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Full text of "Beccaria, ueber Verbrechen und Strafen: Nebst Anmerkungen und einem Anhange ..."

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HARVARD LAW LIBRARY 



MAY 1 1927 



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(üebtete fcer <£efd)td)te unir Jaltttk 



affer un6 netter Jeif. 



VIII. Sectaria, lieber ©erbrechen unb Strafen* 



«erlitt 1870. 

©erlag öon 8. £ et manu. 

SBifl&elm« »©tra&e 91. 



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15 r r c ar ia, 

tlcBcr äfcrforetfjen imb (Strafen 

^ netft 

&ttmetttttttgett 

uttb einem Stnljange: 

<9raf oberer, ttefcet bie 8&fdjaffwt0 bet Sobedflrafe. 

tteberfefct 

unb 
Don 

S». $8al*etf. 



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In rebus quibuscumque difficilioribus 
non expeetandum, ut quis simul et 
M Berat* et metat, sed praeparatione opus 

est, ut per gradus maturescant. 

■*. ßaco. Serm. fidel. XLV. 



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ßerlin 1870. 

33 erlag öon i. # ei mann. 

&itytloi0* Straffe 91. 



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1*70 



W AY 1 1927 



^Kardjefe Sefate gtonefario g&eccaria, 

^ Heber Urri>re4)ett uttü jStrafm. 



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gfcnttrct fc$ ttelerf#cr& 



glKrft man einen Sltcf auf bie eben fdjwebenben SSerljanblmtgen 
beg norbbeutfdjen 9tetdjStage8 über ba8 neue ©traf gef efcbudf) , er* 
innert man ftdj ber eigentljümltdjen ^Debatten bafelbft aber 9H>* 
fdjaffung ober Beibehaltung ber £obe8ftrafe unb beult man enbltdj 
baran, bafj ber £erjog öon ©otlja öon SKamj eine ©utHottue öer* 
fdfyrieb, um nadj äWanjigjdljrtger $aufe einen, wenn audj entfefc* 
ltdjen, 2Borb burdj bie £tnridjtung be8 SRörberS ju füljnen, fo 
wirb e§ feiner »eitern SRedjtfertigwtg bebürfen, bafc tdj eine neue 
tteberfejjung beS berühmten 33udje8 öon Sßeccaria „lieber bie 
SSerbredjen unb ©trafen' 1 unternommen Ijabe. 

9Reljr atö ljunbert Saljre ftnb feit feinem erften ©rfdjetnen 
öerfloffen, Idnger al8 ein Safyrljunbert ift eg fyer, bafc ber SSerfaffer 
ftdj burdj biefeg IBudj eben einen $la£ unter bm erljabenften 
SBoljltljdtern ber SKenfdjljeit erworben Ijat unb bafj Ueberfe^ungen 
öon bemfelben in allen ©pradjen erfdjienen ftnb ; unb fragt man 
ftdj bann f weldjen (Srfolg ba8 SSudj erhielt Ijat, fo muffen wir mit 
©djam unb Sebauern gefielen, bafj mit wenigen ausnahmen bie 
SRenfdjljeit Ijeute faft nodj ebenfo fern bem fyeljren Siele beS S5er* 
faffer? fteljt, wie e8 öor ^unbert Sauren ber gaU war. 

Wolter unb ©Weiterlaufen finb freilidj bem Flamen nadj ab« 
gefdjafft, aber ein Slicf in triele ©efdngntffe genügt, um ju jeigen, 
bafc fte in Sßtrfltdjfett Ijeute nodj — wenn audj unter anberer 
Sorm — befielen unb bie unglücfltdjen ©efangenen ^duftg burdj 
graufame hartem gejwungen werben, ©eftdnbmffe abjulegen, weldje 
ber SSaljrljeit üöHig fremb ftnb. 

SBann wirb e8 enblidj baljtn Jommen, bafc milbe, aber ftreng 
burdjgefüljrte ©efefce für bie SBerbredjen foldje ©trafen feftfefcen, 
wie fie allein ber wahren SKenfdjlidjfeit gejiemen? 



— 8 — 

SSeranlaffung jur &bfaffung biefeö SßudjeS gab 33eccaria be= 
lanntHdj ber (SaHaS'fdje Sufttjmorb in ftranfreidlj, toeldjer bie 
©ncqclopdbtften in fold^e Aufregung öerfefcte, ba$ fte bie berühmte 
©efellfdjaft itattdrtifdjer ©eleljrter ju SKaücmb, toeldlje ftdj unter 
bem bauten „$affee=®efeHf<fyaft" öerfammelte, ju beftimmen toufcte, 
ein 39udlj gegen bie bamaligen unb leiber audlj metft je|t noä) be* 
fteljenben ©raufamfetten ber ©efe^e fcerfajfen ju laffett, beffen 9te= 
baction ber SKarquefe Seccaria übernahm. 

Unglaublich toar ba% Stuffeljen, toeld^eg baffelbe bamalä in 
ganj (Suropa fcerurfadjte, aber eine faft ebenfo grofce SSeadjtung 
muf) iljm audlj Ijeute nodj au8 ben fdijon angeführten ©rftnben 
gejoKt »erben. 

2Ba8 nun bie tteberfefcung felbft betrifft, fo Ijabe idj babei bie 
itattdnifdje Originalausgabe öom Saljre 1766 benufct, toeldljer idj 
ftreng gefolgt bin, oljne Sftücfftdjt auf bie UmfteMungen ber be*~ 
rühmten franjöftfdjen tteberfefcung be8 2lbb6 SJlorellet, ba mei* 
ner Stuftet nadj ein Ueberfefcer ntdjt ba% Stedjt l)at, bergleidjen 
Dorjuneljmen. 

35ie jaljlreidjen ttnllarljeiten be8 Seyteä, bereu ber SSerfaffer 
felbft gebenft unb bie eine notfytoenbtge golge ber bamaligen 3eit- 
umftdnbe toaren, Ijabe idj nidjt auf anbere SSeife ju Ijeben ge* 
toagt, al8 burdj bie ^injufügung ber Slmnerlungen ber beben* 
tenbften ©eleljrten unb ber ebenfo bebeutenben, als ttridjttgen 
Äb^anblung be8 ©rafen Stöberer „lieber bie SobeSftrafe." 

35ie folgenbe SBtograpljte SBeccaria'S ift nadj ben beften £>uel* 
len unb befonberö mit 33enu|ung ber franjöjtfdjen Ueberfefcung 
öom Setzte 1822 abgefaßt. 

©elingt e8 mir, audj nur einen einjigen SDeutfdjen burdj bie 
Sectüre biefeö unfdjd{3baren 33udje8 ju einer Slenberung feineä ttr= 
t^etlS über bie SSerbredjen unb ©trafen ju belegen, fo füljle tdj 
midj für bie aufgetoenbete SRufye retdjlidj entfdjdbigt. 

»erlin, im SRdrj 1870. 

m. «Salbe«. 



IWccaria 8 JUograpfue» 



{gUfario Sonefario, 9Rardjefe öon SJeccaria , würbe im Saljr'e 
1735 gu SJlaüanb geboren. 6r ftammt au$ einer wenig begüterten, aber 
jeljr berühmten gamilie, meldje SDtailanb mele bebeutenbe ©eleljrte nnb 
Krieger erzeugte. 

©djon früljgeitig entwitfelte fidj in iljm eine erhabene nnb lebenbige 
©eele, mel ©efüjjl unb ein auf ba$ ©rofte gerichteter ©inn. SCuögegeidjnete 
©tubien entwitfelten in iljm brei Seibenfdjaften, benen er öorgügttdj fein 
tjangel geben wibmete: 33aterfanb8Uebe, ©efüljl für bie leibenbe SUtenfdjljeit 
nnb Seftreben nadj Sfaögeidjnung. 

fftie Ijaben audj nur auf einen Stugenblid biefe ebeln ©efüljte 33eccaria'ö 
©eifi oerlaffen, wie e$ iljm feine geinbe vorwarfen, benn fte entfernen fidj 
nur t>on beut, ber jtdj bem §<matiSmu$, bem StbergKomben unb ber ttnwiffen* 
Ijeit in bie 9lrme wirft. 

Stugerbem mar 33eccaria fdjon aU Süngling mit einem feftenen richtigen 
tträjeüe begabt, weldjeS iljn ftetö öor jeber ttebertreibung gurütfljieft. 

Äaum Ijatte er bie ©djule tterlaffen, als er fdjon oerfünbete, wa$ er 
&alb fein mürbe: ein Sreunb ber Semunft unb ber -Blenfdjljeit. 6r fjatte 
bie frangoßfdje ©pradje erlernt, weldje feit bem vorigen Saijrljunbert iebem 
©ebübeten unumganglidj notljmettbig ift, unb regnete e3 aföbalb gu feinem 
Ijödjften SJergnügen, feinen ©eift nadj ben ©Triften ber frangöftfdjen 
#ljifofapljen gu bilben. 

SRonteSquieu'ö „jtfrfifdjen ©riefen" gebührt, mie er felbft in 
feinem SBriefwedjfel gefteljt, ber Stuljm iljm feine Hinneigung gur $>ljtfofo:pljte 
eingeflößt unb iljm bie ©eelengröge »erliefen gu Ijaben, meldje iljm fo fdjöne 
©ebanlen einflößte. 

3u ben großen ©djriftfteKern, melden er feinen 2)anf für bie iljm gu 
Üljeil geworbene Seleljrung fdjulbet, rennet er außerbem: b'Sßembert, 33uffon, 
donbiüac, SWontaigne, SJionteöquieu, 3touffean unb Soltaire; unb in ber 
Stljat roürbig folgte er bem Setfpiele, weldjeö jie iljm gaben. 



— 10 — 

2)cr ©raf SSeri, ber 9Ward)efe Songo unb ber ©raf girmiam, meldte 
$)ljilofoi>ljett Stallen oljne 3»cifel bamalS mit (Staunen in feinem ©djoofje 
fafj, mürben 33eccaria'$ greunbe. 

Salb trat er aud) in ben Ijetligen Sunb ber 6Ije unb würbe ein ebenfo 
liebenber gamiltenoater, a(d aufrtdjtiger greunb. 

Unenblidj fdjön ift e$ gu Ijören, mit welker Begeiferung biefer junge 
äßetfe, biefer Sreunb be$ 8Renfd)engefd)led)t$ oon feinem IjäuSlidjen ©lüde 
fyridft; aber biefeö großen ÜRannern fo feltene ©lud foHte audj iljm nidjt 
öon Sauer fein: balb begannen feine Verfolgungen. 

3m älter oon gmetunbgwangig Sauren Ijatte er ben $>lan $u feinem 
unfterbltdjen SBerfe „lieber bie SSerbredjen unb ©trafen" gefa§t; 
aber nod) wagte er nidjt, trofc ber ©etfteSfreifjett, oon ber er ftd) befeelt 
füllte, tiat foldje Slrbeit in einem 3a|rljunbert unb in einem 2anbe gu unter» 
nehmen, wo bie Suquifttion nod) in ooKfter 33lut^e ftanb. 

©eine greunbe oeranlafcten fyn Jebodj, biefen £inbernijfen Srofc gu 
bieten unb wiefen i§n auf ben JRuljm Ijin, welken bie Sftadjwelt feinen 
Sfaftrengungen gollen würbe. 

3wei Saljre fpater begann er feine Stbljanblung unb oeröffentlidjte wteber 
gwet Safjre fpater, alfo 1762, ein 33ud) unter bem Sitel: 
„lieber bie SSRüngumorbnungen in btn mailanbifdjen Staaten unb 

beren ©egtnmittel. 

£>iefe$ nüfelidje äBerf erregte auffegen unb öffnete ber mailanbtfdjen 
Regierung bie Sfogen in 33egug auf bie 9tot§menbigfeti einer fdpn feit 
langer Seit unnmganglidj erforberlidjen ÜRüngreform. 9Ran brudte e3 gu 
8ucca nad), bod) war eö von gu localem Sntereff e f um audj in anbere 
©prägen überfefct gu werben. 

3n bemfelben Saljre 1762 befdjaftigte ftdj Seccaria, untröftlid) barüber, 
in einer ©tabt oon einJjunbertunbgmangigtaufenb @inwo|nern faum gwangig 
SWenfdjen gu froben, weldje fidj gern belehren unb ber 3Baljrl|eit unb Sugenb 
opfern wollten, eine ©efettfdjaft oon 9>l>ilofopl>en gu grünben, weldje alle 
Äräfte aufbieten würbe, um unter iljren SWitbürgern 33eleljrung unb 9faf« 
llärung gu oerbreiten. 

3ln ber Spifce biefer ©efellfdjaft oon SKenf^enfreunben wollte äJeccaria 
für fein SSaterlanb ba$ tljun, wag Slbbifon in (Snglanb burd) bie 3Jer- 
öffentltdjung be$ ©peetator gewirlt Ijatte. 6r begrünbete eine 3*itfdjrift: 
„baä ßafe" unb gab barin eine Äriti? ber gafter, ber ttnwiffen^eit unb 
2ädjerlid)feiten, weldje man bamalS nod) ben Stalianern oorwarf. 

2>ie fünften Slbljanblungen in biefer 3eitfd)rift, weldje 1764 unb 
1765 erfdjien, ftnb faft 'fammtlid) von Seccarta felbfi. 9tameutlid) grofjeä 
Stuffe^en erregten feine „ttnterfu^ungen über bie ©djönljeiten bed 
©t^Iö", in melden er feine STOitbnrger ^a ermutigen fu^t, fi^ bcr eblen 



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— 11 — 

Sefdjäfttgung geifttger Arbeiten gu überlaffen, inbem er geigte, ba§ j|cbcr 
SMenfd) »Ott ber Statur genug SSerftanb erhalten tyat, um gu begreifen, genug 
Salent, um gu f djreiben, unb genug ©ebanfen, um nüfclid) gu mWen. 

3m Saljre 1770 mürbe biefe Keine ©djrift neu aufgelegt, unb ber 
9Cbbe SSorfillet überfefet fie üt'd grangöfifdje unb öerfdjaffte üjr in feinem 
SSaterlanbe bie reiche Änerfennung, meldje % gebührte. 

2)odj fdjon oor ber SSeröffentlidjung „baö @afe" unb alö er nodj 
mit ben Vorarbeiten bagu befdjäftigt mar, gab er bag 33ud) fjerauö, mityti 
iljn unfterblid) machen folttc: nodj oor bem ©<f)lüffe feines fedjßunbgmangtgften 
SaijrreS Ijatte er e$ »oltenbet. 2)aö SWißtrauen iebodj, meldje* bie SRenfdjen 
oon magrem ©ranbe immer in üjre Ärafte fefeen, nodj meljr aber moljl 
bie SSerfolgunaen, meldje er broljenb oor ftd) auftauten falj, Rieften iljn 
guerfi oon ber Seroffentlidjung biefeS grogartigen SSerleS gurüdf. @r mugte, 
ba$ beim (Srfdjeinen beffelben fanatifdje SRöndje alle (gelangen ber 33er* 
laumbung aufftadjeln unb ben ©Treiber benungiren mürben, ber eö wagte 
pljilofopljifdj gu benfen. (Sittige gurdjtfame erfdfjredten üjn fogar burd) bie 
©djilberung ber unglüdflidjen Solgen, bie bit Stbfajfung eines guten S9ud)e$ 
für üjn fy&tn fönnten, fo ba§ er im Segriffe \tanb, fein 3Ranufcrtyt gu 
oerbrennen. 

2>er ©raf SSeri aber unb Slnbere oerijinberten iljn, feiner perfön« 
lü|en 8tulje btö 33udj gu opfern, beffen Slbfaffung fie üjm geraden (jatten 
unb »eldjeS für bie gange SKenf d$eit wn fo Ijoljer 33ebeutung merben fotttc; 
bie erfte Auflage beö SSudjeS: „Ueber bie SSer&redjen unb ©trafen" 
mürbe im Saljre 1764 gu SMatlanb oeröffentlidjt unb gog fö^U We *»f* 
merffamfeit be$ gangen aufgeHarten @uropa'$ auf ftdj. Stile ©ehrten, 
Suriften, atte erhabenen unb eblen ©eifter begrüßten e$ mit bem rauf djenbften 
©eifatte. 2>ret Auflagen mürben in menigen SWonaten oerfauft, unb e3 
fdjneH in alle ©pradjen uberfefct. 

2)er Erfolg btcfeö «einen Südpldjen* ftieg in ber SBeife, mie t* 
befannt mürbe, unb mie alle @pofy madjenben SBerfe, 30g eg anä) eine 
gsnge Literatur über benfelben ©egenftanb nadj ftdj. 

9iodj wr feinem Stöbe Ijatte SJeccaria ba$ ©lücf gu feljen, ba§ fein 
Sudj gum ©djufcgeijie eineö J^eileö ber Opfer menfdjlidjer ©ere^tig- 
!eit mürbe. 

(Satljarina bie ©ro§e lagt eö iljrem ©efe^bud^ einoerleiben, Sern eine 
SKebaille gu 6|ren SSeccaria'ö fragen unb alle aufgeöarten gürften f^irften 
tf)m beutlic^e Beiden i^rer {>ulb unb ©unft; bod) anbererfeitö erregte bieg 
33ud), mel^eö «oltaire „baö ©efefcbudj ber SWenf^li^feit" nennt, 
au^ bie 8eibenfd)aft folc^er SWenf^en, mel^e nur glücflid) leben, menn fie 
fidj gu ©bergen ber Sqrannei unb be$ ganatiömuö machen unb bie groge 
SUlcngc gemaltfam unterbrüden fönnen. 



— 12 — 

3n Solge foldjer SSerlaumbungen würbe SBeccaria'ö 33udj $u SJenebig 
»Ott bcn ©taatS-Snqutfttoren aerbammt; man ftctttc iljm in SMlanb felbfl 
nadj unb bcr junge f^tfofoplj beburfte beS ganzen ©djufceS be$ bei ber 
{Regierung einffafcreidjen ©rafen girmiani, um iljn btn SSerfolgungen feiner 
SKitbürgcr ju entfliegen, weld>e tyrxt mit ©tolj ju tljm emporbltden. 

SebenfaHS Ijaben aber foldje geljafftgen unb abfdjeulidjen SSerfolgungen, 
weldje ba$ geben biefeS „ruhigen greunbeS ber 3Baljrl)eit" marterten, 
un8 oljne Sweifel eine! anbern SMeifterwerfeS auö 33eccaria'S geber beraubt; 
benn er Ijatte bereits ba$ ©rfdjeinen eines großen 33udje8 über bie ©efefc« 
gebung angefünbigt: fdjon war ber $)lan ba^u fertig unb ffetfcig arbeitete er 
baran, bodj unter foldjen Umftänben wagte er weber e$ $u oottenben, nodj 
$u Deröffentltdjen. 

£atte er oielleidjt audj ©ruub, ein SBiebererwadjen beS Fanatismus $u 
furzten, fo würbe biefer bod) bwcfy ben SBeltruf SSeccaria'S balb jum 
©Zweigen gejwungen, aber man Ijielt eö für notijwenbig, iljm eine SSefd^aftigung 
$u geben, um ifjn 3U tferljittbern, feine ©timme oon steuern $u ©tfnften 
ber ttnglüdlidjen 3U ergeben. ?tu$ biefem ©runbe fdjuf man im Safyre 
1768 3U SWailanb bie $>rofeffur ber ?Wational*£)economie, in ber er gleid)* 
falls fegenSreidj mirfte. 

6r oeröffentlidjte nur nodj einige Meine ©dptften über bie SSerwaltung 
unb 9lational*£)economie, mit june^menbem 3ttter füljlenb, ba§ bie SWenfdjen 
unbanfbar ftnb, unb bafj eS gefäljrlid) ift, auf iljr ©lud $u ftnnen; er fal) 
überall »erfolgte spijilofopljett, erbitterte ftd) wie Dielen 9tadjftellungen man 
iljn ausgefegt Ijatte unb beföaftigte ftd), aufrieben, im ©tillen @ute$ $u 
»irfen, nur nod) bamit, friebltdj unb im ©Ratten feiner Lorbeeren ein geben v 
ju befdjliefcen, meines für bie 3Wettfd$eit nidjt »erloren war. 

SBir wollen ntd)t aergeffen, ju ermahnen, ba§ iljm ber Stuljm gebührt 
fdjon im Sa^re 1781 bat 2)ecimalfyftem für 9Ra§, ©ewidjt unb SWünjen 
in feinem SSaterlanbe eingeführt $u ^aben. 

2)aS geben eine« grogen Sföenfdjen ruljt in feinen SBerfen, tyat SSoltatre 
gefagt, unb beS^alb oerwetfen wir bie Sefer auf SBeccaria'S SBerf felbft, ber 
im älter oon fed^ig Sauren, 1795, am ©djlagfluffe ftarb, bebauert oon 
allen, weldje iljn fannten, aber würbig oon ber ganzen 3Renfd$eit bebauet 
unb beflagt gu werben. 

2>aS alte JRom Ijatte um iljn Srauer angelegt unb ©parta i§m 9tltare 
errietet; fo, ba er in einem unfreien 2anbe lebte, muffen wir nnS mit , 
biefem einzigen SSßerfe begnügen, welkes aber ljittreid)t, i^n unfterbli^ ju 
matten. 



Keter flerbwfjen uni* Ärafem 



«tt feie 8rfer. 

cStinige tteberrefte ber ©efefce eines alten (§roberer*93olfe$ — $ufammengeftellt 
auf ben SScfc^l eine« Surften, weldjer oor gwölf Saljrljunberten in &on* 
ftantmopel regierte, bann untermif djt mit longobarbifdjen ©ebräudpn unb 
eingebüßt in umfangreidje S5anbe bunöer §>rfoat*<$rflarer — bilben bie 
tteberlteferung oon SMeinungen, weldje in einem gro§en Sljeil öon Suropa 
bm Flamen ©efefce erhielt; unb eö ift eine ebenfo betrübenbe, wie heutigen 
Sageö gewöljnlidje Stljatfadje, Dag eine 2(bftd)t ßatpfloo'S, ein alter &on 
©laruS angebeuteter ©ebraud) ober eine mit §affen$tt)ertljer SereitmiHigfeit 
oon garinoccio oorgefdjlagene golterqual bie ©efefce auSmadjen, weldje mit 
SRulje bie folgen, bie gittern follten, wenn fie über baö &ben unb Sdjidffal 
ber Sföenfdjen gebieten. 3ene ©efefce, bie eine Sammlung ber barbarifdjften 
Seitalter finb, werben in biefem SBudje nad) ber Seite |m geprüft, weldje 
ba§ 6riminalred)t betrifft, unb iljre 9Wi§griffe wagt man ben ?enfern be$ 
Staatöwoljleö in einer ©cfyreibmeife angubeuten, weldje bie nidjt aufgeflarte 
unb ungebulbige Sföenge &on fid) fern I)ält. 25tefe freimütige (Srforfdjung 
ber SBaljrljeit unb bie ttnabljängtgfeit »on ben geroöljttlidjen SReinungen, mit 
ber biefeS 33ud) getrieben ift, ftnb bie SSirfungen ber milben unb erleuchteten 
(Regierung, unter welker ber 3?erfaffer lebt. 2)ie großen 9!Konardjen unb 
bie SBofytöjäter ber 9Kenjd)l)ett, meldje uns beljerrfdjen, lieben bie SBaljrljeiten, 
fobalb fie aon einem unbefannten f)ljilofo:pIjen mit jenem Sifer angebeutet 
werben, ber frei uon Fanatismus ift unb mit 3Sernunft gegen ©ewalt unb 
^interlift anfampft, unb bte jefcigen 9Ri§griffe werben bem, ber alle Um* 



— 14 — 

ftänbe genau unterfudjt, alß eine ©atyre unb ein SSormurf für bte 33er* 
gangenljeit unb beren ©efefcgeber, aber nidjt für bk ©egenmart erfdjeinert. 

2Ber aud) immer mid) feiner Äritif mürbigen mag, bebenfe oon ooro* 
^eretn moljl baß 3k\, auf meldjeß btcfcö SBer! Eingerichtet ift: ein Siel, baß 
— weit entfernt, bie gefefcmäftige Autorität ju erfdjüttern — oielmeljr $u iljrer 
SSergrößerung bienen mürbe, menn SSernunftgrünbe einen großem Siuflug 
auf bie SDtenfdjen ausübten, alß bie ©emalt, unb menn 9lad^ftd^t unb SWenfdj* 
lidjfeit fte in btn ?(ugen Slfler rechtfertigen mürben. 

2)ie ©cfyledjteß beabjtdjtigenben Äritifen, meldje gegen biefeß 33udj »er* 
öffentlid)t morben finb, jmingen midj für einen Stugenblid, meine 33emetß* 
füljrung für ben aufgef (arten Öefer ju unterbrechen, um einmal für alle jeben 
geljler eineß furdjtfamen ©fererß unb jebe 3Serldumbung eineß bößmifligen 
9teiberß auß3uf<f)lie§en. 

6ß giebt brei ßueflen, auß melden bie nwralifdjen ©nmbfafce unb bie 
politifdjen SSorf Triften ber SWenfdjen fliegen: bie Offenbarung, bie Sftaturgefefce - 
unb bie oon ber ©efeflfdjaft gefdjaffenen gormen. (Sine 33ergletdjung ift un* 
möglidj ämifdjen ber erften unb ben anbern in Segug auf ttjren ^auptenb^metf ; 
aber fie gleiten fidj barin, ba$ afle brei ^um ©lüde biefeß menfdjlidjen 8ebenß 
führen. 2)ie Sejie^ungen ber legten betradjten, ^eißt nid)t, bie ber beiben 
ferften außfdjließen; ja oielmeljr, metl jene, obmoljt fie gottlid) unb urioeranber* 
Kdj finb, burdj bie <3d}ulb ber SMjjänger falfdjer ^Religionen unb mittfürltdjer 
Äenntntffe oon Softer unb Sugenb taufenbfaltig in beren oerberbltdjen @e* 
mütljern oeranbert xootbm finb, fdjeint eß notljmenbig, mm jeber anbern ' 
Setradjhtng abgesoffen, baß ju prüfen, maß auß rein menfd)ltdjer Ueber* 
einfunft entfprungen, burdj bie SRotljmettbigfeit ober allgemeinen 9tufcen 
tljeilß mirflidj ausgeführt, tljetlß nur ooraußgefefct mhrb, ein ©ebanfe, meinem 
jebe ©ecte unb jebeß SWoralfqftem notfjmenbigermeife beiftimmen mu§; unb 
eß mirb ftetß ein lobenßmertljeß Unternehmen fein, aud) bie £alßftarrigften 
unb Unglaubigften 3U jmtngen, fidj bm ©runbfäfcen anzubequemen, roeldje 
bie 9Renfd)en oeranlaffen, gefetlfc^aftlic^ jufammenjuleben. ®ß giebt alfo 
brei oerfdjiebene klaffen oon Sugenben unb gaftern: religiöfe, natürliche unb 
politifdje. ©iefe brei Älaffen bürfen nie mit einanber in SBtberfprudj fielen, 
aber beßljalb entspringen nidjt afle golgen unb ?>fltd)ten ber einen aud) auß ber 
anbern. fftidjt afleß, maß bie Offenbarung forbert, oerlangt audj ba$ 9latur* 
gefeft: ni^t aße3, maß biefeö miß, bat rein ftaatlidje ©efe^; aber eß ift 
Ijödjft mistig, maß auß jener Uebereinfunft, b. ^. auß ben offen ober ftiß* 
fd^meigenb getroffenen ©ertragen ber SWenfdjen folgert, $u fonbern, bmn fo 
meit reicht bie SlKa^t jener ©emalt, meldje 00m SWenf^en jum SRenf^en 
redjtma&ig unb o^ne eine fpecieße SWiffton beß ^ö^ften SBefenß außgeübt 
merben lann. Deß^alb lann bie Sbee ber polttif^en Sugenb ol)ne 3Sormurf 
ueranberli^ genannt merben; bk ber natürlidjen Sugenb mürbe immer llar 



— 15 — 

unb offenbar fein, wenn bie Saffer unb Setbenfdjaften bct SWenfdjen fte nidjt. 
»erbunfeln würben, bie ber rcKgiöfctt STugenb ftnb immer einerlei unb 
beftönbig, weil fte oon ©ott unmittelbar offenbart unb gefdjüfct wirb. 

6ö würbe alfo ein Srrtljum fein, bem, ber oon ben gefettfdjaftltdjen 
Konventionen unb tljren folgen fprid)t, oor$ul)alten, baß er ©runbfäfce, weldje 
ben 9taturgefefcen unb ber Offenbarung entgegen ftnb, auffteHte, weil er von 
biefen nidjt fpridjt. 68 würbe ein Srrtljum fein, btm, ber oom ÄriegS* 
fiaate oor bem ©efeUfdjaftöftaate fpridjt, eine $nftd)t oon £obbe$ unter* 
fdjteben gu wollen, nämlidj, ba§ eö oor biefem feine ?>fltdjt unb feine 
a3erpfti<f)tung gebe, ftatt es für eine Sljatfadje $u galten, weldje au$ ber 
Korruption ber menfdjlidjen SRatur unb bem SWangel bentltdjer ©efefce ent* 
fyrungen ift; unb enblid) würbe e$ ein Srrtljum fein, einem ©djriftfteller, 
ber bie golgen be$ fodalen Vertrages betrautet, als 33erbredjen oor$uwerfen, 
ba§ er fte als nidjt oor biefen felbft ejiftirenb annimmt. 

Sie ©eredjtigfeit ©otteö unb bie ber Statur ftnb tljrem SBefen nad) 
unoerüuberltdj utfb beftanbig , weil bie äSeateljungen jwtf djen jwei 2)ingen 
von gleicher 33efdjaffenljeit immer gleid) fein muffen; ba aber bie menfdjttdje 
— ober wenn man will bie polttifdje — ©eredjtigfeit nur eine 33e$ieljung 
$wifdjen ber $anblung unb bem oeranberltdjen Snftanbe ber ©efeHfdjaft ift, 
fo fann fte in bem 9Wa§e ftdj anbern, wie jene £anblung bem ©efeKfdjaftö* 
ftaate nüfclidj ober notljwenbig wirb, unb nur bem leidjt oerftänbltdj fein, 
ber bie oereinbarten unb Ijödjft öerihtberlidjen Segie^ungen ber ftaatlidjen 
Kombinationen anatyftrt. ©obalb biefe wefentlidj oerfdjiebenen ©runbfäfce 
miT einanber oerwirrt werben, geljt bk Hoffnung, richtig über bie Staats* 
angelegensten urteilen $u fönnen, oerloren. 6$ ift bie $)flidjt be$ Sljeologen, 
W ©renken $wifdjen ©eredjtem unb Ungeredjtem feftjufe^en, benn er be* 
trautet bie 4>anblungen nadj ber tljnett innemoljnenbett ©djledjtfyeit ober 
@üte; bie Segieljungen ber politifdjen ©eredjtigfeit unb Ungeredjtigfeit, b. \ 
beö bem (Staate s Jtüfcenben ober ©djabenben, feftjufteHen, gehört bem 
3>ubliciften; unb biefer lefcte Sluöfprud) fann htm Stnbern gegenüber fein 
$>raiubi$ enthalten, benn Seber fteljt ein, wie x feljr bit rein polttifdje 2ugenb 
t>ot ber unoeranberlidjen, oon ©ott ausgegangenen, aurütfwetdjen mufj. 

Seber, id) mieberljole eö, ber midj feiner Ärittf würbigen will, beginne 
dfo nidjt bamit, in mir ©runbfäfce anjune^men, weldje Sugenb ober 
Sieligion oernidjten wollen, gumal idj gezeigt Ijabe, ba§ meine ©runbfäfce 
nidjt berartig ftnb, unb ftatt midj $u einem Ungläubigen ober Slufrüljrer gu 
ftempeln, fud^e er meltneljr in mir einen fc^le^ten ?ogifer ober" una^tf amen 
§)olitifer 3U finben; er ergittere nidjt oor jebem (Sajje, welker baö SBo^l 
ber äRenfdjIjeit aufregt 3U galten fud^t; er überzeuge mii) oielme^r oon ber 
Utufcloftgfeit ober bem politifd^en ©djaben, welker meinen ©runbfafecn ent» 
fpringen fann, unb mac^e mir ben SSortljeil ber je^t befolgten $Pra?:i$ flar. 



— 16 — 

9Rtt ber Antwort auf bie „Note ed Osservazioni u ipbe id) ein 
öffentliche* Scfenntnt§ meines ©laubenS unb meiner ttnterwürfigfeit unter 
meinen £errfd>er abgelegt; eine Antwort auf anbere, jener äljnltdje ©Triften 
würbe alfo überflüffig fein. SBer aber mit ber 33efdjetbenl}eit fdjreibt, 
meiere ehrbaren 9Renfd)en gufte^t, unb mit ber @tnftd)t, meldte mit ntdjt 
eine Sfaöeinanberfefcung meiner erften ?>rmctpicn auferlegt, wirb — * melier 
Slrt feine (Sntgegnungen fonft immer fein mögen — in mir nidjt fowoljl 
einen SRenfdjen finben, melier nur ju antworten fudjt, alö oielmeljr einen 
ruhigen §reunb ber SBaljrljeit. 



Die erften 3ufäfce be$ SSerfafferS gum Sejrte jtnb burd) gwei • bie 
jwetten burdj $wei t angebeutet. 






> 



G i n 1 e i t n n g. 



Jj/ie SWenfdjen überlaffen meifl bie midjtigften 3tnorbnungen ber atttagltdjen 
j $lu(jljeit ober bcr 2)i$cretion foldjen, in bereu Snterejfe eö Hegt, ftqi bzn 
i oermmfti(jftett @ef efcen $u mtberfefcen, njelAe iljrer Sftatur nadj einen allgemeinen 
[ Stufcen fhften unb ben Stnftrengungen SBiberftanb leiften, burd) bie jener 
auf SBenige befdjranft bleiben foU, fo ba§ er bem einen Steile Die (Summe 
aller SKaqjt unb alles ©lütfeS unb bem anbern aHeö Slenb unb alles Unglüd 
üerfcfyaffe. 9tidjt eljer als Bio fte Saufenbe oon Srrtljüment in ben für üjr 
£eben unb tljre greiljett midjtigften 2KngeKegenI)etten erbulbet unb baS ttnre&t« 
Seütn ben bödjften ©tyfel erreicht bat, füllen fidj bie Sföenfdjen oeranla&t, 
ben 9Rt£griffen, meldje fte unterbrächen, abhelfen unb bie fa&barften 2B<uir» 
fetten anguerf ernten, bie thtn burdj iljre Sinfadjbeit bem 33erftanbe ber SWenge 
entgegen, meldje nidjt baran gemannt ift, bie Sibatfadjen gu anafyftren, fon* 
bern bit Smbrüäe öielmeljr fo annimmt, mie fte i^nen bit tteberlieferung, 
aber ntd)t bie eigene Unterfudjung bietet. 

SBerfen mir einen Slitf in bte ©efcbtdjte, fo merben mir feljen, ba§ 
bie ©efefce, meldje eigentlid) nur SSertrage freter 9Jcenfd)en mit einanber ftnb 
ober fein follten, metft nur baS Sßerfgeug ber ?eibenfdjaften einiger Sßentger 
ober nur fcmitbjuf allige unb oorübergeljenbe 9totI)tt>enbig!ett ergeugt morben, 
aber nie baS 3Berf eines meifen ÄennerS ber menfdjltdjen Statur ftnb, ber 
bie #anblungen ötclcr SSKenfdjen in @mS atfanunenfaffen unb fte unter 
folgenbem ©eftdjtspunfte betrauten mürbe: 2)aS !jöd)fie ©lud ift baS, 
meldjeS auf bte größte Slnga^I ocrtljetlt ift. 

©lüdlidj ftnb bit SSölfer — menn es bereu (jiebt — meldje nic^t ab* 
märten, ba$ bit langfamen Semegungen ber menfdjltdjen (Sombtnationen unb 
geiler htm größten uebel tinm gortfdjritt $xm ©uten folgen laffen, fonbern 
baS SSorüberge^en ber Stotfdjenftufen burd) gute ©efefce befdjleuntgen; unb 
eS oerbient ben 2)an! ber -Bßenfdjbeit ber ^ilofopl), melier ben SERut^ 
beftfct, aus bem 2)unlel unb ber ©infamfeit feines ^rbettSgimmerS bk erften, 
lange 3*ü unbefruchteten Äeime ber nufcbrmgenben SBaljrljeiten unter bie 
SKenge auSguftreuen. 

2)ie magren Segtetjungen jmifd)en bem #errfd)er unb feinen Itntcrttjanen, 

SBalbetf,' »eccoTia. 2 



f 



i 



— 18 — 

wie ber einzelnen Staaten 31t emanber flnb anerftmnt werben unb ber #<ntbe£, 
$at jtdj mit bcr Ausbreitung bcr ppofopljifdjen SBaljrljeiten belebt, welket 
bie äSudjbrudertunfi $m ©emeingute gemaqt: unter ben Stationen fyrt ftd^ t 
ein rumger SSJettfantpf be$ gletßeö entwitfelt, ber am menfdjltdjften unb \ 
aernünftiger SKenfdjen am würbigften ift £>a$ fxnb bie Srudjte, weldje 
mir ber Slufflärung biefeS Saljrljunbertö fdjnlben; aber bie SBenigften Jjaben - 
bie ©raufamfeit ber ©trafen unb bie Unregelmä§tgfeiten ber Kriminal* 
proceburen unterfudjt unb befämpft, obwohl fte einen ebenfo mistigen, 
ai8 faft in gang ©uropa t>erna<$täfjtgten Sljetl ber ©efefcgebung bilben; bie 
SBenigften Ijaben burdj ein Surütffeljren ju btn allgemeinen ©runbfäfcen bit 
mele SaMunberte Ijinburdj) aufgehäuften Srrtljümer jerftört unb burdj bk 
SRadjt auetn, meldte bk anerkannten SBaljrljeiten gewahren, ba$ ju freie 
©erfahren ber fcfyledjt geleiteten ©ewalt gebügelt, weldje bis jefct etn lang 
anbauernbeg unb autortftrteS SSetfpiel überlegter ©raufamteit barbietet. 
Unb bodi) foHten fdjon allein bie ©eufeer let ©ämadjen, meiere graufamer Un* 
wiffenljett ober reifer ©leidjgültigfeit geopfert werben; bk barbarif djen 
Dualen, mit oerfdjwenberifdjer unb unnü^er ©raufamfeit wegen ber 33et> 
bredjen oermeljrt, weldje entweber nid)t bewiefen worben ober überhaupt nur 
in ber ©nbilbung ejcifttren; unb baö (Sntfefcen tote bie ©djretfen eiheS ©efäna* 
triff e$, weltfye no<| burdj bie furdjtbarfte £)ual ber Unglütflidjen — bte 
Ttngewi§t)eit oergrößert werben, bie Beamten aus bem ©djlafe auferweden, 
welche bie SOReinungen beö menfdjlidjen ©eifteS leiten. 

2)er unfterbliqe SSKonteäquieu ift fdjnell über biefen ©egenftanb fort* 
geeilt; inbejfen Ijat mxi) bie unteilbare SBa^r^ctt gezwungen ben erleudjteten 
©puren btefeS großen 5Ulanneö $u folgen, wenn audj bie nadjbenfenben 
SDRenfdjen, für weldje tdj f treibe, meine ©dritte oon ben feinigen werben 
unterfegeiben fonnen. Söie glücflidj werbe xq midi fdjäfcen, wenn tdj, wie 
er, ben geheimen £)anf ber unbef annten unb friebf ertigen Sluöleger ber 9Ser* 
nunftgefefce erwerben unb jenen fü&en ©djauer einflößen !ann, mit welkem 
gefühlvolle ©eelen btm antworten, welker bie Sntereffen ber 9Jlenfd)t)eit ftufct! 

§• 1. 
ttrfpttmg bet Strafen* 

3)ie ©efefce finb bk SSebinaungen, unter weldjen unabhängige unb für 
fid) allein lebenbe Sflenfdjen 3U ©efettfdjaften jufammentraten, um nidjt mebr 
tm beftänbigen Äriegöguftanbe $u leben unb etne gretljeit $u genießen, .weldje 
burdj bk Ungewißheit fie gu bewahren unnü^ würbe, ©te opferten nur 
einen SljeiL berfelben, um fid) beö anbern mit befto größerer ©iqer^eit unb 
JRu^e m erfreuen. S)ie ©efammtfumme aller biefer bem SBo^le ber ®e* 
fammtlgeit geopferten Steile ber grei^eit bilben bk ©ouoeranität eineö SSoHeö, 
unb ber (Souverän tft beren rechtmäßiger 2)epojttär unb Verwalter. @ö 
genügt aber nidjt, ein fold^eö ©epofttum 3U grünben, fonbern eö ift audj 
not^wenbig, e§ gegen bie ?)riöatbeeinträdjtigungen eines \tbtn SDRenf^en be* 
fonberg m oert^eibigen: benn Seber fudjt bem ©epofitum ni(^t nur feinen 
eigenen i&Ijett wieber gu entjie^en, fonbern aud^ no(^ etwaö oon bem ber 
anbern. 6ö beburfte alfo ^inret^mb ^ü^lbarer 35eweggrünbe, um ben befpotifdien 
©eift ber 9ftenfd)en baran gu oer^inbem, bk ©efe^e ber ©efellf^aft in i^r 
früljereö ®§aoö 3urütfjuf(|leubern. ©iefe fühlbaren SSeweggritnbe finb bie 
egen bie Uebertreter ber ©efe^e feftgefe^ten ©trafen. 3dj fage fühlbare 
^eweggrünbe, weil bie ©rfaljrung gelehrt ty&, ba$ bk SKenge weber fefte 



8!' 
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• — 19 — 

<8fftttbfa$e für ifcren ?ebe»$wanbel annimmt, nodj ftc^ 001t bem aBgemeimn 
principe ber 3*rftörung, weldjeö man in ber ##fifdjen unb moralififen SBett 
ieobadpet, auf anbete SBeife abgalten läßt, aid burdj ©rimbe, weldp tugt* 
mittelbar auf bie (Sinne einmirfen unb ftd) beftänbig bem@eijte einpräge«, 
aiö @egengewid)t gegen bte für ba$ ©emetnwoljl fdjäblidjen öeibenf^aften 
be# ©ingelnen; unb meber Serebtfamfeit nodj Sortrage unb am afleroempften 
bie erljabenften Sßaljrf)etten allein retten bin, um auf lange 3«t bie 8etben* 
fdjaften gu gügeln, welche burd) bie lebhafte (Srfdjütterung ber augenblidlidjen 
©abläge waa} gerufen würben. 

§2. 
Stidjtfdfpmr für bie «Strafen» 

Sebe ©träfe, weld)e nidjt einer unumftö&lidjen Sfotljwettbtgfeit entfpringt, 
jagt ber große SftonteSquieu, ift tyrannifd); ein Safc, ber ftd) attgemetner 
\o auabruäen Kä§t: Seber 9tft ber Autorität eines SMenfdjen gegen einen 
anbern, ber nid)t <m$ unumfto§iid)er üftotljmettbtgfett entfpringt, ift tyrannifd). 
Alf golgenbem beruht alfo bie 9iidjtf(^ttur be$ ^)errf(^er0 für bie Saeftrafung 
tMmSBerbredjen: Stuf ber yiotljroenbtgfetft, ba$ 2)epofttum be$ ©efammtwoljtö 
vot $>articularbeeinträdjttgungen gu f <f)ü£en; unb um fo geregter ftni bie 
(Strafen, je betliger unb unöerlefclidjer bie Stdjerffeit unb je gröfjer bie grei* 
Ijeit ift, welqe ber£errfdjer feinen Untertanen gewährt. 

Sieben wir ba$ menfcfyltdje «jpen gu Statte, fo werben mir in bemfelben 
^auptgrunbfäfce für bit waljre Otidjtfdjnur be$ £errfd)er8 bei ber 33eftrafung 
oon 3Serbredjen ftnben. 

Sein Sföenf dj Ijat freiwillig btö ©efdjenf eines SJfjeileö ber menfd)lidjen 
gfreüjeit gum Seften beö ©ememwoljls bargebradjt: ein foldieS |)trngefpinnft 
epfturt nur in Otomanen; wenn eö möglid) märe, würbe er im ©egentljeil wollen, 
ba| bie Verträge, weldje bte Slnbern binben, und nidjt feffdtcnr Sebe* 
2Renf dj madjt ftd) gern gum Srennpunft alter Gombinationen ber gamen @rbe. 

* 3)ie SSermeljrung beö ^en[djengefdjledjt8 , weldje an ftd) gmar 
geringfügig, aber bod) ben SRitteln gu überlegen mar, bit bk unfrudjtbare 
unb ftdj felbft überlaffene Sftatur barbot, um bk ftd) immer meljr burdj« 
fceugenben 33ebürfniffe gu beliebigen, Bereinigte bie erften SSBilben. 35te 
erften 33erbtnbungen aogen. notljwenbigerweife bie S3i(bung ber anbern nadj, 
um ben erften äBtberftanb gu letften; unb fo ging ber ÄriegSguftanb oon bem 
(Singelwefen auf ben Staat über. * 

S)te 9totf)wettbtgfeit gwang alfo bk SUlenf^en, einen $ljeil ber perfön* 
li^en greibeit gu opfern: cö ift betnnaäj gett)i| f bag Seber nur ben möglufc 
Retnften S^eil in bem öffentlidjen 25epofitum meberlegen will: nur fomel, 
wie ^inreiait, um bie Slnbern ^u beffen SSert^eibiguna gu bewegen. 5)ie 
Summe biefer fleinften Steile bübet ba$ Sitijt ber 33eftrafung, aüeö, wa3 
me^r ift, ift 9Ki§braudj, aber nic^t ©eredjtigf eit — 3ufatl, aber ni^t Stedjt. 
5Wan gebe wobl Sl^t, ba$ ba$ 3Bort „$ed)t" btm SBorte „©ewalt" 
nvä^t wiberfpriqt, fonbern nur eine SORobipcation beö gweiten, unb gwar 
bie ber größten Slngaljl nü^lt^fte 9Kobification ift. Unter ©eredjtigfeit 
tjcrfie^c tqi nt^tö Slnbereö, als ba$ SSanb, weldjeö not^wenbig ift, um bte 
^Parttculartntereffen jufammengu^alten, weldje obne fte tn ben alten Bnftanb 
ber Ungefetttgfeit gurütff allen würben: ade Strafen, weldje bie 9lot^wenbtg!eit 
überf^reiten, bie biefeö 33anb erhält, ftnb %er Statur na^ ungeredjt. SJlan 



/ 



— 20 — 

xm% fWj ba&or Ijuten, nttt biefem SBorte „©eredjtigfeit" bie Sfcee 
ehier reellen ©adje, 3. 95. einer pljijftf djen ©emalt ober eineö ejerftirenbett: 
SBefenS, guoerfnüpfen: ftc tft nur eine einfadje aSorfteHungdart ber 3We«fÄe» r 
eine Strt, meiere unenblidjen ©inftug auf ba8 ©lud emeö Seben auSufrt: 
noty memger »erflehe tdj baruuter jene *mbre Slrt ber ©eredjtiflfett, meHje 
»011 ©ott ausgegangen ift unb in unmittelbarer Segieljttng $u btn 3te* 
lolinungen unb ©trafen beS gufunftigen Sebenö fteljt. 1 ) 

§. 3. 
golgetwtgett* 

3Me erfte Folgerung cax& biefen ©runbregeln iji, ba§ bie ©efefce allein 
bie ©trafen für bk Serbredjen beftimmen fömten; unb bie Stbfaffung Jener 
nur beut ©efefcgeber auflebt, weiter bie gange, burd) einen gemein] c^ftlidjen 
SSertrag Bereinigte ©efettfdjaft repräfenttrt; lein SSeamter (ba er nur ein 
Sjjcil ber ©efeufdjaft ift) lann geredjterroeife ©trafen über ein anbereS Salti* 
glteb berfelben ©efettfqaft oerfjcmgen. (Sine ©träfe aber, meldje bie bur& 
©efefc beftimmten ©rengen überfc^rettet, ift auger ber geredjten ©träfe no^ 
eine Sufafcftrafe; beSljalb fann fein Seamter unter irgenb einem SJorwanbe 
feine« Siferö für btö allgemeine Sßoljl bk für einen oerbredjerifdjen SSürger 
fejtgefefcte ©träfe erfreu. 

35ie gtoette golge ift, ba§ menn jebeS einzelne SRitglieb mit ber ©efett* 
fdjaft oerbunben ift, audj biefe gleidjertoeife mit \tbtm eingelnen SKitgliebe 
burq einen SSertrag oerbunben ift, melier feiner üftatur nadj beibe Sljeite 
feffelt. 

* 2)iefe 33etpfKd}tung, meldje 00m Stjrone bi$ gur $utte §e!)t unb 
ebenfo ben £ödjften mic ben üftiebrigften an feine Sftitmenfdjett fnünft, be* 
beutet nidjtS anbereS, als ba§ eö im Sntereffe 301er liegt, bk ber SDceljrga^l 
duftigen Sertrage ju beobadjten. Sljre SSerlefcung audj nur burdj einen 
'ingigen leitet bie Änardjie ün. 2 ) * 



*) ©iefe Untertreibungen unb (Srflarungen ftnb ni<$t butd)Ftd?ttg, n>a3 aber 
nic$t in (Srftaunen fefct, ba eS 3Jtetaptyfl! beS römifdjen 8ted)tg ift. Griffet 
be Söarunlle. — Bommel fcfyreibt hingegen: ,,2öald) fagt in feinem j^tfa* 
fop$ifd)en Öerifon: ,,©te ©eredjtigfeit ©otteS muffen mir un§ anberö, aU bit 
beö ÜÄenfdjen »orftetten. ©iefe grfmbet ftdj auf bie menfdjltdje 9latur, maö 
bei jener nidjt ber gatt ift." ©er ^eilige Sluguftin erinnert eben bavan in 
feinem „de praedestin." (&ap. 2 burd) bie 2öorte: „De justitia Dei non 
disputandum est lege justitiae humanae"; unb Sutfyer ftimmt bem in „de 
Servo arbitrio" (&ay. 163 bei: „Si talis esset Dei justitia, quae humano 
capiti possetjudicari, plane non esset divina." SUJit bem Sfyoftel muffen mir 
auörufen: „Sie gar unbegreiflich ftnb ©otteö ©ertöte unb n?ie unerforfc^lie^ 
feine Söe^e.'' ©er Geologe bitter 5D^idr)aeItö treibt in feiner SSorrebe ium 
fe^öten Steile beS mofaifc^en S^c^tcS : „9Äan Ijat fi* ^aujtq eingebilbet, 
©ott ftrafe nur auä 4>a§ gegen bie <£>ünbe, auö einem unu>iberftebiic^en äöefenS* 
triebe »on 5lntipatbie gegen moralifcfyeö Uebel, ben man ^)eiltgfeit gu nennen 
beliebt, ©ie gefunbe Vernunft le^rt unö ni^td'^ieröon, unb bk 55tbel aud^ 
ni(^t. ©efe^t aber, man tuoUe ber ©ottbeit au8 gurücf f c^auenbem , unbegretfen* 
bem unb unbenfenbem SRcfpectc ein gang anbereö Cftedjt alö u?aä M unö üftenfe^en 
Stecht ^eigt, anbieten unb itym gang anbere Urfac^en ber ©trafen leiten, fo 
ift bo* u. f. ». Söalberf. 

3 ) * ©a3 Söort „53er^fli^tung" gehört 31t benen, ujelc^e üiel häufiger 



& 



— 21 — 

©er $m[(f)tt t weldjer bie ©efettfdktft felbft repräfentirt, farot mir 
«tttaemeiue ©efefce geben, weldje aÜe SWitglieber oernfHd)ten, aber nidjt 
itrt^cilcn^ ba§ Sentanb ben ©efeflfcbaftSöertrag oerlefct l}at, ba flÄ bann bte 
Uiatnm tn gwei Steile trennen würbe, beren eine ber ©ouoerän bilbet, wei* 

tr bte SJerfefcung be8 Vertrages auöfpridjt, wäljrenb ber anbere ber Sfageöagte 
, welcher fte leugnet 1 ) 
60 ift alfo notfjwenbig, ba& ein ^Dritter über bie SBaljrljett be8 6r« 
jeigniffeö urteile; nnb barattö entfpringt bie Sftotbwenbigf eit etner Dbrigfeit, 
toten SRidjterfprüdje o^ne StypeH ftnb nnb einfad) aus ber 33eftätignng ober 
Slegirung ber einzelnen Saaten befielen. 2 ) 

5)ie britte golgerung ift, ho% wenn ftdj audj beweif en liege, tutfy bte 
Oraufatnfeit ber Strafen ntcfyt unmittelbar bem ©emetnwoljle nnb htm 
^>aiij>tjwe<Je bie SSerbredjen gn oerljtnbern entgegen, fonbern nur unnüfc ift, 
ie bod^ in biefetn gatte nid)t nur ben wogltgatigen Stugenben entgegen« 
tänbe , weldje ein aufgeflarter ©eift fjerooraurufen oerfteljt, ber e$ oor$te!jt, 
über glütflidje SSKenfdjen als über eine beerbe oon ©claoen $u befehlen, in 
ter ein beftänbiger Äretelauf furdbtfamer ©raufamleit ftattpnbet, fonbern audj 
$egen bie ©ereqjtigfeit unb bit matwc beö ©efeßfdjaftSoertrageS felbft wäre. 



in ber Sftoral, als in einer cmberen SBtffenfdjaft angewenbet werben unb ein 
abgefilmtes Seiten für einen 3ternunftöfd>Iufj, aber nidjt für eine Sbee finb: 
ntan fudje eine für biefeS SOBort unb wirb fie nidjt finben; man gie^e aber 
dnen ©djlufj barauS, unb man wirb fi$ felbft »erfteljen unb aerftanben werben. * 

©eccaria. 

l ) „3n ben monard)ifd)en Staaten ift ber gürft ber 3$eÜ, welker bie &n» 
aeffagten »erfolgt unb fie freifpred)en ober r>erurtbeilen laßt; würbe er felbft ur« 
tbeilen, fo wäre er Sfttdjter unb Partei in einer §)erfon. ^ benfelben ©taaten 
§at ber gürft oft baS SKe^t ber teonfläcatton; urtbetlte er über bie SBerbredjer, 
fo wäre er wieberum 9Ucbter unb Partei. " SWonteSquteu, Dorn ©eifte 
ber ©efefre, SBudj VI., ©apttel 5. 

3)er Surft fefct im SUlgemeinen feft, ba{j burdj eine foldje %$at ober in 
einem folgen gatle ber ©efellfd)aftöüertrag »erlebt tft; aber er fdjulbtgt beffen 
tti#t ben Sföenfdjen an, um beffen Verurteilung ober greifpredjung eS jtdj 
Ijanbelt unb felbft wenn ber ©taat auflagt, »erlangt er nur, bafj man Ad) in» 
fonnire. 3)er 2lnflager ift ber, weldjer bebauptet, baß ein gewiffer SWenfdj 
eine gewiffe $anblung begangen bat. 5)er SBerfaffer bot felbft anerfanut, ba% 
Me $orf<brift über ©eredjtigfeit unb Ungeredjtigfeit für ben SRifyttx nur eine 
einfache grage ber £batfad)e ift. @r b^t ed aud) audgefproeben, ba§ bie 3)ecrete 
ber politifdjen greibeit entgegen ftnb, falls fie nid)t eine befonbere #nwenbung 
eineö allaemeinen ©runbfa^eö auöfagen. ($$ finb ^ter alfo bret 2)inge gu 
unterf^etben: ber ©runbfa^, welken ber gürft aufftedt, bie befonbere &bat« 
fa^c, weld&e ber Slnfläger angiebt, unb bie 5lnwenbung , weldje ber Sdi^ter »on 
Jenem ©runbfafce auf biefe äbatfacben mad)t, na^bem er fie wobl feflgefteKt 
. pat. 3)er Jberrfd)er gebort alfo nidjt 3ur Partei be$ 5lnge!lagten unb lann beS» 
Ijalb aueb m(i)t beffen Siebter fein. SMberot 

8 ) hiergegen finbet man triftige ©rünbc in meiner !R^apf obic , Dbf. 439, 
Wo {<$ geige, ba§ ein SRifyUx mit gutem ©ewiffen abgefebmatfte ©efefte um* 
f^iffen rann, 3. 33. §ejcen nify »erbrennen foll, felbft wenn ber ©runbfafc, 
welker biefeö befleblt, no^ ni^t abgerafft ift. ©rönewegen b«t ein ganjeö 
S5ud) mit bergleicben IBeifpielen gufammengeftellt. Bommel. 



— 22 — 

M. 

$<m ber Stoelegmtg bev ®efe$e. 

Stierte golgenmjp G&enf omenig tarnt baö 9le^t bie (Strafe auszulegen 
in bcn Rauben ber Srtminalridgter rügen, unb $war auö bemfelben ©rmiDe nidjjt, 
weil fie nidf)t ©efefcgeber finb. 1 ) 3)te Stifter Ijaben bie ©efefce oon unfern 
Voreltern nidht alö eine Ijauölidje Uebergabe ober ein Seftament erhalten, 
weldf^eö ben 9tadtytommen nur bie ©orae beö ©eljoidjenö überlädt, fonbern 
fie erhalten fie oon ber lebenben ©efelffdjaft ober oon beut «£>errfdjer, bem 
SReprafentanten jener alö legitimen 35epofttar ber wirflidjen Solgen beö 
SBiHenö Sttter; fie empfangen fie nidbt alö SSerpfüAtungen eineö altert 
©Awurö, ber nidhtig wäre, weil er ben äBitten nodf) ni<f}t ©jrifttrenber binbeit 
wollte, unb unbillig, meü er bie SRenfdjen auö bem Suftanbe einer ©efefi* 
fdjirft m bem beö s&ieljö Ijerabwürbigen würbe, fonbetn alö bie Sßirfrotgen 
«fcieö füllen ober lauten ©djwureö, weldjen ber oereinigte SBille ber lebenben 
©ürger bem £errfdijer geleistet Ijat, alö notfjwenbigeö S3anb jur 3ü(}elung 
unb ^Regelung ber tnnern ©abrang ber ^arttcular-Sntereffen. 55aö tfi bit 
pl$ftfcl)e unb wirflidje SRadjt ber ©efefce. SBer wirb alfo ber legitime 9luö* 
jeaer ber ©efefce fein? 3)er £errfcljer, b. Ij. ber ©e^ofitär beö wirflidtyeu 
SBtHenö Silier, ober ber Sfitdjter, beffen $)fltd)t eö allein ift gu prüfen., ob 
ein Sföenfdj eine ^anblunp gegen bie ©efefce getrau Ijat ober ntd)t? 

Sei iebem SSerbredhen foute ber Stifter einen oottftanbigen SSernunft* 
fd)lu§ dienen, beffen ©orberfafc bk aUgemeinen ©efefce, beffen «jpinterfafc 
bie bem ©efefce ent* ober wiberfpredjenben £anblungen bilben unb beffen 
©d)luf$ gretgeit ober ©träfe ift. 3Benn ber Stifter aber gelungen ober 
freiwillig gtoei ©dfjljiffe madf)t, fo öffnen ftd(j ber Ungewißheit alle Pforten. 

©ö giebt nidjtö @efäBrhd)ereö alö ba$ allgemeine 3lj:iom, ba§ man ben 
©eift beö ©efefceö $u Sftat^e ateljen mu§. 2)teö ift ein 3)amm, welken ber 
©trom ber SKeinungen burdfjnagt fyxt. 5Dtcfe 2BaIjrl)eit, weldje bem gewöhn* 
lid^en ©eifte paraboje erfd^eint, ba er meljr burd) am !leine augenblicflidje 
Unorbnung, als burdfj bie oerberblidjen, aber entfernten Solgen bewegt wirb, 
meldte einem falfdfjcn, einer Nation eingewurzelten principe entfprtngen, 
fdjelnt mir bewiefen $u fein. Unfere Äenntniffe \mb alle unfere Sbeen J)aoen 
tvae gegenfeitige äßerbmbung: je oerwtcfelter fte ftnb, befto zahlreicher finb bie 
SBege, weldbe $u unb oon tgnen führen. Seber 9ftenfd) Ijat feinen eigenen 
@eftd)töpunrt, ber nac^ hm oerfdjiebenen Seiten auc^ oerf Rieben ift. 5)er 
©eift beö ©efe^eö mürbe alfo baö Slefultat ber guten ober fdjledjten 8ogif 
eineö JRidfjterö mit gefunbem ober franfem SSerbauungöoermögen fein; er 
würbe oon ber 4>efttgfeit feiuer ?eibenf(^aften, ber ©(^wäc^e beö Seibenben, 
Bon ben Unterrebungen beö Siidjterö mit bem ©efd^äbigten unb oon allen 
ben fleinem SDWdjten abMngen, welche ba^ Slnfe^en einer ©adje in btm 
fd^manlenben ©eifte beö SWenfj^en beetnftuffen. ©eö^alb fefjen wir fo oft 
M ©djitffal etneö SSürgerö M feinem Uebergange oon einem ©erirfjte $am 
anbern ftdf) änbern, unb ba^ %tbtn ber tlnglürfli^en btn fallen Vernunft» 
fd^iüffen ober ber augenblidflid^ fdjledfjten Saune beö 3ftic^terö gum Dpfer fallen, 



J ) @r Wtte baö nur üon ber Sluölegung fagen füllen, weldfee bie ©trafge* 
fefce erweitem wiU, nid&t aber audj »on ber, welche fie gu befd^ranfen fudpt. 
^Bergleid^e aud^ §• 3, 5lnmerfung 2. Bommel. 




— 23 — 

ber oft legitime SMlegung ba$ »age {Refuitat aßet ber oerwirrten 33ef 
«iffäjjt, mel^c feinen ©eift bewegen. SBSic oft feljen wir Mefelben 
teedjen oor bemfeften Stribunale mit »ergebenen ©trafen p wrfdjiebenen 
Seiten belegt, weil man nidjt bie feftfteljenbe unb foirte Stimme be$ 
©efefceS, fonbern bie trrenbe Uttbeftanbigfett ber Slußlegungen |u {Rrf&e ge« 
jogen fyrt. 

(Sin geljler, welker aus ber ftrengen 33eobadjtun(j be8 SBu&ftabenS eines 
©efefceS entfteljt, ift nidjt mit ben 9Ri§griffen $u oergletäfen, welaje beffen SCul» 
tegüng entftmngen. 1 ) 6m foldjer augenblidlidjer §e|ler giefyt leiste unb 
naÜjwenbige SSertefferungen ber SBorte beö ©efefceö na& ftdj, weldje bie Un* 
gemi§|eit oerurfadjten; aber e$ oerljinbert bie fd^ablidje §retljett beö StuSlegenS, 
wddje mittfürlidje nnb fäuflidje Sßiberforü^e erzeugen. SBenn ein Sobejc 
fe^fte^enber ©efefce, weldje bem 33ud)ftaben nadb gn befolgen ftnb, btm 
JRi^ter nur bie ©orge la§t, bte #anblungen be3 SSürgerS gu beurteilen, ob 
fte ben gefdjriebenen ©efefcen gemä§ ober gumiber ftnb, wenn bie 9torm be$ 
©eredjten unb Ungerechten, meiere bie £anbluugen aller SSürger, beö un* 
wiffenben mie beö ^ilofop^ifd^en, letten fott, feine ©adje beö ©treiteS, fonbern 
ber Sfyrt ift, bann ftnb bie SSürger nid)t meljr btn Keinen Sqranneien 
SSieler unterworfen, bie um fo graufamer finb, je geringer ber Slbftanb 
gwifdjen bem, ber leibet, unb btm t ber leiben la§t, unb otel oerberblidjer, 
als bie eines ©tngelnen, ba ftdj ber 2)efpoti$mu3 SSieler nur burd) bin 
SDefpottSmuS eines Stngelnen oerbeffern lä§t unb bit ©raufamfeit eines 
JDefpoten nidjt im Serbaltnig gur 9Jtadjt, fonbern gu ben ^inberniffen ftetyt. 
2)aburdj erwerben bie SBürger iljre eigene ©idjerl)eit, waö geredjt tft, ba fte 
tatS 3«l bilbet, um beffentwißen fte in ©efetlfdjaft leben, unb was anty 
itufcbringenb ift, ba es fte in ben ©tanb fefct, bit $adjtl)etle einer 5Uliffet^at 
genau gu beregnen. So ift gwar wabr, ba§ fte baburd) aud) einen ©eift 
ber Unab^ängigfeit erlangen, aber biefeS tljut bem ©efefce feinen Eintrag 
unb bringt ber Ijödjften Dbrtßfeit feinen SBiberftanb, au^er benen, meldje e8 
gewagt ljaben, mit btm Ijeütgen Flamen ber £ugenb bie ©djwäcfye gu be« 
geidmen, welme f\ä) in i^re eigennü^iaen unb launenhaften 5Keinungen fügte. 
5)iqe ©runbfä^e werben benen mißfallen, welj^e e8 fid^ gur Shti^tf^nur 
gemalt ^aben, bie tmrannifAen, Silage, bie fte oon £öljerfteljeuben 
erhalten ^aben, bie fiebrigem entgelten gu laffen. S(^ fyattt SlHeö gu be- 
furd^en, wenn fi(^ ber ©eift ber £m*annei mtt ber SSegterbe nac^ 8ectüre 
»ertragen würbe. 

§. 5. 
®unfttyeit btt ©efefce* 

SBenn bit Auflegung ber ©efefce dn Uebel ift, fo tft augenfdjeinlic 
bereu ©unfel^eit ein anbereg, ba fte not^wenbigerweife bie Auslegung nac 
ftc^ giebt, unb eö wirb am größten ~fetn, wenn bie ©efe^e in einer bem 
SSolfe fremben ©prac^e gef trieben ftnb; benn bfefcö wirb baburdj oon einigen 
SBenigen abhängig, ba eS titelt felbft urteilen fann, wel^e Sluöft^t auf 



2 ) @ä gebe ein ©efe^: 2Ber §wei grauen Betraget, wirb beS ßanbeö Der* 
wiefen. 3c. whrb beffen angesagt, „^etn", fagt er, „i§ ^abe bret." 9la^ 
IBeccaria wäre er bann freijufpre^en, weil ber 33ud)ftabe beS ©efefeec nur »on 
gweien fprtc^t. 4>ominel. 



— 24 ' — 

gret&eit t!jm ober feinen SKitgliebern beöorpjjt: bie frembe ©pradje Ijai ba$* 
öueg, wdd)e8 offen unb öffentlid) fein foH, gleidjfam in ein gegebnes tmb 3 
Berfdjloffeneö oermanbelt. 3öa$ follen wir oon ben 9Jtenfdjen benfen, wenn 
wir feljen. baß bieg eine eingewurzelte ©ewoljntjett in einem großen Steife 
be8 cioiltftrten nnb aufgeflarten ©uropa'ö ift! 

Se größer bie 3al)l berer fein wirb, weldje ba$ Ijeilige 33udj ber ®e* 
fefee oerfteljen nnb in £änben ijaben, nm fo weniger Ijftufig werben bie 
Serbredjen werben, ba e3 nidjt m bezweifeln ift, baß bie Unwtffenljett mib 
bie ttnlenntniß ber ©trafen bie SJerebtfamfeit ber Seibenfdjaftm unterftitfeett 

9luö biefen legten SftcfCeytöttett folgt, baß otyne bie ©djrift eine ©efett* 
fd^aft nie eine fefte Otegierungöform annehmen wirb, in weldjer bie ©ewatt 
ber StuSbrud beö ©angen, aber nidjt ber Steile ift, unb bte unoeränber* 
lidjen ©efefce — wenn e$ nidjt ber allgemeine SBiHe verlangt — nidjt 
babnrdj oerberbt werben, baß fte bie güße ber ?>rfoat«3ntereffen burdj* 
bringen. ©rfaljrung unb Ueberlegung beweif en, baß bie ^abrfdjetnltdjfett 
unb ©ewtßljeit ber menfdjlidjen tteberlieferungen in betn 9Jla§c abnehmen, 
wie fte ftd) oon tljrem Urfprunge entfernen. Sßenn e3 alfo nidjt ein un* 
wanbelbareö 2)enfmal beS ©efeKfdjaftöoertrageg giebt, wie werben bann bie 
©efefce ber unwanbelbaren ©emalt ber Seit unb ber 8eibenfdjaften wiber* 
fielen lönnen? 

2)arau8 feljen wir, wie nufclidj bie 3$udjbru<Ier?nnfi ift, ba fte bit ©e* 
fammtljeit unb nidjt einige Söentge zur Slufbewabrerin ber ^eiligen ©efefce 
ntadbt, unb wie feljr fte jenen bunfeln ©eift ber Statut unb äude gerftreute; 
ber 9frtgefi:djt8 ber Slufflärung nnb ber, oon feinen SSere^rern fdjeinbar oer« 
arteten, in äBaljrijett aber geforsteten 3Biffenfdjaften öerfdjminbet. £Dicö ift 
ber ©runb, weswegen wir in ©uropa eine SSenninberung jener SBilbljett 
ber SSerbredjen maljrneljmett, weldje unfere SSoreltern erf eufijen ließ unb fte 
balb ju Scannen, balb $u ©claoen umwanbelte. Söer bit ©efdjtdjte ber 
lefcten gwei ober brei 3a!jr|unb'erte unb bit be$ unfrigen fennt, wirb feljen, 
wie ftdj auö beut ©(Sjooße ber Uc^piafctt unb ber SSerweidjlidjung bie ange* 
neljmften Sugenben — SDßenfdjlidjfett, ©uteötljutt unb Toleranz gegen bie geiler 
ber 9Kenfd)en — entwitfelt Ijaben. ©r wirb feljen, weldje golgen Ijinaegen 
bie Sugenb nadj ftd) 30g, bie mit Unredjt alte ©infad)l)eit unb auter ©taube 
genannt wirb: eine SÖlenf djljeit, feufzenb unter unoerfö^nli^em^lberglauben, 
©eij unb JRuljmfudjt SBeniger, mit Slut bie ©djreine ber Äirdjen unb bie 
Stlponc ber Äönige befprifcenD, bunfler 93erratlj, öffentliche SRefceleien, jeber 
3lblige S^rann beg 3Sol!eö, unb bit 2)iener ber eoangelif^en Sa^eit, bie 
|)änbe, wel^e tägliA ben ©ott ber ©anftmutb berührten, mit Slut beftetft r 
pnb ni^t ba& Sßert biefeö aufgellärten 3a^r|unbertö, wel^eö 6inige oer* 
berbt nennen. 

