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HAROLO a LEE LIBRARY
R^JRMAM tOUNG UNiVERSlTT
PROVO. UTAH
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FünFte« «ans
X)D€ fDU83K
Sammlung iliuftrierter €inzeldarfl:ellungen
Herausgegeben von
tnen««© 8ct*wu86
Äis^er erfdjienen:
Band I: BeeCfiOVen von mi<3U6r eö&LeittCfi.
Band II: DnüDfD€ fDU8DK von 08Km* «De.
Band III: WA<5\>€1l - Bt?€V5€t^ herausgegeben von
rW*6 von WOLZOöen.
Band IV: 0€8CRDCRC€ £>€!* FrmnZÖöD.
8CR€H ?fcU8DK von aLF^es «twneau.
Band V: BftyrteUüfi von nnnö von woLzoeen.
Weitere «ände in Vorbereitung
(Jeder «and in künftlerifd)er «usftattung mit Kunftbeilagen
und Vollbildern in Tonäfcung kartoniert n>lu 1.25
ganz in Leder gebunden Tfck.2.50
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'802?'
C*p^ 5
AiuL€ nccnce vom vettLeee« vo«»ef>»Lcen
HAROLD a LEE LIBRARY
■WiGMAM YOUNG UNIVERSiTf
PRCVO. UTAH
RICHARD WAGNER
nach der Büste von Lorenz Gedon
Äay«eucR
erjter &bfd)nitt:
t)er ©edanke von ;0ayreut().
€D der großen üeilna[)me, welche ttid)ard
Wagner als 8d)öpfer feiner Werke im
deutfd)en publikum gefunden f>at, ift: es
erftaunlid), weld) ein unklarer;8egriff feine
größte 8d)öpfung ,,;6ayreutf)" dod) eigentlich nod) im
Äewußtfein der Nation geblieben ift. Lange (Jaf)re f>at
es gedauert, bis überhaupt ein nennenswerter Teil der
gebildeten Welt in unferem Vaterlande bis zu dem fDaße
der Wertfd)ätzung diefes künplerifd)en ;J3efl£es gelangt
war, das dem Wuslande, feit er in ein fid)tbares Leben
trat, faft nie gefehlt f>at ftber wenn aud) endlid) zu-
gejtanden ward, daß dies eigentümliche ;8ayreutf) etwas
fei, deffen man fid) nid)t zu fd)ämen brauche, worauf
man vielleicht fogar bis zu einem gereiften <3rade als
X)eutfd)er (tolz fein dürfe: ein tieferes Verftändnis für
feine Bedeutung, fowof)I im Leben Wagners wie für
das Leben der deutfd)en Kun|t, ließ fid) immer wieder
vermiffen, fobald einmal eine emittiere „Lebensfrage"
;6ayreutf)s in irgend welcher Form auftauchte und einen
Wusdruck der ©efinnung, eine €ntfd>eidung, ein eintreten
für Wagners 8d)öpfung und Gedanken erforderte. 6nt-
ßand z. 1&. ein ttyeater nad) 13ayreutf)er flfoufter, fo galt
dies wof)l als ein günftiges Zeichen für die Waf)rf)eit
Rnns von wotzosen
der 3dee; und brachte ein findiger Bühnenleiter den
„parfifal" an einem anderen Orte zur Aufführung, fo
faf)en viele darin einen Fortfd)ritt in der Verbreitung
des Werkes. Daß und warum beides gegen Wagners
ausgefprod)enen Willen fei, erfd)ien gewiß der n>ef)rzaf)I
derer, welche davon F)örten, ganz unver|tändlid). Die
Forderung, dem „parfifal" eine verlängerte öcbu^frift:
zu gewähren oder if>n gar durd) ein eigenes ®efe$ an
Bayreuth) zu binden, verfließ fo gegen alle gewöhnlichen
und l)errfd)enden ftuffaffungen von dem Verj)ältni|fe
der öffentlichen Kunft zum großen publikum, daß da-
gegen das bejfere Wiffen eines nur red)t kleinen Teiles
unmöglid) aufkommen und etwas durcbfe^en konnte.
fDan l)ätte eben die Bedeutung des Gedankens von
Bayreutb kennen muffen, um in diefen Fragen Befd)eid
zu iviflen; und da befand fid) das deutfd)e publikum
leider aud) nad) einem ffcenfcbenalter feit der Grund-
fteinlegung auf dem Feftfpielbügei immer nod) in der
Lage des törigen parfifal, der auf des Guraemanz'
fcf>Iicf)te Fragen keine andere Antwort (>at, als: „3d>
wußte fie nid)t".
€s fd)eint erftaunlid), daß es fo iß, und dod) ift es
kein Wunder, rvenn man die Vorbedingungen in Betracht
ziel)t. ?Dan muß fd)on etwas geiftig miterlebt F)aben,
um Wagners Gedanken, der fid) in Bayreuth verkörpert
bat, aus feinen Wurzeln zu vergeben. Die Welt aber,
in der wir leben muffen, ift eine unkünftlerifd)e und gibt
ibren Bürgern fo ungeheuerlich) vieles ganz anderer ftrt
täglid) zu erleben, daß für eine ernftlicje Befaffung mit
den Dingen der Kunft, aud) wenn es fid) nid)t um ein
Bayreuth bandelt, in der Zat nid)t Zeit nod) Stimmung
bleibt. Dennod) darf der Verfud) nid)t geld)eut und muß
immer wiederholt werden, in möglid)ft überfid)tlid)er
Zufammenfaffung das ganze große, einheitliche Bild
diefes Gedankens von Bayreuth vor dem geizigen ftuge
der nid)t völlig künßlerifd) ungebildeten Deutfd)en bis
zur €rficf)tlid)keit entheben zu laffen. Um dies zu er-
«ay«eucR
reichen, ifl: es aber vor allem nötig, den abgebrauchten
begriff des „ttyeaters", der dabei in fo befonderer 13e-
deutfamkeit verwandt werden muß, durd) Wagners
eigentümliche 3dee neu zu befeelen. (Jeder Verfud),
vom ^ayreutl>er t^eater einigermaßen verftändlid) zu
reden, müßte fd)eitern, wenn nid)t zuvor Wagners
ttuffaflung von der Kunft überhaupt und vom ttyeater
im besonderen den fiörern bewußt geworden wäre. Hur
dann gewänne die 13elef)rung freie Faf)rt bis an ein
fid>eres Ziel.
I.
Das DdeaL
Den Gipfel der Kunft erkannte Wagner und mußte if)n
feiner ganzen Anlage nad) erkennen: in der lebendigen
Verbindung aller Künfte zum Drama, alfo darin, was
wir imül)eater fef)en. Vom ü^eater aber fagte er, man
erblicke darin „den dämonifrfjen Abgrund von Möglich-
keiten des niedrigften wie des €rl)abenften". ül>m nun
bedeutete es von je f)er allein die Möglichkeit des Cr-
l)abenften.
Um eine fo \)o\)z ftuffaffung vom "C^eater zu ver-
geben, muß man allerdings das befreiende tTf)eater
fid) erfl: einmal ganz wegdenken. Man muß an die
feltenen Momente denken, in denen man im Cf)eater
das Theater vergaß. Die größten tf)eatralifd)en Wirkungen
in der Kun|tgefd)id)te muß man fid) vergegenwärtigen.
Man muß fid) vor allem daran erinnern, was unferen
größten Meinem die Kunfr gewefen ift, und weld) ein
<3eijt in iF>r und durd) fie fid) f)cit ausfpred)en und ge-
palten wollen.
Das war gewiß ein <3ei|t, wie Wagner if)n einmal
d)arakteri(lert 5at: „der zwar nid)t aus der Welt hinaus-
führt, der aber innerhalb des Lebens uns über diefes
nane von wonzosen
ergebt und es felbft als ein Spiel erfdjeinen lägt". Die
Kunft ift für den Künftler die einzige, von der Wirklichkeit
ftreng unterfd)iedene Welt, welche ihm auf der Welt
felbfl, als fDoment des Gebens, eine €rhebung und Be-
freiung der 8eele gewährt, die er fon|t in aller! Welt
nicht finden kann. Ueber die Welt hinaus führt allein
die Religion. Dod) eine Ahnung deffen, was diefe eivige
Befreiung bedeute, verfchafft uns eine ideale Kunft.
Denn fie deutet mit flnnfälligfter Symbolik auf diejenigen
Kräfte l)in, welche in uns wirkfam fein können, um uns
zu unferer vollen fDenfchenwürde zu ergeben, nämlich
zu dem Hange derjenigen <3efd)öpfe ©ottes, die felbft
am ewigen Wefen, an ewigen Werten teilhaben, deren
wahre fieimat „nid)t von diefer Welt" ijt „Was wir
als Schönheit l)ier empfunden, wird einß als Wahrheit
uns entgegengeh'n," fang Schiller vor hundert fahren.
Hid)t nur ein Bild, nein, eine lebendige, eine empfundene
ft^ttimg vom erhobenen und befreiten Dafein der fbenfd>en-
feele fdjafft alfo die Kunft. 8ie verfchafft es aber zunächft
und zu\)6d)ft dem Künftler. Darum iß fie diefem etwas
„heiliges". 80 fprach es aud) Wagner aus, als er fein
Bayreuth begründete: „Die Phänomene der dramatifd)en
Kunft: können nid)t hoch und ^eilig genug gehalten
werden 1" Und jemehr die Kunjt dem Künftler be\\\$
ip, um fo weniger wird er fie der Welt, wie fie ip, nur
eben preisgeben wollen. €r will ja vielmehr damit aud)
nur wiederum eine befreiende und weihende Wirkung
ausüben. Dies allein ift im ©runde feiner Seele fein
Verlangen, wenn er dennoch bemüht bleibt, die ideale
Welt, die er gepaltet hat nun auch den Seelen der
HMtmenfchen zu erfd)ließen, wenn er ihnen wie Sdf)iller
das befreiende Wort zuruft: „Werft die &ng(t des
Drdifd)en von €ud) — flüchtet aus dem engen dumpfen
Leben in des üdeales l?eid)i" Keineswegs eine wider-
finnige Vermifd>ung mit dem tteligiöfen hat ein fold)es
„fiod> und heilighalten" der Kunß: gegenüber der Welt
zu bedeuten, wohl aber berührt fid) \)\er das Künftlerifd)e
«ay^cucR
unmittelbar mit dem n>oralifd>en; und wieder können
wir Wagner darüber fid) äugern I)ören: „Das ©ute
in der Kunfl: ifl: ganz gleid) dem moralifd) ®uten, das
aud) keiner ftbfidbt keinem anliegen entfpringen kann,
Unmöglid) kann ettvas wirklid) gut fein, wenn es von
vornherein auf eine Darbietung für das Publikum be-
rechnet war. X)a$ Werke, deren €ntßef)ung und Aus-
führung der ftbfid)t einer Darbietung an das Publikum
durchaus fernliegen mußten, dennod) dem Publikum
dargeboten werden, ip ein dämonifrfjer, in der tieften
nötigung zur Konzeption fold)er Werke aber begründeter
8d)ickfalszug, durd) den das Werk von feinem 8d)öpfer
der Welt gleid)fam abgetreten werden muß;. Fraget
den ftutor, ob er fein Werk als if)m nod) angef)örig
betrachtet, wenn es in die Wege fid) verliert, auf welchen
nur das Mittelmäßige angetroffen wird, und zwar das
Mittelmäßige, welches fid) für das Gute gibt?*'
80 tief alfo empfand Wagner das Mißverhältnis
zwifd)en dem Mitteilungsbedürfnis des Künftlers und
dem Charakter der einzig möglichen Mitteilungsart.
„Diefen prozeß dem Walten des Zufalls zu ent-
ziehen und ungepört vor fid) gef)en zu laflen, gab mir
plan zu den ;8ül)nenfefl:fpielen von 13ayr eutf) ein."
X)ies war der Zielpunkt feiner Lebensarbeit; und zweifel-
los wird man danad) Wagners Eigenart als Künftler
am meinen gerecht werden, wenn man if)tn zugejtef)t,
dag; von allen großen Meiftern deutfdjer Kunp er am
unbedingteren und am bewußteren fein Leben lang alle
feine Kräfte darauf gerichtet f>at, die größtmögliche
Verwirklichung jener idealen Welt zu erreichen, in
welcher die Kunft if)re eigene fieimat und if)re volle
Freiheit fände.
Für diefen Zentralgedanken all feines ötrebens und
8d)affens waren il)m da von Anfang an die Griechen
das f)öd)ße Vorbild, ftud) darin, wie in feiner ganzen
ernten und (trengen idealen Kunftauffaffung bezeugt
er fid) uns als näd)fter ©eiftesverwandter des begeiferten
e nans von wotzosen
Sängers der „öötter Griechenlands**. Wer ()eute an
Wagners ©edanken ftnflojf nimmt oder den Kopf
darüber fd)üttelt, der J)at den Eiieblingsdid)ter des
deutfd>en Volkes nod) nie verbanden, der \)at aud)
feinen 8d)iller nod) niemals ernfl genommen. Wagner
aber naj)m gleid) ij)m die Kunfl der ©riechen ernfl.
€r fd>wärmte nid)t nur für if)re 8d)önf)eit, etwa als
eine äflf>etifd)e norm; er erkannte vielmehr in if)r den
reinflen Ausdruck des Wefens idealer Kunfl als einer
Lebensmad)t, die edelfle :8ewaf)rerin der „flDenfdjen-
würde", welche 8d)iIIer in die Rand „des Künfllers"
gegeben fand. „Vor welcher €rfd)einung,** ruft er aus,
„flehen wir mit demütigenderen Empfindungen als vor
der Kunfl: der fiellenen?** „X)ie Hatur flellt uns den
fiellenen bin mit ffcutterflolz und ruft uns fDenfd>en
allen aus Mutterliebe zu: das tat id> für €ud), nun
tut 31>r, aus Hiiebe zu €ud), was DI)* könnt!** Dies
erinnert an jenes andere Wort Wagners, welches ein
fDenfd)enaIter fpäter von der jungen ;ßayreutl)er Fefl-
büfme l>erab ins deutfd)e Publikum drang, und von
i()m nod) fo ivenig verbanden ward, als tvenn es min-
deflens ,,gried)ifd)** gewefen wäre: „Wir l)aben €ud)
gezeigt, was wir können, nun wollet 3f)r» dann f)aben
wir eine Kunfl!** Hene Kunfl: nämlid), von der Wagner
gefagt bat: „Die Kunfl bleibt an und für (ld) immer,
was fie ifl — wir mü(Ten nur fagen, dag fie in der
modernen OeffentIid)keit nid)t vorfanden ifl.**
ttlfo nid)t etwa einzelne Kunflwerke oder Künfller, fondern
eben die Stellung der Kunfl zur Oeffentlid)keit
überhaupt kommt dabei in :6etrad)t Und wieder
blickt Wagner nad) den <3ried)en zurück: „Fmlten wir
die öffentliche Kunfl des modernen €uropa in i[)ren
fiauptzügen zu der öffentlichen Kunfl der ©riechen, um
uns deutlid) den d)arakteriflifd)en Unterfd)ied vor die
ftugen zu pellen. Die öffentliche Kunfl der <3ried)en,
wie fie in der üragödie il)ren Röl)epunkt erreichte, war
der Ausdruck des üiefflen, des Cdelflen des Volks-
«ayfleucfi
bewußtfeins: dasCieffte und Cdelfte unferes menfd)lid)en
ißewußtfeins \ft der reine @egenfa£, die Verneinung
unferer öffentlichen Kunfl:." ftber er bleibt nid)t bei
diefem troftlofen Vergleiche freien, fondern er fd)reitet
weiter fort mit der befttmmten, eine €ntfd>eidung for-
dernden Frage: „Dft es möglid), dag dem durd) die
Wiedergeburt der Kunft (in der neuen Zeit, durd) die
deutfd)en fDeifter) neugeftalteten Leben ein UF>eater
entftef)e, welches den innerfren fDotiven feiner Kultur
in der Weife entfprid)t, wie das gried)ifd)e C^eater der
gried)ifd)en Religion entfprad)?"
X)ie f)ier geäußerten Crwägungen, von den <3ried)en
ausgegangen, aber alsbald den 30eutfd)en zugewandt,
durchziehen in Wagners Leben einen Zeitraum von
zwanzig Darren. JDiefe ganze Zeit ifl: angefüllt mit
Verfugen, jene ?ftöglid)keit zu errveifen, — Verfudjen
einerseits : aud) in X)eutfd)land das befreiende üf)eater
auf eine edlere Röf)e zu ergeben, andererfeits aber —
da dies immer und immer wieder verfagen mußte — :
aud) in X)eutfd)land eine befondere Stätte zu fd)affen,
wo das t^eater, aus dem wahrhaftigen ;8edürfnifle
nadt) der idealen Welt f)ervorgewad)fen, fid) frei zum
;6eifpiel einer folgen Welt für fid) gehalten könnte.
Hid)t litt es il)n länger bei 8d)illers wehmütiger Klage:
„?Düf)fam fpäf)* id) im üdeenlande, fruchtlos in der
Sinnlichkeit", nod) aud) bei Sd)iIIers faft verzweifelter
:6itte an denfiellenengeif*: „Dir nadjzuringen, gib mir
Flügel — Wagen, did) zu wägen!'« Wagner erkämpfte
fld) die Crfüllung, die Verwirklichung, wie er es in der
Widmung feines Hibelungenringes fagt: „im Vertrauen
auf den deutfd)en C3ei(t**.
IL
XMe €ntividklung der Ddee,
8d)on in der Zeit feiner Dresdener Kapellmeifter*
fd)aft, alfo in den vierziger Darren, reichte Wagner beim
8 fians von woLzosen
HMnißerium ein mit größter Sachkenntnis ausgearbeitetes
Memorandum ein über eine künplerifdje tteorganifation
des fioftyeaters. t)iefer Verfud), fo praktifd) er gedacht
war, mußte unberücksichtigt bleiben, da bald danad) die
Devolution ausbrad), derzufolge dann felb(t die Kunjt-
werke des flüchtigen TCapellmeifters für länger von der
königlichen :6üj)ne verbannt wurden. €r felbft aber ging
in feiner Verbannung in Zürid) gleid) wieder ans Werk,
eine Rebung des dortigen 8tadttf)eaters anzubahnen,
worüber feine 8d)rift „€in Theater in Zürid)" aus dem
Anfang der fünfziger 3af)re als befd)ämendes Zeugnis
vorliegt ;6efd)ämend — denn es kam aud) dort, in der
wohlhabenden "Republik, nur zu wenigen vereinzelten
Aufführungen unter Wagners Leitung; das 8tadttf)eater
felbfl: blieb, was es war und was fie alle find und wof)l
aud) fein muffen : ein von wed)felnden ^Direktionen je
nad) der ©efd)äftslage bejfer oder fd)led)ter geführtes
Unterf)altungsin|titut Ungefähr zur felben Zeit fd)ien
(ld) in Weimar durd) diszts großherziges Vorgehen für
Wagners t^eaterpläne etwas Aus(Id)svolIes zu regen.
X)er Hibelungenring war im £ntftef)en, und zugleid) mit
dem Anwad)fen diefes großen Werkes, das aus einer
l)eroifd)en Oper zu einer Tetralogie (ld) entwickelte,
drängte (ld) feinem Sd)öpfer immer ßärker und deutlicher
die Ueberzeugung auf, daß feine künftlerifd)en Intentionen
im l*af)men der gewöhnlichen 13üf)ne nid)t rein zum
Ausdruck kommen könnten Was er fd)on beim beginn
feiner Arbeit in der „Mitteilung an meine Freunde" als
Ddeal f)inge|tellt f)atte, ein Feßtl)eater, außerhalb der
öffentlichen ;0üf)nenwelt, das f)ätte in Weimar red)t wof)l
fd)on damals entfielen können, wenn der <3edanke —
außerhalb der genialen Kün(tlerperfönlid)keit üiszts —
einiges Verftändnis gefunden l)ätte. Um ein fold)es
gerade in Weimar zu vermitteln, fd)rieb Wagner an
fciszt feinen offenen #rief über die „<3oetf)eftiftung".
Liszts edelfinniger öedanke, unter <3oetf)es Hamen,
nad) fürßlid)er Tradition, eine Dnftitution zur Förderung
BLICK AUF BAYREUTH
vom Walde hinter dem Festspielhause aus
[Nach einer unveröffeni Achten Original- Zeichnung 'von S. Schinkel]
«nyi?eucR 0
der Kunp zu begründen, — ließ fie fid) nid)t aud) auf
das "C^eater ausdehnen und diefem auf Weimars ge-
weiftem ;8oden der Charakter jener idealen Welt fiebern,
die einß aud) das Ziel der großen X)id)ter getvefen tvar ?
ftber aud) dies führte zu nichts, und es dauerte nid)t
mef)r lange, daß fciszt felbft enttäufd)t und verlebt fid)
aus Weimar zurückzog. Für Wagner begannen nun die
fo überaus traurigen und notvollen erften fed)ziger Daf)re.
ftls er damals in Wien feinen üriftan auf die ^ü^ne
zu bringen f)offte, fd)rieb er nod) einmal eine fold)e
praktifd)e tteformfd)rift, rveld)e an die näd)ft: vorliegende
Wirklichkeit anknüpfte: „Das Wiener Fiofoperntf)eater".
ffoan gab aber nid)t einmal den Uriftan; man fagte,
man f)abe genug von Wagner, lieber Holländer und
üannfjäufer, die er aus feinem €xil an die C^eater
f>atte Eingeben muffen, of)ne den geringften perfönlid)en
Cinfluß auf il)re Cinßudierung ausüben zu können, f)atte
er ausfül)rlid)e ftniveifungen für ^Dirigenten und ttegiffeure
niedergefdjrieben und an alle befferen ;0üf)nen verfandt.
8ie rvurden nirgends beachtet, und als er in jenen
fed)ziger Darren nad) fftünd)en kam und dort endlid),
nad) der paufe eines falben fbenfd)enalters, (Gelegenheit
l)atte, feine Werke felbfl: einzufrieren, fand er fein
Schweizer packet mit jener Schrift nod) uneröffnet vor.
8ie fyatte alfo tvie er ein dreizehnjähriges 8trafdasein
geführt, nur im (Gefängnis anftatt im €xil. — „Wie
elend ftc[)t es da!*' Diefer fein Ausruf gilt für alle
feine €rfaf)rungen mit den befreienden t^eatern, die er
auf beftere ;8aj)nen l)atte leiten rvollen. Sein Hibelungen-
rverk f)atte er inmitten unterbrechen muffen, tveil deffen
Vollendung, rvozu eine feinem ©eifr und Stil entfpred)ende
ftuffül)rung durchaus gehörte, ganz unerreichbar fd)ien.
allein ivie Faufr fud)te aud) er im Hid)ts das ftll zu
finden: in dem enttäufd)ten und verlajfenen Künfrler
reifte der plan vom Fefrtf)eater als einer nationalen
ünfritution um fo reicher aus. Dm Vonvort zur Aus-
gabe der Hibelungendid)tung 1863 tvard er fd)on gerade
Ttidjard ötraufc: Sie TBufik V. #
io nana von wotzosen
fo mitgeteilt» ivie er nad) rviederum dreizehn Darren in
^ayreutf) zur Ausführung kam, nur dort nid)t am
deutfdjen Ttyein, fondern in Deutschlands HMtten, jeden-
falls aber in keiner großen Stadt, in keinem Zentrum
einer Zivilifation, welche dem Künftler, wie if)re Cljeater,
nur den Gegenfatj der idealen Kunfl: bedeuten konnte.
Kurz darauf, 1864, trat König Ludwig wunderbar
{jilfreid), ja rettend in das Leben Wagners ein. €s
war \e\)Y natürlid), dag diefer Fürß nun wünfdjte, das
3dealtf)eater, wofür er fid) begeifert f)atte, möge in
feiner eigenen t?epdenzp:adt H>ünd>en fid) ergeben; und
ebenfo natürlid) war es, daß Wagner diefem Wunfd)e
feines Königs, der feinen jahrelangen öorgen nun ein
Cnde vergieß, fld) nid)t widerfe^en mochte. Wie er es
fpäter einmal ausgefprod)en bat: „Was mir ftets einzig
nod) am fierzen liegen kann, wäre: ein unzweifelhaft
deutliches # ei fpiel zu geben, an welchem die Anlagen
des deutfd>en 0eipes zu einer fDanifepation, wie jle
keinem anderen Volke möglid) i(l, untrüglid) nad)ge*
wiefen und einer j)errfd>enden gefellfd>aftlid)en ?Dad)t
zu dauernder pflege empfohlen werden könnten" —
f)ier, und nur f)ier fd)ien diefe Tbacfyt durd) einen
König in perfon i()m dargeboten; und damit war aud)
das Lokal gegeben, ftber dies alles f)ing an der perfon
eben diefes Königs, der einzig und allein in der Welt
den (bedanken des Künftlers auszuführen bereit war;
und das Lokal war nid)t etwa die 8tadt des fDünd)ener
Kindls, fondern König Ludwig's ftefldenz. Hun aber
kam fclbft diefer königliche plan nid)t zustande! Dun
fd)eiterte aud) er an dem „Widerftand der ftumpfen
Welt" — fdjeiterte gerade an der 8tadt des fDünd>ener
Kindls 1 um vornef)m(ten blatte Bayerns, das ein|t
einen 8d>iller zum Redakteur l)atte f)<*ben wollen, lafen
die gläubigen H>ünd)ener jener trage das groge Wort:
„HMt dem erften 8teine zum Wagnertf)eater würde der
@rund|tein zu einer ttuine gelegt fein."
