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Full text of "Bayreuth"

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BÄYREim 


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HAROLO  a  LEE  LIBRARY 

R^JRMAM  tOUNG  UNiVERSlTT 

PROVO.  UTAH 


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•mcto*:&o^q;aHtx^3« 


FünFte«  «ans 


X)D€  fDU83K 

Sammlung  iliuftrierter  €inzeldarfl:ellungen 
Herausgegeben  von 

tnen««©  8ct*wu86 

Äis^er  erfdjienen: 

Band     I:  BeeCfiOVen  von  mi<3U6r  eö&LeittCfi. 
Band    II:  DnüDfD€  fDU8DK  von  08Km*  «De. 
Band    III:   WA<5\>€1l  -  Bt?€V5€t^    herausgegeben   von 
rW*6  von  WOLZOöen. 

Band  IV:  0€8CRDCRC€    £>€!*     FrmnZÖöD. 

8CR€H  ?fcU8DK  von  aLF^es  «twneau. 
Band    V:  BftyrteUüfi  von  nnnö  von  woLzoeen. 

Weitere  «ände  in  Vorbereitung 

(Jeder   «and    in     künftlerifd)er    «usftattung   mit   Kunftbeilagen 

und  Vollbildern  in  Tonäfcung  kartoniert n>lu  1.25 

ganz  in  Leder  gebunden Tfck.2.50 


ve«Cin©8ÄUCRR»ncLun<3.  <5.  m.  t>.  n. 


|   »ucsscBiDUCK  von  geo«8  ejypeti  I 


Digitized  by  the  Internet  Archive 
in  2012  with  funding  from 
Brigham  Young  University 


http://www.archive.org/details/bayreuthOOwolz 


'802?' 


C*p^  5 


AiuL€  nccnce  vom  vettLeee«  vo«»ef>»Lcen 


HAROLD  a  LEE  LIBRARY 

■WiGMAM  YOUNG  UNIVERSiTf 

PRCVO.  UTAH 


RICHARD  WAGNER 

nach  der  Büste  von  Lorenz  Gedon 


Äay«eucR 


erjter  &bfd)nitt: 

t)er  ©edanke  von  ;0ayreut(). 


€D  der  großen  üeilna[)me,  welche  ttid)ard 
Wagner  als  8d)öpfer  feiner  Werke  im 
deutfd)en  publikum  gefunden  f>at,  ift:  es 
erftaunlid),  weld)  ein  unklarer;8egriff  feine 
größte  8d)öpfung  ,,;6ayreutf)"  dod)  eigentlich  nod)  im 
Äewußtfein  der  Nation  geblieben  ift.  Lange  (Jaf)re  f>at 
es  gedauert,  bis  überhaupt  ein  nennenswerter  Teil  der 
gebildeten  Welt  in  unferem  Vaterlande  bis  zu  dem  fDaße 
der  Wertfd)ätzung  diefes  künplerifd)en  ;J3efl£es  gelangt 
war,  das  dem  Wuslande,  feit  er  in  ein  fid)tbares  Leben 
trat,  faft  nie  gefehlt  f>at  ftber  wenn  aud)  endlid)  zu- 
gejtanden  ward,  daß  dies  eigentümliche  ;8ayreutf)  etwas 
fei,  deffen  man  fid)  nid)t  zu  fd)ämen  brauche,  worauf 
man  vielleicht  fogar  bis  zu  einem  gereiften  <3rade  als 
X)eutfd)er  (tolz  fein  dürfe:  ein  tieferes  Verftändnis  für 
feine  Bedeutung,  fowof)I  im  Leben  Wagners  wie  für 
das  Leben  der  deutfd)en  Kun|t,  ließ  fid)  immer  wieder 
vermiffen,  fobald  einmal  eine  emittiere  „Lebensfrage" 
;6ayreutf)s  in  irgend  welcher  Form  auftauchte  und  einen 
Wusdruck  der  ©efinnung,  eine  €ntfd>eidung,  ein  eintreten 
für  Wagners  8d)öpfung  und  Gedanken  erforderte.  6nt- 
ßand  z.  1&.  ein  ttyeater  nad)  13ayreutf)er  flfoufter,  fo  galt 
dies  wof)l  als  ein  günftiges  Zeichen  für  die  Waf)rf)eit 


Rnns  von  wotzosen 


der  3dee;  und  brachte  ein  findiger  Bühnenleiter  den 
„parfifal"  an  einem  anderen  Orte  zur  Aufführung,  fo 
faf)en  viele  darin  einen  Fortfd)ritt  in  der  Verbreitung 
des  Werkes.  Daß  und  warum  beides  gegen  Wagners 
ausgefprod)enen  Willen  fei,  erfd)ien  gewiß  der  n>ef)rzaf)I 
derer,  welche  davon  F)örten,  ganz  unver|tändlid).  Die 
Forderung,  dem  „parfifal"  eine  verlängerte  öcbu^frift: 
zu  gewähren  oder  if>n  gar  durd)  ein  eigenes  ®efe$  an 
Bayreuth)  zu  binden,  verfließ  fo  gegen  alle  gewöhnlichen 
und  l)errfd)enden  ftuffaffungen  von  dem  Verj)ältni|fe 
der  öffentlichen  Kunft  zum  großen  publikum,  daß  da- 
gegen das  bejfere  Wiffen  eines  nur  red)t  kleinen  Teiles 
unmöglid)  aufkommen  und  etwas  durcbfe^en  konnte. 
fDan  l)ätte  eben  die  Bedeutung  des  Gedankens  von 
Bayreutb  kennen  muffen,  um  in  diefen  Fragen  Befd)eid 
zu  iviflen;  und  da  befand  fid)  das  deutfd)e  publikum 
leider  aud)  nad)  einem  ffcenfcbenalter  feit  der  Grund- 
fteinlegung  auf  dem  Feftfpielbügei  immer  nod)  in  der 
Lage  des  törigen  parfifal,  der  auf  des  Guraemanz' 
fcf>Iicf)te  Fragen  keine  andere  Antwort  (>at,  als:  „3d> 
wußte  fie  nid)t". 

€s  fd)eint  erftaunlid),  daß  es  fo  iß,  und  dod)  ift  es 
kein  Wunder,  rvenn  man  die  Vorbedingungen  in  Betracht 
ziel)t.  ?Dan  muß  fd)on  etwas  geiftig  miterlebt  F)aben, 
um  Wagners  Gedanken,  der  fid)  in  Bayreuth  verkörpert 
bat,  aus  feinen  Wurzeln  zu  vergeben.  Die  Welt  aber, 
in  der  wir  leben  muffen,  ift  eine  unkünftlerifd)e  und  gibt 
ibren  Bürgern  fo  ungeheuerlich)  vieles  ganz  anderer  ftrt 
täglid)  zu  erleben,  daß  für  eine  ernftlicje  Befaffung  mit 
den  Dingen  der  Kunft,  aud)  wenn  es  fid)  nid)t  um  ein 
Bayreuth  bandelt,  in  der  Zat  nid)t  Zeit  nod)  Stimmung 
bleibt.  Dennod)  darf  der  Verfud)  nid)t  geld)eut  und  muß 
immer  wiederholt  werden,  in  möglid)ft  überfid)tlid)er 
Zufammenfaffung  das  ganze  große,  einheitliche  Bild 
diefes  Gedankens  von  Bayreuth  vor  dem  geizigen  ftuge 
der  nid)t  völlig  künßlerifd)  ungebildeten  Deutfd)en  bis 
zur  €rficf)tlid)keit  entheben  zu  laffen.    Um  dies  zu  er- 


«ay«eucR 


reichen,  ifl:  es  aber  vor  allem  nötig,  den  abgebrauchten 
begriff  des  „ttyeaters",  der  dabei  in  fo  befonderer  13e- 
deutfamkeit  verwandt  werden  muß,  durd)  Wagners 
eigentümliche  3dee  neu  zu  befeelen.  (Jeder  Verfud), 
vom  ^ayreutl>er  t^eater  einigermaßen  verftändlid)  zu 
reden,  müßte  fd)eitern,  wenn  nid)t  zuvor  Wagners 
ttuffaflung  von  der  Kunft  überhaupt  und  vom  ttyeater 
im  besonderen  den  fiörern  bewußt  geworden  wäre.  Hur 
dann  gewänne  die  13elef)rung  freie  Faf)rt  bis  an  ein 
fid>eres  Ziel. 

I. 
Das  DdeaL 

Den  Gipfel  der  Kunft  erkannte  Wagner  und  mußte  if)n 
feiner  ganzen  Anlage  nad)  erkennen:  in  der  lebendigen 
Verbindung  aller  Künfte  zum  Drama,  alfo  darin,  was 
wir  imül)eater  fef)en.  Vom  ü^eater  aber  fagte  er,  man 
erblicke  darin  „den  dämonifrfjen  Abgrund  von  Möglich- 
keiten des  niedrigften  wie  des  €rl)abenften".  ül>m  nun 
bedeutete  es  von  je  f)er  allein  die  Möglichkeit  des  Cr- 
l)abenften. 

Um  eine  fo  \)o\)z  ftuffaffung  vom  "C^eater  zu  ver- 
geben, muß  man  allerdings  das  befreiende  tTf)eater 
fid)  erfl:  einmal  ganz  wegdenken.  Man  muß  an  die 
feltenen  Momente  denken,  in  denen  man  im  Cf)eater 
das  Theater  vergaß.  Die  größten  tf)eatralifd)en  Wirkungen 
in  der  Kun|tgefd)id)te  muß  man  fid)  vergegenwärtigen. 
Man  muß  fid)  vor  allem  daran  erinnern,  was  unferen 
größten  Meinem  die  Kunfr  gewefen  ift,  und  weld)  ein 
<3eijt  in  iF>r  und  durd)  fie  fid)  f)cit  ausfpred)en  und  ge- 
palten wollen. 

Das  war  gewiß  ein  <3ei|t,  wie  Wagner  if)n  einmal 
d)arakteri(lert  5at:  „der  zwar  nid)t  aus  der  Welt  hinaus- 
führt, der  aber  innerhalb  des  Lebens  uns  über  diefes 


nane  von  wonzosen 


ergebt  und  es  felbft  als  ein  Spiel  erfdjeinen  lägt".  Die 
Kunft  ift  für  den  Künftler  die  einzige,  von  der  Wirklichkeit 
ftreng  unterfd)iedene  Welt,  welche  ihm  auf  der  Welt 
felbfl,  als  fDoment  des  Gebens,  eine  €rhebung  und  Be- 
freiung der  8eele  gewährt,  die  er  fon|t  in  aller! Welt 
nicht  finden  kann.  Ueber  die  Welt  hinaus  führt  allein 
die  Religion.  Dod)  eine  Ahnung  deffen,  was  diefe  eivige 
Befreiung  bedeute,  verfchafft  uns  eine  ideale  Kunft. 
Denn  fie  deutet  mit  flnnfälligfter  Symbolik  auf  diejenigen 
Kräfte  l)in,  welche  in  uns  wirkfam  fein  können,  um  uns 
zu  unferer  vollen  fDenfchenwürde  zu  ergeben,  nämlich 
zu  dem  Hange  derjenigen  <3efd)öpfe  ©ottes,  die  felbft 
am  ewigen  Wefen,  an  ewigen  Werten  teilhaben,  deren 
wahre  fieimat  „nid)t  von  diefer  Welt"  ijt  „Was  wir 
als  Schönheit  l)ier  empfunden,  wird  einß  als  Wahrheit 
uns  entgegengeh'n,"  fang  Schiller  vor  hundert  fahren. 
Hid)t  nur  ein  Bild,  nein,  eine  lebendige,  eine  empfundene 
ft^ttimg  vom  erhobenen  und  befreiten  Dafein  der  fbenfd>en- 
feele  fdjafft  alfo  die  Kunft.  8ie  verfchafft  es  aber  zunächft 
und  zu\)6d)ft  dem  Künftler.  Darum  iß  fie  diefem  etwas 
„heiliges".  80  fprach  es  aud)  Wagner  aus,  als  er  fein 
Bayreuth  begründete:  „Die Phänomene  der  dramatifd)en 
Kunft:  können  nid)t  hoch  und  ^eilig  genug  gehalten 
werden  1"  Und  jemehr  die  Kunjt  dem  Künftler  be\\\$ 
ip,  um  fo  weniger  wird  er  fie  der  Welt,  wie  fie  ip,  nur 
eben  preisgeben  wollen.  €r  will  ja  vielmehr  damit  aud) 
nur  wiederum  eine  befreiende  und  weihende  Wirkung 
ausüben.  Dies  allein  ift  im  ©runde  feiner  Seele  fein 
Verlangen,  wenn  er  dennoch  bemüht  bleibt,  die  ideale 
Welt,  die  er  gepaltet  hat  nun  auch  den  Seelen  der 
HMtmenfchen  zu  erfd)ließen,  wenn  er  ihnen  wie  Sdf)iller 
das  befreiende  Wort  zuruft:  „Werft  die  &ng(t  des 
Drdifd)en  von  €ud)  —  flüchtet  aus  dem  engen  dumpfen 
Leben  in  des  üdeales  l?eid)i"  Keineswegs  eine  wider- 
finnige Vermifd>ung  mit  dem  tteligiöfen  hat  ein  fold)es 
„fiod>  und  heilighalten"  der  Kunß:  gegenüber  der  Welt 
zu  bedeuten,  wohl  aber  berührt  fid)  \)\er  das  Künftlerifd)e 


«ay^cucR 


unmittelbar  mit  dem  n>oralifd>en;  und  wieder  können 
wir  Wagner  darüber  fid)  äugern  I)ören:  „Das  ©ute 
in  der  Kunfl:  ifl:  ganz  gleid)  dem  moralifd)  ®uten,  das 
aud)  keiner  ftbfidbt  keinem  anliegen  entfpringen  kann, 
Unmöglid)  kann  ettvas  wirklid)  gut  fein,  wenn  es  von 
vornherein  auf  eine  Darbietung  für  das  Publikum  be- 
rechnet war.  X)a$  Werke,  deren  €ntßef)ung  und  Aus- 
führung der  ftbfid)t  einer  Darbietung  an  das  Publikum 
durchaus  fernliegen  mußten,  dennod)  dem  Publikum 
dargeboten  werden,  ip  ein  dämonifrfjer,  in  der  tieften 
nötigung  zur  Konzeption  fold)er  Werke  aber  begründeter 
8d)ickfalszug,  durd)  den  das  Werk  von  feinem  8d)öpfer 
der  Welt  gleid)fam  abgetreten  werden  muß;.  Fraget 
den  ftutor,  ob  er  fein  Werk  als  if)m  nod)  angef)örig 
betrachtet,  wenn  es  in  die  Wege  fid)  verliert,  auf  welchen 
nur  das  Mittelmäßige  angetroffen  wird,  und  zwar  das 
Mittelmäßige,  welches  fid)  für  das  Gute  gibt?*' 

80  tief  alfo  empfand  Wagner  das  Mißverhältnis 
zwifd)en  dem  Mitteilungsbedürfnis  des  Künftlers  und 
dem  Charakter  der  einzig  möglichen  Mitteilungsart. 

„Diefen  prozeß  dem  Walten  des  Zufalls  zu  ent- 
ziehen und  ungepört  vor  fid)  gef)en  zu  laflen,  gab  mir 
plan  zu  den  ;8ül)nenfefl:fpielen  von  13ayr  eutf)  ein." 
X)ies  war  der  Zielpunkt  feiner  Lebensarbeit;  und  zweifel- 
los wird  man  danad)  Wagners  Eigenart  als  Künftler 
am  meinen  gerecht  werden,  wenn  man  if)tn  zugejtef)t, 
dag;  von  allen  großen  Meiftern  deutfdjer  Kunp  er  am 
unbedingteren  und  am  bewußteren  fein  Leben  lang  alle 
feine  Kräfte  darauf  gerichtet  f>at,  die  größtmögliche 
Verwirklichung  jener  idealen  Welt  zu  erreichen,  in 
welcher  die  Kunft  if)re  eigene  fieimat  und  if)re  volle 
Freiheit  fände. 

Für  diefen  Zentralgedanken  all  feines  ötrebens  und 
8d)affens  waren  il)m  da  von  Anfang  an  die  Griechen 
das  f)öd)ße  Vorbild,  ftud)  darin,  wie  in  feiner  ganzen 
ernten  und  (trengen  idealen  Kunftauffaffung  bezeugt 
er  fid)  uns  als  näd)fter  ©eiftesverwandter  des  begeiferten 


e      nans  von  wotzosen 


Sängers  der  „öötter  Griechenlands**.  Wer  ()eute  an 
Wagners  ©edanken  ftnflojf  nimmt  oder  den  Kopf 
darüber  fd)üttelt,  der  J)at  den  Eiieblingsdid)ter  des 
deutfd>en  Volkes  nod)  nie  verbanden,  der  \)at  aud) 
feinen  8d)iller  nod)  niemals  ernfl  genommen.  Wagner 
aber  naj)m  gleid)  ij)m  die  Kunfl  der  ©riechen  ernfl. 
€r  fd>wärmte  nid)t  nur  für  if)re  8d)önf)eit,  etwa  als 
eine  äflf>etifd)e  norm;  er  erkannte  vielmehr  in  if)r  den 
reinflen  Ausdruck  des  Wefens  idealer  Kunfl  als  einer 
Lebensmad)t,  die  edelfle  :8ewaf)rerin  der  „flDenfdjen- 
würde",  welche  8d)iIIer  in  die  Rand  „des  Künfllers" 
gegeben  fand.  „Vor  welcher  €rfd)einung,**  ruft  er  aus, 
„flehen  wir  mit  demütigenderen  Empfindungen  als  vor 
der  Kunfl:  der  fiellenen?**  „X)ie  Hatur  flellt  uns  den 
fiellenen  bin  mit  ffcutterflolz  und  ruft  uns  fDenfd>en 
allen  aus  Mutterliebe  zu:  das  tat  id>  für  €ud),  nun 
tut  31>r,  aus  Hiiebe  zu  €ud),  was  DI)*  könnt!**  Dies 
erinnert  an  jenes  andere  Wort  Wagners,  welches  ein 
fDenfd)enaIter  fpäter  von  der  jungen  ;ßayreutl)er  Fefl- 
büfme  l>erab  ins  deutfd)e  Publikum  drang,  und  von 
i()m  nod)  fo  ivenig  verbanden  ward,  als  tvenn  es  min- 
deflens  ,,gried)ifd)**  gewefen  wäre:  „Wir  l)aben  €ud) 
gezeigt,  was  wir  können,  nun  wollet  3f)r»  dann  f)aben 
wir  eine  Kunfl!**  Hene  Kunfl:  nämlid),  von  der  Wagner 
gefagt  bat:  „Die  Kunfl  bleibt  an  und  für  (ld)  immer, 
was  fie  ifl  —  wir  mü(Ten  nur  fagen,  dag  fie  in  der 
modernen  OeffentIid)keit  nid)t  vorfanden  ifl.** 
ttlfo  nid)t  etwa  einzelne  Kunflwerke  oder  Künfller,  fondern 
eben  die  Stellung  der  Kunfl  zur  Oeffentlid)keit 
überhaupt  kommt  dabei  in  :6etrad)t  Und  wieder 
blickt  Wagner  nad)  den  <3ried)en  zurück:  „Fmlten  wir 
die  öffentliche  Kunfl  des  modernen  €uropa  in  i[)ren 
fiauptzügen  zu  der  öffentlichen  Kunfl  der  ©riechen,  um 
uns  deutlid)  den  d)arakteriflifd)en  Unterfd)ied  vor  die 
ftugen  zu  pellen.  Die  öffentliche  Kunfl  der  <3ried)en, 
wie  fie  in  der  üragödie  il)ren  Röl)epunkt  erreichte,  war 
der    Ausdruck  des  üiefflen,    des    Cdelflen    des    Volks- 


«ayfleucfi 


bewußtfeins:  dasCieffte  und  Cdelfte  unferes  menfd)lid)en 
ißewußtfeins  \ft  der  reine  @egenfa£,  die  Verneinung 
unferer  öffentlichen  Kunfl:."  ftber  er  bleibt  nid)t  bei 
diefem  troftlofen  Vergleiche  freien,  fondern  er  fd)reitet 
weiter  fort  mit  der  befttmmten,  eine  €ntfd>eidung  for- 
dernden Frage:  „Dft  es  möglid),  dag  dem  durd)  die 
Wiedergeburt  der  Kunft  (in  der  neuen  Zeit,  durd)  die 
deutfd)en  fDeifter)  neugeftalteten  Leben  ein  UF>eater 
entftef)e,  welches  den  innerfren  fDotiven  feiner  Kultur 
in  der  Weife  entfprid)t,  wie  das  gried)ifd)e  C^eater  der 
gried)ifd)en  Religion  entfprad)?" 

X)ie  f)ier  geäußerten  Crwägungen,  von  den  <3ried)en 
ausgegangen,  aber  alsbald  den  30eutfd)en  zugewandt, 
durchziehen  in  Wagners  Leben  einen  Zeitraum  von 
zwanzig  Darren.  JDiefe  ganze  Zeit  ifl:  angefüllt  mit 
Verfugen,  jene  ?ftöglid)keit  zu  errveifen,  —  Verfudjen 
einerseits :  aud)  in  X)eutfd)land  das  befreiende  üf)eater 
auf  eine  edlere  Röf)e  zu  ergeben,  andererfeits  aber  — 
da  dies  immer  und  immer  wieder  verfagen  mußte  — : 
aud)  in  X)eutfd)land  eine  befondere  Stätte  zu  fd)affen, 
wo  das  t^eater,  aus  dem  wahrhaftigen  ;8edürfnifle 
nadt)  der  idealen  Welt  f)ervorgewad)fen,  fid)  frei  zum 
;6eifpiel  einer  folgen  Welt  für  fid)  gehalten  könnte. 
Hid)t  litt  es  il)n  länger  bei  8d)illers  wehmütiger  Klage: 
„?Düf)fam  fpäf)*  id)  im  üdeenlande,  fruchtlos  in  der 
Sinnlichkeit",  nod)  aud)  bei  Sd)iIIers  faft  verzweifelter 
:6itte  an  denfiellenengeif*:  „Dir  nadjzuringen,  gib  mir 
Flügel  —  Wagen,  did)  zu  wägen!'«  Wagner  erkämpfte 
fld)  die  Crfüllung,  die  Verwirklichung,  wie  er  es  in  der 
Widmung  feines  Hibelungenringes  fagt:  „im  Vertrauen 
auf  den  deutfd)en  C3ei(t**. 

IL 

XMe  €ntividklung  der  Ddee, 

8d)on   in   der  Zeit   feiner  Dresdener  Kapellmeifter* 
fd)aft,  alfo  in  den  vierziger  Darren,  reichte  Wagner  beim 


8      fians  von  woLzosen 


HMnißerium  ein  mit  größter  Sachkenntnis  ausgearbeitetes 
Memorandum  ein  über  eine  künplerifdje  tteorganifation 
des  fioftyeaters.  t)iefer  Verfud),  fo  praktifd)  er  gedacht 
war,  mußte  unberücksichtigt  bleiben,  da  bald  danad)  die 
Devolution  ausbrad),  derzufolge  dann  felb(t  die  Kunjt- 
werke  des  flüchtigen  TCapellmeifters  für  länger  von  der 
königlichen  :6üj)ne  verbannt  wurden.  €r  felbft  aber  ging 
in  feiner  Verbannung  in  Zürid)  gleid)  wieder  ans  Werk, 
eine  Rebung  des  dortigen  8tadttf)eaters  anzubahnen, 
worüber  feine  8d)rift  „€in  Theater  in  Zürid)"  aus  dem 
Anfang  der  fünfziger  3af)re  als  befd)ämendes  Zeugnis 
vorliegt  ;6efd)ämend  —  denn  es  kam  aud)  dort,  in  der 
wohlhabenden  "Republik,  nur  zu  wenigen  vereinzelten 
Aufführungen  unter  Wagners  Leitung;  das  8tadttf)eater 
felbfl:  blieb,  was  es  war  und  was  fie  alle  find  und  wof)l 
aud)  fein  muffen :  ein  von  wed)felnden  ^Direktionen  je 
nad)  der  ©efd)äftslage  bejfer  oder  fd)led)ter  geführtes 
Unterf)altungsin|titut  Ungefähr  zur  felben  Zeit  fd)ien 
(ld)  in  Weimar  durd)  diszts  großherziges  Vorgehen  für 
Wagners  t^eaterpläne  etwas  Aus(Id)svolIes  zu  regen. 
X)er  Hibelungenring  war  im  £ntftef)en,  und  zugleid)  mit 
dem  Anwad)fen  diefes  großen  Werkes,  das  aus  einer 
l)eroifd)en  Oper  zu  einer  Tetralogie  (ld)  entwickelte, 
drängte  (ld)  feinem  Sd)öpfer  immer  ßärker  und  deutlicher 
die  Ueberzeugung  auf,  daß  feine  künftlerifd)en  Intentionen 
im  l*af)men  der  gewöhnlichen  13üf)ne  nid)t  rein  zum 
Ausdruck  kommen  könnten  Was  er  fd)on  beim  beginn 
feiner  Arbeit  in  der  „Mitteilung  an  meine  Freunde"  als 
Ddeal  f)inge|tellt  f)atte,  ein  Feßtl)eater,  außerhalb  der 
öffentlichen  ;0üf)nenwelt,  das  f)ätte  in  Weimar  red)t  wof)l 
fd)on  damals  entfielen  können,  wenn  der  <3edanke  — 
außerhalb  der  genialen  Kün(tlerperfönlid)keit  üiszts  — 
einiges  Verftändnis  gefunden  l)ätte.  Um  ein  fold)es 
gerade  in  Weimar  zu  vermitteln,  fd)rieb  Wagner  an 
fciszt  feinen  offenen  #rief  über  die  „<3oetf)eftiftung". 
Liszts  edelfinniger  öedanke,  unter  <3oetf)es  Hamen, 
nad)  fürßlid)er  Tradition,  eine  Dnftitution  zur  Förderung 


BLICK  AUF  BAYREUTH 

vom  Walde  hinter  dem  Festspielhause  aus 
[Nach  einer  unveröffeni Achten  Original- Zeichnung  'von  S.  Schinkel] 


«nyi?eucR  0 


der  Kunp  zu  begründen,  —  ließ  fie  fid)  nid)t  aud)  auf 
das  "C^eater  ausdehnen  und  diefem  auf  Weimars  ge- 
weiftem ;8oden  der  Charakter  jener  idealen  Welt  fiebern, 
die  einß  aud)  das  Ziel  der  großen  X)id)ter  getvefen  tvar  ? 
ftber  aud)  dies  führte  zu  nichts,  und  es  dauerte  nid)t 
mef)r  lange,  daß  fciszt  felbft  enttäufd)t  und  verlebt  fid) 
aus  Weimar  zurückzog.  Für  Wagner  begannen  nun  die 
fo  überaus  traurigen  und  notvollen  erften  fed)ziger  Daf)re. 
ftls  er  damals  in  Wien  feinen  üriftan  auf  die  ^ü^ne 
zu  bringen  f)offte,  fd)rieb  er  nod)  einmal  eine  fold)e 
praktifd)e  tteformfd)rift,  rveld)e  an  die  näd)ft:  vorliegende 
Wirklichkeit  anknüpfte:  „Das  Wiener  Fiofoperntf)eater". 
ffoan  gab  aber  nid)t  einmal  den  Uriftan;  man  fagte, 
man  f)abe  genug  von  Wagner,  lieber  Holländer  und 
üannfjäufer,  die  er  aus  feinem  €xil  an  die  C^eater 
f>atte  Eingeben  muffen,  of)ne  den  geringften  perfönlid)en 
Cinfluß  auf  il)re  Cinßudierung  ausüben  zu  können,  f)atte 
er  ausfül)rlid)e  ftniveifungen  für  ^Dirigenten  und  ttegiffeure 
niedergefdjrieben  und  an  alle  befferen  ;0üf)nen  verfandt. 
8ie  rvurden  nirgends  beachtet,  und  als  er  in  jenen 
fed)ziger  Darren  nad)  fftünd)en  kam  und  dort  endlid), 
nad)  der  paufe  eines  falben  fbenfd)enalters,  (Gelegenheit 
l)atte,  feine  Werke  felbfl:  einzufrieren,  fand  er  fein 
Schweizer  packet  mit  jener  Schrift  nod)  uneröffnet  vor. 
8ie  fyatte  alfo  tvie  er  ein  dreizehnjähriges  8trafdasein 
geführt,  nur  im  (Gefängnis  anftatt  im  €xil.  —  „Wie 
elend  ftc[)t  es  da!*'  Diefer  fein  Ausruf  gilt  für  alle 
feine  €rfaf)rungen  mit  den  befreienden  t^eatern,  die  er 
auf  beftere  ;8aj)nen  l)atte  leiten  rvollen.  Sein  Hibelungen- 
rverk  f)atte  er  inmitten  unterbrechen  muffen,  tveil  deffen 
Vollendung,  rvozu  eine  feinem  ©eifr  und  Stil  entfpred)ende 
ftuffül)rung  durchaus  gehörte,  ganz  unerreichbar  fd)ien. 
allein  ivie  Faufr  fud)te  aud)  er  im  Hid)ts  das  ftll  zu 
finden:  in  dem  enttäufd)ten  und  verlajfenen  Künfrler 
reifte  der  plan  vom  Fefrtf)eater  als  einer  nationalen 
ünfritution  um  fo  reicher  aus.  Dm  Vonvort  zur  Aus- 
gabe der  Hibelungendid)tung  1863  tvard  er  fd)on  gerade 

Ttidjard  ötraufc:  Sie  TBufik  V.  # 


io      nana  von  wotzosen 


fo  mitgeteilt»  ivie  er  nad)  rviederum  dreizehn  Darren  in 
^ayreutf)  zur  Ausführung  kam,  nur  dort  nid)t  am 
deutfdjen  Ttyein,  fondern  in  Deutschlands  HMtten,  jeden- 
falls aber  in  keiner  großen  Stadt,  in  keinem  Zentrum 
einer  Zivilifation,  welche  dem  Künftler,  wie  if)re  Cljeater, 
nur  den  Gegenfatj  der  idealen  Kunfl:  bedeuten  konnte. 

Kurz  darauf,  1864,  trat  König  Ludwig  wunderbar 
{jilfreid),  ja  rettend  in  das  Leben  Wagners  ein.  €s 
war  \e\)Y  natürlid),  dag  diefer  Fürß  nun  wünfdjte,  das 
3dealtf)eater,  wofür  er  fid)  begeifert  f)atte,  möge  in 
feiner  eigenen  t?epdenzp:adt  H>ünd>en  fid)  ergeben;  und 
ebenfo  natürlid)  war  es,  daß  Wagner  diefem  Wunfd)e 
feines  Königs,  der  feinen  jahrelangen  öorgen  nun  ein 
Cnde  vergieß,  fld)  nid)t  widerfe^en  mochte.  Wie  er  es 
fpäter  einmal  ausgefprod)en  bat:  „Was  mir  ftets  einzig 
nod)  am  fierzen  liegen  kann,  wäre:  ein  unzweifelhaft 
deutliches  # ei fpiel  zu  geben,  an  welchem  die  Anlagen 
des  deutfd>en  0eipes  zu  einer  fDanifepation,  wie  jle 
keinem  anderen  Volke  möglid)  i(l,  untrüglid)  nad)ge* 
wiefen  und  einer  j)errfd>enden  gefellfd>aftlid)en  ?Dad)t 
zu  dauernder  pflege  empfohlen  werden  könnten"  — 
f)ier,  und  nur  f)ier  fd)ien  diefe  Tbacfyt  durd)  einen 
König  in  perfon  i()m  dargeboten;  und  damit  war  aud) 
das  Lokal  gegeben,  ftber  dies  alles  f)ing  an  der  perfon 
eben  diefes  Königs,  der  einzig  und  allein  in  der  Welt 
den  (bedanken  des  Künftlers  auszuführen  bereit  war; 
und  das  Lokal  war  nid)t  etwa  die  8tadt  des  fDünd)ener 
Kindls,  fondern  König  Ludwig's  ftefldenz.  Hun  aber 
kam  fclbft  diefer  königliche  plan  nid)t  zustande!  Dun 
fd)eiterte  aud)  er  an  dem  „Widerftand  der  ftumpfen 
Welt"  —  fdjeiterte  gerade  an  der  8tadt  des  fDünd>ener 
Kindls  1  um  vornef)m(ten  blatte  Bayerns,  das  ein|t 
einen  8d>iller  zum  Redakteur  l)atte  f)<*ben  wollen,  lafen 
die  gläubigen  H>ünd)ener  jener  trage  das  groge  Wort: 
„HMt  dem  erften  8teine  zum  Wagnertf)eater  würde  der 
@rund|tein  zu  einer  ttuine  gelegt  fein." 

