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Full text of "Beihefte zum botanischen Centralblatt"

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Beihefte 


zum 


Botanischen Gentralhlatt. 


Original-Arbeiten. 


Herausgegeben 
Prof. Dr. 0. Uhlworm una Prof. Dr. F. G. Kohl 
in Berlin in Marburg. 
Band XXI. 


Erste Abteilung: 
Anatomie, Histologie, Morphologie und Physiologie der Pflanzen. 


Mit 17 Tafeln und 39 Abbildungen im Text. 


LIBRARY 
BOTAN ICAI 
GARDEN 


1908 
Verlag von C, Heinrich 
Dresden -N. 


Inhalt. 


Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. Mit 
ihafel‘. Bi: 
Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen 
Peperomien. Mit 2 Tafeln . ER ae 
Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Cu- 
pressineen nebst Bemerkungen über Oryptomeria. 
Mit 1 Tafel RER SE Re 
Georgevitch, Zur Nukleolusfrage. Mit 1 Tafel 
Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes 
auf die Atmung der niederen Pilze. Mit 3 Tafeln 
Zahlbruckner, Zur Abwehr SET 
Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen 
und den Einfluß äußerer Faktoren auf die nn, 
(Invertase, Maltase). an: 
Glabisz, Morphologische und ee Unter- 
uneen an ÜCeropegia Woodiw Schlechter. Mit 
3 Tafeln und 30 Abbildungen im Text 


van Wisselingh, Über die a bei Oedo- 


gomium. Mit 1 Aarele: 
van Wisselingh, Über den Ring und die Zell 
bei Badia Mit 4 Tafeln a 
Fahringer, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete nebst 
Bemerkungen über neuere blütenbiologische Ar- 
beiten. Mit 1 Tafel 
Koltonski, Über den Einfluß der een rar 
auf die ohne esnlation der Wasserpflanzen. 
Mit 8 Abbildungen im Text ER NEL, 
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körper- 
wachstum der Pflanzen. Mit 1 Abbildung im Text 


Seite 
1—13 
14—-26 
27 —44 
45—53 
5464 
64a 
. 64b—640 
65—136 
137—156 
157—190 
191—203 
204—272 
273—319 


_ Beihefte 


zum 


Botanischen Gentralblatt. 


Original-Arbeiten. 


Herausgegeben 
Prof. Dr. 0. Uhlworm u und Prof. Dr. F. G. Kohl 
'in Berlin in Marburg. 
Band XXI. 


Erste Abteilung: 
omie, Histologie, Morphologie und Physiologie der Pflanzen. 


Heft 1. 


1908 
Verlag von C. Heinrich 
Dresden -N. 


Ausgegeben am 10. Januar 1908. 


Inhalt. 


Seite 

Fuhrmann, Be bei Bakterien. Mit 

£ batela..... 3 ee I1—13 
Schürhoff, Ozellen ni en bei einigen 

Reperomien. Mit 2 Saen 3. .... 14-26 
Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Cu. 

pressineen nebst Bemerkungen über Oryptomeria. 

Mieal,latelee 200% ee ee le 
Georgevitch, Zur Nuklecivenase Mit 1 Tafel . . 45-53 


Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes 

auf die Atmung der niederen Pilze. Mit 3 Tafeln 54—64 
Zahlbruckner; Zur Abwehr 0.2.2 2.2.2000 64a 
Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen 

und den Einfluß äußerer Faktoren auf die Enzyme 

(Invertase, Maltase). - :.. 2... ...% 2045 08 


Die Beiträge erscheinen im zwangloser Folge. Jeder Band umfaßt 
3 Hefte. Preis des Bandes M. 16.—. 


Zu beziehen durch alle Buchhandlungen oder direkt vom Verlage 
C. Heinrich, Dresden-N. 


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Entwicklungszyklen bei Bakterien.” 


Von 


Franz Fuhrmann, 
Privatdozent an der Technischen Hochschule zu Graz. 


Mit Tafel I. 


Aus zahlreichen Untersuchungen entnehmen wir, daß die 
Bakterienzelle keineswegs unter allen Umständen ihre Form und 
Gestalt beibehält, weshalb jetzt von einer Unveränderlichkeit der 
Bakterien im Sinne Cohns nicht mehr die Rede sein kann. 
Während des ganzen Lebenslaufes ändert die Bakterienzelle un- 
unterbrochen ihre Gestalt und die Summe aller dieser Veränderungen, 
die sich nicht nur an ihrer Gestalt, sondern auch an ihrer feineren 
Struktur abspielen, ist eben ihr Entwicklungskreis. Durch die Ver- 
wendung ganz bestimmter Nährmedien zur Zucht und ausgewählter 
äußerer Bedingungen gelingt es, ganz bestimmte Phasen aus dem 
Entwicklungskreis auszuwählen und nur diese sich immer wieder 
wiederholen zu lassen. Züchten wir beispielsweise den Baeillus 
typhi abdominalıs auf schief erstarrtem Nähragar beim Tlemperatur- 
optimum in der Weise, daß wir nach zwölfstündigem Wachstum 
die Zellen immer wieder auf frisches Agar überimpfen, so werden 
wir im hängenden Tropfen ausschließlich kurze lebhaft be- 
wegliche Stäbchen erkennen. Die fortwährende Erneuerung 
des Nährsubstrates hat zur Folge, daß sich die beweglichen Schwärm- 
zellen unseres Bakteriums wieder in Schwärmtochterzellen und so 
fort teilen. Setzen wir aber mit den Überimpfungen aus und 
untersuchen eine mehrere Tage alte Agarkultur im hängenden 
Tropfen, _dann beobachten wir neben beweglichen Zellen auch 
solche, die etwas verlängert sind und die Bewegungsfähigkeit ver- 


!) Nach den beiden während der 78. Versammlung Deutscher Natur- 
forscher und Ärzte in Stuttgart im September 1906 in der Abteilung für Bo- 
tanık und Hygiene einschließlich Bakteriologie gehaltenen Vorträgen als vor- 
läufige Mitteilung zusammengestellt. Dementsprechend entfielen Literaturan- 
gaben, die in der zusammenfassenden später folgenden Abhandlung über die 
Entwicklungskreise mehrerer Pseudomonas-Arten eingehende Berücksichtigung 
finden werden. 


Beihefte Bot. Centralbl. Bd. XXIII. Abt. I. Heft 1. 1 


2 Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. 


loren haben. Erst bei neuerlicher Überimpfung werden die letzt- 
genannten Zellen zu Schwärmern, die sich weiter in bewegliche 
Tochterzellen teilen, welch letztere sich nach Erschöpfung des 
Nährbodens wieder in ruhende Zellen umwandeln. Wir haben 
also einen kleinen Entwicklungskreis vor uns, in dem 
zwei Formen scharf charakterisiert auffallen, die durch 
eine Reihe von weniger auffallenden Übergangsformen verbunden 
sind. 

Auch bei den sporenbildenden Bakterienarten sind Ent- 
wicklungskreise bekannt. Ich erinnere an den Erreger des Milz- 
brandes, das Bacterium Anthracis; auch hier werden durch einige 
Generationen hindurch Kurzstäbchen gebildet. In der Folge treten 
gegliederte Fäden in den Vordergrund. Nach der Fadenbildung 
werden in diesen die Dauerformen, Sporen, erzeugt. Die restliche 
Sporenmutterzelle zerfällt und die freien Sporen können nun lange 
Zeit hindurch lebend bleiben und die verschiedensten schädigenden 
Einflüsse ertragen. Werden sie auf einen frischen Nährboden ge- 
bracht, keimen sie in ganz bestimmter Art und Weise und die 
neuentstandenen Kurzstäbchen durchlaufen wieder die gleichen Ent- 
wicklungsstadien, wie die Sporenmutterzelle. 

Wir wissen aber weiter, daß in lange nicht überimpften 
Reinkulturen die Bakterien sehr verschiedene Wuchsformen an- 
nehmen, die von den meisten Untersuchern als Degenerations- 
produkte oder Involutionsformen gedeutet werden; ähnliche 
Erscheinungen werden auch noch durch eine ganze Reihe äußerer 
Einflüsse hervorgerufen. 

Es hat aber auch nicht an Forschern gefehlt, welche in diesen 
veränderten Formen entweder das Zeichen einer weitgehenden 
Pleomorphie der betreffenden Bakterienart sahen oder aber ganz 
bestimmte Phasen eines großen Entwicklungskreises. 
Haben doch zahlreiche Untersuchungen an den Erregern des 
Rotzes, der Pest, der Diphtherie und Tuberkulose Formen 
aufgedeckt, die die Zugehörigkeit dieser Mikroben zu den Bakterien 
sehr in Frage stellen. 

Besonders eingehend und oft wurde der Erreger der asia- 
tischen Cholera und überhaupt die verschiedenen Vibrionen 
auf ihre Formveränderlichkeit untersucht. Ich erwähne aus den 
vielen einschlägigen Publikationen nur die Arbeiten von Weibel, 
Kohlbrugge, Marx und Woithe, Matzuschita, Almquist, 
Maaßen, Gamaleia, Fischer und Hammerl, auf die hier des 
näheren nicht eingegangen werden kann. 

Im allgemeinen geht aus allen Untersuchungen hervor, daß 
die Vibrionen inbezug auf ihre Form äußerst labil sind. Schon 
die in wenige Tage alten Vibrionenkulturen angehäuften Stoff- 
wechselprodukte, nach Ruata insonderheit das gebildete Ammoniak, 
bewirken tiefereifende Veränderungen in der feineren Struktur und 
in der Form der Zellen. Die gleiche Wirkung üben gewisse 
Neutralsalze des Natriums, Kaliums und besonders des Li- 
thiums aus, wenn sie in geringeren oder höheren Konzentrationen 
in der Fleischbrühe oder im Nähragar vorhanden sind. Diese Ver- 


Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. 3 


suche haben auch die interessante Tatsache ergeben, daß die 
Formveränderungen keineswegs immer mit schweren 
Schädigungen des Bakterienprotoplasten verbunden sein 
müssen, sondern daß die andersgestalteten Zellen ihre 
Lebensenergie vollständig bewahrt haben und in ent- 
sprechende Bedingungen gebracht wieder Individuen der 
ursprünglichen Form hervorzubringen vermögen. 

Daß wir nun berechtigt sind, in dem konstanten Auf- 
treten dieser ungewöhnlichen Formen gewisse Typen der 
verschiedenen Stadien von Entwicklungszyklen der Bakterien zu 
erblicken, sollen die folgenden Untersuchungen zeigen. 

- Gelegentlich der bakteriologischen Untersuchung von Flaschen- 
bieren züchtete ich Bakterienarten rein, die unter bestimmten 
Bedingungen immer bestimmte Formveränderungen auf- 
wiesen. Diese sindimmer vonbestimmten Veränderungen 
des Zellinhaltes begleitet. Am eenauesten habe ich diese 
Verhältnisse an Pseudomonas cerevisiae untersucht. Von einer ein- 
gehenden Besprechung aller Versuche sehe ich hier ab und hebe 
im Folgenden nur die wichtigsten heraus. 

Die genannte Bakterienart!) gedeiht auf allen üblichen La- 
boratoriumsnährböden bei einer Temperatur von ungefähr 22° C. 
am besten. Die beispielsweise innerhalb von 48 Stunden auf neu- 
traler zehnprozentiger Nährgelatine gewachsenen Zellen erscheinen 
im hängenden Tropfen untersucht annähernd gleich. Eine genaue 
Feststellung ihrer Größe ergibt nur geringfügige Unterschiede der- 
selben. Die Mehrzahl der an den Enden leicht abgerundeten 
Stäbchen ist ausgezeichnet beweglich. Daneben finden sich ver- 
hältnismäßig wenig unbewegliche etwas verlängerte Zellen. Um 
nun den ganzen Verlauf der Entwicklung an einer Zelle in neu- 
traler Nährbouillon bequem verfolgen zu können, fing ich die 
Bakterienzellen in den Maschenräumen von sehr dünn geschnittenen 
und dann sterilisierten Hollundermark- oder Sonnenblumen- 
markplättchen. Diese beschickten Plättchen wurden dann in 
der sterilen feuchten Kammer gehalten und so dauernd beobachtet. 
In der Nährbouillon verläuft die Entwicklung nun folgender- 
maßen: Das bewegliche Kurzstäbchen verlängert sich ungefähr 
auf die doppelte Zellenlänge. Dabei wird die Bewegung träger. 
Diese besteht dann in einem geringen Hin- und Herwandern der 
verlängerten Zelle. Hierauf findet die Durchschnürung in der Mitte 
statt und plötzlich fahren die beiden Tochterzellen auseinander. 
Beide Tochterzellen verlängern sich dann ohne Einstellung ihrer 
Bewegung, die nur mit zunehmender Länge verlangsamt wird und 
unmittelbar vor der Durchschnürung beider Zellen den früher ge- 
schilderten Typus annimmt. Dann trennen sich die neuen Tochter- 
zellen wieder. Diese Zellbildung wiederholt sich noch etliche Male. 
Die Bewegungsfähigkeit der Zellen nimmt allmählich ab. Es kommt 


!) Vergl. Fuhrmann, F., Zur Kenntnis der Bakterienflora des Flaschen- 
bieres. I. Pseudomonas cerevisiae. (Oentralbl. f. Bakteriolog. Abt. Il. Bd. 
XVI. 1906.) 