Die Leute, die das glaubten, find entfdjuldbarer als
«ayueucfi 11
die, welche fie es glauben machten; aber aus i!)nen
beiden, den Unwiffenden und den Uebeltvollenden, feilte
ficf) dod) eben jene OeffentIid)keit zufammen, welcher
der Künftler feine Werke Einzugeben f>aben follte, und
die es felbß einem Könige nid)t erlaubte, den fDeiper
fein Werk fo darpellen zu laflen, wie er es erdacht
€in 8turm erf)ob fid) gegen fold) eine exorbitante
Forderung, daß ein fDuflker ein eigenes Opernhaus
für fid) allein f)aben wolle; denn nur fo konnte man den
großen bedanken eines ZJdealtf)eaters im pf)M|terium
verftef)em (Jeder fud)t in diefer Welt das Seine, und
für große 3deen, für allgemeine, l)öf)ere Zwecke (>at
man gewöf)nlid) wenig 8inn, da()er aud) keinen rechten
Glauben daran, wenn man dergleichen von einem
anderen vertreten fief)t 80 bewahrheitete fi<t> <*ud) an
diefem entfd)eidenden fDoment das Wort Wagners,
das er fünfzehn #af)re fpdter fprad), als fd)on der
bedanke an einen ,/fteid)sfd)utz" für Bayreuth einmal
aufgetaucht war: „Unferen beutigen öffentlichen Zu-
ftdnden fd)eint nichts ferner zu liegen als die Be-
gründung einer Kunftinftitution, deren Dutten nid)t
allein, fondern deren ganzer 8inn nur dußerfl: wenigen
er(l verftdndlid) i|L Wof)l glaube id> nid)t, es daran
fehlen gelaflen zu f)aben, über beides deutlid) mid)
kund zu geben: wer f)at es aber nod) beachtet?
€in einflussreid)es HMtglied des deutfdjen Reichstages
verfid)erte mid), weder er nod) irgend einer feiner
Kollegen f)abe die geringfte Vorpeilung von dem, was
id) wolle/' — Da, das f)aben wir wieder nod) zwanzig
<Jaf)re fpdter durd) denfelbeu deutfrfjen Reichstag be-
tätigt gefef)en. Vor eben diefem alten, ftets ficf) felber
gleiten Öeifte des Hid)twi(fens, den das Uebelwollen
leitet, wid) Wagner damals, 1865, aus fDünd)en, und
fein König verzichtete für immer auf fein Cf)eater. Von
dann ab war fDünd)en nid)t mef)r König fcudwigs 8tadt
X)er Künftler aber gab feine Sdee nid)t auf; vielmehr,
nun f)<*tte er ja am außerordentlichen Beifpiel völlig
i2 finns von woLzosen
erkannt, wie red)t er mit if)rer urfprünglid)en, jeden
Kompromiß; ausfließenden Faflima. gehabt. Von neuem
alfo faßte er, fefter nod), alles zufammen, was er als
die wefentlid)e und unumgängliche Bedingung für ein
foId)es üf)eater eingefe|)en und gefordert f>atte. 8d)on
vor einem falben <j]a5rl)undert f)atte er gefd)rieben:
„€s muß; jedem 6infid)tsvoIlen deutlid) werden, daß;,
foll das ül)eater irgendwie feiner natürlichen edlen
:8efl:immung zugewandt werden, es von der notwendig-
heit induftrieller Spekulation durchaus zu befreien i(L
Wie wäre das möglid)? X)iefes einzige Dnftitut follte
einer XMenßbarkeit entzogen werden, welcher heutzutage
alle fDenfd)en und jede gefellfd)aftlid)e Unternehmung
der fDenfd)en unterworfen find? 3a, gerade das
C^eater foll in diefer Befreiung allen übrigen voran-
gehen, denn es ifl: die umfaflendjte, einflußreiche Kunfl:-
anftalt; und ef)e der fftenfd) feine edelfte Tätigkeit, die
künfl:lerifd)e, nid)t frei ausüben kann, wie follte er da
fjoffen, nad) niederen ttid)tungen f)in frei und felbft:»
jtändig zu werden? beginnen wir, nachdem fd)on der
ötaatsdienfl: und der ftrmeedienß: wenigflens kein
induftrielles Gewerbe mef)r \% mit der Befreiung der
öffentlichen Kunfl:!" Und nid)t anders lauteten feine
Worte jetzt, da feine fDünd)ener €rfaf)rungen il>n um
eine fd)öne fttöglid)keit gebracht, fein ideales Äeifpiel
zu zeigen: „Ftferzu ifl: auf dem Wege des täglichen
Verkehrs, namentlich auf der :6afis der ©ewerbs-
intereffen, unmöglid) zu gelangen; diefes :ßeifpiel kann
nur auf einem von den ^edürfniffen und Dötigungen
des alltäglichen C^eaterverke^rs gänzlid) eximierten
;0oden gegeben werden." „6s i(l eine ganz neue,
von der Wirklichkeit des Theaters foweit wie
möglid) abliegende ünßitution in das Auge zu
f äffen." „Bedingung hierfür ip: die Außerordentlich-
keit in allem und jedem/' „Die gewerbliche Tendenz
im Verkehr zwifd)en publikum und Theater wäre l)ier
vollftändig aufgehoben. Der Zufc^auer würde nid?t
«ay^eucR 13
mef)r von dem röedürfniflfe der Zerflreuung nad) der
üagesanfpannung, fondern von dem der Sammlung nad)
der Zerftreuung eines feiten wiederkehrenden Fefttages
geleitet, in dem von feinen gewohnten allabendlichen
Zufluchtsorte für tf)eatralifd)e Unterhaltung abgelegenen,
eigens nur dem Zwecke diefer außerordentlichen, exi-
mierten Aufführungen fid) erfd)ließenden befonderen
Feftbau einzutreten, um j)ier, feiner f)öd)|ten Zwecke
wegen, die fDüf)e des Lebens in einem edelften 8inne
zu vergetfen."
X\ad) dem 8d)eitern jenes königlichen planes durfte
Wagner fid) nun ganz und frei diefem feinem urfprüng-
lid)en (bedanken wieder zuwenden. Aber es mußten
die 8iege von 1670 erkämpft werden, um den Künftler
nad) 3Deutfd)land zurückzuführen, und den nun politifd)
geeinigten deutfd)en Stämme einen künplerifd)en Mittel-
punkt zu fd)affen. Wo konnte dann diefer „Mittelpunkt**
einzig gelegen fein? — „Fern von dem Qualm und
3ndu|triepefl:gerud) unferer |*ädtifd)en Zivilifation, in einer
fd)önen €inöde**, f)atte er fd)on vor 20 #af)ren an tiifzt
gefd)rieben — wo durfte er nimmer liegen? ,,$d) bin
nid)t darauf ausgegangen, mein Unternehmen im ©lanze
einer reid) bevölkerten fiauptftadt befpiegeln zu laflfen,
was mir allerdings minder fd)wierig gefallen wäre, als
mancher zu glauben vorgeben mag.'* „Aus den Winkeln
des deutfd)en Vaterlandes wurde mir am kräftigten
und ermutigenden aud) für mein Werk zugefprod)en,
während in den großen fDarkt- und fiaupt(tädten zu-
meifl: nur 8paß damit getrieben worden ijtM 8o ent-
band denn fd)ließlid) diefes :Gayreutf), und zwar je^t
genau, wie Wagner felbfl: es gewollt: „ein vollftändig
ausgeführtes Cf)eatergebäude, ganz nad) meinen An-
gaben von mir errichtet, welches nachzuahmen der
ganzen modernen Welt unmöglid) bleiben muß."
„8o möge denn die 8ad)e if)ren kauf nehmen und
der X)eutfd)e zeigen, daß er endlid) verfl:ef)t, fo wahren
und anhaltenden :8emül)ungen für einen fd)mad)los ver-
i4 nnns von wotzosen
wabrloften und dabei fo unbegrenzt einflußreichen Zweig
der öffentlichen Kun|t, an weld)e id) mein Leben gefegt
babe, aud) die nötige Bead)tung zu fd)enken." HMt
diefen Worten an €mil Fieckel begleitete Wagner im
$af)ref871 feine Zuftimmung zur Begründung der Wagner-
vereine, tvelcfre if)m die HMttel für den Bau des Fe|l-
fpielbaufes verfd)affen wollten.
III.
Urteile derzeit
Wie ()at man nun fo im allgemeinen [diefes Cf)eater,
das nad) Wagner „als ein n>abnzeid)en in die deutfd)e
Welt hinausragen" follte, in der deutfdjen Welt, welche
zugleid) die moderne ift, bisher betrachtet und ver-
banden ?
Das Verpdndnis äußerte fid) befonders in drei immer
wiecjerbolten Urteilen, ftn erßer ötelle begrüßte den
plan und Bau von Bayreuth im publikum das alte
vorwurfsvolle ?Dünd)ener Wort: „Hur für Wagner!"
Das -beißt, entweder: der Künftler i|t fo f)ocf)mütig, daß
er für feine Werke ein eigenes tTl)eater verlangt, oder
aud): die Werke fpredjen fo wenig für fid) fei bfl:, daß
fie eines eigenen Theaters bedürfen. Diefes Urteil be-
ruht auf einer Verwechslung der causa efficiens mit der
causa finalis, wie der pbMofopb fagt. Wobl war der
plan eines Fefttbeaters urfprünglid) verbunden gewefen
mit der ftusfübrung des Hibelungenwerkes, das fid)
an ünl)alt und Form über das <3ewöl)nlid)e und Ge-
wohnte in die öpbäre des außerordentlichen erl)ob,
das mit einem Wort keine Oper und nid)t für die
Operntbeater gefd)affen war, fo wenig wie ctrva die
neunte övmpbonie für die Wiener üanzböden oder das
Hermannsdenkmal für den ©emüfemarkt in Detmold.
Der TMbelungenring alfo war zunäcbft die causa efficiens
«nyfleucR 15
für die ttyeateridee. nun fd)afft aber kein wahrer
Künftler fein Werk für fid) felbft, fondern aus fid) felbft:
es ift ein Ceil feines Wefens, und in feinem Wefen,
feiner perfönlid)keit, feinem 0enie fdjafft fid) die Kunft
felbft einen neuen Ausdruck, eine neue Offenbarung.
;8eetf)oven l)at diefer Waf)rf)eit einmal den fd)önen
Ausdruck verliefen: „flede ed)te €rzeugung der Kunft
ift unabhängig, mächtiger als der Künftler felbft; fie
ke\)Yt durd) if)re €rfd)einung zum <3öttlid)en zurück und
bangt nur darin mit dem fDenfd)en zufammen, dag fie
Zeugnis gibt von der Vermittlung des <3öttlid)en in
if)m!" HMt jedem ffceifter tut die Kunft felbft einen
8d)ritt weiter zur Crfüllung if>res Berufes idealer Welt-
beglückung, ftlles, was der Künftler fo aus fid) tut,
tut er für die Kunft und für das Volk, deffen (Seift in
der Kunft fid) ausfprid)t. -Die Erfüllung des Berufes
der deutfd)en Kunft ift alfo die causa finalis einer Cr-
fd)einung, wie das Ddealtf)eater Wagners; und mit dem
vollen :0etvu&tfein fold)en Berufes f)at der Künftler
diefer 8d)öpfung fein Heben geopfert. fDan darf an
diefen prozeß dod) nid)t denfelben fDaßftab anlegen,
ivomit perfonen, die niemals etwas äf)nlid)e8 wie ein
Kunftwerk f)erzuftellen vermocht f)ätten, if>re;8emüf)ungen
mefien, fid) etwa eine eigene Villa oder ein eigenes
Kapital zu fdjaffen. Diefe verfolgen dabei nur das
eigene Dnteretfe und nichts anderes; das eigenfte ünterejfe
eines großen Künftlers aber ift eben das der Kunft und
des Volksgeiftes. Das erkennt man an den Früd)ten.
Die €rfd)einung des ;6ayreutf)er ttyeaters bedeutet nun
in der Cat ein großes fboment in der deutfd)en Kunft.
Die Deutfd)en f)aben dies zunäd)ft nid)t erkannt, weil
bei if>nen die Kunftauffaffung, weldje darin if)ren f)öd)ften
Ausdruck fand, bisher nur mel)r die €igentümlid)keit
einzelner groger fDdnner geblieben war. ?Def)r Ver-
ftändnis zeigten die Fremden, befonders von der
romanifd>en Haffe, weil in il)rer Zivilifation das künft-
lerifd>e Kulturmoment feit langer Zeit mit einbegriffen
is Rans von woLZo®en
gewefen; oder aud) die Feinde, infofern fie wenigftens
mit :6e|timmtf)eit etivas anderes wollten, als was Wagner
wollte, und in feinem Werke den ©egenfa^ diefes anderen
mit 8d)recken verfpürten. Die Fremden fafjen in ;8avreutf)
einen fiöf)epunkt der deutfd)en T<unft; die Feinde Ratten
es dagegen leicht, die Deutfd)en darin zu beftärken,
dafr es nid)ts fei als ein C{)eater „nur für Wagner*.
Hun, und das ivar ja natürlicherweise etwas ganz un-
erlaubt HMnderwertiges. $edes 8tadttf)eater verdiente
eine reichere Unterftü^ung: das ivar dod) etwas „für
uns felbft", etwas für jedermann!
Von diefem „jedermann" f>atte Wagner zeitlebens
nur allzu genaue Kenntnis erhalten, und wenn er dennod)
in feinem Vertrauen auf den deutfdjen öeift und das
deutfd)e Volk nid)t entmutigt ward, fo fd)öpfte er dies
nur immer wieder, wie er oft bekannte, aus feinen
fd)önen €rfa[>rungen mit einzelnen Seelen, €s wäre
alfo ganz in feinem Sinne, wenn diefe einzelnen Seelen,
denen gerade feine Kun(t ein wahres Lebensbedürfnis
geworden, denen fie die 8ef)nfud)t nad) dem Ddealen
jtillt, aud) alle wirklid) zum <3enu|fe diefer Kunft ge-
langten. Denn zu dem Ddeal eines Kunjtwerkes, wie
es il)m vorfdjwebte, gehörte von jef)er nid)t allein das
ideale Theater, fondern aud) das ideale Publikum. Das
Vorbild der Griechen fd>Ioß ganz crfict>tlid> aud) das
gried)ifd)e Volk mit ein. Das aber war ein kün|tlerifd)es
Volk gewefen, dasjenige gerade, was das deutfd)e Volk
nod) nid)t f)atte werden können, trol? feiner großen An-
lagen, die in feinen ?fceifl:ern fo gewaltig wie fonfl: nur
bei den <3ried)en fid) kund gegeben f)at>en. eben darum
nannte ja Wagner fein 3deal einKunftwerk der Zukunft,
feine eigenen Werke nur er(t Verfud)e, Vorbilder, ;0ei«
fpiele für etwas nod) nid)t Vorhandenes, nid)t nur eine
£rfd)einung, fondern ein Leben der Kunft. Of)ne die
Verwirklichung jenes Ddeales eines künßlerifd)en Volkes
bleibt das ideale Kunftwerk immer nur ein Fremdling
in der Welt der realen Gegenwart €s follte wof)l aud)
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fd>wer fein, den ftnfprud) aufrecht zu erhalten, daß die
höd)|te und ernftefte Kun|t überhaupt, daß; die größten
Kunftwerke, die wir bep^en, heutzutage fdjon in der üat
eine „Kunft für alle" wären. Weder von einem Fauft
nod) von einer neunten 8ympf)onie wird fid) dies ef)r-
Iid>er Weife behaupten laffen. Und ivenn unfer Opern-
publikum f)eute vor allem für den Eiof)engrin fd)wärmt
und if)m dadurd) die f)öd)fte ftuff üf)rungszaf)I im "Repertoire
unferer Operntl)eater verfd)afft, fo bleibt es dod) fef)r
fraglid), ob diefe fd)öne Vorliebe if)re Wurzeln viel tiefer
gefd)Iagen f)abe, als in die geheimnisvolle und rührende
Romantik des Stoffes und in die bezaubernde 6d)önf)eit
der fftufik: von der eigentlichen, tief tragifd)en Bedeutung
des Werkes, davon, ivas Wagner darin ausgedrückt
wijfen rvollte: die Tragödie des (3enius in der Welt,
davon wird fid)erlid) der geringfte Ceil des fd)wärmenden
Publikums nur erfl: eine Ahnung gewonnen f)aben. Hein,
eine Kunft für alle ift eine Wagnerifd>e Kunft überhaupt
nid)t, kann und foll fie nid)t fein. €ine Kunft die für
alle i|t, ifl: meiftenteils nichts weniger als eine Kunft,
tind Wagner felbft fd)on bat über das „neue Fmmanitäts»
prinzip", die „Eemokratifierung des Kunftgefdjmackes"
gefpottet, welche von dem pölzen :6ewußtfein befeelt
werde: „Dun feien die Kunft und if)re Crzeugnijfe nid)t
mef)r bloß für die ©elfter der bevorzugten Klaffen vor-
fanden, fondern der geringfte Bürger f)abe jet^t Gelegen-
freit, die edelften Typen der Kun(t fid) auf feinem Kamine
vor Augen zu ftellen." — Tritt alfo dem Vorwurfe: „Hur
für Wagner* die gegenfä^lidje Forderung „für jedermann"
zur Seite, fo ift beides gleidjerweife abzulehnen; es
beruht auf demfelben örundirrtum, der die Kunfl: als
ein Objekt des perfönlid)en Willens auffaßt, davon ein
einzelner, fei es der Künftler, fei es der „jedermann",
etwas „J)aben" will. Auf den ©egenfa^ zwifdjen dem
üd) und der Kunft läuft fd)ließlid) alles in den #ayreutf)er
Fragen f)inaus.
Eod) Wagner wäre nid)t Wagner gewefen, wenn er
i8 «ans von woLzosen
fein Kunftwerk nur gewiffermaßen als ein edleres @enuß-
mittel für einzelne ins Leben gerufen f)ätte. Der raftlos
Wirkende und einwirkende mußte aud) dem <3enujfe
eine Kraft verliefen wünfd)en. 8ein Kunftwerk follte
nid)t nur beglücken, es follte aud) erziehen. €s follte
eine 8d)ule werden zur künftlerifd)en €rziel)ung — des
n>enfd)engefct)led)tes, wie Schiller gefagt l)ätte — , des
deutfd)en <3eiftes, wie Wagner fagt €ine ftrt idealer
Kloperfd)uIe, wenn man fo will, da fie fiel) abfeits der
Welt galten muffte, um rein und frei wirken zu können;
jedenfalls aber ein fef)r ernfl: zu nehmendes Uebungs-
mittel, um wenigftens allmäf)lid) in unferem Volksgeifte
die künftlerifdjen Anlagen (tärker auszubilden. Gerade
je^t mußte eine fold)eöd)uIe entließen; — denn niemals
war fle gewiß notwendiger als zu unferer Zeit, deren
Kinder am entfernteren fid) zeigen von dem Hdeale
eines künftlerifd)en Volkes. ?Dan bezeichnet diefe Zeit
ausdrücklief) als eine foldje des fDaterialismus, des
ünduftrialismus fDan klagt wof)l darüber, aber man
läßt fid/s gefallen. ftud) kann man es nidbt ableugnen,
daß fie felbfl: auf künftlerifd)em ©ebiete es zu etwas
gebracht (>at. fßan darf fie da wof)l eine Zeit der Cec^nik,
eine Zeit des Kunftgewerbes nennen. Der Hü^Iid)keits-
zweck pel)t freilief) dabei immer voran; dod) regt fid)
zweifellos aud) im FUnblick auf die €rreid)ung diefes
Zweckes ein wad)fendes künßlerifd)es :0eftreben. Hur
füf)rt eben diefes vielmehr abfeits von der großen Kunft.
3n fo!d)er Zeit wird die Kunft beflernfalls zur <3efd)mack8-
fad)e, zu einer Zierde der zivilifatorifd)en ftußenfeite
des Lebens. ffcan fagt zu einer fold)en modernen Kunfl>
erfd)einung wof)l: „made in Germany", aber nid)t:
„Qermany". Das gerade ift es aber, was der aus-
länder zu Wagner, zu :ßayreutf) fagt: „3n Deinem
Lager iß D e u t f d) 1 a n d." 60 ift es in der "Cat gekommen,
daß die ftufmerkfamkeit der Franzofen auf #ayreutf)
ein|t jenen früheren, in Deutfd)land faft nod) unbeachteten
Feftfpielen das Leben einigermaßen fiebern konnte. Dod)
«ay«eucn is
das ip fd)on 17 Daf)re {>er. Als dann :0ayreutf) feine
€xipenzmöglid)keit mit?ttül)e und Hot, aber künplerifd)
glücklid) durd) zef)n, ja, durd) zwanzig 3af)re bewährt
f)atte, fing das größere deutfd)e Publikum an, nid)t
mef)r nad) jedem Fepfpiele von feinen geizigen Leitern
unter dem ötrid) es einfad) fid) vorfagen zu laflen:
,,:0ayreutf) ip: tot"; fondern es gab feinem jungen <3iauben
daran zunäd)p: den Ausdruck eines neuen Vorwurfs.
:8ayreutf) f)atte man ein|t für nid)t lebensfähig gehalten,
weil es dod) „nur für Wagner", den lebendigpen unferer
Künpler, gefd)affen worden; je^t f)telt man es ef)er für
lebensunwürdig in deutfd)en Landen, weil es ndmlid)
„nur für Ausländer* feil
Hun, es f)at überhaupt, der Zaf)l nad), niemals mef>r
Fremde als £)eutfd)e in :6ayreutf) gegeben, und feit
Darren ip: das deutfd)e Clement in ganz bedeutender
Ueberzaf)!, bis zu ^Dreiviertel des ganzen Publikums,
dort vertreten. Wenn aber die Fremden ef) er kamen,
follte man fie etwa dafür mit Zurückweifung beprafen,
daß fie den X)eutfd)en vorangegangen find, daß fie pets
unbedingter die Bedeutung von ;8ayreutf) anerkannt,
fid) oft verpändnisvoller und begeiferter darüber ge-
äußert, if)ren X)ank ausdrücklicher kund getan f)aben?
— 3Daß fie damit am 6nde eben fo aufgefallen find wie
durd) i[)re Sprache, und alfo von außen gefe()en und
gehört, wie es die meinen tun, den €indruck Fjervor-
gerufen f)aben, als fpielten fie eine Rauptrolle, das ip
nid)t fo unbegreiflich). Crnpiid) aber behaupten, da$
:8ayreutf) nur für die Ausländer da fei, dürften die
X)eutfd)en dod) nur dann, wenn eben fie — nid)t für
13ayreutf) da fein wolltenl t)amit bitten fle felber
zwar das publikum undeutfd) gemacht: das Kuntfwerk
aber bliebe deutfd) und einzig deutfd) und teilte am
6nde and) nid)tdeutfd)geborenen Seelen, die nad) if)tn
innig verlangen, etwas vom wahren deutfdjen @eipe mit.
20 nnn8 von wotzosen
IV.
3Dae ßayreutyer Publikum.
60 bleibt denn nur nod) ein dritter Vorwurf übrig,
daß in #ayreutb überhaupt das red)te publikum fef)le,
dag es fd)ließlid) dod) „nur für die l*eid)enM fei.
Wof)I I)at X)eutfd)land, gerade dem Ausland gegenüber,
lange als das ärmere Land gegolten; f)eut aber beginnt
es dod) ef>er fd)on Heid zu erregen um feiner materiellen
Fortfrf>ritte und der Rebung feines Wof)l|tandes willen.
3ene Franzofen z. :©., welche zu Fug von paris nad)
^ayreutf) gewandert waren, nur um das deutfd>e Kun(l-
erlebnis zu erfahren, waren gewiß keine wohlhabende
Leute. Hod) im legten #af)re kam u. a. ein Amerikaner,
der durchaus nid)t zu den HMIlionären jenfeits des
Oceans gehörte, eigens über das ?Deer nad) €uropa,
um den parfifal zu l)ören, und kehrte danad) fofort
auf demfelben Wege nad) Amerika zurück. ?foef)r von
X)eutfd)!and zu fef)en, dafür reichten wobl weder feineHMttel,
nod) kam fein Dntereffe dafür dem für ^ayreutl) gleid).
8oId)e 13efud)er nahmen eben das deutfd)e Fejtfpiel
nid)t als ein Vergnügen unter anderen, fondern fie
f)atten es als ein Rauptereignis diefes (Jahres vor Augen,
deflen fte fid) unter allen Um(länden einmal verfid)ern
wollten; und dazu bedurften fie großer fteid)tümer nid)t.
80 follten — fo könnten wir in der fieimat der:6ayreutf)er
Kunfl: es dod) gleichfalls mad)en.
$a, und wir f)aben es aud) fo gemacht. €s ift: gar
nid)t waf)r, daß nur befonders Wohlhabende nad)
:6ayreutf) gekommen find, weil nur fo!d)e daf)in kommen
könnten. £iefe „oberen Zef)ntaufend", wie die beliebte
pl)rafe lautet, finden fid) vielmehr in den großen Opern-
Käufern diesfeits und jenfeits des Oceans. Für diefe
gibt man einen „parfifal" in Hew-york — ein Broadway-
Feftfpielt Von jef)er f)aben fid) Hienfd)en aus allen
Lebenslagen und 0efellfd)aftsfd)ici)ten im :6ayreutf)er
^ny^eucR 21
Feflfpielf)aufe zufammengefunden, einzig verbunden
durd) das Verlangen nad) einer idealen Lebenserfahrung.