Die  Leute,  die  das  glaubten,  find  entfdjuldbarer   als 


«ayueucfi  11 


die,  welche  fie  es  glauben  machten;  aber  aus  i!)nen 
beiden,  den  Unwiffenden  und  den  Uebeltvollenden,  feilte 
ficf)  dod)  eben  jene  OeffentIid)keit  zufammen,  welcher 
der  Künftler  feine  Werke  Einzugeben  f>aben  follte,  und 
die  es  felbß  einem  Könige  nid)t  erlaubte,  den  fDeiper 
fein  Werk  fo  darpellen  zu  laflen,  wie  er  es  erdacht 
€in  8turm  erf)ob  fid)  gegen  fold)  eine  exorbitante 
Forderung,  daß  ein  fDuflker  ein  eigenes  Opernhaus 
für  fid)  allein  f)aben  wolle;  denn  nur  fo  konnte  man  den 
großen  bedanken  eines  ZJdealtf)eaters  im  pf)M|terium 
verftef)em  (Jeder  fud)t  in  diefer  Welt  das  Seine,  und 
für  große  3deen,  für  allgemeine,  l)öf)ere  Zwecke  (>at 
man  gewöf)nlid)  wenig  8inn,  da()er  aud)  keinen  rechten 
Glauben  daran,  wenn  man  dergleichen  von  einem 
anderen  vertreten  fief)t  80  bewahrheitete  fi<t>  <*ud)  an 
diefem  entfd)eidenden  fDoment  das  Wort  Wagners, 
das  er  fünfzehn  #af)re  fpdter  fprad),  als  fd)on  der 
bedanke  an  einen  ,/fteid)sfd)utz"  für  Bayreuth  einmal 
aufgetaucht  war:  „Unferen  beutigen  öffentlichen  Zu- 
ftdnden  fd)eint  nichts  ferner  zu  liegen  als  die  Be- 
gründung einer  Kunftinftitution,  deren  Dutten  nid)t 
allein,  fondern  deren  ganzer  8inn  nur  dußerfl:  wenigen 
er(l  verftdndlid)  i|L  Wof)l  glaube  id>  nid)t,  es  daran 
fehlen  gelaflen  zu  f)aben,  über  beides  deutlid)  mid) 
kund  zu  geben:  wer  f)at  es  aber  nod)  beachtet? 
€in  einflussreid)es  HMtglied  des  deutfdjen  Reichstages 
verfid)erte  mid),  weder  er  nod)  irgend  einer  feiner 
Kollegen  f)abe  die  geringfte  Vorpeilung  von  dem,  was 
id)  wolle/'  —  Da,  das  f)aben  wir  wieder  nod)  zwanzig 
<Jaf)re  fpdter  durd)  denfelbeu  deutfrfjen  Reichstag  be- 
tätigt gefef)en.  Vor  eben  diefem  alten,  ftets  ficf)  felber 
gleiten  Öeifte  des  Hid)twi(fens,  den  das  Uebelwollen 
leitet,  wid)  Wagner  damals,  1865,  aus  fDünd)en,  und 
fein  König  verzichtete  für  immer  auf  fein  Cf)eater.  Von 
dann  ab  war  fDünd)en  nid)t  mef)r  König  fcudwigs  8tadt 
X)er  Künftler  aber  gab  feine  Sdee  nid)t  auf;  vielmehr, 
nun  f)<*tte   er  ja  am   außerordentlichen  Beifpiel   völlig 


i2      finns  von  woLzosen 


erkannt,  wie  red)t  er  mit  if)rer  urfprünglid)en,  jeden 
Kompromiß;  ausfließenden  Faflima.  gehabt.  Von  neuem 
alfo  faßte  er,  fefter  nod),  alles  zufammen,  was  er  als 
die  wefentlid)e  und  unumgängliche  Bedingung  für  ein 
foId)es  üf)eater  eingefe|)en  und  gefordert  f>atte.  8d)on 
vor  einem  falben  <j]a5rl)undert  f)atte  er  gefd)rieben: 
„€s  muß;  jedem  6infid)tsvoIlen  deutlid)  werden,  daß;, 
foll  das  ül)eater  irgendwie  feiner  natürlichen  edlen 
:8efl:immung  zugewandt  werden,  es  von  der  notwendig- 
heit  induftrieller  Spekulation  durchaus  zu  befreien  i(L 
Wie  wäre  das  möglid)?  X)iefes  einzige  Dnftitut  follte 
einer  XMenßbarkeit  entzogen  werden,  welcher  heutzutage 
alle  fDenfd)en  und  jede  gefellfd)aftlid)e  Unternehmung 
der  fDenfd)en  unterworfen  find?  3a,  gerade  das 
C^eater  foll  in  diefer  Befreiung  allen  übrigen  voran- 
gehen, denn  es  ifl:  die  umfaflendjte,  einflußreiche  Kunfl:- 
anftalt;  und  ef)e  der  fftenfd)  feine  edelfte  Tätigkeit,  die 
künfl:lerifd)e,  nid)t  frei  ausüben  kann,  wie  follte  er  da 
fjoffen,  nad)  niederen  ttid)tungen  f)in  frei  und  felbft:» 
jtändig  zu  werden?  beginnen  wir,  nachdem  fd)on  der 
ötaatsdienfl:  und  der  ftrmeedienß:  wenigflens  kein 
induftrielles  Gewerbe  mef)r  \%  mit  der  Befreiung  der 
öffentlichen  Kunfl:!"  Und  nid)t  anders  lauteten  feine 
Worte  jetzt,  da  feine  fDünd)ener  €rfaf)rungen  il>n  um 
eine  fd)öne  fttöglid)keit  gebracht,  fein  ideales  Äeifpiel 
zu  zeigen:  „Ftferzu  ifl:  auf  dem  Wege  des  täglichen 
Verkehrs,  namentlich  auf  der  :6afis  der  ©ewerbs- 
intereffen,  unmöglid)  zu  gelangen;  diefes  :ßeifpiel  kann 
nur  auf  einem  von  den  ^edürfniffen  und  Dötigungen 
des  alltäglichen  C^eaterverke^rs  gänzlid)  eximierten 
;0oden  gegeben  werden."  „6s  i(l  eine  ganz  neue, 
von  der  Wirklichkeit  des  Theaters  foweit  wie 
möglid)  abliegende  ünßitution  in  das  Auge  zu 
f  äffen."  „Bedingung  hierfür  ip:  die  Außerordentlich- 
keit  in  allem  und  jedem/'  „Die  gewerbliche  Tendenz 
im  Verkehr  zwifd)en  publikum  und  Theater  wäre  l)ier 
vollftändig   aufgehoben.     Der   Zufc^auer   würde    nid?t 


«ay^eucR  13 


mef)r  von  dem  röedürfniflfe  der  Zerflreuung  nad)  der 
üagesanfpannung,  fondern  von  dem  der  Sammlung  nad) 
der  Zerftreuung  eines  feiten  wiederkehrenden  Fefttages 
geleitet,  in  dem  von  feinen  gewohnten  allabendlichen 
Zufluchtsorte  für  tf)eatralifd)e  Unterhaltung  abgelegenen, 
eigens  nur  dem  Zwecke  diefer  außerordentlichen,  exi- 
mierten  Aufführungen  fid)  erfd)ließenden  befonderen 
Feftbau  einzutreten,  um  j)ier,  feiner  f)öd)|ten  Zwecke 
wegen,  die  fDüf)e  des  Lebens  in  einem  edelften  8inne 
zu  vergetfen." 

X\ad)  dem  8d)eitern  jenes  königlichen  planes  durfte 
Wagner  fid)  nun  ganz  und  frei  diefem  feinem  urfprüng- 
lid)en  (bedanken  wieder  zuwenden.  Aber  es  mußten 
die  8iege  von  1670  erkämpft  werden,  um  den  Künftler 
nad)  3Deutfd)land  zurückzuführen,  und  den  nun  politifd) 
geeinigten  deutfd)en  Stämme  einen  künplerifd)en  Mittel- 
punkt zu  fd)affen.  Wo  konnte  dann  diefer  „Mittelpunkt** 
einzig  gelegen  fein?  —  „Fern  von  dem  Qualm  und 
3ndu|triepefl:gerud)  unferer  |*ädtifd)en  Zivilifation,  in  einer 
fd)önen  €inöde**,  f)atte  er  fd)on  vor  20  #af)ren  an  tiifzt 
gefd)rieben  —  wo  durfte  er  nimmer  liegen?  ,,$d)  bin 
nid)t  darauf  ausgegangen,  mein  Unternehmen  im  ©lanze 
einer  reid)  bevölkerten  fiauptftadt  befpiegeln  zu  laflfen, 
was  mir  allerdings  minder  fd)wierig  gefallen  wäre,  als 
mancher  zu  glauben  vorgeben  mag.'*  „Aus  den  Winkeln 
des  deutfd)en  Vaterlandes  wurde  mir  am  kräftigten 
und  ermutigenden  aud)  für  mein  Werk  zugefprod)en, 
während  in  den  großen  fDarkt-  und  fiaupt(tädten  zu- 
meifl:  nur  8paß  damit  getrieben  worden  ijtM  8o  ent- 
band denn  fd)ließlid)  diefes  :Gayreutf),  und  zwar  je^t 
genau,  wie  Wagner  felbfl:  es  gewollt:  „ein  vollftändig 
ausgeführtes  Cf)eatergebäude,  ganz  nad)  meinen  An- 
gaben von  mir  errichtet,  welches  nachzuahmen  der 
ganzen  modernen  Welt  unmöglid)  bleiben  muß." 

„8o  möge  denn  die  8ad)e  if)ren  kauf  nehmen  und 
der  X)eutfd)e  zeigen,  daß  er  endlid)  verfl:ef)t,  fo  wahren 
und  anhaltenden  :8emül)ungen  für  einen  fd)mad)los  ver- 


i4      nnns  von  wotzosen 


wabrloften  und  dabei  fo  unbegrenzt  einflußreichen  Zweig 
der  öffentlichen  Kun|t,  an  weld)e  id)  mein  Leben  gefegt 
babe,  aud)  die  nötige  Bead)tung  zu  fd)enken."  HMt 
diefen  Worten  an  €mil  Fieckel  begleitete  Wagner  im 
$af)ref871  feine  Zuftimmung  zur  Begründung  der  Wagner- 
vereine,  tvelcfre  if)m  die  HMttel  für  den  Bau  des  Fe|l- 
fpielbaufes  verfd)affen  wollten. 


III. 

Urteile  derzeit 

Wie  ()at  man  nun  fo  im  allgemeinen  [diefes  Cf)eater, 
das  nad)  Wagner  „als  ein  n>abnzeid)en  in  die  deutfd)e 
Welt  hinausragen"  follte,  in  der  deutfdjen  Welt,  welche 
zugleid)  die  moderne  ift,  bisher  betrachtet  und  ver- 
banden ? 

Das  Verpdndnis  äußerte  fid)  befonders  in  drei  immer 
wiecjerbolten  Urteilen,  ftn  erßer  ötelle  begrüßte  den 
plan  und  Bau  von  Bayreuth  im  publikum  das  alte 
vorwurfsvolle  ?Dünd)ener  Wort:  „Hur  für  Wagner!" 
Das  -beißt,  entweder:  der  Künftler  i|t  fo  f)ocf)mütig,  daß 
er  für  feine  Werke  ein  eigenes  tTl)eater  verlangt,  oder 
aud):  die  Werke  fpredjen  fo  wenig  für  fid)  fei bfl:,  daß 
fie  eines  eigenen  Theaters  bedürfen.  Diefes  Urteil  be- 
ruht auf  einer  Verwechslung  der  causa  efficiens  mit  der 
causa  finalis,  wie  der  pbMofopb  fagt.  Wobl  war  der 
plan  eines  Fefttbeaters  urfprünglid)  verbunden  gewefen 
mit  der  ftusfübrung  des  Hibelungenwerkes,  das  fid) 
an  ünl)alt  und  Form  über  das  <3ewöl)nlid)e  und  Ge- 
wohnte in  die  öpbäre  des  außerordentlichen  erl)ob, 
das  mit  einem  Wort  keine  Oper  und  nid)t  für  die 
Operntbeater  gefd)affen  war,  fo  wenig  wie  ctrva  die 
neunte  övmpbonie  für  die  Wiener  üanzböden  oder  das 
Hermannsdenkmal  für  den  ©emüfemarkt  in  Detmold. 
Der  TMbelungenring  alfo  war  zunäcbft  die  causa  efficiens 


«nyfleucR  15 


für  die  ttyeateridee.  nun  fd)afft  aber  kein  wahrer 
Künftler  fein  Werk  für  fid)  felbft,  fondern  aus  fid)  felbft: 
es  ift  ein  Ceil  feines  Wefens,  und  in  feinem  Wefen, 
feiner  perfönlid)keit,  feinem  0enie  fdjafft  fid)  die  Kunft 
felbft  einen  neuen  Ausdruck,  eine  neue  Offenbarung. 
;8eetf)oven  l)at  diefer  Waf)rf)eit  einmal  den  fd)önen 
Ausdruck  verliefen:  „flede  ed)te  €rzeugung  der  Kunft 
ift  unabhängig,  mächtiger  als  der  Künftler  felbft;  fie 
ke\)Yt  durd)  if)re  €rfd)einung  zum  <3öttlid)en  zurück  und 
bangt  nur  darin  mit  dem  fDenfd)en  zufammen,  dag  fie 
Zeugnis  gibt  von  der  Vermittlung  des  <3öttlid)en  in 
if)m!"  HMt  jedem  ffceifter  tut  die  Kunft  felbft  einen 
8d)ritt  weiter  zur  Crfüllung  if>res  Berufes  idealer  Welt- 
beglückung, ftlles,  was  der  Künftler  fo  aus  fid)  tut, 
tut  er  für  die  Kunft  und  für  das  Volk,  deffen  (Seift  in 
der  Kunft  fid)  ausfprid)t.  -Die  Erfüllung  des  Berufes 
der  deutfd)en  Kunft  ift  alfo  die  causa  finalis  einer  Cr- 
fd)einung,  wie  das  Ddealtf)eater  Wagners;  und  mit  dem 
vollen  :0etvu&tfein  fold)en  Berufes  f)at  der  Künftler 
diefer  8d)öpfung  fein  Heben  geopfert.  fDan  darf  an 
diefen  prozeß  dod)  nid)t  denfelben  fDaßftab  anlegen, 
ivomit  perfonen,  die  niemals  etwas  äf)nlid)e8  wie  ein 
Kunftwerk  f)erzuftellen  vermocht  f)ätten,  if>re;8emüf)ungen 
mefien,  fid)  etwa  eine  eigene  Villa  oder  ein  eigenes 
Kapital  zu  fdjaffen.  Diefe  verfolgen  dabei  nur  das 
eigene  Dnteretfe  und  nichts  anderes;  das  eigenfte  ünterejfe 
eines  großen  Künftlers  aber  ift  eben  das  der  Kunft  und 
des  Volksgeiftes.  Das  erkennt  man  an  den  Früd)ten. 
Die  €rfd)einung  des  ;6ayreutf)er  ttyeaters  bedeutet  nun 
in  der  Cat  ein  großes  fboment  in  der  deutfd)en  Kunft. 
Die  Deutfd)en  f)aben  dies  zunäd)ft  nid)t  erkannt,  weil 
bei  if>nen  die  Kunftauffaffung,  weldje  darin  if)ren  f)öd)ften 
Ausdruck  fand,  bisher  nur  mel)r  die  €igentümlid)keit 
einzelner  groger  fDdnner  geblieben  war.  ?Def)r  Ver- 
ftändnis  zeigten  die  Fremden,  befonders  von  der 
romanifd>en  Haffe,  weil  in  il)rer  Zivilifation  das  künft- 
lerifd>e  Kulturmoment   feit  langer  Zeit  mit  einbegriffen 


is      Rans  von  woLZo®en 


gewefen;  oder  aud)  die  Feinde,  infofern  fie  wenigftens 
mit  :6e|timmtf)eit  etivas  anderes  wollten,  als  was  Wagner 
wollte,  und  in  feinem  Werke  den  ©egenfa^  diefes  anderen 
mit  8d)recken  verfpürten.  Die  Fremden  fafjen  in  ;8avreutf) 
einen  fiöf)epunkt  der  deutfd)en  T<unft;  die  Feinde  Ratten 
es  dagegen  leicht,  die  Deutfd)en  darin  zu  beftärken, 
dafr  es  nid)ts  fei  als  ein  C{)eater  „nur  für  Wagner*. 
Hun,  und  das  ivar  ja  natürlicherweise  etwas  ganz  un- 
erlaubt HMnderwertiges.  $edes  8tadttf)eater  verdiente 
eine  reichere  Unterftü^ung:  das  ivar  dod)  etwas  „für 
uns  felbft",  etwas  für  jedermann! 

Von  diefem  „jedermann"  f>atte  Wagner  zeitlebens 
nur  allzu  genaue  Kenntnis  erhalten,  und  wenn  er  dennod) 
in  feinem  Vertrauen  auf  den  deutfdjen  öeift  und  das 
deutfd)e  Volk  nid)t  entmutigt  ward,  fo  fd)öpfte  er  dies 
nur  immer  wieder,  wie  er  oft  bekannte,  aus  feinen 
fd)önen  €rfa[>rungen  mit  einzelnen  Seelen,  €s  wäre 
alfo  ganz  in  feinem  Sinne,  wenn  diefe  einzelnen  Seelen, 
denen  gerade  feine  Kun(t  ein  wahres  Lebensbedürfnis 
geworden,  denen  fie  die  8ef)nfud)t  nad)  dem  Ddealen 
jtillt,  aud)  alle  wirklid)  zum  <3enu|fe  diefer  Kunft  ge- 
langten. Denn  zu  dem  Ddeal  eines  Kunjtwerkes,  wie 
es  il)m  vorfdjwebte,  gehörte  von  jef)er  nid)t  allein  das 
ideale  Theater,  fondern  aud)  das  ideale  Publikum.  Das 
Vorbild  der  Griechen  fd>Ioß  ganz  crfict>tlid>  aud)  das 
gried)ifd)e  Volk  mit  ein.  Das  aber  war  ein  kün|tlerifd)es 
Volk  gewefen,  dasjenige  gerade,  was  das  deutfd)e  Volk 
nod)  nid)t  f)atte  werden  können,  trol?  feiner  großen  An- 
lagen, die  in  feinen  ?fceifl:ern  fo  gewaltig  wie  fonfl:  nur 
bei  den  <3ried)en  fid)  kund  gegeben  f)at>en.  eben  darum 
nannte  ja  Wagner  fein  3deal  einKunftwerk  der  Zukunft, 
feine  eigenen  Werke  nur  er(t  Verfud)e,  Vorbilder,  ;0ei« 
fpiele  für  etwas  nod)  nid)t  Vorhandenes,  nid)t  nur  eine 
£rfd)einung,  fondern  ein  Leben  der  Kunft.  Of)ne  die 
Verwirklichung  jenes  Ddeales  eines  künßlerifd)en  Volkes 
bleibt  das  ideale  Kunftwerk  immer  nur  ein  Fremdling 
in  der  Welt  der  realen  Gegenwart    €s  follte  wof)l  aud) 


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fd>wer  fein,  den  ftnfprud)  aufrecht  zu  erhalten,  daß  die 
höd)|te  und  ernftefte  Kun|t  überhaupt,  daß;  die  größten 
Kunftwerke,  die  wir  bep^en,  heutzutage  fdjon  in  der  üat 
eine  „Kunft  für  alle"  wären.  Weder  von  einem  Fauft 
nod)  von  einer  neunten  8ympf)onie  wird  fid)  dies  ef)r- 
Iid>er  Weife  behaupten  laffen.  Und  ivenn  unfer  Opern- 
publikum f)eute  vor  allem  für  den  Eiof)engrin  fd)wärmt 
und  if)m  dadurd)  die  f)öd)fte  ftuff üf)rungszaf)I  im  "Repertoire 
unferer  Operntl)eater  verfd)afft,  fo  bleibt  es  dod)  fef)r 
fraglid),  ob  diefe  fd)öne  Vorliebe  if)re  Wurzeln  viel  tiefer 
gefd)Iagen  f)abe,  als  in  die  geheimnisvolle  und  rührende 
Romantik  des  Stoffes  und  in  die  bezaubernde  6d)önf)eit 
der  fftufik:  von  der  eigentlichen,  tief  tragifd)en  Bedeutung 
des  Werkes,  davon,  ivas  Wagner  darin  ausgedrückt 
wijfen  rvollte:  die  Tragödie  des  (3enius  in  der  Welt, 
davon  wird  fid)erlid)  der  geringfte  Ceil  des  fd)wärmenden 
Publikums  nur  erfl:  eine  Ahnung  gewonnen  f)aben.  Hein, 
eine  Kunft  für  alle  ift  eine  Wagnerifd>e  Kunft  überhaupt 
nid)t,  kann  und  foll  fie  nid)t  fein.  €ine  Kunft  die  für 
alle  i|t,  ifl:  meiftenteils  nichts  weniger  als  eine  Kunft, 
tind  Wagner  felbft  fd)on  bat  über  das  „neue  Fmmanitäts» 
prinzip",  die  „Eemokratifierung  des  Kunftgefdjmackes" 
gefpottet,  welche  von  dem  pölzen  :6ewußtfein  befeelt 
werde:  „Dun  feien  die  Kunft  und  if)re  Crzeugnijfe  nid)t 
mef)r  bloß  für  die  ©elfter  der  bevorzugten  Klaffen  vor- 
fanden, fondern  der  geringfte  Bürger  f)abe  jet^t  Gelegen- 
freit,  die  edelften  Typen  der  Kun(t  fid)  auf  feinem  Kamine 
vor  Augen  zu  ftellen."  —  Tritt  alfo  dem  Vorwurfe:  „Hur 
für  Wagner*  die  gegenfä^lidje  Forderung  „für  jedermann" 
zur  Seite,  fo  ift  beides  gleidjerweife  abzulehnen;  es 
beruht  auf  demfelben  örundirrtum,  der  die  Kunfl:  als 
ein  Objekt  des  perfönlid)en  Willens  auffaßt,  davon  ein 
einzelner,  fei  es  der  Künftler,  fei  es  der  „jedermann", 
etwas  „J)aben"  will.  Auf  den  ©egenfa^  zwifdjen  dem 
üd)  und  der  Kunft  läuft  fd)ließlid)  alles  in  den  #ayreutf)er 
Fragen  f)inaus. 

Eod)  Wagner  wäre  nid)t  Wagner  gewefen,  wenn  er 


i8      «ans  von  woLzosen 


fein  Kunftwerk  nur  gewiffermaßen  als  ein  edleres  @enuß- 
mittel  für  einzelne  ins  Leben  gerufen  f)ätte.  Der  raftlos 
Wirkende  und  einwirkende  mußte  aud)  dem  <3enujfe 
eine  Kraft  verliefen  wünfd)en.  8ein  Kunftwerk  follte 
nid)t  nur  beglücken,  es  follte  aud)  erziehen.  €s  follte 
eine  8d)ule  werden  zur  künftlerifd)en  €rziel)ung  —  des 
n>enfd)engefct)led)tes,  wie  Schiller  gefagt  l)ätte  — ,  des 
deutfd)en  <3eiftes,  wie  Wagner  fagt  €ine  ftrt  idealer 
Kloperfd)uIe,  wenn  man  fo  will,  da  fie  fiel)  abfeits  der 
Welt  galten  muffte,  um  rein  und  frei  wirken  zu  können; 
jedenfalls  aber  ein  fef)r  ernfl:  zu  nehmendes  Uebungs- 
mittel,  um  wenigftens  allmäf)lid)  in  unferem  Volksgeifte 
die  künftlerifdjen  Anlagen  (tärker  auszubilden.  Gerade 
je^t  mußte  eine  fold)eöd)uIe  entließen;  —  denn  niemals 
war  fle  gewiß  notwendiger  als  zu  unferer  Zeit,  deren 
Kinder  am  entfernteren  fid)  zeigen  von  dem  Hdeale 
eines  künftlerifd)en  Volkes.  ?Dan  bezeichnet  diefe  Zeit 
ausdrücklief)  als  eine  foldje  des  fDaterialismus,  des 
ünduftrialismus  fDan  klagt  wof)l  darüber,  aber  man 
läßt  fid/s  gefallen.  ftud)  kann  man  es  nidbt  ableugnen, 
daß  fie  felbfl:  auf  künftlerifd)em  ©ebiete  es  zu  etwas 
gebracht  (>at.  fßan  darf  fie  da  wof)l  eine  Zeit  der  Cec^nik, 
eine  Zeit  des  Kunftgewerbes  nennen.  Der  Hü^Iid)keits- 
zweck  pel)t  freilief)  dabei  immer  voran;  dod)  regt  fid) 
zweifellos  aud)  im  FUnblick  auf  die  €rreid)ung  diefes 
Zweckes  ein  wad)fendes  künßlerifd)es  :0eftreben.  Hur 
füf)rt  eben  diefes  vielmehr  abfeits  von  der  großen  Kunft. 
3n  fo!d)er  Zeit  wird  die  Kunft  beflernfalls  zur  <3efd)mack8- 
fad)e,  zu  einer  Zierde  der  zivilifatorifd)en  ftußenfeite 
des  Lebens.  ffcan  fagt  zu  einer  fold)en  modernen  Kunfl> 
erfd)einung  wof)l:  „made  in  Germany",  aber  nid)t: 
„Qermany".  Das  gerade  ift  es  aber,  was  der  aus- 
länder zu  Wagner,  zu  :ßayreutf)  fagt:  „3n  Deinem 
Lager  iß  D  e  u  t  f  d)  1  a  n d."  60  ift  es  in  der  "Cat  gekommen, 
daß  die  ftufmerkfamkeit  der  Franzofen  auf  #ayreutf) 
ein|t  jenen  früheren,  in  Deutfd)land  faft  nod)  unbeachteten 
Feftfpielen  das  Leben  einigermaßen  fiebern  konnte.   Dod) 


«ay«eucn  is 


das  ip  fd)on  17  Daf)re  {>er.  Als  dann  :0ayreutf)  feine 
€xipenzmöglid)keit  mit?ttül)e  und  Hot,  aber  künplerifd) 
glücklid)  durd)  zef)n,  ja,  durd)  zwanzig  3af)re  bewährt 
f)atte,  fing  das  größere  deutfd)e  Publikum  an,  nid)t 
mef)r  nad)  jedem  Fepfpiele  von  feinen  geizigen  Leitern 
unter  dem  ötrid)  es  einfad)  fid)  vorfagen  zu  laflen: 
,,:0ayreutf)  ip:  tot";  fondern  es  gab  feinem  jungen  <3iauben 
daran  zunäd)p:  den  Ausdruck  eines  neuen  Vorwurfs. 
:8ayreutf)  f)atte  man  ein|t  für  nid)t  lebensfähig  gehalten, 
weil  es  dod)  „nur  für  Wagner",  den  lebendigpen  unferer 
Künpler,  gefd)affen  worden;  je^t  f)telt  man  es  ef)er  für 
lebensunwürdig  in  deutfd)en  Landen,  weil  es  ndmlid) 
„nur  für  Ausländer*  feil 

Hun,  es  f)at  überhaupt,  der  Zaf)l  nad),  niemals  mef>r 
Fremde  als  £)eutfd)e  in  :6ayreutf)  gegeben,  und  feit 
Darren  ip:  das  deutfd)e  Clement  in  ganz  bedeutender 
Ueberzaf)!,  bis  zu  ^Dreiviertel  des  ganzen  Publikums, 
dort  vertreten.  Wenn  aber  die  Fremden  ef) er  kamen, 
follte  man  fie  etwa  dafür  mit  Zurückweifung  beprafen, 
daß  fie  den  X)eutfd)en  vorangegangen  find,  daß  fie  pets 
unbedingter  die  Bedeutung  von  ;8ayreutf)  anerkannt, 
fid)  oft  verpändnisvoller  und  begeiferter  darüber  ge- 
äußert, if)ren  X)ank  ausdrücklicher  kund  getan  f)aben? 
—  3Daß  fie  damit  am  6nde  eben  fo  aufgefallen  find  wie 
durd)  i[)re  Sprache,  und  alfo  von  außen  gefe()en  und 
gehört,  wie  es  die  meinen  tun,  den  €indruck  Fjervor- 
gerufen  f)aben,  als  fpielten  fie  eine  Rauptrolle,  das  ip 
nid)t  fo  unbegreiflich).  Crnpiid)  aber  behaupten,  da$ 
:8ayreutf)  nur  für  die  Ausländer  da  fei,  dürften  die 
X)eutfd)en  dod)  nur  dann,  wenn  eben  fie  —  nid)t  für 
13ayreutf)  da  fein  wolltenl  t)amit  bitten  fle  felber 
zwar  das  publikum  undeutfd)  gemacht:  das  Kuntfwerk 
aber  bliebe  deutfd)  und  einzig  deutfd)  und  teilte  am 
6nde  and)  nid)tdeutfd)geborenen  Seelen,  die  nad)  if)tn 
innig  verlangen,  etwas  vom  wahren  deutfdjen  @eipe  mit. 


20     nnn8  von  wotzosen 

IV. 

3Dae  ßayreutyer  Publikum. 

60  bleibt  denn  nur  nod)  ein  dritter  Vorwurf  übrig, 
daß  in  #ayreutb  überhaupt  das  red)te  publikum  fef)le, 
dag  es  fd)ließlid)  dod)  „nur  für  die  l*eid)enM  fei. 
Wof)I  I)at  X)eutfd)land,  gerade  dem  Ausland  gegenüber, 
lange  als  das  ärmere  Land  gegolten;  f)eut  aber  beginnt 
es  dod)  ef>er  fd)on  Heid  zu  erregen  um  feiner  materiellen 
Fortfrf>ritte  und  der  Rebung  feines  Wof)l|tandes  willen. 
3ene  Franzofen  z.  :©.,  welche  zu  Fug  von  paris  nad) 
^ayreutf)  gewandert  waren,  nur  um  das  deutfd>e  Kun(l- 
erlebnis  zu  erfahren,  waren  gewiß  keine  wohlhabende 
Leute.  Hod)  im  legten  #af)re  kam  u.  a.  ein  Amerikaner, 
der  durchaus  nid)t  zu  den  HMIlionären  jenfeits  des 
Oceans  gehörte,  eigens  über  das  ?Deer  nad)  €uropa, 
um  den  parfifal  zu  l)ören,  und  kehrte  danad)  fofort 
auf  demfelben  Wege  nad)  Amerika  zurück.  ?foef)r  von 
X)eutfd)!and  zu  fef)en,  dafür  reichten  wobl  weder  feineHMttel, 
nod)  kam  fein  Dntereffe  dafür  dem  für  ^ayreutl)  gleid). 
8oId)e  13efud)er  nahmen  eben  das  deutfd)e  Fejtfpiel 
nid)t  als  ein  Vergnügen  unter  anderen,  fondern  fie 
f)atten  es  als  ein  Rauptereignis  diefes  (Jahres  vor  Augen, 
deflen  fte  fid)  unter  allen  Um(länden  einmal  verfid)ern 
wollten;  und  dazu  bedurften  fie  großer  fteid)tümer  nid)t. 
80  follten  —  fo  könnten  wir  in  der  fieimat  der:6ayreutf)er 
Kunfl:  es  dod)  gleichfalls  mad)en. 