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4 Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. 


zur Bildung längerer Zellen, die in der Folge sich nicht mehr 
von einander trennen, wodurch Fadenbildungen entstehen. Die 
kürzeren Fäden, an denen die Gliederung noch gut zu erkennen 
ist, führen schlängelnde Bewegungen aus, während die langen Fäden 
kaum mehr eine Gliederung zeigen und beweguneslos ruhen. So- 
wohl in den kurzen als auch in den längeren Fäden bemerkt man 
srößere und kleinere etwas stärker lichtbrechende Pünktchen und 
Körnchen und an den Enden zahlreicher Zellen birnförmige Auf- 
treibungen. Die Fäden lagern sich nun innige aneinander, ihre 
Konturen verschwinden mehr und mehr und schließlich ist nur 
mehr ein sogenannter Detritus vorhanden, in dem noch die ge- 
nannten stärker lichtbrechenden Körnchen auffallen. In diesem 
Ruhestadium erhält sich eine Kultur von Pseudomonas cerevisiae 
Monate lang lebend. Auf einen frischen Nährboden übertragen 
entwickeln sich aus diesem Detritus neue Bakterienvegetationen. 

Auf die färberischen Eigentümlichkeiten dieser stärker 
lichtbrechenden Kügelchen und Körnchen in den Fadenbildungen 
und im Detritus kommen wir später zurück. 

Züchten wir nun Pseudomonas cerevisiae auf der schief er- 
starrten Agarfläche bei 34—35° C., so findet nur eine spärliche 
Vermehrung der Zellen statt und die oben angedeuteten Ent- 
wicklungsphasen werden in kurzer Zeit durchlaufen, wobei noch 
die Mehrzahl der Stäbchen den gleichen Entwicklungszustand zeigt, 
was natürlich die Beobachtung wesentlich erleichtert. Außerdem. 
bewirkt die hohe Temperatur eine geringe Vergrößerung der Zellen, 
wodurch wieder die Protoplasmastruktur deutlicher zur Anschauung 
gelangt. 

Die oben mitgeteilte Beobachtungsmethode mit Hollundermark 
in der feuchten Kammer hat viele Vorzüge, aber den Nachteil, 
daß nach kurzer Zeit Sauerstoffmangel eintritt. Durch öfteres 
Lüften kann dem allerdings vorgebeugt werden, dadurch erhöht 
sich aber die Gefahr einer Verunreinigung von außen. Aus diesen 
Gründen benutzte ich diese Versuchsanordnung in der Folge nur 
zur Beobachtung der verschiedenen Stadien innerhalb weniger 
Stunden. 

Schon nach wenigen Stunden findet in der hohen Temperatur 
eine geringe Vergrößerung der Zellen in allen Dimensionen statt. 
Nach 12 Stunden finden sich nur mehr sehr wenig gut bewegliche 
Kurzstäbchen. Die Tochterzellen bleiben zu Fadenverbänden ver- 
einigt, die zuerst noch eine Gliederung erkennen lassen, später 
aber den Eindruck echter Fäden machen. Nach 24 Stunden findet 
man fast ausschließlich lange Fäden, die im hängenden Tropfen 
untersucht Schlangenwindungen ausführen. Sie sind nicht im ganzen 
Verlauf gleich dick, sondern zeigen Einschnürungen und besonders 
an den Enden mehr oder weniger deutlich kolbige Auftreibungen. 
Nach 48 Stunden fallen schon im ungefärbten Zustande etwas 
stärker lichtbrechende Kügelchen und Körnchen in den Fäden und 
in den verlängerten Stäbchen auf. Letztere sind teilweise gebläht 
und besitzen dann ein homogenes nur äußerst wenig lichtbrechendes 
Plasma. Die Enden der Fäden und auch mittlere Partien sind 


- 


Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. 5 


durch etwas stärkeres Lichtbrechungsvermögen und schwach ze- 
körnten Inhalt ausgezeichnet. Nach drei Tagen gewahrt man schon 
den Bakteriendetritus vom oben geschilderten Typus, aus dem sich 
nach Überimpfung auf frisches Agar bei Zimmertemperatur neue 
Reinkulturen unseres Bakteriums entwickeln. 

Die Veränderungen der Protoplasmastruktur der Bak- 
terien in den verschiedenen Entwicklungsphasen bringen mit Me- 
thylenblau tingierte Ausstrichpräparate sehr gut zur Anschauung. 
Ich benutzte dazu wenigstens ein halbes Jahr alte wässrige Lösungen 
dieses Farbstoffes. Die Färbedauer betrug eine halbe Stunde bei 
Zimmertemperatur. Wie bekannt erleiden durch das Altern Methylen- 
blaulösungen insofern eine Veränderung, als Methylenazur ge- 
bildet wird, welches basophile Zellbestandteile rot oder rot- 
violett färbt. Auch das Chromatin gewisser Protozoen färbt sich 
damit leuchtendrot. 

Wenn wir nun Ausstrichpräparate von 24stündigen bei 
345° C. gehaltenen Agarkulturen unseres Bakteriums mit alter 
wässriger Methylenblaulösung färben, so finden wir nebenhomogen 
blautingierten Zellfäden von gleichmäßiger Dicke solche, deren 
Protoplasma eine feine Körnelung erkennen läßt. Diese 
kleinen Granula haben eine etwas dunklere Farbe angenommen. 
In den Ausstrichpräparaten älterer bei hoher Temperatur gehaltener 
Asarkulturen bemerkt man in Fäden und wenigen Einzelindividuen 
verstreut im Protoplasma bereits größere Granula, dessen Farbe 
rotviolett ist. In der Folge fließen die kleineren Körnchen zu 
srößeren zusammen und endlich sieht man nur mehr ein einziges 
oder nur wenige in einem Zellfaden. Es hat eine endständige 
Lage. Inden kolbigen Auftreibungen bemerkt man in der blau ge- 
färbten Grundsubstanz oft mehrere rote Körner. Im gefärbten 
Bakteriendetritus finden sich die genannten Körner vollständig in 
einer schwach blau gefärbten Masse eingebettet. Allem Anscheine 
nach handelt es sich bei diesen Körnchen um ähnliche Gebilde, 
wie sie Babes und Ernst und Andere in den Bakterienzellen be- 
schreiben und die mitunter auch als sporogene Körner be- 
zeichnet wurden. Ich möchte nur mit Nachdruck hervor- 
heben, daß diese Gebilde keineswegs Degenerations- 
produkte sind, sondern gewiß eine große Bedeutung für 
die Erhaltung der Art besitzen, nachdem sich ausihnen selbst 
nach Monaten noch Bakterienvegetationen entwickeln. Ob wir in 
diesen Bildungen eine kondensierte Kernsubstanz der Bak- 
terienzelle erblicken dürfen, vermag ich nicht zu entscheiden. 
‚Jedenfalls aber ist ihr färberisches Verhalten gegenüber Methylen- 
azur sehr auffällig, nachdem der genannte Farbstoff gerade die 
Kernsubstanz der Malariaprotozoen und anderer niederer Tiere 
ebenso färbt. Aus diesem färberischen Verhalten allein einen 
Schluß auf die Chromatinnatur dieser roten Körner des Bakterien- 
detritus zu ziehen, erscheint mir dennoch nicht zulässig. Wohl aber 
sprechen viele andere Erscheinungen dafür, auf die ich hier nicht 
näher eingehen kann, die aber in einer später erscheinenden Ab- 
handlung berücksichtigt werden sollen. Bezüglich dieser Körnchen 
möchte ich nur noch hinzufügen, daß sie bei Differenzierungs- 


6 Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. 


färbungen den Farbstoff bedeutend länger zurückhalten 
als die übrige Bakterienzelle oder der Bakteriendetritus. 
Sogenannte endogene Sporen konnte ich bei Pseudomonas cerevisiae 
niemals nachweisen, weshalb wir in diesen Körnchen auch keine 
Sporenvorstufen erblicken dürfen. 

Aus dem bisher mitgeteilten geht hervor, daß Pseudomonas 
cerevisiae in der Tat einen großen Entwicklungskreis durchläuft, 
dessen einzelne Phasen durch das Auftreten ganz bestimmter 
Formen und Zellstrukturen gekennzeichnet sind, die unter den ge- 
nannten Bedingungen immer zu beobachten sind. 

Bisher wurden Verhältnisse erörtert, die sich bei der Zucht 
von Pseudomonas cerevisiae in Fleischbrühe, Nährgelatine 
oder Agar finden. Die genannten Nährsubstrate enthalten noch 
sehr hoch zusammengesetzte Stickstoffquellen und fördern das 
Wachstum der meisten Bakterien ganz wesentlich. Man hat aber 
auch schon früh erkannt, daß wenigstens für eine große Anzahl 
von Bakterienarten sehr einfache Stickstoff- und Kohlenstoffquellen 
genügen, wenn gewisse Salze in sehr geringen Quantitäten gleich- 
zeitig vorhanden sind. Die von Arthur Mayer angegebene 
„stickstofffreie, mineralische Nährlösung II (M-Nährlösung)“ enthält 
alle zum Aufbau der Bakterienzelle nötigen Elemente in ent- 
sprechenden Verbindungen mit Ausnahme des Stickstoffes, den ich 
als Chlorammonium in ein- bis zweiprozentiger Menge zufügte. 
Außerdem setzte ich noch als besondere Kohlenstoffquelle ein halb 
Prozent Saccharose zu. Es ist wohl überflüssig, die schon allseits 
anerkannten Vorzüge einer aus chemisch genau definierten und 
jederzeit in reiner Form erhältlichen Chemikalien hergestellten 
Bakteriennährsubstanz noch anzuführen. Inder oben beschriebenen 
Nährlösung gedeiht unsere Bakterienart bei Zimmertemperatur noch 
gut, wenn auch die Vermehrung der Zellen verhältnismäßig lang- 
sam geschieht. Im allgemeinen sind die Wuchsformen dabei etwas 
vergrößert. Auch hier teilen sich die eingeimpften Kurzstäbchen 
zuerst in bewegliche Zellen, die sich von einander anfangs trennen, 
später aber zu Ketten vereint bleiben und ihre Bewegungen ein- 
stellen. Einzelne Glieder der Ketten und die zu zweit vereinten 
Stäbchen ändern dann ihre Form und nehmen eine Keulengestalt 
an, die an Diphtheriebazillen erinnert. Die an einem Zellpol auf- 
getretene Auftreibung wird immer größer; der Inhalt dieser Ge- 
bilde ist nicht mehr homogen, sondern ein oder mehrere etwas 
stärker lichtbrechende Kügelchen werden darin sichtbar. Die ge- 
gliederten Kettenverbände sind von zwei bis drei derartigen Bil- 
dungen ungleich abgeteilt. Auffallend ist die Erscheinung, daß 
sich in den Ketten immer zwei Auftreibungen oder Kolben mit 
ihrem Scheitel berühren, während die Endauftreibungen der zu 
zweit vereinten Stäbchen an den von einander entfernten Zellpolen 
auftreten. Während nun die kolbigen Auftreibungen immer größer 
werden, nimmt die Anzahl der etwas stärker lichtbrechenden 
Körperchen in den von Anschwellungen freien Zellen des Fadens 
ab und ihr Inhalt verliert mehr und mehr sein ursprüngliches 
Lichtbrechungsvermögen. Sobald die Kolben ihre volle Größe er- 


Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. 7 


reicht haben, hat auch der nichtkolbig verdickte Teil des einseitig 
kolbig verdickten Stäbchens seinen Inhalt fast vollständig verloren 
und erscheint etwas zusammengezogen und leer. Dadurch nähert 
sich die Gestalt der fertisen Endkolben der Kugelform, ohne aber 
jemals vollständige Kugelform anzunehmen. Diese Kolben bleiben 
nun wochen- und monatelang in diesem Nährsubstrat lebensfähig. 
Im gefärbten Ausstrichpräparat sind sie nach Methylenblautinktionen 
entweder homogen dunkelblauviolett gefärbt oder enthalten in einer 
hellblauen Grundmasse ein oder mehrere rotviolette Kügelchen. 
In sehr alten Chlorammoniumkulturen bildet sich ein Bodensatz, 
in dem sich neben sehr großen gut färbbaren Kolben in über- 
wiegender Mehrheit die schon oft genannten Körnchen und Kügel- 
chen finden. Aus den Kolben und den zuletzt genannten Kügelchen 
entwickeln sich nach Übertragung auf einen frischen Nährboden 
neuerlich schwärmende Kurzstäbchen. 

Gerade im letztgenannten Nährboden sind die einzelnen Ent- 
wicklunesformen sehr scharf charakterisiert. 