Raben fid) dann mit der Zeit aud) fold)e darunter
gemifd)t, weld)e meinten, fie müßten 13ayreutf) als eine
„fDode" mitmachen, fo find diefe gewiß nid)t wieder-
gekommen; denn fie Ratten etwas fo €rnfl:es und
Strenges, fo jeder Konnivenz gegen das publikum
ftbgewandtes, mit einem Wort etrvas fo Unmodernes
dort gefunden, tvie es fid) am allerwenigften zu einer
H>odefad)e eignet. Dagegen find die meiften 13efud)er
der Feftfpiele wiedergekommen, 5a^cn wiederkommen
muffen, find durd) 13ayreutf) zu einer Kunfl:gemeinfd)aft
geworden. X)a gab es dann jene fd)önen ;6eifpiele und
Momente des Ddealismus, deren H>öglid)keit allein fd)on
die Cxipenz einer foId)en einzigen kün|tlerifd)en Dnfti»
tution rechtfertigt 3Da gab es diefe rührenden Crfpar-
niffe, die der einzelne fid) für die erfef)nte Faf)rt nad)
I3ayreutf) auferlegte, wodurd) aliein fd)on die Stellung
des ?t>enfd)en als publikum zur Kunft eine ganz andere,
die Kunfl: felbft eine öad)e von bedeutfamer Wichtigkeit
im Leben des einzelnen ward. Denn da gewann erp:
das, was für die gewöf)nlid)en Uf)eatergewof)nf)eiten
eine mef)r oder minder gute ftuffüf)rung fein mod)te,
den eigenartigen Wert eines wahren Crlebniflfes. 6s
ward dem erlebenden felbft zu jenem außerordentlichen,
was es feinem Wefen nad) ift.
Kommen wir Deutfd)en wirklid) fd)werer dazu, uns
ein fold)es außerordentliches Crlebnis zu verfd;affen,
fo liegt dies meifl: viel mef)r an den Berufs- als an den
Vermögensverl)ältni(Ten. Wer überhaupt in den Wod)en
des Duli und ftuguft aud) nur ein paar Zage zu einer
Ferienreife erübrigen kann, und wem dann :0ayreutf)
ernftlid) fo viel oder gar mef)r Wert l)at, wie das triefen-
gebirge oder die Zugfpi^e, der bedarf bei den billigen
fteife»€inrid)tungen unferer Zeit und bei befd)eidenen
ftnfprüd)en nod) lange nid)t fo viel für das ganze
Crlebnis von :6ayreutf) und des parfifal. Wdren 50
22 nane von woLzosen
oder 60 ffcark denn wirklid) heutzutage für die ?Def)r-
za\)\ derjenigen £)eutfd)en, weld)e überhaupt geizig
befähigt find, das Publikum für eine foId>e Kunjt zu
bilden, eine fo unerfd)winglid)e 8umme, dag fie garnid)t
imftande wären, fie durd) Vermeidung anderer aus-
gaben für X)inge, welche i^nen dod) weniger am fierzen
liegen dürften, zu diefem einen Zwecke, während einiger
3al)re, fief) f)eranzufparen ? Wenn man diefe einfache
fted)nung nur einmal mit gutem Willen in :6etrad)t
ziel)t und nid)t nur nachredet, ivas man allzuoft l)ören
und Iefen mußte: daß :8avreutf) zu teuer fei — nämlid)
nad) dem fftaßftabe eines ,/Cf)eaterbefud)s", nid)t eines
Crlebniffes — , fo follte man dod) wof)l foviel zugefl:ef)en
muffen, dag es zum minderen nid)t „nur für die fteid)en"
da zu fein braucht
Gewiß, es könnten ja nod) viel met)r nad) ^ayreutf)
kommen, wenn fte wollten, und wirklich wollen es nod)
viele und können es dod) nid)t, befonders von den
jungen Leuten, bei denen die großen eindrucke nid)t
nur die lebhafteren, fondern aud) die entfd)eidenden
find. Wenn dem aber fo iß, fo fragt es fid) dod) vor
allem: ja, warum f)aben denn diejenigen, welche je^t
:0avreutf) daraus einen Vorwurf machen, nid)t bei Zeiten
dafür geforgt, daß es anders werde? 8ind fie denn
niemals dazu aufgefordert worden? Rat fie denn
:ßayreutf) nur zu kün(llerifd)en ©enüffen eingeladen und
nid)t aud) zu moralifcfjen Randlungen ? Warum f)at man
I3ayreutl) nid)t längjt derart fictjer zu pellen gefud)t,
daß es aus der tatfäd)lid) red)t Übeln Lage herauskam,
in der es von Anfang bis beute fid) befinden mußte:
nämlid) ganz gegen Wagners urfprünglidjen plan, zur
^Deckung feiner Koften überhaupt „€ntr£e" nehmen zu
muffen. €in täglid) fpielendes üf)eater, mit reid)f)altig
wedjfelndem Repertoire, in einer großen ötadt, bei l)of)en
für(llid)en Unterjlü^ungen, das freiiid) — das mad)t
aud) nod) Defizits! Und :6ayreutf) mit feinen feltenen,
nur vierwod)enlangen öommerfeftfpielen, wozu man aus
«ny^eutR 23
aller Welt €nden kommen muß, nid)t nur das publikum,
vor allem aud) die Künftler — und es foll welche darunter
geben, die nid)t eben billig zu baben find — ; dazu diefe
unvergleichliche Peinlichkeit in der künftlerifd)en Arbeit;
diefe außergewöhnliche fDafle von Arbeitskräften, um
wiederum das Außergewöhnliche zu ermöglichen: das
Alles erfordert fd)on Ausgaben, deren wirkliche fiölje
man fid) kaum vorteilt, die aber in der trat nur eben
durd) die Einnahmen aus ganz und ftets gefüllten
fiäufern erft im zweiten tJaf>re einer Heuein^udierung
gedeckt werden, obwohl dod) an die Veranftalter der
Feftfpiele felbft, welche die ganze Verantwortung tragen,
niemals ein Pfennig „Tantieme" oder €ntfd)ädigung
oder irgend etwas dergleichen, was wie ein hotyn für
i[)re Arbeit ausfegen könnte, ausgezahlt worden ift.
Wäre Wagners urfprünglid)er bedanke durchführbar
gewefen, fo ftünde es anders. €r f)atte fid) gedacht,
fein ;6ayreutl)er Werk folle nid)t für die tteid)en, wof)l
aber von den fteid)en gefd)affen werden, fo gefd)affen,
daß es alsdann für alle, die danad) ernftlid) verlangen,
fid) völlig frei darbieten könne. Die Unentgeltlid)keit
der Vor^ellungen war if)m von Anfang an, alfo etwa
von 1850, mit der Ddee des üdealtf)eaters verbunden
gewefen. Aud) die #efud)er des geplanten ?ftünd)ener
Fe|ttf)eaters waren nur als ©äße des Königs gedacht.
€rß im 3af)re 1880 f)at er davon abfegen muffen, um bei
feinen Lebzeiten nod) wenigpens den parfifal zu ver-
wirklichen. Aber im prinzip und als Ziel iß diefer be-
danke be|tef)en geblieben, und was davon aud) unter
den je^igen Ver£äItni|Ten fid) konnte erreichen lafien,
das war die €rmöglid)ung und €rleid)terung des ;6e*
fud)es für Minderbemittelte durd) die €inrid)tung einer
ötipendienpiftung.
Aud) diefer <3edanke findet fid) fd)on in den Anfängen
der nibelungenarbeit. Feftere Geftalt erhielt er alsbald,
nachdem es fid) 1876 gezeigt [)atte, daß die freiwilligen
öpenden der begeiferten Freunde durchaus nid)t in ge-
24 finns von wonzosen
nügendem fDaße eingegangen waren, um je das üf)eater
aus einem folgen „patronatsfonds" allein zu erhalten.
X)a äußerte Wagner zuerfl: um Heuja^r 1877 in einem
Schreiben an die Wagnervereine die Anfielt, dag das
ü^eater, welches bisher von "fteid) und fiation gleid)
unbeachtet geladen worden war, eigentlid) erft dadurch
red)t „nationalisiert" rverden könnte, rvenn durd) einen
jäl)rlid)en Zufd)uß des "Reiches die €inräumung einer
großen ftnzaf)I von Fr eipl eitlen für minderbemittelte
Deutfd)e ermöglicht würde. Diefe Anregung verhallte
wieder of)ne jedes €d)o* Und fo begründete er denn
wiederum felbft allein, 1882, durd) feinen offenen :6rief an
einen der feltenften fteidjen, die etwas €rklecklid)es für
:8ayreutf) getan Ratten, an Friedrid) 8d)oen, die fUd)ard
Wagner-Stipendienftiftung mit der ;6e|ttmmung:
„gänzlid) freien Zutritt, ja nötigenfalls aud) die Kopen
der fteife und des Aufenthaltes fo!d)en zu gewähren
denen mit der Dürftigkeit das Los der meinen und
oft tücl)tigpen unter <3ermaniens Söhnen zugefallen ift."
X)iefe Stiftung iß da, befreit nun fd)on feit zwanzig
<]af)ren, f)at für jedes Feftfpieljaf)r, foviel fie konnte,
HMnderbemittelten aller Stände und :6erufsarten, be-
fonders jungen Leuten, Studierenden und VoIksIeI)rern,
die fftöglid)keit verfd>afft, :8ayreutf) zu erleben, es find
zulegt gegen zef)ntaufend fftark in einem 3af)re dafür
ausgezahlt worden: das iß gewig fef)r fd)ön und erfreulich
Aber wenn man bedenkt: zwanzig (]al)re lang — während
;6ayreutl) künftlerifd) ftetig wud)s und aud) immer mef)r
Achtung fid) errang — und immer nod) ift diefe Stiftung
fo unbekannt, fo wenig beachtet, fo gering bedacht, daß
der Vorwurf ,,:0ayreut]) ift nur für fteidje" fid) behaupten
konnte bis auf den heutigen Zag — das ift dod) wiederum
niederfd)lagend. Wieviel mel)r f)ätte in diefer F>infid)t
gefd)e()en follen — f)ötte gefd)ef)en können, wenn f)ier
das fteid), anftatt den ©edanken zu vertreten „die Kunft
für alle**, d. \). anftatt fie jedem zum €rwerbszweig zu
überlajfen, lieber nad) dem allgemein anerkannten <3rund»
& £
«nyseucR 25
fa$e „federn das Seine*' Rändeln wollte. Der Kunfl:
das Dfjre geben — f)eißt das wirklid): ein Ausnahme-
gefe$ geben? Aber jletje da: aus Furd)t vor einem Aus-
naf)megefe^ gibt man ja gerade ein foldjesl ?Dan pellt
die Autorenrechte unter das Kräfte Ausnal)megefe$, daß
fle, als :6efi£red)t aufgefaßt, nad) der kurzen Frijt eines
ffcenfcfyenalters einfad) ausgelöst werden, was für
keinen anderen Crwerbszweig gilt oder nur zu denken
wäre. Dun Rändelt es fid) F>icr aber garniert um Äefi^*
rechte. 6s Rändelt fid) beim Kunftwerk um ein geiziges
fted)t, wozu vor allem der (3ei(t und Wille des Künßlers
gehört, der es gefd)affen f)at. Wäre man die Vertretung
eines kün|tlerifd)en Volkes, man könnte es fid) garnid)t
beikommen laffen, die Kunjt überhaupt unter ein i^r
fremdes fted)t zu zwingen, fondern nad) dem :6eifpiel,
welches gerade die „^ejH^er", die €rben und Verwalter
der Wagnerfd)en Kunft in :8ayreutl) geben, dem #eifpiel
der pietätvollen Öelbjtlofigkeit, würde man die Kunft um
if)rer felbfl: willen auf dem ;6oden fidler (teilen, wo fie
gewad)fen i(t und wo fie, entzogen jeder Hot um die
fbaterie, einzig nad) if)rer Cigenart gedeihen kann.
Aber da I)at man gleid) nod) ein anderes Schlagwort
zur Rand, das allem ins ©e(ld)t fd)lägt, was Wagner
felbft: von der Kun(t gefordert: daß fie aus einem tiefen,
menfd)lid)enIjebenstriebe,ausdem8eelenbedürfni|Tenad)
dem 8d)önen und Cdelen der großen Lebensfymbole f)er-
vorgegangen, niemals nur einer egoiftifd)en Befriedigung
des 8d)önl)eit8finnes einzelner dienen folle. Dagegen
fagtmannun: „Äayreutf) iftdod) nur eine Luxuskunft"
— mit dem Hintergedanken: es iß fcuxus, dag man etwas
dafür Iei|te. — üfl: dies waf)r? Was ifl: denn an der
:8ayreutf)er Kun(t das Emxuriöfe? Der große Aufwand,
den das Drama zu feiner lebensvollen <3efamterfd)einung
verlangt? Aber eben das Drama verlangt if)n, und für
diefes Drama i(t es kein Aufwand, fondern Ausdruck,
notwendiger, — ja am Stile gemeflen — maßvoller Aus-
druck eines €delen, Crnften, €d)ten, das an flefe gewiß
ltt4>ard Straug; Sit fDuflii V. C
26 nans von wotzosen
zu nid)ts ivenigcr als zum Luxus gehört D|t die Ein-
heitlichkeit aller ftusdrucksmittel im :6avreutf)er Kunft-
werk etwa eine unkünfl:Ierifd)e Forderung ? Und ifl: vielleicht
das r6avreut()er Ord)efl:er, die fDuflh des Kunjtwerkes,
wegen der reichen „:ßefel£ung" nur ein Luxus? Hid)t
viel mel>r reiner Wusdruck der innerlichen Welt, die es
gibt und die nur fo if>re ganze Ciefe, if)ren ganzen fteid)-
tum auszufpredjen vermag ? Und diefe Conwelt fordert
eine if)r entfpred)endeLid)twelt. €ine Sf)akefpeare*;8üf)ne
pagt nid)t zum :6ayreutf)er Ord)efter; und nur diefes
wiederum paßt zu der erhabenen Welt der ©ötter und
Beiden auf der özene. Alles dies i(l fd}Iießlid) eine
Hotwendigkeit des :6ayreutl)er öeiftes, der idealen
Kunft. Der geizige Gewalt, den die ;8ayreutl)er Kunft
darbietet, i(l fid)erlid) kein Luxus; und die Form, in
welcher er fid) darbietet, wäre Luxus, lvenn fie geijtlos
rvdre; i(l es aber nid)t, fondern das (Gegenteil, weil fie
eben nur jene geizige Welt zum entfpredjenden Aus-
druck, zur künftlerifd)en €rfd)einung bringt. Hennt man
dies Luxus fo ift es alle Kunft, alles, was über das
®ewöl)nlid)e, das nurHü^lid^e fid) ergebt. DertJdealismus
felbft, alle öröße, jedes <3enie ift dann ein fündf)after
Luxus, und Luxus alles, was fie getan und ivas dafür
getan wird, of>ne 8elbftfud)t und Gewinn,
X)er Vorwurf der „Luxuskunft" — oder des Kunjt-
iuxus — fd>eint tief und ernftlidt) an das fierz der
ganzen Kulturerfd)einung zu greifen, die l)eute unter
dem Hamen von :8ayreutl) begriffen wird; und dod) läuft
er genau befel)en nur wieder auf das alte, ganz äußer-
liche Urteil hinaus, das pd) in das Allerweltswort:
„zu teuer 1" zufammenfaßte, und wogegen, wie nid)t
genug wiederholt werden kann, Wagners eigner le^ter,
feinem Volke f)interla|fener Wunfd) der Förderung des
Ötipendien-0edankens, wenn er nur wirklid) erfüllt
wird, die ausfd)Iaggebende Widerlegung bereits enthält
„Wir können nid)t alle nad) :8ayreutl) kommen, darum
komme das ;6ayreutf)er Kunftwerk zu uns,4' fagt das
■MIUUMMIIl«IIIJL—Bl«U.imil. II III I , ■IIIIUIII.il I IM. Hill IM. .1.1
grofje Publikum. „Eas :6avreutf)er Kunftwerk ift nur
in und mit :6ayreutl) vorfanden, darum kommt alle
nad) :6avreutf)l" fagt der fDeifter. „ftller Welt gebort
die Kunft, darum gef)e fie f)in in alle Welt," fagt — alle
Welt „Verlangt alle Welt nad) der Kunft, fo komme
alle Welt zu if)r nad) :0ayreutl)", fagt der fDeifter.
Und er wufjte wof)l, was er fid) unter „aller Welt" dabei
zu denken f)atte! — X)en Weg ()<** W *br jedenfalls
gewiefen.
X)od)t wenn irgend etwas, fo ift dies bei dem „Kunft*
werk der Zukunft", das f)^ute fd)on unter uns fo gegen*
wärtig zu leben fd)eint, nod) „Zukunfsmufik" !
©as ftußerordentlidje.
&ber ift nid)t am €nde jedes Außerordentliche, jede«
in feiner ftrt Einzige fo etwas wie „Zukunftsmufik",
fobald man if)tn zumutet, auf gegenwärtige Verf)ältni|fe
und beftef)ende <3ewof)nf)eiten reformatorifd) einzu-
wirken? (Jedenfalls ftef)t if)m, einfad) weil es ift, wie
es ift, von Anfang an eine mafjlofe fDad)t von Ge-
wöhnlichkeit und @ewof)ni)eit fd)roff und zäf) entgegen.
Wenn aber etwas überhaupt die Kraft f)at, dies zu
überwinden, fo ift es eben das ttufcerordentlicfte, es
muß; nur bleiben, was es ift, darf nid)t aud) erft zum
Gewöhnlichen, zur <3ewof)nf)eit werden. Oder vielmehr
— wenn man fid) wirklich da l)ineingewöl)nt, fo ift das
gewiß; eine ganz andere (3ewof)nf)eit, kein Zeichen des
€rfd)lafftfeins, fondern des Auffd)wungs, kein Zurück-
bleiben auf der Flädje, der „platitude", fondern ein
Cmporfteigen auf eine fiöf)e. (Ja, wenn etwas als
Fortfd)ritt begrübt werden darf, fo ift es eben diefer
kräftige Crwerb anderer <3ewof)nf)eiten auf den
Fachgebieten des Außergewöhnlichen: „Wir muffen die
28 nans von woLzo©en
Kraft baben, uns andere(3ewof)nf)eiten anzubilden,"
fagt Wagner (1870) und fügt f)inzu: „Hur ein fef)r ernjl-
lid)es, durd) große ©eduld und Ausdauer gekräftigtes
:6emüf)en kann aber fold)e (3ewof)nf)eiten unter uns
zu einem wirklichen f)erv des Lebens ausbilden, ftus
einem parken inneren fDüffen heraus kann uns einzig
die fiotwendigkeit zum Rändeln erwad)fen; ol)ne fold)e
Hotwendigkeit kann nichts £d)tes und Wahres be-
gründet werden.*'
Hun follte man dod) meinen, gerade für unfere
Zeit könnte die ©ewöfmung an das ftußergewöl)nlid)e,
das ganz Heue, keine fo gar fremde 8ad>e mefjr fein.
Wieviel f)at fid) dod) im Laufe des neunzehnten <[Jaf)r-
Hunderts an allen <3ewof)nf)eiten der ?Denfd)en ver-
ändert! X)ie Kinder diefes merkwürdigen (Jahrhunderts
f)aben fold)e Heuigkeiten erlebt wie die €ifenbal)n, den
Telegraphen und alle Fortfd)ritte der eiektrizität. Wir
Deutfd)e insbefondere find aus einer Winkel- in die
Weltpolitik geraten; wir finden uns über Had)t als
Kolonialvolk wieder, und f)eute fd)on liegt nid)t mef)r
unfere Zukunft auf dem Waffer: wir fd)wimmen fd)on
ganz rußig und munter darauf f)erum, mit fiandels-
und Kriegsflotten bis nad) Cf)ina und Venezuela. fDan
reift heutzutage nad) Amerika und <]apan, wie vor
hundert flal)ren in der poftkutfd)e von Weimar nad)
(Jena. Warum foll ein fo beweglid) gewordenes Volk
nid)t aud) nad) ;8ayreutf) reifen? Will man denn in
geipiger :6ezief)ung foweit zurückbleiben f)inter den
ted)nifd)en Fortfd)ritten feiner Zeit? Will man fid)
gerade auf diefem ©ebiete, das dod) fd)on innerhalb der
Hatur etwas außerordentliches, nämlid) das ?ßenfd)lid)e,
zu bedeuten f)at, fo gar nid)t vom fieuen imponieren
Iaffen, fid) gar nid)t den Gefet^en fügen, durd) deren
Befolgung man fclbft zum außerordentlichen fid) ergebt?
ftuf die fiöf)e der (Jungfrau wird bald jeder pf)ili|ter
kutfd)ieren — er braucht fid) nur den (5efe^en der
Schweizer #af)ngefellfd)aft zu fügen, $a, warum ver-
«nytteti'Cfi 29
langt man nid)t lieber aud) — was fo viel bequemer
wäre — , die Jungfrau folle zu jedem pf)iiißer kommen ?
fftan verlangt es dod) von fold)er geizigen fiöf)e, wie
33ayreutf). Oder: tvarum foll denn eine fold)e geijlige
F\öf)e erft dann eine X)afeinsbered)tigung f)aben, ivenn
es möglid) iß, dag alle Welt dabin kommt? Dp: denn
„alle Welt", die auf die (Jungfrau fdF>rt, nun aud)
wirklid) droben? Ad) nein, fie ifl: nur wieder mitten
„in aller Welt", nid)t aber in der f)ol)en 13ergeinfamkeit!
t)as außerordentliche ift ausgelöst Der 8d)wamm
der Allgemeinheit iß darüber gekommen. 65 bleibt nur
nod) ein Uriumpf) der üedmik. €ben dies aber f)aben
wir nun bei einer geißigen Außerordentliche^, wie es
eine große Kunftfd)öpfung iß, nod) in der Rand: fie vor
folgern Auslösen, vor folgern platt- und Glattmachen
zu bewahren. 80 wenig ivir es uns einfallen laflfen,
die 8ixtinifd)e Madonna in einem üurnus berühmter
Gemälde auf Reifen zu fd)icken, um fie in allen 8tädten
IDeutfc^lands und der angrenzenden Kulturländer zum
Vergnügen des großen Publikums auszufeilen, tveil ja
dod) of)ne eine foId)e allgemeine Kenntnisnahme ij)r
Wert als Kunßwerk nod) nid)t „voll und ganz" be»
(tätigt wäre — oder: fo ivenig rvir die peterskird)e auf
Collen fetzen und zur Abwechslung einmal auf die
fvel)berge bei Berlin karren, damit man im Zentrum
deutfd)er Bildung davon Dotiz nehmen könne und
HMd)elangelo dod) endlid) aud) in den Kreifen üeltorv
und Barnim populär werde — und endlid) : fo wenig
wir es wünfd)en, daß Oberammergau feine paffions-
fpiele etwa ein (Ja^r in H>ünd)en, das näd)ße in
Leipzig, dann in Frankfurt u. f. f. bis Ramburg und
Königsberg aufführe, damit die armen X)eutfd)en nid)t
bis in die bayerifd)en ;0erge zu reifen brauchen, um
zu erfahren, was eigentlid) daran fei: ebenfowenig
follte man verlangen und mit eben fo geringem 1*ed)te
darf man es verlangen, daß eine fo eingeartige €r*
fd)einung wie 13ayreutf) ij)re Außerordentlichen, ihre
C*
30 nnne von wotizosen
Cinmaligkeit preisgäbe, etwas anderes, etwas <3e»
wof)ntes, etwas allgemeines werde und für jedermann
und überall bequem zu f)aben fei.
„"Ja aber," f)öre id) da: „die bildende Kunjt und aud)
die religiöfe Kunp in allen €f)ren — mit dem Theater
i|Vs dod) etwas anderes. Das I)at dod) eben den immenfen
Vorteil, dag es überall fein ;6rettergerüfl: auffdjlagen
kann, dag überall auf if)tn die grögten dramatifd)en
Kunftwerke aller Zeiten dem Publikum allabendlid) und
alle nebeneinander dargeboten werden können 1"
„60 i|t der Deutfd)e", entgegnet Wagner felbfl, „fo-
bald von Kunft oder gar vom Cl)eater die ftede ift,
auf welchem Felde er feinen fo berühmt gewordenen,
gediegenen €rnft gerade nid)t bewährt 1 Ueberredet if)n
— überzeugt if)n durd) Caten — ja — erfd)üttert il)n!
Cr ifl: nod) tapferer als feine öoldaten, diefe fallen,
wenn fie erfd)o|fen find, if)n mug man aber, wie den
rufflfd)en öoldaten, erft nod) umflogen?"
Hun, Wagner ^atte gewig zeitlebens genug über-
redet, durd) Caten überzeugt, erfd)üttert. €r f)atte fid)
der Welt immer deutlid) gezeigt als der, der er war:
diejenige künftlerifd)e perfönlid)keit, weiche ganz eines
war mit if)rer künftlerifd)en üdee und if)rem Werke.
Und ebenfo f)^tte er zeitlebens in immer wiederholten
gleichen €rfaf)rungen und vergeblichen Verfurfjen, fid)
davon überzeugt, dag die befreienden C^eater if)rem
Wefen und if)ren Aufgaben nad) zu diefer feiner Ddee
und feinem Werke einen unvereinbaren <3egenfa(j bildeten.