§. 6. 
9ta$ältni{) awifc^en ben 33etbrec^en nnb Strafen. 

©8 liegt nid)t nur im aHgemeinen Sntereffe, bag möglidjft wenige 33er* 
Bremen begangen werben, fonbern aud), ba§ bte (Seltenheit ber begangenen 
im 33erljältm§ gu ben ^a^t^eilen fte^t, wel^e ber ©efellf&aft barauS er* 
warfen. Um fo größer alfo muffen bie |>inberniffe fein, welaje bit SRettfdjen 
oon ben SSerbre^en gurüd^alten, je me|r biefe bem öffentliqen SBoIjle ent* 



— 25 — 

fegen ftnb unb je mtty ftc jene gu üjrer Segnung «eranlaffen./ 2)e6ljalb 
inm§. ein Serijaltnifc gwifdt^en SSerbredjen unb Strafe befielen. 

63 ift unmöglicr) atte Störungen in bem allgemeinen Kampfe ber 
matfdßfyzn getbenf^aften gu aermeiben. Sene waäfen im Serljaltniffe 
gu ber Suttö^me ber SJeöölferung imb ber f>artiralar-3ntereffen, weld^e auf 
oen allgemeinen 9tufcen geometrifdfj Ijingulenfen unmoglidfj ift. ©er matbe- 
matifdjen ©dfjärfe mu§ man in ber politifdfjen Slritljmetif bie Sßaljrfdjttii* 
KifcfeitSreiWj fubjiitutren. t ©in »K4 in bie ©efd)idjtc leljrt, bafc bie 
ttnarbnungen fwb mtt ben ©renken eines SftetdjeS auSbegnen; wnb ba in bem* 
fetten SSeajaltniffe baö 5Rationalgefüljl abnimmt, fo wadfjft ber 9teig nadj 
SSerbre^en im Serijältniffe gu benStotereffcn, weldbeSeber btefen Unorbnungen 
fettft gu entgleiten fyofft; beSljalb entforingt bit ytotljwenbigfeit bie ©trafen 
ftets gu öermegren jenem fteten äBadjStljum. t 

<5inc, ber ©raüitation abnltdje Äraft, meldfje uns beftanbig Htm ®vA» 
tijun Eintreibt, wirb nnr nadfj 9Wa§ ber iljr entgegenfteljenben $inberniffe 
ttergögert. 5)ie SBirfungen biefer Äraft ftnb bie oerwirrten golgerei^en ber 
menfä)lidljen $anblungen: wenn biefe ftdf} wedJjfelfettig im SBege fteten unb 
Bena^t^euigen, fo berfjinbern bie ©trafen, welche iq polttifd)e £inber* 
niffe nennen motzte, ben fd)fed)ten ©rfolg, oljne bie treibenbe ttrfadje gu 
aerjtoreiL weld)e btö oon bem SRenfdjen untrennbare geingefübl ift; unb ber 
©efefegeber madfjt e$, wie ber gefd)i(fte Saumeifter, beffen §>fud^t e$ ift, bie 
ittrmdjtenben golgen ber ©äjwertraft auSgugleufyen unb nur bit wtrfen gu 
laffen, meiere gur ©olibität be$ ©ebaubeS beitragen. 

SBtrb bie üftotljwenbigfeit ber mettfdjlidjen ©efeUfdfjaft unb ber SSerträge 
jugegeben, welche aus bem Sßiberftanbe ter 9Jrfoat*3ntereffen f elbft entfielen, 
f* finbet man eine (Stufenleiter oon Störungen, bereu erfte ©tufe bie un* 
' mittelbar bvt ©efeHfdjaft ftörenben bilden, wäljrenb bie lefcte aus ber möglidljft 
fjeinen ttnbiö gegen bereu einzelne SJHtglieber befteljen. Swifdjen biefen 
betben (Snbpunften brangen jldj alle bie ^)anblungen gufammen, welche bem 
©efammtmmjl entgegen jtnb unb SSerbrcdjen Reiften, unb jjeljen burd) unfüljl* 
bare 2tbftufun(jen t>on bem fdfjwerften bis jum geringften ut einanber über. 1 ) 
SBenn man bte ©eometrie auf bie unenbltdjen unb bunfeln ©ombinationen 
ber mcnfdjlicljen ^anblungen anmenben lönnte, fo würbe man audfj eine ent* 
fpred^enbe ©tufenleiter f& bie ©trafen beftfcen, welche von ber fd^merften 
bis gur fd^wa^ften berabfteigen würbe; fo aber mufy eö bim weifen ©efefc» 
geber genügen, bie $>auptpunfte atuugeben, o^ne bie Drbnung gu ftören, 
unb für bie 33erbredjen beö erften ©rabeö nid^t bie ©trafen be$ legten gu 
beftimmen. 3 ) SBenn e§ eine genaue unb umfaffenbe Stangorbnung ber 



x ) „ttnfere ©efefte ^aben Weber bk SSerbredjeu, noc^ bie (Strafen unter« 
f Rieben; fie fennen feine Sd^eibung ber SBerbredfyen nad^ ©enuö unb ©pecieö, 
mä) i^ren (Snbgwedfen unb iljren ^bftufungen. 2öel(^er Unterfd^ieb ^errfdbt 
aber unter ben $erbre<$en i^reö (Snbpedfeä wegen l S)ie einen greifen meljr 
ben ©injetnen, bie anberen tnefyr bie ©efammt^eit an; bie einen fcen iperrfd&er, 
bie anbem <&ott felbft. SBeld^er Unterf^ieb gwif^en ben $erbred)en ber 
©d^werc nad^! SSeld&e 9tüancirungen fann man unter ben Söerbredfyen fenn« 
jeiibnen, »on ber ©ottlcfigfeit biö gur ^empelfd^änbung, Dorn ©emurre bis mm 
Slufftanbe, »on ber 3)ro$ung M$ gum ?D^orbe, Don bem $(att"d)en bid gur $er« 
l&umbung, öom 5)iebftable biö guut ©inbrud^/ @er»an f JHebe über bit 
SBerwaltuna ber ©riminaliuftig. 

8 ) 9ttiffettjat oberUnred^t ift nur tag, woburd^ id& meinem etngelnen 9la<$ften 



— 26 — 

Strafen unb Serbredjen gäbe, fo mürben wir ein waljrfdjemttdjeö nnb (dt 
gemeines 9Ra§ ber ©rabe toer 3^rannct nnb gxeiljeit, rote be$ $eidjtl)um$ 
an Sföenfdjlidjifeit ober @d>le<fjttyett bei ben öerfdjiebenen Stationen befifeen. 

SBeldje #anblung nun aber nidjt jwifd)en bie beiben wrgefitexften 
©renken ernaereiljt »erben fann, barf ntdjt $erbre$en genannt, nodj wie 
ein foldjeS beftraft »erben, aufjer oon benen, mel&e tjbr eigenes Sntereffe bafcet 
fhtbeu, eö fo ju nennen. 35ie Ungewißheit biefer ©renken $oi aber bei ben 
»ergebenen Stationen eine Slnftdjt tum ber SWoral erzeugt, weldje ber ®e» 
fetaebung wiberfpridjt; bann wirfhdje ©efefcgebungen, bie einanber ndttig and* 
Kpte§en, nnb eine §nHe t>on ©efefcen, bie ben öügften läReufdjen ben 
fhrcngften ©trafen auSfefcen, moburd) bie oagen 33eftfmmungen nnb fdjman« 
fenben Segei^nungen oon 8after nnb Sugenb nnb eine ttnft$erbett ber 
perfönlidjen ©yifteng entftanben ftnb, bie fet^argie nnb SobeSfdjlaf m 
ben poltttfdjen Äötpern erzeugt baben. SBer mit pgifofopljifäem ©eifte bie 
©efefcbüdjer ber Stationen nnb i|re ©efdjtdjtc fiubtrt, wirb finben, wie ftett 
bie SBorte Jnaenb nnb ?after, guter 33ürger unb ©djuibiger i^ce 
S3ebentung wedjfeln im ?aufe ber Saljrljunberte, gwar nidjt nadj ben 3fec* 
anberungen, welche in ben Serijaltniffen ber 8anber oorf allen unb foiglid) 
immer ben Sntereffen ber ©efammtljeit conform geljen, fonbera gemäß ber 
geibenfdjaften unb Srrtljümer, weld)e ber Steige nadj auf bie oerfdjiebeneit 
©efefcgeber eingewirkt Ijaben. 6r wirb feljr oft fe^en, baß bie geibenftfyaften 
be$ einen Saljrljunbertö ftetd bie ©runblage für bie SJtorai ber folgenben, 
unb ba$ bie ftarfen Seibenf djaften, hxt ftarfen unb blutjenben Softer — 



über gar bem gemeinfamen Söefen etwas unmittelbar entoiebe. 3dj fage un* 
mittelbar, benn wenn man bat Söort mittelbar einwebt, fo finben SDtoralifteu, 
welche bie ganje SBelt nadj ibren ©gftemen regieren wollen unb giridjwobl bie 
SBorte „SWenfcg" unb „Bürger" nidjt §u beuten toi\\en, ein offene* gelb, nadj 
eigenem belieben, xvtö fte nur wollen, aud) unfdjulbige unb nü£lidje $anbtungen 
in ©erbreeben umzugießen unb bur<b etngeflodjtene 3)unfelbetten überall foge« 
nannte mittelbare SRadjtbeile uub Verlegungen beö (Staates $erau8 m fünftem. 
2Bo nidjt unmittelbar, fo bodj wenigftenö mittelbar — werben fie lagen — ift 
ber £ang gur 9flobe, bie ßbrbegierbe, ber ©eig, SBucber unb ©ott weiß, tvtö 
fonft no$ für 2)inqe, unter bie bürgerfi(ben SBerbre^en gu gablen. 9Waa fennt 
f^ott bie fabgrmtbifeben @<^lüffe tiefbenfenber ©ebulweifen, welche burd^ nenn 
nnb neunjtg golflerangen, worunter öfterd ber größte Sljeü falfd^ ift, enbli^ 
hie bunbertfte beroorbringen, bie erweifen foU, ben ^Bürgern fei bie @a<be 
wenigfteträ boc^ mittelbar fc^abli^. J^ommeL 

„2)ie erfte ©ac^e, welAe mir bei ber Prüfung ber englifdben ßriminalgefefc» 
gebung auffiel, war, ba% ftdj unter ben 4)anbfunjjen , welche tu Sflenf^en tfig» 
liä) begeben fonnen, nacb einer ^arlamentdafte etnbunbert unb feebgigun- 
fübnbare Kapital «S5erbred)en be^nben, alfo foldje, bie mit bem $obe beftraft 
werben muffen. Unterfud^t man bie Sftatur ber Serbred^en biefeö entfe^li«^n 
Äatalogeö, fo finbet man barunter ©ergeben, bie faum eine forperlid)e ßü4* 
tigung oerbienten, wäfcenb Söerbredben ber entfe^li^ftett 5lrt nidjt unter ibnen 
»orfommen. 3)er leid)tefte 3)iebftabl obne irgenb wefd^e ©ewalttbat wirb bib 
weilen wie baä f(bauberbaftefte ©erbredben beftraft. (&in ©djaf«, ober ?)ferbe« 
S)iebftabl, ein SMebftabl »on oiergig ©dbiüingen Söertb in bem ^aufe, wo man 
wobnt, ober oon fünf @dbiflingen Söertb in einem Öaben u. f. w. ftnb ©er» 
bred)en, bie mit bem £obe beftraft werben, wa"b*enb eine falfdje 5luöfage r 
welche ben ^opf beö ^[ngeflagten bebrotjt, ober ein SD^orboerfudb felbft auf ben 
eigenen ©ater ntebt aU (&apitaiüerbred)en gilt'' 

3Wirabeau, Seobadbtungen über ©tefctre. 



1 

I 

\ 



— 27 — 

wenn i* f o f agen barf — be* ganattentnö unb @h*tl)ufttt$mtt$ mit bei 3ett, 
wefdje alle nijmtfdfjen unb moraltfdjen ($rfdf)etnungen anSgleidfo. ftetS tt«c^ 
uttb nad) bie iuugfjeit be$ SaijrlHtnbertS unb ein mtfclidbeS äBer^eug in bet 
$wmb be* Starten unb ©efd|icften werben. 9tuf biefe SCrt entfielen bie 
tamWften Segriffe oon Sfjre nnb Sugcnb nub bleiben e$, metl fle mit teu 
SerwanMungen ber 3eit ftdj oeranbern, weldje bewirft, bajj bie 9lamen 
bie 5>itige überleben, fie anbern fW) mit ben gluffcn nnb ©ebirgen, bie feljr 
oft bie ©renken nidfjt nur ber pljnftfd)en, fonbern aud) ber moralifdjjen ®eo* 
grdp^ie finb. 

SBenn Vergnügen nnb ©djmerg bie Sxiebfebern ber füfjlenben SSefen 
finb, wenn nnter bit 33emeggrünbe, welche bie Sföenfcben gu ben erijabenften 
#anblungen anfpornen, ber unftd)tbare ©efefcgeber bie Selofynung nnb ©träfe 
aufgenommen bat, fo wirbburdf) bie ungleiche SSertljeilung biefer ein um fo 
weniger beobachteter, aber um fo häufiger Sßtberfprud) entftefjen, al8 Mc 
©trafen foldje SJerbredjen füljnen, bte \xt felbft Ijeroorgerufen Ijaben. SBenn 
eine jjleiqe ©träfe für gwei 33erbredjen feftgefefct ift, bie oerfdfjiebenarttg bie 
©efeUfdjaft beleibtgen, fo werben bie SORenf^en fein größeres #inberm§ ga 
überwinben fjaben, um ba$ fdjwerere SSerbredjen gu begeben, falls i^nen 
biefcö tintn großem SSorttyeil bietet, als hti bem geringem SSerbredjen. 

Streuntet in beut 2ftafie btt Strafen. 

2)ie oorljergeljenben Setradjtungen geben mir ©runb gu btm SluSfnrudj, 
ba§ baS einzige unb wafjre 9fta§ für bit SSerbredfjen bet bem SSolfe gugefügte 
©d)aben ift, unb beSljalb würben bie irren, weldje glauben motten, ba$ 
mafyre 9Kaß für bit SSerbreAen fei bit 9lbfid)t beS SSerbredjerS: biefe Ijangt 
oon ben wirfltd)en ©inbrüaen ber ©abläge unb oon ber augenbltcfiidjen 
©timmung beS ©emütljö ab, meldte bei allen unb iebem Sföenfdhen mit ber 
äußerft fdjneflen Slenberung ber ©ebanfen, Setbenfdjaften unb Umftänbe medj« 
feit, ©S wäre alfo niebt nur ein befonberer föobqc für jeben S3ürger, fon* 
bern aueb ein neues ©efefc für jebcö SSerbrec^en notfjwenbtg. 38te oft fugen 
bie 3föenfd)en trofc ber beften 3(bfid§t ber ©efeUfdjaft ben größten Stäben 
gu: unb ein anbreS 9Kal trofc ber fdjledjteften abfielt nur baö Sltterbefte. 1 ) 

Stnbere mejfen bie SSerbredjen meljt nadj ber Stürbe ber beleibigten 
f)erfon, als naq it)m äBidjtigfeit für baö öffentliche Söo^l. SBare baö ber 
wa^re ?Ka§ftab für bie SSerbre^en, fo mu^tt eine ttnefjrerbietigfeit gegen 
baß ^ö^fte SBefen fd^werer beftraft werben, alö ber SWorb eineö Surften, ba 



x ) Ten bloßen SDBiffen # fo böfe er aud^ fein mag, beftraft fein forperlidjeS 
©efe^, fo lange er niebt gur öffentlichen ^anblung geworben ift, benn man fab 
ein, baß er ünfdjäblid) fei. ^iel weniger fann alfo bie 3lbfid)t baö 5)ia§, baä 
wir fueben abgeben 3lucb wäre baju ein Siebter erforbertic^, ber bem ©er« 
biedjer rn'ö £erg flauen fonnte, bat aber bed) fein ?enfter Dat. Bommel. 

„©rofje S3erbred)en müßten manchmal geringer, alö bie fleinften Vergeben 
beftraft werben, wenn jene gufallig unb ofme ©raufamfeit, biefe mit tiefer tlb» 
fidfet flebeim unb böswillig begangen würben. 5)er Sfticbter fann nia)t biefelbe 
©träfe bem auferlegen, bi*r iböfeö auö 9tad^laffigfeit, wie bem, ber eö abfiebtücb 
aet^an \)at. M (Seneca, de ira, üb. I. cap. 16.) — ©o richtig biefe 3ltiftd)t aueb 
fein mag, würbe fte bod) oieie S55i Uf ür lic^f citen nad) fitt) gießen, fallö man nid&t 
fe^r fc^arf barüter nad)benft. , CRoberer. 



X 



— 28 — 

bte tte&erlcgentett ber Statur jene! vaxtrMitfy bie 39erfd(jtebettl)ett fcer 8$e» 
letbtgungen aufwiegen würbe. 1 ) 

©nblidj glauben ©infge, bu§ btc ©djwere ber Smnbe audfj Im bem 
SKafje für bte 3$erbred)en gu berü(fft<i)tigen tft. 2 ) SHc Salfdfjljett bicfcr 8tn« 
fWjt wirb 3cbcm Mar, ber unparteiifd) btc walren Sqieljuttgctt bcr SEftcitf^cu 
untereinanber unb gu ©ott prüft. 3ene ftnb Schiebungen öötttger ®lei<f)!jett. 
2>te 9totljwenbigfcH: aHein fd^uf auö bcm Slufeinanbetplaken bcr Setbenfdjaften 
unb bcn ©egenfäfcen bcr Sntereffen btc Sbcc beä allgemeinen 9iufcen$, 
weldj)e btc ©runblage ber menfdjlicljen ©erecljtigfeit btlbet. 3)tc ^weiten ftnb 
S&gieljungen ber Slbljängtgfeit von einem oolttommenen 2Befen mtb ©djöpfer, 
»dAcr ftqj allein ba$ 9tedf)t oorbeljalten fjat, ©efefcgeber mtb JRidjter gn 
gleicher 3eit $u fein, weil er allein wnb oljne Unmlänglidfjfeit fem fann. 
SBenn er ewige (Strafen für bte feftgefefct Ijat, welche feiner SHtma^t nidjt 
gdjordfjen, welker SBurnt wirb aisbann wagen, ber göttltdfjen ©eredjtigmt 
Reifen unb ba$ 9Befen rädjen m wollen, weldjeS ftd) feföft genügt, oon bcn 
25ingen leinen ©tnbrud be$ ©efallcnö ober ©djmerseö hat unb baö einzige 
wm allen SBefen tft, weldf)eö o^ne Stürfwirfung Ijanbelt? 2)ic @rö§e ber 
©ünbe Ijängt &on ber unerforfdf)baren ©dfyledjtljett beö £enenö ab, bic ein 
enblidjeS SBefen nidf)t o^ne Offenbarung erlernten lann. SBie fott e3 alfo 
baraug ba$ 9ftafj Ijernebmen, um bie Sßerbrecljen' $u beftrafen? 3n biefem 
Satte fönnten bieSKenfdjen ftrafen, wo ©ott oer$eiljt, unb »ersehen, wo 



x ) SBenn gwet fömffaite in eine $anblung eintreten unb gleidj mel ©elb 
einfdbie|en, fo mufj ©ewimt unb 53er (uft audj gleich getbeilt werben. §ftun bat 
aber bei (Srricbtung ber menfdblidben ©efellfdbaft fowobl ber 9fteid)e, alö aud) ber 
3lrme ein ©leidjeö. eingelegt: 33eibe gaben nämlid) einen Sfycil tljrer natürlichen 
gretbett auf, alfo mu& aud) ber ©eringe ebenfo gut wie ber SBornefyme, feiner 
©bte, feiner ©üter unb fetneö £eben$ gleid) geficr/ert fein. 2)ie f leinen Scannen 
ber mittlem Drbnung, bie Sftanbartnen unl> ber Slbcl möchten freiltdb — um 
ben Surften in etwaö gfeidb gu werben, gerne Sönrbe unb ©tanb gum 9Äafjftabe 
nehmen. ipommel. 

2 ) Sß^aö ein tljeologifirenber ?)§ilofo^^ ift, bag ift au<$ ein t^eologifirenber 
©efefegeber: bie Religion ßat i^r eigene^ ©ebiet (Sd fann etwaö bem ©taatc 
nü£lt$ unb bod^ in ber #trd)e fünbfeaft fein; fagt bo^> £ut§er fd^on: „SBaö in 
bcr Geologie wa^r, ift in ber 5)ftilo}o^ie oft fatfd^." 2)ieö 5ltteö lä&tft* aud& 
^ier anwenden. Senn ber Surft in etnem bürgerlidfjen ©efefce non ber ©eelen» 
gefabr rebet, fo wirb bteö alö ein falfcfyer ^on bem an Harmonie pewö^nten 
D^re ebenfo bart auffallen, ald wenn ein eoangelifdfter Öanbeö^erc ferne fat^o* 
lifd)en Untertban^n burdb ©trafgefefce befebren ober ber @u(tan bie in fömftan* 
ttnopel wo^nenben ^brtften feinem 3>arabtefe jufübren wollte. Z$\xt er bieg, 
fo oerftebt er ben S3eruf unb t>ai 9lmt nid)t, u>ogu tbn Ue 5Sorfebung beftimmt 
^at. 51W bie Golfer ftdb einen ^onig erwählten, wollten fte an iljm ^ur gric« 
benöjeit einen ^idbter unb im Ariele einen Slnfübrer b«ben. ©r foUte fte in 
ber Söelt glütflid), nießt in ber ©toigfett fclig madben. Sefetered ift ba$ 9lmt 
ber ^Oriefter. SöiK ein Surft ben $Priefter oorftellcn, fo wirb ber 3>riefter re* 
gieren, ^irdbe unb ©taat muffen getrennt bleiben, weil (Sinmifcbung in frembe 
4)änbel gar feiten gelingt. Söentgftenö muß ein Surft bie ^immlifdbe 9le* 
«erung niebt eber oornepmen, ate biö er bie 9tec;ierung auf (Srben uerftebt. 
(Shwaö anberö ift redjt glauben aU redbt leben. — $erbred)en ift nur ixiS, wo« 
burd) idb bem -Jiac^ften etwas eutgte$e; alfo fixti @unbe unb 53erbred^en jwet 
öerf^iebene 5)inge. 4?ontmel. 



j 



— 29 — 

©ott ffrttft Äfcmen inV 9föenfd|en bem ^nwtöffttgen babnrd& guwtber Ijaw 
befa, ba§ jte tljh beleibigen, fo fötmen fte e8 and) baburd(j, ba§ fte (trafen. 1 ) 

§. 8. 
<$ltttl)etltttt0 bar 95erbredjen, 

SBir l>aben gefeljen, ba§ ba$ maljre 9Ra§ für bie SSerbredfjen ber ber 
©efellfdtfaft gngefügte ©djaben ifi 3Me3 tft eine jener areifbaren 
SBaijrijeiten, gu beren ©ntbetfung man feineö Öuabranten nodb gernroIjrS 
fcebarf, nnb meldte gmar in ber Tragweite jcbeö mittelma§tgen ©eifteä liegt, 
aber burd) ein wnnberbareö 3nfammenwtrien oon Umftänben mit oötttger 
©fdferijeit nur oon einigen 2>enfern jeber Station nnb fcbeö SajjrljunbertS 
erfannt mürbe. SBä^renb befpotifdfje 9faftdjten unb mit 9Kadf>t nnb 8tn* 
feljen befleibete geibenfd&aften bei bem größten Steile ber 3föenfd)en burdjj 
nmnerfltdje JRetgmittel nnb bei einem Beinen bnrdj ftarfe Seetnflnffung üjrer 
furdjtfamen 8etd)tgläubigfeit bie einf adjften Segriffe oernidjtet haben, wehije 
waljrfdfjeinlidj) bie erften $>Ijilofopben ber im ©ntftefien begriffenen SSöffer 
bildeten, fdfyetnt bie Slufflarung nnfereö Saljrljttnbertö fie^gurücfgubringen nnb 
mit größerer ©idfyerljeit, als c0 Ijaarfäarfe Unterfudfjungen, Saufenbe öerberb* 
ltdjer Erfahrungen ober #inberntffe thun formten. 2)ie ^Reihenfolge ber 
©ebanfen würbe unö jefct bagu führen, fämmtlidje Slrten ber 33erbredf)en nnb 
iljrer ©trafen gu prüfen nnb gu unterfdjeiben, menn un$ nidjt alsbann beren 
je nadt) 3*it nnb Drt wedjfelnbe -iftatur gu unenbltdfjen nnb langweiligen 
(Singelnljetten gwingen würbe. 3d) werbe mtdj alfo barauf bef grämen, bie" 
attgemeinften ©runbregeln, wie bie oerberbltdjften nnb Jjäuftgften Srrtljumer 
angubeuten, nm fowoljl baö llar gu madben, waö anö einer fd)ledf)t oerftan* 
benen gretljeitaltebe gur 9tnard)ie, als andg ba8, was bie 3föenf fytn gur flöfter* 
lid^en JRegelma§ig!eit führen würbe. 

©inige SSerbredfjen gerrütten nnmittelbar bie @efeHfdf)aft ober beren 9ie* 



*) $ergiei$e: SDfconteöquieu, Ueber ben ©eift ber ©efefce, 33ud& XII., 
Galtet 18. Sßöalbed. 

„Sed hoc facere se discunt, ut deos suos defendant. Primum «i dii 
sunt et habent aliquid potestatis et numinis, defencione hominispatro- 
cinioque non indigent. Ötultum igitur et vanum, deorum esse vindices 
velle. Qui patrocinium Dei, quem colit, suscipit, iilam esse nihil, confi- 
tetur." Lactantius ad Pentadium cap. 53. — ©o öiel Ijabe td) mid) 
übergenau bag ©ott an fangen unb köpfen fein ©efaHen habe. 2öir 5ftenfd)en 
bilben ©ott oft nad) unS. &er ©tolge, Bornige, Jpodjmütptge unb SHad^gierige 
ftettt fid> btö ^öd)ft 3Ba§re gomig, unb ber &$pod)Ottber, ben bie gliege an ber 
äöaub irrt, bt)pod)onbrifd^ üor. 2öer fangutnifd) ift, benft ftd) ©ott mitleibia 
nnb woblt^atig. 2>er §)^cgmatifdbe benft gar nid^tö. $uf bem örbboben ift 
etwa ber feä)3te %$di ber ^enfd&en fangmntfd). 2)iefeö sßev^dltnig wedfefelt 
nidbt mit ber 3eit: ber SSogel baut fein 9teft nod) ebenfo, xok %uv Seit beS 
^önig^ ©alomo; eö fliegt nod) immer baffclbe 53(ut Durd^ unfere 5lbern, unb 
bie ntenf$liä)e Statur blei6t unöeränbcrlia^. ^ann wo^l ein. 9J?o^r feine £aut 
wanbeln uno ein SPantber feine gleden? SO^efandboiifd^e, audb gum Xbeil 
dbolerifdje ©emütber firti öermittefö i^rcr ©äfte unb beö ©eblütä ßieb^aber 
öon gefunfteltem Swange unb einer unnatürltajen 5D^ora(. 3)ie einmal gefaxten 
©inbrücfe bebalten fie feft, baljer gar oft bei tfynen ein 3Bort gur <&aty wirb, 
©teigen bergleid)en feftge^aftete Sbeen Bio gur S3egeifterung an, fo ift e8 un= 
mogltd^, ben ©djwärmer gu befe^ren. ^ommel. 



- 30 - 

Saf entarten; atmete ötrkfcen bk pa\Miä^t ©idjerijeit tm$ SMtuger* « 
e$ug auf fein Selen, feine ©üter ober ©Ijre; nod) attbere ftnb ^anbtnngen, 
benen entgegengefefct, meldje $um 33eften beö ©emeinrooIjU $u tfym ober gu unter« 
laffen bad ©efefc Seben awtngt. 1 ) 2)ie erften, meldte bie tdjablidjften unb be$- 
jjalb bie f djwerften finb, Reißen *$aieftat$»erbre<|ett. Sqrannei unb Unwiffenljeii • 
allein, welche bie SBorte unb flarften Segriffe mit einanber oerwirren, fönnen 
biegen Flamen unb folglich bie fdjwerften ©trafen auf Serbretfeen bon »er* 
fdjtebener Sftatur fefcen unb baburdj, wie bei taufenb anbern ©elegenljeiten, 
bie 9föenfdjen gum Dpfer eines SBorteö mafytn. Sebe«, felbft ba8 3>rfaat* 
SSerbredjen, nerlefct bk ©efettf&aft, aber niqt jebeä SSerbretJjen ftrebt beffea 
unmittelbare 3crruttung an. 2)ie moraltfcljen ^anbiunaen fjaben, wie bie 
pljtyfifrfictt, iljre befdjränfte ©pl)are ber Sljätigfeit unb finb öerfdjtebenartig 
»Ott 3eit unb JRarun umgrenzt, wie alle naturlidjen Sewetjungnt; unb beö* 
Ijalb fann nur eine fopIjiftifd)e Auslegung, wie e$ gewö^nlt^ bie §)f}itofflpljie 
ber Äned)tfdjaft ift, nerwirren, m& bk ewige SBajjrljeit burdj unnerrucfbare 
©remen non einanber gerieben §at. a ) 

hierauf folgen bie 93erbred)en gegen bk ©idjerijett beö 6in$elnen. 3)a 
bieö ba$ ^auptgtel jeber legitimen ©efeöfdjaft ift, fo mu§ bie SSerlefcung 
be$ öon jebem SSürger erworbenen JRedjteS ber ©tdjerljeit mit einer ber 
fdjwerften ©trafen burd) baö ©efefc belegt werben. 

2)ie 2lnftd)t, ba§ jeber SSnrger foH tljun fönnen, was bem ©efefc mdjt 
entgegen ift, ofyxt anbere ttnanneljmlt&fetten fitrdjten gu muffen, wie bk f 
welche auö ben £anblungen felbft entfpringen, ift ein poiittfdjeS 2)ogma, 
1>a8 oom SSolfe geglaubt unb von ben l)ödjften Beworben burd) untabelgafte 
Ausführung ber ©efefce oerfünbigt werben xxm%; ein IjeilijjeS 2)ogma, obne 
meldjeS eS feine gef ermäßige ^Bereinigung geben lann; ein geregter ©rfafc 
bafür, ba§ bie 9föenfd)en bk oollfommen freie ^anblungSmeife, weldje allein 
benfenben 2Befen gemeinfam unb nur burd) bte eigene Äraft begrenzt ift 
geopfert Ijaben. ©aburdj bilben ftd) freie unb ftanbljafte Seelen, wie aud) 
aufgeflarte ©eifter unb tugenbljafte Sftenfdjen, unb $war oon ber Sugenb, 
welc|e bem 3Serbred)en m wiberfteben weiß, aber nidjt oon ber Jrie^enben 
Älug^eit, bie nur bem beftimmt ift, ber eine precäre unb ungewiffe ©yifteng 
führen fann. 

©ie Eingriffe auf bie ©täjerijeit unb grei^eit ber Sürger gehören alfo 
gu ben größten SSerbredjen, unb unter biefe Ätaffe fallen niajt nur bie SSJlorbe 
unb SMebftöIjle ber gewö^nli^en SERcngc, fonbern aut^ bte ber ©ropen unb 
ber S3eamten, beren (Sinpu^ auf größere gemen unb mit ntebr Äraft wirft, 
ba fie in ben Sürgem bk S3egriffe oen ©erec^tigfeit unb ?)fxt(^t oerni^ten 



2 ) hierunter barf man aber feineöwegS Uebertretungen ber 9teUgion?ge* 
brause mitbegreifen, weil bie SBeftrafung bet* ©ünbe auf Sie Äanjel unb w&t 
auf ben SRxfyiplai gebort, bringen bie @itnben nid^t auö) gugleid) ber ©efett» 
f^aft <Sc^aben, N fo paben tyoiitit unb bürgerliche^ SRec^t nicfytö bamit gu Raffen. 

Bommel. 

2 ) „5)ie ©efe|e in ©bina beftimmen, ba^Seber, ber e8 an Qsbrfurdjt gejen 
ben Äatfer fehlen (aßt, mit bem £obe beftraft werben fott; ba fte aber nt$t 
beftimmen, worin biefer Mangel an (£fyifur(fyt befielt, fo fann 3We3 einen 
SSorwanb bilben, um einen (linjelnen ober eine n^nge gamilie ju tobten. 

„(So genügt eine beljnbare 53eftimmun^ beö 5Wajeftatö*3Serbtecben8, unb bie 
Regierung artet in 2)efpotiömuö axi$." 9ftonteöquieu, Ueber ben ©eift 
ber ©efe^e. S3anb XII. ßa*>. 7. 



i: 



— 31 — 

wto tafSr ba* Äe^t be* ©tärfcrn fefcen, mlfyt föltepdj ebenfo gefäl^tUd) 
f»r ben ift r ber c$ w«d> ruft, wie für ben r * ber bantnter leibet. 1 ) 

§.9. 
SJon ber t^re* 

@3 Ijerrfdjt ein meriwiirbtger ffiiberfprwfi gwifdjen ben ßtoifgefefcen, 
t>e& »or allem eifrigen gittern be$ @ute$ unb 33lute3 ber ©urger, unb ben 
fogenantttett Sljrengefefcen, bei meldten man bie SSRemung Borgtest. 

5Diefeö SBort dljre gehört gu jenen, weldje langen unb glangenben 
tSbbanblungen zur SSafiß gebient §aben, oljne baburdj gu einem feften unb 
un&ewegltdjen ^Begriffe gu werben, (Slenber Suftanb be$ menfdjlidjen (Seiftet, 
ier bie entfernteren unb weniger wichtigen ©efefce ber 33emegung ber §im* 
metöförper beffer fenni, alö bie naljeltegenben unb äugerft mistigen Segriffe 
ber ÜRoral, bie beftänbig »erwirrt burdjeinanber fliegen, je na&bem bie SSinbe 
1)er geibenfdjaften ftc aufregen, ober bie Unmiffenljeit fte als Retterin aufnimmt 
unb weitemlan^t! 2>od) biefeö f<|einbare sparabojeon fiart M auf, fobalb 
man überlegt, ba§ bte btm äuge gu naljen ©egenftanbe ftdj oermtrren; 
ebenfo bewirft bk gu groge Stäbe ber moraiifdjen SSegriffe 3 ), bag bie öielen 
einfachen Sbeen, weiqje fte gufammenfeken, ftd) leicht oermtfdjen unb bie 
Srettnungölinien in einanber übergeben, bk bem ©eifte notljwenbtg ftnb, tan 
mit matljemattfdjer ©djarfe bk @rfd)einungen ber menfäliaien 2>enffraft gu 
meffen. Ueberljaupt wtrb bie SSerwunberung eines uttpartetifdjen ©eobadjterS 
t>er mmfdiUdjen 2)inge aufhören, fobalb er gufätttg gu abnen anfängt, bag, 
sxm bem SRenfdjen ein glücftidjeS unb fic^ereö 8eben m bereiten, meber ein 
fo groger moralifdjer Apparat, nodj fo oiele bhtbenbe (gefefce notljwenbig ftnb. 

6Ijre ift alfo ein gufammengefefcter 33egriff, ein Aggregat oon nidjt 
nur einfa^en, fonbem audj ebenfalls oermicfelten 3bten r wel^e ftd) oerfite« 
benartig bem ©eift oorfieuen, je nadjbem ftc bk einen ober anberen tgrer 
^runbbeftanbt^eile gulaffen ober auöfqltegen; fietS bewahren fte aber einige 
aKgemetne ©runbgüge, wie oerfdjiebene, gufammengefefcte ©rögen in ber 30* 
«ebra einen gemeinfdjaftiidjen feiler 'gutaffen. Um biefen gemeinfdjaftitdjen 
ifcbeiler ber oerfdjiebenen ^Begriffe, weidje ftdj bie SMenfdjen oon ber @gre 
gebilbet Ijaben, gu finben, ift e8 nötl)ig, einen fdjnetten 33licf auf bie Siibung 
Üer ©efettfdjaften gu werfen. 

2>ie erften ©efe^e unb Se^örben entf prangen ber Sftotljwenbigfeit, ben 



2 ) 5)a ber SSerfaffer tttd^tS toon ber ©otte&äfterung fa^t, fo !ann idj i^rer 
^ier gebenfen, weit in ben {jewöfjnlidjen ©d^utbüdjern bie fcäfterung eine 55e* 
leibigung ber gott(id?en 9J?ajeftat genannt wirb. 2)iefe ^Benennung ift gwar 
febr rebnerifd^ aber ber @ad)e gar ntt^t angemeffen, benn Sliemanb fann bur^ 
£$aten, gefdbweige burd) Söorte, bewirfen, oafj bte Söett unb ©otted Sfteid) gu 

©runbe gefee. 2113 8eibnifc iebYte, ba| ©ott Urheber ber ©ilnbe fei, 

nannten eö bie Geologen S3(aöp^emie, unb bodj gef(Jba^ eä ntc^t gur $er* 
fleinerung, fonbem gur SSer^ertlic^ung ©otteö, ba er ben Teufel öon bem^rone 
,ftie§, worauf tyn nodfe jejt einige fyerrfdjenbe 5Kanic^äer gefejt ^aben. 

^ommel. 

3 ) tiefer ©runb ift falf^. S)er ^ftan^ei an ^far^eit in ben moraüfdjen 
*©runbfa^en entfpringt ber Sülle menfdjtfd&er Seibenf haften, welche fte Der« 
bunfeftt, ber SBiet^ett ber ptjUofopljlfdjcn ©^fteme, bem Mangel an Slufmerffam* 
Jeit unb ber 2)umm^eit ber meiften Öefev. 33riffot be 3öar Wille, 






— 32 — 

ttttorbmmgen be8 pljtrftfdjett 2)efpotiSiitu$ cincö Seben abgreifen: bie* mar 
ber 3«>ecl bei her ©rünbung ber ©efettfdjaft, itnb biefer erfte 3we<J $<*t fkfy 
iet8 waljr ober fdjeinbar erhalten, nadj bem 3eugniffe aller ©efefcbüdjer, 
elbft ber fdjledjten; aber bie Shmäljeruttg ber SRenfdjen unb bie 3utta§mr 
tyrer Äenntnijfe riefen eine unenblidie Sfteilje medrfelfeittger £anblunjen 
unb Sebürfniffe beroor. weld)e in ben ©efe^cn nidjt oorgefeljen uftb ben wtrl* 
lidjen SRttteln jebe8 Surgerd nid)t angemeffen waren. 3u biefer 3eit ent« 
ftanb ber 2)ef:poti8nut8 ber SWeinung, weldjer ba$ eingige SWittel war, um 
jtA öon ben Shtbern bie SSortljeile gu »erfdjaffen ober bie 9tadjtljetle fem ^i 
Balten, für weldje bit ©efefce niifft genügenb oorgeforgt batten. Unb bie 
SfReinung ift e$, bit ben SBeifen, wie ben SJlann be$ sBolfeS martert, btr 
ben ©djein ber Stigenb gu böserem Slnfe^en, als bie Sitgenb f elbft bringt, 
bie gum ©enbprebiger felbft ben SSerbre^er madjt, weil er babei feinen 
33ortj)eil finbek 68 wirb beölyilb bie 3uftimmung ber SRenfdjen nidjt nur 
nüfcltd), fonbern noibmenbig, bamit man nubt |u htm ©potte ber gro§en 
SSRenge Ijerabfinfe. Söenn ber (Sljrgeigige fte alfo al8 nüfeUdj erftrebt unb ber 
(Sitle fte al8 3euge für fein eigene« SSerbienft erbettelt, fo fieljt ftdj auä ber 
©jjrenljafte gezwungen, fte al8 notbwenbig |td) gu oerfqaffen. JDtefe (&f)tt 
ift eine Sebtngung, weldje bie meiften SWenfdjen ber eigenen (Sjriften* gletdj« 
fefcen. (Srft nadj ber 33tlbung ber ©efettfdjaft entftanben, formte fte niqt 
all Sbeü ht baß allgemeine 35epofttum eintreten unb ift alfo tin augenblitf* 
Üdjer (Rüdtritt in ben urfprünglidjen 3uftanb, tint momentane (Stttgieljung. 
ber eigenen $>erfon oon ben ©efefceu, weldje in biefem Satte nid)t genügend 
ben SSürger oertjjeibigen. 

®e8oalb oerf<f)winben in ber bödjften Jpolitifdjen Sreiljeit wie Slbljängip* 
feit bie Segriffe ber ©Jjre ober oerfdjmeken oottftänbig mtt ben anbern: tn 
ber elfteren, weil ber 3)efoott8mu8 ber ©efefce ba8 ©udjen nad) ber 3ufttm* 
mung ber SCnbern übcrfXüfftg madjt; in ber gweiten, weil ber 2>efpott8mu8« 
ber SRenfdjen bie bürgerliche (Stffteng aufgebt unb jebem (Stngelnen nur eine 
mrecare unb momentane lagt. 2)ie ©fjre ift alfo eine ber ©runbfaulen ber 
3Ronard)ieen, in welken ein gemäßigter 2>efpoti8muS Ijerrfdjt; unb in iljuen 
ftnb fte ba8, wa8 in ben befyotiftben Staaten bie ^Resolutionen fmb: ein: 
äugenblitf ber 0tüdfeljr gu bem suftanbe ber Statur unb eine Sföaljnun£ 
Ott btn £Befd)ü$er ber alten ©lei^eit. 

§. 10. 

93on ben Duetten. 

9luö biefer SRotbwenbigfeit ber 3uftimmung ber Slnbern entftanben bie 
?)rioat*35ueue, weldje i^ren llrfprung in ber 3faard)ie ber ©efe^e ftnbetu 
3m Slltert^um fotten fte unbefannt gewefen fein, otelleidjt weil ft(^ bie 
Sflten weber in ben Sempein, nod) Sweatern, no<^ mit btn Sreunben oer* 
bäAtig bewaffnet gufammenfanben; ufetteMfjt an6). weil btö 2)uett ein ge* 
wö^nlt^eö unb Mufigeö ©^aufpiel war, welqeö niebrige ©claoen als 
©labiatoren bem SSolfe gaben, unb bit grelen beö^alb fürqteten, ebenfalte 
©labiatoren genannt gu werben, falls fte in ?)rioatfant|)fen mit einanber 
ftritten. SJergebenö ^aben SobeSftrafen gegen Seben, ber ein 2)uett annahm, 
biefe Sitte auSgurotten gefugt, welche in bem i§ren tlrfpruna \at t was 
Sföandjer me^r alö ben Job fürdjtet: benn babur^, bag i^m bie Suftimmun^ 
ber Slnbern entgogen wirb, fte^t ftt^ ber SWann oon 6^re au8gefto§en unh 



f 



/ 



V * 



— 33 — 

#t entferntem Seben tferurtljeilt, einem für einen gefettigen SWenfdjen un- 
ertrttgltdjen Bnftanbe, ober gum Sielpunfte ber Seletbtgungen unb 33c* 
fdjhnpfungen werben, weldje in golge iljrer beftanbtyen SBieberljolung über 
bie gurdjt oor ber (Strafe fiegen. SBeöwegen bnetttrt ftcb ber ©eringere 
nid)t fo oft, wie ber ©roße? 9tid|t nur, weil er unbewaffnet ift, fonbern 
auci weil bie Suftimmung ber SCnbern bem gewöbnltdjen 9Ranne weniger 
notgwenbig ift, als benen, weldje Ijöber fteljen unb jtd) gegenfeitig mit große«» 
rem Slrgwoljn unb größerer ©tferfucljt betrauten. * 

9tidjt unnüfc tft eö, $u wieberljolen, waö ft^on Rubere gefdjriebeit Ijaben,. 
nämlidi, ba§ bk befte Sföetljobe, biefeS SSerbredjen gu oer^inbem, bte tft, bett 
Stegreif er, b. Ij. btn f ber bie SJeranlaffung gu bem 2)uette gegeben Ijat, gu 
beftrafen unb ben für unfdtplbig gu erflären, ber oljne feine ©d)ulb gegwun* 
gen würbe. ba$ gu oertljetbtgen, wa8 bie gegenwartigen ©efefce ntd)t fdjüfcen, 
alfo bie SWeinung, unb ber feinen SWitbürgern geigen mußte, baß er bie @e* 
fefce allein, aber ntdjt bie Slftenfdjen, fürdjtet. 

§. 11. 
$on ber öffentlichen 8tttJ>e* 

3u ben SSerbreAen ber britten Slrt gehören enblidj ljauptfad)lidj bie, 
weldje bie öffentliche Stube unb ben grteben ber S3ürger ftören, wie ba$ ?är* 
men unb prügeln auf oen öffentlichen, für ben $anbel unb 33erfeljr ber 
SSürger beftimmten ©trafen, wie bk fanattfäjen Sieben, welche bie letdjt 
erregbaren Seibenfdjaften ber neugierigen SJtenge aufftad)eln unb tljre #aupt» 
madjt ber 3aljl ber 3uljörer, wie tn Ijöljerem ©rabe einem bunfeln unb 
mnftertöfen 6nt^ufta0mu8, aber ntd)t ber flaren unb ruhigen SSernunft ent« 
lefnen, bie nic^t fo, wie jener, auf bie großen SKaffen entwirft. 

9cad)t$ auf öffentliche Soften erleuchtete ©fraßen, in ben »erfdjiebenen 
©tabtoierteln »erteilte SBadjen, einfache unb moralifdje ?>rebigten, gehalten, 
unter btm ©djwetgen unb ber ^eiligen Sfatlje ber oon ber öffentlicbett 98tad)t 
befdjüfcten Stempel, Slnorbnungen, beftinmtt bie sprioat* unb öffentltajen Snter* 
effen aufregt $u erhalten unb getroffen in bm SSolfSoerfammlungen, ben. 
Parlamenten ober ber JReftbeng be$ $errfdjer$, ftnb alles fretftige ©egenmittel 
gegett ba3 gefährliche ©rwadjen ber 93oÖ3leibenfdjaften. ©ie bilben .einen 
#aupttljetl ber Sßadjfamfeit ber 33ebörbe, welche bk Sxangofen spoliget 
nennen; aber wenn biefe Seljörbe nad) wtllfürlidjen unb niebt nad) feftfteljen* 
btn ©efefcen Ijanbelt, welche alle S3ürger fennen muffen, fo öffnet M ber 
Scannet, welcbe ftetS an ber ©ränge Der poltttfdjen greiljeit lauert, sljür 
unb Sljor. 3dj finbe feine Sluöna^me oon ber attaemeinen Siegel, ba$ jeber 
SBürger wiffen fott, waö fec^t unb waö unrecht ift. SSJenn ©enforen ober 
überhaupt wittfürlic^e ffiebörben in einem ©taate not^wenbic^ ftnb, fo ift ba$ 
eine golge ber ©Awäc^e t^rer ©efe^gebung, benn eö liegt ntc^t in ber 9]atur 
einer wo^lorganiftrten JRegierung. 3)ie Ungewißheit beö eigenen ©c^icifalö 
bat meljr Dpfer ber bunfeln Sqrannei gebracht, als öffentliche unb feierliche 
©raufamfeit. Sene regt bk ©emüt^er meljr auf, al§ fte fte fdjwadjt. 2)er 
wa^re Sijratttt beginnt immer, über bte SKeinungen m fjerrfdjen, ba er baburc^ 
btn Wlnti) unterbrücft, welcher nur im gellen 2iqk ber 3Ba^r|ett ober im 
geuer ber Seibenfc^aften unb in ber ttnfemttmg ber ©efa^r glänzen fann. 

3Beld)e ©trafen paffen aber für biefe SSerbred)en? 

Sft ber Sob eine wirflict) nü^(idt}e unb für bte ©u$erljeit unb gute 

Söalbecf, ©eccarfa. 3 



— 34 — 

£>rbnung beS (Staates notljwenbtge ©träfe? ©inb Smrtur unb Wolter 
geredet unb erretten mtrfltdj baS 3iel, meines fid) bie ©efefce oorfietfen? 
SBeldbeS ift bte befte 3lrt, bie Serbien gu »erimtbern? ©tnb btef elften 
©trafen gu allen Betten gletd^ nüfclidfj? 3Beldf)ett ©tnflufj üben fic auf bte 
©itten aus? 2)iefe gragen oerbienen mit ber geometrtfdjen ©enauigfeit ge* 
löft gu »erben, weiter nebelhafter ©opljiSmuS, oerfü^rerifdbe 33erebtfamfeit 
unb furdfjtfamer Btöeifel 'ni^t miberftefyen fönnen. SBenn iq audf) nur baS 
SSerbtenft Ijabe, in Spalten guerft mit grö§erer Älarbeit bargelegt gu Ijaben, 
maS anbere Stationen gu fdjreiben wagten nnb practtfdf) burdggufuljrett begtn* 
nen, fo mürbe idfj mtd) glüaltdf) fdjäfcen: aber menn iq baburdj, ba§ tdfj Uz 
Siebte ber ÜSKenfdjen unb ber unbeftegbaren SBaljrJjeit aufredet Ijalte, bettragen 
fönnte, oor ber Stngft unb Dual beS SobeS ein unglücflidgeS Dpfer ber 
Scannet ober ber ebenfo oerberblidjen Unmiffenljeit gu oemabren, fo mürben 
mtdf) bie ©egenSmorte unb greubentbremen eines einzigen unfd^ulbigen für 
bie SSeradfjtung ber gangen übrigen SKenfd^^eit tröften. 1 ) 

§. 12. 
Swetf btt Strafen* 

SluS ber einfädln 33etrad)tung ber gulefct auSetnanbergefefcten SBaljr* 
Mten folgt flar, ba§ ber Smecf ber ©trafen nid)t ber ift, ein benfenbeS 
SGBefen gu quälen unb gu betrüben, nodfj ber, ein fdjon begangenes SSerbred^en un» 
gefdfjeljen gu ma&en. Äann man in einer ^olitifd|en Äötperfdbaft, melcbe, meit 
entfernt letbenfqaftlid) gu Ijanbeln, ber ftiHe Seruljiger ber mbenfdfjaften ber 
©ingelnen ift, bie unnüfce ©raufamfett, bk baS SJerheug ber SButlj unb 
beS Fanatismus ober feljr fdjmadjer Scannen bilbet, ©cijufc nennen? ^>eben 
ctma bie SKarterungen eines ttnglücflid&en bte fd)on mit ber nidjt mieber* 
feljrenben Seit oerfdpmunbene Sljat auf? 2)er 3mtd ift alfo lein anberer, 
als ber, ben ©dfjulbigen baran gu oerljinbern, feinen SUlitbürgern oon Steuern 
©dfjaben gtuufügen unb bte Stnbern gurücfguljalten, ©letdfjeS gu tfjun. 2)ie 
©trafen alfo unb bie SRetljoben, fie gu »errängen, muffen ooraegogen merben, 
weldfje ben mirffamften unb nadjljaltigften (Sinbrucf in htm ©ebac^tttiffe ber 
SRenfdben gurütflaffen unb für ben Äörper beS Slngefdjulbigten am menigflen 
quatooft ftnb. 

§. 13. 
35on ben 3eugen. 

(Sin mistiger ?>unft in jeber guten ©efefcgebung ift bie genaue SSeftim* 
muttg ber ©laubroürbigfeit ber Beugen unb ber S5emeife für bie ©cijulb. 
Seber oernünftige SSttenfdt), b. Ij. Seber, bttitn eigene Sbeen in einem aemiffen 
Sufammenljange fte^en unb beffen (Smpfmbungen benen anberer Sföenfajen . 
gleid) finb, lann Seuae fein. 

t 3)er ma^re 5Jca§ftab feiner ©lauBmürbigleit ift nur ber 3Sor%i(, 
ben er barin finbet, bie SBa^r^eit gu fagen ober gu oerfc^meigen. 2)arauS 



x ) 53eccaria ift gu bef Reiben. %R\t ift !etn $olf Mannt, bei bem man 
»or i^mt gewagt ^atte, gu ©unften bei* falfc^en ©runbfä^en unb graufameti 
9flid)t^rü^en auögefejten 5Wenf(^^ett gu fdjreiben. 3n ^nglanb treibt man 
ntcfyt, fonbern ^anbelt man. 93riffot be SOöarüille. 



I 



— 35 — 

folgt bie grtoolitat be8 ©runbeä aur 33erwerfuna bcr Stuöfaae, bcr ftß auf 
m ©djwadje bcö weiblidjen ©efajledjteS ftüfct; Die 8adjerlidjreit beffen, ber 
bic SBirfungen beö leiblichen &obt$ auf ben bürgerlichen beö SScrurt^cütcn 
angumenben. fußt, unb bic 9lißttgfeit beffen, bcr hit Sluöfage beö ©Ijriofen 1 ) 
als ungtltig öerrotrft, fclbft wenn biefer reinen 3Sortl)etl beim ?ügen l)at. 3 )t 
5Die ©laubmürbtgfeit mufj fiß alfo gemä§ beö $affeö, ber greunbfßaft ober 
bet engen * Schiebungen oenmnbem, weiße gwifdjen ben Beugen unb bem 
SSßulbigen befielt. 9Ke^r als ein Beuge ift nötbig, weil für ben gaH, ba§ 
ber eine fcejabt unb ber anbere oerneint, nißtö ©emiffeö feftfteljt, unb bie 
Siegel oorwaitet, ba§ Seber für unfßulbig aebalten werben mu§. 8 ) 2)ie 
©laubwürbigfeit eineö Beugen wirb um fo fühlbar geringer, je Ijöher bic 
©ßwere beö SSerbreßenö fteigt 4 ) ober bie Unroatjrfßeinlißfeit ber 33ebm* 
_ — — — . — ^ _ _ — • 

*) „9Wan erlaube mir, Ijier an einen febr alten unb bei ben ©erißten gtem» 
üß allgemein verbreiteten ©ebrauß gu erinnern, namliß an ben, bie (Sbrloftg* 
feit beö Beugen burß bie golter gu purifigtren, alö ob bie @tärfe ber SWuöfeln 
über ben fßleßten ober guten SRuf entfßeiben fonnte unb nerüenftarfe Beugen 
auß notbwenbigerweife ote für ba$ Beugnifj gefßitfteften waren! ÜDRößtc man 
ntßt fagen, bafj fte ifyre Ö^rlcftcjfeit unter ben dualen berlieren, wie bie 
<Sßlange ibren Staub im ©ebufße?" 

$aul SRiggi, 33cobaßtungen über baö (5riminalt>erfa$ren. 

*) 2)er 9lutor bat gefagt : „5)ie «Strafe ber (Sbrloftgfeit beraubt Den Bürger 
bcr &ßtung unb beö Scrtrauenö ber ©efettfßaft 3U tbm". S)er 33erurtbetlte 
befinbet fiß wemgftenö in bemfelben gälte, wie ber ß^rlofe: beibe baben baä 
öffentliche Vertrauen oeftoren; ityr 3eugni& barf ntßt aiö Snbtgie unb nißt alö 
Sbexotü gelten. „S)en 3eugen muß man glauben, wenn fte feinen SBortbetl 
beim Sügen baben". Slber wer fann je mit ©ißerbeit angeben, ob bie (Sßleß* 
teren unb S3öfen ntßt irgenb eine Slnimofitat, einen perfönlißen £afj ober 
einen geheimen ©runb baben, um bem Siebter etwaö Salfct>eö gu fagen? Sßenn 
man folgen Beugen glauben foll, wer wirb eö bann noß wagen, auf feine Un« 
fßulb gu bauen? @ie baben ba$ öffentliche ©ertrauen oerloren unb foflten baö 
beö ©efejjeö beftjjen! Unb baö Ceben unb bie (5bre ber Bürger würben oon 
ibrem 3eua,ntffe abbdngen! SHberot. 

3 ) „3)te Vernunft forbert gwei 3eugen, weif ein Beuge, ber bejaht, unb ein 
^ngeflagter, ber leugnet, ftcb bie ättage galten , unb ein ^Dritter tu (5nt* 
febetbung geben mu&". 

S^onteöquieu, Ueber ben ©etft ber ©efe^e. 53anb XII., (Sap. 8. 

„Obgleicb bierbureb manche 93erbred)en ber irbifeben ©ereebtigfeit entgeben, 
weil nur ein Beuge ha war, fo ift btefeö tlcbel bod) geringer, alö oaö, bem man 
auögefefct fein würbe, wenn ©ut unb S3lut eineö Seben oon ber ©efebiefiiebfeit 
im tilgen unb ber Unüerfcbämtbeit eineö Serbrecberö abbangen." 

?)uffenborf, Statur unb ©ölferreebt, günftcS S3ucb. # 

4 ) + S3ei ben ßebrern beö (5-rtminalrecbteÖ fteigt bingegen bie ©laubwürbig* 
feit beö 3eugen mit ber ©cbwere beö ©erbreebenö. 3)er felfenfefte ©runbfa^, 
ben hk gvaufamfte 2)ummbeit aufgebraßt b«t, beißt: »In atrocissimis 
leviores conjeeturae sufficiunt et licet judici jura trans- 
gredi"; voa^ wir auf gut Seutidj geben wollen, bamit bie 3)eutf$en einen 
ber febr tiefen unb ebenfo unoernünfttgen 5luöfprücbe fennen lernen, benen fie 
— obne eö gu wiffen — unterwerfen ftnb: „Q3ei bem feb werften (b. b- M 
bem ung(aublicbften) 33erbrecben genügen bie leiebteften 9ftutbmafjun= 
gen, unb ber. Siebter ift an bie ©efefce niefet gebunben. 3)ie praftifcb 
angewanbten Slbgefcbmacftbeiten ber ©efe jgebung ftnb oft bie grüßte ber gurdjt, 
ber ^aupturfacbe ber menfcblidjen SBiberfprücbe. 2)ie ©efe^geber (unb baö 
ftnb bie SRecbtögeiebrten , bereu Sluötyrüße naß ibrem £obe über Sllleö ent- 

3* 



— 36 — 

ounjjen; bagu gehören 3. 33. Scntberet unb grunbloä graufame ^anblungett. 
<&8 tft wayrfdjeinlidjer, ba§ oiele Sengen &ei &er erften Auflage lügen, weil 
e$ letzter tfi f ba§ fta) oiele SWenfdben au$ ttttfenntniß ober $af3 8*tt 33er~ 
fofoung Bereinigen, aü ba§ ein SJtenfd) eine SMadjt ausübe, weldje ©ott 
ntmt gegeben ober jebem ©efdjöpfe entzogen Ijat (Sbenfo ift e8 int gweitett 
Jolle, weil ber SJlenfdj nnr grauf am ift im 3Serljalttti§ be$ eigenen SntereffeS,. 
be8 ^>affc0 ober ber jef afiten gurdjt. 68 giebt eigentltdj feine überftüfjtge 
©mpfinbfamfeit im Sföenfdjen: ftc ift ftetS om (Sinbrüden auf feine ©inne 
jnroportional. ©benfo fann fid) bte ©laubwürbiafeit etne$ Sengen einmal 
oerminbem, wenn er SRitglieb einer 3)rfoat*@efeUfdjaft ift, beren ©ebraudjfr 
nidjt aut befannt ober oon ben öffentlichen oerfdjieben jtnb. (Sin foldjer 
SRenfq fyat ntdjt nur eigene 8eibenf(i|aften, fonbern audb bie anberer. 

• (Snblufeift bie ©laubmürbigfeit be8 Sengen gleidj 9cull, wenn ba$ 33er* 
bredjen in SBorten begangen ift, weil ber Son, bie 33ewegung, alles, war- 
ben oerfAiebenen ©ebanren ooranae^t ober folgt, bie bie SRenfdjen jenem. 
SBBorten felbft beipflid)tett, biefe SBorte berartig oeranbewi unb nmmanbeln r 
ba§ eö faft unmöalidj ift, fte genau fo $u mieberljolen, wie fte gefaat würben- 
Sugerbem laffen oie gewalttätigen unb oon ben gewöhnlichen ©ebraudjen 
abwetdjenben ^anblunqen, wie e0 bit wirf lieben SSerbredjen jtnb, ibre ©puren* 
unter ben Dielen, au$ tjjnen entfpringenben SSebingungen unb (Srfoigen gurutf; 
bie SBorte bleiben aber nur im ©ebädjtniffe, btö Ijaufig feljr untreu ift un& 
oft bie Snljörer täufdjt. S)e8ljalb ift e$ oiel leidjter, etne SSerlaumbung. 
auf bie SBorte eines ÜRenfdjen, als auf feine #anblungen $u begrünben, 
weil ftdj oon biefen eine um fo größere Sfajaljl von ttmftanben beweifeti 
la§t, je meljr SWittel bem Shtgeflagten gu fetner SSertljetbigung ju ©ebott 
Wen. 1 ) 

§ 14. 
3nbi$i*n unb gönnen btt ©ertöte. 

(58 giebt eine allgemeine JRegel, welche bei ber Seredjnung ber ®ewi§« 




Reiben unb bk au3 intereffirten unb ffiufüttyeu ©ebrif tfteCfern bie ©d)teb$rt<$ter 
unb ©efefcgeber für baä ©lud ber Sttenfdjen werben), burd) bie $erurtbeilung 
irgenb etneä @<$ulbtgen erfdjredt, Ijaben baä 9ted)t mit überflüfftaen gormatt* 
täten unb Sluönabmen farrtfirt, bereu genaue ^Befolgung bie ^nard^ie un* 
geftraft auf ben i^ron ber ©eredjtigfett fe^en würbe. 6m anber üÄal würben 
ne burd) irgenb wel^e entfe^li^en unb f^wer gu beweif enben 93erbre^en er* 
l^rerft unb glaubten ftd) gezwungen, biefelben üon t^nen aufgeftellten gor malt* 
taten ju üeranbern, unb wanbelten fo mit befjpotifdjer Ungebulb ober weibtf^er 
3ag$afttgfeit bie ernften SKic^terfprü^e in ein @piel um, bei welkem 3ufatt 
unb 9l5nfe bie Hauptrolle fptelen. + 33eccaria. 

*) 2)iefeö auägeaeidjnete Kapitel ift obne Sweifel mebr wertb, a(ö ber gan3e 
SBirrwarr, ben unfere ?e^rer beö (jviimnalredjteö über bie Sengen gemalt 
baben; aber eö ift nur febr furj unb giebt §u melen, febr pbilofgp^tfcben unb 
nü^lic^en 33emerfungen S3eran(affung. S3rtffot be Söarüille. 



I 



— 37 — 

"bie Satte, weldje bic oorange^enben SJeweife aufgeben mürben, enthaften 
imdj bie folgenben. 

f SBemt bie SJewetfe für eine üljat alle gleichmäßig oon einem einzigen 
abbangen, fo oermeljrt unb oerminbert bie 3agl ber Seweife bie 9Baljrfc$ettt- 
fidjfeit ber SJjat nidjt, weil ftc^ iljr ganjer SBertB auf ben beö einen con- 
centrirt, oon meinem jte abbanden, f ©mb bie 33eweife oon einanber un- 
abhängig, b. \ werben bie Snbtgien anberS als bureb einanber bewiefen, fo 
wädjft mit ber 3aljl ber SSeweife bie ©a§rf$einlicbfeit ber Sljat, weil bit 
Unridjtigfeü beS einen nicfcjt bie bei? anbern beeinflußt. 3dj fprcdje oon ber 
©aljrfdjeinltdjfett in Segug auf SJerbre^en, mel^e, um ©träfe gu oerbienen, 
mirflid) gefeiten fein muffen. 3Mefer SBibertyrudj wirb bem auffallen, 
meldjer bebenft, ba£ bie moralifdje ©ewtftöeit etyentlidj nur eine Sßaljrfdjein- 
ficfyfeit ift; aber eine foletje SBa^rf^einli^feit wtrb ©ewtfcljeit genannt, meil 
jeber oernünftipe SJcenfd) burä) eine ©ewoljnljeit, bie ber 5fottjiwenbigfeit gu 
fjanbeln entfprtngt unb jeber Spekulation Darangeht, gum SSeiftimmen ge* 
gmungen wirb; bie ®ewi§1)eit, welche notljwenbig tft, um einen 3föenfd)ett 
mit ©id)erljeit für fcljulbtg gu erflären, ift alfo bie, weldje Seben bei ben 
mid)tigften £anblungen beS 8ebenS beftimmt. fSBlcm fann bte Semeife für 
eine ©d)ulb in öottfommene unb unoottfommene tfjeilen. SSottfommen nenne 
idj bie, weldje bit 9Rogltc$feit auSfcpefcen, ba$ tin beftimmter 9föenfd) ntdjt 
fqnlbig fei; unoollfommen bie, welche biefe 9DWglidj!eit nicfjt auöf<^ltc§en. 
33on ben erften ift auc| ein einiger gur SSerurtJjetlung genü^enb, oon ben 
gweiten jtnb fo öiele nöt^ig, wie bagu erforbert werben, um etnen oollfomm- 
neu gu bilben, b. \ ba% wenn eS nad) jebem eingelnen möglid) ift, ba§ 
Semanb nidjt fdjulbig fei, boty aus ber Sereinigung aller bei berfeiben ©adje 
bie Unmöglidjfeit folgt, ba§ er eS fei. ®S ift hierbei gu bemerfen, ba§ bie 
itnoollfommnen 33emetfe, gegen bie jtd) ber Slngerlagte rechtfertigen fann unb 
eS niebt gehörig tt)ut, oourommen werben; aber eS ift oiel leichter, biefe 
moralifdje ®ewi§l)ett ber Sewetfe gu emppnben, als jte tieffenb m befmiren. f 
2)eSljalb Ijalte tdj baS ©efefc für baS befte, weldjeS feftfefet, baß bit Seifiger 
beS £auptrtdjterS burdj baS 800S unb nidjt burd) bie SBagl befthnmt werben, 
meil in biefem galle bit Unwiffenbett jtdjerer nadj bem ®efüljle, al0 bie 
SBiffenfcbaft nat^ ber 9Kcinung urt|eilt. SBo bie ®efefee flar unb praeife 
ftnb, beftegt bit ?)flic^t beö Sii^terö nur barin, bie SJjatfadje m, conftatiren. 
©rforbert audj bit llnterfud^ung ber S3emeife eineö SSerbrec^enö gäl^iafeit 
unb ®efc$icfiic!bfeit, unb bie ^ufftettung ber 6rgebniffe bit notfmenbige 
Älar^eit unb GJenauigf eit, um au0 biefen Grgebniffen felbft ba0 Urteil 
jie^en ju lönnen, fo gehört bam bod^ nur ber einfache unb gewöhnliche ge« 
funbe SWenf(i)enoerftanb, ber ötel weniger taufdjt, alö baö SSBijfen eines Stif- 
ters, ber baran gewöhnt ift, ©c^ulbige pnben m wollen unb SltteS auf baö 
nad) feinen ©tubien gebilbete ©qftem gurücfgufu^ren. 1 ) 

®lücl«4 baS »olf, wo baS Stecht feine aBiffenfc^aft bübet! £)aS 



*) 3)ie angeborene unb natürliche ^mpfinbfamfeit ber S3lutricbter unb bereu 
@emüt$ wirb gule^t »erbfirtet. „2)er Äerl befommt bie golter , ben Strang", 
wirb mit berfeiben Öeicbtigfeit gefproeben, wie wenn man gum 5Di5bcben fagt, 
fte folle 33rot mitbringen. SDeSbalb entfebeibet (Sarpaoü aueb überall fo grau- 
fam, unb ift tro^bem in 2>eutfd)fonb noeb immer ber Öeitftern. Bommel. 

«ergl. aueb 8ecfp, QJefcbicbte ber «ufflarung. (5ap. HI. ©. 2. 49 ff. 

SBalbecf. 



— 38 — 

Befte ©efefc ift, ba§ Seber oon ©eineögleidjen gerietet werbe, »eil ba, wo 
e$ ftdj um gretljeit unb SBofjl eines SSürgerö Rubelt, bie ©efüf)le fdjmeiaen 
müjfen, weli|e bte Ungleidföeit einflößt; unb bte Ueberlegenbeit, mit ber ber 
©lu<Mid)e auf ben Unglümtd)en Ijerabbltdt, uub ber Unwille, mit bem ber 
fiebrige ben #ötjent betrautet, tdty in baS Urtljeil eintreten bürfen. SBenn 
ba$ Verbrechen aber aus ber Seletbigung eines dritten befteljt, fo muffen 
bk 9tid)ter gur einen Hälfte aus bem ©taube beS ÄlägerS unb gum anbern 
aus bem beS 33erf Jagten fein, fo ba$ jebeS ?)riöat*3ntereffe, welkes aud) 
unwiHfürlid) baS SluSfeljen ber £f)atfadjen änbert, ausgeglitten ift, unb nur 
©efefc unb SBaljrljett baS SBort fuhren, ©S ift aud) geredet, ba§ ber Sin* 
genahte bis 3U einer gewiffen 3a1)l bte ausfliegen fann, weldje üjm vt\* 
badjttg ftnb: wirb baS oljne SBtberfprud) eine 3eit Ijmburdj geftattei, fo a£ 
minnt eS ben Slnfdjetn, als ob er ftd) felbft oerurtljeile. Deffentltdj muffen 
bie ©ertdjte unb bie SSeweiSfüljrung für baS SSerbredjen fein, bamit bk 
öffentliche SKetnung, weld)e wof)l baS einige SMnbemtttel ber ©efettfdjaften 
ift, ber ©emalt unb ben ?eibenfa>ctften einen 3ügel anlegen unb fagen fann: 
„2Bir ftnb ntd)t ©claoen, jonbern werben oertljetbigr ; ein ffiewu§tfein, 
wel^eö Sföutlj ctnfTögt unb etnem Sribute für ben gürften gleidjfömmt, ber 
fein eignes Sntereffe oerfteljt. Stuf anbre ©ngelnljeiten unb SBarnungen, 
weldje äljnliAe ©inridjtungen erbeifdjen, will \fy nid)t eingeben. 9ti$tS 
würbe idj gefaßt Ijaben, wenn SCUeö gefagt werben mü§te. 