$a,  und  wir  f)aben  es  aud)  fo  gemacht.  €s  ift:  gar 
nid)t  waf)r,  daß  nur  befonders  Wohlhabende  nad) 
:6ayreutf)  gekommen  find,  weil  nur  fo!d)e  daf)in  kommen 
könnten.  £iefe  „oberen  Zef)ntaufend",  wie  die  beliebte 
pl)rafe  lautet,  finden  fid)  vielmehr  in  den  großen  Opern- 
Käufern  diesfeits  und  jenfeits  des  Oceans.  Für  diefe 
gibt  man  einen  „parfifal"  in  Hew-york  —  ein  Broadway- 
Feftfpielt  Von  jef)er  f)aben  fid)  Hienfd)en  aus  allen 
Lebenslagen  und   0efellfd)aftsfd)ici)ten  im  :6ayreutf)er 


^ny^eucR  21 


Feflfpielf)aufe  zufammengefunden,  einzig  verbunden 
durd)  das  Verlangen  nad)  einer  idealen  Lebenserfahrung. 
Raben  fid)  dann  mit  der  Zeit  aud)  fold)e  darunter 
gemifd)t,  weld)e  meinten,  fie  müßten  13ayreutf)  als  eine 
„fDode"  mitmachen,  fo  find  diefe  gewiß  nid)t  wieder- 
gekommen; denn  fie  Ratten  etwas  fo  €rnfl:es  und 
Strenges,  fo  jeder  Konnivenz  gegen  das  publikum 
ftbgewandtes,  mit  einem  Wort  etrvas  fo  Unmodernes 
dort  gefunden,  tvie  es  fid)  am  allerwenigften  zu  einer 
H>odefad)e  eignet.  Dagegen  find  die  meiften  13efud)er 
der  Feftfpiele  wiedergekommen,  5a^cn  wiederkommen 
muffen,  find  durd)  13ayreutf)  zu  einer  Kunfl:gemeinfd)aft 
geworden.  X)a  gab  es  dann  jene  fd)önen  ;6eifpiele  und 
Momente  des  Ddealismus,  deren  H>öglid)keit  allein  fd)on 
die  Cxipenz  einer  foId)en  einzigen  kün|tlerifd)en  Dnfti» 
tution  rechtfertigt  3Da  gab  es  diefe  rührenden  Crfpar- 
niffe,  die  der  einzelne  fid)  für  die  erfef)nte  Faf)rt  nad) 
I3ayreutf)  auferlegte,  wodurd)  aliein  fd)on  die  Stellung 
des  ?t>enfd)en  als  publikum  zur  Kunft  eine  ganz  andere, 
die  Kunfl:  felbft  eine  öad)e  von  bedeutfamer  Wichtigkeit 
im  Leben  des  einzelnen  ward.  Denn  da  gewann  erp: 
das,  was  für  die  gewöf)nlid)en  Uf)eatergewof)nf)eiten 
eine  mef)r  oder  minder  gute  ftuffüf)rung  fein  mod)te, 
den  eigenartigen  Wert  eines  wahren  Crlebniflfes.  6s 
ward  dem  erlebenden  felbft  zu  jenem  außerordentlichen, 
was  es  feinem  Wefen  nad)  ift. 

Kommen  wir  Deutfd)en  wirklid)  fd)werer  dazu,  uns 
ein  fold)es  außerordentliches  Crlebnis  zu  verfd;affen, 
fo  liegt  dies  meifl:  viel  mef)r  an  den  Berufs-  als  an  den 
Vermögensverl)ältni(Ten.  Wer  überhaupt  in  den  Wod)en 
des  Duli  und  ftuguft  aud)  nur  ein  paar  Zage  zu  einer 
Ferienreife  erübrigen  kann,  und  wem  dann  :0ayreutf) 
ernftlid)  fo  viel  oder  gar  mef)r  Wert  l)at,  wie  das  triefen- 
gebirge  oder  die  Zugfpi^e,  der  bedarf  bei  den  billigen 
fteife»€inrid)tungen  unferer  Zeit  und  bei  befd)eidenen 
ftnfprüd)en  nod)  lange  nid)t  fo  viel  für  das  ganze 
Crlebnis   von  :6ayreutf)   und  des  parfifal.     Wdren  50 


22     nane  von  woLzosen 


oder  60  ffcark  denn  wirklid)  heutzutage  für  die  ?Def)r- 
za\)\  derjenigen  £)eutfd)en,  weld)e  überhaupt  geizig 
befähigt  find,  das  Publikum  für  eine  foId>e  Kunjt  zu 
bilden,  eine  fo  unerfd)winglid)e  8umme,  dag  fie  garnid)t 
imftande  wären,  fie  durd)  Vermeidung  anderer  aus- 
gaben für  X)inge,  welche  i^nen  dod)  weniger  am  fierzen 
liegen  dürften,  zu  diefem  einen  Zwecke,  während  einiger 
3al)re,  fief)  f)eranzufparen  ?  Wenn  man  diefe  einfache 
fted)nung  nur  einmal  mit  gutem  Willen  in  :6etrad)t 
ziel)t  und  nid)t  nur  nachredet,  ivas  man  allzuoft  l)ören 
und  Iefen  mußte:  daß  :8avreutf)  zu  teuer  fei  —  nämlid) 
nad)  dem  fftaßftabe  eines  ,/Cf)eaterbefud)s",  nid)t  eines 
Crlebniffes  — ,  fo  follte  man  dod)  wof)l  foviel  zugefl:ef)en 
muffen,  dag  es  zum  minderen  nid)t  „nur  für  die  fteid)en" 
da  zu  fein  braucht 

Gewiß,  es  könnten  ja  nod)  viel  met)r  nad)  ^ayreutf) 
kommen,  wenn  fte  wollten,  und  wirklich  wollen  es  nod) 
viele  und  können  es  dod)  nid)t,  befonders  von  den 
jungen  Leuten,  bei  denen  die  großen  eindrucke  nid)t 
nur  die  lebhafteren,  fondern  aud)  die  entfd)eidenden 
find.  Wenn  dem  aber  fo  iß,  fo  fragt  es  fid)  dod)  vor 
allem:  ja,  warum  f)aben  denn  diejenigen,  welche  je^t 
:0avreutf)  daraus  einen  Vorwurf  machen,  nid)t  bei  Zeiten 
dafür  geforgt,  daß  es  anders  werde?  8ind  fie  denn 
niemals  dazu  aufgefordert  worden?  Rat  fie  denn 
:ßayreutf)  nur  zu  kün(llerifd)en  ©enüffen  eingeladen  und 
nid)t  aud)  zu  moralifcfjen  Randlungen  ?  Warum  f)at  man 
I3ayreutl)  nid)t  längjt  derart  fictjer  zu  pellen  gefud)t, 
daß  es  aus  der  tatfäd)lid)  red)t  Übeln  Lage  herauskam, 
in  der  es  von  Anfang  bis  beute  fid)  befinden  mußte: 
nämlid)  ganz  gegen  Wagners  urfprünglidjen  plan,  zur 
^Deckung  feiner  Koften  überhaupt  „€ntr£e"  nehmen  zu 
muffen.  €in  täglid)  fpielendes  üf)eater,  mit  reid)f)altig 
wedjfelndem  Repertoire,  in  einer  großen  ötadt,  bei  l)of)en 
für(llid)en  Unterjlü^ungen,  das  freiiid)  —  das  mad)t 
aud)  nod)  Defizits!  Und  :6ayreutf)  mit  feinen  feltenen, 
nur  vierwod)enlangen  öommerfeftfpielen,  wozu  man  aus 


«ny^eutR  23 


aller  Welt  €nden  kommen  muß,  nid)t  nur  das  publikum, 
vor  allem  aud)  die  Künftler  —  und  es  foll  welche  darunter 
geben,  die  nid)t  eben  billig  zu  baben  find  — ;  dazu  diefe 
unvergleichliche  Peinlichkeit  in  der  künftlerifd)en  Arbeit; 
diefe  außergewöhnliche  fDafle  von  Arbeitskräften,  um 
wiederum  das  Außergewöhnliche  zu  ermöglichen:  das 
Alles  erfordert  fd)on  Ausgaben,  deren  wirkliche  fiölje 
man  fid)  kaum  vorteilt,  die  aber  in  der  trat  nur  eben 
durd)  die  Einnahmen  aus  ganz  und  ftets  gefüllten 
fiäufern  erft  im  zweiten  tJaf>re  einer  Heuein^udierung 
gedeckt  werden,  obwohl  dod)  an  die  Veranftalter  der 
Feftfpiele  felbft,  welche  die  ganze  Verantwortung  tragen, 
niemals  ein  Pfennig  „Tantieme"  oder  €ntfd)ädigung 
oder  irgend  etwas  dergleichen,  was  wie  ein  hotyn  für 
i[)re  Arbeit  ausfegen  könnte,  ausgezahlt  worden  ift. 

Wäre  Wagners  urfprünglid)er  bedanke  durchführbar 
gewefen,  fo  ftünde  es  anders.  €r  f)atte  fid)  gedacht, 
fein  ;6ayreutl)er  Werk  folle  nid)t  für  die  tteid)en,  wof)l 
aber  von  den  fteid)en  gefd)affen  werden,  fo  gefd)affen, 
daß  es  alsdann  für  alle,  die  danad)  ernftlid)  verlangen, 
fid)  völlig  frei  darbieten  könne.  Die  Unentgeltlid)keit 
der  Vor^ellungen  war  if)m  von  Anfang  an,  alfo  etwa 
von  1850,  mit  der  Ddee  des  üdealtf)eaters  verbunden 
gewefen.  Aud)  die  #efud)er  des  geplanten  ?ftünd)ener 
Fe|ttf)eaters  waren  nur  als  ©äße  des  Königs  gedacht. 
€rß  im  3af)re  1880  f)at  er  davon  abfegen  muffen,  um  bei 
feinen  Lebzeiten  nod)  wenigpens  den  parfifal  zu  ver- 
wirklichen. Aber  im  prinzip  und  als  Ziel  iß  diefer  be- 
danke be|tef)en  geblieben,  und  was  davon  aud)  unter 
den  je^igen  Ver£äItni|Ten  fid)  konnte  erreichen  lafien, 
das  war  die  €rmöglid)ung  und  €rleid)terung  des  ;6e* 
fud)es  für  Minderbemittelte  durd)  die  €inrid)tung  einer 
ötipendienpiftung. 

Aud)  diefer  <3edanke  findet  fid)  fd)on  in  den  Anfängen 
der  nibelungenarbeit.  Feftere  Geftalt  erhielt  er  alsbald, 
nachdem  es  fid)  1876  gezeigt  [)atte,  daß  die  freiwilligen 
öpenden  der  begeiferten  Freunde  durchaus  nid)t  in  ge- 


24     finns  von  wonzosen 


nügendem  fDaße  eingegangen  waren,  um  je  das  üf)eater 
aus  einem  folgen  „patronatsfonds"  allein  zu  erhalten. 
X)a  äußerte  Wagner  zuerfl:  um  Heuja^r  1877  in  einem 
Schreiben  an  die  Wagnervereine  die  Anfielt,  dag  das 
ü^eater,  welches  bisher  von  "fteid)  und  fiation  gleid) 
unbeachtet  geladen  worden  war,  eigentlid)  erft  dadurch 
red)t  „nationalisiert"  rverden  könnte,  rvenn  durd)  einen 
jäl)rlid)en  Zufd)uß  des  "Reiches  die  €inräumung  einer 
großen ftnzaf)I von  Fr eipl eitlen  für  minderbemittelte 
Deutfd)e  ermöglicht  würde.  Diefe  Anregung  verhallte 
wieder  of)ne  jedes  €d)o*  Und  fo  begründete  er  denn 
wiederum  felbft  allein,  1882,  durd)  feinen  offenen  :6rief  an 
einen  der  feltenften  fteidjen,  die  etwas  €rklecklid)es  für 
:8ayreutf)  getan  Ratten,  an  Friedrid)  8d)oen,  die  fUd)ard 
Wagner-Stipendienftiftung  mit  der  ;6e|ttmmung: 
„gänzlid)  freien  Zutritt,  ja  nötigenfalls  aud)  die  Kopen 
der  fteife  und  des  Aufenthaltes  fo!d)en  zu  gewähren 
denen  mit  der  Dürftigkeit  das  Los  der  meinen  und 
oft  tücl)tigpen  unter  <3ermaniens  Söhnen  zugefallen  ift." 
X)iefe  Stiftung  iß  da,  befreit  nun  fd)on  feit  zwanzig 
<]af)ren,  f)at  für  jedes  Feftfpieljaf)r,  foviel  fie  konnte, 
HMnderbemittelten  aller  Stände  und  :6erufsarten,  be- 
fonders  jungen  Leuten,  Studierenden  und  VoIksIeI)rern, 
die  fftöglid)keit  verfd>afft,  :8ayreutf)  zu  erleben,  es  find 
zulegt  gegen  zef)ntaufend  fftark  in  einem  3af)re  dafür 
ausgezahlt  worden:  das  iß  gewig  fef)r  fd)ön  und  erfreulich 
Aber  wenn  man  bedenkt:  zwanzig  (]al)re  lang  —  während 
;6ayreutl)  künftlerifd)  ftetig  wud)s  und  aud)  immer  mef)r 
Achtung  fid)  errang  —  und  immer  nod)  ift  diefe  Stiftung 
fo  unbekannt,  fo  wenig  beachtet,  fo  gering  bedacht,  daß 
der  Vorwurf  ,,:0ayreut])  ift  nur  für  fteidje"  fid)  behaupten 
konnte  bis  auf  den  heutigen  Zag  —  das  ift  dod)  wiederum 
niederfd)lagend.  Wieviel  mel)r  f)ätte  in  diefer  F>infid)t 
gefd)e()en  follen  —  f)ötte  gefd)ef)en  können,  wenn  f)ier 
das  fteid),  anftatt  den  ©edanken  zu  vertreten  „die  Kunft 
für  alle**,  d.  \).  anftatt  fie  jedem  zum  €rwerbszweig  zu 
überlajfen,  lieber  nad)  dem  allgemein  anerkannten  <3rund» 


&  £ 


«nyseucR  25 


fa$e  „federn  das  Seine*'  Rändeln  wollte.  Der  Kunfl: 
das  Dfjre  geben  —  f)eißt  das  wirklid):  ein  Ausnahme- 
gefe$  geben?  Aber  jletje  da:  aus  Furd)t  vor  einem  Aus- 
naf)megefe^  gibt  man  ja  gerade  ein  foldjesl  ?Dan  pellt 
die  Autorenrechte  unter  das  Kräfte  Ausnal)megefe$,  daß 
fle,  als  :6efi£red)t  aufgefaßt,  nad)  der  kurzen  Frijt  eines 
ffcenfcfyenalters  einfad)  ausgelöst  werden,  was  für 
keinen  anderen  Crwerbszweig  gilt  oder  nur  zu  denken 
wäre.  Dun  Rändelt  es  fid)  F>icr  aber  garniert  um  Äefi^* 
rechte.  6s  Rändelt  fid)  beim  Kunftwerk  um  ein  geiziges 
fted)t,  wozu  vor  allem  der  (3ei(t  und  Wille  des  Künßlers 
gehört,  der  es  gefd)affen  f)at.  Wäre  man  die  Vertretung 
eines  kün|tlerifd)en  Volkes,  man  könnte  es  fid)  garnid)t 
beikommen  laffen,  die  Kunjt  überhaupt  unter  ein  i^r 
fremdes  fted)t  zu  zwingen,  fondern  nad)  dem  :6eifpiel, 
welches  gerade  die  „^ejH^er",  die  €rben  und  Verwalter 
der  Wagnerfd)en  Kunft  in  :8ayreutl)  geben,  dem  #eifpiel 
der  pietätvollen  Öelbjtlofigkeit,  würde  man  die  Kunft  um 
if)rer  felbfl:  willen  auf  dem  ;6oden  fidler  (teilen,  wo  fie 
gewad)fen  i(t  und  wo  fie,  entzogen  jeder  Hot  um  die 
fbaterie,  einzig  nad)  if)rer  Cigenart  gedeihen  kann. 
Aber  da  I)at  man  gleid)  nod)  ein  anderes  Schlagwort 
zur  Rand,  das  allem  ins  ©e(ld)t  fd)lägt,  was  Wagner 
felbft:  von  der  Kun(t  gefordert:  daß  fie  aus  einem  tiefen, 
menfd)lid)enIjebenstriebe,ausdem8eelenbedürfni|Tenad) 
dem  8d)önen  und  Cdelen  der  großen  Lebensfymbole  f)er- 
vorgegangen,  niemals  nur  einer  egoiftifd)en  Befriedigung 
des  8d)önl)eit8finnes  einzelner  dienen  folle.  Dagegen 
fagtmannun:  „Äayreutf)  iftdod)  nur  eine  Luxuskunft" 
—  mit  dem  Hintergedanken:  es  iß  fcuxus,  dag  man  etwas 
dafür  Iei|te.  —  üfl:  dies  waf)r?  Was  ifl:  denn  an  der 
:8ayreutf)er  Kun(t  das  Emxuriöfe?  Der  große  Aufwand, 
den  das  Drama  zu  feiner  lebensvollen  <3efamterfd)einung 
verlangt?  Aber  eben  das  Drama  verlangt  if)n,  und  für 
diefes  Drama  i(t  es  kein  Aufwand,  fondern  Ausdruck, 
notwendiger,  —  ja  am  Stile  gemeflen  —  maßvoller  Aus- 
druck eines  €delen,  Crnften,  €d)ten,  das  an  flefe  gewiß 

ltt4>ard  Straug;  Sit  fDuflii  V.  C 


26     nans  von  wotzosen 


zu  nid)ts  ivenigcr  als  zum  Luxus  gehört  D|t  die  Ein- 
heitlichkeit aller  ftusdrucksmittel  im  :6avreutf)er  Kunft- 
werk  etwa  eine  unkünfl:Ierifd)e  Forderung  ?  Und  ifl:  vielleicht 
das  r6avreut()er  Ord)efl:er,  die  fDuflh  des  Kunjtwerkes, 
wegen  der  reichen  „:ßefel£ung"  nur  ein  Luxus?  Hid)t 
viel  mel>r  reiner  Wusdruck  der  innerlichen  Welt,  die  es 
gibt  und  die  nur  fo  if>re  ganze  Ciefe,  if)ren  ganzen  fteid)- 
tum  auszufpredjen  vermag  ?  Und  diefe  Conwelt  fordert 
eine  if)r  entfpred)endeLid)twelt.  €ine  Sf)akefpeare*;8üf)ne 
pagt  nid)t  zum  :6ayreutf)er  Ord)efter;  und  nur  diefes 
wiederum  paßt  zu  der  erhabenen  Welt  der  ©ötter  und 
Beiden  auf  der  özene.  Alles  dies  i(l  fd}Iießlid)  eine 
Hotwendigkeit  des  :6ayreutl)er  öeiftes,  der  idealen 
Kunft.  Der  geizige  Gewalt,  den  die  ;8ayreutl)er  Kunft 
darbietet,  i(l  fid)erlid)  kein  Luxus;  und  die  Form,  in 
welcher  er  fid)  darbietet,  wäre  Luxus,  lvenn  fie  geijtlos 
rvdre;  i(l  es  aber  nid)t,  fondern  das  (Gegenteil,  weil  fie 
eben  nur  jene  geizige  Welt  zum  entfpredjenden  Aus- 
druck, zur  künftlerifd)en  €rfd)einung  bringt.  Hennt  man 
dies  Luxus  fo  ift  es  alle  Kunft,  alles,  was  über  das 
®ewöl)nlid)e,  das  nurHü^lid^e  fid)  ergebt.  DertJdealismus 
felbft,  alle  öröße,  jedes  <3enie  ift  dann  ein  fündf)after 
Luxus,  und  Luxus  alles,  was  fie  getan  und  ivas  dafür 
getan  wird,  of>ne  8elbftfud)t  und  Gewinn, 

X)er  Vorwurf  der  „Luxuskunft"  —  oder  des  Kunjt- 
iuxus  —  fd>eint  tief  und  ernftlidt)  an  das  fierz  der 
ganzen  Kulturerfd)einung  zu  greifen,  die  l)eute  unter 
dem  Hamen  von  :8ayreutl)  begriffen  wird;  und  dod)  läuft 
er  genau  befel)en  nur  wieder  auf  das  alte,  ganz  äußer- 
liche Urteil  hinaus,  das  pd)  in  das  Allerweltswort: 
„zu  teuer  1"  zufammenfaßte,  und  wogegen,  wie  nid)t 
genug  wiederholt  werden  kann,  Wagners  eigner  le^ter, 
feinem  Volke  f)interla|fener  Wunfd)  der  Förderung  des 
Ötipendien-0edankens,  wenn  er  nur  wirklid)  erfüllt 
wird,  die  ausfd)Iaggebende  Widerlegung  bereits  enthält 
„Wir  können  nid)t  alle  nad)  :8ayreutl)  kommen,  darum 
komme   das  ;6ayreutf)er  Kunftwerk   zu  uns,4'  fagt   das 


■MIUUMMIIl«IIIJL—Bl«U.imil. II  III  I         ,  ■IIIIUIII.il    I    IM.  Hill  IM.  .1.1 

grofje  Publikum.  „Eas  :6avreutf)er  Kunftwerk  ift  nur 
in  und  mit  :6ayreutl)  vorfanden,  darum  kommt  alle 
nad)  :6avreutf)l"  fagt  der  fDeifter.  „ftller  Welt  gebort 
die  Kunft,  darum  gef)e  fie  f)in  in  alle  Welt,"  fagt  —  alle 
Welt  „Verlangt  alle  Welt  nad)  der  Kunft,  fo  komme 
alle  Welt  zu  if)r  nad)  :0ayreutl)",  fagt  der  fDeifter. 
Und  er  wufjte  wof)l,  was  er  fid)  unter  „aller  Welt"  dabei 
zu  denken  f)atte!  —  X)en  Weg  ()<**  W  *br  jedenfalls 
gewiefen. 

X)od)t  wenn  irgend  etwas,  fo  ift  dies  bei  dem  „Kunft* 
werk  der  Zukunft",  das  f)^ute  fd)on  unter  uns  fo  gegen* 
wärtig  zu  leben  fd)eint,  nod)  „Zukunfsmufik" ! 


©as  ftußerordentlidje. 

&ber  ift  nid)t  am  €nde  jedes  Außerordentliche,  jede« 
in  feiner  ftrt  Einzige  fo  etwas  wie  „Zukunftsmufik", 
fobald  man  if)tn  zumutet,  auf  gegenwärtige  Verf)ältni|fe 
und  beftef)ende  <3ewof)nf)eiten  reformatorifd)  einzu- 
wirken? (Jedenfalls  ftef)t  if)m,  einfad)  weil  es  ift,  wie 
es  ift,  von  Anfang  an  eine  mafjlofe  fDad)t  von  Ge- 
wöhnlichkeit und  @ewof)ni)eit  fd)roff  und  zäf)  entgegen. 
Wenn  aber  etwas  überhaupt  die  Kraft  f)at,  dies  zu 
überwinden,  fo  ift  es  eben  das  ttufcerordentlicfte,  es 
muß;  nur  bleiben,  was  es  ift,  darf  nid)t  aud)  erft  zum 
Gewöhnlichen,  zur  <3ewof)nf)eit  werden.  Oder  vielmehr 
—  wenn  man  fid)  wirklich  da  l)ineingewöl)nt,  fo  ift  das 
gewiß;  eine  ganz  andere  (3ewof)nf)eit,  kein  Zeichen  des 
€rfd)lafftfeins,  fondern  des  Auffd)wungs,  kein  Zurück- 
bleiben auf  der  Flädje,  der  „platitude",  fondern  ein 
Cmporfteigen  auf  eine  fiöf)e.  (Ja,  wenn  etwas  als 
Fortfd)ritt  begrübt  werden  darf,  fo  ift  es  eben  diefer 
kräftige  Crwerb  anderer  <3ewof)nf)eiten  auf  den 
Fachgebieten  des  Außergewöhnlichen:  „Wir  muffen  die 


28     nans  von  woLzo©en 


Kraft  baben,  uns  andere(3ewof)nf)eiten  anzubilden," 
fagt  Wagner  (1870)  und  fügt  f)inzu:  „Hur  ein  fef)r  ernjl- 
lid)es,  durd)  große  ©eduld  und  Ausdauer  gekräftigtes 
:6emüf)en  kann  aber  fold)e  (3ewof)nf)eiten  unter  uns 
zu  einem  wirklichen  f)erv  des  Lebens  ausbilden,  ftus 
einem  parken  inneren  fDüffen  heraus  kann  uns  einzig 
die  fiotwendigkeit  zum  Rändeln  erwad)fen;  ol)ne  fold)e 
Hotwendigkeit  kann  nichts  £d)tes  und  Wahres  be- 
gründet werden.*' 

Hun  follte  man  dod)  meinen,  gerade  für  unfere 
Zeit  könnte  die  ©ewöfmung  an  das  ftußergewöl)nlid)e, 
das  ganz  Heue,  keine  fo  gar  fremde  8ad>e  mefjr  fein. 
Wieviel  f)at  fid)  dod)  im  Laufe  des  neunzehnten  <[Jaf)r- 
Hunderts  an  allen  <3ewof)nf)eiten  der  ?Denfd)en  ver- 
ändert! X)ie  Kinder  diefes  merkwürdigen  (Jahrhunderts 
f)aben  fold)e  Heuigkeiten  erlebt  wie  die  €ifenbal)n,  den 
Telegraphen  und  alle  Fortfd)ritte  der  eiektrizität.  Wir 
Deutfd)e  insbefondere  find  aus  einer  Winkel-  in  die 
Weltpolitik  geraten;  wir  finden  uns  über  Had)t  als 
Kolonialvolk  wieder,  und  f)eute  fd)on  liegt  nid)t  mef)r 
unfere  Zukunft  auf  dem  Waffer:  wir  fd)wimmen  fd)on 
ganz  rußig  und  munter  darauf  f)erum,  mit  fiandels- 
und  Kriegsflotten  bis  nad)  Cf)ina  und  Venezuela.  fDan 
reift  heutzutage  nad)  Amerika  und  <]apan,  wie  vor 
hundert  flal)ren  in  der  poftkutfd)e  von  Weimar  nad) 
(Jena.  Warum  foll  ein  fo  beweglid)  gewordenes  Volk 
nid)t  aud)  nad)  ;8ayreutf)  reifen?  Will  man  denn  in 
geipiger  :6ezief)ung  foweit  zurückbleiben  f)inter  den 
ted)nifd)en  Fortfd)ritten  feiner  Zeit?  Will  man  fid) 
gerade  auf  diefem  ©ebiete,  das  dod)  fd)on  innerhalb  der 
Hatur  etwas  außerordentliches,  nämlid)  das  ?ßenfd)lid)e, 
zu  bedeuten  f)at,  fo  gar  nid)t  vom  fieuen  imponieren 
Iaffen,  fid)  gar  nid)t  den  Gefet^en  fügen,  durd)  deren 
Befolgung  man  fclbft  zum  außerordentlichen  fid)  ergebt? 
ftuf  die  fiöf)e  der  (Jungfrau  wird  bald  jeder  pf)ili|ter 
kutfd)ieren  —  er  braucht  fid)  nur  den  (5efe^en  der 
Schweizer  #af)ngefellfd)aft  zu  fügen,    $a,  warum  ver- 


«nytteti'Cfi  29 


langt  man  nid)t  lieber  aud)  —  was  fo  viel  bequemer 
wäre  — ,  die  Jungfrau  folle  zu  jedem  pf)iiißer  kommen  ? 
fftan  verlangt  es  dod)  von  fold)er  geizigen  fiöf)e,  wie 
33ayreutf).  Oder:  tvarum  foll  denn  eine  fold)e  geijlige 
F\öf)e  erft  dann  eine  X)afeinsbered)tigung  f)aben,  ivenn 
es  möglid)  iß,  dag  alle  Welt  dabin  kommt?  Dp:  denn 
„alle  Welt",  die  auf  die  (Jungfrau  fdF>rt,  nun  aud) 
wirklid)  droben?  Ad)  nein,  fie  ifl:  nur  wieder  mitten 
„in  aller  Welt",  nid)t  aber  in  der  f)ol)en  13ergeinfamkeit! 
t)as  außerordentliche  ift  ausgelöst  Der  8d)wamm 
der  Allgemeinheit  iß  darüber  gekommen.  65  bleibt  nur 
nod)  ein  Uriumpf)  der  üedmik.  €ben  dies  aber  f)aben 
wir  nun  bei  einer  geißigen  Außerordentliche^,  wie  es 
eine  große  Kunftfd)öpfung  iß,  nod)  in  der  Rand:  fie  vor 
folgern  Auslösen,  vor  folgern  platt-  und  Glattmachen 
zu  bewahren.  80  wenig  ivir  es  uns  einfallen  laflfen, 
die  8ixtinifd)e  Madonna  in  einem  üurnus  berühmter 
Gemälde  auf  Reifen  zu  fd)icken,  um  fie  in  allen  8tädten 
IDeutfc^lands  und  der  angrenzenden  Kulturländer  zum 
Vergnügen  des  großen  Publikums  auszufeilen,  tveil  ja 
dod)  of)ne  eine  foId)e  allgemeine  Kenntnisnahme  ij)r 
Wert  als  Kunßwerk  nod)  nid)t  „voll  und  ganz"  be» 
(tätigt  wäre  —  oder:  fo  ivenig  rvir  die  peterskird)e  auf 
Collen  fetzen  und  zur  Abwechslung  einmal  auf  die 
fvel)berge  bei  Berlin  karren,  damit  man  im  Zentrum 
deutfd)er  Bildung  davon  Dotiz  nehmen  könne  und 
HMd)elangelo  dod)  endlid)  aud)  in  den  Kreifen  üeltorv 
und  Barnim  populär  werde  —  und  endlid) :  fo  wenig 
wir  es  wünfd)en,  daß  Oberammergau  feine  paffions- 
fpiele  etwa  ein  (Ja^r  in  H>ünd)en,  das  näd)ße  in 
Leipzig,  dann  in  Frankfurt  u.  f.  f.  bis  Ramburg  und 
Königsberg  aufführe,  damit  die  armen  X)eutfd)en  nid)t 
bis  in  die  bayerifd)en  ;0erge  zu  reifen  brauchen,  um 
zu  erfahren,  was  eigentlid)  daran  fei:  ebenfowenig 
follte  man  verlangen  und  mit  eben  fo  geringem  1*ed)te 
darf  man  es  verlangen,  daß  eine  fo  eingeartige  €r* 
fd)einung   wie  13ayreutf)   ij)re   Außerordentlichen,  ihre 

C* 


30     nnne  von  wotizosen 


Cinmaligkeit  preisgäbe,  etwas  anderes,  etwas  <3e» 
wof)ntes,  etwas  allgemeines  werde  und  für  jedermann 
und  überall  bequem  zu  f)aben  fei. 

„"Ja  aber,"  f)öre  id)  da:  „die  bildende  Kunjt  und  aud) 
die  religiöfe  Kunp  in  allen  €f)ren  —  mit  dem  Theater 
i|Vs  dod)  etwas  anderes.  Das  I)at  dod)  eben  den  immenfen 
Vorteil,  dag  es  überall  fein  ;6rettergerüfl:  auffdjlagen 
kann,  dag  überall  auf  if)tn  die  grögten  dramatifd)en 
Kunftwerke  aller  Zeiten  dem  Publikum  allabendlid)  und 
alle  nebeneinander  dargeboten  werden  können  1" 

„60  i|t  der  Deutfd)e",  entgegnet  Wagner  felbfl,  „fo- 
bald  von  Kunft  oder  gar  vom  Cl)eater  die  ftede  ift, 
auf  welchem  Felde  er  feinen  fo  berühmt  gewordenen, 
gediegenen  €rnft  gerade  nid)t  bewährt  1  Ueberredet  if)n 
—  überzeugt  if)n  durd)  Caten  —  ja  —  erfd)üttert  il)n! 
Cr  ifl:  nod)  tapferer  als  feine  öoldaten,  diefe  fallen, 
wenn  fie  erfd)o|fen  find,  if)n  mug  man  aber,  wie  den 
rufflfd)en  öoldaten,  erft  nod)  umflogen?" 