Die Untersuchungen von Matzuschita, Hammerl und Anderen 
haben ergeben, daß gewisse Neutralsalze, darunter auch COINH,, 
einen gestaltgebenden Einfluß auf Bakterienzellen, insonder- 
heit Vibrionen, ausüben. Ich kann diese Befunde bestätigen, 
jedoch mit der Einschränkung, daß nur die Größe der Zellen 
mit zunehmendem Salzgehalt biszu einem gewissen Grade 
zunimmt und der Ablauf der einen Entwicklungsphasen 
dadurch beschleunigt wird. Dies gilt ganz besonders für das 
Chlorammonium. Erst ein großer Zusatz dieses Salzes von 
mindestens fünf Prozent bewirkt plötzliche Veränderungen der 
Bakterienformen, ohne daß dabei die einzelnen Entwicklungsstadien 
durchlaufen werden. Durch plötzlich erzeugte hohe Salzkonzen- 
trationen wird aber das Wachstum vollständig unterdrückt 
und die Zellen deformiert. Es kommt dann überhaupt nicht zur 
Bildung aller jener Formen, die derartig schädigende Einflüsse zu 
überdauern vermögen. Von der Richtigkeit dieser Anschauung 
belehrt uns folgender einfacher Versuch: Bringen wir etwas einer 
mehrere Monate alten Agarkultur von Pseudomonas cerevisiae in 
die früher angegebene Chlorammonium-Saccharose-Nährlösung mit 
einem Gehalt von zehn Prozent CINH, und bewahren diese Auf- 
schwemmung zwei Wochen hindurch auf, so findet keine formelle 
. Veränderung der Kügelchen des Bakteriendetritus statt. Eine Ent- 
wicklung unterbleibt. Säen wir nun diese Aufschwemmung nach 
Abzentrifugieren der Chlorammoniumlösung auf Nähragar aus, so 
entwickeln sich zahlreiche Kolonien unseres Bakteriums. DBe- 
handeln wir aber eine 18stündige Agarkultur ebenso, so werden 
die Zellen getötet, trotzdem das davon angefertigte Prä- 
parat eine Menge hypertropher Wuchsformen zeigt. Dieser 
Versuch zeigt aber noch mehr. Wie wir sehen, sind die jungen 
Schwärmzellen gegen schädigende Einflüsse viel weniger wider- 
standsfähig als die Formen des Endstadiums im Entwicklungskreis. 

Dies liegt aber auch in der Natur des Entstehens der einzelnen 
Formen des Entwicklungszyklus, Die verschiedenen scharf unter- 


8 Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. 


scheidbaren Formen entstehen entsprechend der Abnahme der 
günstigen Ernährungsbedingungen. Solange sozusagen optimale 
Bedingungen herrschen, entwickelt unser Bakterium ausschließlich 
Schwärmzellen. Erst später kommt es zur Bildung aller jener 
Formen, die unter den immer ungünstiger werdenden äußeren 
Verhältnissen für die Erhaltung der Art durch ihre zunehmende 
Widerstandsfähigkeit von der größten Bedeutung sind. Ganz 
analoge Verhältnisse finden wir ja auch bei den sporenbildenden 
Bakterien. Die in der freien Natur vegetierenden Bakterien sind 
nun so manchen plötzlich auf sie einstürmenden Schädlichkeiten 
ausgesetzt und solchen, die allmählich in verstärktem Maße auf sie 
wirken. Gegen erstere werden sie schutzlos, gegen letztere aber 
durch die Endformen ihres Entwicklungskreises gefeit sein. Solche 
langsam wirkende Einflüsse Können wir nun künstlich in den Rein- 
kulturen dadurch schaffen, daß wir die betreffende Bakterienspezies 
in Nährsubstraten züchten, die eben noch eine Vermehrung 
der Zellen zulassen. Dieses ist nun durch die Verwendung 
sehr einfacher Stickstoffquellen, wie es CINH, ist, leicht erreichbar. 
Andere Bakterienarten, die sich nur bei der Darreichung kompli- 
zierter Stickstoffquellen zu vermehren vermögen, müssen wieder 
bei der für sie eben noch ausreichenden N.-Quelle kultiviert werden. 

Es erhebt sich nun die Frage, ob jede Zelle den ganzen 
geschilderten Entwicklungskreis durchmachen muß oder ob durch 
Übertragung auf optimale Nährböden sich aus jeder Zwischenform 
die Stäbchenform wieder rückbilden kann. Für Pseudomonas cere- 
visiae läßt sich die Frage dahin entscheiden, daß in der Tat sich 
jede Form des Entwicklungskreises wieder in die Kurzstäbchenform 
zurückführen läßt. Jede Chlorammoniumreinkultur enthält ja die 
verschiedenen Entwicklungsformen gleichzeitig, da bei der Ver- 
impfung durchaus nicht nur gleichaltrige und gleichwertige Zellen 
übertragen werden. Wenn wir daher in einem hängenden Tropfen 
etwas von einer Chlorammoniumkultur oder einer bei höherer 
Temperatur gezüchteten Agarkultur unseres Bakteriums in Pepton- 
wasser verimpfen, können wir die Neubildung der Kurstäbchen 
direkt unter dem Mikroskop verfolgen. Es ergibt sich dabei die 
bemerkenswerte Tatsache, daß beider Rückentwicklung der Zwischen- 
formen genau die bereits durchlaufenen Stadien in umgekehrter 
Reihenfolge bis zum Kurzstäbchen zurückgelegt werden, wenn 
das Stadium der Endkolben noch nicht vollständig erreicht ist. 
Die etwas stärker lichtbrechenden Kügelchen verteilen sich in den 
Fadenbildungen in Form immer kleinerer Körnchen, wodurch der 
Zellinhalt ein immer homogeneres Aussehen erhält. Dann findet 
ein Zerfall in die einzelnen noch verlängerten Glieder statt, die 
sich dann durch Teilung in die schwärmenden Kurzstäbchen ver- 
wandeln. Sobald aber die Endkolben vollständig ausgebildet sind, 
wird nicht mehr das Stäbchen durch rückläufige Durchwanderung 
des Kolbenbildungsprozesses gebildet. Die Endkolben zeigen dann 
in ihrem Inhalt untereinander gleichgroße Körnchen und bekommen, 
das Aussehen von Sporangien. Am verschmälerten Ende des 
Kolbens treten dann diese Körnchen unter Zunahme ihrer Größe 


Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. 16) 


[2 


in Gestalt von Stäbchen aus, die noch als Kette vereint dem 
Kolben anhängen. Dann erst werden die Glieder frei und schwärmen 
als Kurzstäbchen in der Flüssigkeit. Auch aus den mit Methylen- 
azur rotviolett färbbaren Kügelchen des Bakteriendetritus bilden 
sich kurze Kettchen, die sich dann in die schwärmenden Zellen 
auflösen. 

Eine andere bemerkenswerte Erscheinung möchte ich nicht 
verschweigen, trotzdem ich sie noch nicht weit genug verfolgen 
konnte, um sie vollkommen zu erklären. Bei der Rückbildung 
der Fäden und verlängerten Stäbchen, entstehen meistens seitlich 
an der Zellwand kleine Warzchen, die sich langsam vergrößern 
und schließlich als homogene schwach lichtbrechende Kugeln ab- 
gestoßen werden. In einzelnen solchen Gebilden beobachtet man 
in der Folge eine Zerteilung des Inhaltes in 6—8 sich scharf ab- 
hebende Kügelchen, die dann austreten und sich nur wenig be- 
wegen. Sie sind sehr klein und besitzen eine runde Form. Später 
findet man sie nicht mehr in der Kultur. Trotz eifriger Be- 
mühungen ist es mir bis jetzt nicht gelungen, festzustellen, was 
aus ihnen wird. Ich muß deshalb die Frage offen lassen, ob sie 
für die weitere Entwicklung der Bakterienart von Bedeutung sind 
oder nur vergängliche Ausscheidungen der Bakterienzelle darstellen. 
Anknüpfend an diese Beobachtung möchte ich nur hinzufügen, daß 
Pseudomonas myzogenes, eine aus Flaschenbier isolierte Bakterien- 
art, auf die ich im folgenden noch zurückkomme, auf der Nähr- 
gelatine zwei differente Oberflächenkolonieformen regelmäßig bildet. 
Im Anfang dachte ich natürlich an eine Verunreinigung. Ich impfte 
nun unter dem Mikroskop von jeder Kolonie ab, und die davon 
angelegten Agarkulturen zeigten nicht die geringsten Unterschiede, 
ebensowenig konnte ich in gefärbten und ungefärbten Präparaten 
Differenzen zwischen den Stäbchen aus beiden Kolonien beobachten. 
Goß ich neuerlich Platten, so erhielt ich abermals beide Kolonie- 
formen. So oft ich auch diese Versuche wiederholte, die Ergeb- 
nisse blieben gleich. Es wurden übrigens auch von Dahmen für 
den Erreger der asiatischen Cholera zwei konstant auftretende 
Formen von Gelatineoberflächenkolonien beschrieben. Auch Pseudo- 
monas cerevisiae läßt geringe Unterschiede in den Kolonieformen 
auf der Gelatine bemerken, ebenso noch einige andere aus Flaschen- 
bieren reingezüchtete Bakterienarten. Ob wir für das Auftreten 
der beiden verschiedenen Formen „erade Generationen unserer 
Bakterienart, die von den oben beschriebenen aus den Kugeln aus- 
getretenen kleinsten Formen abstammen, verantwortlich machen 
dürfen, vermag ich zur Zeit nicht zu entscheiden. Voreilige Schlüsse 
dürfen eben nicht gezogen werden. 

Wir haben nun gesehen, daß sozusagen unter allen Bedingungen 
gewisse konstante Formveränderungen auftreten. Wenn ich kurz 
zusammenfassend meine Versuchsergehnisse mit Pseudomonas cere- 
visiae wiederhole, ergeben sich folgende Tatsachen: 

Pseudomonas cerevisiae durchläuft während ihres Lebens 
in verschiedenen Nährsubstraten einen ganz bestimmten 
Entwicklungskreis, dessen einzelne Phasen durch. das 


10 Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. 


Auftreten gut charakterisierten Formen gekennzeichnet 
sind. Die verschiedenen äußeren Bedingungen, wie erhöhte 
Temperaturen und ınäßiger Zusatz von Chlorammonium oder andren 
Salzen verändern die dabei auftretenden Formen nur in Bezug auf 
die Größe, wodurch die Untersuchung der gebildeten Entwicklungs- 
formen wesentlich erleichtert wird. Auch treten dabei die einzelnen 
Entwicklungsphasen viel deutlicher hervor, als in den mit Stoff- 
wechselprodukten überladenen Reinkulturen in exquisit ausgezeich- 
neten Nährsubstraten bei optimaler Temperatur. Aus diesen Gründen 
empfiehlt es sich, die Entwicklungskreise der Bakterien bei ihrer 
Zucht in einer das Wachstum eben noch zulassenden Nährlösung 
von ganz bestimmter Zusammensetzung, die jederzeit wieder genau 
gleich herstellbar ist. In solchen Nährlösungen bildet im Verlaufe 
der Entwicklung unsere Bakterienart verschiedene Formen, die von 
den meisten Autoren als Degenerationsprodukte bezeichnet wurden 
und noch werden, die sich aber bei genauerer Untersuchung als 
vollständig lebensfähig, ja sogar als widerstandsfähiger erweisen 
als die als normal und typisch betrachteten schwärmenden Kurz- 
stäbchen. Wir haben also in den Endformen des Entwicklungs- 
kreises unserer Bakterienart Gebilde vor uns, die für die Erhaltung 
der betreffenden Bakterienspezies von der allergrößten Bedeutung 
sind. Freilich ist ihre Resistenz gegen hohe Temperaturen viel 
geringer als die der Sporen. Trotzdem vertragen sie eine längere 
Austrocknung und die Einwirkung einer Reihe von schädlichen 
Einflüssen, wie sie sich in der freien Natur finden. Dazu rechne ich 
in erster Linie die Einwirkung hoher Salzkonzentrationen. In der 
Natur finden sich Bakterien überall dort, wo Wasser ist. Die 
Wassermenge ist aber fortwährenden Schwankungen unterworfen 
und sehr oft wird den Bakterien dieses lebenswichtige Substrat 
für längere Zeit vollständig entzogen. Es ist also für die Erhaltung _ 
der Art geradezu die Bildung entsprechender, Trockenperioden 
überdauernder Entwicklungsstadien eine Notwendigkeit. Geschähe 
dies nicht, müßten in kurzer Zeit eine große Menge von bekannten 
Bakterienarten des Ackerbodens und der Erde überhaupt aussterben. 
Bis es aber zur kompletten Austrocknung kommt, wirken auf die 
Zelle immer zunehmende Konzentrationen der gelösten Bestand- 
teile ein. Auch gegen diese die Zelle in gewissen Stadien ihrer 
Entwicklung äußerst schädigenden Einflüsse schützt sie sich durch 
die Bildung dagegen resistenter Formen. 

Es haben sich schon zahlreiche Autoren mit der Frage nach 
der Ursache der formellen Veränderungen der Bakterienzelle be- 
schäftigt und dafür chemisch-physikalische Einflüsse verantwortlich 
gemacht. So geben Schwankungen in der Konzentration der Salz- 
lösungen zu osmotischen Störungen Anlaß, die sich natürlich auch 
in der Struktur und Form der Zelle wiederspiegeln werden. Ich 
erwähne nur die plasmolytischen Erscheinungen. Treten derartige 
. Störungen plötzlich mit großer Intensität auf, kommt es zur Ver- 
nichtung der Zellen, schwellen sie aber allmählich an, dann sind 
sie eben nur ein äußerer Reiz für die Bildung der entsprechenden 
Schutzformen, denn es ist mit dem Begriff der lebenden Zelle un- 


Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. 11 


vereinbar, sie einfach als Spielball der auf sie einstürmenden 
äußeren Einflüsse aufzufassen. 