§. 15. 
©e^eime Auflagen* 

Slugenf ällige . aber geheiligte unb bei melen SSölfern in golge ber 
©<f)Wäd)e ilpr ©efefcgebung notljwenbtge Uebelftanbe ftnb bie gebeimen Sin* 
Wagen. 1 ) Sine foldje ©emotjnljeit madjt bie Sföenfdjen falfdj unb geimtücftfd). 
SBer argwöhnen lann, in einem Slnbern einen Singeber gu finben, fte^t in 
üjm einen geinb. 35ie 9Kenfdjen gelangen bann bagu, bie eigenen ©efültfe 
gu öerberc&n, unb mit ber ©emoljnljeit fte Sfabern gu oerbergen, oerbergen 
fte fte f<$fie§Hdj ftdj felbft. Unalücflidj ftnb bk SWenfAen, welche baljin 
aefommen ftnb: obne fiare unb fefte ©runbfäfce, weldje fte leiten, irren fte 
fd)wanfenb unb gufäUig auf bem weiten 9Keere ber SUleinungen umljer, immer 
befd)aftigt, ftdj oor ben Ungeheuern, weldje fte bebroljen. gu retten; ben gegen* 
wärtigen Slugenblicf »erbittert iljnen ftetS bie Ungewißheit be§ fommenben; 
ber bauernben Vergnügungen ber (Sidjerljeit unb iRu^e beraubt, werben fte 
!aum bu**c^ einige wenige unb feltene greuben in iljrem traurigen geben, bie 
fte fdjnett unb etlig genießen muffen, bafür getröftet, ba§ fte gelebt baben. 
Unb au8 folgen SSftenf^en foUen wir bie unerfdjrocfenen ©olbaten nehmen, 
wel(^e SSaterlanb unb Sbron gu oert^eibigen tybml Unb unter biefen foll* 
ten wir bk ftttenreinen Seamten ftnben, welqe mit freier unb patriotifdjer 
S5erebtfam!eit bie wahren Sntereffen be8 ^)errf(^er8 ftü^en unb entwt&ln, 
bk gum. 3:^rone mit ben Slbgaben bk Siebe unb Segnungen aller ©taube 

2 ) 3Me Vernunft, bie ^einli^e ^alögericfetöorbnung , ba3 romif^e dlzfyt 
geben bem SBefcfyulbigten ba§ 9tz$t, m$ bem Slnfläger gu forfd^en ; benn er ift 
wenn Jener fretgefprodjen wirb, gebunben, ber Unfcfeulb (S^renerf (arung , @^a- 
benerfafc unb ©rftattung ber Unfoften gu leiften. 3)er SlngeÜagte mu§ alfo 
wiffen, mit wem er gu t^un ^at. Bommel. 



— 39 — 

bringen unb oon bort gu bett spaläften unb bm feütttn ben grieben, bie 
©idjerljeit unb btc befrudjtenbe Hoffnung auf ein beffereS ©C&üffal, btc bcn 
©ägrungSftoff unb baS geben beS Staates ausmalt, tragen fotten? 

2Ber rann ftd) oor ber SSerfäumbung fdjüfcen, wenn fte mit bem ftärfften 
©djilbe ber Sqrannei, beut ©c^ctmntffc. gewappnet ift? SBaS für eine 
3iegierungSart ift bie, bei ber ber #errfdjer in jebem feiner Untertanen 
einen geinb gu oermutljen Ijat unb ber öffentlichen {Rulje wegen gezwungen 
ift, bie jebeS (Singelnen gu frören? 

* 25urCt) weldje ©rünbe fönnen bte gebeimen Auflagen unb (Strafen 
gerechtfertigt werben? 2)urdj baS öffefttUdje SBoljl, bie ©idjerfjett unb Stuf* 
redjtergaltung ber JReaierungsform? Sie eigenthümlid) ift aber bie ©efefcgebunj, 
wo ber, welqjer bit (Gewalt unb bie nodj wirffamere, öffentliche 9Mmmg für 
ftd) Ijat, jeben Sürger fürdjtet! 2)ie ©id)erfjeit beS SlnßägerS? 35ie ©efefee 
nertbetbtgen iljn alfo ntdjt genügenb: es giebt alfo Untertanen, welme 
mächtiger als ber ^)errf^er finb! 2)ie SSefdjtMpfung beS SIngeberS? SUfo 
wirb bie gebeinte SSertöumbung begünfttgt unb bie öjjentltCfje beftraft! 2)ie 
9latur beS 3$erbred)enS? Sßenn bie ajetqjgilttgen, felbjt bie ber Deffentlidjfett 
nüfcenben^ $anblungen 93erbred)en Ijetßen, fo ftnb bit Auflagen unb ©ertöte 
nodj lange nid)t Ijetmltd) genug. Rom es Sßerbredjen, alfo öffentliche 33e* 
leibigungen, ber Sirt geben, ba§ rti&t gleichzeitig baS 3ntereffe ber gangen 
Def^entltdjfeit forberte, ba§ fte oor ©erid)t gegogen würben? 3dj adjte iebe 
{Regierung unb foredje oon feiner im S3efonberen; bisweilen finb bk SSer» 
Ijaltniffe ber 3lr£ ba$ man glauben fann, ber gange Staat ftörge gufammen, 
wenn man bie Ausrottung eines ben ©efefcen eines 8anbeS eng oerbunbenen 
Hebels oerfudjen wollte; ptte man aber in irjjenb einem oerlaffenen SBinfel 
ber ©rbe neue ©efefce gu- geben, fo würben mir, beoor idj ein foldjeS ©efefe 
einführte, bie £änbe gittern unb id) würbe bie Vorwürfe ber gangen Sftadj* 
weit gu Ijören glauben. * x ) 

fed)on Montesquieu Ijat gefagt, bie öffentlichen Slnflagen finb mebr für 
bie Stepublifen, wo baS allgemeine SBoIjl bit erfte Seibenfdjaft ber ^Bürger 
bilbet, als für bie 9KonarCt)ten, voo bief es © efüljl, in golge ber JRegierungS* 
form felbft feljr f fymaä) ift unb bie befte SSerorbnung bie ift, Stnwalte 
emgufefcen, bie im 9camen ber Deffentlidjfeit bie Uebertreter ber ©efefec an«« 
Ilagen. Silber jebe {Regierung, ob republüanifd) ober monardjifd), fou ben 
SJerläumber fo beftrafen, wie ber 3Serbred)er beftraft tüoxbtn wäre. 8 ) 



*) 2öenn eS für bie ©efeflföaften wichtig ift, bafc bie #erbred)ett nid)t un» 
beftraft bleiben, fo ift eS nod) viel wichtiger, bafj Unfdjulbige feinen graufamen 
©trafen ausgefegt unb an folgen 5)erfonett ein IBeifpiel ftatuirt werbe, bie ber 
öffentlichen 53erac^tung in golge fc^reCfli^er SSevläumbung an^eimftelen. 

#einecciuS. 

2 ) ^ann ber gemeine 2ftann feinen 3orn niCfet auölaffen, fo tragt er fein 
©ebenfen feines gretmbeS i^auS in Sranb gu ftetfen; fotlte er alfo ntcfyt üiel 
leiC&ter aus 4>afe unb giftiger 33oSljeit »erläumben? 5lber ben gemeinen üftann 
mu| ber ©efefcgeber Wptf Wity fenneu lernen; benn er unb niC^t ber Soor«* 
neljme ift ber X^on, bm ber peinliche Sdi^ter »erarbeitet, ©ertdjtsperfonen gu 
üer»flidf)ten r ba% fie alle Äleinigfeiten — bamit i>em ©enthaltet bie ©träfe 
niC$t entwifc^e — angeigen foUen, ift meine 3)enfungSart nic^t Bommel. 



— 40 — 



§. 16. 
SBott bet Rottet« 

6ine burdj ben ©ebraudfj bei ben meiften Stationen geheiligte ©raufam* ' 
feit ift bie golterung beS Sfageflagten wafjrenb beS $>roaeffeS, um iljn entwebet 
gum ©eftanbniffe eines 93erbredjenS ju fingen ober bie ffiiberfprüdje, in 
bie er oerfatten ift, angugeben ober bte fjtrnlofe unb unbegreifbare Reinigung 
öon ber (jljrtofigfeit $u bewirfen * ober enblid) iljn gum ©eftanbniß anberer 
3Serbredf)en , benen er fdjulbig fein fann, aber nid)t angesagt ift, $u »er* 
anlaffen. * 

6in SERenfc^ famt nic^t oor ber SSerurfljeilung bur(^ ben Stifter f cljulbtg 
genannt werben, unb bie ©efettfd)aft !ann üjm nidji btn öffentlichen ©Aufc 
entstehen, fo lange eS nic^t entf Rieben ift, ba% er bk Vertrage oerlefct yat, 
beren ®^u^ iljm bewilligt würbe. SBorauf alfo, wenn nid)t auf ©ewalt, 
grünbet ftdj baS SRedjt, welches einem JRidjter bk Süladjt giebt, einen 33ütger 
m beftrafen, fo lanae eS gweifelljaft ift, ob er fdjulbig ober unfdtjulbig fei? 
mtyt neu ift baS Dilemma: entweber ift baS SSerbred^en gewi§ ober nidjt; 
ift eS gewift, fo fömmt iljm feine anbre ©träfe gu, wie bk oon ben @e* 
fefcen beftimmte, unb unnüfc ftnb bie öualen, weil baS ©eftanbnig beS 
Stngeflagten unnüfc ift; ift es ungewi§, fo barf ein Hnfdptlbiger nify ge- 
foltert werben, weil eS ben ©efefcen nad) ein SRenfdj ift, beffen SJerbredfjen 
nidjt bewiefen ftnb. 

Slber id) füge nodf) tyngu, ba% eS willfurltd) ift unb alle Segriffe oer* 
wirrt, wenn man »erlangt, ba$ ein 9Kenfd) $u gleicher Seit 9tnf läger unb 
3lngeflagter fei, 1 ) bafc ber ©dper^ ber ©dhmelgtiegel ber 3Bal)rfjeit fein fott, 
gleidjfam, als ob beren Seweife in ben 9JcuSfeln unb ffteroen ber ttnglüd* 
fidjen tljren ©ifc Ratten. 6S ift ein ftdfjereS 5Kittel, um fräftfge ©djulbige 
frei m fpredjen unb fdljwadje Unfdjulbtjje $u oerurtJjetlen. 2)aS ftnb bte 
fdjremidjen golgen biefeS angeblichen ßritermmS ber SBaljrljett, baS wotyl 
eines Äanntbalen würbtg ift unb baS felbft bie in me^r als einer SSegieljung 
barbarifdfjen JRömer nur für bk ©claoen aufbewahrten, bie Dpfer einer 
wilben unb $u oft gelobten Sfcapferfeit. 

2öaS ift ber politifdje Swecf ber ©trafen? 2)en Slnbern ©dfjrecfen 
einzuflößen. Slber weldjeS Urtjjeil fotten wir über bie geheimen unb nrfoaten 
SSJlartereien fallen, beren ©ebraudf) bie Sqrannet fowoljl auf bie ©qulbtgen 
wie auf bie ttnfajulbigen auSbeljnt? 6ö ift wichtig, ba§ iebeö offene SSer* 
bredjen ni^t ungeftraft bleibt, aber eö ift vnnü^, na^uforf^en, wer ein 
SSerbred^en begangen ^at, weld^eö in 2)unfefljeit begraben ift. ©in fd^on 
begangenes Uebel, gegen ba$ es fein 53Ulittel gtebt , fann »on ber j)olttifd|en 
©efeufc^aft beftraft werben, nur infofern, als fie einen 6infüt§ ^uf bie 
Slnbern ausübt, bamit |td§ biefe nid)t ber Hoffnung auf ©trafloftgleit rühmen 



x ) SOBer ftd^ eines SSerbred6en3 für fd&ulbig erflart, mu§ für waljnfmmg ge» 
Balten werben; fic^ felbft anflogen fann man nur in einem Slugenblide oeS 
Börnes ober in einer Slrt ^runfen^eit ober aus SBeradfotung ober in golge ber 
^eftigfeit beS ©c^meneS ober aus gurd&t »or ber göltet. Äeitt 3Kenfd^ fann 
gegen ft<$ au feinem Sßerberben auSfagen, wenn er ba^u nic^t gejwunaen wirb. 

Quintüiaai aeclam. 



I 



— 41 — 

lonaen. 1 ) SBenn es vocfyx ift, ba§ bie %atji bcr SRenfdjen größer ift, bk 
aus gurdjt ober Sugenb bte ©efefce achten, als bte berer, weldje fte bredjen, 
fo muß bte ©efaljr einen Unfdjulbigen $u foltern, um fo Böljer angerechnet 
merben, je größer bte SaJjrfdjetnlidjfeit i\t, ba$ ein SSJicnfc^ fte unter gleichen 
Tlmftänben eljer adjtet ald oerlefct 

6in anberer lädjerlidjer ©runb für Stnmenbuna ber Softer ift bte 9iet* 
tugung oon ber ßljrloftafeit, b. !j. ein oon btxi ©cfc^en als eljrloS oer* 
urtfjeilter SWerifdj fott feine StuSfagen burdj baS 3erbredjen ber Änodjen 
Beftatigen. 6m foldjer ©ebraud) muftit im adjtgeljnten Sa^r^unbert ntdjt 
meljr gebulbet werben, ©lauBt man, ba§ ber ©djmerg, ber eine ©mpftnbung 
ift, oon ber ©fjrloftgfett, alfo einer rein moraltfdjen Segteljung, reinigen 
fann? 3ft er öietteidjt ein ©djmclgtiegel unb bte 6ljrfofigfeit ein unreiner, 
gufammengefefcter Äötper? ©S ift nid)t fdimer, gu bem ttrfprunge btefer 
ladjerltdien ©efefce Jjtnaufgufteigen, wetl felbft bk unftnnigften, oon einer 
gangen Nation angenommenen ©adjen ftets gu ben anberen gewöhnlichen 
unb gearteten ©ebanlen berfelBen Station in 33egieljung ftegen. JDtefer 
©eBraud) fdjetnt btn religiöfen unb geifttgen Sbeen entfprungen au fein, 
welcfte etnen fo Bebeutenben ©inftuß auf bic ©ebanfen ber SDcenfc^en, ber 
SSöuer unb ber SaljrBunberte ausüben, ©in unfehlbares S)ogma oerft^ert 
uns, ba§ bte aus menfdjlidjer ©djmadje Begangenen geljler, meiere nidjt hm 
ewigen 3orn beS Ijödjften SßefenS oerbient ftaben. burd) tin unbegreifbares 
geuer gereinigt werben fotten; nun ift bk ©Ijrloftgfeit aber ein bürgerlicher 
SMafel, unb weswegen fottten ntdjt, wie ber ©djmerg unb baS geuer bte 
geiftigen unb unföqjerlu&en glecfen entfernen, bie golterqualen ben Bürger- 
lichen ©djanbffetf, bie ©fjrloftgfett, fortf Raffen lönnen? 3d) glaube, baß baS 
'©eftänbnt§ beS ©djulbigen, weldjeS Bei jebem @erid)te als pauptgrunb gur 
33erurtt)eilung beS ©djulbigen verlangt wirb, einen ntt^t una^nlid^en ©runb 
Ijat, benn in bem geljeimmfcöotlen SSetdjtftuljl bilbet baS ©eftänbntfe ber 
©ünben einen #auptbeftanbtl)eil beS ©acramenteS. So miffBraudjen bie 
9Jtenfdjen bie Ijettften ?eBren ber Offenbarung; unb ba biefe fid) allein bie 
Seiten ber UnwiffenBeit t)inburcb erhielten, fo nimmt bte gelehrige SKenfd}» 
Ijeit au iljnen bei allen ©elegemjeiten i§re 3uftudjt unb wenbet fte auf bk 
abaefömacftefte unb unpaffenbfte Strt an. Stber bie ©Ijrloftgfeit ift ein 
wcoer ben ©efefcen, nod§ ber SSernunft, fonbern ber öffentlidben SRcinung 
unterworfene^ ©efuljl. 2)ie golter felbft ma&t ben wirflid) ehrlos, ber i^r 
3um Düfer faßt; wie fann alfo burdj jte bk ^Brloftgfeit auf groben werben, 
ba fte bo^ felBft bie ©^rloftgfeit giebt? 

35er britte 33eweggrunb für bie Softer ift, ba§ angebliche ©Aulbige Bei 
ber ttnterfudjung in 2Btberfprüc^e oerf allen; als ob nidjt bie gurd^t oor 
©träfe, bk nngewißBeit beS Urteils, bie 3urüftung unb SBürbe beS Stifters 
unb bie faft alten 9Serbred)em unb Unf^ulbigen gemeinfame Hnwiffenljeit 
nic^t wa^rfd^einlic^erweife ebenfowo^l btn ttnfdjulbigen, welker für^tet, wie 
ben ©d)ulbigen, welker ftc^ gu betfen fud)t, in SEßiberfprüd^e oerwitfeln 



x ) Jpfitte ber SBerfaffer gefagt: w 6tn SSerbre^en fann nur Beftraft werben, 
um Slnbere baran gu »er^tnbem, baffelbe gu t^un, ober bantit eä berfelBe 
9»enf* nic^t no* einmal tljue," fo würbe er felbft biegalf^^eit Jenes ©djluffeS 
gefüfelt fcaBen. @o lange ber Urheber eines 93erbred)enS unbefannt ift, bleibt er 
ungeftraft unb frei unb fann mit feiner gretyeit bajfelbe, wie »ortyer tbun. Sllfo 
ift es gut, i§n gu entbeden, um i^n unfc^ablic^ gu ma^en. SHberot. 



— 42 — 

würben; als ob jtdj SBtberfprüdje nitbt ftfcon ^äupa bei 2Renf(f)en ftnbcn, 
meldje ruljig ftnb,. rote oielmefjr muffen fte alfo in ber SSerwirrung be$ ©eiftcö 
annehmen, ber ganj in ben ©ebanfen oerfunfen ift, jitf) oor broljenber ©e* 
faljr 3U retten. 

2)iefe3 entfefcltdie Mittel, bie SBaljrljeit gu entbetfen, ift nodj em and 
ber alten unb »üben ©efefcgebung übernommenes S)enfmal, als nodj ©otteS* 
Urtbeile bte groben mit geuer unb fodjenbem SBaffer unb baö UngefaBr 
ber ©äffen genannt würben; als ob hk ©lieber ber ewigen Sitttt, weldje 
in bem Sdjooge be$ fjödjften 3Befen8 rul)t, in jebem äugenblüfe burdj bie 
frioolen 33eftimmungen ber 9Kenfdjen oerwtrrt unb getrennt werben fömtten. 
3)er einige Unterfajieb 3Wifdjen ber Sotter unb ben geuer* unb SBaffcr* 
groben tft, ba§ ber SluSgang ber erften oon bem SBiHen beö ?{ngeffagten 
unb ber ber ^weiten oon einer rein pljtyfifäen unb äußerlichen Urfadje aogu* 
Bangen fdjeint; aber biefer Unterfdjieb ift nur ftfjeinbar, ni<f)t wirflid): e8 
gerrfdjt ebenfowentg greifjeit, hk SBafyrljett unter ben Qualen unb 9Jlartern 
ber golter 31t fagen, als e$ fonft mögltd) war, oBne Setrug hk SBirfungen 
be0 geuer3 unb lodjenben SkfferS m oernidjten. 1 ; 

Sebe SEjjat unfered 3BiHen$ tft flett ber Äraft be$ fühlbaren ©n* 
brucfS, ber fte Ijeroorruft, proportional, unb bie gäBigfeit beö güljleng tft 
bei jebem SDßenfdjen begräbt 2 ), bafjer lann ba$ ©efüljl be$ ©djmeqeö fo 
wadjfeu, ba$ eö 3CHeö beberrfdnt unb htm ©equälten feine greiljeit läßt, für 
ben 9lugenblicf ben fünften 9Beg 3U wäljlen, ftd) ber ©träfe 3U entlebigen. 
@o ift alfo tk Antwort beö Sefdjulbigten ebenfo unauöbleiblitf), wie bie 
Sinbrücfe be3 geuerö ober beö fiebenben SBBaff erö ; bann wirb ber empftnb» 
fame Unfd)ulbige ftd) für fcf)ulbtg erflären, fobalb er baburdj ein SCuf^ören 
ber Martern 3U erlangen l)offt. Seber Untcrfcffteb jwifdien tljnen oer* 
fdjwinbet burd) ba§ SDMttel felbft, weites fidj bie Stuffinbung ber SBafjr* 
Ijeit anmaßte. @6 ift unnötig, baö £td)t biefer SBa^r^eit burdj bie Stuf* 
*äf)lung 3af)Hofer 33eifpiele oon Unfcfjulbtgen 3U oerboppeln, bie ftdj unter 
oen Qualen ber golter für fd)ulbig erflärten; e$ giebt fein SSol! unb feine 
Stit, bk ni(f)t bie irrigen aufaäljlen fönnte, aber meber änbern ft(^ bie 
9Jtenfcf)en, nod) gießen fte ©djlüffe barauö. ©d giebt feinen SWenft^en, ber 



2 ) @3 ift nichts gewtffer, afö haft tk @otteögeri*te — ?eucr= f SBaffer* 
unb äljnlicfye peinlidje groben — ber Wolter Urfprunct finb. (Sbenfo gut wie 
bie ÜRartew, fogar ud^ weit nadbbrü (fiterer, (äffen ftdfe bie ©otteögerid&te »er* 
t^eibigen. SBar SemanD fyod)ft »erbäc^ttg, glet^wobt aber no^ einige Fletne 35e- 
benfen gegen bie üSUtge Ueber3eugung auö bem 5öege gu räumen, bann unb nidjt 
e(>ei- würbe ber Swcifampf ofrer bie SBanbevung über glübenbe spflugf djaaven ' 
cter baö ©intaudben beö ^(rmeö in ftebenbe^ Gaffer geridjtlid) guevfannt. SDer 
Olid>ter war unqerec^t: (Mott follte ben Sluöfpru^ tljun. <Se6t ba, (^arpao^ö 
unb 33avtoluä' ©c^üler! (Sine ^oc^fte unb beft* ©ntWulbtgung, wefjbalb ii)t bie 
3ftarter für etwaö guteö galtet. ÜJhn febaffte Die geuer* unb SÖSafferprobe ah . 
unb erf^nappte Dafür Deren tlftergeburt, bie golter, fo Da§ man ftatt einer ab* 
fdjeultdjen ^acbe eine noeb weit abfdjeultcfyere einführte. Trommel. 

2 ) @* %atk feigen muffen: „©tanDbafttgfeit, ©eDulb, ^vaft gu leiben unb 
Söiberftanb gegen ben ©djmerj", ntd)t gabtgfeit beö »ü^lenö. 2)ag biefe 
tn {ebem 5D?enf^en „begrängt" tft, beißt ba§ eä einen ©rab beö ©djmergeö giebt, 
über welken binauö ber 2ftenfd) ni^t«J mebr fü^li 2)a3 vobVitt ber SSerfaffer ^icr 
aber ni$t fagen. 2)tberot. 



I 



— 43 — 

feine t^ebanfen über bie Sebürfniffe bitfö 2eben$ erhebt, ber nidjt Ijin unb 
wieber ber 9tatur gueilte, we(cf)e tljtt mit leifer unb fdjüdjterner Stimme gu 
ftdj ruft; bie ©ewoljnljett aber, ber Sqrann ber ©eifter, ftögt unb fdjrccft 
Üjn wieber gurücf. * 

2)er Stuögang ber golter ift alfo eine @ad)e beö Semperamenteö unb 
ber 33ered)Uung unb oariirt in iebem SUlenfAen im SSerljaltniffe au feiner 
©djwädje unb Smpftnbfamfett, fo ba% ein 9Jcathematifer biefe grage bejfer, 
afö ein Stifter löfen würbe. Sie ©tärfe ber 9Ku$feln unb bte ©mpftnb* 
Iidjfeit ber Sueroen eines Uttfdjulbigen ift gegeben, unb ber ©rab beö Sqimer- 
jeS ift gu finben, ber il)n oeranlaffen wirb, fidj eines gegebenen aSerbredjenS 
für fdiulbig gu erflären. 

Sie peinüdje grage ehteS Slngeflagten gefdjieljt, um bte SBafjrljett gu 
erfahren, afier wenn biefe Sßaljrljeit ftdj fdjon ftfjwer in ben SDWenen, ©eften 
unb ber $Pfii)fio(jnomie eines ruhigen 3Jlenf^en offenbart, wieviel weniger 
wirb jte fid) bei einem üJtenfdjen geigen, in weitem bie Sutfunaen beS 
@d)merge8 alle bie Seiten oeranbert Ijaben, rooburq) bie metften SDxenfdjen 
oft wiber i^ren SBiUen bie SBaljrljeit auSbrücfen. Sebe gewaltfame £anb* 
rang oerwirrt unb la§t bie Ijödjft geringen ttnterfdjiebe ber ©egenftänbe oer* 
fdjwtnben, burdj welche ftdj fonft baS SBabre oom galfd)en unterfdjeibet. 

Diefe 2BaI)rf)etten waren ben römifcfjen ©efefcgebern wol)( befannt, 
weldje bk golter nur gegen bte Sclaoen anwanbten, beneniebe 9>erfönlid)feit 
abging: jte ftnb e$ aud) in Snglanb, bei bem SSoHe, beffen 9tuljm in ben 
SBtffenfdjaften, beffen ueberlegenbett beö £anbel$, ber Steidjtljümer unb folg* 
Hdj feiner 9ftacf)t unb beffen Seifpiele oon Sugenb unb 9Ulutjj feinen Zweifel 
gegen bie ©üte ber ©efefce auffommen laffen. 2)ie golter ift ht ©Sweben 
abgefdjafft, aufgehoben oon einem ber weif eften Sföonardjen ©uropa'S, ber 
bte ^lilofopbte auf ben Sljron gehoben Ijat unb ber befreunbete ©efefcgeber 
feiner Untertanen ift; er Ijat fte gletdj unb frei in ber Slbbangigfett oon 
oen ©efefcen gemadit, waö bie einige ©letcgljeit unb greift auSmadjt, 
weld)e oernünftige 99cenfcf)en unter ben gegenwärtigen Ser^altntffen oerlangen 
lönnen. gür überpfftg I)alt man bie Wolter in ben ©efefcen für bk <5ol* 
baten, welche bod) gum größten SMle au8 bem Sluöwurfe ber SSölfer be* 
fteljen unb bei benen fte bod) [nötiger, als irgenbwo anberS fein foHte. 
©igentljümlid) erfdjetnt es bem, ber nid)t in 33etrad)t gieljt, wie grofj bie 
Stqrannei ber ©ewoljnljett ift, ba§ bie feioilgefefce erft oon ben SWenfcfcen, 
beren ©eift burdj Slutoergiegen unb SKefceleien oerfjartet ift, eine menf^liqere 
9Crt be3 Steid^tcnö lernen foUcn. 

2)iefe SßaMeit wirb enbli^ au(^ oon benen oerworren gefüllt, wel^e 
jte oon J\ä) fern galten. 91t4tö gilt ba$ wäbrenb ber golter abgelegte ®e« 
tanbni§, wenn eö nidjt bur^ einen &\b naq berfelben befraftigt wtrb; be« 
tätigt aber ber Stngeflagte ni(^t, fo foK er oon 9leuem gefoltert werben. 
Sintge ©ele^rte unb Nationen geftatten biefe entfeßli^e petitio prineipii 
nur breimal, anbere überlaffen eö ber SBiHfür beö JRtAterö: fo ba§ oon 
awei gleiä unf^ulbigen ober fdjulbigen 99^enf(^en ber ftarfe unb mutige 
freigefprocigen, ber fqwad^e unb furdjtfame ^inaegen nai bem folgenben, 
imnbigen ^luffe oerurt^etit wirb: „Sdh ber Stifter, foll 6u^ eines 
folgen SSerbre^enS für ft^ulbig finben; 3)u ©tarfer §aft bem 
©djinerge gu wiberfte^en oerftanben unb beS^alb fpredje id^5)i(^ 
|rei: 5)u, Seufel, Ijaft i^m nachgegeben »nb beö^alb oerbamme 
tdj 35i^. 3^ wei§ gwar, ba§ baS Su(^ oon ber golter entriffene 



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— 44 — 

®eftänbniß feine Äraft Ijat, aber id) »erbe ©udj oon feuern mar* 
tern, fall* 3l)r baö ntdjt beftätigt, waö 3!>r aufgefaßt babt." 1 ) 

©ine fonberbare golge, welche notgwenbigerweife au$ bem ©ebraudje 
ber golter entfptingt, tft, haft ber Unfdjulbige ftdj in einer fdjlimmern Sage, 
als ber <5d)ulbtge beftnbet; benn wenn beibe auf bie göltet gekannt werben, 
fo bat ber erfte aHe$ aegen ftdj: gefteljt er ba3 Serbredjen, fo wirb er Der* 
urteilt, erflart er fi<g für unfdjulbifj, fo Ijat er eine unoerbiente (Strafe 
erlitten; ber ©cbulbtge Ijat hingegen etnen günftigen %cXL für ftdj, fobalb er 
nämlidj entfdjloffen ber Wolter wtberfteljt, weil er bann als unfqulbig frei* 
gefproetjen werben muß; er Ijat alfo eine größere ©träfe gegen eine geringere 
au$getaufd)t. SDeSljalb lann ber ttnfcf)ulbige nur oerlieren, unb ber ©dful* 
bige nur gewinnen. 

2>a$@efefe, weldjeS bte golter anempfiehlt, fagt: „SKenfdjen, wiber* 
fteljt ben ©qjmergen, unb wenn bie 9latur ©um eine unauSlöfdj* 
iidje ©elbftliebe eingepflanzt unb ©urer Sertljeibigung ein 
unentfernbareS Stecht gefdjaffen Ijat, fo rufe idj einen entgegen* 
gefegten ©ffect in @ud) maaj, alfo einen ljelbenmütljigen $>a§ 
gegen ©udj felbft, unb befeüle ©ud), ©ud) felbft anjuflagen 
unb bte 3BaljrI)eit gu fagen, felbft wenn ©udj bie SKuSteln ger* 
riffen unb bh Änodjen gerbrodfjen würben." 

* 2)ie golter wirb angewanbt, um m entbeefen, ob ein 3tngeflagter 
außer ben 33erbred)en, beren er angefragt ift, nodj anbere begangen Ijat, nadj 
bem ®runbfa&e: „2)u bift etneä 3?erbred)en8 angenagt, alfo ijt 
e8 möglid), baß Du nod) taufenb anbere begangen qaftj biefer 
Sweifel brücft mid) unb idj will midj burdj ba$ ©riterium ber 
SBaljrljeit oerfidjem: bie ©efefce martern 35idj, weil Du an* 
geltagt bift, wetl 2)u fdjulbig fein fannft, unb weil icfo will, 
baß <Du fdjulbig feieft." * 

©nblid) wirb etn Slngellagter gefoltert, um gu entbeefen, ob er nodj 
^itfdjulbige Ijat 8 )} aber wenn ftdj gegeigt Ijat, baß bie golter fein ftdjereS 

l ) 33ei bem ©apitafoerbreeben genügt ba$ ©eftanbniß eines &ngeflagten 
allein nid)t gu feiner SBerurtbeilung , wenn ntdjt nod) anbere 33eweife ^ingu 
fommen, ba ein folcbe* ©eftänbniß melleicbt nur bte SBirruna ber SBerwirrmtg 
unb Sergweiflung ift. <Doutat, ©tmlgefefce: 33ucb III, 9lbtbeUuna, ö. 

8 ) 2)er 33erfaffer fann nidjt leugnen, baß tye.in bie £auptfd)wiei tafelt unb 
bie ©cbwäcbe feiner ©ntg,egnung liegt. Sftan foltert einen &ngeflagten, 
um feine 5JMtfd)ulbigen gu entbeefen, unb entbeeft auf biefe graufame 
SBeife fiefeerde^ aud) tfiglid) weldje. Seber »erabf^eut bte golterung . »or ber 
©ewi6b«t beö $erbred)en$; aber bei bem 53erbred6er ift Hefe 3ufafequal notbig, 
um ibm außer ben tarnen feiner SOHtfdjulbigen unb bem 9Wittel, fle gu ergret» 
fen, aueb \>xt Angabe gu ibrer Ueberfftbrunfl erforberlicber SBeweife gu entreißen. 
2)ie öeftrafung beä 55erbre^end ift buicb bie Sftotbwenbigfeit, obnlid^e gu »er» 
binbern, gerechtfertigt; wenn jeneö alfo berart ift, ba$ fieb Witfcbulbige uorauß* 
fefcen laffen, wie bei ©tnbrücben ober ÜKaffen*©rmoibungen, unb wenn Weber 
Beugen noeb S3e weife genügen, um ben ueiwirrten gaben aufgulöfen, fo ift 
bte peinlübe grage ebenfo unb auö bemfelben ©runbe geveebt, wie jebe anbere 
©träfe. 2)iberot. 

Bommel fagt bingegen: ,,©erid)t$balter unb 5lmWfeute finb oft ebenfo 
blut-, aW gelbgierig, fo taft fte eö febon für ein Stevbrecben balten, wenn ber 
©ine oeä Slnbem SBerbrecben niebt angeigt. 3«b wuß bied für wibernatürlicb 
unb abfebeulieb erflaren. $er @runb gu' biefem 5lberwi^e wirb aber wobl fo^on 



l 



— 45 — 

SRtttel tft, um bie SBaljrljeit gu entbedfen, wie fann ftc bann ba$x btenen, 
bte 9Rttoerbred)er ju entgüßen, ba Meö bodj einen Sljeil ber $u erforfdjenben 
3BaI)rl)ett auSmadjt? 9113 ob ber 9Kenf<% ber ftdj felbft angesagt Ijat, nidjt 
nod) letzter Stabere anklagen würbe. 3ft e8 geregt, bte SUlenfdjen ber 33er* 
bre<|en eines anbem wegen 3U foltern? Saffen ftd) bte SKitfdjulbigen nidjt 
aus ben 3atgniffen, ben Sluöfagen be8 Slngeflagten, ben 33eweifen unb bem 
Corpus delicti, mit einem äBorte, ntdjt au$ allen benfelben SWitteln nadj* 
weifen, weldje ba$ 93erbredjen bei bem SIngeflagten feftfteöen f ollen? 2)te 
Sföitfdjnlbtgen entftieljen metft fofort, nadjbem tfir ©efafjrte eingeferfert mor* 
ben; bte Unftdjerjjett ifjrer Sufunft oerurtljeilt ftc fdjon oon felbft mx SJer* 
bannuna unb befreit baö SSolf oon ber ©efabr neuer Angriffe, wagrenb bie 
©träfe beö Stngeflagten, welche in Äraft bleibt, tljren einzigen 3we<£ erfüllt, 
ben r bte anbem SUlenf^en »on einem ätynlidjen £8erbred)en aurüc^ufdjrecfen. 

t §• 17. 

SBom aiecne. 1 ) 

So gab eine Seit, in ber faft alle ©trafen ©elbftrafen waren. 3)ie 
Serbredjen ber 9Jtenfd)en waren ba$ Srbgut ber gürfien: bie Angriffe auf 
bte öffentlidje ©idjerljeit würben bie Quellen gur 9>ratt)t: ber beftimmt war, 
fte gu oertfeibigen, fjatte ein Sntereffe baran, fte oerlefct gu fe^en. 3)ie 
©trafen waren alfo nur ein ^rojcg 3Wifd)en htm gtecuS (bem geftfefcer 
btefer ©trafen) unb htm ©djulbigen; meljr eine beftreitbare Giöil* unb 
f)rioat«, als etne öffentltdje Slngelegen^eit. welche ben giScuS 3U anbern 33er* 
IjaltungSmaßregeln oeranla§te, als bie 3m: Sertljeibtgung be8 allgemeinen SBoljlS 
bienten, unb bem Shtgeflagten gegenüber 3U anbern ©trafen beftimmte, als 
bte Sftotfjwenbigfeit beö SSeifptelS erforberte. 2)er Stifter war alfo meljr 
ein ©adjoerwalter beS §t$cu8, als ein unbeftedjltdjer ©rforfdjer ber SBabrljett, 
meljr Stgent beS fiScalifdjen ©djafceS, als 33efd)üfcer unb SDiener ber ©efefce. 2 ) 



woljl auf ben bofyen ©djulen gelegt werben fein, wo einige SProfefforen immer 
noefy 9Kenfd)enfreffer finb. SBeber Vernunft no<$ 3Ratur befiehlt, bte 2$erbred)en 
beS Ruberen an3U3eigen, unb man Ijalte bk jftnber ba3u ja nttfyt an, weil bieS 
nttfctS anberS beißt, alö tijnen Vertrauen gegen greunbe einflößen unb ibr £er3 
»oraeitig oergiften. 5Wan verlangt, baß bte Sftenfdjen ftd) unteretnauber felbft 
aerfleifdjen füllen, wad boö^ felbft nid)t einmal bte Sßölfe t^nn, wenn fte md)t 
fe^r ^ungrig finb. 2)aö geft^riebene SRtfyt rebet bie Vernunft: „Sftiemanb," faßt 
ed, w tft eine TOffetljat an3U3eigen üerbunben." L. 48, § 1 sqq. de fürt, tot 
tit. C.: ut nemo invitus agere vel aecusare cos. C. C. C. art. 214 
Spec. Sax. üb. 2, art. 60. — Sttefe 2lnftd)t ift wo^l rtd^ttger. äBalberf. 

*) SWan fte^t eö allen ©efefcen fofort an ben klugen an. ob bie ©(^aft* 
fammer babet Gewinn ober SSerluft erleibet. Sft bieö ber gall, fo fommen lauter 
Abweisungen von bem gewöhnlichen 3öegc uor: übermäßige ©trafen, abge* 
fc^nittene ©ntfc^ulbigungen. SCÖUbbiebe fd^miebete man febenbig auf einen ^irfet), 
iafa biefer burd) 3aun unb Werfen ftreic^enb ben Slenben Jammerlid) unter 
junger unb S)urft in ©turfen reißen möchte. Oft fann man feinem 9Rad)bar 
weit ungeftrafter taufenb Sfyaler entwenben, alö bem giöcuS äntn ipafen. 

^ommel. 

3 ) 5(18 Subwig XIV. ein 5>ro3eß vorgetragen würbe, ben feine Kammer 
wiber ben 93*ftfcer eineö $aufe8 führte, fagte er großmütig: ber 33efifcer ^at 
9te*t. 5)te Äonigli^e Afabemie ber SOöiffenfc^aften ließ barauf eine 2)enf- 
münse mit ber Umfd)rift: „FISCUS CAUSA CADENS" f ^lagern So^nt fiefy 



— 46 — 

Unb ba nadj bicfcm Softem ftdj ber, meldjer ftd) eines SSerbredjenö fdptlMg 
Mannte, gleichzeitig aU ©d)ulbner beö giöcuS angab, fo gtna baS gange 
3tel be$ bamaligen ßriminaloerfaljrettS barauf Jjinauö, biefeS ©eftänbnig unb 
$mar in einer füt ben gtöcnö möglidjft günftijjen SBeife $u erhalten; mag 
audj nodj Ijeute ben SKittetpunft für äße ßrimtnalgefefce btlbet, ba bte SBtr- 
fungen tmmer mel langer bleiben, als bte ltrfad)en. D^ne folgen 3tx>cdC 
wirb ber burdj unsweifelljafte SSemctfc überführte ©djulbtge eine geringere 
©träfe, als bk feftgefefcte, erhalten nnb nid)t wegen anberer 33erbreajen ber* 
felben Slrt, bit er begangen Ijaben fömtte, gefoltert werben; mit üjm mafyt 
ftd) ber Stifter aum £errn beö Äörperö beö Slngeflagten unb martert tbn 
mit metljobtfd)er Formalität, um wie au$ einem ermoroenen ®ute ben grö§t* 
möglichen üftufcen gu gießen. Sft btö SSerbre^en fchon mirflidj bewiefen, 
fo giebt ba& ©eftänbni§ boef) nodj ben übergeugenben 33ewei8, nnb nm biefen 
SSeweiS um fo weniger oerbädjtig 3U mad)en, eqwingt man i^n burdj £}ua* 
len unb gur SSergweiflung treibenbe (S^mergen, unb beftimmt augleiaj, ba§ 
ein außergerichtlich, ruhiges. gleidjmütljigeS unb oljne bie öorwiegenbe gurdjt 
»or einer quälenben Unterfudjung abgelegtes ®eftcmbni§ ntdjt gur SSerurtljei* 
lung aenügt! 

2)ie Unterfudjunjjen unb 33eweife werben auögefdjloffen, weldje ber %aU 
erforbert, bie aber bte 8lnfprüd)e be$ gtecuö f d)tnälern würben; nnf)t $u 
©unften beö SlenbS unb ber ©diwatfre oerfd)ont man bisweilen ben Sin* 
pellagten mit ber Softer, fonbern gu fünften beS ©runbeS, welken btefeö 
jefct unbegreifbare unb unoorftetfbare SBefen verlieren fönnte. 2)er Sftidjter 
wirb ber geinb beS Stngef tagten, eines eingelerferten 9Renfd)en, welker ber 
Sorge, ben Qualen unb btn fcfcrecflicbften SufunftSbilbern gur S3eute faßt; 
et fudjt in bem ©efangenen niqt bie SBaljrljett ber Sljatfacfje, fonbern eineö 
SSerbred)en3, er fteßt igm gaßen unb alaubt, wenn fein 3*t>e<f mißrätb, ju 
oerlieren unb ber Unfehlbarkeit gu nage $u treten, bie fid) ber SEftenfd) tn 
allen 2)ingen anmaßt. 35ie ©rünbe für bit SSerljaftung liegen in ber 9Rad)t 
beö SRtdjterS; bamit ftd) einer als unfdjulbig beweifen fann, mu§ er guerft 
für fc^ulbtg erllärt werben: baS nennt man ben Dffenfio^rogeß machen, 
unb fo ift faft nodj attef Drten in bem aufgegärten Suropa baS 6riminal* 
»erfahren beS ad)t$eljnten SatjrbunbertS. 25er waljre, ber änformationS* 
^)rogeß, b. ^. bte unparteiifoje Unterfu^ung ber S^atfat^en, wie fte bte 
SSernunft oorft^reibt, wie fte bte SSRilitärgefefce angenommen Ijaben unb wie 
fte felbft oon bem aftatif(|en 3)efpotiömuö bei ruhigen unb unej^ebli^en 



baö wo^l ber SDßülje? ^abett wir ni^t ein beutttd)e$ ©efe^, lib. X. sqq. de 
jure fisc, wo ber SRedjtägeletjrte 5U?obeftinuö Jl^ alfo auölfifet: Non puto 
delinquere eum, qui in dubiis questionibus contra fiscum 
facile responderit Sllö in auswärtigen Slften ein Slbüofat ft(^ auf biefeS 
©e[e^ beruft, wirb er toon ber Kammer um ge^n ^^aler geftraft. ^ilf ^immel, 
xoaä für Srrtfeum ! ^at ber gürft nic^t bloß bur(^ \än Slnfejjen, bureft bie Sur^t 
unb ©ewalt 53ortfeeile genug? 2öenn 3§r ein ©ef4 findet, welcfteö allen Regeln 
ber 53itlig!eit cutgegenftrebt, f lonnt 3^r feft tjermut^en , ba$ ber giöcuö gera» 
begu ober tiofy trenicjftenö burd^ einen Umweg SöovtljeU barunter finbe. 3lHe 
SRec^tocjefe^rte, wenn eö auf bte ©eredjtfame ber Surften anlomntt, ftnb 
©(^meic^ler, ^n^ängeif bcö $ofeä unb ©peidjellecfet ber ©ro§en, wie £epfer 
in einer afabemifeben Slbljanblung burd) taufenb S3eifpiele erwartet. <Sie wiffen 
Sarben an3uftreidben , ba& man fcfywSren fottte, baß bie ^)lünbeifltngen, fo ber 
Siöcuö unternimmt, eine bem ©ol!e erwiefene SBo^lt^at feien. .pommel. 



1 



— 47 — 

gälen geleitet wirb, fmbet fid) bei ben europäifd)ett ©ertöten fefcr wenig 
in ©ebrawi}. SBeldgeS »erwtrrte Sabnrintlj frembartiger, für eine alütflidjere 
9iadjmelt jebenfaUö unglaublicher Stbfurbttäten! £ie ?)biiofo^ett jener 
Seit »erben allem auö ber Dktur beö 9Jtenfd)en bie waljre 9Röglia)feit eines 
folgen ©qftemS lefen fönjten. t 

§. 18. 
85on ben @tbetu 

6in SBiberfjprudj gwtfdjen ben ©efefcen unb natürli&en ©efütylen ber* 
3Renfd)en entfprtngt ben ©tben f meiere oon bem Stngeflaaten »erlangen, 
ba§ er bk SBaljrljett fagt, felbft wenn er baS größte Sntereffe Ijat, eS nidjt 
m tljun; afe ob ber SÖlenfc^ fdjwören muffe, um gu feiner eigenen 3er« 
törung beigutragen, unb alö ob bie Religion nid)t in ben metften 9Jlenf5)en 
djwetge, wenn baö Sntereffe fprtcht. Sie ©rfabrung aller SaMunberte 
jat gegeigt, ba§ fie tneljr, als etwas SlnbereS, biefeS f oftbare ®efd)enr beS £tm= 
melS gemißbraudEjt (jaben. SBeSwegen werben bie 33erbredjer ben 6ib adj* 
ten, wenn bk für ]eljr weife ©e^altenen iljn oft oerlefct Ijaben? 3u fdjwadj, 
weil ben ©innen au fern, fmb meift bie ©rünbe, bk bk SReUgion ber 
Slufregung ber gurdjt unb ber Siebe mm Seben entgegenfefct. 2)ie Stngelegen« 
Reiten beS $immelS werben nad) ©efefcen geleitet, oerf Rieben oon benen, 
welche bie ber 9Ulenfd)en orbnen. SBeSwegen alfo bie einen burd) bie an* 
bern compromttttren? SBeSwegen ben 2Kenfd)en in ben entfestigen 2Biber* 
fprudj oerfefcen, *ntweber gegen ©ott gu fünbigen ober baß eigene SSerberben 
gerbetgufüffrett? ©o befiehlt baö ©efefc, weldjeS gu einem folgen (§,ibz 
gwtngt, entweber ein gottlofer SUienfd) ober ein SKärtqrer gu werben. Ser 
©d)Wur wirb nad) unb nadj eine einfädle gormalität, welcfre fo bie 3Wad)t 
ber relijjtöfen ©efuble gerftört, ber eingigen ©tüfce ber StetytfdjaffenBeit bei 
ben metften SJlenfcfjen. 1 ) 3öie unnüfc bie ©ibe fmb, ijat bk ©rfaljrung 
aegeigt, benn jeber Stidjter mufj mir begeugen, ba$ lein (gib iraenb einen 
Sd)ulbigen veranlagt l)at, bk Söaljrljejt gu fagen; bie SSernunft beftätigt 
eS ebenfalls, ba fte für unnüfc unb alfo fd)ablid) alle ©efefce Ijält, bie ben 
natürlichen ©efüljlen ber 9Jienfd)en wibertaredjen. ©S geljt tfjnen, wie ben 
35ämmen, weldje bem Saufe eines SluffeS gerabe entgegengeht werben: 
(Sie werben entweber fofort eingeritten unb gerftört, ober eS bilbet fid) ein 
SSirbel aus tljnen felbft, ber fie allmcxljlid) gemagt unb untergräbt. 



§. 19. 
&dj)tteKtgfeit ber 35effrafung. 



Se f Anetter unb rafdjer bie ©träfe bem begangenen ffierbredjen folgt, 
befto geregter unb nüfclidfer tft fte. 3d) fage geregt, weil fie ben ©d)ul* 



2 ) S)iefer ©a^ ift Weber wichtig, no(^ vljifofop^if^. £)aburd), ba& lex 
SBerfaffer i^n annimmt, giebt er ben fanatifc^en grömmlern eine gefährliche &affe 
in bie &anb, bereu fie ftd) gegen il)n felbft bebienen werben. 2)iefer ©runb ift 
ber SöorwanD für bie Verfolgungen ber äöiffenfd^aft unb |)^ilofo^ie. 3lu§er« 
bem ftimmte biefe Söenbung niefet mit ben Slnftcbten üoUicj überein, welche btefed 
-auögegeutjnete S5uc^ fonft tjert^eibigt. 

NW toeröff entlic^te Stnmerfung beS 3lbbe W or eilet. 



— 48 — 

bigen oor ben unnüfcen unb fdjrecflidjen ßualen bcr Ungewißheit bewd)rt r 
meldte mit bcr ©tärle ber ©inbilbungSfraft tinb bem ©efüljle bcr eigenen 
©djwadje warfen; um fo geregter, weil bie ^Beraubung bcr greiljeit felbft 
eine ©träfe ift, weldje bem 9ti($tfgrudje nur üorangeJjen barf, wenn e$ bte 
bringenbe 9totljwenbigfett forbert. £>aö ©efängniß ift nämltd), bis bcr 33ür* 
ger oerurtljeilt ift, nur ein ©ewabrfam für benfelben, unb ba biefeS @e* 
waljrfam außerorbentlid) peinlid) ift, fo muß e$ fo wenig 3eit al$ mögltdj 
bauem unb fo wenig fdjwer afe möglidj fein. 35ie Seit mu§ na* btt 
notljwenbigen 2)auer beö ^ro^effeö unb nad) ber Steibenfolge ber ©efefcten 
bemeffen »erben, fo ba$ ber auerft ©efefcte btö Sftedjt gat, auerft abgeurtfetlt 
gl werben. 2)q$ ©ewaljrfam mufi attein ba$u bienen, bie glucbt ober bic 
33erbeimltd)ung ber SSetoetfc beö ÜBerbredjenö $u öerljinbern. 2>er $>ro$e§ 
felbft muß in bcr möglid)ft fctrgen Stit ooUenbet werben. SOBcld^* Ijödjft 
entfefcUd)er ©egenfafc gwifmen bcr ©letdjgiltigfeit be§ SüdjterS unb ber 
Stngft be8 9lnge!lagten! 2)aö SSergnügcn unb ©djeraen eineö gefüjjllofen 
33eamten einerfeitö unb anbrerfeitö bic S^ranen unb ©eufger be$ ©efange* 
nen! 3m StUgcmeincn muffen bie ©djwere ber ©träfe unb* bie Solgen eine& 
SSerbredjenS für bie Shtbern fo wirff am, für bcn Seibenben aber fo wenig. 
Ijart att möglid) fein; benn gefefclid) lann ftd) md)t bie ©efettf^aft nennen, 
weldje nid)t bem unfehlbaren ©runbfafce folgt, ba§ bte SWenfdjen ftdj nur 
ben möglid)ft geringen Uebeln unterwerfen wollten. 

3q) l)abe gefugt, baß bk ©djnelltgfeit ber ©trafen feljr nüfclidj ift, weil, 
je geringer ber Zeitraum ift, welker jwifdjen ber ©träfe unb bem 33er* 
Bremen oerftrtdjen, um fo ftarfer unb bauer^after in htm menfdjitdjen (Seifte 
bie SJerbinbung ber Beiben Sfoeen, 33erbred)en unb ©träfe, ift, unb um 
fo unwillfürliaier werben fte ba$ eine für bte Urfadje unb bk anberc für 
bie notfjwenbige unb unfehlbare SBirfung galten. 1 ) ©3 ift bewiefen, baß 
bie 3been*^ffociatiott baS SSanb bilbet, weldjeS baS gange ©cbäube be$ 
menfd)lid)en ©eifteS gufammenbalt, oljne welcgeS Vergnügen unb ©djmerj 
ifolirte unb wirfungölofe ®efü|le fein würben. 3c tnel)r ftdj bic SKenfdjen 
oon ben allgemeinen Sbeen unb ©runbfäfcen entfernen, b. \ je unwiffenber 
fte ftnb, um fo meljr Banbeln fte nadj unmittelbaren unb gunadjft liegenbcn 
SSerbinbungen oljne Stücfftdjt auf bie entfernteren unb äufammengefefcten, 
bk nur bcn 9Ulenfd>en, weldje mit aller 8eibenfd)aft einem Siele guftreben. 
gur ©rreidjung beSfelben bienen, ba ba$ 8idjt ber 9lufmer!famf eit nur auf 
einen ©egenftanb fallt unb bie anbern im ©unfein läßt, ©benfo nüfcen 
fte bcn aufgellarten ©eiftem, ba biefe bk ©cwobn^eit erworben Ijaben, 
flucti mit einem 9Rale oerfdjiebene 2)ingc gu überbauen unb mit 2eid)tig* 
feit öielc entgegengefe^tc ©efüljle einanber gegenüberguftellen, fo ba§ SRefultat 
unb ^)anblung weniger gefä^rli^ unb ungewiß ftno. 

SJon ber größten SBic^tigfeit ift alfo bic f^neKe golge öon SSerbreAcn 
unb ©träfe, wenn man wünf^t, bap btx roben unb ungebilbeten SJlenfqen 
mit btm oerfüljrerifcfjen ©cmalbe eineö folgen uort^eil^aften aSerbrc^en^ 



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2 ) ©obalb ba§ S3erbre^en erwiefen ift, muß ijjm aufy fofovt bic ©träfe 
folgen. S)urd) 5luff^ub ge$t Slfleö verloren; unb »ielleid)t wartet eine 2ln$al)l 
fc^lc^ter ^Bürger nur auf ben erften gunfett, ber bie fdjon üorberetteten ^Berbre^en 
entpnben f oll. — 2>a$ große ßiel ber ©riminaljiufttj ift me^r eine Söarmmg für 
bk 3ufunft, att eine Sftadje für bie Vergangenheit §u geben. 2)ie 3ia(^e ift eine 
8etbenfd)aft r ber bie ©efe^e m<$t unterworfen ftnb. ©er »an. 



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— 49 — 

fofort biet ©ebanfe an btc ©träfe oerfnupft werbe. gange Sogerung be« 
\ wtrlt nur, ba§ biefe beiben ©ebanfen jtd) immer »eher oon einanber ent» 

fernen; madbt bie Seftrafnng eines SSerbredjenS aud) immer einen (Sinbrutf, 
* fo ma<l)t fie iljn bann bod) weniger a te ©träfe , benn ate ©cfyutftriel, * 
tmb f^wäAt ben ©djretfen öor emem folgen &erbredjen, welker bagu 
' bient, &a$ ©cfu^l ber ©träfe gu oerftärfen, nur ab. 1 ^) 

©n anberer ©runbfafc bient wunberbar bagu, btc mistige 3Serbinbunj 
gwifdjen bem SSerbredjen nnb ber ©träfe nodj enger gu fnupfenj nämlic 
ber, gu bewirten, ba$ biefe ber Statur beö SSerbredjenS fo öiel wte mögli( 
angepaßt fei. 3)iefe IfeljnlicMett erleichtert merfwürbig ben ©egenfafc, bn 
» gwtfmen bem antriebe gum SJerbredjen unb ber Slütf^aitung burd) bie ©träfe 
üeftegen fott; benn baburdj entfernt fidj ber ©eift nad) bem entgegengefefcten 
@nbe Ijin, als moljtn il)n bie oerfü^rerift^e Sbee »on ber Uebertretung ber 
©efefce 3n leiten fud)t. 

§. 20. 
©enmrttt>ätigrdtett. 

Die einen SSerbredjen ftnb gegen bie ^Perfon, bie anbern gegen bie 
©adjen gerietet. 2)ie erften muffen unfehlbar mit Äörperftrafen gefüljnt 
»erben: weber ber ®ro§e, nod) ber Steige barf einen Angriff auf ben 
©d>wad)en ober Straten mit ©elb ablöfen fönnen; fonft werben bxt SReidf)* 
tijümer, meldje unter bem ©dptfce ber ©efefce ber 8obn für ben gleiß fmb, 
gur ©tüfce für bie Sqrannei. @ö giebt feine Stetneit mel)r, fobalb bie 
©efefce geftatten, baft in irgenb einem Sreigniffe berSJtenfdj aufhört, $er* 
fon gu fein unb ©ad)e wtrb: bann wirb baß gange Seftreben be3 Steigen 
ftd) barauf rieten, auö ber güße ber bürger Urnen (5ombinationen alle bie 
IjerauSguijeben, meld)e bu$ ©efefc gu feinen ©unften gegeben $at. 



*) S)er Sftardjefe 33eccaria $at wobl beoBadjtet, bafc biefer lange STuffdjuB 
gwtfdjen SSevbre^en unb ©träfe t>ö(lig ade grüßte, bie man tjon bem 93etfinele 
erhofft, aerftort. 5)a3 üBerbrecben wirb vergeffen, fobalb ba$ Urtbeil auöqefuBrt 
wirb. SDer 3ufd)auer fie^t in bem $obe be$ 3nbttribuumä mdjt me^r he 33c* 
ftrafung beä ©djulbiflen. 3n notbwenbiger gofae ben!t er babet audj ntcfyt 
mebr an bie ©leid)ljett be$ ©efefceS unb bie ©efafyr fte gu »erleben, fonbetn 
fein ganged S)enfen befdjranft fid) auf ein frudjtlofeä Sftitgefübl für bie Öeiben 
beä Uuglucf(i<$ett, ben er untergeben fafe. 

w 5(ber ein »iet richtiger ©runb bafür, bafy man bem einmal begangenen 
3Serbred)en fo fc^nett wie möglich ben $Progefe ma^e, ift ber, ba$ ber Spro^efj 
bisweilen oeö 5Tu(je!(agten Unfcfyufb offenbart. 2)er menfcblid)e ©eift begreift m<$t 
obne (Sntfejen bk Vorfragen, wel^e man früher in granfreid) anwandte. 9iun 
gut! Öangeö ©ef5ngni§ »or bem ?)rogeffe entfpringt berfelben Duette, obglei^ 
eö ni(ftt btefelbe ©raufamfeit nad^ fid) jie^t, benn tn beiben gäden beginnt man 
batnit eine ©träfe aufguerlegen unb prüft bann nadj belieben , ob ber barunter 
Seibenbe fcfyulbia ober unf^ulbig ift. 9tacftbem ber Unglütflicfye fieben U$ afyt 
5Wonate Binburd^ feiner Srei^eit beraubt war unb unterbeffen alle ©greifen be$ 
©efangniffcö aufgehalten ^at, erflart man iljn nad^ feinem 3Ser^ore für üoUig 
unfc^ulbtg. SOöad folgt barauä? 3n SÖBa^eit, fein 9Ruf ift wieber bergeftettt, aber 
feine ©efunbljett wirb eö nie, »iettei^t fyat er für immer bie §5btgfeit feinen 
8eben8unter^alt gu gewinnen, »erforen unb ftnbet feine gamilie in trgenb einer 
. Suflucbtöftätte beö Sftftleibö, wobin gu fliegen ©(^anbe unb (Slenb fle gegwungen 
baben." 9)Hrabeau, S3emerfungen über 33tc6tre. 

SBalbccf, $eccaria. 4 



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— 50 — 

35iefe ©ntbecjimg ift bctö roagtfdj? ©elpimnig, »eldjeö bie SRenfdjen 
in 8afttl)iere oeroanbelt mtb in bcr |>anb be8 Steigen gu ber geffel wirb, 
mit meiner er bie £anblungen bcr Unoorftdjtigen unb ©djwadjen binbet. 
35te& ift bcr ©runb, weswegen bei einigen ^Regierungen, bie oöttig ben 
©djein ber gretl)eit gaben, bie Stjrannei tm Verborgenen Ijerrf djt ober ftdj / 
unoorgefeljen in irgenb einen »on htm ©efefcgeber oernadjläfftgten äBinfet 
einfdjieidjt , in meinem fte unfüljlbar an ©tärfe unb ©röße annimmt unb 
wadjst i)u SSKenfdben fteßen fjinreidjenb fefte S)ämme ber offenen Syrern« 
nei entgegen, aber fte feljen ben unbemerf baren SBurm nidjt, welker fte 
annagt unb einen um fo ftdjern SBeg burdj jene bem überfqjwemmenben 
Sluffe baljnt, je oerborgener er ift. 

§• 21. 
©trafen ber (SbeUente. 

SBeldje ©trafen werben nun ben 38erbredjen ber (Sbelleute gegiemen, 
bereu SSorredjte einen großen £ljeil ber ©efefce ber SSölfcr bilben? 3$ will 
Bier nid^t unterfudjen,' ob biefe ererbte Unterfd)etbung gwtfd)en Slbligen unb 
ytidjtabiigen einer ^Regierung nüfclidi ober in einer Sföonardjie nonjwenbig 
ift; ob e$ waljr ift, ha$ fte eine ijwifd)enmadjt bilbet, meiere bie beiben 
aufjerften ©egenfafce innerhalb ber rtd)tigen ©rangen tyxlt, ober nidjt oiel* 
meljr einen ©tanb auömadjt, melier als ©claoe feiner feftfi unb Slnberer jjeben 
Äreiölauf be$ ©laubenö unb ber Hoffnungen innerhalb eineö beftimmten 
Äreifeö Ijait, äljnlid) ben fruchtbaren unb anmutigen Snfeldjen, meldje über 
bie fanbtgen unb weit auSgebeljuten SBüften Slrabienö gerftreut ftnb; ob, 
wenn eö waljr wäre, t>a$ bie Ungleid^eit unoermeibltä unb ber ©efeßfdjaft 
nüfclid) fei, e$ audj mabr fei, bafc fte meljr auf ben ©tänben, als auf hm 
Snbiotbuen beruhe, ftq megr in einem Steile abfdjliejje, als burdji ben 
gangen politifd)en Äörper circulire, ftd) meljr oeremige ober beftänbig erneuere 
unb oergelje. 3dj »erbe midj auf bie ©trafen allein befdjrimfen, bie jenem 
Stange gurommen, unb geigen. ba§ fte für ben erften, wie für ben legten 
33ürger gleidj fein muffen, Stebe Untertreibung, ob in golge oon Sfceidj* 
ttyümern ober Sljren, fefct, wenn fte red)tmafcig fein fott, eine oorljergeljenbe, 
auf ben ©efe^en berujjenbe ©leidtäeit oorauä, mel^e alle Untertanen als 
gleidj abhängig oon ijjnen betrautet. 1 ) SSKan mu§ annehmen, ba§ bte 
ÜRenft^en , »el^e auf tljren natürlichen 3)eft>oti$muS oergidjteten, gefagt 
Ijaben: „388er fleißiger fein wirb, möge meljr (Sljren ljaben,unb 
1ctn Siuljm leud)te au(^ in feinen 9la(^folgem mieber, unb »er 
giüdtli^er ober geehrter ift, aU Stnbere, ^offe gmar me^r, 



2 ) 3öer bei $ofe ober in einer anfe^nli^en ©tabt 9Dtaljl$ettett giebt, mt 
$omö madjt unb gefellf^aftli^ lebt, ^eigt ein fdjäfcbaver 5DZann f ber ft^ gu unter» 
f^eiben unb gu leben tueifj. Sie aber auf bem &mbeV S)er arme S3auer, ber 
ntdjtö alö geben foll, ber Sanbrnann, toel^er beinahe bie Suft begaben muß, bie 
er einatmet unb nic^tö alö eine Sftafdjine ift, aud ber man ©efb fptnnt, tote 
wenn er gefeöfdjaftlidj lebt? (Sbelmann unb ©erid^tö^altcr »erfolgen ttyn. 5l(le 
greuben, alle (Srgofclidjfeiten beö Sebenö ftnb i&m unterfagt, er ift bat feufgenbe 
©ef^öpf. SBaö ift feine ©pinnftube anberä, alö eine Öffembfee? Söad ift ber 
Untertrieb? 5)er ^apinian be$ 5)orfc^ »trb fagen: ©inb benn bie IBauern 
5Wenf(^en? 3(ft antworte: ©ogar bie Sftitgtieber unb ber größte ^^eil ber attge« 
meinen ©efellf ^af t u. f . . w* Bommel. 



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— 51 — 

Iürdjte aber ntdjt weniger, alß bte Slnbern, bic SSerlefcung ber 
Vertrage, burd) bic er über bte Slnbcrn erhoben würbe." m ift 
waljr, ba§ biefe SSefdjlüffe ntdjt in einer SSerfammlung beß 9Kenfd)en* 
gefajledjtß gefaxt mürben, aber fte befielen in golge ber unoeränberliajen 
jöegteljungen ber 2)tn^e; fte $erftören niajt bie SJortljeile, meldje man auß 
ber (Schöpfung beß Slbelß ju gießen Ijofft, oerfjinbern beffen Unbequemltci)* 
feiten niqjt «nb madjen bie ©efefce gefürchtet, weil fte jpben SBeg für ©traf* 
loftgfeit außf fliegen. 5)em, ber fagen will, ba% gleite Strafe für ben 
Stbligen unb ben SORann beß SSolfeß tn 3BaljrI)ett nidjt biefelbe ift, »eil bie 
(ä^iebung r>erfd)ieben ift nnb bie ©djefttbe einer ganzen berühmten gamtlie 
$u Stjeil wirb, entgegne td), baß ntd)t bie (Smppnblic^leit beß ©djulbigen 
baß 9Ra§ ber ©träfe ift, fonbern ber öffentliche 9cad)tljeil, ber um fo größer 
wirb, je begünftigter ber ©djulbige ift; ba§ bk ©leidjjjeit ber ©trafen nur 
<ht§erltd), ba fte in SSaljrljeit bei Sebem öerftbteben ift; ba% bie ©djanbe 
»on ber unjcbulbigen gamüie burd) ben $>errfc^er unter ben ijffentlidjen 
3eidjen beß SSofytooHenß abgewälat werben fann. Unb wer wetfj nid)t, ba§ 
bie fühlbaren Formalitäten bem leichtgläubigen unb bewunberaben SSolfe bie 
©teile tum SSernunftgrünben oertreten? 

§. 22. 
$iebfhU)I. 

3)ie 2)iebftat)le, bie nidjt mit ©ewalttljat oerbunben ftnb, fottten mit 
<$elb geftraft werben. SSer ftd) burd) Slnbere bereichern wiß, foKte beß 
eigenen Seftfctljumß beraubt werben. 3)a eß aber niqjt ^auftg aorfömmt, 
bafy biefeß 35erbred)en anberß, alß oon Slenben, ^Bezweifelten ober bem 
unglücflidjen Steile ber 9Wenfc^^eit bedangen wirb, bem baß Siecht beß 
<§igentljumß (ßin entfefclicbeß unb »teHetc^t ntd)t notljwenbigeß 3Red)Q nur 
baß naefte Ceben gelaffen yat: *unb ba bte ©elbftrafen bie 3^1 ber <3d)ul= 
bigen über bie ber SSerbredjer ergeben unb ba^ 33rot ben Unfqjulbigen ent* 
Riegen, um eß ben ©erbredjern \vl cjeben,* fo wäre bxt paffenbfte ©träfe 
jene Strt ber ©claoerei, welche einzig unb aHein gerecht genannt werben 
fann, b. I). jeitwetfe ©claoerei ber yerfon jur Sirbett für bie gefammte 
©efellfdjaft, um burd) leibeigene unb völlige äbljcmgtgfeit ben auf ben ®e* 
fettfdjaftßoertrag gewagten Singriff ^urürf^uweifen. SBenn ber 3Mebftaljl aber 
mit @ewalttf)atigfeiten oerbunben ift, fo fottte eine tljetlß förderliche, tljetlß 
leibeigene ©träfe oerbängt werben. Stnbere ©d)riftftetler oor mir Baben 
baß offenbare ^ißoerljaltmö angebeutet, weldjeß barauß entfteljt, ba$ bie 
©träfe für gewalttätige SMebftäljle ntd)t oon benen für bolofe oerjdjieben 
tft, inbem man baburd) auf abgefdjmaate SSßeife eine bebeutenbe ©>umme 
^elbeß bem 8eben eineß ÜWenfdjen gleic^fe^t; aber eß ift nid)t überpüfftg, 
baß gu wieber^olen, waß nod) nie befolgt worben ift. 5)ie ©taatßmapinen 
behalten me^r alß anbere bte empfangene ^Bewegung unb nehmen äu^erft 
kngfam eine neue an. Seibe oben genannte ^Seroredjen ftnb gang oer* 
fc^iebener 9trt. unb eß gilt in ber ?)olitif berfelbe ©a^, wie in ber SOwlje* 
matif: SSerfc^tebenartige ©röfcen trennt bie Unenblic^feit 



4* 



— 52 — 

' * 

§. 23. 