Hun,  Wagner  ^atte  gewig  zeitlebens  genug  über- 
redet, durd)  Caten  überzeugt,  erfd)üttert.  €r  f)atte  fid) 
der  Welt  immer  deutlid)  gezeigt  als  der,  der  er  war: 
diejenige  künftlerifd)e  perfönlid)keit,  weiche  ganz  eines 
war  mit  if)rer  künftlerifd)en  üdee  und  if)rem  Werke. 
Und  ebenfo  f)^tte  er  zeitlebens  in  immer  wiederholten 
gleichen  €rfaf)rungen  und  vergeblichen  Verfurfjen,  fid) 
davon  überzeugt,  dag  die  befreienden  C^eater  if)rem 
Wefen  und  if)ren  Aufgaben  nad)  zu  diefer  feiner  Ddee 
und  feinem  Werke  einen  unvereinbaren  <3egenfa(j  bildeten. 
Was  \)a\f  if)m  das?  €r  \)a\Xz  felbft  Werke  gefd)affen, 
die  eben  den  tf)eatralifd)en  Vorzug,  vor  allen  erfdjeinen 
zu  können,  aufgeben  mugten  und  durften  gegen  den 
kün|tlerifd)en  Wert,  nid)t  für  alle  zu  feinl  Das  alles 
follte  nid)ts  gelten.  Der  Künftler  follte  nun  einmal  kein 
fted)t  auf  das  ftugerordentlid)e  l)aben,  nur  das  "Publikum 
fein  Ytecftt  aufs  Gewöhnliche;  und  wenn  es  etwas  Un- 
gewöhnliches j)aben  wollte,  fo  kam  dod)  nur  eine  ge- 
wifle  Steigerung  des  Gewöhnlichen  dabei  heraus.  „Wir 


«nyfleucfi  31 


rvollen  uns,"  fagte  Wagner  in  den  fed)ziger  <Jaf)ren,  „zur 
Cf)arakterifierung  diefer  Auß;erordentIid)keit  nid)t  mit 
der  Kritik  der  erfolglofen  Verfuge  aufhalten,  nur  er- 
wähnen rvir,  dag;  alle  fogenannten  fDujtervorftellungen 
bisher  nie  den  ;0oden  des  alltäglichen  Cf)eaters  ver- 
liefen und  fid)  eigentlich  nur  als  durd)  Anhäufung  und 
Hebeneinanderßellung  gefteigerte  Virtuofenleijhmgen  zu 
erkennen  gaben";  und  fpäter,  fd)on  im  Anblick  feines 
Cf)eater5,  mit  einem  legten  131ick  auf  die  anderen  draußen: 
„Werke,  welche  i|)rer  Originalität  lvegen  die  f)öd)fte 
Korrektheit  zu  if)rer  Ausführung  erfordern,  würden 
unferem  "Cf)eater  dadurd)  förderlid)  werden,  daß  fie 
außerhalb  def]en  gebellt  und  feiner  verderblichen  Wirk- 
famkeit  entzogen,  in  vollfter  Korrektheit  und  ungetrübter 
fteinl)eit  if)m  als  zuvor  unverftändlidje,  je^t  aber  all- 
feitig  klar  verftandene  Vorbilder  entgegengehalten 
würden.'* 

?Dan  mag  daraus  trößlid)er  Weife  entnehmen,  dafc  die 
ftrenge  öonderßellung  von  ;8ayreutf)  in  Wagners  Sinne 
durchaus  keine  abfolute  Verwerfung  der  anderen  Theater 
bedeuten  follte.  Was  lebt,  foll  leben,  nur  foll  es  in 
feiner  eigenen  Art  tüd)tig  leben  und  feinerfeits  mit- 
wirken zum  Leben  des  Schönen  und  €dlen.  (Jedes 
tTFjeater  verdient  kräftig  erhalten  zu  werden,  das  feine 
künftterifd)en  pflichten  erfüllt,  auf  welchem  Öebiete  der 
Dramatik  es  aud)  fei.  Daraus  kann  fid)  manches  fel)r 
Oute  ergeben,  felbft  für  die  Wagnerifd)en  Werke,  be- 
fonders  aber  für  die  jungen  Produktionen,  welche  ganz 
auf  den  guten  Willen  und  die  guten  Leitungen  diefer 
t^eater  angewiefen  find.  Was  zur  Verbreitung  aud) 
loldjer  idealen  Werke,  wie  der  Wagnerifd)en,  dienen 
kann,  bleibt  der  pflichttreue  diefer  üf)eater  überladen. 
Hur  dürfte  fiel)  keines,  das  auf  dem  ;6oden  der  All- 
gemeinheit, des  Verkehrs  zwifd)en  dem  großen  publikum 
und  des  Direktionsgefd)äftes,  oder  gar  der  Spekulation 
fte[)t,  die  Würde  eines  üdealtfreaters,  eines  :8ayreutf) 
beilegen,  of)ne  gegen  des  TDeifters  eigenften  Willen  und 


B027 


32     finns  von  wokzoeen 


Lebensgedanken  zu  verflogen.  Denn  fein  Lebensgedanke 
und  Lebenswerk  —  ein  eben  fo  felbftändiges  und  un« 
antaftbares  Werk  wie  etiva  feinLof)engrin  oder  feintTrißan 
—  iß  es  eben  gewefen,  gegenüber  dem  tT^eater  für  alles 
und  jedermann,  gegen  überden  Stätten  der  Verbreitung 
und  Verallgemeinerung,  jenes  eine  große ;8eifpiel  zu  geben, 
daß  aucj)  das  Theater,  daß  aud)  das  Drama  etwas 
einzigartiges,  ettvas  Einmaliges,  und  dadurd)  gerade 
etwas  Weihevolles  fein  könne,  ganz  fo,  wie  fonft  ein 
Werk  bildender  Kunft  oder  eine  künftlerifd)  *  religiöfe 
Feier.  X)aß  fo  etwas  bisber  nod)  nid)t  bei  uns  dagewefen, 
follte  am  Ende  dod)  dem  Stolze  darauf,  daß  es  nun 
einmal  da  iß,  und  daß  es  ein  deutfd)es  Werk  iß, 
keinen  Eintrag  tun?  Der  Deutfd)e  ift  ftolz  darauf,  daß 
der  Kölner  Dom  fertig  daftef)t,  aud)  wenn  er  ih>n  nie 
zu  fel)en  bekommt,  er  freut  fi<±>  feiner  fd)önen  Flotte, 
aud)  wenn  er  nie  zur  See  gef)t  Freuen  wir  uns  alfo 
dod)  des  ftußerordent!id)en  aud)  in  diefem  Falle,  und 
laffen  wir  uns  die  Freude  daran  nid)t  ftören! 

ftber  freilief),  wie  follte  man  fid)  daran  erfreuen, 
wenn  man  es  garniert  verlangt?  Wenn  man  wo()l  ein 
„:0avreutf)"  verlangt,  aber  anders  als  Wagner  es  fd)uf, 
und  den  parfifal,  aber  anders  als  er  if)n  gewollt? 
Die  Ddeale  find  nun  einmal  nid)ts  beliebiges,  nid)t  etwas, 
wovon  man  nur  eben  fagen  könnte:  „Fuer  ift  es  und 
dort  ift  es!'*  „Hur  einem  edlen  :8edürfniffe,"  fagt 
Wagner,  „kann  das  Weihevolle  fid)  darbieten,  und 
nid)ts  kann  die  fd)öne  €rfd)einung  fördern,  als  die 
Stärkung  der  Sel)nfud)t  nad)  if)r." 
e».»  Das  redjte  ;0ayreutf)er  Publikum  wären  alfo  die  nad) 
dem  Weihevollen  Sef)nfüd)tigen,  und  eben  einer  fold)en 
SeF>nfud)t  bot  Wagner  zulegt  fein  33üf)nenweif)feß- 
fpiel  dar:  den  parfifaL  Darum  beftimmte  er  diefes 
Werk  fo  ganz  ausdrüdklid)  und  feierlid)  für  ;0ayreutl) 
allein.  Dies  war  der  Ie^te  Schritt  Wagners  zu  dem 
Ziele  feines  Lebens  bin,  und  erft  damit  Y>at  er  es  wirklid) 
erreicht  Sollte  nad)  feinem  Code  die  große  Spur  diefes 


&  ny  n  e  \xz  r\  33 


Schrittes  ausgelöst  werden,  fo  ivürde  damit  Wagners 
Lebenswerk  ausgelöst  Wieder  blieben  von  if)m  nur 
die  einzelnen,  einer  gegenfä^lid)  gearteten  OeffentIid)keit 
Eingegebenen  Werke  übrig.  Das  einzige  I3eifpiel  der 
idealen  Kunp  in  Wagners  öinne  wäre  vernichtet  €s 
wäre  damit  etnms  ftef)nlid)es  getan,  als  wenn  man  das 
deutfd)e  Tteid)  wieder  in  dreißig  Kleinpaaten  zerlegen 
wollte  und  in  jeden  ein  :0ismarck»;OenkmaI  ftellte!  Wo 
wäre  13ismarcks  Werk  geblieben?! 

VI. 

„parfifah" 

?TMt  feinem  parfifal  f)atte  Wagner  ein  Werk  gefd)affen, 
welches  nid)t  nur  wie  der  tting,  für  ein  nationales  Fe)\ 
bepimmt,  durd)  feine  ungewöhnliche  Form  und  die  über- 
mäßigen ftnfprüd)e  an  die  darpellenden  Kräfte  ivie  an 
die  €mpfänglid)keit  des  Publikums  von  vornherein  ein 
„anderes  Theater"  verlangte  und  aud)  wirklid)  fid)  ver- 
fd)afft  f)at.  ftus  einem  „innerlichen  0runde"  fd)rieb 
Wagner  an  Friedrid)  8d)oen,  f)abe  er  den  parfifal  zu 
alleiniger  £luffüf)rung  in  13ayreutf)  bepimmt,  und  diefer 
örund  beruhe  in  dem  „durchaus  unterfd)iedlid)en 
Charakter  diefes  meines  Werkes,  welchem  id)  die  Be- 
nennung eines  ;8üf)nenweif)festfpieles  zu  geben  mid) 
veranlaßt  fand".  „X)en  Veranlagungen,  welche  den  fting 
des  Hibelungen  dem  13üf)nenfePfpielf)aus  in  13ayreutl) 
entführten,  glaube  id)  für  den  parfifal  jede  ;8e- 
pimmung  meiner  €ntfd)lüffe  fd)on  dadurd)  unmöglid) 
gemacht  zu  f)<*ben,  daß  id)  mit  feiner  Dichtung  eine 
unferen  Operntf)eatern  mit  fted)t  durchaus  abgesandt 
bleiben  follende  8pf)äre  befd)ritt." 

Den  Yttng  f)atte  er  an  die  Theater  Eingeben  müfifen, 
um  der  materiellen  Dot  willen,  in  welche  fein  Fepfpiel- 
f)aus  geraten  ivar  infolge  der  ungenügenden  Teilnahme 
der   Dation  an  dem  erpen   iP>r  gegebenen  Fepe.     £)as 


34     nans  von  wotzosen 


Symbol  der  fDaterie,  des  (3oldeö  fclbfl  alfo  mußte  f)ier 
Reifen,  die  ftealität  des  tJdeales  zu  retten.  Dahingegen 
parfifal,  das  Symbol  des  tJdeales  felbft,  follte  die 
Ddealitdt  des  verwirklichten  Fe|ttf)eaters  retten.  XMefes 
Werk  mit  feinem  wefentlid)  religiöfen  Charakter  ver- 
langte nidj)t  allein  ein  „anderes**  üf)eater,  fondern  es 
„weihte"  dieses  nun  befreiende  andere  üfjeater  zu  einer 
Stätte  befonderer  ftndad)t  des  künßlerifd)en  fDenfd)en. 
©alt  es  alfo  eine  TCunft  darzubieten,  welche  nid)t  in  die 
Welt  hinaus  geraten  follte,  damit  fie  gerade  von  ijjrer 
eximierten  Freiftatt  aus  rein  und  groß  auf  die  Welt  und 
aud)  auf  die  Kunft  wirken  könne,  fo  ward  durd)  den 
parfifal  einer  folgen  Kunft  die  denkbar  größere  Sicher- 
tyeit  gewährt.  Wagner  f)atte  darüber  fd)on  im  (Jaljre  1880 
an  den  König  gefdjrieben:  ,,3d)  [>abe  nun  alle  meine, 
fo  ideal  konzipierten  Werke  an  unfere,  von  mir  als  tief 
unfittlid)  erkannte  Cfjeaterpraxis  ausliefern  muffen,  daß 
id)  mid)  nun  wol)l  ernftlid)  fragen  mußte,  ob  id)  nid)t 
wenigftens  diefes  letzte  und  f)eiligfte  vor  dem  gleichen 
Sd)ickfale  einer  gemeinen  Opernkarriere  bewahren  follte. 
€ine  entfd)eidendenötigung  hierfür  f)abe  id)endlid)  indem 
reinen  Öegenftande,  dem  Sujet  meines  „parfifal",  nid)t 
mef)r  verkennen  dürfen,  3n  der  Tat,  wie  kann  und  darf 
eine  Handlung,  in  welcher  die  erl)abenften  fftyfterien  des 
d)riftlid)en  Glaubens  in  Szene  gefegt  find,  auf  Theatern, 
wie  den  unfrigen,  vorgeführt  werden?  3d)  würde  es 
wirklid)  unferen  Kird)envorftänden  nid)t  verdenken,  wenn 
fie  gegen  Sd)außeIIungen  der  gewellteren  fDyßerien  auf 
denfelben  Brettern,  auf  welchen  geftern  und  morgen  die 
Frivolität  fid)  bef)agiid)  ausbreitet,  einen  fef>r  berechtigten 
6infprud)  ergeben.  Hm  ganz  richtigen  <3efüI)Ie  hiervon 
betitelte  id)  den  „parfifal":  ein  „:6üf)nenweif)fe|lfpiel". 
So  muß  id)  if)tn  denn  nun  eine  13üf)ne  zu  weisen  fud)en, 
und  dies  kann  nur  mein  einfam  daftef)endes;6ül)nen- 
feftfpiclf)ausin  rßayreutf)  fein.  Dort  darf  der  parfifal 
in  aller  Zukunft  einzig  und  allein  aufgeführt  werden; 
nie  foll  der  parfifal  auf  irgend  einem  anderen  C^eater 


«ny^eutR  35 


dem  Publikum  zum  Amüfement  dargeboten  werden," 
worauf  der  König  erwiderte:  „Sein  Wunfd)  fei,  dafr  das 
^eilige  :6üf)nenweif)feftfpiel  nur  in;8ayreutf)  gegeben  und 
auf  keiner  anderen  größeren  :8ül)ne  entweif)t  werde*'. 
—  Rat  alfo  Wagner  durd)  den  parfifal  fein  ;8ayreutf) 
gegen  alle,  feinem  künftlerifdjen  kebensgedanken  wider- 
fpred)ende  Anforderungen  fid)er  pellen  wollen,  fo  f)at  er 
andererfeits  aud)  den  parfifal  durd)  das  ;8ayreutf)er 
Raus  vor  Jeder  €ntweif)ung  feiner  eigenen  religiöfen 
Idealität  fieser  gebellt. 

Aber  dies  iß  nid)t  die  einzige  :6efl:immung  des  parfifal 
gewefen.  €r  i(t  nid)t  nur  inf)altlid)  ein  religiöfes,  er  i(l 
feinem  Ausdruck  nad)  ein  künfl:lerifd)es  Werk,  deflfen 
Ausführung,  nad)  Wagners  Worten,  die  „allergrößte 
Korrektheit"  verlangt  :0ei  einem  parfifal  läßt  fid)  nid)t 
durd)  Ieidenfd)aftlid)e  fDomente  und  Attitüden  oder  durd) 
glänzende  Bilder  und  prahlende  Cinzelleißungen  über 
eine  mangelhafte  Wiedergabe  f)inwegtäufd)en.  6in  bloßes 
Simile  genügt  nid)t;  jedes  kün(tlerifd)e  fDanko  ftört  als- 
bald aud)  die  weihevolle  Stimmung,  reißt  heraus,  nid)t 
nur  aus  dem  X)rama,  fondern  aus  der  ganzen  idealen 
Welt,  deren  Symbol  es  ift  Wagner  felbjl  f)at  die  legten 
Kräfte  feines  Alters  aufgeboten,  um  eben  in  diefem 
:8ayreutf)er  parfifal  das  fDufter  in  möglicher  Voll- 
kommenheit reftzufetjen  für  korrekte  Aufführungen  im 
Stile  feines  Kunftwerkes  überhaupt,  und  dies  mit  dem 
€rfolge,  daß  der  parfifal  von  1882  in  der  üat  als  3Dar- 
Pellung  weit  aud)  über  dem  fttng  von  1876  ftand. 

Sd)on  zwei  Dafjre  zuvor  f)atte  Wagner  öffentlid) 
erklärt:  „Um  die  fDögIid)keit  mir  zu  wahren,  nod) 
während  meines  Lebens  vollkommen  ftilgered)te  Auf- 
führungen meiner  fämtlid)en  Werke  mit  der  nötigen 
X)eutlid)feit  und  nachhaltigen  eindringlid)keit  vorzu- 
führen, f)abe  id)  mid)  dazu  entfd)Ioflen,  zunäd)ft  meine 
neuere  Arbeit  ausfd)ließlid)  und  einzig  für  Auf- 
füf)rungen  in  dem  :J3üf)nenfeftfpieIf)aufe  zu 
:ßayreutf)  und  zwar  in  der  Weife  zu  beftimmen,  daß 


36     Fmn5  von  woLzosen 


fie  \)\zx  dem  allgemeinen  "Publikum  dargeboten  fei,  — 
wobei  dann  darauf  gerechnet  wird,  daß;  außerordentliche 
6innal)men  nid)t  nur  die  Koßen  diefer  er|ljäf)rigen  Auf- 
führungen vollkommen  decken,  fondern  aud)  die  fDittel 
zur  Fortfe^ung  der  Feßfpiele  im  darauffolgenden  Dafjre 
verfd)affen  werden,  in  welchem  —  rvie  überhaupt  zu- 
künftig —  nur  in  Bayreutf)  der  parfifal  zur  Dar- 
pellung  gebracht  tverden  foll."  Het^t,  1882,  knüpfte  er 
in  feinem  offenen  Briefe  an  mid)  das  Weitere  an:  „3n 
welcher  Weife  die  einzigen  Aufführungen  des  parfifai 
in  Bayreutf)  den  Hoffnungen  dienen  können,  welche  id) 
wohlwollenden  Freunden  erweckt  F>abe  und  die  nun 
von  diefen  forglid)|*  feftgef)alten  werden  dürften  (nämlid) 
die  Hoffnungen  auf  die  Begründung  einer  „8d)ule") 
wird  fid)  aus  dem  Charakter  diefer  Aufführungen  und 
der  Umftände,  unter  denen  fie  ftattfinden,  leidet  ergeben/* 
Und  ferner:  ,,üd)  f)alte  alljährliche  Wiederholungen  des 
parfifal  für  vorzüglid)  geeignet,  der  jetzigen  Künftler- 
generation  als  8ci)ule  für  den  von  mir  begründeten 
Stil  zu  dienen,  und  diefes  vielleicht  fd)on  aus  dem 
Grunde,  iveil  mit  dem  Studium  desfelben  ein  nid)t 
bereits  durd)  übele  Angewohnheiten  verdorbener  Boden 
betreten  wird,  ivie  dies  bei  meinen  älteren  Werken  der 
Fall  ift,  deren  Auffüf)rungsmodus  bereits  den  :6edürf» 
niffen  unferer  gemeinen  Opernroutine  unterworfen  ward." 
80  fef)en  wir  denn,  wie  parfifal  allerdings  zu  einem 
Liebensquell  für  Bayreuth  geworden  ift,  aber  in  einem 
ganz  anderen  Sinne  als  jenem  materiellen,  den  unferc 
allzu  materiell  geßimmte  Zeit  damit  zu  verbinden  pflegt 
fftan  denkt  fid)  da  die  Sad)e  fo,  daß  der  parfifal  nur 
deshalb  Bayreuth  vorbehalten  bleiben  folle,  weil  diefes 
o()ne  \\)\\  materiell  nid)t  exilieren  könne.  3Dabei 
i|*  aber  nod)  gar  die  Auffaflimg  maßgebend,  daß  Bayreuth 
überhaupt  eine  „€innaf)mequelle"  fei,  welche  feine  Ver- 
walter nid)t  verlieren  wollten.  fDan  traut  alfo  den- 
jenigen, welche  ein  ideales  Werk  und  eine  ideale  Stätte 
mit  felbßlofer  Aufopferung  if)rer  Kräfte  im  ®ei|t  if)res 


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«ayfleutR  37 


8d)öpfers  bisher  erhalten  f)<*ben  und  von  denen  man 
nichts  anderes  als  diefe  fiebere  üatfac^e  weig,  of)ne 
weiteres  die  davon  grundverfd)iedene  öefinnung  zu, 
dag  fte.  um  felber  vom  parfifal  zu  „leben4*,  if)n  der 
„Weif*  entzogen  ivifTen  wollen,  Waf)rf)aftig,  das  f)ätten 
fie  Ieid)ter  f)aben  können,  als  durd)  einen  viertelf)undert- 
jährigen  Kampf  des  Idealismus  gegen  alle  falfd)en 
ftnfd)auungen  und  ftnfprüd)e  des  Zeitgeiftes!  Warum 
f)at  man  in  :8ayreutl)  dann  nid)t  mit  Freuden  zugegriffen, 
als  wiederholt  für  den  parfifal  foldje  Summen  geboten 
wurden,  die  das  Fepfpieltf)eater  auf  immer  fid)er  gepellt 
f)aben  würden  ?  Oder  —  warum  \)at  man  nid)t  lieber 
IängP  fd)on  von  allen  Uf)eatern  für  den  parfifal  fid) 
j)ol)e  Tantiemen  zahlen  laffen,  anpatt  dag  man,  wie  feit 
zwanzig  üaf)ren,  nod)  zwölf  Daf)re  länger  —  unbegreiflich 
für  die  Weltl  —  „gar  keinen  öewinn  daraus  zielet**? 
80  bätte  man  :6ayreutf)  erhalten  und  obendrein  „ein 
<3efd)äft  gemacht**.  Hur  eben  den  parfifal  f)ätte  man 
^ergeben  mü(Ten;  —  warum  f)at  man  if)n  nid)t  her- 
gegeben? Hid)t  weil  ;8ayreutf)  des  parfifal  bedarf, 
fondern  der  parfifal  —  ;8ayreutf)s! 

Wer  diefen  ©edanken  vergebt,  der  weiß;  damit  aud), 
was  der  (bedanke  von  ;6ayreutl)  ip.  Denn  aus  diefem 
Gedanken  heraus  konnte  einp  Wagner  dem  Könige 
fagen,  dag  die  dem  parfifal  zu  gewährende  ;6üf)ne  einzig 
nur  fein  :Cüf)nenfePfpieIf)aus  fein  könne,  fteugerlid) 
betrachtet,  von  dem  <3efid)tspunkte  der  ftuffüf)rbarkeit 
aus,  meint  wof)I  l)eut  nod)  mand)  ein  nachkomme 
derer,  welche  vor  nod)  nid)t  fo  ferner  Zeit  jedes  neue 
Werk  Wagners  für  „unauffüf)rbar**  erklärten:  der 
parfifal  laflefid)  dod)  am  €nde  auf  jedem  „anPändigen" 
t?f)eater  zur  ftuffüf)rung  bringen.  €ine  fold)e  Aufführung 
werde  dod)  gewig  immer  mit  einem  ganz  befonderen 
€rnpe  vorbereitet  werden  und  mit  einer  eigenen  Feier- 
lichkeit von  Ratten  ge()en.  Dagegen  blieben  freilief) 
für  den,  welcher  einigermaßen  allein  von  der  Arbeit 
in  #ayreutf)  eine  ft[)nung   f)at,   mindepens   nod)   fef)r 


38     finns  von  woLzosen 


Parke  Zweifel  übrig,  ob  die  Sad)e  überhaupt  aud)  nur 
mit  der  von  Wagner  geforderten  „Korrektheit"  durch- 
geführt und,  wenn  felbft  dies  einmal  gelungen  wäre, 
auf  die  Dauer  derart  erhalten  bleiben  könnte,  ftn 
die  Cf)eaterleitungen  und  die  Künjtlerkräfte  werden  da 
viel  zu  viel  andere  ftnfprüd)e  gebellt,  um  eine  fold)e 
Konzentration  auf  ein  Werk  überhaupt  zu  ermöglichen ; 
und  wenn  man  (lej)t,  wie  es  an  den  beften  :6üf)nen 
beute  nod)  den  anderen  Werken  Wagners  oft  genug 
ergeben  mu§  und  wie  es  da  vor  allem  gerade  an  der 
einfachen  „Korrektheit"  zu  mangeln  pflegt:  fo  kann  man 
für  dies  fd)wierig(te,  weil  eigenartigjte  und  gegen 
Störungen  der  Stimmung  empfindliche  Werk  dod)  waf)r- 
Iid)  keine  großen  Hoffnungen  auf  ein  plötzliches  fldb 
€mporfd)wingen  zu  :8ayreutf)er  Leitungen  f)egen 
follen. 

Hun  wäre  aber  mit  der  ernten  künftlerifdjen  Korrekt- 
heit der  Aufführung  nod)  lange  nid)t  jenes  eigentümliche 
Kunpwerk  wirklid)  und  völlig  ins  Leben  gerufen,  ün 
:6avreut{)  gilt  es  ja  überhaupt  gar  nid)t  einzelnen  Auf- 
führungen, und  felb|t  wenn  die  jeweilige  Vorßellung 
dort  an  wefentlid)en  Zügen  einmal  etwas  verminen 
liegte,  fo  f)ätte  man  doci)  immer  nod)  das  Wefentlid)e 
des  Werkes  in  der  Art  feiner  ©efamtauffaffung  und 
demnad)  <3efamterfd)einung  erhalten.  Dazu  gehört 
vornehmlich  jene  ganz  befondere  Stimmung,  welche  fid) 
unmittelbar  aus  dem  rßewußtfein  erzeugt,  in  dem  von 
Wagner  fclbft  für  fein  Werk  gefdjaffenen  Raufe,  gewiffer- 
maßen  gegenüber  dem  Lebenswerke  des  ffteifters  felbft 
—  im  Original  — -  fid)  zu  befinden  und  zu  diefem  Zwecke 
allein  aus  der  Ferne  an  diefe  in  der  Welt  einzige  Stätte 
gekommen  zu  fein,  wo  man  dann  wirklid)  aud)  allein 
die  ?K>öglid)keit  F>at,  frei  von  den  vielen  unkünftlerifd)en 
Umbänden  des  gewöhnlichen  Lebens  in  einem  ungegarten 
Frieden  für  geraume  Zeit  fid)  dem  €rleben  einer  wahr- 
haftigen Idealität  ausfc^Iießlid)  zu  widmen.  3n  unferen 
<3ro0ftädten,   deren  Theater   dod)  die   einzigen   wären, 


«ay^eutR  30 


fid)  an  den  parfifal  zu  wagen,  bedeutete  aud)  die  be|te 
Aufführung  immer  nur  eine  fd)öne  Abwechslung  nad) 
der  Arbeit  des  Tages  und  vor  der  fUif)e  des  8d)lafes. 
8ie  wäre  ein  Moment  im  lieben,  in  einer  if)r  fremden 
Welt,  aber  fte  pellte  keine  eigene  Welt  für  fid)  dar, 
worin  der  ?Denfd)  fid)  als  in  ein  oberes  und  reineres 
Clement  des  X)afeins  ganz  eintauchen  könnte.  €s  wäre 
fozufagen:  ein  parfifal  of)ne  <3ralsgebiet. 

80  i^  es  denn  aud)  fef)r  zweifelhaft,  ob  das  Publikum 
jener  Orte  überhaupt  mit  dem  richtigen  Verlangen  und 
im  rechten  8inne  dem  Werke  gegenüber  treten  würde. 
Jedenfalls  würde  der  parfifal,  den  das  publikum  dort 
zu  fef)en  bekäme,  bei  diefem  von  vornherein  auf  ein 
ganz  anderes  ?Daß  von  €indrucksfäf)igkeit  treffen.  Zu 
der  edlen  ttuf)e,  welche  den  8til  diefes  Werkes  benimmt, 
\\e\)t  die  Unruhe  der  Zeit  im  denkbar  krafleften  ©egen* 
fa$.  €s  bedurfte  fd)on  der  allerftärkften  und  feltenften 
Kunftmittel,  um  dem  Werke  und  feinen  fiörern  innerhalb 
diefer  Zeit  die  ?ftöglid)keit  dennod)  zu  verfd)affen,  zu 
einer  fo!d)en  ttuf)e  einmal  völlig  einzukehren.  Dazu 
mußte  eben  erft  die  ganz  abfonderlid)e  und  einzige 
8d)öpfung  eines  außerweltlid)en  Kunftafyles  ftattfinden, 
wie  Äayreutl).  Vieles,  wenn  nid)t  das  meifte,  was  in 
röayreutf),  in  jenem  befonderen  idealen  l*af)men,  über- 
zeugend, ftimmungsvoll,  ergreifend  und  entrückend  wirkt, 
weil  es  dem  dort  f)errfd)enden  feierlichen  Tone,  den 
eigenen  großen  ?toaßen  des  Außerordentlichen  und  des 
Weihevollen  entfprid)t,  das  würde  inmitten  einer  Lebens« 
fpl)äre,  die  von  if)ren  :8ewof)nern  tagaus  tagein  den 
0efd)windfd)ritt  der  modernen  Tätigkeit  erfordert  und 
wo  fid)  das  ölte  „deutfd)e  Andante"  längft  in  ein  un- 
deutfd)  l)a|tiges  Allegro  vivace  verkehrt  f)at,  allein  fd)on 
durd)  den  Tempo  unterfd)ied  fremdartig,  abfpannend, 
geradezu  „langweilig"  und  deshalb  unerträglich  wirken. 
Davon  empfindet  etwas  wof)I  |d)on  jeder,  der  fid) 
törid)terweife  etwa  direkt  mit  dem  Cilzuge  aus  durd)- 
bebten  Arbeitswochen  zum  Fe|tfpielf)aufe   daf)in  reißen 


40     nane  von  wotzosen 


läßt:  er  muß  fid)  feine  €rgriffenf)eit  erfl:  müf)fam  er- 
kämpfen aus  dem  Eindruck  übermäßiger  breite  der  Vor- 
führung heraus.  Um  parfifal  dem  Opernpublikum  auf 
die  Dauer  erträglid)  zu  machen,  müßte  er  alfo  vor  allem 
fein  Cempo  wed)feln,  und  damit  wäre  aus  dem  Grals- 
ritter fd)on  ein  8d)neIIIäufer  geworden.  ftber  aud)  im 
beflen  Falle  würde  er  dem  großen  publikum  gegenüber 
nur  eben  als  „fiovität"  fid)  geben  und  rein  als  fold)e 
„intereflant**  erfd)einen;  diefe  aber  würde  an  foldjer 
ötelle  und  unter  diefen  Umbänden  fid)  bald  genug  als 
leidlid)  „effektlos4*  erweisen,  und  das  €nde  iväre,  daß 
das  Werk  wof)l  eine  Zeitlang  an  den  Opernbüljnen  ab- 
gefpielt  —  nad)  König  Ludwigs  Wort  „entweiht"  — 
worden  wäre,  um  dann  zulegt  dod)  wieder  an  fein  eigent- 
liches ftfvl  wie  zu  feiner  Reinigung  zurückzukehren. 

