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Full text of "Bau- und Kunstdenkma˜ler des Regierungsbezirks Wiesbaden;"

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DIE  bau:  &  KUNST: 
DENKMAELER  DER 

KREISE  BIEDENKOPF 
DILL0BER:WESTER: 
WALD  WESTERBURG 


HEINRICH  KELlER  •  FRANKFURT  A  M 


Digitized  by 

the  Internet  Archive 

in  2014 

https://archive.org/details/bauundkunstdenkm04luth 


DIE 

BAU-  UND  KUNSTDENKMÄLER 

DER 

KREISE  BIEDENKOPF,  DILL, 
OBER-WESTERWALD  UND  WESTERBURG 


DIE 

BAU-  UND  KUNSTDENKMÄLER 

DES 

REGIERUNGSBEZIRKS  WIESBADEN 

HERAUSGEGEBEN 

VON  DEM 

BEZIRKSVERBAND  DES  REGIERUNGSBEZIRKS  WIESBADEN 

IV.  BAND: 

DIE  KREISE  BIEDENKOPF,  DILL, 
OBER-WESTERWALD  UND  WESTERBURG 


FRANKFURT  A.M. 
KOMMISSIONSVERLAG  VON  HEINRICH  KELLER. 
1910. 


DIE 


BAU-  UND  KUNSTDENKMÄLER 

DER 

KREISE  BIEDENKOPF,  DILL,  OBER- 
WESTERWALD UND  WESTERBURG 

IM  AUFTRAGE 

DES  BEZIRKSVERBANDES  DES  REGIERUNGSBEZIRKS  WIESBADEN 
BEARBEITET  VON 

FERDINAND  LUTHMER 


FRANKFURT  A.  M. 
KOMMISSIONSVERLAG  VON  HEINRICH  KELLER. 
1910. 


Druck  und  Papier  von  Ph.  von  Zabern,  Hofdruckerei,  Mainz. 

Photographische  Aufnahmen  von  der  Königlichen  Messbildanstalt,  Berlin, 
dem  Photographen  Hardt  in  Limburg  und  anderen. 

Clich^s  von  Guhl  &  Co.,  Frankfurt  a.  M. 

Geographische  Karte  von  Ludwig  Ravenstein,  Frankfurt  a.  M. 


VORWORT. 


ER  nördliche  Teil  des  Regierungsbezirks  Wiesbaden,  der  in  den  Kreisen 
Biedenkopf,  Dill,  Ober-Westerwald  und  Westerburg  den  Inhalt  des  vierten 
Bandes  der  Bau-  und  Kunstdenkmäler  des  Regierungsbezirks  Wiesbaden 
bildet,  ist  seinem  grösseren  Teile  nach  ein  Wald-  und  Ackerbaugebiet, 
das  erst  in  den  letzten  Jahrzehnten  dem  Verkehr  und  der  Industrie  erschlossen  wor- 
den ist.  Wenn  es  daher  im  Reichtum  an  Baudenkmälern  hinter  den  andern  Teilen 
Nassaus  zurücksteht,  so  hat  es  dafür  manche  unverwischte  Eigenart,  manchen  Rest 
bodenständiger  Volkskunst  bewahrt,  denen  in  dieser  Sammlung  ihr  Platz  anzuweisen 
war.  So  wurde  auch  unter  die  Abbildungen  manches  aufgenommen,  für  das  der  Name 
eines  Kunstdenkmals  vielleicht  beanstandet  wird,  das  aber  im  obigen  Sinne  nach  der 
Ansicht  des  Verfassers  in  den  Rahmen  eines  Inventars  gehört.  Die  mannigfache 
Förderung,  die  dem  Unternehmen  von  allen  beteiligten  Kreisen,  besonders  von  den 
lokalen  Forschern  und  Vereinen  zuteil  wurde,  ist  auch  hier  wieder  mit  geziemendem 
Danke  hervorzuheben. 


VI 


VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN. 

(Die  nicht  mit  Quellenangabe  versehenen  oder  nach  Photographien  hergestellten 
Abbildungen  sind  vom  Verfasser  nach  eigenen  Aufnahmen  gezeichnet.) 

Fig.  1.  Dorfplatz  in  Ruppach  n.  Aufn.  v.  Baurat  Engel. 

,,     2.  Stadt  Biedenkopf  n.  Merian. 

„     3.  Schloss  Biedenkopf.  Lageplan 
„     4.         „  „         von  Südost 

„     5.         „  „         Grundrisse  des  Wohnbaues.  Kgl.  Bauinspekt.  Biedenkopf 

„     6.  Biedenkopf.  Kanzel  aus  der  früheren  Kirche,  jetzt  im  städtischen  historischen 

Museum  zu  Frankfurt 

„     7.  Schloss  Biedenkopf,  Durchschnitt  4 

„     8.  Biedenkopf.  Holzpfeiler  aus  dem  Schloss 

„     9.  „  Frühere  Pfarrkirche,  Grundriss  .      .    Aus  dem  Pfarrarchiv. 

„    10.  „  Breidenbacher  (Not  Gottes-)  Kapelle 

„11.  „  Eckhaus  Stadtgasse  und  Untergasse 

„    12.  „  Stadtwappen  Landesarchiv. 

„    13.  Achenbach.  Evangelische  Dorfkirche     .      .      .   nach  Arch.  L.  Hofmann. 

„    14.  Battenberg.  Pfarrkirche,  Taufstein 

„    15.  „  „  Grundriss  und  Längsschnitt 

„    16.  „  Rathaus 

„    17.  Battenfeld.  Kirchturm 

„    18.  „  Pfarrkirche,  Längsschnitt 

„    19.  „  „  Grundriss 

20.  „  „         roman.  Türbeschlag 

„   21.  Breidenbach.  Malerei  am  Gesimsbrett  der  Kirche 
„   22.  „  Kirchturm 

„   23.  „  Pfarrkirche,  Längsschnitt 

„   24.  ,,  „  Grundriss 

„   25.  Bromskirchen.    Pfarrkirche,  Grundriss,  Jochsystem  und  Details 

„   26.  Buchenau,  Haustür 

„    27.  Dautphe.    Pfarrkirche,  Grundriss  und  Einzelheiten 

„   28.  Emporen-  und  Unterzugstützen  aus  Battenfeld  und  Dautphe 

„   29.  Dautphe.  Emporenstütze 

„   30.  Dexbach.   Pfarrkirche,  Äusseres 

„   31.  Emporenstützen  aus  Holzhausen  bei  Biedenkopf  und  Friedensdorf 

„   32.  Friedensdorf  Pfarrkirche,  Einzelheiten 

„   33.  Frohnhausen.    Pfarrkirche,  Grundriss  und  Längsschnitt 

„   34.  „  Holzarbeiten 

„   35.  Gladenbach.  Marktplatz 

„   36.  „  Pfarrkirche,  Grundriss 

„   37.  „  „  Westteil 


VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN. 


VII 


Fig.  38. 

„  39. 

„  40. 

„  41. 

„  42. 

„  43. 

„  44. 

„  45. 

„  46. 

„  47. 

„  48. 

„  49. 

„  50. 

„  51. 

„  52. 

„  53. 

„  54. 

„  55. 

„  56. 

„  57. 

„  58. 

„  59. 

„  60. 

„  61. 

„  62. 

n  63. 

„  64. 

„  65. 

„  66. 

„  67. 

„  68. 

„  69. 

„  70. 

„  71. 

„  72. 

„  73. 

„  74. 

„  75. 

„  76. 

„  77. 

„  78. 


Gladenbach.  Pfarrkirche,  Längsschnitt 

„  Alter  Pfarrhof 

„  Gitter  am  Katasteramt 

Hatzfeld.  Einzelheiten  aus  der  Pfarrkirche 
Hatzfeld  und  Dexbach.  Kirchengrundrisse 

Ruine  Hermannstein.   Blick  in  das  Erdgeschoss  der  Unterburg 

Hermannstein  nach  Meissner. 

Ruine  Hermannstein  von  Südost 

„  „  Unterer  Grundriss 

„  Turmgrundrisse 

„  „  Querschnitt  NW  nach  SO 

Hermannstein.    Pfarrkirche,  Grundriss 
Leisa.    Dorfkirche,  Ansicht  und  Turmkreuz 
Niederweidbach.  Kirchentür 

„  Wandtabernakel 
„  Kirchen-Grundriss 
Emporenstützen  aus  Dodenau  und  Reddighausen 
Reddighausen.  Kirchturm 
Allendorf.  Kirchturm 

Dillenburg  nach  Merian. 


Festung  Dillenburg  .... 

Dillenburg.    Pfarrkirche,  Grundriss 
„  „  Choransicht 

„  „  Innenbild  nach 

„  „  Längsschnitt 

„  „  Querschnitt 

„  Archiv  .... 

„  Stadtwappen 
Ansicht  der  Stadt  Haiger  . 
Haiger.   Pfarrkirche,  Grundriss 
„  „  Südansicht 


n.  d.  Grundriss  Valkenbergs  1619. 
nach  L.  Hofmann, 
desgl. 

nach  L.  Hofmann, 
desgl. 

i  nach  Zeichn.  der  Kreis- 
/  bauinspektion  Dillenburg. 
Landesarchiv, 
nach  Merian. 


Längsschnitt  . 
Choransicht  . 
Malereien  im  Chorgewölbe 
Fenstermasswerk 


„        Stadtwappen  .... 

Herborn.  Ansicht  

„  Strassenbild  mit  dem  Rathaus 
„  Pfarrkirche,  Grundriss  . 

„  „  Längsschnitt 

„         Chor  der  Pfarrkirche 


nach  Aufnahme  von 
E.  Stiehl  1873. 


Landesarchiv, 
nach  Merian. 

nach  L.  Hofmann, 
desgl. 


VIII  VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN. 


Fig.  79. 

Herborn.   Pfarrkirche,  Malerei  im  Chor 

)) 

80. 

„         Schloss,  Erdgeschoss-Grundriss  • 

nach  L.  Hofmann. 

V 

81. 

„              „  Ostseite 

n 

82. 

„              „      Grundriss  des  Obergeschosses 

nach  L.  Hofmann. 

83. 

„         Grabplatten  im  Chor  der  Pfarrkirche 

84. 

„         Geschnitzte  Türe  am  Rathaus 

)) 

85. 

„         Hohe  Schule,  Grundriss 

nach  L.  Hofmann. 

)i 

ÖO. 

„           „         „      Ansicht   .      .      .  . 

gezeichnet  von  R.  Stier. 

)' 

87. 

„        Alter  Pfarrhof 

)) 

88. 

„  Paulshof 

)) 

89. 

Försterei  „Neues  Haus"  bei  Herborn 

)) 

90. 

Herborn.   Schloss,  Fensterkorb     .      .      .  . 

nach  L.  Hofmann. 

)) 

91. 

„              „      Ansicht  von  Süden 

11 

92. 

Landesarchiv. 

11 

93. 

Burgruine  Beilstein  von  Norden 

11 
11 

94. 
95. 

Ruine  Beilstein,  Grundriss 
Beilstein,  Holzhaus 

1) 
11 

96. 1 
97.} 
98. 

Ruine  Beilstein,  Süd-  und  Nordansicht  . 
Beilstein,  Renaissancehaus  neben  der  Burg  . 

1  nach  Aquarellen  v.  1824 
\,       im  Landesarchiv, 
nach  Reifienstein. 

11 
11 

99. 
100. 

„        Burgruine  von  Osten 
„        Holzhaus  Roos 

11 

101. 

Bergebersbach.   Pfarrkirche,  Grundriss 

11 

102. 

„                     ,,          Kapital  und  Turmdach 

11 

„                     „  Steinkanzel 

11 

104. 

Driedorf,  Ruine  der  Unterburg 

II 

105. 

nach  L.  Hofmann. 

11 

106. 

Nenderoth.    Pfarrkirche,  Choransicht 

11 

107. 

Burg  Tringenstein  (nach  einem  rekonstruierten  Modell  von  J.  H.  Hoffmann). 

11 

108. 

Hachenburg.    Katholische  Kirche  vor  dem  Umbau,  Inneres 

11 

109. 

11                   11             11        11      11  II 

Äusseres 

11 

110. 

„           Schloss,  Erdgeschoss-Grundriss 

Zeichn.  b.  d.Kgl.Regierg. 

11 

Iii 

III. 

„  Stadtwappen  

Landesarchiv. 

11 

112. 

Altstadt.  Pfarrkirche 

11 

113. 

„              „          Grundriss    .      .       .  . 

nach  L.  Hofmann. 

11 
11 
II 

114. 
115. 
116. 

„               „  Taufstein 
Höchstenbach.  Pfarrkirche 

„                   „  Grundriss 

11 

117. 

Hoen.    Pfarrkirche,  Grundriss 

11 

118. 

„               „  Pfeilerkopf 

)i 

119. 

„               „         Pfosten  im  Turm 

II 

120. 

„               „  Stuhlwange 

VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN. 


IX 


Photographie  der 
Königl.  Messbildanstalt. 


f.  121.  Hoen.  Pfarrkirche,  TUrring 

122.  Langenhahn,  Pfarrkirche 

123.  Marienstatt,  Gesamtansicht  d.  Klosters  v.  Nordwest 

124.  „  Kirche,  Westseite  .... 

125.  „  „  Choransicht 

126.  „  ,.      Grundriss  des  Erdgeschosses 

127.  „  „      Chorumgang  .       .     Photogr.  d.  Kgl.  Messbildanstalt. 

128.  „  „       Kapitale  der  Chorpfeiler 

129.  „  „  Längsschnitt 

130.  „  „  Grundriss  in  Höhe  des  Triforiums  .  nach  Görz. 
13L  „  „       Masswerk  des  Fensters  im  Westgiebel 

132.  „  Übersichtsblatt  der  Schiftspfeiler 

133.  „  „      Masswerk  im  nördlichen  Querschiffsgiebel 

134.  „  „      Inneres  gegen  Osten  .  Photogr.  d.  Kgl.  Messbildanstalt. 

135.  „  „  Chordurchschnitt 

136.  „  „      Schlussteine  in  den  westlichen  Schiffsjochen 

137.  „  „      Altartisch,  Fliesen  und  Bleiverglasung 

138.  „  „  Piscina 

139.  „  „      Chorgestühl  .... 

140.  „  „       Grabmal  Gerhards  II.  V.Sayn 

und  seiner  Gemahlin 

141.  „  „      Pietas  .... 

142.  „  „      Beichtstuhl  . 

143.  „  „      St.  Ursula-Altar  . 

144.  „  Abteigebäude,  Mittelbau  . 

145.  „  Kirche,  Chorgitter  in  den  Seitenschiffen 

146.  „  Seitenaltar  Phot.  d.  Kgl.  Messbildanstalt. 

147.  Westerburg  von  Nordwesten 

148.  „  Evangelische  Kirche,  Inneres 

149.  „  „  „  Grundriss 

150.  „  „  „      St.  Annen-Altar 

151.  „  Ruine  der  Liebfrauenkirche 

152.  „  Schloss,  Vorhalle  der  Kapelle 

153.  „  „      Grundriss  des  ersten  Stocks 

154.  „  „      Kapellentür  und  Fenster 

155.  „  „      Vom  Kamin  im  Archiv 

156.  „  Ansicht  nach  einem  alten  Bilde 

157.  Elsoff,  Kapelle 

158.  „  „  Grundriss 

159.  Gemünden.    Kirche,  Grundriss 

160.  „  „  Westteil 

161.  Meudt.  Pfarrkirche,  Südostansicht 


Photographie  der 
Königl.  Messbildanstalt. 


X 


VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN. 


Fig.  162.  Meudt.   Pfarrkirche,  Grundriss 

„  163.  Hof  Langwiesen 

„  164.  Schloss  Molsberg  Nach  einem  Modell. 

„  165.        ,)  )i  ••■•■•>)))  )) 

„  166.        „  „  Vogelperspektive    .      .      „        „  „ 

„  167.  Salz.    Pfarrkirche  von  Norden       .      .      .    Phot-  d.  Kgl.  Messbildanstalt. 

„  168.  Pütschbach.    Pfarrkirche,  Ostansicht  und  Grundriss 

„  169.  Salz.   Pfarrkirche,  Weihkessel 

„  170.      „  „         Innenblick  nach  Osten    .    Phot.  d.  Kgl.  Messbildanstalt. 

„  171.      „  „  Grundriss 

„  172.  Seck.  Pfarrkirche,  Grundriss 

„  173.  Naurother  Hof 

„  174.  Die  Weltersburg  mit  dem  Brambacher  Schlösschen 

„  175.  Hof  Westert 

„  176.  Haus  Hastrich  in  Himburg 

„  177.  Rathaus  zu  Rehe 

„  178.  Holzhaus  zu  Molsberg  Phot.  d.  Kgl.  Messbildanstalt. 

„  179.  Haus  Kestler  zu  Enspel 

„  180.  Haus  Nr.  36  in  Bilkheim 

„  181.  Fensterbildung  in  Enspel 

„  182.  Holzhaus  in  Berod  Phot.  d.  Kgl.  Messbildanstalt. 

„  183.  Haus  Baldus  in  Bellingen 

„  184.  Stippverzierungen  aus  Günterod 

„  185.  „  „  Friedensdorf 

„  186.  Westerburg.  Stadtwappen 


XI 


INHALTSVERZEICHNIS. 


Seite 

EINLEITUNG  XIII-XX 

I.  KREIS  BIEDENKOPF  1-50 

Stadt  Biedenkopf  1-9 

Achenbach  10 

Battenberg   11  —  14 

Battenfeld   15-17 

Breidenbach   17—19 

Breidenstein  20 

Bromskirchen   20-21 

Buchenau   22 — 23 

Dautphe   23-26 

Dexbach  27 

Frankenbach  27 

Friedensdorf   28 — 29 

Frohnhausen   30—31 

Gladenbach   31-35 

Günterod  36 

Hartenrod  36 

Hatzfeld   36-39 

Hermannstein   40—46 

Königsberg  46 

Leisa   46—47 

Naunheim  47 

Niederweidbach   48—50 

Reddighausen  50 

II.  DILLKREIS   51-100 

Stadt  Dillenburg   51-59 

Stadt  Haiger   60-65 

Stadt  Herborn   66-83 

Beilstein   84-91 

Bergebersbach,  Strassebersbach   91—93 

Breitscheid  93 

Burg  94 

Dernbach  94 

Driedorf   94—96 

Feldbach   96-97 

Hörbach  97 


XII 


INHALTSVERZEICHNIS. 


Seite 

Nenderoth  98 

Tringen  stein  99 

Wallenfels  100 

UI.  OBERWESTERWALDKREIS  100- 136 

Stadt  Hachenburg  100-104 

Altstadt  105-108 

Dreifelden  108 

Höchstenbach  109-110 

Hoen  110-113 

Kroppach  113-114 

Marienstatt,  Kloster  114—134 

Niederrossbach  134—135 

Rotzenhahn  135 

Steinebach  136 

IV.  KREIS  WESTERBURG  136-164 

Stadt  Westerburg  136—144 

Berod  144-145 

Elsoff  145-146 

Gemünden   .  146—149 

Hüblingen  149 

Meudt-Langwiesen  149—151 

Molsberg  152-155 

Neunkirchen  155 

Niedererbach  156 

Nomborn  156 

Pütschbach  156-157 

Salz  157-159 

Seck,  Seligenstadt  159—161 

Weltersburg,  Bilkheim,  Naurother  Hof,  Hof  Westert       ....  161—164 

DAS  BAUERNHAUS  165-174 


XIII 


EINLEITUNG. 

flS^^Sp  ER  vierte  Band  der  „Bau-  und  Kunstdenkmäler  des  Regierungsbezirks 
kV^I^lD  Wiesbaden"  umfasst  den  Kreis  Biedenkopf,  den  Dill-  und  Oberwesterwald- 
kreis  und  den  Kreis  Westerburg.  Dies  Gebiet,  das  nördliche  Gebirgs- 
•fiSKSS^^  land  des  Regierungsbezirks,  schliesst  diesen  nach  Norden  ab  und  hängt 
nur  südlich  mit  altem  Nassauer  Land  zusammen:  mit  dem  Oberlahnkreis,  dem  Kreis 
Limburg  und  dem  Unterlahnkreis,  dem  sich  südwestlich  der  Unlerwesterwaldkreis 
anschliesst.  Die  Westgrenze  scheidet  unser  Gebiet  von  dem  Kreis  Altenkirchen  der 
Rheinprovinz.  Nördlich  grenzt  es  an  den  westfälischen  Regierungsbezirk  Arnsberg, 
nämlich  an  dessen  südlichste  Kreise  Siegen,  Wittgenstein  und  Brilon.  Die  östlich  an- 
grenzenden Kreise  Frankenberg  und  Marburg  gehören  zum  Regierungsbezirk  Kassel ; 
südöstlich  folgt  mit  der  Giessener  Gegend  das  Grossherzogtum  Hessen,  Provinz  Ober- 
hessen, und  weiter  schneidet  der  zum  Regierungsbezirk  Koblenz  gehörige  Kreis  Wetz- 
lar ins  untere  Dilltal  ein. 

Über  die  geognostischen  Verhältnisse  des  nördlich  von  der  Lahn  ge- 
legenen Teiles  des  Regierungsbezirks  ist  bereits  im  dritten  Bande  dieses  Werks  eine 
knappe  Übersicht  gegeben  worden.  Es  mögen  daher  hier  nur  kurze  Ergänzungen 
über  die  geologische  Gestaltung  des  obersten  Laufs  der  Lahn  und  des  Westerwaldes 
Platz  finden.  Für  ersteren  war  massgebend  „Das  Lahntal  von  seinem  Ursprung  bis  zur 
Ausmündung"  von  August  Spiess  (Ems  1866),  für  letzteren  „Der  Westerwald  und 
seine  Bewohner  etc."  von  E.  Heyn  (Marienberg  1893). 

Da,  wo  die  Lahn,  etwa  20  km  von  ihrer  Quelle,  in  den  Kreis  Biedenkopf  ein- 
tritt, hat  sie  bereits  das  Gebiet  des  Spiriferensandsteins  verlassen,  das  sich  von 
den  die  Lahn,  Eder  und  Sieg  entsendenden  südlichen  Höhen  des  Rothaargebirges 
weit  nach  Süden  und  Westen  erstreckt.  Schon  bei  Feuchtingen,  10  km  vor  unserer 
Grenze,  tritt  der  Fluss  in  die  letzten  südlichen  Ausläufer  der  Calceolaschichten  oder  des 
Lenneschiefers  mit  den  darüber  liegenden  Flinzschichten,  der  in  Westfalen  und  dem  öst- 
lichen Teil  des  Rheinlandes  ein  ausgedehntes  Gebiet  beherrscht.  Darüber  liegen  talab- 
wärts unmittelbar  oberdevonische  Schichten,  welche  sich  hier  als  rote  und  graue  Kra- 
menzelschiefer  sowie  als  einförmiger  Kramenzelsandstein  ziemlich  mächtig  ausbreiten. 


XIV 


EINLEITUNG. 


Die  Oberdevonschichten  werden  hier  von  der  Lahn  fast  im  rechten  Winkel 
durchbrochen  und  dauern  an  bis  gegen  Eckelshausen  unterhalb  Biedenkopf.  In  dieser 
Partie  schieben  sich  an  zwei  verschiedenen  Stellen  schwache  Kulm-Mulden,  unmittel- 
bar im  Lahntal  auslaufend,  ein.  Zwischen  ihnen  erscheint  eine  sattelförmige  Lamelle 
älteren  Schiefers,  der  mit  dem  Orthoceras-Schiefer  von  Wissenbach  zusammenhängt, 
und  gabbroartige  Hyperite  mit  echtem  Hypersthenfels  durchsetzen  die  Schichten  der 
Kramenzelformation,  wie  auch  die  darunter  und  darüber  auftretenden  Schichten  der 
nächsten  Umgebung. 

Im  weiteren  Flusslauf  nach  Osten,  bis  da,  wo  die  Lahn  unweit  Gossfelden  eine 
entschieden  südliche  Richtung  nimmt,  bestehen  die  Berge  beider  Talseiten  aus  den 
Schichten  des  unteren  Steinkohlensystems.  Die  Kulmformation  stellt  sich  dar  in 
plattenförmigen  Kulmkalken  und  einer  Reihe  schön  gefärbter  Hornsteine  und  Kiesel- 
schiefer ;  neben  diesen  findet  man  auch  graue  Tonschiefer  mit  zahlreichen  Versteinerungen. 
Der  flözleere  Sandstein  dieser  Partie  ist  sehr  einförmig  und  besteht  aus  mehr  oder 
weniger  grobkörnigen  Bänken  eines  rauhen,  braungrauen  Sandsteins,  der  in  fein- 
körnigen Sandsteinschiefer  und  in  massige  Konglomerate  übergeht. 

In  diesen  wechselnden  Lamellen  von  Kulm  und  flözleerem  Sandstein  brechen 
viele  Hypersthenfelse  in  schönen,  körnig-kristallinischen  Partien.  Dabei  tritt  noch 
ein  dichtes,  mandelsteinartiges  Gestein  der  Grünsteingruppe  in  lagerhafter  Form 
auf,  welches  aus  einer  besonders  im  Dilltal  stark  verbreiteten  Varietät  des  Mela- 
phyrs  besteht. 

Die  erwähnten  kristallinischen  Hyperite  wie  auch  die  festen  Kieselschiefer 
dienen  in  dieser  Gegend  als  Wegebaumaterial.  Die  Kulmkalke  sind  besonders  wichtig 
für  die  Eisenhüttenindustrie,  die  Kalkbrennereien  und  die  Landwirtschaft. 

Die  geognostischen  Verhältnisse  des  Westerwaldes  liegen  einfacher.  Er  stellt 
sich  als  ein  Teil  des  niederrheinischen  Schiefergebirges  dar  und  teilt  mit  diesem  die 
aus  Gesteinen  der  azoischen  Zeit,  Graniten  und  Gneissen,  bestehende  Unterlage. 
Darüber  finden  sich  aus  paläozoischer  Zeit  Schichten  des  Devon,  aus  den  känozoischen 
Schichten  des  Tertiär,  dann  des  Diluviums  und  des  Alluviums.  Zu  diesen  vom  Wasser 
abgesetzten  Gesteinen  treten  dann  noch  die  ebenfalls  der  jüngeren  Zeit  der  Erd- 
bildung angehörigen  Eruptivgesteine:  Basalt,  Trachyt,  Bimssteinsand. 

Die  dem  Devon  angehörigen  ältesten  Gesteine  des  Westerwaldes,  die  als  Koblenz- 
schichten, Spiriferensandstein  oder  Grauwacke  bezeichnet  werden,  bilden  im  Westen 
des  Gebietes  überall  das  Oberflächengestein;  sie  setzen  sich  auch  unter  dem  Gebirgs- 
stock  des  hohen  Westerwaldes  fort,  sind  aber  hier  bis  auf  wenige  Stellen,  wo  sie 
zutage  treten  (Gegend  von  Marienberg),  überall  von  Tertiärablagerungen  und  Basalten 
überdeckt. 

Dem  Devon  aufgelagert  finden  sich  Schichten  der  Tertiärzeit.  Sie  nehmen  in 
sehr  ausgedehntem  Masse  das  Hochplateau  des  Westerwaldes  ein,  wechsellagern 
vielfach  mit  Eruptivgesteinen  (Basalten,  Trachyten  etc.),  sind  von  diesen  durchbrochen 
und  haben  mit  ihnen  eine  Mächtigkeit  bis  zu  150  m  Zu  den  tertiären  Schichten 
gehören  ausser    den  Basaltkonglomeraten  (Zersetzungsprodukten  des  Basalts)  die 


EINLEITUNG. 


XV 


Freusberg  Dernbach  Greifenstein  Bicken 


Tone,  von  denen  die  reinplastischen  Tone  die  Grundlage  für  die  ausgedehnte  keramische 
Industrie  des  Westerwaldes  und  einen  wichtigen  Ausfuhr-Gegenstand  bilden.  Ferner 
gehören  hierher  als  wichtigstes  Glied  die  Braunkohlen,  meist  auf  ausgedehnten  Basalt- 
strömen gebettet.  Sie  werden  im  grossen  abgebaut  bei  Marienberg,  Bach,  Hof, 
Eichenstruth,  Grosseifen,  Höhn-Urdorf,  Westerburg,  Roth,  Gusternhain  und  Breitscheid. 
Neben  den  dem  Diluvium  angehörenden  ausgedehnten  Schichten  von  Lehm  und 
Basaltbruchstücken  und  dem  Alluvium,  zu  dem  in  den  zahlreichen  Talmulden  des 
Westerwaldes  auch  der  Torf  zu  zählen  ist,  haben  hier  die  Eruptivgesteine  eine  besondere 
Bedeutung.  Auf  dem  höchsten  Westerwald  breiten  sich  mit  den  Braunkohlenschichten 
ausgedehnte  Basaltdecken  aus.  Daneben  tritt  der  Basalt  in  Gang-  und  Kuppenform 
auf,  die  sich  auch  ausserhalb  des  Westerwaldes  in  zahlreichen  Kuppen  im  Norden 
bis  an  die  Sieg,  im  Süden  bis  zur  Lahn,  im  Osten  bis  an  den  Vogelsberg  verfolgen 
lassen.  Im  ganzen  Gebiet  des  Westerwaldes  sind  nicht  weniger  als  410  Basaltkuppen 
gezählt  worden.  Trachyte  beschränken  sich  in  ihrem  Vorkommen  auf  den  südwest- 
lichen Teil  des  Gebirges  und  bilden  hier  zwischen  Montabaur,  Selters  und  Westerburg 
etliche  20  Bergkuppen. 

Die  Bodengestaltung  unseres  Gebietes  kennzeichnet  sich  im  allgemeinen 
als  ein  von  der  Nordgrenze  nach  Süden  sich  allmählich  abdachendes  Bergland  ohne 
stark  hervortretende  Bergformen.  Seine  höchsten  Erhebungen  bleiben  unter  der 
Grenze  von  700  m. 

Im  Kreis  Biedenkopf  gruppieren  sich  die  höchsten  Erhebungen  der  Eder- 
berge  um  Battenberg.  Es  sind :  Die  hohe  Warte  (646  m),  die  Sackpfeife  mit  gleicher 
Höhe,  der  Bubenberg  bei  Hatzfeld  (614),  Hassenrod  (625),  denen  der  Galgenberg  bei 
Oberhörlen  mit  546  und  der  Moltenberg  bei  Lixfeld  mit  581  m  folgen.  Die  südlicheren 
Lahnberge  um  Biedenkopf  halten  sich  in  Höhen  zwischen  400  und  500  m. 

Im  Di  11  kr  eis  weist  die  Nordhöll  mit  der  Quelle  der  Diezhölze  und  der  Höll- 
berg bei  Driedorf  die  grösste  Höhe  mit  643  m  auf.  Der  Angelberg,  auf  dem  die 
Scheide  entspringt,  folgt  mit  610,  die  Haincher  Höhe  bei  Offdilln  mit  607  und  der 
Knoten  bei  Mengerskirchen  mit  604  m.  Von  den  übrigen  Bergen  des  Kreises,  die  sich 
zwischen  500  und  600  m  halten,  ist  der  Bolzenberg  bei  Offdilln  mit  567  m  der  höchste. 

Der  Ober  westerwaldkreis  und  W  esterburg,  das  mit  seinen  nördlichsten 
Ortschaften  noch  bis  auf  den  hohen  Westerwald  reicht,  verzeichnen  in  der  Fuchs- 
kaute (657  m),  dem  Salzburger  Kopf  (655),  dem  Altenberg  (652),  dem  Kühfelderstein  (643) 


XVI 


EINLEITUNG. 


und  dem  Homberg  (635)  die  höchsten  Erhebungen  des  Westerwalds,  denen  sich 
Alsberg  (613),  Ketzerstein  bei  Weissenberg  (612),  der  Krimberg,  Backofen,  Reu- 
schenberg mit  um  600  und  der  Gallpusch  mit  595  m  anschliessen.  Aus  der  südlich  auf 
300  bis  400  m  herabgehenden  Abdachung  seien  noch  die  Weltersburg  (436)  und  der 
Sengelberg  bei  Molsberg  (447)  hervorgehoben. 

Die  Wasserläufe  der  vier  Kreise  gehören  zum  weitaus  grössten  Teil  an 
der  ganzen  Süd-  und  Ostabdachung  des  Gebirges  in  das  Quellgebiet  der  Lahn.  Im 
Norden  des  Kreises  Biedenkopf  nimmt  die  Ed  er  den  Elbrigshauser-  und  den  Linspher- 
bach  auf,  während  die  Bäche  des  nördlichen  Westerwaldes  in  das  Gebiet  der  Sieg  gehören. 

Die  Lahn  tritt  bei  Breidenstein  in  den  Kreis  Biedenkopf  ein,  wo  sie  rechts 
den  Perfbach  und  links  bei  Wallau  den  kurzen  Hainbach  aufnimmt.  Unterhalb  Bieden- 
kopf fliessen  ihr  auf  der  rechten  Seite  noch  zu :  Bei  Friedensdorf  die  Dautphe,  weiter 
südlich  die  bei  Bottenhorn  entspringende  Salzböde,  durch  deren  Tal  die  Querbahn 
Niederwalgern— Herborn  geleitet  ist. 

Einer  der  Hauptnebenflüsse  der  Lahn,  die  Dill,  durchströmt  den  nach  ihr  be- 
nannten Kreis.  Von  ihrer  Quelle  bei  Offdilln  auf  der  Haincher  Höhe  fliesst  sie 
gerade  südlich  und  nimmt  bei  Rodenbach  von  links  den  Rossbach  auf.  Nachdem  sie 
von  Haiger  bis  Dillenburg  entschieden  nach  Osten  abgeschwenkt  ist,  nimmt  sie  bis 
zu  ihrem  Austritt  aus  dem  Kreise  bei  Edingen  wieder  südliche  Richtung  an.  An  Zu- 
flüssen erhält  sie  von  rechts  bei  Haiger  den  Weiherbach,  dessen  Tal  als  „Hicke- 
grund"  bekannt  ist,  und  den  von  Süden  kommenden  Amdorferbach,  zu  denen  unter- 
halb Herborn  noch  der  von  Rehe  herabfliessende  Rehbach  kommt.  Bedeutendere  Zu- 
flüsse von  links  sind  noch  die  Diezhölze,  von  der  NordhöU  an  der  westfälischen  Grenze 
kommend,  der  Nanzenbach,  die  Scheide  und  die  Aar  mit  dem  Siegenbach. 

Der  Hauptfluss  des  Westerwaldes  ist  die  grosse  Nister,  die  zwischen  Brett- 
hausen und  Willingen  entspringt,  bis  Emmerichenhain  südlich  und  von  da  bis  zu 
ihrer  Mündung  in  die  Sieg  unterhalb  Wissen  in  westlicher  und  nordwestlicher  Richtung 
fliesst.  Ihr  unterer  Lauf  ist  durch  Felsen  eingeengt  und  weist  bei  Kroppach  bekannte 
landschaftliche  Schönheiten  auf. 

Nebenbäche  der  Nister  sind:  Der  Biedenbach  bei  Emmerichenhain,  der  Ross- 
bach (rechts),  die  vom  Kühfelderstein  kommende  schwarze  Nister  bei  Langenbach, 
links  die  von  Süden  kommende  Hornister,  die  früher  die  Grenze  zwischen  dem  Nieder- 
lahn- und  Avalgau  bezeichnete.  Bei  Korb  auf  der  rechten  Seite  mündet  der  Wäsch- 
bach, gegenüber  der  Alpenroder  Bach;  dann  folgt  mit  der  kleinen  Nister,  auch 
hintere  Nister  genannt,  der  bedeutendste  Zufluss,  der,  aus  einem  grossen  Sumpfe 
zwischen  Heimerich  und  Stegskopf  entspringend,  unweit  Kroppach  rechts  einmündet. 
Auch  der  Oberlauf  der  dem  Rheine  zuströmenden  Wied,  die  bei  Dreifelden  aus  vier 
Bächen  zusammenströmt,  gehört  dem  Oberwesterwaldkreis  an,  den  sie  bei  dem  Dorfe 
Borod  verlässt. 

Durch  den  Kreis  Westerburg  fliesst  die  Elb,  die  aus  zwei  aus  den  Sümpfen 
bei  Ailertchen  und  aus  der  Nähe  von  Kakenberg  herabkommenden  Bächen  entsteht 
und  sich  bei  Staffel  mit  der  Lahn  vereinigt. 


EINLEITUNG.  XVII 


Westerburg  Walderdorff  Irmtraut  Döring 


Die  Bodenkultur  der  nördlichen  Kreise  unseres  Bezirks  und  die  Beschäftigung 
ihrer  Bewohner  bietet  ein  mannigfaches  Bild.  Im  allgemeinen  ist  es,  von  einigen 
offenen  Tälern  abgesehen,  ein  gebirgiges,  vom  Klima  wenig  begünstigstes  Land,  in 
dem  der  Ackerbau  vor  der  Wald-  und  Wiesenkultur  zurücktritt;  der  Ertrag  an 
Erzen  und  anderen  Mineralien,  besonders  die  Hartstein-Industrie,  hat  in  den  letzten 
Jahren,  seit  der  Erschliessung  des  Landes  durch  Bahnlinien,  eine  erhöhte  Bedeutung 
gewonnen.  Immer  sind  noch  zahlreiche  Arbeitskräfte  darauf  angewiesen,  während 
der  guten  Jahreszeit  fern  von  ihrer  Heimat,  namentlich  am  Niederrhein  und  im 
Bergischen,  als  Bergleute,  Maurer  oder  Weissbinder  Verdienst  zu  suchen,  während 
die  Bestellung  der  Felder  den  daheim  bleibenden  Frauen  und  Alten  obliegt. 

Der  Kreis  Biedenkopf  ist  eiti  Berg-  und  Waldland,  dessen  landschaftliche 
Schönheit  noch  zu  wenig  bekannt  ist,  um  in  entsprechendem  Masse  fremde  Besucher 
anzuziehen.  Mit  Ausnahme  einiger  getreidebauenden  Täler,  wie  das  Breidenbacher-, 
das  Dautphe-  und  das  Lahntal  unterhalb  Biedenkopf,  ist  hier  die  Nutzung  der 
Wälder  und  der  Wiesenbau  die  hauptsächliche  Erwerbsquelle.  Ahnlich  liegen 
die  Verhältnisse  im  Dillkreis,  wo  daneben  die  durch  das  Tal  führende  Bahn  eine 
bedeutende  Industrie  ins  Leben  gerufen  hat;  die  neue  Westerwald -Querbahn  hat 
der  Verwertung  des  Basaltreichtums  des  Landes  neuerdings  bedeutenden  Auf- 
schwung gebracht. 

Auch  der  Kreis  Westerburg,  der  in  seinem  oberen  Teile  schon  den  Westerwald- 
Charakter  trägt,  sieht  hier  die  Hartstein-Industrie  in  bemerkenswertem  Aulschwung, 
während  dem  südlichen  Teil  sein  milderes  Klima  neben  ausgedehnter  Wiesenwirtschaft 
den  Getreidebau  gestattet. 

Auf  den  Oberwesterwald  hat  die  von  Riehl  geprägte  Bezeichnung  des  „Landes 
der  armen  Leute"  mit  der  Kartoffel  als  einziger  Kulturpflanze  ihre  Bedeutung  ver- 
loren, dank  der  Erschliessung  durch  mehrere  Bahnlinien  und  den  energischen  Be- 
mühungen der  Behörden  und  landwirtschaftlichen  Verbände  um  die  Hebung  der  Vieh- 
zucht. Auch  hier  ist  die  Hartstein-Industrie  als  Mehrerin  des  Wohlstandes  ein- 
gezogen. Daneben  nimmt  die  Landwirtschaft  mit  kleinbäuerlichen  Besitzverhältnissen 
eine  bedeutende  Stelle  ein.  Die  planmässige  Züchtung  der  zwar  kleinen,  aber  in  dem 
rauhen  Klima  besonders  ausdauernden  Rindviehrasse  hat  der  Schlachtvieh-  und  Milch- 
wirtschaft einen  bemerkenswerten  Aufschwung  gegeben.  Der  Ackerbau  erzeugt  neben 
Futterpflanzen  Gerste,  Hafer  und  Kartoffeln.  Auch  der  Bergbau  auf  Braunkohle,  der 


XVUI 


EINLEITUNG. 


an  vielen  Orten  betrieben  wird,  gibt  vielfache  Arbeitsgelegenheit,  sodass  die  Abwan- 
derung der  Bergleute  in  die  Eisengruben  des  Siegerlandes  im  Abnehmen  begriffen  ist. 

Die  alte  karolingische  Gauverfassung  rechnete  in  unserem  Gebiet  den 
Westerwald  zum  Engers-  und  Avalgau,  in  den  im  Elbtal  bei  Westerburg  der  Nieder- 
lahngau hineinreichte.  Zwischen  ihnen  bestand  die  „Herrschaft  zum  Westerwald"  als 
Mark  der  „freien  Leute",  die  Gemarkungen  Emmerichenhain,  Marienberg  und  Neu- 
kirch umfassend.  Das  Dilltal  mit  seiner  Umgebung  gehörte  dem  Erdehe-  und  Haiger- 
gau an,  Biedenkopf  dem  Oberlahngau.  Als  Territorialherren  begegnen  uns 
später  Kurtrier  und  Kurköln,  die  Grafen  von  Sayn  und  Nassau.  Die  Ausdehnung  der 
letzteren  Herrschaft  über  den  grössten  Teil  des  Gebietes  vollzog  sich  allmählich  im 
Laufe  des  14.  Jahrhunderts.  Biedenkopf,  das  von  früh  an  zu  Hessen  gehörte,  kam  erst 
1866  unter  preussische  Herrschaft.  Nach  der  früheren  nassauischen  Ämter-Einteilung 
gehören  zu  den  drei  ursprünglich  nassauischen  Kreisen  die  früheren  Ämter  Hachen- 
burg, Marienberg,  Dillenburg,  Herborn,  Rennerod  und  Walmerod. 

Auffallend  klein  ist  die  Zahl  der  Städte  in  dem  hier  bearbeiteten  Gebiet. 
Ausser  den  jetzt  zu  teilweise  recht  unbedeutenden  Dörfern  herabgesunkenen  Orten, 
die  im  Mittelalter  Stadtrechte  besassen,  Battenberg,  Breidenstein,  Hatzfeld,  Königsberg 
im  Kreise  Biedenkopf  und  Driedorf  im  Dillkreise  sehen  von  den  jetzt  noch  bestehenden 
Städten :  Biedenkopf,  Hachenburg,  Westerburg,  Dillenburg,  Haiger  und  Herborn  nur  die 
beiden  letzten  als  Vororte  alter  Gauverbände  auf  ein  hohes  Alter  zurück.  Die  übrigen 
sind  als  Ansiedelungen  um  die  Burgen  der  Landesherren  oder  eingesessener  Dynasten 
erst  in  der  zweiten  Hälfte  oder  am  Ende  des  13.  Jahrhunderts  entstanden.  Von  ihnen 
treten  Dillenburg  als  Residenz  des  Nassau- Oranischen  Fürstenhauses,  Herborn  als  Sitz 
einer  hohen  Schule  in  der  späteren  Geschichte  mit  grösserer  Bedeutung  hervor. 

Auch  an  geistlichen  Ordensstätten  ist  das  Gebiet  arm;  ein  Kloster  der 
Benediktinerinnen  zu  Seligenstadt  bei  Seck  ging  schon  vor  1500  ein.  Die  Existenz  eines 
Frauenklosters  bei  der  Kirche  von  ßromskirchen  steht  geschichtlich  nicht  fest,  bei  den 
Kirchen  von  Gemünden  und  Salz  bestanden  bis  ins  14.  und  15.  Jahrhundert  regulierte 
Chorherrnstifter.  Nur  in  dem  Zisterzienserkloster  Marienstatt  besass  der  Westerwald 
seit  dem  Beginn  des  13.  Jahrhunderts  eine  geistliche  Stiftung,  die  sich  nicht  nur  in  der 
Kultivierung  ihres  weit  ausgedehnten  Gebietes,  sondern  auch  in  einem  Kirchenbau 
von  hoher  kunstgeschichtlicher  Bedeutung  ein  bleibendes  Denkmal  gesetzt  hat. 

Wenn  auch  der  Besitz  des  Gebiets  an  Burgen  und  Schlössern,  der  grossen 
Zahl  grösserer  und  kleinerer  Territorialherren  entsprechend,  nicht  unbedeutend  ist,  so  ist 
doch  der  grösste  Teil  derselben  nur  in  kümmerlichen  Resten  auf  uns  gekommen.  An 
die  Burgen  der  Geschlechter  von  Battenberg,  Hatzfeld,  Breidenstein,  Molsberg,  Trin- 
genstein erinnern  nur  noch  Mauertrümmer,  oder  sie  sind  gänzlich  verschwunden  und, 
wie  bei  Molsberg,  durch  einen  glücklichen  Zufall  in  einem  vor  der  Zerstörung  ange- 
fertigten Modell  erhalten.  Von  den  Burgen  von  Driedorf  und  Königsberg  geben  die 
erhaltenen  Mauerreste  keine  Vorstellung  mehr.    Nur  Biedenkopf,  Hermannstein  und 


EINLEITUNG. 


XIX 


Molsberg  Breidenbach  Beilstein  Scheuch  s.  Sc/iweinsberg 


Beilstein  gestatten  aus  dem  Erhaltenen  einen  einigermassen  sicheren  Rückschluss  auf 
ihre  einstige  Bedeutung  und  die  Art  ihrer  Wehranlagen. 

An  Schlossbauten  späterer  Zeit  besitzt  das  Gebiet  in  dem  Schloss  der  Grafen 
Sayn  zu  Hachenburg  und  dem  Walderdorffschen  Schlosse  zu  Molsberg  zwei  ansehn- 
liche Barockbauten,  von  denen  namentlich  das  letztere,  wenn  auch  nicht  in  der  ur- 
sprünglich geplanten  Ausdehnung  ausgebaut,  doch  dadurch  unser  Interesse  erweckt, 
dass  sein  Erbauer,  der  baulustige  Trierer  Erzbischof  Johann  Philipp  von  Walderdorff, 
sich  bei  anderen  Schlossbauten  der  Hilfe  des  Architekten  Baltasar  Neumann  bediente, 
sodass  Beziehungen  dieses  Meisters  der  Barockzeit  auch  zu  dem  Schlosse  Molsberg 
nicht  ausgeschlossen  erscheinen.  Als  ein  stattlicher  Barockbau  darf  auch  das  Abtei- 
gebäude von  Marienstatt  gelten. 

Das  Schloss  Westerburg,  ein  nüchterner  Bau  der  klassizistischen  Zeit,  gewinnt 
eine  gewisse  baugeschichtliche  Wichtigkeit  durch  den  wohlerhaltenen  Kernbau  aus 
frühgotischer  Zeit,  den  sein  Torbau  birgt. 

Von  kleineren  Herrensitzen  und  befestigten  Höfen  konnte  der  Naurother  Hof, 
das  Brambacher  Schlösschen  auf  der  Weltersburg,  der  Hof  Westert  und  Hof  Lang- 
wiesen in  das  Verzeichnis  aufgenommen  werden. 

Unter  den  kirchlichen  Bauwerken  überragt  die  Klosterkirche  von  Marien- 
statt so  sehr  alle  andern,  dass  der  bau-  und  kunstgeschichtliche  Wert  der  übrigen 
von  einem  andern  Gesichtspunkt  zu  beurteilen  ist.  Eine  sehr  rege  kirchliche  Bau- 
tätigkeit, die  in  den  nördlichen  Ämtern  von  Nassau  und  in  Biedenkopf  in  dem  Jahr- 
hundert des  ausgehenden  romanischen  Stils  (1150 — 1250)  geherrscht  haben  muss,  hat 
uns  zahlreiche  über  das  ganze  Gebiet  verstreute  typische  Beispiele  einer  romanischen 
Baukunst  erhalten,  die  mit  den  bescheidensten  Mitteln  als  Maurerarbeit,  mit  dem  ge- 
ringsten Aufwand  an  Gesimsgliederungen  und  einer  fast  primitiven  Steinmetz- Orna- 
mentik dennoch  beachtenswerte  Werke  geschaffen  hat.  Sie  beweisen,  vielleicht  als 
lehrreiche  Mahnung  für  die  Gegenwart,  mit  wie  geringem  Aufwand  sich  das  kirchliche 
Bedürfnis  in  monumentaler  Weise  befriedigen  lässt,  ohne  doch  eines  malerischen 
Reizes  zu  entbehren,  der  oft  in  der  gut  gewählten  Lage  im  Ortsbild  und  in  der 
guten  Einfügung  des  Glockenturms  in  die  Silhuette  zu  suchen  ist.  Altstadt  und 
Höchstenbach  im  Oberwesterwald,  Gemünden,  Elsoff,  Pütschbach  und  Salz  im  Wester- 
burgischen, Breidenbach,  Dautphe,  Frohnhausen,  Battenberg,  Battenfeld,  Bromskirchen, 
Gladenbach  im  Kreise  Biedenkopf  sind  solche  bei  aller  Verschiedenheit  doch  unter 


XX 


EINLEITUNG. 


sich  verwandte  Beispiele.  Meist  schlichte  Pfeilerbasiliken,  flachgedeckt  oder  gewölbt, 
manche  mit  Querschiff,  sind  sie  zum  Teil  nach  dem  Ubergang  zum  protestantischen 
Bekenntnis  ihrer  Seitenschiffe  beraubt  worden;  die  schweren  Pfeiler  hinderten  den 
Blick  auf  die  Kanzel.  Die  hier  verlorengegangenen  Plätze  wurden  durch  eingebaute 
Emporen  ersetzt,  die  den  protestantischen  Kirchen  des  Gebietes  ein  besonders 
charakteristisches  Innere  geben.  Daneben  lassen  sie  uns  oft  die  Kunst  des  Zimmer- 
manns im  16.  und  17.  Jahrhundert  bewundern;  eine  Auswahl  besonders  bemerkens- 
werter Holzkonstruktionen  der  Emporen  sind  in  die  Sammlung  aufgenommen. 


Flg.  1-  Blick  in  ein  Westerwäläcr  Dorf  (Ruppach) . 


An  städtischen  Pfarrkirchen  sind  die  spätgotische  Kirche  von  Westerburg  und 
die  derselben  Zeit  angehörigen  Chöre  der  Kirchen  von  Dillenburg,  Herborn  und- 
Haiger  zu  nennen,  während  die  Schiffe  den  weniger  ausgesprochenen  Stempel  einer 
späteren  Zeit  tragen.  Sehr  allgemein  scheint  im  späteren  Mittelalter  die  Ausmalung 
der  Kirchen  unseres  Gebiets  gewesen  zu  sein ;  nicht  nur  die  Kirchen  von  Haiger  und 
Herborn  brachten  unter  der  späteren  Tünche  Bilderzyklen  zutage,  die  sich  als  der 
Konservierung  wert  erwiesen,  auch  in  Altstadt  und  mehreren  kleineren  Kirchen  des 
Dillkreises  Hess  sich  eine  durchgeführte  Bemalung  nachweisen. 

Das  Interesse  an  dem  Wohnhausbau  im  nördlichen  Nassau  gipfelt  in  den 
städtischen  und  bäuerlichen  Fachwerkbauten.  Letztere  besonders  geben,  dank  der 
konservativen  Gesinnung  der  Bewohner  und  der  dem  Verkehr  entzogenen  Lage  der 
Dörfer,  heute  noch  ein  so  geschlossenes  und  vollständiges  Bild  des  fränkischen  Holz- 
baus vom  16.  bis  zum  19.  Jahrhundert,  dass  es  angezeigt  schien,  diesem  eine  besondere 
Behandlung  am  Schluss  dieses  Buches  zu  widmen. 


Fig.  2.  Die  Stadl  liicäoikopj  iiacli  iji  r um . 


im 


BIEDENKOPF. 

Literatur:  Wenck,  Hess.  Landesgesch.  2.  l86  d.  Urkundenbuchs.  —  Kuchenbecker,  Analecta 
Hass.  3,  13.  —  Landau,  Die  hess.  Ritterburgen  3.  3—8.  —  G.  Zitzer,  ,,Aus  der  Geschichte  von  Burg 
und  Stadt  Biedenkopf",  Biedenkopf  1907.  —  Abbildungen:  In  Dilichs  Synopsis  descript.  tot.  Hassiae  ; 
Merian,  Topogr.  Hassiae  1655;  Libellus  nov.  polit.  Emblematicus  civitatum,  p.  Via,  F.  66. 

!IE  Kreisstadt  Biedenkopf  in  anmutiger,  höhenumkränzter  Lage  an  der 
Lahn,  die  kaum  30  km  von  hier  entspringt,  schmiegt  sich  mit  ihren  auf- 
steigenden Strassen  an  den  bewaldeten  Schlossberg,  der  von  den  ansehn- 
lichen Resten  der  alten  hessischen  Landgrafenburg  bekrönt  wird. 
Geschichtliches.  Ob  diese  Reste  der  ersten,  1232  in  einer  Legende  der 
heiligen  Elisabeth  zuerst  erwähnten  Burg  angehören,  ob  früher  eine  andere  Burg  auf 
einem  rückwärts  gelegenen  Teil  des  Schlossberges  gestanden  hat,  wie  aus  einer  Stelle 
der  hessischen  Reimchronik  vermutet  wird,  ist  nicht  mit  Sicherheit  festzustellen.  Ge- 
schichtlich überliefert  ist,  dass  1296  das  Schloss  zu  Biedenkopf  dem  Grafen  Otto, 
dem  Sohne  des  Landgrafen  Heinrich  mit  dem  Beinamen  „das  Kind",  der  sich  Umtriebe 
gegen  seinen  Vater  hatte  zu  Schulden  kommen  lassen,  als  Verbannungsort  angewiesen 
wurde.  Nach  des  Vaters  Tode  begann  (nach  Kuchenbeckers  analecta  Hass.  3,  13)  Otto  einen 
Neubau  —  augenscheinlich  mit  unzureichenden  Geldmitteln,  da  das  Schloss  mehr- 
fach verpfändet  wurde.  Ein  umfassender  Ausbau  oder  die  Fertigstellung  des  Neu- 
baus muss  zwischen  1360  und  1365  stattgefunden  haben,  da  um  diese  Zeit  Johann 
von  Breidenbach  wieder  bedeutende  Gelder  gegen  Besitzrechte  auf  die  Burg  vorschiesst. 


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2 


BIEDENKOPF,  GESCHICHTLICHES. 


Wahrscheinlich  ist  um  diese  Zeit  erst  der  Wohnbau  entstanden,  dessen  Bauformen 
auf  das  14.  Jahrhundert  hinweisen,  während  Otto's  Bautätigkeit  sich  nach  Lötz'  An- 
sicht auf  den  Turm  beschränkt  haben  mag. 

Erst  Ludwig  der  Friedfertige  machte  die  Burg  wieder  schuldenfrei  und 
erliess  von  hier  1455  seine  „Gerichts-  und  Polizeiverordnung  für  Hessen".  Sein  Sohn, 

Heinrich  III.,  ver- 
schrieb die  Burg  sei- 
ner Gemahlin  Anna 
von  Katzeneln- 
bogen als  Witwen- 
sitz. 

Im  folgenden  Jahr- 
hundert scheint  sie 
baulich  vernachläs- 
sigt worden  zu  sein, 
sodass  sie  Anfang 
desr  17.  Jahrhunderts 
schon  zum  Teil  fen- 
sterlos war;  ein  In- 
ventar von  1629  weist 
kaum  noch  Ausstat- 
tungsstucke auf.  Sie 
diente  als  Festung 
und  im  19.  Jahrhun- 
dert bis  1866  als 
kammerfiskalischer 
Fruchtspeicher,nach- 
dem  1843  und  1847 
eine  gründliche  Her- 
stellung vorgenom- 
men war.  Gegen- 
wärtig wird  die  Burg 
vom  Domänenfiskus 
erhalten ;  ihre  Räume 


Fi's-  3.  Schloss  Biedenkopf.  Lageplatt. 
dienen  dem  Altertumsverein  Biedenkopf  als  Ortsmuseum. 

Als  erster  Burggraf  wird  1283  ein  Ritter  Eckehard  genannt.  Als  spätere 
Burgmannen  kommen  vor  die  Herren  von  Breidenbach,  Biedenfeld,  Buchenau, 
Bicken,  Melsbach,  Linnen,  Knoblauch,  Döring  und  Hohenfels,  von  denen  die  beiden 
letzteren  auch  in  der  Stadt  begütert  waren. 


DIE  STADT  BIEDENKOPF  wird  zuerst  1304  genannt  (Gudenus,  Cod.  dipl.  HI.  24). 
Im  Jahr  1335  erfährt  sie  eine  namhafte  Erweiterung  durch  die  Spital-  und  Hainstrasse, 


\ 


BIEDENKOPF. 


3 


Fig.  4.  Schloss  Biedenkopf  von  Südost. 


die  von  den  Einwohnern  ausgegangener  Dörfer  der  nächsten  Nachbarschaft  angelegt 
wurden.  Die  Stadt,  die  auf  dem  Merianschen  Stich  noch  Befestigungen  im  Zusammen- 
hang mit  dem  Schlosse,  einen  ßrückenturm  auf  der  hölzernen  Lahnbrücke  und  zwei 
Tortürme  mit  Spitzdächern  und  Ecktürmchen  aufweist,  besass  drei  Tore :  Am  unteren 
Eingang  die  Marienpforte,  am  oberen  Ausgang  nach  Wallau  zu  die  Eich-  oder 
Wallauer  Pforte  und  am  Ausgange  der  Spitalstrasse  die  Neue  Pforte. 

DIE  PFARRKIRCHE,  die  Lötz  bereits  seit  1866  wegen  Baufälligkeit  ausser  Ge- 
brauch fand,  ist  1888  abgebrochen  und  durch  einen  Neubau  ersetzt  worden.  Nach 
der  Beschreibung  von  Lötz  war  sie  eine  dreijochige  Hallenkirche,  die  dem  Über- 
gangsstil angehörte.  Unverkennbar  ist  die  Ähnlichkeit  des  Grundrisses  mit  dem  der 
Kirche  von  Breidenbach  (s.  Fig.  24).  Auch  der  Turmhelm,  der  am  Neubau  dem 
früheren  nachgebildet  ist,  gleicht  dem  der  Breidenbacher  Kirche.  Der  achteckig  ge- 
schlossene Chor  hatte  (ähnlich  wie  in  Herborn)  neben  sich  zwei  Osttürme,  von  denen 
nur  der  nördliche  ausgebaut  war.  Der  Chorschluss  und  der  Turmhelm  war  spät- 
gotisch (um  1500).  Die  Masse  waren  im  Lichten:  Länge  28,/5  m.  Breite  13,40  m, 
davon  das  Mittelschiff  in  den  Pfeilerachsen  gemessen  6,38  m,  Jochweite  im  Mittel  6  m, 
Höhe  des  Hauptschiffs  11,2  m.  Das  Schiff  hatte  viereckige  mit  starken  Holzsäulen 
besetzte  Pfeiler,  die  rippenlose,  spitzbogige  Kreuzgewölbe  trugen.    Die  Gewölbe  der 


4 


BIEDENKOPF. 


Seitenschiffe  mit  halbkreisförmigen  Schildbögen  stiegen  etwas  gegen  das  Mittelschiff 
an.  Die  Fenster  waren  teilweise  rundbogig,  teilweise  durch  spätgotische  mit  Mittel- 
pfosten und  Masswerk  ersetzt.  Der  Westturm,  viereckig  aufsteigend  und  mit  einem 
Rundbogenfries  abschliessend,  trug  einen  schönen,  schlanken,  achteckigen  Helm,  hatte 
unten  vier  beschieferte  Holzgiebel  mit  je  zwei  rundbogigen  Schallfenstern,  konkaven 

Schenkeln  und  po- 
lygoner Spitze,  am 
Fusse  des  oberen 
Drittels  acht  kleine 
Giebel,  über  denen 
er  sich  in  etwas  ver- 
jüngter Form  fort- 
setzte. Von  der 
alten  Kirche  ist 
ausserden  Glocken 
und  einigen  Aus- 
stattungsstücken 
noch  die  „Not- 
gotteskapelle" 
erhalten,  die  zwi- 
schen der  Nord- 
seite des  Chors  und 
dem  Turm  lag.  Sie 
scheint  1415  erbaut 
zu  sein,  in  welchem 
Jahre  ein  Joh.  Banff 
eineWiese  zuihrem 
Bau  schenkt ;  151 1 
macht  die  Schuh- 
macherzunft für  sie 

Fig.  5.  Scfiloss  Biedenkopf.  Grundriss  vom  Erd-  und  Obcrgeschoss.  eme  Stiftung  Sie 

hat  zwei  spitzbogige  Kreuzgewölbe  mit  hohlprofilierten  Rippen,  die  aus  den  nach 
innen  gezogenen  Strebepfeilern  hervorwachsen.  Türe  und  Fenster  sind  spitzbogig 
mit  schrägen  Gewänden ;  an  der  Nordecke  ist  ein  Relief,  drei  Figuren  unter 
Wimpergen,  eingemauert. 

Glocken.  Die  grösste :  Ularia  l)eiß  idt)  Ijeinridt)  hangefer  oon  gefen  gos  mitj)  amen, 
anno  domini  m  •  CCCC  •  LXXXD  (1485). 

Die  zweite :  f  flum  •  turbOF  •  procul  •  ccdat  •  ignis  •  grando  •  tonitrus  •  fulgor  •  fames  • 
peftis  •  gladius  •  fatl)an  •  et  •  öomo  •  malignus  f  ljus  (?)  •  ob  •  graciam  •  crifti  •  marie  • 
fancti  •  ioöannis  •  o  •  ref  •  glorie  •  ueni  •  cum  •  pace  •  t  anno  •  milleno  •  c  •  quater  •  ac  • 
quadrageno  •  (1440)  •  per  •  magiffrum  •  petrum  •  agaft  •  cognomine  •  dictum  •  fefto  •  poft  • 
feftum  •  die  •  natiüitatis  •  marie  •  duo  •  adjuncta  •  campana  •  confufa  (Inschrift  in  drei  Zeilen). 


Fig. 6.  Biedenkopf.  Kansel  aus  der  früheren  Kirche  (jetzt  im  histor.  Museum  in  Frankfurt). 


BIEDENKOPF. 


5 


Die  dritte:  NOS  •  ET  •  NOSTRA  •  PIA  •  GUBERNA  •  VIGO  (Virgo)  •  MARIA 
JOHS.    Darunter  A  und  il  mit  Kreuzen  bekrönt. 


Fig.  7.  Schloss  Biedenkopf.  Durchschnitt . 


Von  der  alten  Ausstattung  sind  noch  vorhanden : 

Eine  Messinggrabplatte  etwa  aus  dem  18.  Jahrhundert  (Lötz)  mit  der  Um- 
schrift: Dominus  hiltirinus  üoUator  facre  töeologie  arciumque  doctor  egregius  trium 
beneficiorum  fundator  plebearius  (sie)  ljuius  ecclefie  Digilantiffimus  obüt  1520,  24.  febr. 