Mit der Feststellung des Entwicklungszyklus von einer ein- 
zieen Bakterienart ist aber noch nicht viel getan. Daraus kann 
für die vielen anderen Bakterienarten nichts verallgemeinert werden. 
Es könnte ja die früher angegebene Chlorammoniumnährlösung auf 
alle darin überhaupt wachsenden Bakterienarten den gleichen Ein- 
fluß ausüben, womit allerdings die Zusammengehörigkeit aller Bak- 
terien und eine Pleomorphie derselben im richtigen Sinne des 
Wortes erwiesen wäre. Anderseits könnte sich jede Bakterienart 
dem genannten Nährsubstrat gesrenüber und inbezug auf die hohen 
Temperaturen anders verhalten, womit wieder auf eine sehr große 
Selbstständigkeit der einzelnen Bakterien hingewiesen und der bis- 
her im allgemeinen nur auf physiologischen Merkmalen aufgebaute 
Zusammenhang zwischen einzelnen Bakterienarten noch mehr ge- 
lockert würde. Ich konnte nun aus Flaschenbier eine zweite 
Bakterienart isolieren, die ich wegen ihrer Fähigkeit, Schleim zu 
bilden, Pseudomonas myxogenes nannte. Diese Bakterienart ist 
etwas kleiner als Pseudomonas cerevisiae und besitzt die Fähigkeit, 
einen fluoreszierenden Farbstoff zu bilden. Sie unterscheidet sich 
noch durch viele andere physiologische Merkmale, auf die hier 
nicht eingegangen werden kann, und bildet überdies noch wesentlich 
anders aussehende Kolonien auf der neutralen zehnprozentigen 
Nährgelatine. Beide genannten Bakterienarten sind eigentlich nur 
durch ihre Begeißelung einander nähergebracht, da sie an einem 
Ende ein Büschel von Geißeln tragen. Pseudomonas myxogenes 
verhält sich nun hinsichtlich ihres Entwicklungskreises bei hohen 
Temperaturen und in Chlorammoniumnährlösung ebenso wie Pseu- 
domonas cerevisiae.e Wir müssen also diese beiden Bakterienarten 
trotz ihrer bedeutenden sonstigen Unterschiede verwandtschaftlich 
knapp aneinander reihen. Bei diesen Bieruntersuchungen fand 
sich noch eine Bakterienart, die im wesentlichen ebenfalls den 
gleichen Entwicklungskreis aufweist. Es erscheint mir überflüssig, 
hier nochmal auf die Besprechung der einzelnen Formen einzu- 
sehen. Ich habe dann noch eine sich kulturell und in ihrer 
Wirkung auf die verschiedenen Nährböden scharf von der überall 
vorkommenden Pseudomonas fluorescens unterscheidende Pseudomonas 
dermatogenes aus Bier isoliert, die ebenfalls einen fluoreszierenden 
Farbstoff bildet. Die letztgenannte Bakterienart unterscheidet sich 
von der fluoreszierenden Pseudomonas mgxogenes durch die von ihr 
hervorgerufenen Zersetzungen der Nährsubstrate verhältnismäßig 
nur wenig. Untersucht man aber ihren Entwicklungszyklus, so 
findet man wesentlich andere Formen, sodaß in verwandschaftlicher 
Beziehung diese beiden Arten weit von einander zu stellen sind, 
trotz ihres ähnlichen biologischen Verhaltens. Der Entwicklungs- 
zyklus von Pseudomonas dermalogenes gleicht aber dem von Pseu- 
domonas fluorescens Mig. Diese wenigen Andeutungen werden ge- 
nügen, um die Hinfälligkeit der Verwendung von Lebensäußerungen, 
bestehend in Veränderungen des Nährsubstrates und in Bildungen 
bestimmter Produkte, als artbestimmende Merkmale darzutun 


12 Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. 


Ebenso ungerechtfertigt ist es, die Tierpathogenität oder gar die 
Virulenz als charakteristisches Speziesmerkmal anzuführen. An- 
dererseits aber besitzen wir in den Entwicklungskreisen der ein- 
zelnen Bakterienarten für sie scharf charakterisierte und soweit 
die Erfahrung bisher lehrt, dauernde Merkmale, auf die ein natür- 
liches System der Bakterien aufgebaut werden kann. Auch werden 
dadurch neue verwandschaftliche Beziehungen der einzelnen Bak- 
terienarten unter einander aufgedeckt. Welch reiche Ergebnisse 
entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen von sporenbildenden 
Bakterenarten liefern, haben die schönen Arbeiten von Migula 
und Arthur Mayer und ihre Schule und Andere gezeigt. Auch 
die neueren Abhandlungen über die Strukturen der sich teilenden 
Bakterienzellen haben für die Beurteilung der Stellung der Bak- 
terienzelle in der belebten Natur beachtenswerte Winke gegeben. 
So interessant eine eingehende Erörterung aller dieser Befunde 
wäre, muß ich hier doch darauf verzichten und mir dieselbe für 
meine spätere umfassende Darstellung aufsparen, worin die Ent- 
wicklungszyklen noch einer Reihe von anderen Pseudomonas-Arten 
besprochen werden sollen. 


Tafelerklärung. 


Fig. 1 stellt das Photogramm eines mit 1/, Karbolfuchsin gefärbten Ausstrich- 
präparates einer 24stündigen bei Zimmertemperatur gewachsenen Pepton- 
wasserkultur von Pseudomonas cerevisiae bei 1000facher Vergrößerung 
dar. Wir sehen hiernur kurze an den Enden abgerundete Stäbchen, an 
denen keine besonderen färberischen Erscheinungen festzustellen sind. 


„ 2. Von der in Figur 1 dargestellten Bakterienkultur wurde eine Abimpfung 
auf Fleischwasser-Agar gemacht und 18 Stunden bei 34,5° C. gehalten. 
Den nach dieser Zeit mit !/; Karbolfuchsin tingierten Agarrasenausstrich 
von Pseudomonas cerevisiae zeigt unser Photogramm bei 1000facher Ver- 
größerung. Wir sehen die verlängerten und teilweise zu Fäden umge- 
wandelten Stäbchen, in deren Inhalt durch die intensive Fuchsinfärbung 
ein Hervortreten von Strukturen verhindert ist. 


3. Der hier dargestellte Ausstrich stammt von einer durch 24 Stunden bei 
34,5° ©. gehaltenen Agarkultur von Pseudomonas cerevisiae, bei 1000- 
facher Vergrößerung. Gefärbt wurde aber mit alter, wässriger Methylen- 
blaulösung durch eine Viertelstunde. Die Fadenbildung ist weiter fort- 
geschritten. In dem nur blaßblau tingierten Plasma der Fäden sehen 
wir dunkle, verschieden große Körnchen, die sich an gewissen Stellen, 
besonders an den Polen zu größeren im .‚Photogramm schwarz aus- 
sehenden Massen vereint haben. Alle diese Gebilde erscheinen im Prä- 
parat violettrot gefärbt. 


4. Dieses Photogramm entspricht einer 48 Stunden bei 34,5°0. gezüchteten 
Agarkultur von Pseudomonas cerevisiae, doch bei 2000facher Vergrößerung. 
Die kleinen Körnchen haben sich zu größeren Kugeln gesammelt, die 
im schwach gefärbten Plasma liegen. Das Bild erinnert an einen sporen- 
tragenden Zellfaden. Doch wurde auch hier mit Methylenblau gefärbt 
und die schwarzen Kügelchen sind im Präparat vom Methylenazur rot- 


Beihefte zum Botanischen Centralblatt Bd. XXIII. Abt. 1. Tafel 1. 


F. Fuhrmann phot. Verlag von C. Heinrich, Dresden-N. 


0: 


Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. 13 


violett tingiert. Bei der Anwendung der üblichen Sporenfärbungsme- 
thoden entfärben sie sich in der vorgeschriebenen Differenzierung voll- 
ständig. 


. Hier sehen wir den mit Methylenblau gefärbten Bakteriendetritus von 


Pseudomonas cerevisiae, bei 1800facher Vergrößerung. In der kaum ge- 
färbten und nur wenig strukturierten Grundmasse liegen die schwarzen, 
in Wirklichkeit rotviolett tingierten Körnchen, die sich durch Resistenz 
gegen Trockenheit und höhere Salzkonzentrationen auszeichnen. Aus 
ihnen entwickeln sich auf frischen Nährböden neue Bakterienvegetationen. 


Pseudomonas cerevisiae wurde bei Zimmertemperatur durch fünf Tage 
in Chlorammonium-Saccharose-Nährlösung gezüchtet und von. der ent- 
standenen zarten Kahmhaut ein mit Methylenblau gefärbtes Ausstrich- 
präparat hergestellt. Vergrößerung 1200fach. Die Zellen sind vergrößert 
und zum Teil keulenförmig aufgetrieben. Dieser Teil ist dunkler gefärbt. 
Außerdem fallen die Kettenverbände auf. Die feinen Körnchen im Plasma 
kommen im Photogramm nicht mehr zur Anschauung. 


Auch hier sehen wir neben Fadenbildung und gering kolbig aufge- 
triebenen Zellen einen schön ausgebildeten Endkolben. Vergrößerung 
1200. 


Dieses bei 1000facher Vergrößerung aufgenommene Photogramm eines 
Ausstriches einer Chlorammonium-Saccharose-Kultur von Pseudomonas 
cerevisiae zeigt sehr schön die Entstehung der Endkolben. Gefärbt 
wurde mit Methylenblau. Im linken Zellenpaar enthält die kolbige Auf- 
treibung nur ein kleineres dunkel gefärbtes Korn, das in den rechten 
Zellen bereits die volle Größe erreicht hat und den ganzen Kolben erfüllt. 


entspricht ebenfalls einem aus Chlorammonium-Saccharose-Kultur von 
Pseudomonas cerevisiae hergestellten mit !/; Karbolfuchsin gefärbten 
Ausstrichpräparat. In dem linken Zellenpaar sieht man an der unteren 
Zelle ein seitliches Knöpfchen, das später abgeschnürt wird und mit- 
unter in kleinste Teile zerfällt, deren weiteres Schicksal ich noch nicht 
feststellen konnte. Die anderen Zellen zeigen sehr schöne kolbige Auf- 
treibungen. Vergrößerung 2000. 


Es wurde der Bodensatz einer älteren Chlorammonium-Saccharose-Kultur 
von Pseudomonas cerevisiae in Peptonwasser verimpft. Nach 12 Stunden 
fertigte ich davon ein Ausstreichpräparat an und färbte es mit Methylen- 
blau. Unser Photogramm zeigt uns einen Endkolben, aus dem sich die 
lichtblau tingierten Stäbchen entwickeln. Man sieht daran die Zellkette 
noch hängen. Die im Präparat gut sichtbare Struktur des Endkolbens, 
resp. die präformierten Stäbchen darin kommen im Photogramm nicht 
zum Ausdruck, Vergrößerung 1200. 


14 


Ozellen und Lichtkondensoren 
bei einigen Peperomien. 


Von 
Dr. P. Schürhoff. 


Mit Tafel II und III. 


1. Peperomia metallica Lind. et Rod. 


Bei den Vorbereitungen zu einer Vorlesung fand ich im 
Blattquerschnitt von Peperomia metallica an Stelle der Palisaden- 
zellen eiförmie gestaltete Zellen, die mit der Spitze nach der 
Unterseite des Blattes orientiert waren, während der halbkugel- 
förmige Teil der Oberseite zugekehrt war. 

Diese Form der Assimilationszellen ist bereits von Noll!) 
bei verschiedenen sSelaginellen beobachtet worden und als Be- 
leuchtungsapparat erklärt. „Die?) nach außen gewölbten Zellen 
wirken als linsenförmige Lichtkondensoren, in dem die senkrecht 
zur Oberfläche des Blattes einfallenden Strahlen teils durch 
Brechung, teils durch totale Reflexion an der Trichterwand gegen 
die Basis der Zelle geleitet werden und die hier angesammelten 
Chloroplasten intensiver durchleuchten.“ 

Die trichterförmigen Palisadenzellen von Peperomia metallica 
zeichneten sich in verschiedener Weise aus. Sie enthielten 
Chlorophyllkörner, jedoch stets nur vier. Diese waren von 
außerordentlicher Größe, sie lagen stets in dem unteren Teile der 
eiförmigen Zelle, so daß in derselben Weise wie nach Noll’s Unter- 
suchungen bei den Selaginellen auch hier die Lichtstrahlen “stets 
auf den Assimilationsapparat reflektiert wurden. Ganz auffallend 
war, daß die Chloroplasten stets gleiche Größe besaßen, fast voll- 
kommen rund waren und die des Schwammparenchyms an Größe 
um das Mehrfache übertrafen. 

Der durch die Form der Zellen und die Lage der Chloro- 
plasten geschaffene Beleuchtungseffekt wird aber noch wesentlich 


!) Noll, Arbeiten des botan. Institutes in Würzburg. Bd. III. 1888. 
2) Haberlandt, Physiologische Pflanzenanatomie. Leipzig 1904. S. 257. 


Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien. 15 


gefördert durch das Vorkommen von Kalziumoxalatdrusen in un- 
gefähr der Hälfte aller Palisadenzellen. 

Figur 1 zeigt diese eigenartigen Palisadenzellen schräg von 
unten. Man sieht die Vierzahl der Chloroplasten, besonders deutlich 
bei a; b zeigt die großen Kalziumoxalatdrusen. Das Photogramm 
wurde nach einem frischen, ungefärbten Schnitt hergestellt. 

Das Blatt von Peperomia metallica besitzt, ebenso wie alle 
andern Peperomia-Arten, unter der Epidermis der Oberseite ein 
‘ Hypoderm; dieses ist bei Peperomia metallica mehrschichtig, was 
bei andern Peperomia-Arten auch vorkommt, wie es insbesondere 
Pfitzer!) nachgewiesen hat. 