Der  erfte,  befonders  fd)mäf)Iid)e  Verfud),  unter  völliger 
Hid)tad)tung  des  legten  Willens  eines  deutfdjen  ffceifters, 
obendrein  mit  fiilfe  von  :6avreutl)er  Künftlern,  die  man 
gut  honorieren  konnte,  das  Weif)efefl:fpiel  von  ;6avreutf) 
auf  amerikanifd)em  Boden  zu  einem  öaifonzugftüdk  für 
40  Dollar-Zahler  und  Kaffenßück  für  einen  fid)erlid)  be- 
fonders fpekulativ  veranlagten  Direktor  zu  verwerten, 
gibt  allen  Vorausfagen  über  Charakter  und  Wirkung 
von  &ußer-:6ayreutf)er  Aufführungen  des  Werkes  voll- 
kommen red)t  €s  war  viel  getan  worden,  die  6ad)e 
anders  —  natürlid)  beffer  —  als  in  Bayreutf)  zu  machen, 
wenn  man  aud)  diefelben  Kräfte  dazu  gebrauchte;  aber 
man  konnte  weder  die  amerikanifd)en  Sitten  umwandeln, 
nod)  den  amerikanifd)en  <3efd)mack  täufd)en.  Dazu  f)atte 
das  amerikanifd)e  publikum  dem  deutfdjen  Werke  gegen- 
über die  unbepreitbare  Berechtigung.  €s  durfte  es 
„intereffanf*  finden,  daß  der  parfifal  gegeben  ward, 
und  „ennuyant",  iF>n  anhören  zu  mü(Ten.  Diefe  €f)rlid)- 
keit,  welche  felbß  aus  der  amerikanifd)en  prejfe,  allem 
öoldzauber  zum  Cro$,  deutlid)  genug  fid)  verlauten 
ließ,  war  viel  mef)r  wert  als  alles  künftlerifd)e  Vorgeben, 
der  „Weif*  —  und  nod)  dazu  der  „neuen**  —  das  in 


Z* 8  &£*'*&*>. 


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Zs^jl**      fts^Cv^t     fX^1 


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£m  *&Aer  unveröffentlichter  Brief  Richard  Wagners 

an  den  verstorbenen  Hofkapellmeister  Gustav  Schmidt  in  Darmstadt 

Mit  Genehmigung  und  im  Besitze  von  Frsu  Gattav  Schmidt 


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ßayfieutR  41 


:8ayreutb  gefangene  Werk  Wagners  in  Freiheit  vorzu- 
führen. Wäre  felbp  ein  Vexierbild  gelungen,  nie  kann 
es  in  der  Spbäre  des  Broadway  feinen  Frieden  und 
:8eftand  fyaben,  über  den  fftoment  hinaus  als  ideale 
Kunp  lebendig  wirken,  als  Lebenselement  die  religiöfe 
Weibe  ausflxömen,  die  mit  dem  Willen  feiners  ffteifters 
fo  feft  und  beilig  verbunden  ip,  rvie  mit  dem  Werke 
diefes  Willens:  :6ayreutb-  Wozu  :0ayreutb  Dabrzebnte 
brauchte  und  woran  es  fort  und  fort  arbeitet,  das  bringt 
felbft  fiew-york  nid)t  in  einigen  Wochen  fertig. 

ftuf  diefen  ganzen  prozeft  der  Verweltlid)ung  des 
parfifal  lägt  fid)  red)t  wobl  der  ftusfprud)  des  be- 
kannten Heidelberger  Ul)eologen  Hausrat!)  über  die 
plane  der  öcbloßrenovierung  anwenden:  „Um  zu  er- 
balten, zerftören  fie,  und  fie  erhalten,  was  mit  dem, 
was  die  Welt  entzückte,  nur  nod)  geringe  ftel)nlid)keit 
bat.  Um  zu  fd)affen,  was  an  vielen  Orten  vorfanden 
ift,  opfert  \\)r  l)in,  was  von  allen  fDen|d)en  ibr  allein  beflißt!" 
—  80  kann,  fo  wird  13ayreutb  niemals  tun.  Denn  f)ier 
fpricbt  nid)t  nur  der  Ubeologe  für  ein  bWorifcbes  Denk- 
mal, fondern  der  Künftler  für  ein  religiöfes  Werk. 


VII. 
3Der  ©eifl:  des  Äüfjneniveifjfepfpieles, 

Der  religiöfe  Cbarakter  des  Werkes,  der  es  zum 
Weibfepfpiel  beftimmte,  ifl:  fcbliefclid)  dasjenige  Moment, 
welches  aud)  für  foId)e  feine  öonderftellung  begreiflid) 
macbcn  kann,  die  weder  von  der  ;6ayreutber  Arbeit 
eine  rechte  Vorpeilung,  nod)  aud)  für  den  öefamt- 
begriff  der  #ayreutber  Kunp,  für  diefe  ftimmungsvolle 
8til-6inbcit  von  Kunßwerk,  Kunßftätte  und  künftlerifd)em 
Publikum,  volles  Verftändnis  baben.  Wer  das  Religiöfe 
überbaupt  nid)t  liebt  und  nid)t  wünfd)t,  dag  ibm  irgend- 
wober,  aud)  aus  künßlerifd)en  eindrucken,  neue  Kräfte 

ttidjard  8trau&:  JDie  ffcufik  V.  X> 


42     finns  von  wonzosen 


zuwad)  fen,  der  fagt  wof)l  leid)t()in:  „Aud)  der  parfifal 
ift:  nur  ein  Kunßwerk,  l'art  pour  l'art,  und  nur  fein  Stoff 
ip  zufälliger  Weife  der  d)rifl:Iid)en  Legende  entnommen, 
tvie  der  des  Thinges  dem  f)eidnifd)en  7ftyt\)o&."  €s 
Rändelt  fid)  aber  ^\er  nid)t  um  den  Stoff,  fondern  um 
den  <3eip;  und  das  ifl:  derfelbe  <3ei|t,  der  zur  Zeit  der 
Vollendung  des  parfifal  and)  in  den  Auffä^en  Wagners 
„Religion  und  KunjV*  und  „fieldentum  und  Cf)ri|tentum** 
ftd)  zum  Ausdruck  gebracht  \)at  Dies  ift  gar  nid)t  von 
einander  zu  trennen;  es  find  die  unzweifelbar  wahr- 
haftigen €manationen  derfelben  ^Individualität,  der- 
felben  Weltanfd)auung.  €ine  andere  Weltanfd)auung 
f)ätte  fid)  zu  if)rem  künftlerifd)en  ausdrucke  freiließ 
aud)  fd)on  einen  anderen  Stoff  gewählt  Wo  das 
C(>ri|tlid)e  nur  ein  Kleid  ift,  da  befindet  fid)  aud)  nichts 
darunter,  was  fid)  ausdrücken,  fondern  nur  eben  etwas, 
was  fid)  verkleiden  ivill;  und  das  find  niemals  Welt- 
anfd)auungen  oder  künftlerifd)e  perfönlid)keiten.  Wer 
aud)  nur  die  Sd)Iu§klänge  des  parfifal  vernimmt,  wie 
fie  die  fiörer  von  ;8ayreutf)  wieder  in  die  Welt  ent- 
laden, aus  verfd)webenden  Spf)ärenklängen  der  fiarfen 
Park  und  fefl  wieder  zufammengefaßte  pofaunentöne 
des  religiöfen  fiauptmotives,  der  muß  es  mit  fieinrid) 
von  Stein  tief  und  deutlid)  füllen,  daß;  l)ier  ein 
Glaubensbekenntnis  abgelegt  wird.  XDurd)  das  ganze 
Werk  gef)t  die  ^eilige  <3ejtalt  des  fieilandes,  unfid)tbar, 
aber  geheimnisvoll  wirkfam  l)indurd).  Sd)on  im  Vor- 
fpiel  l)ören  wir  feine  Stimme,  feinen  Segen  und  feine 
Klage;  und  wieder  vernehmen  wir  fie  in  feinen  Worten 
von  der  €infe^ung  des  Abendmahles,  wie  fie  im  <3rals- 
tempel  als  Wei^efprud),  gewiflermaßen  als  beilige 
„Zitate**,  mit  der  zarteren  Feierlichkeit  wiederholt 
werden.  (Ja,  wir  fef)en  den  Ausfluß  feines  Wefens,  das 
„f)eilige  ;81ut**  in  der  <3ralsfd)ale,  vor  unferen  Augen 
erglühen,  wie  wir  fpäter  den  Speer  felber  fef)en,  der 
„dem  <3öttlid)en  am  Kreuze  die  Wunde  ftad)",  X)er 
leidende  fieiland   zieljt   an   uns  vorüber  in  den  ßillen 


«ay^eucR  43 


Trauerklängen  feiner  Kreuztragung,  deren  Kundry 
fierodias  gedenkt,  die  fie  —  und  nrir  mit  i()r  —  in  der 
pt)antafie  erfd)aut,  als  fie  uns  das  Furchtbare  verrät: 
,,3d)  fal)  3f)n  —  Df>n  —  und  lachte  1"  Und  aud)  in  dem 
Kreuzzeid)en,  womit  parfifal  die  Zauberprad)t  Klingsors 
vernichtet,  fd)eint  fid)  die  <3efl:alt  des  Crlöfers  als  des 
l*id)ters  vor  unferem  ©eifte  fiegreid)  f)od)  aufzurichten. 
Wenn  dann  am  8d)luffe  des  Werkes  die  weiße  Taube 
fegnend  l)erabfd)webt  auf  den  aus  Sünderi)and  be- 
freiten <3ra\  —  rver  empfände  da  nid)t  red)t  in  innerfter 
8eele  die  Bedeutung  der  <3nadenmad)t  jenes  Reilands- 
geiftes,  der  die  ganze  Handlung  durd)  Leiden,  Kämpfen 
und  fioffen  weihevoll  durd)wel)t  l)atte?!  —  (Ja,  er  ift 
überall  für  das  empfinden  gegenwärtig,  rvo  nur  ein 
Wort  fällt,  welches  der  religiöfen  8pf)äre  angehört, 
und  eben  darum  wirkt  ein  foldjes  Wort  aud)  ftets 
feierlid)  ergreifend,  geradezu  religiös  (timmend.  So, 
ivenn  6urnemanz  von  der  <3ralsfd)ale  fprid)t:  „daraus 
er  trank  beim  legten  Ijiebesmal)le",  wenn  die  Jünglinge 
im  Tempel  fingen,  wie:  „den  fündigen  Welten  in  taufend 
8d)tnerzen  einfl:  fein  131ut  geflogen",  rvenn  ftmfortas 
verzweiflungsvoll  feine  Wunde  vergleicht  mit  der  des 
Crlöfers:  „aus  der  mit  blutigen  Tränen  der  <3öttlid)e 
weint,  ob  der  ?ßenfd)l)eit  Sd)mad)",  wenn  parfifal  die 
Klage  des  Reilands  vernimmt:  „6rlöfe,  rette  mid)  aus 
fd)uldbefleckten  Randen  1*',  ivenn  endlid)  der  „aller- 
beiligpe  CI)arfreitag"  über  dem  tragifd>en  (Gebiete  der 
Randlung  aufgebt,  und  0urnemanz  in  feiner  Deutung 
des  „Cf)arfreitagzaubers"  das  Wunder  von  „<3ottes 
diebesopfer"  verkündet,  durd)  welches  „aud)  die  ent- 
fündigte  Hatur  beut  il)ren  Unfd)uldstag  erwirbt"  —  bis 
wiederum  zu  jenem  legten  feierlid)  geheimnisvollen:  „6r- 
löfung  dem  erlöferi"  8ind  das  woj)I  Worte,  find  das 
aud)  nur  ©edanken  und  Vorftellungen,  welche  im 
„Theater*  denkbar  wären?  fiier  ifl:  alles  fo  zart,  dag 
es  nur  in  einem  ;6avreutf)er  Kunfterlebniffe  nid)t  als 
profanierend    empfunden    wird,   und   zugleid)   fo   zart, 


44     fiwns  von  woLzosen 


daß  es  an  jedem  Operntf)cater  nur  als  profanierend 
empfunden  werden  kann. 

Der  :6efud)  einer  Vorftellung  des  parfifal  in  13ayreut() 
bedeutet  ein  eingeben  in  die  ftuf)e  aus  der  Unruhe  des 
Lebens.  8crjon  darin  mag  man  ein  fDoment  ferjen, 
weldjes  einer  religiöfcn  Wirkung  verwandt  ift,  aber 
aud)  ein  wcfentlicrjes  Kennzeichen  der  8p[)äre  des 
idealen  Kunftiverks  fclbcr.  Was  draußen,  aud)  in 
den  Werken  der  Kunft,  den  Dervöfen,  den  Leidenfcrjaft- 
lid)en  wiederum  leidenfd;aftlid),  nervös  erferjeint,  das 
erferjeint  rjier  den  13erur;igten  und  Freien  als  gebunden 
in  der  Form  des  8d)öncn,  als  befreit  in  die  8pj)äre  des 
€rr;abencn. 

Keineswegs  ift  aber  damit  der  „parfifal"  für  ein  Werk 
erklärt,  das  etwa  aus  einer  „peffimiftiferjen"  <3rund- 
(Kimmung  heraus  zur  quictißifd;cnpa(Tivität  führen  rvolle! 
-  peffimismus  in  diefem  fe()r  landläufigen  8inne  iß 
ivcder  der  öeift  des  parfifal,  nod;  überhaupt  der  13ay 
reutber  Kunft.  Wenn  aud)  Wagner  früher  einmal  gefagt 
bat,  in  einem  Werke  der  cdelftcn  Kunft  werde  „die 
Hid)tigkeit  der  Welt  ivic  unter  Läcfjeln  zugeßanden",  fo 
beifrt  dod)  die  Hid)tigkcit  in  der  Welt  erkennen  nid)t 
foviel  als  in  der  Welt  nur  nichtiges  erkennen.  Vielmehr: 
die  Kunft  fclbft,  indem  fle  über  die  Welt  aufklärt,  bildet 
in  irjr  eine  jener  großen  idealen  potenzen,  durd)  welche 
der  ffrenfd)  allein  fid)  in  der  Welt  moralifd)  zu  behaupten 
vermag;  flc  zeigt  irjm  die  parken  und  unvergänglichen 
fittlid)cn  Kräfte  des  fDenfcrjenwefens,  rveld)e  über  alle 
Hid)tigkcit  der  Welt  fiegreid)  fierr  zu  werden  berufen 
find.  80  wenig  ift  paffivität  die  Lef)re  der  (3rals- 
tempels,  daß;  gerade  fie  ja  das  fd)were  Leiden  ift,  welches 
die  <3raisritterfd)aft  fo  tief  niederdrückt,  und  worüber 
öurnemanz  klagt:  „Hie  kommt  uns  13otfd)aft  mef)r  nodf) 
ftuf  zu  ^eil'gen  Kämpfen  aus  der  Ferne.**  Die  ganze 
Handlung  des  parfifal  dringt  auf  die  €rmöglid)ung 
reiner,  idealer  Heldentaten.  Der  f^Möe  Gral  felb^ 
fegnet  mit  feinem  göttlichen  <3Ianze  das  13rot  und  den 


ä  n  y  tf  e  u|tr  r  45 


Wein,  dag  fie  im  Leib  und  13Iut  der  fttenfdjen  fid)  ver- 
handeln zu  neuen  Kräften,  „um  zu  kämpfen  mit  feiigem 
fDute"  und  „zu  wirken  des  fieilands  Werke".  5o  ftrömen 
aud)  von  einem  Werke  tvie  parfifal,  in  deffen  reinem 
€rlebnifle  als  Kunftwerk,  wiederum  ideale  Kräfte  —  Tat- 
kräfte —  in  viele,  unzählige  empfängnisfäf)ige  Seelen. 
Aus  diefen  und  durd)  fie  nun  können  und  follen  fie 
weiter  wirken  in  einer  Weife  und  mit  einer  Kraft,  wie 
fie  die  reale  Welt  des  träges  fonft  nid)t  kennt  nod)  von 
fid)  aus  übt  Aber  nid)t  etwa  nur  auf  der  Linie  der 
Kunft  und  nid)t  nur  durd)  neue  Kunfterlebniffe  allein 
foll  diefe  Fortwirkung  fid)  vollziehen,  fondern  vielmehr 
nad)  allen  möglichen  Weitungen  f)in,  wo  immer  jene 
Seelen,  die  befähigt  waren,  am  reinen  Quell  zu  fd)öpfen, 
nun  überall  inmitten  der  Welt  als  gleid)gefinnte  geizige 
perfönlid)keiten  in  if)ren  vermiedenen  Lebenskreifen 
wirkfam  zu  werden  vermögen:  Alle  aber  in  dem  Sinne 
jener  Aktivität  der  Gr  aisritt  er  fd)aft,  welche  durchaus 
eine  Aktivität  ift  der  fierzensreinf)eit,  der  Wahrhaftigkeit 
und  der  (Gläubigkeit,  und  die  als  eine  fold)e,  gleid)  jeder 
edelen  Lebenskraft,  nur  beitragen  kann  zur  €rf)ebung 
der  n>enfd)l)eit  zu  ij)rer  wahren  Würde  und  Beftimmung. 
So  bildet  Kunft  —  Kultur. 

Soll  aber  die  Stärkung  eines  tatkräftigen  tfdealismus 
aud)  wiederum  der  Kunft  zugute  kommen,  fo  wird  dies 
nid)t  allein  in  einer  Rebung  einzelner  Kunftzuftände, 
einer  Veränderung  einzelner  Kunftgewof)nf)eiten  beftef)en 
dürfen:  es  wird  fid)  vor  allem  zurüchbezief)en  muffen 
auf  „den  Quell,  aus  dem  fie  flog*',  auf  Bayreutf).  3ft 
der  parfifal  das  Werk  und  Bekenntnis  eines  (Glaubens, 
fo  wird  die  durd)  ein  Crlebnis,  wie  das  des  13üj)nen- 
weif)feftfpieles,  geparkte  Glaubens  fäf)igkeit  aud)  darin 
fid)  zu  bekunden  l)aben,  dag  der  Glaube  an  dieDdealitäten 
des  Lebens  aud)  als  Glaube  an  Bayreuth  fid)  mef)r 
denn  fonft  betätigt.  X)ie  deutfdje  Kunft,  welche  dort  if)re 
Stätte  gefunden,  das  feftlidje  Kunftwerk  des  Idealismus, 
bedarf  diefes  Glaubens  wo|)I  allermeift  inmitten  unferer 


46     Rnns  von  wonzosen 


Zeit,  welche  in  fo  f)of)em  Grade  gläubig  zwar  gegenüber 
dem  Idealen  und  Materiellen,  dem  üed)nifd)en  und 
Wiflenfd)aftlid)en,  ungläubig  aber  ip  gegenüber  dem 
Ddealen.  Wagner  felbfl:,  vom  Glauben  an  den  deutfd)en 
Geift  befeelt,  \>at  den  Glauben  feiner  ?lMtmenfd)en,  HMt« 
deutfd)en  fo  viel  und  fo  oft  vergeblid)  angerufen:  „Was 
id)  anflrebte,**  fagte  er,  „iß  an  fid)  eine  wirkliche  ffcöglid)» 
keit;  davon,  dag  alle  die,  welche  über  die  Kräfte  zu  if)rer 
Verwirklichung  verfügen,  den  Glauben  an  fie  gewinnen, 
I)ängt  if)re  Erreichung  ab**;  und  er  wugte  dabei  wof)I, 
daß;  er  immer  tvieder  nur  auf  den  zu  Willen  erßarkten 
Glauben  der  einzelnen  könne  zu  l)offen  f)äben,  rve\d)e 
wirklid)  „HMtwiffer"  feines  Werkes  geworden  waren. 
„Die  von  mir  gemeinte  künfl:Ierifd)e  €rfd)einung  ift  nur 
durd)  die  Kraft  eines  gemeinfamen  Willens  zu  vermitteln, 
und  diefen  Willen  in  einzelnen  wohlwollenden  HMnnern 
und  denkenden  Köpfen  angeregt  zu  b^ben,  kann  für 
jefct  mein  einziger  6rfolg  fein,  fßöge  id)  foweit  wenigftens 
HMtwifler  und  "Teilhaber  meiner  ftbfid)t  gewonnen  f)aben, 
und  möge  diefen  der  €ifer  ent|tef)en,  neue  HMtwiffer  und 
Ceilf)aber  zu  gewinnen/* 

jDiefes  Wort  und  diefer  Wunfd)  find  nod)  beute  in 
gleicher  Geltung,  und  nod)  beute  richten  fle  fid)  an  alle, 
die  überhaupt  von  13ayreutf)  etwas  wi(fen  wollen  und 
um  denparfifal  fid)  bekümmern.  X)as  Werk  von  13ayreutl) 
ift  nod)  nid)t  vollendet,  e\)e  nid)t  der  Gedanke  von 
:6ayreutf)  völlig  begriffen  und  durchgeführt  ift. 

JDazu  aber  gehört  einerfeits  ein  Wirken  des  V  e  r fl:  ä n  d « 
niffes,  welches  eingefet)en  l)at,  dag  die  großen  6r- 
fd)einungen  in  diefer  Welt  wof)l  gar  fef)r  Iangfam  eine 
zur  anderen  fid)  addieren,  nid)t  aber  fo  gefd)winde  und 
nad)  belieben  fid)  multiplizieren  laflen,  dag  alfo  aud) 
#ayreutl)  feiner  Eigenart  getreu  als  einziges,  wirklid) 
außerhalb  der  allgemeinen  Cl)eater»Welt  gepelltes  &fyl 
der  Ddealkunft  zu  erhalten  ift ;  andererfeits  ein  Wirken 
der  Empfindung,  welche  wünfd)en  mug,  dag  zu  diefem 
fid)felbp  erhaltenen  13ayreutf)  nun  aud)möglid)fl:  alle  dafür 


«ay«eutR  47 


empfänglichen  Seelen  hingelangen,  zu  welchem  Zwecke 
eine  groß  ausgeführte  Förderung  der  Bayreutf)er 
Stipendienpiftung  als  das  gegebene  HMttel  fid)  dar- 
bietet Dies  find  Betätigungen  einer  verwandten,  ja, 
der  gleichen  ©efinnung,  wie  (le  Bayreuth  felbp  fd)uf, 
den  parfifal  dichtete  und  nun  beides  erhält;  und  (le 
berufen  im  ©runde  auf  Ueberwindung  des  Egois- 
mus. Damit  ip  für  die  ftuffaflung  und  Stellung  der 
Kunp  überhaupt  jener  Boden  der  fDorali tat  gewonnen, 
der  nad)  Wagner  der  ©rund  jeder  wahrhaftigen  KunP- 
blüte  fein  muß,  jene  innerliche  Kraft,  die  if)tn  als  die 
in  Sonderheit  deutfd)e  Kraft  gegolten,  wovon  er  am 
©rundpeine  feines  FePfpielf)aufes  vor  mef)r  als  dreißig 
(Jahren  (22.  fftai  1872)  die  Worte  gefprod)en  f)at:  „Dies 
ip  das  Wefen  des  deutfd)en  ©eipes,  daß  er  von  innen 
baut"  „80  will  id)  diefen  Stein  als  den  Zauberpein 
bezeichnen,  deffen  Kraft  die  verfd)loflenen  ©ewiffen  jenes 
©eipes  löfen  foll.  Sd)on  je^t  ip  er  park  und  fep  gefügt, 
um  dereinp  den  pölzen  Bau  zu  tragen,  fobald  es  das 
deutfd)e  Volk  verlangt,  zu  eigener  61>re  mit  3I)nen 
in  feinen  Befi£  einzutreten**  — 

Wann  wird  das  deutfd)e  Volk  dies  verlangen  ?  Hid)t 
ef)er,  als  bis  es  die  ganze  Bedeutung  diefes  Befi^es 
erkannt  bat  €s  ip  nid)t  ein  totes  <3ut,  das  man  nur  zu 
f)aben  verlangt,  fondern  ein  lebendiges  Wefen,  das  man 
felber  bis  zur  Vollendung  fid)  ausleben  laflen  will.  6s 
ip  der  ©edanke  von  Bayreuth,  welcher  eine  Lebens- 
gefährte \)<xt,  deren  Ziel  nod)  f)eute  und  wol)l  auf 
Iangef)in  ein  „Kunpwerk  der  Zukunft  ip". 


3 


"2. 

CT 
& 

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Aufnahme  <von  E.  Bieber,  Berlin 

SIEGFRIED  WAGNER 


«ny^eucR  49 


Zweiter  ftbfd)nitt: 

X)ie  ©efd)id)te  von  ;0ayreutf)* 


U  einer  vollftändigen  <3efd)id)te  von  :0ay- 
reutf)  rvürde  als  ein  tvefentlid)er  Teil 
feine  Vorgefd)id)te  gehören,  rveld)e  in 
Ttfd)ard  Wagners  Leben  bis  auf  den  Anfang 
der  fünfziger  #af)re  des  vorigen  (Jahrhunderts  zurück- 
reicht öofern  als  diefe  Vorgefcf)id)te  zugleid)  <3efd)id)te 
des  Gedankens  von  13ayreutf)  ift,  f)at  der  erfte  ftbfd)nitt 
diefer  5d)rift  darauf  fd)on  ftückfid)t  genommen;  im  übrigen 
aber  j)at  gerade  die  neuere  Xeit  allen  denen,  iveldje 
fid)  darüber  gut  unterrichten  ivollen,  ein  :0ud)  gebracht, 
deflen  Studium  fie  garnid)t  umgeben  dürfen:  <3lafenapps 
dritten  I3and  vom  „Leben  Ytfd)ard  Wagners**,  rvorin  die 
n?id)tige  Periode  von  H>ünd)en  bis  zu  der  ©rundßein« 
legung  in  ;0ayreutf)  mit  der  größten  f)ifl:orifd)en  öenauig» 
keit  abgehandelt  und  aud)  fd)on  die  befl:e  inhaltsreiche 
und  belehrende  Veröffentlichung,  die  Briefe  Wagners  an 
Friedrid)  Feuftel  (13ayreutt)er  Blatter,  1903),  verwertet 
tvorden  i|t  —  6s  rvar  die  keidensgefd)id)te  des  Hdealis- 
mus,  der  fid)  alsdann,  feit  ;8ayreutf)  rvirklid)  befl:ef)t, 
die  unaufhörliche  ttotgefd)id)te  der  Idealität  fo!d)er 
idealen  X)inge  angefd)loflen  f)at  3Die  Leidensgefd)id)te 
zeugte  für  die  öröße  und  Waf)rf)eit  des  (Gedankens, 
der  mit   einer   Welt   von  Fremdheit,   Widerfprud)   und 


50     Ran8  von  wotzosen 


Feindfd)aft  zu  kämpfen  f)atte;  das  Zeugnis  würde  aber 
nid)t  genügt  f)aben,  wenn  es  dem  rvillensmädjtigenffteifter 
nid)t  gelungen  wäre,  den  bedanken  endlid)  aud)  in  tat 
und  Werk  umzufe^en.  Hun  zeugt  das  Werk,  zeugt  das 
wirkliche  und  fortwirkende  Bayreutf)  für  if)n,  und  kann 
es  felbft  aud)  nur  begriffen  werden  aus  jenem  (bedanken, 
fo  ermöglicht  es  dod)  feinerfeits  erft  ein  volles  Verftändnis 
für  jenen  durd)  feine  fid)tbaren  und  hörbaren  künftle» 
rifd)en  Taten,  X)afy  diefe  nid)t  weniger  als  der  (bedanke 
mit  beiden  und  Höten  fort  und  fort  zu  kämpfen  Ratten 
und  l)aben,  ja,  dag  fie  alle  nod)  nid)t  hingereicht  l)aben, 
um  das  ganze  Werk  von  Bayreutf)  zur  Vollendung  zu 
bringen,  dag  vielmehr  nod)  fef)r  Wefentlid)es  zu  tun 
bleibt,  um  Wagners  (bedanken  durchaus  zu  verwirk- 
lichen: das  beweift  wiederum  nur,  dag  aud)  die  Realität, 
die  fo  bedeutend  und  glänzend  unter  uns  lebt  und  wirkt, 
il)rer  idealen  ftrt,  i^rem  geizigen  Urfprung,  if)rem 
fDeiper  felber  treu  geblieben  ift  und  als  eine  Betätigung 
des  reinften  Ddealismus  das  IJeidensfd)ickfal  und  die 
Hotbeftimmung  alles  <3rogen,  6dlen  und  Wahrhaftigen 
auf  £rden  keineswegs  eingebüßt  f)at  ?^ls  Zeugnis 
alfo,  nid)t  allein  für  die  Waf)rf)eit  des  (Gedankens  von 
Bayreuth,  fondern  aud)  für  die  €d)tf)eit  feiner  ftus» 
füf)rung  und  X)urd)füf)rung,  möge  l)ier  die  @efd)id)te 
der  13ayreutf)er  Feftfpiele  feit  1876  unfere  bisher 
mitfammen  angepellten  Betrachtungen  ergänzen  und 
betätigen, 

I. 

X)ie  Feßfpiele  unter  Wagner. 

X)ie  Bayreutf)er  Feftfpiele  der  erßen,  abgefd)Io|fen 
hinter  uns  liegenden  Periode  laffen  fid)  in  fünf  ©nippen 
teilen,  deren  erfte  keine  ©ruppe  iß,  fondern  der  einfame 
'Ring  von  76;  darauf  folgen  vier  £)reif)eiten:  die  drei 
erften  parflfal  82,  83,  84  — ,   dann,   (tets  mit  il)m   ver- 


«ay^eucR  51 


bunden,  zuerfl:  die  fpäteren  Werke:  ^riftan  86  und 
fDeißerfinger  88,  80,  —  f)ißt-auf  die  früheren:  üann^äufer 
01,  02  und  fcofjengrin  04,  —  endlid)  dreimal  der  erneute 
Tttng  06,  07,  00,  zulegt  tvieder  verbunden  mit  den  fDeifter- 
fingern,  wie  zum  erften  Ausdruck  der  Freude  über  die 
damit  vollbrachte  Arbeit  erßmaliger  Fixierung  diefer 
Werke  in  I3ayreutf).  €ine  zweite  periode,  dem  ge- 
fiederten ;0e fitz  der  13ayreutf)er  Kunfl:  gewidmet,  mußte 
nun  die  vollßändige  tteif)e  fämtlid)er  Werke  mit  dem 
nod)  fehlenden  Vorfpiel,  dem  Fliegenden  Holländer, 
beginnen,  dem  z\mäd)ft  der  ,/Cannf)äufer"  in  diefem 
(Jal)re  folgt 

blicken  rvir  je^t  auf  jene  ganze  er(le  periode  zurück, 
auf  die  25  (Jal)re  Bayreuth)  feit  76,  fo  dürfen  diejenigen, 
welche  fid)  an  der  großen  fteif)e  kün|tlerifd)er  Crlebnifle 
mit  lRed)t  erfreut  f)aben,  nid)t  etrva  meinen,  man  wolle 
diefe  Freuden  oder  auej)  das  fted)t  dazu  if)nen  ver- 
kleinern, indem,  wer  von  13ayreutf)  felber  f)er  alle  flöte 
der  Arbeit  kennt,  zunäd)ft  und  befonders  daran  denkt, 
welche  unaufhörlichen  öorgen  und  fftüfjen  an  die  t)ar- 
bietung  fold)er  <3enüffe  geheftet  waren.  Dm  <3egenteill 
Wollte  man  in  ;6ayreutf)  einer  rechten  Freude  Ausdruck 
geben,  fo  wäre  es  gerade  darüber,  daß  fid)  feine  —  id) 
darf  wof)l  fagen  —  Heiden  umgefet^t  f)aben  in  die  Freuden 
der  anderen,  all  derer,  die  if)tn  Freunde  waren  und 
Freunde  wurden.  Aber  es  kann  nid)t  fdjaden,  wenn 
aud)  die  Freude  das  13ewußtfein  davon  behält,  daß  fie 
aus  8d)tnerzen  geboren  iß,  wie  alles  öroße  und  8d)öne 
diefer  Welt  t)as  Heiden  bedeutet  dod)  einmal  die 
göttliche  Berufung  des  ?ftenfd)en  zu  feinen  l)öd)ften 
Zwecken  und  Zielen. 