Ein  Geistlicher  in  spätestgotischem  Flachrelief  mit  scharfbrüchigen  Gewand- 
falten. Ein  anderes  kleines  Messingrelief  von  1573  mit  zahlreichen  Figuren,  hand- 
werksmässige  Glockengiesser-Arbeit. 

Gusseisenplatte  von  einem  Ofen  von  1535  mit  Relieffiguren  im  Renaissancen- 
stil, zirka  1  m  hoch,  23  cm  breit. 

Tauf  stein  im  Übergangsstil,  der  Oberteil  jetzt  als  Springbrunnen  im  Pfarr- 
garten stehend,  grosses  rundes,  unten  zwölfeckiges  mit  zwölf  Rundbogen  verziertes 
Becken.  Es  stand  ursprünglich  auf  sechs  jetzt  verschwundenen  Säulchen,  deren  glatte 
Kelchkapitäle  aus  dem  oberen  Rande  vorspringen ;  zwei  Sockel  sind  noch  vorhanden. 

Holsskulptur .  Pietas,  klein,  spätgotisch,  von  charakteristischer  Arbeit,  nament- 
lich die  Köpfe. 

Die  schöne  Holskansel  mit  Schalldeckel  in  Renaissanceformen  des  17.  Jahr- 
hunderts wurde  beim  Abbruch  der  Kirche  an  das  städtische  historische  Museum  in 
Frankfurt  abgegeben,  wo  sie  gegenwärtig  aufgestellt  ist  (s.  Fig.  6). 


DIE  SPITALKIRCHE,  eine  Stiftung  des  Ritters  Gerlach  von  Breiden- 
bach und  Junkers  Hermann  von  Löwenstein  wurde  1417  erbaut.   Das  Schiff, 


6 


BIEDENKOPF. 


Fig.  S.  Biedenkopf.  Holapf eiler  aus  dem  Sc/tloss. 


unter  einem  Baldachin,  eingefügt.  Die 
Schlussteine  sind  ebenfalls  mit  den  Wappen 
der  Breidenbach  und  anderer  belegt.  Das 
Chorhaupt  und  das  folgende  Joch  haben  in 
jedem  Schildbogen  ein  Fenster,  im  nächsten 
Joch  fehlen  dieselben.  Diese  sieben  Fenster 
liegen  in  schrägen,  aussen  zu  einer  Hohl- 
kehle ausgearbeiteten  Leibungen,  sind  zwei- 
teilig mit  hohlprofilierten  Pfosten  und  schlich- 
tem, spätgotischem  Masswerk.  Unter  den 
Fenstern  sind  die  Wände  flachbogig  aus- 
genischt.  Der  Chorbogen  ist  aussen  und 
innen  mit  einer  Hohlkehle  abgefast. 

In  einer  mit  Nasen  besetzten  Blende 
des  Chors  ist  eine  Piscina.  Die  Holzkanzel, 
Spätrenaissance,  17.  Jahrhundert,  ähnelt  der 
in  der  Stadtkirche  und  der  Kanzel  der 
Kirche  von  Breidenbach. 


das  im  17.  Jahrhundert  eine  Erweiterung 
erfuhr,  ist  neuerdings  gotisierend  restau- 
riert. Der  achteckig  geschlossene  Chor 
hat  drei  Kreuzgewölbjoche,  deren  fast 
rundbogige  Gurte  und  Gräte  einfach  ge- 
kehlt auf  Diensten  ruhen.  Diese,  mit 
Kehle  und  Plättchen  in  die  Wand  über- 
gehend, haben  dreiteilige,  unten  runde, 
darüber  achteckige  Basis.  Ihre  Kapitäle 
sind  mit  spätem  Laub,  Köpfen  und  Wap- 
pen der  beiden  Stifter  verziert.  In  den 
Dienst  der  Nordostecke  ist  ein  spät- 
gotisches Figürchen,  ein  Engel  Gabriel 


Fig.  9.   Biedenkopf.   Frühere  Pfarrkirche. 


BIEDENKOPF. 


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DAS  SCHLOSS  besteht  im  wesentlichen  aus  einem  Hauptgebäude,  das  die 
östliche  Seite  des  mit  einer  Mauer  umzogenen  Burghofs  einnimmt.  In  der  südlichen 
Schmalseite  des  Mauerrings  erhebt  sich  der  runde  Turm,  halb  inner-,  halb  ausser- 


Fig.  /y.ij  Bitäenkopf.  Breidenbacher  (Aot  Gottes-)  Kapelle. 


halb  des  Berings  stehend.  Er  beherrscht  einen  tiefer  liegenden  Zwinger,  durch  den 
von  Westen  her  der  ursprüngliche  Burgweg  emporstieg.  Das  Burgtor,  durch  das  man 
den  inneren  Burghof  betritt,  steht  ebenfalls  unter  dem  unmittelbaren  Schutz  des  Turmes ; 
ausser  diesem  dient  zu  seiner  Verteidigung  noch  ein  an  der  Sudostecke  des  Mauer- 


8 


BIEDENKOPF. 


berings  aus  dem  Wehrgang  unmittelbar  über  dem  Tor  vorgekragtes  Türmchen  mit 
Pyramidendach.  Ein  langer  Zwinger  ist  der  ganzen  Ostseite  des  Schlosses  vorgelegt.. 

Der  Turm  hat  seinen  einzigen,  hochgelegenen  Zugang  von  dem  mit  Zinnen  be- 
setzten Wehrgang  der  Hofmauer.  Den  untersten  Teil  nimmt  das  Verliess  mit  durch 
Vorkragung  gebildetem  Kuppelgewölbe  ein,  ein  zweites  Gewölbe  schliesst  das  Innere 

oben  ab  und  bildet  den  Bo- 
den der  Wehrplatte,  deren 
Zinnen  von  der  Herstellung 
des  Jahres  1847  herrühren. 

Durch  Balkenlagen  ist 
der  Turm  in  mehrere  Stock- 
werke geteilt,  die  durch  eine 
zu  derselben  Zeit  erbaute 
Wendeltreppe  zugänglich 
gemacht  sind.  Die  spärliche 
Beleuchtung  erfolgt  durch 
einige  Lichtschlitze. 

Das  Wohngebäude, 
vor  dessen  Westfront  im 
Hofe  ein  Eingang  in  den 
Keller  führt,  ist  sehr  massiv 
in  zwei  Stockwerken  erbaut, 
deren  Verbindung  ursprüng- 
lich durch  einen  aus  der 
Westseite  vorspringenden 
Treppenturm  vermittelt  wur- 
de. Jetzt  dienen  Holztreppen 
im  Innern  dem  gleichen 
Zweck.  Jedes  der  Stock- 
werke enthält  in  der  Mitte 
einen  grossen,  8  auf  12,5  m 
messenden  Raum,  dem  sich 


Fig.  11.  Biedenkopf.  Eckhaus  Stadtgasse  und  Untergasse. 


nördlich  und  südlich  je  ein  kleiner  Raum  vorlegt.  Der  untere  Saal  ist  vom  Hof  her 
durch  eine  Spitzbogentür  zugänglich,  deren  Gewände  aus  einem  Rundstab  zwischen 
Hohlkehlen  besteht.  Spitzbogig  sind  auch  die  inneren  Türen,  während  die  Fenster 
rechteckige,  steinerne,  schlicht  abgefaste  Kreuzstöcke  haben.  Zwei  Auskragungen 
auf  Konsolsteinen  an  der  Nord-  und  Ostseite  dürften  eher  als  Abtritte  denn  als  Guss- 
erker anzusehen  sein.  Die  Balkenlagen  ruhen  auf  Unterzügen,  die  durch  starke,  ab- 
gefaste Pfosten  mit  Sattelholz  und  Kopf  bändern  gestützt  werden.  Ein  Kamin  im  Saal 
des  ersten  Stockwerks  hat  noch  seinen  Mantel,  der  durch  Steinpfeiler  mit  schlichten, 
im  Viertelkreis  vorgekragten  und  kräftig  gefasten  Konsolsteinen  getragen  wird.  Im 
Erdgeschoss  ist  die  Küche  mit  grossem  Rauchfang,  Wasserstein  und  Backofen  erhalten. 


STADTMAUER. 


9 


Von  der  alten  STADTMAUER  sind  noch  Reste  zu  verfolgen,  die  vom  Burg- 
bering auf  einem  Felsgrat  bis  zum  Wallauer  Tor  sich  hinunterziehen,  an  dem  noch  der 
Rest  eines  Rundturms  erhalten  ist.  Die  Stützmauern  der  Gärten  der  Untergasse  ent- 
halten ebenfalls  noch  Teile  der  Stadtmauer. 

Der  ältere  innerhalb  des  Mauerrings  gelegene  Teil  der  Stadt  weist  einige  gute 
Fachwerkhäuser  auf.  Ein  gutes  Strassenbild  gewährt  das  Zusammenschneiden 
der  Untergasse  mit  der  Stadtgasse  (s.  Fig.  11). 


Flg.  12.  Biedenkopf.  Stadtwappen. 


10 


ACHENBACH. 


ACHENBACH. 


JFig.  13.  Acliciibach.  Evangelische  Dorjkirche. 


AS  Dorf 
Ache  n  - 
bach,  11 
km  Süd  - 
nach  West 
von  Biedenkopf  gele- 
gen, besitzt  in  seiner, 
dem  18.  Jahrhundert 
entstammenden  evan- 
gelischen Dorfkir- 
che ein  Beispiel  von 
einer  so  vorbildlichen 
Anordnung  für  die  Ge- 
staltungkleinsterDorf- 
kirchen,  dass  ihre  Auf- 
nahme in  dies  Ver- 
zeichnis berechtigt  er- 
scheint. Ein  quadrati- 
scher Raum,  9,90  m 
innerer  Weite  mit  abgeschräg- 
ten Ecken,  sodass  ein  nicht  ganz 
vollständiges  Achteck  entsteht, 
trägt  über  einem  Zeltdach  ein 
schlichtes,  beschiefertes  Mittel- 
türmchen  für  die  Glocken.  Sie- 
ben Fenster  geben  dem  Innern 
grosse  Helh'gkeit;  besondere 
Beachtung  verdient  die  Anord- 
nung der  Kanzel,  die  über  dem 
Altar  aus  der  Brüstung  der 
Empore  hervortritt.  Eine  höl- 
zerne Wand,  die  als  wirksames 
dekoratives  Motiv  mit  zwei 
Brettstützen  bis  zur  Decke  em- 
porgeführt]ist,[bildet  den  Hinter- 
grund der  Kanzel.  Unter  der 
Empore,  im  Angesicht  der  Ge- 
meinde, haben  der  Pfarrstuhl 
und  die  Sitze  für  die  Kirchen- 
vorsteher ihre  Stelle  gefunden. 


BATTENBERG,  GESCHICHTLICHES. 


11 


BATTENBERG. 

Wenck,  Hess.  Landesgesch.  3,  91  ff.  —  Schmidt,  Gesch.  des  Grossherzogtums  Hessen  1,  250; 
2,  262.  —  Lacomblet,  Urkundenbuch  i,  286,  314,  332.  —  Gudenus  i,  546,  547,  549,  854;  2,  54,  55.  — 
Landau,  Beschr.  von  Kurhessen  402. 

US  dem  breiten  und  anmutigen  Edertal  erhebt  sich,  den  Fluss  zu  einem 
grossen  Bogen  zwingend,  ein  steiler  Schieferfels,  der  auf  seinem  Rücken 
die  Stadt  Battenberg  trägt.  Fluss  und  Fels  mit  der  auf  seinen  Rand 
vorgeschobenen  Baumasse  der  ,,Neuburg"  bilden  ein  sehr  schönes  Land- 
schaftsbild, im  Hinlergrund  abgeschlossen  von  den  bewaldeten  Höhen  des  oberen 
Edertals,  aus  denen  der  Burgberg  dicht  hinter  der  Stadt  in  schöner  Linie  hervorspringt. 

Geschieh  tli  che s.  Ein  Graf  von  Holenlint  (Hohenlinden)  scheint  auf  dem 
Fels  über  der  Eder  zuerst  eine  Burg  erbaut  zu  haben.  Als  erster,  der  den  Namen 
von  Battenberg  führte,  findet  sich  1166  ein  Theodoricus  de  Battenburg  als 
Zeuge  in  einer  Urkunde  des  Erzbischofs  Reinald 
von  Cöln  (Lacomblet,  Urkundenbuch  I,  286).  1174  er- 
scheint ein  Nachkomme  des  Grafen  von  Hohen- 
linden, Graf  Werner  von  Widechenstein 
(Witgenstein),  der  sich  mitunter  Graf  von  Batten- 
berg nennt  (a.  a.  O.  i,  314,  332).  Im  12.  Jahrhundert 
erstreckte  sich  die  Herrschaft  der  Battenberger 
über  einen  grossen  Teil  des  Oberlahngaues,  wie 
sie  denn  nach  dem  Aussterben  der  Gisonen  (1137) 
länger  als  ein  Jahrhundert  die  höchste  Gerichts- 
barkeit in  der  Grafschaft  Stift  (Wetter)  ausübten, 
bis  sie  aus  dem  Besitz  derselben  in  den  Centen 
Dautphe,  Lixfeld,  Laasphe  und  Wetter  durch  die 
Landgrafen  von  Hessen  verdrängt  wurden.  Ein 
Sohn  jenes  W^erner  von  Witgenstein,  Graf 
Werner  von  Battenberg,  trat  1228  in  das 
Johanniter- Ordenshaus  zu  Wiesenfeld  ein  und 
wurde  1238  Komtur  desselben  (Gudenus  l,  546,  549;  F'Sl4.  Battenberg. Pfarrkirche.  Tauf  stein. 
2,  55.  —  Landau,  Beschr.  von  Kurhesseu  402).  1234  trat  dessen  Bruder,  Graf  W  i  1 1  ek  i  n  d 
vonWitgenstein-Battenberg,  die  Hälfte  der  Schlösser  Battenberg  und  Keller- 
berg nebst  der  dazu  gehörigen  Grafschaft  Stift  an  den  Erzbischof  von  Mainz  ab,  der 
1291  Schloss  und  Stadt  Battenberg  allein  erhielt  (Gudenus  i,  547,  854;  2,  54),  während 
Hermann  I.  von  Battenberg  das  Schloss  Kellerberg  bekam,  das  aber  sechs 
Jahre  später  durch  Kauf  ebenfalls  an  Mainz  gelangte.  1227  hatten  die  beiden  Brüder 
Schloss  Kellerberg  dem  Landgrafen  Heinrich  Raspe  zu  Lehen  aufgetragen.  Der  letzte 
Graf  von  Battenberg,  Graf  Gerhard,  starb  1342  als  Domherr  zu  Mainz.  Im  Jahre 
1464  waren  beide  Schlösser  noch  in  gutem  Zustand  und  Battenberg  von  einem  Mainzer 
Beamten  bewohnt;  damals  kam  Battenberg  an  Hessen-Darmstadt,  1866  an  Preussen. 


12 


BATTENBERG. 


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Fig.  15.  Battenberg.  Pfarrkirche. 


DIE  EVANGELISCHE  PFARRKIRCHE,  1886  renoviert,  ist  eine  dreischiffige 
gewölbte  Hallenkirche,  deren  Erbauungszeit  um  1300  anzusetzen  ist.  Das  Schiff  ist 
dreijochig.  Die  schmalen  Seitenschiffe  sind  durch  starke  Rundpfeiler  vom  Mittelschiff 
getrennt,  deren  Kämpfergesimse,  aus  Platte  und  Kehle  bestehend,  in  der  Barockzeit 
teilvpeise  mit  antikisierenden  Stuckgesimsen  überkleidet  wurden.  Die  spitzbogigen 
breiten  Längs-  und  Quergurte  springen  nicht  vor  den  Gewölbekappen  vor.  Die  halben 


I 


PFARRKIRCHE. 


13 


Kreuzgewölbe  der  Seitenschiffe  und  diejenige  des  Mittelschiffs  haben  keine  Rippen  ;  die 
Gräte  des  letzteren  verlaufen  kuppelartig  gegen  den  Scheitel.  Die  Seitenschiffe  en- 
digen gegen  Osten  in  halbrunden  Wandnischen;  der  Chor  ist  rechteckig,  der  Chor- 
bogen breit  und  ungegliedert.  Die  Gräte  des  ebenfalls  kuppelartigen  Chorgewölbes 
entspringen  östlich  aus  den  Ecken,  während  sie  westlich  auf  Eckpfeilern  aufsetzen. 
Das  Chorgewölbe  hat  in  der  Barockzeit  eine  Stuckverzierung  erhalten. 


Fig.  16.  Battenberg.  Rathaus. 


In  der  Ostwand  des  Chors  ist  ein  Spitzbogenfenster,  teilweise  vermauert,  dessen 
hohlprofilierter  Mittelpfosten  einfaches  spätes  Masswerk  trägt.  Zwei  kleine  Fenster 
mit  stumpfen  Spitzbögen  in  den  Ostnischen  der  Seitenschiffe  sind  vermauert.  Die 
übrigen  Fenster  haben  bei  einem  Umbau  ihre  Mittelpfosten  verloren  und  viereckigen 
Schluss  erhalten.  Im  Westgiebel  ist  eine  früher  an  der  Südseite  des  Schiffs  befindliche 
spitzbogige  Pforte  mit  spätestgotisch  profiliertem  Gewände;  über  der  Westseite  ein 
viereckiger  grosser  Dachreiter  mit  achteckigem  Helm. 


14 


BATTENBERG. 


Ein  Tauf  stein  aus  Marmor  mit  der  Jahreszahl  1608,  von  vier  Konsolen  ge- 
tragen, zeigt  eine  zierliche  Barock-Silhuette.  Ausser  ihm  enthält  der  Chor  einige  un- 
bedeutende Epitaphien. 

Elisabeta  Ebelin,  geborene  Ganetin,  f  1628.    In  Spätrenaissanceformen. 

Jost  Bücking,  genannt 
Rümpel,  Rentmeister,  f  1633. 
In  einem  Renaissance-Säulen- 
rahmen ein  Kruzifixus  mit  An- 
betenden, Reste  von  Bemalung. 

HansGrebe.  Ohnejahres- 
zahl, mit  verstümmelten  Wappen 
und  Bildnissen. 

Carolus  Joh.  Phil. 
Loehner  de  Laurenburg, 
Hessen  -  Darmstädtischer  Offi- 
zier, t  1708. 

Glocken :     Feuerglocke , 
1510,  mit^denl  Namen  St.  Maria, 
Lucas,  Marcus,  Johannes  und 
Matthäus.  —  Grosse  Glocke, 
1526,  mit  einem  Kruzifix  in  Re- 
—  lief  und  den  Namen  Jesu  Christi 
^^'jiO-^'^^^^und  der  Maria.  —  Totenglöck- 
^^~^lein,  1609,  von  Peter  Nelmann 


gegossen  (Lötz). 


''ig.  17.  Battenfeld.  Kirchturm. 


Von  dem  al- 
ten STADT- 
SCHLOSS  ist 
nur  noch  ein 
Keller  mit  rund- 
bogigem  Ton- 
nengewölbe und 
rundbogigem 


Eingang,  anscheinend  aus  dem  16.  Jahrh.  herrührend,  unter  dem  Pfarrhause  vorhanden. 

Von  der  Ruine  des  Schlosses  Kellerberg  auf  dem  Burgberge  steht  nur  noch 
ein  runder  Turm  in  Bruchsteinmauerwerk. 


DAS  RATHAUS,  ein  stattlicher  Holzbau,  mit  (neu)  beschieferter  West-  und 
Nordseite,  erhebt  sich  mit  einer  hohen  Freitreppe  auf  der  höchsten  Stelle  des  an- 
steigenden Marktplatzes.  Auf  den  Ecken  der  nach  Westen  gewendeten  Giebelseite 
springen  im  zweiten  Stockwerk  zwei  achteckige  Erker  vor.  Die  Südseite  hat  vom 
ersten  Stockwerk  an  einen  starken  Überhang,  der  auf  Holzsäulen  gestützt  ist. 


BATTENFELD,  PFARRKIRCHE. 


15 


Fig.  IS.  Battenfeld.  Pfarrkirche.  Längsschnitt. 


BATTENFELD. 

Aufnahme^von  Lechner  in  „Denkmäler  deutscher  Baukunst,  dargestellt  von  dem  Hess.  Verein 
für  die  Aufnahme  mittelalterlicher  Kunstwerke  zu  Darmstadt",  1856,  l.  Bd. 


ATTENFELD,  1,5  km  östlich  von  Battenberg  im  Edertal  gelegen,  ist  ein 
grosses  Kirchdorf,  von  dessen  Wohlhabenheit  eine  beträchtliche  Anzahl 
gut  erhaltener  Fachwerkhäuser  in  der  derben,  dem  hessischen  Charakter 
verwandten  Bauweise  der  Gegend  zeugen. 


DIE  EVANGELISCHE  PFARRKIRCHE  ist  eine  durchweg  gewölbte  Pfeiler- 
basilika mit  Querschiff,  quadratischem  Chor  und  viereckigem  Westturm,  deren  Seiten- 
schiffe verschwunden  sind ;  in  Bruchstein  mit  Sandstein  ausgeführt.    Die  Formen 


Fig.  19.  Battenfeld.  Pfarrkirche.  Grundriss. 


deuten  auf  das  12.  Jahrhundert.  Das  Innere  macht  durch  die  plumpe  Pfeilerbildung 
und  die  durch  Aufhöhung  des  Bodens  verminderte  Höhe  einen  schweren  Eindruck. 

Die  zwei  nahezu  quadratischen  Schiffsjoche  haben  Blendbogen  auf  kleinen  Eck- 
pfeilern und  sind  durch  einen  auf  einem  viereckigen  Pfeiler  aufsetzenden  ungegliederten 
Gurt  im  stumpfen  Spitzbogen  getrennt.  Die  Kämpfergesimse  der  scharfgratigen  Kreuz- 
gewölbe, die  im  späteren  Mittelalter  erneuert  zu  sein  scheinen,  bestehen  aus  ein- 


16 


BATTENFELD. 


Fig.  20.  Battenfeld.  Pfarrkirche.  Tiirbesclilag. 


fachen  Schmiegen.  Die  vermauerten 
niedrigen  Seitenarkaden,  aussen  und 
innen  erkennbar,  haben  teilweise  mit 
Schuppen  und  Zahnschnitt  verzierte 
Kämpfergesimse  auf  den  sehr  breiten 
Pfeilern. 

Der  Bogen  nach  der  Vierung  ruht 
auf  Pfeilern  mit  mehrfach  abgetreppten 
Vorlagen  und  einem  Kämpfergesims  aus 
Platte  und  Kehle  zwischen  zwei  Wülsten. 
Das  niedrige,  romanisch  rundbogige 
Kreuzgewölbe  der  Vierung  ist  von  eben- 
solchen Gurten  umgeben;  die  Kreuzflügel 
mit  schmalen  Tonnen  geschlossen.  In 
den  Schildmauern  des  Querschiffs  stehen 
je  zwei  kleine  rundbogige  Fenster,  in 
den  Schiffsjochen  je  ein  solches.  Der 
Chor,  etwas  schmäler  als  das  Schiff,  hat 
ein  spitzbogiges  Kreuzgewölbe  mit  im 
Scheitel  verlaufenden  Gräten,  die  auf 
kleinen  Eckpfeilern  aufsetzen.  In  der 
Süd-  und  Ostwand  des  Chors  öftnen  sich 
grosse  spitzbogige  Fenster  ohne  Mass- 
werk mit  schrägen  Gewänden. 

Das  Erdgeschoss  des  Turmes,  von 
aussen  unzugänglich,  ist  mit  einem  kup- 
pelartigen rundbogigen  Kreuzgewölbe 
überdeckt  und  öffnet  sich  nach  dem 
Schiff  in  einer  Rundbogentür  mit  abge- 
trepptem Gewände  und  rohem  roma- 
nischem Kämpfergesims.  Im  äusseren 
steigt  der  Turm  völlig  schmucklos  ohne 
Fenster  auf  und  trägt  eine  gotische  Spitze, 
die  von  vier  hölzernen  und  beschieferten 
Ecktürmchen  umgeben  ist.    Auch  sonst 


ist  das  Äussere  der  Kirche  völlig  schmucklos  und  ohne  Gesimse. 

An  der  Nordseite  des  Chors  schliesst  sich  die  mit  zwei  rundbogigen  Kreuz- 
gewölben überdeckte  Sakristei  an. 

An  Skulpturen  ist  eine  an  der  äusseren  Giebel  wand  des  Querschiffs  hoch 
eingemauerte  Rüterfigur  mit  Schild  zu  erwähnen,  eine  sehr  primitive  Arbeit  aus 
der  Entstehungszeit  der  Kirche.  Im  Scheitel  des  Trennungsgurtes  der  beiden  Schiff- 
gewölbe sind  zwei  Wappenschilde  in  spätgotischer  Form  angebracht. 


BREIDENBACH,  PFARRKIRCHE. 


17 


Die  Nordtür  des  QuerschifFs  besitzt  noch  ihren  alten  romanischen  Beschlag  von 
sehr  charakteristischer  Form.  Einzelne  Teile  fehlen,  andere  sind  bei  einer  Herstellung 
an  unrichtiger  Stelle  angebracht ;  doch  konnte  er  in  Fig.  20  nach  den  auf  dem  Holz 
zurückgelassenen  Spuren  in"der  ursprünglichen  Form  wiedergegeben  werden. 


Fig.  21.  ßi  i  ideiibach.  Malerei  am  Gcsinisbretl  der  Kirche. 


BREIDENBACH. 

Kremer,  Origines  Nass.  2,  51.   —  Archiv  f.  hess.  Geschichte,  Darmstadt  1836,  i.  2.  231. 


AS  Pfarrdorf  Breidenbach  am  Perfbach,  kurz  unterhalb  von  dessen 
Vereinigung  mit  dem  Dietebach,  liegt  6  km  west-südwestlich  von  Bieden- 
kopf in  einem  breiten,  äusserst  fruchtbaren  Talgrund,  der  nach  ihm 
seinen  Namen  trägt.    Früher  waren  hier  30  Orte  eingepfarrt,  jetzt  sind 


deren  noch  10. 

Der  Ort  besass  schon  913  eine  Kirche,  die  dem  Stift  Weilburg  gehörte.  Die  zu 
ihr  gehörige  Kapelle  zu  Yzenhusen  (Ober-Eisenhausen  im  oberen  Perftal)  wurde 
1103  von  ihr  getrennt.  Im  frühen  Mittelalter  wird  Graf  Eb  er  hard  ,  Konrads  I.  Bruder, 
als  Herr  im  Grund  Breidenbach  im  Perfgau,  einem  Untergau  des  Oberlahngaus,  ge- 
nannt. Um  1 100  übte  Graf  Werner  als  Vogt  hier  die  oberste  Gerichtsbarkeit  aus. 
Diese  ging  nach  Aussterben  seines  Geschlechtes  zunächst  an  die  Grafen  von  Batten- 
berg und  hierauf  an  die  Herren  von  Breidenbach  und  Breidenstein  über. 

DIE  PFARRKIRCHE  ist  eine  dreischiffige,  dreijochige  Hallenkirche,  die  den 
Übergangsstil  des  13.  Jahrhunderts  zeigt.  Der  Bau  ist  sehr  plump  in  Bruchsteinen 
gemauert,  hat  quadratischen  Chor  und  ebensolchen  Westturm,  beide  der  Breite  des 
Mittelschiffs  entsprechend. 

Die  Mittelschi  ff  spfeiler  haben  quadratischen  Querschnitt  mit  drei  vorgelegten 
Halbsäulen,  auf  denen  die  ungegliederten  Gurtbögen  aufsetzen.  In  den  Seitenschiffen 
laufen  diese  unmittelbar  von  den  Pfeilern  aus,  denen  an  den  Seitenschiffwänden 
breitere  Vorlagen  entsprechen,  sodass  sich  auch  die  Gurte  hierher  verbreitern.  An 
der  Turmseite  werden  die  Längsgurte  ebenfalls  von  Halbsäulen  aufgenommen;  an  der 
Chorseite  fehlen  diese.  Die  Halbsäulen  haben  plumpe,  gemauerte  Würfelkapitäle  ohne 
Halsring,  deren  Deckplatten  nicht  um  den  viereckigen  Pfeilerkern  verkröpft  sind. 

2 


18 


BREIDENBACH. 


Der  breite,  ungegliederte  Chorbogen  ist  stark  eingezogen;  sämtliche  Bögen 
zeigen  den  stumpfen  Spitzbogen  des  13.  Jahrhunderts  mit  Ausnahme  der  Schildbögen 
in  den  Seitenschiffen,  die  den  Halbkreis  haben.    An  der  Ostwand  jedes  Seitenschififs 

ist  eine  rundbogige  Altarnische  ausgespart.  Die  Ge- 
wölbe des  Mittelschiffs  wie  des  Chors  und  des  Turm- 
Erdgeschosses  sind  sehr  hochbusige  Kreuzgewölbe  mit 
im  Scheitel  verlaufenden  Rippen;  die  Seitenschiffjoche 
sind  mit  halben  gleichartigen  Gewölben  überdeckt. 

Von  den  schlanken  Fenstern  des  Schiffs  haben 
einige  noch  den  Rundbogen;  andere  haben  wohl  bei 
einer  späteren  Veränderung  spitzbogigen  Schluss  er- 
halten. Ebenfalls  später  eingesetzt  sind  die  Chorfenster; 
eins  in  der  Ostwand,  das  seinen  Mittelpfosten  verloren 
hat,  mit  flachprofiliertem  Steingewände  und  einem  Vier- 
pass  auf  zwei  Spitzbogen,  und  ein  südliches  Fenster  mit 
Fischblase  über  zwei  nasenbesetzten  Rundbogen. 

Im  Äussern  befinden  sich  unter  der  Sohlbank 
dieses  Fensters  zwei  quadratische  Blenden  mit  Nasen- 
verzierung; sie  ent- 
halten zwei  Wap- 
pen, eins  das  Brei- 
denbachsche  mit  der 
doppelten  Wolfs- 
angel, das  andere 
in  der  unteren 
linken  Hälfte  zwei 
oder  drei  Sparren, 
in  der  oberen  rech- 
ten nichts  enthal- 
tend; dazu  die  In- 
schrift: Anno  do- 
mini  mcccclxxix 
(1479)  gerard  von 

Breidbach,  Lvse  sin  husfrawe  (Lötz).  Eine  rundbogige  Tür  mit  ungegliederter  Ein- 
fassung führt  in  das  nördliche  Seitenschiff;  die  Westtüre,  die  in  das  sich  in  voller 
Breite  gegen  das  Mittelschiff  öffnende  Turm-Erdgeschoss  führt,  ist  neueren  Datums. 
Das  Äussere  der  Kirche  ist  völlig  schmucklos,  durch  später  angebaute  gewaltige 
Strebepfeiler,  die  nach  oben  stark  geböscht  sind,  verunziert.  An  der  Südwestecke 
hat  sich  an  dem  schrägen  Gesimsbrett  noch  die  Spur  einer  flotten  Malerei  hellrot 
auf  dunkelrot  erhalten. 

Der  völlig  schlichte  Turm,  dem  an  der  Nordwestecke  ebenfalls  ein  Strebepfeiler 
vorgelegt  ist,  hat  einen  sehr  schlanken  Helm,  dessen  Gratsparren  um  ein  Achtel  ge- 


Fig.  22.  Breidenbach.  Kirchturm. 


PFARRKIRCHE. 


19 


dreht  sind.  Am  Fuss  wird  er  von  vier  einwärts  geschweiften  Giebeln  mit  Nasengauben 
begleitet,  die  eine  htibsche  Silhuette  geben.  Im  obersten  Geschoss  des  Turmes  öffnen 
sich  vier  kleine  spitzbogige  Schallöffnungen. 


Fi^.  23.  Breidenbaeft.  Pfarrkirche.  Durchschnitt. 

Das  Innere  der  Kirche  ist  stark  durch  Emporen  verbaut;  das  Gestühl  der 
Herren  von  Breidenstein  rechts  und  links  neben  dem  Chorbogen  zeigt  ein  gutes  Barock. 


Fig.  24.  Breidenbach.  Pfarrkirche.  Grundriss. 

Von  sehr  schöner  Renaissance-Arbeit  mit  reichem  Intarsienschmuck  ist  die 
Kanzel,  welche  die  grösste  Ähnlichkeit  mit  der  früheren  Kanzel  aus  der  Kirche  in 
Biedenkopf,  jetzt  im  städtischen  Museum  zu  Frankfurt,  zeigt  (s.  Fig.  6). 

2* 


20 


BREIDENSTEIN.  —  BROMSKIRCHEN. 


BREIDENSTEIN. 

'ON  Breidenbach  3,5  km  im  Perftal  abwärts  liegt  die  ,,St(idt"  Breiden- 
stein, ein  alter  Ansitz  der  Herren  von  Breidenbach,  die  hier  ein 
neueres  Schloss  mit  Park  besitzen.  Die  Brüder  Gerlach  und  Johann 
von  Breidenbach,  Johannes  von  Breidenbachs  Söhne,  trugen  1395 
dem  Landgrafen  Hermann  von  Hessen  zu  Lehen  auf  „den  Hubenberg  samt  der 
Burg,  die  sie  auf  demselben  erbauen  wollten".  1398  erhielten  sie  vom  Kaiser  Wenzel 
die  Erlaubnis,  unter  den  Mauern  der  Burg,  genannt  Breidenstein,  ein  Städtchen  an- 
zulegen (Urk.  b.  Senckenberg,  Selecta  juris  et  historiarum  5,  55).  Zeit  und  Art  der  Burg  sind 
unbekannt  (Schmidt,  i,  243,  246). 

Nur  Stücke  der  Ringmauern  der  Burg  von  Bruchsteinen  sind  noch  vorhanden  (Lötz). 

Die  kleine  KIRCHE  (Filialkirche  von  Breidenbach)  ist  architektonisch  unbedeutend, 
auf  zwei  Drittel  der  Höhe  in  Bruchsteinen  gemauert,  darüber  ein  Holzdrempel  mit 
sichtbarem  Zimmerwerk,  auf  dem  Dache  ein  kleines  Glockentürmchen. 


BROMSKIRCHEN. 

Denkmäler  der  deutschen  Baukunst,  Darmstadt  1856  (Abbildung). 

ER  Marktflecken  Bromskirchen,  der  nördlichste  Ort  des  Regierungs- 
bezirks, 21,5  km  nordöstlich  von  Biedenkopf  im  Lensphetal,  gehörte  als 
Fromeldiskirchen  zum  Oberlahngau  und  war  Sitz  eines  Centgerichts  unter 
dem  Obergericht  Wetter.  Aus  dem  Besitz  der  Herren  von  Battenberg 
kam  es  1238  an  Mainz,  das  es  1464  mit  anderen  Ortschaften  an  den  Landgrafen 
Heinrich  II.  von  Hessen  verpfändete. 


Die  evangelische  PFARRKIRCHE  ST.  MARTIN  soll  zu  einem  Nonnenkloster 
gehört  haben.  Der  jetzige  Bau  zeigt  verschiedene  Entstehungszeiten.  Das  Schiff  stellt  sich 
als  den  Rest  einer  dreischiffigen  romanischen  Basilika  dar,  deren  Seitenschiffe  wahr- 
scheinlich zur  Reformationszeit  abgebrochen  worden  sind.  Die  zwei  Joche  des  wohl 
schon  ursprünglich  flachgedeckten  Mittelschiffs  haben  Wandblenden  mit  halbkreis- 
förmigem Schluss ;  sie  waren  durch  einen  Gurtbogen  getrennt,  dessen  Pfeilervorlagen 
jetzt  auf  Kämpferhöhe  aufhören.  In  jedem  Joch  öffneten  sich  zwei  niedrige  Arkaden 
nach  den  Seitenschiffen,  deren  Bogen  auf  sehr  kurzen  und  breiten  Mauerpfeilern  mit 
verzierten  Kämpfersteinen  aufsetzen.  Die  Sockel  liegen  unter  dem  Kirchenfussboden. 
Die  Arkarden  sind  jetzt  zum  Teil  ganz  geschlossen,  zum  Teil  als  Fenster  benutzt. 
Die  ursprünglichen  Oberfenster  sind  im  spätesten  Mittelalter,  etwa  im  16.  Jahrhundert, 
durch  grössere  mit  Vorhangbogen  geschlossene  Fenster  ersetzt.  Der  im  halben 
Seckseck  geschlossene,  flachgedeckte  Chor  ist  inschrfftlich  1700  erbaut.    Die  verzierten 


PFARRKIRCHE. 


21 


Schmiegen  der  Arkadenpfeiler  sind  teils  mit  schuppenartigem,  teils  mit  Blattornament 
geziert,  dessen  Formen  auf  das  12.  Jahrhundert  deuten;  zuweilen  wechselt  das  Ornament 
an  verschiedenen  Seiten  desselben  Pfeilers. 


Fig.  25.  Bromskirchen.  Pfarrkirche. 


Eine  WesttUr,  inschriftlich  von  1585,  ist  rundbogig  geschlossen  und  reich 
profiliert ;  von  den  Rundstäben  ist  der  eine  gewunden,  der  andere  hat  einen  ge- 
wundenen Sockel. 

Ein  Turm  ist  1644  abgebrochen,  an  seiner  Stelle  ist  über  dem  beschieferten 
Westgiebel  ein  viereckiger  Dachreiter  mit  achteckigem  Helm  erbaut.  Das  Äussere 
ist  ganz  schmucklos  in  Bruchsteinen  erbaut  und  verputzt.  Die  Emporen  im  Innern 
zeigen  gute  Holzarbeit;  sie  wurden  inschriftlich  1580  errichtet. 

Der  Ort  besitzt  einige  einfache,  aber  charakteristische  Holzbauten.  Der 
stattlichste  ist  das  neben  der  Kirche  stehende  Rathaus,  dessen  zierliche  Tür  die  Jahres- 
zahl 1619  trägt. 


22 


BUCHENAU. 


BUCHENAU. 

flS^i^yAS  Dorf  Buchenau,  6,5  km  südöstlich  von  Biedenkopf,  1,5  km  von  der 
VwöKqR  Grenze  des  Regierungs-Bezirks  Kassel  an  der  Lahn  gelegen,  besitzt  eine 
^p^^^K  wahrscheinlich  der  Spätgotik  angehörige  Kirche  von  geringem  kunst- 
VÄShC*-*  geschichtlichem  Interesse.  Sie  ist  einschiffig  und  flachgedeckt.  Der  Chor, 
im  Erdgeschoss  des  an  der  Ostseite  liegenden  Turmes  untergebracht,  zeigt  in  seinem 
rippenlosen  Kreuzgewölbe  und  im  Chorbogen  den  Spitzbogen.  Einige  Fenster  haben 


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Fig.  26.  Buchenau.  Haustüre. 


BUCHENAU,  KIRCHE.  —  DAUTPHE. 


23 


spätgotisches  Masswerk  auf  Mittelpfosten.  Eine  vermauerte  Tür  in  der  Nordwand  ist 
rundbogig  geschlossen. 

DIE  KIRCHE  ist  die  Begräbnisstätte  der  Familie  von  Döring,  vo^  der  drei 
Grabsteine  Kunde  geben:  1.  Der  mit  der  lebensgrossen  Figur  des  Ritters  und  wappen- 
geschmückte des  Philipp  von  Döring,  t  1563;  2.  Grabstein  „die  edel  und  tugenthafte 
frawe  Magdalena  Döringer,  geborne  von  der  Lip  gnt.  Htm  der  got  gnot",  t  1575, 
eine  gute  Renaissancearbeit  mit  schöner  Schrift  und  vier  Wappen,  von  der  Lip  gen. 
Hun,  Rozheim,  von  Ulmen  und  Winnenberg  ;  3.  Alexander  v.  Döring  von  Elmshausen, 
t  1596,  mit  langer  lateinischer  Inschrift  und  dem  Sinnspruch:  ,,Le  dernier  ou  la fin  de 
tout  est  la  mort." 

Eine  bemerkenswerte  Bauernarbeit  ist  ein  tragbarer  Opferstock  aus  Holz, 
von  becherartiger  Form  und  durch  Hohlschnittverzierung  gefällig  geschmückt  (Fig.  34). 

Das  Dorf  Buchenau  ist  mit  geringen  Ausnahmen  an  der  nach  dem  Bahnhof 
führenden  Strasse  ein  fast  unberührtes  Beispiel  eines  in  malerischer  Schönheit  er- 
haltenen Fachbaudorfes,  dessen  stattliche  Häuser  und  Gehöfte  sich  frei  von  jedem 
Fluchtlinienzwang  gruppieren.  Eins  der  grössten,  das  Haus  Nr.  64,  in  dem  früher  eine 
Schmiede  betrieben  wurde,  hat  in  den  fächerförmig  geschnitzten  Sockelstreben  der 
Pfosten  und  in  den  bandartig  gewundenen  Füllbrettern  zwischen  den  Balkenköpfen 
schon  deutlichen  Anklang  an  niederhessische  Art.  Sehr  hübsch  ist  auch  die  mit  der 
Jahreszahl  1682  bezeichnete  Haustüre,  die  Fig.  26  dargestellt  wird. 

DAUTPHE. 

AS  Pfarrdorf  D  a  u  t  p  h  e ,  6  km  südlich  von  Biedenkopf  gelegen,  wird  schon 
970  erwähnt,  und  war  im  15.  Jahrhundert  Gerichtsort  über  13  Dörfer. 

DIE  PFARRKIRCHE  besteht  aus  drei  durch  Vertikalfugen  im 
Mauerwerk  getrennte  Teile,  von  denen  die  beiden  westlichen  jetzt  unter 
einem  Dach  vereinigt  sind :  einem  Westteil,  wahrscheinlich  dem  Erdgeschoss  eines 
unvollendet  gebliebenen  Turms,  dem  aussen  ebenso  breiten  Schiff  und  dem  ein  wenig 
eingezogenen  Chor.  Über  diesem  hat  man,  wie  schon  aus  der  besonderen  Stärke  seiner 
Mauern  geschlossen  werden  kann,  einen  Turm  errichtet,  nachdem  der  Bau  des  West- 
turms aufgegeben  war.  1823  ist  derselbe  durch  Blitzschlag  zerstört  und  der  Rest  mit 
einem  niedrigen  Dach  mit  achteckigem  Glockentürmchen  auf  der  Spitze  versehen  worden. 

Der  Westraum,  ohne  Fensteröffnungen,  hat  flache  Decke.  Bemerkenswert  ist 
er  durch  das  im  Äusseren  und  Inneren  sichtbare  Ährenmauerwerk ;  an  der  Südmauer 
sind  immer  zwei  bis  drei  Schichten  in  dieser  Art,  übrigens  nachlässig  gemauert;  ihnen 
folgen  zwei  Schichten  in  lagerhaftem  Verband.  Eine  roh  gemauerte  Öffnung  mit 
stumpfem  Spitzbogen  verbindet  diesen  Raum  mit  dem  Schiff;  sie  ist  durch  eine  hübsche, 
gestäbte  Holztür  mit  der  Jahreszahl  1534  verschlossen 


24 


DAUTPHE. 


Gleichzeitig  mit  dem  Westbau,  Anfang  des  13.  Jahrhunderts,  scheint  das  Schiff 
zu  sein,  das  einschiffig  und  flach  gedeckt  ist.    Seine  Mauern  zeigen  gute  Bruchstein- 


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Fig.  27.  Dautphe.  Pfarrkirche.  Grundriss  und  Einzelheiten. 

ausführung  ,  hier  .und  da  mit  Spuren  von  Ährenverband;  Ecken  und  Ttir-  und  Fenster- 
umkleidungen  in  Haustein.  An  den  vier  Ecken  ragen  oben  unter  dem  Dache  zierlich 
profilierte  Kragsteine  vor;  in  der  Nähe  der  Südv^estecke  ist  eine  kleine  kreisrunde 
Öffnung,  die  innen  in  einer  viereckigen  Blende  liegt.  Die  kleinen  romanischen  Fenster 


PFARRKIRCHE. 


25 


Fig.  28.  Emporen-  und  Uiileraug-Sliitaeit. 


mit  schrägen  in  guter  Hausteinarbeit  ausgeführten  Gewänden  liegen  hoch;  daneben 
kommen  auch  einige  gotische  und  dem  Barockstil  angehörige  Fenster  vor.  In  der  Süd- 
wand ist  eine  rundbogige  Türe  mit  glattem 
Gewände. 

Die  Ostmauer  des  Schiffs  fehlt,  sodass 
der  Chorbogen  in  der  Westmauer  des  Chors 
liegt,  die  hier  1,83  m  Stärke  hat,  während 
die  andern  Chormauern  1,75  m  dick  sind. 
Der  Chor  verrät  in  seinen  Architektur- 
formen seine  Entstehung  in  frühgotischer 
Zeit,  etwa  zweite  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts. 
Der  hohe,  ungegliederte  Chorbogen  ist 
spitzbogig  mit  schön  profiliertem  Kämpfer- 
gesims ;  ebenso  das  Chorgewölbe  mit  Rippen 
aus  stumpfem  Birnstab  zwischen  Hohlkehlen, 
und  einem  Schlusstein  mit  einem  von  acht 
Blättern  umgebenen  Kopf.  Die  Eckdienste 
des  Gewölbes  sind  bis  auf  die  Kapitäle  und 
den  achteckigen  Sockel  zerstört.  Das  Ost- 
fenster des  Chors  hat  frühgotisches  Mass- 
werk, das,  von  einem  mit  Kapitälchen  und 
Sockeln  versehenen  Rundstab  begleitet,  aus 
zwei  nasenbesetzten  Spitzbögen  und  Kreis 
mit  Dreipass  besteht.  Die  Süd-  und  Nord- 
fenster sind  einfacher  und  ohne  Rundstab, 
auch  zum  Teil  zerstört.  In  der  Südwand  -s^ 
des  Chors  befindet  sich  eine  hübsche  früh-  Fig.  29.  Dautphe.  Emporensiatse. 


26 


DAUTPHE,  PFARRKIRCHE. 


gotische  Tür,  das  Gewände  mit  einem  Eckrundstab  belegt,  der  auf  dem  Sturz  ein  flach 
ausgegründetes  Tympanon  in  Kleeblattform  mit  bewegten  Lilienblumen  bildet. 

Im  Chor  ist  eine  frühgotische 
Piscina  erhalten,  in  einer  viereckigen 
Nische  liegend,  die  oben  mit  einem 
hohen  spitzbogigen ,  nasenbesetzten 
Blendbogen  endigt. 

Die  Altarmensa,  mit  abge- 
schrägten Ecken,  besitzt  noch  ihre 
schön  frühgotisch  profilierte  Platte 
(grosse  Kehle  zwischen  zwei  Rund- 
stäben, darüber  Platte). 

Von  sehr  kräftiger  Zeichnung 
sind  die  Emporbühnen  des  Schiffs, 
inschriftlich  von  1543;  auch  ein  Fa- 
milie i  ige  stühl  an  der  Nordseite 
zeigt  Spätrenaissanceformen  von 
einem  gewissen 
Reichtum  und 
trägt  die  In- 
schrift :  Jere- 
mias Breiden- 
stein für  mich 
und  meine  Er- 
ben lassen  die- 
sen Stuel  berei- 
ten anno  Do- 
mini 1619.  Aus 
derselben  Zeit 
dürfte  auch  die 
reich  ornamen- 
tierte, der  frühe- 
ren Biedenkop- 
fer sehr  ähnliche 

Fig.  30.  Dexbach.  Pfarrkirche.  Kanzel  sein. 


DEXBACH.  —  FRANKENBACH. 


27 


DEXBACH. 

jpjJl^iK^  AS  Pfarrdorf  Dex  bach  ,  im  engen  Waldtal  des  Treisbaches,  5,5  km  nord- 
ksÄ^^JsIc  östlich  von  Biedenkopf  gelegen,  hat  eine  der  Spätgotik  angehörige  ein- 
^■?5f5<3)f\  schiffige  Pfarrkirche.  Das  Schiff  enthält  zwei  Joche,  durch  einen  breiten 
VCrK.»»-.  Gurtbogen  getrennt,  der,  wie  die  kräftig  eingesetzten  Schildbögen  spitzbogig 
und  ganz  ungegliedert  ist  und  auf  Wandpfeilern  ohne  Kämpfergesims  aufsetzt.  Die  rip- 
penlosen Kreuzgewölbe  verlaufen  gegen  den  Scheitel  kuppelartig.  In  der  Südwand  eine 
Türe  mit  geradem  Sturz;  die  Fenster  der  Süd-  und  Westwand  sind  bei  einer  nach  1874 
ausgeführten  Herstellung  gleichmässig  im  Spitzbogen  überdeckt  worden,  das  im  östlichen 
Joche  mit  einfachem  Masswerk  auf  Mittelpfeiler.  Der  Chor,  im  äusseren  schmäler  als 
das  Schiff,  hat  ein  spitzbogiges  Kreuzgewölbe,  dessen  hohlprofilierte  Rippen  auf  runden 
Eckdiehsten  aufsetzen ;  diese  haben  schlichte  runde  Sockel  und  kelchförmige,  vieleckige 
Kapitäle;  den  Schlussstein  des  Chorgewölbes  deckt  ein  spätgotischer  Schild  mit  dem 
Buchstabens.  Diebeiden  Chorfenster  haben  Fischblasenmasswerk  auf  einer  Mittelstütze. 

Das  Chordach  ist  auf  seiner  östlichen  Hälfte  durch  einen  Holzdrempel  erhöht; 
auf  dem  First  erhebt  sich  ein  hölzerner,  beschieferter  Dachreiter,  dessen  Dach  die 
Eigentümlichkeit  zeigt,  dass  seine  Giebel  sich  nicht  über  den  Seiten,  sondern  über 
den  abwechselnden  Ecken  erheben  und  dadurch  in  der  Mitte  gebrochen  sind. 


FRANKENBACH. 

l^%^yj:RANKENBACH.  DORFKIRCHE.  In  dem  als  Chorraum  dienenden  Erd- 
Vj^^^l^i^J  geschoss  des  Turmes  sind  bei  einer  im  Jahre  1909  vorgenommenen  Her- 
u^bÄ^i«^  st^ll^'^S  Anstrichs  Wan  dbil der  am  Gewölbe  und  den  Wänden  zutage 
oi^iei^^  getreten,  die  Evangelisten  darstellend,  die  auf  das  Ende  des  15.  Jahrhunderts 
deuten.  Sie  wurden  erhalten  und  fixiert. 


28 


FRIEDENSDORF. 


FRIEDENSDORF. 


>^BTRAGUNG  DES 
UNTERZUG^ 
VOIM?En 
CHORBO&EN 


AS  Dorf  Fried  ensdorf  liegt  7,5  km  südlich  von  Biedenkopf  im  Lahntal. 
Seine  kleine  KIRCHE  besitzt  einen  dem  13.  Jahrhundert  angehörigen 
Chor,  übrigens  einen  völlig  schmucklosen,  viereckigen  Basaltbau  mit 
♦  Kreuzgewölbe,  dessen  Gräte  auf  Eckpfeilern  ohne  Kämpfergesims  auf- 
ruhen.   Der  Chorbogen  und  die 


kleinen  Fenster  sind  spitzbogig 
mit  schlichten  Schrägen. 

Das  flachgedeckte,  aus  Fach- 
werk gebaute  Schiff  ist  bemer- 
kenswert durch  die  schöne  und 
sorgfältige  Arbeit  der  einen  mitt- 
leren Unterzug  tragenden  Stützen, 
die  in  Fig.  31  abgebildet 
sind;  der  untere  Teil  mit 
^1^^  flachen  Kerbschnitten  ver- 
ziert.    Um  den  Chorbogen 
nicht  durch  einen  Pfeiler  zu 
verstellen,  hat  der  Zimmer- 
mann einen  Wechsel  auf  zwei 
Ständer  neben  dem  Bogen 
gelegt,  der  ge- 
schickt gegen 
den  Unterzug 
verstrebt  ist. 

Der  Kir- 
c h  enf u  s sbo- 
den  zeigt  ein 
besonders  hüb- 
sches Beispiel 
der  in  der  Ge- 
gend häufigen 

Pflasterung 
mit  Lahnge- 
schieben, die  in 
Reihen  fisch- 
grätenartig an- 

^K'i.  32.  Friedensdorf.   Pfarrkirche.  Deckenstütse  undtPßasterung.  geordnet  und 

am  Chor  wie  an  der  Westtür  durch  Rosetten  unterbrochen  sind.  Die  West tür  hat 
noch  die  alten,  einfach  jaber  ^übsch  gearbeiteten  Eisenbänder.  Friedensdorf  ist  in 
seinen  Fachwerkhäusern  noch  reich  an  eingeritzten  und  schwach  nachmodellierten 


PFARRKIRCHE. 


29 


Putz-Verzierungen,  eine  Technik,  die  im  Kreise  Biedenkopf  bis  in  die  jüngste  Zeit 
gepflegt  wird.  Das  jüngste  Beispiel  ist  vom  Jahre  1893  datiert.  Auf  dem  im  letzten 
Kapitel  d.  B.  („Holzhäuser")  mitgeteilten,  1878  ausgeführten  Beispiel  nennt  sich  als 
Meister  „Dam  von  Holzhatisett  (bei  Gladenbach)  verfertigt  von  Schneider,  den 
12.  Juli". 


|riiiiiiii|  — r     I      I      I      I      I      I      I      I  I 
Fig.  33.  Frohnhausen.  Pfarrkirche.  Längsschnitt  und  Grtindriss. 


30 


FROHNHAUSEN. 


FROHNHAUSEN. 


Jas  evangelische  Pfarrdorf  Frohnhausen  liegt  9  km  nordöstlich  von 
Riedenkopf  in  einem  anmutigen  Wiesental  am  südlichen  Fuss  des  Ziegen- 
bergs und  des  höheren  Kohlenbergs. 

Seine  KIRCHE,  in  die  auch  das  benachbarte  Dorf  Oberasphe  ein- 
gepfarrt  ist,  soll  zu  einem  Benediktiner-Nonnenkloster  gehört  haben,  das  seit  der  Re- 
formation verschwun- 
den ist.   Sie  stellt  in 
ihrem  jetzigen  Zustand 
eine  kleine  romanische, 
gewölbteBasilikaohne 
Querschiff  und  mit  feh- 
lendem stidlichen  Sei- 
tenschiff dar.  Die  Ge- 
wölbe des  nördlichen 
Seitenschiffs  und  des 
Mittelschiffs  sind  zer- 
stört ;  ersteres  ist  jetzt 
flachgedeckt ;  das  Mit- 
telschiff ist  später,  viel- 
leicht zur  Zeit  der  Her- 
richtung für  den  pro- 
testantischen Gottes- 
dienst, mit  einem  qua- 
dratischen, rundbogi- 
gen  und  zwei  oblon- 
gen, scharf  spitzbogi- 
gen    Gewölben  aus 
Holz   und  Lehmsta- 
kung  überdeckt.  Zur 
selben  Zeit  dürfte  auch 
der  viereckige,  aussen 
beschieferte  Dachrei- 
ter mit  achteckigem 
Helm  auf  der  West- 
seite entstanden  sein, 
zu  dessen  Unterstüt- 
zung durch  die  Mitte 
des  westlichen  Joches 
eine  Fachwerkwand 

Fig.  34.  Frohuluaisen.  Holsverzicriuiguiul  Haustür.  gezogen    worden  ist. 


OPrtRiTOCK.NBULHtNAU 
HOLZ  m  Mf3SINCTLLLEi\ 


FROHNHAUSEN,  KIRCHE.  —  GLADENBACH. 


31 


Im  Chor  ist  noch  das  ursprüngh'che  rundbogige  Kreuzgewölbe  mit  im  Scheitel 
verlaufenden  Gräten  vorhanden,  die  auf  Eckpfeilern  aufsetzen.  Die  Fenster  sind  zum 
Teil  in  gotischer  Zeit,  zum  Teil  später  erweitert;  in  der  Nordwand  ist  eine  späte 
spitzbogige  Tür  mit  gefastem  Gewände.  Die  Sakristei  nördlich  neben  dem  Chor  ist 
mit  einer  Längstonne  überdeckt.  Vor  dem  Altar  steht  ein  Taufstein  in  roh-spät- 
gotischen Formen  mit  der  Jahreszahl  MVXII  (1512). 

Von  den  vier  Glocken  hat  nur  die  grösste  eine  Inschrift :  tllaria  •  JOl)anCS  •  ftcis  • 

Id!)  •  in  •  godes  •  namen  •  leidet  •  man  •  mid)  •  bes  •  roeter  •  uertreiben  •  id).  Darunter  Christus 

am  Kreuz  mit  Maria  und  Johannes  in  Relief.    16.  Jahrhundert. 

An  den  Holzhäusern  des  Ortes  befindet  sich  manche  hübsche  Schnitzerei,  wo- 
bei die  häufige  Anwendung  des  Rades  auffällt.  Eine  charakteristische  Haustür  aus 
dem  17.  Jahrhundert  besitzt  noch  das  Bürgermeisterhaus. 


Fig.  35.  Gladenbach.  Marktplatz. 


GLADENBACH. 

ER  Marktflecken  Gladenbach  liegt  16,5  km  südlich  von  Biedenkopf  in 
einem  Nebental  der  Salzböde  an  der  Bahn  Niederwalgern  -  Herborn.  Der 
stattliche  Ort  ist  der  Hauptort  des  ehemaligen  hessischen  „Hinterlandes". 
Die  evangelische  KIRCHE  ST.  MARTIN  stellt  sich  als  eine  ur- 
sprünglich flachgedeckte  romanische  Pfeilerbasilika  dar,  die  in  spätgotischer  Zeit 
einen  durchgreifenden  Umbau  durch  Hinzufügung  eines  im  Achteck  geschlossenen 
Chors  und  Einwölbung  des  Mittelschiffs  erfahren  hat.  Durch  die  tiefe  Lage  der  Ar- 
kadenkämpfer und  eine  fast  beispiellose  Verbauung  mit  mehrgeschossigen  hölzernen 
Emporen  macht  das  Innere  einen  wenig  erfreulichen  Eindruck. 

Die  ursprüngliche  Anlage  hatte  drei  Bogenstellungen  des  Mittelschiffs,  von 
denen  die  westlichen  ganz  schmal  und  rundbogig,  die  beiden  folgenden  in  gedrücktem 


32 


GLADENBACH. 


Spitzbogen  überwölbt  sind.  Die  Pfeiler  sind  von  ungewöhnlicher  Breitenausdehnung. 
Das  letzte  Pfeilerpaar  vor  dem  Chor  hat  flache  Vorlagen,  denen  ebensolche  Wandpfeiler 


I    I   I   I   I   I    I   I   I    I  I 


Fig.  3b.   Gladenbach.  Pfarrkirche.  Grundriss. 
an  den  Seitenschiffwänden  entsprechen.   Diese  Vorlagen,  die  jetzt  dicht  über  Kämpfer- 
höhe abgebrochen  sind,  trugen  wahrscheinlich  im  Mittelschiff  den  Chorbogen,  dem 


Fig.  37.  Gladenbach.  Pfarrkirche.  Westteil. 


34 


GLADENBACH. 


ein  quadratischer  Chorraum  mit  rundbogiger  Öffnung  nach  den  Seitenschiffen  folgte; 
diesem  dürfte  sich  eine  runde  Hauptapsis  angeschlossen  haben,  die  beim  Neubau  des 
Chors  entfernt  wurde.  Ob  auch  die  Seitenschiffe,  die  man  sich  ebenfalls  mit  Rundbogen 
über  den  erwähnten  Vorlagen  abgeschlossen  zu  denken  hat,  Nebenapsiden  besassen, 
würde  sich  nur  durch  Fundamentaufgrabungen  nachweisen  lassen. 


Fig.  39.  Gladenbach.  Aller  Pfarrhof. 


Die  Obermauer  des  Mittelschiffs  ist  noch  von  den  ursprünglichen  kleinen  roma- 
nischen Rundfenstern  durchbrochen,  die  ohne  Achsenbeziehung  zu  den  Schiffarkaden 
verteilt  sind;  diejenigen  des  früheren  Chorraums  stehen  näher  zusammen  und  sind 
durch  einen  grösseren  Zwischenraum  von  den  übrigen  getrennt.  Die  Rundbogenfenster 
in  den  flachgedeckten  Seitenschiffen  scheinen  in  neuerer  Zeit  vergrössert  zu  sein.  Bei 
der  Überwölbung  in  gotischer  Zeit  wurde  die  ganze  Länge  des  Schiffs  in  vier  an- 
nähernd gleiche  Felder  geteilt.  Die  spitzbogigen  Kreuzgewölbe  haben  einfach  gekehlte 
Rippen,  die  auf  schlichten  Konsolen  aufruhen;  die  romanischen  Oberfenster  sind  zum 


KIRCHE  ST.  MARTIN. 


35 


Teil  in  die  Gewölbkappen  eingeschnitten.  Der  Chor  hat  zwei  Kreuzgewölbe  mit 
gleichem  Rippenprofil  und  Konsolen,  deren  einer  an  der  Nordwand  ein  Wappenschild 
angefügt  ist,  das  in  roher  Arbeit  Kelch  und  Hostie  trägt.  Der  jetzige  Chorbogen  ist 
an  der  Westseite  abgefast.  Die  zweiteiligen  Chorfenster  mit  schrägen  Gewänden 
haben  spätgotisches  Mass  werk.  Zwei  Türen  in  der  Süd-  und  Westfront  sind  in 
schlichtem  Rundbogen  ohne  alle  Profile  geschlossen. 

Das  Äussere  ist  verputzt  und  ohne  architektonische  Gliederung;  ein  Dachgesims 
fehlt.  Das  Dach  trägt  zwei  Dachreiter,  von  denen  der  westliche,  grössere,  viereckig, 
der  kleinere  über  dem  Chor  sechseckig  ist. 

Im  Chor  ist  ein  gleichzeitiges,  sehr  verstümmeltes  Wandtabernakel  mit  profi- 
lierten Eckpfosten  und  einem  Blendgiebel,  dessen  Spitzbogen  mit  Fischblasenmasswerk 
gefüllt  ist ;  am  Gesims  zwei  Wappen. 

Der  Ort,  der  durch  seine  Lage  am  Hügel  malerische  Strassenbilder  bietet,  ist 
leider  durch  zahlreiche  moderne  Bauten  seines  ursprünglichen  Charakters  stark  ent- 
kleidet. Einige  alte  Holzhäuser  von  gutem  Charakter  sind  erhalten,  unter  denen 
besonders  der  alte  Pfarrhof  mit  dem  Namen  des  Erbauers  Johmin  Wacke,  1607  (jetzt 
in  Privatbesitz)  unterhalb  der  Kirche  zu  nennen  ist,  mit  hübscher  Haustür  und 
Schnitzereien  zwischen  den  Balkenköpfen  des  Überhangs.  Ein  anderes,  von  einem 
Bäcker  bewohnt,  im  obersten  Teil  des  Ortes  trägt  den  Na.men  Johnini  Jost  Roth,  1798 
und  am  Stall  die  Inschrift  ,,  Werkmeister  war  der  berühmte  Zimmermeister  Jakob 
Blöcher  su  Gladenbach,  1800."  Ein  drittes  steht  am  unteren  Ausgang  des  Ortes 
jenseits  des  Baches  an  der  Brücke. 