Was \)a\f if)m das? €r \)a\Xz felbft Werke gefd)affen,
die eben den tf)eatralifd)en Vorzug, vor allen erfdjeinen
zu können, aufgeben mugten und durften gegen den
kün|tlerifd)en Wert, nid)t für alle zu feinl Das alles
follte nid)ts gelten. Der Künftler follte nun einmal kein
fted)t auf das ftugerordentlid)e l)aben, nur das "Publikum
fein Ytecftt aufs Gewöhnliche; und wenn es etwas Un-
gewöhnliches j)aben wollte, fo kam dod) nur eine ge-
wifle Steigerung des Gewöhnlichen dabei heraus. „Wir
«nyfleucfi 31
rvollen uns," fagte Wagner in den fed)ziger <Jaf)ren, „zur
Cf)arakterifierung diefer Auß;erordentIid)keit nid)t mit
der Kritik der erfolglofen Verfuge aufhalten, nur er-
wähnen rvir, dag; alle fogenannten fDujtervorftellungen
bisher nie den ;0oden des alltäglichen Cf)eaters ver-
liefen und fid) eigentlich nur als durd) Anhäufung und
Hebeneinanderßellung gefteigerte Virtuofenleijhmgen zu
erkennen gaben"; und fpäter, fd)on im Anblick feines
Cf)eater5, mit einem legten 131ick auf die anderen draußen:
„Werke, welche i|)rer Originalität lvegen die f)öd)fte
Korrektheit zu if)rer Ausführung erfordern, würden
unferem "Cf)eater dadurd) förderlid) werden, daß fie
außerhalb def]en gebellt und feiner verderblichen Wirk-
famkeit entzogen, in vollfter Korrektheit und ungetrübter
fteinl)eit if)m als zuvor unverftändlidje, je^t aber all-
feitig klar verftandene Vorbilder entgegengehalten
würden.'*
?Dan mag daraus trößlid)er Weife entnehmen, dafc die
ftrenge öonderßellung von ;8ayreutf) in Wagners Sinne
durchaus keine abfolute Verwerfung der anderen Theater
bedeuten follte. Was lebt, foll leben, nur foll es in
feiner eigenen Art tüd)tig leben und feinerfeits mit-
wirken zum Leben des Schönen und €dlen. (Jedes
tTFjeater verdient kräftig erhalten zu werden, das feine
künftterifd)en pflichten erfüllt, auf welchem Öebiete der
Dramatik es aud) fei. Daraus kann fid) manches fel)r
Oute ergeben, felbft für die Wagnerifd)en Werke, be-
fonders aber für die jungen Produktionen, welche ganz
auf den guten Willen und die guten Leitungen diefer
t^eater angewiefen find. Was zur Verbreitung aud)
loldjer idealen Werke, wie der Wagnerifd)en, dienen
kann, bleibt der pflichttreue diefer üf)eater überladen.
Hur dürfte fiel) keines, das auf dem ;6oden der All-
gemeinheit, des Verkehrs zwifd)en dem großen publikum
und des Direktionsgefd)äftes, oder gar der Spekulation
fte[)t, die Würde eines üdealtfreaters, eines :8ayreutf)
beilegen, of)ne gegen des TDeifters eigenften Willen und
B027
32 finns von wokzoeen
Lebensgedanken zu verflogen. Denn fein Lebensgedanke
und Lebenswerk — ein eben fo felbftändiges und un«
antaftbares Werk wie etiva feinLof)engrin oder feintTrißan
— iß es eben gewefen, gegenüber dem tT^eater für alles
und jedermann, gegen überden Stätten der Verbreitung
und Verallgemeinerung, jenes eine große ;8eifpiel zu geben,
daß aucj) das Theater, daß aud) das Drama etwas
einzigartiges, ettvas Einmaliges, und dadurd) gerade
etwas Weihevolles fein könne, ganz fo, wie fonft ein
Werk bildender Kunft oder eine künftlerifd) * religiöfe
Feier. X)aß fo etwas bisber nod) nid)t bei uns dagewefen,
follte am Ende dod) dem Stolze darauf, daß es nun
einmal da iß, und daß es ein deutfd)es Werk iß,
keinen Eintrag tun? Der Deutfd)e ift ftolz darauf, daß
der Kölner Dom fertig daftef)t, aud) wenn er ih>n nie
zu fel)en bekommt, er freut fi<±> feiner fd)önen Flotte,
aud) wenn er nie zur See gef)t Freuen wir uns alfo
dod) des ftußerordent!id)en aud) in diefem Falle, und
laffen wir uns die Freude daran nid)t ftören!
ftber freilief), wie follte man fid) daran erfreuen,
wenn man es garniert verlangt? Wenn man wo()l ein
„:0avreutf)" verlangt, aber anders als Wagner es fd)uf,
und den parfifal, aber anders als er if)n gewollt?
Die Ddeale find nun einmal nid)ts beliebiges, nid)t etwas,
wovon man nur eben fagen könnte: „Fuer ift es und
dort ift es!'* „Hur einem edlen :8edürfniffe," fagt
Wagner, „kann das Weihevolle fid) darbieten, und
nid)ts kann die fd)öne €rfd)einung fördern, als die
Stärkung der Sel)nfud)t nad) if)r."
e».» Das redjte ;0ayreutf)er Publikum wären alfo die nad)
dem Weihevollen Sef)nfüd)tigen, und eben einer fold)en
SeF>nfud)t bot Wagner zulegt fein 33üf)nenweif)feß-
fpiel dar: den parfifaL Darum beftimmte er diefes
Werk fo ganz ausdrüdklid) und feierlid) für ;0ayreutl)
allein. Dies war der Ie^te Schritt Wagners zu dem
Ziele feines Lebens bin, und erft damit Y>at er es wirklid)
erreicht Sollte nad) feinem Code die große Spur diefes
& ny n e \xz r\ 33
Schrittes ausgelöst werden, fo ivürde damit Wagners
Lebenswerk ausgelöst Wieder blieben von if)m nur
die einzelnen, einer gegenfä^lid) gearteten OeffentIid)keit
Eingegebenen Werke übrig. Das einzige I3eifpiel der
idealen Kunp in Wagners öinne wäre vernichtet €s
wäre damit etnms ftef)nlid)es getan, als wenn man das
deutfd)e Tteid) wieder in dreißig Kleinpaaten zerlegen
wollte und in jeden ein :0ismarck»;OenkmaI ftellte! Wo
wäre 13ismarcks Werk geblieben?!
VI.
„parfifah"
?TMt feinem parfifal f)atte Wagner ein Werk gefd)affen,
welches nid)t nur wie der tting, für ein nationales Fe)\
bepimmt, durd) feine ungewöhnliche Form und die über-
mäßigen ftnfprüd)e an die darpellenden Kräfte ivie an
die €mpfänglid)keit des Publikums von vornherein ein
„anderes Theater" verlangte und aud) wirklid) fid) ver-
fd)afft f)at. ftus einem „innerlichen 0runde" fd)rieb
Wagner an Friedrid) 8d)oen, f)abe er den parfifal zu
alleiniger £luffüf)rung in 13ayreutf) bepimmt, und diefer
örund beruhe in dem „durchaus unterfd)iedlid)en
Charakter diefes meines Werkes, welchem id) die Be-
nennung eines ;8üf)nenweif)festfpieles zu geben mid)
veranlaßt fand". „X)en Veranlagungen, welche den fting
des Hibelungen dem 13üf)nenfePfpielf)aus in 13ayreutl)
entführten, glaube id) für den parfifal jede ;8e-
pimmung meiner €ntfd)lüffe fd)on dadurd) unmöglid)
gemacht zu f)<*ben, daß id) mit feiner Dichtung eine
unferen Operntf)eatern mit fted)t durchaus abgesandt
bleiben follende 8pf)äre befd)ritt."
Den Yttng f)atte er an die Theater Eingeben müfifen,
um der materiellen Dot willen, in welche fein Fepfpiel-
f)aus geraten ivar infolge der ungenügenden Teilnahme
der Dation an dem erpen iP>r gegebenen Fepe. £)as
34 nans von wotzosen
Symbol der fDaterie, des (3oldeö fclbfl alfo mußte f)ier
Reifen, die ftealität des tJdeales zu retten. Dahingegen
parfifal, das Symbol des tJdeales felbft, follte die
Ddealitdt des verwirklichten Fe|ttf)eaters retten. XMefes
Werk mit feinem wefentlid) religiöfen Charakter ver-
langte nidj)t allein ein „anderes** üf)eater, fondern es
„weihte" dieses nun befreiende andere üfjeater zu einer
Stätte befonderer ftndad)t des künßlerifd)en fDenfd)en.
©alt es alfo eine TCunft darzubieten, welche nid)t in die
Welt hinaus geraten follte, damit fie gerade von ijjrer
eximierten Freiftatt aus rein und groß auf die Welt und
aud) auf die Kunft wirken könne, fo ward durd) den
parfifal einer folgen Kunft die denkbar größere Sicher-
tyeit gewährt. Wagner f)atte darüber fd)on im (Jaljre 1880
an den König gefdjrieben: ,,3d) [>abe nun alle meine,
fo ideal konzipierten Werke an unfere, von mir als tief
unfittlid) erkannte Cfjeaterpraxis ausliefern muffen, daß
id) mid) nun wol)l ernftlid) fragen mußte, ob id) nid)t
wenigftens diefes letzte und f)eiligfte vor dem gleichen
Sd)ickfale einer gemeinen Opernkarriere bewahren follte.
€ine entfd)eidendenötigung hierfür f)abe id)endlid) indem
reinen Öegenftande, dem Sujet meines „parfifal", nid)t
mef)r verkennen dürfen, 3n der Tat, wie kann und darf
eine Handlung, in welcher die erl)abenften fftyfterien des
d)riftlid)en Glaubens in Szene gefegt find, auf Theatern,
wie den unfrigen, vorgeführt werden? 3d) würde es
wirklid) unferen Kird)envorftänden nid)t verdenken, wenn
fie gegen Sd)außeIIungen der gewellteren fDyßerien auf
denfelben Brettern, auf welchen geftern und morgen die
Frivolität fid) bef)agiid) ausbreitet, einen fef>r berechtigten
6infprud) ergeben. Hm ganz richtigen <3efüI)Ie hiervon
betitelte id) den „parfifal": ein „:6üf)nenweif)fe|lfpiel".
So muß id) if)tn denn nun eine 13üf)ne zu weisen fud)en,
und dies kann nur mein einfam daftef)endes;6ül)nen-
feftfpiclf)ausin rßayreutf) fein. Dort darf der parfifal
in aller Zukunft einzig und allein aufgeführt werden;
nie foll der parfifal auf irgend einem anderen C^eater
«ny^eutR 35
dem Publikum zum Amüfement dargeboten werden,"
worauf der König erwiderte: „Sein Wunfd) fei, dafr das
^eilige :6üf)nenweif)feftfpiel nur in;8ayreutf) gegeben und
auf keiner anderen größeren :8ül)ne entweif)t werde*'.
— Rat alfo Wagner durd) den parfifal fein ;8ayreutf)
gegen alle, feinem künftlerifdjen kebensgedanken wider-
fpred)ende Anforderungen fid)er pellen wollen, fo f)at er
andererfeits aud) den parfifal durd) das ;8ayreutf)er
Raus vor Jeder €ntweif)ung feiner eigenen religiöfen
Idealität fieser gebellt.
Aber dies iß nid)t die einzige :6efl:immung des parfifal
gewefen. €r i(t nid)t nur inf)altlid) ein religiöfes, er i(l
feinem Ausdruck nad) ein künfl:lerifd)es Werk, deflfen
Ausführung, nad) Wagners Worten, die „allergrößte
Korrektheit" verlangt :0ei einem parfifal läßt fid) nid)t
durd) Ieidenfd)aftlid)e fDomente und Attitüden oder durd)
glänzende Bilder und prahlende Cinzelleißungen über
eine mangelhafte Wiedergabe f)inwegtäufd)en. 6in bloßes
Simile genügt nid)t; jedes kün(tlerifd)e fDanko ftört als-
bald aud) die weihevolle Stimmung, reißt heraus, nid)t
nur aus dem X)rama, fondern aus der ganzen idealen
Welt, deren Symbol es ift Wagner felbjl f)at die legten
Kräfte feines Alters aufgeboten, um eben in diefem
:8ayreutf)er parfifal das fDufter in möglicher Voll-
kommenheit reftzufetjen für korrekte Aufführungen im
Stile feines Kunftwerkes überhaupt, und dies mit dem
€rfolge, daß der parfifal von 1882 in der üat als 3Dar-
Pellung weit aud) über dem fttng von 1876 ftand.
Sd)on zwei Dafjre zuvor f)atte Wagner öffentlid)
erklärt: „Um die fDögIid)keit mir zu wahren, nod)
während meines Lebens vollkommen ftilgered)te Auf-
führungen meiner fämtlid)en Werke mit der nötigen
X)eutlid)feit und nachhaltigen eindringlid)keit vorzu-
führen, f)abe id) mid) dazu entfd)Ioflen, zunäd)ft meine
neuere Arbeit ausfd)ließlid) und einzig für Auf-
füf)rungen in dem :J3üf)nenfeftfpieIf)aufe zu
:ßayreutf) und zwar in der Weife zu beftimmen, daß
36 Fmn5 von woLzosen
fie \)\zx dem allgemeinen "Publikum dargeboten fei, —
wobei dann darauf gerechnet wird, daß; außerordentliche
6innal)men nid)t nur die Koßen diefer er|ljäf)rigen Auf-
führungen vollkommen decken, fondern aud) die fDittel
zur Fortfe^ung der Feßfpiele im darauffolgenden Dafjre
verfd)affen werden, in welchem — rvie überhaupt zu-
künftig — nur in Bayreutf) der parfifal zur Dar-
pellung gebracht tverden foll." Het^t, 1882, knüpfte er
in feinem offenen Briefe an mid) das Weitere an: „3n
welcher Weife die einzigen Aufführungen des parfifai
in Bayreutf) den Hoffnungen dienen können, welche id)
wohlwollenden Freunden erweckt F>abe und die nun
von diefen forglid)|* feftgef)alten werden dürften (nämlid)
die Hoffnungen auf die Begründung einer „8d)ule")
wird fid) aus dem Charakter diefer Aufführungen und
der Umftände, unter denen fie ftattfinden, leidet ergeben/*
Und ferner: ,,üd) f)alte alljährliche Wiederholungen des
parfifal für vorzüglid) geeignet, der jetzigen Künftler-
generation als 8ci)ule für den von mir begründeten
Stil zu dienen, und diefes vielleicht fd)on aus dem
Grunde, iveil mit dem Studium desfelben ein nid)t
bereits durd) übele Angewohnheiten verdorbener Boden
betreten wird, ivie dies bei meinen älteren Werken der
Fall ift, deren Auffüf)rungsmodus bereits den :6edürf»
niffen unferer gemeinen Opernroutine unterworfen ward."
80 fef)en wir denn, wie parfifal allerdings zu einem
Liebensquell für Bayreuth geworden ift, aber in einem
ganz anderen Sinne als jenem materiellen, den unferc
allzu materiell geßimmte Zeit damit zu verbinden pflegt
fftan denkt fid) da die Sad)e fo, daß der parfifal nur
deshalb Bayreuth vorbehalten bleiben folle, weil diefes
o()ne \\)\\ materiell nid)t exilieren könne. 3Dabei
i|* aber nod) gar die Auffaflimg maßgebend, daß Bayreuth
überhaupt eine „€innaf)mequelle" fei, welche feine Ver-
walter nid)t verlieren wollten. fDan traut alfo den-
jenigen, welche ein ideales Werk und eine ideale Stätte
mit felbßlofer Aufopferung if)rer Kräfte im ®ei|t if)res
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«ayfleutR 37
8d)öpfers bisher erhalten f)<*ben und von denen man
nichts anderes als diefe fiebere üatfac^e weig, of)ne
weiteres die davon grundverfd)iedene öefinnung zu,
dag fte. um felber vom parfifal zu „leben4*, if)n der
„Weif* entzogen ivifTen wollen, Waf)rf)aftig, das f)ätten
fie Ieid)ter f)aben können, als durd) einen viertelf)undert-
jährigen Kampf des Idealismus gegen alle falfd)en
ftnfd)auungen und ftnfprüd)e des Zeitgeiftes! Warum
f)at man in :8ayreutl) dann nid)t mit Freuden zugegriffen,
als wiederholt für den parfifal foldje Summen geboten
wurden, die das Fepfpieltf)eater auf immer fid)er gepellt
f)aben würden ? Oder — warum \)at man nid)t lieber
IängP fd)on von allen Uf)eatern für den parfifal fid)
j)ol)e Tantiemen zahlen laffen, anpatt dag man, wie feit
zwanzig üaf)ren, nod) zwölf Daf)re länger — unbegreiflich
für die Weltl — „gar keinen öewinn daraus zielet**?
80 bätte man :6ayreutf) erhalten und obendrein „ein
<3efd)äft gemacht**. Hur eben den parfifal f)ätte man
^ergeben mü(Ten; — warum f)at man if)n nid)t her-
gegeben? Hid)t weil ;8ayreutf) des parfifal bedarf,
fondern der parfifal — ;8ayreutf)s!
Wer diefen ©edanken vergebt, der weiß; damit aud),
was der (bedanke von ;6ayreutl) ip. Denn aus diefem
Gedanken heraus konnte einp Wagner dem Könige
fagen, dag die dem parfifal zu gewährende ;6üf)ne einzig
nur fein :Cüf)nenfePfpieIf)aus fein könne, fteugerlid)
betrachtet, von dem <3efid)tspunkte der ftuffüf)rbarkeit
aus, meint wof)I l)eut nod) mand) ein nachkomme
derer, welche vor nod) nid)t fo ferner Zeit jedes neue
Werk Wagners für „unauffüf)rbar** erklärten: der
parfifal laflefid) dod) am €nde auf jedem „anPändigen"
t?f)eater zur ftuffüf)rung bringen. €ine fold)e Aufführung
werde dod) gewig immer mit einem ganz befonderen
€rnpe vorbereitet werden und mit einer eigenen Feier-
lichkeit von Ratten ge()en. Dagegen blieben freilief)
für den, welcher einigermaßen allein von der Arbeit
in #ayreutf) eine ft[)nung f)at, mindepens nod) fef)r
38 finns von woLzosen
Parke Zweifel übrig, ob die Sad)e überhaupt aud) nur
mit der von Wagner geforderten „Korrektheit" durch-
geführt und, wenn felbft dies einmal gelungen wäre,
auf die Dauer derart erhalten bleiben könnte, ftn
die Cf)eaterleitungen und die Künjtlerkräfte werden da
viel zu viel andere ftnfprüd)e gebellt, um eine fold)e
Konzentration auf ein Werk überhaupt zu ermöglichen ;
und wenn man (lej)t, wie es an den beften :6üf)nen
beute nod) den anderen Werken Wagners oft genug
ergeben mu§ und wie es da vor allem gerade an der
einfachen „Korrektheit" zu mangeln pflegt: fo kann man
für dies fd)wierig(te, weil eigenartigjte und gegen
Störungen der Stimmung empfindliche Werk dod) waf)r-
Iid) keine großen Hoffnungen auf ein plötzliches fldb
€mporfd)wingen zu :8ayreutf)er Leitungen f)egen
follen.
Hun wäre aber mit der ernten künftlerifdjen Korrekt-
heit der Aufführung nod) lange nid)t jenes eigentümliche
Kunpwerk wirklid) und völlig ins Leben gerufen, ün
:6avreut{) gilt es ja überhaupt gar nid)t einzelnen Auf-
führungen, und felb|t wenn die jeweilige Vorßellung
dort an wefentlid)en Zügen einmal etwas verminen
liegte, fo f)ätte man doci) immer nod) das Wefentlid)e
des Werkes in der Art feiner ©efamtauffaffung und
demnad) <3efamterfd)einung erhalten. Dazu gehört
vornehmlich jene ganz befondere Stimmung, welche fid)
unmittelbar aus dem rßewußtfein erzeugt, in dem von
Wagner fclbft für fein Werk gefdjaffenen Raufe, gewiffer-
maßen gegenüber dem Lebenswerke des ffteifters felbft
— im Original — - fid) zu befinden und zu diefem Zwecke
allein aus der Ferne an diefe in der Welt einzige Stätte
gekommen zu fein, wo man dann wirklid) aud) allein
die ?K>öglid)keit F>at, frei von den vielen unkünftlerifd)en
Umbänden des gewöhnlichen Lebens in einem ungegarten
Frieden für geraume Zeit fid) dem €rleben einer wahr-
haftigen Idealität ausfc^Iießlid) zu widmen. 3n unferen
<3ro0ftädten, deren Theater dod) die einzigen wären,
«ay^eutR 30
fid) an den parfifal zu wagen, bedeutete aud) die be|te
Aufführung immer nur eine fd)öne Abwechslung nad)
der Arbeit des Tages und vor der fUif)e des 8d)lafes.
8ie wäre ein Moment im lieben, in einer if)r fremden
Welt, aber fte pellte keine eigene Welt für fid) dar,
worin der ?Denfd) fid) als in ein oberes und reineres
Clement des X)afeins ganz eintauchen könnte. €s wäre
fozufagen: ein parfifal of)ne <3ralsgebiet.
80 i^ es denn aud) fef)r zweifelhaft, ob das Publikum
jener Orte überhaupt mit dem richtigen Verlangen und
im rechten 8inne dem Werke gegenüber treten würde.
Jedenfalls würde der parfifal, den das publikum dort
zu fef)en bekäme, bei diefem von vornherein auf ein
ganz anderes ?Daß von €indrucksfäf)igkeit treffen. Zu
der edlen ttuf)e, welche den 8til diefes Werkes benimmt,
\\e\)t die Unruhe der Zeit im denkbar krafleften ©egen*
fa$. €s bedurfte fd)on der allerftärkften und feltenften
Kunftmittel, um dem Werke und feinen fiörern innerhalb
diefer Zeit die ?ftöglid)keit dennod) zu verfd)affen, zu
einer fo!d)en ttuf)e einmal völlig einzukehren. Dazu
mußte eben erft die ganz abfonderlid)e und einzige
8d)öpfung eines außerweltlid)en Kunftafyles ftattfinden,
wie Äayreutl). Vieles, wenn nid)t das meifte, was in
röayreutf), in jenem befonderen idealen l*af)men, über-
zeugend, ftimmungsvoll, ergreifend und entrückend wirkt,
weil es dem dort f)errfd)enden feierlichen Tone, den
eigenen großen ?toaßen des Außerordentlichen und des
Weihevollen entfprid)t, das würde inmitten einer Lebens«
fpl)äre, die von if)ren :8ewof)nern tagaus tagein den
0efd)windfd)ritt der modernen Tätigkeit erfordert und
wo fid) das ölte „deutfd)e Andante" längft in ein un-
deutfd) l)a|tiges Allegro vivace verkehrt f)at, allein fd)on
durd) den Tempo unterfd)ied fremdartig, abfpannend,
geradezu „langweilig" und deshalb unerträglich wirken.
Davon empfindet etwas wof)I |d)on jeder, der fid)
törid)terweife etwa direkt mit dem Cilzuge aus durd)-
bebten Arbeitswochen zum Fe|tfpielf)aufe daf)in reißen
40 nane von wotzosen
läßt: er muß fid) feine €rgriffenf)eit erfl: müf)fam er-
kämpfen aus dem Eindruck übermäßiger breite der Vor-
führung heraus. Um parfifal dem Opernpublikum auf
die Dauer erträglid) zu machen, müßte er alfo vor allem
fein Cempo wed)feln, und damit wäre aus dem Grals-
ritter fd)on ein 8d)neIIIäufer geworden. ftber aud) im
beflen Falle würde er dem großen publikum gegenüber
nur eben als „fiovität" fid) geben und rein als fold)e
„intereflant** erfd)einen; diefe aber würde an foldjer
ötelle und unter diefen Umbänden fid) bald genug als
leidlid) „effektlos4* erweisen, und das €nde iväre, daß
das Werk wof)l eine Zeitlang an den Opernbüljnen ab-
gefpielt — nad) König Ludwigs Wort „entweiht" —
worden wäre, um dann zulegt dod) wieder an fein eigent-
liches ftfvl wie zu feiner Reinigung zurückzukehren.
Der erfte, befonders fd)mäf)Iid)e Verfud), unter völliger
Hid)tad)tung des legten Willens eines deutfdjen ffceifters,
obendrein mit fiilfe von :6avreutl)er Künftlern, die man
gut honorieren konnte, das Weif)efefl:fpiel von ;6avreutf)
auf amerikanifd)em Boden zu einem öaifonzugftüdk für
40 Dollar-Zahler und Kaffenßück für einen fid)erlid) be-
fonders fpekulativ veranlagten Direktor zu verwerten,
gibt allen Vorausfagen über Charakter und Wirkung
von &ußer-:6ayreutf)er Aufführungen des Werkes voll-
kommen red)t €s war viel getan worden, die 6ad)e
anders — natürlid) beffer — als in Bayreutf) zu machen,
wenn man aud) diefelben Kräfte dazu gebrauchte; aber
man konnte weder die amerikanifd)en Sitten umwandeln,
nod) den amerikanifd)en <3efd)mack täufd)en. Dazu f)atte
das amerikanifd)e publikum dem deutfdjen Werke gegen-
über die unbepreitbare Berechtigung. €s durfte es
„intereffanf* finden, daß der parfifal gegeben ward,
und „ennuyant", iF>n anhören zu mü(Ten. Diefe €f)rlid)-
keit, welche felbß aus der amerikanifd)en prejfe, allem
öoldzauber zum Cro$, deutlid) genug fid) verlauten
ließ, war viel mef)r wert als alles künftlerifd)e Vorgeben,
der „Weif* — und nod) dazu der „neuen** — das in
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£m *&Aer unveröffentlichter Brief Richard Wagners
an den verstorbenen Hofkapellmeister Gustav Schmidt in Darmstadt
Mit Genehmigung und im Besitze von Frsu Gattav Schmidt
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ßayfieutR 41
:8ayreutb gefangene Werk Wagners in Freiheit vorzu-
führen. Wäre felbp ein Vexierbild gelungen, nie kann
es in der Spbäre des Broadway feinen Frieden und
:8eftand fyaben, über den fftoment hinaus als ideale
Kunp lebendig wirken, als Lebenselement die religiöfe
Weibe ausflxömen, die mit dem Willen feiners ffteifters
fo feft und beilig verbunden ip, rvie mit dem Werke
diefes Willens: :6ayreutb- Wozu :0ayreutb Dabrzebnte
brauchte und woran es fort und fort arbeitet, das bringt
felbft fiew-york nid)t in einigen Wochen fertig.
ftuf diefen ganzen prozeft der Verweltlid)ung des
parfifal lägt fid) red)t wobl der ftusfprud) des be-
kannten Heidelberger Ul)eologen Hausrat!) über die
plane der öcbloßrenovierung anwenden: „Um zu er-
balten, zerftören fie, und fie erhalten, was mit dem,
was die Welt entzückte, nur nod) geringe ftel)nlid)keit
bat. Um zu fd)affen, was an vielen Orten vorfanden
ift, opfert \\)r l)in, was von allen fDen|d)en ibr allein beflißt!"