» 

(SfjtlofigFeik 

3>erfönlidje unb ber Qüfyct guwtberlonfenhe ^anblungcn, b. I). bte roiber 
bat ri^tmäßigen Slntijeil ber 8ld>twtg, bic ein Süraer oon bem anbern ju 
f orbern bad Srcc^t Ijat, muffen mit ©Ijrloftglett bejtraft werben, ©iejeflbe 
ift tm Seiten ber öffentlichen ÜJltßbittigung, bte ben Ängeflagten ber öffeni- 
iid^en Sufranmunjj, be3 SSertrauenö be$ SBaterlanbeS nnb ber 33rüberfdjaft 
beraubt, meld)e bte ©efeüfdjaft gleidjfant einfloßt 1 ) ©ie liegt nicfyt in ber 
SBittfür ber ©efefee. @$ tft alfo ttotijmenbig, baß bte oon ben ©efefcen 
beftimntte (g^rloftgtclt biefelbe ift, wie bk t meldbe ben Segtebungen ber Singe 
etttftmngt ober ber allgemeinen ober befonberen SSRoral, meldje legiere mteber 
Don ben 9)arttfularftftemen abfangt, bte bie ©efefcgeber ber SSoEfömeirautg 
nnb ber oon i^nen beeinflußten Stationen ftnb. 3ft bie eine oon ber anbern 
oerfdjieben, fo verliert ba8 ©efefc bie öffentlidje 3l<f)tung, ober bk Sbeen ber 
SKoral nnb ätedjtfäaffenbeit oerfdjromben, ungead)tet aller SlebenSarten, 
meldte ber SÖtadjt ber Setfpiele einen SBiberftenb entgegenfefcen. 2 ) 



*) Oft ift (Sinbilbung bie Duelle ber (Sljrloftgfeit. 3« einem &mbe wirb 
etwas für red)tf$affen gehalten, waä in einem anbern für fdjulbtg gilt. (Sbenfo 
werben Meinungen aud) burdj bk Seit »eranbert. (Sine unglütflidje Sftotbwen» 
bigfeit ift eö aber, ba% oft pbtyftfaltfcbe ®üige, ober anbere, bte man nidjt 
felbft tterurfad)t, bie (5§re oerminbern; alö wenn Semcmb einem anbern orga* 
ntfdje gebier verwerfen wollte. 9öie weit bie (Stnfalt ber #anbwerfer«3nnungen 
in biefer S^borbeit gegangen, ift traurig gu erwäbnen. 3)a$ (Singige aber, wollte 
id), Ware tbnen geblieben, baß 3)iebe, Betrüger unb wabre ©erbredjer — in bem 
©tnn, wie wir bteä Söort bte jefct angewendet — and ifjren 3nnungen aueb jefct 
nod) au$gefd)loffen bleiben müßten. 2)er 5)iebftabl ift einö ber fdjanbficbften 
SSerbredjen. weil e$ febr gemein nnb peinltdj ift unb — xotö btö ©djltmmfte 
ift — metft Unfdjulbtge tn SBerbadjt bringt. Gsä wäre nod) weit baufifler, wenn 
nid)t Seber, aud) felbft ber gemeine Sftann, feine @d)anblid)feit »on 9tatur au$ 
»erabfdjeute. ©trafen tbun oaö lange ntd)t, wa$ ^ter bie @d?anbe bewirft, weil 
ein 5)ieb m beißen für fd)impfftd)er, atö alles Uebrige gilt. (5$ wäre febv gut, 
wenn biete fdjon natürlicbe ©djanbe burdjt gefefclt<be (Sbrloftgfett nodj mebr 
toerftarft wirb, unb id) wünfdrte wobl , baß in bem 9töd)$bef bluffe wiber afltß« 
bräuebe ber $anbwerfer, n>o eö beißt: 2>aß Stfeifter, bie wegen eme$ $erbred)en$ 
ibre ©träfe auögeftanben, ober S3egnabigung empfangen, auenfaUö na<b wieber« 
erlangter Restitutio famae in bat #anbwerf üon Steuern aufgenommen werben 
follen, — wenigftenä ber 2)tebftabl aufgenommen wäre, weil eä mir »orfommt, 
al§ müßte fonft baö natürlidje ©efübl ber @d)anbe ftumpfer werben, wa§ bei 
ben #anbwerfem um fo notbiqer, ba man bäufig fie allein ju laffen gegwungen 
ift. SBenn aber ein gewiffer ©elebrter meint, baß auä bemfelben ©runbe 5>uren« 
finber ni<bt aufgenommen werben follten, foiftbaö ein ungefunber ©ebanfe, ben 
man eber »on einem gültigen ©orfftbulmeifter, aU öon einem SWanne von 
$erftaub erwartet. 2)ie ^anbwerfer felbft baben, weit Ilüger, ©ünbe unb SBer» 
bredjen gu untertreiben gewußt, inbem felbft gur Seit be§ alten Xtnwefenö 9lie« 
manb eineö fleif^lid)en Öerbrec^enä balber auö ber 3unft geftoßen würbe, fon* 
btxn bßtbftenS gur (Srgo^li^feit ber 5lnbern eine Sonne 33ier geben mußte. 

Jpommel. 

2 ) 5llle 3witterbinge ftnb ^Abweisungen »on ber Statur unb bemnadj SOHß« 
geburten. golfjli^ foKte bie allgemeine (Sittenlehre »on ber befonbern 1>ä biefer 
ober jener Station ni^t getrennt unb auö beiben fein unfeligeö ©emenge gewor* 
bvx fein, Bommel. 



— 58 — 

SBBer für djrfos foWfje ^mnbkitgen auSgiebt, welche an ftd> aletdjgtätg 
ftnb*, benimmt bic ©^rlofigfctt benen, weWfe ei in ber 2|at ftnb. 5)ie 
Strafe ber (Slploftgleit barf Weber gn Ijäufig fein, nod) mit einem SWale 
«ine $u gro§e Sln^l öon 0erfonen treffen; jene« nidjt, weil bie wirflidjen 
unb jju jjauftgen golgen oon 9Weiuung$äu§erungen bie Äraft ber SJleinung 
feibft fdfttmdjen, biefe* ntdjt, »eil bie ©jrlojtgfett «ieler ftd> in bie Seine* 
<mftöft. 

t 8eibiid)e unb f^m^afte ©trafen bürfen nidjt auf SSerbredjett gefefct 
toerben, bie — auf ©tolg begrünbet — au$ bem ©djmene feibft SRuljm unb 
tftaljrung jie^en: iljnen gekernt 8äd}erli<f}leit unb Sljrloftgreit, ©trafen, meiere 
btn ©tol$ ber ganatifer burdj ben ber Sufdjauer bügeln unb burd) beren 
3äljigfeit ftd) bte SBaMett feibft nur mit #ilfe langfamer unb beljarrlidjer 
3lnftren$ungen befreien rann, ©o bricht ber weife ©efefcgeber baburdj, bafj 
er ©emaft ber ©ewalt unb SUleinung ber SKehtung entgegenfefct, bit Sewun* 
berung unb tteberrafdjuna, in einem Soll burdj falfdje@runbfafce hervorgerufen, 
beren woljlabgeleitete Solgen iljre urtyrüngiidje Ungereimtheit oerbetfen. 1 )! 

2)a$ wäre bie 9lrt, um bit Seaieljttttgen unb bie unoeränberltdje fftatur 
ber 2)inge nidjt gu oerwirren, ba fte — oon ber Seit ntdjt begrangt unb un< 
anftyifrlid} fortarbeitenb, alle f eftgef efcten, oon iljr aber abweidjenben ^Regeln aer* 
ftört unb umftöftt. -fttdjt nur bit frönen unb angenehmen Äünfte Ijaben 
al* #auptgrunbfafc M* treue -ftadjaljmttng ber Sftatur, fonbern aud) bie tyo* 
litif felb|t, wenigftenS bie majore unb bauernbe, ift biefer allgemeinen Siegel 
unterworfen, ba fte ja nur bie Äunft ift, bit unoeränberlid)en ©efüfyte ber 
SKenfdjen beffer $u leiten unb in Uebereinfthnmung mit ehtanber $u bringen. 



§. 24. 
3ttü£tggänger. 

2Ber bie öffentliche Stolpe ftört unb ben ©efefcen nidjt pel)ord}t, b. \ 
ben SSebingungen, unter melden bie ÜRenfdjen gemeinfdjaftfcdj leiben unb 
burd) fte fidj oertfjetbigen, vm% oerbannt unb oon ber ©efellfdjaft auSge* 
fdjloffen werben. S)te3 ift ber ©runb, weswegen weife gtegierungen in bem 
©d)oo§e ber Arbeit unb beS $lei§e8 md)t jene %rt oon poiitifdjem SWufeip* 
gange bulben bürfen, ber burd) ftnftere Siebner mit ber9Jtu§e ber burdj glei§ 
erworbenen Steidjäjümer oerwirrt wirb, weldje in bem 9Jta§e notjjwenbig unb 
nüfelidj ift, ali ftd) bit ®ef ettfdjaft erweitert unb bit Verwaltung auf anraten- 
$iegt. $)olttifdjer 2Kü§iggang nenne idj aber btn, weldjer ber ©efettfe^aft 
weber burd} SRetdjfyümer nodj Strbett nüfct, ber erwirbt ogne je ju oerlieren, 
ber non ber 3ftenge mit ftumpfer S3ewunberung oere^rt, oon bem SBeifen 
1 aber mit oerä^tli(%m SKitleiben betrautet wirb , weil beffen Opfer SBef en 
finb, benen jeber Setrieb m einem tätigen 8eben geraubt ift, obgleid^ ein 
foldjer nöt^ig ift, um bte Vorteile beö 8ebenS au wagten ober $u oer« 



1 ) w 5)em (Sntljuftaämuä unb ber migüerftanbenen SfleligiottSfc^wSrmerei §alt 
feine ©träfe unb .feine golter baö ©eejengewi^t. 2)ie SlnWnger eineö fod^en 
?)^antaften mäd)en i^n $mn 3Wärt^rer unb auö feinem IBlute pflegen neue 9Ä5r« 
ferer crafsuwat&fen." SDfjicbaeiiö, Öorrebe gum fe^öten Steile beö Wto\aifättt 
Ste^te^. kommet. 



— 54 — 

gro§ern, itnb bereit gan^e Sljatrraft ftdj beti getbenfäfaften folget Meinungen 
guwenbet, bic nidjt immer bic weniger ftarfen ftnb. 1 ) 

9lt^t polittfd^ mü§ta ift ber, weldjer bic grüdbte ber Sugenben ober 
Softer ferner eigenen Vorfahren geniest unb' für wirflidjeS Vergnügen 33rot 
unb Unterhalt ber gef djjaftigen Sirmnr^ oerfauft, mel(6e frieblia} ben füllen 
firteg ber Slrbeit gegen ben Stei&tfjum füBrt, aber niqt ben ungewtffen unb 
blutigen gegen bie ©eroalt. 9liqt bie finftere unb begründe Sugenb einiger 
Genforen Ijaben biefen SJtüfjiggang 3U beftrafen, fonbern bte ©efefce. 

§. 25. 
Stobannung unb ©ütereinjteljung- 

t 6$ fdjeint. bafc bk Verbannung benen gebührt, weldje eines ferneren 
VerbredjenS angerlagt finb unb baffelbe wal)rfdjeinltdj begangen Ijaben, oon 
benen aber nidjt fejtfteljt baj3 fte wirfltd) fajulbig ftnb; aber um bteS iijun 
3U tonnen, ift ein fo wenig als mögltdj wittnrrlidjeS unb practfeS ©efefc 
ttötfjig, weldjeS ben gur Verbannung oerurtljeilt, ber bie Station in bk un» 
angenehme &lternatfoe oerfefct fyat, t&n entweber gu fürdjten ober $u belei* 
bigen, iljm aber baS Jjeilige Sfteajt läßt, feine Unfdjulb 3U beweif en. ©emidj« 
tigere ©rünbe muffen gegen ein ©taatSmitglteb. als gegen einen gremben, — 
gegen einen 3um erften SDial, als gegen einen fdjon mehrmals 33efdjulbigten 
oorliegen. t 

SBer oerbannt unb für immer oon ber ®efellfd)aft auSgefdjloffen ift, 
foll ber aud) feiner ©üter beraubt werben? SMefe grage lann oon oerfdjie* 
benen Seiten aufgefaßt werben, ©eine ©üter oerlieren, ift eine größere 
©träfe, als bie Verbannung; eS mu§ alfo gäße geben, bei benen im 33er* 
!)ältmffe ju beut Verbredjen ein SBctl ber ©üter ober alle ober gar nidjtS 
oerloren ger)t. 3)er Verluft beö ©amen wirb eintreten muffen, wenn bie 
SSerbannung bur& baS ©efefc ber Slrt ift, ba$ alte Veaietjunaen, weldbe 
gwifdjen ber ©efellf djaft unb einem tyx angetjöriaen Verbreqjer befteben, auf« 
geholfen werben: bann ftirbt baS SKitglieb ber ©efeUfdjaft, ber Sftenfdj bleibt 
aber leben, unb für bie ©efettfdjaft felbft ergeben fid) biefelben golgen, wie 
aus bem natürlidjen £obe. ©S fd)ehtt at|o f bafc alsbann bk bem ©Aul* 
biaen gehörigen ©üter oiel e^er feinem 9ted)tSnad)f olger, als bem Surften 
3ufaHen müßten, ba ber 3lob unb eine foldje Verbannung für ben ©taat 
gleid) ftnb; aber erjt in golge einer folgen ©pifcfinbigfeit wage id) bie ©in* 
Sieljung ber ©üter 3U mißbilligen. 2Benn ©inige behauptet gaben, bafc bie 
ßonftScationen ber ?)rtoat*3la<|e unb 9tnmaf$ung einen 3ügel anlegen, fo 
überlegen fte nid)t, ba§, wenn bk ©trafen audj etwas ©uteS naaj fid) jtdjcn, fte 
beSwegen ntd)t tmmer nüfclid) ftnb, weil, um baS 3U fein, fie aud) geregt 
fein muffen, unb eine nü|liq)e Ungeredjtigfeit ni^t oon bem ©efe^geber ge» 
bulbet werben barf, ber alle Pforten ber wa^famen S^rannei oerfdjUefcen 
miß, wel^e für baö aujjenblidlidje SSBo^l unb ©lud eintger #oljett bauern* 
beö Unjlütf unb unftttlbare S^ranen ga^ßofen TOebrigfte^enben bereitet 
2)ie ©utereimie^ungen fe^en einen ?)reis auf ben Äopf ber ©(^wa^en, 
laffen ben Unf^ulbigen unter ber ©träfe be$ ©d^ulbigen leiben, unb »er* 



l ) 8eccaria beutet ^ier »erfteeft auf btö SKön^^wefen ^tn, ober wie 
Bommel fagt: 2)iefer gange 9>araflrapl? ift für 9li^tfat^olif^e überflüfflg. 

SBalbetf. 



I 



— 55 — 

fefcen bie Unfdjulbigen felbft in bie traurige 9iotI)Wenbigfeit, SSerbredjen gu 
begeben, ©iebt e3 einen traurigem Stnblia, als eine ber ©Ijrloftglett nnb 
htm ©tenbe auSgefefcte gamilie, in golge ber SSerbredjen iljreS £aupte$, 
benen guoorgufommen bie oon ben ©efefcen angeorbnete ttntergebenjjeit oer« 
bietet, felbft wenn bie SRtttel bagu öörtjanben wären. 1 ) 

§. 26. 
Som ftatniliengeifte, 

5Dicfc oerberblicben nnb bodj autoriftrten Ungeredjtigfeiten würben felbft 
Don ben aufgetlarteften SWenfdjen gebilligt unb in ben freiftnnigften 9te« 
publifen ausgeführt, weil man bie ©efeUfqaft meljr als eine gamilte, benn 
als eine Bereinigung oon SRenfdjen auffaßte. ©S mögen in; einer 
Bereinigung fjunberttaufenb SKenfcben ober gmangigtaufenb gamilieu, jebe 
gu fünf $>erfonen, einfdjliepdj beS fte reprafentirten £aupteS, fein: gefdjieljt 
biefe Bereinigung nad) gamflien, fo werben in ü)r gwamiataufenb SWenf^en 
unb ad)tgiataufenb ©clauen fein, aefdjieljt fte nad) SWenfaJen, fo werben es 
bunberttaufenb Ärieger unb fein (öclaoe fem. 3m erften gaße ift eS eine 
Stepubltf, wel<be gwangigtaufenb flehte 9Jionard)ien bflben; im gweiten wirb 
ber republifanifaje ©eift niajt nur auf ben tyityin unb in ben National» 
Berfammlungen, fonbern aud) nod) innerhalb ber IjauSlidjen SKauern aäjmen, 
wo ftd) ein großer Sbeil beS menfdjlidjen ©lücfeS unb (SlenbS Dereinst 
ftnbet. 3m erften gatte wirb ftd), ba bit ©efefce unb ©ewoljnbeiten bte 
SSirfung ber gewöbnlttben ©efüljle ber Stepubltf ober beS gamiliengeifteS 
ftnb, ber monard)ifdje ©etft atlmaljiid} in bie Stepubltf felbft einfdjleidjen, 
unb feine SBirfungen werben nur burdj bie entgegengefefcten Sntereffen eines 
Seben, aber nidjt burd) ein gret^eit unb ©leuf)ljeit atljmenbeS ©efüljl ge* 
güjjelt werben. 2)er gamiltenaetft ift ein ©eift ber (Singelnljeiten unb auf 
fletne Sbatfadjen befdjränft. 35er leitenbe ©eift ber Stepublifen aber, ber 
©(faggeift ber allgemeinen ©runbfa^e, ftel)t unb tljeilt bie Sljatfadijen in für 
baS SBoIjl beS großem £6etlS midjttge £aupt!laffen. 3u einer aus gamilien 
befteljenben SRepublt! bleiben bie ©öljne in ber ©ewalt beS £aupteS, fo 
ianae es lebt, unb ftnb gezwungen oon feinem Sobe erft eine allein uon ben 
©efefcen abhängige ©jifteng gu erwarten, ©ewöfynt, fid) gu beugen unb 
gu furdjten in btm frifd)eften unb fraftigften Stlter. wenn bie ©efüljle nodj 
weniger burdj bie gurdjt ber Srfaljrung, weldie 9Wa§igung Ijcifjt, mobifigirt 
ftnb, wie fernen fte bann ben £htbermffen SBiberftanb leifien, welche baS 
Saftet beräugenb im fdjwad)en unb hinfälligen Sflter entgegenftellt unb in 
bem aud) bie Bergweiflung, je grüdjjte feiner SWu^en 3U feljen, ft^ ben fraf« 
tigen Beranberungen entgegenftettt? 

x ) ©üterein^te^ungen weaen Sfcrbredjen finb graufam unb ermutigen bie 
9ttd&ter, namenthefe bie ^abgftrige unb arme ÜRenge ber Unterrio^ter, überall 
Serbredjen gu finben. 

@tne anbere ©raufamfeit ift, ba$ wenn ber im ©efäugniffe ae^altene 9Äenfcb 
unfdjulbtfl ift, fein Ärebit unb Vermögen boo^ verloren unb fein ©efcfyäft gu 
©runbe gerietet ift. 55tSwei(en ift er auf ber golter uerrenft werben, feine 
©efunb^eit ift gerrüttet, uttb er wirb oljne ©ntfo^äbiauna entlaffen. S)aS ©efefe 
nimmt bem @o>ulbigen alleö unb reftttutrt bem Unf^ulbtgen S^i^ts. 9J?an ift 
nur gu glürflic^, wenn man i§m entf^Iüpfen fann. 

9lid)t »eroffentli^te Slnmerfung »on 5Diberot. 



— 56 — 

äBeftetyt bie Slepubli! hingegen aus SKenfdjen, fo ifi bic gamilie nuf)t 
einem $Sefeljle ( fonbern einem SSertrage untergeorbnet, unb bie ©öljue »er* 
ben, fobalb tljnen baS Stlter Unabhängigst üon ber Statur^ b. f). wm 
©d)wäd)e, ber notfjwenbiaen (Srgieljung unb ©djufc fufyert, freie Sftitg&ber 
beS@taateS unb unterwerfen ftclj bem |)aujrfe ber gamilie, um babura> an 
benfelben SSortbetlen SljeU gu nehmen, wie bic freien 9Jlenfdjen in ber 
großen ©efeHfqjaft. 

3m erftcn gatte befinben ftdj bte ©öljrte, b. Ij. ber größte unb nü^ltdbftc 
Sljeil ber ©efeßfdjaft, in ber ©ewalt ber SSäter: im gleiten befielt rein 
anbereS, gef eintägiges 33anb, tntc baS ^eilige unb unoerlefclid)e, ftd^ gegen» 
fettig bie nötmge #ilfe gu leiften unb baS ber 2)anfbarfeit für bk empfan* ' 
genen äBoJjltgaten, melmeS nidjt fowoljl burd) bk ©djledjtigfeit beS menfd)* 
lidjen ^ergenö, als burdj eine jdjledjt oerftanbene, oon ben ©efefcen oorge* 
fdjriebene Unterwürfigfeit gerftört wirb. 

©oldje SSiberfyrüdje gwifdjen ben gamilien* unb §unbamental*®efefcen 
ber SSepublil fmb eine frudjtbare ßueHe anberer SBiberfprüdje gwifdjen ber 
IjäuSltdJen unb öffentlichen 9Roral unb ergeugen beSljalb einen beftanbigen 
(Sonfltct in bem ©eifte eines \tbtn SKenf^en. £)ie erfte flößt Unterwerfung 
'unb gurdjt, bie gweite 2Kutl) unb greift ein. Sene leljrt baS 3Boljltl)un 
auf eine fleine 3lngal)l oon ^Perfonen oljne eigene SBaljl befdfjränfen, biefe es 
auf alle SSKaffen ber 9Kenfd$eit auSbetynen, jene befiehlt ein fortw&brenbeS 
Opfern ber eigenen 5>erfon einem eitlen ©öfcen, ber gamiiienglüa f)etßt, 
welker oft ntdjt baS Söoljl eines @ingigen ber gu tljr ©eljörenben btlbet; 
biefe lefyrt ben eigenen Sportteilen bienen oljne baS@efe£ gu beleibten ober 
jpornt an, ftdj bem SSaterlanbe gu opfern für ben $)rei$ ber 33egeifterung, 
ber bk Sbat im SSorauS frönt. 

©oldge ©egenfäfce oeranlaffen bte SSKenfdjen ftdj unwillig oon bem äSege 
ber Sugenb abguwenben, bie fie oerbüllt, oerwicfelt unb fo entfernt finben, 
baß fie aus ber 5)unfel^eit ber plfojtfdjen wie moraltfdjen 5)inge §ergu* 
ftammen fdjemt. SBie oft erftaunt ber SMenfdj, wenn er an feine Saaten 
gurüdbenft, ftdj unreblidj gu ftnben! 3n bem SJerljältmß, wie ft$ bie-@e* 
feßfdjaft oeröoppelt, wirb jebeS SDWtglieb ein Meuterer Sljeil beS ©attjen, 
unb ber republtfanif^e ©eift oerminbert ftd} proportional, wenn bie ©efefce 
nidjt (Sorge tragen, tbn gu oerftärfen. 2)ie ©efellfc^aften Ijaben, wie bk 
menf^li^en Äörper, iljre beftimmten ©rangen, warfen fte über biefe IjinauS, 
fo wirb ber Suftanb not^wenbigerweife erf^üttert. 5)ie ©röfie eines Staates 
fc^eint im umjefe^rten SSer^altniffe gur (Smpftttbli^feit feiner Steile gu 
fte^cn, fonft würben beim SBadtfen beiber bte guten ©efefce, welie bin 33er« 
breiten öorbeugen follen, in bem oon iljnen ergeugten ©uten felbft ein $in* 
bmiifc ftnben. ®ine gu gro§e Jßepublif bewahrt fid^ oor Dem 2)efpotilmuS 
nur wenn fie ftd) wieber t^eilt unb gu göberatiorepublifen oereint. Slber 
wie fann baS gefajdjen? 6s müßte ein befpotif^er 55ictator fein, ber ben 
9Rut| beS ©ulla unb baS ©enie mm Slufbauen befi^t, baS jener gum 
Serftören batte. Sft ein foldier 9Renf(^ e^rgeijig, fo erwartet üpt ber SRu^m 
aller Saljrljunberte, ift er ^^ilofop^, fo tröften i§n bk Siegungen feiner 
SKitbürger für ben SSerluft ber ©ewalt, wofern er nur gegen ifjre Unbanf* 
barfeit m$t glei^giltig geworben ift. 3n bem SKaße, wie bie ©efütjle, 
welche uns mit ber Station oereinigen, fd^ärfer werben, warfen bie für bie 
uns umgebenben Singe, unb beS^alb ftnb unter bem jtärferen 2)efpotiSmuS 
bk greunbfd)aften bauernber unb bie immer mittelmäßigen gamilientugenben 



- 57 — 

futb bie gemo|ttli$ßen ober vbämtfyt bte eingtoen. £terau8 fatm Scher feljen, 
wie befdjranft bte Stoppten bed größten Steife ber ©efeßgeber finb. 

§. 27, 
©Jilbe ber Strafe. 

2)odj ber Sauf meiner ©ebanlen Ijat midj über meinen ©egenftanb 
Jjinauögetragen, gu beffen (Erörterung idj ^urücffeljren mu§. «ßß ben größten 
©ämmen gegen bte SBerbredjen gehört md)t bie ©raufamfeit, fonbern bte 
ttnfeljlbarfeit ber SBefen, alfo aud) bte SBadjfamfeit ber Seamten unb jene 
(Strenge eines unerbittlichen JRic^tcrö ^ bie — um eine nüfclidje Sugenb gu 
fein — oon einer milben ©efefcgebung begleitet fein muß. 2>ie @emi§ljett 
einer wenn aud) mäßigen ©träfe wirb immer einen größeren (Sinbrucf 
maAen, als bie gurd)t oor einer gröftern, an bie ftdj aber bie Hoffnung auf 
bk Sföögüd)feit eines UnbeftraftbleibenS fnüpft 2)e$|alb erfd>re<f en felbft bte 
fleinften Uebel, fobalb fte gemi§ finb, bte SUlenf^en ftete, unb bie Hoffnung, 
baö göttliche @efd>enf, weldjeS oft bie ©tette alles Stnbern oertritt, entfernt 
immer btn ©ebanfen an größere; namentlidj wenn bk ©traflofigfeit, meldje 
©eig unb ©d>wädje oft bewilligen, bie ©ewalt oer(jrößert. 6ben biefe ©rau? 
famfeii ber Strafe bewirft cö f baft ber, melier eine gu erwarten bat, üjr 
um fo meijr au$ bem SBege gu geljen fud)t, je größer baS Uebel ift; beö» 
Ijalb Bcpc^t er nod) mehr SJerbredjen, um bem einen gu entfliegen. 

3)te Sauber unb Seiten ber milbeften ©trafen waren immer bk ber 
blutigften unb unmettfdjlid)fien £anblungen, mäljrenb ber ©eift ber SBübljett 
felbft, welker bie ^>anb beS ©efefcgeberö füljrt, audj bie bcö 3Sater* ober 
2Reud>elmörber3 leitete. SSom Sljrone würben eiferne ©efefce wilben ©da* 
oenfeelen gegeben, meldje geljord^ten unb in bunfler Verborgenheit iljre Sty 
rannen fdjlad)teten, um neue gu f djaffen. 

3e graufamer bte ©efefce werben, befto harter wirb baS menfdjlidje 
©emütlj, btö gletd) ben glüfftgletten ftd) mit ben umgebenben ©egenftänben 
fteiS tn'S ©letd)gemtd)t fefct, unb bie ftets lebenbige ©ewalt ber Setben* 
fäjaften bewirft, ba% nad) Ijunbert Sauren graufamer 33eftrafung btö Stab 
mdjt meljr ©djreäen einttö&t, als fonft baS. ©efängniß 1 ). 2)eSt)alb erretdjt 
eine ©träfe ifjren 3wcd, fobalb baß Uebel ber ©träfe ben f djeinbaren SSortfyeil 
be$ SSerbredjenS überfteigt, unb in bief em Sflteljr mu§ aud) bk Unfeljlbarfeit ber 
©trafen unb ber ©uteroerlufte — bie Solgen beS SSerbredjenS — mit be* 
rennet werben. StUcö Stnbere ift alfo überjiüfjtg unb baljer tyrannifdj. 

5)ie 9Renfdjen rieten ftd) nad) ben mteberljolten SSirfungen ber UebeL 
weldje fte lernten, aber nidjt nad) benen, bie fte nidjt fennen. 9Ran ftette ftd) 
gwei Aktionen oor, bei beren einer in ber Stufenleiter ber bm SSerbredjen 
an%q>a%ttn ©trafen bie arö§te ©träfe immermäljrenbe Äned)tfd)aft unb in 
ber anbern beß 9tab fei, fo — fage id) — wirb bie erfte eben foidje gur^t 



2 ) 3(^ glaube bteä ntdjt. 5)te ©ewo^n^eit beö Seibenö »erwartet c^ne Swetfel 
bie Seelen, wie bie ^ärte ber Regierung ebenfalls; fobalb aber ber Suftanb ber 
Unf^ulb fattft unb ru^ig fein wirt), werben bte ©trafen für bie ^erbredjen 
fd)re<fen, o^ne gu vergärten unb wirb man ftd) ntdjt mit ber Sbee befreunben, 
Änocben gu gerbred)en unb in ber ©träfe gu fterben. — 3^b bin gang unb aar 
nidjt gegen bie 3lnft<fyten beö SBerfafferä über bie unnüfee ©raufamfeit ber 
©trafen: üb.befämpfe nur feine ©ritnbe, ni(^t feine ©runbfäfce. SDiberot. 



— 58 — 

V 

oor xfytx f Awerfien ©träfe, wie bie gweite ljaben, unb wenn e$ einen ®runt> 
gtebt, um Bei ber erften bk l)öd)fte ©träfe ber gleiten ein$ufül)ren, fo wirb 
berfelbe ©runb bagu bienen, um bk ©trafen ber gmeiten p oermeljrett. in« 
bem man unfüljlbar oon btm Stabe gu banernbem unb auSaefuaftern 
Qualen übergebt unb fdjliejjlidj gu ben Jjödjft Taffinirten ber ben abrannen 
nur gu woljl befannten SBiffenfdjaft. 

3wei anbere oerberblidje golgen entfpringen ber ©raufamfett ber ©trafen, 
weld)e bem ©nbaiele, bie SSerbredjen gu oerljinbern, gerabe eittgegengefefct 
fmb. 3Me erfte ift, ba§ eö nidjt fo leid)t ift, btö gwifqen ben SSerbredjen unb 
bm ©träfe nötige 33erbaltm§ inne gu fytlten, benn welche Ijödjfi oer* 
f&tebene Slrten öon ©trafen aurf) immer eine fleißige ©raufamfett erbadjt 
gaben maa, fo fönnen fie boti) nidjt ba$ äufcerfte 9föa§ überfdjreiten, auf weldjeS 
bie menfmüÄe Drganifation unb ©mpfinblidjfeit befdjränft ift. ©obalb man 
biefen äufterften ?)unft erreicht Ijat, fo mürbe man für nodudjretflidjere unb 
fdjmerere SSerbredjen feine entfpredjenbere, Ijöljere ©träfe finben, um berfelben 
oorgubeugen. 2)te anbere golge ift bie, ba§ au& ber ©djwere ber ©trafen 
bie ©traflofigfett feibft folgt. 2)ie 9!Henfd)en fmb innerhalb beftimmter 
©rangen im&uttn, mie&öfen, eingefdjloffen; unb ein für bie SKenfÄbeit 
gu entfe#(td)e8 ©djaufyriel fann nur etne öorübergeljenbe SButlj, aber rem 
beftanbigeö ©ijftem fein, wie cö bie ©efefce fein f ollen; finb fte mtrfüdj 
grauf am, fo beftefjen fie nidjt lange ober gießen eine oerberblid^e ©traflojig* 
reit nadj fid). ' 

3Ben ergreift nidjt, wenn er in ben Südjern ber ©efdjtdjte lieft, Snt« 
efcen oor ben barbarifdjen unb unnüfcen Qualen, weldje oon SBlenfdjen, bie 
tdj SBeife nannten, mit Ueberlegung .erfonnen unb ausgeführt mürben? SBer 
üglt ftdj nify an ber empfmbliqjften ©teile gefranft, wenn er bieSaufenbe 
non ttnglücfltdje'n fieljt, weldje baö Slenb — gewollt ober gebulbet öon ben 
©efefcen, bk ftetS bie SBenigen begünftigen unb bie SWenge oerlaffen — gu 
einer oergwetfelten Siücffcljr gu bm erften 9iaturguftanbe getrieben Ijat, ent* 
weber weil fie unmöglicher unb Don furdjtfamer Unmiffentjeit erbauter 33er* 
bredjen angeflagt ober nur fdjulbtg waren, treu ibren eigenen ©runbfäfcen 
gu bleiben, angeflagt oon SRenfdjen, weldje biefelben ©inne unb alfo audj 
biefelben ?eibenfdjaften beftfcen, mit woljl ausgebauter ©raufamfett, unb ger* 

Seifet oon langfamen SWartem, einem ber fanattfdjen 9Renge angenebmen 
abliefe? 

§. 28. 
95on ber $obe$ffrafc. 

3)iefe unnötige JReiA^altigfeit ber ©trafen, weldje bk SUlenfc^en nie 
gebeffert, fyat mic^ veranlaßt, p unterfud)en, ob bie Sobeöftrafe in einer 
moljl organifirten ^Regierung wtrfli^ geregt unb nüfclidj ift. SUlit welkem 
Siedjte ma§en es fxfy bk 9Jtenfdjen an, t^reögleic^en gu tobten? ©idjerltdj 
nid)t na(^ bem, auö welkem bie ©ouoeränität unb bie ©efefce entfprangen. 
©iefe ftnb nur bie ©umme ber fleinften Steile ber jebem ©ingelnen ent« 
gopenen greiljeit unb ftellen bm aKgemeinen SBiHen bar, ber ein Stggtegat ber 
Stngelwitlen ift. SBer mö^te aber woljl einem Slnbern bie 6ntfmeibung 
übertragen, i§n gu tobten? SBie fann in bem fleinften Dgfcr ber Srct^cit 
eincö 2>tbtn btö größte oon allen 8ebenögütern mit einbegriffen fein? 1 ) Unb 

2 ) »3u üief ©trenge gegen einen ©djulbigen empört bie ü)Jenfd)$ett, «nb 



i 



— 59 — 

felbft wenn e$ ber gdll wäre, wie fann biefer ©afc mit bem anbem über* 
ethftimmcn, baß ber SÜtenfA nid)t £err über fein &ben i[t ober e8 uttbt 
fein fotlte, wenn er einem Slnbem ober ber gangen ©efeflfdjaft biefeS 9te<$t 
gegeben Ijat? 

2)ie SobeSftrafe ift alfo lein 9te<bt unb lann aud) — wie id) be* 
wiefen Ijabe — teineö fein; fonbern fte ift ein Ärieg ber Station gegen einen 
33ürger, beffen Sobtung fie für nüfclid) ober notnig tyalt: fobatb id) nun 
aber gegeigt fjaben werbe, baß ber Job weber nötnig, nod) nüfclid) ift, fo 
werbe id) für bie ©ad)e ber SDtenfdjljeit geftegt Ijaben. 

2)er &ob eines 33ürger8 lann nur unter gwei ©rünben für noüjwenbijg 
gehalten werben. 3)er erfte ift, wenn er trofc ber Beraubung ber greiljeit 
nod) foldje Regierungen unb SORaAt unterhalt, ba$ bie ©idjerfjeit ber Nation 
babei intereffirt tft: wenn fein Seben etne gefätyrüdbe Umwälgung in ber 
feftgefefcten SftegierungSform nad) ftd) gießen lann. 3)er Job eines folgen 
feüraerö wirb alfo notijwenbig, wenn bk Station auf bem §)unlte fteljt, 
i|re ftreiljeit wiebergugewinnen ober gu oerlieren, ober in Seiten ber 9lnard)te, 
wenn ttnorbnungen an ©teile ber ©efefce getreten ftnb; bodj unter ber 
ruhigen #errfd)aft ber ©efefce bei einer JRegterungSform, gu ber ftd) bk 
©timmen ber Station Bereinigt jjaben, wofyl gefdjüfct nad) außen urib innen 
burd) bie SDtadjt unb burd) bte ^Meinungen, welche trielletdjt nod) t^atfräf» 
tiger. als bk SDtadjt felbft, ftnb, wo bit £errfd)aft nur bei bem wabren 
4)errfd)er ift, wo bk Sfeidjtjjümer ©efallen, aber niajt Slutorität oerfdjaffen, 
felje id) leine Stotljmenbiajfeit, einen Sürger p tobten, wenn fein Zob nid)t 
etwa ber waljre unb eingtge 3ü$el ift, um bte Stnbern baoon gurüdguljalten, 
SJerbredjen gu begeben: ber gwette ©runb, nad) btm idj bie SobeSftrafe für 
gerecht unb notljwenbtg Ijalte. 

3Baö bk Srfaljrung ber SaMunberte aber anbetrifft, fo ift bk SobeS* 
ftrafe entfdjloffenen Scanner nie Seranlaffung aeworben, um oon einer 33e* 
leibtgung ber SRenfdbbeit abgufteljen; fottte ba$ feeifniel ber römifdjen 33ürger 
unb ber gwangig megierungöja|re ber Äaiferin ©lifabetlj oon Stußlanb, 



nad) ben ©afcen beS Staturredjteä ift e$ nid)t völlig entf Rieben, bte gu welchem 
9>unft bau geben eineö 5ttenfd)en in ber ©ewalt Der Slnbern ift." 

33aron «telefelb, g>o*tttfcbe$ 3nftit. <5ap. IV. 
3öeil btö geben baä größte aller ©üter ift, bat Seber gugefttmmt, bah bie 
©efellfdjaft btö S^cd&t bat, eö bem gu nehmen, ber eä einem Inbern nehmen 
würbe. £>bne Swetfel bat aber Stiemanb bcr ©efcllfcfcaft btö SRcdbt einräumen 
wollen, tfym ba$ geben auf jeben ©runb bin gu nebmen; ba aber Seber beftrebt 
ift, basf eigene gu erbalten unb Stiemanb für fid) ben SBiöen üorauöfefet, eö 
einem Slnbern gu rauben, fo bat er nur ben Stuften ber <Iobe$ftrafe in 33egug 
auf bie Söabrbeit, bie ^öertbeibigung unb bie 3l|nbung beö ©taated im Singe 
gehabt. @ö ift feiebt gu begreifen, ba$ ber SMenfd), welker fagt: w 3* ftimme 
gu, baß man mir ba$ 8eben nimmt, wenn id) c^ einem 5lnbern gu rauben fudje," 
gu ftd) felbft fagte: „3<^ werbe e3 aber ni(^t »erfueben; be^alb ift alfo baö 
©efeft für, nid)t geg,en mieb." S)iefev Vertrag ift fo wobl in ber Statur begrün- 
btt, ba$ man ibn Raufte; in ©e^aratgefettfebaften, g. 53. bei 5Serf(bworungen, ab- 
fdMefjt, wo man fd^wort, ftfy in bem Glitte beffen gu baben, ber ba$ ©etjeitnniß 
entbüllen werbe. 2Ba$ bie ©ered^tigfeit btcfcr ©trafen anbetrifft, fo grünbet fte 
ftfy auf bie Uebereinfunft unb ben 9lufcen ber ©efammtbeit. Sft fte not^wenbig, 
fo ift fie au<b geregt: man muß alfo untevfueben, ob fte not^wenbig ift. 

2)tberot 



— 60 — 

töeldje bcn SSätern her SSöffcr 1 ) jene* berühmte SSeiftnel gab, ba$ bei Ski* 
tcm bte ötclen burd) ba$ 33lut ber ©öljne be§ Saterlanbeä erworbenen @r* 
oberungen übertrifft, bte 9Renf d)en md)t überzeugen, welken bie ©pradje 
ber SSernunft immer oerbäd)tig unb bie ber Autorität rtdjtig erfdjemt, p 
genügt eine grage an bie menfd)ltd)e 9iatur, um fie ber SBa^r^eit meiner 
Seljauptuttg $u »ergewiffern. 

6ö ifi ber Swetf ber ©träfe, auf ben menfd)lid)en ©eift nur burdjf 
iljre 2)auer ben größten Sinbrud gu madjen, weil unfer ©efüljl leichter 
unb einbringltdjer burd) bie fletnften, aber wieberljolten ©inbrüde, als burd) 
etnen ftarlen, aber oorübergefjenben bewegt wirb. 2>ie &errfdjaft ber @e* 
wofjnljeit erftreeft ftdj überhaupt über alle füljlenbe SBefen, unb wie ber 
SRenfd) mit iljrer £ilfe fpridjt, gefyt unb feine SSebürfniffe befriebigt, fo 
prägen ftdj auä) bie moralifAen Sbecn btm ©eifte nur burd) bauttnbt unb 
wieberbolte 3>ro3effe ein. 9tid)t ein fdjrecfitdjeS, fonbern ein oorübergeljettbeS 
©d)aufpie( ift ber Sob eines SSerbreajerS, aber baS lange unb an^altenbe 
SBeifpiel etneö ber greiljeit beraubten üöienf d)en, welker jum Saftt^iere ge* 
werben, entfdpbigt burdj feine ÜRüljen bit oon i!jm beleibigte ©efellfdjcrft: 
unb bieö ift etn Diel fräftigerer 35amm jjegen bie SSerbredjen. 2)er nafy 
brütflidje unb in uns felbft feljr oft wteberljolte ©ebanle: „3dj felbft 
werbe $u ber lang anljaltenben unb elenben Sage oerurtgetlt, 
wenn id) ein äljttlidjeS SSerbredjen begebe," ift niel wirffamer, als 
bie 3bee beö $obe$, welken bie SRenfdjen ftetö in bunfler ©ntfernnng oor 
ftdj feljen. 3)ie SobeSftrafe madjt einen 6inbrud, welker trofc feiner ®c* 
walt nidjt bem fdjneltcn, natürlidjen SSergeffen beö 9Renfd)en felbft in 33e$ug 
auf wichtigere ober burdj bie Seibenf^aften oerftärfte S)inge oorbeugt. 
Stilgemeine Siegel: Sie heftigen Aufregungen überragen ben 9Jienfd)en, 
aber nidjt auf lange Seit, unb finb beSljalb geeignet, nur foldje SSeränbe* 
rungen IjerDorgurufen, welche aus bem gewöljnlid)en SRenf d)en wetdjlidje 



*) 3$ weiß nt^t, wie bie ©rofcen ber (Srbe auf ben &mbftra§en, bie fie 
felbft befahren, bie ©djeufafe beä ©afgenö, ber 9täber unb bie gerftetfdjten ®e» 
rtype anfeben !önnen. 2Babrlicb ein fd)oner Spufc für ein &mb. (Sine prächtige 
Sterbe ber ©trafen, auf oeffen beffere ^raebt unb SBerfdjonerung bie Körner fo 
ungeheuere ©ummen oerwenbeten, fte mit SÖHbfaufen ton (Srj unb Marmor ju 
gieren unb mit Räumen gu befefcen. 2öir »ufeen unfere ©tragen mit ©alcien 
unb !Rab: fcbretfltd)e ©enfmäler ber Barbarei ber Söenben unb ©otben. 3^ 
würbe fte alle in einem Sage wecibred)en unb bafür fcinben unb (Sieben fe^en 
laffen, unter benen ein gelehrter Sit^ruö etnft ftngen fonnte: 

Magnus ab integro seclorum nascitur ordo. 
Jam redit et Virgo et Saturnia regna, 

ÜWftffen ja bte 9ftif[etbäter »on 33b\te(n gefreffen werben, nun fo ftetle man 
btefe ÜWapljeiten bodb wenigftend etwaä in beiö 5)un!eie. 5lber bie 33lutri<fyter ber 
oorigen 3eiten baben fie in baö ^elle gebracht, um mit ber ibnen verliehenen 
5D2ad)t einen bte 9Wenfd^beit mabnenben ^)runf p treiben, ©leicbtoobl aber, 
fpricbft 2)n r f^rerfen fte bod? ab, unb futb oortreffltcbe $Popanje. 2)te?er Einfalt 
bed finbif^en &(terö muft man lachen. 5)er 3trme bat gu ber Seit, ba er an bem 
©algen oorbetwanbert^ nod) nic^t ben SßtUen ju fteblen, unb wenn er tfjn bat, 
gebt er eben nicfyt oor bem ©algen oorbei. Unb wenn bem aud) fo wäre, fo 
mer!e man bo^, xoaö i(b fo oietmalö erlebt unb aus Sitten erweifen fann, baß 
fogar bei ber Öjcecution, wenn ber S)ieb gebangen warb, unter bem ©algen 
geftoblen würbe. $ommel. 



— 61 — 

9>erf er ober Ijarte 8acebämonier madjen : aber unter einer freien unb ruhigen 
0lceicnmg folten bie (Sinbrüde meljr Ijäuftg, als ftarl fein. 

2)te Sobeöftrafe wirb für ben größten Sljetl an einem ©djaufoiel unb 
für ©inige gu einem mit SBeradjtung gemifdjten ©egenfianbe be$ SftitietbS; 
btefe beiben ©efüljle bemadjtigen ftd) meljr ber ©eele beö SufdjauerS, alö 
bte Ijeilfame guregt, bte ba$ ©efefc einzuflößen bebaujrtet. S3et jenen ge- 
mäßigten unb antyaltenben ©trafen aber tft ba$ ijerrfdjenbe ©efüljl ba$ lefcte, 
weil e$ btö eingige ift. S)ie ©rfatge, meldje ber ©efefegeber ber ©djwere 
ber ©träfe fefcen fott, fdjemt immer ba$ ©efüljl be$ SKttleibS gu fein, weil 
e$ über aüe anbern im ©eifte ber Sufdjauer bei einer £inrid)tung obgufiegen 
beginnt, bie meljr biefer, al$ beö ©djulbigen wegen gefdjiebt. 

S)axnit eine ©träfe geregt fei, barf fte nur jene ©rabe ber ©tarfe 
^aben, meiere genügen, um bie 3D?enfdjen öon ben Serbredjen gurütfguljalten; 
nun giebt e$ aber feinen SHenfdjen, meldjer nad) einiger tteberlegung gwet* 
fein rann, ob ber gange unb* ewige SSerluft ber eigenen gretljeit burqj bie 
SBortbeile irgenb eines SerbredjenS aufgehoben werben !ann: baljer Ijat bie 
Slbftdjt, lebenölänglidje ©claoerei ber SobeSftrafe gu fubftituiren, genügenbe 
Äraft, um einen entfdjloffenen ©eift gurücfguljaltenj 1 ) icf) fefce jjingu, fte 
Ijat nod) meljr: bie metften betrauten btn Job mtt ruhigem unb feftem 
Slitfe, tljetlS au$ ganatiömuS, t^etB aus ©itclfeit, bte ben SWenf^en faft 
immer bis gum £obe begleitet; t|eil£ auö einem legten unb oergmeifelten 
SSerfudje, nidjt am ?eben gu bletben ober bem Slenbe gu entgegen; aber 
weber bie ©itelfeit, nod) ber ganati&nuö bleiben unter Äetten unb Sanben, 
unter ©plagen unb bem Sodje in einem eifernen Ääftge, unb ber SSergwei« 
feite enbigt nidjt, fonbern beginnt feine üble Sage. 

Unfer ©eifi wiberfteljt meljr ber ©ewalt unb ben Ijeftigften, aber 
oorübergeljenben ©c^merjen, als ber Seit unb bem unauffjörlidjen Änmnter; 
weil er, fo gu fagen, tm erften gaHc ftd) oöttig gufammengieljt, um gu 
miberftejjen; wäljrenb bieÄraft feiner (Slafticität ntcfct genügt, um bk lange 
unb wieber^olte £ljati(}fett beä gweiten galleS auSgugalten. Sei ber Sobeö* 
ftrafe fefct jebeö Seifptel, weld)e$ ber Station gegeben wirb, ein SSerbred^en 
oorauö; bet ber ©träfe lebenslänglicher ©claoerei giebt ein eunigeS 35er* 
faedjen feljr Diele unb bauernbe 33eifpiele, unb wenn eö rtdjtig ift, baß bk 
3Kenf<fcen oft bie Sföadjt' ber ©efefce erfennen, fo bürfen bie gälle ber 
SobeSftrafe einanber ntd)t fem fein: folglidj fefcen" fte bie Ijäujiae SSieber* 
^olun^ biefer 33erbredjen oorauö. ©amit eine ©träfe nüfcltdj fet, muß fte 
auf bte 9Wcnf(^en ben gangen 6inbrudf mad^en, ben fie maegen foH, biefe 
mad)t aber ben, baß fte gu gleidjer Seit nüfc unb ^unnü^ fei. SSer 

x ) 3^ benfe ebenfo, unb e3 ift unmoali^, bk »om SSerfaffer gegebenen 
©runbe ttidbt anguerfennen; bodj i^ bemerfe noc^, ba% er unb gwar mit Oledbt 
bem SBerbredjer gegenüber auf fein $)ringty ber 3)Ulbe unb SWenf^lic^feit »er- 
giftet. 3n Letten, unter ©djlägen, tn (Sifenfeffeln enbet bie #er« 
}weifluna feine Seiben niebt, fonbern beginnt fte. 2)iefe3 ©emalbe 
tft entfej&Ücber, alö ber 3lnbli(f unb SftobuS, unb bte barauö felgenbe ©träfe ift 
in ber £ljat graufamer, alö ber graufamfte $cb. 5lber weif er häufige unb 
bauernbe S3eifpiele bietet, mat^t ifen feine SßBirfung wünfc^enäwert^er, aU 
bte Sobeäftrnfe, bie nur einen ^ugenbltcf bauert, unb auf bie entf djtoffette ©er= 
bre^er gar gu bäufig rennen. 3)ieö ift meiner §fafidjt na* ber befte ©runb, 
um bem 3Rorbe dne lange unb fdjmergljafte ©claöetei »orgugte^en. 

©iberot. 



— 63 — 

fagcn mödjte, baß lebenslängliche (Seilerei f* f$met$aft wie ber $ob ift 
unb alfo ebenfo graufam, btm antworte tdj, ba| warn nun ade unglüa* 
ltdjen antriebe ber ©claoeret jufammenre<f)net, fte es »ieffei<$t v«fc meljr 
ift; aber biefe oerbreitet ftd) über baS gange Beben, wäljrenb jene ffte gcuqt 
Äraft in einem Stugenblide ausübt; unb ber 9$ortf)eil bei ber ©träfe ber 
©claoerei ift ber, ba§ ber fte mebr furztet, ber fte fteljt, als ber fte Ictbct; 
weil ber erfte bie gange ©umme oer Reiben auf ein 9M in 33etrad)t gteljt, 
watyrenb ber zweite burdj baS augenbluflidje ttnglüc! oon beut gufünftigen 
abgezogen wirb. * 9(tte ttebel oermeljren ftd) in ber (Shtbilbung, waljrenb ber 
8etbenbe oon beut 3nfd)auer nidjt gefannte unb ni<f)t geglaubte Hilfsquellen 
unb Sröftungen finbet, »eil biefer bie eigene <Smpfinblid)feit beut oettyärteten 
@emütl)e beS ttnglüdlidjen unterfdjiebt. * 

©o ungefähr wirb ber ©ebanfenlauf eines 3)iebeS ober SWörberS fein, 
ber nur ®algen ober Stab als ©epengemt^t gegen eine ©efefceSübertretung 
fennt. 3d}~ weiß, ba§ bie ©ntwtcfelung ber eigenen ©efüftle eine Äunft 
ift, bie fta> mit ber ©rgieljung lernt; faitn aber ein Stauber »on feinen 
©runbfafcen aud) feine 8tea)enfd)aft geben, fo wirfen fte bodj nidjt weniger auf 
tljn ein: 

„Söie lann tdj bie ©efefce adjten, weld>e einen fo großen 
Unterfdjieb gwtfdjen mir unb bem Stetdjen laffen? 6r oerwet* 
gert mir ben ©rofdjen, ben td) erbitte, unb entfdjulbigt ftdj 
bamit, baj er mir eine Slrbeit auferlegt, bie id) nid>t fann. 
5Ber Ijat foldje ©efefce gemadjt? Steige unb madjttge Sföenfdjen, 
bie es nie ber Sföülje für wertlj gehalten Ijaben, bie traurtgen 
^ütten ber Ernten gu befugen, ntc ein oerfdjimmelteS 33rob 
unter bie unfdjulbigen ©djaaren ber verhungerten Äinber ober 
ben S^ranen ber SSRutter auSgctbeilt Ijaben. Sßir wollen biefe, 
ber großem SUlenge fdjäblidjen (Sefefee bredjen, jumal fie nur 
einigen wenigen unb unoerfdjamten S^rannen nüfcen, unb bie 
Ungeredjtigf ett bei ber SBurgel angreifen. SA werbe gu meinem 
Sujtanbe natürlicher Unabbängigleit gurütffeljren, iefj werbe 
einige Seit frei unb glüälict) oon ben grüßten -meines SfJtut^eS 
unb gleißeS leben. 2)er Sag beS ©d)tnergeS unb ber Sfteue wtrb 
oielleid)t lommen, aber es wirb nur furge Seit bauern, unb iä) 
werbe einen Sag ber ßual für oiele Saljre ber greiljett unb 
greube burd)leben. Äönig einer fleinen 3<tfM, tt»iU id) bit §elj« 
ler beS ©lüdeS oerbeffem unb bie Sgrannen oor ber ©egen* 
wart beffen erblaffen unb gittern feljen, welken fie mit un» 
oerfd)amtem £od)mutlje iljren 9>ferben unb Qunbtn nadjgeftellt 
l^aben." 

Sringt bann bk SReli^ion in ben altes mipraudjenben ©eift beS 3Set> 
breAerS ein, fo giebt fie tljm baS ©(^auffiel einer leisten ©träfe, einer 
gewiffen ©imer^eit auf ewiges ©lud unb oerminbert um oieleS ben ©d^retf 
beS lejten SlfteS ber Sraurtgfeit. 

Ser aber" oor ftd) oiele Sa^re ober otelleidjt ein ganjeS $tbtn fteljt, 
meines er in ©claoerei unb Äummer Slngeft^tS feiner SKitburger gubrinjen 
mu§, mit benen er frei unb gef ellig lebt, ©claoe ber ©efefce, weldje tljn 
befd^ü^ten, madjt eine nü^li^e SSergleicbung gwifc^en allem biefen unb ber 
Ungewipeit beS SfoSgangeS feiner SSerbre^en, wie ber Äürge ber 3eit, 
wa$renb weiter er bte grüßte jener genießen lann. 2>aS unuuf^örlic^e 



— 63 — 

Seiffriel betet, weMje er ofe wirflidje Dpfer ber eigenen Unflugljeit fie^t, 
-mocfyt einen ntel fffirfern ©tnbrud onf üjn, aU ber StnMid einer £tnriqj* 
tung, bie tljn mebr uerljartet, als beffert. 

fWtd^t nüfclid) ift bie Sobeöftrafe audj in golge beö SSeityieled oon ©rau* 
famfeit, meines fte ben 9Renf4en atebt 1 ) SBenn bie 8etbenf haften ober 
bte Sftotbwenbigfeit be$ ÄrtegeS 5Keni^enBiut $u »ergießen gelehrt jjaben, fo 
fotten bte ©efe£e, bie Reiben ber äuffuljrung ber SKenfdjen, nidjt jenes 
graufame 33eifpiei »ergrößern, baö um fo büfterer ift, mit je größerer ©tn* 
btttljeit unb gormalität bie SobeSftrafe burä> boö ©efeft oouftreeft wirb. 
@$ fd>eint mir ungereimt, baß bte ©efefce, toelc^e ber Stebrutf be8 offent* 
lidjen SBtttenä ftnb nnb ben SJlenfdjenmorb »erabfdjeuen unb bestrafen, üjn 
felbft begeben unb f um bk SSürger vom SMorben gurütfauljaltett, einen 
öffentlidjen 9Worb befehlen. 3Beld)eö ftnb bit magren unb nüfclidjften @e* 
jefce? ®ie Verträge unb Sebinpungen, weldje 9We norfdjlagen unb be* 
obadjten woEten, unb in benen bte ftets geborte Stimme ber $)rinat*3nter*. 
ejfen fdjweigt ober ftdj mit ber ber Deffentltdjleit oereint. Söaö empfittbet 
etn Scber bei ber Sobedftrafe? äöir fönnen eö auö bem Unwillen unb ber 
SSeradjtung f daließen, mit welker Seber ben genfer betrautet, ber nur ber 
unfdjulbige SSoHfirecfer be$ öffentlichen 3Bitten3 ift, ein guter 33ürger, ber 
$um ©taatSwoljle beitragt, baö ber öffentlichen ©idjerfjett notljmenbtge SBerf* 
geug nad) innen, wie bte fräftigen ©olbaten baö nadj außen. 8 ) SBoljer 



*) (So Ijetßt bie 9Renfd$eit erniebrtgen, wenn man (Sinem btö $anbwerf 
aU genfer auftragt, unb e$ tft unbegretfbar, 9ftenfd)en au finben, wefd&e für 
iljre ^erfon btefe (Srttiebrigung Ijtnneljmen. 3d) bereifte, ob bie menfdjlidje 
<5r$tef)ung trgenb ein wtlbeö Sltfer baju befttmmen tonnte. Staun gehört bai 
au$ mit ju ben Unjufömmltdjfeiten ber Sobeäftrafe; wofern man nidjt bte 
©ctyulbigen, wie bei ben ^Hörnern ad bestias oerurtljeilt; wad mir ber SDJeufdj* 
beit weniger guwiber m fein fetoetnt, trofefcem eö aud) febr unmenfdjltdj ift. 

2lbbe Sttorellet. 

£)te gef ermäßig begrünbete $era#tung gegen bte QSottftrecfer ber ©ered)tigfett, 
eine ©eradjtung, oor ber man ftd) gu fcfeüfcen wiffen müßte, obgfeid) fte allen 
SBölfern unb 3eiten gemein ift; — bte Abneigung gegen bte gunetionen etneS 
9ftad)ric^terd, meldte fl(^ burc^ feine ©emunftgrttnbe beftegen !5ßt f obgletd^ 
btefe notfywenbtg ftnb, uttb für welche Semanb gu finben, ein etn?a$ em^ftnDli^cö 
©emüt^ ni(^t begreift: bad finb unerfiarbare Söiberfjjru^e. — Sftad) einigen 
©riminalgefejten f^enft man bem 5$erbredjer bat 8eben, melier feine ©efatyrtett 
^tnritbtet, ein fe^r ftdjereS Mittel, um bte weniger ©traf baten gu tobten unb 
btn größten 33erbre<$er gu retten. 2)iberot. 

*) S)ied tft fein S3eweiö für bie Ungere^tigfeit ber Sobeöftrafe. 3« $aU 
erflÄrt, wiefo ber öffentliche SöiKe bem beipflichtet unb wtefo eö natürlich ift, 
ba^ bie ©efefce ben 9)iorb bed SWörberö befehlen. 3)er ©t^reef, ben man toor 
bem faeritev empftnbet, ift eine golge beö SiKitleibö, bat ber Sftenfdj für feincö* 
gleiten empfinbet, unb ber ebenfo groß fein würbe, wenn er iljn in bem 3«* 
ftanbe fäfce, in bem bte ©ergweiflung baä Unglütf nidbt enbet, fon« 
bem Beginnt. SWan bewaffne ben genfer mit Letten unb ^)eitfc^en, befdjranfe 
fein 5lmt barauf, bem SBerbredjer baö Öeben unerträglich gu machen, fo wirb 
t^n ber Knblicf ber ©c^merjen, bie er bereitet, ebenfalls ^affen^wertb machen; 
obgleich bie ©träfe, bie er oem öerbrecfcer auferlegt, ntt^t weniger geregt ift. 
S)er 5lbf4eu, ben er einflößt, ift alfo niit eine 3Reclamatton ber SRatur, fonbern 
eine medjanifdje ^Bewegung, ein p^ftfe^er Söiberftanb, ben ber SWenfdj babei 
<mpfittbet, wenn er bm SWenfdjen leiben fte^t, unb au$- bem ic^ nidjtä geqen 
bie ©üte ber ©efefce fc^ließe. — ©ine ^arte unb granfame ©claüevei ift etne 



— 64 — 

entfpringt alfo biefer SBiberfprudj'? Unb weswegen ift btcfcö ®efft|l tu 
bcm SKenfdjen gegen alle SSernunftgrihtbe ungerftörbar? SBeil bie SRenfdjen 
in iljrem innerften ©emütlje, bcm SJjeile alfo, ber meljr als irgend ein 
anbret bic urfprünglid)e gönn ber alten Statur bewafjrt bat, immer geglaubt 
J)aben f ba% btö eigene Seben nid)t in ber ©ewalt be$ Slnbern fei, aufter in 
ber ber Stotfjwenbtgfeit. bie mit iljron etfetnen ©cepter bte SBelt regiert. 

2Ba$ f ollen bte SKenfdjen beulen, wenn fte feljen, ba$ bte weifen 35c* 
amten unb ernften ^Prtefter ber ©eredjtigleit mit gletdjgtltiger Stulje unb 
langfamen ©orbereitungen einen ©djulbigen $tm Soöe fdjfeppen^ unb wäl)* 
renb ein Unglütflidjer in Srwartung beö £obe$ftreid)e8 in außerfter Sobeö* 
angft aufeudfi, ber SRidjter mit gefüptofer Äälte, oielletAt felbft mit geheimer 
greube an feiner eigenen 3Wad)t fortgebt, um bte SSequemlidjfetten unb 
greuben beö 8eben8 gu genießen? 9W)! (sie werben fagen: 

„SMefe ©efefce ftnb nur ein SSormanb ber ©ewalt unb bie 
.auSgefudjten unb graufamen gormalitäten ber ®ered)ttgfett; 
fie 1inb nur ein conöentioneller SluSbrucf, um un§ mit größerer 
^tdjerl)eit $u fdjlad)ten al0 £>pfer bei ber ©ereljrung be$ un* 
erfättlidjen ©öfcen be8 SDefpotiSmuö. — 5)en SRorb, melier 
nn$ als eine entfefclidje SJttffetljat gefdjilbert worben, feljen 
mir oljne Stüäljalt unb Aufregung öolljogen. SBir wollen un$ 
ba$ gu Siufcen madjen. ttn$ erfdjien natf) ber un$ gemalten 
©djilberung ber gewaltfame Sob aU eine fdjredlidje ©cene, 
aber wir feljen, ba§ er ba| SBerl nur eines SlugenblitfeS ift. 
38ie oiel weniger graufam wirb er alfo für ben lein, ber iljn 
ntd)t erwartet unb bem gleidjfam alles baS erfpart bleibt, 
was er ©djmergljafteS Jjat!" 

2)aS jtnb bie oerberbliqjen ©djlüffe, bie, wenn aud) nid)t mit oöHiger 
Älarljeit, fo bodj menigftenS verworren, bte gu SSerbredjen geneigten ?)er* 
fönen aufteilen, oei benen, wie wir gefeljen Ijaben, ber ©tt§braud) ber 9te* 
ligion nod) meljr als bie Sieligion felbft oermag. 

3öemt man mir bog Seifpiel faft atter Safjrbunberte unb Stationen 
entgegenhält, welche einige 33erbredjen mit SobeSftrafe belegt Ijaben, fo ant* 
worte iq, ba$ bieS nichts gegen bie SBafjrljett ift, gegen bit es leine 93m> 
f^riften giebt, ba$ uns bte ®efd)idjte btn .©ebanren an ein unenblidjeö 
SWeer oon Srrtbümern einflößt, 3Wtfqen benen wenige unb oerwirrte SBagr* 
beiten um^erfqwimmen, in großen (Entfernungen oon einanber. SBaren 
3Renf(benopfer nid^t faft allen Stationen gemein, unb wer wirb wagen fte 
ju entf^ulbigen? Sa§ einige Heine ©efellf haften unb auf feirge Seit nur 
1t^ ber SobeSftrafe enthalten ^aben, ift mir günftig e^er, ate gegentbeilig, 
benn eö ift btm ©t^iafale ber großen SBSa^r^eiten gema§, bereu Sauer 
nur ein 33lifc ift im 33ergleidj gu ber langen unb finftem $laä)t r wel^e bte 
9Renf tym umfüllt. Stoc^ ift bte glüdtliqle Seit nii^t errei^t, in meldjer 
bi^ SSa^eit, wie bisher ber ©(^redC, ber großen SKeljrljett gehört; unb 



ber Sobeöftrafe üorjuue^enbe Strafe, weil fie alleitt bte wirffamfte ift; unb 
boo^ mufe man bemerfen, ba$ biefe @claöerei nur in bem #anbt eine entfefclitfye 
©träfe fein toüxbe, wo baö Solf ru^ig unb angenehm lebt; benn wenn bie &i(je 
ber Xtnf^ulbigen faft ebenf »einlid) , wie bie bev ^erbrec^er i(t, fo würben bte 
Reiben biefer nio^t mefer atö ©träfe erfd&einen, unb bte faft ebenfo gu bellagenben 
Unglüo!lici>en würben baburd) nio^t erfd>redft werben. SHberot. 



— 66 — 

J 

f 

von biefen allgemeinen ©efefcen ftnb big jefct nur bte SBaljrljettett wefentlidj 
geworben , weldje'bie unenblidje 38ei8!jeit öon bcn anbern burd) bie Dffen» 
barung trennen wollte. 1 ) 

2$te ©timme etned ?>Ijilofo:p!jen ift gu fdjmad} gegen bat Saroten unfc 
&itirfdjen fo Sieler, bte burd) bte biinbe ©ewoljnfiett geleitet werben, aber 
bie wenigen SBtifen, weifte über bie Srbe oeri^eilt ftno, werben mir au& 
ityrem umerften £er$en gummmen; unb tonnte bie SBaijrljeit burdj bie un* 
enbKdjen ^>inberntj|e, melqje fte von bem Sipone be$ SRonardjen gurüdljält, 
tro^bem enblid) biö m iljm bringen, jo würbe fte bort mit ben geheimen 
SBunfdjen aller 9ftenfd)en auftreten; üjr gegenüber würbe ber blutige Six&vx 
ber (gröberer fdjweigen, unb bie geredjte Sfai^welt würbe iljr ben crften 
9>lafc unter ben friebooUen ©iegeägeidjen eines SttuS, Stntoniuö unb SrajauuS 
anweifen. 

©lütflid) wäre bie Sfltenfdjljeit, wenn fte jefet «an erfreu SKale ©efefce 
erhielte, ba wir auf ben Sljronen ©uropa'ö wo|lttjätige SRonardjen fegen, 
greunbe ber friebltqen Satgenben, ber SBiffenfcgaftcn unb Äünfie, Sfäter 
tfyrer SJölfer, aefrönte ^Bürger, beren SUiaqterweiterung. ba8 ©lüdf iljrer 
ttatertbanen biloet, ba fte ben meljr graufamen, weil weniger fidjern 3wi* 
fdjenbenwtiömuS aufgebt, burd} welken bie immer aufriAtigen <Btimmen 
ber SSöifer erftitft würben, bie immer glüdltdj waren, fobalb fte bis $im 
Sljrone burdjbringen fomtten! SBenn fte, fage id), bk alten ©efefce uodj 
fortbefteljen laffen, fo gef triebt e8 in §olge ber unenblidjen ©djmierigfeit, 
öon ben Srrtbumern ben oereijrten Sftoft fo oieler SaMunberte $u befreien: 
für bie aufgeklärten S3ürger ein ©runb, um mit größerer Äraft bte beftan« 
bige Sunaljme iljrer Stutoritat gu wünfdjen.*) 



1 ) (Stne für ben geredjten Sftenfdjen äußerft wtttfame Söetradjtung ift bem 
SBerf affer entgangen unter benen, bie er geaen bie $obe$ftrafe anführt. ©elbft 
bte retnften 3tid)ter, bie nad) ben ffarften ©efefcen unb ben fdjetnbar gilttgften 
33ewetfen gegen bte ttnfcbulb bcö $erbred)er8 urteilen, werben nidjt immer 
unfehlbar fein, ©te werben manchmal ben Unfdjutoigen mit bem ©djulbtgen 
»erwedjfeht unb t^n afö folgen öerurtbetlen. SBtrb in ber golge feine Um 
fdjulb Kar, wie groß wirfc bann ber ©djmerg fein, eine untilgbare Ungered)ttg« 
feit begangen au ^aben! SBerben fte fid) über einen fo entfefcUdjen Srrtbum 
tröften tonnen! — S)aö einige üWtttet, um einen fotdjen Srrtbum aufbebbar 
gu madjen, ift aber baö, nte bte Sobeäftrafe ju oerbdngen. £>te SRtdjter, bie 
ehten Uttfdjulbigen »erurtbeüt Ijaben, werben gu glüdflt^ fein, ntdjt nur feinen 
Auf wieber §enufteflen, fonbern au$ fein Xlnalüd gu enben, bte Sreibeit unb 
me$r aU baö Seben einem Ung(ü<f(id)en gurü£ugeben r bem fte cö mit lieber* 
legung aenommen ^abeu. ©ie werben ft(b troften, bie Unfdjulb beleibigt ju 
Baben, tnbem fie i^re Letten bre^en unb beren 3etd)en ruffen unb burA üjte 
^rÄnen auBlöt^en. — 3)arau8 folgt, ba$ bie Stobe«ftrafe unbillig ift, oa fie 
ber mit Unrecht »erurt^eüten Unf^ulb jebe Hoffnung raubt, ft<b rebabifitirt ju 
f^eu, unb ben SRtdjtern, bie baö Unglürf batten, fie gu »erurtbeilen, iebe# SJhttef, " 
biefen entfe^ltcben geiler wieber gut au machen. %Cbb4 ÜÄor eilet. 

3 ) (5d giebt no(^ eine %Crt ber 4obe3frrafc gegen ein ^erbredjjen, bad ber 
^Cutor nidjt ber Unterfu<6ung unterjogen b«t : bie 5)efertion. S3et feinem anbern 
fdjeint u«3 bie Xobeöftrafe unlogif$er, alö M biefem, angewenbet gu werben, 
beun bie ^obe^ttera^tung ift ja eben baä, wad man bem ©olbaten etnf Warfen 
will unb foU. Wem fönnte fagen, ba% bie 5lrt be« Sobeä felbft eine anbere ift, 
bafc, ba fie fÄma^oll ift, fie SRenfAen gurütff Freden famt, weldje' mutbifl einem 
rubm»oflen Sobe entgegengeben würben. 5)odj btefer Unterfdbieb ift faft glei«b 

SB oU eif, «eccaria. 5 



— 66 — 

§. 29. 
85on bet ©erljaftung. 