In neuerer Zeit hat Haberlandt?) in der Epidermis von 
Peperomia metallica Zellbildungen gefunden, die er als Lichtsinnes- 
organe anspricht. Die sehr auffallenden eiförmigen Palisadenzellen 
mit ihren eigrenartigen Lichtkondensoren beschreibt er nicht. 
Seine diesbezüglichen Ausführungen seien im folgenden kurz 
angeführt: 

„Die großen Laubblätter von Peperomia metallica sind mit 
einem mächtigen Wassergewebe versehen und besitzen auf ihrer 
Oberfläche zahlreiche fast kreisrunde Höckerchen, die mehrzellige 
Sammellinsen vorstellen. Auf dem Blattquerschnitt sieht man, dab 
jede Linse von einer Gruppe tangential „eteilter Epidermiszellen 
gebildet wird, die sich sphärisch vorwölbt. Genau unter der Mitte 
dieser Linse befindet sich eine Ölzelle mit etwas abgeflachtem Öl- 
tropfen, der als zweite Sammellinse fungiert. Stellt man beim 
Linsenversuch auf die untere Querwand der unter der Olzelle ge- 
legenen relativ niedrigen Wassergewebezelle ein, so sieht man 
wieder in der Mitte das hell leuchtende Mittelfeld, umgeben von 
einem eanz dunkeln Saume, und um diesen herum noch einen 
ziemlich breiten lichten Hof als optischen Effekt der flachen epi- 
dermalen Sammellinse. Bei schräger Beleuchtung tritt selbstver- 
ständlich wieder eine prompte Verschiebung dieser Helliekeits- 
verteilung ein. — Die gewöhnlichen Epidermiszellen sind mit flachen 
Außenwänden und ebensolchen oder nur schwach gebrochen vor- 
gewölbten Innenwänden versehen, zur Lichtperzeption daher nicht 
geeignet.“ 

Zu diesen Ausführungen Haberlandt’s möchte ich bemerken, 
daß es mir nicht gelungen ist, die beschriebenen „Ozellen“ an 
Peperomia metallica aufzufinden. Die Epidermis bestand stets aus 
kaum vorgewölbten Zellen; ÖOltropfen fanden sich in der Hypo- 
dermis überhaupt nicht vor. Dagegen besaß die Oberseite des 
Blattes sowohl wie die Unterseite zahlreiche Drüsenhärchen, die 
sich in muldenförmigen Einsenkungen der Epidermis befanden, so 
daß das Drüsenköpfehen kaum zur Hälfte über die Oberfläche der 
Epidermis hervorragte (s. Fig. 6, «a.). 


!) Pfitzer, Mehrschichtige Epidermis ete, (Pringsheims Jahrbücher, 
Bd. VIII. 1871—72. 8. 26—31.) 

») Haberlandt, Die Lichtsinnesorgane der Laubblätter. Leipzig 1905, 
Seite 116. 


16 Schürhoff, Özellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien. 


Bei Lupenbetrachtung sieht man denn auch, besonders deut- 
lich an der glänzenden Blattoberseite, die grübchenartigen Ver- 
tiefungen, in denen diese Drüsenhaare sitzen. Linsenförmige Er- 
höhungen der Epidermis waren nicht wahrzunehmen. 

Dagegen scheinen die Drüsenhaare der Oberfläche zur Licht- 
perzeption geeignet; sie stehen in dieser Beziehung wohl auf einer 
Stufe mit den Öltröpfchen, denen Haberlandt!) bei Peperomia 
magnoliaefolia diese Eigenschaft zuschreibt, auch „die darunter befind- 
liche Wassergewebszelle ist 1!/, bis 21/, mal so hoch als die Ölzelle“. 

Die Palisadenzellen enthalten einen verhältnismäßig großen 
Zellkern, außerdem sehr häufig eine Kalziumoxalatdruse und die 
vier großen runden Chloroplasten. Die Kristalldrusen wirken 
augenscheinlich als Lichtkondensoren und -Reflektoren; sie legen 
stets zwischen Lichtquelle und den Chloroplasten. 

Kocht man ein ganzes Blatt in Chloralhydrat — man kann 
auch die Epidermis der Oberseite mit der Hypodermis vorher ab- 
ziehen, was keine Schwierigkeiten verursacht — so sieht man bei 
mikroskopischer Betrachtung, daß die Kristalldrusen stets in den 
Palisadenzellen vorhanden sind, die über den Nerven liegen, sie 
begleiten auf diese Weise die einzelnen Gefäßbündel und zwar in 
Reihen von sechs bis zwölf nebeneinander; auf diese Weise wird 
beinahe die Hälfte aller Zellen mit Kristalldrusen versehen. 

Die regelmäßige Vierzahl der Chlorophylikörner legte die 
Vermutung nahe, daß es sich eventuell um selbständige organische 
Lebewesen handeln könnte, vor allem fanden sich Analogien mit 
Oyanophyceen, speziell mit Gloeocapsa ähnlichen Formen, Versuche, 
die darauf ausgingen, diese Chlorophyllapparate zu isolieren und 
außerhalb der Pflanze zu züchten, hatten bisher jedoch keinen 
Erfolge. Auch gelang es nicht mit Hilfe der neuesten mikro- 
technischen Methoden Zellkerne nachzuweisen, was ja bei den 
Oyanophyceen immer noch auf große Schwierigkeiten stößt, wenn 
auch die Arbeiten von Kohl?) und Olive:) das Vorhandensein von 
Zellkernen bei den Oyanophyceen sichergestellt haben. 

Gegen die Annahme, daß es sich um selbständige Lebens- 
formen handeln könnte, spricht vor allem der Umstand, daß diese 
Assimilationsorgane in lebende Zellen eingeschlossen sich vorfinden, 
während wir sonst bei Symbiose der Oyanophyceen ein Vorkommen 
derselben nur in den Interzellularen finden. Ausschlaggebend ist 
diese Tatsache darum noch nicht, so daß wir durch entwicklunges- 
eeschichtliche Untersuchung und vergleichende Anatomie allein 
eine Klarstellung dieser Verhältnisse gewinnen können. 

Das entwickelte Blatt zeigt also, wie erwähnt, unter der ein- 
bis mehrschichtigen Hypodermis als einzige Palisadenschicht die 
charakteristischen eiförmigen Zellen. Die Hypodermiszellen sind 
bedeutend größer, so daß an der Basis der einzelnen Hypodermis- 


ı) Haberlandt, Die Lichtsinnesorgane der Laubblätter. S. 116, 117. 

2) Kohl, J. G., Über die Organisation und Physiologie der Cyano- 
phyceen-Zelle ete. Jena 1903. 

®) Olive, E. W., Methodie division of the muclei of the Oyanophyceae; 
(Beihefte z. bot. Centralblatt. 1904. 8. 10.) 


Schürhoff, Özellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien. 17 


zelle ungefähr vier bis zehn (im Querschnitt meist zwei bis drei) 
Palisadenzellen anliegen. Interzellularräume werden zwischen 
beiden Zellenlagen nicht gebildet. Im Querschnitt zeigen die 
Palisadenzellen nach Fixierung mit Chromosmiumessigsäure und 
Färbung mit Safranin-Gentianaviolett einen Zellkern, der ungefähr 
in der Mitte der Zelle liegt, meistens gerade oberhalb der Chloro- 
plasten und noch in Berührung mit ihnen. Zum Unterschiede von 
den Kernen der Hypodermis und des Parenchyms besitzt er stets 
runde Gestalt, während die erwähnten anderen Kerne sehr häufig 
gestreckt sind. 

Im unteren Drittel, bez. in der unteren Hälfte liegen die vier 
großen, intensiv dunkelgrün gefärbten Chlorophylikörner. Sie haben 
runde, höchstens etwas eiförmige Gestalt. Mit Chloralhydrat auf- 
gehellte, oder auch einige Zeit in Wasser liegende Präparate 
lassen in den Körnern ein maschiges Gewebe erkennen. Bei der 
Färbung mit Safranin-Gentianaviolett haben sie ein blaßrötliches 
Aussehen erhalten. Im Innern zeigen sie mehrere dunkler gefärbte 
Körnchen, hier und da scheint ein größeres dieser Körnchen von 
einem helleren Hofe umgeben zu sein. 

Während bei den höheren Pflanzen ein begrenztes, fest be- 
stimmtes Mengenverhältnis von Chloroplasten in der einzelnen Zelle 
bisher nicht bekannt war, finden wir, zZ. B. bei der Lebermoos- 
sattung Amthoceros!), in den assimilierenden Thalluszellen einen 
einzigen Chloroplasten. Bei Selaginella kommen ebenfalls ein, bei 
manchen Arten auch zwei Chloroplasten vor, z. B. bei Selaginella 
caesia. Die von Haberlandt!) gegebenen Abbildungen, Figur 97 A 
und B, zeigen in mehrfacher Beziehung große Ahnlichkeit mit den 
Palisadenzellen von Peperomia metallica. Sie sind gleichfalls mit 
einer linsenförmig vorgewölbten oberen Membran versehen; die 
Chloroplasten liegen auch im unteren Teile der etwas trichterförmig 
gestalteten Zelle, während der obere Teil frei bleibt; der Zellkern 
ist ebenso wie bei Peperomia gelegen. 

Die Unterschiede liegen vor allem an dem regelmäßigen Vor- 
kommen der gleich zu besprechenden Kristalldrusen, die der 
Peperomia eine noch größere Ausnutzung der Lichtstrahlen er- 
möglichen. Diese Drusen aus oxalsaurem Kalk fehlen fast in keiner 
Zelle, während sie sonst im Blatte überhaupt nicht vorkommen. 
Die einzelnen Spitzen der Drusen sind besonders scharf. Kocht 
man ein Blattstückchen in Chloralhydrat, oder legt man es durch 
Alkohol und Xylol in Canadabalsam ein, so findet man, daß die 
Drusen sich über den einzelnen Gefäßbündeln besonders gut aus- 
gebildet finden, sie verlaufen meistens in Reihen zu sechs bis zehn 
nebeneinander. 

Sonst kommt Kalziumoxalat im Blatt nur in Form von Einzel- 
kristallen als Begleiter der Gefäßbündel vor, doch auch nur in 
geringer Menge. 

Plasma ist in den Palisadenzellen nur spärlich vorhanden; 
Schleim fehlt gänzlich. 

ı) Haberlandt, Physiol. Pflanzenanatomie. S. 237. 
Beihefte Bot. Centralbl. Bd. XXIII. Abt, I, Heft 1, 2 


18  Schürhoff, Özellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien. 


Das unter der Palisadenreihe liegende Parenchym unter- 
scheidet sich vor allem durch die viel kleineren Chlorophylikörner 
(Fig. 2, b). Sie befinden sich in wechselnder Anzahl in den Zellen, 
ihre Form unterscheidet sie gleichfalls sehr von denen der Palisaden- 
zellen: denn während letztere höchstens ein wenig eiförmig sind, 
haben diese oft eine längliche, meistens linsenförmige Gestalt; sie 
sind von der Seite gesehen manchmal zwei- bis dreimal so lang 
wie breit. Die Färbung mit Safranin-Gentianaviolett hat ihnen 
dasselbe blaßrote Aussehen verliehen wie den Chloroplasten in 
der Palisadenreihe; auch in ihnen sieht man kleine Körnchen, die 
sich etwas dunkler rot gefärbt haben, auch zeigen sie deutlich er- 
kennbare kleine Vakuolen. 

Die Zellkerne unterscheiden sich, wie erwähnt, von denen 
der Palisadenreihe dadurch, daß sie oft eine etwas gestreckte Form 
annehmen. 

Behandelt man einen aus frischem Material hergestellten Quer- 
schnitt mit Alkohol zur Entfernung der Luft und des Chlorophylis 
und fügt dann Jodlösung hinzu, so findet man, daß die Chloro- 
plasten der Palisadenzellen so gut wie gar keine Stärkekörnchen, 
oder doch nur sehr kleine enthalten, alle Zellen des chlorophyll- 
führenden Parenchyms jedoch mit ziemlich großer rundlicher Stärke 
versehen sind. Dies ist ein Zeichen, daß die Assimilationsprodukte 
der Palisadenreihe sehr schnell weiter geleitet werden, obgleich 
sie doch in bedeutend größerer Menge hier gebildet werden als 
im Schwammparenchym. Letzteres kommt als Assimilationsgewebe 
der Palisadenreihe gegenüber kaum in Betracht und zeigt doch fast 
ausschließlich die Assimilationsprodukte. Diese Tatsache steht in 
Einklang mit Haberlandt!): „Und umgekehrt kann bei sehr leb- 
hafter Assimilation die Entstehung größerer Stärkeeinschlüsse voll- 
kommen unterbleiben, sobald nur die Assimilationsprodukte sofort 
nach ihrer Entstehung abgeleitet werden. Dies ist z. B. sehr 
häufige bei den Chlorophylikörnern der spezifischen Assimilations- 
zellen (der Palisadenzellen) der Fall, während die Chlorophyl- 
körner des Schwammparenchyms, der Stengelrinde u. s. w. trotz 
geringerer Assimilationstätigkeit die erzeugten Stärkeeinschlüsse 
länger in sich aufspeichern. 

Bei einem mitteleroßen Blatt ist die mehrschichtige Hypo- 
dermis bereits größtenteils entwickelt. Die Palisadenzellen haben 
dieselbe Form wie die gänzlich ausgewachsenen Blätter. Die vier 
Chloroplasten befinden sich bereits im unteren Teile der Zelle, 
während in der oberen Hälfte die Kalziumoxalatdruse schon ent- 
wickelt ist. Die Maße sind jedoch überall etwas kleiner wie beim 
voll entwickelten Blatte. Der eigenartige Assimilationsapparat ist 
also bereits vollkommen fertiggestellt. 