— 80 kann, fo wird 13ayreutb niemals tun. Denn f)ier
fpricbt nid)t nur der Ubeologe für ein bWorifcbes Denk-
mal, fondern der Künftler für ein religiöfes Werk.
VII.
3Der ©eifl: des Äüfjneniveifjfepfpieles,
Der religiöfe Cbarakter des Werkes, der es zum
Weibfepfpiel beftimmte, ifl: fcbliefclid) dasjenige Moment,
welches aud) für foId)e feine öonderftellung begreiflid)
macbcn kann, die weder von der ;6ayreutber Arbeit
eine rechte Vorpeilung, nod) aud) für den öefamt-
begriff der #ayreutber Kunp, für diefe ftimmungsvolle
8til-6inbcit von Kunßwerk, Kunßftätte und künftlerifd)em
Publikum, volles Verftändnis baben. Wer das Religiöfe
überbaupt nid)t liebt und nid)t wünfd)t, dag ibm irgend-
wober, aud) aus künßlerifd)en eindrucken, neue Kräfte
ttidjard 8trau&: JDie ffcufik V. X>
42 finns von wonzosen
zuwad) fen, der fagt wof)l leid)t()in: „Aud) der parfifal
ift: nur ein Kunßwerk, l'art pour l'art, und nur fein Stoff
ip zufälliger Weife der d)rifl:Iid)en Legende entnommen,
tvie der des Thinges dem f)eidnifd)en 7ftyt\)o&." €s
Rändelt fid) aber ^\er nid)t um den Stoff, fondern um
den <3eip; und das ifl: derfelbe <3ei|t, der zur Zeit der
Vollendung des parfifal and) in den Auffä^en Wagners
„Religion und KunjV* und „fieldentum und Cf)ri|tentum**
ftd) zum Ausdruck gebracht \)at Dies ift gar nid)t von
einander zu trennen; es find die unzweifelbar wahr-
haftigen €manationen derfelben ^Individualität, der-
felben Weltanfd)auung. €ine andere Weltanfd)auung
f)ätte fid) zu if)rem künftlerifd)en ausdrucke freiließ
aud) fd)on einen anderen Stoff gewählt Wo das
C(>ri|tlid)e nur ein Kleid ift, da befindet fid) aud) nichts
darunter, was fid) ausdrücken, fondern nur eben etwas,
was fid) verkleiden ivill; und das find niemals Welt-
anfd)auungen oder künftlerifd)e perfönlid)keiten. Wer
aud) nur die Sd)Iu§klänge des parfifal vernimmt, wie
fie die fiörer von ;8ayreutf) wieder in die Welt ent-
laden, aus verfd)webenden Spf)ärenklängen der fiarfen
Park und fefl wieder zufammengefaßte pofaunentöne
des religiöfen fiauptmotives, der muß es mit fieinrid)
von Stein tief und deutlid) füllen, daß; l)ier ein
Glaubensbekenntnis abgelegt wird. XDurd) das ganze
Werk gef)t die ^eilige <3ejtalt des fieilandes, unfid)tbar,
aber geheimnisvoll wirkfam l)indurd). Sd)on im Vor-
fpiel l)ören wir feine Stimme, feinen Segen und feine
Klage; und wieder vernehmen wir fie in feinen Worten
von der €infe^ung des Abendmahles, wie fie im <3rals-
tempel als Wei^efprud), gewiflermaßen als beilige
„Zitate**, mit der zarteren Feierlichkeit wiederholt
werden. (Ja, wir fef)en den Ausfluß feines Wefens, das
„f)eilige ;81ut** in der <3ralsfd)ale, vor unferen Augen
erglühen, wie wir fpäter den Speer felber fef)en, der
„dem <3öttlid)en am Kreuze die Wunde ftad)", X)er
leidende fieiland zieljt an uns vorüber in den ßillen
«ay^eucR 43
Trauerklängen feiner Kreuztragung, deren Kundry
fierodias gedenkt, die fie — und nrir mit i()r — in der
pt)antafie erfd)aut, als fie uns das Furchtbare verrät:
,,3d) fal) 3f)n — Df>n — und lachte 1" Und aud) in dem
Kreuzzeid)en, womit parfifal die Zauberprad)t Klingsors
vernichtet, fd)eint fid) die <3efl:alt des Crlöfers als des
l*id)ters vor unferem ©eifte fiegreid) f)od) aufzurichten.
Wenn dann am 8d)luffe des Werkes die weiße Taube
fegnend l)erabfd)webt auf den aus Sünderi)and be-
freiten <3ra\ — rver empfände da nid)t red)t in innerfter
8eele die Bedeutung der <3nadenmad)t jenes Reilands-
geiftes, der die ganze Handlung durd) Leiden, Kämpfen
und fioffen weihevoll durd)wel)t l)atte?! — (Ja, er ift
überall für das empfinden gegenwärtig, rvo nur ein
Wort fällt, welches der religiöfen 8pf)äre angehört,
und eben darum wirkt ein foldjes Wort aud) ftets
feierlid) ergreifend, geradezu religiös (timmend. So,
ivenn 6urnemanz von der <3ralsfd)ale fprid)t: „daraus
er trank beim legten Ijiebesmal)le", wenn die Jünglinge
im Tempel fingen, wie: „den fündigen Welten in taufend
8d)tnerzen einfl: fein 131ut geflogen", rvenn ftmfortas
verzweiflungsvoll feine Wunde vergleicht mit der des
Crlöfers: „aus der mit blutigen Tränen der <3öttlid)e
weint, ob der ?ßenfd)l)eit Sd)mad)", wenn parfifal die
Klage des Reilands vernimmt: „6rlöfe, rette mid) aus
fd)uldbefleckten Randen 1*', ivenn endlid) der „aller-
beiligpe CI)arfreitag" über dem tragifd>en (Gebiete der
Randlung aufgebt, und 0urnemanz in feiner Deutung
des „Cf)arfreitagzaubers" das Wunder von „<3ottes
diebesopfer" verkündet, durd) welches „aud) die ent-
fündigte Hatur beut il)ren Unfd)uldstag erwirbt" — bis
wiederum zu jenem legten feierlid) geheimnisvollen: „6r-
löfung dem erlöferi" 8ind das woj)I Worte, find das
aud) nur ©edanken und Vorftellungen, welche im
„Theater* denkbar wären? fiier ifl: alles fo zart, dag
es nur in einem ;6avreutf)er Kunfterlebniffe nid)t als
profanierend empfunden wird, und zugleid) fo zart,
44 fiwns von woLzosen
daß es an jedem Operntf)cater nur als profanierend
empfunden werden kann.
Der :6efud) einer Vorftellung des parfifal in 13ayreut()
bedeutet ein eingeben in die ftuf)e aus der Unruhe des
Lebens. 8crjon darin mag man ein fDoment ferjen,
weldjes einer religiöfcn Wirkung verwandt ift, aber
aud) ein wcfentlicrjes Kennzeichen der 8p[)äre des
idealen Kunftiverks fclbcr. Was draußen, aud) in
den Werken der Kunft, den Dervöfen, den Leidenfcrjaft-
lid)en wiederum leidenfd;aftlid), nervös erferjeint, das
erferjeint rjier den 13erur;igten und Freien als gebunden
in der Form des 8d)öncn, als befreit in die 8pj)äre des
€rr;abencn.
Keineswegs ift aber damit der „parfifal" für ein Werk
erklärt, das etwa aus einer „peffimiftiferjen" <3rund-
(Kimmung heraus zur quictißifd;cnpa(Tivität führen rvolle!
- peffimismus in diefem fe()r landläufigen 8inne iß
ivcder der öeift des parfifal, nod; überhaupt der 13ay
reutber Kunft. Wenn aud) Wagner früher einmal gefagt
bat, in einem Werke der cdelftcn Kunft werde „die
Hid)tigkeit der Welt ivic unter Läcfjeln zugeßanden", fo
beifrt dod) die Hid)tigkcit in der Welt erkennen nid)t
foviel als in der Welt nur nichtiges erkennen. Vielmehr:
die Kunft fclbft, indem fle über die Welt aufklärt, bildet
in irjr eine jener großen idealen potenzen, durd) welche
der ffrenfd) allein fid) in der Welt moralifd) zu behaupten
vermag; flc zeigt irjm die parken und unvergänglichen
fittlid)cn Kräfte des fDenfcrjenwefens, rveld)e über alle
Hid)tigkcit der Welt fiegreid) fierr zu werden berufen
find. 80 wenig ift paffivität die Lef)re der (3rals-
tempels, daß; gerade fie ja das fd)were Leiden ift, welches
die <3raisritterfd)aft fo tief niederdrückt, und worüber
öurnemanz klagt: „Hie kommt uns 13otfd)aft mef)r nodf)
ftuf zu ^eil'gen Kämpfen aus der Ferne.** Die ganze
Handlung des parfifal dringt auf die €rmöglid)ung
reiner, idealer Heldentaten. Der f^Möe Gral felb^
fegnet mit feinem göttlichen <3Ianze das 13rot und den
ä n y tf e u|tr r 45
Wein, dag fie im Leib und 13Iut der fttenfdjen fid) ver-
handeln zu neuen Kräften, „um zu kämpfen mit feiigem
fDute" und „zu wirken des fieilands Werke". 5o ftrömen
aud) von einem Werke tvie parfifal, in deffen reinem
€rlebnifle als Kunftwerk, wiederum ideale Kräfte — Tat-
kräfte — in viele, unzählige empfängnisfäf)ige Seelen.
Aus diefen und durd) fie nun können und follen fie
weiter wirken in einer Weife und mit einer Kraft, wie
fie die reale Welt des träges fonft nid)t kennt nod) von
fid) aus übt Aber nid)t etwa nur auf der Linie der
Kunft und nid)t nur durd) neue Kunfterlebniffe allein
foll diefe Fortwirkung fid) vollziehen, fondern vielmehr
nad) allen möglichen Weitungen f)in, wo immer jene
Seelen, die befähigt waren, am reinen Quell zu fd)öpfen,
nun überall inmitten der Welt als gleid)gefinnte geizige
perfönlid)keiten in if)ren vermiedenen Lebenskreifen
wirkfam zu werden vermögen: Alle aber in dem Sinne
jener Aktivität der Gr aisritt er fd)aft, welche durchaus
eine Aktivität ift der fierzensreinf)eit, der Wahrhaftigkeit
und der (Gläubigkeit, und die als eine fold)e, gleid) jeder
edelen Lebenskraft, nur beitragen kann zur €rf)ebung
der n>enfd)l)eit zu ij)rer wahren Würde und Beftimmung.
So bildet Kunft — Kultur.
Soll aber die Stärkung eines tatkräftigen tfdealismus
aud) wiederum der Kunft zugute kommen, fo wird dies
nid)t allein in einer Rebung einzelner Kunftzuftände,
einer Veränderung einzelner Kunftgewof)nf)eiten beftef)en
dürfen: es wird fid) vor allem zurüchbezief)en muffen
auf „den Quell, aus dem fie flog*', auf Bayreutf). 3ft
der parfifal das Werk und Bekenntnis eines (Glaubens,
fo wird die durd) ein Crlebnis, wie das des 13üj)nen-
weif)feftfpieles, geparkte Glaubens fäf)igkeit aud) darin
fid) zu bekunden l)aben, dag der Glaube an dieDdealitäten
des Lebens aud) als Glaube an Bayreuth fid) mef)r
denn fonft betätigt. X)ie deutfdje Kunft, welche dort if)re
Stätte gefunden, das feftlidje Kunftwerk des Idealismus,
bedarf diefes Glaubens wo|)I allermeift inmitten unferer
46 Rnns von wonzosen
Zeit, welche in fo f)of)em Grade gläubig zwar gegenüber
dem Idealen und Materiellen, dem üed)nifd)en und
Wiflenfd)aftlid)en, ungläubig aber ip gegenüber dem
Ddealen. Wagner felbfl:, vom Glauben an den deutfd)en
Geift befeelt, \>at den Glauben feiner ?lMtmenfd)en, HMt«
deutfd)en fo viel und fo oft vergeblid) angerufen: „Was
id) anflrebte,** fagte er, „iß an fid) eine wirkliche ffcöglid)»
keit; davon, dag alle die, welche über die Kräfte zu if)rer
Verwirklichung verfügen, den Glauben an fie gewinnen,
I)ängt if)re Erreichung ab**; und er wugte dabei wof)I,
daß; er immer tvieder nur auf den zu Willen erßarkten
Glauben der einzelnen könne zu l)offen f)äben, rve\d)e
wirklid) „HMtwiffer" feines Werkes geworden waren.
„Die von mir gemeinte künfl:Ierifd)e €rfd)einung ift nur
durd) die Kraft eines gemeinfamen Willens zu vermitteln,
und diefen Willen in einzelnen wohlwollenden HMnnern
und denkenden Köpfen angeregt zu b^ben, kann für
jefct mein einziger 6rfolg fein, fßöge id) foweit wenigftens
HMtwifler und "Teilhaber meiner ftbfid)t gewonnen f)aben,
und möge diefen der €ifer ent|tef)en, neue HMtwiffer und
Ceilf)aber zu gewinnen/*
jDiefes Wort und diefer Wunfd) find nod) beute in
gleicher Geltung, und nod) beute richten fle fid) an alle,
die überhaupt von 13ayreutf) etwas wi(fen wollen und
um denparfifal fid) bekümmern. X)as Werk von 13ayreutl)
ift nod) nid)t vollendet, e\)e nid)t der Gedanke von
:6ayreutf) völlig begriffen und durchgeführt ift.
JDazu aber gehört einerfeits ein Wirken des V e r fl: ä n d «
niffes, welches eingefet)en l)at, dag die großen 6r-
fd)einungen in diefer Welt wof)l gar fef)r Iangfam eine
zur anderen fid) addieren, nid)t aber fo gefd)winde und
nad) belieben fid) multiplizieren laflen, dag alfo aud)
#ayreutl) feiner Eigenart getreu als einziges, wirklid)
außerhalb der allgemeinen Cl)eater»Welt gepelltes &fyl
der Ddealkunft zu erhalten ift ; andererfeits ein Wirken
der Empfindung, welche wünfd)en mug, dag zu diefem
fid)felbp erhaltenen 13ayreutf) nun aud)möglid)fl: alle dafür
«ay«eutR 47
empfänglichen Seelen hingelangen, zu welchem Zwecke
eine groß ausgeführte Förderung der Bayreutf)er
Stipendienpiftung als das gegebene HMttel fid) dar-
bietet Dies find Betätigungen einer verwandten, ja,
der gleichen ©efinnung, wie (le Bayreuth felbp fd)uf,
den parfifal dichtete und nun beides erhält; und (le
berufen im ©runde auf Ueberwindung des Egois-
mus. Damit ip für die ftuffaflung und Stellung der
Kunp überhaupt jener Boden der fDorali tat gewonnen,
der nad) Wagner der ©rund jeder wahrhaftigen KunP-
blüte fein muß, jene innerliche Kraft, die if)tn als die
in Sonderheit deutfd)e Kraft gegolten, wovon er am
©rundpeine feines FePfpielf)aufes vor mef)r als dreißig
(Jahren (22. fftai 1872) die Worte gefprod)en f)at: „Dies
ip das Wefen des deutfd)en ©eipes, daß er von innen
baut" „80 will id) diefen Stein als den Zauberpein
bezeichnen, deffen Kraft die verfd)loflenen ©ewiffen jenes
©eipes löfen foll. Sd)on je^t ip er park und fep gefügt,
um dereinp den pölzen Bau zu tragen, fobald es das
deutfd)e Volk verlangt, zu eigener 61>re mit 3I)nen
in feinen Befi£ einzutreten** —
Wann wird das deutfd)e Volk dies verlangen ? Hid)t
ef)er, als bis es die ganze Bedeutung diefes Befi^es
erkannt bat €s ip nid)t ein totes <3ut, das man nur zu
f)aben verlangt, fondern ein lebendiges Wefen, das man
felber bis zur Vollendung fid) ausleben laflen will. 6s
ip der ©edanke von Bayreuth, welcher eine Lebens-
gefährte \)<xt, deren Ziel nod) f)eute und wol)l auf
Iangef)in ein „Kunpwerk der Zukunft ip".
3
"2.
CT
&
C
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Aufnahme <von E. Bieber, Berlin
SIEGFRIED WAGNER
«ny^eucR 49
Zweiter ftbfd)nitt:
X)ie ©efd)id)te von ;0ayreutf)*
U einer vollftändigen <3efd)id)te von :0ay-
reutf) rvürde als ein tvefentlid)er Teil
feine Vorgefd)id)te gehören, rveld)e in
Ttfd)ard Wagners Leben bis auf den Anfang
der fünfziger #af)re des vorigen (Jahrhunderts zurück-
reicht öofern als diefe Vorgefcf)id)te zugleid) <3efd)id)te
des Gedankens von 13ayreutf) ift, f)at der erfte ftbfd)nitt
diefer 5d)rift darauf fd)on ftückfid)t genommen; im übrigen
aber j)at gerade die neuere Xeit allen denen, iveldje
fid) darüber gut unterrichten ivollen, ein :0ud) gebracht,
deflen Studium fie garnid)t umgeben dürfen: <3lafenapps
dritten I3and vom „Leben Ytfd)ard Wagners**, rvorin die
n?id)tige Periode von H>ünd)en bis zu der ©rundßein«
legung in ;0ayreutf) mit der größten f)ifl:orifd)en öenauig»
keit abgehandelt und aud) fd)on die befl:e inhaltsreiche
und belehrende Veröffentlichung, die Briefe Wagners an
Friedrid) Feuftel (13ayreutt)er Blatter, 1903), verwertet
tvorden i|t — 6s rvar die keidensgefd)id)te des Hdealis-
mus, der fid) alsdann, feit ;8ayreutf) rvirklid) befl:ef)t,
die unaufhörliche ttotgefd)id)te der Idealität fo!d)er
idealen X)inge angefd)loflen f)at 3Die Leidensgefd)id)te
zeugte für die öröße und Waf)rf)eit des (Gedankens,
der mit einer Welt von Fremdheit, Widerfprud) und
50 Ran8 von wotzosen
Feindfd)aft zu kämpfen f)atte; das Zeugnis würde aber
nid)t genügt f)aben, wenn es dem rvillensmädjtigenffteifter
nid)t gelungen wäre, den bedanken endlid) aud) in tat
und Werk umzufe^en. Hun zeugt das Werk, zeugt das
wirkliche und fortwirkende Bayreutf) für if)n, und kann
es felbft aud) nur begriffen werden aus jenem (bedanken,
fo ermöglicht es dod) feinerfeits erft ein volles Verftändnis
für jenen durd) feine fid)tbaren und hörbaren künftle»
rifd)en Taten, X)afy diefe nid)t weniger als der (bedanke
mit beiden und Höten fort und fort zu kämpfen Ratten
und l)aben, ja, dag fie alle nod) nid)t hingereicht l)aben,
um das ganze Werk von Bayreutf) zur Vollendung zu
bringen, dag vielmehr nod) fef)r Wefentlid)es zu tun
bleibt, um Wagners (bedanken durchaus zu verwirk-
lichen: das beweift wiederum nur, dag aud) die Realität,
die fo bedeutend und glänzend unter uns lebt und wirkt,
il)rer idealen ftrt, i^rem geizigen Urfprung, if)rem
fDeiper felber treu geblieben ift und als eine Betätigung
des reinften Ddealismus das IJeidensfd)ickfal und die
Hotbeftimmung alles <3rogen, 6dlen und Wahrhaftigen
auf £rden keineswegs eingebüßt f)at ?^ls Zeugnis
alfo, nid)t allein für die Waf)rf)eit des (Gedankens von
Bayreuth, fondern aud) für die €d)tf)eit feiner ftus»
füf)rung und X)urd)füf)rung, möge l)ier die @efd)id)te
der 13ayreutf)er Feftfpiele feit 1876 unfere bisher
mitfammen angepellten Betrachtungen ergänzen und
betätigen,
I.
X)ie Feßfpiele unter Wagner.
X)ie Bayreutf)er Feftfpiele der erßen, abgefd)Io|fen
hinter uns liegenden Periode laffen fid) in fünf ©nippen
teilen, deren erfte keine ©ruppe iß, fondern der einfame
'Ring von 76; darauf folgen vier £)reif)eiten: die drei
erften parflfal 82, 83, 84 — , dann, (tets mit il)m ver-
«ay^eucR 51
bunden, zuerfl: die fpäteren Werke: ^riftan 86 und
fDeißerfinger 88, 80, — f)ißt-auf die früheren: üann^äufer
01, 02 und fcofjengrin 04, — endlid) dreimal der erneute
Tttng 06, 07, 00, zulegt tvieder verbunden mit den fDeifter-
fingern, wie zum erften Ausdruck der Freude über die
damit vollbrachte Arbeit erßmaliger Fixierung diefer
Werke in I3ayreutf). €ine zweite periode, dem ge-
fiederten ;0e fitz der 13ayreutf)er Kunfl: gewidmet, mußte
nun die vollßändige tteif)e fämtlid)er Werke mit dem
nod) fehlenden Vorfpiel, dem Fliegenden Holländer,
beginnen, dem z\mäd)ft der ,/Cannf)äufer" in diefem
(Jal)re folgt
blicken rvir je^t auf jene ganze er(le periode zurück,
auf die 25 (Jal)re Bayreuth) feit 76, fo dürfen diejenigen,
welche fid) an der großen fteif)e kün|tlerifd)er Crlebnifle
mit lRed)t erfreut f)aben, nid)t etrva meinen, man wolle
diefe Freuden oder auej) das fted)t dazu if)nen ver-
kleinern, indem, wer von 13ayreutf) felber f)er alle flöte
der Arbeit kennt, zunäd)ft und befonders daran denkt,
welche unaufhörlichen öorgen und fftüfjen an die t)ar-
bietung fold)er <3enüffe geheftet waren. Dm <3egenteill
Wollte man in ;6ayreutf) einer rechten Freude Ausdruck
geben, fo wäre es gerade darüber, daß fid) feine — id)
darf wof)l fagen — Heiden umgefet^t f)aben in die Freuden
der anderen, all derer, die if)tn Freunde waren und
Freunde wurden. Aber es kann nid)t fdjaden, wenn
aud) die Freude das 13ewußtfein davon behält, daß fie
aus 8d)tnerzen geboren iß, wie alles öroße und 8d)öne
diefer Welt t)as Heiden bedeutet dod) einmal die
göttliche Berufung des ?ftenfd)en zu feinen l)öd)ften
Zwecken und Zielen.