©n nidjt weniger gemoijnlidjer, als bem fokalen (Snbgmede, b. !j. bet 
eigenen ©tdjerljeit, guwiberlaufenber Srrtljum ift ber, bem mittfurlidjen Ur* 
tljeile be$ bte ©efefce auSfüljrenben Beamten bie geftnelnnung eines 8ür* 
gerS gu überladen, bte gretljett, einem geinbe unter mutigen £Borwänbett 
entheben nnb ungestraft einen greunb in greiljeit (äffen gu fönneu, gegen 
ben feljr fernere ©rünbe beS SSerbadjteS öorltegen. 2)aö @efattgni§ iß: 
eine ©träfe, welker notljwenbtgerweife, nnterf Rieben von jjeber anbem, bte 
©rflarung be$ Serbredjenö »orangetjen f oüte , aber biefer oerfdjiebene 6^a* 
rafter nimmt nidjt ben anbern wefentlidjen Seftanbtljeil auf, namltdj ben, 
ba§ baS ©efefc allein bie gäUe beftimmen fann, in melden Semanb biefe 
©träfe gu erleiben Ijat. 2)aS ©efefc mufc alfo bie 3tngetd>ett eines 93er* 
bredjenS angeben, bit bte geftfefcung beS Ättgef tagten beftimmen, ben fte 
einer ttnterfudjung unb 33eftrafung unterwerfen. 1 ) 

2)ie öffetrrlic^e ©tintme, bie glud)t, baS augergeridjttidje ©eftänbnig, 
baS eines ©efaljrtett beim Serbre^en, bxt 2)roIjungen unb bte fortbauernbe 
gembf^aft mtt htm 93eleibigten, baS corpus delicti unb äljnlidje %ngeid)eit 
fhtb genügenbe 33emetfe, um einen 33ürger feftgufefcen; aber btefe 33eweife 
muffen burdj baS ©efe^ benimmt werben unb nidjt oon ben SRtätem, bereit 
33efd)lüffe ber polittfdjen greüjeit immer entgegen ftnb, wenn fte ntdjjt be* 
fonbere ©afce einer allgemeinen ©runbregel beS öffentlichen ©ober büben. 
3n bem SWafce, wie bie ©trafen milber ftnb, fo bafj baS ©lenb unb bxt 
9totIj in ben ©efangntffen aufgehoben werben, 9Jlitleib unb 9Renfd)ltdjfeit 
bie eifernen Pforten burdjbrtngen unb hit unerbittlidjen unb oerljarteten 
35iener ber ®ereAtigfeit betjerrfdjen, tonnen ftd> bie ©efefce mit immer 
fdjwädjero SSeweifen begnügen. (Sin SWenfdj, ber eines 33erbred)cnS an* 
geflagt unb ehtgefperrt, aber fretgefprodjen ift, fottte fein 3t\ä)tn ber 
©djmadj an ftdj tragen. 3Bte »tele SWanner, ber f djwerften SJerbredjert 
angeflagt, bann aber freigefprod}en, würben oom 3Solfe Ijodj geaAtet unb 
oon ben Seamten geehrt! SBeSmegen ift aber gu unferer 3ett ber 9tuSaang 
für einen Slngef tagten fo gang anberS? Seit in unferm ßriminalfqftem 



SRutt, ba bte SobeSftrafe gegen ben ©eferteur — wenigftenS in ben meiften 
Rallen — nidjtS (JntebreubeS bat Slucb gtebt biefer 3Biberfpru<b gwtfcfcen ben 
ÄttegSgefefcen unb bem ©olbatengeift »tele Uebertretungen nadj ftdj. £er ©olbat, 
bem einige feiner Äanteraben bie 2)efertion Dorfdjlagen, gebt nur barauf eht, 
nur aus §urd?t, für feige gehalten gu werben, unb ben £ob gu fürchten, wenn 
er ed ni<bt tbut. «bbe Gerettet. 

3>ic ^obeeftrafe fteiaert fiti nid)t. ®$ ift ba* «uferen be* Ztbcni, für 
ben 9<(he^niäbrigen f wte für ben &d}tsigiä$rigett. 2)teö ift aber fetnedwegd 
gtei<$gilttg. Stiftet man einen 5ö?enfc^ett von breiftty Sabren #n, fo weift man 
ntdjt, wad man tt)ut SD^an bat nifyt fxbatyt, ba§ btefer Weixfö nur ber eingig 
Uebertebenbe ton breigigen ift. 2>et (Sriminalgefe^geber rennt ben Söerü? bed 
Sebend eine* breigigiabrigen Wenden ntdjt. 2)iberot 

l ) 2)iefe 93eftimmung ber ©efe^e würbe fe^r mangelbaft fein, weit bie gälte 
fo manebertet unb »ielfauig finb. 9li$t bie ©rö&e bed ^erbre^enö, fonbern bte 
Seforgnig unb Uc gurd&t matten bte ^aft not^wenbig; ba^er Stngefeffene unb 
8anbftrei$er einen gegrünbeten $orgug ^aben. Jj>ommeL 



- 67 - 

ttöd> bie SWetnung bcr SRenfdjen, btc Sbee bcr ©emalt unb Uebetmadft bte 
ber ©crec^tigfcit gu überwiegen f^cmt; »eil in berfelben £öl)le bic Sin* 
geflagten unb Ueberfüljrten 3ufammengeworfen werben, «»eil bat ®cfangnt§ 
tneljr eine ©träfe, 1 ) als ein ©ewaljrfatn 2 ) für ben ©djulbigen tft, funb 
meil bk innere, fdjüfcenbe ©ewalt bet ©efefce oon ber ändern, »ertyetbtgen* 
ben be$ SljroneS nnb ber Station getrennt ift, wäljrenb fie oereint fein 
fottten. ©o wäre bte erfte mit £ilfe ber allgemeinen Unterftüfcung ber 
©efefce mit ber urtljeilenben galjigfeit oerbunben, aber niäft oon iljr mit 
unmittelbarer ©ewalt abhängig, unbber 8iuljm, ber ben |)omo unb bie 
^)radjt eines ©olbatenljaufenS oeglettet, mürbe bk Scbanbe aufbeben, weldje 
uteljr ber Slrt, als ber Sadje anfangt, 3 ) wie atte ©efuljle be8 äioifeS; benn 
t3 ift burdj bk Zhat bemiefen, ba§ bie SJiüitarljaft nadj ber öffentlidjen 
IBteinung nidjt fo fdjunpflid), mie bk geridjtlidje ift. f @ö bauern in bem 
Solle, ben Sitten unb ©efefcen — immer um meljr afö ein Saljrljunbert 
«egen bk augenblidt Ud^e Slufflnrung eines SSolfeS jurüd — bk barbarifd)en 
<Sinbrü(fe unb bk mtlben Sbeen ber norbifdjen Sühtber, unferer SJorfaJj* 
ten, an. 

(Sinige Ijaben behauptet, baß in meinem £)rte au& immer ein SSer* 
bredjen begangen fei, b. Ij. eine £anblung gegen bie ©efefce, eö beftraft 
werben tonne] al$ ob ber ©^arafter eines Untertljanett un^erftörbar fei, 
b. Ij. gleidj, logar nod) fd^le^ter, als ber eines Sclaoen; als ob Semanb 
Untertan eines SietdjeS fein unb in einem anbern moljnen lönne, unb als 
ob feine $)anblungen oljne SBiberfprudj gmeien $mtn unb zweien oft jtdj 
miberfpredjenben ©efefebü^ern unterworfen fein lönnten. (Sinige glauben 
ebenfo, ba$ eine 3. 33. in Äonftanthtopel begangene SKiffetljat in $PariS 
beftraft »erben lönnte, aus btm fpifcfinbigen ©runbe, ba§ wer bie SMenfd)* 



< *) 2)er ©efefcgeber, weldjer baS ©efangntfc gu einer Strafe madjt unb bie 
Uebelt^atcr beS 8anbeS üerweift, ift fein guter &auöüater; benn jeber Untertan 
tft ein@djafc, unb wer wirb ©djäfce fortwerfen? S)urd) bat ©efangmö werben 
,6finbe gefeffelt, bie arbeiten fonnten. ffian reebne nad), wtebtel ber ©ewtnn im 
©anjen betrüge, wenn bte ©efangenen arbeiteten, W03U fte aber nidjt angu^alten 
flnb, ba bteS eine Strafe wäre, unb e$ auf f olcfye 9lrt — entfefeltd)er ©ebanle — - 
ein 3ud)tfyau$ werben würbe. Sludj beffert baS ©efängntg 9cieroanb, fonbern 
bie böfe ©efellfdjaft berbirbt i(?n. tont ift ber <5)kb bem Äerfer entronnen, 
f raubt er aufö 9leue. 2)ur(t ben Äerfer wirb bem ©emeinwefen mittlerweile 
tin Arbeiter, ben Äinbern beö ©efangenen i^r (Srnäljrer geraubt, unb bur^ bie 
33ewadjung bie unWulbtge ©emeinbe beWwert. #ommel. 

8 ) 5öo ber @^ebru^ nur mit ©elbfrrafe ober ©effinguifi belegt ift, wirb 
berSRtdjter wiber ba$ Einmal @in§ berftogen, wenn er bie «eföulbtgten in €>oft 
nehmen wollte, ©ie laufen nid^t bauon. Unb gefegt, fle t^Stett e$, fo berweifen 
fte M auf fo($e 9rt felbft tä 8anbe$: eine Martere (Strafe, ald i^neu bat 
Urtpeil Augefpro^en ^aben würbe. $ m m e l. 

3 ) 5)er Apparat unb bte Sorot ber ©efangenne^mung mad^en o^ne 3wetfel 
babei biel. 5)er SWilitfirarreft f e^t in ber öffentlichen Meinung nur einen §3erfto6 
gegen bie ©idjiplin borauS, baö (Stbügefangmfj hingegen ein 8erge^eu gegen bie 
yolisei; unb biefe ge^t bie öffentliche Ifoxty unb Drbnung nätjer an. 5)ei^alb 
^)fltd)tet man itjr etne grö§«« ©c^macb 3U. 2)er Slutor pat in IBegug auf btn 
®c$lri$banbel gefagt, ba§ er (Sbrlofigfeit n i*t nac^ $$ §ie^e: 2)ie S3erge^en, 
wel^e bte ÜÄenfcben nic^t al« t^nen fc^ablic^e betrauten, intereffiren fie nic^t 
genug, um ben öffentlichen Unwillen 3U erregen. ©iberot. 

5 # 



— 68 — 

Ijett beleibigt, e$ oerbtene, bie gange SRenfdb&ett gtttn Sehtbe gu Ijafon *nb 
überall ausgeflogen gu werben; alß ob bte Bltdjter bte Stauer ber ©efüljle 
ber 5)föenfd)en unb nidjt melmeljr ber ©ertrage feien, bte jene mit ehtanber 
oerbinben. 2)er Drt ber ©träfe tft ber Drt be3 SSerbredjeng, weil nur 
bort nnb nirgenbwo auberS bte Sföenfdjen gegwungen flub, einen ©ingelnen 
gu beletbigen, um ber öffentlichen Seleibigung guöorgufommen. 

6tn SSerbre&er, welker aber triebt bte Serträge ber ©efettfdjaft gebro» 
djen !jat, beren SKitglieb er tft, fann gefürdjtet unb beäljalb burd) bte Ijödjfte 
bemalt von ber ©efellfc&aft auögefdjloffen unb oerwtefen, aber nidjt mit 
ber görmlid>feit ber bte ©ef efce raäenben ©ertrage unb nad} öer beut S5er* 
bredjen auljaftenben Söömittigfeit beftraft werben. 

2)ie leichterer 33erbre&en ©cfjulbigen werben entweber in ber 2)unfeHjeit 
eineö ©efangniffeö beftraft ober öffentlich mit einer langen unb beöljalfr 
gleidjfam unnü^en ©claoerei, um ben ^Kationen als SSetfptel gu bienen, 
melqe fte nidjt beleibigt Ijaben. SBenn ftd) bte SWenfdien nhr)t in einem 
9tugenblicfe bagu t)tttrei§en laffen f bte fdjwetften SScrbredjen gu begeben, fo 
wirb bie öffentliche ©träfe für ein grofjeS Serbredjen oon ber SSKegrijett afe 
fonberbar unb unanwenbbar betrautet werben; aoer bk öffentliche ©träfe 
für bk letztem unb bem ®etfte naljer fteljenben SSerbredjen wirb einen 
(Slnbrucf machen, ber fte oon tjjnen weiter entfernt. 2)ie ©trafen fotten 
in ber ©tarfe ntdjt nur, fonbern audj in ber Slrt ber Stuferlegung unter 
Idj uitb ben SSerbredjen angemeffen fein, ©inige befreien oon ber ©träfe 
itr ein geringes 33erbredjen, wenn ber beleibigte Sljeil bem SSeleibiger oer* 
geüjt, eine «Spanblung, weldje bem SBoIjlwollen unb ber Sföenfdjlidifett gegiemt, 
aber bem öffentlidjen Sßople entgegen ift, als ob ein eingelner SSürger eben 
mit feiner SSergeujung bie 5ftot|wenbigleit beS SetfpielS aufbeben tonnte. 
2)aS 9ied)t ber Seftrafung gebort nid)t einem ©ngelnen, fonbern allen 
bürgern ober bem #errfdjer. dr !ann nur auf feinen Slnt^eil an biefem 
SRedjte oergidjten, aber nidjt ben eines 3lnbern oernidjten. 



§. 30. 
©erid^t^tjetfa^ren unb j&etj&tytttngen. 

9tad)bem bk SSewetfe erfannt unb bie ©ewijjljeit beS ©erbredjenS feft* 
gefteHt, ift eS notljwenbig, bem Stngeflagten genügenbe Seit unb SRittel gn 
feiner SSertljeibigmtg gugugefteljen, aber eine fo furge Seit, ba$ fte bet 
©djneHigfeit ber 33eftrafung nid)t Stbbrud) tljut, bie, mt wir gefeljen J)aben r 
einen #auptfd)ufc gegen bie SSerbredjen bilbet. Sine mifcoerjtanbene Sften^ 
fdjenfreunbltcfyfeit fdjetnt einer folgen Äürge ber Seit entgeaen gu fein, aber 
jeber Sweifel oerfdjwinbet, fobalb man bebenlt, ba§ bie ©efa|ren für bie 
Unfdjulb mit ben geljlern ber ©efe^gebuna warfen. 

35ie ©efefce aber muffen einen gewiffen Seitraum feftfefcen, fowo^l für 
bie 33ert^eibigung be$ Slnaeflagten, alö auc^ für bie33eweife ber SSerbre(^en r 
unb ber JRiqjter würbe ©efe^geber werben, wenn er bie gur 33eweiöfü^rung 
eines SScrbredjenS not^wenbige Seit beftimmen foHte. ©benfo oerbtenen jene 
entfe^li^en SSerbre^en, beren ©rinnerung lange im ©ebat^tnig ber 9Jtenfajen 
bleibt, wenn fte bewiefen ftnb. feine SSerja^rung gu ©unften beö Stngeflag* 
ten, jber fic^ ber ©träfe burd) bie glud^t entzogen §ai; aber, bie lleinern 
unb unflaren SSerbret^en muffen bur^ bte Seriä^nmg bie Ungewi§^eit be^ 



' — 69 — 

©djtdfofö eine8 Sütaer* aufgeben, weil baS 35unfel, in weläjeS bic SSer* 
breajen lange eingebüßt ftnb, ba8 25eifpiel ber (Straffeflgfctt aufgebt, walpenb 
•gleicher Seit bem ©d)ulbigen bic ©elegenljeit 'gut Sefferung bleibt 

63 genftat mir, biefe ©runbfafce angufü^ren^ weil eine beftimmte 
©renje nnr feftgefefet werben fann, fobalb eine ©efefetjebung nnb bie Sier* 
Ijaltmffe einer ©efeftfdjaft geaeben ftnb; i& will nnr |tngufügen, baß, nadj* 
b.em ber 9ht|en niilber ©trafen bei einer Nation bewtefen worben, bie @e* 
fefce, meldte tm SSerljältniffe ber SJerbredjen bie 3eit ber SSerjäjjntng ober ber 
IBewetfe oerfürgen ober oerlangern, inbem fte bie £aft ober bie freiwillige 
SSerbannung felbft als einen $jjeil ber ©träfe anrechnen, eine leiste SJer* 
Teilung weniger, milber ©trafen auf bie große Slngaljl oon SSerbredjen be* 
toirfen würben. 

2)iefe Seiten bürfen aber nidjt im aenaueften 33erfjältmffe gur ©djwerc 
l)er SSerbredjen wadjfen, weil bie äßa^rfdjeinlidjfeit ber SSerbredien im um* 
•gelehrten SSerljaltniffe gu tljrer ©djwere fteljt. 63 wirb alfo bisweilen bie 
Seit ber Unterfudjunfl abgefürgt unb bie ber SSerjaljruttg oerlangert werben 
muffen, wa8 im 23tberfprud| mit htm oon mir früher ©efagten gu fte^en 
jdjemt, b. fy baß eö gleite ©trafen unb ungleiche SSerbredjen geben fönne, 
tnbem man bie 3«it ber |)aft ober ber 33erjäljrung, weldje bem Urteil 
twrangeljt, al8 einen Sljetl ber ©träfe betrautet. Um beut 2efer meine 
3fnfidjt augeinanbergufefcen, werbe td) gwei Älaf[en \>on SSerbredjen anneb* 
men: bie erfte enthalt bie fdjwerften, beginnt mtt bem SKorbe unb umfaßt 
<radj alle btefen pod) .übertreffenben; bie gmette hingegen bie geringem. 3)tefe 
Uttterfdjeibung finbet iljren ©runb in ber menfdjlidjen Sftatur felbft. 2)ie 
©idjerljeit beö gebend ift ein 9tatur*, bie ber ©üter ein ©efettfd)aft$4Redjt. 
2)ie 3al)l ber ©rünbe, bie bie SMenfdjen lieber ba$ natürlidje ©efüljl ber 
<äotte$furdjt unterbrüden laffen, ift oiel geringer, als bie berjenigen, metöje 
fie oxl% ber natürlidjen SSegterbe, glütflidj gu lein, oeranlaßt, ein 3ted)t m 
^erle^en, ba8 jte nid)t in iljrem Snnern, fonbern in ben gönnen ber ©efett* 
fd>aft finben. 55er große Unterfdjteb in ber ®aljrfd)etnlidjfeit biefer gwei 
klaffen erforbert, bty .fie natb oerfd)iebenen ©runbfäfcen geregelt werben: 
33ei ben fdjwerften, alfo ben feltenften, SSerbredjen muß fiefe bie 3cit ber 
Unterfudjung mit ber 3una|me ber Srörf$etnlid)fett ber tinfdjulb be8 an* 
aeflagten oerminbern unb bie Seit ber SSerjäbrung warfen, 1 ) weil oon bem 
beftimmten Urteile über bie ttnfdjulb oDer ©djulb eineö SEftenfdjen bie Ser* 
nidjtung ber Hoffnung auf ©traflofigteit abfangt,' bereu 9ladjtljeil mit 
ber ©dfwere beä SSerbredjenS waAjt: 5)a aber M lleinern SSergeljen bie 
SBa^rfijeinlidjfeit ber ©djulb beS Slngellaatcn fttb oerminbert, fo muß bie 
3eit ber Unterfudbung gune^men, unb ba \\ö) ber 9lad)tljeil ber (Straflofigfcit 
oerminbert, ebenfalls bie ber SJerJabrung. (Sine foldje Unterf Reibung ber 
SSerbre^en in gwei Älaffen foHtc nidgt gugegeben werben, wie ber ^a&tbeil 
ber ©trafloftgfeit um fo oiel abnimmt, als bie 3ßa^rf<I)einlid)feit beö 35er* 
bre^enö wad^ft. 8 ) Ueberlegt, baß ein 9lnge!lagter, beffen ©(|ulb ober Un* 



*) S3rif f ot be Sßarüille Ijat in feiner „X^eorie ber kriminal* 
f^efe^e" 55eccaria'^ 5Weinunn über bie Sauer ber Unterfu^una gurüdfgewiefen. 
6r behauptet unb wo^l mit Sftedjt, baß biefelbe ni^t gu fdjneu gef(6el)en barf. 
Bommel ftimmt bem bei unb giebt fogar ©runbe an, weswegen fle fe^r ^aufig 
ni(^t f^nelt gegeben fann. Söalberf. 

8 ) ©o fetjr bie Corner au^ ÜWilbe ber ©trafen liebten, fteKten fie bo# in 



— 70 — 

fdjulb nidjt feftftdjt, ber aber gleidjwoM wegen mangelnber Seweife frei* 
getaffen worben ift, wegen beSfelben 33erbredjen$ neuer $>oft »wb neuer 
unterfudjung auögefefct werben fann, wenn neue wn ben ©efefcen angegebene 
Snbigien auftauten, wofern bie für fein SSerbredjen feft(jefefcte 3ett ber SSer* 
jäbrung nodj niat ttetftriAen ift. 2)ieö fdjeint wir wentgftenS ber geeignete 
SSmttelweg m fem, um fomobl bie ©icfjertyeit wie bie greibeit ber Unter« 
tfjanen gu fdJüfcen, ba eö gu letd)t ift, bafc bie tint auf Äoften ber anbern 
begünftigt wtrb, fobalb oon biefen beiben ©ütern, bie ba$ unoeraufcerlidje 
unb gleichmäßige ©rbtljeil eines {eben Sürgerö bilben, ba$ eine niajt wnr 
bem offenen ober oerfqleierten 2)efpottSmu8 unb ba$ anbere oor ber auf* 
rüljrertfdjen Slnardjie beö SSolfeS beftpfct unb bewahrt wirb. 

§. 31. 
®d)wer gts betoeifenbe 33erbred)en< 

9JHt JRütfftdjt auf biefe ©runbfafce fd>eint e$ bem, ber nidjt überlegt, 
bafc bie SSeraunft faft nie bit ©efefcgeberin ber Station iftr, befrembenb, ba% 
bie fdjwerften ober oerborgenften unb ungeljetterlidjften SSerbredjen, alfo 
bie, beren Unwaljrfdjeinlidjfett am größten tft, burdj ©oniecturen unb burd> 
bie fdjwädjften unb ungwetbeutigften Seweife nadjgewiefen werben foHen; 
als ob einen Unfdjulbtgen gu uerurtljeilen uid>t eine um fo größere ©efaljr 
fei, je meljr bie Sa^rftgeinlidjfeit ber ttnfdjuib bie beö SSerbreqenS übertrifft. 
2)em größten Steile ber DJcenfdjen feljlt jene notljwenbige Äraft, welche 
ebenfo feijr gu großen Sugenben, wie gu großen SSerbredjen erforberlid) ift; 
unb beöbalb fdjeint e$, ba$ biefe immer glridjjjettig mit jenen bei ben 9ta* 
tionen ftnb, welche ftd) immer mebr burd) bie sljatigfeit ber ^Regierung unb 
burd) bie für bat öffentliche äßoijl mirfenben getbenfdjaften, al$ burdj. ü>re 
3aljl ober bie ©üte ber ©efefce erhalten. 5)ie ungefdjwädjten Seibenfajaften 
f (feinen alfo meljr bagu angetfjan, bie JRegierungSformen gu erhalten, 
atö gu oerbeffern; woraus fidj ber widjttge ©djtufc gießen la|t, bafj in einer 
Station nid>t immer bie großen 33erbred>en bk ©djledjtljeit berfelben be* 
weifen. 

@3 giebt einige SSerbredjen, bie gu gleicher Seit in ber ©efettfdjaft 
fyaufig, aber fdjwer gu beweif en ftnb. oci benen bie ©djwiertgfeit beö S3e* 
wiefenwerbenö an ©teile ber SBa^rfqeinli^f eit ber Unfqulb tritt, unb ba 
ber ©Aaben ber ©trafloftafeit um fo geringer ift, je meljr bie £aufigfett 
biefer 9?erbredjen oon oerfqiebenen ©runbfafeen unb von ber ©efaljr ber 
©traflofigfeit abfangt, fo mu^ bie 3eit ber Unterfud^ung unb ber SSerjab* 
rung fid^ glei^faU0 oerminbern. Unb wenn (mä) @^ebru^ unb gried)tfdje 



ber ffStern Seit wegen ber SBort^eile ber ©onfigeation — ein gar gu fööner 
©ewtttn! — bie SBeriffljrunaSfrtft auf gwangig Saljre feft. «öabfudjt war ber 
©runb bagu. 3d& bin ber ^faft^t, niebrigere SBerbret^en fönnten fämmtli^ in 
fünf Sauren unb bie fyttyern in ge^n Sauren ööfltg üerjäljrt fein. SBel^en 
9lu^en ^at ba$ ©emeinwefen baüon, i>a$ 3lnbenfen an dnt 5Dtfffetf)at gu er« 
neuern, beren ftdj fein 3)^enf^ me^r erinnert? 3n peinlichen 85öen ift ber 
©runb für bie öerja^rung bie 3Bafyrfdjetnüd)feit f bafy binnen biefer 3eit ber 
©ünber ftc^ gebeffert fyabe, weil er auf biefelbe ixt ntdjt weiter gefünbigt ^at 
©ottten fünf 3a$re gu biefer Sermut^ung nic^t binreic^enb fein? feö ift bereite 
©ra$ baruber gewa^fen; alfo laffe man eö in feiner 5)unfe(^eit »erfüllt. 

$ommel. 



— 71 — 



• 



Siebe ferner gu beweifenbe Sferbredjen ftnb, fo ftnb ttboty Jolc^c, wddje 
nadj ben angenommenen ©runbfafeen bie SSermutljuugen, bie ©djetn« unb 
#albbeweife (als ob einSRenfd) ijalb fd>ulbig unb l)alb unfdjulbig, 
alfo Ijalb ftrafbar unb Ijalb fretguföredjen fein lönne) Raffen, mo 
bie Softer tljre graufame £errfdjaft auf bie |)erfon be3 Stngeffogten, auf bie 
Beugen unb feloft auf bie flanke gamilte etneS ttnglütflidjen ausübt, wie 
e$ mit gletdjgiltiger Äaltblüttgfett einige ©eleljrte lehren, meldje iljre 3lnftdj« 
ten ben Oti&tern als 9torm unb ©efefc aufzwingen. 

2)er (Sgebrud) ift ein SSerbredjen, weldf)e8 nolitifdj betrautet, feine ©tarfc 
unb Stiftung gwei ©rünben entlehnt*): btn oeranberlidjen ©efefcen ber 
üRenfdjcn unb ber äu&erft ftarfen ^ngtelpngSfraft, welche ba$ ©ne Jur ba$ 
SCnbere emufinbet; in oielen gäUen ätjnltdj ber ©raoitätöfraft be$ AUS, weil 
eö, wie bieje, mit ber (Sntfemung abnimmt, unb wie bie eine alle 33emegun* 

Sen beö ÄörperS mobtficirt, fo bie anbre gletdjfam bie be3 ©emütbeS, fo 
mge iljre $>eriobe bauert; unaljnKd) barin, ba§ bie ©(^werfraft ftdj mit 
btn &tuberniffen in'ö ©leicbgewidjt fefct, jene aber mit beut SBadjfen ber 
$tuberntffe felbji immer megr an ©ewalt unb Äraft gewinnt. 

SBenn id) gu Nationen gu fpredjen Ijatte, weld>e nodj bed StdjteS ber 
[Religion beraubt waren, fo würbe tdj fagen, bafc e$ nod} einen anbern be* 
trä&tlufjen Unterfdbieb gwifdjen biefem unb ben anbern 33erbre<$en aiebt. (Sr 
entfielt au8 bem ^Ufjbrauqe eines beftänbigen unb ber gangen StJlenf&Ijeit 
gemeinfamen 33ebürfntffeö , meldjeS oor ber ©efeltfdjaft war unb ftc fclbft 
begrunbet Ijat, wäljrenb bie anbern, biefe ftorenben Serbredjen entfdjiebener 
augenbltälidjen Setbenfc^aftcn, als natürli&en 33ebürfniffen enifprungen ftnb. 
@ht foldjeS 33ebürfni§ wirb bem, ber bie ©efdiidjte unb ben 9&cenfd)en fennt, 
uuter bemfelben Ä(ima gu einer conftanten SMenge immer gleich erflehten. 
SBenn bieö waljr ift, fo waren bie (Sitten unb ©efefce unnüfc, fclbft »er* 
berblid), weldje bit ©efammtfumme gu oerminbem fudjen, weil fie bie 2Bh> 
fung Ratten, einen 3M( ber eignen unb ber anbern SSeburfniffe auSgulaffen, 
bie aber Würben im ©egentljetl weife fein, meldje, fo gu jagen, ber leisten 
Neigung ber ®6ene folgen unb ba$ ©ange in fo oiele gleite Steile reellen 
unb ablenfen würben, wie fte gleichförmig in jebem Steile bte Unfrudjtbarfett 
unb UeberfuHe oerljtnbern fönnten. 3>ie eljelidje Sreue ift immer ber 3<rfjl 



x ) S)er (S&ebmdj ift nur bann gu beftrafen, wenn ber fdjitlbige Ztyii flagt, 
ebenfo wie ber 9Rid>ter einen tu^tigen Söerwriä unb @vfa| ader Xlnloften auf 
ft$ labet, wenn er ben ©otyn, ber feinen Jöater beftofjlen |at, o^ne ba§ biefer 
ed anaiebt, »ernennen wift, weil er fid) in bSu^lio^e 2)tnge nio>t einmengen foll 
unb bte gange gamilie baburd) einen @o^anbfle(f erhält: ber Unfdjulbtge alfo 
me^r, aU ber ©<$ulbiae beftraft wirb. Ebenfo ift e$ Ui bem @&ebruo>. — 
SSetebett liegt in S3öbmer'ö SBorten, wenn er über ^©arygoo Pr. Cr. 
Ol 51 " fo fa)retbt: 9 Ubi innocentis partis roagis inter est ne domestecticum 
malum manifestetur, non peccat judex, gui facti veritatem rigorose inda- 
gare negligit, et delationes, maxime ubi obscuriores fuerint, potius dissi- 
mulat, ne concordantia matrimonia turbentur, ut jam Levser vidit 
Spec. 576. Med. 11.« #5tte bet @b«nann auf f*Änbli*e SBeife für 2>ar» 
let^ung feiner grau ©e(b genommen, ober e$ fonft willig fjefdjeben laffen, fo 
bfet eö, weil 9Hemanb beleibigt wirb, auf, $erbredjen gu fein . unb bleibt aW 
XWberreft bit alte 8ebre, ba& bie tiftp ein ©acrament fei, nur ©ünbc. 2)er ©afe 
ift ridjtia unb unuinfto§lid?, bafe bei -bem (J^ebru^c ber unfo^ulbige X^eil mebr 
alö ber fo>ulbige leibet. , ' ^omntel. 



— 72 — 

trnb bet §rei$eit bet (Sben an^emcff en. 3Bo oererbte SJoruräjetle fte regieren 
unb bie BfotMidje 3R*d>t f te rarint unb trennt, brtdjt ©alanterte im ®e* 
Ijeanen bie fflünbmffe trofc aller ge»öljnlid>en SMoral, beren Wify & iß, 
aegen bie SBirfungen gu fprecfcen imb bie ttrfadjen gu nergeidjnen. aber 
f oldje Setraejjtungen ftnb für bte tudbt nötljig, »el<|e üt ber magren 0leligion 
leben, bereit erljabenfte ©tünbe bie ©enmlt ber natürlidjen SBtrfttttgen cotrim 
Ire*. 3)ie aßirfung eine* folgen 3$erbredjen$ ift fo auaenblidttidj unb ge* 
eimnifcooll unb burdj ben Soleier felbft, ben bie ©efefce barum gelept 
aUn, fo oerbetft, einen notljmenbigen, ober bünnen (Soleier, ber ben $>ret$ 
ber ©adje oermeljrt, ftatt tljn gu oerminbern, bie ©elegenbeit fo kidjt unb 
bie golgen fo gmeibeuttg, ba§ e3 meljr in ber ^)anb be* ©efefcgeber* liegt, 
ibm guoorjutonrmen, als ityn $u corrigiren. 1 ) allgemeine Siegel: Sei jebem 
9Serbredjen, »eldjed feiner 9tatyr nad) eigentlich ungeffeaft bletben fott, »trft 
bie ©träfe felbft att Steijmtttel. @$ ift eine ©gentpmö^Ieit unferer ©in- 
bilbungSfraft, .ba$ »enn bie ©djmierigfetten nidjt unüberminblid} ober $n 
ferner für bie geiftige Sljatfraft ber SWenfdjen ftnb r fte jene nnr lebhafter 
anregen um ftdj ben ©egenftanb gu oerfdjaffen, »eil fte gletdjfam ebenfo »tele 
©ebranfra ftnb, »eldje bie umljerfdnoeifenbe unb flüchtige ©nbilbungöfraft 
oergfatbern, über btn ©egenftanb BtnauSgugeljen; unb inbem fte fte $»tngt, 
ade SSegie^ungen in'ö Singe $u f äffen, »enbet fte ftdj gerabemegö bem an* 

Seneljmen Steile gu f bem unfer ©eift oiel letzter ljulbigt, aö bem fd}mer$* 
aften unb büftera, oor »elqjetn er fliegt unb gurüd»eidjt. 

33ie oon ben ©efefcen fo ^art beftrafte unb ber über bte Unfdjulb fte» 
aenben Wolter fo letAt unterworfene attifefoe Siebe berubt »eniger auf btn 
33ebürfniff en ' beS ifoltrten unb freien SWenfdjen, aU auf ben 8eibenfd)aften 
ber gufamntenlebenben SRenfdjen unb ©clanen. 8 ) ©ie entnimmt Ujre ©tärfe 



*) „(Ebenfo »erhält e* fjd) mit ber ©elbfibefledung. Dbgletdj fie eine febr 
fd&ablitge Une^rbarfeit ift, bk man ausrotten ȟnfdjen mufc, ift bodj auf fte 
eine ©träfe ju fefcen teerig, »eil fte gu feiten oerbangt »erben fann, alfo nidjt 
abfd&retft." $ÖH($aeli*, ©orrebe gum festen 3$ei(e be* mofaifdjen 8fce$te*. 

4)omitte(. 

3 ) ©obomiterei ift ©ünbe, aufcerbem audj tlnflatb, ©djmufc, Unanftänbig- 
feit, bie ©c^anbe bringt, aber fein 33erbred)en, »eil fte 9Hemanb baä ©einige 
entjie^t unb nic^t au% betrugerifd^em, bo^aftem bergen entfprtngt, tiodj bk bür- 
getÜAe ©efeUfc^aft gerrfittet. 5lber unfer getftli*eö Sfte^t #Ut fte ober fonft ein 
ftetföiidjeö ©erbre^en — i<^ fann bie Urfad)e ni^t begreifen — für »iel ab» 
f^eulic^et aW Betrügerei unb ©kbfta^l, \a felbft aU ©ranbftifterei unb ©ift. 
Stann man.ftd? nid)t anberd Reifen, fo giebt man ber Uebertretung eine serfyaftte 
^Benennung, mengt nad^ ©elegen^eit ba^ äöörttfyen S3lut hinein unb opfert bie 
©adp bem Flamen auf. ©o nennt man bte ©elbftbeffofung bodtft ungef^i(ft 
unb albern „onanitifdbeSWiffet^at/ ©ott t öbtete Dnan ni*t, »eil er feinen 
©aamen auf bie (Srbe fallen lieg, f onbem »egen feine* ©ehe* unb feiner Begierbe 
na$ feine* oerftorbenen $ruberä ©ütem, benen er feine $ad)fommen erwerben 
trollte, mie er nad) bem ©efe^e tbun mugte: alfo ein totyeö 5krbrec^en. S)a* 
»irb aber übergangen, unb man bleibt bei bem ©$mu$e fielen. $fe i$ ooe 
mebr al* gwanjig Sauren Tum bie SJHtte be« »ortgen Sa^rbunbert* 
91. b. Ueberf.] tn bie Äec^teftü^lc aufgenommen gu »erben bie Sljte batte, *er> 
bracben ft^ bie alten Ferren Kollegen nod^ febr bte &öpfe, ob trenn in Den 
91(ttn biefe* 8after oortam, man biefe fogenannten Onaniten nidbt verbrennen 
muffe? — 3)er UnPt^ige ift oerädbtli(|, aber fein Serbredjer, fein IBeleibtger 
feinet 9ia^ften. $ o m m e L 



— 73 — 

* 

mdjjt fomo^l ber Sättigung ber @efħle, tote ber ©rgtefntng, »elc^c bamtt 
beginnt, btc 9Kenfdjert,jtd) felbft unnü^ gu madjen, um fic Stnbern nufcbar 
gn gehalten, in ben £aufem, wo btc feurige Sugenb gufammengebrängt unb 
ein unüberfteiglidjer 35amm jjebem anbem Umgänge entgegengefefct Wirb, 
woburd} bie Äraft ber ftd) entwicfelnbcn SRatur ber SKenfq^cit unn&fc Der* 
peftet wirb, ja fogar baS Slltcr frülj^eitig herbeiführt. 

2)er Äinbermorb ift ebenfalls bie Söirfung eines unoermeiblidjen SBtber* 
fptndpS, in ben eine ?>erfon oerfattt, bie aus ©djwadje ober ©ewalt nad)* 
gegeben ijat SBie fottte oit, weld)e ftdj gwifdjen (sljriofigfeit nnb bem Sobe 
etneS 2Bef enS befittbet, baS Selben gu füllen nodj unfähig tft, ntdjt beffen %,ob bem 
unausbleiblichen ©lenk oorgietyen, meliem fic nnb bie unglücrlidje grndjt 
auSgefefct. wirb? 2)ie bejjte 9lrt, biefeö.SSerbre^en gu oerbinbern, wäre, mit 
mirxfamen ©efefcen bit (^djmadje gegen bit Snrannei gu fdjüfcen, welche bie 
Sajiter, bte ftd> nid>t mit bem ^Mantel ber Sugenb oerbetfen fönnen, über* 
tretbt. 

S& will burdjauS nidjt baS geregte (Sntfefcen oermütbern, meldjeS biefe 
ffierbredjen einflögen; aber inbem idj iljre Quellen anbeute, glaube idj mir 
einen allgemeinen ©d)lu| vorbehalten gu fönnen, namlidj ben, bafy eben 
nid>t geregt (was fo otel als notljwenbig fagen will) eine Strafe ge- 
nannt werben fann f fo lange baS ©efefc unter gegebenen Umftänben uidjt 
baS beftmögli^e SKittel angemenbet Ijat, um iljm oorgubeugen. 1 ) 

§. 32. 
®el&fhnorb* 

Der ©elbftmorb ift ein 8}erbred)en, meldjeS fdjeinbar feine fogenannte 
(Strafe nadj ftqj jieljen !ann r weil fic nur bie Unfdjulbtgen ober einen falten 
unb gefüljllofen Äötper treffen fann. SBenn biefe nun aber auf bie geben* 
ben niÄt mef)r ©inbruef madjt, als wenn man eine 33ilbfäule f plagen wollte, 
fo ift fte ungeredjt unb torannifd), weil bit politifdje §reiljeit ber SKenfdben 
notljmenbigerweife oorauSfefct, ba§ bit ©trafen rein perfönlidj feien. 2)ie 
39fcenfd}en lieben m feljr baS geben, unb alles, was fic umaiebt, f<pe$t fte 
gu feljr in biefe Siebe ein. 3)ie oerfü^rerif Acn Silber beS SSeranüpcnd unb 
ber Hoffnung, bie fdjönfte Swbertn ber ©terblid)en, beretwegen fte tn langen 
3ügen baS mit einigen Stopfen beS ®lü<JeS gemifdjte ttebel filürfen, lotft 
fte gu feljr an, als ba§ man furzten fottte, ba§ bie notljmenbige Strafloftgfeit 



x ) Sinbe^Sufer ftnb freili^ baS befte Mittel, um bem Äinbermorbe »orgu* 
bengen; aber bet SWangel an ©elb fic anzulegen, Dcrwanbelt biefeu 9Rat^ in 
einen einfädln SßBunf^. — SBie tiiel iunger Anflug ge^t bem ©taate ba* 
bureft »erioren, ba$ fromme Obrigfeitcn bte fleif^liÄen öerbredjen auf 5lnftiften 
unb Hüften bcr Ausleger eine« fremben r Idngft abgef Rafften, und gar mAH 
a^ebenben 9?ed)te3 über alle 9Wa&cn f^art beftrafeu unb »erfolgen. |)icr aoer 
bore id) ben gütigften Sanbeöüater faft in ber €>prad)e eines ©eleibtgten rufen: 
3Bte? IBei einem SBortbeif, ber bauptfa^li^ mir gum 53eften gereift, fottte id) 
bie Saft ber Slufcrgie^ung eincö fraftigen <So (baten ben Dbrigfeiten unb 9lrmen« 
faffen aufbürben? ©olltc i^ babei ntajt wcnigftenö etwas t^unt 3* will bem, 
ber baS Ätnb enteren will, i&brli^ ans öffentlichen ÜÄittein etwas geben laffen, 
fo lange bis eS lein ©rot felbft gu »erbienen im @tanbe ift; biefet Pfleger fott 
augerbem baS &t$t ber »5terltcben Gewalt erlangen unb beS ^inbcS SKutter, 
wenn fte entberft wirb ober ftdj felbft entbetft. beerben u. f. w. £omutel. 



-r- 74 — 

eine« folgen SJerbredpnS einen ginfluß auf Uic 3Reufä>en au8üb«t lönne. 
SBer ben ©d>merg furztet, geljord)t ben ©efefcen; ber £ob Ijebt aber aKe* 
jQuellert berfelben in htm körptt auf. SEBciqcr ©runb wirb alfo bie Der* 
gmeifelnbe «feanb oom ©elbftmorbe gurücöjalten? 

SBer ftdj tobtet , fügt ber ©ef ettfdjaft ein aeringete* Uebel gu , al$ bcr r 
welker ftdj für immer oon fijr fortbegiebt, weil teuer alle* ©einige gurü<Ilafjt r 
biefer aber mit ftdj audj einen 31)eil be$ ©einigen fortnimmt. 

SBenn nun bie ©tarfe eines ©taateö auf ber 3a§l ber 33ürger bera|t r 
fo fügt er baburd>, ba§ er fid) ü)m entgietyt unb einem benadjbarten ©taate 
giebt, einen boppelt großem Stäben gu, als ber, »eitler iljm burd) ben 
Job nur einmal entgeht. 2)ie grage befdjränft ftd) alfo barauf, gu unter« 
fud>en, ob e3 einer Nation nüfclfd) ober fdjablid) ift, jebem iljrer SlKttglieber 
bk unbefdpränfte Freiheit gu (äffen, fidj gu entfernen. 

3ebe8 ©efefc, weld)eö nid)t an unb für ftd} [tat! ift, ober weldieä^ie 
Statur ber SScr^ältniffe ungenügenb mad)t, barf ntdjt oeröffentlid)t »erben ; 
nnb wie über bie ©etfter bie SReinung gerrfdjt, fo geformt fte ben lang« 
f amen unb inbirecten Sinbrürfen be3 ©efefcgeberö unb wiberftebt ben birecten 
unb genrttltfamen, unb fo tljetlen bie unnüfcen, oon ben SDtenfdjen oeradjteten 
©efefce iljre ©ertngfdjafcung aud) ben fjeilfamften mit, fo ba$ Mrfe mttyc 
atö ein gu überwinbenbeS .pinbernifc benn als ein 2)enofttum beS ©emetu» 
woljls angefe^en »erben, 2)a nun, wie gefagt, unfere ©efü^le begrenzt ftnb f 
fo Ijaben bie Sföenfdjen um fo me^r ^o^aqtung für ben ©efefcen frembe 
©egenftänbe, je meniaer ben ©efefcen felbft bleibt. 9(u$ biefem ©runbfafce 
fann ber weife SSert^etler be$ öffentlichen ©lüdeö einige nüfclidje Folgerungen 
aieljen, beren StuSeittanberfcfcungen mid) aber gu fe^r oon meinem ©egen» 
ftanbe entfernen würben, ba er nur barin beftejjt, gu beweif en, wie unnüfc 
eö ift, au$ bem ©taate ein ©efangnifc gu madjen. Sin foldieß ©efeft tjt 
unnüfc, weil, falte ni^t unüberftetgbare flippen ober unbefahrbare SSJceere 
ein £anb oon allen anbern trennen, e8 unmöglid) ift, aKe fünfte feiner 
©rengen abgufd)lie§en unb alle Ausgänge bemadjen gu laffen. Sßer 9CHe8 
fortfdjafft, rann, fobalb e8 gefd$)en ift, nidjt beftraft werben. <&m fo!d)e0 
9Serbred)en lann au^, fobalb e$ gef^e^en i^, nid^t me^r beftraft werben, 
unb bieS e^er gu tljun, alö e§ gef^e^en tft, Ijiefje ben SBiuen ber SSKenfAen, 
aber nid)t i^re |)anblungen ftrafen; e8 wäre ein S3efe^l gegen bie Sibfldjt, 
weld^e ben oon ben menftpdien ©efe^en unab^angigften SJ^eil be$ SKenf^en 
bilbet. f ® e tt SBbwefenben aber an bem gurüÄgelaffenen ©gentium ftra^n, 
würbe, au^er einer leisten unb unoermeibli^en ßotliftott, welme obne 2^* 
rannei gegen bie SSerträge ni(^t aufgehoben werben fann, jeben 9Jerre!)r oon 
Station gu Station aufgeben, f ®ine Seftrafung be$ S^ulbigen na& ber 
3tü(He^r würbe ibn oer^inbern, baö ber ®efettfd)aft gugefügte Unre^t 3U 
fü^nen unb äße ©ntwidjenen gum Fortbleiben bewegen, ©elbft baö SSerbot, 
ben ©taat gu oerlaffen, oerme^rt nur ben äBunfdj feiner Slnge^örigen, bief 
gu t^un, unb ift für bie gremben eine SKa^nung, fid) ni^t borten gu be* 
geben. 

38a8 foKen wir oon einer Stegierung benfen, weld)e fein anbereö SSKittel 
bettet, bie Sürger gum SSleiben gu bewegen, bie burd) bie' erften 6inbrücfe 
ber Äinb^ctt an baö ©aterlanb gefeffelt werben, wie bie gurdjt? 2)ie 
ft^erfte 9trt, bk 33ürger im SSaterlaube gu galten, ift bit aSergrö§erung be$ 
relatioen aSßo^lfeinö eineg Seben. SBie jjebe Slnftrenaung gemalt werben 
mu§, um bie S5kgfd)ale be^ #anbelö 3 U unfern ©unften gu fenfen, fo er« 



— 75 — 

forbert ba$ Ijödjfte Sntcreffe be$ £errfd)er8 unb bct 9tation, bog bie ©umme 
be8 ©lü<Ie$, oerglidjen mit bcm bet SKadjbarftaaten, größer fei, al$ anberSwo. 
2)ie SSergnügen bcr ?)rad)t jinb nid)t bic #auptbeftanbtl)eUe btefeä ©lüde*, 
wie groß au& ünmer bie Sfartljwenbigfeit biefeö SWtttcIö wegen bcr Ungletdj* 
Ijeit tft, welqe mit ben gortf (^ritten einer Nation wadjft unb oljne weldjeä 
bie 9tetd)ti)ümer fidj ade in etnet $anb fammeln würben. 3Bo ftdj bet 
Umfang eines 8anbe$ in größerem Sföaße, als feine Seoölferung oermeljrt, 
begunfttgt ber 2ujtu8 ben S)efppti$mu8, f weil, je weniger SMenfdjen e$ giebt, 
befto geringer ber gleiß ift ; unb je geringer ber gleiß, befto größer bie Stb» 
Ijangigfeit ber Slrmutl) üon bem JReidjtljume, unb befto fdjwieriger unb we* 
niger gefürchtet bie ^Bereinigung ber UnterbrüdCten gegen bie Unterbrüder; 
beSljalb, weil bie Serebrung, bie f)füdjt, bie Untertreibungen, bie Unter* 
werfung, weldje ben 3lbftanb gwtfdjen bem 9Ra^tigen unb ben ©djwadjm 
fühlbarer madjen, f leid)ter oon SBentgen, als oon SJielen gu erhalten finb, 
ba bie üRenfdjen um fo unabhängiger finb, je weniger fte beobadjtet werben, 
unb van fo weniger beobachtet, je größer i^re 3<djl tft SBBo bie äöeöölferung 
aber in größerem SWaße, ate bie Stuöbeljnung be$ SanbeS mädjft, ift ber 
8nju3 bem ©efpotiSmu* entgegen, weil er ben gleiß unb bie Stljätigfett ber 
SQRenfdjen befeelt, unb bie JDürftigfett ben Steigen 3U oiel SSergnügen unb 
SSortljette bietet, als baß fie bem praljlerifdjen SanD, welker bie Slceinung ber 
Äbljängigfeit fteigert, einen großem 0lafc einguraumen brausten. 2>aljer fieljt 
man, baß in großen, aber jd)Wad)en unb unbeoölferten $ltitytn t wenn üjnen 
anbere ©rünbe fein ßinberniß entgegenfefcen, ber prafilertfdje 8ujru$ über 
ben bequemen oorberrfdjt; wajjrenb in ben me^r beoölfoten, als umfang» 
reiben baS Umgefeljrte ftattfinbet. Slber ber &anbel unb ber SBedtfel ber 
8njru$oergnügen Ijat baS Unbequeme, baß, wie feljr er aud) mit $ilfe SSieler 
getäeljen mag , er bod) nur bet SBentgen anfangt unb enbet unb nur einem 
feljr flehten Steile baoon ehte größere ©umme foftet, fo baß er ba$ ©efüljl 
beS (SlenbS nid)t oerbinbert, baö meljr in 33ergleid)uug als in SBa^rljeit be* 
ftöjt. aber bie burd) ©efefce allein begrenzte ©idjertjeü unb gretljeit finb 
fo, baß fie ben #auptgrunb be$ ©lütfes bilben, mit bem bie SSergnügen 
beS 2uptS bie 33eoölferung begünftigen, welche otjne jene bk SBerfeeuge ber 
Stqrannei werben. SBSic bte ebelften Siaubtljtere unb bie freieften SSögel ftdj 
in bie @infam!eit unb in uuguganglidjeS ©ebüfdj entfernen unb bie ladttttben 
unb frudjtbaren ©efilbe bem nadjftettenben SKeufdjen überlaffen, fo fliegen 
and) bit 9Jlenfcf}en bie Vergnügen felbft, fobalb bie Sqrannei fte oertljeilt. 
@0 ift alfo bewiefen, baß bie ©efefee, wel&e tk Bürger in i^r SSater« 
lanb einfmließen, unnü^ unb ungerecht pnb: alfo ift eö gletd^faUd bie Strafe 
für ben ©elbftmorb; unb wie feljr er audb immer eine ©ünbe fein mag, 
bie ©ott beftraft, ha er allein ben SDfenfcqen auc^ na^ bem &obt ftrafen 
fann, fo ift er bod) lein 33erbred)en oor ben SMenfAen, weil bie ©träfe, 
ftatt auf ben ©d^ulbigen felbft, auf feine gamilie fallt. SBenn Semanb 
entgegnet^ baß ni^töbeftoweniger eine ©träfe barauf einen SRenf^en, ber 
entfd)ioffen ift, fidb felbft gu tobten, gurücftjalten tann, fo antworte id) ibm, 
baß wer mit 9tul)e auf baö ©lud bee &ben$ oergi^tet unb e0 bergeftalt 
l)aßt, ba^ er i^m eine unglüdlidje @wig!eit oonte^t, ni^t burq bie 
weniger wirtfame unb entferntere SRücffidjt auf bie Äinber unb keltern gum 
@in^alten bewogen werben fann. 



— 76 — 

©djletd^anbel. 

S)er (Bfytxäfytmbd ift ein wahres SSerbreclptt, ba$ ben #errfdber unb 
bic Station beleibigt; aber bic ©träfe bafür barf nidijt ehrlos madgeir, ba 
er felbft in ber .öffentlitijen SJtetnung leine (gljrlofigfeit naq ftdfj gieljt äßet 
etetoS madjenbe ©trafen auf SJerbredjen fefct, bte nidbt als foldfre oon ben 
SJtenfdfjen angefeljen »erben, nimmt ba8 ©efüljl ber (Sljrloftgrett benen, bic 
e8 ftnb. SBer biefelbe Stobeöftrafe g. 33. für ben beftimmt, ber einen gafan, 
wie für ben, welker einen SKenfcnen tobtet ober ein wichtiges ©djriftftüdfc 
fäifdf)t, wirb feinen Unterfd)ieb gwifdfjen biefen SSerbredjen matten, bie auf 
fddje SBBeife bie moralifcfjen ©cfu^Ic gerfiören, btö SBerf meler Satyrljunberte 
unb öieleS SMuteS, bie feljr langfam unb ferner in bem menfdfjlidjen ©elfte 
gu erzeugen ftnb, weil ftc fold)e hervorrufen, meldje alö notljwenbtge £ilfe 
ber erfytbenften ©efüljle unb als großer Apparat ber ernften Formalität be* 
trautet werben. 

2)iefe8 SSerbredjen entfnrtngt bem ©efefce felbft; je Ijöljer bk ©teuer 
wirb, befto meljr ftetgt ber SJortljeil unb beäljalb bfe SSerfudjung ©djmuggel 
gu treiben, unb bie mdjttgfeit, e$ m tljun, wadf)fi mit ber SluSbeljnuttg ber 
ju bewaeijenben ©renken unb ber SJernngerung bed Umfange« ber Sßaaren, 
felbft bk ©träfe, bie gepaffte SBaare unb aucij bit begleitetfbe gu »edieren, 
ift feljr geredet; aber fte wirb um fo wirffamer, je geringer bie Abgabe fein 
wirb, ba bie SRenfdjen nur im SSerljältmffe gu bem SSortljeil wagen, btn 
ein glüdlidfjer SuSgang beS Unternehmens nadf) ftdj gießen würbe. 

SBeSljalb oerurfadijt nun aber biefeö SSerbredfjen feinem Urheber nie 
(Sljrloftgfeit, ba e$ bod) ein 2)iebftal)l gegen ben Surften unb alfo gegen bit 
Station felbft ifi? SBeil bie S3eleibigungen, .antworte idj, welche ber Stnftdjt 
ber SJtenfdfjen nadfj iljnen nidjt felbft gugefügt werben, fte ntd)t g^nugfam 
interefftren, um ben öffentlichen Unwillen gegen ben wadjgurufen, ber fte be- 

?$t 5)agu gehört ber @djleidlj{)anbel. 3)ie SJtenfdfjen, auf weldje bie ent* 
ernten Solgen feljr geringe (Sinbrüde madjen, feljen nidjt ben Stadjtljetl, 
welken iljnen ber ©dbWdf$anbel jufügen !ann, unb freuen ftdb oft nur über 
befftn augenblidlidfje SSorttyrile. ©ie feljen nur ben bem Surften gugefügten 
©ajaben, ftnb alfo nidfjt fo interefftrt, bem tyafött iljre Suftimmung $u 
entgte!)en, wie bem $)rioatbiebe, bem Urhmbenfälfqer ober anbern Serbredjern 
gegenüber, welche fte fd)abigen fönnen. Der ©afc ift Öar, ba% Seber nur 
gegen bie Uebel empfinblidj ift, welche er felbft lennt 

©ott ein folcfyeS SSerbredfjen beffen, ber nid^tö gu »edieren hat, aber 
ungeftraft bleiben? Stein: eä ftnb 'Öd^muggler, bit fo fe^r bk matm ber 
©teuer — eine« t^eilö wefentlid^en, tljeils f^wierigen Steile« etner guten ©ef efc* 
aßbung — t>erleten, ba§ ein fold^e« SSerbred^en eine beträdfjtlid)e ©traf^biö $m 
©efangni^, felbft bis gur ©claoerei, oerbient; aber ©efangni| ober ^claöerei, 
wie fte ber Statur be8 SSerbred^enö felbft entfjpredfjen; 3. S. follte ein Stabaf* 

Sjmuggler nid^t mit einem SDWrber ober Sftauber gufammenft^en, unb bie 
rbeiten bed erftern werben ber Statur beö SSerbred^er« am beften entfpred^en, 
wenn fte gu ©unften bed Solle« felbft »erwenbet werben, gegen weldjen er 
Unterf^leife begeben wollte. 



— 77 — N 

§.34. 
SJoti bett ®4ptlbnem 

33ertrauen auf Mc ©ontracte unb ©idjerljeit bcö |Hmbel8 fingen ben 
©efefegefcer, bic ©laubiger burdj bte $)erfonen iljrer banlbrikbigen ©djulb* 
ner jtdber gu ftetten; aber i& glaube, ba§ e$ richtig ift, gmtfd^cn einem be* 
trügertf<^ctt unb einem urifqulbigen 39anferotte gu uuterf Reiben; ber erftere 
fottte mtt berfelben ©träfe wie galfdjmüngeret belegt »erben, weil bie gal* 
fdjptna eineö geprägten Sföetattfiütfeö, weldjeö ein ?)fanb ber 3topfti#irag 
ber Spürger ift, fein größeres SSerbre&en auömadjt, als bie gaJfdjung ber 
SJerpfRdjtung felbft. f Slbcr ber unfqulbige 33anferotte, ber nadj aenauer 
Prüfung feine JRid)ter Ijinreidjenb überwiefen ijat, ba| entweber bie ©djled)* 
tigfeit ober SKi^gunft Stnberer ober oon ber menfälidjen Älugljeit nidft ju 
beftegenbe, unoermeiblidje $inberntffe ifjn feiner ©pifteng beraubt §abtn t foute 
mc^t auö einem barbarifd>en ©runbe in ein ©efangnifj geworfen merben, 
beraubt beö einzigen unb traurigen ®ute$, baö iljm bie narfte greiljeit ge* 
maljrf, um bie Slngft ber ©djulbigen burdcjgumadjen unb au8 Sergweiflung 
über bie unterbrächte wcfitfdjaffenlieit oielleidjt bie ttnfdjulb gu bebauem, in ber 
er rut)tg unter bem ©djufce ber ©efefce lebt, weldje m beletbfoen nid)t in 
feiner Sibftdjt lag, unb bie oon 9Rad)tigen au8 £abfud)t gegeben unb oon 
ben ©Awaqen in ber ^Öffnung getragen werben, bie meift in bem menfdj* 
lidjen (Semütlje glimmt unb uns alauben la§t, ba§ bie ungünftigen Sreignijfe 
für bte anbern unb bk oortbeil^aften für un$ ftnb! 35te ben erften, tieften 
©efüljlen nadjgebenben 9Renfd)en lieben bie graufamen ©efefce, obgleid) fle 
tljnen felbft unterworfen ftnb unb e$ in bem SSortbeile eines Seben hegen 
mürbe, ba§ fte gemäßigter waren, ba bie gurdjt beleibigt gu werben immer 
größer/ als ber SBiUe gu beleibigen ift. 3u bem unfdjulbtgen Sanferotteur 
gurüdfeljrenb, fage id), ba% er, wenn feine SSetpfftdjtungen unauSlöfdjltd) fein 
foHten, bte gur aönglidjen Segaljlung, wenn e§ iljm ntdjt gugeftanben wirb, 
ftd) oljne bie Suftimmung ber beteiligten ^arteten Ujnen gu entgteljen unb 
unter anbern ©efefcen feinen §let§ gu oerwertljen, burd) Slnbroljunj} tum 
Strafen gezwungen fein foKte, feinem guneljmenben SSerbienfte gemäft ben 
gorberungen an ijjn geregt ju werben. 2)ann lönnte man leinen geredjten 
SBorwanb, wie bie ©idjerljett beä #anbel§ ober baß ^eilige ©igentgum ber 
©üter finben, welker eine ^Beraubung ber greibett rechtfertigen fönnte, bie 
unnü£ wäre, au§er für ben Sali, ba$ man burd) bie Uebei ber ©claoerei bk 
©etjeimniffe eineö nur angeblich unf(|ulbigen 33an!erotteurö enthüllen formte: 
tin SaH, ber eine fdjarfe UnterfuAung oorauögefefet unb äu§erft feiten fein 
wirb! 3d) ^alte eö für baö befte ©efe^, ba% ber ÜBert^ ber polittf^en Sin* 
cottoeniengen in einem ©erbältntffe fei, weites auö ber birecten be$ öffentli^en 
©c^abenö unb ber umaefe^rten, ber Unwa^rfe^einlic^feit fi(^ gu reqjtfertigen, 
gufammengele^t ijt. Äönnte ber 35olu8 oon ber f^weren fequlb, btefe von 
ber leisten unb biefe wieber oon ber oollftänbigen ttnfdjulb unterfd^ieben 
werben unb ber erften bie ©träfe für ©erbrechen ber gälfäung, ber gweiten 
eine geringere, aber au<^ mit ©ntgieljung ber grei^eit oerbunbene auferlegt 
werben, wäljrenb ber le^tern bie freie 3§al)l ber 9Äittel gu iljrer Me^abilt* 
tation bleibt, fo würbe ber britten bk greibeit, bte$ gu t^un, genommen unb 
ben ©laubigetm überantwortet werben muffen. Slber bte Itnterfc^eibung oon 
„2ei^t" unb „Schwer" mu§ bur^ blinbe unb wtparteüfdje ®efefee, ni^t bur^ 



v _ 78 — 

bie gefäljrltd&e unb wittfurlidfje Äluabett ber 5Ridf)ter feftgefetjt werben. 3Me 
Seftjtcttting ber ©renken ift in ber §)olitif fo notljwenbtg, wie in ber >3Ratl)e* 
matif .beim Steffen bed öffcntlii^en SBoljleS, wie bei bem ber ©rojjen. 1 ) 

Sföit welker 8eidjtigfett fönnte ber oorftdjtige ©efefcgeber einen großen 
SUjetl ber betrügerifdhen öanfbrüdfje oerfjinbern unb bem ttnglücfe be$ wt* 
fclntlbigen gierigen &bljtlfe fdbaffen! S)ie offentltdfje unb richtige SRegijiri* 
rung atter SSerträge, bte greigett aKer S3ürger bte moljl georbneten £ora- 
mente ju prüfen; eine öffentliche 33anf, weldje au$ ben weife auf ben 
glücfbringenben $anbel ocrtljetlten Steuern gebilbet unb beftimmt ift, mit ge* 
eigneten Summen ibr unglüdf lidjeä unb unfdljulbtgeS SWitglieb gu unterftufcen, 
mürbe feinen wtrfltd)en Stadjtljetl, aber unjäljliqe Sortljeile nadlj ftd} gießen 
fonnen: aber bie leichten, einfachen unb großartigen ©efefce, meiere nur ben 
SBinf beö ©efefcgeberS erwarten, um 9ietcf}tljum unb Sftadjt in ben ©tfyoog 
ber SSölfer m fqutten unb iljn mit unftetMdjen ©anffagungen tum ©ene* 
ration gu ©eneration übettjäufen würben, finb am wenigften befannt ober 
gewollt. 6in ungleicher unb flemlidjer ©eift, bie furdfjtfame Älugfyeit be& 
gegenwärtigen SlugenblidfeS unb eine rüdfljaltenbe Starrheit befjerrfdjen bie 
©efüljle beffen, ber bie güttc ber ^>anblungen ber Beinen SMenfapn $u com* 
biniren Ijat. 

§. 35. 
3ttffod>tefföttem 

68 bleiben mir nodf) jwei gragen jur ttnterfudfyung: bie tint, ob bxt 
Slfule gerecht fmb f unb ob ber SSertrag awtfdjen ben Stationen, ftclj bie 
©djulbtgen auSjultefern, nüfclidj ober unnüfc ift Snnerijaib ber ©renken 
eines ?anbeö foute fein Drt oon ben ©efe^en unabhängig fein. Sie Sötadjt 
»erfolgt $u werben, foßte jebem Sürger, wte htm Äörper ber ©Ratten, fol- 
gert, ©trafloftgfeit unb greiftätten meidjen nur t>on einanber burdf) ba$ 
SReljr ober SSBeniger ab; unb wie ber (Sinbrucf ber (Strafe meljr auf ber 
©emiftöeit ifyrer unoermeiblidfyfeit, al3 iljrer SWadljt beruht, fo treiben audj 
bie 3uffod)t8ftätten meljr ju SSerbredjen an, al$ bie ©trafen oon üjnen $u* 
rütffd)recfen. ©ie oermeljren, Ijeifct, ebenfo oiele Heine unabhängige ©tauten 
bilben, weil bort, wo feine ©efefce Ijerrfdfyen, fidf) neue unb ben allgemeinen 
entgegengefefcte bilben fonnen unb bamit ein ©eift be8 3Biber[tanbe$ gegen 
ben aaiuen Äötper ber ©efettfdjaft. 3)ie game ©efdjidfjte aemt, ba§ t>m 
ben greiftätten gro§e Umwälzungen in ben 3u|tättben rtnb UReinungen ber 
SRenfd^en ausgingen. 

Db e$ aber nü^lt^ fei, ba§ ftd) Nationen gegenfeitig ifyre SSerbrec^er- 



x ) f ipanbel unb 53ef|^ t>on ©ütern finb ni*t ein (Snfyiel bed gefeßf^aftli^tt 
SSertrage^, aber !onnen ein SDttttel fein, um und $u emäpren. «ber !0Ktglieber 
ber @efellfd)cift ben Uebeln audgufe^en, gu beren Beugung fo »tele (jombt« 
nationen mitwtrfen, todre eine Unterorbnung bcö 3ie(ed unter bie Mittel, ein 
^)araloaiömud aller SSMffenf haften unb befonberd ber ^olitif, in wel^e i4 felbft 
in ber früheren Sluögabe »erfallen bin, wo id^ gefagt %abt, bafy ber unfdbulbtge 
Sanferotteur alö ^fanb für feine ©4ulb in £aft behalten werben muffe ober aß 
@c(at>e für bie ©Ifiubiger gu arbeiten fytibt. 3<S fdftäme midi), fo geförieben gu 
^aben. 3<$ bin ber SrreHgiofltät angeflagt worben unb bed Slufrubrö, o^ne e$ 
ju »erbienen. Sd^ ^abe bie $edjte ber 5Wenf^eit beleibigt, aber SWemanb §at 
mir einen Vorwurf barau* gemalt, f 53eccaria. 



— 79 — 

aufliefern, wage tdj nidjt m entfdjeiben, bte mefyr ben Sebürfniffen ber 
9Wenfd$ett entfpred)enbe ©efeftc milbere (Strafen unb bal (Srlöfdjen ber Ab« 
Bangtgfeit oon ber ©tttfür unb öffentlichen Meinung bie unterbrüdte Un- 
fc^ulb unb bit oeradjtete Sugenb fajüfcen, btd bie Scannet gang unb gar 
uon ber gefunben Vernunft, meldje immer mdjr bie Sntereffen bed Sfrrone* 
unb ber Untertanen mit emanber vereint, tn bie weiten ©benen Giftend 
»erbannt ift; fo lange märe aber bie ttebergeugung, baß {eine |>anb breit 
2anbe3 gu finben ift, mo btn wahren ©erbrechen oergieljen wirb, baä wirf* 
famfte SMittel um fte gu netfjinbern. 

§♦ 36. 
9Son beut auf einen Stopf gefegten greife, 

2)ie anbere grage ift bit, ob e$ nüfclidj ift, auf ben Äopf eine* an* 
ertannten 3Serbred)er$ einen $)rei3 gu fefcen unb jeben Surger gum ©djarf« 
rtdjter gu matten, inbem man feinen Arm bewaffnet: Sntweber ift ber 
©qiulbige außerljalb ober innerhalb ber 8anbeögrengen : im erften gaUe retgt 
ber §tn\ä)tt bie Surger an, ein SSerbredjen gu begeben unb fefet fte einer 
©träfe au3, ba er eine 33eleibigima unb Anmaßung auf bie Autorität ber 
9tad)barftaaten ausübt, unb baburqj bte anbern SRatumen oeranlaßt, i^m 
gegenüber ebenfo gu tjanbeln: im gmetten hingegen geigt er bie eigne ©djwäajc. 
©er bie Äraft §at, ftd) gu oertljeibtgen, fudjt fte mdjt oon 9tnbern m er* 
werben. 1 ) Slußerbem untergräbt ein foldjer Srlaß alle Sbeen ber SKoral 
unb Sugenb, meiere beim gerinaften 4>audje aus beut Äopfe ber SDtenfdjen 
nerfcfyminben. Salb neigen bit ©efefce gum SSerratfye unb balb beftrafen fte 
iljn. 9Jtit ber einen $anb fnüpft ber ©efefcgeber bau 33anb ber gamilie, 
ber SSerwanbtfdjaft unb ber Sreunbfdjaft, unb mit ber anbern belohnt er ben, 
ber eö geneigt unb gerftört 2 ): immer mit ftdj felbft im ©tberfprucfy, forbert 



*) & giebt feine ©ewatt, weldjer ber fötenfeb niebt entgegen fönnte, unb 
bann ift e$. eben feine ©ewalt me^r. deiner £nfid)t nadj müßte man nur bti 
ben fd)werften $erbred)en einen 9)vet$ auf ben Äcpf fefceu, namentlich bet benen, 
welcbe gerabewegä bie 3erftdrung unb $uflöfung ber ©efellfcbaft an* 
ftjeeben. ©tberot. 

8 ) 9Ud)t allein ber Surft f aud) ber 9Ud)ter muß ein etjrlicber 3Dcann fein: 
©oll man bei ber Cbrtgfett (oben, xoaö man bei einem SPrioatmanne oerabfd)eut? 
©er bem Qitbt ©nabe oerfprtd)t, wenn er gefteljt, unb fein ©ort niebt $ält, 
ift beä ©trangeä würbtger, a!ä ber nad)ber geengt wirb. 51 He ©cblupfwtnfef, 
£interlift unb (Sntfdjulbigungen ftnb oon bem 9ttd)terftubf oerbanut; aber aud) 
ber Surft ift fcbulbtg, ba$ ©ort ber Dbrtgfeit in (Erfüllung gu bringen, toenn 
fie bem ©ünber »erfproeben bat, baft er ungeftraft bleiben fode. &$ tüiK mir 
aar nid)t gefallen, wenn ed unter bem $taro>anbe umgeftoßen wirb, baß ber 
Siebter baä gar ni$t %abt oerfpreeben fottnen. 9J?uß niept jeber £)obere für bat 
Jöerfeben feined Untergebenen einfte^en? ^ (Sr weift ober foll wenigften« wiffen, 
waä für einem Wanne er bie ©ertebttbarfeit übertragen. Deffentlicbe £reue 
muß ati ein ^orbilb, nad? welkem Untertanen flcb riebten foden, über alle« 

?eben, unb bad »on einer Dbriafeit gegebene ©ort atä heilig betrautet werben 
onnett. ©obalb ber öffentliche ©laube wanft, gereift bit* bem gangen ©erneut» 
wefen mm (tußerften Siacbtbeile, unb ber 8anbedberr leibet fogar im $lu8lanbe, 
wenn ftcb bie oon tym befteüten S3ebßcben in ©acben, bie oor ben klugen bed 
gangen Banbe« unb unter öffentlichem ffiaxntn oor flcb ge^en, burdj ^ptnterbalt 



— 80 — 

er bie orgwö^nifdjen ©emütljer ber SMenfcffen balb gum Sertanten auf, bdfc 
ffreut er 9Jh§trauen in bie 6ergen SCHer. ©tatt einem Serbredjen vwc* 
mbeugen, läfjt er Bunbert in'S Beben treten. Dies finb Hilfsmittel fAwad^r 
Nationen, beren ©efe^c nur augenblitflidje SfaSbefferungen eines baufatßaen 
£aufeS ftnb, welAeS aller orten gerbröcfelt. 3n bem vJlafy, wie bte Sßtf- 
ftärung einer 9tatton wadjft, werben guter ©taube unb gegenfeitiges Ser« 
trauen notfjwenbig unb ffteben immer me^r banad), fidj mit ber »obren 
9>oltttf gu oerbinben. Äunftgriffe, 8iänle unb bunne unb inbhrecte SBege 
werben meift oorauSgefeljen unb bie SmpfinbU^feit Sfller bejtegt bit jebe* 
(Singeinen. 