Ein  guter  Barockbau  ist  das  jetzige  K  at  a  s  t  e r am  t  an  dem  kleinen  Marktplatz, 
der,  durch  das  staffeiförmige  Zurücktreten  der  Häuser  der  Marktstrasse  gebildet,  ein 
gutes  Architekturbild  bietet.  Das  Katasteramt  ist  ein  zweistöckiger  Massivbau  von 
fünf  Fenstern  Front  mit  Mansardendach.  Seinen  Hauptschmuck  bildet  der  mit  der 
Haustür  architektonisch  zusammengezogene  Balkon,  dessen  gutgezeichnetes  Schmiede- 
gitter die  gekrönten  Buchstaben  L  L  (Landgraf  Ludwig)  enthält.  Die  Stockwerk- 
treppe hat  ein  hübsches  Geländer  von  ausgesägten  Brettern  (s.  Fig.  35). 


Fig.  40.  Gladenbach.  Gitter  am  Katasteramt. 

3* 


36 


GÜNTEROD.  —  HARTENROD.  —  HATZFELD. 


GÜNTEROD. 

^^ÜNTEROD,  20  km  südlich  von  Biedenkopf  gelegen,  besitzt  in  der  KIRCHE 
ST.  PETER  einen  unbedeutenden  einschiffigen  Bau  mit  schmälerem,  vier- 
eckigem Chor,  der  dem  ährenförmigen  Verbände  seines  Mauerwerkes  und 
der  (vermauerten)  Rundbogentür  an  seiner  Südseite  zufolge  noch  aus  der 
romanischen  Bauzeit  (12,  oder  13.  Jahrhundert)  herrührt,  aber  1809  seinen  Chorbogen 
und  seine  alten  Fenster  verloren  hat.  Sein  achteckiges  Helmdach,  worin  die  Glocken 
hängen,  gibt  ihm  ein  turmartiges  Aussehen.  Das  Schiff  hat  eine  hölzerne  Tür  von  1729. 

Zwei  Glocken :  die  grössere  von  1453,  die  kleinere  ohne  Jahreszahl  mit  der  In- 
schrift: joöan  bruiDilre  gois  mid)  (Lötz). 


2^ 

HARTENROD. 

ARTENROD,  18  km  südlich  von  Biedenkopf. 

Taufstein  aus  der  1845  abgebrochenen  alten  Kirche,  spätgotisch, 
achteckig  mit  Reliefschmuck :  Christus,  Maria,  Blumen,  Wappen.  Steht 
seit  etwa  35  Jahren  vor  der  Tür  des  Wirtshauses  als  Wasserbehälter 
(Dr.  Ph.  Dieffenbach;  Pfarrer  Hemmann  in  Hartenrod,  1875;  Lötz). 

In  dem  wohl  von  altersher  wohlhabenden  Dorfe  finden  sich  noch  schöne  Bei- 
spiele von  Holzbauten  mit  ungewöhnlichen  Verriegelungen,  wie  auch  gute  Haus- 
türen aus  dem  18.  Jahrhundert  erhalten. 

HATZFELD. 

AS  Städtchen  Hatzfeld,  9  km  nordöstlich  von  Biedenkopf,  in  anmutiger 
Lage  an  der  Eder,  aus  deren  Wiesental  schönbewaldete  Berge  empor- 
steigen, lehnt  sich  an  den  Bergkegel,  auf  dem  noch  geringe  Mauerspuren  den 
Stammsitz  eines  der  bedeutendsten  hessischen  Adelsgeschlechter  bezeichnen. 
Der  erste  Hatzfeld,  „  Volpertus  de  Hepisuelt  et  frater  ejus" ,  erscheinen  in  einer 
Urkunde  des  Erzbischofs  Arnold  von  Köln  1138  bis  1151;  zwei  andere  Namen  des 
Stammes,  Volpertus  et  Godefrid  de  Hapesveld,  werden  1213  genannt  (Gudenus,  Codex  i, 
429,  488).  Seit  1311  wurde  die  Burg  Lehen  der  Landgrafen  von  Hessen,  denen  sie 
von  den  Brüdern  Gottfried  und  Krafto  aufgetragen  wurde.  Die  Blüte  des  Hauses 
datiert  von  M  e Ich  i  o  r  v o n  Ha  t  z f eld  (1593  bis "1658),  der  im  dreissigjährigen  Kriege 
sich  als  kaiserlicher  Heerführer  auszeichnete  und  später  als  kaiserlicher  Generalfeld- 
marschall ein  Hilfskorps  von  16  000  Mann  dem  König  von  Polen  in  dessen  Krieg  mit 
den  Schweden  zuführte.  Schon  1635  in  den  Reichsgrafenstand  erhoben,  erhielt  er  die 
der  Familie  Schaffgotsch  konfiszierte  Herrschaft  Trachenburg  in  Schlesien.  Diese 


HATZFELD. 


37 


PftlLER  NEBLN  PER  KANZEL 


Fig.  41.  Hatafeld.  Einaelheiten  äey  Kirche. 

wurde  1741  von  Friedrich  II.  von  Preussen  zum  Fürstentum  gemacht,  was  1748  die 
Erhebung  der  Familie  in  den  Reichsfürstenstand  zur  Folge  hatte.  Die  Stammburg 
des  jetzt  noch  in  mehreren  Zweigen  blühenden  Hauses  war  noch  1707  bewohnt.  Jetzt 
ist  sie  bis  auf  einen  Turmstumpf  und  unansehnliche  Mauerreste  verschwunden. 


38 


HATZFELD,  PFARRKIRCHE. 


Einen  Kilometer  talabwärts  von  dem  Städtchen,  an  der  Stelle  des  im  dreissigjährigen 
Kriege  von  den  Schweden  zerstörten  Dorfes  Niederhatzfeld,  steht  auf  dem  jetzigen 
Friedhof  der  Stadt  die  Emmauskapelle,  heute  nach  einer  in  den  70er  Jahren  vorigen 
Jahrhunderts  vorgenommenen  Hersteilung  kaum  noch  als  Kirche  kenntlich.  Ursprüng- 
lich wohl  als  kleine  romanische  ßasilika  angelegt,  ohne  alle  Kunstformen,  hat  sie 
die  beiden  Seitenschiffe  eingebüsst,  deren  vermauerte  Arkaden  im  Innern  noch  als 
Blenden  hervortreten,  während  sie  im  Äusseren  fast  bis  zur  Kämpferhöhe  verschüttet 
sind.  Das  Hauptschiff  hat  zwei  oblonge  Kreuzgewölbe,  deren  Trennungsbogen  auf 
Wandpfeilern  ruht,  mit  Schildbögen  auf  Pfeilerecken.  Der  Chor,  dessen  Mauern  mit 
denen  des  Schiffs  nicht  in  Verband  gemauert,  also  wohl  etwas  später,  aber  noch  im 
12.  Jahrhundert  angebaut  sind,  ist  rechteckig  und  mit  einem  Kreuzgewölbe  ohne 
Schildbogen  überdeckt,  dessen  Rippen,  ebenso  wie  bei  den  Schiffgewölben,  nach  dem 
Scheitel  zu  flach  verlaufen.  Unter  jedem  Gewölbe  sitzen  nahe  unter  dem  Schildbogen 
kleine  rundbogige  Fenster.    Das  flache  Zeltdach  mit  Dachreiter  ist  neu. 


HATZFELD 


DIE  EVANGELISCHE  PFARRKIRCHE  von  Hatzfeld,  am  Burgberg  über 
dem  Ort  gelegen,  ist  ein  nicht  uninteressanter  Holzbau  auf  massivem  Bruchsteinsockel, 

der  an  der  Bergseite  höher  ist  als 
an  der  Vorderseite.  Sie  besteht  aus 
zwei  viereckigen  Räumen,  deren  vor- 
derer, das  Schiff,  10  m  lang  und  breit, 
der  hintere  mit  dem  Altar  8,60  m  lang 
und  6,30  breit  ist.  Die  flache  Decke 
hat  Längsunterzüge,  die  im  vorderen 
Raum  von  sechs,  im  Chor  von  zwei 
Pfeilern  mit  Sattelhölzern  und  Kopf- 
bändern gestützt  werden.  Vor  den 
übrigen  schlichteren  Rundpfeilern  mit 
achteckigem  Sockel  zeichnet  sich  der 
südliche  Trennungspfeiler  zwischen 
Chor  und  Schiff,  neben  dem  die  Kanzel 
frei  aufgebaut  ist,  auffallend  aus  durch 
seine  energische  und  wohlabgewogene 
Profilierung,  die  durchweg  aus  dem 
47  cm  starken  Holz  herausgearbeitet 
ist.  Als  Untersatz  dient  ihm  ein  um- 


PEXBACH 

Fig.  42.  Hatzfeld  und  Dexbach.  Kirchengrundrisse. 


gekehrtes  romanisches  Steinkapitäl,  von  dessen  Säule  ein  kurzes  Stück  viereckig  ab- 
gearbeitet ist.  Nach  den  Formen  des  Holzwerks  dürfte  als  Entstehungszeit  der  Kirche 
das  Ende  des  17.  Jahrhunderts  anzunehmen  sein.  Sie  als  eine  für  kurze  Dauer  errichtete 
Notkirche  anzusehen,  verbietet  die  fast  elegante  Zimmerarbeit.  Die  Eingangstür 
neben  dem  erwähnten  Pfeiler  zeigt  eine  primitive  Barockumrahmung  in  ganz  flacher 
Holzschnitzerei  und  trägt  die  Inschrift:  Erneuert  im  Jahre  1787.  Einer  Überlieferung 


HATZFELD. 


39 


des  Kirchenbuchs  zufolge  wurde  die  Kirche  1797  (87?)  durch  einen  Sturmwind  stark 
beschädigt;  durch  einen  Zimmermeister  aus  Allendorf  wurde  sie  wieder  gerade  ge- 
richtet und  mit  neuen  Pfeilern  versehen.  Vielleicht  ist  der  Kanzelpfeiler  der  Rest  des 
Zustandes  vor  dieser  Herstellung. 


Fifi.  -)3.  Ruine  Herinannstein.  Erdgeschoss  der  Unterburg. 


Bemerkenswert  ist  ein  jetzt  an  der  nördlichen  Emporenbrüstung  im  Chor  aufge- 
hängtes Kreuz  mit  den  vier  in  Vierpässen  liegenden  und  mit  gotischen  Lilien  besetzten 
Evangelistenzeichen  von  schöner,  spätestens  ins  16.  Jahrhundert  zu  setzender  Zeichnung. 

Eigentümlich  ist  auch  der  Fuss  der  barocken  Kanzel;  es  ist  eine  auf  dem 
Kapitäl  stehende  kurze  Steinsäule ;  wenn  dieses  auch  dem  romanischen  Kapital  unter 
dem  Pfeiler  ziemlich  treu  nachgebildet  ist,  so  lässt  die  Säule  mit  ihrem  verjüngten 
und  stark  geschwellten  Schaft  ihre  Entstehung  im  17.  Jahrhundert  vermuten. 

Das  kupferne  Taufbecken  hat  als  Untersatz  einen  viereckigen  Holzpfeiler,  dessen 
Profilierung  mit  der  des  Kanzelpfeilers  durchaus  verwandt  ist. 

Der  Ort  Hatzfeld  hat  noch  eine  Anzahl  sehr  charaktervoller,  mit  Stroh  ge- 
deckter Holzhäuser,  bei  denen  sich  bereits  die  Nachbarschaft  von  Westfalen  in  den 
gekreuzten,  als  Pferdeköpfe  ausgeschnittenen  Giebelbrettern  ankündigt.  Am  Hause 
des^Schmiedemeisters  Wetter  ist  eine  schön  geschnitzte  Türunirahmung  mit  Wappen 
und  der  Jahreszahl  1711  erhalten. 


40 


HERMANNSTEIN. 


HERMANNSTEIN. 

Literatur:  Wenck,  Hess.  Landesgesch.  3.  153 — 155.  —  C.  F.  Günther,  Bilder  aus  der  hess. 
Vorzeit,  347 — 351  (mit  Abb.),  Darmstadt  1853.  —  G.  Landau,  Die  hess.  Ritterburgen  und  ihre 
Besitzer  (Cassel  1839),  4.  81 — 90.  —  DiefFenbach,  Hermannstein.  Hess.  Archiv,  7.  167—173.  —  Piper, 
Burgenkunde  (1895)  I.  270—272.  —  Abbildungen:  Meissner,  in  Libellus  nov.  polit.  emblem.  civitatum. 
pars  Via  F.  66. 

Tal  der  Dill,  da,  wo  sich  dieses  bei  seiner  Ausmündung  in  das  Lahn- 
tal zu  einer  weiten  Ebene  ausbreitet,  3  km  nördlich  von  Wetzlar,  erhebt 
sich  zur  Linken  des  Flusses  der  Schwarzenberg.  An  seiner  Abdachung 
ragen  auf  einem  mässig  hohen,  aber  nach  zwei  Seiten  fast  senkrecht  ab- 
fallenden Felsklotz  die  Trümmer  der  Burg  Hermannstein,  von  weitem  kenntlich 
durch  zwei  hohe  Schornsteine,  die  über  einem  mächtigen  Turmbau  frei  in  die  Luft 
emporsteigen. 

Geschichtliches.  Hermannstein  ist  eine  hessische  Grenzburg,  nach  ihrem 
Erbauer,  dem  Landgrafen  Hermann  I.,  dem  Gelehrten,  benannt,  der  von  1376  bis 
1413  regierte.  Dieser  hatte  mit  den  Ritterbündnissen,  die  sich  um  diese  Zeit  im  Rhein- 
und  Lahntal  bildeten,  schwere  und  langwierige  Kämpfe  um  seine  Territorialhoheit  zu 
bestehen.  Aus  dem  eben  erst  aufgelösten  Sternerbund  bildete  sich  ein  neuer,  der 
Bund  „der  alten  Minne",  in  dem  wieder  seine  alten  Feinde  und  Nachbarn,  der  an 
der  Ausdehnung  seiner  Herrschaft  arbeitende  Graf  Johann  von  Nassau-Dillen- 
burg und  Johann  von  Solms,  seine  Grenzen  bedrohten.  Letzterer  hatte  bürger- 
liche Unruhen  in  Wetzlar  benutzt,  um  sich  dieser  Stadt  zu  bemächtigen,  und  Hermann 
bedurfte  gegen  diesen  Feind  eines  neuen  Stützpunktes,  den  er  sich  auf  Solmsschem 


GESCHICHTLICHES. 


41 


Fig.  45.  Ruine  Heymannstein  von  Südost. 


Boden,  mitten  in  der  durch  die  Solmsschen  Grenzburgen  Hohensolms,  Königsberg, 
Wetzlar  und  Braunfels  bezeichneten  Linie,  unter  dem  Schutz  einer  ansehnlichen 
Streitmacht  von  1373  bis  1379  erbaute.  Erst  durch  einen  in  letzterem  Jahre  geschlossenen 
Vertrag  wurde  die  Fehde  endgültig  beigelegt,  das  neuerbaute  Schloss  für  alle  Zeit 
den  Landgrafen  von  Hessen  als  eigen  zugesprochen  und  die  Erbauung  eines  ge- 
meinschaftlichen Ortes  mit  einer  Burg  am  Fusse  des  Hermannsteins  vereinbart.  Das 
früher  hier  gelegene  Dorf  Mülheim,  das  wahrscheinlich  während  dieser  Kämpfe  zu- 
grunde gegangen  war,  wurde  wieder  aufgebaut  und  später  nach  der  Burg  benannt. 
Die  Talburg  scheint  nicht  zur  Ausführung  gekommen  zu  sein. 


42 


HERMANNSTEIN. 


Die  weiteren  geschichtlichen  Erwähnungen  der  Burg  beschränken  sich  auf  mehr- 
fache Verpfändungen.  Im  Jahre  1466  war  der  Pfandinhaber  der  dortige  Amtmann 
Ludwig  von  Mudersbach,  von  dessen  Witwe  1481  der  Hofmarschall  des  Land- 
grafen Heinrichs  III.,  Johann  Schenk  zu  Schweinsberg,  die  Burg  mit  tausend 
Gulden  einlöste  und  mit  Bewilligung  des  Landgrafen  in  seinen  Besitz  brachte.  Von 
da  ab  ist  Hermannstein  Eigentum  der  Familie  Schenk,  in  der  die  Nachkommen 


ClNTCRBUFl,C   £WTES  OBERCE)CHO)b 

Fig.  46.  Ruine  Hermannsteiii.  Unterer  Grundrtss. 
jenes  Johann  einen  gesonderten  Stamm  bilden,  der  sich  die  Hermannsteiner  Linie 
nennt.    Von  diesen  wird  die  Burg,  die  nie  eine  gewaltsame  Zerstörung  erfahren  hat, 
sondern  durch  Vernachlässigung  zur  Ruine  geworden  ist,  in  diesem  Zustande  erhalten. 

Baubeschreibung.  Die  Burg  besteht  aus  zwei  Teilen,  die  in  ihrer  Höhen- 
lage so  verschieden  sind,  dass  das  Erdgeschoss  des  oberen  Baues  mit  dem  zweiten 
Obergeschoss  der  Unterburg  in  einer  Ebene  liegt. 

Der  eigentliche  in  den  70er  Jahren  des  13.  Jahrhunderts  erbaute  Wehrbau  ist 
der  mächtige  Wohnturm,  auf  der  vorgeschobenen  Klippe  des  Schwarzenbergs  erbaut, 


BAUBESCHREIBUNG. 


43 


die  nur  an  der  Nordseite  «Biit  dem  Bergzug  zusammenhängt  und  hier  durch  einen  tiefen 
Hohlweg,  wohl  den  ursprünglichen  Halsgraben,  von  ihm  getrennt  ist.  Wahrscheinlich 
ist  dieser  Hohlweg,  der  sich  jetzt  um  den  östlich  von  dem  Turm  liegenden  unteren 
Bau  zum  Dorf  hinabzieht,  im  Lauf  der  Zeit  angehöht  worden.  Nach  Nordwest,  West 
und  Südwest  fällt  der  den  Turm  tragende  Fels  steil  ab;  an  seinen  Fuss  gruppieren 
sich  die  Wirtschaftsgebäude,  darunter  ein  Haus  von  1483. 

Der  Grundriss  des  Turmes  bildet 
ein  verschobenes  Viereck  von  bedeuten- 
der, im  Erdgeschoss  durchschnittlich 
2,50  m  messender  Mauerstärke  mit  drei 
abgerundeten  Ecken,  während  die  vierte, 
nördliche,  einfach  abgeschrägt  ist.  Aus 
der  Angriffsseite  (Nordost)  springt  eine 
halbkreisförmige,  massive  Vorlage  her- 
aus, die  den  Turm  auf  seine  ganze  Höhe 
begleitet.  Der  Turm  enthält  zwei  hohe, 
mit  Kreuzgewölben  überdeckte  Räume, 
deren  jeder  durch  eine  Holzbalkenlage 
in  zwei  Stockwerke  geteilt  war.  Das 
oberste  Gewölbe  bildet  die  Wehrplatte, 
über  der  sich  der  Wehrgang  noch  um 
3,20  m  erhebt.  In  der  Ostecke  liegt,  nach 
aussen  nicht  hervortretend,  der  Treppen- 
turm, der  vom  letzten  Absatz  unter  der 
Wehrplatte  in  die  Mauerdicke  der  Nord- 
ostseite überspringt.  In  der  Mitte  dieser 
Seite  tritt  die  Treppe  auf  die  Wehrplatte 
aus,  um  die  Ecke  für  einen  der  kleinen 
Rundtürme  freizugeben,  die,  ebenfalls 
aussen  nicht  vortretend,  die  drei  abge- 
rundeten Ecken  einnehmen.  Durch  die 
vierte,  gebrochene  Ecke  führt  ein  schma- 
ler Durchgang  zu  einem  auf  zwei  Kon- 

Fis:.  47.  Ruine  Herntannstcin.  Turnigruiidrisse. 

solstemen  vorgekragten  Abtritt.  In  der 

Südostseite,  gerade  über  dem  hier  zu  ebener  Erde  liegenden  Turmeingang,  ist 
ein  Gusserker  auf  Konsolen  vorgekragt;  in  der  gegenüberliegenden  Wand  ist  ein 
Kamin.  Zwei  hohe  Schornsteine  überragen  den  Wehrgang,  unten  durch  abgesetzt 
vortretende  Verbreiterungen  gestützt.  Bis  1780  war  der  Turm  mit  einem  hohen  Walm- 
dach bedeckt,  das  an  den  vier  Ecken  mit  Wichhäusern  besetzt  war  (s.  Abb.  44).  In 
der  Südwestwand  ist  ein  grosses  Fenster  mit  steinernem  Kreuzstock,  der  durch  Kehle 
und  Falz  gegliedert  ist.  Ähnliche  Fenster  sind  in  den  unteren  Stockwerken ;  nur 
die  Angriffsseite  hat  keine  Durchbrechungen. 


44 


HERMANNSTEIN. 


Von  den  mit  schlicht  gekehlten  Rippen  versehenen  spitzbogigen  Kreuzgewölben 
ruht  das  unterste  auf  einem  achteckigen  Mittelpfeiler,  der  am  Fuss  und  Kämpfer  ins 
Viereck  übergeführt  ist ;  das  obere  auf  einem  Pfeiler  von  quadratischem  Querschnitt, 


c 

1 

aus  dem  die  Gurte  und  Rippen  glatt 
hervorwachsen.  Im  untersten  Saal, 
dessen  Fenster  auffallend  hoch  über 
dem  Fussboden  liegen,  ist  ein  Ge- 
wölbefeld durch  eine  fast  bis  zur 
Mittelsäule  vorspringende  Mauer  ab- 
geteilt ;  ein  grosser  Kaminmantel  lässt 
in  dieser  Abteilung  die  Küche  ver- 
muten; im  ersten  Obergeschoss  liegt 
ein  Kamin  an  der  Südostwand. 

Der  untere  Bau  entbehrt  voll- 
ständig alle  Wehrvorrichtungen ;  nur 
die  links  neben  ihm  in  ein  schmales 
unteres  Höfchen  führende  Tür  ist 
durch  einen  aus  der  Futtermauer  vor- 
springenden Rundturm  verteidigt.  Im 
übrigen  gibt  sich  das  Gebäude  als 
Herrenhaus  aus  spätgotischer  Zeit 
zu  erkennen.  Nichts  an  den  erhal- 
tenen  Bauformen    würde  hindern. 


AO&tBKOCHEN 


Fig.  48.  Ruine  Herniannstcin.  Querschnitt  NW.fnacli  SO. 

seine  Entstehung  um  1480,  nach  der  Erwerbung  der  Burg  durch  die  Schenksche 
Familie,  zu  setzen. 

Der  in  der  südlichen  Stirnseite  gelegene  Eingang  führt  zunächst  in  einen  Raum, 
dessen  vier  rippenlose  Kreuzgewölbe  an  den  Wänden  auf  zum  Teil  roh  skulptierten 
Tragsteinen,  in  der  Mitte  auf  einer  Rundsäule  ruhen,  die  am  Sockel  ins  Sechseck,  am 
Kapitäl  ins  Viereck  übergeht. 


KIRCHE. 


45 


Unter  dem  rechten,  hinteren  Gewölbe  ist  ein  Einbau  aus  Steinplatten  erhalten, 
der  als  Herdplatz  oder  Räucherkammer  zu  deuten  ist  und  den  Raum  als  Küche  erkennen 
lässt  (s.  F"ig.  43).  Hinter  derselben,  durch  eine  spitzbogige  Tür  zugänglich,  liegen  die 
ebenfalls  gewölbten  Keller,  von  denen  einer  einen. Zugang  von  aussen  hat.  Links  vom 
Eingang  führt  eine  sich  anfangs  um  eine  abgerundete  Mauerecke  herumbiegende, 
dann  gerade  laufende  Treppe  in  das  erste  Obergeschoss,  das  zwar  zum  grossen  Teil  ab- 
gebrochen ist,  seine  Anordnungen  aber  noch  deutlich  erkennen  lässt.  Es  hat  an  seinem 
rückwärtigen,  an  den  Fels  gelehnten  Teil  einen  Korridor,  von  dem  ungefähr  in  der 
Mitte  ein  schmaler  Gang  mit  Tonnengewölbe  bis  zur  Vorderfront  läuft.  Dieser  teilt 
das  Geschoss  in  einen 
grossen  Vordersaal  und 
einen ,  vielleicht  als 
Küche  benutzten  Hinter- 
raum. Der  vordere  Saal 
war  auf  einer  runden 
Mittelsäule  mit  vier 
Kreuzgewölben  über- 
deckt, deren  Rippen  sich 
am  Kämpfer  überkreuz- 
ten. In  der  Südwand 
war  ein  grosses  Fenster  mit  gekehltem  steinernen  Kreuzstock ;  aus  der  Ostwand 
sprang  ein  Erker  im  halbem  Achteck  vor.  Seine  noch  erhaltene  Bodenplatte  ruht 
auf  mit  Rippen  besetzten  Auskragungen,  denen  ein  männlicher  und  ein  weiblicher 
Kopf  als  Stütze  dienen.  Auf  dem  Meissnerschen  Bilde  reicht  dieser  Erker  durch 
zwei  Stockwerke  und  ist  mit  einem  Satteldach  bedeckt,  das  in  das  hohe  Dach  des 
Hauptgebäudes  einschneidet.  An  der  Rückseite  dieses  Stockwerks  beginnt  die  in 
einem  polygonalen  Turm  liegende  stattliche  Wendeltreppe,  die  zu  dem  fast  ganz  zer- 
störten zweiten  Obergeschoss  und  damit  zu  dem  Eingang  in  den  Wohnturm  führt. 

Das  Wohngebäude  und  den  Burgfelsen  umziehen  in  verschiedenem  Abstand  und 
verschiedener  Höhenlage  Zwingermauern,  die  an  der  Westseite  sich  mit  den  hier 
im  Tal  angebauten  Wirtschaftsgebäuden  vereinigen.  Ausser  dem  erwähnten  1483 
errichteten  Bau  sind  es  langgestreckte,  um  einen  länglich-viereckigen  Hof  gelegene 
Fachwerkbauten  mit  einer  teilweise  reichen,  auf  das  16.  Jahrhundert  deutenden  Holz- 
behandlung. Derselben  Zeit  scheint  auch  das  steinerne  Erdgeschoss  eines  der  Flügel 
zu  entstammen. 


I^ig.  49.  Hermannstein.  Kirchengrundriss. 


DIE  KIRCHE  des  Dorfes  Hermannstein  ist  inschriftlich  1491  und  1492  erbaut, 
also  nach  dem  Übergang  der  Burg  an  die  Schenksche  Familie.  Der  sehr  schlichte 
Bau  besteht  aus  Westturm,  Schiff  und  im  Achteck  geschlossenen  Chor.  Letzterer 
hat  ein  Netzgewölbe  mit  hohlprofilierten  Rippen  und  zweiteilige,  spitzbogige  Fenster 
mit  spätgotischem  Masswerk.  Der  ebenfalls  spitzbogige  Chorbogen  ist  an  der  Chor- 
seite gefast,  nach  dem  Schiff  zu  mit  einer  Hohlkehle  profiliert. 


46 


KÖNIGSBERG.  —  LEISA. 


Das  Schilf  hat  eine  im  Korbbogen  gewölbte  Bretterdecke,  in  der  Oberlicht- 
fenster liegen.  Der  Turm  erhebt  sich  in  drei  Stockwerken  und  ist  mit  einem  spitzen 
Zeltdach  bedeckt.  Die  Westtür,  die  zur  Turmvorhalle  führt,  ist  mit  einem  Rund- 
stab zwischen  Kehlen  profiliert,  der  sich  im  Scheitel  überschneidet  und  mit  spät- 
gotischen Sockeln  versehen  ist.  Die  jetzt  als  Fenster  verwendete  Tür  in  der  Süd- 
mauer besitzt  noch  die  alte  Angel  aus  Stein  und  den  Mauerschlitz  für  den  Sperrbalken. 

Über  ihr  befindet  sich  ein  Steinrelief  inschriftlich  von  1492,  die  Geburt 
Christi  darstellend. 

Aus  der  gleichen  Zeit  scheint  der  Tauf  stein  zu  stammen,  dem  der  untere 
Teil  fehlt  und  der  achteckige  Pokalform  hat. 

Epitaph:  Heinrich  Christophorus  Schenck  zu  Schweinsberg  in  Hermannstein 
und  Katharina  Susamia  de  Butter.  Gute,  handwerkliche  Renaissancefiguren,  der 
Ritter  in  voller  Rüstung. 

KÖNIGSBERG. 

ONIGSBERG,  30  km  südlich  von  Biedenkopf  gelegen,  besitzt  noch  die 
Reste  einer  gräflich  Solmsschen  Grenzburg.  R  e  i  n  b  o  1  d ,  Graf  v  o  n  S  o  1  m  s 
(1255  bis  1273j  nannte  sich  1257  und  1260  Graf  von  Cuningesberg  (Gudenus, 
Codex  2,  157,  184,  267),  welchen  Namen  er  vermutlich  von  dem  von  seinem  Vater 
Marquard  (1225  bis  1255)  erbauten  Wohnsitze  angenommen  hatte  (Wenck,  3,  143  und 
Urk.  S.  127  f.;  Beyer,  3,978).  1357  erwarb  Landgraf  Heinrich  II.  von  Hessen,  der 
Eiserne  genannt,  Königsberg  mit  seinen  Zugehörungen  von  dem  Grafen  von  Solms 
(Wenck,  3,  142  u.  2,  Urk.  389;  Schmidt,  Gesch.  v.  Hessen  2,  242  f.,  2735.). 

Unbedeutender  Bruchsteinbau  von  unregelmässiger  Anlage  mit  Einzelheiten 
von  Sandstein  (grösstenteils  1874  abgebrochen).  Die  rechteckigen  Fenster  mit  Fasen- 
gewänden meist  ausgebrochen.  An  einer  Ecke  des  äusseren  Zwingers  ein  kleiner  runder 
Turm  mit  Rundbogenfries  (Lötz  1874). 

Die  mit  den  zahlreichen  Zwingern  der  Burg  zusammenhängende  Orts- 
befestigung ist  nur  in  einzelnen  Mauerresten  erhalten.  Neben  einem  abgebrochenen 
Tor  steht  noch  ein  runder  Mauerturm  an  der  Dorfstrasse. 

LEISA. 

IE  Dorfkirche  von  Leisa,  12  km  nordöstlich  von  Biedenkopf,  2,5  km  süd- 
lich von  Battenberg,  dürfte  ihre  Entstehungszeit  an  einen  12%  erteilten 
Ablass  knüpfen,  wenn  auch  die  primitiven  Formen  des  Schiffs  keine  ge- 
nauere Bestimmung  zulassen.    Der  Chor  ist  laut  Inschrift  1723  erbaut. 
Das  Langhaus  ist  durch  zwei  sehr  nahe  an  die  Seitenwände  gerückte  Rundpfeiler 


NAUNHEIM. 


47 


mit  schlichtem  Schmiegenge- 
sims in  drei  gleichhohe  Schiffe 
geteilt,  mit  rippenlosen,  roh 
gemauerten  Gewölben ,  deren 
Gräte  im  Scheitel  kuppelartig 
zusammenlaufen.  Von  den  ur- 
sprünglichen kleinen  Rund- 
bogenfenstern ist  nur  in  der 
Nordwand  eins  erhalten.  Nach 
Westen  schliesst  sich  an  das 
Langhaus  ein  flachgedeckter 
schmaler  Raum,  der  in  derWest- 
wand  drei  Schiesscharten  hat. 
Der  Chorbogen  ist  spitzbogig 
und  ungegliedert.  Über  ihm 
ein  viereckiger ,  beschieferter 
Dachreiter  mit  ins  Achteck 
übergeführtem  Helm;  auf  dem 
First  des  Chordachs  eine  eiserne 
Spitze  mit  sogenanntem  Wie- 
derkreuz, Herz  und  Sonne. 


Fig.  50.  Leisel.  Dorf kir che. 


NAUNHEIM. 

AUNHEIM,  37  km  südlich  von  Biedenkopf,  3,7  km  nord  nordwestlich  von 
Wetzlar. 

KIRCHE.  Turm  spätgotisch  vom  Anfang  des  16.  Jahrhunderts. 
Schiff  inschriitlich  von  1739. 
Im  niedrigen  mit  Walmdach  versehenen  Turme  liegt  der  Chor  mit  einem 
Kreuzgewölbe,  dessen  Rippen  mit  einfachstem  Hohlprofil  auf  rohen  Köpfen  oder 
einem  Brustbilde  oder  einer  männlichen  Gestalt  mit  einer  Perlenschnur  um  den  Hals 
aufsetzen.  Unter  dem  einen  Kopfe  ein  jetzt  verstümmeltes  Wappenschild  mit  Mono- 
gramm H.  S.  Der  Chorbogen  ohne  alle  Gliederung.  Die  Fenster  zweiteilig  mit 
die  äussere  Mauer  berührendem  Masswerk. 

Taufstehi,  westlich  von  der  Kirche,  spätgotisch,  ohne  Schmuck,  oben  pris- 
matisch zwölfeckig,  darunter  ein  spätgotisches  Kehlengesims,  unten  rund,  bauchig,  fast 
konisch  sich  nach  unten  verengend  (Abb.  bei  Dr.  Ph.  Dieffenbach,  Mittelalterl.  Taufsteine  im 
Archiv  für  hess.  Geschichte  Bd.  6  225,  Fig.  13). 

Holsskulpturen :  Christus  am  Kreuz,  Maria  und  Johannes,  spätgotisch.  Maria 
mit  dem  Kinde  auf  dem  Halbmonde,  desgleichen,  jetzt  an  der  Emporbühne  (Lötz). 


48 


NIEDERWEIDBACH. 


NIEDERWEIDBACH. 


jAS  Dorf  Niederweidbach,  23,5  km  südlich  von  Biedenkopf,  3  km 
östlich  von  der  Bahnstation  Bischoffen  (Herborn— Niederwalgern)  gelegen, 
besitzt  in  seiner  jetzt  evangelischen  Kirche  eine  spätgotische, 
der  heiligen  Jungfrau  geweihte  Wallfahrtskirche,  deren  Schiff  nach  einer 
über  dem  Südportal  eingemeisselten  Zahl  1498  erbaut  worden  ist.  Der  Chor  scheint  seinen 

einfacheren  For- 
men nach  älter 
zu  sein.  Sie  ist 
eine  der  in  un- 
serem Bezirk 
seltenen  zwei- 
schiffigen  Hal- 
lenkirchen; über 
dem  gegen  das 
Schiff  nur  wenig 
eingezogenen 
Chor  erhebt  sich 
ein  niedriger 
Turm.DasSchiff 
ist  mit  sechs  ob- 
longen Kreuz- 
gewölben über- 
deckt ,  deren 
Gurte  doppelt, 
die  Rippen  ein- 
fach gekehlt 
sind;  der  auf  den 
Chorbogen  zu- 
führende Gurt 
ist  gegabelt.  Das 
Gewölbe  wird 
in  der  Mitte  von 
zwei  Pfeilern  ge- 
tragen, von  de- 
nen der  östliche 
rund,  der  west- 
liche achteckig 


Fig.  51.  Niederweidbach.  Kirchentür  1825. 


ist;  sie  haben  einfach  gekehlte  Kämpfergesimse,  auf  denen  die  Rippen  und  Gurte  so  auf- 
setzen, dass  ihre  Platten  mit  der  des  Gesimses  bündig  liegen.  Die  Gewölbkonsolen  an 
den  Wänden  sind  zum  Teil  mit  Köpfen  und  Wappen  geziert.  Die  drei  Südfenster  des 


KIRCHE. 


Schiffs  sind  zweiteilig  mit  Fischblasen- 
masswerk, die  zwei  nördlichen  unge- 
teilt. Die  Türe  in  der  Südseite  hat 
eine  reiche,  aber  erst  dicht  unter  dem 
Kämpfer  beginnende  Gliederung , 
deren  mit  gedrehten  Sockeln  ver- 
sehene Stäbe  sich  mehrfach  über- 
schneiden; eine  ähnlich  gegliederte 
Türe  befindet  sich  in  der  südlichen 
Chorwand.  In  die  Nordwestecke  des 
Schiffs  springt  ein  kleiner  Treppen- 
turm ein. 

Der  quadratische  Chor  hat  ein 
rippenloses  Kreuzgewölbe,  in  der  ge- 
raden Ostwand  ein  zweigeteiltes  Fen- 
ster mit  Masswerk,  das  auf  höheres 
Alter  als  das  Schiff  deutet,  in  der 
Süd-  und  Nordwand  je  ein  einteiliges 
Fenster  mit  nasenbesetztem  Gewände. 
Der  Chorbogen  ist  stark  verengt  und 
von  auffallend  dicker,  ungegliederter 
Leibung. 

Das  Äussere  ist  ganz  schlicht; 
Strebepfeiler  fehlen.  Der  Turm  über 
d^m  Chor  hat  ein  neueres  Dach,  in 
welchem  die  Glocken  hängen,  von 
zwei  übereck  gespannten,  gemauerten 
Rundbogen  getragen. 

An  der  Nordwand  des  Chors  ist 
ein  zierliches,  leider  von  der  Orgel- 
empore überschnittenes  Wandtaber- 
nakel, das  auf  einer  gedrehten  Säule 
ruht.  Der  Schrein  ist  von  zwei  über- 
eck gestellten  Fialen  begleitet,  die, 
in  ihren  oberen  Verdachungen  mit 
lilienförmigen  Kreuzblumen  belegt, 
unter  dem  sehr  kräftigen,  mit  Zinnen 
besetzten  Abschlussgesims  endigen. 
In  dem  mit  Krabben  besetzten  Giebel- 
feld sind  die  Leidenswerkzeuge  (hei- 
liger Rock,  Staupsäule  und  Dornen- 
krone) angebracht. 


I     I     1     I     I     I     I     I     I  1 

Fig.  52.  Niederweidbach.  Tabernakel. 


50 


REDDIGHAUSEN. 


Fig. 53.  Nieäerweidbac/i.  Kirche. 


Ein  jetzt  vor  der  Kirche  liegender  gotischer  Tauf- 
steiii  ist  schlicht  konisch,  mit  zilindrischem  Rand,  der  mit 
zehn  nasenbesetzten  Rundbogen  verziert  ist. 

Ein  Flügelaltar ,  der  sich  aus  katholischer  Zeit  er- 
halten hat,  ist  ein  nicht  unbedeutendes,  leider  durch  un- 
geschickte Restauration  an  den  Gemälden  der  Flügel  ge- 
schädigtes Werk  der  späten  Gotik,  wahrscheinlich  aus  der 
Erbauungszeit  des  Schiffs.  Unter  einer  dreiteiligen  Bal- 
dachin-Architektur steht  Maria  mit  dem  C)iristnski>ule, 
links  Jakobus  der  Jüngere  (in  Pilgertracht),  rechts  Bischof 
Nikolaus  von  Myra  (Bibel  mit  drei  Broten). 

Die  sehr  wertvollen,  auf  gemustertem  Goldgrund 
gemalten  Bilder  der  Flügel,  auf  denen  besonders  einige 
ausdrucksvolle  Köpfe  hervorstechen,  behandeln  unter  einer 
Renaissance-Umrahmung :  Die  heilige  Familie,  die  Hinmiel- 
fahrt Mariae  in  Gegenwart  der  Apostel  und  ihre  Krö- 
nung durch  Gott  Vater  und  Christus. 

REDDIGHAUSEN. 


lORF  Reddighausen  an  der  Eder,  4  km  westlich  von  Battenberg. 

KIRCHE,  Holzbau.    Interessant  durch  die  gute  Ausbildung  der 
Deckenstützen  mit  Sattelhölzern  und  Kopf  bändern  und  durch  die  hübsche 
für  Dorf  kirchen  vorbildliche  Zeichnung  des  achteckigen  Dachreiters,  dem  die 
acht  kleinen  Schallöcher  im  oberen  Achteckaufsatz  eine  gefällige  Bereicherung  geben. 
Auch  Dodenau,  2  km  von  Reddighausen,  hat  gut  gezeichnete  Deckenstützen. 


DoileRau 


Fig.  54.  Kirchen  zu  Dodenau  und  Reddighausen.  Empoi  eiistützen. 


52 


DILLENBURG,  GESCHICHTLICHES. 


DILLENBURG. 


Kremer,  Orig.  Nass.  II.  293.  —  Amoldi,  Gesch.  der  Nass.-Oran.  Länder  I.  188;  IL  b,  82.  — 
Vogel,  Beschr.  v.  Nassau  707  ff.  —  Nass.  Ann.  10,  223  —  252.  —  A.  Cremer  in  der  Zeitschr.  für 
das  Bauwesen  1873,  495—502  u.  Bl.  56,  57,  Atlas.  —  C.  Dönges,  Belagerung  etc.  von  Schloss  und 
Festung  Dillenburg  (Veröffentl.  d.  histor.  Vereins  in  Dillenburg  Nr.  3),  Dillenburg  1904. 

IE  Kreisstadt  Dillen  bürg  ist  zwar  im  Vergleich  zu  den  uralten  Nach- 
barstädten Herborn  und  Haiger  eine  jüngere  Ansiedelung;  als  Residenz 
der  Grafen,  später  Fürsten  der  Nassau-Ottonischen  Linie  wurde  ihr  jedoch 
fast  von  der  Zeit  ihrer  Gründung  im  13.  Jahrhundert  an  eine  hervor- 
ragende Bedeutung  zuteil. 

Geschichtliches.  Die 
Gründung  der  Stadt  Dillenburg 
knüpft  sich  eng  an  die  Erbau- 
ung des  Schlosses  durch  den 
Grafen  Heinrich  II.  von 
Nassau  (1197  bis  1247).  Als 
I^andesherren  in  dieser  Gegend 
linden  wir  die  Nassauer  Grafen 
zuerst  1231 ;  es  ist  also  anzu- 
nehmen, dass  auch  bald  nach 
i  dieser  Zeit  als  Schutz-  und 
Wljj^^Z-  Grenzburg  des  neuerworbenen 
Landes  die  Burg  auf  dem 
Dillenberg  in  der  Gemarkung 
des  Dorfes  Veitbach  erbaut 
worden  ist.  Erwähnung  findet 
sie  zum  erstenmale  nach  Hein- 
richs Tode  im  Jahre  1255.  Von 
seinen  Nachfolgern  mehrfach 
zum  Wohnsitz  gewählt,  wurde 
sie  ständige  Residenz  von  Wil- 
helm dem  Reichen  (1516 
bis  1559)  an  bis  zum  Aussterben 
der  Beilstein-Dillenburger  Linie 


Fig. 58 .  Festung  Dillenburg  nach  tleiii  Grundriss  Valkeiibergs  1619.  j^jf  Christian  1739. 

Die  Stadt  scheint  ihren  Ursprung  von  den  Ansitzen  der  zahlreichen  Burg- 
männer genommen  zu  haben,  unter  denen  die  von  Dillenburg  1279  bis  1342  vorkommen, 
zu  denen  ferner  die  von  Abenrade,  Fleckenbühl,  Heyde,  Haiger,  Hunsbach,  Rols- 
hausen,  Schönbach  und  Sprikast  gehörten.  Sie  wohnten  meist  am  Fuss  des  Burg- 
bergs in  der  Marbach,  dem  ältesten  Teil  der  Stadt,  die  schon,  ehe  sie  noch  durch 
Mauern  und  Tore  geschützt  war,  von  Kaiser  Ludwig  1344  Stadtrechte  erhielt. 


PFARRKIRCHE. 


53 


Bis  1441  stand  die  Stadt  unter  dem  Gericht  von  Herborn;  mit  der  Verleihung 
eines  eigenen  Gerichts  vergrösserte  sie  sich  bald  und  erhielt  1479  die  zweite  Haupt- 
strasse, die  ,,iieue  Stadt".  Eine  starke  Zunahme  erfuhr  sie  später  durch  den  Zuzug 
der  Einwohner  aus  dem  benachbarten  Dorfe  Feldbach,  dessen  Pfarrei  1490  hierher 
verlegt  wurde.  An  diese  Erweiterung  schliesst  sich  auch  die  Erbauung  der  Stadt- 
kirche, während  seit  1453  hier  nur  eine  Kapelle  bestanden  hatte.  Die  bis  dahin  offene 
Stadt  wurde  erst  durch  Johann  den  Älteren  {1559  bis  1606)  mit  Befestigungen  ver- 
sehen, der  auch  im  übrigen  durch  Gewährung  bürgerlicher  Freiheit  und  Anordnung 
von  Jahrmärkten  für  ihr  Aufblühen  sorgte. 


Fig.  59.  Dille)ibuyg.  Pfarrkirche  (vor  dem  Bau  des  Trcppcnturiiis). 

Nachdem  das  Schloss  im  siebenjährigen  Kriege  1760  [durch  die  Franzosen  zer- 
stört war,  erweiterte  sich  die  Stadt  beträchtlich,  in  der  1787  die  neue  Marktstrasse 
angelegt  wurde.  Bedeutende  Feuersbrünste  (suchten  die  Stadt  1524  und  1723  heim. 
Die  Reformation  wurde  1530  eingeführt;  1536  entstand  eine  Lateinschule,  die  1744 
zu  einem  Pädagogium  erhoben  wurde. 

DIE  PFARRKIRCHE  ST.  JOHANN,  während  der  Regierungszeit  des  Grafen 
Johann  V.  1475  bis  1516  erbaut,  ist  eine  einschiffige,  spätgotische  Kirche,  mit  ge- 
wölbtem Chor,  flachgedecktem,  1594  bis  1597  erneuertem  Schiff  und  Westturm. 

Der  Chor,  aus  zwei  oblongen  Jochen  und  halbem  Achteck  bestehend,  hat 
Slerngewölbe  mit  einfach  hohlprofilierten  Rippen,  die  auf  Konsolen  mit  Blattwerk 
und  Köpfen  aufsetzen  und  von  deren  Schlussteinen  einer  das  nassauische  Wappen 
trägt.  Die  spitzbogigen  Fenster  liegen  in  glatten,  schrägen  Gewänden  und  haben 
anstelle  des  verloren  gegangenen  Masswerks,  ebenso  wie  das  Schiff,  eine  Teilung 
durch  schmiedeeiserne  Rahmen.  Die  Strebepfeiler  sind  einmal  abgesetzt  und  haben 
gebrochene  Pultdächer  aus  Haustein.    Der  Chorbogen  ist  ungegliedert. 


54 


DILLENBURG. 


Die  Wände  des  Schiifs  sind  aussen 
durch  flache  Vorlagen  geteilt.  Das  Innere 
ist  mit  Holzemporen  angefüllt,  die  in  einer 
gefälligen  Renaissancearchitektur  gehalten, 
sich  auch  über  die  nördliche  und  südliche 
Chorwand  erstrecken,  hier,  wegen  der  um 
1,10  m  höheren  Lage  des  Fussbodens,  ein- 
geschossig, während  im  Schiff  noch  ein  un- 
teres Geschoss  gewonnen  ist. 

Die  Erhöhung  des  Chors  hat  ihren 
Grund  in  dessen  Bestimmung  als  Begräbnis- 
stätte einer  grossen  Anzahl  von  Angehörigen 
des  Nassau-Oranischen  Fürstenhauses,  unter 
denen  Graf  Wilhelm  der  Reiche,  f  1559,  dessen 
Gattin,  Juliane  von  Stolberg,  f  1580,  die  Eltern 
Wilhelm  des  Schweigers  und  dessen  Bruder, 
Johann  VI ,  f  1606,  hervorzuheben  sind. 

An  der  Südseite  des  Chors  ist  eine 
Gruftkapelle  angebaut,  die,  mit  zwei  rip- 
penlosen Kreuzgewölben  überdeckt,  mehrere 
hölzerne  mit  Metall  beschlagene  Särge  ent- 
hält ;  über  derselben  ist  ein  von  dem  hinter 
der  Kirche  stark  ansteigenden  Gelände  eben- 
erdig zugänglicher,  vielleicht  ursprünglich  als 
Fürstenloge  bestimmter  Raum  angeordnet. 

Nördlich  vor  das  westlichste 
Joch  des  Chors  ist  in  den  letzten 
Jahren  durch  den  Architekten 
L.  Hofmann  (Herborn)  ein  acht- 
eckiger Turm  mit  einer  Emporen- 
treppe eingebaut,  der  ein  Teil 
eines  nicht  zur  Ausführung  ge- 
kommenen Erweiterungsprojek- 
tes der  Kirche  bildete. 

Eine  von  der  Südseite  in  das 
Schiff  führende  Tür  ist  rundbogig, 
im  Profil  mit  einem  Rundstab, 
der  sich  im  Scheitel  kreuzt. 

Der   Turm,   einfach  qua- 

Fig.  60.  Dillenburg.  Pfarrkirche  Choransicht.  Ij.  |^|  dratisch,  hat  im  Erdgeschoss  ein 
rippenloses  Kreuzgewölbe.  Die  an  der  Nord-  und  Südseite  gekuppelten  Schallöff- 
nungen ruhen  mit  ihren  Rundbogen  auf  eckigen,  oben  durch  Auskragungen  bis  auf 


Fig.  61.  Dillcnbuy^i.  Pfarrku  clic.  Iniuiibihi  mich  Osten. 


56 


DILLENBURG. 


die  Mauerdicke  verstärkten  Pfeilern.  Grabplatte  im  Chor  mit  der  Inschrift:  ,,hie 
ligt  das  ....  und  .  .  .  gehirn  johan  graven  csu  fiassau  csu  dietz  csii  viganden 
her  CSU  Herda  sin  hercz  begraben  dein  got  gnedig  sie  obiit  antio  domini  m  cccc» 
Ixxv"  of  saut  blasius  tag"  (1475).  Zwei  Halbfiguren  von  Engeln,  die  das  Herz  halten, 
unter  einem  geschweiften  mit  Krabben  besetzten  Wimperg,  am  Fuss  ein  grosser 
rundbogiger  Schild  mit  dem  nassauischen  Wappen. 

Glocke)i.  Die  grösste  mit  der  Kreuzigungsgruppe  in  zwölf  Zentimeter  hohen 
Relieffiguren  geschmückt,  ist  1515  von  Heinrich  von  Prüm  gegossen. 

Die  zweite  im  gleichen  Jahre  von  demselben  gegossen,  trägt  als  Schmuck  die 
sitzende  Gestalt  der  heiligen  Anna  und  Maria  mit  dem  Christuskind  auf  dem  Schoss. 

Die  dritte  trägt  die  Jahreszahl  1485. 

SCHLOSSRUINE.  Von  der  ersten  Gründung  durch  Graf  Heinrich  II.  in  der 
Mitte  des  13.  Jahrhunderts  bis  zu  dem  gewaltigen  Baukomplex,  von  dem  uns  das 
Meriansche  Bild  eine  Vorstellung  gibt,  hat  das  Schloss  Dillenburg  eine  Anzahl  von 
Bauperioden  durchgemacht,  als  deren  wichtigste  folgende  genannt  seien: 

In  der  Dernbachschen  Fehde  unter  Heinrich  I.  (t  1343)  soll  es  schon  zerstört 
aber  in  grösserem  Umfang  wieder  aufgebaut  sein.  Eine  bedeutende  Erweiterung 
erfuhr  es  unter  Graf  Johann  V.  zwischen  1468  und  1486,  nachdem  es  1461  mit  Pulver- 
geschütz versehen  war.  In  den  Jahren  1535  und  1536  erbaute  Wilhelm  der  Reiche 
die  noch  heute  bestehende  gewallige  Futtermauer  von  20  m  Höhe  und  300  m  Länge 
aus  Säulenbasalt ;  als  Baumeister  wird  Uz  oder  Ulrich  von  Anspach  genannt.  An 
den  bedeutendsten  aus  dem  Geschlecht  der  Oranier,  den  1533  auf  dem  Schlosse  ge- 
borenen Wilhelm  den  Schweiger,  den  Vorkämpfer  der  niederländischen  Freiheit, 
erinnert  die  noch  heute  grünende  ,,  Wilhelmslinde" ,  unter  der  er  am  14.  April  1568 
die  niederländischen  Gesandten  empfangen  haben  soll,  die  ihm  die  Führerschaft  in  dem 
Freiheitskampf  gegen  Spanien  anboten.  Bei  Beginn  des  dreissigjährigen  Krieges, 
1619,  wurde  das  Schloss  durch  den  holländischen  Ingenieurhauptmann  von  Valkenburg 
auf  seine  Kriegstüchtigkeit  geprüft,  der  auch  einen  noch  gut  erhaltenen  Plan  des 
Schlosses  anfertigte.  Doch  scheint  dieses  von  den  Schicksalen  des  dreissigjährigen 
Krieges  nicht  berührt  worden  zu  sein,  um  erst  im  siebenjährigen  Krieg  ein  Ende  zu 
finden.  Inzwischen  hörte  es  schon  1742  mit  der  Verlegung  der  Nassau-Oranischen 
Regierung  nach  Dillenburg  auf,  fürstliche  Residenz  zu  sein  und  wurde  zur  Unter- 
bringung der  Verwaltung  der  vier  Fürstentümer  Dillenburg,  Siegen,  Diez  und  Hadamar 
nebst  den  hierzu  nötigen  Beamtenwohnungen  benutzt. 

Im  Jahre  der  Zerstörung,  1760,  stand  der  damals  zwölfjährige  Erbprinz  Wilhelm  V. 
unter  der  Vormundschaft  des  Herzogs  Karl  I.  von  Braunschweig- Wolfenbüttel.  So 
erklärt  es  sich,  dass,  obwohl  die  Nassau  Oranier  im  siebenjährigen  Kriege  neutral 
geblieben  waren,  dem  Herzog  Karl  von  Braunschweig  für  ein  Friedrich  zu  Hülfe 
gesandtes  Kontingent  englisch-hannoverscher  Truppen  das  Schloss  Dillenburg  als 
Stützpunkt  eingeräumt  wurde.  Nachdem  das  französische  Korps  des  Generals  Broglie 
unter  Oberst  Filley  diesen  achtzehn  Tage  belagert  und  beschossen  hatte,  musste  die 


SCHLOSSRUINE. 


57 


Besatzung  unter  General  Düring  am  15.  Juli  das  in  Brand  geschossene  Schloss 
übergeben. 

Die  Brandruine  stand  noch  acht  Jalire,  bis  die  nassauische  Regierung  den  Be- 
fehl zu  der  vollständigen  Zerstörung  derselben  gab,  namentlich  um  daraus  Bau- 
material für  die  1768  angelegte  Wilhelmstrasse  zu  gewinnen. 


Fig.  63.  Dillenbtirg.  Pfarrkirche.  Querschnitt  durch  den  Chor. 

Diese  Zerstörung  erfolgte  so  gründlich  und  wurde  durch  Planierungsarbeiten 
in  den  siebziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  so  wirksam  zum  Abschluss  gebracht, 
dass  ausser  den  gewaltigen  unterirdischen  Gängen  und  Kasematten  und  der  grossen 
Stützmauer  nach  der  Stadtseite  heute  nur  noch  dürftige  Mauerreste  von  dem  ehemals 
stolzen  Schlosse  übrig  sind.  Es  würde  also  über  das  ehemalige  Aussehen  und  die 
Anlage  desselben  heute  kaum  ein  sicheres  Bild  gewonnen  werden  können,  ohne  die 
von  Dillich  1605  gezeichnete  und  später  von  Merian  1654  benutzte  Ansicht  und  den 
oben  erwähnten  Grundriss  Valkenbergs,  wozu  noch  eingehende  Inventare  und  Schil- 
derungen der  Innenausstattung  hinzutreten,  die  von  Prof.  A.  Spiess  (Nass.  Ann.  lo, 
223—252)  benutzt  worden  sind. 

Einen  allgemeinen  Überblick  über  die  Anlage  gewährt  auch  Dönges,  (L.  C.  S.  12), 
nach  dem  das  Wesentliche  hier  mitgeteilt  sei  (s.  Fig.  58). 

„Vier  Bollwerke  bildeten  die  Hauptverteidigungspunkte  des  Schlosses :  Nach 
Süden  das  „Rondel",  das  „Junkergemach"  nach  Osten,  die  „scharfe  Ecke" 
nach  Norden  und  das  ,,Jägerge  mach"  nach  Westen. 


58 


DILLENBURG. 


Drei  Haupteingänge  führten  zum  Schloss:  Das  Feldtor,  es  befand  sich  da, 
wo  heute  die  „ WilhelmsHnde"  noch  steht,  das  Kirch entor  bei  der  „scharfen 
Ecke"  und  das  Grabentor,  unter  dem  „Junkergemach"  hindurch  auf  den  unteren 
Schlosshof  führend.  Man  gelangte,  durch  das  Kirchentor  ankommend,  in  den  Wallgraben 
zwischen  der  scharfen  Ecke  und  dem  Junkergemach  durch  ein  Tor  in  die  grosse  Tor- 


fahrt unter  dem  Fischerschen  Garten. 
Aus  der  Torfahrt  gelangte  man  durch 
den  Wallgraben  nach  dem  Feldtor. 
Hinter  den  Wallgräben  lagen  hier 
und  auch  zwischen  Feld-  und  Gra- 
bentor die  Kasematten  stellenweise 
in  drei  Stockwerken  übereinander." 


Über  die  eigentlichen  Schlossbau- 
ten sagt  Spiess  (S.  235^);  „Auf  der 
höchsten  Höhe  des  Berges  umgaben 
die  Gebäude  des  alten  Schlosses,  meist 
noch  in  mittelalterlichem  Stile,  den 
sogenannten  oberen  Schlosshof, 
welcher  ein  unregelmässiges  Vier- 


D 


STADTBEFESTIGUNG. 


59 


eck  bildete.  Hier  haben  wir  die  früheren  Wohnungen  der  Herrschaft  mit  ihren 
mannigfachen  Gängen  und  Treppen,  mit  ihren  ungleichen  Gemächern  und  verschie- 
denen Kellerräumen  zu  suchen,  sowie  sich  auch  die  Kanzlei  und  der  ansehnliche 
Bau  der  Schlossküche  hier  befand.  Ausserdem  aber  schloss  sich  nach  Norden 
zu  an  diese  Bauten  die  in  neuerem  Stil  aufgeführte  Schlosskirche  an.  In  dem 
nördlichen  Winkel  des  Vierecks  stand,  nur  zur  Hälfte  mit  seiner  Rundung  aus  den 
Gebäuden  hervortretend,  der  alte,  nicht  sehr  hohe  Schlossturm.  Dieser  Schloss- 
hof war  indessen  mit  Fuhrwerk  nicht  zu  erreichen ;  es  führten  nur  durch  die  ihn  um- 
gebenden Gebäude  Zugänge  zu  ihm,  ehe  Graf  Johann  die  vom  unteren  Schloss- 
hof aufwärts  gehende  grosse  Freitreppe  angelegt  hatte. 

Der  nach  Süden  zu  gelegene  unter  e  Schlosshof  war  westlich  von  dem  vom 
Grafen  Johann  erbauten  stattlichen,  mit  einem  Turm  versehenen  Zeughaus  und  von 
dem  sogenannten  Wächter-  oder  T  h  e  i  s  gen  st  u  r  m ,  südlich  und  südöstlich  von 
dem  Marstal  1,  der  Schmiede,  Schlosserei  und  anderen  Gebäuden,  sowie  an  der  Seite  des 
alten  Schlosses  hin  von  dem  wahrscheinlich  auch  schon  von  Johann  erbauten  neuen 
Bau  umgeben,  welcher  mit  den  älteren  Schlossgebäuden  in  Verbindung  gesetzt  war." 

Ein  monumentales  Barockgebäude  besitzt  Dillenburg  in  dem  früheren  Archiv, 
jetzigen  Amtsgerichtsgebäude,  dessen  Entstehung  bald  nach  der  Anlage  der  Wilhelm- 
strasse, um  1770  zu  setzen  ist.  Es  ist  aus  Bruchsteinen  mit  Eckquadern,  Fenster- 
einfassungen und  Hauptgesims  aus  rotem  Sandstein  errichtet,  jedes  der  beiden  Ge- 
schosse mit  zwölf  oblongen  Kreuzgewölben  und  einem  quadratischen  Kreuzgewölbe 
über  dem  Vorraum  der  Treppe  überwölbt. 


STADTBEFESTIGUNG.  Obgleich  wie  erwähnt  Dillenburg  seit  1344  im  Besitz 


von  Stadtrechten  war, 
blieb  es  doch  noch  dritt- 
halbhundert  Jahre  ein 
offener  Ort.  Die  Ansicht 
von  1517  zeigt  noch  Pal- 
lisaden  längs  des  Dill- 
ufers und  nur  am  süd- 
lichsten Teil  ein  Stück 
Mauer  mit  Zinnen,  die 
das  unterste  Tor  vertei- 
digten. Die  1588  begon- 
nenen Mauern  und  Tore, 
die  man  auf  dem  Merian- 
schen  Bilde  die  Stadt  um- 


Fig.65.  Dillenburg.  Stadtwappen. 


ziehen  sieht,  sind  fast  ganz 
verschwunden.  Nur  an 
der  Dill  ist  noch  ein 
Stück  mit  niedrigen,  tief- 
liegenden Schiesslöchern 
und  einem  runden  Mauer- 
turm erhalten,  der  kürz- 
lich hergestellt  worden 
ist ;  ausserdem  sieht  man 
noch  am  Ende  der  Mar- 
bach ein  Stück  des  von 
hier  den  Berg  empor 
zum  Schloss  führenden 
Mauerzugs. 


60 


HAIGER,  GESCHICHTLICHES. 


Fig.  66.  Ansicht  der  Stadl  Haiger  nach  Merian. 


HAIGER. 


Vogel,  Beschreibung  159,   186,  367,  711  ff. 
Gesch.  der  Oran.-Nass.  Lander  I  133  ff.;  Illb  165. 


Kremer,  Origines  2,  40,  120.  —  Arnoldi, 
Codex  Laurishain.  III  Nr.  3058,  3047. 


IE  Stadt  Haiger  Hegt  b  km  westlich  von  Dillenburg  in  einem  anmutigen 
durch  das  Zusammentreffen  dreier  Täler  gebildeten  Talgrund,  in  dem 
sich  die  Wässer  des  Au-  und  Weierbachs  mit  der  Dill  vereinigen. 

Geschichtliches.  Der  Ort,  dessen  hohes  Alter  zumeist  aus  den 
Lorscher  Urkunden  zu  belegen  ist  (ao.  781,  Heigrehe)  war  Mittelpunkt  und  Gerichts- 
stätte des  Haigergaus,  dessen  Grenzen  in  einem  913  errichteten  und  1048  erneuerten 
Weistum  festgelegt  sind.  Sie  liefen  von  der  Quelle  der  Diezhölze  (nahe  bei  der 
Lahnquelle)  bis  zu  deren  Mündung  in  die  Dill  oberhalb  Dillenburg  und  zogen  in  einer 
schwach  nach  Süden  abweichenden  Linie  nach  Westen  bis  sie  zwischen  Marienberg 
und  Hachenburg  die  grosse  Niester  erreichten.  Dieser  folgten  sie  bis  zur  Boden- 
bach und  wandten  sich  dann  wieder  scharf  nach  Osten  auf  durchschnittlich  10  km 
Entfernung  mit  der  ersten  Linie  parallel,  das  Siegener  Land  durchschneidend,  bis 
zur  Kalten  Eiche,  von  wo  sie  längs  der  jetzigen  Grenze  des  Regierungsbezirks  wieder 
die  Quelle  der  Diezhölze  erreichten. 