Wie Wagner fclbft f)at leiden, forgen und fid) müf)en
muffen, oft faß verzweifeln wollte, dod) nie verzweifelt
ip in den bangen Zeiten der Vorbereitungen zu
den erßen Feftfpielen, das ifl: ja nun woj)l durd)
mancherlei Veröffentlichungen, insbefondere durd) die
oben genannten Briefe an Friedrich Feuftel be-
52 R&ns von wonzosen
kannt geworden. fftan weiß, dag die Fepfpiele von 76
nur erp mit knapper Hot überhaupt zupande ge-
kommen waren, dag im Ted)nifd)en, 8zenifd)en, Deko-
rativen nod) manches daran fehlte, was dann die Kritik
für Stilfehler des ffoeifters naf)tn — das fogar die
äpf)etifd) fo bedeutfame Verfinperung des Zufdjauer-
raumes nid)t einmal gefef)en werden konnte, weil die
€rleud)tung fclbfl: nod) nid)t fertig ivar, die da I)ätte
verfinpert werden follen. Was aber fonp nod) damals
beim Werke innerlid), rein künplerifd), alfo am 8til
gefehlt, das l)at völlig nur der fßeißer felbp gewußt
und mit l)erbem Wef) empfunden. Wie follte er die
nod) unbelebten Künpler fo plö^lid) dem „durd) üble
Angewohnheiten verdorbenen ;8oden" der Oper ent-
ziehen und als lebendige Teile mitten in fein neues
ideales Kunpwerk verfemen? T\ad) vielen H>üf)en um
if)re Umfd)ulung — wenn aud) nur kaum erp ein 8imile,
ein Schein feiner Intentionen erreicht war - , wie oft
f)at er dann an der Grenze der betreffenden Talente
fialt mad)en und entfagend fid) zurufen mü(Ten: „kaffen
wir's gef)en!" — niemals aber of)ne dem ehrlichen €ifer
des von if)tn dod) zum äußerpen ^ingeriflenen Künpiers
in rührender Weife feine Achtung und feinen Dank
ausgedrückt zu I)aben. Dann mochten diefe getrop
meinen, dod) eigentlid) des ffoeipers Wunfd) und Willen
erfüllt zu f)aben; und fo konnte mancher nod) <]af)r-
zehnte fpäter gutgläubig als Autorität der Tradition
gelten, obwohl er dann bisweilen, in Zweifelfällen be-
fragt, nad) foviel anderen Theatererfahrungen und (Ge-
wöhnungen nid)t mef)r reci)t wußte, ob er felber bei den
„unvergeßlichen FePfpielen" rechts oder links auf der
;0üf)ne gefeffen oder gepanden f)atte.
nun ip es aber mit der „Tradition" überhaupt eine
eigene 6ad>e. Wo es gilt, lebendige Kunp zu fd)affen
— und eine foId)e fd)öpferifd)e Aufgabe ip jedes Fep-
fpiel in 13avreutf) — , da genügt nid)t die leblofe Wieder-
holung erparrter fDomente zufälliger Crinnerung. Die
Aufnahme von W. Höffert, Berlin
KAPELLMEISTER HANS RICHTER
«nyfleutR 53
„Uradition** darf nid)t in den Fehler verfallen, gegen
den die ganze Kunftart Wagners ankämpfte: fie darf
nid)t eine Wienerin des Formalismus werden, Gerade
das, ivas :0ayreutl) auszeichnet, und rvas der ?fteifter einfl:
als ,,unnad)af)mlid)** für alle Welt bezeichnen konnte,
ift dod) die geiftige Kraft, die fiel) darin zu ftets neu
lebendigem Ausdruck bringt ftus dem (Seifte der
;6ayreutf)er Kunft, rvie irjr fDeifter if>n feinem großen
Werke eingehaucht und darin geftaltet f>at, ift jede
Wiedergabe feiner 8d)öpfungen dort einzig zu erreichen.
Wer diefen <3eift nid)t von il)m gelernt f)at und in ficf>
bervahrt, dem Reifen alle Traditionen, alle Crinnerungs-
bilder an gervefene €inzelf)eiten nid)t; er rvird niemals
ein :8ayreutf)er Feftfpiel oder etrvas dem ftef)nlid)es zu-
ftande bringen. ftm ©eifte ift die €rfd>einung zu meffen;
ivas if)m nid)t entfprid)t, aud) rvas ii)tn bei den erften
großen Verfugen feiner ©eftaltung durd) den ffteifter felbft
nod) nid)t entfpredjen konnte, muß dem lebendigen
Wirken rveid)en, das fortdauernd fid) bemüht, die ©e-
ftaltung zu vollenden. Hid)t die formale €rfd)einung
allein f)ätte die bedeutfame Wirkung der erften Feft-
fpiele ausüben können; an if)r vielmehr blieb all das
törichte Drren haften, das fid) damals Kritik nannte.
X)as, rvas den großen Eindruck hervorrief, der red)t
eigentlich die „uradition** von 1876 blieb, indem if)n die
13efud)er jener Vorftellungen mit in irjr Hieben nahmen
und alle fpdteren eindrücke daran maßen, das rvar eben
die völlig neu rvirkende Kraft des :0ayreutl)er (Seines, den
man den freigervordenen ©eift Wagners und feiner Kunft
nennen darf. 6s ift über allen Zrveifel ergaben, daß der
€in druck von 1876 auf die damals irjn Miterlebenden ein
ganz unvergleichlicher, niemals zu wiederholender, ein
€rlebnisvon f)öd)fter ftrt gervefen ift. Wir erlebten darin
zum erften fftale das ©Iück, die Kunft des mufikaliferjen
Dramas aus der Rand if)res ffceifters felbft zu erhalten,
orjne fremde Vermittlung und Uebertragung in irjm feind-
liche 6pf)ären, die tf)eatralifd)e ©eftaltung des Dramas
54 Rans von wonzosen
felbfl als das eigenfte Werk des fd)affenden Künßlers,
de(Ten öeift, deflen Wille, deffen Atem alles befeelte, ivie
er es alles einzig ermöglicht f)atte. €ine Wunderwelt,
nod) nie gefd)aut, nod) nie gehört, entbanden vor
25 $af)ren, vollendet aber erft in diefem unvergeßlich
einzigen Augenblick if)res vollen Lebens.
fßan denke dod) nur: zum allererften fDale auf der
Welt f)örten wir den Klang des unfid)tbaren Ord)eßersl
Zum erften fDal faf)en rvir die ftyeintöd)ter jauchzend
durd) die grünen Fluten fd)wimmen, und rvir Ratten
uns fet>r gewundert, rvenn jemand uns gefagt l)ätte,
die lebensgefährlichen fd)weren Karren feien nod) lange
nid)t das Ddeal der üed)nik für diefe unvergleid)Iid)
pf)anta|ttfd) wirkende Szene. Wir erfuhren zum erften
fßal den vollen tragifdjen <3ef)alt der dufteren und
leidenfd)aftlid)en Stimmung des erften Walkürenaktes,
und zum erften fDal erfd)ien auf der :6ül)ne die rvetter-
rvild ftürmifd)e Szene der Walküren, verbunden mit
jener unerhörten Klangwirkung der Stimmen erfter
Sängerinnen, denen der ffteifter eingefd)ärft, eine jede
von if)nen muffe fid) als eine Fi eidin füllen. Und
zum erften fDal tat fid) der Waldzauber des Siegfried
auf — faf) man den jungen fielden das Feuer durd)-
fd)reiten, auf die fonnenreine, fülle F>öl)e des Felfens
emportauchjen, und zum erften fDal errvad)te ;8rünn-
f)ilde unter feinem Kuß zum prahlenden Sang der Welt-
begrüßung. Zum erften fDale trat die alles überwältigende
Tragödie der Götterdämmerung auf eine irdifci)e ;6üf)ne,
und es wurden Dinge erlebt, wie das näd)tige Flüfter-
gefpräd) zwifd)en Alberid) und Ragen (von Wagner
felbft als der kaum begreifliche fiöf)epunkt der neuen
Leitungen bezeichnet) und jene gewiß im lyrifdjen
Drama nod) unerhörte Szene des Speereides: wie lauter
Offenbarungen einer vordem ungekannten tragifd)en
Kunft. Und nad) dem allen endlid) nod) Siegfrieds
Cod, ;ßrünnf)ildens le^te Worte; — der Untergang
Walhalls! — Dies alles Ratten wir damals zum erften
«nyfl£UCR 55
fDale erlebt, und tvir follten nid)t fagen: das Crlebnis
kann nid)t wiederkehren, es kann nid)t übertroffen
werden?!
t)as Erlebnis nid)t — aber die Kunfl:! — t)enn
dies alles war dod) für Wagner wie eine 8d)öpfung
aus dem Hidjts gewefen. ^a, und es tväre nod) befler
gervefen, wenn er wirklid) aus dem Hic^ts f)ätte fdjaffen
können. 80 aber mußte er wof)l oder übel dod) tvieder
ein Etwas dazu benu^en, wie es eben zur Zeit an den
Operntfjeatern, die kaum fdjon etwas von den ffteifter-
fingern ahnten, fid) einzig if)tn darbot €rfd)ien das
Ergebnis trotzdem fo fef)r als ettvas fteues, Die-0e-
fef)enes, als etwas, was nad) der fDeinung der Kritik
nie f)ättc fein follen und nie wieder fein dürfe: daraus
erkennt man dod), was der entyufiasmierende Impetus
des künftlerifd)en Genies im großen und ganzen bereits
zu erreichen vermocht f)atte. Eine neue Welt (land da,
unvollkommen gewiß in vielem, aber in den Grundzügen
fd)on deutlid), eine Welt, die garnid)ts mit der Oper zu
tun f>atte, die durchaus in Allem und (Jedem nur den
Ausdruck des t)ramas zu gewinnen erftrebte, die fd)on
ganz und einzig in diefer 8pf)äre des dramatifd)en
Ausdrucks lebte, iF>re erften großen Atemzüge tat Aber
rviederum keineswegs die Welt des Wortdramas, fondern
die Welt der ?K>u|ik, deren tieffte ivortlofe Gef)eimni(Te im
Drama fid) entäußern zum klaren, plaftifd) formenden
tiid)te des Stiles.
Was an diefem Stil fd)on beim erften Verfud) fo
neu erfd)ien, war wof)I befonders die große edele ttuf)e
des Bühnenbildes, welche fclbft nod) den bewegteren
Momenten, bis zur größten Allgemeinbewegung, als
klare Gliederung in Stellungen und Gruppen maß-
gebend inne wof)nte. €s i(t dies die künftlerifd) über-
legene ttuf)e der bewußten dramatifd)en 13edeutfamkeit
des Momentes. JDas Cf)arakterip:ifd)e, die Seele gleid)fam
des Vorganges, erfd)eint gefeflelt im lebensvollen Aus-
druck der Gruppierung. Dur aber der große ftyytbmus
56 r\nr)& von wotzosen
einer ffcuflk erhabenen Stiles kann foId>e fzenifd)en
Linien ftiliftifd) rechtfertigen und regeln. 3Dies gerade
!)atte 1876 zu Wagners häufigem fterger z. B. bei den
gruppierten Individualitäten des ftyeingoldes nod)
nid)t red)t glücken rvollen. Wir f)ören darüber feine
Klage in einem Briefe an Betz: „Füllten 8ie fid) im
ftyeingold geniert und nid)t red)t zu Raus, fo fage id)
3I)nen, daß; es uns allen fo ging, und dag id) während
der proben felbft auf Schwierigkeiten traf, die id) mid)
vergebens zu überwinden bemühte, wogegen id) ver-
gebens aud) meine Erfindungsgabe abquälte, uns allen
eine gegenfeitig lähmende Steifheit zu benehmen."
ftber er fügt aud) gleid) £>inzu: „X)em werden wir je^t
ftbf)ilfe zu finden wi(fen; es muß f)ier viel korrigiert
werden/* Ratte das Defizit des erften Feßfpiels nid)t
die Wiederholung verhindert — nid)t um zwanzig volle
#af)re l)inausgefd)oben, — es wäre fd)on 1877 alles
„korrigiert" worden. Was dann im (Jaf)re 96 gerade
beim Bayreutf)er ftyeingold erp Staunen, dann Be-
wunderung erregte, war nid)ts anderes als diefe „Kor-
rektur des ffteifters", durchgeführt von denen, die fid)
ij)re mögliche Ausübung und Vollendung zur Aufgabe
ij)res Lebens gefegt l)aben.
Die Waf)rf)eit aber über den Anfang von Bayreutf),
wie Wagner felbft fie empfand, drückt fid) wof)l am
fd)ärffl:en in dem Seufzer aus, der fid) if)tn bald nad)
den Feftfpielen 76 in einem Briefe an niemann entrang:
„ftlles, was mid) je gequält, folgt mir nad): die ewige
Sorge dem Unzureichenden gegenüber. Selbfl:
wenn id) der materiellen Sorgen für meine Unternehmung
nid)t gedenke, werden gerade Sie mid) vorßef)en, wenn
id) nad) all dem ungemeinen, mein fierz tief rührenden
Eifer, welcher diefe Aufführungen in das Leben rief, das
Werk unferer Bemühungen dod) faß nur als eine Kraft-
vergeudung ol)ne Zweck und fiu^en erkenne."
Diefe tiefe Unbefriedigtf)eit Wagners beruhte auf
einer Erkenntnis, nid)t auf einer Stimmung. Die HSotive,
Aufnahme <von W. Höffert, Berlin
FELIX KRAUS
als Siegfried
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Aufnahme 'von W. Höffert, Berlin
ANTON VAN ROOY
als Wotan
»ay^eucR 57
weld)e die Stimmung für ;8ayreutf) if)m gründlid) ver-
derben mußten, kamen er(l nad): nid)t nur jenes elende
Defizit, — insbefondere das völlige HMßglücken des
Sd)ulplanes, auf ©rund deflen die Fortführung der
Feftfpiele in großem Sinne gedacht war. X)ie legten koft:-
baren $af)re von Wagners Leben gingen darüber ver-
loren, indeffen der in aller Welt einzige üf)eaterbau, für
fo viele fd)öne fD6glid)keiten errichtet, ftumm und leer
fland. 3Die in feinem Stile vorgefd)u!te Künfl:lerfd)ar
erhielt er nid)t, womit er die näd)|ten Spiele ganz anders,
viel freier und fieserer, die :6ayreutf)er „Crlebnifle" bis
zur wirklichen :6ayreutf)er Kunfl: f)ätte durchführen
können. „Wollen Sie, dann f)aben wir eine Kunfl:!" 6s
ward aber nid)t gewollt Ferdinand $äger, wiflfen
wir, rvar der einzige, der auf den ttuf des fßeifters nad)
Sd)ülern wirklid) kam und eifrig lernte, rvas nur dort
fid) lernen ließ; aber den Vorteil f)atte davon nun Wien,
welches den unvergeßlichen Siegfried diefes eckten
poetifd)en Dramatikers erlebte, nid)t :6ayreutf), das im
tiefen fed)sjäf)rigen Kunßfd)Iaf lag.
Als es dann endlid) 1882 zum zrveiten Feftfpiel, zum
parfifal kam, ftand der fiebzigjäf)rige ffteifter ganz den-
felben Schwierigkeiten gegenüber tvie 76. ftud) je^t
mußte er fid) die Künftler erfi: von den ttyeatern zu-
fammenfud)en, um if)nen in nod) kürzer bemeflener Zeit
krampfhaften ftrbeitens die Fähigkeit zu if)rer neuen Auf-
gabe fa(t nod) mef)r ein- als auszubilden. €ine Aufgabe,
die rvaf)rlid) nid)t geringer war als beim ftfng, fd)on von
dem @efid)tspunkte aus, den der ffceifter felbfl: feftgeftellt
l)atte. X)iefer parfifal, da er nid)t das Produkt einer
fd)on beilegenden Sd)ule f)atte fein können, follte (tatt
deflen nun vielmehr die örundlage dafür bilden.
Damit dies aber wenigftens nod) zu Wagners Leb-
zeiten if)tn ermöglicht wäre, ward il)m nod) jene dritte,
bitterfte €rfaf)rung nid)t erfpart: er faf) fid) gezwungen,
von der grundlegenden Ddee abzugeben, wonad) diefe
Kunft als freie <3abe denen fidf) darbieten follte, die fie
«icfcard ötraujj: Sie fftufik V. €
\
58 nnns von wotzosen
„gewollt" und zu if)rer Verwirklichung geholfen Ratten.
(Jefct mußte fie dod) vor einem großen Publikum gegen
:6ezaf)Iung fid) fel)en laflen. Für Wagner felbft: bedeutete
dies eine abfolute Cntfagung. Aber für die Freunde
:0ayreutf)s ficF>t es einivenig andersaus: an Stelle einer
nod) unmöglichen idealen Wirklichkeit \)at fidfc) feitdem
eine unermeßliche ?DögIid)keit aufgetan, $e mel>r Seelen,
wie immer vorbereitet, nad) ;8ayreutf) kommen und künft-
lerifdje eindrucke in fid) aufnehmen, je mef)re aud)
können dadurd) in iljren beften Fähigkeiten ergriffen,
vom niederen abgezogen, auf das Ro^e und fteine Ein-
geleitet, über das 'Cragifc^e in den Dingen der Welt
aufgeklärt, kurz, jeder auf feine Art, zum „:J3ayreutf)er"
werden. Wer es einmal ward, der weiß, welche Wohl-
tat dies fei, weiß; aber aud), daß zum Werdeprozeß des
;6ayreutl)er ©eiftes vor allem die Werdeftätte :8ayreutf)
felbft gehört
80 wäre denn diefe Wirkung fef)r fd)ön gewefen,
wenn fie nur etwas rafdjer gekommen wärel Leider aber
blieb jene fftenge, welche die vielen ?Döglid)keiten in
fid) geborgen f)ätte, nod) lange aus. Dur gerade nod)
der erfte parfifal lohnte dem fDeiper die H>üf)en durd)
die Befreiung von der äußeren 8orge, daß die 8ad>e
wieder finanziell mißglücken könnte. Aud) inkün|tlerifd)er
:6eziel)ung, wie fd)on angedeutet, pand das imparfifal er-
reichte, trot^ dem fDangel der 8d)ule, bereits l)od) über
dem 76 ?ftöglid)en. €s gelang f)ier wirklid) einmal ein
ßilgered)t in fid) abgefd)Ioflenes <3anze mit fd)önem
©eifte und in fieberen Zügen bis zu einem f)of)en 0rade
der Vollendung zu fördern. Quantitativ war die Auf-
gabe ja aud) einfacher gegen die des vierteiligen fttnges,
mel)r auf eine örundftimmung betränkt, in fefte, ruhige
Formen — bis zum Rituellen — gefaßt. Die Individuali-
täten der Künftler waren glücklid) den wenigen Raupt-
rollen angepaßt, und es waren lauter wirkliche Calente,
darunter €rfd)einungen fo d)arakterißifd)er Art wie
8caria als öurnemanz, Rill als Klingsor, l*eid)mann
«ayfieucR 50
als ftmfortas. 3Dic ganz eigenartige Kundry der genialen
flfoarianne Brandt ifl: als Ausdruck der geheimnis-
vollen Seele diefer wunderbaren ©eftalt of)ne @Ieid)en
geblieben. Der Zeigen der Blumenmädchen wird jedem
unvergeßlid) fein. ftber aud) fein Blumenvater fieinrid)
porges, der altgetreue Freund und Reifer, der durd)
faß zwei ~ßa\)Yzel)nte diefen lieblichen Kranz immer frifd)
mufikalifd) gervunden \)<xtt darf nie vergeben werden, wo
es gilt zu bekennen, rvas der ;8ayreutf)er parfifal uns
<3utes und Cdeles, und mef)r nod) als Kunfl: gebracht f)at.
Daneben freilid) ftand nur erp ein — wenn aud)
guter — Opernd)or zu <3ebote. Denn of)ne die ©nade
des Königs fcudwig, welcher Cf)or und Ord)efter feines
fioftf)eaters, nebfl: den beiden Kapellmeißern, kevi und
Fifd)er, nad) Bayreuth fd)ickte, wäre das Feftfpiel über-
haupt unmöglid) gewefen. Während es in Bayreutl)
fpdter faß nur nod) der ftrengften Feßf)altung des
82 Fixierten gelten durfte, fo tvar der Fortfd)ritt, der
immer nod) anzuheben blieb, in der Zufammenfe^ung
und Ausbildung eines wirklichen Bayreut|)er Chores
zu fef)en. Was die fpäteren $af)re, insbefondere von
den ffoeifterfingern 88 an, in diefer Beziehung auf der
13ayreut()er Büf)ne ermöglicht gezeigt f)aben, gehört
gewiß; zum €rßaunlid)fl:en und Glücklichen auf dem
müf)famen Wege zu vollendeter Darftellung der Werke.
Will jemand nad) einem befonderen Kennzeichen der
13ayreutf)er Kunfl: fragen, fo darf man if)n auf den
:8ayreutj)er Cf)or verweifen und an die gewaltigen und
fd)önen Wirkungen diefes Chores in den fDeift erfing ern,
dem üann^dufer, dem ljof)engrin, dem Holländer er-
innern. FMer f)atte man einen wichtigen Faktor des
Kunflwerkes ganz in der Rand, if)n nad) Wunfd) zu
fd)ulen, und brauchte nid)t erfl: nad) willigen 6inzeltalenten
zu fud)en. Damit iß: denn aud) das bedeutende Ver-
dien)* des Leiters der fpäteren 13ayreutf)er ötilbildungs-
)d)ule, des Cl)ordirektors Julius Kniefe, bezeichnet.
Diefer unermüdliche ftuffud)er der Calente an den
eo nnns von wonzosen
Bühnen und rjilfreicfje Cinftudierer irjrer bayreutf)er Auf-
gaben ifl: aud) einer der rvenigen, die rvirklid) nad)
Bayreutf) kamen, um der 8ad)e allein zu dienen. X)a
ivard es denn aud) etrvas 8d)önes und öutes.
Für Wagner felbp: ivar mit diefem erften parfifal,
der uns ein Bild der Vollendung fd)ien, freilid) aud)
nod) durchaus nid)t alles erreicht, rvas er von der Grund-
lage feiner Scfjule errvünfcrjt f)atte. Wer irjm nad) dem
Feßfpiel von 82 vertraulich) fid) nähern durfte, mußte es
rvof)I bemerken, rvie aud) nad) diefem öiege — denn
ein Sieg rvar es, aud) über die öffentliche fDeinung —feine
Stimmung merjr wehmütig als freudig ivar. €r fal) vor
fid) eine unabferjbare neue Arbeit, unabläffige H>üf)en
um das Feftrjalten des eben ruie im Fluge 6rreid)ten,
orjne jede Erleichterung der HMttel dazu, der künft-
lerifd)en rvie der materiellen, mit ganz denfelben alten
flöten um die Künftler und um das publikum. X)ie
Begründung der Stipendienßiftung rvar ein le^ter
Verfud), dem Hdeal fid) tvieder zu nähern, daß nid)t
Zahlende, fondern Zählende das publikum von Bayreuth
bildeten. X)as künßlerifcrje Hdeal ivard damit geftü^t
auf den moralifd)en <3rund edeler Wohltätigkeit Dies
ivar "fticrjard Wagners le^tes Werk.
II.
X)ie Feftfpiele feit 1883,
Die rjat Bayreuth merjr Lebenskraft und Lebens-
bered)tigung gezeigt als damals, ruie es nad) feines
Begründers Scheiden in aller feiner Sd)rvdd)e und Ver-
Iaflenf)eit fortbeftand. €ine rjilflofe Creue fagte fid):
es muß fein; und als durd) die beiden folgenden $af)re
die Wiederholungen des parfifal, vom publikum kaum
beachtet, den bejfer Wiflenden verrieten, daß die geizige
Kraft, rvelcrje rvir ,/Cradition" nennen, dod) rjier und da
nad)zula(fen begann, da griff, rvie rvir rvijfen, rveld)e
«ny^eucR ei
einzig mögliche perfönlid)e Kraft ein, die aus edelßem
Willen jenen ©eifl: der "Tradition — nid)t nur eine
Formel — vor allem lebendig und rein zu erhalten ver-
mochte.
Wir verdankten diefem entfd)eidenden Eingriff nid)t
allein die Rettung des parfifal, in feiner ßeten Wieder-
berftellung durd) ratlos erneute Arbeit mit vielfad)
wed)felnden Künftlern in 20 folgenden Feftfpieljaf)ren,
fondern aud) fofort 1886 den erßen, damals nod) fo
kühnen 8d)ritt zur Einfügung anderer Werke nad)
des fDeipers binterlaffenem plan. Zugleid) aber hefteten
fid) aud) von nun ab an jedes fold)es :6ayreutl)er Weiter-
fcbreiten die eifrigen Verfud)e einer am ©roßen ver-
ärgerten, kleinlichen papiernen Außenwelt, den Erben
Wagners und if)rer Arbeit alles erdenkliche Uebel nach-
zureden und i5nen durd) Erfindungen abfd)reckenden
Charakters die Fortführung if)res Werkes wenigftens
von Fall zu Fall immer aufs neue zu erfd)weren. Vor
einem neuen Feftfpiele brachen in :6ayreutf) unfehlbar
die flattern aus, oder die erßen öpuren der bei fDaflen-
verfammlungen fo gefährlichen Cholera Ratten fid) ge-
zeigt (Leider verfammelte fid) nur nod) gar keine
fDaffe, als erfl: 300 perfonen dem üriftan Iaufd)ten!)
Einmal f)atte fid) das üf)eater fogar fd)on „gefenkt" —
ftand aber nid)tsdefl:oweniger nieder fe(l auf der fiöf)e,
als die ffteifterfinger mit all if)ren Chören und Aufzügen
feine ;6üf)ne befd)ritten. flMt Vorliebe ward verbreitet
und geglaubt, daft man fid) in 13ayreutf) diefe und jene
vorzüglichen Kräfte prinzipiell entgegen la(fe, um minder-
wertige zu bevorzugen, of)ne daß; die Möglichkeit aud)
nur in 13etrad)t gezogen ward, man könne in 13ayreut$
— wie oft genug gefd)ef)en — die Gewinnung jener
Kräfte Iängfl fd)on, aber nur leider vergeblid), verfud)t
l)aben. ;ßayreutl) fd)ien überhaupt nur dazu auf
der Welt zu fein, dag es keinem fDenfd)en es red)t
mad)e. Und dod) fd)ritt man dort unentmutigt vom
Uriftan weiter zu den fDeifterfingern, zum üann^äufer
62 nnns von wonzosen
und zum Lof)engrin, ja, man kam endlid) wieder bis
zum fttng. Und immer blieb Bayreutl) eine Stätte, wo
Begeiferung geweckt ward, und die Begeiferten kehrten
wieder und brachten neue <3äp:e mit, und endlid) ivar
aud) einmal das Raus ganz voll, und es blieb voll,
von 1882 bis 1901, X)a fiel den l)6d)ft beunruhigten
<3egnern diefer allzufüllenden Begeiferung fd)lie§lid)
nichts me\)Y ein als der Cinfall des Theaters felbp. Unter
den ,/Celegrammen" der üagesblätter las man damals:
?toünd)en, 29. Dezember. Das Wagner-Theater
auf dem Feftfpielf)ügel in Bayreuth ifl: feitens einer
ftaatlid)en Baukommiffion für baufällig erklärt
worden; es ifl: daf)er bereits für die näd)ftjäl)rigen
Feftfpiele nid)t mef)r zu verwenden,
um ftnfd)IuJ5 an diefe Senfationsnad)rid)t f)ieß; es
dann prompt weiter: es muffe durchaus ein neues Fefl>
fpielf)aus in fftündjen gebaut werden, — auf einem
für Baufpekulationen fe^r günftigen üerrain. €ine
„Kommiffion" war allerdings dagewefen, auf eine bös-
artige Denunziation l)in, und das Crgebnis if)rer Unter-
fud)ung ()atte gelautet: das Bayreutf)er Raus fei ein
ffcufterbau. Diefe Beifälligkeit war die Baufälligkeit —
der feindlichen Weisheit! Und während if)r nad)f)all
nod) durd) die Welt hinzog ~ gerade wie 76, fo wieder 98:
„ün Bayreuth kann nie mef)r gefpielt werden!" — be-
reitete man an Ort und Stelle fd)on mit emfiger Arbeit
das näd)fte Feftfpiel vor. Und es kam zuftande, es folgten
if)tn nod) drei Feftfpieljaf)re, — und fo 0ott will, kann
nod) ein falbes (Jahrhundert lang in dem „baufälligen"
Raufe gefpielt werden; wenn das ■ Fundament des
©laubens nid)t wankt.