Die Sa^unberte ber Unmtffenl^eit, — in welken bie öffentliche SRoral 
ben Sföenfdjen gwana, ber jmoaten gu arijordpn, — bienen ben aufgeflärten gur 
Seleljrung unb 6rfenntni§. Die ©efefce aber, weldje ben SSerratlj pramtiren 
vmb einen geheimen firieg anfatöen, inbem fte gegenfeitiges 9ftt§trauen unter 
bie SSürger verbreiten, fteHen ftc^ biefer fo notl]>menbtgett SSereinigung ber 
SRoral unb fyoMl entgegen, ber bie SKenfcfjen ifyr ©lud, bie äJötfer ben 
grieben unb bte gange SSelt einen feljr langen 3eitraum ber 8iul)e unb @r* 
Ijolung von bem auf i^r (aftenben ttebeln oerbanfen würbe. 

* §. 37. 
angefangene SSerbredjcn, SJUtfdjulbige, @traffof!g!eit 

Dbgleid) bie ©efefce bie 9tbftd)t ntc^t beftrafen, fo oerbient boeb ein 
SJetbredjen, baS fdjon im Singriff genommen ift unb bei bem ftdj bie Stbftcljt 
oerrätlj, eS auSgufufpen, eine, wenn aud) gerfnäere ©träfe. als baS aufge- 
führte SSerbredjen. Die SBidjtigfett, einem SSerfu^e oorgubeugen, erma^ttat 
gu einer ©träfe; aber wie gwifdjen bem SSerfudje unb ber SiuSfüljrung em 
ttnterfd)ieb ift, fo fann aud) bxt für baS oottenbete, größere SJerbreAen feft* 
gefegte ©träfe SSeranlaffung gur 9teue geben. Daffelbe gilt, wenn SERelpere, 
aber nidjt unmittelbar, fonbera in einem gro§en SJerIjaltniß, baS ©erbredjen 
ausgeführt ijaben. äßenn ftd) mehrere 9Jtenfd)en gu einem gefährlichen Un- 
ternehmen Bereinigen, fo fudjen fte bte ©efagr um fo gleicher für Rieben gu 
madjen, j|e gröger fte ift; eS wirb alfo um fo fdjmieriger fein, ben auSfhtbtg 
gu mad>en, ber bie SfoSfubrung übernommen Ijat unb baburdj einer grö§ern 
©efatyr entgegengeht, als feine ©efaljrten. 9iur bann wirb eine StuSnagme 
ftattftnben, wenn bem StuSfüfyrenben ein ?)reis gefefct ift: ba er auf biefe 
SBeife alfo eine Selolpung für bie größere ©efaljr einölt, fo foltte bte 
©träfe gleid) fein. Dtefe ©etradjtungen erfdjeinen bem oteHeidjt gu pban« 
tafttfdj, ber nid)t überlegt, ba§ bit ©efefce btn ßomplicen eines SSerbredjenS 
fo wenig ©runb gur SSereinigung als möglid) bieten foHen. 

6inige ©eriqte bieten bem £Ijeilnet)mer an einem fjfyweren SSet^reÄen 
©traflofigfeit, welker feine ©efäljrten angiebt. Sin fold)eS Hilfsmittel yat 



unb fpi^jtnbige ©riffc »on ber Söatjrljeit gu entfernen ober begangene Jebler 
dur^ neue gu toerbetfen fn^en foUten. S)abur(^ wirb ba8 obrigfettti^e §lnfe|en 
gef^wfi^t, bie ^eiliafeit beS X^roneS gef Raubet unb bie (Sontra^enten fd&üÄtern 
gemalt, M mit ^o^eren eingulaffen, wäfcrenb man bie Seute üielme^r über» 
ieugen foUte, ba§ fie ftdjer mit bem StiAter unb noeb p^erer mit bem SanbeS- 
perm Verträge angeben fömten;. benn bteSWenf^en finb f$on vomberein, o^ne 
jebe tJorurtbeilung, gegen bie 9ßd)ter gern mi§trauif(^. ^ommd. 



— 81 — 

feine -JtacfaljeUe unb feine Sortljeile. Die 9tadjtljeUe finb, ba§ bie Nation 
ben SSerratl) begünftigt, 1 ) ber felb[t unter SSerbredjern neradjtlid) ift, ba bie 
SSerbredjen beö SRutljeg einer fRatton weniger fdjaben, als bie ber $eigljeit, 
berat jene jtnb nidjt ljcmfi& unb erwarten nur eine motyltljätige unb leitenbe 
©emalt, um fid) für ba$ öffentliche SBoljl gu begeiftern, wa^renb biefe gewöhn* 
ltdjer unb anftetfenb finb unb ftd) immer ntebr auf ftd) felbft befqjranfen. 
3lu§erbem öerrätl) ba$ @erid)t bk eigene Unftdjerljett unb bie ©djmadj ber 
©efefee, meldje ben um 4>i(fe bitten, ber fie beletbigt Ijat.*) 

3U$ SSortljeil erfdjeint bk 33erljinberung fdjwerer &erbredjen, meldje 
ba$ SSoi! baburd) einflüstern, baß tfjre golgen ftdjtbar, ityct Urheber aber 
unbelannt finb; 3 ) aufjerbem trägt e$ auc| bagu hä f gu geilen, ba§ wer ben 
©efefcen, alfo ber Deffentlidjfeit, nid)t Streue bewahrt, bteö audj prtoatun 
itid^t tljut. Sin allgemeines ©efefc, meines einem angebenben föomplicen 
etneä 3Serbred)en$ ©trafioftgfeit ftdjert, fcfyeint mir einer ©pegtalerflärung für 
einen eingelnen §aH öonierjbar gu fein, ba eö fo bie ^Bereinigung ber 3Ser« 
Breuer auögegenfeittger $urd)t öerijinbem mürbe, in §olge berer Seber glaubt, 
ftd) nur alleitt blofcguftellen; unb baö .©eridjt mürbe bte äSerbredjer nidjt 
ermutbigen. bie in einem eingelnen gatle feljen, bah iljre $ilfe notljwenbig 
ift (Sin foldjeö ©efefc fottte aber mit ber ©trafloftgfeit bie SSerbannung 
be$ Angebers öerbinben. . . . 



*) 3<b erinnere midj folgenber Antwort eines 3tngeffagten auf bk\en SBor* 
fd)lag: „<&k werfen mir eine Socffpcifc ba »or, aber icb bin unfcbulbig unb 
Ipahe feine X&enoffen. Söäre icb aber fcfyulbtg unb l)ätte Reifer gehabt, fo würbe 
tcb fte aud) niebt entbeden; benn vok fonnte tcb S^ncn trauen, ba ©ie mir 
febon fo t>iele gaKen gefegt unb fo biete t>erfängltcbe gragen geftellt tyaben, an 
»rieben fogar bk Unfcbulb b&tte febeitern fönnen?" Bommel. 

3 ) £>ie Unftcberbeit ber ©eriebte unb bie ©ebwaebe ber ©efefce in 33egug 
auf ein unbefannteö SBerbrecben, ftnb offentlidj befannt. Vergebend würbe man 
»erfudjen, fte gu oerbetmlicben. vlitytt fann ben löort^ctt aufwiegen, unter bie 
SBerbrecber SKifttrauen gu faen, fte einanber »erbaebtig unb gefürchtet gu machen 
unb fte unaufhörlich argwöbnen gu laffen, bafj fte in ibreu 3ERitfcbulbigen eben 
fo »iele $nf läger beftfcen. 2)icö treibt bk 93öfewtcbter gur geigbeit, unb alles, 
waä fte mutbloS maebt, ift »on Sfotfcen. S)a3 feine ©efübl beö $erfaffer$ ift 
baS einer ebeln unb erhabenen @eeie, aber bk menfdjlicbe 5Woral, bereu ©runb» 
läge bie ©efefee bilben, b«t bk öffentliche Drbnung im 3(uge unb barf gu i^ren 
Sugenben ntc^t bk gegenfeitige Äreuc ber ©erbreeber gäb^n, welche babureb bk 
örbnung nur no<b me^r uerwirren unb bie ©efefce mit noeb grofterer @icberbeit 
»erleben. 3n einem offenen Kriege nimmt man bk Ueberläufer auf; um fo 
ntebr mu§ bieö in einem bunfeln unb verborgenen gefebeben , ber nur mit ötft 
unb SSerratb geführt wirb. 2)iberot. 

3 ) Wtaxi beobaebte bk erften Slugenblicfe, in benen fieb bie 9iacbricbt irgenb 
eines entfefcltdjen ^Berbtecbenö in ben ©täbten unb auf bem öanbe oerbrettet; 
bk ^Bürger gleicben ?0?enfcben f welcbe ben SBltfc neben fieb einfcblagen feiert; 
ieber iftöon Unwillen unb ©ebreef burebbrungen: bie aufgeregte (Sinbilbungg* 
traft' malt bk ©efabr noeb lebhafter unb bewegt bk bergen gum SKitleibe; fle 
bebauern bei ben Zubern bie Uebel, bie fte noeb für ftcb felbft fürebten. 3)a8 ift 
ber 5Jugenbli(f, um baö 33erbrecben gu beftrafen; man laffe ibn niebt unbenufet 

»erftreieben, fonbem eile ben IBerbrecber gu überfübren unb gu toerurtbeilen 

(gebietet bie ©traffättigen auf bie öffentlichen $la>e, 'rufet bat Söolf mit lauter 
©timnte berbei, unb 3b r werbet feben, ba% eö ber SBerfünbigung Surea Urtbeilci 
lauten Seifall gujaucbgt, alö ob H grüben unb greibeit bebeute. 

@er»an, SRebe über bie Verwaltung ber ßrtminaliufiig. 

SSalbed, Seccaria. 6 



— 82 — 

§tber oergebenö bemühe idj midj, bic ©ctoiffcnöbiffc gu gerftöten, meldje 
idj barüber empfinbe, ba$ td) bic geiiigen ©efe^c, bic ©runbfäulen be6 öffentlichen 
SJertrauenö imb baö gunbament ber menf (ftidjen Süloral, gum SJerratb unb 
jur SSerfteßung oeranlaffen miß. SBeldjeS 33eiftriel mürbe eö für bic 9cattott 
fein, wenn man bic oerfprodjene ©trafloftgfeit nidjt galten unb mit püft 
befttmmter Stoftüdjte trofc be3 öffentlidjen ©laubenö ben gur ©träfe gießen 
wollte, ber bem 33erfpred)en ber @efe$e gefoigt tft! üftidjt feiten finb bei ben 
Nationen foldje Seifpiele, 1 ) nnb beöbalb ftnb aud> SfJtenf djen nidjt feiten, 
bie oon ber Nation nur bic Sbee gaben, bafc fte eine kfammengefe^te 
SJlafdjine ift, beren Sricbfebern bie ®efd)i(fteften unb bk 9Käd)tigften nadj 
i^rer ^Begabung in ^Bewegung fefcen, falt unb gefüfjlloö gegen SuleS, wa3 
bttö SSergnüaen be§ gart unb fein füf)lenbcn ©elftes bilbet, regen fte mit 
unerfd)ütterhdjer @djlaul)eit bei ben Slnbern ftctö bic tljeuerften ©cfü^Ie unb 
bic fyeftigften Seibenfäaften auf, fobalb (te e$ für iljre 3we<fe bienlidj finbett 
unb taften auf beren ©emütfjem untrer, wie bie SWufifer auf iljrenSnftrumenten. 

§. 38. 
SBerfänglidje fragen, ttoöfagctt* 

Unferc ©efefee »erbieten bic fogenannten ©uggefttof ragen bei einem 
f)roceffe, b. Ij. alfo — btn ©eleljrten nad) — bie nadj ber ©pecteS, »eil 
man nur nad) btn Umftänbcn eine? SSerbredjenS unb nad) bem @enu8 fragen 
foö: foldje fragen alfo, weldje in unmittelbarem Sufammen^ange mit bem 
SSerbredjen fielen unb bem 3(ngef tagten eine unmittelbare Stntwort an bie 
£anb geben. 2)ie gragen f ollen na<% bem Sriminalfyftem, fo m fagen, 
bie Stjat föiralförmig enthüllen, aber nie in geraber Sinie auf biefelbe loö* 
aeljen. 2 ) 2)ie ©rünbe für biefc üKetljobe finb, tljeitö bem 3lnge!lagtcn leine 
Antwort einzugeben, meiere iljm bk Stuf läge entljüllt, tljettö weil e$ gegen 
bie Statur felbft gu fein fdjeint, ba§ ftd) an ?Ingellagter unmittelbar felbft 
befd)ulbige. Sßeldjer aud) immer oon biefen beiben ©rünben ber ridjtige fei, 



1 ) 3n einer ber entfefclidjften Seilen oon 33icötre brachte ein ©efabrte oon 
<Sartoud)e bie legten neungebn 3atjre feineö 8eben8 ju. Man batte ibm »erfprod)en, 
e3 tym für ben Sali gu laffen, ba§ er eine (Sntbullung mad)te, gu ber er ftd) 
aufy in golge beffen oerftanb. Sttan lieg tfym bau Seben, aber e$ würbe ibm 
gur entfefclid)ften ©träfe; unb neungebn 3fab*e binburd) füllte er tägltdj, ba& eö 
größere Uebel, alö ben 2iob, giebt, ben er für baS fdjretflic^fte gehalten ^atte. 

SÄirabeau, S3emerfungen über 33ic£tre. 

2 ) 2Bie einem »erfdjlagenen Sfti^ter ni^tö letzter ift, alö ba§ er einen ein» 
faltigen Seugen, ben er »erbört, ganj anbere 2)inge fagen lä^t, als ber 3euge 
wirftic^ benft, fo Ijaben au^ ^eimtü(fif(^e unb blutgierige Südjter ft(^ oft tin 
SBertienft barauö gemalt, blobe unb einfältige 33erbred)er burc^ oerwirfelte 
gragen in 2öiberfprüdj)e ober wol gar p einem S3e!enntniffe oon Umftänben gu 
oerleiten, bie bem ^In^ef^ulbigten pernad) ben ^palö gebrochen baben. — Sßegen 
ber SKitoerbredber gesternt e3 bem Siebter nidbt gu fragen: „£at ni^t, wäbr^nb 
S)u ben 2)iebftabl oerübteft, ber de. 2Bad)e geftanben?" fonbern er fott fragen, 
ob unb wer unterbeffen 2öad)e geftanben b^oe? Xro^bem barf man aber bodj 
icbledbterbinflö ni^t äße ©uggeftionen oerwerfen, nur muffen fte Siebe jur SBabr* 
♦Bcit unb nicfyt lölutburft gum ©runbe fyaben, au^b ni^t ber 9lrt fein, bafy ber 

^ingeflagte gum Siebter fagen fann: „2)u bift fein ebrlidjer Wtann." 

^ommel. 



— 83 — 

ber äBiberfprudj ber ©cfcfec tft auffalten)), weldje gugleidj mit ejner foldjen 
Gfewor)nl)eit bie golter reqjtmäßtg oerorbnen; benn welche gragc lann meljr 
fuggeftto, alö ber ©djmera, fein? Der erfte ©runb wirb burd) bte Folter 
geredjtfertigt, beim ber ©dimerg wirb bem ©tariert ein t)artnäcltgeö ©djweigen 
an hk £anb geben, ba er baburd) eine größere Strafe mit einer geringern Der* 
taufdjt, bem ©djwadjen hingegen gum @eftänbni§ oeranlaffen, ba e$ it)n oön ber 
gegenwärtigen Dual, welche meljr wirft, al$ ber aulünftige ©d)mer$, ■ für ben 
«fagenblid befreit. Der gweite ©runb ift augenfaieinlidj berfelbe, Denn wenn 
man in ©pecialfragen gepen baß -ftaturredjt ben SCngelfagten $um ©eftänbntB 
»eranlafct, fo werben e$ bie Folterqualen nod) t>iel letzter bewerlftettigen: 
aber bie DJknfdjen ridjten ftdj metjr nad) ber 3Serfä)tebenf)eit ber 9iam*n, 
alö ber Dinge. 3u ben Fehlern, welche nidjt geringen @infüt§ auf 
bie menfdjiidjen Dinge ausgeübt t)aben, gehört namentlid) ber, ba$ bie 
Sluöfaae eines jd)on oerurtljetiten Slngellagten null nnb nidjtig fei; er 
ift gefe^lidj tobt, fagen ernft bie red)t$aeleljrten 9>rtpaifcriler, unb ein 
Stobter ift leiner £anblung fätjig. Um biefe leeren SSorurttjeile aufregt $u 
erhalten, ftnb Diele Dpfer gebracht worben, unb oft ift mit ernftem 5ftadjbenlen 
barüber bifputirt worben, ob bie 3Bafjrr)ett ben ridjterlidjen Formalitäten 
weisen folle. Sßenn nun bie 2lu3fagen eines oerurtljeilten 3Serbred)er3 nidjt 
fo finb, ba§ fte ben 2auf ber ©eredjtigleit aufhalten, weswegen fottte man 
bann nidjt aud) nad) ber 33erurtt)eilung bem eifrigften 2Bunfd)e beö Slngellagten 
unb ben Sntereffen ber äßaljrfjeit einen paffenben 3eitraum gewähren, fo 
baft er burdj 9htfüt)rung neuer Sljatfadjen über bie SJtotioe beS Serbredjenä 
fid) ober Slnbere burd) ein neues Ürtljeit rechtfertigen lönne? Formalitäten 
unb Seremonien finb $war bti ber 4)anbt)abung ber ©eredjtigleit notljwenbig, 
weil fte ber äßittlür beö ©eridjtSbeamten nid)tö geftatten unb bem Solle btö 
©djaufpiel eines nidt)t aufgeregten unb interefftrten, fonbern feftbegrünbeten unb 
regulären SKedjaniSmuS oerfdjaffen, unb weil auf bie SKenfdjen, weldje bie 
9iadjat)mer unb ©claoen ber ©eredjtigleit finb, bie ©mpfinbungen einen oiel 
wirlfamern ©inbrutf, als bie Urt|eilSfprüdje mad)en; bodj lönnen fte nie 
ot)ne grofje ©efatjr burd) baS ©efefc beftimmt werben, ot)ne ber 3Bat)rt)eit 
m fdjaben, welche beS äußern Pompes bebarf, um baS unwiffenbe SSolr für 
ftdj gu gewinnen, bem fte $u einfad) ober 3U ^ufammengefe^t ift. 

Der enblidj, ber bei ber Unterfudjunij bdbti beljatxt, auf bie ir)m 
vorgelegten Fragen nidjt gu antworten, oerbtent eine ©träfe, we(d)e burdj 
bie ©ejefce feftgefefct unb feljr fdjwer fein mu§, bamit bie äftenfdjen nic^t 
über bit 9lott)wenbigleit beö Seifpielö fpotten, welc^eö man bem Softe geben 
mu§. 2)iefe ©träfe ift unnöttjtg, fobalb ein 3»eifel barüber waltet, ob 
biefer Slngellagte biefeö SSerbreqen begangen fyabt, wie bie Fragen ebenfo 
unnüfc, wie ba$ ©eftänbni§ beö 33erbred)er8, fobalb auf anbre SBeife beffen 
S(^ulb bewiefen i[i 2)iefer lefcte %aU ift ber gewö|nli(^e, weil bie fo 
fat)rung le^rt, ba$ in ben meiften SSertjanblungen bie Stngellagten läugnen.* 

• §. 39. 

Utbtt eine eigentr)ümlt(t)e %xt öon 35etbte(t)en* 

SBer biefe ©(^rift lieft, wirb wat)rnet)men, ba§ xäj eine 3trt oon 3Ser* 
bye^ett übergangen t)abe, wel^e ©uropa mit SJlenfc^enblut überfdjüttet unb 
jene furchtbaren ©(^eitertjaufen erridjtet t)at, wo ben Flammen aU 5ftat)rung 
lebenbige 3Wenf(^en bienten, wo e$ ber blinben SKenge ein freubigeS ©d^au* 

6* 



— 84 — 

fpiel unb angenehmer Älang, mar, ba0 bumpfe unb wirre Seufzen ber ©lenben 
gu työren,' weldjeS bic SBirbel fdjwargen StaudjeS burd)brang, bed JRaudjeä 
tum menfdjlidjen ©Hebern, mäljrenb bk oerfoljlten ©lieber nodj gudten nnb 
bie gitternben ©ingeweibe jidj nodj Bewegten. Vernünftige SJtenfdjen werben 
aber einfeljen, ba$ mir £)rt, Saljnjunbert unb Sföaterie nidjt gejtatten, bte 
9tatur etneö folgen 33erbred)en$ gu unterfudjen. 3u weit unb öiel ju feljr 
über meinen ©egenftanb hinaus würbe mid) ber äSemeiö gegen ba3 Seifptel 
öieler Aktionen fuljren, ba§ eine ooHftänbige Uebereinftimmung ber Stnjtdjtett 
in einem (Staate nötljig ift; ba$ religiöfe SSReinungen, bk nur burdj augerft 
feine unb bunfle, btn menfdjlidjen Gegriffen aber gu fern Itcgenben ttrfadjen 
Don einanber oerfdjieben ftnb, bodj ba$ öffentlid^e Sßoljl erf füttern fönnen, 
falls nid)t eine oöUig unb alte anbem gar nid)t gebilligt werben; unb ba§ 
bk 9tatur biefer Meinungen fo befdjaffen ift, ba§ mal)renb bie einen mit btn 
entgegengefefcten in ©äljrung übergeben, jtd) befämpfen, !laren unb bte malj* 
ren nadj oben faffen, bie falf d)en Ijmgegen btm SSergeffen anheimfallen unb 
nodj anbere, fdjledjt geftdjert, tfjreS einfadjen 33eftei)enS falber mit Sftadjt 
unb ©ewalt umgeben werben muffen. 3u umftftnblidj mürbe ber 33emei$ 
fein, ba§ wie Ijajfenöwertlj aud) immer bie ^>errfc^aft ber ©ewalt über bett 
menfdjlidjen ©eift fein mag, beren einzige ©rwerbmtgen 33erfteHung unb al$ 
golge baoon ©miebrigung finb, jte bodj — entgegengefefct bem ©eifte ber 9Ra§t* 
gung unb 33rüberliA!eit, btn bk Sernunft unb bic oon unö am meiften »er* 
eljrte 9Jtad)t anbefehlen — notljwenbig unb unentbeljrlid) ift, um eine foldje 
DöHige Ueoereinftimmung Der religiöfen 3lnftd)ten gu ergeugen. 3)aö Süffel 
mn§ als bemiefen unb ben magren Sntereffen ber SWenfdjen guträglidj an* 
genommen werben, wenn eine anerfannte ©ewalt fte irgendwo ausübt. 3d) 
fpredje nur von btn SSerbredjen, weldje ber menfdjlidjen 9catur unb ben fociqlen 
Sertragen entfpringen, aber nid)t oon btn ©ünben, für meldje ftdj audj bie %titi* 
gen ©trafen nadj anbern ©runbfäfcen, als benen ber ^pijüofopljie regeln foHten. 1 ) 

§. 40. 
galfd&e Knfldfjt ton Sfotfcen. 

Sine Quelle für Srrtljümer unb Ungered)tigfetten finb bk falfdjen 33or* 
fteüungen oom 9htfcen, meidje ftdj bie ©efekjeber madjen. ©ine falfd)e 9ln* 
jü)t Dom 9tufcen ift aber bk, meldte ben 9^a(!jtl)eilen ber ©ingeinen benen ber 
©efammtljeit gegenüber abhilft; bk t meldje bte ©efü^le unterbrüdtt, ftatt jte 
gu beleben; mel^e ber SSernünft guruft: „biene." ©ine foldje SSorfteUung 
doot 5Ru^en ift bk, meiere taufenb mirflid^e 3Sort^eile einem eingebilbeten 
ober geringfügigen 9lad)t^eile opfert, melcbe bem 3Renf(^en baö §euet ent* 
gießen möqte, weil eö günbe, unb ba& SBaffer, weil es überf^memme, fol(^e, 
bk bem Uebel nur burq Serftörung abhelfen. 2 ) 

1 ) 2)er gotbene 2^atar, ben bie Bornttjeologen i^ret Seibenfc^aften unuu* 
fangen wiffen, f/ ba§ aUeö gur größten ©^re ©otteö gefc^e^e/' fanu t^re 33lo&e 
nid)t bedfen. 2Ule8 t^un fte'auö ^eiligem ©ifer! (Sie wollen bem Sltter^oc^ftett 
betfte^en! 2>ie ^dfemtlbe, weld^e öon mir boü) gang irrige begriffe ^at, midj 
ni^)t fennt unb nie fa§, will mir mein 4)auö fiebern Reifen! ^ommcL 

2 ) Söenngfei^ bie $ergte feit ^unbert Sauren gefdjrieen feaben, ba% ia]&rli(^ 
eine grofje Strenge une^eli^er, fc^on o^ne^in äu&erft gebeugter @e(^§w5df)nerinnen; 
»or ©Freden, @ram unb @d^anbe, burd^ bofe Gräfte unb anbere Bufalle bem 



— 85 — 

t Sfacf) bic ©efefce, weldje ba§ Sragen bcr Sßaffen »erbieten, jtnb folget 
3lrt; fte entwaffnen nur bic gu SSerbredjen ©eneigten, aber nidjt ©ntfäloffenen; 
benn mt werben bie, weldje ben 9Tlut§ Ijaben, bie Ijeiltgften ©efefce ber 
5fJlcnfd>^ctt unb bte roidjtigften beö Sobej gu »erleben, bte geringen unb rein 
imHfürltdjctt adjten, beren letzte Uebertretung eben beöljalb ungeftraft bleiben 
follte, »äljrenb tbre genaue Surdjfüljruttg bte perf online greibeit aufgebt, 
welche bem SKenfdjen unb beut aufgeflärten ©efefcgeber am tljeuerften ift, 
unb bte bte Unfdjulbigen allem ben ©djulbigen gebüljrenben Ungemadj aus* 
fefcen. ©oldje ©efefce öerfdjledjtern bte Sage ber ^gegriffenen baburdj, ba% 
fie bte ber Slngretfenben beffern; fie oerminbern nidjt, fonbern öermefjren bte 
(Srmorbungen, ba ber Slngrtff auf einen Unbewaffneten mit meljr SSertrauen, 
als auf einen ^Bewaffneten gefdjieljt. Sie feigen ?)riöatgefefce, füllten aber 
»or ben SSerbredjen ftd) fürdjtenbe Ijeifcen, bie beut oerwirrten ©inbrud 
irgenb welker ©ingeltljaten, nidjt beut gefunben 9iadjbenfen über bte Sftad}* 
tljeile unb SSortljetle eines allgemeinen ©efefceS entspringen, f 
, Sine foldje Sbee oom 9cu£en ift bte, weldje einer Solenne füljlenber 
SBefen bit ©qmmetrie unb Drbnung oerleiljen mödjte, weldje bte rolje unb 
unbefeelte 9Katerie gemattet; bie bie augenbiidflidjen 33eweggrünbe — bie ein* 
jigen mit Seftänbigfeit unb Äraft auf bie SiJienge witfenben SWittel — über* 
fteljt, um ben entferntem 9Jiad)t gu oerleiljen, beren ©inbruef feljr furg unb 
f djwadj ift, wenn nidjt eine bet ben Sföenfdjen nidjt Ijaufige ©tarfe ber 6in* 
bilbungSfraft burdj bk 3Sergrö§erung beS ©egenftanbeS feiner Sntfernung 
vorbeugt. (Snbiid) ift baS eine falfd^c SSorftettung oom 9tufcen, wenn — bte 
©adje bem tarnen geopfert — baS öffentliche SBolji oon bem aller (Singel* 
nen getrennt wirb. @S liegt ein Unterfdjieb gmifdjen bem @efettfdjaftS*3uftanbe 
unb btm ber Statur barin, ba§ bcr milbe Sföenfd) nie einem Slnbern meljr f djabet, 
als genügt, um jtdj felbft gu nüfcen; aber ber gefettig lebenbe SRenfdj füljlt ftdj 
bisweilen burdj fd)led)te ©efefce bewogen, Rubere gu beleibigen, ofjne fug 
felbft baburdj ©uteS gu tl)un. 2)er 2)efpot ftreut gurdjt unb Wieberge* 
fdjlagenljett in bie (Seelen feiner ©claoen; aber ber JRütffdjlaß teljrt mit 
ftärlerer ©emalt jurücf, um feinen ©etft m martern. 3e oeretngelter unb 
eingejd)loffener bte gurdjt ift, befto ungefährlicher ift fie bem, ber fte als 
SBerrjeug feinet ©lücfeS benufct, aber je öffentlicher fte ift unb je metjr fte 
auf etne größere 9Jienfdjenmenge einwirft, befto Ieid)ter ift eS, ba§ ein Un* 
fluger ober SSergweif elter ober SBagbalftger erf^emt, ber bie SKenf^en gu 
feinen 3weden ausbeutet, inbem er i^nen um fo angenehmere unb oerfüljre* 
tifd^e ©efü^le erreat, auf eine je größere Shtgaljl bie ©efaljr beö Unter* 
ne^menö faßt unb je me^r bie 8uft, wel^e bie Unglüdli^en am eigenen 8eben 
empfinben, ft^ im &er§altnifi gu bem (Slenbe, welc^eö fte erbulben, oerminbert. 
2)er ©runb, weswegen bit sBeleibiaungen immer neue erzeugen, ift ber, bag 
ber £a§ cht um fo bauernbereö ©efüljl, als bie ?iebe, ift, je me^r jener 
ferne Äraft aus ber gortbauer ber $>anbluttgen gteljt, welche biefe nur 
abfe^wäc^t. 



©rabe gur 55eute werben, wenn ber 53üttel am %aae na^ t&rer Sflieberfunft 
mit öffentlichem ©eprSnge i^nen eine ^aube auf baS Jöett legt, f o rftbmen bo^ 
fid)t unb frontmgefinnte «iebermanner, bafc Dies eine febr löblt^e ©ewobnb^it 
fei. 2Baä ift, jagen bk\t gottfeltgen getreu, an bem 8eben einer foldjen 53ettd 
gelegen? • #ommel. 



— 86 — 

§. 4L 
Söie ben Setbrerfjen ttorgubettgen fei 

©S ift bcffer bcn 3$erbre<f)en oorgubeugen, als fte gu beftrafen. ©te$ 
ift bet #(ntptgwecf teber auten ©efefcgebmtg, bie in bet Äunft befielet, bte 
SRenfAen gum f)ödjften ©fücfe unb gum geringften ttnglücfe gu fuhren unb, 
fo gu jagen, alles ©ute unb 33öfe btefeS 8ebenS gu beregnen, ©ie habet 
angewendeten SÖJtttel ftnb aber meift falfdj unb bem beabfidjtigten Stete 
gerabe entgegengefcfct. @S ift unmöglid), bie unruhige Sljätigfeit ber 9ften* 
fd)eu auf eine geometrifd)e Drbnun^ gurücfgufübren, o|ne gugleidj SSermirrung 
nnb Unregelmäßtgfeit Ijeroorgurufen. Sßte bie bejtänbtgen unb einfadrften Statut* 
gefefce niajt oer||inbern, ba$ bk Planeten ntc^t etwas oon iljren Sahnen abmet* 
3)en,.fo können in ben unenblid)en unb ganj entgegengefefcten $ngieljungSfräften 
ber greube unb beS ©cfymergeS, menjdjltcfye ©efefce ntd)t alle 3Serirrungen 
unb Unorbnungen r>erl)inbem. Srofcbem ift bieS bte Slnftdjt befdjranfter 
SiKenfdjen, fobalb fte bie £errfdjaft in bie $ar\b genommen Ijaben. ©ine 
SKenge oon gleidjgiltigen £anblungen abgalten, Ijetßt nid)t, ben Sßerbredjen 
»orbeugen, meldje barauS nidjt entfteljen fönnen, 1 ) fonbern eS fyeißt neue 
f Raffen, wenn man nadj ©ef allen Sugenb unb 8a]ter befttmmt, meldje uns 
als ewig unb unoeränberlidj oerfünbet werben. 

SBogu würben wir veranlagt werDen, wenn uns alles »erboten würbe, 
was uns gum SSerbredjen führen lann? ©S wäre nöt^tg , baß ftdj ber 
SJtenfdj beS ©ebraudjeS feiner Sinne beraubte. 

gür einen ©runb, welker bk SWenfdjen antreibt ein maljreS 33erbredjen 
gu begeben, giebt es taufenb anbere, weldje ibn gu gleidjgiltigen £anblungen 
öeranlajfen, bie oon fdjledjten ©efefcen aud) äSerbredjen genannt werben, 
unb wenn bie 3^1 ber möglichen SSerbredjen ber ber Seweggrünbe propor- 
tional ift, fo ift bk ©rweiterung ber ©pljäre ber 33erbred)en eine SSermefjrung 
ber äBa^rfqjeittticIjfeit, baß jte begangen werben, ©ie meiften ©efefce jtnb 
nur f>rnnlegien, tf. b. ein Sribut Sluer für ben SSort^eil einiger SBentger. 

äBoftt S'ljr ben 3Serbred)en juoorfommen? ©ann forgt bafür, baß bie 
©efefce Kar unb einfach ftnb, baß bte gange Äraft ber 9latton auf iljre 33er« 
tfjeibigung gerietet unb fein Sljetl berfelben gu ifjrer SSernit^tung genötbigt 
werbe. * Sorgt bafür, ba$ bie ©efefce weniger bie Älaffen ber SEfcenfdjjen, 
als bie Sfflenfcben jelbft fdjüfcen *. ©orgt bafür, baß bte SWenf^en fte, unb 
jte allein, fürchten, ©ie gurdjt oor ben ©efe|en ift Ijeilfam, aber bk ber 
5Renfd)en öor bem SJienfdjen oerberblitb unb für a5erbred)en frudjtbar. ©e* 
Inedbtete 5ölenf(^en ftnb wotlüftiger, auSj^weifenber unb graufamer, als freie, 
©iefe jtnnen über bie SBifjenfdjaften unb bie Snterejfen ber 9Wenfdjf)eit na^ f 
gewahren bie erhabenen ©tnge unb abmen jte nac^, aber bie mit bem Ijeu« 
tijen Sage Sufriebenen fudjen in bem ©eräufdj ber SluSf^weifungen eine 3«* 
fttmmung für baS 9ti^tS, tn bem fte jtd) oerjenft §aben, an bie Ungewißheit beS 
Ausganges aller ©inge gewöhnt, wirb baS JRefultat iqrer SSerbred^en für fte 
rät^fel^aft, gum SSort^eile ber ?eibenjc^aften, welken fte jtd) Eingeben. SBirb bk 



2 ) ©S ift ber genfer unferer f)oIigei*Drbnungen, baß fte bie SKenfdjen gu 
SDflaf^inen ma^en wollen, bk gur feftgefe^ten Seit f^lafen, beten, effen un& 
trinfen Jollen, rok man eö in ben Spulen mit ben ^inbern ma^t. 

Jpomtnef. 



- / 



— 87 — 

Unfidjerljeit ber ©efefce einer, in golge ilimatifdjer Verljältniffe gletdjgiltfyen 
Nation gu £f)eil, fo erhält unb oermentet fie beten Srägljeit nnb triumpljtrt: 
Bei einer mouüftigen, aber tljättgen üJcation löft fie hingegen bie £ljätigfeit 
in eine unbegrenzte 3<# deiner Äabalen «nb Sntriguen auf, meldje Sföifc 
trauen in .jebeS |)erg fäen unb Verrat!) unb 4)eud)elei fflit (sJrunblage iljrer 
Älugljeit madjen: wirb fie enblidj einer mutagen unb tapfern Nation gu 
Ztyxl, fo wirb jte fdjlfefjüdj aus bem SBege geräumt, oernrfadjt aber oorljer 
öiete Sdjwanfungen' oon ber greüjtit gur ©claoerei unb oon ber ©claoerei 
gut gretljeit. 

§. 42. 
ttebet bie SBiffenfdjaftett* 

SBollt Sjjr ben Verbredjen guoorfommen? ©o bewirft, ba§ Slufflärung 
bte greiljett begleite. 2)te Uebel, bie ber Sßiffenfdjaft entfpringen, fte^en im 
umgef ehrten Verljältniffe gu iljrer Verbreitung, 1 ) bie Vorteile aber im ae* 
toben bagu. 6in lübner Vetrüger, ber immer ein ungemöfjnlidjer SDRenfd) 
ift, erwirbt ftd) ben 33eifatt ber unwiffenbert, aber ba$ SKiftfatten ber aufge* 
flärten SUlenge. 5)ie Äenntniffe erleichtern bie Vergleidjung ber SDinge, oer* 
oielfältigen bie @efid)t&punfte unb ftetten fo oiele ©efüljle einanber gegenüber, 
meldte ftd) baburdj gejjenfeitig um fo letdjter mobificiren, je meljr jte in ben 
Slnbern biefelben Slnjtdjten unb benfelben SBiberftanb malptelpnen. Den 
reidjlidj in ber Üftatur oertretenen ©inftd^ten gegenüber fdjmeigt bie oerläum* 
berifdje ttnwiffenfyeit, unb gittert bit oon ber sBernunft entwaffnete Slutorität, 
wäljrenb bie widjtiae ©ewalt ber ©efefce unoeränberlid) bleibt, weil eö leinen 
aufgeklärten SWenfqen giebt, ber nidjt bie öffentlichen, Haren unb nüfcltdjen 
Verträge ber gemeinfamen äBafyrljeit liebt, inbem er baö SBenige ber iljm rnxfy* 
lofen, öon if)tn felbft geopferten grei^eit mit ber Summe ber gangen oon 
ben anbern SEftenf d)en geopferten greiljeit oergleidjt, meldte ftd) oljne ©efefce 
aegen feine eigene oerfdjwören lönnten. SEßer mit oerftänbigem bergen einen 
Vlitf auf ein gutes ©efcfcbudj wirft unb finbet, ba$ er nur bie »erberblid)e 
greiljeit oerloren Jjat, Slnbern gu fdjaben, wirb ftd) genötigt fcfjen, ben Slljron 
unb beffen Snfjaber gu fegnen. 

6ö ift niqt wafyr, ba% bie SBiffenfdjaften ber 39ienfd)l)eit immer öer* 
berblid) finb, unb gefd)alj e8 je, fo mar e8 ein ben Sftenfdjen unoermeiblidjeS 
Uebel. 2)ie Vervielfältigung beö 3!Henfd)ettgefd)led)t8 auf ber 6rbe gog ben 
Ärteg, bie ro|eften Äünfte unb bie erften ©efefce nad) ftd), meldte äugen* 
blitflidje Verträge ber Sftotfjmenbigfeit waren unb mit iljr wteber untergingen. 
60 »war bxt erjte ?)ftilofop^ie ber 5Kenf(^en, beten geringe ©lemente geregt 
waren, weil bereu ©leidmtltigfeit unb geringe äBeiöbett fie oor 3rrt^ümem 
bewabrte. 2)ie Sebürfniffe würfen aber immer meljr mit ber Vermehrung 
ber SWenfdjen. 6ö würben alfo ftärfere unb bauernbe 6inbrüde nöt^ig, 
batnit fte oon ben wieber^olten SRücffäßen in ben Urguftanb ber ttngefettig* 
feit abgehalten würben, ber immer oerberblit^er würbe. 6in gropeö ©lurf 
(id) meine, ein großes politifd^eö ©lud) erwiefen alfo ber SKent^^eit bie 



2 ) 5)iefe ©e^auptung ift ebenfo unwahr, alö bie 3ean 3ac<pte3 SRouffeau^. 
3Ä3gen bie SBiffenf d)aften mebv ober weniger oerbreitet fein, fie erzeugen be^^alb 
ni(^t tneljr IBöfcö. @tetd bringt nur i^r ^i^brau^ bergleidben ^erüor, ba er fie 
»Ott intern ßnbgiele ablenft. S3riffot be SBarwille. 



— 88 — 

crftcn Srrtljümer, roeldje bte (Srhe mit falfc^ett ©Ortzeiten beoölferten unb 
ein unftdjtbareö, baö unfrige rcgclnbcö Sltt fdjufen. 3Bof)ltf)ater ber SWcnfdj* 
^ctt maren bie. meldje fte gu üoerrafdjen wagten unb btc gelehrige Utimiffen* 
Ijeit au bcn SHtören führten. Snbem ftc tbren Sinnen bie ©egenftanbe 
oorfügrten, welche ftc um fo meljr flogen, je niüjer ftc iljnen gu fommen 
glaubten, btc aber nie öeradjtet würben f metl jte nie genau be!annt waren, 
öeremiaten unb rateten ftc bte oerfdjiebenen 8eibenfd)aften auf einen etngtgen 
©egenjtanb, melier ftd) ibrer oölltg bemcldjtigte. 3)ie$ maren bit erftenSc- 
fteger ber Stationen, meldje ftdj au$ mtlben SSÖlferfdjaften gebübet Ratten; 
e$ mar bte SMlbungSgeit für bte großen ^Bereinigungen, unb ftc mar bereu 
notljmenbtgeS unb melleidjt eingigc$ Sanb. 3dj fnredje nidjt oon bem oon 
©ott auöermäfjlten Solle, meinem außerorbentlicge SBunber unb bte beut* 
lidtften ©nabenbegeugungen bte ©teile menfdjlidjer ?)olitif oertraten. Söie 
e$ aber eine ©tgenfdjaft bcö Srrtljumö ift, ftd) bi$ in ba$ Unenblid^e gu »er* 
treuen, fo Ijaben bte itjuen entfprungenen 3QB iffenf (^ aften auö ben DJlenfdjen 
etne fanatifdje SSRengc 33linber gemarfjt, bte ftd) in einem abgefd)loffenen 
Sabgrintlje an einanber ftoßen unb ftd) fo oermtrren, baß gefüfjfoolle unb 
pljilofopljtfdje (Seelen ba$ Slufijörfen beö ttrguftanbeö ber SBübljeit bebauerten. 
2)a8 mar btc rolje ©podje, in ber bte Senntniffe ober melmeljr bie 5Rct* 
nungen gu oerbammen gemefen ftnb. 

35ie gmeite btlbet ber fdjmierige unb furdjtbare ttebergang ber 3rrtl)ümer 
jur SBabrBeit, ber unbelannten ©unfefljeit gum 8id)te. &er ungeheure 3u* 
fammenfioß ber wenigen 9Wctd)tigen nüfcltdjen Srrtljümer mit ben tiefen 
©djmadjen nüfcltdjen SBaljrljettctt, bie 9tör)rung unb ©äljrung ber Reiben* 
fdjaften, weldje M foldjen ©eleuenljeiten erwarten, fügen ber elenben Sföenfd)* 
Ijeit unenblidjeS Unheil gu. SBer bit ©efdjidjtc, beren $awpttpmf)tn iwd> 
gemtffen 3wifd)enräumen immer wieber erfdjienen, reiflid) überbenft, mirb 
meljr als einmal eine gange ©eneration bem ©lüde berjenigen geopfert fin* 
ben, meldje il)r folgten in bem fampfreidjen, aber notfjmenbipen Uebergange 
au8 ber $infterni| ber ttnmiffenljeit gum Sichte ber ^>§tü>fop^tc unb aus ber 
Stqrannet gur greüjeit, bie nur bereu Solgen ftnb. 

SSenn bie ©elfter aber beruhigt unb ba$ geuer erlofdjen ift, meines 
bte Nation oon bem fte unterbrüctenben Uebel befreit Ijat, fo leiftet bte 
SBaljrljett, bereu gortfdjritte erft langfam ftnb, bann aber immer f djneller 
werben, ben £errfd)ern wf ben fronen ©efellfdjaft, unb mirb in ben 9>ar« 
lamenten ber Siepublifen gepflegt unb oereljrt; mer mirb bann behaupten, 
baß ba8 bte SUlenge aufflärenbe 8i(^t ft^ablid^er, alö bie ginftemiß unb bc% 
bie magren unb einfa^en Segie^ungen ber ben 3D?enfd)en mo^Ibefannten 
2)inge t^nen oerberbUd) feien? 

SBenn bk blinbe Unmiffenljeit meniger un^eilooH, alö mittelmäßige« 
unb oermirrteö SBtffen ift, 1 ) weil biefeö oon öorn^erein ben Uebeln ben un- 



1 ) 9Ro$ mel f$äbti$er für baä ©emeinmefen ift e£, u>enn man bie Religion 
im äußern ©epranae fuc^t. 2)ad Gtyriftent&um befielt bei ben meiften SDtetfdjen 
im ^ire^enge^en, Seien unb (Singen. 2öer btö t^ut, ^eißt bei ber $ird)e unb 
bem $Pobel ein frommer, ^rtftlidber 3Wann, wenn er aud? ein 2öud)erer, ©etrityer 
unb SÄeineibtger fein füllte. @o übertund^t man ©räber, giebt aber ferne 
(Sänften, bereu ^anblungen tugenbbaft fein muffen. (5d gegiemt mir ni$t, einen 
©Itrf.in bie Smiafeit m wagen, fonft mürbe ity üermutben. baß ein tugenbbafter 
4?etbe, ber »tfm fe§rt|tent^um feine Äenntniß erlangen ober ed nic^t begretfeu 



— 89 — 

oermeiblidjen Srrtljum beffen Ijimufügt, ber einen befdjrtmften 33li<f in 33e* 
gug auf bie ©rengen ber 3Baljn)ett befiel, fo ift ein aufgeflärter 9föenfd) 
ba$ foftbarfte ©efdjenf, weldjeS ber Station nnb fid) felbft ber £errfd)er 
ntadjt, bcr üjn gum Slufbemaljrer unb SBadjter ber Ijeiltgen ©efefce beftünmt. 
©ewöljnt bie SBaljrljeit gu betrauten unb nifyt gu furdjten, ofyne ben größten 
SUjeil ber eingebilbeten, aber nte Ijmreidjenb befriebigten öebürfnijfe,weldje 
bie Sugenb ber meiften Sföenfdjen auf bie $robe ftetten, gewöbnt bk Sföenfq* 
Ijeit oom erfyabenften ©tanbjmnfte aus gu betrachten, erbliat er in feiner 
eigenen Station eine Nation oon ©efd)Wtftern unb bk (Sntfernung gwtfdjen 
ben ©rofcen unb bem SSolfe wirb für üjn um fo geringer, je größer bie 
SKenfdbenmenge ift, meldje iljm oor Singen ftebt. £ie y^üoto^en Ijaben 
ber üJJcenge unbefannte Sebürfmffe unb Sntereffen, gu benen f)auptfäd)lid) 
ba$ gehört, oor bem Siebte ber Deffentlid)!eit if)re im ©unfein uerüinbeten 
©runbfäfce gu oerwirflidjett unb bk SBafjrljeit um ibrer felbft mitten gu 
Heben! 6ine Sluöwaljl folAer SHänner bilbet baö ©lüa einer Nation, aber 
nur ein augenblitflidjeS ©lüde, wenn bie guten ©efefce ber 3a!jl nadj ftd) ttic^t 
ber 9trt oermeljreu, bafy bk immer gro§e ^a^rfdjeinlidjfeit einer fdjled)ten 
3Baljl ftd) beftänbig oerminbert. 

§. 43. 
%tt)ötbtn. 

©in anbereä DJtittcl, SSerbrecben gu oerljinbern, befielt barin, bie oott- 
ftrecfenbe ©cmalt ber ©efefce mebr für beren 33eobad)tung, als bereu Korruption 
gu tnterefftren. 3e grö§er bk &ngaljl ber SRitglteber Jener i[t, befto geringer 
wirb bk ©efaljr einer ttfurpation ber ©efefce, weil bie Säufli^leit fdjmie* 
ri$er unter SKitgliebern ift, bie fid) gegenfeitig beobadjten unb um fo weniger 
interefftrt ftnb, bie eigene Siutorttät gu oermeljren, je geringer ber Stntjjeil 
eines {eben baxan ift, namentlich im SSergleidje gur ©efaljr beS Unternehmens. 
SBie ber #errfdjer burdj große Stpparate unb $omp, burd) Strenge ber 6r* 
laffe, burd) Verbieten oer geregten unb ungerechten Älagen beffen, ber ftd) 
unterbrütft glaubt, bk Untertanen baran gewöbnt, meljr bie 33eprben, als 
bie ©efefce gu furzten, fo werben Jene meljr SSort^eil auS biefer gurdjt gu 
gießen fudjen, als eS ber eigenen unb öffentlichen ©id^erljeit gum Sftufcen 
gereift. 

§. 44. 

SMolpttragetu 

(Sin anbereS SBUttel, ben 33erbred)en oorgubengen. ift bk Seloljnung 
ber Sugenb. hierüber bemerfe ity in ben ©efe^en aller Nationen ein att* 
gemeine^ ©Zweigen. SBenn bie oon ben Stcabemieen ben ©ntberfern nü^* 
fi^er SBafjrljeiten aufgefegten greife bk Äenntniffe unb guten S3üd)er oer* 
oielf altigt Ijaben, weswegen follten bann nic^t burd) bie gütige #aub bed 
ÄerrfAerS oert^eilte greife bie tugenb^aften |)anblungen oeroielfältigen? 
2)a9 ©elb ber 6ljre ift in ben Rauben be$ weifen SJert^eilerö immer un* 
erfdjityfHdj unb frud^tbringenb. 1 ) 



fann, bem Sirene be« ©langed wo^l nä^er treten bürfte, als ein lafter^after 
<&1)rift mit wunberf Tonern (Geplärre. . f>ommel. 

l ) 2)a§ bei Dielen Serbreepen, al$ bie ^urerei, ©trafen ntdjt« Reifen, fonbern 



— 90 — 

l 

§. 45. 
(gtgtefjtrog, 

2)a$ ftc^crftc aber fdjwterigfie SWittel, ben 3$erbred)en aorgubeugen, ift 
enblid) bic SSeröollfommnung ber ©rgieljung, ein gu umfaffenber unb bie 
mir gefegten ©rengen weit überfdjreitenber ©egenftanb, ber, wie id> gu fa^en 
wage, gu tief in bk Sftatur ber SReaierung etnfcfyneibet, 1 ) als bo^ er mdjt 
immer btö 31t ben entfernteren Safjdjunberten beö öffentlichen 2BoIjle8 ein 
unfruchtbares unb nur uon wenigen Sßeifen angebautes gelb ftnben wirb, 
©in großer SJicnfd), melier bic ifjn oerfolgenbe 9ttenfcf)f)eit aufflärt, Ijat im 
©ingeinen bie £auptgrunbgüge ber ben SRenfdjen maljrljaft nufclicijen ®r* 
gieljung bargelegt, gegeigt, ba§ fte weniger in einer unfruchtbaren SWenge ber 
©egenftanbe, alö in bereu 3(u$wa!)l unb SSeftimmtfjeit befteijt, in bem 
(Srfafce ber feopien bei pJmftfdjen unb moralifdEjen ©egenftanben, weldje 3n* 
fall ober Slbfidjt ben unbefangenen ©emütljem ber Sugenb oorfüljren, burdf 
bie Originale, 2 ) unb barin, bafj man fte auf bem leisten SBege beö ©efittjls gur 
Sugenb anfpornt unb 00m 33öfen burd) bk unfehlbare 9iotl)wenbigfeit ber 
ibm entfpringenben üftadjtfjeile gurütfljalt, nidjt aber burd) bk Unftd)erfjeit beö 
33efeljlö, ber nur einen ljeud)lerifdjen unb augenblicflidjen ©eljorfam ergmtngt 

t §. 46. 
8$on bet S3egnabigung- 

3e milber bk ©trafen werben, befto unnötiger ftnb Sftadjftdjt unb 
SSergetfjung. ©lütflid) bie -Kation, M ber bieS unljeitooll wäre! 2)ie %lafy 
ftd)t — bie Sugenb alfo, weldje fo pufig einem ^>errf<^er als ©rgänguna ber 
Stegentenpfttdjten bient — f ottte bentnad) aus einer öottlommenen ©efefcgebung 



metmeljr fdjablidy ftnb, Ijat ^reufjen fattfam erlannt unb wie cjar triele e$ er* 
wätjnt. ©träfe auf eine ©acbe fefcen, bie ftrf) felbft beftraft, wie foH idj baö 
nennen? 2>ie ©djanbe, ein $inb gu befommen unb eine £ure gu tyeifjen, ift 
bei bem fdjonen @efdjle<$te meljr, alä ber £ob. ©djretft bteö nidjt, wa$ Witt 
$ird)enbufje unb öiergeljntagigeä ©efängnifj Reifen? — ^Belohnungen würben 
ineljr au$rid)ten, aber fte foften ©elb; wie g. 33. baö 9ftofenfeft ^eigt, ba$ ber' 
§ eilige 9Rebartuö fdjon im fünften Satyrljunberte in ©alencp einführte. 

£ommef. 

2 ) 9flan öergteidje Montesquieu, Heber ben ©eift ber ©efefce. 3Budj IV., 
Kapitel 1. SBalbetf. 

2 ) 3dj mi$ nidjt, ob in irgenb einer ©djilberung ein gingergetg gefdje^en. 
ba§ ber ©djulmetfter feiner anvertrauten 3)orf jugenb bie $obolt>e, 2)rad)en, ©e* 
fpenfter unb xoaö biefeö Ungeziefer meb* für tarnen bat, auö bem $opfe rücfen 
unb bie Betrügereien ber ©ajafcgräber, flugen Banner, Seufelsbanner unb 9la* 
* ttmtatenfteller i^nen flar auffcerfen, befonberö aber bie SBabvfagereien auö bem 
^artenf plagen, ^unbe^eulen, ^affefa^ u. f. w. aU lacfyerlid) üorfteüen foll. 
3^b g/aube, eine ©adje, woburdb fo »tele 5ftenfd)en unglürf(i(fe werben, ift feine 
Äleinigleit. allein tneift ift ber ©d)ulmeifter felbft Probet unb iebenfattö 
glauben bie SSerfaffer ber ©d^ulorbnungen felbft an bie £ejce »on (Snbor. ©0 
^abe iefe — eö ift f^redPli^b, aber i^b will eö ergaben — eine ^)rebigeröfrau 
gefannt, bie mit »oller ©eneljmigung i^reö ©atten bem ?)fanbe i&rer Siebe, 
weld)eö fte auf ben Firmen trug, ein ©c^arla^lSppdyen um bk #anb nÄ^te, 
bamit e8 nid^t bef^rieen würbe, ©ott behüte eö! ^ommcl. 



— 91 — 

auägefdjloffen fein, in ber bie Strafen tnilbc unb bie SDtetljobe be$ StidjterS 
regelmäßig unb fdjnell fein müßte. 2)iefe Söaljrljeit fd)eint htm Ijart 3U 
fein, ber inmitten einer ungehörigen ßriminalorbnung lebt, wo fftad^ftd^t unb 
SBegnabigung im äSerijältmffe gu ber Ungereimtheit ber ©efefce unb ber 
©raufamfett ber Sti^tfprü^e notfjwenbig finb. 1 ) 2)a3 fd)önfte SJorre&t 
be3 SfbroneS unb ba3 wünfd)ett8wertl)efie Attribut ber #errfdjaft tft bte ftiue 
SWißbiUigung, meiere bk wohltätigen 33ertljeibiger be$ öffentlichen ©lücfeS 
einem ©efefebudje gu Sbeil werben laffen, baö trofc aller feiner "Unoollfommen« 
Ijeiten bie ($unft be8 ©orurtljeite ber Saljrljunberte beftfct, wie baö umfang* 
reiche unb imponirenbe ©efolac ungäljliger SluSle^er, ben ferneren Apparat 
ewiger gormalitäten unb bie 5tnljanglid)feit ber emfdjmeidjelnbften unb ewig 
gefürdjteten 4)albgele^rten. SScbcnft man aber, bafj bie SEftilbe eine Sugenb 
be3 ©efefcgcberö unb nid)t be$ ©efcfeuoUftrecfcrö ift, meldje an$ ben ©efefeen, 
aber nic^t aus einzelnen Urtfjeüen fjeroorleudjten foH, wie man htm 9Jcen* 
fdjen geigt, ba§ SÖerbredjen »ergießen werben lönnen unb baß ©träfe nidjt 
immer beren unausbleibliche golge ift, fo fdjafft man ber Hoffnung auf ©traf* 
lojtgleit Sftaljrung unb verleitet gu bem ©tauben, baß — ba man öergeiljen 
lann — bie ntdjt oergieljenen SSerbredjen um fo eljer ©ewalttljaten, als 
3luSfiüf[e ber ©ereefctigfeit ftnb. SBaS füll man benn fagen, wenn ber Surft 
33egnabtgunjj gewahrt, alfo öffentliche ©tdjerljeit einem (Singeinen, unb fo 
burd) eine (Shtgeltljat unrichtiger SUlilbe baö öffentliche Urteil für ©trafloftg- 
leit ftimmt? Unerbittlich muffen alfo tit ©efefce unb beren SSoßftredfer in 
ben ©ingelf allen fein; aber ber ©efefcgeber fei milbe, nad)jtd)tig unb menfd)* 
lidj. Sllö weifer 33aumeifter möge er fein ©ebaube auf ber ©runblage ber 
©igenliebe aufführen, bciS allgemeine Sntereffe fei baS Siefultat ber Ringel* 
Sntereffen unb er wirb nidjt genötigt fein, burd) ^Partialgefefce unb auf« 
regenbe SKtttel jeben Slugenblitt ba3 öffentliche 2Sol}l oon bem ber (Singelnen 
trennen unb baS ©d)einbilb beS öffentlichen «öeilS auf ber gurdjt unb bem 
SKißtrauen errieten gu muffen: als gefü^loouer unb tiefer ?)l}ilofoplj lajfe 
er bie SSRenf Aen, feine ©ruber, in grieben ftd) beS lleinen S^etleS oon ©lud 
erfreuen, welken baS unenbltdje feftfteljenbe ©qftem beS UngrunbeS altes 
©eienben fie in \tbtm ©rbenwinfel genießen laßt. 



*) SRic^td »errate mefyr btc eingefetyranfte (5inftd)t etneS ©efefegeberS als 
übermäßige ©trafen, unb tnadjen fie woljl feinem £ergen (Sljre? setgbergige, 

Janattfcfye ©eelen, prügeln auf bie gußfoblen, fd)lagen einer tobten 9hiß falber 
ie Äöpfe ab unb ftnb unerf&ttltd) in ber ©träfe, wätjrenb bte Ueberwinber ber 
2Belt, bie grojjmütbigen ÜRänner in ifyren ©trafen geltnbe finb. $gf. ötöiud 
bei ber SBertbetbigung beö ÜÄattud. IBaple ^at fcfyon bemerft, ba§ bie SÄenfc^en 
nicfyt naä) i^ren ©runbfa^en ^anbeln unb bte $ptjarif5er ben SBerwunbeten auf 
ber ©trafje liegen laffen, ben ber ©amanter falbet. — S)ie8 bilbet einen fronen 
^ontraft mit oenen, welche bie Religion jur 33emfintelung t^rer IBo^ett mig« 
brausen: (Sin S3eweid, ba§ bur^b ©#wSd)e ber ©träfe ni^tö gu erzwingen, 
fonbem ein angeborner 4>a§ gegen ba$ 8after ober eine burd) äußere ©efe^e 
eingeprägte $itbt gur Sugenb auefe in ben bürgerlichen @inri^tungen beffere 
2öirfungen ^aben, als £obeö» unb ^)rügelftrafen. 5WiA felbft bat eine lange 
(Srfabrung burd) oiele IBeifpiete belehrt, baß tugenbljafte afti^ter tftre ©efangenen 
milber bepanbeln laffen, alö Oie, welche felbft oon ber Sugfo^le tt$ jum Raupte 
»oüer Safter unb geiler finb unb babet überall auäprebigen, baß e§ «gur großem 
@&re ©otteö 1 * gef^e. ipommel. 



— 92 — 

§. 47. . 

3d) fdjlte&e mit einer 33etradjtung: 2)te ©röfce ber ©trafen mu§ 
bem Suftanoe ber Station felbft angemeffen fein, ©tarfer unb fühlbarer 
muffen bie SinbrMe auf bie oerfjarteten ©emütljer eines SSoBeö fein, n>eld)e8 
fti faum ber SBtlbfjeit entaoaen ijat. 2)er 33lifc toirb einen ȟben Sorten 
fallen, ber dntm gltntenfdjuffe uuberfteljt. Söte bie ©emüt^er aber in bem 
Suftanbe ber ©efettf&aft weiter »erben, fo mädjöt audj bereu @mpftnb{idj» 
feit, unb mit bem äBadjfen biefer mufi bte ©tärfe ber ©träfe annehmen, 
wenn man gnrifdjen tyr unb bem ©egenftanbe beftänbig bit richtige 33egie^ung 
aufregt ermatten nritt. 1 ) 

9tu§ allem bem Stufgeftettten lann man eine fe^r nüfttt^e, aber bem 
gemöfjnlidjen, gefefcgeberifa)en ©ebraudje ber Stationen entgegenfteljenbe £aupt* 
regel gießen: 

„Damit jebe ©träfe ntd)t eine ©etoalttljatigfeit 6ine8 ober 
SSielcr gegen einen einzelnen 33ürger fei, mu| fte mefentlidi 
fdjneü, öffentlich, notljmenbig, fo gering al§ mögltd) für bie 
betreffenben SJerijaltniffe unb bem SSerbredjen proportional 
oon ben ©efefcen feftgeftellt werben." 



l ) SBergleicfye: üftonteöquieu, Ueber ben ©eift ber ©efefce, 93ud) VI., 
Kapitel 9 unb 12. SGBatbed. 



/ 

I 



geccarta'* £ntu>0rt 

auf bic 

SSemerfungen unb öeobadjtungen eine* 2)ominifoner= 

über fein 93ud^ tum bat Serbrc^eu unb ©trafen. 1 ) 



^iefe Semerfungen unb ^Beobachtungen ftnb nur eine Sammlung &on 
SSeleibigungen gegen ben SSerfaffer be8 33ud)e3 oon ben 33erbredjen unb 
©trafen unb berjanbeln iljn als ganatifer, Sbtfwtegler, fallen unb (jefalp 
lidjen ©djrtftftetter, jügeüofen ©atnriler unb SSerfü^rer ber Deffenthdjfeit 
©te werfen ibm oor, ben bittet ften ®rott gu erzeugen, fdjmadjootle SBiber* 
fprüdje mit galfdjjktten unb SntfteUungen 3U oerbtnben unb jtd) in bog* 
IjafteS 2)unfel 3U f leiben. 2)er Ärttifer rann ftdj oerftdjert galten, ba§ ify 
auf perfönli&e SSe^ie^uttgen nidjt antworten werbe. 

@r ftelft mein 33ud) alö ein entfefclidjeS unb oergiftenbeö SBerf mit 
beleibtgenber, oerabfdjeuungöwürbiger unb gottlofer Stccng bar. @>r finbet in 
üjm unoerfqjamte ©otteöläftereten, IMerltme ©arfa&nen, fd)amlofe ©djerge, 
gefährliche (Silbenftedjereien, f^madtjöoUeS ©efpött unb grobe SSerldumbungen. 

2tl$ bit beiben fdjwerften Stnflagejmnfte gegen mein 33ud) geben tiefe 
33emerfungen nnb ^Beobachtungen SJiajtgel an 9teligion unb an @|rfurd)t gegen 
bte £errfa)er an: flc ftnb bte einigen, welken 3U antworten iaj für nötgtg 
Ijalte. 

^Beginnen wir mit htm erften fünfte: 



x ) (£3 ift bieS ein 3lu$3ug auö ben „Note ed Osservazioni", öon welken 
Seccarta in Der (Sinleituna $u feinem 5öerfe (üergl. oben @. 16) fpridjt unb beren 
SSerfaffer SSincen^o gacdjtnet be (Sorfri war. (58 tft eine »öHig geljaltlofe unb 
abgefdjmatfte Äritif unb würbe mit IBeccaria'ö ^Beantwortung, ber fid> bte üötülje 
nagm, biefe (Solange gu gertreten — wie SMffot be SBarwiue fagte — 
einen umfangreidjen 5Banb allein bilben. 5)e0^alb fytbe idj §ier nur einige ber widj* 
tigften ©äfce barauö Ijeröorgeljoben. äöalbed. 



— 94 — 

25efdfjuU>i0ttttgen wegen ©ottloflgfeit. 

1) „£)er SScrfafjcr beS 33ud)e$ oon bcn ©trafen nnb SSerbredjen 
lennt Sic ©eredjttglett nid)t, weldje iljren ttrfyruna bein ewigen ©efefcgebet 
$u banlen Ijat, weldjer alles fteljt unb oorljerftetjt/ 1 ) 

$la§ biefem ©afce fdjließt ber SSerf affer ber 23emerlungen u. f. m. 
alfo folgenbermaften: 

©er SSerfaffer beS 33udjeS oon ben SSerbredjen unb Strafen 
aiebt tttd^t $u, ba§ bie Auslegung beS ©efefceS oon bem SBitten unb ber 
§aune eines SüdjterS abfängt; alfo glaubt ber, weldjer biefe Auslegung ber 
©efefce md)t ben Saunen unb SBittfürltc^feiten eines 3ttd)terS unterbreiten 
will, nidjt an eine ©ott entffte§enbe ©eredjttglett; beSljalb gtebt er alfo audj 
leine rein göttliche ©eredjtigleit gu 

2) rt yia& bem SSerfaffer beS 33ud)eS oon ben SSerbre^en unb 
©trafen enthalt bk ^eilige ©djrift nur Unwahrheiten." 

3n bem ganjen SBcrle oon ben 33erbred)en unb ©trafen ift nur 
ein einiges 9M oon ber ^eiligen ©djrift bk Siebe unb $war bei 33efpredjung 
ber reltgtöfen 3rrtl)ümer in §. 42 2 ) unb bort Ijeifct eS wörtlid): 

3$ fpredje ntd)t oon bem oon ©ott auSerwaljlten SSolle, welkem aufjer« 
orbentliaje SBunber unb bie beutltdjften ©nabenbe^eugungen bte ©teile menfdj* 
lidjer ?)olitil oertraten. 

3) „SICEc oernünftigen Sftenfdjen finben in bem SSerfaffer beS 33udje3 
oon ben 3Serbred)en unb ©trafen einen geinb beS ©ijriftentljumS, einen 
böfen 9ftenfd)en nnb einen fdjledjten $Pf)ilofop|cn." 

©S liegt mir wenig baran, ob iä) in btn äugen biefeS ÄrttilerS als 
guter ober 1djlcd)ter ^üofoof) erfdjetne; aber, bie midj najjer lernten, oer* 
jtdjern. baft ad) lein böfer SJlenfd) bin. y 

33in iä) aber belegen ein geinb bcö (SljrtftentljumS, weil id) barauf 
beftelje, ba$ bk friebooue ^ZtiUt ber Äirdjen burd) ben ©djufc ber Regie- 
rungen erhalten bleibe; ober wenn idj an ber ©teile, wo id) oon bem ©djicf* 
fale aller großen SBaljrljeiten fyredje, fage, ba§ bie Offenbarung bie einzige 
ift, weld)e ftd) in iljrer Steinzeit mitten unter ben fmftern SBolten erhalten 
Ijat, in welken ber Srrtfjum bie gange SGßelt fo oiele Saljrljunberte Ijinburdj 
gefangen Ijielt? 

4) „35er SSerfaffer beS33ud)eS oon ben SSerbre^en unb Strafen - 
fpridjt oon ber Religion fo, als ob fte ein einfacher politifdjer ©afc fei." 

3dj fpredje oon ber Religion als oon einem ^eiligen ©efdjenle beS 

1 ) 2)ie ©teilen aus ben Note ed Osservazioni fteben gwifdben 2lnf übrungö* 
geilen; ber anbere Sejtt ift Seccarta'S SBiberlegung ber einzelnen Öefdjulbigtmgen. 

2 ) Sergl. oben ©.88. SCöalbedL 



— 95 — 

$immel$; lagt ftdj alfo rooljl annehmen, 6a§ idj ba$ atö eutett einfachen 
polttifdjen ©afc anfe|e, ma3 mir als £etl\gtl)um erfcfjeint? 

5) „2)er SSerfaffer tft ein erflärter getnb be$ atterfjödtften SöefenS." 

3<f) bitte au$ bem »oUftcri bergen gu biefem aEer^ö^ften SBefen, ba§ 
t$ allen benen »ergeben möge, roeldje mid) beletbigen. 

6) „©elbft »emt ba$ ©fjrtftentbum einiget ttugliidf unb einige Sßtrren 
in bte SBelt gebraut !)at, fo übertreiot er bicö alles unb übergebt ööttig mit 
©ttttfdjtoeigen bte 2Bol)lt!jaten unb bat ©ute, u>eld)e$ bte Sluff lärmig burdj 
ba$ (stoangeiium über bie gange 9Benfd)ljeit verbreitete." 

3n meinem 33ud)e finbet man ntd)t eine Stelle, an welker and) nur eine! 
burd) ba$ (Sljrtftetttljum oerurfadjten UebelS (Sroaljnwtg gefdjieljt; idj Ijabe 
fogar nidjt einmal aud) nur eine eingige $ljatfad)e angeführt, meiere bagu in 
trgenb toeld)e 33egieljung gebraut werben lönnte. 

7) „2)er 33erfaffer fjpridjt eine grobe Scletbigung gegen bie 5)iener ber 
JReligion aus, er fagt, ba$ iljre $äxti>t mit 9Kenfd)enblut beffeeft ftnb." 

Sitte ®efdjid)t§fd)reiber oon Äarl bem @ro§en bte auf £)tto bem ©rofcen 
unb felbft noa} fpäter Jjaben oft biefelbe grobe SSeleibigung auSaetyrodjen. 
3Bei§ man etma nidjt, ba$ ftd) brei Sa^r^utcberte fjtnbnrd) ber ©leruS — 
fottoj^l Siebte wie S3if<f)öfe — fein ©emiffen barauS madjte, in Den Ärteg 
gu gießen? Unb famt man nidjt otyne bie geringfte 8äfterung fagen, baß 
bie ©etfiltdjen, toeldje ftd) mitten in ber ©d)lad)t befanben, i|rc #änbc mit 
SBenfdjenbfot beflecft ^aben? 