Wie  Wagner  fclbft  f)at  leiden,  forgen  und  fid)  müf)en 
muffen,  oft  faß  verzweifeln  wollte,  dod)  nie  verzweifelt 
ip  in  den  bangen  Zeiten  der  Vorbereitungen  zu 
den  erßen  Feftfpielen,  das  ifl:  ja  nun  woj)l  durd) 
mancherlei  Veröffentlichungen,  insbefondere  durd)  die 
oben    genannten    Briefe    an    Friedrich    Feuftel    be- 


52     R&ns  von  wonzosen 


kannt  geworden.  fftan  weiß,  dag  die  Fepfpiele  von  76 
nur  erp  mit  knapper  Hot  überhaupt  zupande  ge- 
kommen waren,  dag  im  Ted)nifd)en,  8zenifd)en,  Deko- 
rativen nod)  manches  daran  fehlte,  was  dann  die  Kritik 
für  Stilfehler  des  ffoeifters  naf)tn  —  das  fogar  die 
äpf)etifd)  fo  bedeutfame  Verfinperung  des  Zufdjauer- 
raumes  nid)t  einmal  gefef)en  werden  konnte,  weil  die 
€rleud)tung  fclbfl:  nod)  nid)t  fertig  ivar,  die  da  I)ätte 
verfinpert  werden  follen.  Was  aber  fonp  nod)  damals 
beim  Werke  innerlid),  rein  künplerifd),  alfo  am  8til 
gefehlt,  das  l)at  völlig  nur  der  fßeißer  felbp  gewußt 
und  mit  l)erbem  Wef)  empfunden.  Wie  follte  er  die 
nod)  unbelebten  Künpler  fo  plö^lid)  dem  „durd)  üble 
Angewohnheiten  verdorbenen  ;8oden"  der  Oper  ent- 
ziehen und  als  lebendige  Teile  mitten  in  fein  neues 
ideales  Kunpwerk  verfemen?  T\ad)  vielen  H>üf)en  um 
if)re  Umfd)ulung  —  wenn  aud)  nur  kaum  erp  ein  8imile, 
ein  Schein  feiner  Intentionen  erreicht  war  -  ,  wie  oft 
f)at  er  dann  an  der  Grenze  der  betreffenden  Talente 
fialt  mad)en  und  entfagend  fid)  zurufen  mü(Ten:  „kaffen 
wir's  gef)en!"  —  niemals  aber  of)ne  dem  ehrlichen  €ifer 
des  von  if)tn  dod)  zum  äußerpen  ^ingeriflenen  Künpiers 
in  rührender  Weife  feine  Achtung  und  feinen  Dank 
ausgedrückt  zu  I)aben.  Dann  mochten  diefe  getrop 
meinen,  dod)  eigentlid)  des  ffoeipers  Wunfd)  und  Willen 
erfüllt  zu  f)aben;  und  fo  konnte  mancher  nod)  <]af)r- 
zehnte  fpäter  gutgläubig  als  Autorität  der  Tradition 
gelten,  obwohl  er  dann  bisweilen,  in  Zweifelfällen  be- 
fragt, nad)  foviel  anderen  Theatererfahrungen  und  (Ge- 
wöhnungen nid)t  mef)r  reci)t  wußte,  ob  er  felber  bei  den 
„unvergeßlichen  FePfpielen"  rechts  oder  links  auf  der 
;0üf)ne  gefeffen  oder  gepanden  f)atte. 

nun  ip  es  aber  mit  der  „Tradition"  überhaupt  eine 
eigene  6ad>e.  Wo  es  gilt,  lebendige  Kunp  zu  fd)affen 
—  und  eine  foId)e  fd)öpferifd)e  Aufgabe  ip  jedes  Fep- 
fpiel  in  13avreutf)  — ,  da  genügt  nid)t  die  leblofe  Wieder- 
holung erparrter  fDomente  zufälliger  Crinnerung.    Die 


Aufnahme  von  W.  Höffert,  Berlin 

KAPELLMEISTER  HANS  RICHTER 


«nyfleutR  53 


„Uradition**  darf  nid)t  in  den  Fehler  verfallen,  gegen 
den  die  ganze  Kunftart  Wagners  ankämpfte:  fie  darf 
nid)t  eine  Wienerin  des  Formalismus  werden,  Gerade 
das,  ivas  :0ayreutl)  auszeichnet,  und  rvas  der  ?fteifter  einfl: 
als  ,,unnad)af)mlid)**  für  alle  Welt  bezeichnen  konnte, 
ift  dod)  die  geiftige  Kraft,  die  fiel)  darin  zu  ftets  neu 
lebendigem  Ausdruck  bringt  ftus  dem  (Seifte  der 
;6ayreutf)er  Kunft,  rvie  irjr  fDeifter  if>n  feinem  großen 
Werke  eingehaucht  und  darin  geftaltet  f>at,  ift  jede 
Wiedergabe  feiner  8d)öpfungen  dort  einzig  zu  erreichen. 
Wer  diefen  <3eift  nid)t  von  il)m  gelernt  f)at  und  in  ficf> 
bervahrt,  dem  Reifen  alle  Traditionen,  alle  Crinnerungs- 
bilder  an  gervefene  €inzelf)eiten  nid)t;  er  rvird  niemals 
ein  :8ayreutf)er  Feftfpiel  oder  etrvas  dem  ftef)nlid)es  zu- 
ftande  bringen.  ftm  ©eifte  ift  die  €rfd>einung  zu  meffen; 
ivas  if)m  nid)t  entfprid)t,  aud)  rvas  ii)tn  bei  den  erften 
großen  Verfugen  feiner  ©eftaltung  durd)  den  ffteifter  felbft 
nod)  nid)t  entfpredjen  konnte,  muß  dem  lebendigen 
Wirken  rveid)en,  das  fortdauernd  fid)  bemüht,  die  ©e- 
ftaltung  zu  vollenden.  Hid)t  die  formale  €rfd)einung 
allein  f)ätte  die  bedeutfame  Wirkung  der  erften  Feft- 
fpiele  ausüben  können;  an  if)r  vielmehr  blieb  all  das 
törichte  Drren  haften,  das  fid)  damals  Kritik  nannte. 
X)as,  rvas  den  großen  Eindruck  hervorrief,  der  red)t 
eigentlich  die  „uradition**  von  1876  blieb,  indem  if)n  die 
13efud)er  jener  Vorftellungen  mit  in  irjr  Hieben  nahmen 
und  alle  fpdteren  eindrücke  daran  maßen,  das  rvar  eben 
die  völlig  neu  rvirkende  Kraft  des  :0ayreutl)er  (Seines,  den 
man  den  freigervordenen  ©eift  Wagners  und  feiner  Kunft 
nennen  darf.  6s  ift  über  allen  Zrveifel  ergaben,  daß  der 
€in druck  von  1876  auf  die  damals  irjn  Miterlebenden  ein 
ganz  unvergleichlicher,  niemals  zu  wiederholender,  ein 
€rlebnisvon  f)öd)fter  ftrt  gervefen  ift.  Wir  erlebten  darin 
zum  erften  fftale  das  ©Iück,  die  Kunft  des  mufikaliferjen 
Dramas  aus  der  Rand  if)res  ffceifters  felbft  zu  erhalten, 
orjne  fremde  Vermittlung  und  Uebertragung  in  irjm  feind- 
liche 6pf)ären,  die  tf)eatralifd)e  ©eftaltung  des  Dramas 


54     Rans  von  wonzosen 


felbfl  als  das  eigenfte  Werk  des  fd)affenden  Künßlers, 
de(Ten  öeift,  deflen  Wille,  deffen  Atem  alles  befeelte,  ivie 
er  es  alles  einzig  ermöglicht  f)atte.  €ine  Wunderwelt, 
nod)  nie  gefd)aut,  nod)  nie  gehört,  entbanden  vor 
25  $af)ren,  vollendet  aber  erft  in  diefem  unvergeßlich 
einzigen  Augenblick  if)res  vollen  Lebens. 

fßan  denke  dod)  nur:  zum  allererften  fDale  auf  der 
Welt  f)örten  wir  den  Klang  des  unfid)tbaren  Ord)eßersl 
Zum  erften  fDal  faf)en  rvir  die  ftyeintöd)ter  jauchzend 
durd)  die  grünen  Fluten  fd)wimmen,  und  rvir  Ratten 
uns  fet>r  gewundert,  rvenn  jemand  uns  gefagt  l)ätte, 
die  lebensgefährlichen  fd)weren  Karren  feien  nod)  lange 
nid)t  das  Ddeal  der  üed)nik  für  diefe  unvergleid)Iid) 
pf)anta|ttfd)  wirkende  Szene.  Wir  erfuhren  zum  erften 
fßal  den  vollen  tragifdjen  <3ef)alt  der  dufteren  und 
leidenfd)aftlid)en  Stimmung  des  erften  Walkürenaktes, 
und  zum  erften  fDal  erfd)ien  auf  der  :6ül)ne  die  rvetter- 
rvild  ftürmifd)e  Szene  der  Walküren,  verbunden  mit 
jener  unerhörten  Klangwirkung  der  Stimmen  erfter 
Sängerinnen,  denen  der  ffteifter  eingefd)ärft,  eine  jede 
von  if)nen  muffe  fid)  als  eine  Fi  eidin  füllen.  Und 
zum  erften  fDal  tat  fid)  der  Waldzauber  des  Siegfried 
auf  —  faf)  man  den  jungen  fielden  das  Feuer  durd)- 
fd)reiten,  auf  die  fonnenreine,  fülle  F>öl)e  des  Felfens 
emportauchjen,  und  zum  erften  fDal  errvad)te  ;8rünn- 
f)ilde  unter  feinem  Kuß  zum  prahlenden  Sang  der  Welt- 
begrüßung. Zum  erften  fDale  trat  die  alles  überwältigende 
Tragödie  der  Götterdämmerung  auf  eine  irdifci)e  ;6üf)ne, 
und  es  wurden  Dinge  erlebt,  wie  das  näd)tige  Flüfter- 
gefpräd)  zwifd)en  Alberid)  und  Ragen  (von  Wagner 
felbft  als  der  kaum  begreifliche  fiöf)epunkt  der  neuen 
Leitungen  bezeichnet)  und  jene  gewiß  im  lyrifdjen 
Drama  nod)  unerhörte  Szene  des  Speereides:  wie  lauter 
Offenbarungen  einer  vordem  ungekannten  tragifd)en 
Kunft.  Und  nad)  dem  allen  endlid)  nod)  Siegfrieds 
Cod,  ;ßrünnf)ildens  le^te  Worte;  —  der  Untergang 
Walhalls!   —   Dies  alles  Ratten  wir  damals  zum  erften 


«nyfl£UCR  55 


fDale  erlebt,  und  tvir  follten  nid)t  fagen:  das  Crlebnis 
kann  nid)t  wiederkehren,  es  kann  nid)t  übertroffen 
werden?! 

t)as  Erlebnis  nid)t  —  aber  die  Kunfl:!  —  t)enn 
dies  alles  war  dod)  für  Wagner  wie  eine  8d)öpfung 
aus  dem  Hidjts  gewefen.  ^a,  und  es  tväre  nod)  befler 
gervefen,  wenn  er  wirklid)  aus  dem  Hic^ts  f)ätte  fdjaffen 
können.  80  aber  mußte  er  wof)l  oder  übel  dod)  tvieder 
ein  Etwas  dazu  benu^en,  wie  es  eben  zur  Zeit  an  den 
Operntfjeatern,  die  kaum  fdjon  etwas  von  den  ffteifter- 
fingern  ahnten,  fid)  einzig  if)tn  darbot  €rfd)ien  das 
Ergebnis  trotzdem  fo  fef)r  als  ettvas  fteues,  Die-0e- 
fef)enes,  als  etwas,  was  nad)  der  fDeinung  der  Kritik 
nie  f)ättc  fein  follen  und  nie  wieder  fein  dürfe:  daraus 
erkennt  man  dod),  was  der  entyufiasmierende  Impetus 
des  künftlerifd)en  Genies  im  großen  und  ganzen  bereits 
zu  erreichen  vermocht  f)atte.  Eine  neue  Welt  (land  da, 
unvollkommen  gewiß  in  vielem,  aber  in  den  Grundzügen 
fd)on  deutlid),  eine  Welt,  die  garnid)ts  mit  der  Oper  zu 
tun  f>atte,  die  durchaus  in  Allem  und  (Jedem  nur  den 
Ausdruck  des  t)ramas  zu  gewinnen  erftrebte,  die  fd)on 
ganz  und  einzig  in  diefer  8pf)äre  des  dramatifd)en 
Ausdrucks  lebte,  iF>re  erften  großen  Atemzüge  tat  Aber 
rviederum  keineswegs  die  Welt  des  Wortdramas,  fondern 
die  Welt  der  ?K>u|ik,  deren  tieffte  ivortlofe  Gef)eimni(Te  im 
Drama  fid)  entäußern  zum  klaren,  plaftifd)  formenden 
tiid)te  des  Stiles. 

Was  an  diefem  Stil  fd)on  beim  erften  Verfud)  fo 
neu  erfd)ien,  war  wof)I  befonders  die  große  edele  ttuf)e 
des  Bühnenbildes,  welche  fclbft  nod)  den  bewegteren 
Momenten,  bis  zur  größten  Allgemeinbewegung,  als 
klare  Gliederung  in  Stellungen  und  Gruppen  maß- 
gebend inne  wof)nte.  €s  i(t  dies  die  künftlerifd)  über- 
legene ttuf)e  der  bewußten  dramatifd)en  13edeutfamkeit 
des  Momentes.  JDas  Cf)arakterip:ifd)e,  die  Seele  gleid)fam 
des  Vorganges,  erfd)eint  gefeflelt  im  lebensvollen  Aus- 
druck der  Gruppierung.    Dur  aber  der  große  ftyytbmus 


56     r\nr)&  von  wotzosen 


einer  ffcuflk  erhabenen  Stiles  kann  foId>e  fzenifd)en 
Linien  ftiliftifd)  rechtfertigen  und  regeln.  3Dies  gerade 
!)atte  1876  zu  Wagners  häufigem  fterger  z.  B.  bei  den 
gruppierten  Individualitäten  des  ftyeingoldes  nod) 
nid)t  red)t  glücken  rvollen.  Wir  f)ören  darüber  feine 
Klage  in  einem  Briefe  an  Betz:  „Füllten  8ie  fid)  im 
ftyeingold  geniert  und  nid)t  red)t  zu  Raus,  fo  fage  id) 
3I)nen,  daß;  es  uns  allen  fo  ging,  und  dag  id)  während 
der  proben  felbft  auf  Schwierigkeiten  traf,  die  id)  mid) 
vergebens  zu  überwinden  bemühte,  wogegen  id)  ver- 
gebens aud)  meine  Erfindungsgabe  abquälte,  uns  allen 
eine  gegenfeitig  lähmende  Steifheit  zu  benehmen." 
ftber  er  fügt  aud)  gleid)  £>inzu:  „X)em  werden  wir  je^t 
ftbf)ilfe  zu  finden  wi(fen;  es  muß  f)ier  viel  korrigiert 
werden/*  Ratte  das  Defizit  des  erften  Feßfpiels  nid)t 
die  Wiederholung  verhindert  —  nid)t  um  zwanzig  volle 
#af)re  l)inausgefd)oben,  —  es  wäre  fd)on  1877  alles 
„korrigiert"  worden.  Was  dann  im  (Jaf)re  96  gerade 
beim  Bayreutf)er  ftyeingold  erp  Staunen,  dann  Be- 
wunderung erregte,  war  nid)ts  anderes  als  diefe  „Kor- 
rektur des  ffteifters",  durchgeführt  von  denen,  die  fid) 
ij)re  mögliche  Ausübung  und  Vollendung  zur  Aufgabe 
ij)res  Lebens  gefegt  l)aben. 

Die  Waf)rf)eit  aber  über  den  Anfang  von  Bayreutf), 
wie  Wagner  felbft  fie  empfand,  drückt  fid)  wof)l  am 
fd)ärffl:en  in  dem  Seufzer  aus,  der  fid)  if)tn  bald  nad) 
den  Feftfpielen  76  in  einem  Briefe  an  niemann  entrang: 
„ftlles,  was  mid)  je  gequält,  folgt  mir  nad):  die  ewige 
Sorge  dem  Unzureichenden  gegenüber.  Selbfl: 
wenn  id)  der  materiellen  Sorgen  für  meine  Unternehmung 
nid)t  gedenke,  werden  gerade  Sie  mid)  vorßef)en,  wenn 
id)  nad)  all  dem  ungemeinen,  mein  fierz  tief  rührenden 
Eifer,  welcher  diefe  Aufführungen  in  das  Leben  rief,  das 
Werk  unferer  Bemühungen  dod)  faß  nur  als  eine  Kraft- 
vergeudung ol)ne  Zweck  und  fiu^en  erkenne." 

Diefe  tiefe  Unbefriedigtf)eit  Wagners  beruhte  auf 
einer  Erkenntnis,  nid)t  auf  einer  Stimmung.  Die  HSotive, 


Aufnahme  <von  W.  Höffert,  Berlin 

FELIX  KRAUS 
als  Siegfried 


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Aufnahme  'von  W.  Höffert,  Berlin 

ANTON  VAN  ROOY 
als  Wotan 


»ay^eucR  57 


weld)e  die  Stimmung  für  ;8ayreutf)  if)m  gründlid)  ver- 
derben mußten,  kamen  er(l  nad):  nid)t  nur  jenes  elende 
Defizit,  —  insbefondere  das  völlige  HMßglücken  des 
Sd)ulplanes,  auf  ©rund  deflen  die  Fortführung  der 
Feftfpiele  in  großem  Sinne  gedacht  war.  X)ie  legten  koft:- 
baren  $af)re  von  Wagners  Leben  gingen  darüber  ver- 
loren, indeffen  der  in  aller  Welt  einzige  üf)eaterbau,  für 
fo  viele  fd)öne  fD6glid)keiten  errichtet,  ftumm  und  leer 
fland.  3Die  in  feinem  Stile  vorgefd)u!te  Künfl:lerfd)ar 
erhielt  er  nid)t,  womit  er  die  näd)|ten  Spiele  ganz  anders, 
viel  freier  und  fieserer,  die  :6ayreutf)er  „Crlebnifle"  bis 
zur  wirklichen  :6ayreutf)er  Kunfl:  f)ätte  durchführen 
können.  „Wollen  Sie,  dann  f)aben  wir  eine  Kunfl:!"  6s 
ward  aber  nid)t  gewollt  Ferdinand  $äger,  wiflfen 
wir,  rvar  der  einzige,  der  auf  den  ttuf  des  fßeifters  nad) 
Sd)ülern  wirklid)  kam  und  eifrig  lernte,  rvas  nur  dort 
fid)  lernen  ließ;  aber  den  Vorteil  f)atte  davon  nun  Wien, 
welches  den  unvergeßlichen  Siegfried  diefes  eckten 
poetifd)en  Dramatikers  erlebte,  nid)t  :6ayreutf),  das  im 
tiefen  fed)sjäf)rigen  Kunßfd)Iaf  lag. 

Als  es  dann  endlid)  1882  zum  zrveiten  Feftfpiel,  zum 
parfifal  kam,  ftand  der  fiebzigjäf)rige  ffteifter  ganz  den- 
felben  Schwierigkeiten  gegenüber  tvie  76.  ftud)  je^t 
mußte  er  fid)  die  Künftler  erfi:  von  den  ttyeatern  zu- 
fammenfud)en,  um  if)nen  in  nod)  kürzer  bemeflener  Zeit 
krampfhaften  ftrbeitens  die  Fähigkeit  zu  if)rer  neuen  Auf- 
gabe fa(t  nod)  mef)r  ein-  als  auszubilden.  €ine  Aufgabe, 
die  rvaf)rlid)  nid)t  geringer  war  als  beim  ftfng,  fd)on  von 
dem  @efid)tspunkte  aus,  den  der  ffceifter  felbfl:  feftgeftellt 
l)atte.  X)iefer  parfifal,  da  er  nid)t  das  Produkt  einer 
fd)on  beilegenden  Sd)ule  f)atte  fein  können,  follte  (tatt 
deflen  nun  vielmehr  die  örundlage  dafür  bilden. 

Damit  dies  aber  wenigftens  nod)  zu  Wagners  Leb- 
zeiten if)tn  ermöglicht  wäre,  ward  il)m  nod)  jene  dritte, 
bitterfte  €rfaf)rung  nid)t  erfpart:  er  faf)  fid)  gezwungen, 
von  der  grundlegenden  Ddee  abzugeben,  wonad)  diefe 
Kunft  als  freie  <3abe  denen  fidf)  darbieten  follte,  die  fie 

«icfcard  ötraujj:  Sie  fftufik  V.  € 


\ 


58     nnns  von  wotzosen 


„gewollt"  und  zu  if)rer  Verwirklichung  geholfen  Ratten. 
(Jefct  mußte  fie  dod)  vor  einem  großen  Publikum  gegen 
:6ezaf)Iung  fid)  fel)en  laflen.  Für  Wagner  felbft:  bedeutete 
dies  eine  abfolute  Cntfagung.  Aber  für  die  Freunde 
:0ayreutf)s  ficF>t  es  einivenig  andersaus:  an  Stelle  einer 
nod)  unmöglichen  idealen  Wirklichkeit  \)at  fidfc)  feitdem 
eine  unermeßliche  ?DögIid)keit  aufgetan,  $e  mel>r  Seelen, 
wie  immer  vorbereitet,  nad)  ;8ayreutf)  kommen  und  künft- 
lerifdje  eindrucke  in  fid)  aufnehmen,  je  mef)re  aud) 
können  dadurd)  in  iljren  beften  Fähigkeiten  ergriffen, 
vom  niederen  abgezogen,  auf  das  Ro^e  und  fteine  Ein- 
geleitet, über  das  'Cragifc^e  in  den  Dingen  der  Welt 
aufgeklärt,  kurz,  jeder  auf  feine  Art,  zum  „:J3ayreutf)er" 
werden.  Wer  es  einmal  ward,  der  weiß,  welche  Wohl- 
tat dies  fei,  weiß;  aber  aud),  daß  zum  Werdeprozeß  des 
;6ayreutl)er  ©eiftes  vor  allem  die  Werdeftätte  :8ayreutf) 
felbft  gehört 

80  wäre  denn  diefe  Wirkung  fef)r  fd)ön  gewefen, 
wenn  fie  nur  etwas  rafdjer  gekommen  wärel  Leider  aber 
blieb  jene  fftenge,  welche  die  vielen  ?Döglid)keiten  in 
fid)  geborgen  f)ätte,  nod)  lange  aus.  Dur  gerade  nod) 
der  erfte  parfifal  lohnte  dem  fDeiper  die  H>üf)en  durd) 
die  Befreiung  von  der  äußeren  8orge,  daß  die  8ad>e 
wieder  finanziell  mißglücken  könnte.  Aud)  inkün|tlerifd)er 
:6eziel)ung,  wie  fd)on  angedeutet,  pand  das  imparfifal  er- 
reichte, trot^  dem  fDangel  der  8d)ule,  bereits  l)od)  über 
dem  76  ?ftöglid)en.  €s  gelang  f)ier  wirklid)  einmal  ein 
ßilgered)t  in  fid)  abgefd)Ioflenes  <3anze  mit  fd)önem 
©eifte  und  in  fieberen  Zügen  bis  zu  einem  f)of)en  0rade 
der  Vollendung  zu  fördern.  Quantitativ  war  die  Auf- 
gabe ja  aud)  einfacher  gegen  die  des  vierteiligen  fttnges, 
mel)r  auf  eine  örundftimmung  betränkt,  in  fefte,  ruhige 
Formen  —  bis  zum  Rituellen  —  gefaßt.  Die  Individuali- 
täten der  Künftler  waren  glücklid)  den  wenigen  Raupt- 
rollen angepaßt,  und  es  waren  lauter  wirkliche  Calente, 
darunter  €rfd)einungen  fo  d)arakterißifd)er  Art  wie 
8caria  als  öurnemanz,  Rill  als  Klingsor,  l*eid)mann 


«ayfieucR  50 


als  ftmfortas.  3Dic  ganz  eigenartige  Kundry  der  genialen 
flfoarianne  Brandt  ifl:  als  Ausdruck  der  geheimnis- 
vollen Seele  diefer  wunderbaren  ©eftalt  of)ne  @Ieid)en 
geblieben.  Der  Zeigen  der  Blumenmädchen  wird  jedem 
unvergeßlid)  fein.  ftber  aud)  fein  Blumenvater  fieinrid) 
porges,  der  altgetreue  Freund  und  Reifer,  der  durd) 
faß  zwei  ~ßa\)Yzel)nte  diefen  lieblichen  Kranz  immer  frifd) 
mufikalifd)  gervunden  \)<xtt  darf  nie  vergeben  werden,  wo 
es  gilt  zu  bekennen,  rvas  der  ;8ayreutf)er  parfifal  uns 
<3utes  und  Cdeles,  und  mef)r  nod)  als  Kunfl:  gebracht  f)at. 
Daneben  freilid)  ftand  nur  erp  ein  —  wenn  aud) 
guter  —  Opernd)or  zu  <3ebote.  Denn  of)ne  die  ©nade 
des  Königs  fcudwig,  welcher  Cf)or  und  Ord)efter  feines 
fioftf)eaters,  nebfl:  den  beiden  Kapellmeißern,  kevi  und 
Fifd)er,  nad)  Bayreuth  fd)ickte,  wäre  das  Feftfpiel  über- 
haupt unmöglid)  gewefen.  Während  es  in  Bayreutl) 
fpdter  faß  nur  nod)  der  ftrengften  Feßf)altung  des 
82  Fixierten  gelten  durfte,  fo  tvar  der  Fortfd)ritt,  der 
immer  nod)  anzuheben  blieb,  in  der  Zufammenfe^ung 
und  Ausbildung  eines  wirklichen  Bayreut|)er  Chores 
zu  fef)en.  Was  die  fpäteren  $af)re,  insbefondere  von 
den  ffoeifterfingern  88  an,  in  diefer  Beziehung  auf  der 
13ayreut()er  Büf)ne  ermöglicht  gezeigt  f)aben,  gehört 
gewiß;  zum  €rßaunlid)fl:en  und  Glücklichen  auf  dem 
müf)famen  Wege  zu  vollendeter  Darftellung  der  Werke. 
Will  jemand  nad)  einem  befonderen  Kennzeichen  der 
13ayreutf)er  Kunfl:  fragen,  fo  darf  man  if)n  auf  den 
:8ayreutj)er  Cf)or  verweifen  und  an  die  gewaltigen  und 
fd)önen  Wirkungen  diefes  Chores  in  den  fDeift erfing ern, 
dem  üann^dufer,  dem  ljof)engrin,  dem  Holländer  er- 
innern. FMer  f)atte  man  einen  wichtigen  Faktor  des 
Kunflwerkes  ganz  in  der  Rand,  if)n  nad)  Wunfd)  zu 
fd)ulen,  und  brauchte  nid)t  erfl:  nad)  willigen  6inzeltalenten 
zu  fud)en.  Damit  iß:  denn  aud)  das  bedeutende  Ver- 
dien)* des  Leiters  der  fpäteren  13ayreutf)er  ötilbildungs- 
)d)ule,  des  Cl)ordirektors  Julius  Kniefe,  bezeichnet. 
Diefer    unermüdliche    ftuffud)er    der   Calente    an    den 


eo     nnns  von  wonzosen 


Bühnen  und  rjilfreicfje  Cinftudierer  irjrer  bayreutf)er  Auf- 
gaben ifl:  aud)  einer  der  rvenigen,  die  rvirklid)  nad) 
Bayreutf)  kamen,  um  der  8ad)e  allein  zu  dienen.  X)a 
ivard  es  denn  aud)  etrvas  8d)önes  und  öutes. 

Für  Wagner  felbp:  ivar  mit  diefem  erften  parfifal, 
der  uns  ein  Bild  der  Vollendung  fd)ien,  freilid)  aud) 
nod)  durchaus  nid)t  alles  erreicht,  rvas  er  von  der  Grund- 
lage feiner  Scfjule  errvünfcrjt  f)atte.  Wer  irjm  nad)  dem 
Feßfpiel  von  82  vertraulich)  fid)  nähern  durfte,  mußte  es 
rvof)I  bemerken,  rvie  aud)  nad)  diefem  öiege  —  denn 
ein  Sieg  rvar  es,  aud)  über  die  öffentliche  fDeinung  —feine 
Stimmung  merjr  wehmütig  als  freudig  ivar.  €r  fal)  vor 
fid)  eine  unabferjbare  neue  Arbeit,  unabläffige  H>üf)en 
um  das  Feftrjalten  des  eben  ruie  im  Fluge  6rreid)ten, 
orjne  jede  Erleichterung  der  HMttel  dazu,  der  künft- 
lerifd)en  rvie  der  materiellen,  mit  ganz  denfelben  alten 
flöten  um  die  Künftler  und  um  das  publikum.  X)ie 
Begründung  der  Stipendienßiftung  rvar  ein  le^ter 
Verfud),  dem  Hdeal  fid)  tvieder  zu  nähern,  daß  nid)t 
Zahlende,  fondern  Zählende  das  publikum  von  Bayreuth 
bildeten.  X)as  künßlerifcrje  Hdeal  ivard  damit  geftü^t 
auf  den  moralifd)en  <3rund  edeler  Wohltätigkeit  Dies 
ivar  "fticrjard  Wagners  le^tes  Werk. 

II. 

X)ie  Feftfpiele  feit  1883, 

Die  rjat  Bayreuth  merjr  Lebenskraft  und  Lebens- 
bered)tigung  gezeigt  als  damals,  ruie  es  nad)  feines 
Begründers  Scheiden  in  aller  feiner  Sd)rvdd)e  und  Ver- 
Iaflenf)eit  fortbeftand.  €ine  rjilflofe  Creue  fagte  fid): 
es  muß  fein;  und  als  durd)  die  beiden  folgenden  $af)re 
die  Wiederholungen  des  parfifal,  vom  publikum  kaum 
beachtet,  den  bejfer  Wiflenden  verrieten,  daß  die  geizige 
Kraft,  rvelcrje  rvir  ,/Cradition"  nennen,  dod)  rjier  und  da 
nad)zula(fen    begann,   da  griff,  rvie  rvir  rvijfen,   rveld)e 


«ny^eucR  ei 


einzig  mögliche  perfönlid)e  Kraft  ein,  die  aus  edelßem 
Willen  jenen  ©eifl:  der  "Tradition  —  nid)t  nur  eine 
Formel  —  vor  allem  lebendig  und  rein  zu  erhalten  ver- 
mochte. 