Viel mef)r als durd) fold)e kleine und große Bosheiten
ifl: Bayreuth in feiner erften fd)werß:en Zeit benachteiligt
worden durd) den allgemeinen Unglauben, wogegen
von keiner Seite im l?eid)e der f)öf)eren Bildung Deutfd)-
lands etwas gefdjaf). Bayreutl) (fand tatfäd)Iid) ganz
allein, auf fid) felbft angewiefen in der modernen Welt,
«ny^eutR 63
Was aber in diefer Situation if)tn die eigene Arbeit
wirklid) erfd)werte, war das bleibende Verhältnis der
Abhängigkeit von den ü^eatern, woraus immer von
neuem, aud) bei fonft freundlichen Beziehungen, dod)
peinliche Komplikationen und Zwangslagen if)m erwad)fen
mußten, von denen man draußen gar keine Ahnung f)atte.
Aud) als in beginnenden belferen Zeiten der Wagnerifd)e
plan der Stiibiidungsfdjule für Schaffung eines
eigenen perfonales in befdjeidenen Grenzen wieder auf-
genommen rvard, reichten dod) die dafür verfügbaren
HMttel (die „Ueberfc^üfle", von denen man bereits fabeitel)
bei weitem nid)t f)in, um dies in einer gewiflfen Breite
und mit nur einigermaßen nennenswertem 6rfoIg, der
großen 8ad)e gemäß, zu verwirklichen. t)ie fid) meldeten,
waren meip für Bayreutr) fclbft nid)t brauchbare kleine An-
fänger; belferen Kräften ward draußen von „Autoritäten"
dringend abgeraten, fid) die Stimmen an der Wagnerei
verderben zu laßen. Bedeutende üalente find infolge-
de(fen um if)re größte Wirkungsmöglid)keit gekommen.
6d)ließlid) mußte man frol) und dankbar fein, wenn
ab und zu dod) ein einzelnes wirkliches Ualent fid) in
die direkte Bayreutf)er kef)re begab, ef)e es am üf)eater
dieHatürlid)keitund Unberüf)rtf)eit eingebüßt, aus welcher
allein jene reinen, großen €rfd)einungen des idealen
8tyles hervorgehen können, die den Charakter der edlen
Wahrhaftigkeit tragen. Wenn dann freilief) fold)e Glücks-
fälle eintreten, wie mit Burgftall er, Frau ©ulbranfon,
van ftooy — aud) Friedrichs und Breuer wären
dabei zu nennen — dann konnte man erkennen lernen,
was das Ddeal einer Bayreutf)er 8d)ule wäre. HMt
<3eld allein wäre dies freilief) nid)t zu erreichen gewefenl
Was dennod) erreicht worden iß, ward es, aud) of)ne
die genügenden HMttel, immer nur durd) den rechten
©eift, durd) die ed)te Tradition, durd) die unaufhörliche
Arbeit an beßimmten, ausfd)ließlid)en Aufgaben, alfo
eben durd) die drei Momente künßlerifd)er Tätigkeit,
welche in diefer Weife allein in Bayreutl) möglid) und
64 nnnö von wonzosen
ivirkfam find, €s erreicht zu f)aben, bleibt denn aud),
wenn man ettvas rühmen will, der ttuf)tn gerade jenes
nod) unbeachteten, unbeförderten :0ayreutl) der erflen
#af)re* fiier ifl: nun aud) der Ort, wo wir des fftannes
in denkbarer Verehrung denken muffen, der von Anfang
an mit felbfllofer Aufopferung feiner ganzen Arbeits-
kraft und £iebensruf)e die verwickelten ©efd)äfte der
Feflfpiele durd) alle fd)weren Zeiten f)indurd) allein ge-
leitet f)at, — der im vollen ISewußtfein von den un-
erhörten Anforderungen, welche :8ayreutf) an fid) zu
pellen I)at, es bis aufs einzelne flets berechnen mußte,
wieweit man gef)en mü(fe und gef)en könne in den
€infd)ränkungen des Angeflrebten auf das fftaß des
erreichbaren, um fowol)I der allgemeinen Aufgabe von
13ayreutf) treu zu bleiben, als aud) die €rfüllung der
näd)fl: vorliegenden nod) zu ermöglichen. Ftfer muß; es
ausgefprod)en werden, dag für die ganze Periode der
meiflerlofen und dod) fletig fortfd)reitenden Feflfpiele
das Fmuptverdienfl if)rer €rf)altung im rechten ©eifle,
näd)fl der oberflen künfllerifd)en Leitung, dem unver-
gleichlichen Verwaltungsrate Adolpf) von ©roß zu-
kommt 3n feinem „Bureau** tyat fid) alles Hot- und
Sorgenvolle durd) (Jaf)rzef)ntered)t eigentlid) konzentriert
€r \)at von allem Großen und 8d)önen, was da droben
zuflande kam, weil er drunten arbeitete, nur die Schatten-
feiten gefef)en, und nid)t nur das, fondern aud) mit den
Schatten felbfl f)öd)fl real kämpfen, fie durd) feine
Cnergie und ;8efonnenf)eit niederkämpfen muffen, damit
uns die öonne fd)einen könne* Das ifl: jene Cnergie
der <3efinnung, jener 8egen der tTreue, wie fie, feiten
geworden in der Welt, in #ayreutf) nod) immer if)re
red)te fieimat f)aben.
Alles, was ^ayreutj) uns gegeben bat, ward aus
diefem deutfd)en ©eifle gefd)affen; und wenn die leidigen
Umflände in manchen Stücken die künfllerifd)e Voll-
endung der 13ayreutf)er Arbeit nid)t zuließen — was
nirgends beffer gewußt und fd)tnerzlid)er empfunden
Aufnahme von W. Höffert, Benin
FRÄULEIN WIBORG ALS ELISABETH
ufnah.ne von Hans Brand, k. b. Hofphotograph, Bayreuth
SCARIA ALS GURNEMANZ
Aufnahme von W. Höffert, Berlin
FRIEDRICHS ALS BECKMESSER
Aufnahme <von W. Höffert, Berlin
FRAU ROSA SUCHER ALS ISOLDE
ßayfieutR es
rvard als von den arbeitenden felbp — , fo f)ätte dod)
der moralifd)e Wert diefer felbplofen Arbeit feine An-
erkennung als eines unverfälfd)t wertvollen nationalen
<3utes von ed)tdeutfd)er Eigenart vor allem verdientl
fftan mag oft in trübe Zweifel geraten, wie weit die
moralifd)en Wirkungen einer idealen Kunp gef)en
können, die fid) in einer anderen als der künplerifd)en Welt
zu vollziehen f)aben; aber man wird an dem Glauben
Wagners fepi)alten, daß die ideale Kunp nur auf
moraüfd)em 0 runde erblühen und fid) erhalten kann.
Auf diefem ©runde, auf if)m allein, darf man fagen,
erhoben fid) durd) die $af)re f)in alle die prahlenden
Flögen der ;0ayreutf)er KunPerlebnifle, die wir h)ier nod)
einmal an uns wollen vorüberziehen Iaflent — Weld)
ftolze fteif)e dod) unvergleid)Iid) fd)öner und bedeutungs-
voller idealer €rfd)einungenl Did)t im öinne von „flDufter-
auffüf)rungen" — wo gäbe es in aller Welt etwas abfolut
n>ufter{>aftes; wem follte dies einzigartige zum „fftufter"
dienen? — wenn nid)t vielleicht nur ein glatter und
glänzender 8d)ein, eine gewiffe pofierung des Aeußer-
liefen dafür gelten foll. Aber wof)l können nad) Wagners
Worten „13eifpiele" gegeben werden, :ßeifpiele eines
muperf)aften, d. f). in feiner Art wahrhaftigen und
edelen ©eipes. jedesmal war es fold) ein #eifpiel
des <3eipes von ;8ayreutl), des Willens feines 8d)öpfers,
welches dort gegeben worden; ein 13eifpiel jener großen
Aufgabe, ein Drama zu gepalten und did)terifd)e Ge-
palten zu verkörpern in einer, fo!d)en wunderbaren
£reigniflen einzig entfpred)enden, idealen Sphäre.
$eder der Wenigen, die 86 zugegen waren, mußte
es füllen, wie das intimpe aller X)ramen, das öeelen-
drama von üripan und Dfolde, in der feierlichen Ab-
gefd)iedenj)eit des ;8ayreutf)er Fepfpielf)aufes erp feine
einzig würdige ötätte fand. Ganz unbeeinflußt von der
äußeren Welt des allgemeinen Vergnügens, das man
Cl)eater nennt, vollzogen fid) f)ier die zartepen und
gewaltigpen Vorgänge des Leidens der triebe zweier
66 Rnn5 von wotzosen
fierzen, die fid) zum fef)nfüd)tigen Herzen der Welt
felbft — nid)t erweitern — , fondern vertiefen und ver-
innerlid)en. Hur in der idealen Sprache geiftigßer Kunfl:
verrät fid) das ©ef)eimnis der Uragik des Dafeins. Das
war die Bayreutf)er Sprache — das rvar das Bayreutl)er
Werk — das ivar üriftan und Dfolde, die üragödie der
Zwei und für die Wenigpen.
Darauf nun zrvei <3al)re fpäter die ffteißerfinger!
fl>an meint zunädjfl:, das fei red)t ein Werk für alle
Welt, fürs deutfd)e Volk, <3ewiß ein Werk des Volkes,
unferes Volkes, — aber tvo konnte es fid) in feiner
vollen deutfd)en €igenart, in feiner bewegten und
leuchtenden Heiterkeit zu fo freiem, unbedingtem ftus-
druck bringen, als wiederum da, wo es fid) nid)t als
ftepertoireftück zwifdjen Seinesgleichen und Ungleichen
drangen laflen mußte, fondern wo es wirklid) auf einer
„Feftwiefe" des menfd)lid)en und künfl:Ierifd)en Hebens
erfd)ien und das wahrhaftige Bekenntnis des ©elftes
diefer ganzen 8pf)äre ausfprad), daraus es l)ervor-
gewad)fen, das Bekenntnis jener reformatorifd)en Kunfl:-
auffaflung, die Bayreuth gefd)affen f)at. „Wad) auf,
es naf)et gen den Uag" — wo f)at das je geklungen,
klingen können, als da, wo es der feierliche Ausdruck
des (Glaubens war, der in diefer Kunfl: zur üat ge-
worden ift.
Was fid) dort aus buntem Leben zu einem einzigen
großen Sdjlußmoment von reiigiöfer Stimmung bedeutend
erf)ob, eben das fteligiöfe felbjt ward im'Cannöäufer 91
zur 8eele des ganzen Dramas. 80 befeelt erfd)ien die
vielbeliebte „alte Oper*', die mancher verwundert in
Bayreuth einziehen faf), unferem Bewußtfein zum erflen
fftale als Tragödie. Wieder erlebten wir ein Seelen»
drama: den Kampf zwifd)en der irdifd)en und f)immlifd)en
Liebe, zwifd)en dem Willen zum Heben und dem zur
Crlöfung, zwifd)en verzweifeltem Seinen und friede-
fpendendem ©lauben, zwifd)en Zauber und Wunder.
«ayi?eucfi 67
Vhz\)r aber nod) als in einer eigentlichen „Handlung*'
erlebten rvir diefes innere Drama des üannfjäufer in
der gleid) bedeutenden künftlerifd)en Verwirklichung
jener fzenifd) fo ausgeprägten Kontra|te zweier Welten:
des Venusberges mit feinen vordem nod) unerfd)auten
antiken Dionyfien und des f)erb|tabenddunkeln Wartburg«
tales als der Stätte tragifd^religiöfer Reinigung im pill-
bewegten Cinklang von Hatur und öeele. Clifabetl)!
Die {Jungfrau, in der tiefen <3efüf)Iserkenntnis ij)res
^eiligen Berufes, im dämmernden Abend leidvoll, wie
entkörpert fcf)on, f)ingefl:reckt vor dem ftouttergottesbilde
— die le^te üodesentfdjeidung ausßrömend im inbrünftigen
<3ebete zur ewigen ©nadenmad)t, — und wie die Schatten
der fiad)t immer tiefer finken in das irdifd)e üal —
fie felbft, wie ein zarter Schimmer böseren Lid)tes,
emporfteigend aus der Tiefe des Leidens zur fiöf)e,
dorthin, wo nun im vollen Dunkel des nächtigen FMmmels
f)od) über der füllen wartenden :0urg der ötern der
Liebe rein erflraf)It, vom innig weltabgekef)rten 8ange
keufd)er Cntfagung fromm begrübt! ftud) das verzweifelte
'Codesringen der öünde gef)t in diefer gereinigten 8pf)äre
der tieften Had)t friedvoll zu 6nde — eine Welt ver»
finkt mit dem legten <3ötterfd)rei: „Verloren!** — eine
neue ertagt mit dem legten fDenfd>enfeufzer: ,,3d) f)öre!**.
Der borgen graut über dem (terbenden n>enfd)en mit
dem großen, unjttllbar feinenden Rerzen, — frommer
Weif>egefang der üodestrauer ertönt, aber die Fackeln
bleichen im wad)fenden ?toorgenlid)t, das F>eII und geller
aufftraf)lt, als nun vom fiügel fjerab die jungen pilger
mit dem grünenden 8tab, atemlos vom freudigften Cifer,
immer lauter, immer fiegf)after das Reil verkünden:
„fieil! Fieil! Der <3nade Wunder Beil! Crlöfung ward
der Welt zuteil!'* Und im glühenden Friedensglanz des
vollen flßorgenfonnenfd)eines leuchtet über den erwachen-
den Talen die [)of)e 33urg in den klaren Ftimmel, ein
f)errlid)er Lid)td)oraI, vereint mit dem aus der Tiefe
machtvoll aufklingenden 13ekenntnisfange der Lebenden
68 finnö von wonzosen
am neuen Uag: „fiod) über aller Welt ift <3ott, und fein
Crbarmen ifl: kein öpott!"
Rier f)atte die vollendete €inf)eitlid)keit der künfl>
Ierifd)en demente ein religiöfes Crlebnis auf der ;ßüf)ne
ermöglicht, welches es unmittelbar erklärte, warum eine
foldje Kunft, fern der r^eaterwelt, iF>r eigenes Raus
[)aben, warum das Publikum diefer Kunp, den (3e-
wof)nf)eiten des täglichen Hebens entzogen, von weither
da\)\n pilgern mußte, nid)t zum C^eater, fondern zum
Drama, und nid)t nur zum Drama, fondern zum :6ilde
und Ausdruck idealen Lebens. Zugleid) mit diefem
Sichtbarwerden eines innerlichen Dramas war aber
aud) die äußerlid) nod) nid)t ganz abgeftreifte Form
der Oper, kraft des did)terifd)en <3ef)altes des Werkes,
alfo von innen f)er, einmal überwunden worden,
hierauf konnte dann der Lof)engrin 94 bereits in
einer aud) äußerlid) ganz I)armonifd)en <3efamtf)eit,
mit jener befonderen ©röße und tteinf)eit, die man
gern „klaffifd)" nennt, durchweg als ein vollendetes
Drama fid) bewähren, das die ganze Handlung felbfl:
benimmt, durchdringt, umfaßt, — an de|fen Handlung
aud) die bedeutfam gruppierte, gefd)id)tlid) d)arakterifierte
ffoenge, in ftetem lebendigen Wed)felverf)ältnis zu den
wenigen typifd)en Cinzelperfonen, if)ren vollen Anteil
nimmt Die im dramatifd)en 8inn fo bedeutende
Fmrmonie der beiden fbomente, des Einzelnen und des
allgemeinen, war das bezeichnende fDerkmal diefes
bisher, wie der (Gralsritter, nur einmal und nid)t wieder
erfd)ienenen ;0ayreutl)er Kunjfrverks.
öoweit gelangt, durfte :0ayreutf) nad) zwanzig #af)ren
aud) den "Ring wieder wagen. Um diefe Cat in kurzen
Worten einigermaßen zu d)arakterifieren, wird man auf
die fpezififd) dramatifd)e Wirkung verweifen muffen, wie
fie fid) ganz befonders Park und entfd)eidend für das
©anze zeigte in dem erfd)ütternd tragifd)en €indruck
des fonp für fo elementarifd) küf)l und klar geltenden
ttf>eingoldes. Der Flud) des (Soldes, die <3ier nad)
>'
Lh%_
Aufnahme 'von E. Bieber, Berlin
MISS ISADORA DUNCAN
«ayfleutfi 69
fDad)t und tlebermad)t, die Opferung der fciebe durd>
den Egoismus, die Verlegung der unfd)uldigen Reuig*
Reit der ftatur, all dies kam f)ier zu furchtbarer Deut-
lichkeit Die Kunfl: ivard zur propf>etin und Dichterin.
Das Drama redete in der Sprache der Urzeit, die aud)
dem heutigen üage gar ernfte Dinge verftändlid) zu
fagen vermochte. — ün fpdteren (Jahren trat die Tragödie
der „Walküre**, dank einer befonders günßigen Ver-
körperung der tragenden ©eftalten, in die erfte Tteif)e
der neufd)öpfungen. Denn dies war gerade bei der
Wiederkehr des „Ringes** zu erkennen: nid)t allein
fold)e Werke, welche bisher nod) nid)t dort, fondern
bloß an den Operntf)eatern gegeben worden waren,
aud) fold)e, die bereits in 13ayreutf) if)re künftlerifd)e
„Urftänd" erlebt Ratten, erfd)ienen bei jeder neuen
©eftaltung an jener merkwürdigen ötätte als Heu-
fd)öpfungen — nid)t nur ,,f)errlid)**, fondern „F)errlid)er
als am erften üag**. — Die darftellenden Kräfte wed)felten
— dod) nid)t darin lag der fteiz der „fieuf)eit": der fid)
darßellende <3ei|* blieb fid) treu, und darin beruhte
die produktive H>ad)t
III.
3Die 13ayreutF)er Künjllerfd)aft
Dod) wer an die ;6ayreutf)er Dramen denkt, kann
garnid)t anders, er muß fid) zugleid) aud) der einzelnen
<3 e ft a 1 1 e n erinnern, welche dort einmal zu if)rer
typifd)en Verkörperung gelangt find. Dies konnte
nur der Fall fein, wenn die Darfteller fid) eben ganz
in den Dienfl: des Dramas als künßlerifd)er <3efamtf)eit
pellten, wie das in :ßayreutf) erftes ötilerfordernis ift.
X)a$ darunter keineswegs die Individualitäten zu
leiden I)aben, wofern man nur wirklid) mit fold)en zu
tun f)at, lägt (ld) leid)t erkennen aus der pattlid)en
tteif)e wal)r()aft bedeutender €rfd)einungen, die während
70 finns von wotzosen
diefes fftenfdjenalters auf der 13ayreutf)er KSüfyne hervor-
getreten find und deren beutiger Künßlerruf großen-
teils fogar von dort ausgegangen ift Die Urbayreut()erin
ftmalie fDaterna, die erfte :8rünf)ilde, verdient unter
diefen aud) die erße Stelle. Die große Erinnerung an
den fttng von 76 bleibt ferner eng verbunden mit der
an die düfler ragende öeftalt des leidensvollen Wal-
fungen Siegmund in if)rer Verkörperung durd) albert
Hiemann und des dämonifd)en \)<ifa und wuterfüllten
ftlberid) von Karl Rill. Vogls Loge, nebenbei bemerkt,
konnte nod) zwanzig 3af)re fpäter betveifen, daß Wagners
Kunft: einen Sänger, der wirklid) einer ift, nid)t früh-
zeitig um Stimme und Leben bringt! ftls 1896 das
„Ttyeingold** nad) ;J3ayreutf) zurückkehrte, ftand ein
Friedrichs an Fulls, ;J3riefemeifter an Vogls Stelle,
und wieder waren die Typen diefer öeftalten lebendig
geworden, in anderer, aber ganzer perfönlid)keit.
Zum :J3ayreutl)er Typus geworden iß fpäterf)in als
■parfifal die jugendfrifdje perfönlid)keit van Dycks in
feiner beften Zeit, als einer, der mit dem Operntf)eater
nod) kaum in :6erüf)rung gekommen war und den
feltenen Sc^a^ feines romanifdjen Temperamentes und
Talentes für die ;6ül)ne willig der idealen deutfd)en
Kunfl: zu ©ute kommen ließ. — Wir f)aben in ;6ayreutf)
neben ad)t parfifal nid)t weniger als zef)n Vertreterinnen
der wandelreid)en trolle der Kundry gehabt, — jede
in if)rer ftrt eine d)arakteriftifd)e und intereffante €r-
fd)einung, welche die fd)were Aufgabe auf vermiedene
Weife, von vermiedenen Seiten lösbar zeigten: durd)
viele ^a\)xe aber bedeutete die nod) von Wagner mit
befonderer Roffnung begrüßte fD alten in großen ein-
drucksvollen ©rundzügen die „13ayreut!)er Tradition**.
Zu diefen traten die Typen des <3urnemanz und
ftmfortas in der Verkörperung durd) Scaria und
ft ei d) mann, die im ;6ilde des erften „parfifal** nie zu
vergeben find.
Der Trißan brachte uns die Dfolde: ttofa Sud) er.
«ny^eutR n
Rier war das Ddeal verwirklicht. „Wir werden
niemals ihresgleichen fe|)ent" €s lägt fid) nidjt *>e'
fd)reiben, was als €rinnerung in uns fortlebt —
X)aneben aber rvill nid)t minder, ja einzig, die innig
rührende Figur des treuen Kunvenal Fritz planks
genannt fein. — Die ffceifterfinger hingegen rufen
gleid) eine ganze 8d)ar vorzüglicher Vertreter des
fians 8ad)s ins Gedächtnis: voran den mit Y*ed)t
fo berühmten, künßlerifd) feinfinnigen, fd>aufpielerifd)
mei(lerlid)en €ugen <3ura, den volkstümlich wuchtigen,
mit fo viel fierzenswärme und Rumor begabten plank.
Wenn es aud) nid)t lauter ,/Cypen" in dem f)ier all-
gemeinten 8inne waren — das rvird man nid)t fagen
dürfen, daß; Bayreutf) fid) auszeichnet durd) mangel-
hafte Befe^ung, durd) fbediocritäten, durd) eine bloße
8d)ablone, Varianten am Faden der Zeitung 1 Aud) im
„üannf)äufer", aud) im „IJoI)engrin" nid)t! Wie viele
treffliche Künßler und Künflierinnen f)aben da nid)t mit-
geivirkt und find nod) trefflicher geworden, die nid)t
Temperament bleiben durften, tvenn es (Id) um die
Wertfd)ä£ung fd)öner fceiftungen Rändelte! — f)ier, wo
nur gewifle typifd)e Gepalten bezeichnet werden
follen, ifl: aber z. B. der eigentliche Stern unferer
„ffoeifterfinger" nod) gar nid)t genannt: der Beckmefler
von Friedrichs. Vom :8ayreutl)er <3efid)tspunkt aus
rvird es nid)t unfinnig erfd)einen, wenn id), in :0e-
Ziehung auf das üypifd)e, das fDaßgebende, das der
üdee €ntfpred)ende, dal)er Hdeale, aus allen anderen
gerade dies vorbildliche und dod) unnad)af)mlid)e
paar f)ervorf)ebe und zufammen(telle: üfolde und
Beckmeffer.