8) »Die Prälaten ber fatljolifdjen Äirdje, meldje ftdj ebenfo feljr burdj 
tfere (Sanftmut^, mie burd) iljre Sföenfdjenfreunblidjfett au8geid)nen, ftellt ba$ 
3$ud) oon ben 33erbred)en unb ©trafen als bxt Urheber ebenfo bar- 
barifdjer al8 unnüfcer ©raufamfeiten Ijin." 

63 ift ein geljlcr, wenn tef) mefjr als einmal gelungen »erbe, biefelbe 
©adje gu mteberljolen. Sföan !ann au8 meinem 33ud}e mdjt einen eingigen 
©afc aufführen, in welkem id) auägefprodjen Ijabe, ba§ bie Prälaten jene 
graufamen ©trafen erfunben Ratten. 

9) „Äefcerei famt nadj bem SluSfprudje bed SSerfafferS be8 33udje$ 
oon ben ffierbredjen unb ©trafen ntdjt £od)öerratjj gegen bie göttltdje 
3lHmad)t genannt werben." 

6$ finbet ftd) aber aud) nidjt ein etngigeS SBort in meinem aangen 33udje, 
weld)e$ gu biefer ttnterfdjtebung SSeranlaflfung geben lönnte. 3$ babe mir 
oorgenommen, barin nur oon ben SSerbre^eti unb ©trafen, aoer nidjt 
oon ben ©ünben gu fpredjen. 

Sin ber ©teile, mo tdj oon ben SSerbre^en beö |)ocf)öerratlj3 fprec^e, 
habt i^ gefagt, ba% bie Ummffenijeit unb bie Scannet, welche felbft bie 
llarften SBorte unb 33egriffe oermirren, mit biefem Flamen begegnen unb 



— 96 — 

Uli foldje mit bct Jjödjften ©träfe mir ©erbrechen einer gang anbeut 9i*tttt 
belegen f Önnen. S)er Äritüer f ajeint nidjt gu mtffen , mte fc^r man in tat 
Seiten ber Jgrannei unb Unttnffenljeit bastSortöocijö errat!) mi^brau^te, 
tnbem man eS auf SSerbredjen gang oerfdjiebeher 9trt anmanbte, meiere gang 
unb gar unmittelbar auf bk ßerftörung ber ©efcttfdfaft abgelten. (5r möge 
bodj bk ©efefcbüdjer ber Äatfer ©rattan, Salenttnian unb SljeobofwS gu 
Statte gießen; jie betrauten als $oäwmätytx fogar fdjon bk, meldje an ber 
©üte ber SBaljl bcö ÄaiferS gu jmetfeln magen, ^obalb er trgenb ©tnem eine 
Sefdiaftigung übertragen Ijat. &S beburfte eines ©enatSbefdjlujfeS, um btxt 
ber Slnflage megen $od)öerrat!jS 3U überleben, melier bie (statue eines 
^aiferS — fo alt ober oerftümmelt fte audj immer fein modjte — vw%t* 
fdjmolgen ^atte. 6rft nad) einem (ärlaffe ber Äaifer ©eoeruS unb Sn* 
tomnuS Jjorte man auf, einen ^)o(^öerrat^ M benen oorauSgufefcen. 
meldje 33ilbfäulen ber Äatfer oerfauften, unb biefe £errfd)er erliefen aud) 
ein ©efefc, meines »erbietet, bk megen |)od)üerratljS gu »erfolgen, meiere 3»» 
föHig einen Stein gegen bie 33ilbfäule eines ÄaiferS gemorfen Ijaben. Ste* 
mitian oerurtljeilte eine JRömerin gum Sobe, meil jte ftd)-w>r feiner Statue 
entfleibet Ijatte, unb SiberiuS lieg als £odjöerrätljer einen SKann Ijinridjten, 
meldjer ein £auS oerfauft Ijatte, in btm jtd) baS ©tanbbilb beS ÄaiferS 
befanb. 

3n Sabrbunberten. meldje bem unfrigen nidjt fo fern abliegen, jte^t er, 
toie £einrid) VIH. auf foldje miprihtdjltdje SBeife bie ©efefce auszulegen 
fudjte, ba§ er ben ^ergog oon 9torfolf unter bzm SSormanbe beS $odmer* 
rattjs eines fdjmäljlid)en StobeS moHte fterben laffen, metl berfelbe baS 3Bap* 
pm 6nglanbS feinem gamtltenmappen tymugefügt Ijatte. 2)erfelbe grürfi 
ging fogar fomeit, ba| er Seben beSfelben SSerbredjenS für fdjulbig erftärte, 
ber ben Job eines Surften oorauSgufagen magte; unb beSljalb gefdjalj es, 
ba§ ftd) mäfjrenb feiner lefeten Äranfljeit feine Äergte weigerten, iljm bie 
auierorbentltdj gro§e ©efagr mitgutljeilen, in melier er fdjtoebte, 

10) ,,9tacf) ber Wnjtdjt beS SSerfafferS vom 33ud)e ber SSerbredjen 
u. f. m. jtnb bte Äefcer, meldte bk Mxty oerflu^t unb ber Surft gum Zote 
perurtljeilt Ijat, nur £)pfer eines SBorteS." 

SClle biefe Snterpretationen ftnb hti bm paaren herbeigezogen. 3d) ^abc 
nur »on ben Serbredjen beS menf^li^en |)o<^oerrat^S gefpra^en, unb MefeS 
SBort ^)0(^oerrat^ $cd oft ber S^rannei gum SSormanbe bienen muffen, 
natnentlid) gur Seit ber römifd)en Äaifer. Sebe ^anblung, mel^e baS Un- 
alüd ^atte, i^nen gu mißfallen, mürbe als ^)o(^öerrat^ geftempelt. SuetoniuS 
fagt, ba§ ^o^oerrat^ baS SSerbre^en folc^er mar, mel^e überhaupt gar 
letnS begangen Ratten. SBenn iä) gefagt habt, bafy Unrojffenljeit unb ^9* 
rannei biefem SSort 3Serbre(^en gang oerf^iebener kxt beigelegt unb 5Ken* 
fc^en gum Dpfer eines SBorteS aemad^t ^aben, fo fpradj iä) bamit einfad^ 
bie ©rfaljrung aus, »el^e bie ©efdjiajte le^rt. 



11) „Sft es nicf)t eine entfe^li^e 8äjterung, mie ber SSerfaffer beS 
33u(^eS oon ben 3Serbred)en unb ©trafen behaupten gu motten, ba§ 
bie Serebfamleit, bie Äunft oorgutragen unb bie er^abenften SBabr^eiten ein gu 
f^ma&eS SWittel jtnb, um bie menf(^li(^en geibenfefjaften auf lange Seit gu* 
rütfgnljalten?'' 



— 97 — 

Sdj glaube wofjl nicfjt, ba$ man ba$ als Sdfterung besehenen fann, 
waö td) über bic 33erebfamfcit unb bte"2)eclamation gefagt Ijabe. '35er Sin» 
Ilager Ijat babei alfo bk Unsulängltdjleit im 3luge jjebabt, weldje id) ben 
errjabenften SBaljrljettett gegenüber behaupte. 3$ ftage ityn, ob er 
glaubt, ba$ man in Stalten biefe erljabenfte SBaljrljeii b. f). bie be$ ©lau* 
benS, fennt? Dljne 3wifel wirb er Sa antworten. (sinb aber biefe SBaljr* 
Reiten im (Staube cjemefen, ben Seibenfd)aften ber SDtenfdjen in Stalten 3ügel 
anzulegen? Stile Ätrdjenrebner, atte Siiajter, alle 3ftcnfd)en mit einem SSort, 
benaupten mir gerabe baö ©egentljetl. (§8 ift alfo Sgatfadje, bafj bk er* 
Babenften SBafyrljeiten in 33e$ug auf bk 8eibenfd}aften ber SORenfAen nur ein 
Bügel finb, ber ]te entmeber ntdjt gurüdMlt ober ben fte gar law 3errei|en; 
unb fo lange e$ bei einem fatljolifdjen $olfe nod) Äriminalrtdjter, ©efang- 
niffe unb Seftrafungen giebt, ift ba$ ber beutlidjfte SScmci^ für bie Ünju» 
langlidjfeit ber erljabenften SBaljrljeiten. 

12) „35er SSerfaffer beö 33ud)eg oon ben SSerbre^en unb ©traf en 
fdjreibt fdjänblidje ©otteSlafterungen gegen bie Snquifttion." 

9Retn 33ud) ermahnt meber bireft nod) inbireft ber Snquifttion; boty 
frage idj meinen Slnflager, ob e$ iljm moljl bem ©eifte ber tfirdje $u ent* 
fpreAen fdjeint, ba§ fte 9JlenfÄen 3um £obe in ben flammen oerurtbeilt? 
(Srfüut man nid)t Ijeute im ©djoge öon $> om fcIBft unb unter btn Singen 
beö ©tattbalterS 6§riftt, alfo in ber jpauptftabt ber ganzen fatljolif d)en SBelt, 
ben 3)roteftanten gegenüber, weldjer Nation jte audj immer angehören mögen, 
äße 3>fß<$ten ber 2Renfdjltd)f eit unb ©aftfreunblidfteit? 2>ie legten köpfte, 
unb namentlid) ber, welker augenblidlid) auf btm ©tuble ?)etri ftfct, Ijaben 
aufgenommen unb nehmen mit ber größten ©üte auf (Snglänber, |>oHanber 
unb Muffen; biefe Söffer. weldje ben oerfdjiebenften ©eften unb Sieligionen 
angehören, genie§en bafelbft aue möglidjen grcüjetten, unb üfttemanb ift 
ftdjerer, al$ fte, ftd) bort aud) beö oollen ©djufceS ber ^Regierung unb ber 
©efefce ju erfreuen. 

13) „2)er Serfaffer beS 33ud>e3 oon ben SSerbredjen unb ©tra» 
fen fteHt mit geljäfftgen Farben bie religiöfen Drben unb namentlid) bie 
SKöndje bar." 

So mödjte ujo^I ferner fallen, in meinem 33udje eine einsige ©teile 
anjufü^ren, meiere bit religiöfen Drben ober bk 3föönche ermähnt, wofern 
man md)t wißfürltdj ba$ Äapitel auflegt, in meinem id) oon bem SMfftg- 
gange fpred^e. 

14) f/ 35er SSerfaffer be8 33ucbe8 oon ben 3Serbred)en unb ©trau- 
ten gehört gu ben gottlofen ©djrtftftellern, für toel^e bk ©eiftlic^en nur 
Gljarlatane, bk 9Konar(^en nur Snrannen, bit ^eiligen ganatiler unb bk 
Sleligion ein aufbringli^eö Qbtwaä ift unb meiere bk SUlajeftdt iljreö ©(^öpferö 
nt(^t a^ten, fonbern gegen btefelbe milbe Safterungen auöfto^en." 

©eljen wir je^t 3U ben Sefdjulbigungen wegen Slufru^rS über. 

©alberf, 8cccoria. 7 



i 



98 — 



§•'2. 



aSefdjulbigtragen wegen Aufruft«. 



1) „5>er 33erfaffer be$33udje$ t>on ben SSerbredjen 
betratet «He Surften unb £errfdjer btcfcö SöljrljunbertS als 



rannen." 



unb ©trafen 
graufame Sty» 



9iur ein etttgtgeß 9Ral Ijabe tdj in meinem 33udje *on ben gürftctt uttb 

terrtoerft getyroet^n, weldje aupenbluflid) in Suropa regieren ttttö att biefft 
üeUe 1jei$t e?: ©lüälltdj wäre bie 9föenfqjl)eit, wenn fte Jefct $u£m 

erjien Sukle ©efelje erhalten würbe! Unb wenn biefe ©efefce ooft ben 
Surften feftgefteßt werben mürben, weldje heutigen £ageS in @uro£a &* 
gieren. 1 ) 

2) „9Ran fami nur über baS SSertrauen unb bte grei^eit erfdjretfen, 
mit ber ftd) ber SSerfaffer beS SudjeS öon ben SSerbredjen unb ©tra« 
fen wütjjenö auf bie iperrfdjer unb bie ®eiftlid)feit ftür3t." 

SSertrauen unb greiljeit finb ftdjerlid) fein ttebel. Qui ambulat simpli- 
citer, ambulat confidenter; qui autem depravat vias suas, manifestes 
erit. 2 ) 

3Senn idj in ber SBeljanblung meines ©egenflanbeS einen gewiffen ©eifi 
ber ttnabljängtgfeit geoffenbart l)aDe, fo gefdjab eS nur infofern, als er ben 
©efefcen unterworfen tjt unb gejjen bk nödjften Seamten bie gebüljrenbe 
(Sljrfurdjt nidjt oerlefct. 3<fj wünfd)e felbft f einlieft, bag bie SKenfd^en, 
welche bie AnedjtfAaft nidjt §u fürchten Ijaben, fonbern iljre öoHe §rei§eit 
unter bem ©djufce ber ©efefte geniegen, unerfdjrotfene ©olbaten, SSertljeibiger 
beS SSaterlanbeS unb beS JfponeS, tugenbljafte S3ürger unb unbeftedjlidje 
Seamten werben, welche an ben Stufen beS SljroneS ben 3oH ber 2)anf* 
barfett unb ber Siebe aKer ©taube ber Stationen nieberlegen unb in beit 
^ütten bie ©tdjerljeit unb bk Hoffnung auf ein beffereS ?oo$ oerbreiten. 
SBir leben nidjt meljr in ben Saljrljunberten eines 9cero, eines (Saligula, 
eines |)elbgabel; unb ber Äritifer lagt bm jefct Ijerrfdjenben Surften nur 
geringe ©eredjtigfeit wiberfaljren, wenn er annimmt, bag bie öon mir ge» 
äugerten ©runbfäfce fte beleibigen fönnten. 

3) „3)er SSerfaffer beS 33udjeS oon ben 9Serbredjen unb ©trafen 
behauptet. *bag baß Sntereffe beS ©meinen bem ber ©efeHfdjaft im allge- 
meinen ober bem berjenigen, weldje biefelbe repräfentiren, oorangeljt." 

SBenn ftdj eine foldjc abfurbe Slnftdjt wtrflidj in meinem 33udje öon 
ben SSerbredjen unb ©trafen oertreten finben würbe, fo Ijätte — wie idj 
wenigftenß glaube — ber SSerfaffer ber Äritif nidjt nötljig gehabt, ein meljr 
als Ijunbertunbneunjig ©eiten ftarfeS 33udj ju fdjretben, um baS meinige pt 
wiberlegen. 



? 



SSergl. §. 28 geflen ©djlug. SBalbecf. 

Proverb. cap. 10. Söalbed 



— 99 — 

4) „2)er SJcrfoffct bcö SödjeS fron %en IBrtftre^ctt unb ©trafen 
fprid)t bcn £errfd)ern baö Stedjt ber $obe*ftrafe db." 

2)a e$ ftdj Ijier weber um bie 8ieKgüm, mwty um *k Regierung, fon* 
feern um bie SRtdjtigleit be$ logifdjen SenlenS fymbelt, fo Ijat mein Stalläger 
ba$ Siedjt, $u glauben, waö t$m beliebt. 

3dj führte meine gangen ©eblüffe auf folgenbe ©üfce flautf: 

9Ran foll bie SobeSftrafe ntdjt öerljüngen, wenn fie nidji 
burdjauö nüfclidj ober notJjwenbig ift 

3Me SobeSftrafe ift aber weber burdjaud notJjwenfrig, nodj 
wafyrfyaft nüfelidj. 

3Ufo barf man bxt Sobeöftrafe nidjt uerpngen. 

6ö ift Jjfter gar nxäft bie Siebe baoon, über bie Siebte ber Surften jtt 
ftreiten. 3)er Ärctifer wirb böd) fidjeritdj ni^t behaupten wollen, ba$ matt 
bie SobeSftrafe oerljängen fotte, ta fte gewi§ bodj weber waljrtjaft notfjwettbig, 
nodj nüfclid) ift. 6in foid^cr ebenfo graufamer als feanbalöfer ©afc fanti 
unmöglid) au8 bem SMunbe eines ©jriften lammen. 

•äBenn ber gweite Sfytil meiner ©djlufcfolgerung nid)t ridjtig ift, fo ift 
bieö ein logifdjeS, aber lein 9Efta}eftat0*98erbredjeu. 

SWan rann au§erbem meine angebltdjen Sfrttfjianer entfdjulbigen, benn 
fie gleichen oöttig benen, meldjen fo* Diele eifrige ©giften ber erften Äirdje 
gefolgt finb; 1 ) ebenfo wie fie benen gleiten, weldjen bie 8ftänd)e $u 3«ten 
£f>eobofiug be$ ©roßen — alfo gegen 6nbe beö inerten Saljrljunbertö unferer 
3eitred)ttung — folgten. 

Sfturatori fprtd)t baoon im ^weiten 33anbe feiner Annali d'Italia 
beim Soljre 389-; eS l>ei§t bafelbft: 

£I)eobofiuS erlieft ein ©efefc, burd) weldjeö er ben SUlöndjen 
anbefahl, in itjren Äiöftern ju bleiben, »eil fie bie 5ftäd)ften* 
liebe fo weit trieben, ba§ fie felbft bie SSerbredjer ben Rauben 
ber ©eredjtigleit entzögen, ba fie nid)t wollten, ba§ irgenb 3e* 
manb fterben folle. 

9Reine 9iad)ftenliebe gefjt nid)t fo weit, unb id) gebe obne Ueberwinbung 
gu, ba§ biejenige ber bamaligen Seiten auf oöttig falfdjcn ©runbfäfcen be* 
ruljte. ©ine gcwalttljattge Stufle^nung gegen bie öffentliche Autorität ift 
immer ftraffäuig. 

3d) l)abe nodj gwei Sßorte 3U fagen: ©iebt eö ein ©efefc auf ber 
3Mt, weites $u Jagen ober $u fqreiben oerbietet, bafj ein Staat befielen 
unb bm grieben im Snnem aufregt erhalten lann, o^ne bk Sobeöftrafe 
gegen irgenb einen ©traf fälligen anguwenben? 

35iobor 3 ) mä^lt, ba§ ©abaco, Äönig oon Stegtypten, fi(^ alö ein SRufter 
iier ©üte unb 9!Jcilbe bewunbern lie§, weil er bit Sobeöftrafe in Srei^eitö* 



>) SDUan faun bie ßirdjenttäter guSlat^c jieben, unter anbern Sertullian 
in feiner Apolog. cap. 37, welcher bafelbft tagt, ba§ bk (Triften ben ©runb- 
fa| Ratten, lieber ben £ob felbft ^u erbulben, alö il?n irgenb einem 
Zubern gugufugen. Unb in feinet ^aiibiung de idolatria cap. 18 u. 19 
»erbammt er alle 5lrten offentlidjer Auflagen aid ben ©triften un- 
terlagt, weil fie fte nidjt anhängig mad)en lonnten, o^nebabuve^ biöweilen jegen 
ein 33erbred)en bie Xobeöftuafe aiiöf^redjen 3U laffen. 53eccarta. 

3 ) Lib. T, cap. 65. 

7 # 



— 100 — 

ftrafe umwanbelte unb feine üötadji gliidlidjerweife bagu Derwanbte, bie ©trafc 
faltigen gu öffentlichen ^hrbeiten g& aerurtneilen. 

©trabo tljeilt uns in feinem elften 33ud)e mit f ba§ e$ in ber 9flä^e be& 
Äaulafuö einige äJölfer gab, weldje bie SobeSftrafe aar nidjt kannten, feibft 
nidjt in ben Satten, wo ltdj ber SSerbredjer bie atterfajwerfte ©träfe gugegogeit 
Rätter Nemini mortem irrogaSse, quamvis pessima merito~ 

2)iefe SSBa^r|jcit wirb aud) burdj bie römifdje ©efäidjte beftätigt, gur 
Seit ber lex Porcia, meldte »erbietet, *inem römiföen Bürger baä 2tbm gu 
nehmen, wenn bie £obe8|trafe nid)t unter 3uftimmung beä gefamntten rö«* 
mtfd)en SSolfeS auägefproAen worben ift Stituä 8iotu$ fpriqjt von biefem 
©efefce in bem neunten itanitel feines geinten Sudjeö. . 

(Snblicf) beftätigt biefe iljatfadje nodj glängenb baö jüngfte Seifpiel einer 
gwangigjäljrtgen 5Repieruna in bem größten Sleic^e ber gangen SBelt: 9iufc- 
ittnb. 2)ie Äaifertn ©Ufabetlj, weldje oor eiutgen 3a|ren geftorben ift, 1 ) 
fdjwor, al« fte ben Sljron ber (paaren beftieg, wäljrenb qjrer ätegieruna 
fernen 93erbredjer fjhtriajten gu (äffen. JDiefe erhabene 3)ringeffin Ijat au<§ 
unoerbrüd)lid) bie fdjöne SSerppi^tuna erj-utlt, weldje fte ftd) feibft auferlegt 
Tratte, cfynt beöljalb ben Sauf ber $rtminaljuftij$ gu unterbrechen ober ber 
öffentlichen 9tuf)e irgenb weldje Störungen gujugieljen. 

SBenn alle biefe Stjjatfaqjen waljr finb, fo wirb man woljl mit JRedjt 
Jagen fonnen, ba§ ein Staat befteljen unb aludlid) fein fann, audj ofptt 
irgenb einen 33erbredjer mit bem Stöbe gu bestrafen. 

*) ©ie ftavb ben 29. SDegember 1761. Söalbecf. 



Bari 3Utgu|t $autef0rt, 

Semerfangen ju bem $ud)e über bie 3Jerf>ted)en 

unb ©trafen. 1 ) 



g$enn bcr ©egenftanb biefeö Sudjeä eine Prüfung ber pofttifdjen ®efefce 
unb beö Urfprungeö ber Verträge üon Station gu Nation wäre, fo batte er 
■mt^tDcifel^aft feine ®runbfä|e auö bem SDloment ber 3tebaftüm biefer ®e* 
fefce, auö htm SJloment fdjopfen muffen, wo bie 9£ftenfd)en — mübe eines 
ÄrieaSguftanbeS, melier fie ber greityeit beraubt, bit fie oertfjeibigen wollten 
— S3ebingungen «orf djrteben, wetdje oerfdjtebene ®efettfdjaften einigten; bodj 
bie 9floti)Wettbigfeit Ijlat bte 3Renfd)en el)er f alö bie Stationen geeint. 

Um ben Urfprung be8 3ied)te$ mm ©trafen aufgufinben. muß man 
dfo guerft bie SSilbung ber erften ©efettfdjaften in baö Singe f offen: bann 
werben wir gum erften SSerbredjen f)inaufftetgen, weldjeö al$ folaieö unfep* 
bar S3eranlaffung gum erften Ärimmalgefefce werben mu§te; mir werben aU* 
bann feljen, ba§ biefe erften ©efefce nur ber 9tuffd)ret ber Statur unb be$ 
3Bunfdje8 auf (Spaltung, feineSwegö aber bie gotgen oon Sßereinbarungen 
gwifdjen freien SKenfdjen aewefen finb. 

2)ie SBebürfniffe ber Menfdjen, weldje leidjter burd) SSeremtgungen, als 
<tuf anbere SQBcife befriebigt werben fönnen, ftnb ber Urfprung ber erften 
©efeßfdjaften gewefen unb finb aud) nod) bie Äette, weldje gamüien, f)ro- 
Dingen unb Stationen aufammenljalt. 2)ie ©efefce finb nid^t als 33ebingungen 
für biefe erften SScrgefeKf^aftungen aufgetreten, beim bie einzelnen SJtenfdjen, 
njetö)e fld) gu oereinigen fugten, fujjlten fe^r wofyl, ba$ fie fid) jjegenfeittg 
niifcen, aber im erften Slugenblicfe mdjt, baß fie ftdj audi) gegenfeitig fd)aben 
fönnten. 

3nbeffen lieg ba$ perfönHdje Sntereffe atebaifo baö 33erftänbni£ für ba$ 
9ied|t be$ 6igent|um3 entfielen, meldjeä ftdj in einem ©ngefwefen ftärfer 



*) S)iefe SBemerfungen würben im Safjrc 1767 anonym 31t Slmfterbam »er« 
äff entließt unb eueren unzweifelhaft mit 311 ben betten Prüften über $3eccaria'8 
S3ud). 2>e$ befäränften Raumes falber ftnb eWige S*ebetifä$lM)feiteu au$- 
getaffen worben. Söalberf. 



— 102 — 

entwidelte unb boöfelbe baburdj öeronte&te, feinen 9tad)bar gu ermorben, um 
fidj bcffen Stau ober Sldfer anzueignen; 

Qljne Sweifel niar eine foldje Sljat nid)t oorgefeljen werben: wie bte 
erften SRenfdjen ojbne SJerbredjen waren, fo waren fte au$ oljne ©efefce. 

3)er ©traffäutge würbe jebod) mit bem £obe beftraft. 

2)ie wilben £biere, meldje man gu tobten oerfudjte, waren weniger ge» 
faljrltd), als biefeS Ungeheuer; baä Sntereffe ber (Stngelnen, für ftd) felbft in 
©orge geraden, madjt gemeinfame ©ad)e gegen baö Sntereffe beä SSer- 
bred)en8, unb bte ©träfe, meldje ber SSerfaffer einen öffentlichen SKorb nennt, 
ging bem Sttdjtfprudje ooran. ttmwetfelljaft ftnb M bie erften ©efüljle 
be$ menfd)ltd)en 4>ergen§ f wenn e$ jtdj fe^r ftarf beleibigt fül)lt. 

SBir wollen jefct genauer unterfud)en, ab bte 33eftrafuna bed SKiffe» 
tljatera redjtmäßtg ttwr, trofcbem er SRiemanb baß Sledjfc gn (trafen abgetreten 
Ijatte. 

35amit eine ©träfe geregt fei, muß fte bem SSerbredjen angej?a|t unb 
berattfa fein, k§ bef Serbredjer feftjt ft$ gezwungen ffflfcft, in teinem 
Snnerften eingugeftetyen, bafj er bie rfjm auferlegte ©träfe wirf lieg »er» 
bient tjat. 

JDamtt bie ©träfe bem SSerbredjen entfnrec^e, muß ber, welker gerftort, 
wieber gerftort werben, bamit er nidjt oon 9leuem gerftören fonne; ber, wel* 
djer beunruhigt, wieber beunruhigt werben, bamit er nid)t in bie 3Serfudjun$ 
bmme, in 3nfunft wieberum gu beunruhigen, ©iefen ©rünben enttyrang 
bad ©efefc, mefd)e8 ben Sföörber gum 2obe oerurtljetit. (£r würbe baöfelbr 
®ef*fc gegen jeben anbern Straffälligen angewenbet Ijaben, weil e$ iljm feine 
eigene ©id)erl)ett geboten Ijaben würbe: baö ftnb feiner eigenen Angabe 
nad) bie SSeumfe fitr bit Segittmttftt feiner ©trafen. 

Sie erfte StegierangSform, welche entftanben tft, muff unzweifelhaft eine 
bemofrattfdje gewefen fein; bodj ber SSBiQe Sitter im ©egenfafce gn bem 
Sitten ber ©meinen fomtte bie SMenfd^n um fo weniger ^ufantmenljaltett, 
ate ftd) tbre 3<$l beftöatög oermeljrtc. ©a famen ®efq)i(fltd)fett unb 61p» 
geij ber slnardjie gu fyulft, weidp bei einem SSolfe öon ©ouoeranen tat&er* 
metblidj tft; unb Sßerbredjen ober Ueberrebungäbmft riefen al$balb bie Strifta* 
trotte tn ba£ geben, in weldjer Shtgelwefen ben bitten ber ©efamtntijett 
reprafentirten unb eg burdjfefetot, bie äöittettffraft ber Singeinen gu beugen 
mtb pfamtnengubalton. 

@rft in btefe 3ett Bann man bie äbfaffung ber Ärimtnalgefefce »er» 
legen; bte Stifter, meldje ©ewalt ober Ueberrebungtfunft feftgefe^t Ratten, 
beburften fol^er ©efttmmungen, bog fte babur^ gegwungen würben, aere^t 
pi fein unb bie SRenfdjen, ftÄ i^nen gu unterwerfen, ©o ^at al)o bie 
Stimme ber fieinften 3a^( bie (gefe^e biftirt unb baö Sntereffe ber ®efammt- 
t^it aufregt erhalten. 

Snbeffen mu§ten biefe ©efe^e, meldje in oerfd^tebenen Sanbern AW^ä 
imtrben unb benfeAen Seweggrunben entf)mmgen, bennod; in i^ren Mitteln 
von einanber abwettkn: lonnte man erwarten, ba§ ber ©etft ber ©eret^tig- 
feit, meldpr überall beftraft, überall audj gleiqntagig ftrafen würbe? 

2)tefe 33erfd)tebenljeiten mußten oon ber Äegterungöform abfangen, 
tüdfyt, ten (Singelwefen me^r ober weniger greüjeit ft^entb, in iljrer ©träfe 
»e^r aber weniger fd^arf war. 



- 103 - 

- $>oatü bie ©efefee beobachtet merbe«, genügt eS, baß jte geregt feien; 
un& ty$mi bieS bie Sföenfcfyen nidjt frcimtpLig motten, fo muffen jte es ge* 
gmunaeu motten. 

SBürbe man amtlich alle SJlttglieber eines ©efettfdjaftSoerbanbeS bei 
ber gtftftellung tmn bejfen ©efefcen ju Statte gießen, fo mürbe ber SBifle 
9111er ßqerlidj nid)t berfelbe fein: eS tft c*Ifo notljmenbig, f orgfaltig bieStuS* 
fjjrüdje ber oergangenen 3al)rl)unberte gu fammeln unb namentlia) auf bie 
SBtrfunß gu aqjten, mel<|e& btefeS ober {ene§ ©efefc bei biefer ober jener 
SSermaltungSform, in biefem ober jenem ?anbe Ijeroorgerufen Ijat, um banadj 
bie- mtrffamften tlnterftüfcungSmittci für 3lufre<$tert)altung ber Drbnung 
erareifen 3U !önnen. 2)ie Erfahrungen ber SSergangenljett jtnb oielleidjt baS 
foftbarfte @ut ber ©egenmart. 

35er SSerf affer münfdjte, baß ber «Kriminal «(Sobej, ftber ade möglichen 
gifttte entfefreibenb unb ebenfo rebijirt, mie ber (5u>il*ßobeje, mit 4>ülfe ber 
©rueferei ijinreidjenb verbreitet mürbe, um buref) fein ©tubium, meldjeS als* 
bann allgemein mürbe, bxt SKenfdjen mirflidj gu beffern. (Sollte man aber 
nid)t im ©egentljeil fürchten, baß btefeS ©tubium auf bie SSerbredjer biefelbe 
SBirfung ausüben mürbe, mie baS beS ©iöikßobejr auf bie ^Progeßjüdjtigen; 
unb baß fie beim 33egeljen eines SSerbredjenS ftdj berartig gu benehmen mi 
mürben, bafy baS ©efefc für ungureidjenb gelten unb jte unbeftraft la 
müßte?*) 



Ten 
fen 



„35ie ©laub^aftigleit eines Beugen muß nadj bem Snteifsjje bemeffen 
»erben, meines er baran nimmt, bie SBa^eit gu faaen ober nitfyt," unb 
baS ©efefc, meldjeS bemnad) beftrebt fein muß, hk 2&aMieit gu erfahren, 
muß bie äuSfagen ber Beugen nid)t für gulafftg gelten Iqffien, meldje ein 
Sntereffe baran l)aben. tljm bie 3öaljrl)eit gu oerbergen. ©iefeS Sntereffe 
ftunn entmeber natürlid) ober oon außen angeregt fein, fo bafy eS feljr Ilug 
ift. nidjt bie SluSfagen von f)erfonen gugulaffen, meldje notorifd) als ehrlos 
befannt finb, meil jte leistet beftodjen merben fönnen; nod) SSermanbte beS 
angesagten, meil fie ein gu großes Sntereffe baran nehmen, baß berfelbe 
freigefprodjen merbe. 

3n golge beS großen ©runbfafceS, ba^ ha& eigene Sntereffe ber $aujrt« 
antrieb ju hm meiften £anblunaen ber SWenfcben ift, ftnb bie gdjeimen Sta- 
ffagen etn offenbarer SBMßftanb tn einer ©efeufdjaft, beren greift auf bie 
(jJeredjtigfeit begrünbet ift; jte fönnen anty nur unter ber Slipnnenfyerrfciaft 
efneS ©ngelnen ober namentlich 9Rel)rerer oorfommen, ba bet biefen oerfqjie* 
benen SSermaÜunaen bte tlngufriebenljeit ber Untertanen ben Sijrannett be* 
tmruljigt unb meil bie Sermdjtung ber Unfc^ulbigen fte meniger berührt, als 
i|nen bie ber aufrüljrerifdjen ©eifter nü$li<^ ift. 

Der 33erfaffer beS S3uAeS oon ben SJerbredjen unb ©trafen 
^at im oollften SRaße bie untaugli^feit einer Slnmenbuna ber golter bei 
einem Stnaeflagten jefü^It. Dbne Swcifel miberf jric^t biefelbe ebenfo febr 
ber 9Kcnfd)ltd)Feit wt ber ©ere^tigleit; unb man lann ni^t — o^ne fomo^l 

2 ) S)en neuem S^eorien gu golge ift tiefe $ur$t nnbegrünbet 

SBalbcrf. 



— 104 — 

biefe, wie |ene ju üerlefcen — einen SSRenfdjen auf bk Sotter tyannen, um 
tljn $um ' ®eftänbni§ beS SSeröredjenS 3U 3Wingen, beffen man ii)n auflagt, 
ba btefeS SWittel ben 3wecf beS ©efefecö nidjt erfüllen famt: eS fott Ijaupt* 
fdc^Iic^ bte Unfdjulbtgen befdjüfcen, fte aber nidjt 3Wtngen, ftdj als (Sdjulbtge 
jjtngufteßen. SKan fotlte bie golter alfo nur bd einem SSerbredjer anwenben, 
meiner fetner (Sdjulb auf baS SSotlftänbigfte überführt worben ift, um ba* 
bureg feine ©ompltcen ju entbeden; foHte eS aber audj babei nidjt wefentttdj 
fein, 3U prüfen, ob bte 9tadjforfdjung nad) biefen nidjt 3U fd^arf gefdjteljt? 

,,<Sobalb man bie SSeweife für baS 3Serbred)en erbalten unb beren ©e= 
wif$ett feftgeftefit Ijat, ift eS notljwenbig, bem (Straffälligen bie 3eit unb 
3Kittel gu feiner Stedjtfertigung 3U gewähren, wenn eine foldje möglid) fein 
foHte." 

SebcSmal, wenn bie Seweife öollfommen ftnb, b. \). „jebe SDlögltdjfett 
ber ttnfdhulb beS ?tngeflagten" auSfd)lie§en, ift eS uttgtoetfcl^aft unnüfc, iljm 
Seit gu Bewilligen — unb oljne Stauen für iljn, ^inaegen gum (Sdjaben ber 
Deffentlidjfeit — btn SfRoment ber d;cecution auf3ufd)ieben, bereu (Sdjnellxg* 
leit — wie ber SSerfaffer fc^r richtig bemerft — mit 3U ben nrirflamften 
©egenmitteln gegen SSerbredjen gehört. 

SBenn bie Seweife aber unoottfornmen ftnb, bie 3eit ber Unterfudjung 
nid)t für ben möglichen SSeweiS einer Sftcd^tfertigixng beS Stngeflagten genügt 
"|at unb bie 33eweggrünbe gur SSerurtfjeilung burd) nid)ts bte Unoollfommen* 
)üt ber 33eweife verringern, fo ift ber 2lngef(agte, weldjen man nidjt ftrttf» 
fällig genug gefunben l)atte, um ifyn föfort 3U beftrafen, eS nidjt meljr, weil 
er ftdj nidjt red^tferttgen lonnte, unb ntdjt weniger unfdjjulbig, als wenn eS 
tijm wirflidj oouftänbig gelungen wäre: fo ba§ nadj bem befannten ©runb* 
fafce, baf^ bk ©efellfdjaft meljr Sntereffe baran Ijat, Unfdjulbige alö (Sdjut* 
bige 3U finben, baS ©efefc mit ber beftimmten (Strafe nur bie beftrafen fann, 
gegen weldje ber SewetS öollftänbig geglücft, b. Ij. jebe 9Jtöglidjfett einer 
Unfdjulb beS 9lngeflagten oötlig auSgefdj'loffen ift. 

SBer jtdjj 3U einem 3Serbredjen entfdjliefjt, ift weniger ftraffälltg, als 
wer eS aüsfüfjrt; aber er ift eS unenblidjmal meljr, alö ber, ben er burd) 9Ser« 
füljrung afö Somplicen ^erangiebt. ©er erfte beregnet unb benft na^; ber 
gwette läßt {t* nur fortreißen: m (Strafe barf alfo nit^t biefelbe fein. 

3Bo ber SSerfaffer oon ber (Straf loftgfeit fpri^t, wel^e einige ©ertdjte 
hm (Sompltcen bei einem jp|en 3Serbreqen gewähren, fe^t er aud§ glei^« 
getftg bk 3Sort§eile unb ^^äben biefeö ©efe^eö auseinander. J)a xq nie* 
malö aus ben Sluaen bie beiben grogen 3ielpunfte oerliere, welche iq tk 
(Seele ber ©efellfqjaft 3U nennen pflege: bk 35erminberung ber 35erbredjen 
unb t>k ©r^altuna ber 9Jlenftf)en, fo fü^le t^ für meinen Sbeil wo^l bie 
SSort^eile eines ©efefceS, weites bem Angeber ©traflofiafeit juft^ern würbe. 
S(^ werbe eS nie begreifen föntten', baft eine größere geigljeit bagu gehört, 
folAc Ungeheuer f ^u oerrat^en, als ftd) mit i^nen 3U vereinigen, nodb, welche 
©efa^ren baS SSetfptel eines folgen Serrat^eS ^eroorrufen wirb. ?lugerbetti 
wäre cS auc^ wünf^enSwert^ , ba% eS eben)o otele 9Serrä%r gäbe, ulS fxä) 
Komplotte foldjer 9lrt bilben: bie ©efa^r fold^er SSereinigungen würbe fte 
aisbann balb oöHtg gerftören/ • 

2)iefe^ ©efe^ ift oljne 3weifel baS rtir!famfte, um große 3Serbredjen 



— 105 — 

gu öcr^tnbern: fie ftnb immer beß 39er! mehrerer; unb ba bte 33erbred)er 
ttic^t bie einigen Urheber eine0 SSerbredjena ftnb, beim bie ©djwadjen, weldje 
in ötel größerer $lri$aty oorljanben finb, Mtbetr bte Söerf^euge, fo würben bte 
©ewiffenöbiffe, meiere man bei btefen woljl öorauSfefcen barf, ber ©efell* 
fd^aft gum ümtfcen gereidjen, fobalb fte baju werben, bte SSerbredjen $u »er* 
ijinbern. 

35te gurdjt öor biefen ©ewiffenSbiffen würbe bte SSerbredjer aber fing 
genug inadjen, um ftd) nur mit folgen, wie fte felbft finb, ^ufammen 31t 
il)Mt: baburdj würben i|re SSerbinbungen weniger ia^tretd^ unb feltener 
werben, unb ^ubem ber ©efeHfcfyaft bte Hoffnung laffen, ba§ ber SSerratl) 
hti iljnen ba£ bewirf en wirb, maä ©ewiffenSbiffe nid)t me^r tljun fönnen. 

2)a bie SobeSftrafe ifjrer 9tatur nad) fdjon nidjt anberS, als im §aHe 
beö SKorbeS »errängt werben fann, fo Ijaben bte ©efefcgeber fie nur in ber 
Hoffnung auf geringere Serbredjen auSbeljnen fönnen, bafy einige 33eifntele 
„etner — ber Sljeorie nad) ungerechten — $Mt bte ÜJcenfdjcn baoon gürücf* 
galten unb — in ber S^at — nü£lid) fein werben, weil fte fdjneHer beß 
»orgefteefte 3irf erreichen würben, ©iefer SBeweggrunb aHein konnte einen 
©efefcgeber oeranlaffen, bk awtfdjen bem 33erbred)en unb ber ©träfe notlj* 
wenbige Proportion nidjt inne 3U galten: eö giebt alfo etn®efefc, weldjeS über 
bem ©efefcgeber ftebt. 2)iefeS ©efefc, weldjeä ba$ erfte tum allen ift, gwtngt 
üjn, ein ©efefc %u anbern ober aufgeben, welches nidjt ba$ oon iljm be« 
^meefte ©ute bewirft. 

@ö giebt oielletd)t Ungeheuer, weldje feiner f)t(fe bebürfen, um 33er* 
bredjen m- begeben, aber im Sltlgemeinen fallen bk SRenfdjett nur oon Stufe 
ju ©tute. Äinber ber ©efeHfqaft, oerfdjmmbet tljnen aumäljlid) bie Sr* 
tnnerung an ben Suftanb, in bem fte für fid) felbft gefürchtet Ijaben; wer 
§urd)t öor Sieben Ijat, ift ba^u ntd)t angetan, einer felbft gu werben, unb 
ber ©d)mad)e wirb fte beftänbig fürd)ten. 

9llfo nur in ber golge ber Seibenfdjaften, welche fid) im 3>erljältni§ 
gu ber guten Äörüerbef^affen^eit entwickeln, mu§ man bk SSeranlaffung 
$uin SSerbredjen fudjen; in biefem Suftanbe finbet ber SDtenfdj — SSeute 
ber SSebürfniffe, welche burc^ bie 9(u3fd)weifungen öeroielfältigt werben — 
nur in bem Sßerbredjen ba& Sülittel jene gu befriebigen unb gögert nur nod) 
au§ gur^t t)or ©träfe; bodj biefer gur^t f(^ämt er fidj, aber fetneöwegö ber 
(Sljrloftgf txt, welche ba^ SSorurt^eil an baS Stab fnüpft; unb guerft will er 
in SSejug auf biete gurd)t feinen 9Ru^ feftarfen. 3)te |)inrid)tungen, wel* 
i^en ba8 SSolf beiwohnt, finb i^nen bei biefer Ueberwtnbung beplflic^: wenn 
er eine fol(^e fiefyt, wirb er wo^l begreifen, ba$ man unter bem JRabe bulben 
fann; jebenfall^ ge^t er aber mtt ber ©ewi^eit fort, ba% ber, welker bort 
fein 8eben auögefaucbt §at f ni(^t me^r bulbet: ber ©t^reefen »or ben £}ua* 
len wirb alfo ft^waqer werben unb ber fötperlidj) ftärrfte ?9ienf(^ wirb tfjn 
am f^nettften unterbrücfen fönnen. 

Sd) will ^ier gleio^ bemerfen, ba$ eö M allen fe^r friegertfdjen ^atio* 
nen ftct6 ©fabiatoren gegeben Ijat, um bk menfc^lic^e Statur baran gu ge* 
wohnen, ba§ S3ilb ber Serftörung o^ne gurdjt an^ufe^en; unb wenn man 
bk SBtrfungen beob«Ä)tet, welche *f)inri(^tungen auf baö SSolf ausüben, fo 
wirb man balb erfennen, ba$ fie oiel me^i baju btenen, Me SJera^tung gu 
ftftrfert, wel^e ein SSetbredjer oor bem Sobe beft^en mufy, als üjtn gurqt 
etnguflö§ett: ber 3wecf beä ©efe^eö wirb alfo ni($r erfüllt. ■< '* - 



— 106 — 

2>te Stobeöjfcafe, in $htHttf mf we&f)e her SSerbredjer fein #era gegen 
fidj f elbft ner^ärtet, mn§ feiten geraig «ugewenbet »erben, um ftdj bte äft*dj£ 
bemalten gu fömten, gurdjt etngufögen, ba, wem fie ba$ entgegengefefcte 3«* 
metdfo fa nttt c * tt ^ e ^ c ' me 9* $• 

2)a bte ©träfe für ein SSerbretfjen ben ©djulbigen nur im 33er!jd!tm§ 
mc gangen (Stfefffdjaft gugefprod>eii mtrb, fehteäwegS aber, nni bte $rfoat* 
Sntereffen gu räAen, welme oerlejjt worben ftnb, fo muß ber Sftufcen ber 
arbeiten, bei weldjen btefe SSerurtljeätett nerwanbt werben, ein affgemeiner fein, 
fo bag alle bte Steile ber ®efefff<f)aft, weldje gletdjgeitig bte Seleibigung 
erbutoeteu, afldj gletdjmägtg bte gruqt ber ©übne genießen. 

25te Anlegung uno ©rljaltwtg oon öffentlidjen ©tragen burdj ba$ gange 
8anb Jjmburd), märe alfo bte Strbett, welqe iljnen gugewiefen werben müßte. 

35ie größten SSerbredjer, S:|ei(ne^jner beim SJlorbe, ©nbretfjer u. f. w. 
müßten ben' fd) werften SEljeil ber Arbeit auSgufüljren l)aben unb foltten in 
SiütffiAt auf biefen ®runb oon ben anbern burd) ein befonbereS Seichen 
unterfqieben werben, btö bie »on ben ®efe$en beftimmte ©feafe gu begeidj* 
nen Ijätte. 

2)a3 ftnb bie ®eban!en, weldje id> für nötljig Ijielt, betten bed S8er- 
fafferS Ijtngugufügen, welker ftd) »an feinen ©runbfa^ett ber SWenfc^enfrennb« 
Itajfeit gu entfernen fdjetnt, wenn er oben, wo er ber ®efefffdjaft ba& 3ted)t 
mit bem £obe gu {trafen abfpridjt, ben 3Serbred)er unter ©djläge unb 
ÄettenfteUt, wo bie SSergwetflung fein ttebel nidjt enbet, fonbern 
beginnt; ©trafen, weldje bte Sijrannei erfunben Ijatte, unb an beren ©teile 
bie 9föenfd}li<f)feit, ntdjt aber bie SJarbarei bie Sobeöftrafe gefefct Ijat, bte 
jebodj — wie id) fdjon oben angebeutet tyabe — nur bem SSerbredjer gubff« 
tirt werben muß, weldjer gerftört, bamtt — wenn eö moglidb wäre — bte 
gurdjt baoor ben ®ebanfen eines SÄenfdjenmorbeS für äffe 3eiten oertilgi 

2)ie Verbannung fann öielletdjt in gewiffen gaffen als bte größte ©träfe 
für ein Verbrechen betrautet werben; aber fte wtberfpridjt {ebenfalls ben 
.wahren Sntereffen ber ®efettfd)aft. 

Sftadj oottftänbiger unb retfttc^er tlnterfudjung ber gangen ©abläge ma$ 
ber Verbredjer entweber oerurtljeilt ober fretgetprodjen werben, Snbeffen 
giebt e$ auq fo oerwitlelte gaffe, baß bit Sftation fidj in bie unange» 
neljme Sage oerjefct füjjlen fann, entweber ben Verbredjer gu 
fnrdjten, ober iljm eine ttngeredjtigfeit wiberfaljren gu laffen, 
unb in folgen gaffen fdjlägt ber Verfaffer ba8 am wenigen wtlllü^rli^c 
uitb präetfefte ®efe^ oor, weites bie Verbannung oorf^retbt. 

Senn ber Sngellagte wirftieb ftraffäfftg uno fein {>erg nod) wetttren 
ajcrbredjett gugänglic^ ift, ift es aisbann nid)t unmenf^lic^, iljn gu 9lationen 
gu f&iaen, weldje thn im SJer^ältntg %er Hinneigung gu bem Soft, 
fea« i$n audgeftogen 90t, aufnehmen, wä^renb er fclbft in baö Slf^l, beffen 
®efe^e er auq oerfe^en würbe, ben «Reim gu nationalen Swifttgteiten träges 
wirb? 

£)ie Verbannung bürfte alfo nur bei Sludlanbern fbttftnben, falbem m*n 
alei^jettig ben @ertdjten i^rtr $)eimat^ Slngetge baoon madjt, unb biefc 
Strafe mü§te in ben tum bem Serfaffer angeführten gaffen im ®egenr 
t^eile für ben wegen mngttlänglidjer Scwcifc frei gefpro$enen togeflagten 



— 107 — 

töe ötftummmg enthalten, wä$renb einer feftgefefcteu 3eit frinfÄ Äufeu£%t»tt 
unter ben Slugen beS ®erid)ts gu nehmen, oor betn er aitgtffogt war, btntit 
fem ferneres geben Hjm ftlfrft gur JRe^tfertigtmg, ber OepntUd^f eit <*er als 
Queue neuer SSeweife biene- 

SDiefeS ©efefc f djeint mir um fo nüfclidjer gu fei» , ute cg bem Staate 
{eine SJiitgfteber erhalt r bfcefe aber gletjfcgctttg oerljinbert, \m$m pt f traben, 
weil unter ben angebeuteten SScrfjältniffen ber 9injjeflagte ftetS bte Stoßen 
beS ©eritfjteS auf feine geringften £>anblungen fijttrt gloniien wirb, felbft 
wenn es ftc^ aar ntdjt um iljn fümmerte. 

£)ie ©infüljrung biefeS ©efefeeS wirb felbftoerftänbltcf) baS aufgeben, 
weidjeS bie ©üterconftScation ber Verbannten auSfyrtdjt unb, wie ber SSer« 
faffer bemerft Ijat, ben ttnfdjulbigen bte ©träfe beS ©Autbigen erbulben laßt. 

©S giebt aber eine Slrt öon &erbred)en, für weldje bie ©trafen Ijaupt* 
fädjltd) auf baS ©gentium beS ©djulbigen fatten muffen unb in 33egug auf 
welkes ber ©efefcaeber tiirf>t ftreng genug fein fann: geroinnfüdjtige |>anb« 
hingen ober fd)(ecgte 3Serwaltung, weldje bte öffentlichen ©eiber betreffen. 
2)ergleidjen SSerbretfjen müßten als Strafe bie ©onftSeatton beS ganzen Sigen- 
tljumS beS ©djulbigen gu ©unften beS giScuS nadj fid) gießen, unb in biefem 
gaße fönnte baburd) audj ben 6rben redjtmäßtg ber ufnen gufteljenbe SJfjeü 
ber ©rbfdjaft erlogen werben, weit jie im Säße ber ©traflojigfeit etwa« 
genießen würben, .was iljnen eigentlidj gar ntdjt aufäme. 

JDie §raufamfte ©träfe, bte, weldje nur unfcfyulbtge trifft, ift aber 
rfjne Swettel bie furdjtbare 33eftimmung, welche bie ©efefce best £ty:prorium 
baburdj gaben, ba§ fte auä) bk SSerwanbten beS 3Serbred)erS baran S^eil 
nehmen ließen. 

2)iefe an ftd) ungereimt* ©träfe, für bereu 3luSfüljrung baS ©cfefe eine 
Sledjtferttgung nur in ber ttbgefdjmatftljeü ber 33orurtf)eile finbet, welken, 
eine große Sbuaftl SKenf^en gum ttnglüde unterworfen ift, t)ai nur feft- 
«Jefct werben rönnen, um im ©djooße ber gamilie felWt tin großes Stoter- 
effe für SSerIjinberung ber SSerbredjen gu erregen. 3iel)t man aber in S3e» 
tradjt, baß bie gange SBtrfung, weldje es Ijeroorrufen fann, ftdb nur auf 
foltfie ©efü^le jiüfct, beren Äeim bereits im £ergen ber Serkeqjer erffott 
ift, fo ift bte Üftufclöftgfeit biefeS ©efefeeS bewiefen, unb mm füljlt nur no4j 
beffen Ungeredjtigfett. 

„©amit jebe 9trt beS SerbredjenS um fo feltener fei, je meljr 9iadjt!jeüe 
fte ber ©efeßfdjaft gufügt," muß eö not^wenbigerweife Don f^ werften ffier» 
Bremen bis $um gerinaften 3Serge^en eine Stbftufuna in ben ©trafen geben, 
unb barf namentlt^ bte ?tbft^t be$ ©traf fälligen nt^t beftraft werben, ' weil 
bie »bftAt, SöfeS m t^un, no^ nt^ts S3öfeS bewirft unb bie ©efefce, wel^e 
baS Serbre^en oerlginbern foHen, e8 feineSwegS als gleid^ ftrafbar btnftetten 
bürfen, ob bie 8bf4t erfüllt ober nid)t erfüttt worben ift. 2>er SBille ©ute« 
gu t^un genügt ebenfo wenig, um eine 33eloljnung gu oerbienen. 

gaft äße ©efefce fe^en nur ©trafen feft; würbe man foldje bingttfü{|ett, 
wel^e belohnen unb glet^jeitig ein nötiges SMaaß ber ber ©efettf^aft nuft- 
HAen ^anblungen fein würben, fo wäre biefeS gweite SKittel gur 3fofredjt« 
erqaltung ber gefett)(^aftli<^en Drbnung ^ebenfalls wtrlfamer, als baS erjte. 

9Benn baS ©efeg bie ©träfe ber ©iploftafeit oer^anat, SSorurt^eil, 
Sitten unb inneres ©efüljl bieS aber ni$t unterf^reibcn unb ben nid^t für 



— 108 — 

torlos galten, ben ber 8ttdjter fo ^tttgcftcHt l)at, bann ift bet 3»«? öetfe$(t 
unb baö ®efefc compromittirt. 

3Ba$ alfo bie 33eletbtgmtg tmb bie barauö entfpringenben 3)ucHc an* 
betrifft, fo lann bcr ®efe$geber nur mit ©rfolg wirfen, »emt er auf bie 
öffentliche SMeinung ein3uwirfen oerfteljt. 

SBettn man $u ber ©nfidjt gefommen fein wirb, bafj e3 efjrenöoKer tft, 
fein Unrecht eingugefte^en unb eö auf ber ©teEe wieber gut gu machen, an* 
ftatt eö m oer<jrö£ern unb aufredjt m erhalten, fo werben bie (Bitten fanfter 
unb bte Seleibtgungen weniger Ijäupg werben. 

@3 bebarf tiner anbern Strt ber SSeftrafung für bit ?)afd)er, als für 
bit Siebe, weil bie öffentliche Süleinung — wie ber SSerfaffer bemerft tytt 
— in bem Sljun jener nichts (Sljrlofeö fielet. 2)ie Sefdjäftigung in ben bent 
Staate gehörigen Sßerfftätten unb gabrtfen würbe ba$ nötige SWittel fein, 
um bte ©träfe be$ (Sdjulbigen gum Stoßen beö $i$cu6 $u teuren, ben er 
hintergehen wollte. 

3u 35egug auf betrügende Sanfbrücbe, ein SSerbredjen, meldjeS um 
fo ente^renber ift, als e3 unter bem (Soleier allgemeinen SSertrauenö be* 
gangen wirb, f ollten bie, weldje btefcö SSerbredjenS ftd) f cfyulbig gemalt, Ijaben, 
gu öffentlichen arbeiten in berfelben Älaffe, wte ©nbretfyer oerurtfyeilt werben. 

SBenn es bewiefen ift, ba£ 3U große (Strenge in ben ®efefcen ein geiler 
ift, welker bie üjnen unterworfenen 9Kenfd)en im Snnern aufregt, fo fteljt 
ebenfo feft, ba% ber 9DW§braud) ber oäterlidjen ®ewalt biefelbe 3Btrfung bei 
ben Äinbern Ijeroorruft, welche bann nur mit bereitwilliger Unterwürft$!ett 
geljordjen fömten, fobalb fte fitf) felbft fagen: ber Sßille meinet SSaterS ift 
geredjt. 

2)er SSater muß alfo über ba$ 9Dlaa§ feiner Autorität burdj öffentliche 
®efefce aufgeflart werbetf, welche ibm mit btm SSeifpiele ber 5Mf$igung unb 
©eredbtigfeit oorangeljen. 

3)iefe3 Drittel ift ba§ einige, meld)e8 ben Äinbern ben ®etft ber Unter* 
würftgfeit einzuflößen im <Stanbt ift, ber in bem ®efettfdjaft$oerbanbe ber 
3Jtenfd)en burdjauö notljwenbtg ift, unb ftdjerer 3U einer ^Reformation aller 
(Sitten bient, a(ö bk ftrengften ®efefce. 



«4., 



HrtljfU eine* italwntfd)eit prof^ora 

über 

bo$ 33ucfy »ott ben SBerbredfyen unb ©trafen. 1 ) 



4^ic öerfdjiebenen Sftittel unb Sfoedfc, welche bic @ef ergebet in bcn Gon» 
ftttutioncn bcr politifdjen Äötper angewenbet Ijaben, weifen unter fidj geheime 
Regierungen be8 ?)affenben unb Unpaffenben, be$ Üebereinftimmenö unb be$ 
SBiberftanbeS auf, weldje 33eccaria mit £ülfe ber 3tnafyfe, einer ©iffenfdkft, 
bereu Sftetfter er in I)oI)em ©rabe ift, entwtcfelt I)at. ©ein in ber £ljat 
fdjnetterer ©ang, als e$ ben Stnfdjein Ijat, unb fein lafonifdjer (Stql, ber 
oft meljr Sbeen anbeutet, als auSeinanberfefct, enthalten bisweilen einen 
anbern Sinn, als ftc fdjeinbar barbieten. 35iefeS Sudj ift alfo ntdjt für 
alle Sefer getrieben: unb wer ni&t bit Umftd)t J)at, etnen SltyH mit bem 
anbern gu oergletdjen unb in ben Haren unb fdjarfen Säfcen bte ©rllärung 
für bk bunleln unb gweibeutigen — nad) ben Siegeln ber Ärtttf, weldje für 
biefe <2>d)reibart gültig ftnb — gu finben, wirb weber bie ©ebanfen, nodj 
bie ©efüljle beS 3SerfafferS öerfteljen. 

Dbgleid) 33eccaria'S ©runbfäfce über SERoral unb ^olitif benen £obbeS* 
ppttftänbtg entgeaengefefct ftnb, fo Ijaben tfjn bodj einige Ärittfer für einen 
äufcerft eifrigen Parteigänger beS lefctern gehalten. 

ubtx in jeber SSegte^ung finbet gwtfdjen biefen beiben @d)riftftettern ein 
gewaltiger Unterfdbieb ftatt. #obbeS befaß ben ©fjarafter eines ftdj gefränft 
fubienben SDtifantgropen, unfer Sßerfaffer bingegen ift ein liebenSwürbiger 
TOlantrop, ber nur Humanität atljmet. (Sin Ungeheuer, welkes ftd) barüi 5 

gefallen würbe, unmenfdjlid) bie ©lieber eines eben geborenen ©äuglmaS gu I 

gerret§eu unb fidj gefünlloS ae^en beffen @efd)rei geigt; ein graufamer *JRör* 
ber, welker nidjt baS 8eben f etneS ebelmütljigen Sftctterö fdjont, ber baS feine 
einmal auf baS ©piel fefcte, um iljn aus \>tn Sufcen eines wilben Stieres 
gu befreien, ift nad) $obbeS' 3ln|t^ten ntdt)tö befto weniger ein redjtfdjaffner 

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*) SHefe ebenfo furge, als fdjarfe ßritif ljat 33eccaria ber legten %väaaht 
feines üBetfeS angehängt unb ift bteS ber ©runb, weS^alb idj fte $ter ebenfalls 
gebe äß&albed. 



— 110 — 

9Rann, ba er meber bem unglütfltdjen Äinbe,. nodj bcm mutagen SBefreier 
2>an! oerfprodjen fyatte. 

Sftadj S3eccaria'$ Statur hingegen tft ber Ärteg nur fo wefr geregt, als 
er notfjwenbig tft, unb fte geftattet titelt, oa§ man mit ben ©äffen in ber 
#anb meljr 33öfeö tfjue, aU unumganglid) notfjwenbig tft. 

Sit 4)öbbe8' Seoiatljan finbet man ben 2)efpoti3mu8 in fetner auf^rften 
?)eriobe, in bem 35ud)e unferö SlutorS tft hingegen ba$ ijödjfte ©efefc beö 
öffentlichen SBoljleg ©egenftanb unb Sbeal ber fouöertuten äftatfjt. 

Sftad) Seccaria ftnb bie burd) gefetlfdjaftftdje äJereinbarungen feftgefefcten 
unb &on ber öffentlichen Slutorität unterftüfcten ©trafen bennodj ungerecht, 
unerlaubt unb tabelnömertl), fobalb fie nidjt gu ben SSerbretfjen tn richtigem 
SSerfjaltntffe fteljen. 

Stugettb ftttb Safter jinb für tfjn reale unb von ben ^cnjbhmgen unb 
©efefcen ber £err|djet unabhängige Sßefen. ©r befdjränft fidj) ntdjt barauf, 
ba$ maljre ©ein ber Sugenbcn unb Safter $u lebren; fonbern -seigt audj ebenfo 
mel Siebe unb Stmetgung für bie einen, wie ©ntfefcen unb SCb^cu oor ben 
anbern. 

SBenn er fagt, ba§ 9tamen unb ©Ijarafter ber Jugenben unb 33erbredjen 
SSerwanblungen unterworfen ftnb unb nadj ber SSerfdjiebenljctt ber Seiten 
unb Sauber wed)feln, fo biege eö bod) gegen tljn ungerecht fein, wollte man 
barauS etwa folgern, ba§ er nidjt foldje Sugenben unb Safter anerfemtt, 
wetöje für alle Sttenfc^n, gu allen 3ctten unb an allen Drten unwanbelbar 
bfefelben ftnb. ©r lagt folqe Sugenben gu urtb fpridjt oon t^nen mit ebenfo 
ijoljer Sl^tung unb Sob, wie er aUe Safter, bie ifjnen entgegengefefct finb, 
oerurtljeilt. 

©3 giebt'aber auf ber gangen SBelt etnij Sugenben ber Meinung unb 
oorgebilbete, fd^Icd^t beftimmte unb nod) Jdjletfyter oerftanbene Safter, oon rotU 
djen man falfdje unb oerwirrte SSorfteuungen Ijat, unb gerabe biefe Sagen* 
ben unb biefe Safter geben fo f)äuftg gu ben üerfdjiebenften Sluffaffungen 
SSeranlaffung: fie ftnb Ijeute ber Slbgott ber leidjtgläubigen SÖßenge unb -wer* 
ben morgen gum ©epenftanbe ber SSeradjtung unb Säd)erltd)fett, im SSetpIt* 
rtiffe m ben gortfdjritten ber ©inftdjt unb Stufflärung ber SKenfdjen. 

5)ie ©rteäjtnnen tonnten ntdjt, oljne ben Slnftanb 3U oerlefcen, in tjjren 
SBo^nungen bie nädjften 3Serwanbten empfangen, waljrenb man fte niäjt 
tabelte, wenn fte in ben Sweatern auftraten unb bort für ©elb oortrugen. 

©Ijen gwift^en 33ruber unb ©djwefter waren in Sitten erlauft, wo 
anberS hingegen oerboten. 

$öfliajfeit unb feines 33ene§men, an* welken man in JRont fo mel 
ma^te, gereiften bei ben f)art^ern i^rem SDtttbürger S5eno, ber ft^ in 9tom 
na^ ben beften 3Sorbilbern römifdjer (Slegang unb ^[nrnut^ gebtlbet Ijatte, 
gu ©pott unb 3Sera(^tung. 

fettige Nationen galten bie (Siferfu^t für eine Sugenb unb ma^en ffe 
pt einer fe^renfa^e; oielen anbern hingegen erf^eint fte lä(^erli(^ unb fie* 
mStktbenömettlj. 

Sn ei^aeliten $anbef$ftäbtett gilt ©eig att finge ©parfamfeit, 2Ra§ig* 
fett »nb ^lü^tetn^eit; in mannen reiben ^auptftäbten begei^net man ba* 
gegen wieber tolle SSerfdjwenbungSfudjt unb gu ©runbe riqtenbe Sluögabtn 
al0 ?)rac^t unb greigebigfeit. 

3n ben erften Sa^unberten ber römifdjen Äaifer^errf^aft ^alt eö für 
eine Sugenb, unfc^ulbtge ©giften auf bie graufamfte SBeife ^tnjurid^ten, 






— Hl — 

trofcbem ftc gute 33ürger uttb treue Untertanen waren; unb eine Bett Ijtn* 
butdj ,ftettten e$ bie Sijriften mteber als iljre religtöfe Slufgabe Ijin, bie Suben 
ju erwürgen. ©$ giebt unaaljlige 33eifyiele biefer 9trt f meldje mit bem 8aufe 
ber 3^tt Flamen unb Sanb änbern unb bem SEBcc^fcl ber menfdjlidjen Seiben» 
f^aften folgen. 

5)a3 ftnb bie Jugenben unb 8after, meldje ber SSerfaffer im Sluge Jjat, 
fobalb er fagt, ba§ bit Slnftdjten, meld)e man gemeinhin uon £ugenb, ©fjre 
unb 8after 90t, bunfel unb oermirrt finb, maö nid)t hm geringften Angriff 
auf ba3 unmanbelbare SBefen oon £ugenb unb Safter unb ber jte djaraftert* 
ftrenben unb unmanbelbaren 33erfdH'eben!)eit enthält. 

@3 ift alfo unnötig, ba§ idj SSeccaria oon ben böönrilltgen Stnfdjul* 
bigungen befreie, meldje tJnt au einem ©djuler beö Stnajardjeö im SHtert^um, 
unb beS |>obbeö in ber 9ieu$ett, mafc nod) fdjlimmer ift, madjen motten. (5r 
rechtfertigt ftd) gang allein, unb iä) Ijabe lein anbereö SSerbienft, als baö, üjm 
beljülfltm fein au motten, inbem \ty aeige, ba& ber ZqA feines Sucbeö gleidj- 
geitig beffen rimtigfter 2)olmetfd)er ift unb ba% beffen flore unb oeftimmte 
©teilen ebenfalls hxt beften örffäfctfngen ber bunfeln unb jwetbeutigen ftnb. 



\ 






v '.id 



©emerfung 

Bon 

^rtfr0t be tBanuüe 

über bag Sud) 
Hott bat Sertoerfcett ttttb ©trafen. 1 ) 



4^er (Srfolg be8 33ud)e$ oon bcn SSerbredjen unb Strafen ift feinem 
SSerbienfte oöHig gletd) gefommen; eS ift faft in alle Sprayen überfefct unb 
Sunt gieret aller ber Surften geworben, meldte bte 9Jli§brtiud)e iljrer ©efefc* 
gebungen m beffern fud)en. 

m$ Seccaria e$ oeröffentlidjte war er nodj ntdjt fiebenunbgwangtg Saljre 
alt; italiämfd) erfdjien-eS 3um erften 9M 1764 , unb mehrere Sluflagen 
folgten fid) fd)neU mntereinanber. 

©er burdj mehrere SBerfe auf Politikern ©ebiete berühmt geworbene 
grangofe Stbbe SKoreHet beeilte ftd), btefeö 33udj in granfreid) burd^ eine 
tteberfefcung belannt ju matten, in ber er mehrere ber bunteln (Stellen 
beö Originals balb mit größerem, balb mit geringerem ©rfolge aufauffären 
fud)te. 

Slnbere Ueberfefcungen in alle (Snradjen folgten ftd) fdbneH auf* 
einanber unb bie Slb^anblung oon ben SserDredjen unb Strafen würbe 
3um flafjifdjen 33ud)e. 

Srofcbem fehlte e$ iljm audj ntd)t an einzelnen bittern Äritifen, wie e$ 
ba$ (Sd)tcffal aHer guten Südjer mit fid) gu bringen pflegt; bodj bie Äritif 
wirb Mb oergeffen unb bie SBaffe be$ 9teibe3 bleibt ojjne 3Rad)t gegen bie 
allgemeine 33ißigung. 

55ie$ 3£tgte fid) aud) lü 33eccaria. 

©in SÖtönd) oeröffentlidjte gegen iljn tin Sud) ooHer 33eleibigungen f 
S^or^eiten unb ©runbfäfcen, weldje ebenfo oerberblid) für ben (Staat wie 

*) 3ugleid) aU weitere 9lu3füljnmg ber oben gegebenen Einleitung. 

äöalbetf. 



* 



, - 118 - 

i 

V 

aeibtgenb für (Sott fein mürbe, wenn baS Äreifdjen eines elenben @e* 
ttürmeS überhaupt baS tytäfitt SBefen beleibten fönnte. 

JDtefer !&%<§ nannte ftdj im SCttgemeuten Ääntpe für 9teltgton nrü> 
$onigt§um unb Jjatte unter bief em adjtungSweräjen ©djufce bie SSernjegen^it, 
taufen gu lajjen, 

„bafj ein wsöffentlicbteS unb *on ber gangen SBelt anetiannteS 
„©efefcbud) bie SUlac^t oerleiljen fönnte, UebleS gu t^un un& bie 
„Skrbredjen häufiger #t madjen; ba§ ber SWenJdj »an Jftatur aus 
„f d)ledjt fei unb es nodj megr würbe, faHS er tn greiljeit fei, ba§ 
„man i!jn alfo feffeln müffc." 
Sr oerfünbet ferner, 

„baft bie Delationen ein gutes Hilfsmittel für bie ©efefcgebung 

„ feien, unb baft ein ©erid)tSl)of, ber ben Sluftrag Ijat, fte angunel)* 

„men unb einen Unfdntlbigen auf foldje einfaaje Delationen Ijtn 

„gu oerurtf>eilen, ein SKeifterftütf ber SPolitif fei." 

SSRan gittert, wenn man foldje entfefclidjen ^uSforüdje lieft ober iopirt, 

wie fte bie Slb^anblung biefeS SftöndjeS in gatylofer SWenge enthält. Strofc* 

btm gab ftd) SBeccaria bk Sftülje biefeS ©ewürm gu gertreten: es gelang fym 

aud) öoHftänbig. ©eit langer Seit ift nun biefe Äriti? oerjjeffen. 

3tud) ein frangöjifdber 9ted)tSgele!jrter, melier ftdj feit oielen Sauren 
mit btm (Btubium ber &rimtnalgefefce befdjäftigte, gab ftd) bie Sftülje bm 
italiamfdjen ^bilofop^en gu wiberlegen. Diefer Äantpf Jdjien feijr ungleidj 
werben gu wollen. 