Als  Gaugrafen  kommen  für  den  Haigergau  erst  spät  im  13.  und  14.  Jahrhundert 
die  Dynasten  von  Molsberg  vor.  Ob  Vogels  Annahme  richtig  ist,  dass  sie  auch  in 
dieser  Würde  die  Erben  der  im  12.  Jahrhundert  ausgestorbenen,  in  diesem  Gau  an- 
sässigen Grafen  von  Freusberg  waren,  oder  ob  der  Gau  in  ältester  Zeit  Königsgut 
war,  muss  dahingestellt  bleiben.  Die  erste  Erwähnung  des  Ortes  Haiger  findet  sich 
in  einer  Schenkung  an  das  Kloster  Lorsch  von  778,  die  781  bestätigt  wird;  eine 
andere  Schenkung  an  das  Kloster  Weissenburg  datiert  aus  demselben  Jahrhundert. 
Im  Anfang  des  10.  Jahrhunderts  hat  König  Konrad  I.  hier  eine  Kirche  erbaut,  die 


PFARRKIRCHE. 


61 


als  Ecclesia  baptismalis  bezeichnet  wird.  Er  fundierte  sie  auf  den  kaiserlichen 
Hof  mit  Zehnten  und  schenkte  sie  913  an  das  von  ihm  gegründete  Stift  zu 
Weilburg,  mit  dem  sie  993  an  Worms  überging.  Nach  einem  Erweiterungs-  oder 
Neubau  wurde  sie  1048  von  den  Bischöfen  von  Trier  und  Worms  geweiht  (Philippi, 
Siegener  Urkundenbuch  Nr.  2). 


Fig.  67.  Haiger.  Pfarrkirclie. 


Schon  im  13.  Jahrhundert  besass  in  dem  Haigerer  Gericht  auch  das  Haus  Nassau 
Gerechtsame,  die  bei  der  Teilung  von  1255  an  die  Ottonische  Linie  fallen.  Heinrich  I. 
erwirbt  1311  und  1323  von  Gyso  von  Molsberg  die  Landeshoheit  über  das  Gericht 
Haiger  und  bringt  auch  alle  Gerechtsame,  welche  die  Adligen  von  Haiger  hier  be- 
sassen,  durch  Kauf  an  sich,  sodass  von  da  ab  Haiger  dauernd  zum  nassauischen  Be- 
sitz gehört.  Bei  der  Erbteilung  der  alten  Dillenburger  Linie  von  1425  erhält 
Johann  III.  die  Burg  zu  Haiger  als  Wohnsitz.  Dreissig  Jahre  später  ging  diese  als  Erb- 
Burglehn  an  ihre  ursprünglichen  Besitzer,  die  Adligen  von  Haiger  zurück.  Dieses 
Geschlecht,  das  urkundlich  zuerst  1158  erscheint,  erlosch  1511,  worauf  auch  ihr  Stamm- 
sitz bald  zerfiel,  sodass  1617  nur  noch  einige  Reste  übrig  waren.  Heute  ist  sie  bis 
auf  die  letzte  Spur  verschwunden. 

DIE  EVANGELISCHE  PFARRKIRCHE  wurde,  wie  erwähnt,  von  Konrad  I. 
als  „Taufkirche"  erbaut;  an  ihr  bestand  bis  zur  Einführung  der  Reformation  1537 
das  Ruralkapitel  oder  Erzpriestertum  für  den  ganzen  ehemaligen  Gau. 

Baubeschreibung.  Die  jetzige  Kirche,  die  Lötz  mit  Recht  „ein  sehr  merk- 
würdiges Gebäude  nennt",  zeigt  zwischen  einem  ganz  ungegliederten  massiven  West 


62 


HAIGER. 


türm  und  dem  ebenso  massiv  gebauten,  in  drei  Seiten  des  Fünfecks  geschlossenen 
Chor  ein  fast  quadratisches  Schiff,  das  aus  neun  oblongen,  auf  vier  Pfeilern  ruhenden 
gleichhohen  Gewölbfeldern  besteht.  Diese,  durch  die  Leichtigkeit  ihrer  Umfassungs- 
wände auffallende  Hallenkirche,  macht  den  Eindruck  eines  Zen- 
tralbaus. Einigermassen  verwischt  wird  die  zentrale  Anlage  da- 
durch, dass  die  beiden  östlichen  Seitenschiffjoche  in  wenig  orga- 
nischer Weise  eine  Erweiterung  nach  Norden  und  Süden  durch 
vorgestreckte  Abschlüsse  im  halben  Achteck  erhalten  haben, 
deren  Gewölbe  1,50  m  tiefer  als  die  Schiffgewölbe  liegen.  So 
erhält  der  Grundriss  Ähnlichkeit  mit  einer  kreuzförmigen  Hallen- 
kirche, als  welche  wir  sie  bei  Lötz  bezeichnet  finden. 

Die  Bauformen,  durchweg  der  spätesten  Gotik  angehörig, 
weisen  als  Zeit  der  Erbauung  auf  die  zweite  Hälfte  des  15.  Jahr- 
hunderts. Die  vier  Mittelpfeiler  haben  Vierpass-Querschnitt  auf 
zylindrischen  hohen  Sockeln,  anstelle  der  Kapitäle  ungegliederte 
Platten.  Die  Gewölbe  sind  spitzbogige  Kreuzgewölbe  mit  hohl 
gegliederten  Rippen,  die  in  Spitzen  in  die  Wände  verlaufen,  nur 


Fig  68.  Haiger.  Pfarrkirche.  Siidausichl . 

im  westlichen  Joch  der  Seitenschiffe  ohne  Rippen,  im  östlichen  Joch  des  nördlichen 
Seitenschiffs  von  Köpfen,  des  südlichen  von  gegliederten  Konsolen  gestützt.  Auch 
im  Mitteljoch,  das  ein  Sterngewölbe  hat,  ruhen  die  Rippen  auf  Kragsteinen  mit 
Köpfen  oder  Wappenschilden.  Der  dies  Gewölbe  nach  Osten  begrenzende  Gurt- 
bogen ist  halbkreisförmig,  der  Chorbogen  ungegliedert,  der  Chor  mit  zwei  Ge- 
wölben überdeckt,  von  denen  dasjenige  des  Chorschlusses  im  Schlusstein  den  heiligen 
Martin  mit  dem  Bettler  zeigt. 


PFARRKIRCHE. 


63 


Die  Fenster  sind  durchweg  spitzbogig  mit  schrägen  Gewänden  und  spätgotischem 
hohlprofiliertem  Masswerk.  Das  östliche  Chorfenster  ist  dreiteilig,  die  übrigen  zwei- 
teilig und  ungeteilt.  Die  Fenster  der  Seitenschiff- Vorbauten  liegen  im  Äussern  in 
flachen  Blenden ,  oben 
durch  Rundbogenfriese 
abgeschlossen.  Eine  spitz- 
bogige  Tür  im  Chor  und 
eine  rundbogige  im  süd- 
lichen Seitenschiff  sind 
ganz  ungegliedert. 

Die  Strebepfeiler  am 
Chor  sind  flach  und  un- 
gegliedert ,  mit  Pultdä- 
chern abgedeckt ;  ausser 
ihnen  finden  sich  noch 
Strebepfeiler  an  der  Süd- 
wand und  der  Nordwest- 
ecke des  Schiffs. 

Unter  dem  Ostteil 
des  Chors  befindet  sich 
eine  kleine  Krypta  von 
unregelmässig  fünfseiti- 
gem Grundriss,  mit  einem 
rippenlosen,  rundbogigen 
Kreuzgewölbe  überdeckt, 
dessen  Schildbogen  teils 
rund  und  teils  spitzbogig 
sind.  Die  Eingangstür 
hat  einen  mit  Nasen  be- 
setzten Spitzbogen. 

Der  Turm,  nur  von 
aussen  durch  eine  rund- 
bogige  Tür  zugänglich, 
geht  massiv,  an  der  West- 
seite mit  einem  gebösch- 
ten  Strebepfeiler  besetzt, 
bis  zur  First  des  Kirchen- 
dachs. Hierauf  setzt  sich 
eine  in  Holz  erbaute  und 
beschieferte  Glockenstu- 
be, die  eine  welsche  Hau- 
be trägt.  Im  Innern  steigt 


64 


HAIGER. 


der  Glockenstuhl  frei  verzimmert  von  einem  3  m  über  Erdgeschoss  liegenden  Mauer- 
absatz auf.  Die  Nordwand  des  Chors  enthält  ein  steinernes  Watidtaberiiakel  in 
plumpen  spätgotischen  Formen  mit  Wimperg.   Bei  der  Neutünchung  der  Kirche  im 

Jahre  1902  kamen  alte  Wandmalereien  zum  Vor- 
schein, die,  soweit  sie  im  Schiff  nur  aus  spärlichen, 
zusammenhanglosen  Resten  bestanden,  wieder  zu- 
getüncht wurden.  Diejenigen  des  Chors  erwiesen 
sich  jedoch  als  eine  nach  bestimmten  Grundgedanken 
abgeschlossene  Bilderfolge  von  so  erheblichem  Kunst- 
wert, dass  ihre  vollständige  Aufdeckung  und  Erhal- 
tung beschlossen  und  unter  Beihilfe  der  kgl.  Staats- 
regierung und  des  Bezirksverbandes  bis  zum  Herbst 
des  Jahres  1905  mit  einer  Aufwendung  von  rund 
5000  Mark  von  dem  Maler  Wilhelm  Batzem  in  Köln 
in  vorzüglicher  Weise  ausgeführt  wurde. 

Die  Bilder,  deren  Entstehung  ihrem  Stil  nach  in 
das  Ende  des  15.  oder  Anfang  des  16.  Jahrhunderts 
zu  setzen  ist,  haben  zum  Gegenstand  die  Passion, 
die  zwölf  Apostel  und  das  jüngste  Gericht.  Letzteres, 
an  den  Gewölben  dargestellt,  hat  zum  Mittelpunkt 
Christus  als  Weltrichter  nach  der  Darstellung  der 
Offenbarung  Johannis.   Christus  thront  mit  segnend 
erhobener  rechter  Hand,  aus  seinem 
Munde   geht   ein  Schwert  und  ein 
Lilienstengel  hervor.  Zu  seiner  Rech- 
ten und  Linken  knieen  zwei  gegen 
ihn  geneigte  Gestalten.  Die  Gewölb- 
kappen nächst  dem  Chorbogen  wer- 
den von  Engeln  des  Gerichts  ein- 
genommen, die  mit  ihren  Posaunen 
die  Toten  erwecken,  andere  Engel 
tragen  die  Leidenswerkzeuge.  In  den 
Gewölbzwickeln    nächst  den  Lang- 
wänden sind  die  Strafen  und  Beloh- 
Fis.  70.  HaiKcr.  Pfarrkirche.  Choransicht.  nungen  des  jüngsten  Tages  zur  An- 

schauung gebracht ;  die  Anordnungen  der  Figurengruppen  ist  meist  so  getroffen,  dass 
in  den  vom  Schiff  der  Kirche  sichtbaren  Feldern  die  dem  Weltrichter  durch  Engeln 
zugeführten  Seligen,  in  den  abgewendeten  Feldern  die  Verdammten  angebracht  sind, 
die  von  Teufeln  in  oft  sehr  drastischer  Darstellung  gepeinigt  werden.  Die  vier  Ge- 
wölbzwickeln des  Chorschlusses  enthalten  die  vier  Tiere  (Offenbarung  4),  welche 
später  die  Bedeutung  der  Evangelischen  Symbole  angenommen  haben,  in  besonders 
schöner,  streng  heraldischer  Zeichnung. 


Fig.  71.  Haiger.  Pfarrkirche.  Mcilereieii  im  Clioygen.'ölbe. 


PFARRKIRCHE. 


65 


Von  den  Schlussteinen  des  Gewölbes  strahlt  ein  Ornament  aus  in  den  Formen 
der  spätesten  Gotik.  Die  Fläche  der  Kappen  ist  mit  einem  Blumenmuster  überstreut. 

Um  den  unteren  Teil  der  Wände  unter  den  Fensterbänken  zieht  sich  in  fries- 
artig aneinandergereihten  Bildern  die  Darstellung  der  Passion  entlang.    Die  Bilder, 


Fig.  72.  Haiger.  Pfarrkirche.  Fenstermasswerk. 


die  an  der  Nordseite  bei  dem  Triumphbogen  mit  dem  Einzug  in  Jerusalem  beginnen 
und  an  der  gleichen  Stelle  an  der  Südwand  mit  der  Grablegung  endigen,  sind  auf 
weissem  Grund  gemalt,  der  durch  ein  Streumuster  von  roten  Rosen  mit  je  zwei  grünen 
Blättern  belebt  ist.  Als  unterer  Abschluss  dient  ein  gelbes  Band,  auf  dem  rote  Ro- 
setten gleichmässig  verteilt  sind. 

Über  diesem  Passionsfries  umzieht  die  Chorwände  eine  Folge  der  Apostel,  grosse 
Figuren  in  lebendig  bewegten  Stellungen  und  mit  zum  Teil  vorzüglich  gemalten  Köpfen ; 
sie  halten  Schriftrollen  mit  ihren  in  gotischen  Minuskeln  geschriebenen  Namen.  Ein  Teil 


der  Apostelfiguren  hat  in 
den  breiten  Leibungen 
der  Fenster  Platz  gefun- 
den. An  der  südlichen 
Seite  ist  auf  der  Leibung 
des  Chorbogens  noch  das 
ausserhalb  dieser  Bilder- 
folge stehende,  in  kleinem 
Masstab  ausgeführte,aber 
wohlerhaltene  Bild  von 
dem  Begräbnis  des  hei- 
ligen Sebald  aufgefunden 


Leichnam  desHeiligen,  an 
Pilgerhut  und  Heiligen- 
schein erkennbar,  wird, 
vne  er  es  nach  der  Le- 
gende bei  Lebzeiten  be- 
stimmt hatte,  auf  einem 
mit  zwei  Stieren  bespann- 
ten Wagen  vor  ein  Haus 
geführt,  in  dessen  Tor- 
weg und  näherer  Umge- 
bung mehrere  Personen 
mit  dem  Ausdruck  des  Er- 


und  erhalten  worden.  Der         Fig.  73.  Haiger  Stadtwappen.        Staunens  zu  sehen  sind. 


5 


66 


HERBORN. 


Fig.  74.  Herborn.  Aitsiclit  nacli  Mcrian. 


HERBORN. 


J.  H.  Steubing,  Topographie  der  Stadt  Herborn,  Marburg  1792,  8".  —  Vogel,  Beschreibung, 
159,  212,  718.  —  P.  Wagner,  Nass.  Annalen,  Bd.  32,  26—44. 

!IE  Stadt  Herborn,  6  km  südlich  von  Dillenburg  an  der  Dill  gelegen, 
sieht  auf  ein  hohes  Alter  zurück,  dessen  erste  Jahrhunderte  leider  nicht 
durch  sichere  geschichtliche  Kunde  aufgehellt  werden.  Von  der  Mitte 
des  13.  Jahrhunderts  an  finden  wir  die  Stadt  und  Mark  Herborn  im  Be- 
sitz der  nassauischen  Grafen.  Der  Weg,  auf  dem  sie  zu  diesem  Besitz  gelangt  sind, 
kann  bis  jetzt  nur  vermutungsweise  angegeben  werden.  In  der  oben  angeführten 
Abhandlung  widerlegt  P.  Wagner  die  von  C.  D.  Vogel  aufgestellte  Vermutung, 
dass  die  Herborner  Mark  ein  AUodialbesitz  der  Grafen  von  Gleiberg  gewesen 
und  infolge  Heirat  durch  Erbfolge  an  das  nassauische  Haus  gekommen  sei.  Er 
selbst  gelangt  zu  der  Überzeugung,  dass  die  Herborner  Mark  nicht  ein  Teil  des 
alten  Erdehe-Gaus,  sondern  ein  selbständiger  Untergau  des  Niederlahngaus  und  in 
ältester  Zeit  unmittelbares  Königsgut  gewesen  sei.  Bis  zum  13.  Jahrhundert  ist  nicht 
nachzuweisen,  dass  eine  auswärtige  Herrschaft  darin  Fuss  gefasst  habe.  Herborn 
war  schon  im  frühen  Mittelalter  der  wirtschaftliche,  kirchliche  und  politische  Mittel- 
punkt der  Herborner  Mark,  einer  Landesgemeinschaft,  die  ihren  Namen  von  der 
Stadt  trug,  nicht  umgekehrt.  Ihre  Grenze  erstreckt  sich  von  einer  Linie  Heiligen- 
born-Fleissbach  im  Südwesten,  anfangs  stark  ausbauchend,  dann  sich  wieder  ver- 
jüngend, bis  zu  einer  Linie  Eiershausen-Hirzenhain- Wallenfels  im  Nordosten.  Ihre 
Ostlinie  fällt  ziemlich  genau  mit  der  Grenze  des  Kreises  Dillenburg  zusammen. 


GESCHICHTLICHES. 


67 


Die  erste  Erwähnung  der  Mark  Herborn  geschieht  1048  in  einer  Urkunde  über 
die  Weihe  der  dem  Walpurgiskloster  in  Weilburg  geschenkten  Kirche  in  Haiger 
sowie  über  die  Begrenzung  des  Kirchspiels  ,,inter  Donerbach  et  Haigere,  übt  termi- 
natur  Herbore  marca"  etc.  Da  diese  Grenzbestimmung  aber  eine  wörtliche  Wieder- 
holung derjenigen  von  der  Schenkung  selbst  ist,  die  im  Jahre  914  erfolgte,  so  kann 
man  die  erste  Erwähnung  der  Herborner  Mark  in  dieses  Jahr  setzen. 


Fig.  75.  Herborn.  Strassenansicht  mit  dem  Rathaus. 


Von  1231  an  ist  Nassau  im  Besitz  der  Hoheitsrechte  über  die  Mark ;  es  musste 
diese  Rechte  im  13.  und  14.  Jahrhundert  wiederholt  gegen  zwei  einheimische  Ge- 
schlechter, die  Dernbach  und  Bicken,  verteidigen.  Die  erste  Kunde  von  nassauischem 
Besitz  gibt  1231  die  Schenkung  des  Patronats  über  die  Herborner  Kirche  an  den 
Deutsch-Orden  durch  Graf  Heinrich  II.  von  Nassau.  Ursprünglich  trug  dies 
Patronat  der  Landgraf  von  Thüringen  vom  König  Heinrich  VII.  zu  Lehen  und 
hatte  seinerseits  damit  den  Nassauer  Grafen  belehnt.  Wenn  die  Annahme  richtig  ist, 
dass  die  Herborner  Mark  Königsgut  war,  so  ist  zu  vermuten,  dass  König  Heinrich 
nicht  nur  die  Kirche,  sondern  alle  Königsrechte  an  der  Mark  dem  Landgrafen  von 
Thüringen  gegeben  hat,  der  in  dieser  Zeit  (1130—1247)  auch  Graf  von  Hessen  war. 


68 


HERBORN. 


Im  14.  Jahrhundert  ist  die  Mark  also  hessisches  Lehen.    Nachdem  (sie  bei  der 
ersten  nassauischen  Teilung  1255  an   Otto  gefallen  war,  ging  sie  bei  der  zweiten 

Teilung  1303  mit  dem  Kalen- 
berger Zent  an  den  jüngsten 
der  Brüder,  Johann,  über, 
der  ohne  Nachkommen  starb. 
Er  sicherte  aber  seinem  Bruder 
-Heinrich  das  Land,  indem 
er  es  ihm  zu  Lehen  auftrug. 
Hierzu  gibt  Landgraf  Heinrich 
von  Hessen  als  Oberlehensherr 
seine  Zustimmung. 

Auch  in  die  erwähnten  lang- 
jährigen Kämpfe  der  Nassauer 
mit  den  einheimischen  Adels- 
häusern griffen  die  hessischen 
Landesherren  wiederholt  ein. 

Die  Nassauer  nahmen  sich 
des  Herborner  Gebietszu- 
wachses eifrig  an  ;  auf  Bitten 
der  Grafen  Walram  und  Otto 
verlieh  der  deutsche  König  Wil- 
helm dem  Orte  Herborn  1251 
Stadtrechte  (Kremer,  Origines  2, 
287).  Sie  oder  ihre  Nachfolger 
bauten  daselbst  eine  Burg,  die 
1341  zuerst  urkundlich  erwähnt 
wird.  Im  15.  und  16.  Jahrhun- 
dert gedieh  die  Stadt  durch 
Handel  und  Gewerbe  zu  an- 
sehnlicher Blüte.  Einer  der  be- 
deutendsten Herrscher  aus  dem 
Nassau- Oranischen  Hause,  Graf 
Johann  VI.  von  Dillen- 
burg, stiftete  hier  eine  hohe 
Schule,  die  am  l.juli  1584  er- 
öffnet wurde  und  bald,  nament- 


I 


Fig.  76.  Herborrt.  Pfarrkirche.  Grundriss. 
lieh  durch  ihre  theologische  Fakultät,  eine  grosse  Bedeutung  im  wissenschaftlichen 
Leben  Deutschlands  gewann. 


DIE  STADTKIRCHE,  von  deren  Schenkung  an  den  deutschen  Orden  1231 
bereits  die  Rede  war,  dürfte  in  ihren  ältesten  Teilen,  den  beiden  sehr  nahe  beiein- 


STADTKIRCHE. 


69 


ander  stehenden  Chor- 
türmen, aus  romanischer 
Zeit  stammen.  Der  jetzige 
Bau  zeigt  einen  spät- 
gotischen ,  einschiffigen 
Chor,  im  halben  Achteck 
geschlossen  und  mit  rei- 
chen Netzgewölben  über- 
deckt. Diese  sind  ein- 
fach hohl  profiliert  und 
setzen  auf  roh  gearbei- 
teten wappenhaltenden 
Brustbildern  von  Engeln, 
an  den  östlichen  Ecken 
auf  Köpfen  auf.  Die 
schmalen,  spitzbogig  ge- 
schlossenen Fenster,  mit 
spätem  Holzmasswerk 
ausgesetzt,  zeigen  noch 
Ansätze  des  alten  Stein- 
masswerks, das  bei  einer 
jetzt  im  Werk  begriffenen 
Herstellung  wieder  er- 
gänzt werden  soll.  Im 
Westteil  wird  der  Chor 
verengt  durch  zwei  vier- 
eckige Türme,  die  auf 
dem  Merianschen  Plan 
noch  über  das  Dach  hoch- 
geführt und  mit  welschen 
Hauben  (urkundlich  von 
1562)  bedeckt  erscheinen. 
Sie  wurden  1815  bis  1817 
abgetragen  und  endigen 
jetzt  unter  dem  Chordach 
Das  Schiff  ist  ein 
nahezu  quadratischer , 
schmuckloser  Raum,  des- 
sen flache  Decke  vermit- 
telst zweier  starker  Unter- 
züge von  vier  schlanken, 
steinernen  Rundpfeilern 


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S 


>W^\N\\N\\'^a;.i<^N\,\i;S,\svxV.N..N\SSS-i 


10 


HERBORN. 


mit  schlichten  Knaufprofilen  und  Sattelhölzern  getragen  wird.  Auch  hier  sind  die 
Fenster  spitzbogig  mit  Holzmasswerk. 

Der  Turm,  im  Erdgeschoss  nach  der  Kirche  zu  in  seiner  ganzen  Breite  rund- 
bogig  geöffnet,  hat  keine  Gewölbe,  sondern  vier  Balkenlagen.    Er  ist  1620  hergestellt, 


Flg.  78.  Herborn.  Chor  der  Pfarrkirche. 

eingestürzt.  Das  jetzige  achteckige  Glockenhaus  mit  geschweiftem  Dach  wurde 
1822  erbaut.    Auf  dem  Merianschen  Bilde  hat  er  ein  schlankes  Spitzdach. 

Die  Kirche  ist  ganz  mit  Holzemporen,  im  Schiff  zwei-,  im  Chor  eingeschossig, 
angefüllt,  deren  gut  profilierte  Stützen  und  nicht  ohne  Aufwand  gearbeiteten  Brüstungen 


STADTKIRCHE. 


71 


auf  die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  weisen.  Als  Bauzeiten  der  Kirche  führt  Lötz 
nach  Steubing  die  Jahre  1598  bis  1609,  1650,  1705,  1802  an.  Bei  einer  Herstellung, 
der  die  Kirche  im  laufenden  Jahr  unterzogen  wird,  sind  im  Chor  Reste  von  Bemalung 
aus    drei    verschiedenen  Perioden   zutage  getreten.    Von  einer  in  ornamentalen 


Fig.  79.  Heyborn.  Pfarrkirche.  Maleret  im  Chor. 


Streifen  und  einem  Bilderfries  aus  dem  Leben  Jesu  bestehenden  frühgotischen  Deko- 
ration sind  nur  undeutliche  Reste  erhalten,  in  welche  mehrere  ihrer  Form  nach 
noch  ältere  Konsekrationskreuze  unorganisch  einschneiden.  Hierüber  liegt  als  zweite 
Schicht  eine  reiche  spätgotische  Bemalung,  die  am  unteren  Wandteil  aus  sehr  schönen 


72 


HERBORN. 


Üppigen  Blumenranken  im  Dürer-Charakter  mit  eingefügten  Evangelistenzeichen  be- 
steht; darüber  in  Fensterhöhe  grosse  Apostelfiguren  unter  Baldachinen,  ähnlich  wie 
in  Haiger.  Eine  grosse  Christoforus-Figur  auf  der  Nordwand  verschwindet  zum  Teil 
hinter  den  Gewölbansätzen;  dies  in  Verbindung  mit  Resten  von  Tünche  der  Ober- 


Fig.  80.  Herborn.  Schloss.  Erdgeschoss. 


mauern  über  den  Gewölbkappen  lässt  den  Schluss  zu,  dass  der  Chor  zur  Zeit  dieser 
Bemalung  flachgedeckt  war.  Diese  reiche  Bemalung  ist,  wie  ein  Schild  mit  der 
Jahreszahl  und  den  Buchstaben  K.  D.  besagt,  1491  mit  weisser  Tünche  zugestrichen 
worden.  Die  roten  Kanten  der  Fensterleibungen  und  ein  reiches,  flottes  Ranken- 
muster aus  schwarzen  Linien  mit  grünen  Blättern  und  farbigen  Blumen  (s.  Fig.  78) 
auf  den  Gewölbkappen  scheinen  dieser  Zeit  zu  entstammen. 

DAS  SCHLOSS,  auf  den  westlich  die  Stadt  einrahmenden  Höhen  aus  grünem 
Buschwerk  aufsteigend,  beherrscht  in  charaktervoller  Weise  das  Stadtbild.  Seine 
Erbauungszeit  ist  jedenfalls  kurz  nach  dem  Jahre  1251  zu  setzen,  in  welchem  dem 


74 


HERBORN. 


Dorf  Herborn  Stadtrechte  verliehen  wurden  und  die  Grafen  von  Nassau  als  neue 
Landesherren  sich  hier  einen  festen  Sitz  erbauten.  1341  geschieht  seiner  zum  ersten- 
male  urkundliche  Erwähnung. 

Nach  der  Gründung  der  hohen  Schule  1584  wurde  es  vorübergehend  zu  Auditorien, 
Bibliothek  und  der  „Kommunität"  (dem  gemeinschaftlichen  Tisch  der  Studenten)  be- 
nutzt. Bis  gegen  Ende  des  17.  Jahrhunderts  war  hier  die  Nassau-Oranische  Münz- 
stätte. 1725  wurde  es  zum  Witwensitz  der  Fürstin  Dorothea  eingerichtet,  in  den 
achtziger  Jahren  brachte  die  Einrichtung  von  Beamtenwohnungen  viele  entstellende 
Umbauten.    Gegenwärtig  wird  das  Schloss  von  einem  Lehrerseminar  eingenommen. 


Fig.  82.  Herhorn.  Schloss.  Obcrgesc/toss. 


Das  Schloss  bildet  einen  dreistöckigen,  nach  Osten  gerichteten,  wenig  liefen 
Baukörper,  der  an  den  beiden  Enden  von  Rundtürmen  begrenzt  wird,  während  ein 
dritter  Turm  aus  der  Front  an  der  Stelle  vorspringt,  wo  diese  nach  aussen  einen 
stumpfen  Winkel  bildet.  Dieser  Turm  ist  im  Krdgeschoss  viereckig,  in  den  oberen 
Stockwerken  rund  mit  halbkreisförmigen  Vorlagen,  die  unter  dem  auf  gemauertem 
Rundbogenfries  vorgekragten  Wehrgang  aufhören.  Ein  gleicher  Wehrgang  beendigt 
die  Ecktürme.  Alle  Türme  haben  Pyramidendächer,  aus  denen  nach  dem  Merianschen 
Bilde  vier  schlanke  Dacherker  vorsprangen;  jetzt  sind  sie  nur  bei  dem  südlichen 
erhalten.  An  die  Rückseite  des  Schlosses  schliesst  sich  ein  ummauerter  Hof  mit 
Nebengebäuden  an,  der  an  der  Nordwestseite  ein  früher  durch  zwei  Rundtürme  ver- 
teidigtes Tor  besitzt,  von  denen  nur  der  linke  erhalten  ist. 

Das  Innere  des  Schlosses  hat  infolge  der  vielen  Umbauten  alles  Charakteristische 
verloren.  Zu  erwähnen  ist  noch  an  dem  Erdgeschoss  der  mit  einem  Treppengiebel 
endigenden  Nordfront  ein  schöner  Fensterkorb  aus  Schmiedeeisen  (s.  Fig.  90). 

RATHAUS.  Das  älteste  Rathaus  der  Stadt  war  der  östliche  Flügel  des  Hoch- 
schul-Gebäudes.  Diesen  überliess  1588  die  Stadt  dem  Grafen  Johann  dem  Älteren 
als  dieser  die  hohe  Schule  zu  gründen  beabsichtigte,  gegen  650  Rädergulden  und  das 
nötige  Holz  zu  einem  Rathaus-Neubau,  der  dann  laut  Inschrift  im  folgenden  Jahre 
am  Buttermarkt  errichtet  wurde. 


Flg.  83.  Herborn.   Grabplatten  aus  der  Kirche. 


RATHAUS. 


75 


Bei  dem  grossen  Brande  von  1626  wurden  die  beiden  oberen,  in  Fachwerk  er- 
bauten Stockwerke  eingeäschert,  aber  schon  am  1.  August  1629  wieder  aufgeschlagen. 

Das  Erdgeschoss  und  erste  Obergeschoss  sind  in  Stein  erbaut ;  zwei  rundbogige 
Portale  führen  in  das  Erdgeschoss.    Das  am  Buttermarkt  hat  in  den  Gewänden  kleine 


Flg.  84.   Herborn.  Tür  am  Rathaus  und  andere  Holsschnitsereien. 


mit  Muscheln  geschlossene  Nischen,  die  Umrahmung  mit  Karniesprofil  und  Schmuck 
aus  Wappen  und  Beschlagornament ;  hierin  wie  in  den  Schnitzereien  der  Stockwerk- 
gebälke  und  Füllbretter  ist  ein  unverkennbarer  Anklang  an  niederhessische  Art. 
Das  Tor  der  Seitenfront  zeigt  in  seiner  Gliederung  noch  mittelalterliche  Anklänge. 
Eine  weitere  Rundbogentür  hat  ein  schön  geschnitztes  Holzgewände  mit  ausgegründetem 
Rankenornament  und  der  Inschrift: 

RECHT  •  EHL  •  MAS  •  UND  •  GEWICHT  ■  GEFELT    GOT  •  UND  • 
RECHT  •  GERICHT  •  1627. 


76 


HERBORN,  SCHULHOF,  STADTBEFESTIGUNG. 


Die  nicht  unmalerische  Halle  im  Erdgeschoss  mit  olfener  Holztreppe  und  einem 
Holzgitter  hat  eine  Balkendecke,  deren  Unterzug  von  einem  geschnitzten  Pfosten 
mit  Sattelholz  und  Kopfbändern  gestützt  wird. 


DER  SCHULHOF  wurde  unter  Benutzung  des  alten  Rathauses  wahrscheinlich 
Ende  des  16.  Jahrhunderts  erbaut,  als  nach  Fertigstellung  des  neuen  Rathauses  1591 


Fig.  85.  Ilcrboi  ii.  Dey  Schulhof .  Obergeschoss. 


jenes  frei  wurde.  Er  ist  ein  massiver  Bau  von  zwei  Stock- 
werken mit  einem  runden,  mit  welscher  Haube  gedecktem 
Treppenturm  in  der  Ecke,  den  der  genannte  Bau  mit  einem 
jüngeren  in  Holz  gebauten  Flügel  bildet.  Das  Erdgeschoss 
wird  durch  eine  grosse  Halle  gebildet,  deren  Balkendecke 
von  schweren  Holzsäulen  mit  Kopfbändern  getragen  wird. 
Sie  diente  der  Hochschule  als  Aula.  Dacherker  und  ein ' 
Giebel  an  der  Strasse  mit  schönem  Riegelwerk  geben  dem 
Gebäude  seinen  Schmuck,  ebensowie  ein  steinerner  Erker,  der  an  diesem  Nordgiebel 
inschriftlich  im  Jahre  1645  angebracht  ist  und  an  seinen  starkgegliederten  Konsolen 
und  den  Fensterumrahmungen  mit  Flachrelief-Ornament  geschmückt  ist. 


STADTBEFESTIGUNG.  Von  der  Stadtbefestigung,  deren  Erbauung  bald  nach 
der  Stadtrechtverleihung  1251  zu  datieren  ist,  sind  noch  wesentliche  Teile  erhalten,  die 
dem  Ortsbild  stellenweise  ein  mittelalterliches  Gepräge  geben.  Die  alte  Stadtmauer, 
von  der  bis  zu  dem  Brande  vom  11.  August  1904  noch  fast  die  ganze  Ostseite  stand, 
aber  auch  heute  noch  zahlreiche  Reste  erhalten  sind,  war  an  der  Westhälfte  von  einem 
trockenen,  an  der  Osthälfte  von  einem  nassen  Graben  umzogen,  der  aus  dem  die 
Stadt  fast  genau  in  der  Mitte  durchziehenden  Mühlgraben  sein  Wasser  erhielt.  Die 
Ringmauer  war  durch  zwei  Türme  verstärkt ;  diese  waren,  von  der  Südostecke  be- 
ginnend :  der  Hexenturm,  der  Turm  des  Untertors  oder  Sinner  Porte  mit  seinem  von 
zwei  Ecktürmen  flankierten  Vortor,  der  Speckturm  am  Eintritt  des  Mühlgrabens  in 
die  Stadt,  der  Hainturm  zum  Schutz  der  Hainpforte.  Die  Südwestecke  der  Um- 
mauerung  nimmt  das  Schloss  ein;  ihm  folgt  auf  der  Westseite  der  Hexenturm  und 
der  Karzerturm,  auf  der  Nordseite  der  Bürgerturm  und  als  besonderes  Verteidigungs- 


Fig.  6'6.  Herburn.  Hohe  Schule. 


78 


HERBORN. 


werk  der  Zwinger,  der  sich  mit  einer  zweiten  Mauer  vor  die  Bornpforte,  den  Aus- 
tritt des  Mühlgrabens  und  die  Schieiter  Porte  mit  ihrem  Übergang  über  die  Dill 
vermittelst  der  1901  abgebrochenen  Brücke  legte.  Die  Bornpforte  wurde  durch  den 
„dicken  Turm",  der  Mühlgraben  durch  den  Schleifturm  und  die  Brücke  durch  das 


Fig. 87.  Herborn.  Alter  Pfarrhof. 


Johannistürmchen  geschützt.  Die  Nordostecke  nahm  der  Dillturm  ein,  und  das  öst- 
liche Stadttor  schützte  der  Leonhards-  oder  Sandturm.  Von  diesen  zwölf  Türmen 
stehen  noch  der  Hexen-,  Leonhards-,  Dillturm  und  der  dicke  Turm;  sie  sind  in  den 
letzten  Jahren  sachgemäss  hergestellt  worden. 

So,  wie  die  Stadt  in  ihrem  äusseren  Gesamtbild  noch  den  malerischen  Charakter 
ihres  mittelalterlichen  Aussehens  trägt,  so  sind  auch  in  ihren  Strassen  noch  eine  Reihe 
stattlicher,  heute  meist  an  der  Wetterseite  beschieferter  Giebelhäuser  erhalten,  die 
ihr  in  einem  überraschenden  Reichtum  malerischer  Strassenbilder  das  Gepräge  der  wohl- 
habenden und  betriebsamen  alten  Landstadt  bewahrt  haben.  Um  einige  davon  hervor- 
zuheben, sei  das  nördlich  von  dem  Schloss  auf  der  Höhe  stehende  dritte  Pfarrhaus 
von  1687  genannt,  ein  malerischer  Bau  mit  massivem  Erdgeschoss  und  zwei  Fach- 
werk-Obergeschossen, von  denen  das  obere  verschiefert  ist;  aus  der  Mitte  der  Front 
springt  ein  mit  welscher  Haube  bedeckter  achteckiger  Treppenturm  vor.  Ferner  ist 
das  frühere  Corvinsche  Haus  nördlich  von  der  Pfarrkirche  an  der  früheren 
Bornpforte  zu  nennen,  auch  der  P  a  u  1  s  h  o  f  genannt,  früher  der  Sitz  einer  Druckerei, 


NEUES  HAUS. 


79 


ebenfalls  mit  Giebel  und  Treppenturm  geschmückt,  leider  nicht  ganz  in  seiner  ursprüng- 
lichen Gestalt  erhalten. 

Am  Buttermarkt,  dem  Rathaus  gegenüber,  ist  kürzlich  ein  besonders  stattliches 
Haus  des  17.  Jahrhunderts  von  der  Tünche  befreit  worden  (Besitzer  H.  Nassauer). 


Fig.  88.  Herborn.  Paulshof. 

Das  vierstöckige,  mit  Mansardendach  bedeckte  Haus  ist  besonders  dadurch  wertvoll, 
dass  es  die  Fensteranordnung  noch  unverändert  und  wenigstens  auf  der  Seitenfront 
noch  das  ursprüngliche  Holzwerk  des  Erdgeschosses  aufweist. 

NEUES  HAUS.  Etwa  3  km  nördlich  von  Herborn  liegt  auf  einer  Anhöhe 
über  dem  Amdorf-Bache  die  Unterförsterei  „Neues  Haus",  die  als  eine  Anlage  des 
18.  Jahrhunderts  Interesse  beansprucht.  Das  Haus  ist  augenscheinlich  über  die 
Zwecke  des  Forstdienstes  hinaus  als  Ausflugsziel  für  die  Bewohner  von  Herborn 
und  Dillenburg  von  vornherein  angelegt,  als  welches  es  heute  noch  dient.  Darauf 
deutet  in  der  Grundrissanlage  der  grosse  Saal  des  Obergeschosses,  dessen  Wände 
mit  landschaftlichen  Malereien  verziert  sind;  ebenso  auch  eine  das  ganze  Haus 
umziehende,  auf  Holzsäulen  toskanischer  Ordnung  ruhende  Halle,  die  den  Be- 
suchern Wetterschutz  und  schöne  Ausblicke  in  das  anmutige  Waldtal  gewährt.  Zwei 
Treppenhäuser  im  Innern  sind  augenscheinlich  bestimmt,  den  Verkehr  der  Besucher 
vom  Wirtschaftsbetrieb  zu  trennen. 


80 


HERBORN.I 


DAS  HEIMAT-MUSEUM,  durch  Herrn  J.  H.  Hoff  mann  im  Laufe  eines 
Vierteljahrhunderts  mit  ungewöhnlicher  Hingabe  gesammelt,  ist  im  Erdgeschoss  und 
ersten  Oberstock  des  alten  Hochschul-Gebäudes  aufgestellt.  Einer  kurzen  Übersicht 
tlber  den  zeit-  und  sittengeschichtlich  wertvollen  Inhalt  sind  die  Notizen  des  Ge- 
nannten zugrunde  gelegt. 


J^ig.  89.  Försterei  „Neues  Haus"  bei  Herborn. 

Vor-  und  friihgeschichtlich:  Zimmer  1  Erdgeschoss,  Sieben  Schaukasten 
mit  Funden  aus  den  Steinkammern  bei  Erdbach,  zahlreiche  Ton-  und  Steinzeug- 
Gefässe,  ein  Pfahlbau-Modell  und  Funde  aus  Schweizer  Pfahlbauten ;  Urnen,  Knochen 
und  Scherben  aus  einem  Brandgrab,  Grabfund  nebst  Torf  aus  der  La  T^ne-Zeit. 
Raum  11,  Obergeschoss:  Fränkischer  Grabfund  von  See  Ibach,  bestehend  aus 
Perlen  und  einer  60  Millimeter  grossen  goldenen  Fibel,  einigen  silbertauschierten 
Gürtelteilen,  Pfeilspitzen  und  einem  Kurzschwert.  An  militärischen  Altertümern  aus 
späterer  bis  zur  jüngsten  Zeit  enthält  das  Museum  (Raum  15)  Fahnen  aus  dem 
17.  bis  18.  Jahrhundert,  Abbildungen  von  Nassauer  Soldaten  und  Ausrüstungsgegen- 
stände für  solche  aus  der  Rheinbundzeit  (1808  bis  1813),  in  Raum  3  eine  Gruppe 
Nassauer  Soldaten  in  Rheinbund-Uniformen,  ebensolche  in  Raum  7.  Ferner  als  Proben 
der  bereits  im  15.  Jahrhundert  blühenden  Herborner  Geschützgiesserei  *)  ein  Wall- 
geschütz und  mehrere  Hakenbüchsen.  An  die  Waffen  schliesst  sich  die  heral- 
dische Abteilung  mit  (Raum  7)  Wappen  der  Adelsgeschlechter,  die  hier  Burgmänner 


*)  S.  Mittelalterliche  Geschützfabrikalion  im  vorm.  Fürstentum  Nassau-Dillenburg,  Vortrag  von 
G.  Voigtmann-Haiger. 


HEIMAT- MUSEUM. 


81 


waren  oder  Burgsitze  hatten,  13  Holztafeln  vom  Rathause,  1628.  Die  Wappen 
von  Nassau- Dillenburg,  Herborn,  zwei  von  Angehörigen  der  Solmser  Linien, 
Bürgermeister-  und  bürgerliche  Wappen  sowie  30  Kaisersiegel  in   Raum  10. 

An  Bildnissen 
sind  zunächst  etwa  hun- 
dert teils  in  Öl,  teils  in 
Druck  zu  nennen ,  die 
meistens  Mitglieder  des 
Hauses  Nassau  darstellen; 
ihnen  schliessen  sich  im 
Raum  10  die  Bildnisse 
der  Parlamentsmitglieder 
von  1848  an,  endlich  in 
dem  oberen  Korridor  eine 
grosse  Sammlung  von 
Trachtenbildern,  die 
ein  Bild  der  männlichen 
und  weiblichen  bürger- 
lichen Tracht  aus  der  Zeit 
von  1834  bis  zur  Gegen- 
wart geben. 

Die  Vergangen- 
heitderStadtist  durch 
Modelle  und  Abbildungen 
reichlich  vertreten ,  in 
Zimmer  1  befindet  sich  ein 
in  Zinn  gegossenes  Mo- 
dell des  Schlosses,  in 
Raum  11  ein  zirka  5  qm 
grosses  Modell  der 
Stadt  aus  der  Zeit  um 
1600.  Man  überblickt 
durch  eine  in  einer  Mauer 
angebrachte  Maulscharte 
die  alten  Mauern  mit 
zahlreichen  Türmen,  den 
Zwinger,  die  Vortore  und 
auf  der  Anhöhe  das 
Schloss  und  die  Kirche; 
im  Vordergrund  den  Hintersand,  den  Friedhof  mit  St.  Leonhardskirche,  Garten  usw. 
Diese  Modelle  werden  ergänzt  durch  zahlreiche  Bilder  von  Herborn  von  1600  an 
bis  zur  Gegenwart. 


Fig.  90.  Herborn.  Schloss.  Fensterkorb. 


6 


82 


HERBORN. 


J^ig.  91.  Herboni.  Das  Schloss  von  Süäen. 


Die  in  Raum  9  aufgestellte  Bücherei,  über  3000  Bände  umfassend,  enthält 
interessante  Urkunden  und  Einblattdrucke,  zu  denen  im  Raum  3  noch  fünf  Schau- 
kasten mit  Wiegendrucken  und  Proben  der  alten  Herborner  Offizin  hinzutreten. 

Von  den  eigentlich  kulturgeschichtlichen  Altertümern  ist  nur  ein 
Teil  gesondert  aufgestellt,  wie  die  über  50  Beleuchtungsgeräte  aus  ältester  Zeit  bis 
zur  Gegenwart,  Backformen  aus  Holz  in  Raum  1,  kunstreich  gearbeitete  Kämme  der 
Frauen-  und  Mädchentracht,  Gussplatten  von  Öfen  mit  Wappen  und  biblischen  Ge- 
schichten, Druckformen  zu  Kleiderstoffen,  Wirtshausschilder,  eine  Schlüssel-  und 
Schlossammlung.  Die  meisten  dieser  Gegenstände  sind,  wie  es  dem  Charakter  eines 


HEIMAT-MUSEUM. 


83 


Heimatmuseums  entspricht,  zu  Raumbildern  vereinigt,  die,  zum  Teil  mit  der  Staffage 
von  Kostümfiguren  ausgestattet,  eine  lebendige  Anschauung  des  bürgerlichen  Lebens 
in  früheren  Jahrhunderten  geben. 

So  zeigt  Raum  4  eine  Bauernstube  mit  dem  Webstuhl  für  die  hier  früher  be- 
triebene Strumpfwirkerei,  daneben  eine  Küche  mit  Herd  und  allen  Geräten  von  1700. 
Raum  11  enthält  die  vollständige  Hochschul- Apotheke  mit  Mörsern,  Büchsen,  Flaschen, 
Retorten  und  Wagen ;  an  sie  schliesst  sich  das  Zimmer  eines  Gelehrten,  mit  Planetarium, 
Himmelsglobus,  Elektrisiermaschine,  alten  Landkarten  und  ähnlichem. 

Raum  13  stellt  ein  gut  bürgerliches  Wohnzimmer  gegen  Ende  des  18.  Jahr- 
hunderts dar,  in  dem  die  Wände  mit  Porträts  und  Kostümbildern  bedeckt  sind  und  der 
Glasschrank  altes  Porzellan  und  Glas  enthält.  Ein  altes  Spinett  und  ein  Spinnrad 
ergänzen  das  Bild.  Endlich  ist  Raum  14,  ein  Turmzimmerchen,  als  Trinkstube  aus- 
gestattet, mit  Leuchterweibchen,  Zinn-  und  Steinkrügen,  Wappengläsern  und  ähnlichem. 


Fig.  92.   Wappen  der  Stadl  Hefborn. 


6* 


84 


BEILSTEIN. 


Fig.  93.  Burgruine  Beilstein  von  Norden. 


BEILSTEIN. 

Vogel,  Beschr.  v.  Nassau  363  ff.,  726  ff.  —  Sauer,  Nass.  Ann.  28,  (1896)  i— 51.  —  C.  Knetsch, 
Die  Erbauung  der  Kirche  zu  Beilstein,  Nass.  Ann.  Bd.  34  (1904)  S.  278  ff. 

M  oberen  Tal  des  Ulmbachs,  der  vom  nördlichen  Abhang  des  Knoden 
herabkommend,  sich  bei  Biskirchen  mit  der  Lahn  vereinigt,  15  km  süd- 
lich von  Dillenburg,  stehen  auf  einem  sich  wenig  über  das  Tal  er- 
hebenden Basaltfelsen  die  Trümmer  der  Burg  Bellst  ein.  Um  ihren 
Fuss  dehnt  sich  das  ansehnliche  Dorf,  mit  seiner  Kirche  dicht  an  das  Schloss  ange- 
schmiegt, mit  seinen  letzten  Häusern  auf  das  linke  Bachufer  emporsteigend. 

Geschichtliches.  Ein  Adelsgeschlecht  Nobiles  de  Beilstein  erscheint  in  Ur- 
kunden seit  1129.  Ein  Krafto  von  Beilstein  ist  zu  dieser  Zeit  und  1141  zweimal 
Zeuge  in  Schenkungsakten  für  das  Kloster  Schiffenberg  bei  Glessen.  Ein  zweiter 
Krafto  erscheint  1195  als  Bürge  für  Walram  von  Nassau  gegen  Worms,  und  1229 
als  Zeuge  in  einem  Erbvergleich  der  Virneburger.  Dass  das  Geschlecht  auch  an  der 

mittleren  Lahn  begütert  war,  geht  aus  einer  Schenkung  hervor,  die  dieser  Krafto  II.  

und  seine  Tochter  Irmengard  mit  einer  Kornrente  in  Oberweyer  bei  Hadamar  an 
das  neu  gegründete  Kloster  Beselich  machten  und  die  später  gegen  eine  solche  in 
der  Runkelschen  Gemarkung  vertauscht  wurde.  Ausser  diesen  beiden  ist  noch  ein 
Rudolf  von  Beilstein  geschichtlich  nachweisbar,  der  vor  1226  seinen  Anteil  an 
Schloss  Merenberg  an  Hartrad  IV.  von  Merenberg  verkaufte.  Über  das  Ver- 
schwinden dieses  Geschlechtes  und  den  Übergang  seines  Besitzes  an  das  Haus  Nassau 


GESCHICHTLICHES. 


Tal  -  5e»te 


Fig.  94.  Ruine  Beilstein.  Grundriss, 


86 


BEILSTEIN. 


ist  geschichtlich  nichts  Sicheres  festzustellen.  Sauer  bringt  es  mit  dem  planmässigen 
Vordringen  des  letzteren  Hauses  im  Calenberger  Zent  und  dem  Erdehegau  zu  Anfang 
des  14.  Jahrhunderts  zusammen,  dem  Merenberg  durch  Kauf  anheimfiel.  Er  hält  es 
für  möglich,  dass  die  Beilsteiner  als  Nachbarn  und  Verwandte  der  Merenberger  dem 
gleichen  Schicksal  verfielen  und  sich  auf  die  Herrschaft  Greifenstein  zurückgezogen 


Fig.  95.  Beil  st  ein.  Holahaiis  an  der  Dorfstrasse. 


hätten,  sodass  der  obengenannte  Rudolf  von  Beilstein  identisch  mit  dem  als  erste 
geschichtliche  Stammesperson  nachweisbaren  Rudolf  von  Greifenstein  wäre. 

Jedenfalls  finden  wir  von  1341  an  Beilstein  in  nassauischem  Besitz.  In  diesem  Jahr 
findet  eine  Erbteilung  zwischen  den  beiden  Söhnen  Heinrichs  II.  von  Nassau- 
Dillenburg  statt,  von  denen  Otto  II.  diese  Linie  fortsetzt,  Heinrich,  ursprüng- 
lich dem  geistlichen  Stande  angehörig,  diesen  verlässt,  sich  mit  Meyna,  der  Tochter 
Siegfrieds  II.  von  Westerburg,  vermählt  und  bei  der  Teilung  den  Calenberger  Zent 
erhält  mit  den  Festen  Beilstein,  Mengerskirchen  und  Eigenberg  sowie  Haus  Lieben- 
scheid und  „die  Herrschaft  zum  Westerwalde".  Das  hiermit  gegründete  Haus  Nassau- 
Beilstein   erfährt   im  Verlauf  von  fünf  Generationen   (Vogel,  a.  a.  O.)  mannigfache 


Fig.  96.  Ruine  Beilstcin.  Süd  ansieht. 


Fig.  97.  Ruine  Beilstein.  Nordansicht. 


BAUBESCHREIBUNG. 


87 


Erbteilungen,  bis  Johann  III.  1556  den  ganzen  Besitz  wieder  in  seiner  Hand  vereint, 
aber  nach  kinderloser  Ehe  mit  Anna  von  Nassau- Weilburg  bei  seinem  Tode  1561  die 
Nassau-Beilsteinische  Linie  beschliesst.  Der  Besitz  fällt  dann  an  Johann  VI.  den 
Älteren  der  Oranischen  Linie.  Durch  die  Erbteilung  von  1607  begründete  sein  Sohn 
Georg  die  neue  Beilsteinische  oder  neue  Dillenburger  Linie.  Er  residierte  seit  1612 


Fig.  98.  Beilstein.  Renaissancehaus  neben  der  Burg. 


im  Schloss  Beilstein  und  verlegte  1620  seine  Residenz  nach  Dillenburg.  Schloss 
Beilstein  bestand  bis  1813,  in  welchem  Jahr  es  von  den  Franzosen  auf  Abbruch  ver- 
kauft wurde.   Jetzt  wird  es  vom  preussischen  Domänenfiskus  als  Ruine  erhalten. 

Baubeschreibung.  Ein  Bruchsteinbau  aus  Säulenbasalt  ohne  jede  Kunst- 
form, zeigt  der  Bau  in  ausgeprägter  Weise  den  eigentümlichen  Mauerverband  dieser 
Steinart  aus  Binder-  und  Streckerschichten.  Das  vollständige  Fehlen  breiter  Auflager- 
flächen sowie  die  geringe  Haftung  des  Mörtels  an  der  glatten  Aussenfläche  der 
kristallinischen  Säulen  macht  diese  Bauart  besonders  wenig  widerstandsfähig  gegen 
zerstörende  Einflüsse  und  hat  die  Burg  in  weniger  als  hundert  Jahren  zu  einer  ein- 
sturzdrohenden Ruine  gemacht,  ein  Zeitraum,  der  an  manchen  Schieferbauten  des 
Rhein-  und  Lahntals  fast  spurlos  vorbeigegangen  ist. 

Der  Hauptbau  der  Burg  ist  ein  von  Südost  nach  Nordwest  langgestrecktes 
Rechteck  auf  einem  erhöhten  Felsklotz,  der  nach  dem  Ulmbachtal  steil  abfällt.  Hier 
ist  auf  demselben  ein  grosses  Rundell  errichtet,  das  jetzt  schwer  zugänglich  ist.  Die 
Langmauern  des  Hauptbaus  haben  2'/2  ni,  die  schmalen  Kopfseiten  S'/a  oi  Stärke. 
Der  südöstliche  Kopfbau  ist  über  das  drei  Stockwerke  enthaltende  Gebäude  noch 
um  zwei  Stockwerke  höher  emporgeführt;  schmale,  dieselben  verbindende  Treppen 
liegen  in  der  Mauerdicke;  im  ersten  Obergeschoss  nimmt  ein  Kamin  die  Mitte  der 
Innenwand  ein.  So  ist  diesem  Kopf  bau,  der  an  seinen  Ecken  durch  stark  vor- 
springende massive  Rundtürme  von  4'/2  m  Durchmesser  verstärkt  ist,  die  seiner 
Lage  an  der  Angriffseite  entsprechende  Bedeutung  eines  Bergfrieds  zuzuschreiben. 
Er  erinnert  als  solcher  an  die  ähnliche  Anlage  der  Schildmauer  auf  der  Burg  Ehren- 


88 


BEILSTEIN. 


Fig.  99.  Beilstein.  Burgruine  von  Osten. 


fels  am  Rhein.  Auch  der  allerdings  viel  selbständigere  Bergfried  der  benachbarten 
Burg  Greifenstein  mag  zum  Vergleich  herangezogen  werden. 

Auch  die  schmale  nach  der  Talseite  gerichtete  Nordwestfront  besitzt  die  gleichen, 
allerdings  weit  niedrigeren  Eck-Rundtürme.  Zwischen  ihnen  befindet  sich  die  enge, 
spitzbogige  Eingangstür.  Auch  hier  führt  eine  Treppe  in  der  Mauerdicke  auf  den 
Wehrgang.  Eine  Abbildung  des  Schlosses  von  1824  im  Landesarchiv  zu  Wiesbaden 


BAUBESCHREIBUNG. 


89 


zeigt  über  dieser  Kopfseite  noch  einen  hohen  Giebel ;  die  Ecktürmchen  des  südöst- 
lichen Kopfbaus  haben  auf  dieser  Ansicht  Zinnen  und  Bogenfries  (s.  Fig.  96,  97).  Die 
Langseiten  sind  mit  unregelmässig  angeordneten  Fensteröffnungen  durchbrochen,  die 
Flachbogenschluss  gehabt  zu  haben  scheinen. 


I^ig.  100.  Beilstein.  Hans  Roos. 


Ob  in  diesem  Hauptbau  ein  Rest  der  Burg  der  Edlen  von  Beilstein  aus  dem 
12.  Jahrhundert  steckt  oder  ob  sie  nach  dem  Besitzwechsel  des  14.  Jahrhunderts  von 
den  Nassauer  Grafen  von  Grund  aus  neu  aufgebaut  worden  ist,  lässt  sich  bei  dem 
Fehlen  jeder  Kunstform  nicht  feststellen;  die  Einheitlichkeit  der  Anlage  spricht  für 
das  Letztere.  Zweifellos  hat  die  Burg  als  Residenz  der  Nassau-Beilsteinschen  Linie 
viel  von  ihrer  Wehrhaftigkeit  eingebüsst.  So  ist  der  Graben,  der  sie  von  dem  über- 
höhenden Gelände  der  von  Südosten  herabsteigenden  Berglehne  getrennt  haben  muss, 


90 


BEILSTEIN,  PFARRKIRCHE. 


gänzlich  verschwunden.  Ein  wenig  tiefer  Graben  von  geringer  wehrhafter  Be- 
deutung zieht  sich  jetzt  an  der  Südwestseite  bis  zum  Bachtal  hinunter.  Hier  erheben 
sich  auf  hoher  Futtermauer  zwei  augenscheinlich  spätere  Gebäude,  die  erheblich  tiefer 
als  die  Hauptburg  liegen.  Sie  haben  ein  rundbogiges  Tor  und  regelmässige  Fenster- 
reihen. Der  nördliche  dieser  beiden  Nebenbauten  zeigt  im  Obergeschoss  die  Reste 
von  zwei  Kreuzgewölben.  Zwischen  diesen  Bauten  und  dem  Hauptbau  ziehen  sich 
in  verschiedener  Höhe  Mauern  hin,  vielleicht  Zwingeranlagen,  die  unter  dem  massen- 
haften sie  überlagernden  Schutt  nicht  genauer  festzustellen  sind. 

Die  südöstliche  Grenze  der  Burganlage ,  die  Stelle,  wo  sich  früher  der  Halsgraben 
befunden  haben  mag,  wird  von  einem  ausgedehnten,  in  stumpfen  Winkeln  sich  zwei- 
mal umbiegenden  Stall-  und  Scheunenbau  eingenommen,  der  zwar  noch  unter  Dach, 
aber  so  baufällig  ist,  dass  sein  südlichster  Teil,  der  einen  Torbau  nach  dem  vorher 
erwähnten  südwestlichen  Aussenbau  bildete ,  erst  vor  wenigen  Jahren  eingestürzt  ist. 
Grosse  später  angefügte  Strebepfeiler  an  dieser  Ecke  deuten  darauf  hin,  dass  man 
diese  Gefahr  schon  früher  erkannt  hat.  Man  wird  wohl  nicht  fehlgehen,  wenn  man 
in  diesen  Aussenbauten  die  Erweiterungen  sieht,  die  Graf  Georg  von  1607  an  aus- 
führen Hess,  ehe  er  1612  seine  Hofhaltung  hierher  verlegte.  Der  letzterwähnte 
grosse  Bau  steht  in  Zusammenhang  mit  einem  auf  einer  etwas  tieferen  Geländestufe 
östlich  sich  anschliessenden  Renaissancebau.  Dieser  schliesst  einen  nach  Norden  ge- 
legenen Wirtschaftshof  ab,  von  dem  aus  ein  mit  einer  zierlichen  Vorhalle  überbauter 
Eingang  auf  die  Empore  der  sich  ostwärts  noch  tiefer  anschliessenden  Kirche  führt. 

DIE  EVANGELISCHE  PFARRKIRCHE  ist  ein  grosser  Saalbau  mit  flacher 
Decke,  nach  der  Inschrift  am  unteren  Portal  1614  begonnen,  1616  vollendet.  Sie  ist 
im  Innern  mit  Emporen  gefüllt,  welche  die  gesunde  Konstruktion  und  die  nicht  un- 
gefälligen Einzelformen  der  Zeit  aufweisen. 

Der  Turm,  ein  schon  bestehender  Bau,  der  beim  Kirchenbau  benutzt  wurde, 
trägt  eine  in  drei  Stockwerken  gegliederte  welsche  Haube  mit  dem  Glockenstuhl. 
Das  schön  geschmiedete  Turmkreuz  zeigt  die  Jahreszahl  1769.  Über  den  Verlauf  des 
Baues,  die  dabei  beschäftigten  Handwerker,  die  aus  ganz  Nassau  herbeigeholt  wurden, 
sowie  über  die  Kosten  gibt  der  oben  genannte  Aufsatz  von  Knetsch  sehr  genaue  An- 
gaben. Wir  erfahren  daraus,  dass  der  Maurermeister  Jost  Haibach  aus  Ernsthausen 
im  Amt  Weilmünster  war,  die  Zimmerarbeiten  von  den  Meistern  Peter  Cundts 
aus  Leun  und  Thebes  Pauli  aus  Fleisbach,  die  Schreinerarbeiten  von  Simon 
Balthes  aus  Dillenburg  ausgeführt  wurden.  Der  Gesamtbetrag,  der  für  die  Maurer- 
arbeiten gezahlt  wurde,  belief  sich  auf  924  Gulden,  der  für  die  Zimmerarbeiten  auf 
381  Gulden. 

Die  neue  Kirche  bekam  vier  Glocken.  Die  grösste  wurde  zu  Emmerichen- 
hain gegossen;  sie  erhielt  als  Inschrift  den  Namen  des  Grafen  Georg  und  der  Gräfin 
Amalia,  von  den  andern  berichtet  Vogel  (Nachlass),  dass  die  Mittagsglocke  die  Inschrift 

hatte:  Hoctes  atque  dies  proclamo  tempora  mundi  ooce  orba  et  üita  nec  mil)i  lingua 
fubeft  lauf  Ru&er  gos  mitit)  zu  Dirfdtjftein  ano  1597.  Die  Gemeindeglocke :  Tlüe  ntaria 


BERGEBERSBACH,  KIRCHE. 


91 


0  vtf  glorie  ueni  cum  pacc.  Die  Bürgermeisterglocke:  Rinkcr  üon  Icun  goß  midi) 
anno  1798. 

An  Holzhäusern  besitzt  das  Dorf  Beilstein  einige  schöne  Beispiele,  leider 
ohne  Datierung.  Die  hierbei  abgebildeten  sind  ein  teilweise  vernachlässigtes  grosses 
Haus  an  der  Hauptstrasse,  der  Mühle  gegenüber  und  das  Haus  des  Besitzers  Roos,  Nr.  35. 