8ogleid) aber füge id) kü\)n und (ld)er die Bay-
reutl)er €Iifabet() der drei Uannf)äufer-(Jaf)re 1001/2
und 1904 f)inzu. üannf)äufer f)at in 13ayreutf) entfd)eidend
gewirkt, bahnbrechend für die €rkenntnis von der Be-
deutung und der Bekundung des innerlid) Dramatiken
in den Werken auf diefer BüFjne. €r bat dies aber
72 finns von wonzosen
vorzüglid) getan durd) feine — man muß fcfjon fagen —
Offenbarung des dritten Aktes. 6s war die Anficht des
fDeipers felbft: der dritte Akt werde benimmt durd) die
€Iifabet(), gleichwie die Waf)l der X)arftellerin der €Iifabetl)
davon abzuhängen l)abe, liefern fie für den dritten Akt
geartet fei. Diefe €Iifabetf) ifl: eben nid)t als die brillante
öoloftimme einer Primadonna im Drama vorfanden,
fondern um zu leiden und zu fterben. Ob fie das Gebet
als €rlebnis if)res Wefens bringen kann, darauf kommt
es an, daraus ergibt fid) alles übrige. Maßgebend für
diefen üypus der kindlichen (Jungfrau, die durd) ein
fd)merzlid)ß:es Crlebnis zur reinen Reuigen fid) verklärt,
ifl; damals die :6ayreutf)er Clifabetf) der jungen Hör«
tvegerin Clifa Wiborg geworden. 8ie l)at ganz wie
jene zwei großen Künpler das Wefen der dramatifd)en
Gewalt uns vollkommen fid)tbar und börbar werden
laffen. — Als rvürdiges Gegenbild i|tpauline?DaiIf)ac8
im f)of)eri ötil bewundernswert gefaltete Venus zu
nennen. X)er tragifd>en Weif)e des Werkes fügte fid)
8d)eidemantels edeler Wolfram i)6d)ft fympatf)ifd) ein.
Dn der f)errlid)en 8tilf)armonie des Lof)engrin trat
das perfönlid)e mef)r zurück — wo es aber befonders
hervortrat, mochte es beinahe frören. 3Dod) wer möd)te
die Hör die a als €ifa unerwähnt laffen, wenn man der
eigentümlichen :6ayreutf)er Geftalten gedenkt? €s ift
aud) immer gar nid)t fd)led)t, wenn €iner oder €ine
wirklid) fingen kann!
X)ies und nod) mef)r erfuhren wir im erneuten
tting. X)a Ratten wir (feit 18$7) im Wotan vanttooys
einen Glücksfall f)öd)ften Grades für ;8ayreutf). —
X)er erfte ganze Wotan, in der vollen Größe feiner
tragifdjen Gewalt» durd) die geniale kün|tlerifd)e :8e-
gabung eines vollendeten Sängers ermöglicht t An der
fid)tbaren Welt des Thinges f)<*t:te man anfangs, über»
rafd)t durd) die ganz neue pJ)cmtafiefd)öprung der
Kofrüme, es tadeln zu follen geglaubt, daß gerade ein,
wenn aud) genialer, dod) immerhin mef)r als „lyrifd)er
Aufnahme <von Hans Brand, k. b. Hofphotograph, Bayreuth
ELLEN GULBRAXSOX
Aufnahme -von W. HoffertT Berlin
LUISE REUSS
«nytteucn 73
Landfd)after" geltender fDeiper, wie Ranßtfjoma, mit
der Löfung diefes Problems betraut ivurde — of)ne zu
bedenken, dag Landfd)aft wie X)id)tung und fDufik eben
aus dem künplerifd)en <3enie des deutfd)en <5eipes
hervorgegangen waren. Had) diefem :6eifpiele f)ätte
man es nun aud) für ganz unzuläffig und untunlid) er-
klären muffen, dag ein außerordentlicher Nieder-, ein
8d)ubert-8änger, wie es van ttooy damals war, der nod)
nie auf einer ;8üf)ne gepanden, in ;ßavreutf) den Wotan
gepalten folle. Ojomas KoPüme wurden erp im zweiten
(Jafjre „geglaubt**, — van ttooys Wotan trat zum erpen
?DaI auf die #üf)ne und rvar fofort eine „Celebrität".
Während er aber als fold)e fid) die Welt eroberte, ge-
wann fid) wieder eine andere, ungemein reiche und ed)t
germanifd)e Begabung, Theodor ;ßertrams, als ein
zweiter Wotan und Holländer, die edelpe Wirkungs-
Pätte des FePfpieIf)aufes. Wie diefe bedeutenden Künftler,
fo wäre ganz :6ayreutf), wenn es einmal aus lauter
„Glücksfällen" fein Ddeal verwirklichen dürfte. Dod)
glücklid) aud) war man dort, dem ©öttervater fogleid)
eine <3öttertod)ter gefeilen zu können, die in der Un-
berüf)rtf)eit von Oper und üf)eater eine ed)te #ayreutf)erin,
neben jener mächtigen, Pölzen fDänn!id)keit das gleid)
d)arakteripifd)e :J3iId reiner, inniger Weiblichkeit darbot
Weld) ideale £>reif)eit edeler germanifd)er Frauengepalten
in diefer 13rünn()ilde — €llen 0ulbranfon, der 8ieg-
linde — ftofa 8ud>er und der Fricka — Luife tteußl
Und dazu, der Uiefe des Werdens mit geheimnisvollem
Urweltfang entpeigend, die wunderbare €rfd)einung
der €rda: €rnepine 8d)umann-Reink! — X)ie be»
rühmte ;6rünnf)ilde von 76 gepaltete mef)r die berg-
frifd) naivf)eroifd)e Seite des großen Charakters der
Walküre mit zündender Kraft, die bis zur f)öd)Pen
€nergie des öpeereides fid) natürlid) peigern konnte.
Hun erlebten wir zwanzig $af)re danad) die weibliche
perfonifizierung jener *Müte der Tragödie, der flftad)t,
davon es f)eißt: „öelig in LuP und Leid läßt die Liebe
flid)ard 8trau&: XMe ?Bufih V. F
r4 nans von wotiZosen
nur fein/* — Und wiederum ift es ein beweis für die
reichen ffcöglid)keiten individualifierender Darßellungen
in :ßavreutf), daß; wir neben ein fo liebenswürdiges
Haturkind, wie es ;0urg|taIlers Siegfried war, aud)
nod) eine fo feine Künftlererfd)einung wie £ r i k 6 d) m e d e s
(teilen durften, um durd) beide die edele Daivetät der
lid)teßen fieldengeftalt mit poetifd)em fteize verkörpert
zu fef)en, während €rnß Kraus, wiederum aus dem
befonderen fteid)tum der deutfd)en Begabung, die ganze
fDann[)aftigkeit des Wotanfproffes zu bezwingender
Geltung brachte.
ftber aud) auf der zweiten Linie der Handlung find
f)ier oft, vom Gefamtßile des Dramas benimmt, einzelne
typen gleid) vorzüglid) ausgeprägter ftrt erfd)ienen,
wovon id) allein die köftlidje fftagdalene von ©ifela
ötaudigl und den urtümlichen Fafner €Imbl ad s hervor-
heben will, — nur eben fo nebenher nod) darauf hin-
deutend, daß; einß eine €milie f>erzog den fiirten-
knaben fang, und dafr es eine verzweifelte Frage wäre,
ob 8d)Ioffer 76 oder Breuer 96 der befte HMme ge-
wefen fei, einfad), weil fie es alle zwei waren! — £)ie
<3ef*alt des ©urnemanz endlid) läßt fid) ja nid)t wof)l als
eine „Debenrolle" betrachten, wenn man diefen banalen
Cl)eaterbegriff überhaupt auf das große f)armonifd)e
Kunftwerk anwenden dürfte; dod) war es den fämtlid)en,
gewiß nid)t unbegabten X)arßellern diefer fo ungemein
wirkungsvollen partie feit öcarias über alles be-
wunderter Leitung widerfahren, daß fie neben jener
völlig in die „zweite fteiFje" gerückt wurden. €rp: mit
Dr. Felix Kraus, welcher wie van "ftooy aus dem
eigentlichen öängertum als ein berufener und aus-
gebildeter Künftler hervorgegangen war, ift die wunder-
volle öreifengeftalt des Waffenmeifters von fßonfalvat
wieder zu einer perfönlid)keit geworden, von welcher
man, dem großen Vorgänger gegenüber, etwa fagen
könnte: der würdige „Gralsritter", dort in der —
endlid) gebrochenen — Kraft des edlen Rittertums,
«ay^eucR 75
crfd)ien f)ier meljr in der vornehmen Weif)e des ^eiligen
Grales.
Dein, man kann waf)rlid) nid)t behaupten — , l)at
es aber getan! — , daß; es an kün|*Ierifd)en perfönlid)-
Reiten in ;8ayreutf) gemangelt f)abe. Und ivie viele
tüd)tige, ja ausgezeichnete Künßler f)atte id) f)ier nod)
nid)t einmal Gelegenheit zu nennen: von des fDeißers
erftem, fo f)od)beIobtem Wotan Fr a n z :8 e tz bis zu fo nam-
haften öängern rvieperron und Knüpfer! Gerne f)ätte
man ja nod) mefjr gehabt, für manche bedeutende ttolle,
wie z. 13. für den Ragen, i(l die maßgebende Geftaltung
überhaupt nod) nid)t gewonnen worden — man kann
nod) leichter Armeen aus der 6rde (dampfen, als wie
üalente oder gar Genies. Das aber darf man wof)I
behaupten: daß diefe perfönlid)keiten zu if)rer vollen
und reinen Wirkungsfäf)igkeit er(t dort gelangen konnten,
ivo fie mit if)ren Aufgaben an rechter ötelle ftanden
und fie im red)ten Geiße, unbefdf)ränkt durd) fremde
Umftände, als Künftler Iöfen konnten: in dem ftyled)ten
Gefamtbilde des 13ayreutf)er Dramas.
Wenn man von diefem Drama fprid)t, darf das
Ord)e(ter nid)t vergeben werden. fiörte man dod)
fd)on die ftoIze Verfid)erung: „^Ja, f)ätten wir nur das
verdeckte Ord)efter und die fd)öne ftusfid)t von euerem
:6ayreutl)er t?l)eaterl)ügel, wir könnten leid)t ebenfo
gute Feßfpiele geben wie iP>r l*' ftber aud) das Ord)efter
\ft gerade in 13ayreutf) dod) nur ein integrirender, ein
organifd) verbundener üeil der ganzen großen €in-
()eitlid)keit des Kunßwerkes. €s wirkt fo wunderbar
eigen und neu in feiner unlöslichen Verbindung und
fteten lebendigen :ßeziel)ung zum Drama, um deffen-
willen es aud) verfenkt worden war. Diefen Zufammen-
bang zwifd)en Drama und fDufik ßylgemäß zu erhalten,
tft vor allem die Aufgabe der 13ayreut()er Ord)efter-
dirigenten. 6ie aud) find es, welche, f)e™orgegangen
meift aus der fog. „Hibelungen-Kanzlei" Wagners,
jugendliche Reifer des fDeipers von 76, fpäterl)in draußen
76 fiftne von wotzosen
in der fftufik- und Uf)eatenvelt eine neue Dirigenten-
Generation gebildet, eine neue Kapellmeifl:er-8d)ule
begründet f)aben. ftllmäf)lid) an die erften ;0üf)nen
berufen, konnten fie fclbp: dorthin, fo viel als möglid),
etrvas von einem neuen <3eifte tragen; tvenn aud) viel-
fad), den Verj)ältniflen rveid)end, diefer (3eift fid) dann
wieder auf das Ord)efter zurückziehen und das Drama
oft nad) dem Cfprit des ftegiffeurs und den Wünfdjen
der Sänger laufen laflen muffte!
Um die Bedeutung diefer älteren :8avreutf)er Kapell-
mei(ler-8d)ule zu bezeichnen, brauche id) nur Damen zu
nennen ivie: flans ttid)ter, als den tting- und fDeifter-
fänger-Dirigenten, Felix ffcottl, als den tTrißan- und
Üann|)äufer-Dirigenten, ftnton 8eidl, Hermann
Levi, Franz Fifd)er, als die parfifal-Dirigenten, denen
fpäter nod) TUd)ard Strauß und Karl fDuck von
Berlin fid) anreihten. Dazu kommt nod) die gefamte
8d)ar der fog. „mufikalifd)en ftffi|tenz", die u. a. ganz
fpeziell dafür zu forgen bat, daß die ;6üf)nenvorgänge
ftets im genauen Kontakt bleiben mit dem Ord)eßer —
eine nur in Bayreuth) durchführbare Aufgabe, tveld)er
fid) im Laufe der Zeit außer obigen Hibelungen-
Kanzliften unterzogen f)aben: ffcufiker rvie Hermann
Zumpe, Engelbert Fwmperdinck, £duard "fleuß, Wilhelm
Kienzl, Cdouard Visier, Siegmund von Hausegger, fotvie
die heutigen Opern-Kapellmeißer Karl poplig (Stuttgart),
Kahler (H^annfjeim), ©orter (Karlsruhe), HMd)ael #alling
(Karlsruhe), Franz 13eidler (ffooskau) u. a. m. Zu guterle^t
aber fei mit Siegfried Wagner felber nod) einer jener
eckten 13ayreutf)er Glücksfälle genannt, der fid) vom
Hintergründe eines Leides abf)ob. ftnton 8eidl tvard
uns jäf) entriflen, einer unfer fd)iverften Verlufte, und
mit feinem legten Worte, das diefer altgetreue 8d)üler
feines fDeißers dort gefprod)en, begrüßte der 8d)Tveig-
jame nod) feierlid)-freudig feines ffteifters 8of)n als
redeten erben ^ayreutl)s.
Sollte nirf>t fdjon die natürliche €mpfindung die
/
«ayneutrR 77
Fterzen einigermaßen bewegt I)aben, als es bekannt
ward, dag der Sof>n durd) feine Begabung der Lebens-
aufgabe geweif)t fei, das Werk feines großen Vaters
fortzuführen? Sollte man da nid>t lieber mit einem
freudigen Vorgefühl (tille gewartet, vertraut und gehofft
f)aben, anftatt daß fofort wieder Uebelwollen und Zweifel-
haft fid) Luft machte in lauter kleinen bi|figen Miß-
billigungen, gerade als wäre ein Sof)n Wagners der
Le^te auf der Welt, der 8ad)e Wagners tatkräftig und
verftändnisvoll zu dienen?! Siegfried Wagner l)at aber
nid)t nur fd)on als junger Ord)efterIeiter an gewiß
fd)wierigft:er, exponierterer Stelle ein entfd)iedenes
individuelles Talent bewiefen; er I)at vor allem gezeigt
daß er geborener Theatraliker ift, in feiner glücklichen,
vom malerifd)en 131idk begünftigten Anteilnahme an der
Führung der :6ayreutf)er fiegie, vornehmlich bei den fo
wichtigen meteorologifd)en Vorgängen und :0eleud)tungs-
momenten des ttinges. Davon mochten Viele nod) nid)ts
erfahren f)aben, da fo!d)e Dinge in 13ayreutf) in aller
Stille fict> zu vollziehen pflegen, und es dort nid)t
nottut, einer Welt voll Lärmen es erft nod) überlaut
in die Of)ren zu fdjreien, was geleitet worden und wer
fid) ein Verdienp: erworben l)abe. Allein die „Dnfzenirung"
des Fliegenden Holländers im #al)re 1001, welche
das fogenannte (Jugendftück Wagners zu einem foldjen,
im einaktigen Umfange kleinen, an Kunftwert und Kunft-
eindruck großen Wunder aud) für ein künftlerifd) ver-
wöhntes 13ayreutf)er publikum gefaltete, die konnte nid)t
unbeachtet, unerfragt vorübergehen. Weld) ein ffteifter
der :6üf)nenkunfl: f)atte dies in feinen engen ©renzen
und einfachen Linien wof)l vollkommenfte rGeifpiel des
:8ayreutf)er Stiles gefd)affen? — 6s war Siegfried
Wagner. — Daß innerhalb diefes aufs feinfte abge-
stimmten ©efamtbildes der ergreifenden Tragödie der
8el)nfud)t in der Daturfpf)äre des fDeeres aud) gerade
die €rlöfungsmad)t der Treue in der ©eftalt der Senta
wieder if)re typifd)e Verkörperung gefunden f)atte durd)
rs Rari8 von woLzosen
eine ganz neue 8d)ülerin jenes 8tyles, 6mmv Deftinn:
das erfd)ien nun zugleid) als ein freundlicher Funrveis
darauf, dag; — rvenn aud) fo manche kün|tlerifd)e Kraft
am dortigen Kunftrverke im Laufe der Zeiten, äußerlid)
oder innerlid) — verloren gef)t, — der für künftig fo glück«
lid) und bedeutungsvoll gefiederten Leitung ein junger
Dad)rvud)s niemals fehlen rverde, dem es nur zu gönnen
rväre, er könnte einftmals von allem "Crjeatergetriebe
frei und fern in eigener 8d)ule, aud) als eine moralifd) im
:6avreutf)er <3ei(t gefeßete (Gemeinde ed)ter Künftler-
Persönlichkeiten, den flxengen Dienft der f)of)en 8ad>e
deutfdjer Kunft mit freudigem Stolze verrichten! —
Damit tväre die Zukunft von 33ayreutf) völlig im 8inne
feines Schöpfers gefiebert, rveldjes bis beute das Ver-
trauen der Hation fid) redlid) verdient f)at, durd) die
nie erlofdjene, immer neu und fo überrafdjend rvie
überzeugend bervärjrte Fähigkeit eines Lebens in
feinem ©eifte.
8d)luJ5ivort
Vertrauen rvir denn aud) auf die Zukunft von
:3avreutf), und rvünfd)en rvir if)m eine gute Zukunft
in das neue <Jal)rr)undert bme*n* X)enn dies :8avreutf)
rjat etwas ©utes zu bedeuten inmitten der modernen
Welt, merjnnod): in aller deutfd)en Welt 6s rvar eine
deutfd)e ffceißertat, es ift ein Stück deutfdjer Arbeit,
es ift und bleibt ein ffterk» und Denkmal deutferjen
<3eiftes. Vergeben die Fremden aller Hationen darin
das deutfdje Wefen, fo erkennen die £)eutfd)en aller
Staatsverbände fid) felbft, das, rvas fie als eine fried-
liche Kulturmad)t vereint — rveit über alles politifd)e
Scheiden und Streiten f)inaus — vereint in der Welt
unferes Rerzens, des innerften ?Denfd)entumes, das
dod) niemals nur ein ftbjtraktum, das dod) immer aud)
«ay^eutR 79
ein Volkstum i(t 3Das nationale :8ewußtfein f)ätte
zur Zeit des wad)fenden Kosmopolitismus und Hnter-
nationalismus aud) auf dem Grunde der größten poli-
tischen Tatfac^en nid)t fid) dergeftalt lebendig erhalten
können, wenn nid)t eine geizige Kraft, im beften öinne
„konfervativ", wie der deutfc^e Geifl: es iß, dabei ge-
holfen l)ätte. X)iefe geizige Kraft, die nrir niemals ein-
büßen mögen, um als X)eutfd)e exilieren zu können,
f)at zur Zeit if)ren unverf)of)Ienften, wirkungsvollen,
idealkünftlerifd)en Ausdruck gefunden in Wagner, feiner
Kunß und feinem 13ayreutt)« 3n diefer reichen und
lauten modernen Welt um uns fyer — weld) ein viel
beklagtes und dod) nid)t gemindertes Vorwalten materia-
lißifd)er Denkweife, materialiftifdjer Tendenzen! Wie
feiert dagegen nod) f)eute dort in Äayreutl) ein reiner
Hdealismus feine 8iege über das Gemüt und beweifl:
fein unerlofdjenes Vorf)andenfein in der deutfd)en Innen-
welt an einer Fülle großer tatfäd)Iid)er €rfd)einungen!
— 3n der Welt f)errfd)t fDad)t vor fted)t, wird der
Du^en allen anderen Untereren vorangejtellt, wird ein
alles durd)fre(Tender Egoismus kaum mit fdjweren
?DüI)en immer nur ein weniges an foziale pflichten
gemannt, zu if)rer Erfüllung oft felbft nur lißig gereizt:
eine raftlofe (Jagd nad) Gold und Glück bringt würde-
und l)eiIlofe Unruhe in alle Lebensver^ältnifle* Dort
in :6ayreutf) flüchtet fid) der ffoenfd) aus diefer großen
Unrafl der Welt in einen edelen Frieden, die böfen und
(hörenden Gewalten fd)einen gebändigt im fd)önen I3ilde
der Kunp, und eine Arbeit wird geleiftet, eine Sadje
getrieben „um if)rer felbft willen**, of)ne (Sedanken an
Hu^en und Gewinn, eine mit keinerlei Hebenabfid)ten
und Hebenrückfid)ten verwickelte, rein künftlerifd)e
Aufgabe wird gelöp, und kein anderes Glück damit
erftrebt als das der erhabenen Freude am Wahren,
€delen, Großen und 8d)önen. — Draußen aus der
Welt will das Große entfd)winden; fef)nfüd)tig blickt
der fftenfd) nad) €rfd)einungen aus, an die er
so nans von woiizosen
freudig glauben, denen er mit Bewunderung, Begeife-
rung und Verehrung dienen konnte. Was uns f)ier
allzufej)r fef)It, dort in Bayreuth ifl: es uns voll ge-
währt: da find rvir in dem freien t?eid>e, wo das öroße
()eimifd) iß, wo die Helden leben und walten, die parken
Willen, die f)of)en ©edanken, die edelen ©efüf)le, wo
man dem Großen und dem Helden in Bewunderung,
Begeiferung und Verehrung dienend feine Treue galten
kann. — 3n der Welt ifl: die Kunfl felbfl: f)erabgefunken
von derHö|)e genialer Weltfd)au in die trüben Diederungen
eines kurzzeitigen, l)alt- und ziellofenftlltäglic^keitsflnnes,
und f)in und 6er kämpfen vergebens nac^fid)ererftid)tung,
nad) fefler Form fügende Meinungen und Begebungen
in wirrem ^Durcheinander. 3n Bayreutf) f)at eine in fid)
gefeflete Kunfl- und Weltanfd)auung if)ren ausgeprägten,
fieberen, großen 8til gefunden, ein fraglos fid) felber
voll und rein ausfpredjendes Kunflwerk bietet jedem
Suchenden ein weihevolles ftfyl im fteid)e der Freiheit
und 8d)önf)eit dar. — ün der Welt führen Wiflenfd)aft
und politik das große Wort, und fie wollen fid) felbfl:
nid)t einfd)ränken laffen durd) die Forderungen eines
— fentimental gegoltenen — fittlid)en Bewußtfeins.
3n Bayreutf) F)errfd)t allein die Kunfl, aber in der
tragifd)en ftuffaffung der Welt gibt fie mit großen und
edlen Gefühlen und <3eflalten, durd) Leiden, HMtleiden
und Ueberwinden, der fittlidjen H>ad)t im ?ftenfd)en«
gemüte wieder feflen ©rund und volles Bewußtfein,
draußen in der Welt will die überarbeitete fDenfd)f)eit fid)
betäuben an einer leeren, leichtfertigen, unbefriedigenden
Lufligkeit bis zur Frivolität. Hier in Bayreuth wird fie
zurückgeführt auf einen tiefen €rnfl, zur Tragik des
Dafeins, aber aud) zum erlöfend Heiligen im Leiden,
zur religiöfen ftnfd)auung des Lebens, alles Lebens;
und zugleid) wird if)r eben dort und eben damit eine
reine Heiterkeit gewährt, die Heiterkeit der natur und
des Volkes, wie fie aus Wald und Wiefe des Siegfried
und der fDeiflerfinger beglückend zu uns dringt
«ay«eucR
81
60 follen und wollen ivir alfo beglückten Kinder des
deutfdjen Vaterlandes in aller Hot der Zeiten es nie ver-
geben, daß; ivir nod) ein:ßayreutf) f)aben und was dies
13ayreutf) uns bedeute; — eine ideale Welt inner-
halb der realen Welt, ein dem künftlerifd)en Sinne
der abendldndifd)en Kulturgemeinfamkeit
leuchtendes :8eifpiel und öymbol germa-
nischer Kunß, germanifd)en ©elftes.
Carl Giessel
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DER JAPANISCHE FARBEN HOLZSCHNITT, Seine
Geschichte — sein Einfluss von FRIEDR. PERZYNSKI.
PRAXITELES von HERMANN UBELL.
DIE MALER VON MONTMARTRE [Willette, Stein-
lein, T. Lautrec, Leandre] von ERICH KLOSSOWSKI.
BOTTICELLI von EMIL SCHAEFFER.
JEAN FRANgOlS MILLET von RICHARD MUTHER.
ROM ALS KUNSTSTÄTTE von ALBERT ZACHER.
JAMES Mc. N. WHISTLER von HANS W. SINGER.
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DIE KUNST
SAMMLUNG ILLUSTRIERTER MONOGRAPHIEN
Herausgegeben von
RICHARD MUTHER.
Bisher erschienen ferner :
GIORGIONE von PAUL LANDAU.
GIOVANNI SEGANTINI von MAX MARTERSTEIG.
DIE WAND UND IHRE KÜNSTLERISCHE BE-
HANDLUNG von OSCAR BIE.
VELASQUEZ von RICHARD MUTHER.
NÜRNBERG von HERMANN UHDE.BERNAYS.
CONST ANTIN MEUNIER von KARL SCHEFFLER.
ÜBER BAUKUNST von CORNELIUS GURLITT.
HANS THOMA von OTTO JULIUS BIERBAUM.
PSYCHOLOGIE DER MODE von W. FRED.
FLORENZ UND SEINE KUNST von GEORG
BIERMANN.
FRANCISCO GOYA von RICHARD MUTHER.
PHIDIAS von HERMANN UBELL.
WORPSWEDE (Fritz Mackenscn, Hans am Ende,
Otto Modersohn, Fritz Overbeck, Karl Vinnen,
Heinrich Vogeler) von HANS BETHGE.
JEAN HONOR2 FRAGONARD von W. FRED.
HANDZEICHNUNGEN ALTER MEISTER von
OSCAR BIE.
ANDREA DEL SARTO von EMIL SCHAEFFER.
DIE MODERNE ZEICHENKUNST von OSCAR BIE.
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