oberen Tal des Ulmbachs, der vom nördlichen Abhang des Knoden
herabkommend, sich bei Biskirchen mit der Lahn vereinigt, 15 km süd-
lich von Dillenburg, stehen auf einem sich wenig über das Tal er-
hebenden Basaltfelsen die Trümmer der Burg Bellst ein. Um ihren
Fuss dehnt sich das ansehnliche Dorf, mit seiner Kirche dicht an das Schloss ange-
schmiegt, mit seinen letzten Häusern auf das linke Bachufer emporsteigend.
Geschichtliches. Ein Adelsgeschlecht Nobiles de Beilstein erscheint in Ur-
kunden seit 1129. Ein Krafto von Beilstein ist zu dieser Zeit und 1141 zweimal
Zeuge in Schenkungsakten für das Kloster Schiffenberg bei Glessen. Ein zweiter
Krafto erscheint 1195 als Bürge für Walram von Nassau gegen Worms, und 1229
als Zeuge in einem Erbvergleich der Virneburger. Dass das Geschlecht auch an der
mittleren Lahn begütert war, geht aus einer Schenkung hervor, die dieser Krafto II.
und seine Tochter Irmengard mit einer Kornrente in Oberweyer bei Hadamar an
das neu gegründete Kloster Beselich machten und die später gegen eine solche in
der Runkelschen Gemarkung vertauscht wurde. Ausser diesen beiden ist noch ein
Rudolf von Beilstein geschichtlich nachweisbar, der vor 1226 seinen Anteil an
Schloss Merenberg an Hartrad IV. von Merenberg verkaufte. Über das Ver-
schwinden dieses Geschlechtes und den Übergang seines Besitzes an das Haus Nassau
GESCHICHTLICHES.
Tal - 5e»te
Fig. 94. Ruine Beilstein. Grundriss,
86
BEILSTEIN.
ist geschichtlich nichts Sicheres festzustellen. Sauer bringt es mit dem planmässigen
Vordringen des letzteren Hauses im Calenberger Zent und dem Erdehegau zu Anfang
des 14. Jahrhunderts zusammen, dem Merenberg durch Kauf anheimfiel. Er hält es
für möglich, dass die Beilsteiner als Nachbarn und Verwandte der Merenberger dem
gleichen Schicksal verfielen und sich auf die Herrschaft Greifenstein zurückgezogen
Fig. 95. Beil st ein. Holahaiis an der Dorfstrasse.
hätten, sodass der obengenannte Rudolf von Beilstein identisch mit dem als erste
geschichtliche Stammesperson nachweisbaren Rudolf von Greifenstein wäre.
Jedenfalls finden wir von 1341 an Beilstein in nassauischem Besitz. In diesem Jahr
findet eine Erbteilung zwischen den beiden Söhnen Heinrichs II. von Nassau-
Dillenburg statt, von denen Otto II. diese Linie fortsetzt, Heinrich, ursprüng-
lich dem geistlichen Stande angehörig, diesen verlässt, sich mit Meyna, der Tochter
Siegfrieds II. von Westerburg, vermählt und bei der Teilung den Calenberger Zent
erhält mit den Festen Beilstein, Mengerskirchen und Eigenberg sowie Haus Lieben-
scheid und „die Herrschaft zum Westerwalde". Das hiermit gegründete Haus Nassau-
Beilstein erfährt im Verlauf von fünf Generationen (Vogel, a. a. O.) mannigfache
Fig. 96. Ruine Beilstcin. Süd ansieht.
Fig. 97. Ruine Beilstein. Nordansicht.
BAUBESCHREIBUNG.
87
Erbteilungen, bis Johann III. 1556 den ganzen Besitz wieder in seiner Hand vereint,
aber nach kinderloser Ehe mit Anna von Nassau- Weilburg bei seinem Tode 1561 die
Nassau-Beilsteinische Linie beschliesst. Der Besitz fällt dann an Johann VI. den
Älteren der Oranischen Linie. Durch die Erbteilung von 1607 begründete sein Sohn
Georg die neue Beilsteinische oder neue Dillenburger Linie. Er residierte seit 1612
Fig. 98. Beilstein. Renaissancehaus neben der Burg.
im Schloss Beilstein und verlegte 1620 seine Residenz nach Dillenburg. Schloss
Beilstein bestand bis 1813, in welchem Jahr es von den Franzosen auf Abbruch ver-
kauft wurde. Jetzt wird es vom preussischen Domänenfiskus als Ruine erhalten.
Baubeschreibung. Ein Bruchsteinbau aus Säulenbasalt ohne jede Kunst-
form, zeigt der Bau in ausgeprägter Weise den eigentümlichen Mauerverband dieser
Steinart aus Binder- und Streckerschichten. Das vollständige Fehlen breiter Auflager-
flächen sowie die geringe Haftung des Mörtels an der glatten Aussenfläche der
kristallinischen Säulen macht diese Bauart besonders wenig widerstandsfähig gegen
zerstörende Einflüsse und hat die Burg in weniger als hundert Jahren zu einer ein-
sturzdrohenden Ruine gemacht, ein Zeitraum, der an manchen Schieferbauten des
Rhein- und Lahntals fast spurlos vorbeigegangen ist.
Der Hauptbau der Burg ist ein von Südost nach Nordwest langgestrecktes
Rechteck auf einem erhöhten Felsklotz, der nach dem Ulmbachtal steil abfällt. Hier
ist auf demselben ein grosses Rundell errichtet, das jetzt schwer zugänglich ist. Die
Langmauern des Hauptbaus haben 2'/2 ni, die schmalen Kopfseiten S'/a oi Stärke.
Der südöstliche Kopfbau ist über das drei Stockwerke enthaltende Gebäude noch
um zwei Stockwerke höher emporgeführt; schmale, dieselben verbindende Treppen
liegen in der Mauerdicke; im ersten Obergeschoss nimmt ein Kamin die Mitte der
Innenwand ein. So ist diesem Kopf bau, der an seinen Ecken durch stark vor-
springende massive Rundtürme von 4'/2 m Durchmesser verstärkt ist, die seiner
Lage an der Angriffseite entsprechende Bedeutung eines Bergfrieds zuzuschreiben.
Er erinnert als solcher an die ähnliche Anlage der Schildmauer auf der Burg Ehren-
88
BEILSTEIN.
Fig. 99. Beilstein. Burgruine von Osten.
fels am Rhein. Auch der allerdings viel selbständigere Bergfried der benachbarten
Burg Greifenstein mag zum Vergleich herangezogen werden.
Auch die schmale nach der Talseite gerichtete Nordwestfront besitzt die gleichen,
allerdings weit niedrigeren Eck-Rundtürme. Zwischen ihnen befindet sich die enge,
spitzbogige Eingangstür. Auch hier führt eine Treppe in der Mauerdicke auf den
Wehrgang. Eine Abbildung des Schlosses von 1824 im Landesarchiv zu Wiesbaden
BAUBESCHREIBUNG.
89
zeigt über dieser Kopfseite noch einen hohen Giebel ; die Ecktürmchen des südöst-
lichen Kopfbaus haben auf dieser Ansicht Zinnen und Bogenfries (s. Fig. 96, 97). Die
Langseiten sind mit unregelmässig angeordneten Fensteröffnungen durchbrochen, die
Flachbogenschluss gehabt zu haben scheinen.
I^ig. 100. Beilstein. Hans Roos.
Ob in diesem Hauptbau ein Rest der Burg der Edlen von Beilstein aus dem
12. Jahrhundert steckt oder ob sie nach dem Besitzwechsel des 14. Jahrhunderts von
den Nassauer Grafen von Grund aus neu aufgebaut worden ist, lässt sich bei dem
Fehlen jeder Kunstform nicht feststellen; die Einheitlichkeit der Anlage spricht für
das Letztere. Zweifellos hat die Burg als Residenz der Nassau-Beilsteinschen Linie
viel von ihrer Wehrhaftigkeit eingebüsst. So ist der Graben, der sie von dem über-
höhenden Gelände der von Südosten herabsteigenden Berglehne getrennt haben muss,
90
BEILSTEIN, PFARRKIRCHE.
gänzlich verschwunden. Ein wenig tiefer Graben von geringer wehrhafter Be-
deutung zieht sich jetzt an der Südwestseite bis zum Bachtal hinunter. Hier erheben
sich auf hoher Futtermauer zwei augenscheinlich spätere Gebäude, die erheblich tiefer
als die Hauptburg liegen. Sie haben ein rundbogiges Tor und regelmässige Fenster-
reihen. Der nördliche dieser beiden Nebenbauten zeigt im Obergeschoss die Reste
von zwei Kreuzgewölben. Zwischen diesen Bauten und dem Hauptbau ziehen sich
in verschiedener Höhe Mauern hin, vielleicht Zwingeranlagen, die unter dem massen-
haften sie überlagernden Schutt nicht genauer festzustellen sind.
Die südöstliche Grenze der Burganlage , die Stelle, wo sich früher der Halsgraben
befunden haben mag, wird von einem ausgedehnten, in stumpfen Winkeln sich zwei-
mal umbiegenden Stall- und Scheunenbau eingenommen, der zwar noch unter Dach,
aber so baufällig ist, dass sein südlichster Teil, der einen Torbau nach dem vorher
erwähnten südwestlichen Aussenbau bildete , erst vor wenigen Jahren eingestürzt ist.
Grosse später angefügte Strebepfeiler an dieser Ecke deuten darauf hin, dass man
diese Gefahr schon früher erkannt hat. Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man
in diesen Aussenbauten die Erweiterungen sieht, die Graf Georg von 1607 an aus-
führen Hess, ehe er 1612 seine Hofhaltung hierher verlegte. Der letzterwähnte
grosse Bau steht in Zusammenhang mit einem auf einer etwas tieferen Geländestufe
östlich sich anschliessenden Renaissancebau. Dieser schliesst einen nach Norden ge-
legenen Wirtschaftshof ab, von dem aus ein mit einer zierlichen Vorhalle überbauter
Eingang auf die Empore der sich ostwärts noch tiefer anschliessenden Kirche führt.
DIE EVANGELISCHE PFARRKIRCHE ist ein grosser Saalbau mit flacher
Decke, nach der Inschrift am unteren Portal 1614 begonnen, 1616 vollendet. Sie ist
im Innern mit Emporen gefüllt, welche die gesunde Konstruktion und die nicht un-
gefälligen Einzelformen der Zeit aufweisen.
Der Turm, ein schon bestehender Bau, der beim Kirchenbau benutzt wurde,
trägt eine in drei Stockwerken gegliederte welsche Haube mit dem Glockenstuhl.
Das schön geschmiedete Turmkreuz zeigt die Jahreszahl 1769. Über den Verlauf des
Baues, die dabei beschäftigten Handwerker, die aus ganz Nassau herbeigeholt wurden,
sowie über die Kosten gibt der oben genannte Aufsatz von Knetsch sehr genaue An-
gaben. Wir erfahren daraus, dass der Maurermeister Jost Haibach aus Ernsthausen
im Amt Weilmünster war, die Zimmerarbeiten von den Meistern Peter Cundts
aus Leun und Thebes Pauli aus Fleisbach, die Schreinerarbeiten von Simon
Balthes aus Dillenburg ausgeführt wurden. Der Gesamtbetrag, der für die Maurer-
arbeiten gezahlt wurde, belief sich auf 924 Gulden, der für die Zimmerarbeiten auf
381 Gulden.
Die neue Kirche bekam vier Glocken. Die grösste wurde zu Emmerichen-
hain gegossen; sie erhielt als Inschrift den Namen des Grafen Georg und der Gräfin
Amalia, von den andern berichtet Vogel (Nachlass), dass die Mittagsglocke die Inschrift
hatte: Hoctes atque dies proclamo tempora mundi ooce orba et üita nec mil)i lingua
fubeft lauf Ru&er gos mitit) zu Dirfdtjftein ano 1597. Die Gemeindeglocke : Tlüe ntaria
BERGEBERSBACH, KIRCHE.
91
0 vtf glorie ueni cum pacc. Die Bürgermeisterglocke: Rinkcr üon Icun goß midi)
anno 1798.
An Holzhäusern besitzt das Dorf Beilstein einige schöne Beispiele, leider
ohne Datierung. Die hierbei abgebildeten sind ein teilweise vernachlässigtes grosses
Haus an der Hauptstrasse, der Mühle gegenüber und das Haus des Besitzers Roos, Nr. 35.
BERGEBERSBACH, STRASSEBERSBACH.
Vogel, Beschreibung 713. — Vogel, Archiv i, 118 — 144.
5 AS evangelische Pfarrdorf Bergeber sb ach liegt 10,5 km nördlich von
Dillenburg im Tal der Diezhölze. Wenn auch auf ein hohes Alter des
Ortes aus dem Umstand geschlossen werden darf, dass bereits im 10. Jahr-
hundert hier ein eigener von Haiger getrennter Kirchspielsverband be-
standen hat, so ist aus seiner Geschichte doch nichts anderes
bekannt, als dass sein Besitz im 14. Jahrhundert Gegenstand
langwieriger Streitigkeiten zwischen Nassau und den Herren
von Bicken war. Dieser endete erst 1486 mit einem Vergleich,
wonach die letzteren das Gericht Ebersbach mit Ausnahme
des Kirchensatzes und anderer Vorbehalte für 3000 Gold-
gulden an Nassau erblich überliessen (Vogel).
Im Jahre 1769 brannte das Dorf fast gänzlich ab.
DIE KIRCHE stammt aus dem 13. Jahrhundert und
hat im 15. Jahrhundert einen Umbau erfahren. Der Turm-
helm scheint nach dem Brande von 1769 neu aufgebaut zu
sein. Sie ist eine Hallenkirche mit tiefem, im Achteck ge-
schlossenen Chor und viereckigem Westturm.
Der Chor liegt um fünf Stufen höher als das Schiff
und hat zwei spitzbogige, rippenlose Kreuzgewölbe ; die Wände
sind durch ebenfalls spitzbogige Schildbogen ohne Kämpier-
gesims gegliedert. Der breite Chorbogen hat in der Mitte
einen eckigen Vorsprung, der auf zwei 70 cm starken Halb-
säulen ruht. Diese sind leider stark verstümmelt, doch haben
sich die mit Eckblättern belegten , frühgotisch profilierten
Basen und an der Südseite ein schön gezeichnetes Kapitäl
erhalten, dessen Blätterschmuck und Deckplatte noch fast
romanisch sind. Das Schiff, ursprünglich wohl flachgedeckt,
hat in spätgotischer Zeit eine Teilung in drei Schiffe erhalten,
die mit neun Kreuzgewölben überdeckt wurden. Diese haben
einfach hohlprofilierte Gurten und Gräte, die aus vier schlanken
J^ig. 101. Bergebersbach.
Pfarrkirche.
92
BERGEBERSBACH.
Rundpfeilern ohne Kapitale hervorwachsen ; die Gurte setzen tiefer an als die Gräte,
deren Schlussteine durch Ringe bezeichnet sind. Die schlanken, teils rundbogigen, teils
viereckigen Fenster sind nicht die ursprünglichen; eine Tür, die von Süden in den
Chor führt, scheint noch aus der roma-
nischen Bauzeit zu stammen.
Der Turm ist eine schlichte, vier-
eckige Mauermasse und öffnet sich in
dem mit einem rippenlosen Kreuzge-
wölbe überdeckten Erdgeschoss mit ei-
nem hohen Bogen gegen das Mittel-
schiff. Die hochgelegenen Schallöff-
nungen sind klein. Das (neue) Glocken-
haus bildet einen aus Zimmerwerk er-
bauten verschieferten Aufsatz mit ein-
wärts geschweiftem Zeltdach und vier
mit Schall-Lucken versehenen Giebeln.
Die Steinkansel ist nüchtern spät-
gotisch, achteckig, getragen von einer
Säule mit gewundener Riefelung ; mit
ähnlichen dünnen Säulchen sind die
Kanten besetzt, die Flächen mit flachem
Fischblasenmasswerk belegt.
Die Kirche ist ganz mit Emporen
angefüllt, die zum Teil gute Holzarbeit,
namentlich im Chor schön profilierte
Rundpfosten haben. Eine hübsche Holz-
treppe mit offener, gewundener Spindel
führt in der Südwestecke des Schiffs zu
den Emporen ; eine zweite Steintreppe liegt
im Mauerwerk der nördlichen Turmwand.
Ein gusseisernes WcDidepitaph im
Chor enthält die Inschrift:
JOHANNES HEIDFELDIUS
THEOLOGUS ET PHILOSOPHUS
PROFESSOR IN INCLYTA NASSOVIA
HUJUS ECCLESIAE PASTOR
PIETATE, ERUDITIONE ET SCRIPTIS CLARUS
NATUS WALTROPII WESTPHOR. A. C. 1563
DENATUS EBERSßACHII NASSOVIOR. 1629
ET
CATHARINA NOVIOMAGA DICTA GELDENHAUSEN
1560-1624.
SPIRITUS IN COELO RECUBANT HIC MOLLITER OSSA
HEIDFELDI TOTO FAMA SED ORBE VOLAT
G. CORVINUS FEC.
Fig. 102. Bernebersbach. Pfarrkirche. Kapitäl am
Cliorbogcn. Turiiispitse.
STRASSEBERSBACH. — BREITSCHEID.
93
Zwei Glocken haben die Inschriften :
Hoe maria gracia plena | dominus tecum
benedicta | tu in mulieribus et | benedictus
fructus üentris | tui i • ö • s fus amen
f MCCCCXLII (1442).
0 fancta oirgo margarettja 1 omni
tempore benedicta | pro nobis tu criftü
implora | cü mala inftat nobis aura |
millefimo quingentelimo xii | menfe octo-
bri (1512 wahrscheinlich bei Pestgefahr
gestiftet).
Das im Tal liegende Dorf Strass-
ebersbach hat eine kleine, St. Jo-
hannes dem Täufer geweihte Kirche in
völlig schmucklosem romanischem Über-
gangsstil. Das rechteckige Schiff ist
flachgedeckt, der schmälere Chor im
Achteck geschlossen und mit einem
spitzbogigen, rippenlosen Kreuzgewölbe
bedeckt, die Wände mit sehr spitzen
Schildbögen. Fenster und Westtüre haben
sehr gedrückte Spitzbögen.
Die einzige Glocke der Kirche hat
die Inschrift : fuit öomo miffus a deo I
cui nomen erat ioöannes | W uenit tefti^
monium anno|dni MDXii (1512).
Fig. 103. Bergebersbacli. Pfai rkirche. Sti inkansel .
BREITSCHEID.
Vogel, Beschr. von Nassau 721.
REITSCHEID. 9,4 km südwestlich von Dillenburg. Eine Kapelle war
(nach Vogel) hier schon 1349 vorhanden. Die jetzige Kirche soll 1629 und
1727 erbaut sein. Dies kann sich nur auf das Schiff beziehen, indem der
Turm, ein ganz roher und unbedeutender Bruchsteinbau, der Zeit vor
1349 angehört. Er ist ein niedriger, viereckiger Basaltbau mit modernem Dache und
steht an der Ostseite der Kirche. Sein Erdgeschoss mit spitzbogigem Kreuzgewölbe
ohne Rippen und ohne vortretende Schildbögen, mit kleinen, schmalen Spitzbogen-
fenstern bildet den Chor. Der Triumphbogen ohne Gliederungen zeigt den Halbkreis (Lötz ).
94
BURG. — DERNBACH. — DRIEDORF.
BURG.
Vogel, Besclir. von Nassau 720.
URG, 2 km nördlich von Herborn.
DIE PFARRKIRCHE „Unsrer lieben Frau auf dem Berge" liegt
neben einer vielleicht in der Dernbachischen Fehde (13. Jahrhundert) zer-
störten Burg, von der sich (nach Vogel) nur noch Spuren in der Erde finden.
Roher Bruchsteinbau in romanischem Übergangstil ; besteht aus einem flach-
gedeckten Schiff, gegen welches sich eine gleichbreite, halbrunde Apsis mittels eines
weit engeren Rundbogens öffnet.
Einige Spitzbogenfenster mit schrägen Gewänden, eine vermauerte Tür am
Ostende der Südseite mit nur drei Steine zählendem Rundbogen und eine ebenfalls
vermauerte Spitzbogentür an der Westseite sind nebst den flachen, roh gemauerten
Streben am Anfang der Apsis die einzigen alten Einzelheiten. Der Westseite ist in
neuerer Zeit ein kleiner, schlichter, viereckiger Turm von Backsteinen vorgesetzt
worden (Lötz).
DERNBACH
Vogel, Beschr. von Nassau 722.
ERNBACH, der südlich von Herbornseeibach auf der linken Seite der
Aar gelegene, jetzt bis auf wenige Spuren verschwundene Stammsitz des
gleichnamigen Rittergeschlechtes kommt 1263 zuerst vor, dessen sämt-
liche Ganerben (concastellani hi Dermbach) ein gemeinschaftliches Burg-
siegel hatten. In der Fehde mit Nassau räumten die Besitzer 1309 die Burg Hessen
ein, das sie wiederherstellte. Nach mehrmaliger Zerstörung und einer letzten Her-
stellung im Jahr 1337 ging sie bald durch Feuer gänzlich zu Grunde. Ein neben
der Burg gelegenes kleines Dorf, das 1376 noch genannt wurde, soll zu einer Pest-
zeit ausgegangen sein.
Tonrelief: Meister Reinecke predigt den Gänsen, drei Zoll lang, zwei Zoll
hoch, bei der Ruine gefunden, seit 1855 im Museum zu Wiesbaden (Period. Blätter,
Februar 1855, Nr. 4, S. 124) (Lötz).
DRIEDORF.
Wenck, i. 509 f. und Urk. 213 f. 225, 328, 329. — Vogel, Nass. Ann. i, Heft 2, 3, S. 214 bis
224; 2. Heft I, S. 171 — 180; Vogel, Beschr. von Nassau 249 f., 725.
RIEDORF, 13 km südwestlich von Dillenburg im weiten Tal des Reh-
bachs, ist eine frühe Ansiedelung, die durch ihre Lage an der alten von
Köln nach Frankfurt führenden Strasse schon früh eine gewisse Bedeutung
gehabt haben muss.
GESCHICHTLICHES.
95
Fig. 104. Driedorf. Ruine der Unterburg.
Geschichtliches. Seine erste Erwähnung geschieht 1100; 1285 ist es Sitz
des Centgerichtes und wird bereits 1290 als „Stadt" bezeichnet, obgleich die Ver-
leihung der Stadtrechte erst 1305 durch König Albrecht auf Betreiben des Grafen
Emich von Nassau-Hadamar erfolgte.
Besonders begütert waren hier die Herren von Greifenstein und Licht en-
stein. Die Ausdehnungsgelüste der Nassau-Ottonischen Linie, denen man im 13. Jahr-
hundert in diesem Landesteil begegnet, mussten sie bald mit diesem Hause in feindliche
Berührung bringen. In einer Fehde der Brüder Crafto und Rorich von Greifen-
stein mit Nassau unterlagen die ersteren ; um 1280 wurde ihre Stammburg zerstört
und auf ihrem Eigentum in Driedorf zwei Trutzburgen von Nassau erbaut. Ein 1290
geschlossener Vergleich verschaftte den drei Söhnen Ottos, den Grafen Heinrich,
Emich und Johann, die Hälfte des Greifensteinschen Besitzes in Stadt und Kirch-
spiel Driedorf Dieser Anteil kam bei der Teilung von 1303 an Emich, den Begründer
der alten Nassau-Hadaniarschen Linie, der hier residierte; durch Kauf wurde er 1316 um
die andere Greifensteinsche Hälfte und 1334 um den Lichtensteinschen Anteil vergrössert.
Nach Johannes, des Sohnes Emichs, Tode zog Hessen 1370 als Lehensherr das
Lehen ein und gab im folgenden Jahre zwei Teile desselben an Graf Ruprecht,
Walramischer Linie, den Schwiegersohn Johanns und, als dessen Witwe Anne sich
in zweiter Ehe mit Diether VI. von Katzenelnbogen vermählte, an dieses Haus. In
den Fehden, die sich hieraus zwischen Nassau und Hessen entspannen, scheint die
obere Burg Schaden gelitten zu haben, da 1403 ihre damaligen Besitzer Landgraf
Hermann vonHessen und Graf JohannvonKatzenelnbogen ihren Wieder-
aufbau beschlossen. Von 1470 an war Hessen im alleinigen Besitz von Driedorf und
trat es erst 1557 an Nassau ab, das im folgenden Jahre eine neue Kellereiwohnung
baute. Von 1604 bis 1739 war die neue Nassau-Dillenburger Linie im Besitz; im
ersten Jahre liess Grafjohann die Burg von Grund aus herstellen und vergrössern;
in der oberen Burg erbaute Fürst Ludwig Heinrich 1660 eine Schlosskirche.
Stadt und Burgen wurden mehrmals durch Feuersbrünste heimgesucht ; so durch die
von 1635 und die von 1672, die der oberen Burg den Untergang brachte. Der grosse
FELDBACH.
Stadtbrand von 1819, infolgedessen der ganze Ort neu aufgebaut wurde, war auch
die Veranlassung, dass die bis dahin bestehende Stadtbefestigung, aus einer mit
Türmen besetzten Ringmauer bestehend, und ihre vier Tore, die nach den Städten
Mainz, Koblenz, Köln benannt waren, abgebrochen wurden.
Das einzige erhaltene Stück der Stadtbefestigung, bei den Resten der oberen
Burg stehend, besteht noch aus zwei Türmen nebst dem verbindenden Mauerstück.
Die Türme sind viereckige „Schalen" mit nach der Stadtseite offener spitzbogiger
Überwölbung, das Erdgeschoss geschlossen und mit einem Flachbogen überwölbt.
Die Treppen sind in geraden Läufen teils an, teils in der Turmmauer hochgeführt,
der Wehrgang rechtwinklig ausgekragt.
Von der Oberburg sind nur Reste sehr starker Mauern, die sich von der
Stadtmauer ziemlich weit in die bewohnten Quartiere erstrecken. Sie haben hier
abgerundete Ecken, lassen aber die Einzelheiten der Anlage nicht mehr erkennen.
Auch die Unter bürg ist ein von Jahr zu Jahr sich vermindernder Trümmer-
haufen ohne architektonische Einzelheiten. Sie war eine Talburg, in einem von dem
Rehbach gespeisten Teiche gelegen, der jetzt eingeebnet ist (wie es heisst mit den
Steinen des 1780 umgestürzten viereckigen Hauptturms). Sie wurde 1347 den Herren
von Mudersbach als Erbburgmännern übergeben, die sie später von Hessen zu Lehen
trugen. Nach ihrem Aussterben 1600 fiel die Burg an Hardmut von Cronberg,
der sie damals schon als Halbruine 1610 an Nassau verkaufte.