BERGEBERSBACH,  STRASSEBERSBACH. 

Vogel,  Beschreibung  713.  —   Vogel,  Archiv  i,  118 — 144. 

5 AS  evangelische  Pfarrdorf  Bergeber sb ach  liegt  10,5  km  nördlich  von 
Dillenburg  im  Tal  der  Diezhölze.  Wenn  auch  auf  ein  hohes  Alter  des 
Ortes  aus  dem  Umstand  geschlossen  werden  darf,  dass  bereits  im  10.  Jahr- 
hundert hier  ein  eigener  von  Haiger  getrennter  Kirchspielsverband  be- 
standen hat,  so  ist  aus  seiner  Geschichte  doch  nichts  anderes 
bekannt,  als  dass  sein  Besitz  im  14.  Jahrhundert  Gegenstand 
langwieriger  Streitigkeiten  zwischen  Nassau  und  den  Herren 
von  Bicken  war.  Dieser  endete  erst  1486  mit  einem  Vergleich, 
wonach  die  letzteren  das  Gericht  Ebersbach  mit  Ausnahme 
des  Kirchensatzes  und  anderer  Vorbehalte  für  3000  Gold- 
gulden an  Nassau  erblich  überliessen  (Vogel). 

Im  Jahre  1769  brannte  das  Dorf  fast  gänzlich  ab. 


DIE  KIRCHE  stammt  aus  dem  13.  Jahrhundert  und 
hat  im  15.  Jahrhundert  einen  Umbau  erfahren.  Der  Turm- 
helm scheint  nach  dem  Brande  von  1769  neu  aufgebaut  zu 
sein.  Sie  ist  eine  Hallenkirche  mit  tiefem,  im  Achteck  ge- 
schlossenen Chor  und  viereckigem  Westturm. 

Der  Chor  liegt  um  fünf  Stufen  höher  als  das  Schiff 
und  hat  zwei  spitzbogige,  rippenlose  Kreuzgewölbe ;  die  Wände 
sind  durch  ebenfalls  spitzbogige  Schildbogen  ohne  Kämpier- 
gesims gegliedert.  Der  breite  Chorbogen  hat  in  der  Mitte 
einen  eckigen  Vorsprung,  der  auf  zwei  70  cm  starken  Halb- 
säulen ruht.  Diese  sind  leider  stark  verstümmelt,  doch  haben 
sich  die  mit  Eckblättern  belegten ,  frühgotisch  profilierten 
Basen  und  an  der  Südseite  ein  schön  gezeichnetes  Kapitäl 
erhalten,  dessen  Blätterschmuck  und  Deckplatte  noch  fast 
romanisch  sind.  Das  Schiff,  ursprünglich  wohl  flachgedeckt, 
hat  in  spätgotischer  Zeit  eine  Teilung  in  drei  Schiffe  erhalten, 
die  mit  neun  Kreuzgewölben  überdeckt  wurden.  Diese  haben 
einfach  hohlprofilierte  Gurten  und  Gräte,  die  aus  vier  schlanken 


J^ig.  101.  Bergebersbach. 
Pfarrkirche. 


92 


BERGEBERSBACH. 


Rundpfeilern  ohne  Kapitale  hervorwachsen ;  die  Gurte  setzen  tiefer  an  als  die  Gräte, 
deren  Schlussteine  durch  Ringe  bezeichnet  sind.  Die  schlanken,  teils  rundbogigen,  teils 
viereckigen  Fenster  sind  nicht  die  ursprünglichen;  eine  Tür,  die  von  Süden  in  den 

Chor  führt,  scheint  noch  aus  der  roma- 
nischen Bauzeit  zu  stammen. 

Der  Turm  ist  eine  schlichte,  vier- 
eckige Mauermasse  und  öffnet  sich  in 
dem  mit  einem  rippenlosen  Kreuzge- 
wölbe überdeckten  Erdgeschoss  mit  ei- 
nem hohen  Bogen  gegen  das  Mittel- 
schiff. Die  hochgelegenen  Schallöff- 
nungen sind  klein.  Das  (neue)  Glocken- 
haus bildet  einen  aus  Zimmerwerk  er- 
bauten verschieferten  Aufsatz  mit  ein- 
wärts geschweiftem  Zeltdach  und  vier 
mit  Schall-Lucken  versehenen  Giebeln. 

Die  Steinkansel  ist  nüchtern  spät- 
gotisch, achteckig,  getragen  von  einer 
Säule  mit  gewundener  Riefelung ;  mit 
ähnlichen  dünnen  Säulchen  sind  die 
Kanten  besetzt,  die  Flächen  mit  flachem 
Fischblasenmasswerk  belegt. 

Die  Kirche  ist  ganz  mit  Emporen 
angefüllt,  die  zum  Teil  gute  Holzarbeit, 
namentlich  im  Chor  schön  profilierte 
Rundpfosten  haben.  Eine  hübsche  Holz- 
treppe mit  offener,  gewundener  Spindel 
führt  in  der  Südwestecke  des  Schiffs  zu 
den  Emporen ;  eine  zweite  Steintreppe  liegt 
im  Mauerwerk  der  nördlichen  Turmwand. 

Ein  gusseisernes  WcDidepitaph  im 
Chor  enthält  die  Inschrift: 

JOHANNES  HEIDFELDIUS 
THEOLOGUS  ET  PHILOSOPHUS 
PROFESSOR  IN  INCLYTA  NASSOVIA 
HUJUS  ECCLESIAE  PASTOR 
PIETATE,  ERUDITIONE  ET  SCRIPTIS  CLARUS 
NATUS  WALTROPII  WESTPHOR.  A.  C.  1563 
DENATUS  EBERSßACHII  NASSOVIOR.  1629 
ET 

CATHARINA  NOVIOMAGA  DICTA  GELDENHAUSEN 
1560-1624. 

SPIRITUS  IN  COELO  RECUBANT  HIC  MOLLITER  OSSA 
HEIDFELDI  TOTO  FAMA  SED  ORBE  VOLAT 

G.  CORVINUS  FEC. 


Fig.  102.  Bernebersbach.  Pfarrkirche.  Kapitäl  am 


Cliorbogcn.  Turiiispitse. 


STRASSEBERSBACH.  —  BREITSCHEID. 


93 


Zwei  Glocken  haben  die  Inschriften : 

Hoe  maria  gracia  plena  |  dominus  tecum 
benedicta  |  tu  in  mulieribus  et  |  benedictus 
fructus  üentris  |  tui  i  •  ö  •  s  fus  amen 
f  MCCCCXLII  (1442). 

0  fancta  oirgo  margarettja  1  omni 
tempore  benedicta  |  pro  nobis  tu  criftü 
implora  |  cü  mala  inftat  nobis  aura  | 
millefimo  quingentelimo  xii  |  menfe  octo- 

bri  (1512  wahrscheinlich  bei  Pestgefahr 
gestiftet). 

Das  im  Tal  liegende  Dorf  Strass- 
ebersbach  hat  eine  kleine,  St.  Jo- 
hannes dem  Täufer  geweihte  Kirche  in 
völlig  schmucklosem  romanischem  Über- 
gangsstil. Das  rechteckige  Schiff  ist 
flachgedeckt,  der  schmälere  Chor  im 
Achteck  geschlossen  und  mit  einem 
spitzbogigen,  rippenlosen  Kreuzgewölbe 
bedeckt,  die  Wände  mit  sehr  spitzen 
Schildbögen.  Fenster  und  Westtüre  haben 
sehr  gedrückte  Spitzbögen. 

Die  einzige  Glocke  der  Kirche  hat 

die  Inschrift :  fuit  öomo  miffus  a  deo  I 
cui  nomen  erat  ioöannes  |  W  uenit  tefti^ 
monium  anno|dni  MDXii  (1512). 


Fig.  103.  Bergebersbacli.  Pfai  rkirche.  Sti  inkansel . 


BREITSCHEID. 

Vogel,  Beschr.  von  Nassau  721. 


REITSCHEID.  9,4  km  südwestlich  von  Dillenburg.  Eine  Kapelle  war 
(nach  Vogel)  hier  schon  1349  vorhanden.  Die  jetzige  Kirche  soll  1629  und 
1727  erbaut  sein.  Dies  kann  sich  nur  auf  das  Schiff  beziehen,  indem  der 
Turm,  ein  ganz  roher  und  unbedeutender  Bruchsteinbau,  der  Zeit  vor 


1349  angehört.  Er  ist  ein  niedriger,  viereckiger  Basaltbau  mit  modernem  Dache  und 
steht  an  der  Ostseite  der  Kirche.  Sein  Erdgeschoss  mit  spitzbogigem  Kreuzgewölbe 
ohne  Rippen  und  ohne  vortretende  Schildbögen,  mit  kleinen,  schmalen  Spitzbogen- 
fenstern bildet  den  Chor.  Der  Triumphbogen  ohne  Gliederungen  zeigt  den  Halbkreis  (Lötz ). 


94 


BURG.  —  DERNBACH.  —  DRIEDORF. 


BURG. 

Vogel,  Besclir.  von  Nassau  720. 

URG,  2  km  nördlich  von  Herborn. 

DIE  PFARRKIRCHE  „Unsrer  lieben  Frau  auf  dem  Berge"  liegt 
neben  einer  vielleicht  in  der  Dernbachischen  Fehde  (13.  Jahrhundert)  zer- 
störten Burg,  von  der  sich  (nach  Vogel)  nur  noch  Spuren  in  der  Erde  finden. 
Roher  Bruchsteinbau  in  romanischem  Übergangstil ;  besteht  aus  einem  flach- 
gedeckten Schiff,  gegen  welches  sich  eine  gleichbreite,  halbrunde  Apsis  mittels  eines 
weit  engeren  Rundbogens  öffnet. 

Einige  Spitzbogenfenster  mit  schrägen  Gewänden,  eine  vermauerte  Tür  am 
Ostende  der  Südseite  mit  nur  drei  Steine  zählendem  Rundbogen  und  eine  ebenfalls 
vermauerte  Spitzbogentür  an  der  Westseite  sind  nebst  den  flachen,  roh  gemauerten 
Streben  am  Anfang  der  Apsis  die  einzigen  alten  Einzelheiten.  Der  Westseite  ist  in 
neuerer  Zeit  ein  kleiner,  schlichter,  viereckiger  Turm  von  Backsteinen  vorgesetzt 
worden  (Lötz). 

DERNBACH 

Vogel,  Beschr.  von  Nassau  722. 

ERNBACH,  der  südlich  von  Herbornseeibach  auf  der  linken  Seite  der 
Aar  gelegene,  jetzt  bis  auf  wenige  Spuren  verschwundene  Stammsitz  des 
gleichnamigen  Rittergeschlechtes  kommt  1263  zuerst  vor,  dessen  sämt- 
liche Ganerben  (concastellani  hi  Dermbach)  ein  gemeinschaftliches  Burg- 
siegel hatten.  In  der  Fehde  mit  Nassau  räumten  die  Besitzer  1309  die  Burg  Hessen 
ein,  das  sie  wiederherstellte.  Nach  mehrmaliger  Zerstörung  und  einer  letzten  Her- 
stellung im  Jahr  1337  ging  sie  bald  durch  Feuer  gänzlich  zu  Grunde.  Ein  neben 
der  Burg  gelegenes  kleines  Dorf,  das  1376  noch  genannt  wurde,  soll  zu  einer  Pest- 
zeit ausgegangen  sein. 

Tonrelief:  Meister  Reinecke  predigt  den  Gänsen,  drei  Zoll  lang,  zwei  Zoll 
hoch,  bei  der  Ruine  gefunden,  seit  1855  im  Museum  zu  Wiesbaden  (Period.  Blätter, 
Februar  1855,  Nr.  4,  S.  124)  (Lötz). 

DRIEDORF. 

Wenck,  i.  509  f.  und  Urk.  213  f.  225,  328,  329.  —  Vogel,  Nass.  Ann.  i,  Heft  2,  3,  S.  214  bis 
224;  2.  Heft  I,  S.  171  — 180;  Vogel,  Beschr.  von  Nassau  249  f.,  725. 

RIEDORF,  13  km  südwestlich  von  Dillenburg  im  weiten  Tal  des  Reh- 
bachs, ist  eine  frühe  Ansiedelung,  die  durch  ihre  Lage  an  der  alten  von 
Köln  nach  Frankfurt  führenden  Strasse  schon  früh  eine  gewisse  Bedeutung 
gehabt  haben  muss. 


GESCHICHTLICHES. 


95 


Fig.  104.  Driedorf.  Ruine  der  Unterburg. 


Geschichtliches.  Seine  erste  Erwähnung  geschieht  1100;  1285  ist  es  Sitz 
des  Centgerichtes  und  wird  bereits  1290  als  „Stadt"  bezeichnet,  obgleich  die  Ver- 
leihung der  Stadtrechte  erst  1305  durch  König  Albrecht  auf  Betreiben  des  Grafen 
Emich  von  Nassau-Hadamar  erfolgte. 

Besonders  begütert  waren  hier  die  Herren  von  Greifenstein  und  Licht  en- 
stein. Die  Ausdehnungsgelüste  der  Nassau-Ottonischen  Linie,  denen  man  im  13.  Jahr- 
hundert in  diesem  Landesteil  begegnet,  mussten  sie  bald  mit  diesem  Hause  in  feindliche 
Berührung  bringen.  In  einer  Fehde  der  Brüder  Crafto  und  Rorich  von  Greifen- 
stein mit  Nassau  unterlagen  die  ersteren ;  um  1280  wurde  ihre  Stammburg  zerstört 
und  auf  ihrem  Eigentum  in  Driedorf  zwei  Trutzburgen  von  Nassau  erbaut.  Ein  1290 
geschlossener  Vergleich  verschaftte  den  drei  Söhnen  Ottos,  den  Grafen  Heinrich, 
Emich  und  Johann,  die  Hälfte  des  Greifensteinschen  Besitzes  in  Stadt  und  Kirch- 
spiel Driedorf  Dieser  Anteil  kam  bei  der  Teilung  von  1303  an  Emich,  den  Begründer 
der  alten  Nassau-Hadaniarschen  Linie,  der  hier  residierte;  durch  Kauf  wurde  er  1316  um 
die  andere  Greifensteinsche  Hälfte  und  1334  um  den  Lichtensteinschen  Anteil  vergrössert. 

Nach  Johannes,  des  Sohnes  Emichs,  Tode  zog  Hessen  1370  als  Lehensherr  das 
Lehen  ein  und  gab  im  folgenden  Jahre  zwei  Teile  desselben  an  Graf  Ruprecht, 
Walramischer  Linie,  den  Schwiegersohn  Johanns  und,  als  dessen  Witwe  Anne  sich 
in  zweiter  Ehe  mit  Diether  VI.  von  Katzenelnbogen  vermählte,  an  dieses  Haus.  In 
den  Fehden,  die  sich  hieraus  zwischen  Nassau  und  Hessen  entspannen,  scheint  die 
obere  Burg  Schaden  gelitten  zu  haben,  da  1403  ihre  damaligen  Besitzer  Landgraf 
Hermann  vonHessen  und  Graf  JohannvonKatzenelnbogen  ihren  Wieder- 
aufbau beschlossen.  Von  1470  an  war  Hessen  im  alleinigen  Besitz  von  Driedorf  und 
trat  es  erst  1557  an  Nassau  ab,  das  im  folgenden  Jahre  eine  neue  Kellereiwohnung 
baute.  Von  1604  bis  1739  war  die  neue  Nassau-Dillenburger  Linie  im  Besitz;  im 
ersten  Jahre  liess  Grafjohann  die  Burg  von  Grund  aus  herstellen  und  vergrössern; 
in  der  oberen  Burg  erbaute  Fürst  Ludwig  Heinrich  1660  eine  Schlosskirche. 
Stadt  und  Burgen  wurden  mehrmals  durch  Feuersbrünste  heimgesucht ;  so  durch  die 
von  1635  und  die  von  1672,  die  der  oberen  Burg  den  Untergang  brachte.    Der  grosse 


FELDBACH. 


Stadtbrand  von  1819,  infolgedessen  der  ganze  Ort  neu  aufgebaut  wurde,  war  auch 
die  Veranlassung,  dass  die  bis  dahin  bestehende  Stadtbefestigung,  aus  einer  mit 
Türmen  besetzten  Ringmauer  bestehend,  und  ihre  vier  Tore,  die  nach  den  Städten 
Mainz,  Koblenz,  Köln  benannt  waren,  abgebrochen  wurden. 

Das  einzige  erhaltene  Stück  der  Stadtbefestigung,  bei  den  Resten  der  oberen 
Burg  stehend,  besteht  noch  aus  zwei  Türmen  nebst  dem  verbindenden  Mauerstück. 
Die  Türme  sind  viereckige  „Schalen"  mit  nach  der  Stadtseite  offener  spitzbogiger 
Überwölbung,  das  Erdgeschoss  geschlossen  und  mit  einem  Flachbogen  überwölbt. 
Die  Treppen  sind  in  geraden  Läufen  teils  an,  teils  in  der  Turmmauer  hochgeführt, 
der  Wehrgang  rechtwinklig  ausgekragt. 

Von  der  Oberburg  sind  nur  Reste  sehr  starker  Mauern,  die  sich  von  der 
Stadtmauer  ziemlich  weit  in  die  bewohnten  Quartiere  erstrecken.  Sie  haben  hier 
abgerundete  Ecken,  lassen  aber  die  Einzelheiten  der  Anlage  nicht  mehr  erkennen. 

Auch  die  Unter  bürg  ist  ein  von  Jahr  zu  Jahr  sich  vermindernder  Trümmer- 
haufen ohne  architektonische  Einzelheiten.  Sie  war  eine  Talburg,  in  einem  von  dem 
Rehbach  gespeisten  Teiche  gelegen,  der  jetzt  eingeebnet  ist  (wie  es  heisst  mit  den 
Steinen  des  1780  umgestürzten  viereckigen  Hauptturms).  Sie  wurde  1347  den  Herren 
von  Mudersbach  als  Erbburgmännern  übergeben,  die  sie  später  von  Hessen  zu  Lehen 
trugen.  Nach  ihrem  Aussterben  1600  fiel  die  Burg  an  Hardmut  von  Cronberg, 
der  sie  damals  schon  als  Halbruine  1610  an  Nassau  verkaufte. 

Die  Burg  nahm  ein  Quadrat  von  38  m  Seitenlänge  ein ;  der  Innenraum  war 
durch  eine  Mauer  in  ein  Wohngebäude  und  einen  breiteren  Hof  geteilt.  Eine  Tür 
und  einige  Fenster,  die  in  dem  zerfallenden  Basalt- Mauerwerk  noch  zu  erkennen  sind, 
haben  stichbogigen  Abschluss.  Die  Kragsteine  der  Balkenlagen  und  einiger  Kamine 
sind  noch  vorhanden,  letztere  sind  einfach  gerundet  und  abgekantet. 

FELDBACH. 

Vogel,  Beschr.  v.  N.  709.  —  Gütz,  Regesten  S.  276,  10.  Lept. 

ER  Hof  Feldbach  (dem  Domänenfiskus  gehörig),  1,4  km  südlich  von 
Dillenburg,  früher  ein  Dorf,  besass  schon  im  13.  Jahrhundert  eine  Kirche, 
von  Graf  Otto  von  Nassau  erbaut,  von  seiner  Witwe  Agnes  vollendet 
und  1294  von  der  Mutterkirche  in  Herborn  getrennt.  Von  da  ab  diente 
sie  bis  1490  als  Pfarrkirche  für  Dillenburg.  Als  die  Pfarrei  an  diesen  Ort  verlegt 
wurde  und  1576  Graf  Johann  der  Ältere  das  Dorf  und  den  Pfarrhof  vertauschte, 
was  die  Bewohner  zur  Auswanderung  nach  Dillenburg  veranlasste,  wurde  die  Kirche 
als  Scheune  benutzt;  als  solche  brannte  sie  1860  aus  und  steht  seitdem  als  Ruine. 

Sie  ist  ein  einschiffiger,  gotischer  Bruchsteinbau  mit  schmälerem,  im  halben 
Achteck  geschlossenen  Chor  und  ohne  Turm. 


HÖRBACH. 


97 


Der  Chor  ist  noch  mit  zwei  spitzbogigen,  rippenlosen  Kreuzgewölben  geschlossen, 
die  gegen  ungegliederte  Schildbögen  anfallen.  Drei  zweiteilige  Spitzbogenfenster 
im  Chorschluss  haben  hohlgegliedertes  Masswerk,  teilweise  zerstört.  Der  ungegliederte 
Chorbogen  ist  spitzbogig.  Das  Schiff  hatte  eine  gewölbte  Bretterdecke  mit  sichtbar 
durchlaufenden  Binderbalken  und  spitzbogige  Öffnungen.  Alle  Formen  der  Ruine 
lassen  erkennen,  dass  sie  nicht  dem  Bau  des  13.  Jahrhunderts,  sondern  einem  späteren 
Neubau  des  14.  oder  15.  Jahrhunderts  angehört. 


Fig.  105.  Rittershausen.  Kapelle. 


HÖRBACH. 

ÖRBACH,  3  km  südwestlich  von  Herborn. 

KAPELLE.  Hatte  bis  zur  Reformation  eigene  Kapellane.  Auf  das 
13.  Jahrhundert  deuten  die  kleinen  Rundbogenfenster  in  Verbindung  mit 
dem  spitzen  Chorbogen  und  rippenlosen  Kreuzgewölben  des  in  einem 
niedrigen  Turm  befindlichen  Chores.  Der  Turm  oben  nur  mit  Lichtspalten  ver- 
sehen; sein  oben  achteckiger  Helm  und  das  teilweise  aus  Fachwerk  bestehende  Schiff 
aus  späterer  Zeit  (Lötz). 

7 


98 


NENDEROTH. 


NENDEROTH. 


Vogel,  Beschr.  728.  —  Schannat,  Hist.  Wormat.  II  32. 

^AS  evangelische  Pfarrdorf  Nenderoth,  15,8  km  südwestlich  von  Dillen- 
burg, auf  weitschauender  Höhe  nahe  der  Quelle  des  Kahlenberger  Bachs 
gelegen,  sieht  auf  ein  hohes  Alter  zurück.  Im  Jahre  993  schenkte  König 
Otto  das  Dorf,  das  nach  dem  Tode  seiner  Besitzerin,  einer  Freifrau  Acela, 
dem  Reiche  heimgefallen  war,  nebst  seiner  neu  erbauten  Kirche  dem  Bistum  Worms. 
Es  war  der  Mittelpunkt  des  Calenberger  Zents,  den  die  Herren  von  Merenberg  als 

Vögte  von  Worms  um  1226 
unter  dem  Namen  des  Gaues 
Nencherode  (Nancheresrode)  zu 
Lehen  trugen  und  der  hier  sei- 
nen Gerichtssitz  hatte.  Durch 
Kauf  ging  dies  Gericht  mit 
allen  Leibeigenen  1310  an 
Nassau  über. 

PFARRKIRCHE.  Die 
jetzige  Pfarrkirche  ist  nach  ihren 
schlichten  Formen  des  Über- 
gangsstils in  den  Anfang  des 
13.  Jahrhunderts  zu  setzen.  Das 
flachgedeckte  Schiff  hatte  ein 
südliches  Seitenschiff,  dessen 
zwei  rundbogige,  ungegliederte 
Arkaden  in  der  Südwand  ver- 
mauert sind.  Die  spitzbogigen 
Oberfenster  dieser  Wand  sind 
jünger ;  die  Tür  in  der  West  wand 
zeigt  den  Spitzbogen,  ist  aber 

Fig.  106.  Nenderoth.  Pfarrkirche.  SOnst  ganz  Ungegliedert. 

Der  im  Osten  stehende  Turm  bildet  im  Erdgeschoss  den  Chor,  dem  sich  eine 
Apsis  mit  Halbkuppelgewölbe  anschliesst.  Das  Gewölbe  im  Turm  ist  wie  der  un- 
profilierte Chorbogen  spitzbogig  und  rippenlos ;  starke  Schildbögen  ruhen  auf  Eck- 
pfeilern. Der  Chor  hat  kleine  romanische  Rundbogenfenster,  davon  drei  in  der  Apsis. 
Der  Turm  hat  gekuppelte  Schallöffnungen,  deren  Rundbogen  auf  kleinen  Säulen 
ruhen,  mit  primitiven  Knospenkapitälen  und  attischen  Basen  mit  runder  Unterlags- 
platte.   Der  Ort  besitzt  einige  gut  erhaltene  Fachwerkhäuser. 


3^ 


TRINGENSTEIN 


99 


Fig.  107.  Burg  Tringenstein.  (Nach  einem  Modell). 


TRINGENSTEIN. 

Vogel,  Nachr.  über  die  Burg  Tringenstein.  Nass.  Annal.  3  b.  24—  3  5 .  —  Vogel,  Beschr.  v.  Nassau  724. 

IE  Burgruine  Tringenstein  liegt  auf  einem  nach  der  Tringensteiner 
Scheide  abfallenden  Hügel,  9,5  km  östlich  nach  Norden  von  Dillenburg. 
Als  Nassau-Dillenburgsche  Grenzburg  gegen  Hessen  soll  die  Burg  (nach 
Vogel)  1323—1325  in  der  Dernbachschen  F"ehde  von  Graf  Heinrich  I. 
erbaut  sein ;  ihre  erste  urkundliche  Erwähnung  findet  sich  erst  1356. 

Graf  Johann  IV.  erweiterte  und  verschönerte  sie  1472;  unter  seinem  Nach- 
folger wurde  die  Kapelle  1489  neu  geweiht.  Im  17.  Jahrhundert  war  sie  bereits  ver- 
fallen, sodass  Graf  Ludwig  Heinrich  sie  1625  herstellen  liess.  Nach  dem  Aus- 
sterben der  Dillenburger  Linie  scheint  sie  dem  Verfall  preisgegeben  worden  zu  sein, 
der,  nachdem  1773  die  Türen  und  Fenster  verkauft  waren,  schnellen  Fortgang  nahm, 
sodass  jetzt  kaum  noch  die  Grundmauern  zu  erkennen  sind.  Nach  einer  1828  von 
Chelius  in  Dillenburg  aufgenommenen  Grundrisskizze  im  Landesarchiv  zu  Wiesbaden 
und  eigenen  Zeichnungen  aus  den  vierziger  Jahren  hat  Herr  J.  H.  Hoffmann  in  Herborn 
die  Burg  in  einem  Modell  zu  rekonstruieren  versucht,  wonach  die  Figur  107  gezeichnet  ist. 

Der  Grundriss  des  Wohngebäudes  war  eckig-oval ;  ihm  schloss  sich  nördlich  der 
Burghof  an,  der  durch  ein  in  der  Ostecke  befindliches  Tor  zugänglich  war ;  das  Tor- 
haus war  beiderseitig  rund  abgeschlossen,  für  Rundtürme  (wie  Lötz  annimmt)  war  kein 
Platz.  Die  Nordwestecke  des  Hofes  nahm  die  Kapelle  ein,  die  einen  achteckigen 
Chorschluss  und  an  der  Südwestecke  ein  rund  vorspringendes  Türmchen  hatte. 
Weiter  nach  Westen  standen  im  Anschluss  an  das  „Schloss"  Wirtschaftsgebäude. 
Eine  Glocke  von  der  Burgkapelle,  jetzt  in  der  Kapelle  des  Dorfes  hängend,  hat  die 

Inschrift-  ludiDig  ftenridt)  ßroff  zu  naffau  -  hans  henfdöele  uon  Itlain^  goß  midt)  1636. 

7* 


100 


WALLENFELS.  —  HACHENBURG. 


WALLENFELS. 

ALLENFELS,  eine  Burgruine,  deren  kaum  noch  erkennbare  Reste  am 
Siegenbach  3  km  nördh'ch  von  Tringenstein  liegen,  scheint  dieselbe  Ent- 
stehungsursache wie  diese  gehabt  zu  haben.  Sie  wurde  1334  zum  erstenmal 
erwähnt,  als  H  e  i  n  r  i  c  h  I.  v  o  n  N  a  s  s  a  u  sie  an  Hessen  zu  Lehen  auftrug. 
Später  wurde  sie  nebst  dem  Dorfe  an  die  Herren  von  Bicken  verpfändet,  die  hier 
ihren  Wohnsitz  nahmen.  Mit  der  Rückgabe  an  Nassau  1486  erlöschen  alle  Nach- 
richten von  ihr  (Vogel,  Nass.  Ann.  3  b  14  bis  23). 

HACHENBURG. 

Vogel,  Beschreibung  217  ff.,  690  f. 

ACHENBURG,  Stadt  und  Schloss  auf  weithin  herrschender  Höhe  über 
dem  linken  Ufer  der  grossen  Nister  gelegen,  ist  alter  Gräflich  Saynscher 
Besitz.  Dies  Geschlecht  wurde  um  1176  von  dem  Erzbischof  von  Köln 
damit  belehnt,  als  es  das  Erbe  der  Grafen  von  Saffenburg  als  kölnischer 
Vögte  des  Avalgaus  antrat.  Vorübergehend  ging  der  Besitz  1247  an  die  Grafen  von 
Sponheim  über,  als  Graf  Heinrich  III.  von  Sayn  (der  zweite  Gründer  von 
Marienstatt),  der  in  kinderloser  Ehe  mit  Mathilde  von  Wied-Neuerburg  ver- 
mählt war,  die  vier  Söhne  seiner  mit  Johann  von  Sponheim  vermählten  Schwester 
Adelheid  zu  Erben  einsetzte.  Der  Enkel  der  letzteren,  Gottfried  vonSponheim, 
erhielt  bei  einer  Erbteilung  die  Grafschaft  Sayn  mit  Hachenburg.  Er  nannte  sich 
von  da  ab  von  Sayn  und  trug  die  Grafschaft  dem  Pfalzgrafen  Ludwig  zu  Lehen 
auf.  Diese  Linie  starb  1606  aus,  und  die  Grafschaft  fiel  an  die  jüngere  Linie  Sayn- 
Wittgenstein,  von  der  sie  durch  weibliche  Erbfolge  an  die  Burggrafen  von  Kirchberg 
und  1799  an  Nassau- Weilburg  kam. 

Den  Namen  Hachenburg  scheint  zuerst  der  jetzige  Nachbarort  Altstadt  geführt 
zu  haben;  als  um  1200  in  seiner  Gemarkung  durch  die  Grafen  von  Sayn  die  Burg 
erbaut  wurde,  ging  der  Name  auf  diese  und  die  alsbald  um  dieselbe  entstehende 
Stadt  über.  Die  Burg  wird  zuerst  1221  erwähnt.  Bei  dem  Übergang  der  Grafschaft  an 
Sponheim  1247  wird  dabei  auch  die  Burg  und  Stadt  Hachenburg  aufgeführt.  Stadt- 
rechte erteilte  ihr  erst  Kaiser  Ludwig  1314,  der  von  hier  aus  mehrere  Urkunden  datierte. 

DIE  STADT  HACHENBURG  enthält  keine  Reste  aus  ihrer  frühesten  Ver- 
gangenheit, da  sie  von  zahlreichen  Feuersbrünsten  heimgesucht  wurde.  Dafür  bietet 
ihr  Marktplats  ein  selten  schönes  Stadtbild.  An  dem  stark  ansteigenden  Platz,  dessen 
unteren  Teil  ein  schöner  Brunnen  mit  dem  nassauischen  Löwen  schmückt,  reihen 
sich  Giebelhäuser  aus  dem  17.  und  18.  Jahrhundert,  aus  denen  sich  am  obersten 
Teil  die  evangelische  Kirche  abhebt,  mit  einem  Durchgangsbogen  an  die  schwere 


Fig.  108.  Hachenburg.  Katholische  Pfarrkirche  vor  dein  Umbau.  Seitenaltar ,  Kanzel  und  Beichtstuhl. 


KIRCHEN. 


101 


Baumasse  des  Schlosses  gelehnt.  An  der  Nordseite  des  Platzes  tritt  der  stattliche 
Renaissatice-Giebelbati  des  Gasthauses  „zur  Krone"  hervor,  daneben  die  schöne 
Barockfassade  der  katholischen  Kirche,  neben  der  in  den  letzten  Jahren  ein  mit 
Geschick  in  das  Stadtbild  komponierter  Glockenturm  erbaut  worden  ist. 

DIE  EVANGELISCHE  KIRCHE  ist  aus  der  Nikolaikapelle  entstanden,  die 
Graf  Gerhard  von  Sayn  (geb.  1417,  f  1493)  stiftete  und  für  die  er  1459  einen  hundert- 
tägigen Ablass  erwirkte.  Chor  und  Turm  stammen  noch  von  diesem  ersten  Bau, 
der  fünfmal,  nämlich  1439,  1484,  1503,  1594  und  1654  abbrannte.  Das  Schiff  ist  1575 
und  1576  erbaut;  von  ihm  führt  ein  mit  einem  Bogen  über  die  Strasse  geleiteter  Gang 
zum  Schloss. 

Der  Chor,  im  Achteck  geschlossen  und  dreijochig,  ist  jetzt  flach  gedeckt;  die 
Gewölbe  wachsen  aus  den  nach  innen  gezogenen  flachen  Strebepfeilern  heraus,  die 
sich  oben  als  spitzbogige  Blenden  zusamnienschliessen.  Die  Fenster,  in  einfach  schrägen 
Gewänden  liegend,  haben  spätgotisches  Fischblasen-Masswerk,  das  auf  einer,  im  Ost- 
fenster auf  zwei  Mittelstützen  ruht.  Der  Turm  steht  südlich  neben  dem  zweiten 
Chorjoch;  er  steigt  schlicht  viereckig  ohne  Streben  auf  und  enthält  im  Erdgeschoss 
die  Sakristei,  die  mit  einem  rippenlosen,  spitzbogigen  Kreuzgewölbe  auf  Konsolen 
überdeckt  ist.  Ein  steinerner  Altartisch  in  der  Sakristei  hat  ähnliche  Ecksäulchen 
wie  der  zu  Marienstatt. 

DIE  KATHOLISCHE  PFARRKIRCHE  ist  ursprünglich  eine  Franziskaner- 
Ordenskirche.  Salentin  Ernst  von  Manderscheid  hatte  dem  Orden  eine  kleine  Kirche 
nebst  Wohnhaus  erbaut,  die  1664  vollendet  wurde.  Zu  Anfang  des  18.  Jahrhunderts 
waren  Kirche  und  Kloster  baufällig  geworden,  doch  stiess  die  Absicht  eines  Neubaus 
auf  Schwierigkeiten  bei  dem  protestantischen  Landesherrn,  Grafen  Georg  Friedrich 
von  Sayn  (1715  bis  1749),  die  erst  gehoben  wurden,  als  der  Franziskanerprovinzial 
Angelus  Brinkmann  eine  Bittschrift  einreichte,  die  der  ganze  Konvent  unterzeichnet 
hatte.  Nach  der  1732  erteilten  landesherrlichen  Erlaubnis  wurde  zwei  Jahre  später 
der  Grundstein  gelegt  und  1739  die  Kirche  geweiht.  Leider  lässt  das  Fehlen  schrift- 
licher Aufzeichnung  eine  Nachprüfung  dieser  mündlich  überlieferten  Daten  nicht  zu. 
Die  Jahreszahl  1734,  die  sich  in  einer  jetzt  an  der  Dachspitze  über  dem  Chor  ange- 
brachten Wetterfahne  findet,  lässt  der  Vermutung  Raum,  dass  die  Erbauungszeit 
der  Kirche  1732 — 1734  anzunehmen  ist  (Mitt.  des  Pfarrers  Dr.  Steyer). 

Nach  der  Aufhebung  des  Klosters  1813  wurde  die  Kirche  zur  Pfarrkirche  ge- 
macht; in  den  letztvergangenen  Jahren  wurde  sie  nach  den  Plänen  des  Architekten 
C.  Senff  in  Bonn  durch  Hinausrücken  des  Chors  nach  Osten  erweitert  und  an  der 
Strassenfront  über  dem  nördlichen  Nebenausgang  mit  einem  Turm  versehen,  der  sich 
in  glücklicher  Weise  den  Bauformen  der  Kirche  anschliesst. 

Die  Kirche  war  eine  einschiffige,  dreijochige  Saalkirche,  mit  einem  Korbbogen- 
gewölbe  mit  Stichkappen  überdeckt.  Die  breiten  Gurten  waren  als  Pilaster  mit  tos- 
kanischem  Gebälk  an  den  Wänden  fortgesetzt.   Die  Schiffsbreite  war  nach  dem 


102 


HACHENBURG. 


schmäleren  Chor  durch  zwei  Schrägwände  übergeleitet,  an  denen  die  Seitenaltäre 
ihren  Platz  fanden.  Diese  sowie  der  Hochaltar  und  die  an  der  Nordwand  befindliche, 
durch  eine  aussen  hegende  Treppe  zugängliche  Kanzel  sind  hervorragende  Werke 
der  Barockkunst  in  einer  reich  verkröpften  Säulenarchitektur  aus  Eichenholz  mit 
Nussholzfournier  und  Maserholzeinlagen,  mit  lebensvoll  geschnitzten  Engel-  und 
Heiligenfiguren  reich  besetzt.  Die  Chorschranken  sind  durch  kräftige  viereckige 
Docken  mit  Deckgesimsen  aus  verschiedenfarbigem  Nassauer  Marmor  gebildet. 
Das  Kirchengestühl  hat  gut  profilierte,  mit  dicken  Kugeln  besetzte  Kopfstücke 
aus  Eichenholz.  Die  Kanzel  mit  einem  etwas  zu  wuchtigen  Schalldeckel-Aufbau 
hat  auf  den  vier  Seiten  zwischen  reich  geschwungenen  Konsolen  die  in  Öl  ge- 
malten Bilder  der  Evangelisten  in  reich  geschnitzten  Barockkartuschen.  Die  Kanzel 
wurde  bei  dem  Umbau  an  die  Südwand  versetzt  und  erhielt  eine  neue  Treppe  mit 
geschnitztem  Geländer. 

Da  die  Kirche  auf  einem  schmalen,  von  Nachbargrundstücken  beengten  Bau- 
platz liegt,  so  hat  nur  ihre  Westfront  eine  monumentale  Ausbildung  erhalten.  Sie 
ist  durch  vier  Lisenen  gegliedert,  von  denen  sich  die  beiden  mittelsten  über  das  ver- 
kröpfte Hauptgesims  bis  zum  obersten  Giebeldreieck  erheben,  von  dem  aus  elegant 
gezeichnete  Voluten  zu  den  Ecken  des  Hauptgesimses  überleiten.  Ein  Haupt-  und  ein 
nördliches  Nebenportal  haben  über  den  mit  einem  Korbbogen  geschlossenen  Tür- 
öffnungen geschweifte  und  gebrochene  Giebel.  Die  drei  grossen  Fenster  der  West- 
fassade sind  ebenso  wie  die  der  Südseite  rundbogig  geschlossen,  unter  ihnen  sind  zwei 
viereckige  Fenster  zur  Erleuchtung  des  Raumes  unter  der  Orgelbühne  angebracht, 
die  sich  inwendig  der  Westwand  vorlegt.  Auch  das  Orgelgehäuse  zeigt  in  etwas  ein- 
facheren Formen  die  gute  Ausführung  der  anderen  Ausstattungsstücke. 

An  Altargeräten  besitzt  die  Kirche  zwei  silberne,  teilweise  vergoldete 
Barockkelche  und  eine  derselben  Stilperiode  angehörige  silbervergoldete  Somien- 
moHstranz. 

DAS  SCHLOSS  scheint  im  17.  Jahrhundert,  als  Hachenburg  ständige  Residenz 
der  Sayner  Grafen  wurde,  an  der  Stelle  der  alten  Burg  des  13.  Jahrhunderts  erbaut 
zu  sein.  Um  das  obere  eigentliche  Schlossgebäude,  das  den  Gipfel  des  Schlossbergs 
einnimmt,  legen  sich  auf  einer  tieferen  Terrasse  lange  Flügel  des  unteren  Schloss- 
gebäudes, Remisen  und  Stallungen.  Durch  den  südlichen  Trakt  dieses  Schlossteils 
führt  eine  Durchfahrt  in  den  unteren  Schlosshof,  von  dem  man  vermittelst  einer 
Brücke  über  den  jetzt  zugeworfenen  Schlossgraben  das  Obers chloss  betritt.  Dieses, 
jetzt  von  einer  Königlichen  Forstschule,  einer  Oberförsterei  und  dem  Katasteramt 
eingenommen,  ist  ein  aus  fünf  zusammenhängenden  Flügeln  bestehender  Bau,  der 
sich  mit  einer  offenen  Terrasse  gegen  Nordost  öffnet.  Er  hat  über  zwei  Kellerge- 
schossen ein  Erdgeschoss,  ein  Zwischen-,  ein  Ober-  und  ein  Mansardgeschoss.  Das 
Innere  enthält  noch  einige  Reste  der  alten  Ausstattung,  die  zwar  keinen  grossen 
herrschaftlichen  Aufwand  bekunden,  aber  immerhin  als  Originalarbeiten  des  17. 
und  18.  Jahrhunderts  kunstgeschichtliches  Interesse  haben.    Es  sind:   ein  Speise- 


SCHLOSS. 


103 


Zimmer  im  Erdgeschoss  des  Westflügels  mit  eingebautem  Büffet  aus  Eichenholz  ; 
im  ersten  Obergeschoss  des  westlichen  und  südwestlichen  Flügels  sowie  der 
Südostecke  daselbst  einige  Räume,  deren  Wände  in  ganzer  Höhe  mit  Eichenholz 


Fig.  110.  Hachenburg.  Scliloss.  Grundriss  des  Erdgeschosses. 


verkleidet  sind,  Marmorkamine  mit  eingelassenen  Spiegeln,  Stuckdecken  und  einige 
gemalte  Supraporten. 

Das  Äussere  ist  in  einem  ziemlich  nüchternen,  klassizistischen  Stil  erbaut  und 
wirkt  nur  durch  seine  imponierende  Baumasse.  Nur  der  Südwestflügel  kennzeichnet 
sich  als  ältester,  dem  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  angehöriger  Teil  durch  gekuppelte 
Fenster  mit  Falzprofilen.  Ein  Eisengitter  auf  der  Westecke  des  Schlosses,  das  den 
unteren  Schlosshof  gegen  die  ,, Schanze"  abschliesst,  enthält  ein  ziemlich  kunstvolles 
schmiedeeisernes  Tor.  Ein  auf  der  Mitte  der  Terrasse  aufgestellter,  jetzt  als  Blumen- 
behälter dienender,  augenscheinlich  stark  restaurierter  Taufstein,  über  dessen  Herkunft 
keine  Nachrichten  vorliegen,  ist  demjenigen  der  Kirche  zu  Altstadt  ähnlich. 


Das  Gasthaus  „Z ur  Krone"  am  Marktplatz,  neben  der  katholischen  Kirche 
gelegen,  ist  ein  stattlicher  Steinbau  in  Spätrenaissanceformen  von  drei  Stockwerken 


104 


HACHENBURG. 


über  dem  Erdgeschoss  und  einem  zweigeschossigen  Giebel,  der  mit  Voluten  und 
steinernen  Spitzen  besetzt  ist.  Aus  dem  ersten  Obergeschoss  springt  ein  mit  den 
gekuppelten  Fenstern  des  Erdgeschosses  zusammengebauter  steinerner  Erker  mit  tos- 
kanischen  Pilastern  auf  verzierten  Steinkonsolen  vor,  der  auf  dem  Schwellstein  die 
Inschrift  trägt:  Wer  ■  wel  ■  baven  ■  an  ■  de  •  Strusen  •  der  ■  moss  •  sech  ■  kein  •  vnnevtse  • 
reden  ■  in  •  verross  (?)  •  ne  •  ehren  (irren)  ■  lasen.  Eine  Wetterfahne  auf  einer  schön  ver- 
zierten Stange  überragt  den  Giebel.  Im  Innern  ist  die  schwer  aus  Eichenholz  erbaute 
Treppe  mit  hübschem  Geländer  erhalten. 


Fig.  III.  Hachenburg.  Stadtwappen. 


ALTSTADT,  PFARRKIRCHE. 


105 


Fig.  112.  Altstadt.  Pfarrkirche. 


ALTSTADT. 

Vogel,  Beschreibung  691.  —  Mitt.  des  Nass.  Altert. -Ver.  1867,  5,  6,  S.  16  f. 

Wt^^jj^^P AS  Pfarrdorf  Altstadt,  1  km  südlich  von  Hachenburg  gelegen,  führte 
kB'j^^Sc  nach  Vogel  ursprünglich  den  Namen  dieser  Stadt,  den  es  erst  verlor,  als, 
2lv5^2lf£  vermutlich  um  1200,  mit  dem  Bau  der  Saynschen  Landesburg  in  seiner 
VCRäj'-  Gemarkung  die  jetzige  Stadt  Hachenburg  entstand. 

DIE  PFARRKIRCHE  ST.  BARTOLOMÄUS,  die  als  die  Mutterkirche  der 
Hachenburger  Kirche  gilt,  ist  eine  romanische  Basilika  mit  Querschiff,  drei  halb- 
runden Absiden  und  Westturm.  Die  flach  gedeckten  Schiffe  des  Langhauses  werden 
durch  eine  auf  vier  breiten,  viereckigen  Mauerpfeilern  ruhende  Arkatur  getrennt; 
der  östliche  Bogen  der  Südarkade  hat  grössere  Spannweite  als  die  übrigen.  Die 
Pfeiler  haben  Kämpfergesimse,  die  teils  aus  einfachen  Schmiegen,  nächst  dem  Chor 
aus  Karnies  mit  Platte  oder  Platte,  Kehle  und  Rundstab  bestehen  und  von  denen 
eins  im  Westen  zwei  tauförmig  gewundene  Stäbe  zeigt. 

Die  Vierung,  der  ursprüngliche  Chor,  ist  mit  einem  rippenlosen  Kreuzgewölbe 
bedeckt,  das  ebenso  wie  alle  Bögen,  Fenster  und  Türüberdeckungen  den  Rund- 


106 


ALTSTADT. 


bogen  zeigt.  Nur  die  ebenfalls  flach  gedeckten  Kreuzflügel  haben  in  ihren  Bögen 
und  den  Fenstern  der  mit  Halbkuppeln  überdeckten  Apsiden  den  Spitzbogen  und 
verraten  sich  hierdurch  als  spätere,  wohl  dem  13.  Jahrhundert  angehörige  Zusätze. 
Die  Nord-  und  Südwand  der  Kreuzflügel  sind  nachträglich  zur  Verbreiterung  der 
Seitenflügel  ein  Stück  nach  Westen  verlängert  worden.  Die  Hauptapside  hat  eben- 
falls eine  Halbkuppel  und  drei  Rundbogenfenster. 


Fig.  113.  Altstadt.  Pfarrkirche.  Grttndriss. 

Die  Fenster  des  Langhauses  sind  bis  auf  zwei  kleine  rundbogige  im  Westen 
erneuert  und  zum  Teil  in  viereckige  Holzrahmen  eingeschlossen. 

Das  Äussere  bietet,  namentlich  von  der  Chorseite,  durch  die  steilen  Giebel  des 
Mittelschiffs  und  das  über  das  Chorhausdacb  herüberragende  Dach  des  Langhauses 
ein  malerisches  Bild ;  nur  die  Seitenapsiden,  über  welche  die  Dächer  der  Kreuzflügel 
herabgeschleift  sind,  wirken  roh.  Der  architektonische  Schmuck  des  Äussern  ist 
sehr  gering.  Die  Hauptapside  hat  unter  einem  Hauptgesims  aus  Platte,  Kehle  und 
Viertelstab  einen  gemauerten  Bogenfries  auf  gekehlten  Konsolen ;  ein  ebensolcher 
Fries  scheint  die  Obermauer  des  Mittelschiffs  geschmückt  zu  haben,  wo  er  noch  am 
Chor  und  über  den  beiden  ursprünglichen  kleinen  Fenstern  der  Westseite  erhalten 
ist.  Die  Fenster  der  Hauptapside  liegen  in  Blenden,  die  schon  einen  schwachen  An- 
satz zum  Spitzbogen  zeigen. 

Der  Turm  ist  ganz  schmucklos  und  hat  auf  den  vier  Seiten  gekuppelte,  rund- 
bogige  Schallöffnungen,  deren  Mittelsäulchen  rohe  Würfelkapitäle  mit  Zickzack- Ver- 
zierung, aber  ohne  Halsglied,  und  als  Basen  umgekehrte  Kapitäle  oder  schlichte  Rund- 
stäbe haben.    Der  ins  Achteck  übergeführte  Dachhelm  ist  aus  neuerer  Zeit. 

Das  Innere  der  Kirche  ist  ganz  angefüllt  mit  Emporen  aus  dem  17.  Jahr- 
hundert, die  charakteristische  Holzformen  und  gute  Ziermotive  der  ländlichen  Zimmer- 
kunst an  Ständern  und  Brüstungen  besitzen. 


PFARRKIRCHE. 


107 


108 


DREIFELDEN. 


Im  südlichen  Querschiff  steht  der  1864  restaurierte  Taiifstein,  ein  gutes  Werk 
spätromanischer  Steinmetzarbeit.  Das  Becken,  zwölfkantig,  hat  einen  auf  kleinen 
Konsolen  ruhenden  Rundbogenfries.  Darüber  zieht  sich  ein  zierlich  gemeisselter 
Ornamentfries,  in  dessen  Laubverschlingungen  die  Kapitale  von  sechs  Säulchen 
hineingearbeitet  sind,  die  das  Becken  freistehend  umgeben  und  zierliche  attische 
Basen  mit  Eckblättern  haben. 

Das  nördliche  Querschiff  enthält  mehrere  im  Boden  liegende  gusseiserne  Gräb- 
platten der  Barockzeit. 

Von  den  zwei  Glocken  des  Westturms  ist  die  kleinere  1453  von  Arnold  von 
Sayn  gegossen  (Inschrift:  t  anno  domini  M  •  CCCC  •  LIII  •  f  S.  Clfcbctl)  licpffen  ld|). 
arnolt  Oan  fepen  gops  mpdt)).    Die  grössere  trägt  die  Jahreszahl  1616. 

Auf  der  Ostseite  des  Schiffdachs  ein  schmiedeeiseviies  Kreuz  mit  Wetterhahn 
von  ungewöhnlicher  Form. 

Die  Kirche  hat  nach  einigen  kürzlich  aufgedeckten  Resten  eine  vollständige 
hitienbemaliing  besessen.  In  der  Halbkuppel  der  Apsis  war  in  einer  von  den 
Evangelistenzeichen  umgebenen  Mandorla  ein  thronender  Heiland  dargestellt,  dem 
sich  zur  Rechten  und  Linken  je  zwei  Heilige  anreihten.  Die  vergoldeten  Hei- 
ligenscheine sämtlicher  Figuren  sind  durch  Eindrücke  in  den  feuchten  Mörtel 
schwach  reliefiert. 

Auf  den  Schiffswänden  sind  die  Spuren  überlebensgrosser  Apostelfiguren  unter 
gotischen  Baldachinen  zutage  getreten,  die  einen  mit  Rosen  verzierten  Hintergrund 
umschlossen.  Ein  grosser,  6—7  m  hoher  Christoforus  hat  die  nördliche  Schiffswand 
neben  dem  Chorbogen  eingenommen.  Es  ist  Aussicht  vorhanden,  die  Malereien, 
wenigstens  im  Chor  zu  erhalten. 

DREIFELDEN. 

AS  Filialdorf  Dreifelden,  8  km  südlich  von  Hachenburg,  besitzt  in 
dem  Turm  und  Chor  seiner  Kirche  den  Rest  einer  romanischen  Anlage, 
deren  Schiff  am  Ende  des  17.  Jahrhunderts  neu  erbaut  ist.  Der  viereckige, 
schlichte  Ost  türm  bildet  in  seinem  mit  einem  rippenlosen  Kreuzgewölbe 
überdeckten  Erdgeschoss  das  Altarhaus,  dem  sich  eine  halbrunde  Apsis  anschliesst. 
Der  halbrunde  Chorbogen  hat  schlichte  Schmiegengesimse.  An  der  Nordseite  zwei 
niedrige  Rundbogenblenden ;  an  der  Südseite  ein  kleines  Spitzbogenfenster  mit  schrägen 
Gewänden  und  zwei  kleine  spitzgiebelförmig  überdeckte  Blenden.  Drei  Glocken,  die 
grösste  ohne  Inschrift,  die  mittlere  von  1481,  die  kleinste  mit  Christus  am  Kreuz, 
Maria  und  Johannes  von  1506  (Lötz).    Die  Kanzel  trägt  an  ihrem  Fuss  die  Jahreszahl  1695. 


HÖCHSTENBACH. 


109 


Fig.  115.  Höchstenbach.  Pfarrkirche. 


HÖCHSTENBACH. 

Vogel,  Beschr.  v.  N.  695. 

AS  Dorf  Höchstenbach,  7  km  südwestlich  von  Hachenburg,  kam  gegen 
das  Ende  des  15.  Jahrhunderts  durch  Verpfändung  aus  der  Grafschaft 
Wied  in  Saynschen  Besitz.  Seine  PFARRKIRCHE  war  dem  heiligen  Georg 
geweiht ;  der  romanische  Übergangsstil,  in  dem  sie  erbaut  ist,  weist  auf 


110 


HOEN. 


den  Anfang  des  13.  Jahrhunderts.  Der  Chor  besteht  aus  einem  quadratischen,  mit 
einem  rippenlosen,  spitzbogigen  Kreuzgewölbe  überdeckten  Raum,  dem  sich  eine 

halbrunde  Apsis  anschliesst.  Die  Chorfenster  sind  rund- 
bogig;  im  Äussern  umzieht  den  Chorbau  ein  Rund- 
bogenfries, die  Apsis  ist  durch  drei  stumpf-spitzbogige 
Blenden  gegliedert.  Das  Schiff  hat  eine  flache  Decke 
und  neuere  Fenster ;  ein  südlich  angebautes  Seitenschiff 
ist  ebenfalls  neu.  Der  Westturm ,  schlicht  viereckig 
aufsteigend,  hat  gekuppelte  Schallöffnungen  mit  Säul- 
chenteilung; an  der  Nord-  und  Südseite  liegen  sie  in 
Rundbogenblenden.  Trotz  ihrer  Schlichtheit  zeichnet 
sich  die  auf  einer  kleinen  Anhöhe  über  der  Dorfstrasse 
liegende  Kirche  durch  eine  gefällige  Silhuette  aus. 

Höchstenbach  hat  geschichtliches  Interesse  durch 
ein  im  Koalitionskriege  hier  geliefertes  Gefecht,  in 
welchem  General  Marceau,  der  Bezwinger  der  Vendee 
und  Sieger  in  der  Schlacht  von  Fleurus  als  Befehls- 
haber der  französischen  Nachhut  beim  Rückzug  des 
Generals  Jourdan  am  19.  September  1796  tödlich  ver- 
wundet wurde.  Er  starb  vier  Tage  später  in  Alten- 
kirchen, in  dessen  Gemarkung  ihm  ein  Denkmal  ge- 
setzt wurde. 


Fig.  IIb .  Höchstenbach.  Pfarrkirche. 
Grundriss. 


HOEN. 

Vogel  in  Nass.  Ann.  i,  99 — iio.  —  Vogel,  Beschreibung  705. 

^  AS  Pfarrdorf  H  o  e  n ,  12,3  km  ostsüdöstlich  von  Hachenburg  gelegen,  sieht 
auf  ein  hohes  Alter  zurück.  Schon  im  10.  Jahrhundert  erscheint  es  als 
„Hana"  im  Besitz  des  Herzogs  Hermann  von  Allemannien,  der  es 
V^SsCSöu!  mit  der  Kirche  in  Humbach  (Montabaur)  an  das  Florinsstift  in  Koblenz 
schenkt.  Dies  scheint  auch  hier  eine  Kirche  gebaut  zu  haben,  die  nebst  der  Pfarrei 
schon  1100  vorhanden  war  und  von  der  noch  der  jetzige  übrigens  ganz  formlose 
Turm  herrühren  kann.  Im  Jahr  1114  hatte  die  Gegend,  die  damals  als  „Provinz 
Hana"  bezeichnet  wird,  unter  einem  kriegerischen  Einfall  eines  Lehnsmannes  des 
Grafen  Ulrich  aus  der  Königshunderte  schwer  zu  leiden.  Von  späteren  Kriegs- 
nöten hören  wir  gelegentlich  des  Streites  zwischen  Adolf  von  Nassau  und  Diether 
von  Isenburg  um  den  Mainzer  Stuhl,  als  1462  Philipp  von  Katzenelnbogen  und 
Dieter  II.  von  Sayn  in  der  Hoener  Gegend  ihre  Fehde  als  Parteigänger  der  Genannten 
ausfochten.  Hierbei  wurde  der  Ort  vom  Erstgenannten  verbrannt,  wobei  auch  die 
alte  Kirche  zugrunde  gegangen  zu  sein  scheint. 


PFARRKIRCHE. 


III 


Neben  dem  Florinsstift  war  das  Kloster  Oberwerben  in  Waldeck  im  Besitz  des 
Präsentationsrechtes  und  vieler  Huben  in  Hoen,  die  nach  der  Säkularisation  dieses 
Klosters  an  Waldeck  fielen  und  1560 
von  diesem  an  das  Kloster  Marienstatt 
verkauft  wurden.  Dies  blieb  bis  1572  im 
Besitz  des  Kirchensatzes,  wo  die  Pfarrei, 
die  übrigens  ihren  Sitz  immer  in  dem 
benachbarten  Schöneberg  hatte,  an  die 
Franziskaner  in  Hadamar  überging. 


DIE  PFARRKIRCHE  St.  Jo- 
hannis des  Täufers  und  Valentinus,  seit 
1644  St.  Maria,  ist  eine  sehr  unregelmäs- 
sige spätgotische  Hallenkirche,  deren 
Bauzeit  wohl  bald  nach  dem  Brand  von 
1462  anzusetzen  ist.  Sie  ist  dreischiffig  _^ 
mit  einem.  Chor  am  Mittelschiff  und 
einem  solchen  am  nördlichen  Seiten- 
schiff und  dem  erwähnten  romanischen, 
ins  Mittelschiff  eingebauten  Westturm. 

Der  Hauptchor,  im  Achteck  ge- 
schlossen, mit  vorgelegtem  Kreuzge- 
wölbejoch hat  im  Chorhaupt  ein  Stern- 
gewölbe. Die  Schlussteine  und  Kreu- 
zungsstellen sind  mit  Vierpässen  be- 
legt, die  im  Sterngewölbe  das  Haupt 
Christi,  die  Evangelistenzeichen  und 


Fig.  117.  Hoen.  Pfarrkirche.  Grundriss, 

das  Haupt  Johannis  des  Täufers,  im  Kreuzgewölbe  das  Lamm  Gottes  tragen.  Die 
schlicht  gekehlten  Rippen  wachsen  ohne  Kapitäl  aus  runden  Wanddiensten  hervor, 
die  Fenster  sind  zweiteilig  mit  spätem  Masswerk.  Der  Chorbogen  ist  ein  unge- 
gliederter Spitzbogen. 

Der  nach  dem  halben  Zehneck  angelegte  nördliche  Seitenchor  ist  wohl 
mit  dem  1490  gestifteten  Marienaltar  gleichzeitig.  Das  Chorhaupt  ebenso  wie 
ein  vorgelegtes  quadratisches  Joch  sind  mit  rippenlosen,  spitzen  Kreuzgewölben, 
letzteres  mit  sechs  Gräten  überwölbt.  Gegen  den  Hauptchor  und  das  nördliche 
Seitenschiff  öffnet  er  sich  in  ungegliederten  grossen  Spitzbögen.  Die  spitzbogigen 
Fenster  sind  ungeteilt. 

Das  schief  gegen  Norden  abweichend  an  den  Chor  anschliessende  Mittelschiff 
hat  zwei  Gewölbjoche,  deren  Scheidebögen  unprofiliert  auf  einen  Mittelpfeiler  auf- 
setzen. Der  südliche  ist  von  sechseckigem  Querschnitt,  Sockel  und  Kämpferstein 
mit  einfach  schrägem  Anlauf ;  der  nördliche  hat  einen  Vierpass  als  Querschnitt,  wobei 
der  nördliche  Dienst  oben  eckig  ist,  unten  gebrochene  Ecken  hat.  Die  Überleitung  zum 


112 


HOEN. 


Kämpferansatz  zeigt  eine  merkwürdig  kompliziert-unbeholfene  Lösung  (s.  Fig.  118). 
Sämtliche  Schiffe  sind  mit  Sterngewölben  überdeckt,  deren  einfach  gekehlte  Rippen 
durchweg  verzierte  Schlussteine  haben.  Diejenigen  des  Mittelschiffs  tragen  Wappen, 
die  im  südlichen  Seitenschiff  Maria  mit  dem  Kinde,  den  heiligen  Valentin,  eine  weib- 
liche wappenhaltende  Gestalt,  im  nördlichen  Seitenschiff  das  Veronikatuch,  [einen 
Kelch  mit  Hostie  und  eine  Rose.  ^  - 


Fig.  118.  Hoen.  Pfarrkirche.  Fig.  119.  Hoen.  Pfarrkirche.  Pfosten  im  Turm. 


den  Mitteljochen  beider  Seitenschiffe  führen  Pforten  ins  Freie,  die  südliche  mit 
einer  ganz  einfachen,  offenen  Vorhalle  und  einem  mit  durchkreuztem  Rundstab  be- 
legten Gewände. 

Am  Chor  und  nördlichen  Seitenschiff  sind  gemauerte  Strebepfeiler  mit  Pult- 
dächern von  Schieferplatten  vorgelegt. 

Der  Turm  steigt  als  schlichtes  Viereck  auf  und  hat  im  Obergeschoss  ungeteilte 
stümpf-spitzbogige  Schallöffnungen.  Seine  beiden  unteren  Geschosse  sind  mit  rund- 
bogigen  Tonnen,  die  Westtür  mit  einem  plattgedrückten  Kleebogen  überdeckt.  Eine 
Treppe  in  der  Mauerdicke  führt  zum  Glockenstuhl,  unter  dem  sich  eine  hübsche  Ver- 
zimmerung erhalten  hat. 


KROPPACH. 


113 


Von  den  drei  Glocken  hat  die  grösste  die  Inschrift:  Ofatina  ))t\^V\  idt)  •  alle 

boze  iDcder  uertriben  iiö  •  dielman  üon  batbenborg  gos  miib  anno  üomini  mcccclxii 


Fig.  120.  Hoen.  Pfarrkirche.  Stuhlwange.  Fig.  121.  Hoen.  Pfarrkirche.  Türring. 


Die  eichenen  Kirchenstühle  haben  hübsch  ausgegründete  Wangen,  die  dem 
Stil  nach  auf  das  Ende  des  16.  Jahrhunderts  deuten. 

Ein  kunstvoll  geschmiedeter  Türring  auf  einem  Lilienkreuz  hat  sich  an  der 
südlichen  Tür  erhalten. 

KROPPACH. 