Die Chlorophylikörner des Schwammparenchyns scheinen schon 
vollkommen entwickelt zu sein, auch hinsichtlich ihrer Größe. 

Auch bei einem noch sehr kleinen Blatte von ungefähr 
4 mm Breite und 1 cm Länge ist der Chlorophyllapparat schon 


ı) Phys. Pflanzenanatomie. 1904. S. 239. 


Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien. 19 


fertig angeleet, z. T. sind die Kristalldrusen auch schon gebildet. 
Die Chloroplasten sind bereits am Grunde der Palisadenzellen ge- 
lagert und zeigen gegen die andern Ohlorophylikörner bedeutende 
Größenunterschiede. 

In diesem Stadium findet eine rege Vermehrung der Palisaden- 
zellen statt. Hand in Hand damit geht die Teilung der Chloro- 
plasten. Diese verläuft in zweierlei Weise: Entweder überwiegt 
die Schnelligkeit der Zellvermehrung oder die der Teilung der 
Chloroplasten; daher finden wir denn sowohl ziemlich kleine Zellen 
mit z. T. zwei großen Chloroplasten (Fig. 4, e) als auch große, breite 
Palisadenzellen mit meistens acht kleineren Chloroplasten (Fig. 4, b). 
Natürlich finden wir auch bei den ersteren, je nach dem Fortschritt 
der Teilung, drei und vier Chloroplasten (Fig 4,c,d) und bei den 
letzteren außerdem wohl vier, fünf, sechs und sieben Chloroplasten. 
Diese beiden Arten der Vermehrung der Chlorophyllkörner im be- 
stimmten Verhalten zur Zelle finden sich jedoch bei derselben 
Pflanze vor. 

Die Drusen sind noch sehr klein, sie bestehen meistens nur 
aus wenigen Kriställchen, auch in den Zellen, in denen sich die 
Anzahl der Chloroplasten bis auf acht vermehrt hat, tritt nie mehr 
wie eine Druse auf. 

Wenden wir uns nunmehr zur Untersuchung eines sehr jungen 
Stadiums. Die Blätter besaßen nur eine Breite von 1,5 mm; sie 
waren noch mit den Oberseiten aneinander gelegt, so daß sie für 
die Assimilation so gut wie gar nicht in Betracht kamen. Die Länge des 
Blattes betrug ungefähr 3 mm. In diesem Zustande war die Epi- 
dermis noch nicht zur Bildung der Hypodermis übergegangen. An 
der Epidermis befanden sich reichlich Kleine Drüsenhaare; diese 
Haare waren ungestielt, jedoch konnte man beobachten, daß 
eine stielartige Zelle durch die Epidermis zur Palisadenreihe führt. 
Unter der einschichtigen Epidermis befindet sich die Anlage der 
Palisadenzellen. Schon in diesem frühen Zustande bemerkt man 
eine tiefgrüne Färbung dieser Schicht, die sich vom Parenchym 
scharf abhebt. Die Chloroplasten befinden sich z. T. schon in 
Vierzahl in diesen Zellen. Sie sind jedoch noch sehr klein und 
zeigen häufig eine Einschnürung in der Mitte — Es erhellt 
hieraus gleichzeitig, daß wir es mit richtigen Chloroplasten zu tun 
haben, denn die einzelligen Algen weisen ein derartiges nachträg- 
liches Wachstum nicht auf. Im übrigen stellt die vergleichende 
Anatomie der Gattung Peperomia diese Tatsache weiterhin sicher. 
— Die Lagerung der Chloroplasten ist noch ohne bestimmte An- 
ordnung, die Drusen fehlen selbstverständlich., Die Zellen weisen 
auch noch nicht ihre eigentümliche trichterartige Form auf; sie 
sind jedoch schon etwas höher wie breit und besitzen ungefähr 
den vierten Teil der Längen- und Breitemaße der angewachsenen 
Zelle. 

Es erhellt hieraus, daß der Beleuchtungsapparat noch nicht 
ausgebildet ist. Die Lagerung der Öhloroplasten, die doch auf 
Lichtreize zurückzuführen ist, kann natürlich in der zu erwarten- 
den Weise noch nicht durchgeführt sein, da das Licht, wegen des 


DES 
Ad 


20 Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien. 


Aneinanderneigens der Oberfläche von der Mittelrippe aus, nur von 
unten her eindringen kann. 

Wir sehen also in den Palisadenzellen von Peperomia metallica 
eigenartige Anpassungen, die geeignet sind, kleine Spuren Licht 
der Assimilationstätiekeit noch voll dienstbar zu machen. Wie 
sehr die Palisadenzellen darauf eingerichtet sind, jede Spur Licht 
für sich nutzbar zu machen, zeigt ein Querschnitt durch das ent- 
wickelte Blatt. Man erkennt sofort, daß die Zellen des Schwamm- 
parenchyms für eine erfolgreiche Assimilationstätigkeit kaum noch 
inbetracht kommen. Zudem ist das Schwammparenchym zum 
größten Teile mit intensiv rotem Zellsaft erfüllt, sodaß fast jede 
Spur Licht absorbiert wird. 


2. Peperomia Saundersii D. C. 


Ähnliche Verhältnisse wie bei Peperomia metallica treffen 
wir bei Peperomia Saundersii. Die Epidermis ist ebenso gebaut 
und enthält eleichfalls dieselben Drüsenhaare mit den Wasser- 
gewebszellen, sodaß wir hier wahrscheinlich auch von Licht- 
perzeptionsapparaten in Sinne Haberlandt’s sprechen können. 

Die auf die mehrschichtige Hypodermis des ausgewachsenen 
Blattes folgende Palisadenreihe ist auch hier nur eine Zellreihe 
hoch; die Zellen sind gleichfalls trichterförmig, aber bedeutend 
kleiner wie bei der erstgenannten Art. Auch ist die Trichterform 
der einzelnen Zellen bei weitem nicht so charakteristisch aus- 
gebildet, was schon durch die enge a u der Zellen neben- 
einander verhindert wird. 

An der Basis einer kmwodlenmisraele liegen im Querschnitt 
sechs bis zehn (bei Peperomia metallica nur zwei bis vier) Palisaden- 
zellen. 

Bemerkenswert ist an der Hypodermis, daß die an die Pali- 
sadenschicht anstoßenden Zellen eine konvexe untere Fläche haben; 
durch diese Einrichtung wird eine Vergrößeruug der lichtspendenden 
Oberfläche bewirkt. 

Haberlandt ist der Ansicht, daß diese Ausbuchtungen den 
Wassergewebszellen die Fähigkeit verleihen, als Lichtsinnesorgane 
zu dienen: „Endlich!) sind auch die innersten Wassergewebszellen 
gegen das Assimilationsgewebe vorgewölbt, also „leichfalls zur 
Lichtperzeption geeignet“. 

Es sei hier gleich darauf aufmerksam «emacht, daß diese 
Ausbuchtungen der Hypodermiszellen bei den im folgenden be- 
schriebenen Peperomien in mehr oder minder ausgeprägter Weise 
stets vorkommen. 

Die Palisadenzellen schließen sich interzellularraumfrei 
an die Basis der Hypodermiszellen an, und da sie natürlich der 
gewölbten Fläche folgen, so zeigen sie im Querschnitt eine wellen- 
förmige Anordnung. 


ı) Haberlandt, Die Lichtsinnesorgane etc. S. 117. 


Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien. 21 


Die Palisadenzellen sind äußerst dicht gelagert und bei einem 
vollkommen entwickelten Blatte höchstens von der Größe wie die 
eines mittleren Blattes der Peperomia metallica. Sie zeichnen sich 
durch intensives Chlorophyll aus; doch waren die Chloroplasten 
durchaus nicht größer, als die des Schwammparenchyms, sie kamen 
auch nie in Vierzahl vor, sehr häufig ließ sich jedoch für jede 
Zelle die Anzahl der Chloroplasten auf acht feststellen. Sie liegen, 
genau wie bei Peperomia metallıca, am Grunde bez. in der unteren 
Hälfte der trichterförmigen Palisadenzellen. Auch die Kalzium- 
oxalatdrusen fehlten nicht. Zum Unterschiede von denen der 
Peperomia metallica waren sie bedeutend kleiner, entsprechend der 
überhaupt kleineren Zelle, sie waren in jeder Zelle vorhanden, 
während sie bei Peperomia metallica, wie erwähnt, nur in ungefähr 
der Hälfte aller Zellen vorkommen. 

Die Oberflächenansicht, die in derselben Weise, wie bei 
Peperomia metallica erwähnt, präpariert wurde, zeigte einerseits 
die Verteilung der Kristalldrusen, andererseits ließ sie auch die 
konkaven Ausbuchtungen, denen die Palisadenzellen anliegen, gut 
erkennen. 

Die Zellen des Schwammparenchyms enthielten auch bedeutend 
mehr Chlorophyll, als bei der erstgenannten Art, sodaß die Differenz 
der Assimilationstätigkeit nicht so groß zu sein scheint wie bei 
ETStETET. 

Die Entwicklungsgeschichte verläuft ähnlich wie bei Peperomia 
metallica. In einem der Figur V analogen Zustande sieht man 
‚ziemlich dasselbe Bild, nur fällt es auf, daß das Chlorophyll der 
Palisadenschicht sich so gut wie gar nicht von dem des Schwamm- 
parenchyms abhebt. Der Unterschied zwischen der Anlage der 
Palisadenschicht und des Schwammparenchyms charakterisiert sich 
nur durch die gestreckte Form der ersteren und die Interzellular- 
räume der letzteren. 

Bei der weiteren Entwicklung des Blattes bildet sich all- 
mählich die Trichterform der Palisadenzellen hieraus; zugleich 
wandern die Chloroplasten in den unteren Teil der Zelle, während 
im oberen Teile die Kristalldruse erscheint. 


3. Peperomia cordifolia D. ©. 


Bei Peperomia cordıfolia finden sich in der Epidermis der 
Blattoberseite Ölzellen, die meistens in einer kleinen Einsenkung 
liegen. Unter dieser Sekretzelle liegt eine, selten zwei zugehörige 
Hypodermiszellen, deren untere Wand (wenn zwei derartige Hypo- 
dermiszellen vorhanden sind, jedoch nur die Wand der untersten) 
linsenförmig ausgebuchtet ist. Die Zelle ist meist 1!/, bis 21/, mal 
so hoch wie breit. 

Das Schwammparenchym ist verhältnismäßig stark ausge- 
bildet, es ist im Querschnitt ungefähr doppelt so groß wie die 
Hypodermis. Die Basis der unteren Hypodermiszellen ist gewölbt, 
sodaß die ihr anliegenden Palisadenzellen im Querschnitt ebenfalls 
die wellenförmige Anordnung zeigen, wie es schon für Peperomia 


22  Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien. 


Saundersii erwähnt wurde. Die Palisadenzellen haben eleichfalls 
trichterförmige Gestalt; sie liegen zu 6—10 auf dem Querschnitt 
an einer Hypodermiszelle. Jede Palisadenzelle enthält eine Kal- 
ziumoxalatdruse von mittlerer Größe. Die Chloroplasten unter- 
scheiden sich durch ihre Größe kaum von denen des Schwamm- 
parenchyms. 

Die Unterseite des Blattes ist mit zahlreichen dünnwandigen 
Haaren besetzt. Die Haare bestehen aus 6—10 Zellen von ziem- 
lich gleichem Durchmesser. Die Basalzelle ist nicht über die 
Epidermis vorgewölbt. 

Außerdem finden sich an der Blattunterseite zahlreiche Drüsen- 
köpfchen, die in die Epidermis eingesenkt sind; sie sind denen der 
Blattunterseite von Peperomia metallica und Saundersii gleich. 


4. Peperomia resedaeflora Lind. et Andr. 


Sowohl die Blattoberseite wie die Unterseite von Peperomia 
resedaeflora ist mit zahlreichen einzelligen und diekwandigen Haaren 
versehen. Diese Haare sitzen in der Mitte auf einer Basalzelle, 
die ziemlich vorgewölbt ist; diese Basalzelle wird von Haber- 
landt als Lichtsinnesorgan angesprochen. Die Seitenwände dieser 
Zelle sind einwärts gerichtet, die Innenwand ist nicht vorgewölbt. 
Unter den Basalzellen der Blattoberseite befindet sich nun ent- 
weder eine Ölzelle oder eine etwas höhere Wassergewebezelle. 
„Die!) Zweizelliekeit dieses Lichtperzeptionsorgans (die Haarzelle 
kommt nicht inbetracht) und die dadurch bedingte nicht unbeträcht- 
liche Höhe desselben hängt augenscheinlich mit dem Umstand zu- 
sammen, daß die obere als Sammellinse fungierende Zelle keine 
stark vorgewölbte Außenwand besitzt, infolgedessen ihr Brenn- 
punkt tief unten im Wassergewebe liegt.“ 

Hypodermis und Schwammparenchym zeigen im Querschnitt 
ungefähr dieselbe Dicke. Die Palisadenzellen sind ebenfalls auf 
dem Querschnitt wellenförmig der Basis der unteren Hypodermis- 
zellen angereiht und zwar meist zu 5—8 Stück an einer Hypo- 
dermiszelle Die Palisadenzellen haben ebenfalls die trichter- 
förmige Gestalt, wie sie für die anderen Peperomien im vorher- 
gehenden beschrieben: wurde. ‚Jede dieser Zellen enthält eine ver- 
hältnismäßig große Kalziumoxalatdruse. Die Chloroplasten besitzen 
keine besonders auffallende Größe; sie sind in unbestimmter Zahl 
in jeder Zelle vorhanden. Meistens sind sie so zahlreich, daß sie 
beinahe die ganze Palisadenzelle ausfüllen, sodaß nur ein kleiner 
Teil, etwa das obere Drittel, frei bleibt, in diesem Teile liegt dann 
auch die Kristalldruse. 