Die Burg nahm ein Quadrat von 38 m Seitenlänge ein ; der Innenraum war
durch eine Mauer in ein Wohngebäude und einen breiteren Hof geteilt. Eine Tür
und einige Fenster, die in dem zerfallenden Basalt- Mauerwerk noch zu erkennen sind,
haben stichbogigen Abschluss. Die Kragsteine der Balkenlagen und einiger Kamine
sind noch vorhanden, letztere sind einfach gerundet und abgekantet.
FELDBACH.
Vogel, Beschr. v. N. 709. — Gütz, Regesten S. 276, 10. Lept.
ER Hof Feldbach (dem Domänenfiskus gehörig), 1,4 km südlich von
Dillenburg, früher ein Dorf, besass schon im 13. Jahrhundert eine Kirche,
von Graf Otto von Nassau erbaut, von seiner Witwe Agnes vollendet
und 1294 von der Mutterkirche in Herborn getrennt. Von da ab diente
sie bis 1490 als Pfarrkirche für Dillenburg. Als die Pfarrei an diesen Ort verlegt
wurde und 1576 Graf Johann der Ältere das Dorf und den Pfarrhof vertauschte,
was die Bewohner zur Auswanderung nach Dillenburg veranlasste, wurde die Kirche
als Scheune benutzt; als solche brannte sie 1860 aus und steht seitdem als Ruine.
Sie ist ein einschiffiger, gotischer Bruchsteinbau mit schmälerem, im halben
Achteck geschlossenen Chor und ohne Turm.
HÖRBACH.
97
Der Chor ist noch mit zwei spitzbogigen, rippenlosen Kreuzgewölben geschlossen,
die gegen ungegliederte Schildbögen anfallen. Drei zweiteilige Spitzbogenfenster
im Chorschluss haben hohlgegliedertes Masswerk, teilweise zerstört. Der ungegliederte
Chorbogen ist spitzbogig. Das Schiff hatte eine gewölbte Bretterdecke mit sichtbar
durchlaufenden Binderbalken und spitzbogige Öffnungen. Alle Formen der Ruine
lassen erkennen, dass sie nicht dem Bau des 13. Jahrhunderts, sondern einem späteren
Neubau des 14. oder 15. Jahrhunderts angehört.
Fig. 105. Rittershausen. Kapelle.
HÖRBACH.
ÖRBACH, 3 km südwestlich von Herborn.
KAPELLE. Hatte bis zur Reformation eigene Kapellane. Auf das
13. Jahrhundert deuten die kleinen Rundbogenfenster in Verbindung mit
dem spitzen Chorbogen und rippenlosen Kreuzgewölben des in einem
niedrigen Turm befindlichen Chores. Der Turm oben nur mit Lichtspalten ver-
sehen; sein oben achteckiger Helm und das teilweise aus Fachwerk bestehende Schiff
aus späterer Zeit (Lötz).
7
98
NENDEROTH.
NENDEROTH.
Vogel, Beschr. 728. — Schannat, Hist. Wormat. II 32.
^AS evangelische Pfarrdorf Nenderoth, 15,8 km südwestlich von Dillen-
burg, auf weitschauender Höhe nahe der Quelle des Kahlenberger Bachs
gelegen, sieht auf ein hohes Alter zurück. Im Jahre 993 schenkte König
Otto das Dorf, das nach dem Tode seiner Besitzerin, einer Freifrau Acela,
dem Reiche heimgefallen war, nebst seiner neu erbauten Kirche dem Bistum Worms.
Es war der Mittelpunkt des Calenberger Zents, den die Herren von Merenberg als
Vögte von Worms um 1226
unter dem Namen des Gaues
Nencherode (Nancheresrode) zu
Lehen trugen und der hier sei-
nen Gerichtssitz hatte. Durch
Kauf ging dies Gericht mit
allen Leibeigenen 1310 an
Nassau über.
PFARRKIRCHE. Die
jetzige Pfarrkirche ist nach ihren
schlichten Formen des Über-
gangsstils in den Anfang des
13. Jahrhunderts zu setzen. Das
flachgedeckte Schiff hatte ein
südliches Seitenschiff, dessen
zwei rundbogige, ungegliederte
Arkaden in der Südwand ver-
mauert sind. Die spitzbogigen
Oberfenster dieser Wand sind
jünger ; die Tür in der West wand
zeigt den Spitzbogen, ist aber
Fig. 106. Nenderoth. Pfarrkirche. SOnst ganz Ungegliedert.
Der im Osten stehende Turm bildet im Erdgeschoss den Chor, dem sich eine
Apsis mit Halbkuppelgewölbe anschliesst. Das Gewölbe im Turm ist wie der un-
profilierte Chorbogen spitzbogig und rippenlos ; starke Schildbögen ruhen auf Eck-
pfeilern. Der Chor hat kleine romanische Rundbogenfenster, davon drei in der Apsis.
Der Turm hat gekuppelte Schallöffnungen, deren Rundbogen auf kleinen Säulen
ruhen, mit primitiven Knospenkapitälen und attischen Basen mit runder Unterlags-
platte. Der Ort besitzt einige gut erhaltene Fachwerkhäuser.
3^
TRINGENSTEIN
99
Fig. 107. Burg Tringenstein. (Nach einem Modell).
TRINGENSTEIN.
Vogel, Nachr. über die Burg Tringenstein. Nass. Annal. 3 b. 24— 3 5 . — Vogel, Beschr. v. Nassau 724.
IE Burgruine Tringenstein liegt auf einem nach der Tringensteiner
Scheide abfallenden Hügel, 9,5 km östlich nach Norden von Dillenburg.
Als Nassau-Dillenburgsche Grenzburg gegen Hessen soll die Burg (nach
Vogel) 1323—1325 in der Dernbachschen F"ehde von Graf Heinrich I.
erbaut sein ; ihre erste urkundliche Erwähnung findet sich erst 1356.
Graf Johann IV. erweiterte und verschönerte sie 1472; unter seinem Nach-
folger wurde die Kapelle 1489 neu geweiht. Im 17. Jahrhundert war sie bereits ver-
fallen, sodass Graf Ludwig Heinrich sie 1625 herstellen liess. Nach dem Aus-
sterben der Dillenburger Linie scheint sie dem Verfall preisgegeben worden zu sein,
der, nachdem 1773 die Türen und Fenster verkauft waren, schnellen Fortgang nahm,
sodass jetzt kaum noch die Grundmauern zu erkennen sind. Nach einer 1828 von
Chelius in Dillenburg aufgenommenen Grundrisskizze im Landesarchiv zu Wiesbaden
und eigenen Zeichnungen aus den vierziger Jahren hat Herr J. H. Hoffmann in Herborn
die Burg in einem Modell zu rekonstruieren versucht, wonach die Figur 107 gezeichnet ist.
Der Grundriss des Wohngebäudes war eckig-oval ; ihm schloss sich nördlich der
Burghof an, der durch ein in der Ostecke befindliches Tor zugänglich war ; das Tor-
haus war beiderseitig rund abgeschlossen, für Rundtürme (wie Lötz annimmt) war kein
Platz. Die Nordwestecke des Hofes nahm die Kapelle ein, die einen achteckigen
Chorschluss und an der Südwestecke ein rund vorspringendes Türmchen hatte.
Weiter nach Westen standen im Anschluss an das „Schloss" Wirtschaftsgebäude.
Eine Glocke von der Burgkapelle, jetzt in der Kapelle des Dorfes hängend, hat die
Inschrift- ludiDig ftenridt) ßroff zu naffau - hans henfdöele uon Itlain^ goß midt) 1636.
7*
100
WALLENFELS. — HACHENBURG.
WALLENFELS.
ALLENFELS, eine Burgruine, deren kaum noch erkennbare Reste am
Siegenbach 3 km nördh'ch von Tringenstein liegen, scheint dieselbe Ent-
stehungsursache wie diese gehabt zu haben. Sie wurde 1334 zum erstenmal
erwähnt, als H e i n r i c h I. v o n N a s s a u sie an Hessen zu Lehen auftrug.
Später wurde sie nebst dem Dorfe an die Herren von Bicken verpfändet, die hier
ihren Wohnsitz nahmen. Mit der Rückgabe an Nassau 1486 erlöschen alle Nach-
richten von ihr (Vogel, Nass. Ann. 3 b 14 bis 23).
HACHENBURG.
Vogel, Beschreibung 217 ff., 690 f.
ACHENBURG, Stadt und Schloss auf weithin herrschender Höhe über
dem linken Ufer der grossen Nister gelegen, ist alter Gräflich Saynscher
Besitz. Dies Geschlecht wurde um 1176 von dem Erzbischof von Köln
damit belehnt, als es das Erbe der Grafen von Saffenburg als kölnischer
Vögte des Avalgaus antrat. Vorübergehend ging der Besitz 1247 an die Grafen von
Sponheim über, als Graf Heinrich III. von Sayn (der zweite Gründer von
Marienstatt), der in kinderloser Ehe mit Mathilde von Wied-Neuerburg ver-
mählt war, die vier Söhne seiner mit Johann von Sponheim vermählten Schwester
Adelheid zu Erben einsetzte. Der Enkel der letzteren, Gottfried vonSponheim,
erhielt bei einer Erbteilung die Grafschaft Sayn mit Hachenburg. Er nannte sich
von da ab von Sayn und trug die Grafschaft dem Pfalzgrafen Ludwig zu Lehen
auf. Diese Linie starb 1606 aus, und die Grafschaft fiel an die jüngere Linie Sayn-
Wittgenstein, von der sie durch weibliche Erbfolge an die Burggrafen von Kirchberg
und 1799 an Nassau- Weilburg kam.
Den Namen Hachenburg scheint zuerst der jetzige Nachbarort Altstadt geführt
zu haben; als um 1200 in seiner Gemarkung durch die Grafen von Sayn die Burg
erbaut wurde, ging der Name auf diese und die alsbald um dieselbe entstehende
Stadt über. Die Burg wird zuerst 1221 erwähnt. Bei dem Übergang der Grafschaft an
Sponheim 1247 wird dabei auch die Burg und Stadt Hachenburg aufgeführt. Stadt-
rechte erteilte ihr erst Kaiser Ludwig 1314, der von hier aus mehrere Urkunden datierte.
DIE STADT HACHENBURG enthält keine Reste aus ihrer frühesten Ver-
gangenheit, da sie von zahlreichen Feuersbrünsten heimgesucht wurde. Dafür bietet
ihr Marktplats ein selten schönes Stadtbild. An dem stark ansteigenden Platz, dessen
unteren Teil ein schöner Brunnen mit dem nassauischen Löwen schmückt, reihen
sich Giebelhäuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert, aus denen sich am obersten
Teil die evangelische Kirche abhebt, mit einem Durchgangsbogen an die schwere
Fig. 108. Hachenburg. Katholische Pfarrkirche vor dein Umbau. Seitenaltar , Kanzel und Beichtstuhl.
KIRCHEN.
101
Baumasse des Schlosses gelehnt. An der Nordseite des Platzes tritt der stattliche
Renaissatice-Giebelbati des Gasthauses „zur Krone" hervor, daneben die schöne
Barockfassade der katholischen Kirche, neben der in den letzten Jahren ein mit
Geschick in das Stadtbild komponierter Glockenturm erbaut worden ist.
DIE EVANGELISCHE KIRCHE ist aus der Nikolaikapelle entstanden, die
Graf Gerhard von Sayn (geb. 1417, f 1493) stiftete und für die er 1459 einen hundert-
tägigen Ablass erwirkte. Chor und Turm stammen noch von diesem ersten Bau,
der fünfmal, nämlich 1439, 1484, 1503, 1594 und 1654 abbrannte. Das Schiff ist 1575
und 1576 erbaut; von ihm führt ein mit einem Bogen über die Strasse geleiteter Gang
zum Schloss.
Der Chor, im Achteck geschlossen und dreijochig, ist jetzt flach gedeckt; die
Gewölbe wachsen aus den nach innen gezogenen flachen Strebepfeilern heraus, die
sich oben als spitzbogige Blenden zusamnienschliessen. Die Fenster, in einfach schrägen
Gewänden liegend, haben spätgotisches Fischblasen-Masswerk, das auf einer, im Ost-
fenster auf zwei Mittelstützen ruht. Der Turm steht südlich neben dem zweiten
Chorjoch; er steigt schlicht viereckig ohne Streben auf und enthält im Erdgeschoss
die Sakristei, die mit einem rippenlosen, spitzbogigen Kreuzgewölbe auf Konsolen
überdeckt ist. Ein steinerner Altartisch in der Sakristei hat ähnliche Ecksäulchen
wie der zu Marienstatt.
DIE KATHOLISCHE PFARRKIRCHE ist ursprünglich eine Franziskaner-
Ordenskirche. Salentin Ernst von Manderscheid hatte dem Orden eine kleine Kirche
nebst Wohnhaus erbaut, die 1664 vollendet wurde. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts
waren Kirche und Kloster baufällig geworden, doch stiess die Absicht eines Neubaus
auf Schwierigkeiten bei dem protestantischen Landesherrn, Grafen Georg Friedrich
von Sayn (1715 bis 1749), die erst gehoben wurden, als der Franziskanerprovinzial
Angelus Brinkmann eine Bittschrift einreichte, die der ganze Konvent unterzeichnet
hatte. Nach der 1732 erteilten landesherrlichen Erlaubnis wurde zwei Jahre später
der Grundstein gelegt und 1739 die Kirche geweiht. Leider lässt das Fehlen schrift-
licher Aufzeichnung eine Nachprüfung dieser mündlich überlieferten Daten nicht zu.
Die Jahreszahl 1734, die sich in einer jetzt an der Dachspitze über dem Chor ange-
brachten Wetterfahne findet, lässt der Vermutung Raum, dass die Erbauungszeit
der Kirche 1732 — 1734 anzunehmen ist (Mitt. des Pfarrers Dr. Steyer).
Nach der Aufhebung des Klosters 1813 wurde die Kirche zur Pfarrkirche ge-
macht; in den letztvergangenen Jahren wurde sie nach den Plänen des Architekten
C. Senff in Bonn durch Hinausrücken des Chors nach Osten erweitert und an der
Strassenfront über dem nördlichen Nebenausgang mit einem Turm versehen, der sich
in glücklicher Weise den Bauformen der Kirche anschliesst.
Die Kirche war eine einschiffige, dreijochige Saalkirche, mit einem Korbbogen-
gewölbe mit Stichkappen überdeckt. Die breiten Gurten waren als Pilaster mit tos-
kanischem Gebälk an den Wänden fortgesetzt. Die Schiffsbreite war nach dem
102
HACHENBURG.
schmäleren Chor durch zwei Schrägwände übergeleitet, an denen die Seitenaltäre
ihren Platz fanden. Diese sowie der Hochaltar und die an der Nordwand befindliche,
durch eine aussen hegende Treppe zugängliche Kanzel sind hervorragende Werke
der Barockkunst in einer reich verkröpften Säulenarchitektur aus Eichenholz mit
Nussholzfournier und Maserholzeinlagen, mit lebensvoll geschnitzten Engel- und
Heiligenfiguren reich besetzt. Die Chorschranken sind durch kräftige viereckige
Docken mit Deckgesimsen aus verschiedenfarbigem Nassauer Marmor gebildet.
Das Kirchengestühl hat gut profilierte, mit dicken Kugeln besetzte Kopfstücke
aus Eichenholz. Die Kanzel mit einem etwas zu wuchtigen Schalldeckel-Aufbau
hat auf den vier Seiten zwischen reich geschwungenen Konsolen die in Öl ge-
malten Bilder der Evangelisten in reich geschnitzten Barockkartuschen. Die Kanzel
wurde bei dem Umbau an die Südwand versetzt und erhielt eine neue Treppe mit
geschnitztem Geländer.
Da die Kirche auf einem schmalen, von Nachbargrundstücken beengten Bau-
platz liegt, so hat nur ihre Westfront eine monumentale Ausbildung erhalten. Sie
ist durch vier Lisenen gegliedert, von denen sich die beiden mittelsten über das ver-
kröpfte Hauptgesims bis zum obersten Giebeldreieck erheben, von dem aus elegant
gezeichnete Voluten zu den Ecken des Hauptgesimses überleiten. Ein Haupt- und ein
nördliches Nebenportal haben über den mit einem Korbbogen geschlossenen Tür-
öffnungen geschweifte und gebrochene Giebel. Die drei grossen Fenster der West-
fassade sind ebenso wie die der Südseite rundbogig geschlossen, unter ihnen sind zwei
viereckige Fenster zur Erleuchtung des Raumes unter der Orgelbühne angebracht,
die sich inwendig der Westwand vorlegt. Auch das Orgelgehäuse zeigt in etwas ein-
facheren Formen die gute Ausführung der anderen Ausstattungsstücke.
An Altargeräten besitzt die Kirche zwei silberne, teilweise vergoldete
Barockkelche und eine derselben Stilperiode angehörige silbervergoldete Somien-
moHstranz.
DAS SCHLOSS scheint im 17. Jahrhundert, als Hachenburg ständige Residenz
der Sayner Grafen wurde, an der Stelle der alten Burg des 13. Jahrhunderts erbaut
zu sein. Um das obere eigentliche Schlossgebäude, das den Gipfel des Schlossbergs
einnimmt, legen sich auf einer tieferen Terrasse lange Flügel des unteren Schloss-
gebäudes, Remisen und Stallungen. Durch den südlichen Trakt dieses Schlossteils
führt eine Durchfahrt in den unteren Schlosshof, von dem man vermittelst einer
Brücke über den jetzt zugeworfenen Schlossgraben das Obers chloss betritt. Dieses,
jetzt von einer Königlichen Forstschule, einer Oberförsterei und dem Katasteramt
eingenommen, ist ein aus fünf zusammenhängenden Flügeln bestehender Bau, der
sich mit einer offenen Terrasse gegen Nordost öffnet. Er hat über zwei Kellerge-
schossen ein Erdgeschoss, ein Zwischen-, ein Ober- und ein Mansardgeschoss. Das
Innere enthält noch einige Reste der alten Ausstattung, die zwar keinen grossen
herrschaftlichen Aufwand bekunden, aber immerhin als Originalarbeiten des 17.
und 18. Jahrhunderts kunstgeschichtliches Interesse haben. Es sind: ein Speise-
SCHLOSS.
103
Zimmer im Erdgeschoss des Westflügels mit eingebautem Büffet aus Eichenholz ;
im ersten Obergeschoss des westlichen und südwestlichen Flügels sowie der
Südostecke daselbst einige Räume, deren Wände in ganzer Höhe mit Eichenholz
Fig. 110. Hachenburg. Scliloss. Grundriss des Erdgeschosses.
verkleidet sind, Marmorkamine mit eingelassenen Spiegeln, Stuckdecken und einige
gemalte Supraporten.
Das Äussere ist in einem ziemlich nüchternen, klassizistischen Stil erbaut und
wirkt nur durch seine imponierende Baumasse. Nur der Südwestflügel kennzeichnet
sich als ältester, dem Anfang des 17. Jahrhunderts angehöriger Teil durch gekuppelte
Fenster mit Falzprofilen. Ein Eisengitter auf der Westecke des Schlosses, das den
unteren Schlosshof gegen die ,, Schanze" abschliesst, enthält ein ziemlich kunstvolles
schmiedeeisernes Tor. Ein auf der Mitte der Terrasse aufgestellter, jetzt als Blumen-
behälter dienender, augenscheinlich stark restaurierter Taufstein, über dessen Herkunft
keine Nachrichten vorliegen, ist demjenigen der Kirche zu Altstadt ähnlich.
Das Gasthaus „Z ur Krone" am Marktplatz, neben der katholischen Kirche
gelegen, ist ein stattlicher Steinbau in Spätrenaissanceformen von drei Stockwerken
104
HACHENBURG.
über dem Erdgeschoss und einem zweigeschossigen Giebel, der mit Voluten und
steinernen Spitzen besetzt ist. Aus dem ersten Obergeschoss springt ein mit den
gekuppelten Fenstern des Erdgeschosses zusammengebauter steinerner Erker mit tos-
kanischen Pilastern auf verzierten Steinkonsolen vor, der auf dem Schwellstein die
Inschrift trägt: Wer ■ wel ■ baven ■ an ■ de • Strusen • der ■ moss • sech ■ kein • vnnevtse •
reden ■ in • verross (?) • ne • ehren (irren) ■ lasen. Eine Wetterfahne auf einer schön ver-
zierten Stange überragt den Giebel. Im Innern ist die schwer aus Eichenholz erbaute
Treppe mit hübschem Geländer erhalten.
Fig. III. Hachenburg. Stadtwappen.
ALTSTADT, PFARRKIRCHE.
105
Fig. 112. Altstadt. Pfarrkirche.
ALTSTADT.
Vogel, Beschreibung 691. — Mitt. des Nass. Altert. -Ver. 1867, 5, 6, S. 16 f.
Wt^^jj^^P AS Pfarrdorf Altstadt, 1 km südlich von Hachenburg gelegen, führte
kB'j^^Sc nach Vogel ursprünglich den Namen dieser Stadt, den es erst verlor, als,
2lv5^2lf£ vermutlich um 1200, mit dem Bau der Saynschen Landesburg in seiner
VCRäj'- Gemarkung die jetzige Stadt Hachenburg entstand.
DIE PFARRKIRCHE ST. BARTOLOMÄUS, die als die Mutterkirche der
Hachenburger Kirche gilt, ist eine romanische Basilika mit Querschiff, drei halb-
runden Absiden und Westturm. Die flach gedeckten Schiffe des Langhauses werden
durch eine auf vier breiten, viereckigen Mauerpfeilern ruhende Arkatur getrennt;
der östliche Bogen der Südarkade hat grössere Spannweite als die übrigen. Die
Pfeiler haben Kämpfergesimse, die teils aus einfachen Schmiegen, nächst dem Chor
aus Karnies mit Platte oder Platte, Kehle und Rundstab bestehen und von denen
eins im Westen zwei tauförmig gewundene Stäbe zeigt.
Die Vierung, der ursprüngliche Chor, ist mit einem rippenlosen Kreuzgewölbe
bedeckt, das ebenso wie alle Bögen, Fenster und Türüberdeckungen den Rund-
106
ALTSTADT.
bogen zeigt. Nur die ebenfalls flach gedeckten Kreuzflügel haben in ihren Bögen
und den Fenstern der mit Halbkuppeln überdeckten Apsiden den Spitzbogen und
verraten sich hierdurch als spätere, wohl dem 13. Jahrhundert angehörige Zusätze.
Die Nord- und Südwand der Kreuzflügel sind nachträglich zur Verbreiterung der
Seitenflügel ein Stück nach Westen verlängert worden. Die Hauptapside hat eben-
falls eine Halbkuppel und drei Rundbogenfenster.
Fig. 113. Altstadt. Pfarrkirche. Grttndriss.
Die Fenster des Langhauses sind bis auf zwei kleine rundbogige im Westen
erneuert und zum Teil in viereckige Holzrahmen eingeschlossen.
Das Äussere bietet, namentlich von der Chorseite, durch die steilen Giebel des
Mittelschiffs und das über das Chorhausdacb herüberragende Dach des Langhauses
ein malerisches Bild ; nur die Seitenapsiden, über welche die Dächer der Kreuzflügel
herabgeschleift sind, wirken roh. Der architektonische Schmuck des Äussern ist
sehr gering. Die Hauptapside hat unter einem Hauptgesims aus Platte, Kehle und
Viertelstab einen gemauerten Bogenfries auf gekehlten Konsolen ; ein ebensolcher
Fries scheint die Obermauer des Mittelschiffs geschmückt zu haben, wo er noch am
Chor und über den beiden ursprünglichen kleinen Fenstern der Westseite erhalten
ist. Die Fenster der Hauptapside liegen in Blenden, die schon einen schwachen An-
satz zum Spitzbogen zeigen.
Der Turm ist ganz schmucklos und hat auf den vier Seiten gekuppelte, rund-
bogige Schallöffnungen, deren Mittelsäulchen rohe Würfelkapitäle mit Zickzack- Ver-
zierung, aber ohne Halsglied, und als Basen umgekehrte Kapitäle oder schlichte Rund-
stäbe haben. Der ins Achteck übergeführte Dachhelm ist aus neuerer Zeit.
Das Innere der Kirche ist ganz angefüllt mit Emporen aus dem 17. Jahr-
hundert, die charakteristische Holzformen und gute Ziermotive der ländlichen Zimmer-
kunst an Ständern und Brüstungen besitzen.
PFARRKIRCHE.
107
108
DREIFELDEN.
Im südlichen Querschiff steht der 1864 restaurierte Taiifstein, ein gutes Werk
spätromanischer Steinmetzarbeit. Das Becken, zwölfkantig, hat einen auf kleinen
Konsolen ruhenden Rundbogenfries. Darüber zieht sich ein zierlich gemeisselter
Ornamentfries, in dessen Laubverschlingungen die Kapitale von sechs Säulchen
hineingearbeitet sind, die das Becken freistehend umgeben und zierliche attische
Basen mit Eckblättern haben.
Das nördliche Querschiff enthält mehrere im Boden liegende gusseiserne Gräb-
platten der Barockzeit.
Von den zwei Glocken des Westturms ist die kleinere 1453 von Arnold von
Sayn gegossen (Inschrift: t anno domini M • CCCC • LIII • f S. Clfcbctl) licpffen ld|).
arnolt Oan fepen gops mpdt)). Die grössere trägt die Jahreszahl 1616.
Auf der Ostseite des Schiffdachs ein schmiedeeiseviies Kreuz mit Wetterhahn
von ungewöhnlicher Form.
Die Kirche hat nach einigen kürzlich aufgedeckten Resten eine vollständige
hitienbemaliing besessen. In der Halbkuppel der Apsis war in einer von den
Evangelistenzeichen umgebenen Mandorla ein thronender Heiland dargestellt, dem
sich zur Rechten und Linken je zwei Heilige anreihten. Die vergoldeten Hei-
ligenscheine sämtlicher Figuren sind durch Eindrücke in den feuchten Mörtel
schwach reliefiert.
Auf den Schiffswänden sind die Spuren überlebensgrosser Apostelfiguren unter
gotischen Baldachinen zutage getreten, die einen mit Rosen verzierten Hintergrund
umschlossen. Ein grosser, 6—7 m hoher Christoforus hat die nördliche Schiffswand
neben dem Chorbogen eingenommen. Es ist Aussicht vorhanden, die Malereien,
wenigstens im Chor zu erhalten.
DREIFELDEN.
AS Filialdorf Dreifelden, 8 km südlich von Hachenburg, besitzt in
dem Turm und Chor seiner Kirche den Rest einer romanischen Anlage,
deren Schiff am Ende des 17. Jahrhunderts neu erbaut ist. Der viereckige,
schlichte Ost türm bildet in seinem mit einem rippenlosen Kreuzgewölbe
überdeckten Erdgeschoss das Altarhaus, dem sich eine halbrunde Apsis anschliesst.