IE  EVANGELISCHE  KIRCHE  des  7  km  nordwestlich  von  Hachenburg 
gelegenen  Dorfes  Kr  opp ach  ist  eine  flachgedeckte,  romanische  Basilika 
mit  einem  aus  der  Übergangszeit  stammenden  Chor  und  1835  erneuertem 
Turm.  Der  in  halbem  Sechseck  geschlossene  Chor  ist  mit  rippenlosen, 
stumpf-spitzbogigen  Kreuzgewölben  bedeckt;  die  Fenster  der  drei  Sechseckseiten  sind 
rundbogig  geschlossen  und  liegen  in  sehr  dicken,  einfach  abgeschrägten  Gewänden. 
Die  flachen  Strebepfeiler  des  Äusseren  sind  mit  Pultdächern  abgedeckt. 

Die  niedrige  Arkatur  des  Schiffes  besteht  aus  vier  auf  schweren,  viereckigen 
Mauerpfeilern  ruhenden  Rundbögen,  die  nördlichen  Pfeiler  haben  flachgekehlte 
Kämpfergesimse.  In  der  Südseite  haben  sich  die  ursprünglichen  vier  kleinen  rund- 
bogigen  Fenster  der  Oberwand  erhalten;  die  nördlichen  Fenster  sind  alle  viereckig. 
Das  nördliche  Seitenschiff  endigt  mit  einer  kleinen  halbrunden  Apsis. 

8 


114 


MARIENSTATT. 


Ein  alter  romanischer  Tauf  stein,  der  aussen  an  der  Westseite  steht,  bildet 
einen  schlichten  Cylinder  von  zirka  1  m  Durchmesser  und  ist  aussen  mit  einem  Fries 
von  sieben  Rundbogen  verziert,  von  denen  zwei  ein  Kreuz  enthalten. 

Gusseiserne  Grabplatte  eines  geharnischten  Ritters  mit  Flachrelief:  Berthram 
von  Haldinckhausen  zu  Lützelnauen  f  1576. 

Drei  Glocken.    Die  grösste  mit  der  Inschrift :  PetruS  •  Reißen  •  llj)  •  alle  •  bOfen  • 

lüeüer  •  uerüriben  •  idt)  •  in  •  (eljre)  •  gots  •  luden  •  iit)  •  anno  •  domlni  •  mcccclxxx  (1480). 

Die  mittlere  von  1720,  die  kleinste  von  1411  (Lötz). 


Fig.  122.  Langenhahn.  Pfarrkirche. 


MARIENSTATT. 

Sublimis  advocatio  ecclesiastica  ordinaria  comiti  Saynensi  in  coenobiuin  Marienstadt  vindicata, 
Wetzlar  1765,  Urkundenbuch  I.  —  Vogel,  Beschreibung  257  f.  —  Beyer,  Urkundenbuch  3,  35,  877; 
3,  39.  —  Gaspar  Jongelinus,  notitia  abbatiarum  ordinis  cisterciensis,  Coloniae  Agrippinae  1640, 
2,  38  f.  —  Mertens  in  Kuglers  Museum  1835,  174.  —  Fr.  Bock  im  Organ  für  Christi.  Kunst 
Köln  1860,  S.  217,  229,  mit  Nordansicht  und  Querschnittskizze  von  Wiethase.  —  R.  Görz,  Die 
Abteikirche  zu  Marienstatt  bei  Hachenburg  in  „Denkmäler  aus  Nassau",  Heft  4,  mit  12  Tafeln, 
Wiesbaden  1866.  —  Sachs  und  Rossel,  Album  von  Nassau  Nr.  4.  —  F.  Luthmer,  Die  Cisterzienser- 
abteikirche  Marienstatt  in  ,, Zeitschrift  für  Bauwesen",  Berlin  1867,  157  und  Tafel  22  —  24.  —  Sauer, 
Excurs  zu  Nass.  Annalen  28,  S.  48,  49  und  Ann.  29,  68  ff.  —  P.  Gilbert  Wellstein,  S.  O.  Cist. 
Die  Cisterzienserabtei  Marienstatt  im  Westerwald,  Marienstatt  1 907  (mit  ausführlicher  Literaturangabe).  — 
E.  F.  A.  Münzenberger,  Zur  Kenntnis  und  Würdigung  der  mittelalterlichen  Altäre  Deutschlands, 
Frft.  1885,  I.  Bd.  mit  Abb.  auf  Tafel  74,  75.  —  Necrologium  des  Klosters  im  Landesarchiv. 

REI  Kilometer  unterhalb  Hachenburg  verengt  sich  das  Tal  der  grossen  Nister 
zu  einer  waldigen  Schlucht,  durch  die  der  Bach,  von  vortretenden  Felsen 
eingeengt,  in  Windungen  dahinfliesst.  Am  Eingang  dieses  Engtals  erheben 
sich  die  Gebäude  des  Zisterzienserklosters  Marienstatt,  in  das  seit 
dem  Jahre  1888  die  Brüder  von  der  Regel  des  heiligen  Bernhard  wieder  eingezogen  sind. 


MARIENSTATT,  GESCHICHTLICHES. 


115 


Geschichtliches.  Marienstatt  verdankt  seine  Gründung  einer  Stiftung  des 
Burggrafen  Eberhard  von  Arberg  und  seiner  Gemahlin  Aleydis  von  Mols- 
berg (aus  dem  Stamme  der  alten  Gaugrafen  des  Haigergaus),  Herrin  von  Freus- 
burg. Diese  hatten  im  Jahre  1215  das  zu  dieser  Herrschaft  gehörige  Kirchspiel 
Kirburg  auf  dem  Westerwald  mit  der  Landeshoheit  und  der  Gerichtsbarkeit,  die  sie 
vom  Erzstift  Trier  zu  Lehen  hatten,  an  den  Abt  Heinrich  von  Heisterbach  zur  Grün- 
dung eines  neuen  Zisterzienserklosters  abgetreten.  Nach  der  Bestätigung  dieser 
Schenkung  durch  den  Erzbischof  Theodorich  von  Trier  wurden  zwölf  Brüder  von 
Heisterbach  unter  dem  Abt  Hermann,  der  bis  dahin  Abt  des  Klosters  Himmerode 
in  der  Eifel  gewesen  war,  nach  dem  für  das  neue  Kloster  —  locus  S.  Mariae  —  be- 
stimmten Ort  entsandt,  der  eine  halbe  Stunde  nordwestlich  von  Kirburg  gelegen, 
noch  heute  als  „Hof  Altenkloster"  die  Erinnerung  hieran  bewahrt  hat. 

Der  Bestand  des  Klosters  an  diesem  Orte  war  indes  nicht  von  langer  Dauer. 
Bedrängt  durch  die  Verwandten  der  Gräfin  Aleydis,  die  Herren  von  Molsberg,  von 
Ziegenhain  und  von  Helfenstein,  welche  die  Schenkungen  anfeindeten,  sodass  Papst 
Honorius  III.  das  Kloster  1219  unter  seinen  besonderen  Schutz  stellen  musste, 
mehr  noch  bedrängt  durch  die  Ungunst  der  Lage  auf  der  rauhen  Höhe  des  Wester- 
waldes,  plante  der  Konvent  schon  die  Rückkehr  nach  Heisterbach.  Doch  bot  der  Graf 
Heinrich  von  Sayn  und  seine  Gemahlin  Mechtild  von  Wied-Neuerburg  1222 
durch  die  Schenkung  „ihrer  Besitzung  Nistria  am  Bache  Nister  mit  dem  Felsen,  auf 
dem  vordem  eine  Burg  gestanden,  und  allen  Zubehörungen"  die  Möglichkeit,  das 
Kloster  in  ein  milderes  Klima  zu  verlegen.  Diese  Übersiedelung  knüpft  sich  an  die 
Legende  von  einem  mitten  im  Winterschnee  blühenden  Weissdorn,  der  dem  Abt  in 
einer  Vision  verheissen  war.  An  der  Stelle  im  geschützten  Nistertal,  wo  er  mit 
seinen  Brüdern  diesen  blühenden  Strauch  fand,  erbaute  Guda  von  Greifenstein, 
Vogtin  von  Hachenburg,  eine  Kapelle,  die  noch  im  14.  Jahrhundert  neben  dem  ihr 
angebauten  Krankenhaus  des  Klosters  stand.  Im  Jahre  1227  war  der  Klosterbau  im 
Nistertal  so  weit  gediehen,  dass  unter  dem  dritten  Abt  Konrad  die  Übersiedelung 
stattfand.  Das  „Alte  Kloster"  wurde  zu  einem  Hof  (Grangia)  eingerichtet  und  blieb 
bis  zum  dreissigjährigen  Krieg  im  Besitz  des  Klosters. 

Als  erstes  Gotteshaus  der  neuen  Gründung  diente  wohl  die  von  Guda  gebaute 
Kapelle;  denn  der  Bau  der  Kirche  begann  erst  im  Jahre  1243  nach  einer  Angabe  im 
Necrologium,  die  lautet :  „Item  anno  dni.  M  •  CG  •  XLIII  primum  fundamentum  novi 
monasterii  posuit  bone  memorie  Heynricus  comes  Seynensis,  sub  abbate  Cunone  et 
eodem  tempore  praeter  aliä  contulit  nobis  ad  aedificationem  ipsius  templi  c.  1.  marcas. 
Pro  eo  misereatur  anime  sue  misericors  deus." 

Der  Bau  dieses  „neuen  Münsters"  vollzog  sich  nicht  ohne  lange  Verzögerungen 
und  Unterbrechungen.  In  einem  Zuge  und  nach  einheitlichem  Plan  scheint  von 
1243  an  nur  der  Chor  gebaut  worden  zu  sein.  ,Schon  bei  den  westlichen  Vierungs- 
pfeilern zeigt  sich  eine  Änderung  in  architektonischen  Einzelheiten  (von  der  später 
eingehender  zu  sprechen  sein  wird),  die  auf  eine  Pause  zwischen  dem  Bau  der  Ost- 
und  Westpfeiler  schliessen  lässt.     In  gleicher  Weise   bemerkt  man  an  den  ein- 


116 


MARIENSTATT,  KIRCHE. 


zelnen  Jochen,  nach  Westen  fortschreitend ;  Abweichungen,  die  zeitlich  einen  ziemlich 
langen  Entwicklungsgang,  in  der  Qualität  der  Arbeit  meist  ein  abnehmendes  Bau- 
verständnis und  bescheidenere  Baumittel  bekunden. 

Eine  Weihe  der  Kirche  fand  1324  statt,  vollzogen  (nach  P.  Wellstein)  vom  Kölner 
Erzbischof  Heinrich  von  Virneburg.  Dass  der  Bau  zu  dieser  Zeit  noch  nicht  bis 
zum  jetzigen  Westgiebel  vollendet  war,  scheint  schon  aus  dem  Ablass  hervorzugehen, 
den  der  Erzbischof  denen  versprach,  „die  mit  ihren  Gespannen  an  dem  Bau  des 
Münsters  helfen  oder  für  die  an  diesem  Orte  begrabenen  Toten  ein  Gebet  stiften  würden" 
(„praeterea  omnes  structuram  monasterii  cum  suis  vecturis  juvantes  et  orationem  pro 
defunctis  in  isto  loco  tumulatis  fundentes  40  dies  indulgentiarum  consequentur").  Die 
Untersuchung  der  Bauformen  lässt  etwa  zu,  im  Jahre  1324  als  vollendet  anzu- 
nehmen :  den  Chor,  das  Querschiff  und  die  zwei  nächstfolgenden  Joche,  hinter  denen 
ein  provisorischer  Abschluss  das  Kircheninnere  begrenzt  haben  mag.  Da  zu  dieser 
Zeit  die  Kirche  noch  nicht  (wie  im  19.  Jahrhundert)  als  Pfarrkirche  diente,  so  würde, 
das  Presbyterium  für  die  patres  abgerechnet,  der  vorhandene  Raum  in  den  zwei  Schiff- 
jochen für  die  Laienbrüder  ausgereicht  haben.  Bestimmend  für  diese  Annahme  ist 
aber  der  Nachweis,  den  Sauer  auf  Grund  eingehender  heraldischer  Studien*)  geführt 
hat,  dass  die  Gewölbe  der  vier  folgenden  Joche  nach  den  in  den  Schlussteinen 
eingemeisselten  Wappen  der  Stifter  nicht  vor  dem  ersten  Viertel  des  15.  Jahr- 
hunderts ausgeführt  sein  können,  die  völlige  Fertigstellung  der  Kirche  also  etwa 
um  1430  anzunehmen  wäre. 

Von  den  alten  Klostergebäuden,  deren  Bau  wohl  mit  der  Saynschen 
Schenkung  von  1222  begonnen  hat,  ist  leider  kein  Rest  mehr  erhalten.  Sie  wurden 
unter  dem  Abt  Petrus  IV.  Emons,  der  von  1734  bis  1751  den  Abtstab  führte,  abge- 
rissen, um  einem  Neubau  im  Stil  der  Zeit  Platz  zu  machen,  der,  wenn  er  auch  in  einzelnen 
Teilen,  wie  im  Mittelflügel  des  Hauptgebäudes  mit  seinem  monumentalen  Treppenhaus 
nicht  der  architektonischen  Grösse  entbehrt,  uns  doch  nicht  für  die  verschwundene 
romanische  Klosteranlage  schadlos  halten  kann. 

Ohne  auf  die  einzelnen  Schicksale  der  Abtei,  die  P.  Wellstein  in  seinem  Buche 
ausführlich  schildert,  hier  eingehen  zu  können,  sei  nur  erwähnt,  dass  das  Kloster 
1803  aufgehoben  und  nach  kurzem  Privatbesitz  von  der  nassauischen  Regierung  zu- 
rückgekauft und  als  Domäne  verwaltet  wurde.  1864  von  Nassau  an  den  Bischof 
Peter  Josef  Blum  von  Limburg  verkauft,  wurde  es  zu  einer  Rettungsanstalt  für 
Knaben  eingerichtet  und  1888  durch  die  Vermittelung  des  Limburger  Bischofs  Karl 
Klein  seiner  ursprünglichen  Bestimmung  als  Zisterzienserkloster  zurückgegeben. 

Baubeschreibung.  Die  Kirche  ist  eine  durchweg  spitzbogig  gewölbte  Basi- 
lika mit  Chorumgang,  Kapellenkranz  und  Querschiff,  nach  Zisterzienserregel  ohne 
Turm,  nur  mit  einem  über  der  Vierung  stehenden  hölzernen  Dachreiter. 

Der  älteste  Teil,  der  Chor  bis  einschliesslich  der  Ostwand  des  Querschiffs, 
trägt  durchaus  einheitlich  den  Charakter  der  Frühgotik.   Er  besteht  aus  einem  ob- 


*)  Näheres  s.  S.  122. 


J^ig.  125.  Marienstatt.  Kirche.  Choransicht. 


Fig.  126.  Marienstatt.  Kirche.  Grundriss  des  Erdgeschosses. 


118 


MARIENSTATT,  KIRCHE. 


longen  Kreuzgewölbe,  an  das  sich  mit  sieben  Seiten  des  Zwölfecbs  das  Chorhaupt 
anschliesst.  Um  die  acht  Rundpfeiler  desselben  zieht  sich  ein  Umgang  in  Seiten- 
schiffhöhe, dem  sieben  Kapellen  von  etwas  mehr  als  halbkreisförmigem  Grundriss 
vorgelegt  sind.  Ihre  Aussenmauern  treten  zwischen  den  Strebepfeilern  in  entsprechender 
Rundung  hervor.  Der  oblongen  Chortravee  entsprechen  zwei  quadratische,  dem 
Kapellenkranz  sich  anschliessende  Seitenkapellen,  die  sich  neben  je  einem  den  Chor- 
pfeilern gleichen  Rundpfeiler  sowohl  nach  dem  Chorumgang  wie  nach  dem  Quer- 
schiff öffnen.  In  der  Ostwand  des  letzteren  sind  ausserdem  noch  zwei  länglich-vier- 
eckige Kapellen  ausgespart,  sodass  der  Chor  im  ganzen  elf  Kapellen  enthält. 

Die  Rundpfeiler  des  Chors  haben  attische  Basen  der  frühgotischen  Form 
auf  achteckigen,  nach  unten  durch  einen  aufsteigenden  Karnies  verbreiterten  Sockeln. 
Die  Kapitale  tragen  über  einem  in  scharfem  Profil  ausladenden,  mit  Laubknospen 
von  sehr  verschiedenartiger  Zeichnung  (s.  Fig.  128)  besetzten  runden  Kelch  einen 
unregelmässig  sechsseitigen  Kämpferstein,  aus  Karnies  und  Platte  bestehend.  Nach 
innen  sind  die  Kapitäle  durch  Vorlagen  erbreitert,  welche  die  Gewölbdienste 
aufnehmen.  Diese,  in  der  Höhe  des  Triforium-  und  des  Fensterbankgesimses  durch 
Ringe  unterbrochen,  sind  zu  dritt  nebeneinander  geordnet.  Nur  an  dem  ersten,  die 
viereckige  Gewölbetravee  abschliessenden  Gurt  ordnen  sie  sich  zu  je  zwei  neben 
einen  schmalen,  rechteckigen  Mittelpfosten,  der  den  noch  rundbogigen,  ebenfalls  recht- 
eckig profilierten  Trennungsgurt  zwischen  den  beiden  Chorgevvölben  aufnimmt.  Die 
zur  Aufnahme  der  Gewölbrippen  bestimmten  Dienste  haben  in  Kämpferhöhe  schlichte 
Kelchkapitäle ;  die  anschliessenden,  den  Schildbogen  begleitenden  Dienste  sind  an 
dieser  Stelle  noch  einmal  durch  einen  Ring  unterbrochen  und  tragen  ihre  Kapitäle 
in  der  Höhe  des  Bogenansatzes  der  Oberfenster. 

Die  unprofilierten  Bögen  zwischen  den  Chorpfeilern  sind  mit  Ausnahme  des 
graden  Joches  stark  gestelzt  und  liegen  in  ebenfalls  scharfkantigen,  noch  schlankeren 
Blenden.  Über  ihnen  folgt  ein  Gesimsgurt,  der  triforien artige,  aber  geschlossene, 
im  Kleebogen  überwölbte  Blenden  trägt;  mit  dem  obersten  Bogen  des  Kleeblatts 
konzentrisch  führt  eine  selbständig  profilierte,  kreisrunde  Öffnung  in  das  Dach  des 
Kapellenkranzes.  Die  über  dem  folgenden  Gesimsband  aufsetzenden  schlanken  Ober- 
fenster liegen  in  unprofilierten  schrägen  Leibungen  und  sind  ungeteilt.  In  der 
Höhe  dieses  Gesimses  durchbricht  ein  schmaler  Laufgang  die  zwischen  den  Fenstern 
rechteckig  vorspringenden  Pfeiler  (s.  Grundriss  Fig.  129).  Dieser  Laufgang  zieht  sich 
auch  um  den  Südflügel  des  Querschiffs  herum  und  ist  hier  durch  ein  an  der  Südost- 
ecke aufsteigendes  Treppentürmchen  zugänglich. 

Die  Gewölbe  des  Chor  Umgangs  haben  glatte  Gurte  und  Rippen  mit  gradlinigem, 
zugespitztem  Profil;  die  Rippen  der  Kapellen  sind  mit  einem  trapezförmigen  Quer- 
schnitt den  Gewölbgräten  vorgelegt,  ruhen  auf  kleinen  Konsolen  und  haben  ebenso 
wie  die  des  Umgangs  keine  Schlussteine.  Die  Rippen  des  Hauptgewölbes  sind  mit 
einem  von  zwei  Rundstäben  begleiteten  kräftigen  Birnstab  und  zwei  Kehlen  profiliert. 

Die  beiden  östlichen  Pfeiler  der  Vierung  haben  einen  Querschnitt,  der  aus 
einem  quadratischen,  an  den  Ecken  abgekanteten  Kern  besteht;  vor  die  Seiten  sind 


Fig.  127.  Marieiistatt.  Kirche.  C/toruiiigaiig. 


MARIENSTATT,  KIRCHE. 


119 


vier  rechtwinklige  Vorlagen  mit  aufgesetzten  starken,  runden  Diensten  vorgelegt; 
diesem  Querschnitt  entsprechend  sind  auch  die  Wandvorlagen  des  Querschiffs  gebildet. 
Die  Dienste  haben  attische  Basen  wie  die  Chorsäulen,  runde  Sockel  und  viereckige 
Kapitale  mit  Knospenverzierungen;  an  den  Wanddiensten  fehlen  die  letzteren.  Der 


Fig.  128.  Marietislatt.  Kirche.  Kapitale  der  Chorpfeiler. 

Aufbau  der  östlichen  Vierungsjoche  entspricht  im  übrigen  vollständig  denen  des 
Chors ;  nur  die  Seitenkapellen  in  den  freistehenden  Jochen  des  Querschiffs  öffnen 
sich  gegen  dieses  vollständig  mit  rundbogigen  Tonnen. 

Gab  der  bisher  beschriebene  Teil  das  völlig  einheitliche  Bild  einer  frühgotischen, 
von  französischen  Vorbildern  beeinflussten  Choranlage,  so  begegnen  uns  in  den  nach 
Westen  folgenden  Teilen  des  Baues  Verschiedenheiten  und  Unsicherheiten  der  Archi- 
tektur, die  auf  Unterbrechungen  in  der  Ausführung  und  einen  sehr  wechselnden  Zu- 
fluss  der  Baugelder  schliessen  lassen. 

Der  mit  1324  abschliessenden  Bauperiode  gehören  mutmasslich  das  Querschiff 
und  die  nächsten  zwei  Joche  des  Schiffs  an,  wenn  auch  in  diesen  sich  manche  auf- 
fallende Abweichungen  von  einem  einheitlichen  Plan  finden. 


120 


MARIENSTATT,  KIRCHE. 


Die  Chorweite  scheint  für  den  Weiterbau  nicht  genügend  befunden  zu  sein ; 
durch  das  Auseinanderrücken  der  westlichen  Vierungspfeiler  um  1,30  m  hat  das 
Vierungsgewölbe  trapezförmigen  Grundriss  erhalten,  und  auch  die  beiden  äusseren 
Gurten  der  Querschiffgewölbe  sind  schräg  beigezogen.  Der  Querschnitt  der  westlichen 
Vierungspfeiler  ist  rund  mit  acht  vorgelegten  Diensten,  von  denen  diejenigen  der 
Gurte  stärkeren  Durchmesser  haben;  sie  haben  glatte  Kelchkapitäle. 

Die  im  übrigen  glatten  Giebelwände  des  Querschiffs  haben  Oberfenster,  von 
denen  das  kleinere  südliche  einfach  dreiteilig  ist  mit  drei  nasenbesetzten  Spitzbögen, 
während  das  nördliche  ein  grosses,  ganz  frühgotisch  profiliertes  Masswerk  mit  grosser 
fünfteiliger  Rose  über  drei  mit  Nasen  besetzten  stumpfen  Spitzbögen  hat.  Beide 
Fenster  liegen  in  ungegliederten  Schräggewänden.  Unter  dem  letzteren  ist  eine 
Tür,  aussen  in  rundbogiger  Blende  liegend,  mit  giebelförmigem,  von  seitlichen  Krag- 
steinen unterstütztem  Sturz.  Die  Scheidebögen  der  Seitenschiffe  nach  dem  Querschiff 
sind  schlicht  rechteckig  ohne  Profil. 

Im  Langhaus  sind  die  Pfeiler  glatt  und  rund,  bedeutend  stärker  als  die- 
jenigen des  Chors,  die  Kelchkapitäle  durchweg  ohne  Blattschmuck.  Auffallend  ist  die 
schlichte,  beinahe  rohe  Kapitälbildung  der  ersten  drei  Pfeiler  der  Nordseite  (I,  II,  III 
des  Übersichtsblattes,  s.  Fig.  132).  Auch  die  Basen,  wenn  auch  untereinander  ab- 
weichend, sind  sehr  einfach  gehalten.  Die  über  diesen  Pfeilern  aufsteigenden  Dienste 
setzen  ohne  Sockel  auf  den  Deckplatten  auf. 

Alle  übrigen  Pfeiler  haben  entschieden  gotisch  profilierte  Kapitale  mit  scharf 
unterschnittenem  Kelch  und  zwölfeckiger,  birnstabartig  profilierter  Deckplatte.  Die 
Sockel,  ebenfalls  übereckstehend,  zwölfeckig,  mit  abgeschrägtem  Untersockel  haben 
ein  aus  Birnstab,  Kehle  und  kleinem  Rundstab  bestehendes,  rundes  Oberglied. 

Die  Dienste  setzen  mit  halbachteckigem  Sockel  und  rundem  Oberglied  auf  den 
Kapitalen  auf;  diejenigen  der  ersten  drei  Pfeiler  haben  schlichte  Kelchkapitäle,  von 
da  ab  fehlen  dieselben,  und  die  Rippen  und  Gräte  wachsen  in  spätgotischer  Weise 
glatt  aus  ihnen  empor. 

Von  den  Seitenschiffen  hat  nur  das  nördliche  Wandpfeiler ;  die  Südwand  ist  mit 
spitzbogigen,  unprofilierten  Blendbögen  besetzt,  gegen  deren  rechteckige  Pfeiler  die  Ge- 
wölbe mit  Konsolsteinen  einfachster  Form  anfallen.  Die  den  beiden  ersten  Schiffspfeilern 
entsprechenden  Wandpfeüer  des  nördlichen  Seitenschiffs  bestehen  aus  drei  durch  Hohl- 
kehlen getrennten  Diensten  mit  zierlich  profilierten,  glatten  Kelchkapitälen ;  die  folgenden 
Pfeiler  haben  als  Querschnitt  ein  halbes  Sechseck  und  ziemlich  roh  gebildete  Kapitale. 

Die  einzigen,  feiner  profilierten  Rippen  finden  sich,  mit  einem  scharfen  Birnstab 
versehen,  in  den  zwei  östlichen  Feldern  des  nördlichen  Seitenschiffs;  alle  anderen 
Gewölbe  des  Querschiffs,  des  Mittel-  und  der  Seitenschiffe  sind  einfach  hohl  profiliert, 
die  Gräte  der  Vierung  und  der  beiden  nächsten  Mittelschiffgewölbe  mit  doppelten 
Kehlen  an  beiden  Seiten.  Die  Schlussteine  tragen  als  Schmuck  in  den  zwei  ersten 
Schiffsgewölben  Blumen  und  Blattkränze,  in  den  beiden  folgenden  Schilder  mit  aufge- 
malten (also  wohl  späteren)  Wappen ,  in  den  beiden  westlichsten  gemeisselte  Wappen, 
deren  Benennung  durch  Sauer  die  ziemlich  sichere  Datierung  dieses  Teils  ermöglicht  hat. 


c  .  Längsschnitt. 


I 


Fig.  130.  Marienstatt.  Kirche.  Grundriss  in  der  Höhe  des  Triforiums. 


122 


MARIENSTATT. 


Fig.  131.  Marieiistatt.  Kirche.  Masswerk.  Westgiebel, 


Durch  diese  Untersuchung,*)  auf  deren  Einzelheiten  hier  nicht  näher  eingegangen 
werden  kann,  ist  erstens  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  nachgewiesen,  dass  das  Wappen 
im  Schlusstein  des  letzten  (westlichsten)  Mittelschiffgewölbes  dasjenige  des  Henne  von 
Wyngersdorf,  t  12.  April  1417,  ist.  Sein  Bruder  Arnold  siegelt  15.  August  1417  die 
ßestätigungsurkunde  einer  von  diesem  gemachten  testamentarischen  Bestimmung,  durch 
welche  dieser  dem  Kloster  Marienstatt  „mitnamezu  dem  buwe  daselbs"  den  halben 
Hof  zu  Heelden  by  der  Lynden  im  Kirchspiel  Wissen  zuwies,  mit  diesem  Wappen. 
Bestätigend  findet  sich  im  Necrologium  die  Eintragung  zum  12.  April:  obiit  Johannes 
de  Wyngerdorff,  qui  legavit  operi  VII  albos  perpetui  census  cedentes  in  parrochia 
Wyssen",  ein  Geschenk,  das  sein  Bruder  nach  der  Eintragung  ergänzte :  Januar  20 
„obiit  Arnoldus  de  Wyngerdorf,  qui  legavit  perpetuo  tres  albos  de  bonis  zo  der  Helden." 
Zweitens  ist  die  Vermutung  nicht  abzuweisen,  dass  das  Wappen  des  Schlussteins 
im  vorletzten  Mittelschiftjoch  (der  Mudersbach,  eines  Geschlechtes,  das  dem 
Kloster  den  1381  und  1382  nachweisbaren  Abt  Bernard  von  Mudersbach  gab),  das- 
jenige das  Ludewicus  de  Muderspach  ist,  von  dem  das  Necrologium  berichtet,  dass  er 
mit  seiner  Frau  Alveradis  „plus  quam  ducentas  marcas"  schenkte. 


*)  Nass.  Annalen  29  :  Nachtrag  zu  der  Abhandlung  ,,Die  Herren  von  Beilstein  und  Greifen- 
stein", Anm.  28,  S.  1  —  52  von  Dr.  W.  Sauer  S.  68.  ff.  XV. 


KIRCHE. 


123 


   I    I    I    I    I    I  r  

WANDPrElLER  17^  .  NÖRDL  SEITENSCHIFF 


Fig.  132.  Marienstatt.  Kirche.  Übersichtsblatt  der  Schiffspfeiler. 


124 


MARIENSTATT,  KIRCHE. 


Fig,  133.  Marienstatt.  Kirche.  Masswerk. 
Nördlicher  Querschiffgiebcl. 


Drittens  enthalten  die  Schlussteine  der  nördlichen  und  südlichen  Seitenschiff- 
gewölbe Wappen  nachweisbarer  bürgerlicher,  meist  in  Hachenburg  ansässiger  Familien, 
nämlich  der  Ingelnbach,  Goldershofen,  von  Hattenrode  (ein  niederer  Adel,  der  seinen 
Burgsitz  zu  Niederhattert  bei  Hachenburg  besass)  und  Bernkot,  von  denen  mehrere 
als  Geschenkgeber  „ad  fabricam"  urkundlich  feststehen. 

„In  der  vorstehenden  Untersuchung", 
schliesst  Sauer,  „ist  bezüglich  von  wenigstens 
acht  der  in  Frage  kommenden  Wappen  im 
allgemeinen  wohl  hinlänglich  begründet 
worden,  dass  dieselben  dem  ersten  Viertel 
des  15.  Jahrhunderts  angehören,  von  dreien 
derselben  ist  dies  wohl  als  nachgewiesen 
anzusehen ,  namentlich  von  einem  dieser 
letzteren,  dem  Allianzwappen  Hattenrode- 
ßernkot,  dass  es  nicht  vor  dem  Jahre 
1422  angebracht  sein  kann.  Und  dass  die 
besonders  hier  in  Betracht  kommenden 
Wappen  in  den  beiden  Seitenschiffen  von 
zwei  Künstlern,  aber  zu  einundderselben 
Zeit  ausgeführt  sind,  ist  schon  bemerkt. 
Nach  dem  vorhin  Gesagten  kann  dies  nur 
gegen  das  Ende  des  ersten  Viertels  des  15.  Jahrhunderts  geschehen  sein,  um  welche 
genauer  nicht  zu  begrenzende  Zeit  demnach  die  Gewölbe  dieser  beiden  Schiffe  erst 
fertiggestellt  und  mit  den  Wappen  solcher  Personen,  welche  sich  um  die  endliche 
Fertigstellung  des  lange  dauernden  Kirchenbaues  verdient  gemacht  hatten,  abge- 
schlossen wurden." 

Diese,  wie  man  zugeben  muss,  mit  einem  hohen  Grad  von  Wahrscheinlichkeit 
aufgestellte  späte  Datierung  des  westlichen  Teils  der  Kirche  wird  bestätigt  durch 
zwei  Einzelheiten  des  Baubefundes.  Einmal  durch  das  Fehlen  der  Kapitäle  an  den 
Diensten  der  drei  westlichsten  Pfeilerpaare.  Die  in  Stuck  später  angesetzten  Kelch- 
kapitäle,  die  frühere  Abbildungen  noch  aufweisen,  wurden  bei  der  jüngsten  Herstellung 
entfernt.  Ferner  weist  auf  eine  späte  eilige  Ausführung  der  Ersatz  des  über  den 
Scheidebogen  des  Schiffs  sich  hinziehenden,  frühgotisch  profilierten  Gesimses  durch 
ein  mit  Eisenklammern  vorgesetztes  Holzgesims  mit  schlichter  Kehlung  in  der  west- 
lichsten Travee. 

Das  Steingesims  selbst  zeigt  hinter  dem  zweiten  Pfeiler  (vom  westlichsten  Vierungs- 
pfeiler gerechnet)  einen  Wechsel  des  Profils,  der  die  Vermutung  unterstützt,  dass  an 
dieser  Stelle  ein  einschneidender  Abschnitt  in  der  Baugeschichte  (der  von  1324)  an- 
zunehmen ist. 

Auf  dem  genannten  Gesims  stehen  in  der  Mitte  jedes  Feldes  kleine,  in  die 
Dächer  der  Seitenschiffe  führende  Öffnungen  —  Rudimente  einer  Triforienanlage,  — 
die  mit  gekehltem  Profil  durch  einen  mit  Nasen  besetzten  Spitzbogen  geschlossen  sind. 


Fig.  134.  Marienstatt.  Kirche.  Inneres.  Ansicht  gegen  Osten. 


Fig.  135.  Marienstatt.  Kirche.  Chordurchschnitt. 


126 


MARIENSTATT. 


Die  Oberfenster  des  Mittelschiffs  sind  ohne  Masswerk  im  Spitzbogen  geschlossen 
und  liegen  in  schrägen  Gewänden.  Ebenso  schlicht  sind  die  Fenster  des  nördlichen 
Seitenschiffs  gebildet. 

Der  Westgiebel  wird  im  Mittelschiff  von  einem  hohen,  vierteiligen  Fenster 
durchbrochen,  dessen  äussere  Leibung  mit  einer  grossen  Hohlkehle  und  einem 
Birnstab  profiliert  ist.    Das  Masswerk,  aus  einer  grossen  Rosette  bestehend,  der 

sich  vier  nasenbesetzte 
Spitzbogen  anschmiegen, 
zeigt  die  Formen  und 
Profile  der  entwickeltsten 
Gotik. 


üon  iJ^yiigersdorl" 


UOR 


liUubenbod) 


üjjattenroöe  -  Bernhot- 


Jngelabadi  -  öolöpnhok 


Fig.  136.  Marietistatt .  Kirche. 
Schlussteine  in  den  ■westlichen 
Schiffsjochen. 


unbehfliint"  -ßolöenhofpn 


Die  kleineren,  zweiteiligen  Seitenschiff-Fenster  der  Westfront  in  einfach  ge- 
kehlten Gewänden  liegend,  verraten  in  ihrem  etwas  plumpen  Masswerk  entweder 
die  Spätzeit  des  Stils  oder  eine  noch  spätere  Erneuerung. 

Das  Äussere  der  Kirche  ist  von  grosser  Einfachheit,  wie  sie  die  Ausführung 
in  steinsichtig  verputztem  Schieferbruchstein  mit  sparsamer  Verwendung  des  Hausteins 
(Trachyt  von  Wölferlingen)  zu  Strebepfeilern  und  Gesimsabdeckungen  mit  sich 
bringt.  Dennoch,  oder  vielleicht  gerade  wegen  des  Fehlens  von  reicheren  architek- 
tonischen Schmuckmotiven,  trägt  der  Bau  einen  durchaus  eindrucksvollen,  monumentalen 
Charakter,  wozu  die  edlen  Verhältnisse  der  Westfront  und  die  belebenden  Linien 
der  Strebebögen  nicht  wenig  beitragen.  Von  besonderer,  wenigen  deutschen  Bauten 
dieser  Zeit  eigenen  Schönheit  ist  die  Choransicht  mit  ihrem  aufsteigenden  Kranz  von 
Strebebögen  und  der  bewegten  Linie  der  rund  vortretenden  Kapellen.  Die  viermal 
abgesetzten  Strebepfeiler  sind  mit  Satteldächern  abgedeckt,  die  sich  über  die  schweren 
ungegliederten  Strebebögen  zu  den  flachen  Wandpfeilern  des  hohen  Mittelschiffs  empor- 
schwingen.   Über  diese  zieht  sich  in  der  Form  kleiner  Satteldächer  das  Dachgesims, 


i 


KUNSTGESCHICHTLICHE  EINORDNUNG. 


127 


am  Chor  aus  Platte,  Plättchen,  Kehle  und  Viertelstab  bestehend,  an  den  übrigen 
Teilen  des  Baues  eine  einfache  Schrägung  mit  Kehle.  Das  in  schlankem  Spitzbogen 
geschlossene  Westportal  hat  ein  tiefes  äusseres  Gewände,  das  in  vier  verschieden 
breiten  Kehlen  mit  zwischenliegenden  Birnstäben  gegliedert  ist.  Eine  Pforte,  die  im 
dritten  Joch  von  Westen  in  das  nördliche  Seitenschiff  führt,  hat  ein  ebenfalls  spitz- 
bogiges,  mit  Platte,  Kehle,  Stäbchen  und  Viertelstab  gegliedertes  Gewände,  dem  im 


Fig.  137.  Marienstatt.  Kirche.  Altartisch,  Fliesen  und  Bleiver glasung. 


Scheitel  eine  schöne  fünfblätterige  Rose  eingefügt  ist.  Der  übereck  gestellte  acht- 
eckige, sehr  schön  silhuettierte  Dachreiter  hat  über  den  Schallöffnungen  acht  spitze 
Giebel,  ist  ganz  beschiefert  und  mit  schlichten,  bleiernen  Wasserspeiern  versehen. 

Wenn  man  die  kleine  Zahl  der  Monumente  überblickt,  an  denen  sich  das  Ein- 
dringen des  gotischen  Stils  auf  deutschem  Boden  im  3.  und  4.  Jahrzehnt  des  13.  Jahr- 
hunderts verfolgen  lässt,  so  wird  man  nicht  umhin  können,  der  Kirche  von  Marien- 
statt, als  dem  ersten  rein  gotischen  Zisterzienserbau  in  Deutschland,  die  Bedeutung 
eines  wichtigen  Merksteins  der  Baugeschichte  beizulegen.  Was  die  Erbauer  dieser 
Kirche,  die  Brüder  eines  der  konservativsten  Ordens,  veranlasst  hat,  von  dem  Typus 
der  Zisterzienserkirchen,  wie  wir  ihn  in  klarster  Form  in  Eberbach  besitzen,  in  so 
vielen  Dingen  abzuweichen,  wird  kaum  zu  ermitteln  sein. 

Das  Eindringen  des  an  den  grossen  französischen  Kathedralen  ausgebildeten 
gotischen  Stils  in  den  deutschen  Kirchenbau  ist  von  dem  1.  Jahrzehnt  des  13.  Jahr- 
hunderts an  zu  verfolgen;  sei  es  nun,  dass  es  die  Bauherren  waren,  deutsche  Kirchen- 
fürsten, die  in  Frankreich  ihre  Bildung  empfangen  hatten  und  die  neuen  Bauformen 
und  Baugedanken  bei  ihren  kirchlichen  Schöpfungen  anzuwenden  wünschten,  sei  es, 
was  wohl  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  zutraf,  dass  deutsche  Werkleute,  ob  bürger- 


128 


MARIENSTATT. 


liehe  Handwerker  oder  Laienbrüder  ist  im  einzelnen  Falle  schwer  zu  entscheiden, 
die  von  der  überaus  lebhaften  kirchlichen  Bautätigkeit  nach  Nordfrankreich  gezogen 
waren,  die  Kenntnis  des  neuen  Stils  in  ihre  Heimat  mitbrachten.  An  zahlreichen 
Bauten  dieser  Zeit,  Magdeburg,  Naumburg,  Bamberg,  Wimpfen  und  vielen  andern, 
lässt  sich  verfolgen,  wie  der  in  Deutschland  um  diese  Zeit  zur  reifsten  Entfaltung 
gelangte  romanische  Stil  sich  gegen  das  Neue  wehrte,  wie  er  die  neuen  Baugedanken 


Fig.  138.  Marienstatt.  Kirche.  Piscina. 


und  konstruktiven  Motive  mit  den  altheimischen  zu  verschmelzen  suchte.  Etwa  um 
1230  hört  dieses  Ringen  auf,  und  mit  der  Liebfrauenkirche  in  Trier  (1227  bis  1244), 
der  Elisabethkirche  in  Marburg  (1236  bis  1263),  der  Minoritenkirche  in  Köln  (1239  bis 
1240)  und  dem  Chor  von  Marienstatt  (1243)  sehen  wir  die  ersten,  rein  gotischen 
Kirchen  auf  deutschem  Boden  entstehen. 

Diejenigen  Merkmale,  welche  zur  Einreihung  von  Marienstatt  in  diese  Gruppe 
berechtigen:  die  völlige  Herrschaft  des  Spitzbogens,  das  durchgeführte  Strebebogen- 
system, der  auch  im  Äusseren  zutage  tretende  Kapellenkranz  um  den  offenen  Chor- 
umgang, die,  wenn  auch  verkrüppelte  Triforienanlage,  sind  im  einzelnen  schon  bei 
früheren  deutschen  Bauten  nachzuweisen.  So  hat  das  Münster  zu  Bonn  schon  1221 
die  freiliegenden  Strebebogen,  Heisterbach,  das  Mutterkloster  von  unserer  Kirche, 
den  Kapellenkranz,  der  hier  aber  noch  gleichsam  versteckt  in  der  runden  Chormauer 
liegt.  Alle  diese  Merkmale  aber  weisen  mit  Deutlichkeit  auf  Vorbilder  in  Nord- 
frankreich, wo,  wie  wir  wissen,  der  Zisterzienserorden  seinen  in  Burgund  ausgebildeten 


Fig.  139.  Marienstati.  Kirche.  Chorgestülil. 


MARIENSTATT,  KIRCHE. 


129 


Sonderstil  schon  früh  aufgegeben  hatte.  Was  aber  gerade  Marienstatt  unter  den 
oben  aufgeführten  frühesten  deutschgotischen  Bauten  eine  besondere  Stellung  anweist, 
ist  die  Übertragung  der 
aus  einem  ausgebildeten 
Hausteinbau  hervorge- 
gangenen neuen  Bauge- 
danken auf  einen  mit  be- 
scheidenen Mitteln  er- 
richteten Bruchsteinbau, 
der  uns  damit  als  ein  ruhm- 
vollesZeugnis  für  das  selb- 
ständige Können  deut- 
scher Werkleute  von  be- 
sonderem Wert  sein  muss. 

Von  den  älteren  Aus- 
stattungsstücken ist  bei 
den  Erneuerungen ,  die 
Kirche  und  Kloster  im 
18.  Jahrhundert  erfahren 
haben,  nur  eine  kleineZahl 
übriggeblieben ;  manches 
ist  auch  bei  der  letzten 
Herstellung  an  einen  an- 
deren Platz  gerückt  wor- 
den. Hier  ist  folgendes 
aufzuführen : 

Altartisch  des  Hoch- 
altars von  streng  früh- 
gotischer Form.  Die  Vor- 
derplatte ist  mit  vier 
Blenden  verziert,  die,  mit 
einem  feinen  Karnies- 
profil umzogen,  früher 
wahrscheinlich  gemalte 
Heiligenfiguren  enthiel- 
ten. In  die  Ecken  sind 
Säulchen  mit  schlichten 
Kelchkapitälen  eingelegt, 


Fig;.  140.  Marienstatt.  Kirche.  Grabmal  Gerhards  II.  von  Sayn  und 
seiner  Gemahlin. 


die  starke  Platte  mit  einer  von  zwei  Wülsten  begrenzten  flachen  Kehle  profiliert. 

Piscina  von  Stein  im  östlichen  Teil  des  südlichen  Seitenschiffs.  Unter  einer 
spitzbogigen  Wandnische  springen  drei  halbkreisförmige  Becken  vor,  das  mittelste  durch 
einen  roh  gearbeiteten  Kopf,  die  seitlichen  durch  spitze,  kannelierte  Konsolen  gestützt. 


130 


MARIENSTATT,  KIRCHE. 


Grabplatte  einer  Matrone  im  nördlichen  Kreuzflügel,  von  schwarzem  Marmor 
mit  eingegrabenen  Umrissen,  der  durch  ein  Kopftuch  verhüllte  Kopf  und  die  Hände 

von  weissem  Marmor 
eingesetzt,  unter  einem 
einfachen,  von  nasenbe- 
setzten Spitzbogen  ge- 
tragenen Giebel;  spät- 
gotisch. 

Grabmal  des  Grafen 
Gerhard  II.  von  Sayn 
(t  1493)  und  seiner  Ge- 
mahlin, einer  Gräfin  von 
Syrck,  (früher  unter  dem 
südöstlichen  Seitenbo- 
gen  des  Schiffs,  jetzt  an 
die  Westmauer  des  nörd- 
lichen Seitenschiffs  ver- 
setzt). Grosse  Tumba 
mit  Spuren  spätgotischer 
gemalter  Figuren  auf 
den  Seitenwänden.  Die 
Gestalten ,  in  offenbar 
charakteristischer  Por- 
trätähnlichkeit, mit  Re- 
sten früherer  Bemalung, 
der  Graf  in  voller  Rü- 
stung, liegen  auf  Kopf- 
kissen ,  die  Füsse  von 


Fig.  141.  Marienstatt.  Kirche.  Pietas. 

Zu  den   Häupten   halten  zwei   knieende  Engel  das 


Löwengestalten  unterstützt. 
Saynsche  Wappen. 

Zwei  Grabsteine  im  nördlichen  Seitenschiff  zeigen  in  guten  Relieffiguren  den 
Grafen  Johann  IV.  von  Sayn  (f  1529)  und  seine  Gemahlin  Maria  von  Limburg  (f  1525). 
Weitere  drei  Grabsteine  im  Fussboden  der  Kirche  und  fünf  im  Kapitelhause,  die 
wenig  künstlerischen  Wert  haben,  führt  P.  Wellstein  a.  a.  O.  S.  108,  109  mit  aus- 
führlichen Inschriften  an. 

Ein  grosser,  gotischer  Reliquienbehälter  aus  Stein,  der  vor  der  letzten  Restau- 
ration zwischen  den  westlichen  Chorpfeilern  auf  der  Evangelienseite  stand,  befindet 
sich  jetzt  an  der  Westwand  des  nördlichen  Kreuzarms.  Die  reiche  Gliederung  seines 
Rahmens,  in  der  Mitte  von  dem  Saynschen  Wappen  gekrönt,  umschliesst  ein  vergoldetes 
Eisengitter. 

Marienbild  aus  Stein  über  dem  Nordportal  des  Querschiffs,  schlicht  und  streng, 
Anfang  des  14.  Jahrhunderts. 


Fig.  142.  Marienstatt.  Kirche.  Beichtstuhl. 


MARIENSTATT,  KIRCHE. 


131 


Maria  mit  dem  Jesuskind  über  dem  Westportal  (Stein  mit  Resten  der  Be- 
malung). Die  lebhafte  Bewegung  der  Figur  und  der  ausdruckvolle  Faltenwurf  deuten 
auf  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts. 

Reste  von  Fussbodenßiesen  mit  eingeritztem  Ornament  in  den  Chorkapellen. 

Fünf  Marmoraltäre ,  davon  drei  früher  den  Chorabschluss  bildend,  zwei  jetzt  im 
südlichen  Seitenschiff,  drei  in  der  St.  Annakapelle  des  Klosters;  reiche  und  gut  auf- 
gebaute Barockwerke,  inschriftlich  von  1718,  mit  Engeln,  Putten  und  Heiligenfiguren 
aus  weissem  Marmor. 

Gräbplatte  von  Gusseisen  im  nördlichen  Kreuzflügel:  Johann  von  Selbach, 
Marschalck  zu  Crutorf,  f  15 . .  mit  der  geharnischten  Figur  in  Flachrelief. 

Chorgestühl,  nach  der  strengen  Zeichnung  und  der  wirkungsvoll  geschnitzten, 
derben  Ornamentik  dem  Anfang  des  14.  Jahrhunderts  zuzuschreiben,  in  zweimal  zwei 
Reihen  unter  der  Vierung  und  der  ersten  Travee  des  Langhauses  aufgestellt.  An 
den  Zwischenlehnen  Blattknäufe,  Köpfe,  Vögel  und  Fabelwesen,  die  Miserikordien 
einfach  konsolartig.  Der  Abtstuhl  hat  in  seiner  Ornamentik  eine  reichere  Verwen- 
dung von  Rosen  und  einen  frei  geschnitzten  Pelikan  mit  seinen  Jungen. 

Holzskulptur  der  heiligen  Anna  mit  der  kleinen  Maria,  gotisch,  gegen  Ende 
des  15.  Jahrhunderts,  mit  erneuter  Polychromierung. 

Pietas,  Holz  mit  erneuerter  Bemalung,  die  Madonna  in  Bewegung  und  Aus- 
druck von  besonderer  Innigkeit.  Jetzt  auf  dem  nördlichen  Seitenaltar  am  Eingang 
des  Presbyteriums. 

Zwei  Beichtstühle  mit  reicher  Barockschnitzerei,  wahrscheinlich  wie  die  Altäre 
unter  Abt  Benedikt  Bach  um  1718  entstanden. 

Fensterverglasungen  in  einigen  Kapellenfenstern  in  verschlungenen  Band- 
mustern, der  Zisterzienserregel  folgend  ohne  Farbe. 

Der  grosse  Flügelaltar,  der  vor  dem  Barockumbau  des  Kircheninnern  vielleicht 
als  Hochaltar  gedient  hat,  jetzt  aber  in  den  nördlichen  Querschifflügel  versetzt 
ist,  darf  als  das  wertvollste  unter  den  Kunstwerken  der  Kirche  bezeichnet  werden. 
Er  misst  aufgeschlagen  5  m  Breite  bei  2,30  m  Höhe ;  die  Tiefe  beträgt  0,32  m.  Er 
ist  aus  Holz  geschnitzt  und  zum  grossen  Teil  vergoldet.  Die  überaus  klare  und  rein 
entwickelte  Hochgotik  seiner  Architektur  und  der  Stil  der  Figuren  lässt  als  Ent- 
stehungszeit etwa  die  Zeit  um  die  erste  Weihung  der  Kirche  1324,  als  Herkunft  eine 
Kölner  Werkstatt  vermuten. 

Die  Architektur  baut  sich  in  drei  Geschossen  übereinander  auf;  das  unterste, 
das  mangels  einer  Predella  als  Sockel  dienen  muss,  hat  mit  schlichtem,  etwas  dünnem 
Masswerk  verschlossene  Behältnisse,  die  zur  Aufnahme  von  Reliquien  bestimmt  waren. 

Hierüber  folgen  zwölf  durch  Querwände  getrennte  Nischen,  zwischen  Fialen 
durch  spitzbogige  Wimperge  mit  Krabben  und  reichen  doppelten  Kreuzblumen  ge- 
schlossen. Sie  enthalten  die  Büsten  von  zwölf  heiligen  Jungfrauen,  von  denen  die  sechs 
mittleren  einen  eigentümlichen  aus  Rüschen  gebildeten  Kopfschmuck  tragen.  Auch 
sie  enthielten  Reliquien,  die  durch  runde,  mit  Mass  werk  gefüllte  Öffnungen  in  der 
Brust  sichtbar  waren. 

9» 


132 


MARIENSTATT,  KIRCHE. 


Hinter  den  Kreuzblumen  der  Wimperge  zieht  sich  ein  Fries  von  Vierpasskreisen, 
der  einen  wahrscheinlich  ebenfalls  für  Reliquien  bestimmten  Hohlraum  abschliesst. 

Das  oberste  Geschoss  enthält  unter  den  spitzgiebeligen,  mit  spitzbogigem  Mass- 
werkbogen  geschlossenen  Baldachinen  die  Gestalten  der  zwölf  Apostel,  die  bis  auf 
einen  neuerdings  ungeschickt  ergänzten  eine  in  das  Auge  fallende  Ähnlichkeit 
mit  den  steinernen  Apostelfiguren  an  den  Chorpfeilern  des  Kölner  Doms  haben 
und  wohl  zu  den  besten  Holzskulpturen  der  Hochgotik  gerechnet  werden  dürfen. 
Hinter  den  Wimpergen  zieht  sich  wieder  eine  mit  spitzbogigem  Masswerk  ausge- 
setzte Gallerie  entlang. 

Die  Mitte  des  Altars  wird  von  einem  34  cm  vorspringenden  Vorbau  eingenommen, 
der  bei  geschlossenem  Altar  von  den  Flügeln  nicht  bedeckt  wird,  aber,  wie  die  an 
den  Kanten  der  letzteren  noch  nachweisbaren  Scharniere  beweisen,  früher  besondere 
Verschlussflügel  hatte.  Der  untere  Teil  wird  von  einer  mit  Eisen  vergitterten  Nische 
eingenommen,  die,  da  sie  als  Sakramentshaus  aus  ritualen  Gründen  nicht  anzusehen 
ist,  wahrscheinlich  als  Behältnis  für  eine  besonders  kostbar  gefasste  Reliquie  gedient 
hat.  Das  Fischblasenmasswerk,  das  den  breitgezogenen,  stumpfspitzbogigen  Wimperg 
ausfüllt,  lässt  eine  spätere  Ergänzung  vermuten.  In  der  mit  zwei  Wimpergen  über- 
deckten Nische  der  oberen  Zone  stellt  ein  besonders  schön  und  graziös  geschnitztes 
Bildwerk  die  Krönung  der  Maria  dar,  welche  die  Hände  betend  zu  dem  neben  ihr 
thronenden,  segnenden  Heiland  erhoben  hat. 

Die  Architektur  sowie  sämtliche  Haare  und  Kleider  der  Figuren  sind  vergoldet, 
auf  den  Gewändern  reich  mit  eingepunztem  Ornament  geschmückt.  Nur  die  Um- 
schläge der  Gewänder  sowie  einzelne  Profile  des  Rahmwerks  sind  durch  lebhafte 
Farben  hervorgehoben.  Die  Wände  der  Figurennischen  sind  blau  mit  goldenen  Sternen. 

Die  Aussenseiten  der  Flügel  sind  in  zwei  Zonen  mit  leider  stark  zerstörten  Ge- 
mälden aus  dem  Leben  Christi  geschmückt,  deren  Darstellungen  auf  die  verlorenge- 
gangenen Deckflügel  der  mittleren  Nische  übergegriffen  haben.  Die  auf  Goldgrund 
unter  einer  schwarz  konturierten  Architektur  gemalten  Bilder  stellten  dar:  rechter 
Flügel  in  der  oberen  Reihe :  Anbetung  der  Könige,  Beschneidung  Christi,  den  Jesus- 
knaben im  Tempel  (halb);  untere  Reihe  :  den  bethlehemitischen  Kindermord,  Tod  Mariae, 
Mariae  Himmelfahrt  (halb).  Auf  dem  linken  Flügel:  obere  Reihe:  Christus  am  Ölberg, 
Gefangennahme,  Christus  vor  Pilatus;  untere  Reihe:  Verspottung  Christi  (halb),  Ab- 
nahme vom  Kreuz,  Grablegung. 

Der  Altar  wurde  1830  nach  Wiesbaden  verbracht  und  einer  unsachgemässen 
Herstellung  unterzogen,  dann  1835  im  dortigen  Museum  aufgestellt  und  in  den  neun- 
ziger Jahren  wieder  in  die  Kirche  zurückgebracht.  Gegenwärtig  befindet  er  sich  zum 
Zweck  einer  umfassenden  Herstellung  in  Berlin. 

Aus  der  Zeit  des  Klosterneubaues  um  1718  stammen  in  der  Kirche  noch  zwei  be- 
merkenswerte Schmiedearbeiten :  die  mit  Toren  versehenen  Abschlussgitter  des  Pres- 
byteriums,  eins  im  Mittelschiff  zwischen  den  Chorstühlen,  je  eins  im  nördlichen  und 
südlichen  Seitenschiff,  am  Ende  des  ersten  Schiffsjochs.  Ihre  leichte  und  bei  aller 
Freiheit  des  Barockstils  gesetzmässige  Form  zeigt  Abb.  145;  ferner  das  sehr  reiche 


Flg.  144.  Maritiiitutt.  Ablfmebäinic.  Miltclbiiii. 


MARIENSTATT,  KIRCHE. 


133 


Fig.  145.  Marienstatt.  Kirche.  Chorgitter  in  den  Seitenschiffen. 


Geländer  der  Treppe,  die  am  südlichen  Querschiffgiebel  in  das  obere  Stockwerk  des 
Klostergebäudes  führt. 

Bis  zu  der  jüngsten  Herstellung  enthielt  die  Kirche  noch  die  gesamte  dekorative 
Innenaustattung  der  Barockzeit,  namentlich  einen  mächtigen,  bis  zum  Gewölbescheitel 
aufsteigenden  Hochaltar,  der  mit  einer  Fülle  überlebensgrosser,  in  Holz  geschnitzter 
Engel-  und  Heiligenfiguren  geschmückt  war,  wie  auch  ähnliche  Figuren  vielfach  ander- 
wärts zur  Dekoration  des  Kircheninnern  verwendet  waren.  Diese  Skulpturen,  die  zum 
Teil  im  Kreuzgang  ihren  Platz  gefunden  haben,  zum  Teil  auf  dem  Dachboden  des  nörd- 
lichen Klosterflügels  einer  würdigeren  Aufbewahrung  harren,  sind  von  verschiedenem 


134 


NIEDERROSSBACH. 


Werte.  Alle  zeigen  die  für  unsere  Zeit  immer  wieder  beneidenswerte  handwerkliche 
Sicherheit  des  Schnitzers,  einige  aber  auch  in  der  Freiheit  der  Bewegung  und  der  deli- 
katen Behandlung  von  Köpfen  und  Händen  einen  höheren  Grad  künstlerischen  Vermögens. 

Das  Abteigebäude  besteht  aus  zwei  Flügeln,  die  in  jüngster  Zeit  durch 
Ausführung  des  für  die  Klosterbibliothek  bestimmten  Südflügels  zu  einem  nach 
Westen  offenen  Hufeisenbau  vervollständigt  sind.  Die  Architektur  ist  von  grosser 
Schlichtheit;  nur  in  der  Mitte  des  Hauptflügels  erhebt  sich  ein  durch  Mansardedach, 
geschweiften  Giebel  und  eine  toskanische  Pilasterstellung  hervorgehobener  Pavillon, 
der  das  imposante  Treppenhaus  einschliesst.  Dessen  Hauptschmuck  ist  die  in  dunklem 
Eichenholz  geschnitzte  Treppe,  die  in  geschwungenen  Doppelläufen  sich  zu  der  mit 
einer  doppelten  Arkadenstellung  geöffneten  Hinterwand  emporschwingt,  während  an 
der  Frontwand  eine  Galerie,  mit  der  gleichen,  reichgeschnitzten  Rokokobrüstung 
wie  die  Treppenrampe  geschmückt,  die  Verbindung  im  Obergeschoss  vermittelt. 
Die  Decke  hat  hier,  wie  in  mehreren  anderen  Räumen  der  Abtei,  einen  bescheidenen 
Dekor  durch  angetragenen  Stuck  erhalten. 

BURG  NISTRIA.  Mit  der  Burg  Nistria,  die  in  der  Schenkungsurkunde  von 
1222  erwähnt  wird,  und  deren  Spuren  man  noch  auf  dem  westlich  von  der  Abtei  auf 
dem  linken  Nisterufer  steil  aufsteigenden  Felsen,  dem  „Burgberg",  verfolgen  kann,  hat 
sich  A.  von  Cohausen  in  Annalen  XIX.,  186  beschäftigt.  Hier  seien  dieser  Arbeit 
die  kurzen  Notizen  entnommen,  dass  Graf  Heinrich  III.  von  Sayn,  der  die  Grundherr- 
lichkeit Nister  vom  Erzbistum  Köln  zu  Lehen  trug,  die  Burg  1211  bis  auf  die  Grund- 
mauern zerstörte.  Was  jetzt  noch  von  ihr  auf  dem  Felsenkopf  zu  erkennen  ist,  be- 
schränkt sich  auf  einen  im  Osten  der  Anlage  den  Bergrücken  durchschneidenden 
Halsgraben  von  6  m  Tiefe  und  4,50  m  Sohlbreite.  Zehn  Schritt  nach  Westen  ist  die 
3  m  tiefe,  12  m  ins  Geviert  messende  Fundamentgrube  für  den  Bergfried  in  den 
Felsen  vertieft,  in  dem  sich  das  Verliess  als  eine  besondere,  1  m  tiefe  und  6  m  ins 
Geviert  messende  Grube  kenntlich  macht.  Nördlich  und  südlich  vom  Turm  deuten 
Terrassierungen  auf  die  Palas-,  Wirtschafts-  und  Zwinger-Anlagen.  Auf  einer  westlich 
vorgelagerten,  tieferen  Felsplatte  von  hundert  Schritt  Länge  und  fünfzig  Schritt  Breite 
wird  die  Vorburg  vermutet,  für  deren  Turm  in  einer  quadratischen  Vertiefung  von 
4,50  m  Seitenlänge  und  6  m  Tiefe  der  Ort  gefunden  wird. 

3^ 


NIEDERROSSBACH. 

Vogel,  Beschr.  v.  N.  695. 


AS  Dorf  Niederrossbach,  12  km  südwestlich  von  Hachenburg,  3,5  km 
von  der  Station  Mündersbach  (Hachenburg-Selters)  gelegen,  war  Wied- 
scher Besitz  und  wurde  1362  an  Sayn  verpfändet,  das  den  Ort  1460  von 
I  den  im  Besitz  grundherrlicher  Rechte  und  Zehnten  befindlichen  Herren 


von  Helfenstein  und  Geyssler  erkaufte. 


Fig .  146.  Alarienstatt.  Kirche.  Seitenaltar. 


ROTZENHAHN,  PFARRKIRCHE. 


135 


DIE  PFARRKIRCHE  ist  eine  flachgedeckte  romanische  Basilika  mit  halbrund 
geschlossenem,  früher  gewölbtem  Chor  und  viereckigem  Westturm.  Von  den  wahr- 
scheinlich nach  Einführung  der  Reformation  abgebrochenen  Seitenschiffen  sind  noch 
die  im  Innern  sichtbaren  je  vier  vermauerten  Pfeilerarkaden  mit  schh'chtem  Kämpfer- 
gesims erhalten,  über  dem  in  der  Obermauer  je  vier  kleine  Rundbogenfenster.  Aussen 
Rundbogenfriese,  am  westlichen  Teil  des  Chors  auch  Lisenen.  In  der  Chorapside 
drei  grosse  Rundbogenfenster  mit  schlichtem  spätgotischem  Masswerk.  Der  Turm, 
fast  so  breit  wie  die  Kirche,  hat  gekuppelte  Schallöffnungen  mit  sehr  einfachen  Mittel- 
säulchen  und  eine  welsche  Haube. 