Der frangöftfdje Äriminalift goa auf ben Äantpfplafc mit btm gangen 
ebenfo langweiligen, als mädjtigen ©efolge beS 3(rtfinuS, Gatpgow unb ber 
3ftenge oonSSerorbnungen, welche man nidjt meljr lieft unb ebenfo wenig befolgte, 
©ein ©egner lie§ hingegen alle ©itate bei Seite unb ftüfcte ftd) nur auf 
SSernunft unb Humanität; bo& waren bieS in einem pijilofopljifdjen Saljr- 
Ijunbert gwei anwerft widjtige Stimmen. DaS publicum begann fdjon feit 
einiger Seit auf fte gu boren unb nidjtS, als fte m Ijören. S3eccaria überlieft 
iljm bie ©orae feiner 3ted)tfertigung: oljne oiel ©eraufdj gu oerurfadjen, fa| 
er bie Ärttif beS frangöftfdjen SRe^tSgele^rten auftauten unb wieber oer» 
fdjwinben. 

3d) Ijabe ben 9Jtut!j gehabt, fte nodjmalS gu lefen, wie ber SSerfaffer 
ben befa§, fte nochmals bruefen gu laffen: er beljanbelte Seccaria als 3lW* 
minaten, als gefa^rlüben unb pringtyienlofen ©<$üftftetter, wälfrenb er unfere 
Äriminalaefcfce für Sföeifterwerre ber ©efefcgebung galt. 

3n Jtintm Snt^uftaSmuS für feinen Slbgott l)alt ber gute, frangöfifdje 
Äriminalift eine Sobrebe auf bie golter, bie Snbigien unb • bie fd) werften 
©trafen; er möchte ft* faft bef lagen, ba§ bk Suftig noc^ nidjt grauf am 
genug ift unb forbert offen unb bringenb ba^x auf, bie Spijtlofopljie gu er* 
jtiden unb bie gatfel ber StufHarung gu erlöf^en, unb oerfünbigt ber gangen 
SBcIt, bafi fte oerborbenunb unglütfli^ werben wirb, fo lange fte auf bie 
aufrü^rerif&e ©timme jener ^örenwirb; ba§ bie ©efefcgebuna ftA nur ba- 
bnxä) oerooufommnen unb oereinfat^en fann, wenn fte bie Jaufenbe oon 
Sänben burdjarbeitet unb bur^benlt, wel^e bie SRomer unb ©rieben unb 
namentli^ bte frangöfifdjen Sle^tSgele^rten, gu benen er felbftoerftanblidj 
anä) geBört, oeröffentli^jt Ijaben. 

,,©uer Sttiä) ift m^t oon biefer SSBelt," mo^te ic^ bem unerfd)rodenen 
ffiert^eibiger ber 3i)rtur gurufen. S§r fe^et, bag bie #errfdjaft ber Srrt^ümer, 

Söalbecf, Sepearia. 8 



— 114 — 



jener Srrtijmner, toetdje (gingetnen fo nüfcltdj, ber ©efatmnfljeit aber fo Der* 
oerblüb finb, jnfaiwnenbrt^t. £>te Sttujion oerfcbimnbet uttb madjt ber 
SBaMett ?>lafe: 3för »erbet baruber aornig nnb laftert in (Surer Slufreauna 



^tit3u^alteu. 

anb in ber Sfyrt Ijat ba8 Sudj öon ben SSerbredjen nnb ©trafen 
bie ©eifter anf fo lebhafte Seife erregt, ba§ man tn gang furger Seit eine 
SRenge öon Slbljanbhuigen, SDtemotren unb Sieben über btefe IjöÄft tnter* 
eflante SKaterie entfielen fa$: ein Stirnn^, »eldjer ber geregte Soljn für 
bte §olje Sföenfdjenltebe be§ ttalianifdjen $pi)tlofopIjen tft. 



81 tt & * tl £♦ 



$raf ^oberer: 

«ekr Me äbfärffm Her ®0Üe0(lrafe- 



8* 




Jfcfos man bis jefet über bte SobeSftrafe gef djrteben Ijat, famt man auf bie 
bYiben folgenben gragen jutudtfü^ren: „Sßerle^t fte Me unabänbcrltä)m 
Sterte ber menfölidjen Statut?" ttnb: „3ft ftc ber ©efettfdjaft notij* 
menbig ober aud) nur nüfelidj?" 

prüfen wir biefe Reiben fragen nadjeinanber. 

*. 1- 

2)ie erfte: „3ft btc £obeSftrafe ben unabänberlidjen ©efefcen ber 
menfdjlidjen 9tatur entgegen?" Ia§t fid) audj folgenberma§en auSbrü&n: 

„£at bie ©efettfafaft ober öielmef)r ber größere Sljett ber SDtitgiieber 
eines Staates baS 3ted)t, bie StobeSftrafe $u oerljängen?" 

©o Ijaben fid) wenigftenS 33eccaria, 2)iberot unb Stoujfeau bie grage 
oorgeleat. 

SJtan lennt bie beiben ©emeinplafce, meldje in Segug auf biefen ©egeu* 
ftanb allgemein umlaufen. 

£>ie SUlenge Ijat nur ein SBort im SDfrmbe, namlidj: ,,23 er tobtet, 
mu§ mieber getöbtet werben/' unb Hjren ©runbfafcen ift baS Sftedjt 
ber SBieberoergeltung baS geredjtefte. SSeccaria unb einiae Stnbete 
nadj iljm behaupten im ©egentljetle, ba§ bie SobeSftrafe oon ber ©efeHJdjaft 
uid)t »erbangt werben fann, ba jeber SKenfA nur btn fleinften Sljeil feinet 
gteiljeit für bie Sürgfdjaft ber übrigen geopfert Ijat, unb „ba§ fidj unter 
ben fleinften £)pfert|eilen ber greiljett eines Seben nidjt baS 
9ledjt auf fein Seben befinben fann, ba biefeS baS größte alter 
©üter ift." 

llnterfudben wir biefe beiben Stnftdjten. 

G?S ift em ©runbfafc: „2Ber töbttt, foll wieber getöbtet wer* 
ben"; aber ebenfo wcujr ift ber: „SBer ben SMenfdjen ©uteS tljut, 
bitm muffen bit 9Renfdjen audj lieber ©uteS tljun." 2)a bie ©e- 
fcTfffdbaft aber burdj ffire ©efefce nimt bie geredjte SJeloljnung ber SBoljltljatett 
öorfmreibt/ fo barf fte aus bemfelben ©runbe bie geregte Vergeltung ber 
Seletbigungen nidjt anbefehlen unb nodj weniger felbft ausüben. 

2)aS ben ^anblungen anljaftenbe ©ute ober S3öfe ift lein ©egenftanb 
ber ©efefce. 2)iefe fennen nur ben SSortljeil ober 5ßa(|tijeil, btn jene ber 
@ef ettf djaft jufügen unb bie 9lotfjmenbigfett iljrer Unterftufcung, um fte einen 



* k 



\ 



— 118 — 

gu begünstigen unb bie anbcrn gu öerljinbem. fo ba§ jtc felbft gegen bic 
abfdjeulidjften £anbluttgett utdjtS feftfefcen bürfen, wofern blefe ber ©efett» 
fdjaft leinen ©djaben gufügen. 

SDiefe SDMme laßt ftdj fel)r letdjt erflaretu (Srftlidj tfi hat 3ted)t ber 
SBiberoergeltung nidjts als baö Slfcdjt ber Statte, unb biefeS ift mieberum 
ein Äriegöredjt: nun baben aber, um bem Ärteggguftanbe, bem ttrguftanbe 
ber SBilben, gu entgegen unb ftaj btn ©trafen unb ©efaljren, meldjen er 
fte auSfefct, gu entgiefjen, bie 9Renfdjen bie ©efettfdjaft gebilbet, b. b. nadj 
JRouf f eau 1 ) einen moralifdjen unb (5ottectfo*$ör|>er, eine öffentlidie $)erfon, 
entftanben burdj bie ^Bereinigung aller anbem, bte iljr 3dj, iljr geben unb 
iljren SBttten Ijat. £>emnadij bat in bem ©efettfdjaftSguftanbe ber ©ingeinen 
Seber auf fein Stedjt ber perfönlidjen ISBtberoergeltung unb ber 8tadje SSer* 
gidjt geleiftet. 

Sn golge beffen tritt er e8 aber bodj ber ©efettfdjaft ab? 9tem. Unb 
marum nidjt? 3Beil er baburdj, ba$ er ben ©efettfdjaftööertrag eingebt, audj 
@efaf)r läuft, benn rilandjmal — unb bie SBelt Ijjtt faft nidjtS StnbereS ge- 
lben — bient bie ©efettfdjaft mir ba^u, einer größeren ängaljl oon Sföen* 
en ein größeres unb conpantereö Sfttttel gur Unterbrudung gu aerfdjaffen. 
'$ ift llar, \>a% mm Seber biefer ©efettfdjaft betö 3te<bt unb bie SKadjt 
gegeben Ijatte, burd) bk ?)oI«ei ber öffentlidjen ©emalt 3lueS gu tljun, wo? 
nötljtg ift, um menigftenS atten legitimen Seibenfdjaften gereAt gu merben, 
ftc tljr eben baburdj ba$ SKittel gegeben Ijaben mürbe, alte iljre IRcdbte gu 
ierftören unb alle tljre 33ebürfnijfe gu oernadjläfftgen. Samtt ber ©efett* 
fdjaftöguftanb alfo bem ©meinen nid)t fdjäbttdjer als ber Sftaturguftanb 
merbe, Ijat er bie 3ied)te unb SKac^t ber ©efettfdjaft auf btö SWa§ befäranft, 
mel^e§ für bk SSertljetbtguug ber ©efettfdjaft notbmenbig ift. Stlfo ba8 
Sqtereffe ber Spaltung be$ ©emeinmefenS, aber niqt ba$ 3tedjt ber 3iadjc 
beö ©ingeinen, nodj ba$ bm #anblungen inne^aftenbe 33öfe bilbet für bie 
©efettfdjaft bk ©runblagen jm üjrem ©trafredjte unb htm ©trafmage, mel* 
djeS ftc üerljangen fann. 2)a8 3tedjt ber SBiberoergeltung ift alfo 
!ein Stecht ber @efellfdjaft ? unb ber ©runbfafc: „SSer tobtet, foll 
mieber getöbtet werben" tft nur eine morattfdje Stnerfennung beö 
SJtenfdjenmorbeS, beffen Drgan unb SSoUftreder nur bie öffentlit^e 3Rei» 
nung, ni^t bie ©taatSautoritat fein lann. 

3BiH man behaupten, \>a$ mar nidjt ber Stafy beö ©meinen, fonbern 
ber eigenen megen bie ©efettfqaft bie Sobeöftrafe ^egen baS SSerbre^en beö 
Sobeö feftgefey Ijat, miu man fagen, ba§ ftc mtt bem £obe ben SJlörber 
beftraft, meil ber SKörber bte ©efettfdjaft tobtet, fo mu§ idj e3 als eine 
falffie 3fnnaljme ^tnftcttcn f ba§ ber SEflörber, ber ben SRenfdjen tbbtd, aufi 
bie ©efettfdjaft tobte. 3)ie ©rmorbung eines SWenfdjen regt o^ne 3weifel 
bte gan^e ©efellf^aft auf, gerftört ftc aber ttiäjt. 

SBtr motten iefet bie entgegengefe^te SCnjt^t prüfen unb Ijaben babet 
nur nöt^ig, bie Sßorte ber berühmten oonunS genannten Sinteren an* 
gufuljren. 

,.3Rit meinem SReÄt," fragt ©eccaria, 2 ) „lonnen ftdj bie SKenf^en 
gegenfeitig ermuraen? ©djerlidj tttÄt mit bem, auf meldjem ©ouoeranttat 
unb ©efe^e berufen. 2)ie ©efefce jtnb nur bie ©efammtfumme ber mög* 



/ 



2 ) Central social, Chapitro VI. 
*) @iefce oben, Kapitel 28, ©eite 58. 



- 119 - 

r 

KM Beulen Steile her §reiljeit, bie Seher geopfert.^. @te fietten ben 
©efammtwitten, alfo bie Summe aller ©ingelwitten, oor. SBer Ijat nun 
aber je ben 9Renfd)en baS 9ied)t abtreten mögen, iljm baS Seben $u nehmen? 
SBie tonn ftc^ unter ben fleinften Opfern ber greibett eines %tbtn baS Sledjt 
auf baS 8eben befmben: baS arö&te aller ©üter? unb wenn eS wirf lidj ber 
§aU wäre, wie fann ftdj biefeS ©cfefe mit beim anhmi oertragen, ba§ ber 
3Renfd) nicfyt baS 5Red)t |at, fia) $u tobten, ba er es I)aben mügte, 
wenn er eS Slnbem ober ber ©efettfdjaft geben will? 2)ie SobeSftrafe ijt 
alfo burdj lern Sledjt autoriftrt." 

SKan oergleufce aucfy bie oben angeführte Stoner&mg SDiberot'S 1 ) ju 
biefer ©teile, melier ft<b Slouffeau'S SJleinung anfdjlte&t. ©r fagt: 3 ) 

„Um nufrt baS Dpfer eines SRörberS $u werben, ftimmt man bem bei, 
ju fterben, falls man ein foldjer wirb. SBeit entfernt burd) biefen SSortrag 
über fein 8eben ju bispontren, mttt man eS baburdj oielmeljr garantirt feiert; 
unb eS ift ntdjt anguneljmett, ba§ irgenb ein Kontrahent baran beult, ftdj fpater 
Rängen gu laffen." 

35iefen übergeugenben ©Verlegungen Jann man ntdjts Ijingufügen. SBie 

man ftebt, ift SJeccaria'S Stnftdjt auf ©runbfäfeen begrünbet, aber feine 3ltt* 

- nannte ijt falfd), ba§ man bem £)pfer feines Mens guftimmt, wenn man 

ber Seftfefcung ber SobeSftrafe guftimmt. SUlan beftreite üjm biefe Stnnaljme, 

unb ferne Beweisführung ftiirgt gufammen. 

©r Ijätte eine foectelle Beobachtung ma&en unb fagen Irinnen : 

2)a ber legale Beweis für jebeS SSerbre^en bod) iäufeben fann unb bie 
Stifter iljn häufig auf fdjwadje Snbtcien ober felbft trofc SSeweifen oon ttn* 
(djulb begrünben, fo ift bie seftfefcung ber 2obeSftrafe für alle Bürger ein 
~o großes Uebel, ba$ iljnen baS Sntereffe iljrer Selbfterijaltung ni<J)t ertaubt, 
td) benfelben auSgufefcen. 

33iefe Slnnaljme ift aber nid)t über jebe ©rWiberung ergaben. SBenn 
bie ©efaljr, unfcgulbig hingerietet gu werben, geringer gu fem fdjehtt, als 
bie, im wilben Suftanbe angegriffen unb gemorbet gu werben^ unb nötljig, 
um ftdj baoor gu bewahren , fo wäre eS ben Snterefjen ber ©elbfterfjaltung 
oöllig angemefjen, ftdj iljr auSgufefcen. Unb Seccaria erfennt burdj einen 
SBiberfpntdj, ber im Bergleidj gu ber gemöfynlidjen ©djärfe feiner Sogif um fo 
auffaKenber wirb, an, ba§ ber £ob eines 33ürgerS notbwenbig fein 
lann, trofebem er ber Srei^eit beraubt ift, aber nodjSSeneljungett 
unb SBla^t genug befifct, um bie Slu^e ber -Kation gu ftören. 3 ; 

®emna(^ fommen wir auf Un <Safc gurütf, ba§ bk S^beSftrafe oöllig 
wtber baS Sfte^t ber ©elbfter^altung eines jeben SJtenfdjen üi. 

SBer aber fagt, ba§ bit ©infelfeung ber SobeSftrafe niqt not^wenbiger* 
weife ungefefelt(| ift, ber jagt nodj ni(^t, ba§ fte, jeibft bei (Sctpital* 
oerbredjen, immer gefe^li^ tft; um bieS gu fein, mu| jte notbwenbig ober 
aufjerorbentlidj nü^h^ fein. 2)ie ttnterfudjung biefeS (öafeeS fü^rt unS gu 
ber ^weiten Srage: 

§•2. 
Sft bie StobeSftrafe not^wenbig ober wenigftenS nü^li^? 



i 



J ) »ergtei^e 9tote auf Seite 60. 
50 Central social, üb. IV., 5. 
8 ) $erglei*e Kapitel 28. 



— 110 — 

X 

t 

üßamt, ba er weher bem unglücklichen Ambe,, nodj bem mutagen Sefreter 
2>anf oerfprodjen fyatte. 

Sftadj S3eccaria'$ Statur hingegen tft ber Ärieg nur fo weit geregt, al8 
er notljwenbig ijt, unb fte geftattet nid)t, öag man mit ben SBaffen in ber 
$anb mel)r 33ö|eö tljue, alö unumgänglid) notbmenbig tft 

3n ^äbbeö' Seoiatljan finbet man ben S)e|poti3mu8 in feiner äugerften 
?)eriobe, in bem 33udje unferö StutorS ift hingegen ba8 ljöd)fte ©efc© be$ 
öffentlichen SBoJjleS ©egenftanb unb Sbeal ber fouoeränen 9Radjt. 

Siadj Seccaria ftnb bie burd) gefettfcibaftUdje SSereinbarungen feftgefefcten 
unb oon ber öffentlichen Stutorität unterftüfcten ©trafen bemtodj ungerecht, 
unerlaubt unb tabelnSmertl), fobalb fie nidjt gu ben SSerbredjen in richtigem 
33erf)ältniffe fteljen. 

Stugeüb unb Gaffer finb für iljn reale unb oon ben £atjblungen unb 
©efefcen ber £>err)djet unabhängige SBefen. (Sc befdjränft fid) nid)t barauf, 
baö mafjre ©ein ber Sugenbcn unb Safter gu lebren; fonbern aeigt audj ebenfo 
Diel Siebe unb Suneigung für bie einen, wie (Sntfefcen unb &btd)eu oor htn 
anbern. 

SBenn er fagt, ba$ 9lamen unb ßljarafter ber Üfugenben unb SSerbredjen 
33erwanblungen unterworfen ftnb unb nad) ber SSerfdjiebenljeit ber Seiten 
unb Sauber wedjfeln, fo biege e£ bodj gegen iljn ungeredjt fein, wollte man 
barauS etwa folgern, ba$ er ntd)t foldje Sugenben unb Safter anerfennt, 
weltfje für alle Sfoenfdjen, gu allen Seiten unb an aHen Drten unwanbelbar 
btefelben ftnb. 6r lägt foldje Sugenben gu unb fpridjt oon i^nen mit tbenfo 
fyo|er 3ldjtung unb Sob, mit er alle Safter, bie iljnen entgegengefefct ftnb, 
uenrrttyeilt. 

(§8 giebt'aber auf ber gangen SBeft aud) Sugenben ber SUleinung unb 
»orgebilbete, fd^lcd^t bestimmte unb nod) fd)led>ter oerftanbene Safter, oon totU 
djen man falfqe unb oerwirrte SSorfteßungen Ijat, unb gerabe biefe &ugen* 
ben unb biefe Safter geben fo Ijäufig gu bttt oerfdjiebenften Sluffaffungen 
SSetanlaffung: fte ftnb Ijeute ber Slbgott ber leichtgläubigen SKenge unb -wer* 
ben morgen gum ©e^enftanbe ber 33eradjtung unb Sädjerltdjfeit, im SSerljält* 
niffe gu ben gortfd)rttten ber @inftd)t unb Slufüärung ber SKenfdjen. 

S)ie ©rtedjinnen tonnten nid)t, oljne ben Slnftanb m »erleben, in ifren 
SBofjnungen bie nädjften 3Serwanbten empfangen, wäfjrenb man fte nidjt 
tabelte, wenn fte in ben Stljeatern auftraten unb bort für ©elb oortrugen. 

©jen gwifdjen SSruber unb ©djwefter waren in Sitten erlaubt, J m 
anberö hingegen oerboten. 

^öfliqfeit unb feineö 33ene^men, au^5 welken man in 3tom |d oiel 
madjte, gereiften bei htn ?)art^ern ifjrcm SDtitbürger SSeno, ber ftc^ in 9tem 
na(^ ben beften SSorbilbern römifc^er <Slegang unb %nmut^ gefcilbet ^atte, 
gu ©nott unb 3Seradjtung. 

©inige Nationen galten bie (Siferfudjt für eine Stmenb unb madjen fte 
gu emer ^renfat^e; melen anbern hingegen erf^eint fte Iäd)erltd) unb be« 
mttkibengwert^. 

Stt eittgeltten ^ttnbeföftäbten gilt ©eig als fluge ©parfamfeit, 9Ka§ig* 
feit wnb $tüdjtetnljeit; in mannen reiben |>auptftäbten bejeidjnet man ba» 
gegen wieber tolle 33erfd)wettbung8fud)t unb gu ©runbe riqjtenbe Sluögaben 
aB ?)ra(^t unb greigebigleit. 

3n ben erften Sa^unberten ber römifd)en Äaifer^errf^aft t^alt eö für 
eine Sugenb, unf^ulbtge ß^riften auf bie graufamfte SBeife ^tnguric^tett, 



f 



— 111 — 

ttogbem fte gute Sürper unb treue Untertanen waren? uub eine 3ctt Ijin* 
burdj , [teilten e$ bte ßgriften wieber al$ itjre religiöfe Slufgabe !)in, bte Suben 
ju erwürgen. (53 giebt ungaljttge SSeifyiele biefer 3trt, weldje mit bem Saufe 
ber Seit Flamen unb Sanb änbern unb bem SBedjfel ber menfdjltdjen Seiben* 
fdjaften folgen. 

S)a$ ftttb bte Sugenben unb Safter, wetöje ber SSerfaffer im Singe Jjat, 
fobalb er fagt, ba% bte Stnftdjten, weldje man gemeinhin oon Sugenb, ©jre 
unb Safter 90t, bunlel unb oermirrt ftnb, wa$ nid)t ben geringften Angriff 
auf ba$ unwanbelbare SBefen oon Sugenb unb Safter unb ber fte djaraftert* 
ftrenben unb unwanbelbaren 33erfd)iebenl)ett enthalt. 

@3 ift alfo unnötig , bafy i<| Seccaria oon ben böswilligen Slnfdjul- 
btgungen befreie, weldje tgn gu einem Sanier beä SlnajmdjeS im SHtertljum, 
unb bed |)obbeö in ber 9teugett, w<& nod) fdjlimmer ift, madben wollen. @r 
rechtfertigt ftdj gang allein, Unb id) Ijabe fein anbereö SSerbienft, al$ baä, tym 
beplflidT fein gu wollen, inbem ia> aeige, ba$ ber £ejrt feinet SudjeS gleidj* 
gettig beffen rid^tigfter 2)olmetfdjer ift unb ba% bejfen flare unb beftimmte 
©teuen ebenfalte bie beften örüfäfctttgwi htt bunfeln unb gweibeutigen jinb. 



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SBemetf ung 

fixxffot *e Kamille 

über bai Sudj 
t)on bot SSertredjen unb ©trafen. 1 ) 



4^er (SrfoXg beö 33ud)e$ oon ben SSerbredjen unb ©trafen ift feinftn 
SSerbienfte oöTtttg gletd^ gefommen; es ift faft in atte ©prägen überfefct unb 
gum gü^rcr aller ber Surften geworben, toeldje bte 9JH§braudje iljrer ©efefc* 
gebungen m beffern fudjen. 

mö SBeccaria es Dcröffcntlid^tc u>ar er nodj ntdjt jtebenunbgmangig Saljre 
alt; italiäntfd) erfdjien »eS gum erften 9M 1764, nnb mehrere Sluflagen 
folgten ftdj fdjnell bintereinanber. 

2)er burd) mehrere SBerfe auf politifdjein ©ebiete berühmt geworbene 
gran3ofe Slbbe Sföorellct beeilte ftdj, MefeS 33ud) in granfreid) burdj eine 
Xteberfcfcung belannt ju madjen, in ber er mehrere ber bunfeln (Stellen 
beö Driginafö balb mit größerem, balb mit geringerem (Srfolge aufklären 
fudjte. 

Stnbere lleberfefcungen in alle ©üradjen folgten jtd) fdjnell auf* 
etnanber unb bie Stbljanblung oon ben Skrbredjen unb Strafen mürbe 
3um flafftfdjen Sudje. 

Srofcbem feljlte e$ ttjm audj nidjt an einzelnen bittern Ärttifen, mie e$ 
ba§ Sdjicffal aller guten Sucher mit ftd) gu bringen pflegt; boty bte Ärittf 
mirb balb oergeffen unb bie SBaffe beö yltibtä bletbt oljne 9Kad)t gegen bie 
allgemeine SSittigung. 

5)ieö geigte ftd) aud) hti SSeccaria. 

©n S&löndj t>eröffentlid)te gegen tl)n ein Sudjj öotter SSeleibigungen, 
£t)ort)eiten unb ©runbfäfcen, roeldje ebenfo öerberblidj für btn Staat wie 

*) Sugleid) alö »eitere 9fo$füljrwig ber oben gegebenen (Einleitung. 

Söalbed. 




. - 113 - 

i 

aeibtgenb für ®oü fein mürbe, wenn btö Äretfdjen eine? elenben .©e* 
töurmeS überfijupt ba$ ^p^fic SBefen beleibten fönnte. 

2)iefer 90%$ nannte ftclj im allgemeinen Äantpe für Steligion nnb 
Äonigtljum .unb Jjatte nnter btefem ; ad)tuttg$mert§en ©djufce bie Serwegenljeit, 
tautfen gu laffen,- 

„bafj ein oeröffentli&tel unb pon ber gangen SBelt anerfannteS 
„©efefcbud) bie Sßlaqt oerleiljen fönnte, UebleS gu fym unb bie 
„Sßerbredjen häufiger .gu tua&en; ba§ ber Sföenjdj oon Statur au3 
„f<f|led)t fei unb es nodj megr mürbe, falte er m §reif)eit fei, ba§ 
„man iljn alfo feffeln muffe." 
Sr oerfünbet ferner, 

„ba§ bie Delationen ein gute! #ilflmittel für bie @efefcge6ung J 

„feien, unb ba§ ein ©eridjtsfjof, ber btn Stuftrag fyat, fte anguneb* 

„men unb einen ttnfdjulbigen auf fotd^c einfache Sektionen Ijtn 

„gu öerurtljeilen, ein 9!Jletfterftü<f ber ?)olitif )ei." 

3Ran gittert, wenn man foldje entfetteten StuSfmMe lieft ober fopirt, 

wie fie bie Sftljanbluug biefeS 9Jiöndje8 in gapofer SWenge enthält. Srofc* 

btm gab ftdj 25eccaria bie SJtülje biefeS ©ewürm gu gertreten: e$ gelang fym 

audj oottftanbig. ©ett langer Seit ift nun biefe Äritif öerjjeffen. 

Sind) ein frangöjtfckr SftedjtSaeleljrter, welker ftdj feit melen Sauren 
mit btm ©tubium ber Äriminalgefefce befdjäftigte, gab ftdj bie SKülje btn 
italtänifdjen ^bilofop^en gu miberlegen. Siefer Äampf fd^iett feljr ungletdj 
werben gu wouen. 

2)er frangöfifdje Äriminalift goa auf btn Äantpfplafc mit btm gangen 
ebenfo langweiligen, al8 ma^tigen ©efolge be8 SlretinuS, Gatpgom unb ber 
Sföenge öonSSerorbnungen, weldje man nidjt me^r lieft unb ebenfo wenig befolgte, 
©ein ©egner lie§ hingegen alle ©ttate bei (Seite unb ftüfcte ftdj nur auf 
SSemunft unb Humanität; bo4 waren bit& in einem p|ilofop^if^en Saljr* 
Ijunbert gwei anwerft mistige ©timmen. &a& publicum begann fdjon feit 
einiger Seit auf fte gu Ijören unb nidjtS, alß fte m Ijören. S5eccaria überließ 
iljm bie ©orae feiner Ste&tfertigung: oljne oiel ©eraufdj gu t»erurfad)en, fa| 
er bie Ärttir beö frangöftfdjen SledjtSgeleljrten auftauten unb nrieber Der* 
fdjminben. 

3$ fycibt ben 9Jhit^ gehabt, fte nodjmalS gu lefen, wie ber SSerfaffer 
ben befa§, fie nod)mal$ brutfen gu laffen: er beljanbelte Seccaria alö 3iw* 
minaten, als gefaljrlidjen unb pringipienlofen ©c^iiftfteHer, ma^renb er unfere 
Äriminalaefe^e für SKeiftermerre ber ©efefcgebung l^alt. 

3n feinem 6ntljufta0mu8 für feinen Stbgott ^ält ber gute c frangöfifd)e 
Äriminalift eine 2obrebe auf bie golter, bit Snbigien unb * bie ft^merften 
©trafen: er motzte ftdb faft bef lagen, ba$ bit Suftig noi) ni<$t graufam 

Senug ijt unb forbert offen unb bringenb ba^x auf, bie ?)Ijtlofo:pljie gu er* 
itfen unb bk gatfel ber Slufflarung gu erlöfdjen, unb oerfünbigt ber gangen 
SBelt, bah fte oerborben*uno unglutfli^ werben wirb, fo lange fte auf bie 
aufrü^rerifAe ©timme jener ^ören, wirb; ba$ bit ©efefcgebuna ft& nur ba* 
buxä) öerootoommnen unb oereinfac^en lann, wenn fte bie :£aufenbe oon 
Sänben bur^arbeitet unb bur^benft, welche bit SRömer unb ©rie&en unb 
namentlidjj bte frangöftf^en Sle^tögele^rten, gu benen er felbftoerftanblic^ 
mä) gebort, oeröffentlid)t ^aben. 

,,@uer Sltiä) ift mdjt oon biefer SBelt," mö^te idj btm unerf^rodtenen 
SSert^eibiger ber 3ürtur gurufen. S^r fe^et, ba§ bie $errf d^aft ber 3rrt^ümer f 

Söalbecf, Seccatia. 8 



— 114 — 

> 

jener Srrtljumer, »eldje (Singeinen fo nüfclidj, ber ©efymmtljeit aber fo »er* 
öetbftA flnb, gufammenbridjt. 2>ie Sßufion öerfättnnbet unb maqt ber 
SBaljrgeit $>iafe: 3f)t werbet baruber gonrig unb iäftert üt @urer Stuf regung 
gegen bie SSerlünbiger be§ öffenüidjen SBoijIeö; ba$ ift bte eingige SBaffe, 
meldte (Sudj geblieben iß: bod) fte ipirb in gotge %er Dljnmadjt — wie 
id) gu fagen wage — aidjt im ©taube fein, ben gortfdjritt ber Slufflarung 
Ijmguljaltett. ' 

. unb in ber SJjat Ijat ba8 33ud) &on ben Serbredjen unb ©trafen 
bte ©etftet auf fo lebhafte SSeife erregt, ba% man in gang furger Seit eine 
3Jtenge öon Slbganblungen, SJtemoiren unb Sieben über, btefe pdbft intet* 
eflante 2Raterie entßeljen falj: ein Sriumpl}, weiter ber geregte 2ofyx für 
bte ljolje SRenfdjenttebe beS ttaltanifdjen ^(>§tlofop§en ift. 



$f n I> <t tt g+ 



g>raf oberer: 

«Heber Me ^Ibfdjaflimg Her ft0i>e0|lrafe. 



8* 




Jva§ man bi$ jefet über bie SobeSftrafe gefdjrieben Ijat, fann man auf bie 
Setben folgenben gragen aurüdtfüljren: „Sßerlefct fie bie unabimbcrlidjen 
Sterte ber menfd)lidjen Statur?" ttttb; „3ft fte ber ©efettfdjaft notij* 
wenbig ober aud) nur nüfelidj?" 

prüfen wir biefe Beiben fragen nadjeinanber. 

§■ 1. 

2)te erfte: „3fi bte JobeSftrafe ben unabanberlidjen ©efefcen ber 
menfdjlidjen 9latur entgegen?" la§t ftdj audj folgenberma§en auSbrü&n: 

„6at bte ©efettfafaft ober melmef)r ber größere Sljett ber SDtitglieber 
eines Staates baS 3ted)t, bte SobeSftrafe $u oerijängen?" 

©o Ijaben ftdj wenigftenS 33eccaria, 2)iberot unb Stoujfeau bie grage 
oorgeleat. 

Sftan fennt bte beiben ©emeinplafce, wetdje in Segug uuf btefen ©egeu* 
ftanb allgemein umlaufen. 

£>ie SUlenge Ijat nur ein SBort im SJiunbe, nämlidj: ,,3®er tobtet, 
mu§ mieber getöbtet »erben/' unb iljren ©runbfafcen ift baS Cftedjt 
ber SBieberoergeltung ba$ geredjtefte. SSeccaria unb einiae Stnbere 
na<f) iljm behaupten im ©egeniljetlc, bafj bie SobeSftrafe oon ber ©efeflfdjaft 
ntd)t »erfiängt werben lann, ba jeber SKenfA nur ben fleinften Sljeil feinet 
gretljeit für bie Sürgfdjaft ber übrigen geopfert Ijat, unb „ba§ fidj unter 
ben fleinften Dpfertfyeilen ber greiijeit eines Seben nidjt ba$ 
Stedjt auf fein Seben befinben fann, ba biefeö ba$ größte alter 
©üter ift. 1 ' 

UnterfuAen wir biefe beiben Stnftdjten. 

@S tft em ©runbfafc: „2Ber tobtet, foil mieber getobtet wer* 
ben"; aber ebenfo wcujr ift ber: „SBer ben Sftenfdjen ©uteö tljut, 
htm muffen bie SDtenfdjen audj wieber ©uteS tljun." S)a bte ©e« 
fcTfff&aft aber burd) tbre ©ef e^e nimt bie geredjte SJeloljnung ber SBoljltljatett 
öorfqreibt," fo barf fte auö bemfelben ©runbe bie geregte Vergeltung ber 
Seleibigungen tttd^t anbefehlen unb nodj weniger felbft ausüben. 

2)aS ben #anblungen anljaftenbe ©ute ober S3ofe ift lein ©egenftanb 
ber ©efefce. 2)iefe fennen nur ben SSortljeil ober $ßa(§fjjeü, bm jene ber 
@ef ettf djaft guf ügen unb bie Sftotfjwenbigleit iljrer Unterftüfcung, um We einen 



— 118 — 

gu begünstigen tmb bie anbern gu aerijutbem. fo bafy fte fclbft gegen bte 
abfdjeulidjfien ^anblungcn nidjtS feftfefcen bürfen, wofern btefe ber ©efett» 
fdjaft feinen ©djaben jufügen. 

SDiefe Sföajrtme lagt ftdj fc§r leidet erfiören. (Srftlidj ifi ba3 Sfted^t ber 
SBiberöergeltung nidjts als baö Slfcdjt ber 9ta^e, unb biefeS ift wieberum 
ein Äriegöredjt: nun baben aber, um bem Ärteggguftanbe, bem ttrguftanbe 
ber SBilben, gu entgegen unb ftdj btn ©trafen nnb ©efaljren, welken er 
fie auSfefct, gu entgiefjen, bte Sföenfdjen bte ©efettfdjaft gebttbet, b. b. nadj 
JRouff eau 1 ) einen moralifdjen unb (5ottectto«$ör£er, eine öffentlidie $)erfon, 
entftanben burdj bte ^Bereinigung aller anbern, bit iljr 3dj, iljr &ben unb 
iljren SBiHen Ijat. £>emnadj bat in beut ©efettfdjaftSguftanbe ber ©ingelnen 
Seber auf fein Sflec^t ber petfönlidjen 3Btberoergeltung unb ber 8tadje SSer« 
gtdjt aeletftet. 

Sn golae beffen tritt er e8 aber bod) ber ©efellfdjaft ab? 9tein. Unb 
warum nid)t? 3Beil er baburdj, ba$ er ben ©efettfdjaftöoertrag eingebt, aud) 
©efatyr läuft, benn tftandjmal — unb bie SBelt Ijjtt faft nidjtS StnbereS ge* 
feben — bient bie ©efeßf&aft nur ba^u, einer größeren ängaljl oon 9Jten» 
\qtti ein größeres unb conftantereö Sfttttel gur Unterbrudung gu oerfdjaffen. 
@S ift Aar, ba§ wenn Seber biefer ©efeWdjaft betö 3le4t unb bie SJiadjt 
gegeben batte, burdj bie ?>oIuei ber öffetttlidjen ©ewalt 3lueS gu tljun, wa$ 
nötljtg ift, nm wenigftenS aßen legitimen Seibenfdjaften fleredit gu werben, 
fte t|r eben baburdj ba$ SKittel gegeben Ijaben würbe, aue iljre 8tedjte gu 
ierftören unb alle iljre 33ebürfmjfc gu oernadjlafftgen. Samtt ber ©efeu* 
fdjaftöguftanb alfo bem ©meinen ntd)t fäablidjer als ber Sftaturguftanb 
werbe, Ijat er bie Siebte unb 5ökdjt ber ©ejeHf^aft auf ba& SWa§ befäranft, 
wel^e§ für bk SSertljeibigung ber ©efellfdjaft notfiwenbig ift. 9ufo ba8 
Sqtereffe ber ©rljaltung beö (SemeinwefenS, aber niqt ba$ 3tedjt ber Siadjc 
beö ©ingelnen, nodj baö ben |)anblungen ütneljaftenbe 33öfe bilbet für bie 
®ef ettfdjaft bie ©runblagen au iljrem ©trafredjte unb bem ©trafmage, wel« 
dje$ fte Bedangen fann. S5a8 Sfte^t ber SBiberoergeltung ift alfo 
!ein Stecht ber ©efellfdjaft ( unb ber ©runbfafc: „38er tbbUt t foll 
wieber getöbtet werben" tft nur eine moraliJc|e Stnerfemuntg beö 
SOtenf^enmorbeö, beffen Drgan unb SSoUftreder nur bie öffentlidje Solei» 
nung^ ni^t bk ©taatSautoritat fein fttnn. 

lEBiH man behaupten, ba$ gwar nid^t ber Siadje beö 6in^[nen, fonbern 
ber eigenen wegen bit ©efettfqaft bie SobeSftrafe ^egen ba8 SSerbre^en bt& 
Zobti feftgefefet fyat, wiu man fagen, ba§ fte mtt bem £obe btn SRörber 
beftraft, weil ber SKörber bie ©efettfd^aft tobtet, fo mu$ i^ eö als eine 
falfcbe Stnna^me ^inftetten ; ba§ ber SSJlörber, ber ben SKeitf^en tobtet, au4 
bie ©efeHfdbaft tobte. 3)te ©rmorbung eineö 9Kenf(^en regt oljtte 3weifd 
bie gan^e ©efeHf^aft auf, gerftört fte aber ni^t. 

SBtr wolten iefet bie entgegengefe^te Sbtjtdjt prüfen unb baben babei 
nur nötljig, bie SSorte ber berühmten oon unö genannten SCutoren an» 
gufuljrett. 

„SKit welkem SfteÄt," fragt SSeccaria, 2 ) „lonnen fx^ bie SDienf^en 
gegenseitig erwuraen? @t(^erii(^ niit mit btm, auf weldjem ©ouoeranttat 
unb ©efefce berufen. 2)ie ©efefte futb nur bie ©efammtfumme ber mög« 



/ 



2 ) Central social, Chapitro VL 
*) @ie^e oben, Kapitel 28, (Seite 58. 



— 119 — 

I 

HM Beinen Steile ber grei^eit, bie Seier geopfert J^ot. @te ftetten ben 
©efammtwitten, alfo bie Summe aller ©ingelwwen, oor. SBer Ijat nun 
aber je ben 9Renfd)en baS 0ted)t abtreten mögen, tljm baS SeTien gu nehmen? 
SBie rann fidj unter ben Heinjten Dpfern bergreiijett eines Seben baSSJedjt 
auf baS 8eben befmben: baS arö&te aller ©üter? tlnb wenn eS wirflidj ber 
gaU wäre, wie fann jtdj biefeS ©efefe mit htm anbern vertragen, ba% ber 
3Renf<§ ni&t baS Stecht |at, fia) ju tobten, ba er es I)aben mügte, 
wenn er eS slnbem ober ber ©efettfdjaft geben will? 2)ie SobeSftrafe tjt 
alfo burdj lein Stedjt autoriftrt." 

SKan oergleiAe aucfy bie oben angeführte SBemer&mg SDiberofS 1 ) gu 
biefer ©tette / weiter fxcb SRouffeau'S SJleinung anfdjlte&t ©r fagt: 3 ) 

„Um nt&t baS Dpfer eines SRörberS gu werben, jtimmt man bem bei, 
ju fterben, falls man ein foldjer wirb. SBeit entfernt burdj biefen SSortrag 
über fein 8eben gu bisponiren, mitt man eS baburdj öielmeljr garantirt fet)en; 
unb eS ift nidjt angune^men, ba% irgenb ein ©ontraljent baxan benft, ftdj fpater 
fangen gu laffen." 

35iefen üoergeugenben ©Verlegungen Jann man nidjtS Ijingufügen. SBie 

man jteljt, ift SJeccaria'S 3tnjtdjt auf ©runbfäfcen begrünbet, aber feine 3ltt* 

- na^me ift falfdj, ba§ man bem £):pfer feines Gebens guftimmt, wenn maxi 

ber geßfefcung ber SobeSftrafe guftimmt SUlan beftreite iljm biefe Stnnaljme, 

unb ferne 23eweiSfüfirung ftürgt gufammeu. 

©r Ijätte eine foecielle Beobachtung madben unb fagen lönnen: 

2)a ber legale Beweis für jebeS SSerbre^en bodj tauf den fann unb bie 

Sftidjter i!jn häufig auf^ fdjwadie Snbtcien ober felbft trofc Seweifen oon Un- 

djulb begrünben, fo ift bie $eftfefcung ber SfcobeSftrafe für alle Bürger ein 

b grofjeS Uebel, ba$ iljnen baS Sntereffe iljrer Selbfterijaltung nid)t erlaubt, 

tdj benfelben auSgufefcen. 

33iefe Slnnaljme ift aber nidjt über }ebe ©rtoiberung ergaben. SBenn 
bie ©efagr, unfcgulbig hingerietet gu werben, geringer gu fem fdjeint, als 
bie, im wilben Snftanbe angegriffen unb gemorbet gu werben^ unb nöÜjtg, 
um jtdj baoor gu bewahren , fo wäre eS ben Snterefjen ber ©elbfterljaitung 
oöllig angemefjen, fidj iljr auSgufefcen. Unb Seccaria erfennt burdj einen 
SBiberfprudj, ber im SSergfeidj gu ber gemofynlidjen ©djarfe feiner 2ogif um fo 
auffaKenber wirb, an, ba§ ber £ob eines 33ürgerS notbwenbig fein 
fann, trofebem er ber Srei^eit beraubt ift, aber nodjS3egteI)ungett 
unb SSladjt genug befiftt, um bie Stulje oer Station gu ftören.*} 

35emnadj fommen wir auf ben <Safc gurütf, ba§ bk S^beSftrafe oölltg 
wiber baS Sfle^t ber ©elbfterfjaltung eines jeben SWenf^en Hi. 

SBer aber fagt, ba§ bie ©infe|ung ber SbbeSftrafe niqt notj^wenbi^er* 
weife ungefefelidj ift, ber jagt nodj ni^t, ba$ |te, jeöft bei ©apital- 
oerbre^en, immer gefe^li^ tft; um bieS ^i fein, mu| jte notbwenbig ober 
augerorbentli^ nüfcud} fein. 2)ie ttnterfue^ung biefeS <2>afceS fü^rt uns gu 
ber gweiten ^rage: 

§.2. 

Sft bie SobeSftrafe notbwenbig ober wenigftenS nü^? 



J ) IBerglei^e 5lote auf <&tiU 60. 
») Central social, üb. IV., 5. 
8 ) S3erglei*e Kapitel 28. 



— 120 — 

3$ glaube e* ttidjt utiD txjetbc mid) auf £§atfadjen ftüfcen, weldje Sefcer 
Bewahrheiten wirb. 

itnga!)lige S)teBftaIjle ftnb auf bem ©re$e«9>lafce gu $>ari8, gerabe unter 
bem ©algen felBft uttb tu bem StugenBlicfe Begangen Sorben, als man btc 
JDiebc aufrnüpfte, unb meljr al$ oor bem ©efangntffe, too fiä) weniger SDtat* 
fdjen oerfammelten. 

Seit einem Saljrljunberte ift btc SobeSftrafe wegen 2)efetftött mehrmals 
ttbgefd>afft unb wteber eingeführt worben. 2)ie Sa^ & cr Steferteure tuar 
aber immer gteidj, gur 3rft ber äbfdjaffung, wie ber SBi^beretnfüfirung. 

grang I. feftte bie Sobeöfirafe für gewaltfamen Sinbrudj feft. 2)iefe$ 
©efefc würbe erft burd) bk Steoolution abgerafft; aber f&ott gwan^ig SaBtc 
früher folgten imn bie Sftidjter nur Bei Sinbrudjen in SSerBinbung ittit großen 
unb nad)tltdjen ©emalttjjätigfetten; im vorigen Saljrfjunbette unb gu Anfang be3 
jefcigen waren aber berartige (Sinbrüdje ebenfo wie bie anbern ütel gaujtger, 
als fte eä jefet ftnb. 

3m Satjre 1724 fefcte man bk Sobeöftrafe auf 4)au3btebftcil)le feft, wetäje 
fo lange Bäufig waren, aU man btm ©efefce folgte. ©eit bretßig Sauren 
ftnb fie feBr feiten geworben unb werben faum anberö wie gewöBnliA? 2)ieB* 
ftaljle beftraft. 

@nbli<§ gu ben Seiten politifdjer SBirren falj man auf bem ©djaffote 
bie Äöpfe ber 33erfdjwornen unb Stufrü^ret fallen; Bei Stmneftten fegrte 
hingegen StffeS gur £>rbnung unb SPfKdjt gurücl 

2)iefe SSeifpiele, welche man nodj burd) oielc anbere oermeljren fönnte, 
Beweif en breierlei: 

©rftenS, ba§ bie SobeSftrafe ein SSerbredjen nidjt Ijinbert, wenn ©itten 
unb SSerijaltniffe bagu ffieranlaffung geben; 

SweitenS, baß bie Sföilbe ber ©trafen meljr bagu bient, ein SSerbredjen 
gu aerminbera, als gu oermeljren, wenn nichts anbereS bagu antreibt, unb 

©rittenS, baß gu ftrenge ©efefee ein SBerbredjen meljr bepünftigen, als 
imterbrücfen, wenn ftc Befürchten fajfen, baß man burd) bte Stnfiage ein 
größeres SSerbredjen begebt, als baS, meldjeS man auflagt, unb baß man 
feinen {Ruf. compromttttrt, inbem man bie ©enugtBuuttg für einen gerhigern 
©djaben, als ben SSerlup ber 6ljre, gu erlangen fudjt. 

Stlfo meljr auf bm ©itten unb politifdjen SSerljaltniffen eines ©taate$ f 
a\$ auf beffen ©trafgefefcen Berufen bie 3Öa^eit unb Stufje ber Sürger; 
wo bie ©itten gut jtnb, ftnb graufame ©efefce unnötig, unb xoo fene 
*d)led)t finb, finb biefe ma^tlo0 gegen ba$ SSerbre^en, unb in äffen gaffen 
tnb jte gefa^rltc^. 

2)ie. große Äunft ber ©i^cr^eitöpoligei, weldje eine ©tüfte ber ©itten 
fein foff, Beruht ni^t, waö man audj fagen möge/ auf bem geredjten SOla^e 
ber Strafe, fonbern auf ber aSofffommen^eit ber SJtittel, bie ©traflopgfeit 
gu Der^inbem. 

2)ie gurd^t oor biefer ober jener ©träfe lann jlcfi be3 ©eifteS tntt 
gleid^geitig mit ber, oerljaftet unb beö aSerbre^enö üBerfü^rt ju werben, be* 
mäAtigen: Die Qattt ber ©träfe ift a^enfd)einli(^ gleidjgültog, fobalb i^re 
SSergangung niqt waljrfdjeinltdj ift. SBaö fümtnert biefe '©träfe ben, ber 
fid) ber ©ere^tigfeit gu entgiefjen gofft? S5Ba§ mac^t ftdj au§ 9lab ober geuer« 
toi ber SDWrber ober Sranbftifter, meldjer Dor ^ftlem bie Uö&ergeugung $ti, 
baß er nidjt feftgenommen werben wirb? Sft aber bie gurd^t, oerfjaftet unb 
überführt gu werben, groß, fo genügt bieö, um -cor bem SSerbre^en gurüdgu* 



i 



■ Ä 121 =• 

|<$H$en, fottte Üjm öudjj eine anbete ©träfe, al0 ber SSerluft ber SBortijeile, 
njeldje man baoon erwartete, ntdjt entwarfen. 

60 fteljt erfa§rung0ma§ig feft, ba§ jtdj Semanb gu einer ftraffattigen 
fianblung nur in ber |>offnung entf&liegt, barau0 9htfcen gu gieben. SBürbe 
me Hoffnung fehlen, fo würbe er alfo bie Äanblung ntc^t begeben, wofern 
tum gum SÖcangct ber Hoffnung audj nod) bk %nxä)t tritt, trgenb einen 
^^aben Beforgen gu muffen, fo giebt e0 meljr @rünbe> al0 erforberlidj, um 
bor einer foldjen #anblung gurüdgufdjredfen. 9tun ift eut 33erbredkn gewöhn« 
lfdj wenigften0 eut peinlid)e0, oft fogar dxt gefäljrlt(i)e3 Unternehmen, um 
eiu SSerbreäjert gu Tiegeljen, bebarf man alfo ber Hoffnung anf. einen SSortljeH 
unb ber ©rwartung nidbt gefdjabigt ju werben. SBenn ein SSerbredjer alfo 
eine Ärttttinalljanblung oegeljt, fo ntmmt er ftdjer an, ba§ er ntcf)t entbeai 
toirb. ©0 ift alfo unnüfc, biefe Strafe gu übertreiben. Sft bte $)oltgei alfo 
fo gut, ba§ bie. Hoffnung auf 33orttjeil bem SSerbredjer nidjt fommen lann, 
aber ber ©ebanfe an eiu Sßerbredjen immer mit ber gurdjt oor einer Strafe 
uerbunben, fo wirb, wie gering biefe audj immer fein mag, fte tJjn gwingen, 
oon ber Segeljung be0 33erl>redjen0 abgufteljen. 

SBaS ben Äapitalftrafen eine SBirnmg beipflidßten tonnte, bie fte äugen* 
6fi<Eidj nvtifr faben, ift, ba§ in bem Stugenblicfe t|re3 ©rlaffe0 bie offentiidje 
Stutorttät gewoljttltdj meljr 3$atigfeit bei ber Sluffudjung foldjer SSerbredjen, 
weldje jenen unterworfen ftnb, unb iljrer Spater entwtaelt unb ba$ btife 
S^änareit bie SSerbredger entmutigt unb oerwirrt, ' 

3dj miH auf leinen ber ©mfprüdje antworten, meiere gegen bie 9tb* 
fäaffung ber SobeSftrafe auögefpromen würben, ba fte alle wiberlegt worben 
ftnb. lieber Joiff tdj — unb e3 ift nidjt weniger nüfeltdj — bie f<fjled)ten 
@runbe mtberlegen, mit btmn man ben 5ftu£en biefer 3lbf<Jjaffung unterftüfct 
Ijat. ©0 gtebt wenig graben, wie biefe, bei benen man fetner <§adje Beffer 
baburdj bleut, ba§ man ferne Parteigänger, al0 feine ©egner, wiberlegt 

Sftt ber conftituirenben SSerfammlung behauptete man — wie tdj 
glaube, Sepelletter ©aint*§argeau — r ba§ bk ©efellfdjaft a!0 
©träfe fein feretgni§ Jjmfteffen bürfte, weldje0 bk Statur äßen SKenfdben gur 
Sebtngung ftettte, unb bafy man ben £ob nidjt unter bie ©trafen aufnehme, 
ba man bte SKenfdjen baran gewönnen foll, tljm faltblütig entgegengufetjen. 

3)a0 ift aber ein fdjleiiter @inn)urf. 

@rftli4 fönnte man tbn gegen jjebe Slrt ber ©träfe ergeben. JDte 
9iatur, fönnte man fagen, hat uns gur Arbeit gef Raffen-, alfo fann man 
tk Strbeit ni^t al0 ©träfe für ein SSerbrefien feftfe^en. SDie Sflatur 
l)(d un0 gum ©terben beftimmt, aber ntqt auf gemaltfame SBeife. 
©ie fenbet un0 einen fanften, ba0 ©efe^ beftimmt einen graufamen Sob. 
SDie 9latur trennt un0 ru^ig bur^ 3üter ober Äranlljeit oon bem Seben unb 
löft un0 oon aßen ©egenjtanben unferer Seü*e lo0. 35a0 ©c^toert be0 
©trafgefefee0 ^tmmt bie Sjcifteng mitten unter allen i^ren 9lnne|mli(^feiten. 
2)ie 5catur miegt un0 in ©djlaf, ta^ ©d^mert be0 ©efe^eö tobtet burdj 
3erfiörung. 

Sepelletier ging, glaube idj, fogar fo »ett gu behaupten, ba^ ©efeft 
burfe bem Äötper reine ^trdbt por bem 5tobe etnpö§en f ba ba0 SSaterlanb 
not^ij ^at, ba§ er itjn mit SJeraitung betraute. . . @0 wäre ein jro§e0 
Ungludt für einen ©taat, wenn Die Krieger ba0 geben oeraAten würben: 
wer ba^ Seben mi§a&tet, ^at weber SSaterfanb no§ gamilie! traurig wäre 
tm Stejmblü oon ©»lüafeligen, bte tljr gange0 &\M in ber SSetradjtung 



— 122 -r- 



eine* anbern 8eben$ ftnben unb jidj in bem &affe gegen ba$ ttbifdje gegen- 
fcittg Bewarfen würben. SBeldjeS ÖpferS mürben jie für eine ©tfftenj fatjig 
fein, meldje für fte oljne SBertlj ift? 2Rit äilfe mfyrt 2Rittete tonnte 
jnan foldje 9ßenf<fjen ober melmeljr foldje SKafdjinen $u etma$ bringen? 

2)ie ©efetlfdjaft $<xt namentlich barauf jn feljen, ba& bei? 33ürger gum 
£>pfer feines ?eben$ bereit ift, wenn eö baö 3ntereffe be8 ©taateS erfordert, 
b. 9. aber, er mu$ ben ©taat fo lieben, baß ü)m ba$ Seben unertraglid) 
mirb, fobalb er für tljn atteö getrau Ijat, nm$ er tfjun fonnte. @r foU alfo 
fein eigenes ©lud, fein Seben opfern; lieber gu fterben, als in Srntebrigung 
ober Ungute! fortguleben nriffen; ein glücflidjeS unb eJjrenootteS 8eben lieben, 
eg aber audj gu oerlieren oerfteljen, fobalb e8 ntdjt meljr fo ift. 

3d) möchte alfo ©t. gargeau'S ©rünbe ntdft benen beigaben, meldte jur 
2tbf(^affuna ber Sobeöftrafe beftimmen foHen; »enigftenS gehören |te ntdjt 
unbebmgt oagu. 

3n bem, maß icf) gefagt Ijabe, namentli* in bem, maß fdjon oor mir 
aefagt mürbe, liegt Jjtnreidjenb ®runb, um für bie ?tbf Raffung ber Sobeö« 
jtrafe gu fpredjen. 

Suxöbem, maß idj gefagt, lönnte idj fogar f^Hcgcn, bafj jebe fdjmad)« 
oolle ©träfe um fo unnötiger mirb, \t meljr bte Mittel, jebeS SSerbredjen 
u cntbedfcn ober gu oerfjinbem, ficf) oerooKfommnen. 35iberot unb Stouffeau 
,^lie|en fidj bem ©afee Seccaria'ö an, ba§ £auftgfett unb ©trenne ber 
©trafen immer Seiten ber <Sä)mfyz ober 9tadj(affigfeit einer Stegterung 
jinb, fo Dag trofc beö SiedjteS, ioeldjeß Jeber ©ütgelne fjat, ber Jobeßftrafe 
guguftimmen, eine gut organiftrte ©efeufcfjaft jie bodj ntdjt feftfefcen foHte. 

3d) lenne nur einen galt, in weldjem bie Sobeßftrafe notnmenbig iji, 
namlitf) btrif meldjen SSeccaria 1 ) felbft oon ber 9Rilbe ber ©efefce außae» 
fdjloffen bat: ben gall, mo ein 3tugeflagter, Slufruljrer ober gactionßgef 
nod) Serbinbungen unb 3Jia<|t genug befäfce, um in ber befte^enben mt» 
gierunaßform bie 3iuf)e gu ftören unb eine Ummalgung Ijeroorgurufen. 

Siefer gaH ift aber äugerft Jetten unb fyat nidjtß mit ben gemöljnlu^en 
33erbredjen gemein, felbft nid)t mit ben SSerfu^en ber Parteigänger jwetter 
Drbnung ober ben untergeordneten SWitgliebern einer SSerfd^wöru a. üfian 
nebmc i|nen i^r pcatpt unb fdjaffe eine gute |)oli3ei, bann bürfte man 
fiqer oon i^nen ni^tö gu für^ten ^aben. 



! 



l ) ©ie^e §. 28, ©eite 58. 



3nljttltGM£r5£txt)tti|. 



@eüe 

SSortoort be8 Uefcerfefcerä ■ . . 7 

33eccaria'& 33tograp$ie V 9 

tte&er SBerBredjen unb ©trafen. 

$tn i)it 8efer 13 

Einleitung 17 

§. 1. Urftrung ber ©trafen 18 

§. 2. 3tt$tfdjnur für Me ©trafen 19 

§. 3. golgernngen . . 20 

§. 4. $Bon ber 3Ctt8tegung ber ©efefce 22 

§. 5. <Dunfetyett ber ©efefce 23 

§. 6. * Sta^äftnifj äünfdjen ten ©erbrechen unb ©trafen ... 24 

§. 7. 3fat§ümer in bem Sftafje ber ©trafen ...... 27 

§. 8. eintijeifong ber ©erbrechen 29 

§. 9. «Bon ber @§re 31 

§.10. ©on ben ©netten 32 

§. 11. S3on ber öffentlichen Sfcutje 33 

§. 12. Sttetf ber ©trafen 34 

§. 13. IBon hm 3eugen 34 

§. 14. 3nbtgien nnb gönnen ber ©eridjte . , 36 

§.15. ©efctme Shtltagen 38- 

§. 16. $on ber Softer 40 

§. 17. »om giScuS 45 

§. 18. SBon ben Eiben 47 

§. 19. ©$neMg!eit ber Seftrafnng 47 

§.20. ©etoaltt$ätigfeiten . 49 

§. 21. ©trafen ber Ebelfeute 50 

§.22. ©iefcfta^ . . . • 51 

§.23. ©jrloflgfeit 52 

§.24. 2Rü&iggSnger 53 

§. 25. SBerBanramg nnb ©ütereinjtetjung \ 54 

§. 26. Sßom gamiftengeifte 55 

§. 27. 2RiIbe ber ©träfe 57 

§.28. Sott ber SobeSftrafe 58 



/ 




— 124 — 

i 

«ette 

§.29. $on ber SBerbaftung. 66 

§. 30. @eri$t$»erfa$ren tmb SBeri&fcungen 68 

§. 31. ©djtser 3« beumfenbe $erbre$en 70 

§.32. ©elbftmorb 73 

§. 33. @d>tei<%anbel 76 

§. 34. «Bon ben ©$ulbnern '. 77 

§.35. SufüicfetöftSttctt 78 

§. 36. SBon bcm auf einen Äopf gefegten greife 79 

§. 37. Sfagefangene 33erbre$en, 2ftitfd)ulbige. ©traftoflgfett . 80 

§. 38. *8erfangüdje Sragen, Sfogfagen 82 

§. 39. Ueber eine rigent^ümüdje 2lrt üon SBerbredjen .... 83 

§. 40. galfd)e 3lnfi$t m>m ftufcen 84 

§. 41. SBic tm $erbre$en »orgubeugen fei * 86 

§. 42. Ueber bie Söiffenföaften / 87 

§. 43. Sorben 89 

§.44. SBeloljttungett 89 

§.45. (Srjieljung 90 

§. 46. ©on ber SBegnabigung 91 

§.47. ©d&fofj 92 

SBeccaria'ö ^nttoort auf bie 53emer!ungen unb ^Beobachtungen eines SDotntni* 

faner *9fton$e$ über fein 33u$ öon ben SSerbredjen unb ©trafen . . 93 

§. 1. ©efdjulbigungen wegen ©ottioftgfett . . . * . . " . . 94 

§. 2. S3ef <§uCbigungen ttegen #ufru$r$ . : 98 

$arl $uguft £autefort, SBemerfungen ju betn 33uc$e über t>te $erbtedjen 

unb ©trafen 101 

Utt^eü eineö italianifdjen 5)rofeffor8 über ba$ 53uti& ttön ben $erbrec$en 

unb ©trafen : . . . 109 

IBemerfung bon Griffet be SSaröilte über baS 33u<$ toon ben ^erbte^en 

\mb ©trafen 112 

®raf Sftöberer: Ueber bk 5lbf Raffung ber SobeSftrafe 115 



* 



<Drud »Ott 8t*oIt in Berlin, Öeörßttiftrafce 18. 



Verlag von L. Heimann in Berlin, Wilhelmsstr. 91. 

»— — — fTT \ \\m% y , | ■ ■!■■!■ ■ . 11 ■ ■■! , , i | , ,, iu'|i n i 

Philosophische Bibliothek 

oder 

Sammlung der Hauptwerke der Philosophie 

. alter und neuer Zeit 
Unter ^itnrirkmtg t>on namhaften <&tU\)titn 

herausgegeben, beziehungsweise übersetzt, erläutert und mit 

Lebensbeschreibungen versehen 

von 

J. H. von Kircbmann. 

Wöchentlich eine Lieferung zu 5 Sgr. 

Urtheile der Fresse« 

In der Philosophischen Bibliothek begrüssen wir eine äusserst 
dankenswerthe und zeitgemässe Arbeit Es darf das Unternehmen 
des Herrn von Kirchmann, die Hauptwerke der berühmtesten 
Philosophen einem grösseren Publikum in correcten, bequemen 
und möglichst billigen Ausgaben zugänglich zu machen, auf um 
so grössere Theilnahme rechnen, als der Herausgeber erklärende 
Bemerkungen hinzufügt und ganz der Mann dazu ist, durch die- 
selben das Verstäodniss jener Schriften wesentlich zu fördern. 
Dem Ganzen geht eine Einleitung in das Studium philosophischer 
Werke voraus, die vorzüglich geeignet ist, den Laien zu orien- 
tiren. * (Dresd. Const. Ztg.) 

Einen grossen Werth erhält aber die philosophische Bibliothek 
noch durch die selbstständigen Arbeiten des Herausgebers, dessen 
Biographien, Erläuterungen und Bemerkungen die höchste Beach- 
tung verdienen und gewiss hauptsächlich mit dazu beitragen, 
dem Unternehmen Eingang und Verbreitung in weiteren Kreisen 
zu verschaffen, da Herr von Kirchmann mit einer tiefen philo- 
sophischen Anschauung eine seltene Klarheit der Darstellung 
verbindet. Ihrerseits hat die Verlagshandlung den Preis so niedrig 
gestellt, dass jeder Gebildete sich jetzt leicht die Werke der be- 
deutenasten Denker anschaffen kann, ohne sich ein nennens- 
wertes Opfer aufzulegen. (Voss. Ztg.) 



Die umsichtige Auswahl, die sorgfältige Redaction und be- 
sonders die Erläuterungen, Anmerkungen etc. des Heransgebers 
erleichtern wesentlich das Verständniss and empfehlen das ein- 
gehende Studium der philosophischen Bibliothek, die durchweg 
nur solche Werke enthält, welche mit die Grandlage der modernen 
Bildung und Weltanschauung ausmachen. ' 

(Südd. Sonntagsbl.) 

Wir haben uns schon bei Gelegenheit der ersten Sendung 
über die höchst anerkennenswerthe praktische Richtung dieses 
Unternehmens ausgesprochen und können hier nur wieder mit allem 
Nachdruck betonen, dass es sowohl in Ansehung der Anordnung 
als der Ausstattung eine Solidität äussert, die man 
sonst nur bei sehr theuren Ausgaben zu suchen ge- 
wohnt ist. (Wanderer.) 

Die „Philosophische Bibliothek schreitet auf dem Wege, 
die Hauptwerke der Philosophie alter und neuer Zeit dem ge- 
bildeten Publikum leichter zugänglich und wo nöthig verständ- 
lich zu machen, mit wohlverdientem Erfolge voran, ihr Heraus- 
geber, J. H. v. Kirchmann, darf sich den Rahm zuschreiben, 
der kantischen Philosophie über den engen Kreis der Gelehrten 
hinaus Boden gewonnen zu haben — der Absatz der „Kritik 
der reinen Vernunft* hat, wie wir vernehmen, alle Erwartungen 
übertroffen. Seitdem zuletzt an dieser Stelle von der Bibliothek 
die Rede gewesen, ist wieder eine Reihe von Lieferungen reichen 
Inhalts hinzugekommen, darunter von Kant der Schluss der Kritik 
der praktischen Vernunft, die Anthropologie, die „Religion inner- 
halb der Grenzen der blossen Vernunft", jenes bedeutendste Werk 
des Königsberger Weisen auf dem Gebiete der Religions-Philor 
sophie, welches durch die kirchlichen Kämpfe der Neuzeit wieder ein 
besonderes Interesse erweckt. Wie Kant selbst einräumt, hat ihn 
zu seiner kritischen Philosophie das Studium von Humes „Unter- 
suchungen über den menschlichen Verstand* geführt Uebersetzt 
und erläutert von Kirchmann, wird dieses Werk im richtigen 
Zusammenhange hier dargeboten und zugleich mit ihm als Haupt- 
vertreterin des äußsersten Idealismus Berkeley's „Abhandlung 
über die Prineipien der menschlichen Erkenntniss", übersetzt 
und erklärt von Professor Ueberweg in Königsberg. Die Biblio- 
thek enthält somit schon zwei der wichtigsten und folgenreichsten 
Arbeiten der englischen Philosophie, welche ihre Wirkungen 
weit über den Canal hinüber erstreckt haben. Die Niederländer 
stellen uns ihren grossen Verbannten, Hugo Grotius; sein um- 
fangreiches Buch über „das Recht des Krieges und Friedens", 
durch welches er das moderne Naturrecht begründete, den Staats- 
wissenschaften einen mächtigen Antrieb gab, zu der Milderung 



der Sitten und der Belebung des Rechtsgefühls in öffentlichen 
Verhältnissen ein hervorragendes Theil beitrug, ist von Kirch* 
mann aus der lateinischen Urschrift übersetzt und mit einem 
höchst ausführlichen fortlaufenden. Commentar versehen, welcher 
Vergangenheit und Gegenwart in's Auge fasst. Als eine Vor- 
bereitung auf diese Studien dient die gleichfalls der Bibliothek 
einverleibte Schrift Kirchmann's „die Grundbegriffe des Rechts 
und der Moral", welche jedoch, auf den Principien des Realismus 
beruhend, eine allgemeine Einleitung in das Studium rechtsphi- 
losophischer Werke darstellt und eine kurzgefasste Philosophie 
des Rechts bietet. (Kölnische Zeitung.) 

Es ist ein höchst verdienstvolles Unternehmen, die Haupt- 
werke der Koryphäen der Philosophie dem grösseren gebildeten 
Publikum zugänglich und leicht lesbar zu machen; denn offenbar 
ging jener Philosoph von Fach viel zu weit, wenn er behauptete, dass 
jener grossen Zahl von Gebildeten, welche nicht Fachgenossen im 
strengsten Sinne des Wortes sind, höchstens für eine fabricirte 
Feuilletonsphilosophie, nicht aber für die wissenschaftlich auf- 
gefasste Philosophie Theilnahme abzugewinnen sei. Wir haben 
im Gegentheil die Ueberzeugung, dass dieser Bibliothek sich sehr 
bald die Theilnahme der Gebildeten zuwenden wird, denn streng 
und gewissenhaft ist bis jetzt die Kritik, mit der der Heraus- 
geber verfahren, treu und klar sind die Uebersetzungen, eingehend, 
zweckentsprechend, übersichtlich und praktisch die Erläuterungen. 
Die Philosophie ist eine Gymnastik des Geistes; wir können nur 
, rathen, diese Gymnastik neissig zu treiben. 

(Nordd. Schulztg.) 

Die Bedingungen des Erscheinens gestatten der Bibliothek 
jene weite Verbreitung, auf welche sie berechnet ist. So hoffen 
wir denn, dass diese neue Ausgabe nicht blos von Liebhabern 
zur Anschaffung philosophischer Hauptwerke benutzt, sondern 
überhaupt zur Wiederbelebung philosophischer Studien beitragen 
werde. (Wiener Presse.) 

Gewiss muss der Freund der Wissenschaft sich über die 
Herausgabe einer Sammlung erfreuen, welche nach ihrer ganzen 
Ausführung und nach den bisher erschienenen und angekündigten 
Werken zur Verbreitung quellenmässiger allseitiger philosophischer 
Bildung in so hohem Grade geeignet ist. 

(Heidelberger Jahrbücher für Literatur.) 

Eigentlich begrüssen wir nicht ohne Erstaunen den Fort- 
schritt dieses Unternehmens, denn so wünschenswerth es auch 
erscheinen muss, die philosophischen Hauptschriftsteller in billigen 



und gut redigirten Ausgaben zu besitzen, so haben doch alle 
diese Schriftsteller bisher das Privilegium, mehr gelobt als ge- 
lesen zu werden, so unangefochten besessen, daes ein Bruch des*i 
selben fast wie ein revolutionärer Act erscheint. Indessen sind 
die Bedingungen der Veröffentlichung in der That so verlockend, 
dass vielleicht Mancher auch ohne die Absicht, sonderlich viel 
in dieser Bibliothek zu lesen, sich doch ein oder das andepa 
Werk (denn jedes Heft selbst ist einzeln käuflich) oder gar die 
ganze Bibliothek beilegen dürfte, sei es auch nur, um vielleicht 
einmal nachzuschlagen, ja selbst nur, um sich als glücklicher 
Besitzer zu fühlen. Der Nutzen wird jedenfalls ein grosser sein* 
und wenn er sich auch nur tropfenweise vertheilt. Einige der 
aufgenommenen Werke sind bisher noch nie in's Deutsche 
übertragen worden. Diese einzige Thatsache wird genügen, 
den hohen Werth der „Philosophischen Bibliothek" zu beweisen. 

(Spen. Ztg.) 



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