Der halbrunde Chorbogen hat schlichte Schmiegengesimse. An der Nordseite zwei
niedrige Rundbogenblenden ; an der Südseite ein kleines Spitzbogenfenster mit schrägen
Gewänden und zwei kleine spitzgiebelförmig überdeckte Blenden. Drei Glocken, die
grösste ohne Inschrift, die mittlere von 1481, die kleinste mit Christus am Kreuz,
Maria und Johannes von 1506 (Lötz). Die Kanzel trägt an ihrem Fuss die Jahreszahl 1695.
HÖCHSTENBACH.
109
Fig. 115. Höchstenbach. Pfarrkirche.
HÖCHSTENBACH.
Vogel, Beschr. v. N. 695.
AS Dorf Höchstenbach, 7 km südwestlich von Hachenburg, kam gegen
das Ende des 15. Jahrhunderts durch Verpfändung aus der Grafschaft
Wied in Saynschen Besitz. Seine PFARRKIRCHE war dem heiligen Georg
geweiht ; der romanische Übergangsstil, in dem sie erbaut ist, weist auf
110
HOEN.
den Anfang des 13. Jahrhunderts. Der Chor besteht aus einem quadratischen, mit
einem rippenlosen, spitzbogigen Kreuzgewölbe überdeckten Raum, dem sich eine
halbrunde Apsis anschliesst. Die Chorfenster sind rund-
bogig; im Äussern umzieht den Chorbau ein Rund-
bogenfries, die Apsis ist durch drei stumpf-spitzbogige
Blenden gegliedert. Das Schiff hat eine flache Decke
und neuere Fenster ; ein südlich angebautes Seitenschiff
ist ebenfalls neu. Der Westturm , schlicht viereckig
aufsteigend, hat gekuppelte Schallöffnungen mit Säul-
chenteilung; an der Nord- und Südseite liegen sie in
Rundbogenblenden. Trotz ihrer Schlichtheit zeichnet
sich die auf einer kleinen Anhöhe über der Dorfstrasse
liegende Kirche durch eine gefällige Silhuette aus.
Höchstenbach hat geschichtliches Interesse durch
ein im Koalitionskriege hier geliefertes Gefecht, in
welchem General Marceau, der Bezwinger der Vendee
und Sieger in der Schlacht von Fleurus als Befehls-
haber der französischen Nachhut beim Rückzug des
Generals Jourdan am 19. September 1796 tödlich ver-
wundet wurde. Er starb vier Tage später in Alten-
kirchen, in dessen Gemarkung ihm ein Denkmal ge-
setzt wurde.
Fig. IIb . Höchstenbach. Pfarrkirche.
Grundriss.
HOEN.
Vogel in Nass. Ann. i, 99 — iio. — Vogel, Beschreibung 705.
^ AS Pfarrdorf H o e n , 12,3 km ostsüdöstlich von Hachenburg gelegen, sieht
auf ein hohes Alter zurück. Schon im 10. Jahrhundert erscheint es als
„Hana" im Besitz des Herzogs Hermann von Allemannien, der es
V^SsCSöu! mit der Kirche in Humbach (Montabaur) an das Florinsstift in Koblenz
schenkt. Dies scheint auch hier eine Kirche gebaut zu haben, die nebst der Pfarrei
schon 1100 vorhanden war und von der noch der jetzige übrigens ganz formlose
Turm herrühren kann. Im Jahr 1114 hatte die Gegend, die damals als „Provinz
Hana" bezeichnet wird, unter einem kriegerischen Einfall eines Lehnsmannes des
Grafen Ulrich aus der Königshunderte schwer zu leiden. Von späteren Kriegs-
nöten hören wir gelegentlich des Streites zwischen Adolf von Nassau und Diether
von Isenburg um den Mainzer Stuhl, als 1462 Philipp von Katzenelnbogen und
Dieter II. von Sayn in der Hoener Gegend ihre Fehde als Parteigänger der Genannten
ausfochten. Hierbei wurde der Ort vom Erstgenannten verbrannt, wobei auch die
alte Kirche zugrunde gegangen zu sein scheint.
PFARRKIRCHE.
III
Neben dem Florinsstift war das Kloster Oberwerben in Waldeck im Besitz des
Präsentationsrechtes und vieler Huben in Hoen, die nach der Säkularisation dieses
Klosters an Waldeck fielen und 1560
von diesem an das Kloster Marienstatt
verkauft wurden. Dies blieb bis 1572 im
Besitz des Kirchensatzes, wo die Pfarrei,
die übrigens ihren Sitz immer in dem
benachbarten Schöneberg hatte, an die
Franziskaner in Hadamar überging.
DIE PFARRKIRCHE St. Jo-
hannis des Täufers und Valentinus, seit
1644 St. Maria, ist eine sehr unregelmäs-
sige spätgotische Hallenkirche, deren
Bauzeit wohl bald nach dem Brand von
1462 anzusetzen ist. Sie ist dreischiffig _^
mit einem. Chor am Mittelschiff und
einem solchen am nördlichen Seiten-
schiff und dem erwähnten romanischen,
ins Mittelschiff eingebauten Westturm.
Der Hauptchor, im Achteck ge-
schlossen, mit vorgelegtem Kreuzge-
wölbejoch hat im Chorhaupt ein Stern-
gewölbe. Die Schlussteine und Kreu-
zungsstellen sind mit Vierpässen be-
legt, die im Sterngewölbe das Haupt
Christi, die Evangelistenzeichen und
Fig. 117. Hoen. Pfarrkirche. Grundriss,
das Haupt Johannis des Täufers, im Kreuzgewölbe das Lamm Gottes tragen. Die
schlicht gekehlten Rippen wachsen ohne Kapitäl aus runden Wanddiensten hervor,
die Fenster sind zweiteilig mit spätem Masswerk. Der Chorbogen ist ein unge-
gliederter Spitzbogen.
Der nach dem halben Zehneck angelegte nördliche Seitenchor ist wohl
mit dem 1490 gestifteten Marienaltar gleichzeitig. Das Chorhaupt ebenso wie
ein vorgelegtes quadratisches Joch sind mit rippenlosen, spitzen Kreuzgewölben,
letzteres mit sechs Gräten überwölbt. Gegen den Hauptchor und das nördliche
Seitenschiff öffnet er sich in ungegliederten grossen Spitzbögen. Die spitzbogigen
Fenster sind ungeteilt.
Das schief gegen Norden abweichend an den Chor anschliessende Mittelschiff
hat zwei Gewölbjoche, deren Scheidebögen unprofiliert auf einen Mittelpfeiler auf-
setzen. Der südliche ist von sechseckigem Querschnitt, Sockel und Kämpferstein
mit einfach schrägem Anlauf ; der nördliche hat einen Vierpass als Querschnitt, wobei
der nördliche Dienst oben eckig ist, unten gebrochene Ecken hat. Die Überleitung zum
112
HOEN.
Kämpferansatz zeigt eine merkwürdig kompliziert-unbeholfene Lösung (s. Fig. 118).
Sämtliche Schiffe sind mit Sterngewölben überdeckt, deren einfach gekehlte Rippen
durchweg verzierte Schlussteine haben. Diejenigen des Mittelschiffs tragen Wappen,
die im südlichen Seitenschiff Maria mit dem Kinde, den heiligen Valentin, eine weib-
liche wappenhaltende Gestalt, im nördlichen Seitenschiff das Veronikatuch, [einen
Kelch mit Hostie und eine Rose. ^ -
Fig. 118. Hoen. Pfarrkirche. Fig. 119. Hoen. Pfarrkirche. Pfosten im Turm.
den Mitteljochen beider Seitenschiffe führen Pforten ins Freie, die südliche mit
einer ganz einfachen, offenen Vorhalle und einem mit durchkreuztem Rundstab be-
legten Gewände.
Am Chor und nördlichen Seitenschiff sind gemauerte Strebepfeiler mit Pult-
dächern von Schieferplatten vorgelegt.
Der Turm steigt als schlichtes Viereck auf und hat im Obergeschoss ungeteilte
stümpf-spitzbogige Schallöffnungen. Seine beiden unteren Geschosse sind mit rund-
bogigen Tonnen, die Westtür mit einem plattgedrückten Kleebogen überdeckt. Eine
Treppe in der Mauerdicke führt zum Glockenstuhl, unter dem sich eine hübsche Ver-
zimmerung erhalten hat.
KROPPACH.
113
Von den drei Glocken hat die grösste die Inschrift: Ofatina ))t\^V\ idt) • alle
boze iDcder uertriben iiö • dielman üon batbenborg gos miib anno üomini mcccclxii
Fig. 120. Hoen. Pfarrkirche. Stuhlwange. Fig. 121. Hoen. Pfarrkirche. Türring.
Die eichenen Kirchenstühle haben hübsch ausgegründete Wangen, die dem
Stil nach auf das Ende des 16. Jahrhunderts deuten.
Ein kunstvoll geschmiedeter Türring auf einem Lilienkreuz hat sich an der
südlichen Tür erhalten.
KROPPACH.
IE EVANGELISCHE KIRCHE des 7 km nordwestlich von Hachenburg
gelegenen Dorfes Kr opp ach ist eine flachgedeckte, romanische Basilika
mit einem aus der Übergangszeit stammenden Chor und 1835 erneuertem
Turm. Der in halbem Sechseck geschlossene Chor ist mit rippenlosen,
stumpf-spitzbogigen Kreuzgewölben bedeckt; die Fenster der drei Sechseckseiten sind
rundbogig geschlossen und liegen in sehr dicken, einfach abgeschrägten Gewänden.
Die flachen Strebepfeiler des Äusseren sind mit Pultdächern abgedeckt.
Die niedrige Arkatur des Schiffes besteht aus vier auf schweren, viereckigen
Mauerpfeilern ruhenden Rundbögen, die nördlichen Pfeiler haben flachgekehlte
Kämpfergesimse. In der Südseite haben sich die ursprünglichen vier kleinen rund-
bogigen Fenster der Oberwand erhalten; die nördlichen Fenster sind alle viereckig.
Das nördliche Seitenschiff endigt mit einer kleinen halbrunden Apsis.
8
114
MARIENSTATT.
Ein alter romanischer Tauf stein, der aussen an der Westseite steht, bildet
einen schlichten Cylinder von zirka 1 m Durchmesser und ist aussen mit einem Fries
von sieben Rundbogen verziert, von denen zwei ein Kreuz enthalten.
Gusseiserne Grabplatte eines geharnischten Ritters mit Flachrelief: Berthram
von Haldinckhausen zu Lützelnauen f 1576.
Drei Glocken. Die grösste mit der Inschrift : PetruS • Reißen • llj) • alle • bOfen •
lüeüer • uerüriben • idt) • in • (eljre) • gots • luden • iit) • anno • domlni • mcccclxxx (1480).
Die mittlere von 1720, die kleinste von 1411 (Lötz).
Fig. 122. Langenhahn. Pfarrkirche.
MARIENSTATT.
Sublimis advocatio ecclesiastica ordinaria comiti Saynensi in coenobiuin Marienstadt vindicata,
Wetzlar 1765, Urkundenbuch I. — Vogel, Beschreibung 257 f. — Beyer, Urkundenbuch 3, 35, 877;
3, 39. — Gaspar Jongelinus, notitia abbatiarum ordinis cisterciensis, Coloniae Agrippinae 1640,
2, 38 f. — Mertens in Kuglers Museum 1835, 174. — Fr. Bock im Organ für Christi. Kunst
Köln 1860, S. 217, 229, mit Nordansicht und Querschnittskizze von Wiethase. — R. Görz, Die
Abteikirche zu Marienstatt bei Hachenburg in „Denkmäler aus Nassau", Heft 4, mit 12 Tafeln,
Wiesbaden 1866. — Sachs und Rossel, Album von Nassau Nr. 4. — F. Luthmer, Die Cisterzienser-
abteikirche Marienstatt in ,, Zeitschrift für Bauwesen", Berlin 1867, 157 und Tafel 22 — 24. — Sauer,
Excurs zu Nass. Annalen 28, S. 48, 49 und Ann. 29, 68 ff. — P. Gilbert Wellstein, S. O. Cist.
Die Cisterzienserabtei Marienstatt im Westerwald, Marienstatt 1 907 (mit ausführlicher Literaturangabe). —
E. F. A. Münzenberger, Zur Kenntnis und Würdigung der mittelalterlichen Altäre Deutschlands,
Frft. 1885, I. Bd. mit Abb. auf Tafel 74, 75. — Necrologium des Klosters im Landesarchiv.
REI Kilometer unterhalb Hachenburg verengt sich das Tal der grossen Nister
zu einer waldigen Schlucht, durch die der Bach, von vortretenden Felsen
eingeengt, in Windungen dahinfliesst. Am Eingang dieses Engtals erheben
sich die Gebäude des Zisterzienserklosters Marienstatt, in das seit
dem Jahre 1888 die Brüder von der Regel des heiligen Bernhard wieder eingezogen sind.
MARIENSTATT, GESCHICHTLICHES.
115
Geschichtliches. Marienstatt verdankt seine Gründung einer Stiftung des
Burggrafen Eberhard von Arberg und seiner Gemahlin Aleydis von Mols-
berg (aus dem Stamme der alten Gaugrafen des Haigergaus), Herrin von Freus-
burg. Diese hatten im Jahre 1215 das zu dieser Herrschaft gehörige Kirchspiel
Kirburg auf dem Westerwald mit der Landeshoheit und der Gerichtsbarkeit, die sie
vom Erzstift Trier zu Lehen hatten, an den Abt Heinrich von Heisterbach zur Grün-
dung eines neuen Zisterzienserklosters abgetreten. Nach der Bestätigung dieser
Schenkung durch den Erzbischof Theodorich von Trier wurden zwölf Brüder von
Heisterbach unter dem Abt Hermann, der bis dahin Abt des Klosters Himmerode
in der Eifel gewesen war, nach dem für das neue Kloster — locus S. Mariae — be-
stimmten Ort entsandt, der eine halbe Stunde nordwestlich von Kirburg gelegen,
noch heute als „Hof Altenkloster" die Erinnerung hieran bewahrt hat.
Der Bestand des Klosters an diesem Orte war indes nicht von langer Dauer.
Bedrängt durch die Verwandten der Gräfin Aleydis, die Herren von Molsberg, von
Ziegenhain und von Helfenstein, welche die Schenkungen anfeindeten, sodass Papst
Honorius III. das Kloster 1219 unter seinen besonderen Schutz stellen musste,
mehr noch bedrängt durch die Ungunst der Lage auf der rauhen Höhe des Wester-
waldes, plante der Konvent schon die Rückkehr nach Heisterbach. Doch bot der Graf
Heinrich von Sayn und seine Gemahlin Mechtild von Wied-Neuerburg 1222
durch die Schenkung „ihrer Besitzung Nistria am Bache Nister mit dem Felsen, auf
dem vordem eine Burg gestanden, und allen Zubehörungen" die Möglichkeit, das
Kloster in ein milderes Klima zu verlegen. Diese Übersiedelung knüpft sich an die
Legende von einem mitten im Winterschnee blühenden Weissdorn, der dem Abt in
einer Vision verheissen war. An der Stelle im geschützten Nistertal, wo er mit
seinen Brüdern diesen blühenden Strauch fand, erbaute Guda von Greifenstein,
Vogtin von Hachenburg, eine Kapelle, die noch im 14. Jahrhundert neben dem ihr
angebauten Krankenhaus des Klosters stand. Im Jahre 1227 war der Klosterbau im
Nistertal so weit gediehen, dass unter dem dritten Abt Konrad die Übersiedelung
stattfand. Das „Alte Kloster" wurde zu einem Hof (Grangia) eingerichtet und blieb
bis zum dreissigjährigen Krieg im Besitz des Klosters.
Als erstes Gotteshaus der neuen Gründung diente wohl die von Guda gebaute
Kapelle; denn der Bau der Kirche begann erst im Jahre 1243 nach einer Angabe im
Necrologium, die lautet : „Item anno dni. M • CG • XLIII primum fundamentum novi
monasterii posuit bone memorie Heynricus comes Seynensis, sub abbate Cunone et
eodem tempore praeter aliä contulit nobis ad aedificationem ipsius templi c. 1. marcas.
Pro eo misereatur anime sue misericors deus."
Der Bau dieses „neuen Münsters" vollzog sich nicht ohne lange Verzögerungen
und Unterbrechungen. In einem Zuge und nach einheitlichem Plan scheint von
1243 an nur der Chor gebaut worden zu sein. ,Schon bei den westlichen Vierungs-
pfeilern zeigt sich eine Änderung in architektonischen Einzelheiten (von der später
eingehender zu sprechen sein wird), die auf eine Pause zwischen dem Bau der Ost-
und Westpfeiler schliessen lässt. In gleicher Weise bemerkt man an den ein-
116
MARIENSTATT, KIRCHE.
zelnen Jochen, nach Westen fortschreitend ; Abweichungen, die zeitlich einen ziemlich
langen Entwicklungsgang, in der Qualität der Arbeit meist ein abnehmendes Bau-
verständnis und bescheidenere Baumittel bekunden.
Eine Weihe der Kirche fand 1324 statt, vollzogen (nach P. Wellstein) vom Kölner
Erzbischof Heinrich von Virneburg. Dass der Bau zu dieser Zeit noch nicht bis
zum jetzigen Westgiebel vollendet war, scheint schon aus dem Ablass hervorzugehen,
den der Erzbischof denen versprach, „die mit ihren Gespannen an dem Bau des
Münsters helfen oder für die an diesem Orte begrabenen Toten ein Gebet stiften würden"
(„praeterea omnes structuram monasterii cum suis vecturis juvantes et orationem pro
defunctis in isto loco tumulatis fundentes 40 dies indulgentiarum consequentur"). Die
Untersuchung der Bauformen lässt etwa zu, im Jahre 1324 als vollendet anzu-
nehmen : den Chor, das Querschiff und die zwei nächstfolgenden Joche, hinter denen
ein provisorischer Abschluss das Kircheninnere begrenzt haben mag. Da zu dieser
Zeit die Kirche noch nicht (wie im 19. Jahrhundert) als Pfarrkirche diente, so würde,
das Presbyterium für die patres abgerechnet, der vorhandene Raum in den zwei Schiff-
jochen für die Laienbrüder ausgereicht haben. Bestimmend für diese Annahme ist
aber der Nachweis, den Sauer auf Grund eingehender heraldischer Studien*) geführt
hat, dass die Gewölbe der vier folgenden Joche nach den in den Schlussteinen
eingemeisselten Wappen der Stifter nicht vor dem ersten Viertel des 15. Jahr-
hunderts ausgeführt sein können, die völlige Fertigstellung der Kirche also etwa
um 1430 anzunehmen wäre.
Von den alten Klostergebäuden, deren Bau wohl mit der Saynschen
Schenkung von 1222 begonnen hat, ist leider kein Rest mehr erhalten. Sie wurden
unter dem Abt Petrus IV. Emons, der von 1734 bis 1751 den Abtstab führte, abge-
rissen, um einem Neubau im Stil der Zeit Platz zu machen, der, wenn er auch in einzelnen
Teilen, wie im Mittelflügel des Hauptgebäudes mit seinem monumentalen Treppenhaus
nicht der architektonischen Grösse entbehrt, uns doch nicht für die verschwundene
romanische Klosteranlage schadlos halten kann.
Ohne auf die einzelnen Schicksale der Abtei, die P. Wellstein in seinem Buche
ausführlich schildert, hier eingehen zu können, sei nur erwähnt, dass das Kloster
1803 aufgehoben und nach kurzem Privatbesitz von der nassauischen Regierung zu-
rückgekauft und als Domäne verwaltet wurde. 1864 von Nassau an den Bischof
Peter Josef Blum von Limburg verkauft, wurde es zu einer Rettungsanstalt für
Knaben eingerichtet und 1888 durch die Vermittelung des Limburger Bischofs Karl
Klein seiner ursprünglichen Bestimmung als Zisterzienserkloster zurückgegeben.
Baubeschreibung. Die Kirche ist eine durchweg spitzbogig gewölbte Basi-
lika mit Chorumgang, Kapellenkranz und Querschiff, nach Zisterzienserregel ohne
Turm, nur mit einem über der Vierung stehenden hölzernen Dachreiter.
Der älteste Teil, der Chor bis einschliesslich der Ostwand des Querschiffs,
trägt durchaus einheitlich den Charakter der Frühgotik. Er besteht aus einem ob-
*) Näheres s. S. 122.
J^ig. 125. Marienstatt. Kirche. Choransicht.
Fig. 126. Marienstatt. Kirche. Grundriss des Erdgeschosses.
118
MARIENSTATT, KIRCHE.
longen Kreuzgewölbe, an das sich mit sieben Seiten des Zwölfecbs das Chorhaupt
anschliesst. Um die acht Rundpfeiler desselben zieht sich ein Umgang in Seiten-
schiffhöhe, dem sieben Kapellen von etwas mehr als halbkreisförmigem Grundriss
vorgelegt sind. Ihre Aussenmauern treten zwischen den Strebepfeilern in entsprechender
Rundung hervor. Der oblongen Chortravee entsprechen zwei quadratische, dem
Kapellenkranz sich anschliessende Seitenkapellen, die sich neben je einem den Chor-
pfeilern gleichen Rundpfeiler sowohl nach dem Chorumgang wie nach dem Quer-
schiff öffnen. In der Ostwand des letzteren sind ausserdem noch zwei länglich-vier-
eckige Kapellen ausgespart, sodass der Chor im ganzen elf Kapellen enthält.
Die Rundpfeiler des Chors haben attische Basen der frühgotischen Form
auf achteckigen, nach unten durch einen aufsteigenden Karnies verbreiterten Sockeln.
Die Kapitale tragen über einem in scharfem Profil ausladenden, mit Laubknospen
von sehr verschiedenartiger Zeichnung (s. Fig. 128) besetzten runden Kelch einen
unregelmässig sechsseitigen Kämpferstein, aus Karnies und Platte bestehend. Nach
innen sind die Kapitäle durch Vorlagen erbreitert, welche die Gewölbdienste
aufnehmen. Diese, in der Höhe des Triforium- und des Fensterbankgesimses durch
Ringe unterbrochen, sind zu dritt nebeneinander geordnet. Nur an dem ersten, die
viereckige Gewölbetravee abschliessenden Gurt ordnen sie sich zu je zwei neben
einen schmalen, rechteckigen Mittelpfosten, der den noch rundbogigen, ebenfalls recht-
eckig profilierten Trennungsgurt zwischen den beiden Chorgevvölben aufnimmt. Die
zur Aufnahme der Gewölbrippen bestimmten Dienste haben in Kämpferhöhe schlichte
Kelchkapitäle ; die anschliessenden, den Schildbogen begleitenden Dienste sind an
dieser Stelle noch einmal durch einen Ring unterbrochen und tragen ihre Kapitäle
in der Höhe des Bogenansatzes der Oberfenster.
Die unprofilierten Bögen zwischen den Chorpfeilern sind mit Ausnahme des
graden Joches stark gestelzt und liegen in ebenfalls scharfkantigen, noch schlankeren
Blenden. Über ihnen folgt ein Gesimsgurt, der triforien artige, aber geschlossene,
im Kleebogen überwölbte Blenden trägt; mit dem obersten Bogen des Kleeblatts
konzentrisch führt eine selbständig profilierte, kreisrunde Öffnung in das Dach des
Kapellenkranzes. Die über dem folgenden Gesimsband aufsetzenden schlanken Ober-
fenster liegen in unprofilierten schrägen Leibungen und sind ungeteilt. In der
Höhe dieses Gesimses durchbricht ein schmaler Laufgang die zwischen den Fenstern
rechteckig vorspringenden Pfeiler (s. Grundriss Fig. 129). Dieser Laufgang zieht sich
auch um den Südflügel des Querschiffs herum und ist hier durch ein an der Südost-
ecke aufsteigendes Treppentürmchen zugänglich.
Die Gewölbe des Chor Umgangs haben glatte Gurte und Rippen mit gradlinigem,
zugespitztem Profil; die Rippen der Kapellen sind mit einem trapezförmigen Quer-
schnitt den Gewölbgräten vorgelegt, ruhen auf kleinen Konsolen und haben ebenso
wie die des Umgangs keine Schlussteine. Die Rippen des Hauptgewölbes sind mit
einem von zwei Rundstäben begleiteten kräftigen Birnstab und zwei Kehlen profiliert.
Die beiden östlichen Pfeiler der Vierung haben einen Querschnitt, der aus
einem quadratischen, an den Ecken abgekanteten Kern besteht; vor die Seiten sind
Fig. 127. Marieiistatt. Kirche. C/toruiiigaiig.
MARIENSTATT, KIRCHE.
119
vier rechtwinklige Vorlagen mit aufgesetzten starken, runden Diensten vorgelegt;
diesem Querschnitt entsprechend sind auch die Wandvorlagen des Querschiffs gebildet.
Die Dienste haben attische Basen wie die Chorsäulen, runde Sockel und viereckige
Kapitale mit Knospenverzierungen; an den Wanddiensten fehlen die letzteren. Der
Fig. 128. Marietislatt. Kirche. Kapitale der Chorpfeiler.
Aufbau der östlichen Vierungsjoche entspricht im übrigen vollständig denen des
Chors ; nur die Seitenkapellen in den freistehenden Jochen des Querschiffs öffnen
sich gegen dieses vollständig mit rundbogigen Tonnen.
Gab der bisher beschriebene Teil das völlig einheitliche Bild einer frühgotischen,
von französischen Vorbildern beeinflussten Choranlage, so begegnen uns in den nach
Westen folgenden Teilen des Baues Verschiedenheiten und Unsicherheiten der Archi-
tektur, die auf Unterbrechungen in der Ausführung und einen sehr wechselnden Zu-
fluss der Baugelder schliessen lassen.
Der mit 1324 abschliessenden Bauperiode gehören mutmasslich das Querschiff
und die nächsten zwei Joche des Schiffs an, wenn auch in diesen sich manche auf-
fallende Abweichungen von einem einheitlichen Plan finden.
120
MARIENSTATT, KIRCHE.
Die Chorweite scheint für den Weiterbau nicht genügend befunden zu sein ;
durch das Auseinanderrücken der westlichen Vierungspfeiler um 1,30 m hat das
Vierungsgewölbe trapezförmigen Grundriss erhalten, und auch die beiden äusseren
Gurten der Querschiffgewölbe sind schräg beigezogen. Der Querschnitt der westlichen
Vierungspfeiler ist rund mit acht vorgelegten Diensten, von denen diejenigen der
Gurte stärkeren Durchmesser haben; sie haben glatte Kelchkapitäle.