Zwei  Glocken.  Die  grössere,  800  Pfund  schwer  mit  gotischer  Majuskelinschrift : 
t  0  •  rCf  •  glorie  •  Oeni  •  cum  •  pace  •  maria  •  ohne  Jahreszahl,  vom  Ende  des  13.  oder 
Anfang  des  14.  Jahrhunderts.  Die  kleinere,  500  Pfund  schwer,  mit  Reliefs  Maria  mit 
dem  Christuskinde  und  zwei  Heiligen,  darüber  zwischen  gotischen  Fialen  in  einem 
Runde  das  Haupt  Christi ;  Anbetung  der  Könige ;  St.  Katharina  mit  Rad,  Schwert  und 
Krone,  auf  einer  Blume  stehend  ;  sitzende  gekrönte  Maria  mit  dem  Kinde ;  ein 
sitzender  bärtiger  Mann  mit  spitzer  Mütze,  einen  Krummstab  haltend,  der  Stuhl 
mit  Drachenköpfen  verziert,  unter  welchen  zwei  kleine,  die  Hände  flehend  er- 
hebende Figuren.  —  Inschrift :  Katerina  •  Reißen  •  idt)  •  alle  •  boße  •  (a)  iDeüer  •  lüertrifen  •  i(ö  • 
M  •  CCCC  -  L  •  (1450).  Bei  (a)  ist  das  Wappensiegel  des  Glockengiessers,  enthaltend 
in  der  Mitte  eine  Glocke  und  am  Rand  den  Namen  Ludovicus  ....  (undeutlicher 
Familienname).  Unter  der  Inschrift  ein  zierlicher  Kranz  von  Eichenblättern  (Lötz 
nach  Pfarrer  Vömel  und  Pfarrer  Gust.  Todt,  1864). 

ROTZENHAHN. 

Vogel,  Beschr.  v.  N.  703. 

AS  Dorf  Rotzenhahn,  (8,5  km  südlich  von  Hachenburg),  früher  der 
Nassau-Diezschen,  seit  1621  der  Hadamarschen  Linie  gehörig,  hatte  schon 
1289  eine  Pfarrkirche,  die  bald  nach  diesem  Jahr  dem  Stift  in  Diez  in- 
korporiert und  an  der  1413  eine  Frühmesserei  gestiftet  wurde. 

PFARRKIRCHE.  Das  jetzige  Schiff  der  Kirche  ist  1743  erbaut ;  der  Chor 
gehört  dem  Anfang  des  14.  Jahrhunderts  an.  Er  ist  aus  dem  Achteck  geschlossen 
und  mit  zwei  Kreuzgewölben  überdeckt,  deren  hohlprofilierte  Rippen  auf  halb  acht- 
eckigen, nach  unten  zulaufenden  Konsolen  aufsetzen.  Die  Fenster  sind  ungeteilt,  ihr 
hohlprofiliertes  Gewände  mit  Nasen  besetzt.  Die  schmalen  Strebepfeiler  sind  einmal  ab- 
gesetzt und  mit  Pultdächern  abgedeckt.  Der  Chorbogen  ist  rundbogig.  Der  Turm  öffnet 
sich  nur  gegen  das  Schifi^  mit  einer  flachbogigen  Öffnung  in  dem  mit  einem  Tonnen- 
gewölbe überdeckten  Erdgeschoss.    Das  Obergeschoss  ist  von  Holz  und  beschiefert. 


136 


STEINEBACH.  —  WESTERBURG. 


STEINEBACH. 

Lötz,  Beschr.  v.  Nassau  685. 

AS  Dorf  Steinebach,  6  km  südlich  von  Hachenburg,  bewahrt  in 
einigen  spärlichen  Resten  einer  Talburg,  —  dem  Stumpf  eines  vier- 
eckigen Turmes  mit  einem  spitzbogigen  Torweg,  sowie  anderen  Mauer- 
stücken —  die  Erinnerung  an  das  Rittergeschlecht  gleichen  Namens.  Es 
tritt  zuerst  1273  auf  und  trug  1424  seine  Stammburg  von  Wied  zu  Lehen,  die  1485 
noch  in  vollem  Wesen  stand.  Graf  Johann  von  Sayn  kaufte  sie  und  sie  wurde  ihm 
in  der  Bruderteilung  von  1555  vorbehalten.  Die  von  Steinenbach  schenkten  1270  ihr 
Gut  hier  an  das  Kloster  Marienstatt  und  empfingen  dagegen  1292  dessen  aus  33 
Mansen  bestehendes  Eigentum  als  Erblehen.  Das  Geschlecht  starb  am  Ende  des 
16.  Jahrhunderts  mit  Joachim  aus. 


Fig.  147.   Westerburs  von  Nordwestett. 


WESTERBURG. 

Vogel,  Beschreibung  251,  734.  —  Wenck,  hess.  Landesgeschichte  I  475 — 482,  656.  —  J.  St.  Reck, 
Geschictte  von  Isenburg,  Runkel  &  Wied,  Weimar  1825.  —  Wenck,  hess.  Land.-Gesch.  Urkdb.  124. 

US  dem  Tale  des  Schaf  bachs,  einem  nördlichen  Zufluss  des  Elbbachs,  erhebt 
sich  ein  steil  nach  Westen  abfallender  Basaltrücken,  der  das  Stammschloss 
der  Grafen  von  Westerburg  trägt.  Auf  dem  Abhang  des  Hügels  gruppiert 
sich  die  gleichnamige  Oberstadt,  in  ihrer  Mitte  von  einer  kleinen  Schlucht, 
dem  früheren  Burggraben,  zerschnitten;  im  Tal  zieht  sich  an  einer  dem  Bachlauf 
folgenden  Strasse  die  Unterstadt  hin. 

Ein  „Herr  von  Westerburg"  erscheint  1221  zuerst  in  einem  Vergleich  mit  dem 
Stift  Gemünden;  es  ist  Siegfried  von  Runkel,  der  die  Herrschaften  von  Wester- 
burg und  Runkel  in  seiner  Person  vereinigte.    Als  ersten  Vertreter  der  letzteren, 


Fig.  14S.  Westerburg.  Evang.  Kirche.  Inneres. 


WESTERBURG,  KIRCHE. 


137 


die  ursprünglich  aus  einer  geringen  Grundherrlichkeit  bei  dem  an  der  Lahn  gelegenen 
Dorfe  Wenigen- Weimar  hervorgegangen  war,  betrachtet  Vogel  einen  Siegfried,  der 
1158  als  Bürge  für  die  Gräfin  Beatrix  von  Laurenburg  bei  Verhandlungen  über  die 
Burg  Nassau  erscheint. 

Der  obengenannte  Siegfried  von  Westerburg  begegnet  uns  zuerst  1194 
als  Zeuge ;  zu  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  scheint  er  das  Kloster  Seligenstadt  bei 
Seck  besonders  mit  Stiftungen  bedacht  zu  haben 
und  erliess  diesem  1219,  bei  Antritt  einer  Kreuz- 
fahrt, alle  Abgaben,  die  es  ihm  als  seinem  Vogte 
schuldete.  Aus  der  Vogtei  über  das  Kollegiat- 
stift  zu  Geraünden,  das  den  heiligen  Severus  zum 
Patron  hatte,  scheint  die  Herrschaft  Westerburg 
hervorgegangen  zu  sein.  Wenigstens  umfasste 
ihr  rings  von  der  Grafschaft  Diez  umschlossenes 
Gebiet  nur  die  jenem  Stift  zugehörigen  Orte : 
Gemünden,  Seck,  Stocken,  Westerburg,  Hergerod, 
Stahlhofen  und  Wengenrod  und  führt  in  alten 
Dokumenten  den  Namen:  „Bifang  des  heiligen 
Severus".  Eine  Scheidung  des  Geschlechtes  in 
die  Linien  Westerburg  und  Runkel  fand  unter 
Siegfrieds  Söhnen  Sifrid  und  Dietrich  statt, 
von  denen  nach  der  unter  Vermittelung  des  Grafen 
Adolf  von  Nassau  1288  erfolgten  Gebietsteilung 
Sifrid  Westerburg  und  Schadeck  erhielt. 

Mehreren  Nachfolgern  Sifrids  begegnen  wir 
im  14.  Jahrhundert  in  der  Limburger  Chronik  als 
kriegerischen  Herren.  Eine  bedeutende  Gebiets- 
erweiterung des  Hauses  knüpft  sich  an  die  Ver- 
mählung Reinhards  IV.  (1388-1449)  mit  Mar- 
garethe von  Leiningen  im  Jahre  1422,  die 
ihm  einen  ansehnlichen  Teil  der  Grafschaft  Lei- 
ningen zubrachte.  Von  dieser  Zeit  datiert  der 
Titel  Grafen  zu  Leiningen- Westerburg. 

Die  Stadt  Westerburg,  oder  „das  Tal",  wie  sie  genannt  wurde,  scheint  mit 
der  Burg  annähernd  gleichzeitig  entstanden  zu  sein,  da  sie  bereits  1250  erweitert 
wurde.  Auf  eine  wehrhafte  Anlage  mit  Mauern  und  Graben  weist  der  Umstand,  dass 
sie  bereits  eine  Oppidan-Einrichtung  hatte,  als  1292  ihr  vom  König  Adolf  auf  Betreiben 
seiner  Schwägerin  Agnes  von  Westerburg  Stadtrechte  verliehen  wurden. 


Fig.  149.  Westerburg.  Evang.  Kirche. 
Grundriss, 


DIE  EVANGELISCHE  KIRCHE  .ist  1516  neu  erbaut  worden.  Sie  ist  eine 
spätgotische  Hallenkirche  mit  einem  in  drei  Seiten  des  Achtecks  geschlossenen  Chor  in 
der  Breite  des  Mittelschiffs  und  einem  viereckigen  vor  letzterem  stehenden  Westturm. 


138 


WESTERBURG,  KIRCHE. 


Der  Chor,  unter  dem  sich  ein  Gruftgewölbe  des  Westerburger  Grafenhauses 
befindet,  liegt  infolgedessen  um  sechs  Stufen  über  das  Schiff  erhöht.  Sein  schlichtes 
Kreuzgewölbe,  das  mit  hohlprofilierten  Rippen  auf  einfachen  Konsolen  ruht,  ist  nied- 
riger als  das  des  Schiffes.  Der  Schlusstein  trägt  ein  Schild  mit  dem  Wester- 
burgischen Wappen. 

Das  Schiff  hat  vier  Joche,  deren  spitzbogige  Arkaden,  auf  den  Abkantungen 
mit  einer  Hohlkehle  versehen,  auf  schlanken  Rundpfeilern  aufsteigen.  Das  Kämpfer- 
gesims wird  durch  eine  achteckige  Platte  mit  unterer  Schrägung  gebildet,  dem  auch 
die  Sockel  entsprechen.  Ein  engmaschiges  Netzgewölbe  bedeckt  die  drei  Schiffe,  im 
Mittelschiff  mit  doppelt,  in  den  Seiten  mit  einfach  gekehlten  Rippen;  eine  Besonder- 
heit sind  die  einfach  gekehlten,  kurzen  Rippen,  die  im  Mittelschiff  über  jedem  Pfeiler 
gerade  aufsteigen  und  die  nächste  Raute  des  Netzgewölbes  halbieren.  Die  Schlussteine 
sind  im  Mittelschiff  mit  Vierpässen  ohne  weiteren  Schmuck  belegt. 

Die  Fenster  sind  zweiteilig,  meist  mit  Fischblasenmasswerk.  Von  den  Türen  ist 
die  nördliche  im  Gewände  mit  Hohlkehlen  gegliedert,  der  Sturz  durch  zwei  reichprofi- 
lierte Konsolen  getragen;  die  südliche  einfach  rechteckig  mit  Fasengewände;  in  den 
Turm  führt  von  Süden  eine  Spitzbogentür  mit  im  Scheitel  durchkreuzter  Hohlkehle. 

Der  Turm,  einfach  viereckig,  öffnet  sich  nach  dem  Schiff  im  Erdgeschoss  mit 
einem  Rundbogen,  im  Obergeschoss  spitzbogig.  In  beiden  Geschossen  sind  die  Kreuz- 
gewölbe, deren  Kämpfer  noch  vorhanden  sind,  eingestürzt. 

Die  rundbogigen  Schallöffnungen  liegen  gekuppelt  auf  Mittelsäulchen  in  flachen 
Rundbogenblenden.  Der  Turmhelm,  achteckig,  ist  neuerdings  auf  den  vier  Seiten 
mit  unschönen  Giebelbauten  für  die  Uhr  versehen. 

Die  Kirche  enthält  drei  Westerburgische  Grabsteine ,  die  in  der  Wand  des 
südlichen  Seitenschiffs  eingemauert  sind  und  gute  dekorative  Arbeiten  des  16.  Jahr- 
hunderts darstellen;  sie  enthalten  in  Relief  die  stehenden  Figuren  der  Bestatteten: 
Graf  Georg  von  Leiningen-Westerburg,  f  1580. 

Graf  Reinhard  von  Leiningen-Westerburg,  tl584;  Meisterzeichen H R H. 
Oda,  Gräfin  vonManderscheid-Blankenburg,  Gemahlin  des  vorigen. 

An  der  Ostwand  des  südlichen  Seitenschiffs  ist  ein  Flitgelaltarbild  aufgehängt, 
das  aus  der  Liebfrauenkirche  auf  dem  Reichenscheid  stammt,  eine  gut  erhaltene 
Arbeit  aus  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  von  nicht  bedeutendem  Kunstwert.  In  der 
Mitte  Anna  mit  dem  Christuskinde  und  Maria,  auf  den  Flügeln  Lazarus  und  Magdalena, 
das  Ganze  in  dem  ursprünglichen,  mit  einem  Giebel  bekrönten  Rahmen. 

LIEBFRAUENKIRCHE.  Einen  Kilometer  talaufwärts  von  Westerburg,  an 
der  Stelle  des  ausgegangenen  Dorfes  Reichenscheid,  liegt  die  jetzt  als  katholische 
Wallfahrtskirche  wiederaufgebaute  Liebfrauenkirche.  Lötz,  der  sie  noch  als  Ruine 
sah,  gibt  von  ihr  folgende  Beschreibung: 

„Sie  war  bis  zirka  1600  von  dem  Kirchhofe  für  Westerburg  und  die  oberen 
Dörfer  umgeben.  Ein  viel  verehrtes  Marienbild  veranlasste  Prozessionen  und  Wall- 
fahrten zu  ihr  sowie  die  Stiftung  von  vier  Bruderschaften.    1487  vermachte  Bernhard 


I 


WESTERBURG,  LIEBFRAUENKIRCHE. 


139 


Ft;^.  151-  Westerburg.  Ehemalige  Ruine  der  Liebfrauenkirche. 


von  Wonsdorf,  genannt  Mudersbach,  einen  halben  Malter  Hafer  jährlich  zum  Bau 
der  Kirche."    (Vogel,  Beschr.  735;  Wagner,  Regentenfamilie  von  Nassau-Hadamar  I.  124!.) 

Gotische  Hallenkirche  mit  einschiffigem,  dreiseitig  aus  dem  Sechseck  geschlos- 
senem Chore  und  mit  viereckigem  Turme  über  dem  eine  Emporbühne  enthaltenden 
Westbau.  Basaltbau  mit  Einzelseiten  von  Tuffstein. 

Der  Chor  hatte  zwei  Kreuzgewölbe,  wovon  der  östliche  sechsteilig  war;  die 
Rippen  mit  einfachstem  Hohlprofil  wuchsen  aus  kurzen,  runden  Diensten  hervor,  die 
auf  runden  Kragsteinen  mit  monotoner  Gliederung  oder  auf  rohen  Köpfen  aufsitzen. 
Die  zweiteiligen  Fenster  haben  ihr  Masswerk  verloren.  Die  Strebepfeiler,  welche 
nur  am  Chor  vorkommen,  haben  oben  abgeschrägte  Sockel  und  hohlprofiliertes 
Traggesims  und  scheinen  mit  Pultdächern  versehen  gewesen  zu  sein.  An  die  Nord- 
seite des  Chors  schloss  sich  eine  Sakristei  mit  zwei  Kreuzgewölben  an.  Vom  Lang- 
hause sind  nur  noch  Mauerreste  vorhanden. 

Der  Turm  mit  Nebenhallen  öffnete  sich  im  Erdgeschoss  nach  Westen  und 
Osten  in  grossen  Bogen  einfacher  Art,  im  zweiten  Geschoss  nach  dem  Mittelschiff 
in  einem  grossen  Spitzbogen,  dessen  Gewände  von  Tuffstein  an  den  Ecken  eine  reiche 
Gliederung,  ähnlich  einer  attischen  Basis,  zeigen,  nach  Westen  in  einem  grossen 
Fenster  mit  schrägen  Gewänden  und  hohlprofilierten  Pfosten.  An  der  Südseite  des 
Turmes  ist  oben  ein  Fenster  mit  zwei  Nasen  am  Spitzbogen  erhalten. 


140 


WESTERBURG. 


Fig.  152.  Westerburg.  Schloss.  Vorhalle  B  (s.  Grundriss). 


DAS  SCHLOSS,  heute 
noch  von  seinem  Besitzer 
bewohnt,  lässt  nach  seinen 
ältesten,dem  romanischen 
Übergangsstil  angehöri- 
gen  Teilen  seine  Erbau- 
ung in  die  Zeit  seiner  ur- 
kundlich ersten  Erwäh- 
nung 1209  und  1221  setzen. 
Ausser  diesen,  im  Grund- 
riss schwarz  gezeichne- 
ten, die  Nordostecke  ein- 
nehmenden Teilen  A,  B,  C 
enthält  das  Schloss  in  der 
Ostfront  und  in  dem  west- 
lich liegenden  mit  D  be- 
zeichneten Saal  Teile,  die 
nach  ihren  schlicht  go- 
tischen Formen  dem  15. 
Jahrhundert  angehören, 
während  der  Rest  den 
einfachen  Wohnhauscha- 
rakter des  18.  Jahrhun- 
derts trägt. 

Durch  den  ältesten  Teil 
führt  unter  den  Räumen 
B,CeinTorweg  mit  einem 
einfachen  Rundbogentor, 
an  das  sich  teils  rund-, 
teils  spitzbogige  Tonnen- 
gewölbe anschliessen.  Er 
führt  in  den  von  drei 
Seiten  umbauten,  an  der 
Talseite  durch  eine  Mauer 
begrenzten  Hof.  Aus  die- 
sem gelangt  man  über 
eine  gewundene  Treppe 
in  einen  zweiten  kleineren 
Hof,  der  in  der  Ecke  die 
zu  den  oberen  Wohnräu- 
men des  Südflügels  füh- 
rende Wendeltreppe  ent- 


SCHLOSS. 


141 


Fig.  153.  Westerburg.  Schloss.  Grundriss  des  erste»  Stocks. 


142 


WESTERBURG. 


hält ;  eine  zweite  Treppe,  wahrscheinlich  dem  ältesten  Bau  angehörig,  ersteigt  den  Ost- 
flügel. Im  Erdgeschoss  schliesst  sich  an  den  Torweg  links  ein  grosser,  nur  durch  Licht- 
spalten erleuchteter  Raum  mit  einem  viereckigen  Mittelpfeiler,  der  zwei  Rundbogen 
zur  Unterstützung  der  Balkendecke  trägt.  Rechts  befindet  sich  ein  rechteckiger  Raum 
mit  zwei  kuppelartigen,  rippenlosen  Kreuzgewölben,  die  durch  einen  auf  den  Kanten 
mit  Rundstäben  belegten  Gurtbogen  getrennt  sind.    Der  turmartige  Aufbau  über 


Fig.  154.  Westerburg.  Scitloss.  Kapellentür  und  Fenster. 


diesem  Raum  enthält  im  ersten  Obergeschoss  einen  flachgedeckten  Saal  A  mit  einem 
Vorraum  B  und  weiter  nach  Osten  einen  Raum  C,  der  jetzt  als  Sakristei  der  nach 
Süden  anstossenden  Schlosskapelle  dient  und  wohl  auch  ursprünglich  die  gleiche 
Bestimmung  für  den  Raum  A  gehabt  hat,  den  man  als  die  frühere  Kapelle  anzu- 
sprechen haben  wird.  Hierauf  weist  die  nach  Osten  in  der  Dicke  der  Aussenmauer 
liegende  Altarnische,  eigentlich  die  schräge  Leibung  eines  grossen  Rundbogen- 
fensters, die  an  den  Ecken  mit  eingelassenen  Säulchen  geschmückt  ist.  Diese  haben 
attische  Basen  mit  Eckblättern,  Schaftringe  und  Knospenkapitäle,  über  denen  sich 
die  Schäfte  als  starker  Rundstab  fortsetzen. 

Den  gleichen  Stilcharakter  des  beginnenden  13.  Jahrhunderts  trägt  die  besonders 
reich  gegliederte  Vorhalle  B.  Die  Westwand,  die  nach  dem  Hof  zu  unter  einem 
tiefen  Stichbogen  liegt,  ist  in  eine  zierliche  Arkatur  (mit  jetzt  fehlender  Mittelsäule) 
aufgelöst.  Drei  schwach  anlaufende  Säulchen  tragen  auf  Knospenkapitälen  Spitz- 
bögen, hierüber  steilere  Spitzbögen,  die  über  den  Kapitälen  auf  abgetreppten 
Konsolen  aufsitzen,  je  zwei  durch  einen  runden  Blendbogen  zusammengefasst.  Die 
gegenüberliegende  Wand  ist  von  zwei  grossen  Halbkreisbögen  durchbrochen,  die  auf 


SCHLOSS. 


143 


einer  den  Fensterwandsäulen  entsprechenden  Mittelsäule  aufsetzen.  Das  zur  Kapelle 
führende  Portal  der  Nordwand  ist  besonders  reich  gegliedert.  Über  der  durch  einen 
geraden  Sturz  abgeschlossenen  Türöffnung  erhebt  sich  ein  aus  eckiger  Platte,  Wulst 
und  kleiner  Unterplatte  gegliederter  Rundbogen,  der  einen  Blendbogen  aus  Zacken- 
bögen einschliesst.  Das  Ganze  ruht  auf  Ecksäulen  mit  anlaufendem  Schaft,  Eckblatt- 
basis und  Knospenkapitäl,  auf  dessen  Deckplatte  zwei  charakteristisch  gezeichnete 
Löwen  ruhen.  Leider  ist  diese  ganze,  reich 
und  zierlich  gegliederte  Architektur  so  dick 
mit  Tünche  und  glänzender  Ölfarbe  über- 
deckt, dass  für  die  Einzelheiten  der  Kapi- 
täle  usw.  keine  Genauigkeit  beansprucht 
werden  kann. 

Die  Sakristei  C  besitzt  ein  Kreuz- 
gewölbe mit  Rundstabrippen,  die  sich  in  den 
Ecken  als  Säulchen  mit  zierlichen  Knospen- 
kapitälen  fortsetzen,  und  einen  mit  einer 
grossen  Rose  geschmückten  Schlusstein. 
Der  nach  Osten  liegende  Vorraum ,  aus 
welchem  sie  ihr  Licht  empfängt ,  scheint 
ursprünglich  eine  offene  Nische  in  der  Ost- 
front gewesen  zu  sein,  deren  Öffnung  nach- 
träglich mit  einer  in  Holz  konstruierten 
Fensterwand  zugesetzt  ist. 

Die  südlich  anschliessende,  mit  moderner  Fig.  155.  Westerburg.  Schloss.  Vom  Kamin  i in 
Malerei  ausgestattete,  jetzige  Schloss-  rcttv. 
kapelle  hat  zwei  rippenlose,  rundbogige  Kreuzgewölbe.  Auch  im  Ausseren  trägt  der 
nordöstliche  Eckbau  noch  Spuren  des  romanischen  Übergangsstils  in  einem  Rundbogen- 
fries an  der  Ost-  und  Westfront,  bestehend  aus  ungegliederten  Rundbögen  auf  zierlich 
profilierten  Konsolen,  darunter  ein  aus  Rundstab  und  Kehle  bestehendes  Gesims. 

Neben  der  Schlosskapelle  an  der  Südostecke  befindet  sich  noch  ein  grosser 
Ecksaal,  aus  dem  nach  der  Ostfront  ein  dreiseitiger,  spätgotischer  Erker  vorspringt. 
Dieser  wird  von  zwei  einfachen  Konsolen  mit  darübergelegten,  ungegliederten  Stich- 
bögen getragen.    Die  achteckigen  Fenster  haben  abgekehlte  Gewände. 

Im  Erdgeschoss  des  Westflügels  befindet  sich  in  der  Nordwestecke  das  Schloss- 
archiv D,  ein  geräumiger  Saal  mit  einem  Netzgewölbe  mit  einfach  gekehlten  Rippen. 
Die  mit  steinernen  Mittelpfosten  versehenen  Fenster  liegen  in  tiefen  Nischen  mit 
Seitenbänken ;  in  der  Westwand  ist  ein  Kamin,  auf  dessen  in  eine  Spitze  empor- 
geschweiftem Deckgesims  eine  zierlich  gemeisselte  Frauengestalt  die  Leiningen- Wester- 
burgischen Wappen  hält. 

In  etwa  300  m  Entfernung  nördlich  von  der  Südostecke  des  Schlosses  ragt  auf 
einem  einzelnen  Felsklotz  der  Stumpf  des  runden  Bergfrieds  empor;  wann  derselbe 
abgelegt  oder  umgestürzt  ist,  wird  nicht  überliefert.    Auf  einem  im  Schlosse  aufbe- 


144 


BEROD. 


Fig.  156.   Westerburg.  Nach  einem  alten  Bilde. 


wahrten,  wahrscheinlich  aus  dem  18.  Jahrhundert  stammenden  Ölbild  des  Schlosses 
erscheint  der  Turm  schon  als  Ruine,  mit  Buschwerk  bewachsen,  hat  jedoch  noch  seine 
ganze  Höhe,  die  sich  aus  einem  dicken  unteren  und  einem  an  Höhe  etwa  ein  Drittel 
des  ersteren  messenden,  abgesetzten  oberen  Teil  zusammensetzt,  der  noch  seinen 
Zinnenkranz,  aber  kein  Dach  hat.  Dasselbe  Bild  zeigt  noch  den  Mauergürtel  der 
Oberstadt  mit  zwei  Toren,  von  denen  das  am  westlichen  Abhang  des  Burgbergs  ge- 
legene ein  steiles  Zeltdach  mit  einem  geschweiften  Glockenttlrmchen  auf  dem  First  trägt. 

In  der  Schlosskapelle  sind  an  einzelnen  Kunstgegenständen  zu  nennen  :  Stein- 
skulptur,  Pietas,  gute  gotische  Arbeit,  erste  Hälfte  15.  Jahrhunderts.  Eine  aus  der 
Liebfrauenkirche  stammende //btes^M//)^«;',  wertvolle  Arbeit  des  14.  Jahrhunderts  (Ende), 
sitzende  Maria  mit  dem  stehenden  Christuskinde  auf  dem  Schoss.  Glasmalereien, 
die  aus  benachbarten  Dorfkirchen,  namentlich  aus  Wilmerod  stammen,  ausgezeichnete 
Arbeit  13.  Jahrhunderts :  Christus  zieht  den  sinkenden  Petrus  aus  dem  Wasser.  — 
Ein  Engel.  Frühgotisch:  Maria  mit  dem  Kinde.  15.  Jahrhundert :  Evangelistenzeichen 
Lucas  und  Marcus,  darüber  Gott  Vater  und  Christus.  Das  Leiningensche  Wappen 
(auf  rotem  Grunde  gelber  Adler). 


5^ 

BEROD. 

AS  Dorf  Berod,  9  km  südlich  gegen  Westen  von  Westerburg,  hat  einen 
Kirchturm  aus  romanischer  Zeit,  während  die  jüngere,  architektonisch 
bedeutungslose  Kirche  in  neuerer  Zeit  mit  Geschick  in  einen  Neubau  des 
Schiffs  als  Querschiff  eingefügt  ist.  Der  Turm  ist  schlicht  viereckig  mit 
Pyramidendach.  Das  mit  einem  rippenlosen  Kreuzgewölbe  überdeckte  Erdgeschoss 
öffnet  sich  gegen  das  Schiff  im  Erdgeschoss  und  auf  der  Empore  mit  schlicht  rund- 
bogigen  Türen.  Die  gekuppelten  Schallöffnungen  liegen  in  Rundbogenblenden;  ihre 
Mittelsäulchen  haben  keine  Kapitäle,  doch  einfache  Wulstbasen  und  unter  dem  üblichen 
Kämpferstein  einen  Hal§wulst. 


ELSOFF. 


145 


Zwei  Glocken.  Kilianus  Ijeißen 
id!)  alle  boffe  iDcder  uerdriben  i(ö 

MCCCCLXXV  (1475).  Die  kleinere 

sagt  angeblich:  ]m  Hamen  Jefu 


Cbrifti  floß  i(ö,  Paulus  Zimmermann 
in  mainz  goß  midt)  anno  1599  (Lötz). 

Unter  den  Holzhäusern,  die 
im  Orte  noch  in  ziemlicher  Anzahl 
erhalten  sind,  zeichnet  sich  das  Haus 
Nr.  7  an  der  Strasse  nach  Walmerod 
(s.  Fig.  182)  durch  seine  gesunde  Kon- 
struktion, das  wohlerhaltene  Stroh- 
dach und  den  „Niederlass"  aus. 


Fig.  157.  Elsoff.  Kapelle. 


ELSOFF. 

Vogel,  Beschreibung  733. 

AS  Dorf  Elsoff,  10  km  östlich  von  Westerburg  gelegen,  befand  sich  im 
frühen  Mittelalter,  als  zur  Herrschaft  Ellar  gehörig,  unter  Diezscher  Ge- 
richtsbarkeit, aus  der  es  1337  durch  Kauf  an  Nassau-Hadamar  überging. 
Seine  Kapelle  stand  ursprünglich  unter  der  Mutterkirche  in  Seck,  zu  deren 
Bau  es  nach  einem  Vertrage  von  1449  die  Hälfte  der  Kosten  beitragen  musste. 
1477  stifteten  die  noch  jetzt  zu  seinem  Kirchspiel  gehörigen  Dörfer  Elsoff,  Westernohe, 
Mittelhofen,  Oberrod  in  der  Kapelle  einen  Altar  für  einen  ständigen  Priester. 

10 


146 


GEMÜNDEN. 


KAPELLE.  Diese  Kapelle,  jetzt  als  Pfarrkirche  St.  Peter  und  Paul  geweiht, 
ist  eine  romanische,  sehr  schlichte  Anlage  mit  gleichbreitem  Schiff  und  Chor,  dem 
sich  eine  halbrunde  Apsis  anschliesst.  Vor  der  Südseite  des  Chors  steht  ein  vier- 
eckiger, im  Mauerwerk  schwach  verjüngter  Turm,  dessen  hoher,  achteckiger  Helm  von 

vierEcktürmchen 
umgeben  ist  und 
nach  einem  Bran- 
de von  1727  im 
folgenden  Jahre 
neu  errichtet  wur- 
de. Die  gekup- 
pelten Schallöff- 
nungen sind  ver- 
mauert. Sämt- 
liche Räume  der 
Kirche  sind  rund- 
bogig  überwölbt 


Fig.  158.  Elsoff.  Kapelle.  Gruniiriss. 


mu  Kreuzgewölben,  deren  Gräte  im  Scheitel  kuppelartig  verlaufen;  die  Apsis  mit 
einer  Halbkuppel.  Die  breiten  Gurte  werden  von  derben,  unprofilierten  Pfeilern 
gestützt,  denen  nachträglich  im  Äusseren  anlaufende  Strebepfeiler  vorgelegt  sind; 
der  Chor  hat  flache,  rundbogige  Wandblenden.  Die  Türen  und  Fenster,  klein  und 
rundbogig  geschlossen,  befinden  sich  zum  Teil  nicht  mehr  im  alten  Zustand;  in  die 
Apsidenfenster  sind  gotische  Nasen  eingesetzt. 

Der  Friedhof,  der  die  etwas  hochgelegene  Kirche  malerisch  umgibt,  hat  auf  der 
Westseite  ein  Torhaus  mit  spitzbogigen  Öffnungen. 

GEMÜNDEN. 

Kremer,  Orig.  Nass.  14.  —  Vogel,  Beschreibung  178,  252,  735.  —  Histor.  Beschreibung  des 
Stifts  Gemünden,  Handschr.  im  Landesarchiv  zu  Wiesbaden  von  1758. 


jEßER  die  Kirche  des  3  km  östlich  von  Westerburg  gelegenen  Dorfes 
Ge münden,  deren  Gründung  bis  in  die  älteste  Geschichte  des  Landes 
zurückgeht,  sind  nur  spärliche  geschichtliche  Nachrichten  überliefert.  Eine 
Feuersbrunst,  die  im  15.  Jahrhundert  die  Kirche  und  das  Stiftsgebäude 
heimsuchte,  soll  auch  sämtliche  Urkunden  vernichtet  haben.  Ein  Kloster,  das  der 
Gaugraf  des  Niederlahngaues,  Gebhard,  mit  königlicher  Unterstützung  zu  Kettenbach 
an  der  Aar  um  die  Mitte  des  9.  Jahrhunderts  errichtete,  wurde  nach  Gemünden  ver- 
legt, wo  die  Kirche  s.  t.  S.  Severi  879  vollendet  und  in  Gegenwart  König  Ludwigs  III. 
von  Erzbischof  Berthold  von  Trier  geweiht  wurde.  Mit  ihr  war  ein  Stift  von  zwölf 
Kanonikern,  sechs  Priestern,  drei  Diakonen  und  drei  Subdiakonen  verbunden,  das 
von  dem  Stifter,  der  selbst  als  Mönch  eintrat,  mit  Gütern  ausgestattet  und  mit  der 


KIRCHE. 


147 


Stiftung  zu  Kettenbach  vereinigt  wird.  Aus  der  Vogtei  über  dieses  Stift,  die  den 
Herren  von  Westerburg  übertragen  wurde,  schreibt  sich  die  Entstehung  dieser  Herr- 
schaft her,  der  wir  daher  unter  dem  Namen  „Bifang  des  heiligen  Severus"  begegnen. 
Bei  der  Teilung  1288  in  die  Linien  Westerburg  und  Runkel  traten  diese  beiden  in 
das  Vogteiverhältnis  ein.  Die  Probstei 
besetzte  bis  1336  der  Kaiser,  von  wo 
an  Kaiser  Ludwig  dies  Recht  erblich 
an  die  Westerburger  übertrug,  die 
auch  in  der  Kirche  ihr  Erbbegräbnis 
hatten.  Bis  zur  Zeit  der  Reformation 
verschlechterte  sich  der  Besitz  des 
Stiftes  derart,  das  er  nur  noch  für 
sechs  Präbenden  ausreichte,  mit  deren 
Übertritt  zur  Reformation  1570  das 
Stift  einging.  Im  dreissigjährigen 
Krieg  wurde  vorübergehend  durch 
Trier  wieder  das  katholische  Bekennt- 
nis eingeführt. 

Wann  und  durch  welche  Um- 
stände die  ursprüngliche  Kirche  des 
9.  Jahrhunderts  verschwunden  ist, 
lässt  sich  nicht  mehr  nachweisen. 

KIRCHE.  Die  jetzige  Kirche 
lässt  unter  mancherlei  Veränderungen 
das  Schema  einer  flachgedeckten,  ro- 
manischen Pfeilerbasilika  erkennen 
mit  Querschiff,  gerade  geschlossenem 
Chor  und  zwei  Westtürmen.  Von  der 
engen  Bogenstellung  der  Südarkade 
sind  noch  drei  Pfeiler  erhalten,  die 
beiden   westlichen  noch  mit  ihrem 

D  j     j  1    1  tt„  Fig.  159.  Gemünden.  Kirche.  Gritmiriss. 

Bogen    und   dem    aus  Deckplatte, 

Karnies  und  Plättchen  bestehenden  Kämpfergesims;  letzteres  ist  auch  an  dem 
nächsten  Pfeiler ;  an  dem  Wandpfeiler  neben  dem  Chorbogen  eine  einfache  Schmiege. 
Derselben  Zeit  gehören  an :  die  unteren  Teile  des  westlichen  Turmbaus,  (an  dem 
die  Bogenöffnungen  der  Zwischenhalle  keine  Gesimse  haben)  sowie  die  Mauern 
des  Chors  und  des  Querschiffs.  Die  oberen  Geschosse  der  Türme  sind  dem  13.  Jahr- 
hundert zuzuschreiben.  Ein  grösserer  Umbau  hat  1510  nach  einem  in  den  dreissiger 
Jahren  des  vorhergehenden  Jahrhunderts  stattgefundenen  Brande  das  nördliche 
Seitenschift  umgestaltet.  Hierbei  wurden  anstelle  der  sechs  schmalen  Joche,  wie 
sie  an  der  Südarkade  noch  erkennbar  sind,  drei  Spitzbogen  auf  zwei  rechteckigen 

10» 


148 


GEMÜNDEN. 


Pfeilern  angeordnet,  die  keine  Kapitale  haben,  und  das  Seitenschiff  dementsprechend 
in  drei  Jochen  mit  einem  gotischen  Netzgewölbe  überdeckt.  Zu  einer  späteren, 
nicht  nachweisbaren  Zeit  wurde  die  flache  Decke  des  Mittelschiffs  und  die  Kreuz- 
vierung durch  ein  auf 
Holzrippen  konstruiertes 
Lehmgewölbe  ersetzt. 
Wahrscheinlich  wurden 
bei  dieser  Gelegenheit 
auch  der  dritte  und  fünfte 
Pfeiler  der  südlichen  Ar- 
kade entfernt  und  grosse, 
tiefer  als  die  früheren 
Bögen  ansetzende  Rund- 
bögen der  Südarkade  ein- 
gefügt, sowie  sämtliche 
Schiffe  mit  einem  Dach 
überdeckt.  Die  Seiten- 
flügel des  Querschifls  blie- 
ben nach  diesem  Brand 
dachlos  und  unbenutzt, 
gegen  die  Vierung  zu- 
gemauert, liegen;  erst 
neuerdings  haben  sie  zwar 
keine  Decke,  aber  Walm- 
dächer erhalten.  Der 
Chor  wurde  bei  dem  Um- 
bau vom  Jahre  1510  mit 
einem  gotischen  Kreuz- 
gewölbe mit  hohlgeglie- 
derten Rippen  auf  schlich- 
ten Konsolen  überdeckt, 
das  so  tief  liegt ,  dass 
unter  den  Rundbogen 
gegen  die  Vierung  ein 
Spitzbogen  angebracht 

Fig.  160.  Gemünden.  Pfarrkirche.  Westteil.  werden  musste. 

Von  den  romanischen  Fenstern  ist  vielleicht  noch  in  den  jetzt  unter  dem  Dach 
liegenden  drei  grossen  rundbogigen  Öffnungen  in  der  Aufmauerung  über  der  Süd- 
arkade ein  Rest  des  alten  Lichtgadens  erhalten.  Alle  anderen  Fenster  sind  mit  Fisch- 
blasenmasswerk im  16.  Jahrhundert  verändert.  Die  Westtür,  in  ungegliedertem  Rund- 
bogen geschlossen,  gehört  ebenfalls  dem  romanischen  Bau  an;  zwei  Pforten,  eine  in 
der  Nordvvand  des  Querschifls,  eine  im  westlichsten  Joch  der  Südwand,  haben  Haustein- 


HÜBLINGEN.  -  MEUDT. 


U9 


gewände  und  flachgiebelförmigen  Sturz.  Von  den  beiden  Westtürmen  ist  nur 
der  nördliche,  ein  stark  anlaufender,  schlichter  Basaltbau  ausgebaut  und  trägt  ein 
achteckiges  Spitzdach  von  1856.  Spitzbogige  Schallöffnungen  sind  durch  ein  verjüngtes 
Mittelsäulchen  mit  rohem  Würfelkapitäl  geteilt.  Der  südliche  Turm  endigt  unter  dem 
Querdach,  das  die  Vorhalle  bedeckt  und  südlich  mit  einem  Giebel  abschliesst. 

Der  schlichte  Altartisch  ist  noch  frühgotisch ;  er  hat  einfache,  eingelassene 
Säulchen  auf  den  Ecken. 

Drei  Glocken.  Die  kleinste,  völlig  schmucklos,  deutet  durch  ihre  sehr  schlanke 
Form  auf  hohes  Alter.    Die  zweite  hat  die  Inschrift:  DCUS  IjOtnO  faCtüS  eft  •  annO  doi 

millefimo  CCCC  fcüo  sabbo  poft  fac  inctio  (1402).  Die  grösste:  maria  •  Ijeißen  •  idt)  • 
den  •  lebten  •  oeud  •  den  doden  •  lulden  •  id)  •  poftan  bruiDüre  gois  mid)  fub  anno  dni 
mo  •  CCCC  •  flüii  (I447j. 

Im  Chor  sind  noch  Reste  von  geschnitzten  Chorsiiihloi  aus  spätgotischer  Zeit 
in  der  üblichen  Form  erhalten,  mit  kleinen  Säulchen  besetzt,  die  Wangen  mit  Blättern, 
Fabeltieren  und  Fratzenköpfen  verziert. 

HÜBLINGEN. 

ÜBLINGEN,  8  km  östlich  von  Westerburg. 

Die  evangelische  KIRCHE,  ursprünglich  eine  Marienkapelle,  ist  ein 
romanischer  Basaltbau,  nach  den  Ermittelungen  von  Dr.  Götze  (Nass. 
Ann.  13,  282)  allerdings  erst  1385  erbaut.  Einschiffig  mit  schmälerem,  vier- 
eckigem Chor,  der  das  Erdgeschoss  des  Turmes  einnimmt  und  ein  rippenloses,  auf 
rohen  Kragsteinen  aufsitzendes  und  gegen  unprofilierte  Schildbögen  anfallendes  Kreuz- 
gewölbe hat.  Der  Chorbogen  ohne  Gesimse;  östlich  und  südlich  je  ein  kleines 
Fenster.  Diese  und  Chorbogen  rundbogig.  Der  sich  über  dem  Chor  erhebende  Turm 
ist  nach  Osten  aussen  abgeschrägt,  sodass  sein  Zeltdach  unregelmässig  sechseckige 
Form  hat  (Lötz). 

MEUDT.  LANGWIESEN. 

Vogel,  Beschreibung  741,  742.  —  Acta  academiae  palatinae  III,  808.  —  Broweri  ann. 
Trevirenses  I,  572. 

ER  Flecken  Meudt,  10  km  südwestlich  von  Westerburg  gelegen,  er- 
scheint in  der  Geschichte  im  Jahr  1097,  als  Adelheid,  die  Gemahlin 
des  Pfalzgrafen  Hermann,  Bauerngüter,  die  sie  in  Muede  besass  und  die 
das  Benefizium  ihres  Kapellans  Manegold  ausmachten,  an  das  Stift  des 
heiligen  Georg  zu  Limburg  schenkte,  eine  Schenkung,  die  1124  durch  Bischof  Adalbert 
von  Mainz  bestätigt  wurde.  Hierdurch  entstanden  Gerechtsame,  welche  die  Herren 
von  Isenburg  als  Vögte  des  Georgsstiftes  in  Meudt  besassen. 


150 


MEUDT,  PFARRKIRCHE. 


4- 


Fig.  161.  Meudt.  Pfarrkirche. 


KIRCHE.  Eine  Kirche  bestand  hier  schon  1200  (Lacomblet,  Arch.  für  die  Gesch. 
des  Niederrheins  I  b,  367).  Nach  der  Ansicht  von  Lötz  war  dies  die  Vorgängerin  der 
jetzt  noch  vorhandenen  St.  Gangolphskirche.  Die  jetzt  hier  bestehende  ist  ein 
ganz  schmuckloser,  einräumiger  Basaltbau  ohne  Kunstwert,  in  der  bei  einem  Umbau 
1872  Fundamente  und  Altar  eines  älteren  Baus  gefunden  worden  sind. 

PFARRKIRCHE.  Die  Pfarrkirche  St.  Petrus,  in  erhöhter,  malerischer  Lage, 
hat  einen  romanischen  Westturm,  der  wohl  dem  12.  Jahrhundert  zuzuschreiben  ist. 


LANGWIESEN. 


151 


Er  erhebt  sich  halb  aus  der  Westwand  der  Kirche, 
von  wo  eine  schlichte  Rundbogentür  ins  Innere 
führt.  An  der  Südseite  des  oberen  Teils  ist  eine 
mit  einem  Rundbogenfries  abgeschlossene  Blende, 
die  das  Zifferblatt  der  Uhr  enthält.  Die  Schall- 
öffnungen liegen  auf  allen  vier  Seiten  zu  zwei, 
jede  in  einer  rundbogigen  Blende,  als  Zwillings- 
fenster, deren  Mittelsäulchen  einfache  Würfel- 
kapitäle  und  schlichte  aus  einem  Wulst  gebildete 
Basen  haben.  Der  spätere  Turmhelm  geht  oben 
ins  Achteck  über. 

Das  Schiff,  von  zwei  niedrigen,  vom  Haupt- 
dach überdeckten  Seitenschiffen  begleitet,  die  sich 
gegen  das  Mittelschiff  in  zwei  grossen  Halbkreis- 
bögen öffnen,  ist  ohne  Kunstform  und  wahrschein- 
lich im  17.  Jahrhundert  erbaut. 

Der  mit  einem  spitzen  Pyramidendach  be- 
deckte Chor  scheint  aus  der  spätesten  Zeit  der 
Gotik  zu  stammen.  Er  ist  im  Achteck  geschlossen, 
ohne  Streben  und  mit  einem  schlecht  ausgeführten 
Kreuzgewölbe  überdeckt,  dessen  hohlprofilierteRip- 
pen  zum  Teil  in  Holz  vorgesetzt  sind.  Das  Mass- 
werk der  drei  durch  einen  Mittelpfosten  geteilten 
Chorfenster  zeigt  späte,  unverstandene  Ausführung.  1""'""'  i  i  i  i  I  '  i  '  i  I  '  '  '  ' 
.  Die  Zwickel  sind  zum  Teil  nicht  durchbrochen.  F'S-  '62.  Meudt.  Pfarrkirche.  Grundriss. 

Von  den  Glocken  ist  die  zweite  von  1842,  die  erste  und  dritte  haben  die  In- 
schrift :  Ofanna  •  (bei  der  dritten  „Htaria")  l)eifen  •  id)  •  alle  •  boefc  •  ujeder  •  oerdriben  •  itö  • 
in  •  ere  •  gots  •  lupdt  •  man  •  midt)  •  anno  domini  mcccclfffi  (1481). 

Der  schlechte  Zustand  des  Schiffs  und  Chors  und  der  geringe  Kunstwert  dieser 
Teile  haben  zu  dem  Beschluss  geführt,  die  Kirche  durch  einen  Neubau  zu  ersetzen, 
bei  dem  der  Turm  erhalten  bleiben  wird. 

Drei  Kilometer  südwestlich  von  Meudt  liegt  der  alte  Hof  Langwiesen,  1525 
im  Besitz  der  Freien  von  Dehrn,  den  die  Edlen  von  Irmtraud  im  16.  Jahr- 
hundert zu  ihrem  Adelssitz  erkoren  (Vogel).  Von  ihnen  ging  er  an  die  von  Esch 
über  und  ist  jetzt  im  Besitz  des  Gräflich  Walderdorffschen  Hauses.  Er  ist 
ein  befestigter  Hof,  dessen  Hauptbau,  wohl  dem  16.  Jahrhundert  entstammend,  mit 
vier  Ecktürmen  besetzt  und  von  einem  jetzt  trocknen  Graben  umgeben  ist. 

5^ 


152 


MOLSBERG. 


4 


Fig.  163,  Hof  Laii^wiesett. 


MOLSBERG. 

Vogel,  Beschr.  256,  277,  745.  —  A.  Görz,  in  Ann.  3,  5,  37 — 90.  —  Kremer,  Orig.  2,  154.  — 
Hontheim,  bist,  i,  801  f.  —  A.  Görz,  Regesten,  S.  287,  31.  Okt. 

%^?v^![^UF  einem  Basaltkegel,  6  km  südlich  von  Westerburg,  erhebt  sich  das 
Schloss  der  Grafen  von  Walderdorff,  an  das  sich  der  Namen  des  einst  in 
Cfl^^FTj  diesem  Gau  blühenden  Geschlechtes  der  Herren  von  Molsberg  knüpft. 
^*E*«vÄ»  Die  „nobiles  viri  domini  de  Mollesberg",  deren  einer  im  14.  Jahr- 

hundert sogar  den  Grafentitel  führt,  erscheinen  zuerst  im  11.  Jahrhundert,  als  Kaiser 
Heinrich  II.  der  Trierer  Abtei  St.  Maximin  viele  ihrer  weitverbreiteten  Güter  entzog 
und  mit  den  im  goldenen  Grund  gelegenen  Niederbrechen  und  Niederselters  1023 
Anselm  von  Molsberg  belehnte. 

Die  Tochter  Anselms  IL,  des  zweiten  Nachfolgers  des  vorigen,  Adelheid, 
vermählt  mit  Burggraf  Eberhard  von  Arberg,  die  wahrscheinlich  zuvor  mit  einem 
Herrn  von  Freusberg  verheiratet  gewesen  war,  schenkte  1215  ihr  Gut  zur  Gründung 
des  Klosters  Marienstatt,  worüber  sie  den  Erzbischof  von  Trier  als  Schirmherrn  setzte. 
Durch  den  Streit,  der  sich  über  diese  Schenkung  zwischen  ihren  Neffen  Florentius 
und  Heinrich  von  Molsberg  und  dem  Erzstift  erhob,  erlitt  das  Haus  Molsberg  schwere 
Einbusse ;  Heinrich,  der  das  Kloster  sehr  geschädigt,  wurde  seines  Schlosses  beraubt. 
Sein  Neffe  Diether,  Sohn  des  Florentius,  erhielt  es  1273  als  Trierisches  Lehen  zurück, 
doch  schreitet  von  da  ab  der  Verfall  des  Geschlechtes  schnell  vorwärts.  Der  Aus- 
dehnungspolitik der  Nassau-Dillenburger  verfiel  zwischen  1311  und  1327  durch  Ver- 


154 


MOLSBERG,  GESCHICHTLICHES. 


kauf  an  dieses  Haus  die  Landeshoheit  über  das  Gericht  Haiger  und  das  Gericht 
Ebersbach,  die  durch  Adelheids  Ehe  mit  Freusberg  im  13.  Jahrhundert  an  Molsberg 
gekommen  waren.  Dann  verkaufte  1365  G  y  s  o  II.  an  den  Erzbischof  CunovonTrier 
das  Stammgut,  Burg  und  Herrschaft  Molsberg  mit  Niederbrechen  und  Selters.  Die 
Pankratiuskapelle  auf  der  Burg  verlieh  1493  Erzbischof  Johann  II.  dem  Priester  Arnold 
im  Rebstock  von  Montabaur.  Mit  Georg  stirbt  1390  das  Geschlecht  von  Molsberg 
aus.  Eine  dem  niederen  Adel  angehörige  Familie  dieses  Namens  kommt  schon  1223 
vor  und  bestand  bis  in  die  neuere  Zeit. 

Burg  und  Herrschaft  wurden  von  Trier  mehrmals  verpfändet,  zuerst  1436  an 
Hessen,  1575  an  Philipp  von  Reifenberg,  1581  an  die  Familie  Elz,  und  von  dieser  kam 
sie  1657  endgiltig  an  die  Herren  von  Walderdorff,  die,  später  in  den  Grafenstand 
erhoben,  noch  jetzt  die  Eigentümer  der  Herrschaft  sind.  Der  Trierer  Kurfürst 
Johann  Philipp  von  Walderdorff  Hess  1760  die  Burg  abbrechen  und  an  ihrer  Stelle 
ein  Schloss  im  Barockstil  erbauen,  das  unvollendet  geblieben  ist.  Über  diesen  Neubau 
findet  sich  in  dem  Tagebuch  des  Oberhofmarschalls  Ludwig  Boos  von  Waldeck  fol- 
gende Notiz:  (mitget.  im  Rh.  Antiqu.  I,  l.  S.  645,  146) 

„So  wie  er  bedacht  wäre,  durch  die  viele  Gebäulichkeiten  seinen  Nahmen  zu 
verewigen,  ebenso  wollte  er  auch  seiner  hohen  Famillie  ein  herrliches  Denkmal 
hinterlassen.  Zu  dem  Ende  liesse  er  das  alte  Schloss  zu  Molsberg  niederreissen  und 
untenhin  ein  sehr  prächtiges  Schloss  mit  grossen  Kosten  aufbauen;  der  Tod  über- 
raschte ihn,  wesshalben  dann  auch  nur  ein  Hauptflügel  fertig  geworden,  welchen  er 
jedoch  mit  kostbaren  Meubles  ausschmückte,  (usw.)." 

Vor  dem  Abbruch  wurde  von  der  alten  Burg  ein  Holzmodell  angefertigt,  das 
65  cm  hoch  ist,  noch  jetzt  in  dem  Schlosse  aufbewahrt  wird  und  eine  ziemlich  genaue 
Vorstellung  des  alten  sehr  ausgedehnten  Wehrbaues  gibt. 

Durch  eine  von  einem  mit  Kegeldach  bedecktem  Rundturra  und  durch  Mauern 
mit  vorgekragtem  Wehrgang  verteidigte  Pforte  führte  der  Zugang  über  eine  Brücke 
in  einen  Torweg,  der  ein  langes,  Wirtschaftszwecken  dienendes  Gebäude  durchsetzte 
und  über  dem  sich,  nach  einem  kleinen  Glockenturm  zu  schliessen,  wahrscheinlich  die 
Pankratiuskapelle  befand.  Nach  dem  unteren  Hof,  den  man  zuerst  von  diesem 
Torweg  aus  betrat,  hatte  das  Torgebäude  einen  mit  einem  Giebeldach  bedeckten,  im 
ersten  Obergeschoss  vorspringenden  Erker.  Auch  die  übrigen  Seiten  dieses  Hofes 
waren  mit  Stallungen  und  Wirtschaftsgebäuden  besetzt.  Ein  kleinerer,  viereckiger 
Hof  schloss  sich,  durch  eine  Mauer  umgrenzt,  in  gleicher  Höhenlage  dem  Wirt- 
schaftshof zur  Linken  an,  nach  der  Talseite  ebenfalls  durch  einen  langen  Wirtschafts- 
flügel, gegenüber  durch  die  Futtermauer  der  Oberburg  begrenzt.  Weiterhin  schloss 
sich  an  diesen  zweiten  Hof  ein  tiefer  liegender,  durch  eine  Treppe  zugänglicher,  ge- 
räumiger Zwinger,  dessen  zinnenbesetzte  Mauer  in  einen  niedrigen,  viereckigen  Turm 
ohne  Dach  auslief. 

Die  Treppe,  von  der  aus  die  für  Wagen  und  Pferde  nicht  zugängliche  O  b  e  r  - 
bürg  erstiegen  wurde,  führte  unter  dem  Schutz  des  Bergfrieds  im  Innern  eines  poly- 
gonen  Zwingers  aufwärts,  über  dem  sich  der  Bergfried,  in  seinen  unteren  bis  zur  Dach- 


I-ig-  766.  Das  frühere  Schlcss  Molsberg    Nach  einem  Modell. 


NEUNKIRCHEN. 


155 


höhe  der  umgebenden  Gebäude  reichenden  Teil  mit  einem  starken  Mantel  geschtltzt, 
mächtig  und  steil  aus  dem  Wirtschaftshof  zu  ansehnlicher  Höhe  erhob.  Die  Treppe, 
in  der  linken  Ecke  des  Zwingers  die  Höhe  der  Oberburg  erreichend,  führte  durch 
einen  Durchgang  der  hier  aneinanderstossenden  Gebäude  in  den  oberen  Schlosshof. 
Der  Mantel  des  Turmes  schloss  oben  mit  einem  auf  Rundbogen  vorgekragtem  Wehr- 
gang ab;  der  obere  schlanke  Rundturm  war  mit  einer  Glockenhaube  bedeckt. 

Rückwärts  an  den  Hauptturm,  den  Mantel  teilweise  in  seine  Baumasse  aufnehmend, 
lehnte  sich  der  Palas,  ein  grosses,  dreistöckiges  Gebäude,  das  aus  seinen  aus  einem 
Mitteldach  und  zwei  Querdächern  bestehenden  Dachgeschoss  den  Zugang  zum 
Wehrgang  des  Bergfrieds  bot.  Die  vom  letzteren  rechts  gelegene  Ecke  war  mit 
einem  durch  zwei  Stockwerke  reichenden,  auf  Rundbogen  zweimal  ausgekragten 
Ecktürmchen  mit  welscher  Haube  besetzt.  Weiterhin  sprang  ein  ebenfalls  zwei- 
geschossiger Erker  vor. 

Vor  der  dem  Bergfried  abgewandten  Seite  des  Palas  lag  der  obere  Burghof, 
rings  von  einem  dreiflügeligen,  jedenfalls  auch  zu  Wohnzwecken  bestimmten  Gebäude 
umgeben,  das,  etwas  niedriger  als  der  Palas,  an  seinem  Mittelflügel  mit  einem  vom 
ersten  Stock  in  den  Hof  vorspringenden  Erker  versehen  war. 

NEUNKIRCHEN. 

EUNKIRCHEN,  10  km  östlich  von  Westerburg. 

DIE  PFARRKIRCHE  gehörte  dem  Stift  zu  Limburg  und  wurde  der 
Dekanei  desselben  1234  einverleibt  (Vogel,  Beschr.  v.  N.  733).  Turm  schlicht 
romanisch,  12.  Jahrhundert.  Viereckiger  Westturm  mit  ins  Achteck  über- 
gehendem Dache.  Unten  östlich  und  westlich  schmucklose  Rundbogenöffnungen, 
oben  jederseits  Schallöffnungen  mit  zwei  Rundbogen,  die  in  der  Mitte  auf  rohen  Säul- 
chen ruhen.  Ihre  stark  verjüngten  und  geschwellten  Schäfte  haben  unten  vier 
zylindrische  Ansätze  als  Erinnerung  an  Eckblätter,  während  keine  Basis  vorhanden 
ist  oder  auch  nur  eine  viereckige  Platte.  Der  Sattelstein  mit  Platte,  Rundstab  und 
flacher  Kehle  ist  unten  gefast,  sodass  er  mit  einem  Achteck  unmittelbar  auf  dem 
Säulenschaft  aufruht.   Die  Kirche  ist  1740  bis  1741  erbaut. 

Der  Taufstein,  jetzt  als  Wasserbehälter  am  Pfarrbrunnen  benutzt,  ist  spät- 
romanisch, rund,  mit  Rundbogenfries,  am  Rande  vier  Knospenkapitäle  von  ver- 
schwundenen Säulen. 

Holsskulptur.  Der  Kopf  Johannes  des  Täufers  auf  einer  Schüssel,  unbe- 
deutend (Lötz). 


156 


NIEDERERBACH.  —  NOMBORN.  —  PÜTSCHBACH. 


NIEDERERBACH. 

lEDERERBACH,  7,5  km  nordwestlich  von  Limburg. 

PFARRKIRCHE.  Katholische  Pfarrkirche  St.  Katharina.  West- 
turm spätromanisch,  viereckiger  Bruchsteinbau,  im  Erdgeschoss  früher 
ein  Tonnengewölbe.  Die  Westtür  jetzt  mit  Stichbogen,  oben  schmale  Licht- 
spalten. Im  obersten  Geschoss  westlich  und  südlich  Eckleisten  mit  Rundbogenfriesen, 
westlich  zwei  rundbogige  Schallöffnungen,  an  den  übrigen  Seiten  je  zwei  gekuppelte 
Öffnungen,  durch  Säulchen  mit  schlichten  Würfelkapitälen  geteilt.  Die  Basen  mit  Eck- 
blättern, jetzt  meist  eingemauert.    Die  Bogen  mit  ausgeeckter  äusserer  Kante  (Lötz). 

Die  Kirche  ist  in  dem  letzten  Jahrzehnt  neu  gebaut  und  hierbei  der  Turm 
sachgemäss  hergestellt  worden. 

Drei  Glocken.  Die  grösste  mit  der  Inschrift:  aue  maria  gracia  pleiia  dominUS 

tecum.  Katrin  beißen  icö  fub  anno  domini  mxlvii  (mit  weggelassenen  CCCC  1447). 

Die  mittlere:  5.  Katrin  beißen  itb  -donre  un  nieder  uerdriben  itb-in  goeft  naem 
luet  men  mid)  •  den  lenen  oen  doden  luden  id)  •  teil  uan  Keppel  gois  mid)  •  fub  anno  domini 

MCCCCXLVU  (1447). 

NOMBORN. 

ATHOLISCH.es  Filialdorf  Nomborn,  11  km  nordwestlich  von  Limburg. 

KAPELLE  ST.  KILIAN.  Schmucklos,  romanisch;  einschiffig  mit 
schmälerem,  viereckigem  Westturm.  Der  Chor  mit  rundbogigem,  rippen- 
losem Kreuzgewölbe  fällt  gegen  starke,  unprofilierte  Schildbögen  an,  der 
halbrunde  Chorbogen  hat  Kämpfergesimse  mit  Schmiegenprofil.  An  jeder  Seite  des 
Chors  ein  kleines  Rundbogenfenster  mit  schrägen  Gewänden.  Das  flachgedeckte 
Schiff,  das  mit  dem  Turm  durch  einen  Rundbogen  verbunden  war,  ist  in  letzter  Zeit 
nach  Westen  verlängert  worden,  als  der  Turm  wegen  ßaufälligkeit  abgelegt  und 
durch  einen  neuen,  in  der  Silhuette  des  früher  gehaltenen  Turm  ersetzt  wurde. 

Drei  Glocken.  Die  grösste  mit  der  Majuskelinschrift :  0  ref  glorie  ueni  CUm  pace. 

Die  mittlere  mit  der  Inschrift:  tnaria  beißen  id)  •  poban  •  bruu)ilre  •  gos  mid)  fub 
anno  domini  mlcccc  •  xlviii  (1447). 

PÜTSCHBACH. 

IE  ANTONIUSKAPELLE  des  9  km  östlich  von  Montabaur,  12,5  km  süd- 
lich von  Westerburg  gelegenen  Dorfes  Pütschbach  gehörte  nebst  vielen 
Gütern  zu  dem  Isenburgischen  Hubengericht  zu  Meudt  (Vogel).  Sie  ist  ein 
schlichter  Basaltbau  mit  nahezu  quadratischem,  flachgedecktem  Schiff,  das 
sich  mit  einem  unprofilierten  Rundbogen  gegen  den  Chor  öffnet.  Dieser  ist  aus  fünf 
Seiten  des  Achtecks  gebildet  und  mit  einem  Kreuzgewölbe  mit  (späteren)  Stuckrippen 


Fig.  167 .  Salz.  Pfarrkirche  von  Norden. 


SALZ. 


157 


bedeckt.  Aussen  hat  der  Chor  einmal  abgesetzte,  durch  Pultdächer  beendigte  Strebe- 
pfeiler.   Die  spitzbogigen  Fenster  mit  Eisensprossen  stammen  von  1866. 

Ein  architektonisches  Interesse  bietet  die 
Emporführung  der  Chormauern,  die  sich  durch 
Abschrägungen  über  dem  Chorbogen  zu  einem 
unregelmässig  achteckigen  Turm  ausgestalten. 
Dieser  ist  mit  einem  Pyramidendach  bedeckt  und 
hat  acht  kleine,  mit  gebrochenen  Spitzbögen  über- 
deckte Schallöffnungen. 