5. Peperomia rubella Hook. 


Auch die Epidermis des Blattes der Peperomia rubella ist für 
Lichtwirkungen eingerichtet. Sowohl die Oberseite wie die Unter- 


ı) Haberlandt, Die Lichtsinnesorgane ete, S. 115, 


Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien. 93 


seite des Blattes ist mit zahlreichen Haaren versehen, die sich 
durch eine große Basalzelle mit halbkreisförmiger Vorwölbung aus- 
zeichnen; auf der Mitte dieser Zelle setzt sich das dünnwandige 
teils einzellig kegelförmige, teils mehrzellive Haar an. Die Basal- 
zelle ist an der Oberseite des Blattes häufig tangential in zwei 
Zellen geteilt. 

Die Hypodermis ist im Verhältnis zum Schwammparenchym 
sehr stark entwickelt, sie zeigt ungefähr die doppelte Dicke des 
letzteren. Die Palisadenzellen haben ebenfalls wieder die be- 
schriebene ei- bez. trichterförmige Gestalt und sind der Basis einer 
jeden Hypodermiszelle zu je 5—10 (auf dem Querschnitt) wellen- 
förmig angelagert. 

_ Alle Palisadenzellen enthalten in der oberen chlorophylifreien 
Hälfte eine Kalziumoxalatdruse. Die untere Hälfte ist mit den 
Chloroplasten erfüllt, die anscheinend in wechselnder, nicht be- 
stimmter Anzahl vorkommen. Die Größe der Chloroplasten ist 
nicht besonders auffallend. 


6. Peperomia arifolia Mig. 


Auch Peperomia arifolia besitzt in der Epidermis der Öber- 
seite ein Organ, das zur Lichtperzeption bestimmt scheint. Jede 
Epidermiszelle der Blattoberseite ist nach außen halbkugelig vor- 
sewölbt, während die Epidermiszellen der Blattunterseite nur ein 
klein wenig nach außen ausgebuchtet sind. 

Die Blattoberseite ist meistens mit Algen zahlreich besiedelt, 
da sich in den Tälern zwischen den halbkugelförmigen Zellen fast 
stets Wasser ansammelt. Die vorgewölbten Flächen der Epidermis- 
zellen sind jedoch nicht von den Algen besiedelt (es kommen vor 
allem einzellige kleine ovale Algen von der Größe der Chlorophyll- 
körner vor), sodaß dem Lichteffekt nicht Abbruch getan wird. 

Beide Blattseiten sind vollständig unbehaart. 

Die Hypodermis ist etwa anderthalbmal so dick wie das 
Schwammparenchym. Die Palisadenzellen sind gleichfalls trichter- 
förmig und liegen der Basis der Hypodermiszellen in Wellenlinien 
an, jedoch zeigen diese Wellen nur eine geringe Ausbuchtung. 
Die Palisadenzellen enthalten stets eine Kalziumoxalatdruse und 
im unteren Teile die Ohloroplasten; ihre Zahl beträgt ungefähr 12 
für jede Palisadenzelle. Außerdem enthält die große Mehrzahl 
dieser Zellen einen oder mehrere prismatische oder tafelförmige 
Kristalle, die jedoch nicht aus Kalziumoxalat bestehen. 


Wir finden also als übereinstimmende Merkmale, soweit diese 
auf Lichtwirkungen sich beziehen, bei den aufgezählten Peperomien 
teils Ozellen im Sinne Haberlandts, nämlich bei 
Peperomia metallica: Drüsenhaare mit zugehörigen Wassergewebs- 

zellen. (Beziehungsweise auch die von Haberlandt ange- 

gebenen Bildungen der Epidermis); 


94 Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien. 


Peperomia Saundersü.: Drüsenhaare wie bei Peperomia metallea; 

Peperomia cordifoha: Sekretführende Epidermiszellen mit zuge- 
hörigen Hypodermiszellen; 

Peperomia resedaeflora: Basalzelle der einzelligen Haare mit den 
zugehörigen Hypodermiszellen; 

Peperomia rubella: Basalzelle der ein- und mehrzelligen Haare oft 
mit darunter liegender Hypodermiszelle, wie bei Peperomia 
resedaeflora; 

Peperomia arifoha: Papillöse Epidermis; 


teils finden wir Lichtkondensoren und zwar bei allen genannten 
Peperomien in prinzipiell gleicher Zusammenstellung und Wirkung, 
nämlich: 


1) durch die Trichterform der Palisadenzellen wird das Licht 
auch bei seitlichem Einfall auf die am Grunde des Trichters ge- 
lagerten Chloroplasten reflektiert; 

2) wirkt die obere konvexe Wand der Palisadenzelle als Linse; 

3) bewirkt die Kristalldruse, daß die durch den linsenförmigen 
oberen Teil der Zelle konzentrierten Lichtstrahlen auf alle Chloro- 
plasten gleichmäßig dispersiert werden. 

Es ist jedoch noch eine offene Frage, ob die Einrichtung der 
trichterförmigen Assimilationszellen eben nur als Lichtkondensor 
der Assimilation zu gute kommt, oder ob nicht auch die Palisaden- 
zellen als „Ozellen“ dienen. Für einige Selaginellen!), die gleich- 
falls diese trichterförmigen Assimilationszellen besitzen, indem sich 
die Epidermiszellen dazu umgewandelt haben, nimmt Haberlandt 
dies auch an. Alle Verhältnisse von S. Martinii z. B. treffen 
auch für die Peperomien zu, am auffallendsten für Peperomia 
metallica. Dienen wirklich die Trichterzellen bei einigen sSela- 
ginellen zur Lichtperzeption, so liegt nichts im Wege, diese Eigen- 
schaft auch den gleichartigen Assimilationszellen der Peperomien 
beizulegen. Vielleicht ist die Einrichtung der Palisadenzellen zu 
beiden Zwecken vorhanden, wie Haberlandt für Schistostega 
auch annimmt (S. 103). 

Dient die eigenartige Ausbildung der Trichterzellen der 
Peperomien jedoch nur als Lichtkondensor, so muß als höchst 
wahrscheinlich angenommen werden, daß bei anderer Beleuchtungs- 
richtung, z. B. von der Blattunterseite, sich die Lage der Chloro- 
plasten und der Kristaldrusen ändern würde Wirkt die Einrichtung 
aber als Lichtperzeptionsapparat, wenn auch nur zum Teil, so muß 
die Anordnung in den Assimilationszellen stets dieselbe bleiben. 

Zum Versuch wurden die Blätter von Peperomia metallica 
und Peperomna Saundersii abgeschnitten und in feuchten Petri- 
Schalen auf mattes schwarzes Papier gestellt und zwar mit der 
Blattoberseite nach unten. Die Schalen wurden dem diffusen Tages- 
licht ausgesetzt, jeden Abend wurden Blattquerschnitte hergestellt. 

Die Lage der Chloroplasten in dem unteren Teile der trichter- 
förmigen Palisadenzelle blieb jedoch erhalten, ebenso blieb die 


!) Haberlandt, Die Lichtsinnesorgane etc. S. 103. 


Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien. 95 


Kristalldruse an ihrem Platze oberhalb der Chloroplasten. Das 
Schwammparenchym ließ ebenfalls keine Anderung erkennen, nur 
die Spaltöffnungen der Blattunterseite wurden lebhaft grün. 

Hieraus ergibt sich nach der im vorhergehenden angestellten 
Überlegung, daß die Eigenart der Palisadenzellen nicht nur auf 
eine bessere Lichtausnutzung abgestimmt ist. 

Endlich scheint es einer gewissen Bedeutung nicht zu ent- 
behren, daß bei Peperomia metallica, bei der die Palisadenzellen 
gewissermaßen als Typus ausgebildet sind, die Drusen nur über 
den Nerven auftreten. Denn nehmen wir nunmehr an, daß die 
Trichterzellen in ihrer vollkommenen Ausbildung mit den Kristall- 
drusen zumteil auch als ÖOzellen fungieren, so müssen wir nach 
unsern bisherigen Kenntnissen annehmen, daß die Reizleitung etwa 
durch bestimmte Elemente der Gefäßbündel vermittelt wird, oder 
wenigstens die Reizleitunge in den prosenchymatischen Zellen der 
Gefäßbündel besser und schneller von statten geht. 

Die Gefäßbündel bei Peperomia metallica sind nicht besonders 
kräftig ausgebildet; auf der Ober- und Unterseite werden sie durch 
ein bis zwei Zellschichten schwachen Kollenchyms geschützt. Die 
obere Kollenchymlage, die sich durch etwas größere Zellen aus- 
zeichnet, grenzt unmittelbar an die mit Kristalldrusen versehenen 
Palisadenzellen. 

Endlich läßt sich aus der Verteilung des Kalziumoxalats noch 
schließen, daß den Kristalldrusen eine wesentliche Bedeutung als 
Bestandteil des Lichtperzeptionsapparates der Peperomien zukommt. 


) 


Erklärung der Tafeln. 


Fig. 1. Schräger Querschnitt durch das Blatt von Peperomia metallica. Photo- 
gramm 250 :1. 
„ 2. a Querschnitt durch die Palisaden eines voll entwickelten Blattes; 
b Chlorophylikörner desselben Blattes aus dem Schwammparenchym, 
Beide nach frischem ungefärbtem Material. Vergr. 500:1, 
„ 93. @ Querschnitt durch die Palisaden eines mittelgroßen Blattes; 
b Chlorophyllkörner desselben Blattes aus dem Schwammparenchym. 
Beide Abbildungen nach frischem, ungefärbtem Material. Vergr. 500: 1. 
„ 4. Aus einem Blatt von 4 mm Breite und 1 cm Länge. « Ühlorophylil- 
körner des Schwammparenchyms, 5b und ce Palisadenzellen im Quer- 
schnitt, d und e Palisadenzellen in der Oberflächenansicht. Vergr. 500 .:1. 
„ 5. Querschnitt durch die Palisadenzellen eines sehr jungen Blattes, frisches 
Material, ungefärbt. Vergrößerung 500:1. 
„ 6. Querschnitt durch die Randpartie eines entwickelten Blattes von Pepe- 
romia melallica. Photogramm. «a Drüsenhaar; 5b Palisadenzellen ; 
ce Kristalldrusen; d Gefäßbündel; e Chloroplasten. Vergr. 100:1. 
„ 7. Querschnitt durch die Palisadenzellen eines voll entwickelten Blattes 
von Peperomia Saumndersii, gefärbt mit Säurefuchsin. « Hypodermiszelle; 
b Palisadenzellen; e Schwammparenchym. Vergr. 500 :1. 
„ 8. Peperomia cordifola. Palisadenzellen, Mikrotomschnitt, gefärbt mit 
Säurefuchsin, Vergr. 500:1, 


26 


Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien. 


Fig. 9. Querschnitt durch die Palisadenzellen von Peperomia resedaeflora. 


10. 
Jul 


12. 


13. 


a Hypodermiszelle; b Palisadenzellen; ce Schwammparenchym.Vergr.500:1. 
Peperomia rubella. Haare der Blattoberseite. Vergr. 250:1. 
Peperomia rubella. Palisadenzellen nach einem Mikrotomschnitt mit 
Säurefuchsin gefärbt. Vergr. 500:1. 

Peperomia arifolia. Palisadenartig vorgewölbte Epidermiszellen der 
Blattoberseite (die Epidermiszellen der Unterseite des Blattes sind un- 
gefähr doppelt so lang wie hoch und nur wenig vorgewölbt, vergleiche 
übrigens Taf. I, Fig. 5 bei Haberlandt: die Lichtsinnesorgane etc.). 
Vergr. 500:1. 

Peperomia arifolia. Palisadenzellen. Mikrotomschnitt, mit Säurefuchsin 
gefärbt. Vergr. 500:1. 


P. Schürhoff gez. 


Verlag von 6. Heinrich in Dresdon-N 


Iun IN 


Lilli. Anst,v. Johannes Arndt, Jena. 


u 


In 


Taf. I. 


Beihefte zum Botarüschen Centrelblatt Bd. XXI AbET. 


Lith. Anst,v. Johannes Arndt, Jena, 


Verlag von G.Heinrich in Dresden-N, 


P.Schürhoff gez. 


21 


Zur Deutung der weiblichen Blüten 
der Cupressineen 
nebst Bemerkungen über Cryptomeria. 


Von 


Dr. Aug. Bayer, 


Pribram, Böhmen. 


Mit Tafel IV. 


Wenn wir die zahlreiche Reihe von Arbeiten und Studien, 
welche die Morphologie der weiblichen Konrferen-Blüten zum Gegen- 
stande haben, überblicken, so erkennen wir, daß die größte Auf- 
merksamkeit der Erklärung der Fruchtschuppe der Abietineen ge- 
sewidmet wurde, wogegen die anderen Koniferengruppen meist 
nur flüchtix behandelt wurden. Durch viele Beobachtungen ist 
man, was die erwähnte Familie anbelangt, zu einem positiven Er- 
folge gelangt, sodaß in der jetzigen Zeit die morphologische Deutung 
der Fruchtschuppe bei den Abietineen völlig klar vor Augen liegt. 