Die im übrigen glatten Giebelwände des Querschiffs haben Oberfenster, von
denen das kleinere südliche einfach dreiteilig ist mit drei nasenbesetzten Spitzbögen,
während das nördliche ein grosses, ganz frühgotisch profiliertes Masswerk mit grosser
fünfteiliger Rose über drei mit Nasen besetzten stumpfen Spitzbögen hat. Beide
Fenster liegen in ungegliederten Schräggewänden. Unter dem letzteren ist eine
Tür, aussen in rundbogiger Blende liegend, mit giebelförmigem, von seitlichen Krag-
steinen unterstütztem Sturz. Die Scheidebögen der Seitenschiffe nach dem Querschiff
sind schlicht rechteckig ohne Profil.
Im Langhaus sind die Pfeiler glatt und rund, bedeutend stärker als die-
jenigen des Chors, die Kelchkapitäle durchweg ohne Blattschmuck. Auffallend ist die
schlichte, beinahe rohe Kapitälbildung der ersten drei Pfeiler der Nordseite (I, II, III
des Übersichtsblattes, s. Fig. 132). Auch die Basen, wenn auch untereinander ab-
weichend, sind sehr einfach gehalten. Die über diesen Pfeilern aufsteigenden Dienste
setzen ohne Sockel auf den Deckplatten auf.
Alle übrigen Pfeiler haben entschieden gotisch profilierte Kapitale mit scharf
unterschnittenem Kelch und zwölfeckiger, birnstabartig profilierter Deckplatte. Die
Sockel, ebenfalls übereckstehend, zwölfeckig, mit abgeschrägtem Untersockel haben
ein aus Birnstab, Kehle und kleinem Rundstab bestehendes, rundes Oberglied.
Die Dienste setzen mit halbachteckigem Sockel und rundem Oberglied auf den
Kapitalen auf; diejenigen der ersten drei Pfeiler haben schlichte Kelchkapitäle, von
da ab fehlen dieselben, und die Rippen und Gräte wachsen in spätgotischer Weise
glatt aus ihnen empor.
Von den Seitenschiffen hat nur das nördliche Wandpfeiler ; die Südwand ist mit
spitzbogigen, unprofilierten Blendbögen besetzt, gegen deren rechteckige Pfeiler die Ge-
wölbe mit Konsolsteinen einfachster Form anfallen. Die den beiden ersten Schiffspfeilern
entsprechenden Wandpfeüer des nördlichen Seitenschiffs bestehen aus drei durch Hohl-
kehlen getrennten Diensten mit zierlich profilierten, glatten Kelchkapitälen ; die folgenden
Pfeiler haben als Querschnitt ein halbes Sechseck und ziemlich roh gebildete Kapitale.
Die einzigen, feiner profilierten Rippen finden sich, mit einem scharfen Birnstab
versehen, in den zwei östlichen Feldern des nördlichen Seitenschiffs; alle anderen
Gewölbe des Querschiffs, des Mittel- und der Seitenschiffe sind einfach hohl profiliert,
die Gräte der Vierung und der beiden nächsten Mittelschiffgewölbe mit doppelten
Kehlen an beiden Seiten. Die Schlussteine tragen als Schmuck in den zwei ersten
Schiffsgewölben Blumen und Blattkränze, in den beiden folgenden Schilder mit aufge-
malten (also wohl späteren) Wappen , in den beiden westlichsten gemeisselte Wappen,
deren Benennung durch Sauer die ziemlich sichere Datierung dieses Teils ermöglicht hat.
c . Längsschnitt.
I
Fig. 130. Marienstatt. Kirche. Grundriss in der Höhe des Triforiums.
122
MARIENSTATT.
Fig. 131. Marieiistatt. Kirche. Masswerk. Westgiebel,
Durch diese Untersuchung,*) auf deren Einzelheiten hier nicht näher eingegangen
werden kann, ist erstens mit grosser Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass das Wappen
im Schlusstein des letzten (westlichsten) Mittelschiffgewölbes dasjenige des Henne von
Wyngersdorf, t 12. April 1417, ist. Sein Bruder Arnold siegelt 15. August 1417 die
ßestätigungsurkunde einer von diesem gemachten testamentarischen Bestimmung, durch
welche dieser dem Kloster Marienstatt „mitnamezu dem buwe daselbs" den halben
Hof zu Heelden by der Lynden im Kirchspiel Wissen zuwies, mit diesem Wappen.
Bestätigend findet sich im Necrologium die Eintragung zum 12. April: obiit Johannes
de Wyngerdorff, qui legavit operi VII albos perpetui census cedentes in parrochia
Wyssen", ein Geschenk, das sein Bruder nach der Eintragung ergänzte : Januar 20
„obiit Arnoldus de Wyngerdorf, qui legavit perpetuo tres albos de bonis zo der Helden."
Zweitens ist die Vermutung nicht abzuweisen, dass das Wappen des Schlussteins
im vorletzten Mittelschiftjoch (der Mudersbach, eines Geschlechtes, das dem
Kloster den 1381 und 1382 nachweisbaren Abt Bernard von Mudersbach gab), das-
jenige das Ludewicus de Muderspach ist, von dem das Necrologium berichtet, dass er
mit seiner Frau Alveradis „plus quam ducentas marcas" schenkte.
*) Nass. Annalen 29 : Nachtrag zu der Abhandlung ,,Die Herren von Beilstein und Greifen-
stein", Anm. 28, S. 1 — 52 von Dr. W. Sauer S. 68. ff. XV.
KIRCHE.
123
I I I I I I r
WANDPrElLER 17^ . NÖRDL SEITENSCHIFF
Fig. 132. Marienstatt. Kirche. Übersichtsblatt der Schiffspfeiler.
124
MARIENSTATT, KIRCHE.
Fig, 133. Marienstatt. Kirche. Masswerk.
Nördlicher Querschiffgiebcl.
Drittens enthalten die Schlussteine der nördlichen und südlichen Seitenschiff-
gewölbe Wappen nachweisbarer bürgerlicher, meist in Hachenburg ansässiger Familien,
nämlich der Ingelnbach, Goldershofen, von Hattenrode (ein niederer Adel, der seinen
Burgsitz zu Niederhattert bei Hachenburg besass) und Bernkot, von denen mehrere
als Geschenkgeber „ad fabricam" urkundlich feststehen.
„In der vorstehenden Untersuchung",
schliesst Sauer, „ist bezüglich von wenigstens
acht der in Frage kommenden Wappen im
allgemeinen wohl hinlänglich begründet
worden, dass dieselben dem ersten Viertel
des 15. Jahrhunderts angehören, von dreien
derselben ist dies wohl als nachgewiesen
anzusehen , namentlich von einem dieser
letzteren, dem Allianzwappen Hattenrode-
ßernkot, dass es nicht vor dem Jahre
1422 angebracht sein kann. Und dass die
besonders hier in Betracht kommenden
Wappen in den beiden Seitenschiffen von
zwei Künstlern, aber zu einundderselben
Zeit ausgeführt sind, ist schon bemerkt.
Nach dem vorhin Gesagten kann dies nur
gegen das Ende des ersten Viertels des 15. Jahrhunderts geschehen sein, um welche
genauer nicht zu begrenzende Zeit demnach die Gewölbe dieser beiden Schiffe erst
fertiggestellt und mit den Wappen solcher Personen, welche sich um die endliche
Fertigstellung des lange dauernden Kirchenbaues verdient gemacht hatten, abge-
schlossen wurden."
Diese, wie man zugeben muss, mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit
aufgestellte späte Datierung des westlichen Teils der Kirche wird bestätigt durch
zwei Einzelheiten des Baubefundes. Einmal durch das Fehlen der Kapitäle an den
Diensten der drei westlichsten Pfeilerpaare. Die in Stuck später angesetzten Kelch-
kapitäle, die frühere Abbildungen noch aufweisen, wurden bei der jüngsten Herstellung
entfernt. Ferner weist auf eine späte eilige Ausführung der Ersatz des über den
Scheidebogen des Schiffs sich hinziehenden, frühgotisch profilierten Gesimses durch
ein mit Eisenklammern vorgesetztes Holzgesims mit schlichter Kehlung in der west-
lichsten Travee.
Das Steingesims selbst zeigt hinter dem zweiten Pfeiler (vom westlichsten Vierungs-
pfeiler gerechnet) einen Wechsel des Profils, der die Vermutung unterstützt, dass an
dieser Stelle ein einschneidender Abschnitt in der Baugeschichte (der von 1324) an-
zunehmen ist.
Auf dem genannten Gesims stehen in der Mitte jedes Feldes kleine, in die
Dächer der Seitenschiffe führende Öffnungen — Rudimente einer Triforienanlage, —
die mit gekehltem Profil durch einen mit Nasen besetzten Spitzbogen geschlossen sind.
Fig. 134. Marienstatt. Kirche. Inneres. Ansicht gegen Osten.
Fig. 135. Marienstatt. Kirche. Chordurchschnitt.
126
MARIENSTATT.
Die Oberfenster des Mittelschiffs sind ohne Masswerk im Spitzbogen geschlossen
und liegen in schrägen Gewänden. Ebenso schlicht sind die Fenster des nördlichen
Seitenschiffs gebildet.
Der Westgiebel wird im Mittelschiff von einem hohen, vierteiligen Fenster
durchbrochen, dessen äussere Leibung mit einer grossen Hohlkehle und einem
Birnstab profiliert ist. Das Masswerk, aus einer grossen Rosette bestehend, der
sich vier nasenbesetzte
Spitzbogen anschmiegen,
zeigt die Formen und
Profile der entwickeltsten
Gotik.
üon iJ^yiigersdorl"
UOR
liUubenbod)
üjjattenroöe - Bernhot-
Jngelabadi - öolöpnhok
Fig. 136. Marietistatt . Kirche.
Schlussteine in den ■westlichen
Schiffsjochen.
unbehfliint" -ßolöenhofpn
Die kleineren, zweiteiligen Seitenschiff-Fenster der Westfront in einfach ge-
kehlten Gewänden liegend, verraten in ihrem etwas plumpen Masswerk entweder
die Spätzeit des Stils oder eine noch spätere Erneuerung.
Das Äussere der Kirche ist von grosser Einfachheit, wie sie die Ausführung
in steinsichtig verputztem Schieferbruchstein mit sparsamer Verwendung des Hausteins
(Trachyt von Wölferlingen) zu Strebepfeilern und Gesimsabdeckungen mit sich
bringt. Dennoch, oder vielleicht gerade wegen des Fehlens von reicheren architek-
tonischen Schmuckmotiven, trägt der Bau einen durchaus eindrucksvollen, monumentalen
Charakter, wozu die edlen Verhältnisse der Westfront und die belebenden Linien
der Strebebögen nicht wenig beitragen. Von besonderer, wenigen deutschen Bauten
dieser Zeit eigenen Schönheit ist die Choransicht mit ihrem aufsteigenden Kranz von
Strebebögen und der bewegten Linie der rund vortretenden Kapellen. Die viermal
abgesetzten Strebepfeiler sind mit Satteldächern abgedeckt, die sich über die schweren
ungegliederten Strebebögen zu den flachen Wandpfeilern des hohen Mittelschiffs empor-
schwingen. Über diese zieht sich in der Form kleiner Satteldächer das Dachgesims,
i
KUNSTGESCHICHTLICHE EINORDNUNG.
127
am Chor aus Platte, Plättchen, Kehle und Viertelstab bestehend, an den übrigen
Teilen des Baues eine einfache Schrägung mit Kehle. Das in schlankem Spitzbogen
geschlossene Westportal hat ein tiefes äusseres Gewände, das in vier verschieden
breiten Kehlen mit zwischenliegenden Birnstäben gegliedert ist. Eine Pforte, die im
dritten Joch von Westen in das nördliche Seitenschiff führt, hat ein ebenfalls spitz-
bogiges, mit Platte, Kehle, Stäbchen und Viertelstab gegliedertes Gewände, dem im
Fig. 137. Marienstatt. Kirche. Altartisch, Fliesen und Bleiver glasung.
Scheitel eine schöne fünfblätterige Rose eingefügt ist. Der übereck gestellte acht-
eckige, sehr schön silhuettierte Dachreiter hat über den Schallöffnungen acht spitze
Giebel, ist ganz beschiefert und mit schlichten, bleiernen Wasserspeiern versehen.
Wenn man die kleine Zahl der Monumente überblickt, an denen sich das Ein-
dringen des gotischen Stils auf deutschem Boden im 3. und 4. Jahrzehnt des 13. Jahr-
hunderts verfolgen lässt, so wird man nicht umhin können, der Kirche von Marien-
statt, als dem ersten rein gotischen Zisterzienserbau in Deutschland, die Bedeutung
eines wichtigen Merksteins der Baugeschichte beizulegen. Was die Erbauer dieser
Kirche, die Brüder eines der konservativsten Ordens, veranlasst hat, von dem Typus
der Zisterzienserkirchen, wie wir ihn in klarster Form in Eberbach besitzen, in so
vielen Dingen abzuweichen, wird kaum zu ermitteln sein.
Das Eindringen des an den grossen französischen Kathedralen ausgebildeten
gotischen Stils in den deutschen Kirchenbau ist von dem 1. Jahrzehnt des 13. Jahr-
hunderts an zu verfolgen; sei es nun, dass es die Bauherren waren, deutsche Kirchen-
fürsten, die in Frankreich ihre Bildung empfangen hatten und die neuen Bauformen
und Baugedanken bei ihren kirchlichen Schöpfungen anzuwenden wünschten, sei es,
was wohl in der Mehrzahl der Fälle zutraf, dass deutsche Werkleute, ob bürger-
128
MARIENSTATT.
liehe Handwerker oder Laienbrüder ist im einzelnen Falle schwer zu entscheiden,
die von der überaus lebhaften kirchlichen Bautätigkeit nach Nordfrankreich gezogen
waren, die Kenntnis des neuen Stils in ihre Heimat mitbrachten. An zahlreichen
Bauten dieser Zeit, Magdeburg, Naumburg, Bamberg, Wimpfen und vielen andern,
lässt sich verfolgen, wie der in Deutschland um diese Zeit zur reifsten Entfaltung
gelangte romanische Stil sich gegen das Neue wehrte, wie er die neuen Baugedanken
Fig. 138. Marienstatt. Kirche. Piscina.
und konstruktiven Motive mit den altheimischen zu verschmelzen suchte. Etwa um
1230 hört dieses Ringen auf, und mit der Liebfrauenkirche in Trier (1227 bis 1244),
der Elisabethkirche in Marburg (1236 bis 1263), der Minoritenkirche in Köln (1239 bis
1240) und dem Chor von Marienstatt (1243) sehen wir die ersten, rein gotischen
Kirchen auf deutschem Boden entstehen.
Diejenigen Merkmale, welche zur Einreihung von Marienstatt in diese Gruppe
berechtigen: die völlige Herrschaft des Spitzbogens, das durchgeführte Strebebogen-
system, der auch im Äusseren zutage tretende Kapellenkranz um den offenen Chor-
umgang, die, wenn auch verkrüppelte Triforienanlage, sind im einzelnen schon bei
früheren deutschen Bauten nachzuweisen. So hat das Münster zu Bonn schon 1221
die freiliegenden Strebebogen, Heisterbach, das Mutterkloster von unserer Kirche,
den Kapellenkranz, der hier aber noch gleichsam versteckt in der runden Chormauer
liegt. Alle diese Merkmale aber weisen mit Deutlichkeit auf Vorbilder in Nord-
frankreich, wo, wie wir wissen, der Zisterzienserorden seinen in Burgund ausgebildeten
Fig. 139. Marienstati. Kirche. Chorgestülil.
MARIENSTATT, KIRCHE.
129
Sonderstil schon früh aufgegeben hatte. Was aber gerade Marienstatt unter den
oben aufgeführten frühesten deutschgotischen Bauten eine besondere Stellung anweist,
ist die Übertragung der
aus einem ausgebildeten
Hausteinbau hervorge-
gangenen neuen Bauge-
danken auf einen mit be-
scheidenen Mitteln er-
richteten Bruchsteinbau,
der uns damit als ein ruhm-
vollesZeugnis für das selb-
ständige Können deut-
scher Werkleute von be-
sonderem Wert sein muss.
Von den älteren Aus-
stattungsstücken ist bei
den Erneuerungen , die
Kirche und Kloster im
18. Jahrhundert erfahren
haben, nur eine kleineZahl
übriggeblieben ; manches
ist auch bei der letzten
Herstellung an einen an-
deren Platz gerückt wor-
den. Hier ist folgendes
aufzuführen :
Altartisch des Hoch-
altars von streng früh-
gotischer Form. Die Vor-
derplatte ist mit vier
Blenden verziert, die, mit
einem feinen Karnies-
profil umzogen, früher
wahrscheinlich gemalte
Heiligenfiguren enthiel-
ten. In die Ecken sind
Säulchen mit schlichten
Kelchkapitälen eingelegt,
Fig;. 140. Marienstatt. Kirche. Grabmal Gerhards II. von Sayn und
seiner Gemahlin.
die starke Platte mit einer von zwei Wülsten begrenzten flachen Kehle profiliert.
Piscina von Stein im östlichen Teil des südlichen Seitenschiffs. Unter einer
spitzbogigen Wandnische springen drei halbkreisförmige Becken vor, das mittelste durch
einen roh gearbeiteten Kopf, die seitlichen durch spitze, kannelierte Konsolen gestützt.
130
MARIENSTATT, KIRCHE.
Grabplatte einer Matrone im nördlichen Kreuzflügel, von schwarzem Marmor
mit eingegrabenen Umrissen, der durch ein Kopftuch verhüllte Kopf und die Hände
von weissem Marmor
eingesetzt, unter einem
einfachen, von nasenbe-
setzten Spitzbogen ge-
tragenen Giebel; spät-
gotisch.
Grabmal des Grafen
Gerhard II. von Sayn
(t 1493) und seiner Ge-
mahlin, einer Gräfin von
Syrck, (früher unter dem
südöstlichen Seitenbo-
gen des Schiffs, jetzt an
die Westmauer des nörd-
lichen Seitenschiffs ver-
setzt). Grosse Tumba
mit Spuren spätgotischer
gemalter Figuren auf
den Seitenwänden. Die
Gestalten , in offenbar
charakteristischer Por-
trätähnlichkeit, mit Re-
sten früherer Bemalung,
der Graf in voller Rü-
stung, liegen auf Kopf-
kissen , die Füsse von
Fig. 141. Marienstatt. Kirche. Pietas.
Zu den Häupten halten zwei knieende Engel das
Löwengestalten unterstützt.
Saynsche Wappen.
Zwei Grabsteine im nördlichen Seitenschiff zeigen in guten Relieffiguren den
Grafen Johann IV. von Sayn (f 1529) und seine Gemahlin Maria von Limburg (f 1525).
Weitere drei Grabsteine im Fussboden der Kirche und fünf im Kapitelhause, die
wenig künstlerischen Wert haben, führt P. Wellstein a. a. O. S. 108, 109 mit aus-
führlichen Inschriften an.
Ein grosser, gotischer Reliquienbehälter aus Stein, der vor der letzten Restau-
ration zwischen den westlichen Chorpfeilern auf der Evangelienseite stand, befindet
sich jetzt an der Westwand des nördlichen Kreuzarms. Die reiche Gliederung seines
Rahmens, in der Mitte von dem Saynschen Wappen gekrönt, umschliesst ein vergoldetes
Eisengitter.
Marienbild aus Stein über dem Nordportal des Querschiffs, schlicht und streng,
Anfang des 14. Jahrhunderts.
Fig. 142. Marienstatt. Kirche. Beichtstuhl.
MARIENSTATT, KIRCHE.
131
Maria mit dem Jesuskind über dem Westportal (Stein mit Resten der Be-
malung). Die lebhafte Bewegung der Figur und der ausdruckvolle Faltenwurf deuten
auf die Mitte des 15. Jahrhunderts.
Reste von Fussbodenßiesen mit eingeritztem Ornament in den Chorkapellen.
Fünf Marmoraltäre , davon drei früher den Chorabschluss bildend, zwei jetzt im
südlichen Seitenschiff, drei in der St. Annakapelle des Klosters; reiche und gut auf-
gebaute Barockwerke, inschriftlich von 1718, mit Engeln, Putten und Heiligenfiguren
aus weissem Marmor.
Gräbplatte von Gusseisen im nördlichen Kreuzflügel: Johann von Selbach,
Marschalck zu Crutorf, f 15 . . mit der geharnischten Figur in Flachrelief.
Chorgestühl, nach der strengen Zeichnung und der wirkungsvoll geschnitzten,
derben Ornamentik dem Anfang des 14. Jahrhunderts zuzuschreiben, in zweimal zwei
Reihen unter der Vierung und der ersten Travee des Langhauses aufgestellt. An
den Zwischenlehnen Blattknäufe, Köpfe, Vögel und Fabelwesen, die Miserikordien
einfach konsolartig. Der Abtstuhl hat in seiner Ornamentik eine reichere Verwen-
dung von Rosen und einen frei geschnitzten Pelikan mit seinen Jungen.
Holzskulptur der heiligen Anna mit der kleinen Maria, gotisch, gegen Ende
des 15. Jahrhunderts, mit erneuter Polychromierung.
Pietas, Holz mit erneuerter Bemalung, die Madonna in Bewegung und Aus-
druck von besonderer Innigkeit. Jetzt auf dem nördlichen Seitenaltar am Eingang
des Presbyteriums.
Zwei Beichtstühle mit reicher Barockschnitzerei, wahrscheinlich wie die Altäre
unter Abt Benedikt Bach um 1718 entstanden.
Fensterverglasungen in einigen Kapellenfenstern in verschlungenen Band-
mustern, der Zisterzienserregel folgend ohne Farbe.
Der grosse Flügelaltar, der vor dem Barockumbau des Kircheninnern vielleicht
als Hochaltar gedient hat, jetzt aber in den nördlichen Querschifflügel versetzt
ist, darf als das wertvollste unter den Kunstwerken der Kirche bezeichnet werden.
Er misst aufgeschlagen 5 m Breite bei 2,30 m Höhe ; die Tiefe beträgt 0,32 m. Er
ist aus Holz geschnitzt und zum grossen Teil vergoldet. Die überaus klare und rein
entwickelte Hochgotik seiner Architektur und der Stil der Figuren lässt als Ent-
stehungszeit etwa die Zeit um die erste Weihung der Kirche 1324, als Herkunft eine
Kölner Werkstatt vermuten.
Die Architektur baut sich in drei Geschossen übereinander auf; das unterste,
das mangels einer Predella als Sockel dienen muss, hat mit schlichtem, etwas dünnem
Masswerk verschlossene Behältnisse, die zur Aufnahme von Reliquien bestimmt waren.
Hierüber folgen zwölf durch Querwände getrennte Nischen, zwischen Fialen
durch spitzbogige Wimperge mit Krabben und reichen doppelten Kreuzblumen ge-
schlossen. Sie enthalten die Büsten von zwölf heiligen Jungfrauen, von denen die sechs
mittleren einen eigentümlichen aus Rüschen gebildeten Kopfschmuck tragen. Auch
sie enthielten Reliquien, die durch runde, mit Mass werk gefüllte Öffnungen in der
Brust sichtbar waren.
9»
132
MARIENSTATT, KIRCHE.
Hinter den Kreuzblumen der Wimperge zieht sich ein Fries von Vierpasskreisen,
der einen wahrscheinlich ebenfalls für Reliquien bestimmten Hohlraum abschliesst.
Das oberste Geschoss enthält unter den spitzgiebeligen, mit spitzbogigem Mass-
werkbogen geschlossenen Baldachinen die Gestalten der zwölf Apostel, die bis auf
einen neuerdings ungeschickt ergänzten eine in das Auge fallende Ähnlichkeit
mit den steinernen Apostelfiguren an den Chorpfeilern des Kölner Doms haben
und wohl zu den besten Holzskulpturen der Hochgotik gerechnet werden dürfen.
Hinter den Wimpergen zieht sich wieder eine mit spitzbogigem Masswerk ausge-
setzte Gallerie entlang.
Die Mitte des Altars wird von einem 34 cm vorspringenden Vorbau eingenommen,
der bei geschlossenem Altar von den Flügeln nicht bedeckt wird, aber, wie die an
den Kanten der letzteren noch nachweisbaren Scharniere beweisen, früher besondere
Verschlussflügel hatte. Der untere Teil wird von einer mit Eisen vergitterten Nische
eingenommen, die, da sie als Sakramentshaus aus ritualen Gründen nicht anzusehen
ist, wahrscheinlich als Behältnis für eine besonders kostbar gefasste Reliquie gedient
hat. Das Fischblasenmasswerk, das den breitgezogenen, stumpfspitzbogigen Wimperg
ausfüllt, lässt eine spätere Ergänzung vermuten. In der mit zwei Wimpergen über-
deckten Nische der oberen Zone stellt ein besonders schön und graziös geschnitztes
Bildwerk die Krönung der Maria dar, welche die Hände betend zu dem neben ihr
thronenden, segnenden Heiland erhoben hat.
Die Architektur sowie sämtliche Haare und Kleider der Figuren sind vergoldet,
auf den Gewändern reich mit eingepunztem Ornament geschmückt. Nur die Um-
schläge der Gewänder sowie einzelne Profile des Rahmwerks sind durch lebhafte
Farben hervorgehoben. Die Wände der Figurennischen sind blau mit goldenen Sternen.
Die Aussenseiten der Flügel sind in zwei Zonen mit leider stark zerstörten Ge-
mälden aus dem Leben Christi geschmückt, deren Darstellungen auf die verlorenge-
gangenen Deckflügel der mittleren Nische übergegriffen haben. Die auf Goldgrund
unter einer schwarz konturierten Architektur gemalten Bilder stellten dar: rechter
Flügel in der oberen Reihe : Anbetung der Könige, Beschneidung Christi, den Jesus-
knaben im Tempel (halb); untere Reihe : den bethlehemitischen Kindermord, Tod Mariae,
Mariae Himmelfahrt (halb). Auf dem linken Flügel: obere Reihe: Christus am Ölberg,
Gefangennahme, Christus vor Pilatus; untere Reihe: Verspottung Christi (halb), Ab-
nahme vom Kreuz, Grablegung.
Der Altar wurde 1830 nach Wiesbaden verbracht und einer unsachgemässen
Herstellung unterzogen, dann 1835 im dortigen Museum aufgestellt und in den neun-
ziger Jahren wieder in die Kirche zurückgebracht. Gegenwärtig befindet er sich zum
Zweck einer umfassenden Herstellung in Berlin.
Aus der Zeit des Klosterneubaues um 1718 stammen in der Kirche noch zwei be-
merkenswerte Schmiedearbeiten : die mit Toren versehenen Abschlussgitter des Pres-
byteriums, eins im Mittelschiff zwischen den Chorstühlen, je eins im nördlichen und
südlichen Seitenschiff, am Ende des ersten Schiffsjochs. Ihre leichte und bei aller
Freiheit des Barockstils gesetzmässige Form zeigt Abb. 145; ferner das sehr reiche
Flg. 144. Maritiiitutt. Ablfmebäinic. Miltclbiiii.