Die  grössere  der  beiden  Glocken  hat  die  In- 
schrift :  Antonius  fteißen  idj)  alle  boeß  ioedder  WX' 
driben  id)  mccccxlviii  (1448)  (Lötz). 


Fig.  16S.  Pütschbach.  Pfarrkirche . 


SALZ. 


Wenck, 


Vogel,  Beschreibung  etc.  743.  —  Reinhard,  jur.  hist.  Abhandlungen  I.  98,  99,  103. 
Landesgeschichte  l,  548. 

*AS  katholische  Pfarrdorf  Salz,  6  km  südlich  von  Westerburg,  auf  einem 
weitblickenden  Berggrat  gelegen  und  malerisch  von  seiner  alten  Kirche 
überragt,  zehntete  im  13.  Jahrhundert  dem  Stifte  zu  Diez  und  den  Adeligen, 
die  von  diesem  belehnt  wurden.  Graf  Gerhard  von  Diez  trat  1255 
ein  Viertel  seines  grossmütterlichen  Erbes  an  diesem  Gericht  an  Siegfried  von 
Runkel  ab,  wovon  sich  der  spätere  Westerburgische  Besitz  in  Salz  ableitet. 


DIE  KIRCHE  gehörte  zu  einem  Stift  regulierter  Chorherren,  das  1255  zuerst 
erwähnt  wird,  aber  keine  grosse  Bedeutung  gehabt  zu  haben  scheint;  als  es  1289  mit 
dem  neuen  Stift  in  Diez  vereinigt  wurde,  konnten  diesem  nur  drei  Präbenden  einver- 
leibt werden.  Mit  dem  Stift  wurde  auch  die  Kirche  mit  ihrem  Zehnten  dem  Diezer 
Stift  zugewiesen. 

Die  Kirche  stellt  sich  noch  in  ihrer  ursprünglichen  Form  als  flachgedeckte, 
romanische  Pfeilerbasilika  ohne  Querschiff  mit  Turm  vor  der  Westseite  des  Mittel- 


158 


SALZ,  KIRCHE. 


Schiffs  dar.  Vier  Pfeiler  von  quadratischem  Querschnitt,  ursprünglich  ohne  Kämpfer- 
band, jetzt  mit  einem  in  Gips  angesetzten  Karniesprofil,  tragen  die  fünf  ungegliederten 
Rundbogen  der  Seitenschiffarkatur. 

Das  schlanke  Mittelschiff  und  das  nördliche  Seitenschiff  haben  noch  ihre  flache 
Decke ;  im  südlichen  ist  sie  in  gotischer  Zeit  durch  Kreuzgewölbe  mit  hohlprofilierten, 

aus  der  Wand  hervorwach- 
senden Rippen  ersetzt.  Der 
Chor  ist  in  spätgotischer 
Zeit  umgebaut:  Abschluss 
in  drei  Seiten  des  Achtecks, 
reiches  Sterngewölbe  mit 
Wappenschilden  auf  den 
Schlussteinen  und  am  An- 
satzpunkt der  hohlprofilier- 
ten Rippen ;  drei  spitzbogige 
Fenster  in  den  Achtecksei- 
ten mit  schrägen  Gewänden 
und  Fischblasenmasswerk ; 
die  anderen  Chorfenster  un- 
geteilt. Der  Chorbogen,  un- 
profiliert, ist  spitzbogig.  An 
die  Nordseite  des  Chors 
schliesst  sich  eine  romani- 
sche Seitenkapelle  an,  mit 
zwei  durch  einen  Gurtbogen 
getrennten ,  rundbogigen 
Tonnengewölben  überdeckt. 
In  dieser  Kapelle  und  in  den 
Obermauern  des  Mittelschiffs 
finden  sich  noch  die  ursprüng- 
lichen romanischen,  kleinen 
Rundbogenfenster ;  diejeni- 
gen der  Seitenschiffe  sind 
durch  grössere  flachbogige 
ersetzt.  Vom  Chor  führen  in  die  romanische  Kapelle  und  gegenüber  in  die  südlich 
neben  dem  Chor  liegende  Sakristei  rundbogige  romanische  Türen;  alle  anderen 
Türen  sind  modern. 

Der  schlicht  viereckige  Turm,  der,  ohne  Aussentür,  sich  innen  nach  dem  Schiff 
mit  einem  ungegliederten  Rundbogen  öffnet,  hat  in  seinen  beiden  Obergeschossen  eine 
Lisenenteilung,  welche  die  zwei  gekuppelten  Schallöffnungen  mit  einer  rundbogigen 
Blende  einfasst.  Die  Mittelsäulchen  sind  roh  ohne  Kapitäle,  nur  mit  einem  Sattelstein 
die  Bögen  aufnehmend;  unter  der  Fensterbank  sind  Reste  eines  Rundbogenfrieses. 


Fig.  169.  Salz.  Weihkessel. 


i 

I 


SECK,  KIRCHE. 


159 


Von  den  Begräbnissen,  welche  die  Herren  von  Molsberg,  von  Bremberg,  Walder- 
dorff u.  a.  in  dieser  Kirche  hatten,  ist  ein  Grabstein  von  rotem  Sandstein  erhalten: 

Cuno  fterr  üon  und  zu  Reiffenberg,  herr  zu  hordtjljeim  t  1586,  mit  vier  Wappen. 

Ein  schöner,  bronzener  Weihxvasserkessel,  32  cm  hoch,  22  cm  weit,  dessen  Bügel 
in  zwei  Drachen  ausläuft,  enthält  zwei  Wappen  und  den  Stifter :  Herrmann  Johann 


Fig.  171.  Suis.  Pfarrkirche.  Gruiuiriss. 

von  Brombach  1591.  Umschrift:  ASPERGAS  ME  DOMINE  YSOPO  &  MUNDABOR. 
PSAL.  50. 

Zwei  Chorstühle,  einer  einfach  gotisch  mit  der  Jahreszahl  1478,  der  andere  in 
einfachem  Renaissancestil  trägt  das  Walderdorlfsche  Wappen  und  die  Zahlen  1670,  1672. 

SECK.  SELIGENSTADT. 

Vogel,  Beschreibung  731,  732.  —  Kremer,  Origines  Nass.  II.  135. 
^^^ß^nAS  katholische  Pfarrdorf  Seck,  6  km  östlich  von  Westerburg,  kommt 
J^i^^AJ^  unter  dem  Namen  Seckaha  1059  zuerst  vor,  wo  Kaiser  Heinrich  IV.  zwei 
nJ^f^Wn  ^^^^  Stift  Limburg  schenkte.    Bei  der  Westerburgischen 

^^ÄSßjW  Teilung  von  1599  fiel  es  an  R u nke  1 ,  wurde  1611  an  Westerburg  über- 
lassen und  von  diesem  1637  an  Nassau-Hadamar  verkauft.  Die  Pfarrkirche  bestand 
schon  1212,  wo  der  Pfarrer  den  Zehnten  in  seiner  Gemarkung  mit  dem  benachbarten 
Kloster  Seligenstadt  teilte. 

DIE  KIRCHE,  eine  romanische  Pfeilerbasilika  von  regelmässigem  Grundriss 
mit  halbrunder  Apsis,  gewölbtem  Chorhaus  und  zwei  Türmen  zur  Seite  desselben 
stand  von  1637,  in  welchem  Jahre  die  Seitenschiffe  niedergelegt  und  die  Schiftarkaden 
zugemauert  wurden,  bis  1878  als  einschiffige  Kirche.  In  diesem  Jahre  brannte  sie  ab 
und  wurde  im  selben  Jahre  einem  Wiederaufbau  unterzogen,  der  sie  fast  als  neue 


160 


SECK. 


Kirche  erscheinen  lässt  und  den  ursprünglichen  Zustand  beinahe  verwischt  hat.  Es 
sei  daher  die  Beschreibung  hier  eingefügt,  die  Lötz  1874  von  ihr  gegeben  hat: 

Der  südliche  Turm  erhebt  sich  jetzt  nur  so  hoch,  dass  das  niedrige  Kirchen- 
dach mit  seiner  Fortsetzung  nach  unten  ihn  bedeckt.  Die  Seitenschiffe,  1637 
abgerissen,  haben  sich  nicht  bis  an  die  Westseite  des  Hauptschiffs  erstreckt,  indem  in 

der  Südwand  desselben,  nächst  der  West- 
seite, ein  alter  Eingang  (mit  extradossiertem 
Rundbogen  ohne  alle  Gliederung)  und  öst- 
lich von  ihm  der  Anschluss  der  Westmauer 
des  Seitenschiifs,  welches  sich  in  fünf  rund- 
bogigen  Arkaden  gegen  das  Hauptschiff 
öffnete,  noch  vorhanden  ist,  während  an 
der  Nordseite  nur  drei  Arkaden  und  auch 
nur  im  östlichen  Teil  derselben  noch  zu 
sehen  sind.  Bei  dem  Wiederaufbau  sind 
von  den  auch  hier  vorhandenen  fünf  Ar- 
kaden aus  nicht  erkennbaren  Gründen  nur 
die  erste,  dritte  und  fünfte  geöffnet  wor- 
den. Die  Arkaden,  jetzt  ganz  vermauert, 
hatten  keine  Kämpfergesimse.  Die  kleinen, 
schmalen,  hochgelegenen  Rundbogenfenster 
des  Hauptschiffs,  je  vier  an  jeder  Lang- 
seite, sind  erhalten,  doch  innen  vermauert ; 
zu  ihrem  Ersatz  sind  an  tieferer  Stelle 
grössere  Stichbogenfenster  angebracht  wor- 
den. Die  Westseite  hat  gar  keine  Öffnung, 
der  Triumphbogen  halbkreisförmig  auf 
Fiz.172.  Seck.  Pfarrkirche.  Grundriss.        Kämpfergesimsen  mit  reicher  Gliederung 

(Platte,  Rundstab,  Plättchen,  Kehlleiste)  aufsetzend.  Der  Eingangsbogen  der  Apsis 
ebenso  mit  Gesimsen,  die  unter  der  Platte  nur  eine  flache  Kehle  zeigen.  Das  Kreuz- 
gewölbe des  Altarhauses  ohne  Rippen,  mit  Schildbögen,  die  sich  in  Pfeilerecken  nach 
unten  fortsetzen.  Die  Apsis  mit  Halbkuppelgewölbe.  Von  ihren  drei  Fenstern  nur  das 
nördliche  ursprünglich  rundbogig,  das  mittlere  zugespitzt,  das  südliche  spätestgotisch 
mit  stumpfem  Spitzbogen,  unter  dem  zwei  nebeneinanderliegende  Rundbögen  schweben. 

Die  Türme  im  Erdgeschoss,  mit  rundbogigem  Tonnengewölbe,  durch  recht- 
eckige Türen  mit  dem  Altarhause  verbunden,  der  südliche  durch  eine  kleine,  jetzt 
vermauerte  Rundbogentür  ohne  Gliederung  ehemals  von  aussen  zugänglich.  Die 
Ostseite  des  Nordturmes  hatte  früher  gekuppelte  Schallöffnungen. 

Abgesehen  von  einigen  Lisenen  und  rohen  Rundbogenfriesen  an  der  Apsis  und 
dem  dritten  Turmgeschoss  entbehrt  das  Äussere  jeden  Schmuckes. 

Taufstein,  derb  spätromanisch,  aus  dem  13.  Jahrhundert.  Das  runde,  bauchige 
Becken  wird  von  einer  fast  gotischen  Basis  getragen,  deren  Pfühl  über  die  Seiten 


SELIGENSTADT,  KLOSTERRUINE.  —  WELTERSBURG. 


161 


der  sechseckigen  Plinthe  überquillt.  Sein  im  Grundriss  zwölfeckiger  Rand  mit  Platte, 
Kehle,  Rundstab  und  Nagelkopfverzierung  wird  von  sechs  Säulchen  mit  attischen 
Basen  und  runden  Plinthen  gestützt,  deren  Kapitale  teils  mit  Knospen  geschmückt, 
teils  durch  rohe  Köpfe  vertreten  sind. 

Eisenbeschläge  an  der  südlichen  Chortür,  romanisch. 

Seligenstadt,  0,9  km  nördlich  von  Seck. 

KLOSTERRUINE  (domänenfiskalisch),  Benediktinerinnenkloster,  um  1212  von 
Sifrid  von  Runkel  gestiftet,  stand  schon  1499  verlassen. 

Es  sind  nur  noch  die  zirka  1  m  starken  Umfassungsmauern  in  einer  Höhe  von 
1  bis  3  m  vorhanden,  welche  einen  Acker  von  1200  qm  Fläche  einschliessen.  Rechteck 
mit  westöstlicher  Längenachse.  In  der  Mitte  der  Westseite  eine  halbrunde  Apsis.  An 
den  Ecken  der  Westseite  kleine  übereckstehende,  viereckige  Türme,  die  im  Innern 
auf  Stichbogen  ruhen,  welche  über  die  Winkel  des  Rechtecks  geschlagen  sind.  Türen 
oder  Fenster  nicht  sichtbar  (Lötz  1874). 

WELTERSBURG. 

BILKHEIM.  NAUROTHER  HOF.  HOF  WESTERT. 

Vogel,  Beschreibung  744. 

UF  einem  weithin  sichtbaren,  4,5  km  südwestlich  nach  Süden  von  Wester- 
burg gelegenen  Basaltkopf  liegen  im  Walde  verborgen  die  spärlichen 
Trümmer  der  Weltersburg.  Mit  einem  Wigandus  von  Welters- 
burg als  Zeugen  kommt  der  Name  1220  zum  erstenmal  vor;  1244  und 
1261  finden  sich  in  Molsbergischen  Urkunden  die  Brüder  Conrad  und  Heinrich, 
genannt  Butzhamir  als  Ritter  von  Weltursberg  erwähnt.  Schon  1264  war  die  Burg 
im  Besitz  der  Grafen  v  on  Say  n ,  da  sie  in  der  Sponheimischen  Bruderteilung  von  diesem 
Jahr  unter  den  Vesten  genannt  wird,  die  bei  diesem  Hause  bleiben.  Dem  dabeiliegen- 
den Orte  erteilte  1314  Kaiser  Ludwig  Stadtrechte.  Als  Heiratsgut  der  Gräfin  Kuni- 
gunde von  Sayn  kam  die  Burg  1355  an  Westerburg,  von  dem  Katzenelnbogen  1364 
das  Öffnungsrecht  erlangte.  1423  wurde  sie  in  einer  Fehde  mit  Trier,  Nassau-Saar- 
brücken und  Katzenelnbogen  erobert  und  beschädigt,  jedoch  bald  wieder  von  den  mit 
Isenburg  verbündeten  Westerburgern  zurückgewonnen.  Schon  1485  und  später  hatte 
eine  Linie  von  Reiffenberg  die  Burg  pfandweise  von  Runkel  inne  und  wohnte  hier. 

Von  der  eigentlichen  Burg  sind  neuerdings  durch  Grabungen  einige  Fundament- 
reste aufgedeckt  worden,  die  jedoch  über  die  Gesamtanlage  keinen  Aufschluss  geben. 
Ein  runder  Zwingerturm  an  dem  südlichen  Fuss  des  Hügels  ist  nebst  den  anschliessen- 
den Mauerstücken  der  einzige  noch  aufrechtstehende  Rest  der  Burg.  Nahe  bei  diesem 
Rest  steht  an  der  Südseite  das  „Brambacher  Schlösschen",  ein  wohlerhaltener 
Burgsitz  dieses  Adelsgeschlechts,  das  schon  1408  Besitzanteil  an  der  Burg  hatte  und 

U 


162 


BILKHEIM.  —  NAUROTHER  HOF. 


noch  1700  von  Westerburg  mit  diesem  ßurgsitz  belehnt  wurde.  Auch  auf  dem  Hofe 
Westert  hatte  dies  Geschlecht  1525  einen  Adelshof.  Das  „Schlösschen"  ist  ein  massiver, 
quadratischer  Bau  mit  vier  Giebeln  und  vier  mit  achteckigen  Spitzdächern  versehenen 
Rundtürmen  auf  den  Ecken,  mit  einem  anschliessenden  Ökonomiehof;  es  befindet  sich 
jetzt  in  Walderdorffschem  Besitz. 


Fig.  173.  Naurother  Hof. 


Die  Herren  von  Brambach,  die  1773  ausstarben  und  von  den  Grafen  von  Wal- 
derdorff beerbt  wurden,  finden  wir  auch  in  dem  benachbarten  Dorfe  Bilkheim  und 
dem  Hofe  Neurod  (heute  Nauroth)  begütert;  der  Wäppeling  Dietrich  von  Bram- 
bach nennt  sich  1345  von  Bullincheym. 

Das  Dorf  Bilkheim  ist  heute  noch  reich  an  bemerkenswerten  Fachwerk- 
häusern, deren  Riegelwerk  ungewöhnliche  Holzstärken  aufweist. 

Der  Naurother  Hof,  im  Besitz  der  Grafen  von  Walderdorff,  ist  ein 
Wasserschloss  aus  dem  17.  Jahrhundert  von  quadratischem  Grundriss  mit  Mansarden- 
dach, aus  dem  die  Nordostecke  als  Turm  emporgeführt  ist.  Über  der  durch  eine 
massive  Brücke  über  den  Schlossgraben  zugänglichen  Eingangstür  findet  sich  das 
Walderdorffsche  Wappen  mit  der  Inschrift :  J0t)annes  Philippus,  Uber  barO  a  njaldet'' 

üorff,  2irdt)idiaconus  16  (26?). 


164 


HOF  WESTERT. 


An  dem  Wege,  der  vom  Naurother  Hof  nach  Salz  führt,  steht  ein  schönge- 
zeichnetes Wegkreus  aus  Sandstein,  dessen  oberem  Teil  eine  gutgemeisselte  Kreuz- 
tragung  aus  weissem  Marmor  eingefügt  ist.    Es  trägt  die  Inschrift  Rad  auf'' 

geri(t)t  Peter  Jung 
Speigermeifter  auf 
dem  SiJ)los  ntols« 
berg  gebirdig  in 
ßeüotl)  176t. 

Von  Wester- 
burg 4,5  km  süd- 
westlich liegt,  un- 
weit des  Dorfes 
Hartlingen,  zu 
dem  er  gehört,  der 
Hof  Westert. 
Er  bestand  1525 
aus  vier  Adels- 
höfen ,  die  den 
von  Irmtraud, 
Brambach  und 
Doringenberg 
eigen  waren.  Heu- 
te ist  er  Eigen- 
tum der  Grafen 
Walderdorff. 
r)as  Hofgebäude 
ist  ein  hoher,  mit 
dem  Giebel  nach 
der  Strasse  ge- 
richteter Baukör- 
per, dem  sich  an 
Fig.  175.  Hof  Westert.  der  Hinterseite  ein 

kurzer  Flügel  rechtwinklig  anschliesst.  In  diesem  liegt  die  Haustür,  durch  eine  primitive 
Freitreppenanlage  von  der  tieferliegenden  Strasse  zugänglich.  Das  hohe,  massive 
Untergeschoss  hat  in  der  Giebelfront  den  halbkreisförmig  geschlossenen  Eingang  zu 
dem  grossen,  gewölbten  Keller,  darüber  im  Erdgeschoss  zu  zwei  und  drei  gekuppelte 
Fenster  mit  steinernen,  hohlgekehlten  Gewänden.  "* 

Das  niedrige  Obergeschoss  ist  aus  Fachwerk,  dessen  Wirkung  durch  die  un- 
verputzte, aus  einer  späteren  Herstellung  herrührenden  Backsteinausmauerung  der 
Fächer  beeinträchtigt  wird.  In  den  Brüstungsbrettern  sind  stark  verwitterte,  figür- 
liche Schnitzereien. 


Fig.  177.  Rathaus  in  Rehe,  Kreis  Westerburg, 


DAS  BAUERNHAUS. 


165 


DAS  BAUERNHAUS. 


Das  Bauernhaus  im  deutschen  Reiche  und  in  seinen  Grenzgebieten,  herausgegeben  vom  Ver- 
bände deutscher  Architekten-  und  Ingenieurvereine,  Dresden  1906.  —  H.  Behlen,  das  nassauische 
Bauernhaus  (Nass.  Ann.  1905,  XXXV,  237  —  263).  —  E.  Heyn,  der  Westerwald  und  seine  Be- 
wohner. Marienberg  1893,  205—218.  —  B.  Henftmann,  Hessische  Holzbauten,  Marburg  1907.  — 
Dr.  P.  Lehfeldt,  Die  Holzbaukunst,  Berlin  1880.  —  Karl  Caesar,  Alte  und  neue  Baukunst  in  Hessen- 
Nassau,  Berlin  1910.  —  Pfr.  Karl  Spiess  (Bottenhorn),  , .Schmuck  und  Dekoration  an  Hinterländer 
Bauernhäusern",  „Haustüren  am  Bauernhaus"  (Hessenkunst,  Marburg  1909 — 1910). 


ist  es  zu  verdanken,  dass  sich  in  den  vier  nördlichen  Kreisen  des  Bezirks  in  noch  höherem 
Masse  als  im  übrigen  Nassau  Grundformen  des  ländlichen  Holzbaus  erhalten  haben, 
die  hier  eine  gesonderte  Behandlung  dieses  Gegenstandes  lohnend  erscheinen  lassen. 

Die  mehrfach,  unter  anderen  auch  von  Behlen,  ausgesprochene  Annahme,  dass 
in  dem  fränkischen  Bauernhause  eine  nahe  Verwandtschaft  mit  der  ursprünglichen 
Form  des  Stadthauses  zu  finden  sei  —  etwa  so,  wie  uns  manche  Einzelheiten  der 
Bauerntracht  die  dem  Wechsel  der  Mode  entgangenen  Bürgertrachten  früherer  Zeit 
erhalten  haben  —  findet  im  nassauischen  Bauernhaus  vielfache  Bestätigung. 

Zunächst  zeigt  sich  diese  Verwandtschaft  schon  in  der  Anlage  der  Orte  selbst. 
Im  Gegensatz  zu  der  zerstreuten  Wohnweise,  bei  der  die  Gehöfte  inmitten  ihrer 
Felder  liegen,  das  Ortsweichbild  also  eine  bedeutende  Fläche  einnimmt,  herrschte 
hier,  wie  Heyn  ausführt,  die  Sitte,  die  einzelnen  Gehöfte  nahe  beieinander  aufzu- 
schlagen und  das  umliegende  Land  von  der  gemeinschaftlichen  Ansiedlung  (Hofstatt) 
aus  zu  bestellen.  Diese  war  von  einem  Zaun  umgeben,  vor  dem  sich  gewöhnlich 
noch  ein  Graben  befand.  Die  Ausgänge  der  Strassen  verschlossen  Tore,  welche  von 
selbst  zufielen.  Diese  Einfriedigung  des  Ortsberings,  die  auch  Infang  hiess,  bezweckte 
zunächst  den  Schutz  der  Herden  gegen  Wölfe,  die  auf  dem  Westerwald  in  früheren 
Zeiten  in  Menge  vorkamen.  Gleichzeitig  bot  sie  aber  auch  Sicherheit  gegen  feind- 
lichen Überfall.  Ein  weiterer  Schritt  in  dieser  Richtung,  befestigte  Dörfer  mit  Mauern 
und  Gräben  waren  in  Nassau  keine  Seltenheit,  Reste  sind  noch  heute  zahlreich  erhalten. 

Aus  dieser  Umfriedung  des  Orts  ergab  sich  dann  für  das  Dorfinnere  ein 
städtischer  Anklang  der  Wohnweise  —  die  Häuser  nahe  aneinandergerückt,  nur 
schmale  Durchgänge  (Wich)  zwischen  den  einzelnen  Gehöften. 

Ein  weiteres  verwandtschaftliches  Merkmal  zwischen  Stadt  und  Land  ist  die 
vorwiegend  zweigeschossige  Anlage  des  nassauischen  Bauernhauses,  die  nur  in  ein- 
zelnen armen  Dörfern  des  hohen  Westerwaldes,  anderwärts  beim  „Armeleuthaus", 
gegen  das  nur  aus  einem  Erdgeschoss  bestehende  Haus  zurücktritt. 

Endlich  ist  die  konstruktive  und  wenigstens  bei  reicheren  Bauernhäusern  die 
formale  Abhängigkeit  von  den  städtischen  Holzhäusern  unverkennbar,  wie  sie  sich  in 
den  alten  Städten  des  Landes  noch  in  erfreulicher  Menge  zum  Vergleich  darbieten. 


fs^T^ER  Westerwald  und  das  Bergland  des  Dill-,  Lahn-  und  Edertals  war,  wie 
schon  in  der  Einleitung  erwähnt,  bis  in  das  letzte  Jahrzehnt  des  vorigen  Jahr- 
hunderts  vom  grossen  Verkehr  abgeschnitten.  Diesem  Umstand,  verbunden 
SKj'**  mit  dem  angeborenen  konservativen  Sinn  der  bäuerlichen  Bevölkerung, 


166 


DAS  BAUERNHAUS. 


Die  Urform  des  hessisch-fränkischen  Hauses,  die  sich  von  der  Werra  bis  zum 
Niederrhein  verfolgen  lässt,  kann  zwischen  manchen  späteren  durch  Änderungen  in 
der  Wohnweise  bedingten  Abweichungen  im  Bauernhause  unseres  Gebietes  noch  deut- 
lich festgestellt  werden. 

Trotz  der  Zweigeschossigkeit  ist  es  das  Erdgeschoss,  in  dem  sich  das  Leben  des 
Bauern  abspinnt.    Da  das  Haus,  seltene  Ausnahmen  abgerechnet,  mit  der  Giebelseite 


Fig.  178.  Molsberg,  Kreis  Westerburg. 


nach  der  Strasse  liegt,  so  hat  es  seine  Türe  in  der  Mitte  der  nach  dem  Hof  gewendeten 
Breitseite.  Durch  das  Hoftor  schreitend,  betreten  wir  von  einem  gepflasterten,  vor  der 
Haustür  mit  einigen  breiten  Steinplatten  belegten  Zugang  den  Hauptraum  des  Hauses. 
Nicht  selten  ist  dieser  Zugang,  namentlich  wenn  die  Höhenlage  einige  Stufen  fordert, 
mit  einem  Schutzdach  versehen,  das  entweder  frei  über  der  Tür  vorspringt  oder  durch 
zwei  auf  dem  Treppenabsatz  stehende  Holzpfosten  gestützt  wird.  Dieser  Vorbau  ist 
nicht  häufig  und  scheint  an  gewisse  Ortsgruppen  gebunden  zu  sein.  So  findet  er  sich 
in  dem  oberhalb  Herborn  in  das  Dilltal  ausmündenden  Aartal  in  Offenbach,  Bicken, 


DAS  BAUERNHAUS. 


167 


Herbornselbach,  dann  wieder  südlich  der  Lahn  zwischen  Katzenelnbogen  und  Lahn  in 
Cramberg,  Gutenacker,  Bremberg,  Ebertshausen,  hier  sogar  mit  einem  Oberstock- 
zimmer überbaut,  und  noch  sonst  verstreut. 

Der  Flur,  den  wir  betreten  —  in  Nassau  „der  Ern"  —  ist  der  eigentliche  Haupt- 
raum des  Hauses,  der  dessen  Mittelpunkt,  die  Feuerstelle,  den  Herd  enthält  und  in 
dem  Herrschaft  und  Gesinde  ihre  Tagesbeschäftigung,  soweit  diese  ins  Innere  des  Hauses 
gehört,  zu  verrichten  pflegen.  Neben  ihm,  nach  der  Strassenseite  zu,  liegt  das  Familien- 


Fig.  179.  Haus  Kestler  in  Enspel,  oberer  Westerwald. 


Zimmer,  die  Stube,  gegenüber  schliesst  sich  der  Stall  an.  Der  Ern  geht  wohl  ursprüng- 
lich durch  die  ganze  Tiefe  des  Hauses ;  in  späterer  Zeit  ist  er  durch  eine  leichte,  oft 
nur  aus  Gitterwerk  bestehende  Wand  geteilt.  Der  hintere  Raum  dient  dann  als  Speise- 
oder Vorratsraum,  südlich  der  Lahn  auch  wohl  als  Küche.  Der  Ern  ist  nicht  gedielt, 
sondern  hat  einen  gestampften  Lehmfussboden,  bei  besseren  Häusern  Steinplattenbelag. 
Hinter  dem  Ern  —  je  nach  der  Lage  des  Hauses  auch  wohl  an  einer  anderen  Stelle  — 
findet  sich  häufig  noch  ein  niedriger  Raum  von  untergeordneter  Bedeutung  angefügt, 
der  als  Stall,  Waschküche,  Vorratsraum  dient,  und  an  der  am  meisten  ausgesetzten 
Wetterseite  des  Hauses  als  Schutz  den  Wohnräumen  vorgelegt  wird.  Er  führt  den 
Namen  „Niederlass"  und  wird  von  dem  hier  tiefer  herabgeführten  Hauptdach  be- 
deckt (s.  Fig.  179  u.  182). 


168 


DAS  BAUERNHAUS. 


Das  wichtigste  Stück  des  Ern  ist  der  Herd,  der  seinen  Platz  an  der  die  Stube 
abtrennenden  Wand  hat,  an  ihn  angebaut  ist  der  eingemauerte  Waschkessel ;  sein 
Schornstein,  der  einzige  des  Hauses,  erhebt  sich  mit  einem  grossen  Rauchmantel  über 
der  Feuerstelle  und  dient  zugleich  dem  Ofen  der  Stube  (des  einzigen  heizbaren 
Gemaches:  „stufa")^  dessen  Feuerloch  auch  von  dem  Ern  aus  beschickt  wird.  Von 
dieser  ursprünglichen  Einrichtung  finden  sich  natürlich  manche  Abweichungen,  wie 


Fig.  180.  Haus  Nr.  36  in  Bilkheim,  Kreis  Westerburg. 

denn  auch  an  die  Stelle  des  bodenständigen,  aus  einer  niedrigen,  viereckigen  Stein- 
mauerung bestehenden  Herdes  fast  allgemein  der  eiserne  Sparherd  getreten  ist. 

Der  Fussboden  der  Stube  pflegt  um  mehrere  Stufen  über  den  Ern  erhöht  zu 
sein,  weil  unter  ihr  sich  der  kleine  auf  diesen  Raum  beschränkte  Keller  befindet, 
im  Gegensatz  zu  den  weinbauenden  Teilen  des  Landes,  wo  der  Keller  mit  seinem 
äusseren  Schroteingang  einen  der  wichtigsten  Teile  des  Hauses  bildet.  Einen  Eingang 
von  aussen  hat  der  Keller  nur  da,  wo  das  Haus  an  die  Berglehne  gebaut  ist  und  wo 
der  nach  der  Talseite  unvermeidliche  massive  Unterbau  häufig  als  Stall  für  eine  Kuh 
oder  Ziege  ausgenutzt  ist.  GewöhnHch  liegt  die  Kellertreppe  im  Ern  unter  der  in 
das  Obergeschoss  führenden  Treppe. 

Da  die  Stube  die  Strassengiebelseite  des  Hauses  einnimmt,  so  pflegt  sie,  um 
sowohl  Strasse  wie  Hof  übersehen  zu  können,  in  der  Hofecke  eine  Fenstergruppe  zu 
haben,  unter  welcher  der  Familientisch  mit  umlaufender  Bank  steht.  Von  der  Tiefe 
der  Stube  ist  gewöhnlich  eine  besondere  Kammer  abgeteilt,  die  als  Schlaf  kammer  der 
Eheleute  dient.  Meist  besteht  die  Trennungswand  aus  einem  oben  offenen  oder  mit 
Gitterwerk  ausgesetzten  Holzverschlag ;  wo  sie  eine  feste  Wand  ist,  pflegt  der  Stuben- 
ofen in  einer  darin  ausgesparten  Öffnung  zu  stehen. 


DAS  BAUERNHAUS. 


169 


Die  Treppe  zum  Obergeschoss  liegt  im  Ern,  in  unserem  Gebiet  meist  in  der 
Ecke  zwischen  Haustür  und  Stubentür,  oft  als  Spindeltreppe  mit  hohler,  profilierter 
Spindel  aus  einem  durchgehenden  Eichenstamm  nicht  ohne  Kunst  gebaut.  Wo  der 
hintere  Teil  des  Ern  durch  eine  Wand  als  Küchenraum  abgetrennt  ist,  pflegt  die 
Treppe  sich  von  den  zur  Stube  führenden  Treppenstufen  abzuzweigen  und  längs  dieser 
Wand  emporzuziehen. 

Dem  Obergeschoss,  das  un- 
gefähr dieselbe  Raumeinteilung  wie 
das  Erdgeschoss  hat,  ist  im  Tages- 
leben des  Bauern  bei  weitem  nicht  die 
gleiche  Bedeutung  wie  diesem  zuge- 
teilt. Es  dürfte  sogar  als  ein  nicht 
unwichtiger  Beweis  für  seine  Über- 
tragung aus  dem  Stadthaus  anzuführen 
sein,  dass  es  im  Bauernhaus  eigent- 
lich entbehrlich  ist.  In  der  rauhen 
Jahreszeit  wegen  Mangel  an  Öfen 
unbenutzbar,   dienen   seine  Räume 

als  Vorratskammern,  als  Schlafzim- 

.  Fig.  181.  Fensterbildung  in  Enspel,  Ober -Westerwald. 

mer  des  Gesmdes  oder  erwachsener 

Kinder,  in  seltenen  Fällen  als  Ausgedingwohnung  für  die  Eltern.  Mieter  sind  im 
Bauernhause  unbekannt,  höchstens  in  neuester  Zeit  in  den  zu  Vororten  von  Fabrik- 
städten gewordenen  Dörfern  vereinzelt  anzutreffen.  Der  Hohlraum  des  Dachs,  der 
Speicher,  dient  wie  überall,  so  auch  in  Nassau,  zur  Aufbewahrung  von  Feld- 
früchten und  ähnlichem. 

Der  Bau  des  Bauernhauses  ist  ursprünglich  durchweg  Holzbau;  auch  das 
Erdgeschoss  hat  meist  diese  Konstruktionsweise  noch  bewahrt.  Manchmal  hat  die 
Stube  von  vornherein  zwei  Steinmauern.  In  den  meisten  Fällen  hat  man  wohl  das 
uns  oft  begegnende  massive  Erdgeschoss  als  eine  spätere,  durch  das  Faulen  der 
Grundschwellen  und  der  in  sie  eingezapften  Pfosten  notwendig  gewordene  Erneuerung 
anzusehen.  Als  eine  durch  die  Mode  geforderte  „Verschönerung"  mag  es  gelten, 
wenn  in  manchen  Dörfern  alles  Fachwerk  des  Erdgeschosses  überputzt  ist,  wobei 
man  nur  die  starken  Eckposten  im  Holz  stehen  zu  lassen  liebte. 

Das  nassauische  Holzhaus  der  nördlichen  Gebiete  trägt  in  seiner  ganzen  Er- 
scheinung einen  wesentlich  ernsteren,  massiveren  Charakter  als  das  der  rheinischen 
und  südlichen  Taunusgegend.  „Die  leichtere,  lebhaftere  Art  des  Rheingaus  äussert 
sich  baulich  in  einer  grösseren  Mannigfaltigkeit  der  Massenverteilung,  die  stets  mit 
Mass  und  feiner  Abwägung  vorgenommen  wird;  sie  zeigt  sich  im  Gegensatz  zum 
Norden  freier  bewegt,  leichtlebig  und  weltfroh."*)  Alle  die  anmutigen  Gruppierungen 
der  einzelnen  Gebäudeteile,  die  malerischen  Dachverschneidungen,  die  Zwerchgiebel,  die 


')  H.  Lutsch,  im  Text  zu  „Bauernhaus  im  deutschen  Reich  usw." 


170 


DAS  BAUERNHAUS. 


Erker  mit  Ecktürmchen  usw.,  die  den  malerischen  Charakter  rheinischer  Dorfstrassen 
ausmachen,  fehlen  dem  Norden.  Geschlossen  viereckig,  mit  schlichtem  Satteldach 
zwischen  zwei  Giebeln,  selbst  ohne  den  die  starre  Silhuette  mildernden  Krüppelwalm 
erhebt  sich  das  Haus  des  Westerwaldes  und  der  Biedenkopfer  Landschaft  stämmig 


Ftg.  182.  Haus  in  Berod,  Kreis  Westerburg. 


und  selbstbewusst  im  Schmuck  seiner  starken,  schwarz  vom  weissen  Verputz  sich 
abhebenden  Pfosten  und  Riegel. 

Die  Zweigeschossigkeit  der  Häuser  kommt  auch  in  der  Konstruktion  aufs  deut- 
lichste zum  Ausdruck.  Der  Ständerbau,  bei  dem  die  Eckpfosten  vom  Sockel  bis  zum 
Dach  durchgehen  und  die  Schwellen  in  diese  eingezapft  sind,  ist  äusserst  selten  und 
fast  nur  bei  Scheunenbauten  zu  finden ;  nur  die  Grundschwelle  des  Erdgeschosses  ist 
manchmal  in  den  stumpf  auf  die  Steine  des  Sockels  aufgesetzten  Eckpfosten  ein- 
gezapft. Das  Haus  besteht  meist  aus  zwei  selbständig  verzimmerten  Teilen,  sodass 
sich  das  Erdgeschoss  über  der  Zwischenbalkenlage  noch  einmal  wiederholt. 

Pfosten,  Streben  und  Riegel  beleben  in  einem  durch  ihre  konstruktive  Bedingt- 
heit besonders  reizvollen  Spiel  die  Flächen.  Bei  den  älteren  Typen  findet  man 
selten  die  durch  ihre  Regelmässigkeit  langweilige  Pfostenaufteilung,  die  das  heutige 
Fachwerk  kennzeichnen.   Nur  die  Bundpfosten  der  inneren  Zwischenwände  gliedern 


DAS  BAUERNHAUS. 


171 


aussen  sichtbar  die  Fläche  (s.  Beilstein,  Fig.  95,  100.  Rehe,  Fig.  177).  Gleichwertig 
mit  ihnen  wirken  die  starken,  oft  aus  Krümmlingen  gearbeiteten  Streben,  die  in  starker 
Neigung  (50  bis  60  Grad)  von  der  Schwelle  gegen  das  obere  Ende  des  Pfostens  anfallen; 
eine  kurze,  häufig  geschweifte  Knagge  stützt  von  hier  aus  die  Pfette.    Auf  den  Ecken 


Fig.JS3.  Haus  Baldus  in  BeltiHgen,  oberer  Westerwald. 


entsteht  durch  die  hier  (immer  von  innen  nach  aussen,  nie  umgekehrt)  von  beiden  Seiten 
anlaufenden  Streben  der  sogenannte  „Riese".  Der  starke,  oft  40  bis  50  cm  messende 
Eckpfosten  wird,  auch  wo  sonst  keine  Schnitzerei  angewendet  wird,  gern  mit  Ornamenten 
verziert.  Es  ist  nicht  uninteressant,  zu  verfolgen,  wie  dem  ursprünglich  naiven  Schnitz- 
messer neutrale,  band-  oder  flechtwerkartige,  auch  wohl  rankende  Verzierungen  nahe- 
liegen, während  später  eine  „architektonische"  Schulung  des  Zimmermanns  hier  pilaster- 
oder  kandelaberartige  Ziersäulchen  entstehen  lässt.  Im  klassizistischen  Zeitalter  be- 
gegnet man  hier  sogar  manchmal  einer  auf  Grund  geschnittenen  Quaderung.J 

Die  Zwischenpfosten,  häufig  nur  einer  zwischen  zwei  Bundpfosten,  trennen  zu- 
gleich die  gern  paarweise  angeordneten  Fenster;  bei  älteren  Bauten  finden  sich  die  seit- 
lichen Fensterpfosten  in  die  Streben  eingezapft,  eine  Anordnung,  die  für  das  Gebirgs- 
haus  "charakteristisch  zu  sein  scheint.  Zwei  Reihen  von  Riegeln  bilden  die  Horizontal- 
bänder, die  unteren  als  Fensterbänke  ziemlich  hoch,  selten  unter  1  m  über  der  Balkenlage 


172 


DAS  BAUERNHAUS. 


liegend,  die  oberen  am  Anfallspunkt  der  Streben  an  die  Pfosten.  Den  Fenstersturz 
bildet  bei  der  geringen  Stockwerkhöhe  (2,50  bis  2,70  m)  häufig  die  Pfette  selbst,  manchmal 
sind  noch  besondere  Fensterstürze  unter  dieser  eingeschoben. 

Kleinere  Streben,  die  den  unteren  Teil  der  Hauptstreben  abstützen,  andere,  welche 
die  oberen  Gefache  durch  eine  Diagonallinie  teilen,  endlich  das  mannigfaltige  Spiel  von 
Kreuzriegeln  in  den  Fensterbrüstungen  beleben  mit  ihren  oft  geschweiften,  eingekerbten 


Fig.  184.  StippversieriiH^  aus  Günterod,  Kreis  Biedenkopf. 


oder  sonst  ausgegründeten  Formen  die  Fläche.  Doch  ist  das  mutwillige  Spiel  der 
Linien,  das  am  Rhein  und  in  den  südlichen  Kreisen  zuhause  ist,  im  Gebirge  nicht  beliebt. 

Auch  an  Schnitzereien  ist  das  Holzwerk  der  Gebirgshäuser  nicht  reich.  Fenster- 
brüstungen, in  die  geschnitzte  Füllbretter  eingesetzt  werden,  Wappen,  Hausmarken 
oder  biblische  Geschichten  enthaltend,  kommen  beispielsweise  am  Hof  Westert  und  am 
Baldusschen  Hause  in  Bellingen  vor  (s.  Fig.  175  u.  183);  auch  der  Türsturz  nimmt  in 
einer  Kartusche  wohl  die  Jahreszahl  und  die  Namen  der  Erbauer  nebst  einem  Bibel- 
spruch auf.  Im  nördlichen  Biedenkopfer  K'reis  zeigt  sich  niederdeutscher  Einfluss  in 
den  Schnitzereien  der  Balkenköpfe  und  der  zwischen  ihnen  eingesetzten  Füllbretter. 
Die  an  gedrehte  Taue  erinnernden  Motive  der  letzteren  und  die  Fächermotive,  die 
sich  hier  an  den  (sonst  nicht  vorkommenden)  Fusstreben  der  Pfosten  finden,  erinnern 
an  niedersächsische  Holzbauten  (Gladenbach  [s.  Fig.  39],  Buchenau,  Hatzfeld).  Hierher 


DAS  BAUERNHAUS. 


173 


gehören  auch  die  als  Unikum  in  letzterem  Ort  (nahe  der  westfälischen  Grenze)  vor- 
kommenden gekreuzten  Giebelsparren  mit  Pferdeköpfen.  In  den  Walddörfern  des 
südlichen  Teils  von  Biedenkopf  begegnet  uns  das  ziemlich  willkürliche  auf  Eck-  oder 
Türpfosten  geschnitzte  heidnische  Sonnenrad  (s.  Fig.  34). 

Der  farbige  Eindruck  der  Häuser  ist  durch  das  Schwarz  des  Holzwerks,  das 
Weiss  des  Verputzes  in  den  Fachen  und  das  Grau  des  Schiefer-  oder  das  dunkle 
Bronzegrün  des  Strohdachs  ein  sehr  ernster;  die  an  sich  meist  bedeutende  Stärke 


Fig.  185.  Stippversierung  ans  Friedensdorf,  Kreis  Biedenkopf. 


der  Hölzer  wird  manchmal  durch  schwarzes  Überstreichen  auf  den  Putzgrund  ge- 
steigert. Das  dem  deutschen  Holzhause  ursprünglich  eigentumliche  Rot  des  Holz- 
werks, das  sich  im  Süden  und  Westen  noch  erhalten  hat  und  hier  mit  dem  Gelb  des 
Verputzes  ein  freundlicheres  Bild  gibt,  findet  sich  im  Norden  nicht.  Eigentümlich  ist 
diesem  an  manchen  besonders  rauhen  Orten  die  Beschieferung  (Battenberg,  Rathaus 
[s.  Fig  16]),  die  aus  dem  Sauerland  herübergenommen  ist  und  in  Herborn  die  ganze 
Länge  der  nach  Norden  und  Westen  gerichteten  Strassenfronten  zu  bedecken  pflegt. 

Einen  besonderen  Schmuck  erhielten  die  Putzflächen  durch  die  Kratz-  oder 
Stipptechnik.  Wenn  sie  auch  keine  unserer  Gegend  ausschliesslich  angehörige 
Verzierungsart  ist,  sondern  auch  in  Oberhessen,  im  Taunus  und  im  Odenwald  häufig 
getroffen  wird,  so  ist  diese  Kunst  doch  namentlich  im  Norden  des  Kreises  Bieden- 
kopf in  einer  so  hohen  Ausbildung  erhalten  geblieben  wie  an  keinem  anderen  Orte. 
Die  Wirkung,  die  durch  verschiedenartige  Manipulationen  erzielt  wird  und  gelegent- 
lich auch  die  Färbung  des  Putzes  zu  Hilfe  nimmt,  beruht  im  Wesentlichen  auf  dem 


174 


DAS  BAUERNHAUS. 


Gegensatz  von  glatten  und  rauhen  Putzflächen,  Die  Rauhigkeit  (meist  des  Grundes) 
wird  im  nassen  Mörtel  entweder  durch  Kämmen  (Schraffieren)  oder  durch  Stippen 
mit  zusammengebundenen  Reisern  erzielt.  Ein  derartiges  Instrument,  das  beim  Ein- 
drücken in  den  Putz  einen  aus  fünf  Punkten  bestehenden  Stern  hinterlässt,  wird  auch, 
Stern  neben  Stern,  zum  Konturieren  verwendet.  In  den  aufgerauhten  Putz  wird  nun 
die  Zeichnung  mit  einem  Stift  eingeritzt  und  innerhalb  des  Konturs  mit  einem  löffel- 
artigen Eisen  glattgestrichen,  auch  wohl  schwach  modelliert.  Bewundernswert  ist  bei 
vielen  der  erhaltenen  Beispiele  die  Sicherheit,  mit  der  die  an  Abwechslung  reichen 
und  den  verschiedenen  Putzfeldern  in  vortrefflicher  Raumverteilung  angepassten 
Ornamente  improvisiert  sind.  Es  ist  eine  Kunst,  die  nur  durch  lebendige  Überlieferung 
gepflegt  werden  konnte  und  erfreulicherweise  noch  nicht  ausgestorben  ist.  Die  in  unserer 
Abbildung  185  mitgeteilte  Scheunenwand  in  Friedensdorf  ist  laut  Inschrift  von  Meister 
Dam  in  Holzhausen  (bei  Gladenbach)  1878  verfertigt;  eine  andere  Putzverzierung  im 
gleichen  Dorfe  trägt  die  Jahreszahl  1893. 

Da  das  Holzhaus  im  Spiel  seiner  Pfosten  und  Riegel  seinen  Schmuck  an  sich 
trägt,  so  finden  wir  auch  kaum  eine  weitere  Hervorhebung  einzelner  Teile.  Die  aus 
schwächeren  Pfosten  vor  die  Konstruktionsteile  vorgenagelten  Fensterumrahmungen, 
die  aus  zwei  unten  in  Konsolen  ausgehenden  Seitenpfosten,  einem  darübergelegten, 
profilierten  Deckbalken  und  einem  eingezapften  Brüstungsriegel  bestehen,  ein  Schmuck, 
der  dem  fränkischen  Hause  in  seinem  ganzen  Gebiete  eigen  ist,  findet  sich  hier 
nur  ausnahmsweise.  Dagegen  ist  die  Haustüre  raeist  durch  eine  vorgesetzte  Um- 
rahmung hervorgehoben.  In  dem  oben  zitierten  Aufsatz  des  Pfarrers  Spiess  sind  acht 
charakteristische  Beispiele  abgebildet;  hier  sind  in  den  aus  Buchenau  von  1682  und 
Frohnhausen  (s.  Fig.  26  u.  34)  mitgeteilten  weitere  Typen  gegeben. 


Fig.  186.  Westerburg.  Stadtwappen. 


175 

NAMENS-,  ORTS-  UND  SACHVERZEICHNIS. 


(Die  Zahlen  bezeichnen 

Achenbach,  Dorfkirche  10. 

Allendorf,  Kirche,  Glocken- 
turm 50. 

Altstadt,  Pfarrkirche  105 
bis  108. 

—  —  Innenbemalung  108. 

 Taufstein  107 . 

Arberg,  Graf  Eberhard  von 

115. 

'Battenberg,  11—14. 

—  Grafen  von  11. 

—  Pfarrkirche  12—14. 

—  Rathaus  13.  14. 

—  Stadtschloss  14. 
Battenfeld  15. 

—  Pfarrkirche  /4-16. 
 romanischer  Türbe- 
schlag 16. 

Bauernhaus,  das  165—174. 

—  Bau-Eigentümlichkeiten 
169. 

—  Dorfanlage  165. 

—  Ern,  der  167. 

—  Herd  168. 

—  Keller  168. 

—  Kratz-  oder  Stipptechnik 
173. 

—  Niederlass  167. 

—  Niedersächs.  Einfluss  172. 

—  Obergeschoss  169. 

—  Pfosten,  Streben,  Riegel 
170-172. 

—  Riese  171. 

—  Schnitzereien  172. 

—  Ständer-  und  Geschoss- 
bau 170. 

—  Stube  167. 

—  Treppe  169. 

—  Tür-  und  Fenster-Ein- 
rahmung 174. 

—  Tür-,  Vor-  und  Über- 
bauten 166. 

—  Urform  166. 

—  Zweigeschossige  Bauten 
165. 


die  Seiten,  die  kursiv  gedruckten 

Beilstein  84—91. 

—  Beilstein,  Edle  von  84. 

—  Burgruine  84—90. 

—  Fachwerkhäuser  86.  89. 
91. 

—  Pfarrkirche  90. 
Bergebersbach,  Pfarrkirche 

ßl-93. 

 Epitaph  92. 

 Steinkanzel  92.  93. 

Berod,  Kirche  144. 
Biedenkopf  1—9. 

—  Holzhaus  8. 

—  Pfarrkirche(frühere)3— 6. 

—  —  Ausstattungsstücke  5. 

—  —  Glocken  4. 

 Not  Gottes-Kapelle  7. 

—  Schloss  2.  7-8. 

—  Spitalkirche  5.  6. 

—  Stadt  3. 

—  Stadtmauer  9. 

—  Wappen  9. 
Bilkheim  162. 

Brambach,  Dietrich  von  162. 
Brambacher  Schlösschen 

161.  162.  163. 
Breidenbach  17. 

—  Familie  von  Breidenstein 
17. 

—  Pfarrkirche  17—19. 

—  —  Ausstattung  19. 
Breidenstein  20. 
Breidenstein,  Gerlach  von  5. 
Breitscheid,  Pfarrkirche  93. 
Bromskirchen,  Pfarrkirche 

20.  21. 

—  Holzbauten  21. 
Buchenau,  Pfarrkirche  22. 23. 

—  Haustür  22. 
Burg,  Pfarrkirche  94. 

Dautphe  23-26. 

—  Pfarrkirche  23-26. 

—  —  Ausstattung  26. 

—  —  Holzeinbauten  25. 
Dernbach  94. 


solche  mit  Abbildungen.) 

Dernbach,  Edle  von  94. 
Dexbach,  Pfarrkirche  26. 

27.  38. 
Dillenburg  51— y^. 

—  Archivgebäude  58.  59, 

—  Pfarrkirche  53 — 57. 
 Gruftkapelle  54. 

—  Schloss,  Ruine  56—59. 
 Wilhelmslinde  56. 

—  —  Zerstörung  56.  57. 

—  Stadtbefestigung  59. 

—  Stadtwappen  59. 
Dodenau,  Kirche,  Holzdetail 

50. 

Dreifelden,  Kirche  108. 
Driedorf,  Oberburg  96. 

—  Unterburg  96. 

Elsoff,  Kapelle  145.  146. 

Feldbach,  Hof,  Kirche  %.  97. 
Frankenbach,  Pfarrkirche  27. 
Friedensdorf,  Pfarrkirche  28. 

—  —  Fussboden  28. 

 Holzeinbauten  27.55. 

Frohnhausen,  Pfarrkirche 

29. 

—  Holzarbeiten  30. 

Gebhard,  Gaugraf  des  Nie- 

der-Lahngaus  146. 
Gemünden  146—149. 

—  Kirche  147.  148. 

 Altartisch  149. 

 Chorstuhl-Reste  149. 

Gladenbach  31—35. 

—  Holzhäuser  34.  35. 

—  Katasteramt  35. 

—  Marktplatz  31. 

—  Pfarrkirche  31 — 35. 
Glocken. 

—  Altstadt  108. 

—  Battenberg  14. 

—  Beilstein  90.  91. 

—  Bergebersbach  93. 

—  Berod  145. 


176 


NAMENS-,  ORTS-  UND  SACHVERZEICHNIS. 


Glocken. 

—  Biedenkopf  4.  5. 

—  Dillenburg  56. 

—  Gemünden  149. 

—  Günterod  36. 

—  Hoen  113. 

—  Meudt  151. 

—  Niedererbach  156. 

—  Niederrossbach  135. 

—  Nomborn  156. 

—  Pütschbach  157. 

—  Strassebersbach  93. 
Goldershofen,Fam.  124. 126. 
Grabsteine  und  -Denkmale. 

—  Altstadt  108. 

—  Battenberg  14. 

—  Battenfeld  16. 

—  Biedenkopf  5. 

—  Breidenbach  18 

—  Buchenau  23. 

—  Dillenburg  56. 

—  Herborn  74. 

—  Hermannstein  46. 

—  Marienstatt  129.  130. 

—  Salz  159. 

—  Westerburg  138. 
Günterod,  Pfarrkirche  36. 
Greifenstein,  Crafto  u.  Rorich 

von  95. 
Greifenstein,  Guda  von  115. 

Hachenburg  100—104. 

—  Evang.  Pfarrkirche  101. 

—  Gasthausz.Kronel03. 104. 

—  Kathol.  Pfarrkirche  101. 

—  —  Altäre  und  Altarge- 

rät 100.  102. 

—  Marktplatz  100. 

—  Schloss  102.  103. 

—  Stadtwappen  104. 
Haiger  60—65. 

—  Adlige  von  61. 

—  Haigergau  60.  61. 

—  Pfarrkirche  61—65. 

—  —  Wandmalereien  im 

Chor  64.  65. 

—  Stadtwappen  65. 
Hartenrod  36. 
Hattenrode-ßernkot,  von 

124.  126. 


I  Hatsfeld  36-39. 

I  —  Emmauskapelle  38. 

—  Holzhäuser  39. 

—  Pfarrkirche  37.  38. 
Hatzfeld,  Grafen  von  36. 
Heisterbach,  Abt  Heinrich 

von  115. 
Herborn,  66—83. 

—  Alter  Pfarrhof  78. 

—  Corvinsches  Haus  79. 

—  Försterei  Neues  Haus  80. 

—  Heimat-Museum  80—83. 

—  Herb.  Mark  66-68. 

—  Hohe  Schule  68.  76.  77. 

—  Rathaus  67.  74.  75. 

—  Schloss  72—74. 

—  Stadtbefestigung  76.  78. 

—  Stadtkirche  68-72. 

—  —  Bemalung   im  Chor, 

Epitaphien  71.  72.  74. 

—  Stadtwappen  83. 
Her/nannstein  40— Ab. 

—  Burgruine  41 — 44. 
 Palas  44. 

 Wohnturm  42—44. 

—  Holzhäuser  45. 

—  Pfarrkirche  45.  46. 
Hessen,  Hermann  I.  Land- 
graf von  40.  95. 

—  Ludwig  der  Friedfertige, 
Landgraf  von  2. 

—  Otto,  Landgraf  von  1. 
Hörbach,  Kapelle  97. 
Höchstenbach ,  Pfarrkirche 

109.  110. 
Hoen  110-113. 

—  Pfarrkirche  111—113. 

 Stuhlwange  113. 

Hohenlint,  Graf  von  11. 
Holz-  und  Bauernhäuser , 

Holsdetails. 

—  Allendorf  50. 

—  Beilstein  86.  89. 

—  Bellingen,  Haus  Baldus 
171. 

—  Berod  170. 

—  Biedenkopf  8. 

—  Bilkheim  162.  168. 

—  Bromskirchen  21. 

—  Buchenau  22.  23.  30. 


Hols-  und  Bauernhäuser, 
Holsdetails. 

—  Dodenau  50. 

—  Enspel  Haus  Kestler/67. 
 Fenster  169. 

—  Friedensdorf  173: 

—  Frohnhausen  30. 

—  Gladenbach  34.  35. 

—  Günterod  172. 

—  Hartenrod  36. 

—  Hatzfeld  37. 

—  Herborn  75.  78.  79. 

—  Hermannstein  45. 

—  Himburg,  Haus  Hastrich 
164. 

—  Hof  Westert  164. 

—  Molsberg  166. 

—  Nenderoth  98. 

—  Reddighausen  50. 

—  Rehe,  Rathaus  164. 
Hüblingen,  Kirche  149. 

Ingelnbach,  Fam.  124.  126. 

Katzenelnbogen,  Graf  Joh. 

von  95. 
Kirchberg,  Burggrafen  von 

100. 

Königsberg,  Burgruine  46. 
Kroppach,  Pfarrkirche  113. 
114. 

Langenhahn,  Kirche  114. 
Langwiesen,  Hof  151.  152. 
Leisa,  Pfarrkirche  47. 
Löwenstein,  Junker  Herm. 
von  5. 

Marienstatt  114—134. 

—  Abteigebäude  132.  134. 

—  Altenkloster,  Hof  115. 

—  GründungsgeschichtellS. 
116. 

—  Klostergebäude  114.  116. 

—  Kirche,  Altartisch  127. 
129. 

 Äusseres  7/6.126. 

—  —  Ausstattungs  -  Stücke 

129-134. 
 Barockaltäre  131. 


NAMENS-,  ORTS-  UND  SACHVERZEICHNIS. 


177 


Marienstatt,  Kirche,  Barock- 
Beichtstühle  130.  131. 

—  —  Bauperioden  116. 

 Chor  //6— 118. 

 Chorgestühl  128.  131. 

 Chorkapellen  118. 

 Datierung  der  West- 
joche 122.  124. 

—  —  Fenster -Verglasung 

127.  131. 

—  —  Fussbodenfliessen/.57. 

131. 

 Grabplatten  129.  130. 

131. 

—  —  Grundrisse  117.  121. 
 Holzskulptur,  hl.  Anna 

131. 

 Kunstgesch.  Einord- 
nung 127.  128. 

 Langhaus  120-725. 

 Marienbilder  130.  131. 

 Fietas  130.  131. 

 Piscina  128.  129. 

 Querschiff  120. 

 Schiffspfeiler  120. 123. 

—  —  Schmiedearbeiten  132. 

133. 

 Steinerner  Reliquien- 
behälter 130. 

 Ursula-Altar  131.  132. 

 Vierung  120. 

—  —  Vierungspfeiler  118. 

—  Hermann  I.,  Abt  von  115. 

—  Petrus  IV^.  Emons,  Abt  v. 
116. 

Meudt  149-151. 

—  Kirche  St.  Gangolph  150. 

—  Pfarrkirche  150.  151. 
Molsberg,  Aleydis  von  115. 

—  Adelheid  von  152. 

—  Georg  von  154. 

—  Gyso  II.  von  61.  154. 

—  Schloss  152-155. 

 Modell  153.  154. 

Mudersbach,  Ludw.  v.  42. 122. 

Nassau,  Heinr.  II.  Graf  v.  52. 

—  Johann  V.  Graf  von  53. 

—  Wilhelm  der  Reiche,  Graf 
von  52. 


Nassau  -  Dillenburg,  Wil- 
helm V.,  Erbprinz  v.  56. 
Nassau- Hadamar,Emichv. 95. 
Naunheim,  Pfarrkirche  47. 
Naurother  Hof  162. 

—  Wegkreuz  164. 
Nenderoth,  Pfarrkirche  98. 

—  Fachwerkhäuser  98. 
Neunkirchen,  Kirche  155. 

—  —  Kopf  Joh.  des  Täufers, 

Holz  155. 
Niedererbach,  Kirche  156. 
Niederrossbach,  Kirche  134. 
135. 

Niederweidbach,  Pfarrkirche 
48-50. 

—  Flügel- Altar  50. 

—  Tabernakel  49. 
Nistria,  Burg  134. 
Nomborn,  Kapelle  St.  Kilian 

156. 

Pütschbach,  Kapelle  St.  An- 
tonius 156.  157. 

Reddighausen,  Kirche,  Holz- 
detail 50. 
Rittershausen,  Kapelle  97. 
Rotzenhahn,  Kirche  135. 
Runkel,  Reinh.  IV.  v.  137. 
Runkel,  Siegfr.  v.  136.  161. 

Salz  157-159. 

—  Chorstühle  159. 

—  Kirche  156.  158.  159. 

—  Weihkessel  158.  159. 
Sayn,  Graf  Heinr.  III.  v.  100. 

—  Graf  Heinrich  von  115. 

—  Gräfin  Kunigunde  v.  161. 

—  Graf  Johann  von  136. 
Schenk    zu  Schweinsberg, 

Johann  42. 
Seck  159. 

—  Kirche  159.  160.  161. 
Seligenstadt,  Klosterruine 

161. 

Se  verus„Bifang  des  heil. "  1 47. 
Sponheim,  Graf  Gottfr.v.  100. 
Steinebach  136. 
Strassebersbach,  Pfarrk.  93. 


Tauf  steine  und  Weihbecken 
etc. 

—  Altstadt  107. 

—  Battenberg  11.  14. 

—  Biedenkopf  5. 

— -  Buchenau,  Opferstock  23. 

30. 

—  Hartenrod  36. 

—  Hatzfeld  39. 

—  Naunheim  47. 

—  Neunkirchen  155. 

—  Niederweidbach  50. 

—  Salz  158. 

Tringenstein ,  Burgruine 
99. 

Ulrich  von  Anspach,  Bau- 
meister 56. 

Valkenburg,  Hauptmann  von 
56. 

Virneburg,  Er zbischof  Hein- 
rich von  116. 

Walderdorff,   Joh.  Philipp 

von  154. 
Walderdorffscher  Besitz  162. 

164. 

Wallenfels,  Burgruine  100. 
Weltersburg  161.  162.  163. 
Weltersburg,  Edle  von  161. 
Westerburg  136—144. 

—  Kirche  136.  137. 
 Flügelaltarbild  138. 

—  Liebfrauenkirche  Rei- 
chenscheid 138.  139. 

—  Schloss  140-UX. 
 Kapelle  142.  143. 

—  —  Sakristei  143. 

—  —  Schlossarchiv  143. 

—  —  Schlossturm  144. 
Westerburg,  Stadtwappen 

174. 

Westert  Hof  164. 
Widechenstein,  Werner  von 
11. 

Wied -Neuerburg,  Mechtild 

von  115. 
Wyngersdorf,  Henne  von  122. 

126. 


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