Wir  verdankten  diefem  entfd)eidenden  Eingriff  nid)t 
allein  die  Rettung  des  parfifal,  in  feiner  ßeten  Wieder- 
berftellung  durd)  ratlos  erneute  Arbeit  mit  vielfad) 
wed)felnden  Künftlern  in  20  folgenden  Feftfpieljaf)ren, 
fondern  aud)  fofort  1886  den  erßen,  damals  nod)  fo 
kühnen  8d)ritt  zur  Einfügung  anderer  Werke  nad) 
des  fDeipers  binterlaffenem  plan.  Zugleid)  aber  hefteten 
fid)  aud)  von  nun  ab  an  jedes  fold)es  :6ayreutl)er  Weiter- 
fcbreiten die  eifrigen  Verfud)e  einer  am  ©roßen  ver- 
ärgerten, kleinlichen  papiernen  Außenwelt,  den  Erben 
Wagners  und  if)rer  Arbeit  alles  erdenkliche  Uebel  nach- 
zureden und  i5nen  durd)  Erfindungen  abfd)reckenden 
Charakters  die  Fortführung  if)res  Werkes  wenigftens 
von  Fall  zu  Fall  immer  aufs  neue  zu  erfd)weren.  Vor 
einem  neuen  Feftfpiele  brachen  in  :6ayreutf)  unfehlbar 
die  flattern  aus,  oder  die  erßen  öpuren  der  bei  fDaflen- 
verfammlungen  fo  gefährlichen  Cholera  Ratten  fid)  ge- 
zeigt (Leider  verfammelte  fid)  nur  nod)  gar  keine 
fDaffe,  als  erfl:  300  perfonen  dem  üriftan  Iaufd)ten!) 
Einmal  f)atte  fid)  das  üf)eater  fogar  fd)on  „gefenkt"  — 
ftand  aber  nid)tsdefl:oweniger  nieder  fe(l  auf  der  fiöf)e, 
als  die  ffteifterfinger  mit  all  if)ren  Chören  und  Aufzügen 
feine  ;6üf)ne  befd)ritten.  flMt  Vorliebe  ward  verbreitet 
und  geglaubt,  daft  man  fid)  in  13ayreutf)  diefe  und  jene 
vorzüglichen  Kräfte  prinzipiell  entgegen  la(fe,  um  minder- 
wertige zu  bevorzugen,  of)ne  daß;  die  Möglichkeit  aud) 
nur  in  13etrad)t  gezogen  ward,  man  könne  in  13ayreut$ 
—  wie  oft  genug  gefd)ef)en  —  die  Gewinnung  jener 
Kräfte  Iängfl  fd)on,  aber  nur  leider  vergeblid),  verfud)t 
l)aben.  ;ßayreutl)  fd)ien  überhaupt  nur  dazu  auf 
der  Welt  zu  fein,  dag  es  keinem  fDenfd)en  es  red)t 
mad)e.  Und  dod)  fd)ritt  man  dort  unentmutigt  vom 
Uriftan  weiter  zu  den  fDeifterfingern,  zum  üann^äufer 


62     nnns  von  wonzosen 


und  zum  Lof)engrin,  ja,  man  kam  endlid)  wieder  bis 
zum  fttng.  Und  immer  blieb  Bayreutl)  eine  Stätte,  wo 
Begeiferung  geweckt  ward,  und  die  Begeiferten  kehrten 
wieder  und  brachten  neue  <3äp:e  mit,  und  endlid)  ivar 
aud)  einmal  das  Raus  ganz  voll,  und  es  blieb  voll, 
von  1882  bis  1901,  X)a  fiel  den  l)6d)ft  beunruhigten 
<3egnern  diefer  allzufüllenden  Begeiferung  fd)lie§lid) 
nichts  me\)Y  ein  als  der  Cinfall  des  Theaters  felbp.  Unter 
den  ,/Celegrammen"  der  üagesblätter  las  man  damals: 
?toünd)en,  29.  Dezember.  Das  Wagner-Theater 
auf  dem  Feftfpielf)ügel  in  Bayreuth  ifl:  feitens  einer 
ftaatlid)en  Baukommiffion  für  baufällig  erklärt 
worden;  es  ifl:  daf)er  bereits  für  die  näd)ftjäl)rigen 
Feftfpiele  nid)t  mef)r  zu  verwenden, 
um  ftnfd)IuJ5  an  diefe  Senfationsnad)rid)t  f)ieß;  es 
dann  prompt  weiter:  es  muffe  durchaus  ein  neues  Fefl> 
fpielf)aus  in  fftündjen  gebaut  werden,  —  auf  einem 
für  Baufpekulationen  fe^r  günftigen  üerrain.  €ine 
„Kommiffion"  war  allerdings  dagewefen,  auf  eine  bös- 
artige Denunziation  l)in,  und  das  Crgebnis  if)rer  Unter- 
fud)ung  ()atte  gelautet:  das  Bayreutf)er  Raus  fei  ein 
ffcufterbau.  Diefe  Beifälligkeit  war  die  Baufälligkeit  — 
der  feindlichen  Weisheit!  Und  während  if)r  nad)f)all 
nod)  durd)  die  Welt  hinzog  ~  gerade  wie  76,  fo  wieder  98: 
„ün  Bayreuth  kann  nie  mef)r  gefpielt  werden!"  —  be- 
reitete man  an  Ort  und  Stelle  fd)on  mit  emfiger  Arbeit 
das  näd)fte  Feftfpiel  vor.  Und  es  kam  zuftande,  es  folgten 
if)tn  nod)  drei  Feftfpieljaf)re,  —  und  fo  0ott  will,  kann 
nod)  ein  falbes  (Jahrhundert  lang  in  dem  „baufälligen" 
Raufe  gefpielt  werden;  wenn  das  ■  Fundament  des 
©laubens  nid)t  wankt. 

Viel  mef)r  als  durd)  fold)e  kleine  und  große  Bosheiten 
ifl:  Bayreuth  in  feiner  erften  fd)werß:en  Zeit  benachteiligt 
worden  durd)  den  allgemeinen  Unglauben,  wogegen 
von  keiner  Seite  im  l?eid)e  der  f)öf)eren  Bildung  Deutfd)- 
lands  etwas  gefdjaf).  Bayreutl)  (fand  tatfäd)Iid)  ganz 
allein,  auf  fid)  felbft  angewiefen  in  der  modernen  Welt, 


«ny^eutR  63 


Was  aber  in  diefer  Situation  if)tn  die  eigene  Arbeit 
wirklid)  erfd)werte,  war  das  bleibende  Verhältnis  der 
Abhängigkeit  von  den  ü^eatern,  woraus  immer  von 
neuem,  aud)  bei  fonft  freundlichen  Beziehungen,  dod) 
peinliche  Komplikationen  und  Zwangslagen  if)m  erwad)fen 
mußten,  von  denen  man  draußen  gar  keine  Ahnung  f)atte. 
Aud)  als  in  beginnenden  belferen  Zeiten  der  Wagnerifd)e 
plan  der  Stiibiidungsfdjule  für  Schaffung  eines 
eigenen  perfonales  in  befdjeidenen  Grenzen  wieder  auf- 
genommen rvard,  reichten  dod)  die  dafür  verfügbaren 
HMttel  (die  „Ueberfc^üfle",  von  denen  man  bereits  fabeitel) 
bei  weitem  nid)t  f)in,  um  dies  in  einer  gewiflfen  Breite 
und  mit  nur  einigermaßen  nennenswertem  6rfoIg,  der 
großen  8ad)e  gemäß,  zu  verwirklichen.  t)ie  fid)  meldeten, 
waren  meip  für  Bayreutr)  fclbft  nid)t  brauchbare  kleine  An- 
fänger; belferen  Kräften  ward  draußen  von  „Autoritäten" 
dringend  abgeraten,  fid)  die  Stimmen  an  der  Wagnerei 
verderben  zu  laßen.  Bedeutende  üalente  find  infolge- 
de(fen  um  if)re  größte  Wirkungsmöglid)keit  gekommen. 
6d)ließlid)  mußte  man  frol)  und  dankbar  fein,  wenn 
ab  und  zu  dod)  ein  einzelnes  wirkliches  Ualent  fid)  in 
die  direkte  Bayreutf)er  kef)re  begab,  ef)e  es  am  üf)eater 
dieHatürlid)keitund  Unberüf)rtf)eit  eingebüßt,  aus  welcher 
allein  jene  reinen,  großen  €rfd)einungen  des  idealen 
8tyles  hervorgehen  können,  die  den  Charakter  der  edlen 
Wahrhaftigkeit  tragen.  Wenn  dann  freilief)  fold)e  Glücks- 
fälle eintreten,  wie  mit  Burgftall  er,  Frau  ©ulbranfon, 
van  ftooy  —  aud)  Friedrichs  und  Breuer  wären 
dabei  zu  nennen  —  dann  konnte  man  erkennen  lernen, 
was  das  Ddeal  einer  Bayreutf)er  8d)ule  wäre.  HMt 
<3eld  allein  wäre  dies  freilief)  nid)t  zu  erreichen  gewefenl 
Was  dennod)  erreicht  worden  iß,  ward  es,  aud)  of)ne 
die  genügenden  HMttel,  immer  nur  durd)  den  rechten 
©eift,  durd)  die  ed)te  Tradition,  durd)  die  unaufhörliche 
Arbeit  an  beßimmten,  ausfd)ließlid)en  Aufgaben,  alfo 
eben  durd)  die  drei  Momente  künßlerifd)er  Tätigkeit, 
welche  in  diefer  Weife  allein  in  Bayreutl)  möglid)  und 


64     nnnö  von  wonzosen 


ivirkfam  find,  €s  erreicht  zu  f)aben,  bleibt  denn  aud), 
wenn  man  ettvas  rühmen  will,  der  ttuf)tn  gerade  jenes 
nod)  unbeachteten,  unbeförderten  :0ayreutl)  der  erflen 
#af)re*  fiier  ifl:  nun  aud)  der  Ort,  wo  wir  des  fftannes 
in  denkbarer  Verehrung  denken  muffen,  der  von  Anfang 
an  mit  felbfllofer  Aufopferung  feiner  ganzen  Arbeits- 
kraft und  £iebensruf)e  die  verwickelten  ©efd)äfte  der 
Feflfpiele  durd)  alle  fd)weren  Zeiten  f)indurd)  allein  ge- 
leitet f)at,  —  der  im  vollen  ISewußtfein  von  den  un- 
erhörten Anforderungen,  welche  :8ayreutf)  an  fid)  zu 
pellen  I)at,  es  bis  aufs  einzelne  flets  berechnen  mußte, 
wieweit  man  gef)en  mü(fe  und  gef)en  könne  in  den 
€infd)ränkungen  des  Angeflrebten  auf  das  fftaß  des 
erreichbaren,  um  fowol)I  der  allgemeinen  Aufgabe  von 
13ayreutf)  treu  zu  bleiben,  als  aud)  die  €rfüllung  der 
näd)fl:  vorliegenden  nod)  zu  ermöglichen.  Ftfer  muß;  es 
ausgefprod)en  werden,  dag  für  die  ganze  Periode  der 
meiflerlofen  und  dod)  fletig  fortfd)reitenden  Feflfpiele 
das  Fmuptverdienfl  if)rer  €rf)altung  im  rechten  ©eifle, 
näd)fl  der  oberflen  künfllerifd)en  Leitung,  dem  unver- 
gleichlichen Verwaltungsrate  Adolpf)  von  ©roß  zu- 
kommt 3n  feinem  „Bureau**  tyat  fid)  alles  Hot-  und 
Sorgenvolle  durd)  (Jaf)rzef)ntered)t  eigentlid)  konzentriert 
€r  \)at  von  allem  Großen  und  8d)önen,  was  da  droben 
zuflande  kam,  weil  er  drunten  arbeitete,  nur  die  Schatten- 
feiten  gefef)en,  und  nid)t  nur  das,  fondern  aud)  mit  den 
Schatten  felbfl  f)öd)fl  real  kämpfen,  fie  durd)  feine 
Cnergie  und  ;8efonnenf)eit  niederkämpfen  muffen,  damit 
uns  die  öonne  fd)einen  könne*  Das  ifl:  jene  Cnergie 
der  <3efinnung,  jener  8egen  der  tTreue,  wie  fie,  feiten 
geworden  in  der  Welt,  in  #ayreutf)  nod)  immer  if)re 
red)te  fieimat  f)aben. 

Alles,  was  ^ayreutj)  uns  gegeben  bat,  ward  aus 
diefem  deutfd)en  ©eifle  gefd)affen;  und  wenn  die  leidigen 
Umflände  in  manchen  Stücken  die  künfllerifd)e  Voll- 
endung der  13ayreutf)er  Arbeit  nid)t  zuließen  —  was 
nirgends   beffer   gewußt   und   fd)tnerzlid)er  empfunden 


Aufnahme  von  W.  Höffert,  Benin 

FRÄULEIN  WIBORG  ALS  ELISABETH 


ufnah.ne  von  Hans  Brand,  k.  b.  Hofphotograph,  Bayreuth 
SCARIA  ALS  GURNEMANZ 


Aufnahme  von  W.  Höffert,  Berlin 

FRIEDRICHS  ALS  BECKMESSER 


Aufnahme  <von  W.  Höffert,  Berlin 

FRAU  ROSA  SUCHER  ALS  ISOLDE 


ßayfieutR  es 


rvard  als  von  den  arbeitenden  felbp  — ,  fo  f)ätte  dod) 
der  moralifd)e  Wert  diefer  felbplofen  Arbeit  feine  An- 
erkennung als  eines  unverfälfd)t  wertvollen  nationalen 
<3utes  von  ed)tdeutfd)er  Eigenart  vor  allem  verdientl 

fftan  mag  oft  in  trübe  Zweifel  geraten,  wie  weit  die 
moralifd)en  Wirkungen  einer  idealen  Kunp  gef)en 
können,  die  fid)  in  einer  anderen  als  der  künplerifd)en  Welt 
zu  vollziehen  f)aben;  aber  man  wird  an  dem  Glauben 
Wagners  fepi)alten,  daß  die  ideale  Kunp  nur  auf 
moraüfd)em  0  runde  erblühen  und  fid)  erhalten  kann. 
Auf  diefem  ©runde,  auf  if)m  allein,  darf  man  fagen, 
erhoben  fid)  durd)  die  $af)re  f)in  alle  die  prahlenden 
Flögen  der  ;0ayreutf)er  KunPerlebnifle,  die  wir  h)ier  nod) 
einmal  an  uns  wollen  vorüberziehen  Iaflent  —  Weld) 
ftolze  fteif)e  dod)  unvergleid)Iid)  fd)öner  und  bedeutungs- 
voller idealer  €rfd)einungenl  Did)t  im  öinne  von  „flDufter- 
auffüf)rungen"  —  wo  gäbe  es  in  aller  Welt  etwas  abfolut 
n>ufter{>aftes;  wem  follte  dies  einzigartige  zum  „fftufter" 
dienen?  —  wenn  nid)t  vielleicht  nur  ein  glatter  und 
glänzender  8d)ein,  eine  gewiffe  pofierung  des  Aeußer- 
liefen  dafür  gelten  foll.  Aber  wof)l  können  nad)  Wagners 
Worten  „13eifpiele"  gegeben  werden,  :ßeifpiele  eines 
muperf)aften,  d.  f).  in  feiner  Art  wahrhaftigen  und 
edelen  ©eipes.  jedesmal  war  es  fold)  ein  #eifpiel 
des  <3eipes  von  ;8ayreutl),  des  Willens  feines  8d)öpfers, 
welches  dort  gegeben  worden;  ein  13eifpiel  jener  großen 
Aufgabe,  ein  Drama  zu  gepalten  und  did)terifd)e  Ge- 
palten zu  verkörpern  in  einer,  fo!d)en  wunderbaren 
£reigniflen  einzig  entfpred)enden,  idealen  Sphäre. 

$eder  der  Wenigen,  die  86  zugegen  waren,  mußte 
es  füllen,  wie  das  intimpe  aller  X)ramen,  das  öeelen- 
drama  von  üripan  und  Dfolde,  in  der  feierlichen  Ab- 
gefd)iedenj)eit  des  ;8ayreutf)er  Fepfpielf)aufes  erp  feine 
einzig  würdige  ötätte  fand.  Ganz  unbeeinflußt  von  der 
äußeren  Welt  des  allgemeinen  Vergnügens,  das  man 
Cl)eater  nennt,  vollzogen  fid)  f)ier  die  zartepen  und 
gewaltigpen   Vorgänge   des  Leidens   der  triebe  zweier 


66     Rnn5  von  wotzosen 


fierzen,  die  fid)  zum  fef)nfüd)tigen  Herzen  der  Welt 
felbft  —  nid)t  erweitern  — ,  fondern  vertiefen  und  ver- 
innerlid)en.  Hur  in  der  idealen  Sprache  geiftigßer  Kunfl: 
verrät  fid)  das  ©ef)eimnis  der  Uragik  des  Dafeins.  Das 
war  die  Bayreutf)er  Sprache  —  das  rvar  das  Bayreutl)er 
Werk  —  das  ivar  üriftan  und  Dfolde,  die  üragödie  der 
Zwei  und  für  die  Wenigpen. 

Darauf  nun  zrvei  <3al)re  fpäter  die  ffteißerfinger! 
fl>an  meint  zunädjfl:,  das  fei  red)t  ein  Werk  für  alle 
Welt,  fürs  deutfd)e  Volk,  <3ewiß  ein  Werk  des  Volkes, 
unferes  Volkes,  —  aber  tvo  konnte  es  fid)  in  feiner 
vollen  deutfd)en  €igenart,  in  feiner  bewegten  und 
leuchtenden  Heiterkeit  zu  fo  freiem,  unbedingtem  ftus- 
druck  bringen,  als  wiederum  da,  wo  es  fid)  nid)t  als 
ftepertoireftück  zwifdjen  Seinesgleichen  und  Ungleichen 
drangen  laflen  mußte,  fondern  wo  es  wirklid)  auf  einer 
„Feftwiefe"  des  menfd)lid)en  und  künfl:Ierifd)en  Hebens 
erfd)ien  und  das  wahrhaftige  Bekenntnis  des  ©elftes 
diefer  ganzen  8pf)äre  ausfprad),  daraus  es  l)ervor- 
gewad)fen,  das  Bekenntnis  jener  reformatorifd)en  Kunfl:- 
auffaflung,  die  Bayreuth  gefd)affen  f)at.  „Wad)  auf, 
es  naf)et  gen  den  Uag"  —  wo  f)at  das  je  geklungen, 
klingen  können,  als  da,  wo  es  der  feierliche  Ausdruck 
des  (Glaubens  war,  der  in  diefer  Kunfl:  zur  üat  ge- 
worden ift. 

Was  fid)  dort  aus  buntem  Leben  zu  einem  einzigen 
großen  Sdjlußmoment  von  reiigiöfer  Stimmung  bedeutend 
erf)ob,  eben  das  fteligiöfe  felbjt  ward  im'Cannöäufer  91 
zur  8eele  des  ganzen  Dramas.  80  befeelt  erfd)ien  die 
vielbeliebte  „alte  Oper*',  die  mancher  verwundert  in 
Bayreuth  einziehen  faf),  unferem  Bewußtfein  zum  erflen 
fftale  als  Tragödie.  Wieder  erlebten  wir  ein  Seelen» 
drama:  den  Kampf  zwifd)en  der  irdifd)en  und  f)immlifd)en 
Liebe,  zwifd)en  dem  Willen  zum  Heben  und  dem  zur 
Crlöfung,  zwifd)en  verzweifeltem  Seinen  und  friede- 
fpendendem   ©lauben,   zwifd)en  Zauber  und   Wunder. 


«ayi?eucfi  67 


Vhz\)r  aber  nod)  als  in  einer  eigentlichen  „Handlung*' 
erlebten  rvir  diefes  innere  Drama  des  üannfjäufer  in 
der  gleid)  bedeutenden  künftlerifd)en  Verwirklichung 
jener  fzenifd)  fo  ausgeprägten  Kontra|te  zweier  Welten: 
des  Venusberges  mit  feinen  vordem  nod)  unerfd)auten 
antiken  Dionyfien  und  des  f)erb|tabenddunkeln  Wartburg« 
tales  als  der  Stätte  tragifd^religiöfer  Reinigung  im  pill- 
bewegten Cinklang  von  Hatur  und  öeele.  Clifabetl)! 
Die  {Jungfrau,  in  der  tiefen  <3efüf)Iserkenntnis  ij)res 
^eiligen  Berufes,  im  dämmernden  Abend  leidvoll,  wie 
entkörpert  fcf)on,  f)ingefl:reckt  vor  dem  ftouttergottesbilde 
—  die  le^te  üodesentfdjeidung  ausßrömend  im  inbrünftigen 
<3ebete  zur  ewigen  ©nadenmad)t,  —  und  wie  die  Schatten 
der  fiad)t  immer  tiefer  finken  in  das  irdifd)e  üal  — 
fie  felbft,  wie  ein  zarter  Schimmer  böseren  Lid)tes, 
emporfteigend  aus  der  Tiefe  des  Leidens  zur  fiöf)e, 
dorthin,  wo  nun  im  vollen  Dunkel  des  nächtigen  FMmmels 
f)od)  über  der  füllen  wartenden  :0urg  der  ötern  der 
Liebe  rein  erflraf)It,  vom  innig  weltabgekef)rten  8ange 
keufd)er  Cntfagung  fromm  begrübt!  ftud)  das  verzweifelte 
'Codesringen  der  öünde  gef)t  in  diefer  gereinigten  8pf)äre 
der  tieften  Had)t  friedvoll  zu  6nde  —  eine  Welt  ver» 
finkt  mit  dem  legten  <3ötterfd)rei:  „Verloren!**  —  eine 
neue  ertagt  mit  dem  legten  fDenfd>enfeufzer:  ,,3d)  f)öre!**. 
Der  borgen  graut  über  dem  (terbenden  n>enfd)en  mit 
dem  großen,  unjttllbar  feinenden  Rerzen,  —  frommer 
Weif>egefang  der  üodestrauer  ertönt,  aber  die  Fackeln 
bleichen  im  wad)fenden  ?toorgenlid)t,  das  F>eII  und  geller 
aufftraf)lt,  als  nun  vom  fiügel  fjerab  die  jungen  pilger 
mit  dem  grünenden  8tab,  atemlos  vom  freudigften  Cifer, 
immer  lauter,  immer  fiegf)after  das  Reil  verkünden: 
„fieil!  Fieil!  Der  <3nade  Wunder  Beil!  Crlöfung  ward 
der  Welt  zuteil!'*  Und  im  glühenden  Friedensglanz  des 
vollen  flßorgenfonnenfd)eines  leuchtet  über  den  erwachen- 
den Talen  die  [)of)e  33urg  in  den  klaren  Ftimmel,  ein 
f)errlid)er  Lid)td)oraI,  vereint  mit  dem  aus  der  Tiefe 
machtvoll  aufklingenden  13ekenntnisfange  der  Lebenden 


68     finnö  von  wonzosen 


am  neuen  Uag:  „fiod)  über  aller  Welt  ift  <3ott,  und  fein 
Crbarmen  ifl:  kein  öpott!" 

Rier  f)atte  die  vollendete  €inf)eitlid)keit  der  künfl> 
Ierifd)en  demente  ein  religiöfes  Crlebnis  auf  der  ;ßüf)ne 
ermöglicht,  welches  es  unmittelbar  erklärte,  warum  eine 
foldje  Kunft,  fern  der  r^eaterwelt,  iF>r  eigenes  Raus 
[)aben,  warum  das  Publikum  diefer  Kunp,  den  (3e- 
wof)nf)eiten  des  täglichen  Hebens  entzogen,  von  weither 
da\)\n  pilgern  mußte,  nid)t  zum  C^eater,  fondern  zum 
Drama,  und  nid)t  nur  zum  Drama,  fondern  zum  :6ilde 
und  Ausdruck  idealen  Lebens.  Zugleid)  mit  diefem 
Sichtbarwerden  eines  innerlichen  Dramas  war  aber 
aud)  die  äußerlid)  nod)  nid)t  ganz  abgeftreifte  Form 
der  Oper,  kraft  des  did)terifd)en  <3ef)altes  des  Werkes, 
alfo  von  innen  f)er,  einmal  überwunden  worden, 
hierauf  konnte  dann  der  Lof)engrin  94  bereits  in 
einer  aud)  äußerlid)  ganz  I)armonifd)en  <3efamtf)eit, 
mit  jener  befonderen  ©röße  und  tteinf)eit,  die  man 
gern  „klaffifd)"  nennt,  durchweg  als  ein  vollendetes 
Drama  fid)  bewähren,  das  die  ganze  Handlung  felbfl: 
benimmt,  durchdringt,  umfaßt,  —  an  de|fen  Handlung 
aud)  die  bedeutfam  gruppierte,  gefd)id)tlid)  d)arakterifierte 
ffoenge,  in  ftetem  lebendigen  Wed)felverf)ältnis  zu  den 
wenigen  typifd)en  Cinzelperfonen,  if)ren  vollen  Anteil 
nimmt  Die  im  dramatifd)en  8inn  fo  bedeutende 
Fmrmonie  der  beiden  fbomente,  des  Einzelnen  und  des 
allgemeinen,  war  das  bezeichnende  fDerkmal  diefes 
bisher,  wie  der  (Gralsritter,  nur  einmal  und  nid)t  wieder 
erfd)ienenen  ;0ayreutl)er  Kunjfrverks. 

öoweit  gelangt,  durfte  :0ayreutf)  nad)  zwanzig  #af)ren 
aud)  den  "Ring  wieder  wagen.  Um  diefe  Cat  in  kurzen 
Worten  einigermaßen  zu  d)arakterifieren,  wird  man  auf 
die  fpezififd)  dramatifd)e  Wirkung  verweifen  muffen,  wie 
fie  fid)  ganz  befonders  Park  und  entfd)eidend  für  das 
©anze  zeigte  in  dem  erfd)ütternd  tragifd)en  €indruck 
des  fonp  für  fo  elementarifd)  küf)l  und  klar  geltenden 
ttf>eingoldes.    Der  Flud)   des  (Soldes,  die  <3ier  nad) 


>' 


Lh%_ 


Aufnahme  'von  E.  Bieber,  Berlin 

MISS  ISADORA  DUNCAN 


«ayfleutfi  69 


fDad)t  und  tlebermad)t,  die  Opferung  der  fciebe  durd> 
den  Egoismus,  die  Verlegung  der  unfd)uldigen  Reuig* 
Reit  der  ftatur,  all  dies  kam  f)ier  zu  furchtbarer  Deut- 
lichkeit Die  Kunfl:  ivard  zur  propf>etin  und  Dichterin. 
Das  Drama  redete  in  der  Sprache  der  Urzeit,  die  aud) 
dem  heutigen  üage  gar  ernfte  Dinge  verftändlid)  zu 
fagen  vermochte.  —  ün  fpdteren  (Jahren  trat  die  Tragödie 
der  „Walküre**,  dank  einer  befonders  günßigen  Ver- 
körperung der  tragenden  ©eftalten,  in  die  erfte  Tteif)e 
der  neufd)öpfungen.  Denn  dies  war  gerade  bei  der 
Wiederkehr  des  „Ringes**  zu  erkennen:  nid)t  allein 
fold)e  Werke,  welche  bisher  nod)  nid)t  dort,  fondern 
bloß  an  den  Operntf)eatern  gegeben  worden  waren, 
aud)  fold)e,  die  bereits  in  13ayreutf)  if)re  künftlerifd)e 
„Urftänd"  erlebt  Ratten,  erfd)ienen  bei  jeder  neuen 
©eftaltung  an  jener  merkwürdigen  ötätte  als  Heu- 
fd)öpfungen  —  nid)t  nur  ,,f)errlid)**,  fondern  „F)errlid)er 
als  am  erften  üag**.  —  Die  darftellenden  Kräfte  wed)felten 
—  dod)  nid)t  darin  lag  der  fteiz  der  „fieuf)eit":  der  fid) 
darßellende  <3ei|*  blieb  fid)  treu,  und  darin  beruhte 
die  produktive  H>ad)t 

III. 
3Die  13ayreutF)er  Künjllerfd)aft 

Dod)  wer  an  die  ;6ayreutf)er  Dramen  denkt,  kann 
garnid)t  anders,  er  muß  fid)  zugleid)  aud)  der  einzelnen 
<3  e  ft  a  1 1  e  n  erinnern,  welche  dort  einmal  zu  if)rer 
typifd)en  Verkörperung  gelangt  find.  Dies  konnte 
nur  der  Fall  fein,  wenn  die  Darfteller  fid)  eben  ganz 
in  den  Dienfl:  des  Dramas  als  künßlerifd)er  <3efamtf)eit 
pellten,  wie  das  in  :ßayreutf)  erftes  ötilerfordernis  ift. 
X)a$  darunter  keineswegs  die  Individualitäten  zu 
leiden  I)aben,  wofern  man  nur  wirklid)  mit  fold)en  zu 
tun  f)at,  lägt  (ld)  leid)t  erkennen  aus  der  pattlid)en 
tteif)e  wal)r()aft  bedeutender  €rfd)einungen,  die  während 


70     finns  von  wotzosen 


diefes  fftenfdjenalters  auf  der  13ayreutf)er  KSüfyne  hervor- 
getreten find  und  deren  beutiger  Künßlerruf  großen- 
teils fogar  von  dort  ausgegangen  ift  Die  Urbayreut()erin 
ftmalie  fDaterna,  die  erfte  :8rünf)ilde,  verdient  unter 
diefen  aud)  die  erße  Stelle.  Die  große  Erinnerung  an 
den  fttng  von  76  bleibt  ferner  eng  verbunden  mit  der 
an  die  düfler  ragende  öeftalt  des  leidensvollen  Wal- 
fungen  Siegmund  in  if)rer  Verkörperung  durd)  albert 
Hiemann  und  des  dämonifd)en  \)<ifa  und  wuterfüllten 
ftlberid)  von  Karl  Rill.  Vogls  Loge,  nebenbei  bemerkt, 
konnte  nod)  zwanzig  3af)re  fpäter  betveifen,  daß  Wagners 
Kunft:  einen  Sänger,  der  wirklid)  einer  ift,  nid)t  früh- 
zeitig um  Stimme  und  Leben  bringt!  ftls  1896  das 
„Ttyeingold**  nad)  ;J3ayreutf)  zurückkehrte,  ftand  ein 
Friedrichs  an  Fulls,  ;J3riefemeifter  an  Vogls  Stelle, 
und  wieder  waren  die  Typen  diefer  öeftalten  lebendig 
geworden,  in  anderer,  aber  ganzer  perfönlid)keit. 

Zum  :J3ayreutl)er  Typus  geworden  iß  fpäterf)in  als 
■parfifal  die  jugendfrifdje  perfönlid)keit  van  Dycks  in 
feiner  beften  Zeit,  als  einer,  der  mit  dem  Operntf)eater 
nod)  kaum  in  :6erüf)rung  gekommen  war  und  den 
feltenen  Sc^a^  feines  romanifdjen  Temperamentes  und 
Talentes  für  die  ;6ül)ne  willig  der  idealen  deutfd)en 
Kunfl:  zu  ©ute  kommen  ließ.  —  Wir  f)aben  in  ;6ayreutf) 
neben  ad)t  parfifal  nid)t  weniger  als  zef)n  Vertreterinnen 
der  wandelreid)en  trolle  der  Kundry  gehabt,  —  jede 
in  if)rer  ftrt  eine  d)arakteriftifd)e  und  intereffante  €r- 
fd)einung,  welche  die  fd)were  Aufgabe  auf  vermiedene 
Weife,  von  vermiedenen  Seiten  lösbar  zeigten:  durd) 
viele  ^a\)xe  aber  bedeutete  die  nod)  von  Wagner  mit 
befonderer  Roffnung  begrüßte  fD alten  in  großen  ein- 
drucksvollen ©rundzügen  die  „13ayreut!)er  Tradition**. 
Zu  diefen  traten  die  Typen  des  <3urnemanz  und 
ftmfortas  in  der  Verkörperung  durd)  Scaria  und 
ft ei d) mann,  die  im  ;6ilde  des  erften  „parfifal**  nie  zu 
vergeben  find. 

Der  Trißan  brachte   uns  die  Dfolde:  ttofa  Sud) er. 


«ny^eutR  n 


Rier  war  das  Ddeal  verwirklicht.  „Wir  werden 
niemals  ihresgleichen  fe|)ent"  €s  lägt  fid)  nidjt  *>e' 
fd)reiben,  was  als  €rinnerung  in  uns  fortlebt  — 
X)aneben  aber  rvill  nid)t  minder,  ja  einzig,  die  innig 
rührende  Figur  des  treuen  Kunvenal  Fritz  planks 
genannt  fein.  —  Die  ffceifterfinger  hingegen  rufen 
gleid)  eine  ganze  8d)ar  vorzüglicher  Vertreter  des 
fians  8ad)s  ins  Gedächtnis:  voran  den  mit  Y*ed)t 
fo  berühmten,  künßlerifd)  feinfinnigen,  fd>aufpielerifd) 
mei(lerlid)en  €ugen  <3ura,  den  volkstümlich  wuchtigen, 
mit  fo  viel  fierzenswärme  und  Rumor  begabten  plank. 
Wenn  es  aud)  nid)t  lauter  ,/Cypen"  in  dem  f)ier  all- 
gemeinten 8inne  waren  —  das  rvird  man  nid)t  fagen 
dürfen,  daß;  Bayreutf)  fid)  auszeichnet  durd)  mangel- 
hafte Befe^ung,  durd)  fbediocritäten,  durd)  eine  bloße 
8d)ablone,  Varianten  am  Faden  der  Zeitung  1  Aud)  im 
„üannf)äufer",  aud)  im  „IJoI)engrin"  nid)t!  Wie  viele 
treffliche  Künßler  und  Künflierinnen  f)aben  da  nid)t  mit- 
geivirkt  und  find  nod)  trefflicher  geworden,  die  nid)t 
Temperament  bleiben  durften,  tvenn  es  (Id)  um  die 
Wertfd)ä£ung  fd)öner  fceiftungen  Rändelte!  —  f)ier,  wo 
nur  gewifle  typifd)e  Gepalten  bezeichnet  werden 
follen,  ifl:  aber  z.  B.  der  eigentliche  Stern  unferer 
„ffoeifterfinger"  nod)  gar  nid)t  genannt:  der  Beckmefler 
von  Friedrichs.  Vom  :8ayreutl)er  <3efid)tspunkt  aus 
rvird  es  nid)t  unfinnig  erfd)einen,  wenn  id),  in  :0e- 
Ziehung  auf  das  üypifd)e,  das  fDaßgebende,  das  der 
üdee  €ntfpred)ende,  dal)er  Hdeale,  aus  allen  anderen 
gerade  dies  vorbildliche  und  dod)  unnad)af)mlid)e 
paar  f)ervorf)ebe  und  zufammen(telle:  üfolde  und 
Beckmeffer. 