MARIENSTATT, KIRCHE.
133
Fig. 145. Marienstatt. Kirche. Chorgitter in den Seitenschiffen.
Geländer der Treppe, die am südlichen Querschiffgiebel in das obere Stockwerk des
Klostergebäudes führt.
Bis zu der jüngsten Herstellung enthielt die Kirche noch die gesamte dekorative
Innenaustattung der Barockzeit, namentlich einen mächtigen, bis zum Gewölbescheitel
aufsteigenden Hochaltar, der mit einer Fülle überlebensgrosser, in Holz geschnitzter
Engel- und Heiligenfiguren geschmückt war, wie auch ähnliche Figuren vielfach ander-
wärts zur Dekoration des Kircheninnern verwendet waren. Diese Skulpturen, die zum
Teil im Kreuzgang ihren Platz gefunden haben, zum Teil auf dem Dachboden des nörd-
lichen Klosterflügels einer würdigeren Aufbewahrung harren, sind von verschiedenem
134
NIEDERROSSBACH.
Werte. Alle zeigen die für unsere Zeit immer wieder beneidenswerte handwerkliche
Sicherheit des Schnitzers, einige aber auch in der Freiheit der Bewegung und der deli-
katen Behandlung von Köpfen und Händen einen höheren Grad künstlerischen Vermögens.
Das Abteigebäude besteht aus zwei Flügeln, die in jüngster Zeit durch
Ausführung des für die Klosterbibliothek bestimmten Südflügels zu einem nach
Westen offenen Hufeisenbau vervollständigt sind. Die Architektur ist von grosser
Schlichtheit; nur in der Mitte des Hauptflügels erhebt sich ein durch Mansardedach,
geschweiften Giebel und eine toskanische Pilasterstellung hervorgehobener Pavillon,
der das imposante Treppenhaus einschliesst. Dessen Hauptschmuck ist die in dunklem
Eichenholz geschnitzte Treppe, die in geschwungenen Doppelläufen sich zu der mit
einer doppelten Arkadenstellung geöffneten Hinterwand emporschwingt, während an
der Frontwand eine Galerie, mit der gleichen, reichgeschnitzten Rokokobrüstung
wie die Treppenrampe geschmückt, die Verbindung im Obergeschoss vermittelt.
Die Decke hat hier, wie in mehreren anderen Räumen der Abtei, einen bescheidenen
Dekor durch angetragenen Stuck erhalten.
BURG NISTRIA. Mit der Burg Nistria, die in der Schenkungsurkunde von
1222 erwähnt wird, und deren Spuren man noch auf dem westlich von der Abtei auf
dem linken Nisterufer steil aufsteigenden Felsen, dem „Burgberg", verfolgen kann, hat
sich A. von Cohausen in Annalen XIX., 186 beschäftigt. Hier seien dieser Arbeit
die kurzen Notizen entnommen, dass Graf Heinrich III. von Sayn, der die Grundherr-
lichkeit Nister vom Erzbistum Köln zu Lehen trug, die Burg 1211 bis auf die Grund-
mauern zerstörte. Was jetzt noch von ihr auf dem Felsenkopf zu erkennen ist, be-
schränkt sich auf einen im Osten der Anlage den Bergrücken durchschneidenden
Halsgraben von 6 m Tiefe und 4,50 m Sohlbreite. Zehn Schritt nach Westen ist die
3 m tiefe, 12 m ins Geviert messende Fundamentgrube für den Bergfried in den
Felsen vertieft, in dem sich das Verliess als eine besondere, 1 m tiefe und 6 m ins
Geviert messende Grube kenntlich macht. Nördlich und südlich vom Turm deuten
Terrassierungen auf die Palas-, Wirtschafts- und Zwinger-Anlagen. Auf einer westlich
vorgelagerten, tieferen Felsplatte von hundert Schritt Länge und fünfzig Schritt Breite
wird die Vorburg vermutet, für deren Turm in einer quadratischen Vertiefung von
4,50 m Seitenlänge und 6 m Tiefe der Ort gefunden wird.
3^
NIEDERROSSBACH.
Vogel, Beschr. v. N. 695.
AS Dorf Niederrossbach, 12 km südwestlich von Hachenburg, 3,5 km
von der Station Mündersbach (Hachenburg-Selters) gelegen, war Wied-
scher Besitz und wurde 1362 an Sayn verpfändet, das den Ort 1460 von
I den im Besitz grundherrlicher Rechte und Zehnten befindlichen Herren
von Helfenstein und Geyssler erkaufte.
Fig . 146. Alarienstatt. Kirche. Seitenaltar.
ROTZENHAHN, PFARRKIRCHE.
135
DIE PFARRKIRCHE ist eine flachgedeckte romanische Basilika mit halbrund
geschlossenem, früher gewölbtem Chor und viereckigem Westturm. Von den wahr-
scheinlich nach Einführung der Reformation abgebrochenen Seitenschiffen sind noch
die im Innern sichtbaren je vier vermauerten Pfeilerarkaden mit schh'chtem Kämpfer-
gesims erhalten, über dem in der Obermauer je vier kleine Rundbogenfenster. Aussen
Rundbogenfriese, am westlichen Teil des Chors auch Lisenen. In der Chorapside
drei grosse Rundbogenfenster mit schlichtem spätgotischem Masswerk. Der Turm,
fast so breit wie die Kirche, hat gekuppelte Schallöffnungen mit sehr einfachen Mittel-
säulchen und eine welsche Haube.
Zwei Glocken. Die grössere, 800 Pfund schwer mit gotischer Majuskelinschrift :
t 0 • rCf • glorie • Oeni • cum • pace • maria • ohne Jahreszahl, vom Ende des 13. oder
Anfang des 14. Jahrhunderts. Die kleinere, 500 Pfund schwer, mit Reliefs Maria mit
dem Christuskinde und zwei Heiligen, darüber zwischen gotischen Fialen in einem
Runde das Haupt Christi ; Anbetung der Könige ; St. Katharina mit Rad, Schwert und
Krone, auf einer Blume stehend ; sitzende gekrönte Maria mit dem Kinde ; ein
sitzender bärtiger Mann mit spitzer Mütze, einen Krummstab haltend, der Stuhl
mit Drachenköpfen verziert, unter welchen zwei kleine, die Hände flehend er-
hebende Figuren. — Inschrift : Katerina • Reißen • idt) • alle • boße • (a) iDeüer • lüertrifen • i(ö •
M • CCCC - L • (1450). Bei (a) ist das Wappensiegel des Glockengiessers, enthaltend
in der Mitte eine Glocke und am Rand den Namen Ludovicus .... (undeutlicher
Familienname). Unter der Inschrift ein zierlicher Kranz von Eichenblättern (Lötz
nach Pfarrer Vömel und Pfarrer Gust. Todt, 1864).
ROTZENHAHN.
Vogel, Beschr. v. N. 703.
AS Dorf Rotzenhahn, (8,5 km südlich von Hachenburg), früher der
Nassau-Diezschen, seit 1621 der Hadamarschen Linie gehörig, hatte schon
1289 eine Pfarrkirche, die bald nach diesem Jahr dem Stift in Diez in-
korporiert und an der 1413 eine Frühmesserei gestiftet wurde.
PFARRKIRCHE. Das jetzige Schiff der Kirche ist 1743 erbaut ; der Chor
gehört dem Anfang des 14. Jahrhunderts an. Er ist aus dem Achteck geschlossen
und mit zwei Kreuzgewölben überdeckt, deren hohlprofilierte Rippen auf halb acht-
eckigen, nach unten zulaufenden Konsolen aufsetzen. Die Fenster sind ungeteilt, ihr
hohlprofiliertes Gewände mit Nasen besetzt. Die schmalen Strebepfeiler sind einmal ab-
gesetzt und mit Pultdächern abgedeckt. Der Chorbogen ist rundbogig. Der Turm öffnet
sich nur gegen das Schifi^ mit einer flachbogigen Öffnung in dem mit einem Tonnen-
gewölbe überdeckten Erdgeschoss. Das Obergeschoss ist von Holz und beschiefert.
136
STEINEBACH. — WESTERBURG.
STEINEBACH.
Lötz, Beschr. v. Nassau 685.
AS Dorf Steinebach, 6 km südlich von Hachenburg, bewahrt in
einigen spärlichen Resten einer Talburg, — dem Stumpf eines vier-
eckigen Turmes mit einem spitzbogigen Torweg, sowie anderen Mauer-
stücken — die Erinnerung an das Rittergeschlecht gleichen Namens. Es
tritt zuerst 1273 auf und trug 1424 seine Stammburg von Wied zu Lehen, die 1485
noch in vollem Wesen stand. Graf Johann von Sayn kaufte sie und sie wurde ihm
in der Bruderteilung von 1555 vorbehalten. Die von Steinenbach schenkten 1270 ihr
Gut hier an das Kloster Marienstatt und empfingen dagegen 1292 dessen aus 33
Mansen bestehendes Eigentum als Erblehen. Das Geschlecht starb am Ende des
16. Jahrhunderts mit Joachim aus.
Fig. 147. Westerburs von Nordwestett.
WESTERBURG.
Vogel, Beschreibung 251, 734. — Wenck, hess. Landesgeschichte I 475 — 482, 656. — J. St. Reck,
Geschictte von Isenburg, Runkel & Wied, Weimar 1825. — Wenck, hess. Land.-Gesch. Urkdb. 124.
US dem Tale des Schaf bachs, einem nördlichen Zufluss des Elbbachs, erhebt
sich ein steil nach Westen abfallender Basaltrücken, der das Stammschloss
der Grafen von Westerburg trägt. Auf dem Abhang des Hügels gruppiert
sich die gleichnamige Oberstadt, in ihrer Mitte von einer kleinen Schlucht,
dem früheren Burggraben, zerschnitten; im Tal zieht sich an einer dem Bachlauf
folgenden Strasse die Unterstadt hin.
Ein „Herr von Westerburg" erscheint 1221 zuerst in einem Vergleich mit dem
Stift Gemünden; es ist Siegfried von Runkel, der die Herrschaften von Wester-
burg und Runkel in seiner Person vereinigte. Als ersten Vertreter der letzteren,
Fig. 14S. Westerburg. Evang. Kirche. Inneres.
WESTERBURG, KIRCHE.
137
die ursprünglich aus einer geringen Grundherrlichkeit bei dem an der Lahn gelegenen
Dorfe Wenigen- Weimar hervorgegangen war, betrachtet Vogel einen Siegfried, der
1158 als Bürge für die Gräfin Beatrix von Laurenburg bei Verhandlungen über die
Burg Nassau erscheint.
Der obengenannte Siegfried von Westerburg begegnet uns zuerst 1194
als Zeuge ; zu Anfang des 13. Jahrhunderts scheint er das Kloster Seligenstadt bei
Seck besonders mit Stiftungen bedacht zu haben
und erliess diesem 1219, bei Antritt einer Kreuz-
fahrt, alle Abgaben, die es ihm als seinem Vogte
schuldete. Aus der Vogtei über das Kollegiat-
stift zu Geraünden, das den heiligen Severus zum
Patron hatte, scheint die Herrschaft Westerburg
hervorgegangen zu sein. Wenigstens umfasste
ihr rings von der Grafschaft Diez umschlossenes
Gebiet nur die jenem Stift zugehörigen Orte :
Gemünden, Seck, Stocken, Westerburg, Hergerod,
Stahlhofen und Wengenrod und führt in alten
Dokumenten den Namen: „Bifang des heiligen
Severus". Eine Scheidung des Geschlechtes in
die Linien Westerburg und Runkel fand unter
Siegfrieds Söhnen Sifrid und Dietrich statt,
von denen nach der unter Vermittelung des Grafen
Adolf von Nassau 1288 erfolgten Gebietsteilung
Sifrid Westerburg und Schadeck erhielt.
Mehreren Nachfolgern Sifrids begegnen wir
im 14. Jahrhundert in der Limburger Chronik als
kriegerischen Herren. Eine bedeutende Gebiets-
erweiterung des Hauses knüpft sich an die Ver-
mählung Reinhards IV. (1388-1449) mit Mar-
garethe von Leiningen im Jahre 1422, die
ihm einen ansehnlichen Teil der Grafschaft Lei-
ningen zubrachte. Von dieser Zeit datiert der
Titel Grafen zu Leiningen- Westerburg.
Die Stadt Westerburg, oder „das Tal", wie sie genannt wurde, scheint mit
der Burg annähernd gleichzeitig entstanden zu sein, da sie bereits 1250 erweitert
wurde. Auf eine wehrhafte Anlage mit Mauern und Graben weist der Umstand, dass
sie bereits eine Oppidan-Einrichtung hatte, als 1292 ihr vom König Adolf auf Betreiben
seiner Schwägerin Agnes von Westerburg Stadtrechte verliehen wurden.
Fig. 149. Westerburg. Evang. Kirche.
Grundriss,
DIE EVANGELISCHE KIRCHE .ist 1516 neu erbaut worden. Sie ist eine
spätgotische Hallenkirche mit einem in drei Seiten des Achtecks geschlossenen Chor in
der Breite des Mittelschiffs und einem viereckigen vor letzterem stehenden Westturm.
138
WESTERBURG, KIRCHE.
Der Chor, unter dem sich ein Gruftgewölbe des Westerburger Grafenhauses
befindet, liegt infolgedessen um sechs Stufen über das Schiff erhöht. Sein schlichtes
Kreuzgewölbe, das mit hohlprofilierten Rippen auf einfachen Konsolen ruht, ist nied-
riger als das des Schiffes. Der Schlusstein trägt ein Schild mit dem Wester-
burgischen Wappen.
Das Schiff hat vier Joche, deren spitzbogige Arkaden, auf den Abkantungen
mit einer Hohlkehle versehen, auf schlanken Rundpfeilern aufsteigen. Das Kämpfer-
gesims wird durch eine achteckige Platte mit unterer Schrägung gebildet, dem auch
die Sockel entsprechen. Ein engmaschiges Netzgewölbe bedeckt die drei Schiffe, im
Mittelschiff mit doppelt, in den Seiten mit einfach gekehlten Rippen; eine Besonder-
heit sind die einfach gekehlten, kurzen Rippen, die im Mittelschiff über jedem Pfeiler
gerade aufsteigen und die nächste Raute des Netzgewölbes halbieren. Die Schlussteine
sind im Mittelschiff mit Vierpässen ohne weiteren Schmuck belegt.
Die Fenster sind zweiteilig, meist mit Fischblasenmasswerk. Von den Türen ist
die nördliche im Gewände mit Hohlkehlen gegliedert, der Sturz durch zwei reichprofi-
lierte Konsolen getragen; die südliche einfach rechteckig mit Fasengewände; in den
Turm führt von Süden eine Spitzbogentür mit im Scheitel durchkreuzter Hohlkehle.
Der Turm, einfach viereckig, öffnet sich nach dem Schiff im Erdgeschoss mit
einem Rundbogen, im Obergeschoss spitzbogig. In beiden Geschossen sind die Kreuz-
gewölbe, deren Kämpfer noch vorhanden sind, eingestürzt.
Die rundbogigen Schallöffnungen liegen gekuppelt auf Mittelsäulchen in flachen
Rundbogenblenden. Der Turmhelm, achteckig, ist neuerdings auf den vier Seiten
mit unschönen Giebelbauten für die Uhr versehen.
Die Kirche enthält drei Westerburgische Grabsteine , die in der Wand des
südlichen Seitenschiffs eingemauert sind und gute dekorative Arbeiten des 16. Jahr-
hunderts darstellen; sie enthalten in Relief die stehenden Figuren der Bestatteten:
Graf Georg von Leiningen-Westerburg, f 1580.
Graf Reinhard von Leiningen-Westerburg, tl584; Meisterzeichen H R H.
Oda, Gräfin vonManderscheid-Blankenburg, Gemahlin des vorigen.
An der Ostwand des südlichen Seitenschiffs ist ein Flitgelaltarbild aufgehängt,
das aus der Liebfrauenkirche auf dem Reichenscheid stammt, eine gut erhaltene
Arbeit aus der Mitte des 16. Jahrhunderts von nicht bedeutendem Kunstwert. In der
Mitte Anna mit dem Christuskinde und Maria, auf den Flügeln Lazarus und Magdalena,
das Ganze in dem ursprünglichen, mit einem Giebel bekrönten Rahmen.
LIEBFRAUENKIRCHE. Einen Kilometer talaufwärts von Westerburg, an
der Stelle des ausgegangenen Dorfes Reichenscheid, liegt die jetzt als katholische
Wallfahrtskirche wiederaufgebaute Liebfrauenkirche. Lötz, der sie noch als Ruine
sah, gibt von ihr folgende Beschreibung:
„Sie war bis zirka 1600 von dem Kirchhofe für Westerburg und die oberen
Dörfer umgeben. Ein viel verehrtes Marienbild veranlasste Prozessionen und Wall-
fahrten zu ihr sowie die Stiftung von vier Bruderschaften. 1487 vermachte Bernhard
I
WESTERBURG, LIEBFRAUENKIRCHE.
139
Ft;^. 151- Westerburg. Ehemalige Ruine der Liebfrauenkirche.
von Wonsdorf, genannt Mudersbach, einen halben Malter Hafer jährlich zum Bau
der Kirche." (Vogel, Beschr. 735; Wagner, Regentenfamilie von Nassau-Hadamar I. 124!.)
Gotische Hallenkirche mit einschiffigem, dreiseitig aus dem Sechseck geschlos-
senem Chore und mit viereckigem Turme über dem eine Emporbühne enthaltenden
Westbau. Basaltbau mit Einzelseiten von Tuffstein.
Der Chor hatte zwei Kreuzgewölbe, wovon der östliche sechsteilig war; die
Rippen mit einfachstem Hohlprofil wuchsen aus kurzen, runden Diensten hervor, die
auf runden Kragsteinen mit monotoner Gliederung oder auf rohen Köpfen aufsitzen.
Die zweiteiligen Fenster haben ihr Masswerk verloren. Die Strebepfeiler, welche
nur am Chor vorkommen, haben oben abgeschrägte Sockel und hohlprofiliertes
Traggesims und scheinen mit Pultdächern versehen gewesen zu sein. An die Nord-
seite des Chors schloss sich eine Sakristei mit zwei Kreuzgewölben an. Vom Lang-
hause sind nur noch Mauerreste vorhanden.
Der Turm mit Nebenhallen öffnete sich im Erdgeschoss nach Westen und
Osten in grossen Bogen einfacher Art, im zweiten Geschoss nach dem Mittelschiff
in einem grossen Spitzbogen, dessen Gewände von Tuffstein an den Ecken eine reiche
Gliederung, ähnlich einer attischen Basis, zeigen, nach Westen in einem grossen
Fenster mit schrägen Gewänden und hohlprofilierten Pfosten. An der Südseite des
Turmes ist oben ein Fenster mit zwei Nasen am Spitzbogen erhalten.
140
WESTERBURG.
Fig. 152. Westerburg. Schloss. Vorhalle B (s. Grundriss).
DAS SCHLOSS, heute
noch von seinem Besitzer
bewohnt, lässt nach seinen
ältesten,dem romanischen
Übergangsstil angehöri-
gen Teilen seine Erbau-
ung in die Zeit seiner ur-
kundlich ersten Erwäh-
nung 1209 und 1221 setzen.
Ausser diesen, im Grund-
riss schwarz gezeichne-
ten, die Nordostecke ein-
nehmenden Teilen A, B, C
enthält das Schloss in der
Ostfront und in dem west-
lich liegenden mit D be-
zeichneten Saal Teile, die
nach ihren schlicht go-
tischen Formen dem 15.
Jahrhundert angehören,
während der Rest den
einfachen Wohnhauscha-
rakter des 18. Jahrhun-
derts trägt.
Durch den ältesten Teil
führt unter den Räumen
B,CeinTorweg mit einem
einfachen Rundbogentor,
an das sich teils rund-,
teils spitzbogige Tonnen-
gewölbe anschliessen. Er
führt in den von drei
Seiten umbauten, an der
Talseite durch eine Mauer
begrenzten Hof. Aus die-
sem gelangt man über
eine gewundene Treppe
in einen zweiten kleineren
Hof, der in der Ecke die
zu den oberen Wohnräu-
men des Südflügels füh-
rende Wendeltreppe ent-
SCHLOSS.
141
Fig. 153. Westerburg. Schloss. Grundriss des erste» Stocks.
142
WESTERBURG.
hält ; eine zweite Treppe, wahrscheinlich dem ältesten Bau angehörig, ersteigt den Ost-
flügel. Im Erdgeschoss schliesst sich an den Torweg links ein grosser, nur durch Licht-
spalten erleuchteter Raum mit einem viereckigen Mittelpfeiler, der zwei Rundbogen
zur Unterstützung der Balkendecke trägt. Rechts befindet sich ein rechteckiger Raum
mit zwei kuppelartigen, rippenlosen Kreuzgewölben, die durch einen auf den Kanten
mit Rundstäben belegten Gurtbogen getrennt sind. Der turmartige Aufbau über
Fig. 154. Westerburg. Scitloss. Kapellentür und Fenster.
diesem Raum enthält im ersten Obergeschoss einen flachgedeckten Saal A mit einem
Vorraum B und weiter nach Osten einen Raum C, der jetzt als Sakristei der nach
Süden anstossenden Schlosskapelle dient und wohl auch ursprünglich die gleiche
Bestimmung für den Raum A gehabt hat, den man als die frühere Kapelle anzu-
sprechen haben wird. Hierauf weist die nach Osten in der Dicke der Aussenmauer
liegende Altarnische, eigentlich die schräge Leibung eines grossen Rundbogen-
fensters, die an den Ecken mit eingelassenen Säulchen geschmückt ist. Diese haben
attische Basen mit Eckblättern, Schaftringe und Knospenkapitäle, über denen sich
die Schäfte als starker Rundstab fortsetzen.
Den gleichen Stilcharakter des beginnenden 13. Jahrhunderts trägt die besonders
reich gegliederte Vorhalle B. Die Westwand, die nach dem Hof zu unter einem
tiefen Stichbogen liegt, ist in eine zierliche Arkatur (mit jetzt fehlender Mittelsäule)
aufgelöst. Drei schwach anlaufende Säulchen tragen auf Knospenkapitälen Spitz-
bögen, hierüber steilere Spitzbögen, die über den Kapitälen auf abgetreppten
Konsolen aufsitzen, je zwei durch einen runden Blendbogen zusammengefasst. Die
gegenüberliegende Wand ist von zwei grossen Halbkreisbögen durchbrochen, die auf
SCHLOSS.
143
einer den Fensterwandsäulen entsprechenden Mittelsäule aufsetzen. Das zur Kapelle
führende Portal der Nordwand ist besonders reich gegliedert. Über der durch einen
geraden Sturz abgeschlossenen Türöffnung erhebt sich ein aus eckiger Platte, Wulst
und kleiner Unterplatte gegliederter Rundbogen, der einen Blendbogen aus Zacken-
bögen einschliesst. Das Ganze ruht auf Ecksäulen mit anlaufendem Schaft, Eckblatt-
basis und Knospenkapitäl, auf dessen Deckplatte zwei charakteristisch gezeichnete
Löwen ruhen. Leider ist diese ganze, reich
und zierlich gegliederte Architektur so dick
mit Tünche und glänzender Ölfarbe über-
deckt, dass für die Einzelheiten der Kapi-
täle usw. keine Genauigkeit beansprucht
werden kann.
Die Sakristei C besitzt ein Kreuz-
gewölbe mit Rundstabrippen, die sich in den
Ecken als Säulchen mit zierlichen Knospen-
kapitälen fortsetzen, und einen mit einer
grossen Rose geschmückten Schlusstein.
Der nach Osten liegende Vorraum , aus
welchem sie ihr Licht empfängt , scheint
ursprünglich eine offene Nische in der Ost-
front gewesen zu sein, deren Öffnung nach-
träglich mit einer in Holz konstruierten
Fensterwand zugesetzt ist.
Die südlich anschliessende, mit moderner Fig. 155. Westerburg. Schloss. Vom Kamin i in
Malerei ausgestattete, jetzige Schloss- rcttv.
kapelle hat zwei rippenlose, rundbogige Kreuzgewölbe. Auch im Ausseren trägt der
nordöstliche Eckbau noch Spuren des romanischen Übergangsstils in einem Rundbogen-
fries an der Ost- und Westfront, bestehend aus ungegliederten Rundbögen auf zierlich
profilierten Konsolen, darunter ein aus Rundstab und Kehle bestehendes Gesims.
Neben der Schlosskapelle an der Südostecke befindet sich noch ein grosser
Ecksaal, aus dem nach der Ostfront ein dreiseitiger, spätgotischer Erker vorspringt.
Dieser wird von zwei einfachen Konsolen mit darübergelegten, ungegliederten Stich-
bögen getragen. Die achteckigen Fenster haben abgekehlte Gewände.
Im Erdgeschoss des Westflügels befindet sich in der Nordwestecke das Schloss-
archiv D, ein geräumiger Saal mit einem Netzgewölbe mit einfach gekehlten Rippen.
Die mit steinernen Mittelpfosten versehenen Fenster liegen in tiefen Nischen mit
Seitenbänken ; in der Westwand ist ein Kamin, auf dessen in eine Spitze empor-
geschweiftem Deckgesims eine zierlich gemeisselte Frauengestalt die Leiningen- Wester-
burgischen Wappen hält.
In etwa 300 m Entfernung nördlich von der Südostecke des Schlosses ragt auf
einem einzelnen Felsklotz der Stumpf des runden Bergfrieds empor; wann derselbe
abgelegt oder umgestürzt ist, wird nicht überliefert. Auf einem im Schlosse aufbe-
144
BEROD.
Fig. 156. Westerburg. Nach einem alten Bilde.
wahrten, wahrscheinlich aus dem 18. Jahrhundert stammenden Ölbild des Schlosses
erscheint der Turm schon als Ruine, mit Buschwerk bewachsen, hat jedoch noch seine
ganze Höhe, die sich aus einem dicken unteren und einem an Höhe etwa ein Drittel
des ersteren messenden, abgesetzten oberen Teil zusammensetzt, der noch seinen
Zinnenkranz, aber kein Dach hat. Dasselbe Bild zeigt noch den Mauergürtel der
Oberstadt mit zwei Toren, von denen das am westlichen Abhang des Burgbergs ge-
legene ein steiles Zeltdach mit einem geschweiften Glockenttlrmchen auf dem First trägt.
In der Schlosskapelle sind an einzelnen Kunstgegenständen zu nennen : Stein-
skulptur, Pietas, gute gotische Arbeit, erste Hälfte 15. Jahrhunderts. Eine aus der
Liebfrauenkirche stammende //btes^M//)^«;', wertvolle Arbeit des 14. Jahrhunderts (Ende),
sitzende Maria mit dem stehenden Christuskinde auf dem Schoss. Glasmalereien,
die aus benachbarten Dorfkirchen, namentlich aus Wilmerod stammen, ausgezeichnete
Arbeit 13. Jahrhunderts : Christus zieht den sinkenden Petrus aus dem Wasser. —
Ein Engel. Frühgotisch: Maria mit dem Kinde. 15. Jahrhundert : Evangelistenzeichen
Lucas und Marcus, darüber Gott Vater und Christus. Das Leiningensche Wappen
(auf rotem Grunde gelber Adler).
5^
BEROD.
AS Dorf Berod, 9 km südlich gegen Westen von Westerburg, hat einen
Kirchturm aus romanischer Zeit, während die jüngere, architektonisch
bedeutungslose Kirche in neuerer Zeit mit Geschick in einen Neubau des
Schiffs als Querschiff eingefügt ist. Der Turm ist schlicht viereckig mit
Pyramidendach. Das mit einem rippenlosen Kreuzgewölbe überdeckte Erdgeschoss
öffnet sich gegen das Schiff im Erdgeschoss und auf der Empore mit schlicht rund-
bogigen Türen. Die gekuppelten Schallöffnungen liegen in Rundbogenblenden; ihre
Mittelsäulchen haben keine Kapitäle, doch einfache Wulstbasen und unter dem üblichen
Kämpferstein einen Hal§wulst.
ELSOFF.
145
Zwei Glocken. Kilianus Ijeißen
id!) alle boffe iDcder uerdriben i(ö
MCCCCLXXV (1475). Die kleinere
sagt angeblich: ]m Hamen Jefu
Cbrifti floß i(ö, Paulus Zimmermann
in mainz goß midt) anno 1599 (Lötz).
Unter den Holzhäusern, die
im Orte noch in ziemlicher Anzahl
erhalten sind, zeichnet sich das Haus
Nr. 7 an der Strasse nach Walmerod
(s. Fig. 182) durch seine gesunde Kon-
struktion, das wohlerhaltene Stroh-
dach und den „Niederlass" aus.
Fig. 157. Elsoff. Kapelle.
ELSOFF.
Vogel, Beschreibung 733.
AS Dorf Elsoff, 10 km östlich von Westerburg gelegen, befand sich im
frühen Mittelalter, als zur Herrschaft Ellar gehörig, unter Diezscher Ge-
richtsbarkeit, aus der es 1337 durch Kauf an Nassau-Hadamar überging.
Seine Kapelle stand ursprünglich unter der Mutterkirche in Seck, zu deren
Bau es nach einem Vertrage von 1449 die Hälfte der Kosten beitragen musste.
1477 stifteten die noch jetzt zu seinem Kirchspiel gehörigen Dörfer Elsoff, Westernohe,
Mittelhofen, Oberrod in der Kapelle einen Altar für einen ständigen Priester.
10
146
GEMÜNDEN.
KAPELLE. Diese Kapelle, jetzt als Pfarrkirche St. Peter und Paul geweiht,
ist eine romanische, sehr schlichte Anlage mit gleichbreitem Schiff und Chor, dem
sich eine halbrunde Apsis anschliesst. Vor der Südseite des Chors steht ein vier-
eckiger, im Mauerwerk schwach verjüngter Turm, dessen hoher, achteckiger Helm von
vierEcktürmchen
umgeben ist und
nach einem Bran-
de von 1727 im
folgenden Jahre
neu errichtet wur-
de. Die gekup-
pelten Schallöff-
nungen sind ver-
mauert. Sämt-
liche Räume der
Kirche sind rund-
bogig überwölbt
Fig. 158. Elsoff. Kapelle. Gruniiriss.
mu Kreuzgewölben, deren Gräte im Scheitel kuppelartig verlaufen; die Apsis mit
einer Halbkuppel. Die breiten Gurte werden von derben, unprofilierten Pfeilern
gestützt, denen nachträglich im Äusseren anlaufende Strebepfeiler vorgelegt sind;
der Chor hat flache, rundbogige Wandblenden. Die Türen und Fenster, klein und
rundbogig geschlossen, befinden sich zum Teil nicht mehr im alten Zustand; in die
Apsidenfenster sind gotische Nasen eingesetzt.
Der Friedhof, der die etwas hochgelegene Kirche malerisch umgibt, hat auf der
Westseite ein Torhaus mit spitzbogigen Öffnungen.
GEMÜNDEN.
Kremer, Orig. Nass. 14. — Vogel, Beschreibung 178, 252, 735. — Histor. Beschreibung des
Stifts Gemünden, Handschr. im Landesarchiv zu Wiesbaden von 1758.
jEßER die Kirche des 3 km östlich von Westerburg gelegenen Dorfes
Ge münden, deren Gründung bis in die älteste Geschichte des Landes
zurückgeht, sind nur spärliche geschichtliche Nachrichten überliefert. Eine
Feuersbrunst, die im 15. Jahrhundert die Kirche und das Stiftsgebäude
heimsuchte, soll auch sämtliche Urkunden vernichtet haben. Ein Kloster, das der
Gaugraf des Niederlahngaues, Gebhard, mit königlicher Unterstützung zu Kettenbach
an der Aar um die Mitte des 9. Jahrhunderts errichtete, wurde nach Gemünden ver-
legt, wo die Kirche s. t. S. Severi 879 vollendet und in Gegenwart König Ludwigs III.
von Erzbischof Berthold von Trier geweiht wurde. Mit ihr war ein Stift von zwölf
Kanonikern, sechs Priestern, drei Diakonen und drei Subdiakonen verbunden, das
von dem Stifter, der selbst als Mönch eintrat, mit Gütern ausgestattet und mit der
KIRCHE.
147
Stiftung zu Kettenbach vereinigt wird. Aus der Vogtei über dieses Stift, die den
Herren von Westerburg übertragen wurde, schreibt sich die Entstehung dieser Herr-
schaft her, der wir daher unter dem Namen „Bifang des heiligen Severus" begegnen.
Bei der Teilung 1288 in die Linien Westerburg und Runkel traten diese beiden in
das Vogteiverhältnis ein. Die Probstei
besetzte bis 1336 der Kaiser, von wo
an Kaiser Ludwig dies Recht erblich
an die Westerburger übertrug, die
auch in der Kirche ihr Erbbegräbnis
hatten. Bis zur Zeit der Reformation
verschlechterte sich der Besitz des
Stiftes derart, das er nur noch für
sechs Präbenden ausreichte, mit deren
Übertritt zur Reformation 1570 das
Stift einging. Im dreissigjährigen
Krieg wurde vorübergehend durch
Trier wieder das katholische Bekennt-
nis eingeführt.
Wann und durch welche Um-
stände die ursprüngliche Kirche des
9. Jahrhunderts verschwunden ist,
lässt sich nicht mehr nachweisen.
KIRCHE. Die jetzige Kirche
lässt unter mancherlei Veränderungen
das Schema einer flachgedeckten, ro-
manischen Pfeilerbasilika erkennen
mit Querschiff, gerade geschlossenem
Chor und zwei Westtürmen. Von der
engen Bogenstellung der Südarkade
sind noch drei Pfeiler erhalten, die
beiden westlichen noch mit ihrem
D j j 1 1 tt„ Fig. 159. Gemünden. Kirche. Gritmiriss.
Bogen und dem aus Deckplatte,
Karnies und Plättchen bestehenden Kämpfergesims; letzteres ist auch an dem
nächsten Pfeiler ; an dem Wandpfeiler neben dem Chorbogen eine einfache Schmiege.
Derselben Zeit gehören an : die unteren Teile des westlichen Turmbaus, (an dem
die Bogenöffnungen der Zwischenhalle keine Gesimse haben) sowie die Mauern
des Chors und des Querschiffs. Die oberen Geschosse der Türme sind dem 13. Jahr-
hundert zuzuschreiben. Ein grösserer Umbau hat 1510 nach einem in den dreissiger
Jahren des vorhergehenden Jahrhunderts stattgefundenen Brande das nördliche
Seitenschift umgestaltet. Hierbei wurden anstelle der sechs schmalen Joche, wie
sie an der Südarkade noch erkennbar sind, drei Spitzbogen auf zwei rechteckigen
10»
148
GEMÜNDEN.
Pfeilern angeordnet, die keine Kapitale haben, und das Seitenschiff dementsprechend
in drei Jochen mit einem gotischen Netzgewölbe überdeckt. Zu einer späteren,
nicht nachweisbaren Zeit wurde die flache Decke des Mittelschiffs und die Kreuz-
vierung durch ein auf
Holzrippen konstruiertes
Lehmgewölbe ersetzt.
Wahrscheinlich wurden
bei dieser Gelegenheit
auch der dritte und fünfte
Pfeiler der südlichen Ar-
kade entfernt und grosse,
tiefer als die früheren
Bögen ansetzende Rund-
bögen der Südarkade ein-
gefügt, sowie sämtliche
Schiffe mit einem Dach
überdeckt. Die Seiten-
flügel des Querschifls blie-
ben nach diesem Brand
dachlos und unbenutzt,
gegen die Vierung zu-
gemauert, liegen; erst
neuerdings haben sie zwar
keine Decke, aber Walm-
dächer erhalten. Der
Chor wurde bei dem Um-
bau vom Jahre 1510 mit
einem gotischen Kreuz-
gewölbe mit hohlgeglie-
derten Rippen auf schlich-
ten Konsolen überdeckt,
das so tief liegt , dass
unter den Rundbogen
gegen die Vierung ein
Spitzbogen angebracht
Fig. 160. Gemünden. Pfarrkirche. Westteil. werden musste.
Von den romanischen Fenstern ist vielleicht noch in den jetzt unter dem Dach
liegenden drei grossen rundbogigen Öffnungen in der Aufmauerung über der Süd-
arkade ein Rest des alten Lichtgadens erhalten. Alle anderen Fenster sind mit Fisch-
blasenmasswerk im 16. Jahrhundert verändert. Die Westtür, in ungegliedertem Rund-
bogen geschlossen, gehört ebenfalls dem romanischen Bau an; zwei Pforten, eine in
der Nordvvand des Querschifls, eine im westlichsten Joch der Südwand, haben Haustein-
HÜBLINGEN. - MEUDT.
U9
gewände und flachgiebelförmigen Sturz. Von den beiden Westtürmen ist nur
der nördliche, ein stark anlaufender, schlichter Basaltbau ausgebaut und trägt ein
achteckiges Spitzdach von 1856. Spitzbogige Schallöffnungen sind durch ein verjüngtes
Mittelsäulchen mit rohem Würfelkapitäl geteilt. Der südliche Turm endigt unter dem
Querdach, das die Vorhalle bedeckt und südlich mit einem Giebel abschliesst.
Der schlichte Altartisch ist noch frühgotisch ; er hat einfache, eingelassene
Säulchen auf den Ecken.
Drei Glocken. Die kleinste, völlig schmucklos, deutet durch ihre sehr schlanke
Form auf hohes Alter. Die zweite hat die Inschrift: DCUS IjOtnO faCtüS eft • annO doi
millefimo CCCC fcüo sabbo poft fac inctio (1402). Die grösste: maria • Ijeißen • idt) •
den • lebten • oeud • den doden • lulden • id) • poftan bruiDüre gois mid) fub anno dni
mo • CCCC • flüii (I447j.
Im Chor sind noch Reste von geschnitzten Chorsiiihloi aus spätgotischer Zeit
in der üblichen Form erhalten, mit kleinen Säulchen besetzt, die Wangen mit Blättern,
Fabeltieren und Fratzenköpfen verziert.
HÜBLINGEN.
ÜBLINGEN, 8 km östlich von Westerburg.
Die evangelische KIRCHE, ursprünglich eine Marienkapelle, ist ein
romanischer Basaltbau, nach den Ermittelungen von Dr. Götze (Nass.
Ann. 13, 282) allerdings erst 1385 erbaut. Einschiffig mit schmälerem, vier-
eckigem Chor, der das Erdgeschoss des Turmes einnimmt und ein rippenloses, auf
rohen Kragsteinen aufsitzendes und gegen unprofilierte Schildbögen anfallendes Kreuz-
gewölbe hat. Der Chorbogen ohne Gesimse; östlich und südlich je ein kleines
Fenster. Diese und Chorbogen rundbogig. Der sich über dem Chor erhebende Turm
ist nach Osten aussen abgeschrägt, sodass sein Zeltdach unregelmässig sechseckige
Form hat (Lötz).
MEUDT. LANGWIESEN.
Vogel, Beschreibung 741, 742. — Acta academiae palatinae III, 808. — Broweri ann.
Trevirenses I, 572.
ER Flecken Meudt, 10 km südwestlich von Westerburg gelegen, er-
scheint in der Geschichte im Jahr 1097, als Adelheid, die Gemahlin
des Pfalzgrafen Hermann, Bauerngüter, die sie in Muede besass und die
das Benefizium ihres Kapellans Manegold ausmachten, an das Stift des
heiligen Georg zu Limburg schenkte, eine Schenkung, die 1124 durch Bischof Adalbert
von Mainz bestätigt wurde. Hierdurch entstanden Gerechtsame, welche die Herren
von Isenburg als Vögte des Georgsstiftes in Meudt besassen.
150
MEUDT, PFARRKIRCHE.
4-
Fig. 161. Meudt. Pfarrkirche.
KIRCHE. Eine Kirche bestand hier schon 1200 (Lacomblet, Arch. für die Gesch.
des Niederrheins I b, 367). Nach der Ansicht von Lötz war dies die Vorgängerin der
jetzt noch vorhandenen St. Gangolphskirche. Die jetzt hier bestehende ist ein
ganz schmuckloser, einräumiger Basaltbau ohne Kunstwert, in der bei einem Umbau
1872 Fundamente und Altar eines älteren Baus gefunden worden sind.
PFARRKIRCHE. Die Pfarrkirche St. Petrus, in erhöhter, malerischer Lage,
hat einen romanischen Westturm, der wohl dem 12. Jahrhundert zuzuschreiben ist.
LANGWIESEN.
151
Er erhebt sich halb aus der Westwand der Kirche,
von wo eine schlichte Rundbogentür ins Innere
führt. An der Südseite des oberen Teils ist eine
mit einem Rundbogenfries abgeschlossene Blende,
die das Zifferblatt der Uhr enthält. Die Schall-
öffnungen liegen auf allen vier Seiten zu zwei,
jede in einer rundbogigen Blende, als Zwillings-
fenster, deren Mittelsäulchen einfache Würfel-
kapitäle und schlichte aus einem Wulst gebildete
Basen haben. Der spätere Turmhelm geht oben
ins Achteck über.
Das Schiff, von zwei niedrigen, vom Haupt-
dach überdeckten Seitenschiffen begleitet, die sich
gegen das Mittelschiff in zwei grossen Halbkreis-
bögen öffnen, ist ohne Kunstform und wahrschein-
lich im 17. Jahrhundert erbaut.
Der mit einem spitzen Pyramidendach be-
deckte Chor scheint aus der spätesten Zeit der
Gotik zu stammen. Er ist im Achteck geschlossen,
ohne Streben und mit einem schlecht ausgeführten
Kreuzgewölbe überdeckt, dessen hohlprofilierteRip-
pen zum Teil in Holz vorgesetzt sind. Das Mass-
werk der drei durch einen Mittelpfosten geteilten
Chorfenster zeigt späte, unverstandene Ausführung. 1""'""' i i i i I ' i ' i I ' ' ' '
. Die Zwickel sind zum Teil nicht durchbrochen. F'S- '62. Meudt. Pfarrkirche. Grundriss.
Von den Glocken ist die zweite von 1842, die erste und dritte haben die In-
schrift : Ofanna • (bei der dritten „Htaria") l)eifen • id) • alle • boefc • ujeder • oerdriben • itö •
in • ere • gots • lupdt • man • midt) • anno domini mcccclfffi (1481).
Der schlechte Zustand des Schiffs und Chors und der geringe Kunstwert dieser
Teile haben zu dem Beschluss geführt, die Kirche durch einen Neubau zu ersetzen,
bei dem der Turm erhalten bleiben wird.
Drei Kilometer südwestlich von Meudt liegt der alte Hof Langwiesen, 1525
im Besitz der Freien von Dehrn, den die Edlen von Irmtraud im 16. Jahr-
hundert zu ihrem Adelssitz erkoren (Vogel). Von ihnen ging er an die von Esch
über und ist jetzt im Besitz des Gräflich Walderdorffschen Hauses. Er ist
ein befestigter Hof, dessen Hauptbau, wohl dem 16. Jahrhundert entstammend, mit
vier Ecktürmen besetzt und von einem jetzt trocknen Graben umgeben ist.
5^
152
MOLSBERG.
4
Fig. 163, Hof Laii^wiesett.
MOLSBERG.
Vogel, Beschr. 256, 277, 745. — A. Görz, in Ann. 3, 5, 37 — 90. — Kremer, Orig. 2, 154. —
Hontheim, bist, i, 801 f. — A. Görz, Regesten, S. 287, 31. Okt.
%^?v^![^UF einem Basaltkegel, 6 km südlich von Westerburg, erhebt sich das
Schloss der Grafen von Walderdorff, an das sich der Namen des einst in
Cfl^^FTj diesem Gau blühenden Geschlechtes der Herren von Molsberg knüpft.
^*E*«vÄ» Die „nobiles viri domini de Mollesberg", deren einer im 14. Jahr-
hundert sogar den Grafentitel führt, erscheinen zuerst im 11. Jahrhundert, als Kaiser
Heinrich II. der Trierer Abtei St. Maximin viele ihrer weitverbreiteten Güter entzog
und mit den im goldenen Grund gelegenen Niederbrechen und Niederselters 1023
Anselm von Molsberg belehnte.
Die Tochter Anselms IL, des zweiten Nachfolgers des vorigen, Adelheid,
vermählt mit Burggraf Eberhard von Arberg, die wahrscheinlich zuvor mit einem
Herrn von Freusberg verheiratet gewesen war, schenkte 1215 ihr Gut zur Gründung
des Klosters Marienstatt, worüber sie den Erzbischof von Trier als Schirmherrn setzte.
Durch den Streit, der sich über diese Schenkung zwischen ihren Neffen Florentius
und Heinrich von Molsberg und dem Erzstift erhob, erlitt das Haus Molsberg schwere
Einbusse ; Heinrich, der das Kloster sehr geschädigt, wurde seines Schlosses beraubt.
Sein Neffe Diether, Sohn des Florentius, erhielt es 1273 als Trierisches Lehen zurück,
doch schreitet von da ab der Verfall des Geschlechtes schnell vorwärts. Der Aus-
dehnungspolitik der Nassau-Dillenburger verfiel zwischen 1311 und 1327 durch Ver-
154
MOLSBERG, GESCHICHTLICHES.
kauf an dieses Haus die Landeshoheit über das Gericht Haiger und das Gericht
Ebersbach, die durch Adelheids Ehe mit Freusberg im 13. Jahrhundert an Molsberg
gekommen waren. Dann verkaufte 1365 G y s o II. an den Erzbischof CunovonTrier
das Stammgut, Burg und Herrschaft Molsberg mit Niederbrechen und Selters. Die
Pankratiuskapelle auf der Burg verlieh 1493 Erzbischof Johann II. dem Priester Arnold
im Rebstock von Montabaur. Mit Georg stirbt 1390 das Geschlecht von Molsberg
aus. Eine dem niederen Adel angehörige Familie dieses Namens kommt schon 1223
vor und bestand bis in die neuere Zeit.
Burg und Herrschaft wurden von Trier mehrmals verpfändet, zuerst 1436 an
Hessen, 1575 an Philipp von Reifenberg, 1581 an die Familie Elz, und von dieser kam
sie 1657 endgiltig an die Herren von Walderdorff, die, später in den Grafenstand
erhoben, noch jetzt die Eigentümer der Herrschaft sind. Der Trierer Kurfürst
Johann Philipp von Walderdorff Hess 1760 die Burg abbrechen und an ihrer Stelle
ein Schloss im Barockstil erbauen, das unvollendet geblieben ist. Über diesen Neubau
findet sich in dem Tagebuch des Oberhofmarschalls Ludwig Boos von Waldeck fol-
gende Notiz: (mitget. im Rh. Antiqu. I, l. S. 645, 146)
„So wie er bedacht wäre, durch die viele Gebäulichkeiten seinen Nahmen zu
verewigen, ebenso wollte er auch seiner hohen Famillie ein herrliches Denkmal
hinterlassen. Zu dem Ende liesse er das alte Schloss zu Molsberg niederreissen und
untenhin ein sehr prächtiges Schloss mit grossen Kosten aufbauen; der Tod über-
raschte ihn, wesshalben dann auch nur ein Hauptflügel fertig geworden, welchen er
jedoch mit kostbaren Meubles ausschmückte, (usw.)."
Vor dem Abbruch wurde von der alten Burg ein Holzmodell angefertigt, das
65 cm hoch ist, noch jetzt in dem Schlosse aufbewahrt wird und eine ziemlich genaue
Vorstellung des alten sehr ausgedehnten Wehrbaues gibt.
Durch eine von einem mit Kegeldach bedecktem Rundturra und durch Mauern
mit vorgekragtem Wehrgang verteidigte Pforte führte der Zugang über eine Brücke
in einen Torweg, der ein langes, Wirtschaftszwecken dienendes Gebäude durchsetzte
und über dem sich, nach einem kleinen Glockenturm zu schliessen, wahrscheinlich die
Pankratiuskapelle befand. Nach dem unteren Hof, den man zuerst von diesem
Torweg aus betrat, hatte das Torgebäude einen mit einem Giebeldach bedeckten, im
ersten Obergeschoss vorspringenden Erker. Auch die übrigen Seiten dieses Hofes
waren mit Stallungen und Wirtschaftsgebäuden besetzt. Ein kleinerer, viereckiger
Hof schloss sich, durch eine Mauer umgrenzt, in gleicher Höhenlage dem Wirt-
schaftshof zur Linken an, nach der Talseite ebenfalls durch einen langen Wirtschafts-
flügel, gegenüber durch die Futtermauer der Oberburg begrenzt. Weiterhin schloss
sich an diesen zweiten Hof ein tiefer liegender, durch eine Treppe zugänglicher, ge-
räumiger Zwinger, dessen zinnenbesetzte Mauer in einen niedrigen, viereckigen Turm
ohne Dach auslief.
Die Treppe, von der aus die für Wagen und Pferde nicht zugängliche O b e r -
bürg erstiegen wurde, führte unter dem Schutz des Bergfrieds im Innern eines poly-
gonen Zwingers aufwärts, über dem sich der Bergfried, in seinen unteren bis zur Dach-
I-ig- 766. Das frühere Schlcss Molsberg Nach einem Modell.
NEUNKIRCHEN.
155
höhe der umgebenden Gebäude reichenden Teil mit einem starken Mantel geschtltzt,
mächtig und steil aus dem Wirtschaftshof zu ansehnlicher Höhe erhob. Die Treppe,
in der linken Ecke des Zwingers die Höhe der Oberburg erreichend, führte durch
einen Durchgang der hier aneinanderstossenden Gebäude in den oberen Schlosshof.
Der Mantel des Turmes schloss oben mit einem auf Rundbogen vorgekragtem Wehr-
gang ab; der obere schlanke Rundturm war mit einer Glockenhaube bedeckt.
Rückwärts an den Hauptturm, den Mantel teilweise in seine Baumasse aufnehmend,
lehnte sich der Palas, ein grosses, dreistöckiges Gebäude, das aus seinen aus einem
Mitteldach und zwei Querdächern bestehenden Dachgeschoss den Zugang zum
Wehrgang des Bergfrieds bot. Die vom letzteren rechts gelegene Ecke war mit
einem durch zwei Stockwerke reichenden, auf Rundbogen zweimal ausgekragten
Ecktürmchen mit welscher Haube besetzt. Weiterhin sprang ein ebenfalls zwei-
geschossiger Erker vor.
Vor der dem Bergfried abgewandten Seite des Palas lag der obere Burghof,
rings von einem dreiflügeligen, jedenfalls auch zu Wohnzwecken bestimmten Gebäude
umgeben, das, etwas niedriger als der Palas, an seinem Mittelflügel mit einem vom
ersten Stock in den Hof vorspringenden Erker versehen war.
NEUNKIRCHEN.
EUNKIRCHEN, 10 km östlich von Westerburg.
DIE PFARRKIRCHE gehörte dem Stift zu Limburg und wurde der
Dekanei desselben 1234 einverleibt (Vogel, Beschr. v. N. 733). Turm schlicht
romanisch, 12. Jahrhundert. Viereckiger Westturm mit ins Achteck über-
gehendem Dache. Unten östlich und westlich schmucklose Rundbogenöffnungen,
oben jederseits Schallöffnungen mit zwei Rundbogen, die in der Mitte auf rohen Säul-
chen ruhen. Ihre stark verjüngten und geschwellten Schäfte haben unten vier
zylindrische Ansätze als Erinnerung an Eckblätter, während keine Basis vorhanden
ist oder auch nur eine viereckige Platte. Der Sattelstein mit Platte, Rundstab und
flacher Kehle ist unten gefast, sodass er mit einem Achteck unmittelbar auf dem
Säulenschaft aufruht. Die Kirche ist 1740 bis 1741 erbaut.
Der Taufstein, jetzt als Wasserbehälter am Pfarrbrunnen benutzt, ist spät-
romanisch, rund, mit Rundbogenfries, am Rande vier Knospenkapitäle von ver-
schwundenen Säulen.
Holsskulptur. Der Kopf Johannes des Täufers auf einer Schüssel, unbe-
deutend (Lötz).
156
NIEDERERBACH. — NOMBORN. — PÜTSCHBACH.
NIEDERERBACH.
lEDERERBACH, 7,5 km nordwestlich von Limburg.
PFARRKIRCHE. Katholische Pfarrkirche St. Katharina. West-
turm spätromanisch, viereckiger Bruchsteinbau, im Erdgeschoss früher
ein Tonnengewölbe. Die Westtür jetzt mit Stichbogen, oben schmale Licht-
spalten. Im obersten Geschoss westlich und südlich Eckleisten mit Rundbogenfriesen,
westlich zwei rundbogige Schallöffnungen, an den übrigen Seiten je zwei gekuppelte
Öffnungen, durch Säulchen mit schlichten Würfelkapitälen geteilt. Die Basen mit Eck-
blättern, jetzt meist eingemauert. Die Bogen mit ausgeeckter äusserer Kante (Lötz).
Die Kirche ist in dem letzten Jahrzehnt neu gebaut und hierbei der Turm
sachgemäss hergestellt worden.