8ogleid)  aber  füge  id)  kü\)n  und  (ld)er  die  Bay- 
reutl)er  €Iifabet()  der  drei  Uannf)äufer-(Jaf)re  1001/2 
und  1904  f)inzu.  üannf)äufer  f)at  in  13ayreutf)  entfd)eidend 
gewirkt,  bahnbrechend  für  die  €rkenntnis  von  der  Be- 
deutung und  der  Bekundung  des  innerlid)  Dramatiken 
in  den  Werken   auf   diefer  BüFjne.     €r  bat  dies  aber 


72     finns  von  wonzosen 


vorzüglid)  getan  durd)  feine  —  man  muß  fcfjon  fagen  — 
Offenbarung  des  dritten  Aktes.  6s  war  die  Anficht  des 
fDeipers  felbft:  der  dritte  Akt  werde  benimmt  durd)  die 
€Iifabet(),  gleichwie  die  Waf)l  der  X)arftellerin  der  €Iifabetl) 
davon  abzuhängen  l)abe,  liefern  fie  für  den  dritten  Akt 
geartet  fei.  Diefe  €Iifabetf)  ifl:  eben  nid)t  als  die  brillante 
öoloftimme  einer  Primadonna  im  Drama  vorfanden, 
fondern  um  zu  leiden  und  zu  fterben.  Ob  fie  das  Gebet 
als  €rlebnis  if)res  Wefens  bringen  kann,  darauf  kommt 
es  an,  daraus  ergibt  fid)  alles  übrige.  Maßgebend  für 
diefen  üypus  der  kindlichen  (Jungfrau,  die  durd)  ein 
fd)merzlid)ß:es  Crlebnis  zur  reinen  Reuigen  fid)  verklärt, 
ifl;  damals  die  :6ayreutf)er  Clifabetf)  der  jungen  Hör« 
tvegerin  Clifa  Wiborg  geworden.  8ie  l)at  ganz  wie 
jene  zwei  großen  Künpler  das  Wefen  der  dramatifd)en 
Gewalt  uns  vollkommen  fid)tbar  und  börbar  werden 
laffen.  —  Als  rvürdiges  Gegenbild  i|tpauline?DaiIf)ac8 
im  f)of)eri  ötil  bewundernswert  gefaltete  Venus  zu 
nennen.  X)er  tragifd>en  Weif)e  des  Werkes  fügte  fid) 
8d)eidemantels  edeler  Wolfram  i)6d)ft  fympatf)ifd)  ein. 

Dn  der  f)errlid)en  8tilf)armonie  des  Lof)engrin  trat 
das  perfönlid)e  mef)r  zurück  —  wo  es  aber  befonders 
hervortrat,  mochte  es  beinahe  frören.  3Dod)  wer  möd)te 
die  Hör  die  a  als  €ifa  unerwähnt  laffen,  wenn  man  der 
eigentümlichen  :6ayreutf)er  Geftalten  gedenkt?  €s  ift 
aud)  immer  gar  nid)t  fd)led)t,  wenn  €iner  oder  €ine 
wirklid)  fingen  kann! 

X)ies  und  nod)  mef)r  erfuhren  wir  im  erneuten 
tting.  X)a  Ratten  wir  (feit  18$7)  im  Wotan  vanttooys 
einen  Glücksfall  f)öd)ften  Grades  für  ;8ayreutf).  — 
X)er  erfte  ganze  Wotan,  in  der  vollen  Größe  feiner 
tragifdjen  Gewalt»  durd)  die  geniale  kün|tlerifd)e  :8e- 
gabung  eines  vollendeten  Sängers  ermöglicht t  An  der 
fid)tbaren  Welt  des  Thinges  f)<*t:te  man  anfangs,  über» 
rafd)t  durd)  die  ganz  neue  pJ)cmtafiefd)öprung  der 
Kofrüme,  es  tadeln  zu  follen  geglaubt,  daß  gerade  ein, 
wenn  aud)  genialer,  dod)  immerhin  mef)r  als  „lyrifd)er 


Aufnahme  <von  Hans  Brand,  k.  b.  Hofphotograph,  Bayreuth 
ELLEN  GULBRAXSOX 


Aufnahme  -von  W.  HoffertT  Berlin 

LUISE  REUSS 


«nytteucn  73 


Landfd)after"  geltender  fDeiper,  wie  Ranßtfjoma,  mit 
der  Löfung  diefes  Problems  betraut  ivurde  —  of)ne  zu 
bedenken,  dag  Landfd)aft  wie  X)id)tung  und  fDufik  eben 
aus  dem  künplerifd)en  <3enie  des  deutfd)en  <5eipes 
hervorgegangen  waren.  Had)  diefem  :6eifpiele  f)ätte 
man  es  nun  aud)  für  ganz  unzuläffig  und  untunlid)  er- 
klären muffen,  dag  ein  außerordentlicher  Nieder-,  ein 
8d)ubert-8änger,  wie  es  van  ttooy  damals  war,  der  nod) 
nie  auf  einer  ;8üf)ne  gepanden,  in  ;ßavreutf)  den  Wotan 
gepalten  folle.  Ojomas  KoPüme  wurden  erp  im  zweiten 
(Jafjre  „geglaubt**,  —  van  ttooys  Wotan  trat  zum  erpen 
?DaI  auf  die  #üf)ne  und  rvar  fofort  eine  „Celebrität". 
Während  er  aber  als  fold)e  fid)  die  Welt  eroberte,  ge- 
wann fid)  wieder  eine  andere,  ungemein  reiche  und  ed)t 
germanifd)e  Begabung,  Theodor  ;ßertrams,  als  ein 
zweiter  Wotan  und  Holländer,  die  edelpe  Wirkungs- 
Pätte  des  FePfpieIf)aufes.  Wie  diefe  bedeutenden  Künftler, 
fo  wäre  ganz  :6ayreutf),  wenn  es  einmal  aus  lauter 
„Glücksfällen"  fein  Ddeal  verwirklichen  dürfte.  Dod) 
glücklid)  aud)  war  man  dort,  dem  ©öttervater  fogleid) 
eine  <3öttertod)ter  gefeilen  zu  können,  die  in  der  Un- 
berüf)rtf)eit  von  Oper  und  üf)eater  eine  ed)te  #ayreutf)erin, 
neben  jener  mächtigen,  Pölzen  fDänn!id)keit  das  gleid) 
d)arakteripifd)e  :J3iId  reiner,  inniger  Weiblichkeit  darbot 
Weld)  ideale  £>reif)eit  edeler  germanifd)er  Frauengepalten 
in  diefer  13rünn()ilde  —  €llen  0ulbranfon,  der  8ieg- 
linde  —  ftofa  8ud>er  und  der  Fricka  —  Luife  tteußl 
Und  dazu,  der  Uiefe  des  Werdens  mit  geheimnisvollem 
Urweltfang  entpeigend,  die  wunderbare  €rfd)einung 
der  €rda:  €rnepine  8d)umann-Reink!  —  X)ie  be» 
rühmte  ;6rünnf)ilde  von  76  gepaltete  mef)r  die  berg- 
frifd)  naivf)eroifd)e  Seite  des  großen  Charakters  der 
Walküre  mit  zündender  Kraft,  die  bis  zur  f)öd)Pen 
€nergie  des  öpeereides  fid)  natürlid)  peigern  konnte. 
Hun  erlebten  wir  zwanzig  $af)re  danad)  die  weibliche 
perfonifizierung  jener  *Müte  der  Tragödie,  der  flftad)t, 
davon  es  f)eißt:  „öelig  in  LuP  und  Leid  läßt  die  Liebe 

flid)ard  8trau&:  XMe  ?Bufih  V.  F 


r4     nans  von  wotiZosen 


nur  fein/*  —  Und  wiederum  ift  es  ein  beweis  für  die 
reichen  ffcöglid)keiten  individualifierender  Darßellungen 
in  :ßavreutf),  daß;  wir  neben  ein  fo  liebenswürdiges 
Haturkind,  wie  es  ;0urg|taIlers  Siegfried  war,  aud) 
nod)  eine  fo  feine  Künftlererfd)einung  wie  £ r  i  k  6  d)  m  e  d  e  s 
(teilen  durften,  um  durd)  beide  die  edele  Daivetät  der 
lid)teßen  fieldengeftalt  mit  poetifd)em  fteize  verkörpert 
zu  fef)en,  während  €rnß  Kraus,  wiederum  aus  dem 
befonderen  fteid)tum  der  deutfd)en  Begabung,  die  ganze 
fDann[)aftigkeit  des  Wotanfproffes  zu  bezwingender 
Geltung  brachte. 

ftber  aud)  auf  der  zweiten  Linie  der  Handlung  find 
f)ier  oft,  vom  Gefamtßile  des  Dramas  benimmt,  einzelne 
typen  gleid)  vorzüglid)  ausgeprägter  ftrt  erfd)ienen, 
wovon  id)  allein  die  köftlidje  fftagdalene  von  ©ifela 
ötaudigl  und  den  urtümlichen Fafner  €Imbl ad s  hervor- 
heben will,  —  nur  eben  fo  nebenher  nod)  darauf  hin- 
deutend, daß;  einß  eine  €milie  f>erzog  den  fiirten- 
knaben  fang,  und  dafr  es  eine  verzweifelte  Frage  wäre, 
ob  8d)Ioffer  76  oder  Breuer  96  der  befte  HMme  ge- 
wefen  fei,  einfad),  weil  fie  es  alle  zwei  waren!  —  £)ie 
<3ef*alt  des  ©urnemanz  endlid)  läßt  fid)  ja  nid)t  wof)l  als 
eine  „Debenrolle"  betrachten,  wenn  man  diefen  banalen 
Cl)eaterbegriff  überhaupt  auf  das  große  f)armonifd)e 
Kunftwerk  anwenden  dürfte;  dod)  war  es  den  fämtlid)en, 
gewiß  nid)t  unbegabten  X)arßellern  diefer  fo  ungemein 
wirkungsvollen  partie  feit  öcarias  über  alles  be- 
wunderter Leitung  widerfahren,  daß  fie  neben  jener 
völlig  in  die  „zweite  fteiFje"  gerückt  wurden.  €rp:  mit 
Dr.  Felix  Kraus,  welcher  wie  van  "ftooy  aus  dem 
eigentlichen  öängertum  als  ein  berufener  und  aus- 
gebildeter Künftler  hervorgegangen  war,  ift  die  wunder- 
volle öreifengeftalt  des  Waffenmeifters  von  fßonfalvat 
wieder  zu  einer  perfönlid)keit  geworden,  von  welcher 
man,  dem  großen  Vorgänger  gegenüber,  etwa  fagen 
könnte:  der  würdige  „Gralsritter",  dort  in  der  — 
endlid)    gebrochenen  —  Kraft   des   edlen   Rittertums, 


«ay^eucR  75 


crfd)ien  f)ier  meljr  in  der  vornehmen  Weif)e  des  ^eiligen 
Grales. 

Dein,  man  kann  waf)rlid)  nid)t  behaupten  — ,  l)at 
es  aber  getan!  — ,  daß;  es  an  kün|*Ierifd)en  perfönlid)- 
Reiten  in  ;8ayreutf)  gemangelt  f)abe.  Und  ivie  viele 
tüd)tige,  ja  ausgezeichnete  Künßler  f)atte  id)  f)ier  nod) 
nid)t  einmal  Gelegenheit  zu  nennen:  von  des  fDeißers 
erftem,  fo  f)od)beIobtem  Wotan  Fr a n  z  :8  e  tz  bis  zu  fo  nam- 
haften öängern  rvieperron  und  Knüpfer!  Gerne  f)ätte 
man  ja  nod)  mefjr  gehabt,  für  manche  bedeutende  ttolle, 
wie  z.  13.  für  den  Ragen,  i(l  die  maßgebende  Geftaltung 
überhaupt  nod)  nid)t  gewonnen  worden  —  man  kann 
nod)  leichter  Armeen  aus  der  6rde  (dampfen,  als  wie 
üalente  oder  gar  Genies.  Das  aber  darf  man  wof)I 
behaupten:  daß  diefe  perfönlid)keiten  zu  if)rer  vollen 
und  reinen  Wirkungsfäf)igkeit  er(t  dort  gelangen  konnten, 
ivo  fie  mit  if)ren  Aufgaben  an  rechter  ötelle  ftanden 
und  fie  im  red)ten  Geiße,  unbefdf)ränkt  durd)  fremde 
Umftände,  als  Künftler  Iöfen  konnten:  in  dem  ftyled)ten 
Gefamtbilde  des  13ayreutf)er  Dramas. 

Wenn  man  von  diefem  Drama  fprid)t,  darf  das 
Ord)e(ter  nid)t  vergeben  werden.  fiörte  man  dod) 
fd)on  die  ftoIze  Verfid)erung:  „^Ja,  f)ätten  wir  nur  das 
verdeckte  Ord)efter  und  die  fd)öne  ftusfid)t  von  euerem 
:6ayreutl)er  t?l)eaterl)ügel,  wir  könnten  leid)t  ebenfo 
gute  Feßfpiele  geben  wie  iP>r  l*'  ftber  aud)  das  Ord)efter 
\ft  gerade  in  13ayreutf)  dod)  nur  ein  integrirender,  ein 
organifd)  verbundener  üeil  der  ganzen  großen  €in- 
()eitlid)keit  des  Kunßwerkes.  €s  wirkt  fo  wunderbar 
eigen  und  neu  in  feiner  unlöslichen  Verbindung  und 
fteten  lebendigen  :ßeziel)ung  zum  Drama,  um  deffen- 
willen  es  aud)  verfenkt  worden  war.  Diefen  Zufammen- 
bang  zwifd)en  Drama  und  fDufik  ßylgemäß  zu  erhalten, 
tft  vor  allem  die  Aufgabe  der  13ayreut()er  Ord)efter- 
dirigenten.  6ie  aud)  find  es,  welche,  f)e™orgegangen 
meift  aus  der  fog.  „Hibelungen-Kanzlei"  Wagners, 
jugendliche  Reifer  des  fDeipers  von  76,  fpäterl)in  draußen 


76     fiftne  von  wotzosen 


in  der  fftufik-  und  Uf)eatenvelt  eine  neue  Dirigenten- 
Generation  gebildet,  eine  neue  Kapellmeifl:er-8d)ule 
begründet  f)aben.  ftllmäf)lid)  an  die  erften  ;0üf)nen 
berufen,  konnten  fie  fclbp:  dorthin,  fo  viel  als  möglid), 
etrvas  von  einem  neuen  <3eifte  tragen;  tvenn  aud)  viel- 
fad), den  Verj)ältniflen  rveid)end,  diefer  (3eift  fid)  dann 
wieder  auf  das  Ord)efter  zurückziehen  und  das  Drama 
oft  nad)  dem  Cfprit  des  ftegiffeurs  und  den  Wünfdjen 
der  Sänger  laufen  laflen  muffte! 

Um  die  Bedeutung  diefer  älteren  :8avreutf)er  Kapell- 
mei(ler-8d)ule  zu  bezeichnen,  brauche  id)  nur  Damen  zu 
nennen  ivie:  flans  ttid)ter,  als  den  tting-  und  fDeifter- 
fänger-Dirigenten,  Felix  ffcottl,  als  den  tTrißan-  und 
Üann|)äufer-Dirigenten,  ftnton  8eidl,  Hermann 
Levi,  Franz  Fifd)er,  als  die  parfifal-Dirigenten,  denen 
fpäter  nod)  TUd)ard  Strauß  und  Karl  fDuck  von 
Berlin  fid)  anreihten.  Dazu  kommt  nod)  die  gefamte 
8d)ar  der  fog.  „mufikalifd)en  ftffi|tenz",  die  u.  a.  ganz 
fpeziell  dafür  zu  forgen  bat,  daß  die  ;6üf)nenvorgänge 
ftets  im  genauen  Kontakt  bleiben  mit  dem  Ord)eßer  — 
eine  nur  in  Bayreuth)  durchführbare  Aufgabe,  tveld)er 
fid)  im  Laufe  der  Zeit  außer  obigen  Hibelungen- 
Kanzliften  unterzogen  f)aben:  ffcufiker  rvie  Hermann 
Zumpe,  Engelbert  Fwmperdinck,  £duard  "fleuß,  Wilhelm 
Kienzl,  Cdouard  Visier,  Siegmund  von  Hausegger,  fotvie 
die  heutigen  Opern-Kapellmeißer  Karl  poplig  (Stuttgart), 
Kahler  (H^annfjeim),  ©orter  (Karlsruhe),  HMd)ael  #alling 
(Karlsruhe),  Franz  13eidler  (ffooskau)  u. a. m.  Zu  guterle^t 
aber  fei  mit  Siegfried  Wagner  felber  nod)  einer  jener 
eckten  13ayreutf)er  Glücksfälle  genannt,  der  fid)  vom 
Hintergründe  eines  Leides  abf)ob.  ftnton  8eidl  tvard 
uns  jäf)  entriflen,  einer  unfer  fd)iverften  Verlufte,  und 
mit  feinem  legten  Worte,  das  diefer  altgetreue  8d)üler 
feines  fDeißers  dort  gefprod)en,  begrüßte  der  8d)Tveig- 
jame  nod)  feierlid)-freudig  feines  ffteifters  8of)n  als 
redeten  erben  ^ayreutl)s. 

Sollte   nirf>t   fdjon   die   natürliche  €mpfindung    die 


/ 


«ayneutrR  77 


Fterzen  einigermaßen  bewegt  I)aben,  als  es  bekannt 
ward,  dag  der  Sof>n  durd)  feine  Begabung  der  Lebens- 
aufgabe  geweif)t  fei,  das  Werk  feines  großen  Vaters 
fortzuführen?  Sollte  man  da  nid>t  lieber  mit  einem 
freudigen  Vorgefühl  (tille  gewartet,  vertraut  und  gehofft 
f)aben,  anftatt  daß  fofort  wieder  Uebelwollen  und  Zweifel- 
haft fid)  Luft  machte  in  lauter  kleinen  bi|figen  Miß- 
billigungen, gerade  als  wäre  ein  Sof)n  Wagners  der 
Le^te  auf  der  Welt,  der  8ad)e  Wagners  tatkräftig  und 
verftändnisvoll  zu  dienen?!  Siegfried  Wagner  l)at  aber 
nid)t  nur  fd)on  als  junger  Ord)efterIeiter  an  gewiß 
fd)wierigft:er,  exponierterer  Stelle  ein  entfd)iedenes 
individuelles  Talent  bewiefen;  er  I)at  vor  allem  gezeigt 
daß  er  geborener  Theatraliker  ift,  in  feiner  glücklichen, 
vom  malerifd)en  131idk  begünftigten  Anteilnahme  an  der 
Führung  der  :6ayreutf)er  fiegie,  vornehmlich  bei  den  fo 
wichtigen  meteorologifd)en  Vorgängen  und  :0eleud)tungs- 
momenten  des  ttinges.  Davon  mochten  Viele  nod)  nid)ts 
erfahren  f)aben,  da  fo!d)e  Dinge  in  13ayreutf)  in  aller 
Stille  fict>  zu  vollziehen  pflegen,  und  es  dort  nid)t 
nottut,  einer  Welt  voll  Lärmen  es  erft  nod)  überlaut 
in  die  Of)ren  zu  fdjreien,  was  geleitet  worden  und  wer 
fid)  ein  Verdienp:  erworben  l)abe.  Allein  die  „Dnfzenirung" 
des  Fliegenden  Holländers  im  #al)re  1001,  welche 
das  fogenannte  (Jugendftück  Wagners  zu  einem  foldjen, 
im  einaktigen  Umfange  kleinen,  an  Kunftwert  und  Kunft- 
eindruck  großen  Wunder  aud)  für  ein  künftlerifd)  ver- 
wöhntes 13ayreutf)er  publikum  gefaltete,  die  konnte  nid)t 
unbeachtet,  unerfragt  vorübergehen.  Weld)  ein  ffteifter 
der  :6üf)nenkunfl:  f)atte  dies  in  feinen  engen  ©renzen 
und  einfachen  Linien  wof)l  vollkommenfte  rGeifpiel  des 
:8ayreutf)er  Stiles  gefd)affen?  —  6s  war  Siegfried 
Wagner.  —  Daß  innerhalb  diefes  aufs  feinfte  abge- 
stimmten ©efamtbildes  der  ergreifenden  Tragödie  der 
8el)nfud)t  in  der  Daturfpf)äre  des  fDeeres  aud)  gerade 
die  €rlöfungsmad)t  der  Treue  in  der  ©eftalt  der  Senta 
wieder  if)re  typifd)e  Verkörperung  gefunden  f)atte  durd) 


rs     Rari8  von  woLzosen 


eine  ganz  neue  8d)ülerin  jenes  8tyles,  6mmv  Deftinn: 
das  erfd)ien  nun  zugleid)  als  ein  freundlicher  Funrveis 
darauf,  dag;  —  rvenn  aud)  fo  manche  kün|tlerifd)e  Kraft 
am  dortigen  Kunftrverke  im  Laufe  der  Zeiten,  äußerlid) 
oder  innerlid)  —  verloren  gef)t,  —  der  für  künftig  fo  glück« 
lid)  und  bedeutungsvoll  gefiederten  Leitung  ein  junger 
Dad)rvud)s  niemals  fehlen  rverde,  dem  es  nur  zu  gönnen 
rväre,  er  könnte  einftmals  von  allem  "Crjeatergetriebe 
frei  und  fern  in  eigener  8d)ule,  aud)  als  eine  moralifd)  im 
:6avreutf)er  <3ei(t  gefeßete  (Gemeinde  ed)ter  Künftler- 
Persönlichkeiten,  den  flxengen  Dienft  der  f)of)en  8ad>e 
deutfdjer  Kunft  mit  freudigem  Stolze  verrichten!  — 
Damit  tväre  die  Zukunft  von  33ayreutf)  völlig  im  8inne 
feines  Schöpfers  gefiebert,  rveldjes  bis  beute  das  Ver- 
trauen der  Hation  fid)  redlid)  verdient  f)at,  durd)  die 
nie  erlofdjene,  immer  neu  und  fo  überrafdjend  rvie 
überzeugend  bervärjrte  Fähigkeit  eines  Lebens  in 
feinem  ©eifte. 


8d)luJ5ivort 

Vertrauen  rvir  denn  aud)  auf  die  Zukunft  von 
:3avreutf),  und  rvünfd)en  rvir  if)m  eine  gute  Zukunft 
in  das  neue  <Jal)rr)undert  bme*n*  X)enn  dies  :8avreutf) 
rjat  etwas  ©utes  zu  bedeuten  inmitten  der  modernen 
Welt,  merjnnod):  in  aller  deutfd)en  Welt  6s  rvar  eine 
deutfd)e  ffceißertat,  es  ift  ein  Stück  deutfdjer  Arbeit, 
es  ift  und  bleibt  ein  ffterk»  und  Denkmal  deutferjen 
<3eiftes.  Vergeben  die  Fremden  aller  Hationen  darin 
das  deutfdje  Wefen,  fo  erkennen  die  £)eutfd)en  aller 
Staatsverbände  fid)  felbft,  das,  rvas  fie  als  eine  fried- 
liche Kulturmad)t  vereint  —  rveit  über  alles  politifd)e 
Scheiden  und  Streiten  f)inaus  —  vereint  in  der  Welt 
unferes  Rerzens,  des  innerften  ?Denfd)entumes,  das 
dod)  niemals  nur  ein  ftbjtraktum,  das  dod)  immer  aud) 


«ay^eutR  79 


ein  Volkstum  i(t  3Das  nationale  :8ewußtfein  f)ätte 
zur  Zeit  des  wad)fenden  Kosmopolitismus  und  Hnter- 
nationalismus  aud)  auf  dem  Grunde  der  größten  poli- 
tischen Tatfac^en  nid)t  fid)  dergeftalt  lebendig  erhalten 
können,  wenn  nid)t  eine  geizige  Kraft,  im  beften  öinne 
„konfervativ",  wie  der  deutfc^e  Geifl:  es  iß,  dabei  ge- 
holfen l)ätte.  X)iefe  geizige  Kraft,  die  nrir  niemals  ein- 
büßen mögen,  um  als  X)eutfd)e  exilieren  zu  können, 
f)at  zur  Zeit  if)ren  unverf)of)Ienften,  wirkungsvollen, 
idealkünftlerifd)en  Ausdruck  gefunden  in  Wagner,  feiner 
Kunß  und  feinem  13ayreutt)«  3n  diefer  reichen  und 
lauten  modernen  Welt  um  uns  fyer  —  weld)  ein  viel 
beklagtes  und  dod)  nid)t  gemindertes  Vorwalten  materia- 
lißifd)er  Denkweife,  materialiftifdjer  Tendenzen!  Wie 
feiert  dagegen  nod)  f)eute  dort  in  Äayreutl)  ein  reiner 
Hdealismus  feine  8iege  über  das  Gemüt  und  beweifl: 
fein  unerlofdjenes  Vorf)andenfein  in  der  deutfd)en  Innen- 
welt an  einer  Fülle  großer  tatfäd)Iid)er  €rfd)einungen! 
—  3n  der  Welt  f)errfd)t  fDad)t  vor  fted)t,  wird  der 
Du^en  allen  anderen  Untereren  vorangejtellt,  wird  ein 
alles  durd)fre(Tender  Egoismus  kaum  mit  fdjweren 
?DüI)en  immer  nur  ein  weniges  an  foziale  pflichten 
gemannt,  zu  if)rer  Erfüllung  oft  felbft  nur  lißig  gereizt: 
eine  raftlofe  (Jagd  nad)  Gold  und  Glück  bringt  würde- 
und  l)eiIlofe  Unruhe  in  alle  Lebensver^ältnifle*  Dort 
in  :6ayreutf)  flüchtet  fid)  der  ffoenfd)  aus  diefer  großen 
Unrafl  der  Welt  in  einen  edelen  Frieden,  die  böfen  und 
(hörenden  Gewalten  fd)einen  gebändigt  im  fd)önen  I3ilde 
der  Kunp,  und  eine  Arbeit  wird  geleiftet,  eine  Sadje 
getrieben  „um  if)rer  felbft  willen**,  of)ne  (Sedanken  an 
Hu^en  und  Gewinn,  eine  mit  keinerlei  Hebenabfid)ten 
und  Hebenrückfid)ten  verwickelte,  rein  künftlerifd)e 
Aufgabe  wird  gelöp,  und  kein  anderes  Glück  damit 
erftrebt  als  das  der  erhabenen  Freude  am  Wahren, 
€delen,  Großen  und  8d)önen.  —  Draußen  aus  der 
Welt  will  das  Große  entfd)winden;  fef)nfüd)tig  blickt 
der    fftenfd)     nad)     €rfd)einungen    aus,     an    die     er 


so     nans  von  woiizosen 


freudig  glauben,  denen  er  mit  Bewunderung,  Begeife- 
rung und  Verehrung  dienen  konnte.  Was  uns  f)ier 
allzufej)r  fef)It,  dort  in  Bayreuth  ifl:  es  uns  voll  ge- 
währt: da  find  rvir  in  dem  freien  t?eid>e,  wo  das  öroße 
()eimifd)  iß,  wo  die  Helden  leben  und  walten,  die  parken 
Willen,  die  f)of)en  ©edanken,  die  edelen  ©efüf)le,  wo 
man  dem  Großen  und  dem  Helden  in  Bewunderung, 
Begeiferung  und  Verehrung  dienend  feine  Treue  galten 
kann.  —  3n  der  Welt  ifl:  die  Kunfl  felbfl:  f)erabgefunken 
von  derHö|)e  genialer  Weltfd)au  in  die  trüben  Diederungen 
eines  kurzzeitigen,  l)alt- und  ziellofenftlltäglic^keitsflnnes, 
und  f)in  und  6er  kämpfen  vergebens  nac^fid)ererftid)tung, 
nad)  fefler  Form  fügende  Meinungen  und  Begebungen 
in  wirrem  ^Durcheinander.  3n  Bayreutf)  f)at  eine  in  fid) 
gefeflete  Kunfl-  und  Weltanfd)auung  if)ren  ausgeprägten, 
fieberen,  großen  8til  gefunden,  ein  fraglos  fid)  felber 
voll  und  rein  ausfpredjendes  Kunflwerk  bietet  jedem 
Suchenden  ein  weihevolles  ftfyl  im  fteid)e  der  Freiheit 
und  8d)önf)eit  dar.  —  ün  der  Welt  führen  Wiflenfd)aft 
und  politik  das  große  Wort,  und  fie  wollen  fid)  felbfl: 
nid)t  einfd)ränken  laffen  durd)  die  Forderungen  eines 
—  fentimental  gegoltenen  —  fittlid)en  Bewußtfeins. 
3n  Bayreutf)  F)errfd)t  allein  die  Kunfl,  aber  in  der 
tragifd)en  ftuffaffung  der  Welt  gibt  fie  mit  großen  und 
edlen  Gefühlen  und  <3eflalten,  durd)  Leiden,  HMtleiden 
und  Ueberwinden,  der  fittlidjen  H>ad)t  im  ?ftenfd)en« 
gemüte  wieder  feflen  ©rund  und  volles  Bewußtfein, 
draußen  in  der  Welt  will  die  überarbeitete  fDenfd)f)eit  fid) 
betäuben  an  einer  leeren,  leichtfertigen,  unbefriedigenden 
Lufligkeit  bis  zur  Frivolität.  Hier  in  Bayreuth  wird  fie 
zurückgeführt  auf  einen  tiefen  €rnfl,  zur  Tragik  des 
Dafeins,  aber  aud)  zum  erlöfend  Heiligen  im  Leiden, 
zur  religiöfen  ftnfd)auung  des  Lebens,  alles  Lebens; 
und  zugleid)  wird  if)r  eben  dort  und  eben  damit  eine 
reine  Heiterkeit  gewährt,  die  Heiterkeit  der  natur  und 
des  Volkes,  wie  fie  aus  Wald  und  Wiefe  des  Siegfried 
und  der  fDeiflerfinger  beglückend  zu  uns  dringt 


«ay«eucR 


81 


60  follen  und  wollen  ivir  alfo  beglückten  Kinder  des 
deutfdjen  Vaterlandes  in  aller  Hot  der  Zeiten  es  nie  ver- 
geben, daß;  ivir  nod)  ein:ßayreutf)  f)aben  und  was  dies 
13ayreutf)  uns  bedeute;  —  eine  ideale  Welt  inner- 
halb der  realen  Welt,  ein  dem  künftlerifd)en  Sinne 
der    abendldndifd)en    Kulturgemeinfamkeit 
leuchtendes  :8eifpiel  und  öymbol  germa- 
nischer Kunß,  germanifd)en  ©elftes. 


Carl  Giessel 

Hofbuchhändler  Seiner  Hoheit  des  Herzogs 
Friedrich  II.  von  Anhalt 

Bayreuth 


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Verlag  der  Coslümbilder 
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HANS  THOMA  von  OTTO  JULIUS  BIERBAUM. 

PSYCHOLOGIE  DER  MODE  von  W.  FRED. 

FLORENZ    UND    SEINE    KUNST    von     GEORG 

BIERMANN. 

FRANCISCO  GOYA  von  RICHARD  MUTHER. 

PHIDIAS  von  HERMANN  UBELL. 

WORPSWEDE    (Fritz  Mackenscn,    Hans   am  Ende, 
Otto    Modersohn,     Fritz    Overbeck,     Karl    Vinnen, 
Heinrich  Vogeler)  von  HANS  BETHGE. 
JEAN  HONOR2  FRAGONARD  von  W.  FRED. 

HANDZEICHNUNGEN     ALTER    MEISTER     von 
OSCAR  BIE. 

ANDREA  DEL  SARTO   von  EMIL   SCHAEFFER. 

DIE  MODERNE  ZEICHENKUNST  von  OSCAR  BIE. 

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Jeder  Band,  in  künstlerischer  Ausstattung  mit  Kunstbeilagen, 

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3  1197  20702  3836 


ML;i+10;W2;W87  878027 

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Wolzogen 

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Bayreuth 

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