Drei Glocken. Die grösste mit der Inschrift: aue maria gracia pleiia dominUS
tecum. Katrin beißen icö fub anno domini mxlvii (mit weggelassenen CCCC 1447).
Die mittlere: 5. Katrin beißen itb -donre un nieder uerdriben itb-in goeft naem
luet men mid) • den lenen oen doden luden id) • teil uan Keppel gois mid) • fub anno domini
MCCCCXLVU (1447).
NOMBORN.
ATHOLISCH.es Filialdorf Nomborn, 11 km nordwestlich von Limburg.
KAPELLE ST. KILIAN. Schmucklos, romanisch; einschiffig mit
schmälerem, viereckigem Westturm. Der Chor mit rundbogigem, rippen-
losem Kreuzgewölbe fällt gegen starke, unprofilierte Schildbögen an, der
halbrunde Chorbogen hat Kämpfergesimse mit Schmiegenprofil. An jeder Seite des
Chors ein kleines Rundbogenfenster mit schrägen Gewänden. Das flachgedeckte
Schiff, das mit dem Turm durch einen Rundbogen verbunden war, ist in letzter Zeit
nach Westen verlängert worden, als der Turm wegen ßaufälligkeit abgelegt und
durch einen neuen, in der Silhuette des früher gehaltenen Turm ersetzt wurde.
Drei Glocken. Die grösste mit der Majuskelinschrift : 0 ref glorie ueni CUm pace.
Die mittlere mit der Inschrift: tnaria beißen id) • poban • bruu)ilre • gos mid) fub
anno domini mlcccc • xlviii (1447).
PÜTSCHBACH.
IE ANTONIUSKAPELLE des 9 km östlich von Montabaur, 12,5 km süd-
lich von Westerburg gelegenen Dorfes Pütschbach gehörte nebst vielen
Gütern zu dem Isenburgischen Hubengericht zu Meudt (Vogel). Sie ist ein
schlichter Basaltbau mit nahezu quadratischem, flachgedecktem Schiff, das
sich mit einem unprofilierten Rundbogen gegen den Chor öffnet. Dieser ist aus fünf
Seiten des Achtecks gebildet und mit einem Kreuzgewölbe mit (späteren) Stuckrippen
Fig. 167 . Salz. Pfarrkirche von Norden.
SALZ.
157
bedeckt. Aussen hat der Chor einmal abgesetzte, durch Pultdächer beendigte Strebe-
pfeiler. Die spitzbogigen Fenster mit Eisensprossen stammen von 1866.
Ein architektonisches Interesse bietet die
Emporführung der Chormauern, die sich durch
Abschrägungen über dem Chorbogen zu einem
unregelmässig achteckigen Turm ausgestalten.
Dieser ist mit einem Pyramidendach bedeckt und
hat acht kleine, mit gebrochenen Spitzbögen über-
deckte Schallöffnungen.
Die grössere der beiden Glocken hat die In-
schrift : Antonius fteißen idj) alle boeß ioedder WX'
driben id) mccccxlviii (1448) (Lötz).
Fig. 16S. Pütschbach. Pfarrkirche .
SALZ.
Wenck,
Vogel, Beschreibung etc. 743. — Reinhard, jur. hist. Abhandlungen I. 98, 99, 103.
Landesgeschichte l, 548.
*AS katholische Pfarrdorf Salz, 6 km südlich von Westerburg, auf einem
weitblickenden Berggrat gelegen und malerisch von seiner alten Kirche
überragt, zehntete im 13. Jahrhundert dem Stifte zu Diez und den Adeligen,
die von diesem belehnt wurden. Graf Gerhard von Diez trat 1255
ein Viertel seines grossmütterlichen Erbes an diesem Gericht an Siegfried von
Runkel ab, wovon sich der spätere Westerburgische Besitz in Salz ableitet.
DIE KIRCHE gehörte zu einem Stift regulierter Chorherren, das 1255 zuerst
erwähnt wird, aber keine grosse Bedeutung gehabt zu haben scheint; als es 1289 mit
dem neuen Stift in Diez vereinigt wurde, konnten diesem nur drei Präbenden einver-
leibt werden. Mit dem Stift wurde auch die Kirche mit ihrem Zehnten dem Diezer
Stift zugewiesen.
Die Kirche stellt sich noch in ihrer ursprünglichen Form als flachgedeckte,
romanische Pfeilerbasilika ohne Querschiff mit Turm vor der Westseite des Mittel-
158
SALZ, KIRCHE.
Schiffs dar. Vier Pfeiler von quadratischem Querschnitt, ursprünglich ohne Kämpfer-
band, jetzt mit einem in Gips angesetzten Karniesprofil, tragen die fünf ungegliederten
Rundbogen der Seitenschiffarkatur.
Das schlanke Mittelschiff und das nördliche Seitenschiff haben noch ihre flache
Decke ; im südlichen ist sie in gotischer Zeit durch Kreuzgewölbe mit hohlprofilierten,
aus der Wand hervorwach-
senden Rippen ersetzt. Der
Chor ist in spätgotischer
Zeit umgebaut: Abschluss
in drei Seiten des Achtecks,
reiches Sterngewölbe mit
Wappenschilden auf den
Schlussteinen und am An-
satzpunkt der hohlprofilier-
ten Rippen ; drei spitzbogige
Fenster in den Achtecksei-
ten mit schrägen Gewänden
und Fischblasenmasswerk ;
die anderen Chorfenster un-
geteilt. Der Chorbogen, un-
profiliert, ist spitzbogig. An
die Nordseite des Chors
schliesst sich eine romani-
sche Seitenkapelle an, mit
zwei durch einen Gurtbogen
getrennten , rundbogigen
Tonnengewölben überdeckt.
In dieser Kapelle und in den
Obermauern des Mittelschiffs
finden sich noch die ursprüng-
lichen romanischen, kleinen
Rundbogenfenster ; diejeni-
gen der Seitenschiffe sind
durch grössere flachbogige
ersetzt. Vom Chor führen in die romanische Kapelle und gegenüber in die südlich
neben dem Chor liegende Sakristei rundbogige romanische Türen; alle anderen
Türen sind modern.
Der schlicht viereckige Turm, der, ohne Aussentür, sich innen nach dem Schiff
mit einem ungegliederten Rundbogen öffnet, hat in seinen beiden Obergeschossen eine
Lisenenteilung, welche die zwei gekuppelten Schallöffnungen mit einer rundbogigen
Blende einfasst. Die Mittelsäulchen sind roh ohne Kapitäle, nur mit einem Sattelstein
die Bögen aufnehmend; unter der Fensterbank sind Reste eines Rundbogenfrieses.
Fig. 169. Salz. Weihkessel.
i
I
SECK, KIRCHE.
159
Von den Begräbnissen, welche die Herren von Molsberg, von Bremberg, Walder-
dorff u. a. in dieser Kirche hatten, ist ein Grabstein von rotem Sandstein erhalten:
Cuno fterr üon und zu Reiffenberg, herr zu hordtjljeim t 1586, mit vier Wappen.
Ein schöner, bronzener Weihxvasserkessel, 32 cm hoch, 22 cm weit, dessen Bügel
in zwei Drachen ausläuft, enthält zwei Wappen und den Stifter : Herrmann Johann
Fig. 171. Suis. Pfarrkirche. Gruiuiriss.
von Brombach 1591. Umschrift: ASPERGAS ME DOMINE YSOPO & MUNDABOR.
PSAL. 50.
Zwei Chorstühle, einer einfach gotisch mit der Jahreszahl 1478, der andere in
einfachem Renaissancestil trägt das Walderdorlfsche Wappen und die Zahlen 1670, 1672.
SECK. SELIGENSTADT.
Vogel, Beschreibung 731, 732. — Kremer, Origines Nass. II. 135.
^^^ß^nAS katholische Pfarrdorf Seck, 6 km östlich von Westerburg, kommt
J^i^^AJ^ unter dem Namen Seckaha 1059 zuerst vor, wo Kaiser Heinrich IV. zwei
nJ^f^Wn ^^^^ Stift Limburg schenkte. Bei der Westerburgischen
^^ÄSßjW Teilung von 1599 fiel es an R u nke 1 , wurde 1611 an Westerburg über-
lassen und von diesem 1637 an Nassau-Hadamar verkauft. Die Pfarrkirche bestand
schon 1212, wo der Pfarrer den Zehnten in seiner Gemarkung mit dem benachbarten
Kloster Seligenstadt teilte.
DIE KIRCHE, eine romanische Pfeilerbasilika von regelmässigem Grundriss
mit halbrunder Apsis, gewölbtem Chorhaus und zwei Türmen zur Seite desselben
stand von 1637, in welchem Jahre die Seitenschiffe niedergelegt und die Schiftarkaden
zugemauert wurden, bis 1878 als einschiffige Kirche. In diesem Jahre brannte sie ab
und wurde im selben Jahre einem Wiederaufbau unterzogen, der sie fast als neue
160
SECK.
Kirche erscheinen lässt und den ursprünglichen Zustand beinahe verwischt hat. Es
sei daher die Beschreibung hier eingefügt, die Lötz 1874 von ihr gegeben hat:
Der südliche Turm erhebt sich jetzt nur so hoch, dass das niedrige Kirchen-
dach mit seiner Fortsetzung nach unten ihn bedeckt. Die Seitenschiffe, 1637
abgerissen, haben sich nicht bis an die Westseite des Hauptschiffs erstreckt, indem in
der Südwand desselben, nächst der West-
seite, ein alter Eingang (mit extradossiertem
Rundbogen ohne alle Gliederung) und öst-
lich von ihm der Anschluss der Westmauer
des Seitenschiifs, welches sich in fünf rund-
bogigen Arkaden gegen das Hauptschiff
öffnete, noch vorhanden ist, während an
der Nordseite nur drei Arkaden und auch
nur im östlichen Teil derselben noch zu
sehen sind. Bei dem Wiederaufbau sind
von den auch hier vorhandenen fünf Ar-
kaden aus nicht erkennbaren Gründen nur
die erste, dritte und fünfte geöffnet wor-
den. Die Arkaden, jetzt ganz vermauert,
hatten keine Kämpfergesimse. Die kleinen,
schmalen, hochgelegenen Rundbogenfenster
des Hauptschiffs, je vier an jeder Lang-
seite, sind erhalten, doch innen vermauert ;
zu ihrem Ersatz sind an tieferer Stelle
grössere Stichbogenfenster angebracht wor-
den. Die Westseite hat gar keine Öffnung,
der Triumphbogen halbkreisförmig auf
Fiz.172. Seck. Pfarrkirche. Grundriss. Kämpfergesimsen mit reicher Gliederung
(Platte, Rundstab, Plättchen, Kehlleiste) aufsetzend. Der Eingangsbogen der Apsis
ebenso mit Gesimsen, die unter der Platte nur eine flache Kehle zeigen. Das Kreuz-
gewölbe des Altarhauses ohne Rippen, mit Schildbögen, die sich in Pfeilerecken nach
unten fortsetzen. Die Apsis mit Halbkuppelgewölbe. Von ihren drei Fenstern nur das
nördliche ursprünglich rundbogig, das mittlere zugespitzt, das südliche spätestgotisch
mit stumpfem Spitzbogen, unter dem zwei nebeneinanderliegende Rundbögen schweben.
Die Türme im Erdgeschoss, mit rundbogigem Tonnengewölbe, durch recht-
eckige Türen mit dem Altarhause verbunden, der südliche durch eine kleine, jetzt
vermauerte Rundbogentür ohne Gliederung ehemals von aussen zugänglich. Die
Ostseite des Nordturmes hatte früher gekuppelte Schallöffnungen.
Abgesehen von einigen Lisenen und rohen Rundbogenfriesen an der Apsis und
dem dritten Turmgeschoss entbehrt das Äussere jeden Schmuckes.
Taufstein, derb spätromanisch, aus dem 13. Jahrhundert. Das runde, bauchige
Becken wird von einer fast gotischen Basis getragen, deren Pfühl über die Seiten
SELIGENSTADT, KLOSTERRUINE. — WELTERSBURG.
161
der sechseckigen Plinthe überquillt. Sein im Grundriss zwölfeckiger Rand mit Platte,
Kehle, Rundstab und Nagelkopfverzierung wird von sechs Säulchen mit attischen
Basen und runden Plinthen gestützt, deren Kapitale teils mit Knospen geschmückt,
teils durch rohe Köpfe vertreten sind.
Eisenbeschläge an der südlichen Chortür, romanisch.
Seligenstadt, 0,9 km nördlich von Seck.
KLOSTERRUINE (domänenfiskalisch), Benediktinerinnenkloster, um 1212 von
Sifrid von Runkel gestiftet, stand schon 1499 verlassen.
Es sind nur noch die zirka 1 m starken Umfassungsmauern in einer Höhe von
1 bis 3 m vorhanden, welche einen Acker von 1200 qm Fläche einschliessen. Rechteck
mit westöstlicher Längenachse. In der Mitte der Westseite eine halbrunde Apsis. An
den Ecken der Westseite kleine übereckstehende, viereckige Türme, die im Innern
auf Stichbogen ruhen, welche über die Winkel des Rechtecks geschlagen sind. Türen
oder Fenster nicht sichtbar (Lötz 1874).
WELTERSBURG.
BILKHEIM. NAUROTHER HOF. HOF WESTERT.
Vogel, Beschreibung 744.
UF einem weithin sichtbaren, 4,5 km südwestlich nach Süden von Wester-
burg gelegenen Basaltkopf liegen im Walde verborgen die spärlichen
Trümmer der Weltersburg. Mit einem Wigandus von Welters-
burg als Zeugen kommt der Name 1220 zum erstenmal vor; 1244 und
1261 finden sich in Molsbergischen Urkunden die Brüder Conrad und Heinrich,
genannt Butzhamir als Ritter von Weltursberg erwähnt. Schon 1264 war die Burg
im Besitz der Grafen v on Say n , da sie in der Sponheimischen Bruderteilung von diesem
Jahr unter den Vesten genannt wird, die bei diesem Hause bleiben. Dem dabeiliegen-
den Orte erteilte 1314 Kaiser Ludwig Stadtrechte. Als Heiratsgut der Gräfin Kuni-
gunde von Sayn kam die Burg 1355 an Westerburg, von dem Katzenelnbogen 1364
das Öffnungsrecht erlangte. 1423 wurde sie in einer Fehde mit Trier, Nassau-Saar-
brücken und Katzenelnbogen erobert und beschädigt, jedoch bald wieder von den mit
Isenburg verbündeten Westerburgern zurückgewonnen. Schon 1485 und später hatte
eine Linie von Reiffenberg die Burg pfandweise von Runkel inne und wohnte hier.
Von der eigentlichen Burg sind neuerdings durch Grabungen einige Fundament-
reste aufgedeckt worden, die jedoch über die Gesamtanlage keinen Aufschluss geben.
Ein runder Zwingerturm an dem südlichen Fuss des Hügels ist nebst den anschliessen-
den Mauerstücken der einzige noch aufrechtstehende Rest der Burg. Nahe bei diesem
Rest steht an der Südseite das „Brambacher Schlösschen", ein wohlerhaltener
Burgsitz dieses Adelsgeschlechts, das schon 1408 Besitzanteil an der Burg hatte und
U
162
BILKHEIM. — NAUROTHER HOF.
noch 1700 von Westerburg mit diesem ßurgsitz belehnt wurde. Auch auf dem Hofe
Westert hatte dies Geschlecht 1525 einen Adelshof. Das „Schlösschen" ist ein massiver,
quadratischer Bau mit vier Giebeln und vier mit achteckigen Spitzdächern versehenen
Rundtürmen auf den Ecken, mit einem anschliessenden Ökonomiehof; es befindet sich
jetzt in Walderdorffschem Besitz.
Fig. 173. Naurother Hof.
Die Herren von Brambach, die 1773 ausstarben und von den Grafen von Wal-
derdorff beerbt wurden, finden wir auch in dem benachbarten Dorfe Bilkheim und
dem Hofe Neurod (heute Nauroth) begütert; der Wäppeling Dietrich von Bram-
bach nennt sich 1345 von Bullincheym.
Das Dorf Bilkheim ist heute noch reich an bemerkenswerten Fachwerk-
häusern, deren Riegelwerk ungewöhnliche Holzstärken aufweist.
Der Naurother Hof, im Besitz der Grafen von Walderdorff, ist ein
Wasserschloss aus dem 17. Jahrhundert von quadratischem Grundriss mit Mansarden-
dach, aus dem die Nordostecke als Turm emporgeführt ist. Über der durch eine
massive Brücke über den Schlossgraben zugänglichen Eingangstür findet sich das
Walderdorffsche Wappen mit der Inschrift : J0t)annes Philippus, Uber barO a njaldet''
üorff, 2irdt)idiaconus 16 (26?).
164
HOF WESTERT.
An dem Wege, der vom Naurother Hof nach Salz führt, steht ein schönge-
zeichnetes Wegkreus aus Sandstein, dessen oberem Teil eine gutgemeisselte Kreuz-
tragung aus weissem Marmor eingefügt ist. Es trägt die Inschrift Rad auf''
geri(t)t Peter Jung
Speigermeifter auf
dem SiJ)los ntols«
berg gebirdig in
ßeüotl) 176t.
Von Wester-
burg 4,5 km süd-
westlich liegt, un-
weit des Dorfes
Hartlingen, zu
dem er gehört, der
Hof Westert.
Er bestand 1525
aus vier Adels-
höfen , die den
von Irmtraud,
Brambach und
Doringenberg
eigen waren. Heu-
te ist er Eigen-
tum der Grafen
Walderdorff.
r)as Hofgebäude
ist ein hoher, mit
dem Giebel nach
der Strasse ge-
richteter Baukör-
per, dem sich an
Fig. 175. Hof Westert. der Hinterseite ein
kurzer Flügel rechtwinklig anschliesst. In diesem liegt die Haustür, durch eine primitive
Freitreppenanlage von der tieferliegenden Strasse zugänglich. Das hohe, massive
Untergeschoss hat in der Giebelfront den halbkreisförmig geschlossenen Eingang zu
dem grossen, gewölbten Keller, darüber im Erdgeschoss zu zwei und drei gekuppelte
Fenster mit steinernen, hohlgekehlten Gewänden. "*
Das niedrige Obergeschoss ist aus Fachwerk, dessen Wirkung durch die un-
verputzte, aus einer späteren Herstellung herrührenden Backsteinausmauerung der
Fächer beeinträchtigt wird. In den Brüstungsbrettern sind stark verwitterte, figür-
liche Schnitzereien.
Fig. 177. Rathaus in Rehe, Kreis Westerburg,
DAS BAUERNHAUS.
165
DAS BAUERNHAUS.
Das Bauernhaus im deutschen Reiche und in seinen Grenzgebieten, herausgegeben vom Ver-
bände deutscher Architekten- und Ingenieurvereine, Dresden 1906. — H. Behlen, das nassauische
Bauernhaus (Nass. Ann. 1905, XXXV, 237 — 263). — E. Heyn, der Westerwald und seine Be-
wohner. Marienberg 1893, 205—218. — B. Henftmann, Hessische Holzbauten, Marburg 1907. —
Dr. P. Lehfeldt, Die Holzbaukunst, Berlin 1880. — Karl Caesar, Alte und neue Baukunst in Hessen-
Nassau, Berlin 1910. — Pfr. Karl Spiess (Bottenhorn), , .Schmuck und Dekoration an Hinterländer
Bauernhäusern", „Haustüren am Bauernhaus" (Hessenkunst, Marburg 1909 — 1910).
ist es zu verdanken, dass sich in den vier nördlichen Kreisen des Bezirks in noch höherem
Masse als im übrigen Nassau Grundformen des ländlichen Holzbaus erhalten haben,
die hier eine gesonderte Behandlung dieses Gegenstandes lohnend erscheinen lassen.
Die mehrfach, unter anderen auch von Behlen, ausgesprochene Annahme, dass
in dem fränkischen Bauernhause eine nahe Verwandtschaft mit der ursprünglichen
Form des Stadthauses zu finden sei — etwa so, wie uns manche Einzelheiten der
Bauerntracht die dem Wechsel der Mode entgangenen Bürgertrachten früherer Zeit
erhalten haben — findet im nassauischen Bauernhaus vielfache Bestätigung.
Zunächst zeigt sich diese Verwandtschaft schon in der Anlage der Orte selbst.
Im Gegensatz zu der zerstreuten Wohnweise, bei der die Gehöfte inmitten ihrer
Felder liegen, das Ortsweichbild also eine bedeutende Fläche einnimmt, herrschte
hier, wie Heyn ausführt, die Sitte, die einzelnen Gehöfte nahe beieinander aufzu-
schlagen und das umliegende Land von der gemeinschaftlichen Ansiedlung (Hofstatt)
aus zu bestellen. Diese war von einem Zaun umgeben, vor dem sich gewöhnlich
noch ein Graben befand. Die Ausgänge der Strassen verschlossen Tore, welche von
selbst zufielen. Diese Einfriedigung des Ortsberings, die auch Infang hiess, bezweckte
zunächst den Schutz der Herden gegen Wölfe, die auf dem Westerwald in früheren
Zeiten in Menge vorkamen. Gleichzeitig bot sie aber auch Sicherheit gegen feind-
lichen Überfall. Ein weiterer Schritt in dieser Richtung, befestigte Dörfer mit Mauern
und Gräben waren in Nassau keine Seltenheit, Reste sind noch heute zahlreich erhalten.
Aus dieser Umfriedung des Orts ergab sich dann für das Dorfinnere ein
städtischer Anklang der Wohnweise — die Häuser nahe aneinandergerückt, nur
schmale Durchgänge (Wich) zwischen den einzelnen Gehöften.
Ein weiteres verwandtschaftliches Merkmal zwischen Stadt und Land ist die
vorwiegend zweigeschossige Anlage des nassauischen Bauernhauses, die nur in ein-
zelnen armen Dörfern des hohen Westerwaldes, anderwärts beim „Armeleuthaus",
gegen das nur aus einem Erdgeschoss bestehende Haus zurücktritt.
Endlich ist die konstruktive und wenigstens bei reicheren Bauernhäusern die
formale Abhängigkeit von den städtischen Holzhäusern unverkennbar, wie sie sich in
den alten Städten des Landes noch in erfreulicher Menge zum Vergleich darbieten.
fs^T^ER Westerwald und das Bergland des Dill-, Lahn- und Edertals war, wie
schon in der Einleitung erwähnt, bis in das letzte Jahrzehnt des vorigen Jahr-
hunderts vom grossen Verkehr abgeschnitten. Diesem Umstand, verbunden
SKj'** mit dem angeborenen konservativen Sinn der bäuerlichen Bevölkerung,
166
DAS BAUERNHAUS.
Die Urform des hessisch-fränkischen Hauses, die sich von der Werra bis zum
Niederrhein verfolgen lässt, kann zwischen manchen späteren durch Änderungen in
der Wohnweise bedingten Abweichungen im Bauernhause unseres Gebietes noch deut-
lich festgestellt werden.
Trotz der Zweigeschossigkeit ist es das Erdgeschoss, in dem sich das Leben des
Bauern abspinnt. Da das Haus, seltene Ausnahmen abgerechnet, mit der Giebelseite
Fig. 178. Molsberg, Kreis Westerburg.
nach der Strasse liegt, so hat es seine Türe in der Mitte der nach dem Hof gewendeten
Breitseite. Durch das Hoftor schreitend, betreten wir von einem gepflasterten, vor der
Haustür mit einigen breiten Steinplatten belegten Zugang den Hauptraum des Hauses.
Nicht selten ist dieser Zugang, namentlich wenn die Höhenlage einige Stufen fordert,
mit einem Schutzdach versehen, das entweder frei über der Tür vorspringt oder durch
zwei auf dem Treppenabsatz stehende Holzpfosten gestützt wird. Dieser Vorbau ist
nicht häufig und scheint an gewisse Ortsgruppen gebunden zu sein. So findet er sich
in dem oberhalb Herborn in das Dilltal ausmündenden Aartal in Offenbach, Bicken,
DAS BAUERNHAUS.
167
Herbornselbach, dann wieder südlich der Lahn zwischen Katzenelnbogen und Lahn in
Cramberg, Gutenacker, Bremberg, Ebertshausen, hier sogar mit einem Oberstock-
zimmer überbaut, und noch sonst verstreut.
Der Flur, den wir betreten — in Nassau „der Ern" — ist der eigentliche Haupt-
raum des Hauses, der dessen Mittelpunkt, die Feuerstelle, den Herd enthält und in
dem Herrschaft und Gesinde ihre Tagesbeschäftigung, soweit diese ins Innere des Hauses
gehört, zu verrichten pflegen. Neben ihm, nach der Strassenseite zu, liegt das Familien-
Fig. 179. Haus Kestler in Enspel, oberer Westerwald.
Zimmer, die Stube, gegenüber schliesst sich der Stall an. Der Ern geht wohl ursprüng-
lich durch die ganze Tiefe des Hauses ; in späterer Zeit ist er durch eine leichte, oft
nur aus Gitterwerk bestehende Wand geteilt. Der hintere Raum dient dann als Speise-
oder Vorratsraum, südlich der Lahn auch wohl als Küche. Der Ern ist nicht gedielt,
sondern hat einen gestampften Lehmfussboden, bei besseren Häusern Steinplattenbelag.
Hinter dem Ern — je nach der Lage des Hauses auch wohl an einer anderen Stelle —
findet sich häufig noch ein niedriger Raum von untergeordneter Bedeutung angefügt,
der als Stall, Waschküche, Vorratsraum dient, und an der am meisten ausgesetzten
Wetterseite des Hauses als Schutz den Wohnräumen vorgelegt wird. Er führt den
Namen „Niederlass" und wird von dem hier tiefer herabgeführten Hauptdach be-
deckt (s. Fig. 179 u. 182).
168
DAS BAUERNHAUS.
Das wichtigste Stück des Ern ist der Herd, der seinen Platz an der die Stube
abtrennenden Wand hat, an ihn angebaut ist der eingemauerte Waschkessel ; sein
Schornstein, der einzige des Hauses, erhebt sich mit einem grossen Rauchmantel über
der Feuerstelle und dient zugleich dem Ofen der Stube (des einzigen heizbaren
Gemaches: „stufa")^ dessen Feuerloch auch von dem Ern aus beschickt wird. Von
dieser ursprünglichen Einrichtung finden sich natürlich manche Abweichungen, wie
Fig. 180. Haus Nr. 36 in Bilkheim, Kreis Westerburg.
denn auch an die Stelle des bodenständigen, aus einer niedrigen, viereckigen Stein-
mauerung bestehenden Herdes fast allgemein der eiserne Sparherd getreten ist.
Der Fussboden der Stube pflegt um mehrere Stufen über den Ern erhöht zu
sein, weil unter ihr sich der kleine auf diesen Raum beschränkte Keller befindet,
im Gegensatz zu den weinbauenden Teilen des Landes, wo der Keller mit seinem
äusseren Schroteingang einen der wichtigsten Teile des Hauses bildet. Einen Eingang
von aussen hat der Keller nur da, wo das Haus an die Berglehne gebaut ist und wo
der nach der Talseite unvermeidliche massive Unterbau häufig als Stall für eine Kuh
oder Ziege ausgenutzt ist. GewöhnHch liegt die Kellertreppe im Ern unter der in
das Obergeschoss führenden Treppe.
Da die Stube die Strassengiebelseite des Hauses einnimmt, so pflegt sie, um
sowohl Strasse wie Hof übersehen zu können, in der Hofecke eine Fenstergruppe zu
haben, unter welcher der Familientisch mit umlaufender Bank steht. Von der Tiefe
der Stube ist gewöhnlich eine besondere Kammer abgeteilt, die als Schlaf kammer der
Eheleute dient. Meist besteht die Trennungswand aus einem oben offenen oder mit
Gitterwerk ausgesetzten Holzverschlag ; wo sie eine feste Wand ist, pflegt der Stuben-
ofen in einer darin ausgesparten Öffnung zu stehen.
DAS BAUERNHAUS.
169
Die Treppe zum Obergeschoss liegt im Ern, in unserem Gebiet meist in der
Ecke zwischen Haustür und Stubentür, oft als Spindeltreppe mit hohler, profilierter
Spindel aus einem durchgehenden Eichenstamm nicht ohne Kunst gebaut. Wo der
hintere Teil des Ern durch eine Wand als Küchenraum abgetrennt ist, pflegt die
Treppe sich von den zur Stube führenden Treppenstufen abzuzweigen und längs dieser
Wand emporzuziehen.
Dem Obergeschoss, das un-
gefähr dieselbe Raumeinteilung wie
das Erdgeschoss hat, ist im Tages-
leben des Bauern bei weitem nicht die
gleiche Bedeutung wie diesem zuge-
teilt. Es dürfte sogar als ein nicht
unwichtiger Beweis für seine Über-
tragung aus dem Stadthaus anzuführen
sein, dass es im Bauernhaus eigent-
lich entbehrlich ist. In der rauhen
Jahreszeit wegen Mangel an Öfen
unbenutzbar, dienen seine Räume
als Vorratskammern, als Schlafzim-
. Fig. 181. Fensterbildung in Enspel, Ober -Westerwald.
mer des Gesmdes oder erwachsener
Kinder, in seltenen Fällen als Ausgedingwohnung für die Eltern. Mieter sind im
Bauernhause unbekannt, höchstens in neuester Zeit in den zu Vororten von Fabrik-
städten gewordenen Dörfern vereinzelt anzutreffen. Der Hohlraum des Dachs, der
Speicher, dient wie überall, so auch in Nassau, zur Aufbewahrung von Feld-
früchten und ähnlichem.
Der Bau des Bauernhauses ist ursprünglich durchweg Holzbau; auch das
Erdgeschoss hat meist diese Konstruktionsweise noch bewahrt. Manchmal hat die
Stube von vornherein zwei Steinmauern. In den meisten Fällen hat man wohl das
uns oft begegnende massive Erdgeschoss als eine spätere, durch das Faulen der
Grundschwellen und der in sie eingezapften Pfosten notwendig gewordene Erneuerung
anzusehen. Als eine durch die Mode geforderte „Verschönerung" mag es gelten,
wenn in manchen Dörfern alles Fachwerk des Erdgeschosses überputzt ist, wobei
man nur die starken Eckposten im Holz stehen zu lassen liebte.
Das nassauische Holzhaus der nördlichen Gebiete trägt in seiner ganzen Er-
scheinung einen wesentlich ernsteren, massiveren Charakter als das der rheinischen
und südlichen Taunusgegend. „Die leichtere, lebhaftere Art des Rheingaus äussert
sich baulich in einer grösseren Mannigfaltigkeit der Massenverteilung, die stets mit
Mass und feiner Abwägung vorgenommen wird; sie zeigt sich im Gegensatz zum
Norden freier bewegt, leichtlebig und weltfroh."*) Alle die anmutigen Gruppierungen
der einzelnen Gebäudeteile, die malerischen Dachverschneidungen, die Zwerchgiebel, die
') H. Lutsch, im Text zu „Bauernhaus im deutschen Reich usw."
170
DAS BAUERNHAUS.
Erker mit Ecktürmchen usw., die den malerischen Charakter rheinischer Dorfstrassen
ausmachen, fehlen dem Norden. Geschlossen viereckig, mit schlichtem Satteldach
zwischen zwei Giebeln, selbst ohne den die starre Silhuette mildernden Krüppelwalm
erhebt sich das Haus des Westerwaldes und der Biedenkopfer Landschaft stämmig
Ftg. 182. Haus in Berod, Kreis Westerburg.
und selbstbewusst im Schmuck seiner starken, schwarz vom weissen Verputz sich
abhebenden Pfosten und Riegel.
Die Zweigeschossigkeit der Häuser kommt auch in der Konstruktion aufs deut-
lichste zum Ausdruck. Der Ständerbau, bei dem die Eckpfosten vom Sockel bis zum
Dach durchgehen und die Schwellen in diese eingezapft sind, ist äusserst selten und
fast nur bei Scheunenbauten zu finden ; nur die Grundschwelle des Erdgeschosses ist
manchmal in den stumpf auf die Steine des Sockels aufgesetzten Eckpfosten ein-
gezapft. Das Haus besteht meist aus zwei selbständig verzimmerten Teilen, sodass
sich das Erdgeschoss über der Zwischenbalkenlage noch einmal wiederholt.
Pfosten, Streben und Riegel beleben in einem durch ihre konstruktive Bedingt-
heit besonders reizvollen Spiel die Flächen. Bei den älteren Typen findet man
selten die durch ihre Regelmässigkeit langweilige Pfostenaufteilung, die das heutige
Fachwerk kennzeichnen. Nur die Bundpfosten der inneren Zwischenwände gliedern
DAS BAUERNHAUS.
171
aussen sichtbar die Fläche (s. Beilstein, Fig. 95, 100. Rehe, Fig. 177). Gleichwertig
mit ihnen wirken die starken, oft aus Krümmlingen gearbeiteten Streben, die in starker
Neigung (50 bis 60 Grad) von der Schwelle gegen das obere Ende des Pfostens anfallen;
eine kurze, häufig geschweifte Knagge stützt von hier aus die Pfette. Auf den Ecken
Fig.JS3. Haus Baldus in BeltiHgen, oberer Westerwald.
entsteht durch die hier (immer von innen nach aussen, nie umgekehrt) von beiden Seiten
anlaufenden Streben der sogenannte „Riese". Der starke, oft 40 bis 50 cm messende
Eckpfosten wird, auch wo sonst keine Schnitzerei angewendet wird, gern mit Ornamenten
verziert. Es ist nicht uninteressant, zu verfolgen, wie dem ursprünglich naiven Schnitz-
messer neutrale, band- oder flechtwerkartige, auch wohl rankende Verzierungen nahe-
liegen, während später eine „architektonische" Schulung des Zimmermanns hier pilaster-
oder kandelaberartige Ziersäulchen entstehen lässt. Im klassizistischen Zeitalter be-
gegnet man hier sogar manchmal einer auf Grund geschnittenen Quaderung.J
Die Zwischenpfosten, häufig nur einer zwischen zwei Bundpfosten, trennen zu-
gleich die gern paarweise angeordneten Fenster; bei älteren Bauten finden sich die seit-
lichen Fensterpfosten in die Streben eingezapft, eine Anordnung, die für das Gebirgs-
haus "charakteristisch zu sein scheint. Zwei Reihen von Riegeln bilden die Horizontal-
bänder, die unteren als Fensterbänke ziemlich hoch, selten unter 1 m über der Balkenlage
172
DAS BAUERNHAUS.
liegend, die oberen am Anfallspunkt der Streben an die Pfosten. Den Fenstersturz
bildet bei der geringen Stockwerkhöhe (2,50 bis 2,70 m) häufig die Pfette selbst, manchmal
sind noch besondere Fensterstürze unter dieser eingeschoben.
Kleinere Streben, die den unteren Teil der Hauptstreben abstützen, andere, welche
die oberen Gefache durch eine Diagonallinie teilen, endlich das mannigfaltige Spiel von
Kreuzriegeln in den Fensterbrüstungen beleben mit ihren oft geschweiften, eingekerbten
Fig. 184. StippversieriiH^ aus Günterod, Kreis Biedenkopf.
oder sonst ausgegründeten Formen die Fläche. Doch ist das mutwillige Spiel der
Linien, das am Rhein und in den südlichen Kreisen zuhause ist, im Gebirge nicht beliebt.
Auch an Schnitzereien ist das Holzwerk der Gebirgshäuser nicht reich. Fenster-
brüstungen, in die geschnitzte Füllbretter eingesetzt werden, Wappen, Hausmarken
oder biblische Geschichten enthaltend, kommen beispielsweise am Hof Westert und am
Baldusschen Hause in Bellingen vor (s. Fig. 175 u. 183); auch der Türsturz nimmt in
einer Kartusche wohl die Jahreszahl und die Namen der Erbauer nebst einem Bibel-
spruch auf. Im nördlichen Biedenkopfer K'reis zeigt sich niederdeutscher Einfluss in
den Schnitzereien der Balkenköpfe und der zwischen ihnen eingesetzten Füllbretter.
Die an gedrehte Taue erinnernden Motive der letzteren und die Fächermotive, die
sich hier an den (sonst nicht vorkommenden) Fusstreben der Pfosten finden, erinnern
an niedersächsische Holzbauten (Gladenbach [s. Fig. 39], Buchenau, Hatzfeld). Hierher
DAS BAUERNHAUS.
173
gehören auch die als Unikum in letzterem Ort (nahe der westfälischen Grenze) vor-
kommenden gekreuzten Giebelsparren mit Pferdeköpfen. In den Walddörfern des
südlichen Teils von Biedenkopf begegnet uns das ziemlich willkürliche auf Eck- oder
Türpfosten geschnitzte heidnische Sonnenrad (s. Fig. 34).
Der farbige Eindruck der Häuser ist durch das Schwarz des Holzwerks, das
Weiss des Verputzes in den Fachen und das Grau des Schiefer- oder das dunkle
Bronzegrün des Strohdachs ein sehr ernster; die an sich meist bedeutende Stärke
Fig. 185. Stippversierung ans Friedensdorf, Kreis Biedenkopf.
der Hölzer wird manchmal durch schwarzes Überstreichen auf den Putzgrund ge-
steigert. Das dem deutschen Holzhause ursprünglich eigentumliche Rot des Holz-
werks, das sich im Süden und Westen noch erhalten hat und hier mit dem Gelb des
Verputzes ein freundlicheres Bild gibt, findet sich im Norden nicht. Eigentümlich ist
diesem an manchen besonders rauhen Orten die Beschieferung (Battenberg, Rathaus
[s. Fig 16]), die aus dem Sauerland herübergenommen ist und in Herborn die ganze
Länge der nach Norden und Westen gerichteten Strassenfronten zu bedecken pflegt.
Einen besonderen Schmuck erhielten die Putzflächen durch die Kratz- oder
Stipptechnik. Wenn sie auch keine unserer Gegend ausschliesslich angehörige
Verzierungsart ist, sondern auch in Oberhessen, im Taunus und im Odenwald häufig
getroffen wird, so ist diese Kunst doch namentlich im Norden des Kreises Bieden-
kopf in einer so hohen Ausbildung erhalten geblieben wie an keinem anderen Orte.
Die Wirkung, die durch verschiedenartige Manipulationen erzielt wird und gelegent-
lich auch die Färbung des Putzes zu Hilfe nimmt, beruht im Wesentlichen auf dem
174
DAS BAUERNHAUS.
Gegensatz von glatten und rauhen Putzflächen, Die Rauhigkeit (meist des Grundes)
wird im nassen Mörtel entweder durch Kämmen (Schraffieren) oder durch Stippen
mit zusammengebundenen Reisern erzielt. Ein derartiges Instrument, das beim Ein-
drücken in den Putz einen aus fünf Punkten bestehenden Stern hinterlässt, wird auch,
Stern neben Stern, zum Konturieren verwendet. In den aufgerauhten Putz wird nun
die Zeichnung mit einem Stift eingeritzt und innerhalb des Konturs mit einem löffel-
artigen Eisen glattgestrichen, auch wohl schwach modelliert. Bewundernswert ist bei
vielen der erhaltenen Beispiele die Sicherheit, mit der die an Abwechslung reichen
und den verschiedenen Putzfeldern in vortrefflicher Raumverteilung angepassten
Ornamente improvisiert sind. Es ist eine Kunst, die nur durch lebendige Überlieferung
gepflegt werden konnte und erfreulicherweise noch nicht ausgestorben ist. Die in unserer
Abbildung 185 mitgeteilte Scheunenwand in Friedensdorf ist laut Inschrift von Meister
Dam in Holzhausen (bei Gladenbach) 1878 verfertigt; eine andere Putzverzierung im
gleichen Dorfe trägt die Jahreszahl 1893.
Da das Holzhaus im Spiel seiner Pfosten und Riegel seinen Schmuck an sich
trägt, so finden wir auch kaum eine weitere Hervorhebung einzelner Teile. Die aus
schwächeren Pfosten vor die Konstruktionsteile vorgenagelten Fensterumrahmungen,
die aus zwei unten in Konsolen ausgehenden Seitenpfosten, einem darübergelegten,
profilierten Deckbalken und einem eingezapften Brüstungsriegel bestehen, ein Schmuck,
der dem fränkischen Hause in seinem ganzen Gebiete eigen ist, findet sich hier
nur ausnahmsweise. Dagegen ist die Haustüre raeist durch eine vorgesetzte Um-
rahmung hervorgehoben. In dem oben zitierten Aufsatz des Pfarrers Spiess sind acht
charakteristische Beispiele abgebildet; hier sind in den aus Buchenau von 1682 und
Frohnhausen (s. Fig. 26 u. 34) mitgeteilten weitere Typen gegeben.
Fig. 186. Westerburg. Stadtwappen.
175
NAMENS-, ORTS- UND SACHVERZEICHNIS.
(Die Zahlen bezeichnen
Achenbach, Dorfkirche 10.
Allendorf, Kirche, Glocken-
turm 50.
Altstadt, Pfarrkirche 105
bis 108.
— — Innenbemalung 108.
Taufstein 107 .
Arberg, Graf Eberhard von
115.
'Battenberg, 11—14.
— Grafen von 11.
— Pfarrkirche 12—14.
— Rathaus 13. 14.
— Stadtschloss 14.
Battenfeld 15.
— Pfarrkirche /4-16.
romanischer Türbe-
schlag 16.
Bauernhaus, das 165—174.
— Bau-Eigentümlichkeiten
169.
— Dorfanlage 165.
— Ern, der 167.
— Herd 168.
— Keller 168.
— Kratz- oder Stipptechnik
173.
— Niederlass 167.
— Niedersächs. Einfluss 172.
— Obergeschoss 169.
— Pfosten, Streben, Riegel
170-172.
— Riese 171.
— Schnitzereien 172.
— Ständer- und Geschoss-
bau 170.
— Stube 167.
— Treppe 169.
— Tür- und Fenster-Ein-
rahmung 174.
— Tür-, Vor- und Über-
bauten 166.
— Urform 166.
— Zweigeschossige Bauten
165.
die Seiten, die kursiv gedruckten
Beilstein 84—91.
— Beilstein, Edle von 84.
— Burgruine 84—90.
— Fachwerkhäuser 86. 89.
91.
— Pfarrkirche 90.
Bergebersbach, Pfarrkirche
ßl-93.
Epitaph 92.
Steinkanzel 92. 93.
Berod, Kirche 144.
Biedenkopf 1—9.
— Holzhaus 8.
— Pfarrkirche(frühere)3— 6.
— — Ausstattungsstücke 5.
— — Glocken 4.
Not Gottes-Kapelle 7.
— Schloss 2. 7-8.
— Spitalkirche 5. 6.
— Stadt 3.
— Stadtmauer 9.
— Wappen 9.
Bilkheim 162.
Brambach, Dietrich von 162.
Brambacher Schlösschen
161. 162. 163.
Breidenbach 17.
— Familie von Breidenstein
17.
— Pfarrkirche 17—19.
— — Ausstattung 19.
Breidenstein 20.
Breidenstein, Gerlach von 5.
Breitscheid, Pfarrkirche 93.
Bromskirchen, Pfarrkirche
20. 21.
— Holzbauten 21.
Buchenau, Pfarrkirche 22. 23.
— Haustür 22.
Burg, Pfarrkirche 94.
Dautphe 23-26.
— Pfarrkirche 23-26.
— — Ausstattung 26.
— — Holzeinbauten 25.
Dernbach 94.
solche mit Abbildungen.)
Dernbach, Edle von 94.
Dexbach, Pfarrkirche 26.
27. 38.
Dillenburg 51— y^.
— Archivgebäude 58. 59,
— Pfarrkirche 53 — 57.
Gruftkapelle 54.
— Schloss, Ruine 56—59.
Wilhelmslinde 56.
— — Zerstörung 56. 57.
— Stadtbefestigung 59.
— Stadtwappen 59.
Dodenau, Kirche, Holzdetail
50.
Dreifelden, Kirche 108.
Driedorf, Oberburg 96.
— Unterburg 96.
Elsoff, Kapelle 145. 146.
Feldbach, Hof, Kirche %. 97.
Frankenbach, Pfarrkirche 27.
Friedensdorf, Pfarrkirche 28.
— — Fussboden 28.
Holzeinbauten 27.55.
Frohnhausen, Pfarrkirche
29.
— Holzarbeiten 30.
Gebhard, Gaugraf des Nie-
der-Lahngaus 146.
Gemünden 146—149.
— Kirche 147. 148.
Altartisch 149.
Chorstuhl-Reste 149.
Gladenbach 31—35.
— Holzhäuser 34. 35.
— Katasteramt 35.
— Marktplatz 31.
— Pfarrkirche 31 — 35.
Glocken.
— Altstadt 108.
— Battenberg 14.
— Beilstein 90. 91.
— Bergebersbach 93.
— Berod 145.
176
NAMENS-, ORTS- UND SACHVERZEICHNIS.
Glocken.
— Biedenkopf 4. 5.
— Dillenburg 56.
— Gemünden 149.
— Günterod 36.
— Hoen 113.
— Meudt 151.
— Niedererbach 156.
— Niederrossbach 135.
— Nomborn 156.
— Pütschbach 157.
— Strassebersbach 93.
Goldershofen,Fam. 124. 126.
Grabsteine und -Denkmale.
— Altstadt 108.
— Battenberg 14.
— Battenfeld 16.
— Biedenkopf 5.
— Breidenbach 18
— Buchenau 23.
— Dillenburg 56.
— Herborn 74.
— Hermannstein 46.
— Marienstatt 129. 130.
— Salz 159.
— Westerburg 138.
Günterod, Pfarrkirche 36.
Greifenstein, Crafto u. Rorich
von 95.
Greifenstein, Guda von 115.
Hachenburg 100—104.
— Evang. Pfarrkirche 101.
— Gasthausz.Kronel03. 104.
— Kathol. Pfarrkirche 101.
— — Altäre und Altarge-
rät 100. 102.
— Marktplatz 100.
— Schloss 102. 103.
— Stadtwappen 104.
Haiger 60—65.
— Adlige von 61.
— Haigergau 60. 61.
— Pfarrkirche 61—65.
— — Wandmalereien im
Chor 64. 65.
— Stadtwappen 65.
Hartenrod 36.
Hattenrode-ßernkot, von
124. 126.
I Hatsfeld 36-39.
I — Emmauskapelle 38.
— Holzhäuser 39.
— Pfarrkirche 37. 38.
Hatzfeld, Grafen von 36.
Heisterbach, Abt Heinrich
von 115.
Herborn, 66—83.
— Alter Pfarrhof 78.
— Corvinsches Haus 79.
— Försterei Neues Haus 80.
— Heimat-Museum 80—83.
— Herb. Mark 66-68.
— Hohe Schule 68. 76. 77.
— Rathaus 67. 74. 75.
— Schloss 72—74.
— Stadtbefestigung 76. 78.
— Stadtkirche 68-72.
— — Bemalung im Chor,
Epitaphien 71. 72. 74.
— Stadtwappen 83.
Her/nannstein 40— Ab.
— Burgruine 41 — 44.
Palas 44.
Wohnturm 42—44.
— Holzhäuser 45.
— Pfarrkirche 45. 46.
Hessen, Hermann I. Land-
graf von 40. 95.
— Ludwig der Friedfertige,
Landgraf von 2.
— Otto, Landgraf von 1.
Hörbach, Kapelle 97.
Höchstenbach , Pfarrkirche
109. 110.
Hoen 110-113.
— Pfarrkirche 111—113.
Stuhlwange 113.
Hohenlint, Graf von 11.
Holz- und Bauernhäuser ,
Holsdetails.
— Allendorf 50.
— Beilstein 86. 89.
— Bellingen, Haus Baldus
171.
— Berod 170.
— Biedenkopf 8.
— Bilkheim 162. 168.
— Bromskirchen 21.
— Buchenau 22. 23. 30.
Hols- und Bauernhäuser,
Holsdetails.
— Dodenau 50.
— Enspel Haus Kestler/67.
Fenster 169.
— Friedensdorf 173:
— Frohnhausen 30.
— Gladenbach 34. 35.
— Günterod 172.
— Hartenrod 36.
— Hatzfeld 37.
— Herborn 75. 78. 79.
— Hermannstein 45.
— Himburg, Haus Hastrich
164.
— Hof Westert 164.
— Molsberg 166.
— Nenderoth 98.
— Reddighausen 50.
— Rehe, Rathaus 164.
Hüblingen, Kirche 149.
Ingelnbach, Fam. 124. 126.
Katzenelnbogen, Graf Joh.
von 95.
Kirchberg, Burggrafen von
100.
Königsberg, Burgruine 46.
Kroppach, Pfarrkirche 113.
114.
Langenhahn, Kirche 114.
Langwiesen, Hof 151. 152.
Leisa, Pfarrkirche 47.
Löwenstein, Junker Herm.
von 5.
Marienstatt 114—134.
— Abteigebäude 132. 134.
— Altenkloster, Hof 115.
— GründungsgeschichtellS.
116.
— Klostergebäude 114. 116.
— Kirche, Altartisch 127.
129.
Äusseres 7/6.126.
— — Ausstattungs - Stücke
129-134.
Barockaltäre 131.
NAMENS-, ORTS- UND SACHVERZEICHNIS.
177
Marienstatt, Kirche, Barock-
Beichtstühle 130. 131.
— — Bauperioden 116.
Chor //6— 118.
Chorgestühl 128. 131.
Chorkapellen 118.
Datierung der West-
joche 122. 124.
— — Fenster -Verglasung
127. 131.
— — Fussbodenfliessen/.57.
131.
Grabplatten 129. 130.
131.
— — Grundrisse 117. 121.
Holzskulptur, hl. Anna
131.
Kunstgesch. Einord-
nung 127. 128.
Langhaus 120-725.
Marienbilder 130. 131.
Fietas 130. 131.
Piscina 128. 129.
Querschiff 120.
Schiffspfeiler 120. 123.
— — Schmiedearbeiten 132.
133.
Steinerner Reliquien-
behälter 130.
Ursula-Altar 131. 132.
Vierung 120.
— — Vierungspfeiler 118.
— Hermann I., Abt von 115.
— Petrus IV^. Emons, Abt v.
116.
Meudt 149-151.
— Kirche St. Gangolph 150.
— Pfarrkirche 150. 151.
Molsberg, Aleydis von 115.
— Adelheid von 152.
— Georg von 154.
— Gyso II. von 61. 154.
— Schloss 152-155.
Modell 153. 154.
Mudersbach, Ludw. v. 42. 122.
Nassau, Heinr. II. Graf v. 52.
— Johann V. Graf von 53.
— Wilhelm der Reiche, Graf
von 52.
Nassau - Dillenburg, Wil-
helm V., Erbprinz v. 56.
Nassau- Hadamar,Emichv. 95.
Naunheim, Pfarrkirche 47.
Naurother Hof 162.
— Wegkreuz 164.
Nenderoth, Pfarrkirche 98.
— Fachwerkhäuser 98.
Neunkirchen, Kirche 155.
— — Kopf Joh. des Täufers,
Holz 155.
Niedererbach, Kirche 156.
Niederrossbach, Kirche 134.
135.
Niederweidbach, Pfarrkirche
48-50.
— Flügel- Altar 50.
— Tabernakel 49.
Nistria, Burg 134.
Nomborn, Kapelle St. Kilian
156.
Pütschbach, Kapelle St. An-
tonius 156. 157.
Reddighausen, Kirche, Holz-
detail 50.
Rittershausen, Kapelle 97.
Rotzenhahn, Kirche 135.
Runkel, Reinh. IV. v. 137.
Runkel, Siegfr. v. 136. 161.
Salz 157-159.
— Chorstühle 159.
— Kirche 156. 158. 159.
— Weihkessel 158. 159.
Sayn, Graf Heinr. III. v. 100.
— Graf Heinrich von 115.
— Gräfin Kunigunde v. 161.
— Graf Johann von 136.
Schenk zu Schweinsberg,
Johann 42.
Seck 159.
— Kirche 159. 160. 161.
Seligenstadt, Klosterruine
161.
Se verus„Bifang des heil. " 1 47.
Sponheim, Graf Gottfr.v. 100.
Steinebach 136.
Strassebersbach, Pfarrk. 93.
Tauf steine und Weihbecken
etc.
— Altstadt 107.
— Battenberg 11. 14.
— Biedenkopf 5.
— - Buchenau, Opferstock 23.
30.
— Hartenrod 36.
— Hatzfeld 39.
— Naunheim 47.
— Neunkirchen 155.
— Niederweidbach 50.
— Salz 158.
Tringenstein , Burgruine
99.
Ulrich von Anspach, Bau-
meister 56.
Valkenburg, Hauptmann von
56.
Virneburg, Er zbischof Hein-
rich von 116.
Walderdorff, Joh. Philipp
von 154.
Walderdorffscher Besitz 162.
164.
Wallenfels, Burgruine 100.
Weltersburg 161. 162. 163.
Weltersburg, Edle von 161.
Westerburg 136—144.
— Kirche 136. 137.
Flügelaltarbild 138.
— Liebfrauenkirche Rei-
chenscheid 138. 139.
— Schloss 140-UX.
Kapelle 142. 143.
— — Sakristei 143.
— — Schlossarchiv 143.
— — Schlossturm 144.
Westerburg, Stadtwappen
174.
Westert Hof 164.
Widechenstein, Werner von
11.
Wied -Neuerburg, Mechtild
von 115.
Wyngersdorf, Henne von 122.
126.
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