Es wurde bewiesen, daß bei den Konzferen überhaupt zweierlei 
Grundtypen der weiblichen Blüten vorkommen: einmal stehen 
die Samenanlagen (Eichen) auf der Fläche einer Schuppe oder in 
deren Achsel auf der Achse erster Ordnung, d. h. die 
„Fruchtschuppe“ stellt ein einfaches Fruchtblatt vor (z. B. 
bei Phyllocladus, Microcachrys);, das anderemal stehen sie auf der 
Achse zweiter Ordnung, d.h. die „Fruchtschuppe“ erscheint 
aus einer Stützbraktee und aus einem eigentlichen, hinter der- 
selben stehenden, einem axillaren verkümmerten Sprosse ange- 
hörenden Fruchthlatte (eventuell aus zwei oder mehreren Frucht- 
blättern) mehr oder weniger deutlich zusammengesetzt. 

Auf Grund dieser sehr bemerkenswerten Tatsache, welche 
augenscheinlich für die ganze Koniferen-Systematik als grund- 
sätzlich wichtig angesehen werden und darum zum Teilungsgrunde 
gemacht werden muß, resultiert eine, von der bisher anerkannten 
etwas abweichende Verteilung der Gattungen in der Familie der 
Koniferen (17). 


28 Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen ete. 


Der ganzen Gruppe der Oupressineen wurde bisher in Bezug 
auf die Deutung der „Fruchtschuppe“ eine unverdient kleine Auf- 
merksamkeit gewidmet. Es ist ersichtlich, daß im der ganzen 
Gruppe, so wie sie von Eichler aufgefaßt wurde (4), die Frucht- 
schuppe nirgends so deutlich aus zwei morpholoeisch ver- 
schiedenen Teilen (der Stützbraktee und dem Fruchtblatte) zu- 
sammengesetzt erscheint, wie es bei den Abietineen der Fall 
ist. Die „Fruchtschuppe der Cupressineen weist eine gewisse 
Kompliziertheit in der Fruchtreife nur insoweit auf, als ihr innerer 
Teil oberhalb der Eichen meistenteils bedeutend anschwillt und 
hervorwächst, sodaß manchmal eine stark hervorragende kamm- 
artige Wulst entsteht, auf deren äußerer Fläche dann die 
Fruchtschuppenspitze als ein mehr oder weniger deutlich abge- 
sondertes Anhänesel aufsitzt, weshalb hier dem Anschein nach eine 
zusammengesetzte „Fruchtschuppe“ vorkommt; die äußerlich 
aufsitzende Spitze wird als eine Stützbraktee, der innere 
wulstige Teil als ein Fruchtblatt gedeutet. 

Bevor wir an die Behandlung einiger Vertreter der Cupres- 
sineen herantreten, möge ein Himblick auf die Gruppe der 7axo- 
dineen gestattet sein. Von Velenovsky (17) wurde bereits der 
Beweis erbracht, daß bei den Taxodineen-Gattungen Seguoia, 
Arthrotaxis, Sciadopitys, Ounninghamia ganz ähnlich wie bei Arau- 
caria und Agathrs eine ganz einfache „Fruchtschuppe“ vor- 
kommt, welche als ein Fruchtblatt zu deuten ist. Die 
Gruppe der Taxodineen erscheint darnach unnatürlich und muß 
aufgehoben werden, weil die übrigen, früher hierher &ezählten 
Gattungen wiederum andere Blütenverhältnisse besitzen. 

Eichler (2) macht auf die Ähnlichkeit der inneren Frucht- 
schuppenverdickungen bei Taxodium, Sciadopitys, Oryptomeria auf- 
merksam, und will in ihrer Größe und Ausbildung einen gewissen 
Übergang ersehen, wodurch er seine Ansicht begründet, daß alle 
diese Bildungen mit der zusammengesetzten Fruchtschuppe der 
Abietineen homolog sind. 

In welch’ überraschender Weise aber eine solche äußere 
Ähnlichkeit zu irrigen Schlüssen führen kann, zeigt sich am besten 
bei der Gattung Oryptomeria. Die „Fruchtschuppe“ von Orypto- 
merta unterscheidet sich von derjenigen bei Arthrotaxıs nur dadurch, 
daß die wulstige Anschwellung oberhalb der Eichen bei Oryptomeria 
in einige (2—6) Zähne gespalten, also in der Form eines 
Kammes („Crista“) ausgebildet sind. Die wahre morpho- 
logische Natur der ganzen „Fruchtschuppe“ ist dennoch bei den 
beiden Gattungen eine völlig verschiedene. Indem bei Arthro- 
taxis die „Fruchtschuppe“* ein einfaches Fruchtblatt vor- 
stellt, dessen innerer Teil wulstartig angeschwollen ist, 
hat der kammartige Wall bei Oryptomeria (Fig. 1, cr) eine ganz 
andere Bedeutung: er ist so vielen zusammengewachsenen 
Phyllomen eines axillaren Fruchtsprosses (dessen Achse 
zur Verkümmerung gelangte) gleichwertig, wie viele Zähne 
er besitzt; die anhängselartige Blattspitze, welche dem 
Rücken des Kammes aufsitzt (Fig. 1, b), stellt eine Stützbraktee 


Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen ete.. 29 


dieses Fruchtsprosses vor. Diese Erklärung, welche für die 
Oryptomeria-Fruchtschuppe von Velenovsky (17) gegeben wurde, 
wird durch das Verhalten der „Fruchtschuppen“ auf den häufig 
vorkommenden durchgewachsenen Zapfen und durch die 
Stellung, Zahl und Orientierung der Gefäßbündel bestätigt. 

Weil das Erkennen der wahren Natur der „Fruchtschuppe“ 
von Cryptomeria für die Lösung der Frage von dem Blütenbau 
der ganzen Aoneferen-Familie von größter Wichtigkeit ist, sei es 
gestattet, einige Beobachtungen als Beweis für die Richtigkeit der 
oben angeführten Deutung der Fruchtschuppe anzuführen. 

Eine sehr häufige Erscheinung bei Oryptomeria sind durch- 
sewachsene Zapfen (Fig. 1). Die oberen Schuppen eines solchen 
Zapfens verlieren plötzlich die innere kammartige Anschwellung 
und gleichzeitige verschwinden immer auch die Samenanlagen — 
wie dies übereinstimmend ebenfalls von Velenovsky (17) be- 
obachtet wurde —, was uns klar und deutlich belehrt, daß zwischen 
den beiden Bildungen, der „Crista“ und den Eichen, ein 
Zusammenhang besteht. 

Unterhalb der fertilen Fruchtschuppen stehen einige breitere 
Schuppen, welche nach unten allmählich in die normale nadelförmige 
Form übergehen. Von den letzteren Schuppen pflegen einige in 
ihrer Achsel manchmal kleine Knospen oder sterile Ästehen zu 
tragen (Fig. 1, sı). Solche sterile Axillarsprosse (Fig. 3—6) be- 
einnen immer mit zwei gegenüberstehenden lateralen Blättchen 
(Prophylla a, £), das dritte Nadelblatt (c) steht adossiert, das 
vierte (d) auch fast in der Mediane dem adossierten gegenüber. 
Die folgenden Phyllome stehen in der normalen spiraligen Stellung. 
Sind solche Achselknospen verkümmert (Fig. 4—6), so pflegen die 
Prophylla a, $# auffallend vergrößert und in der Mediane 
hinter der Stützbraktee mehr oder weniger einander genähert 
zu Sein, jasie berühren sichnicht einmal mit ihren Rändern, 
während sie an der, der Achse zugewandten Seite von einander 
weiter entfernt sind (Fie. 6 .. Das dritte Phyllom (ec) ist m der 
Regel bedeutend kleiner, das vierte (d) dagegen etwas größer. 
Die anderen Blättchen pflegen oft ganz rückgebildet zu sein. 

In der Vergrößerung und Annäherung in der Mediane der 
ersten zwei Blättchen des Axillarsprosses sehen wir ganz analoge 
Verhältnisse, wie man sie bei den durchgewachsenen Zari.xr-Zapfen 
wahrnimmt (16), mit dem Unterschiede, daß die transversalen 
Schuppen bei Uryptomeria mit ihren vorderen, bei Larix dagegen 
mit den hinteren (der Achse zugekehrten) Rändern zu einander 
rücken. 

Verkümmerte sterile Achselknospen findet man öfter auch in 
der Achsel der Schuppen, welche auf den durchgewachsenen Zapfen 
oberhalb der eigentlichen ‚„Fruchtschuppen“ folgen (Fig. 1, sa, 53). 

Das gleichzeitige Verschwinden der „Crista“ und der 
Eichen und das Erscheinen der sterilen Achselknospen 
anstatt der „ÖUrista‘“ sowohl oberhalb, als auch unterhalb der 
fertilen „Fruchtsehuppen“ läßt mit voller Sicherheit annehmen, 
daß die „Crista“ der „Fruchtschuppe“ mit den Blättern 


30 Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Cupressineen ete. 


eines Axillarsprosses gleichwertige und zwar aus so vielen 
zusammengewachsenen Schuppen des letzteren entstanden 
ist, in wieviele Zähne sie gespalten erscheint. Die nach 
außen abgelenkte Spitze der Fruchtschuppe stellt die Stütz- 
braktee vor. 

Die Richtiekeit dieser Deutung der „OUrista“ wird sehr schön 
durch die anatomischen Verhältnisse illustriert. Wenn die Zähne 
der „Orista“ als Phyllome einer verkrümmten Achse angehören, 
so müssen sie auch zu derselben wie zu ihrem Zentrum orientiert 
sein. Die Querschnitte durch die ganze „Fruchtschuppe“ lassen 
wirklich so viele deutlich gesonderten Gefäßbündel erkennen, aus wie 
vielen Phyllomen (die Stützbraktee mitgerechnet) die ganze Frucht- 
schuppe zusammengesetzt ist (Fig. 2). Alle Gefäßbündel sind so 
gestellt, daß ihr Xylem nach innen, das Phloöm nach außen gekehrt 
ist, wie es auch die ursprüngliche Stellung einzelner Phyllome vor- 
aussetzt. Man vergleiche auch die Abbildung, welche Warming 
(Hdb. d. system. Botanik, S. 186, Fig. 249) zeichnet, wo er auf 
einem Länesschnitte durch die Mitte der Fruchtschuppe ganz 
deutlich die umgekehrte Orientierung des Holzteiles und des Bast- 
teiles wiedergibt. Er sagt auch richtig: „Die Leitbündel, welche 
in die Deckschuppe eintreten, wenden das Holz aufwärts und den 
Bast abwärts, wie sonst in einem Blatte; die Leitbündel, welche 
in die Fruchtschuppe hinaufgehen, haben die umgekehrte An- 
ordnung von Holz und Bast.“ 

Die Gattung Cryptomeria bietet uns also so viel Material, 
und zwar nicht abnormer, sondern ganz normaler Natur, dab 
sie allein zur Bestätigung der Sproßtheorie der Abietineen dienen 
kann. Man braucht nicht einmal die abnormen durchgewachsenen 
Zapfen von Larix und anderen Abvetineen zu kennen, um sich denn- 
noch eine richtige Vorstellung davon zu machen, in welcher Weise 
die zusammeneesetzte „Fruchtschuppe“ entstanden ist. Und doch 
wurde Oryptomeria in eine Gruppe eingereiht, wo an der Kom- 
pliziertheit der Fruchtschuppe gezweifelt wurde. 


Wie die Gattungen der Gruppe Taxodineae einen abweichen- 
den Blütenbau besitzen, so scheint auch die Gruppe der Oupressineae 
betreffs der weiblichen Blüten einer gründlichen Erklärung zu bedürfen. 

Von den (Oupressineen-Gattungen habe ich besonders dem 
Juniperus meine Aufmerksamkeit zugewendet. Die ungewöhnliche 
gegenseitige Stellung der Samenanlagen und der Fruchtblätter 
wurde auf mannigfache Weise gedeutet. Wie überhaupt die Blätter 
bei Juniperus in dreizähligen Quirlen stehen, so besteht auch der 
weibliche Blütenzapfen aus einigen Quirlen von gewöhnlichen, 
sterilen Deckschuppen, auf welche in der normalen Blüte ein drei- 
zähliger Wirtel von „Fruchtschuppen“ folgt, mit welchem dann 
drei Samenanlagen alternieren. 

Ohne auf die historische Entwicklung der Ansichten über die 
morphologische Bedeutung einzelner Blütenteile einzugehen, wollen 
wir nur den jetzigen Stand dieser Frage hervorheben. Gegen die 


Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen etc. 3] 


vonPayer, Eichler, Oerstedt stammende und von Strasburger 
verteidigte Ansicht, daß von den Eichen je eins zu einer Frucht- 
schuppe gehöre und diese deswegen die Natur eines Frucht- 
blattes besitze — stellt man die Art und Weise der Verwachsung 
der Eichen mit den Fruchtschuppen in den jüngsten Entwicklungs- 
stadien, und dann den Umstand, daß die Eichen von Anfang an 
in alternierender Stellung mit den „Fruchtschuppen“ angeleet werden, 
ohne daß irgend eine Orientierung zu diesen „Fruchtschuppen“ 
zu sehen wäre. Aus diesen Verhältnissen schließt man, daß die 
Samenanlagen einfach umgebildete Fruchtblätter vorstellen!), wobei 
selbstverständlich dem nächsten Schuppenquirl (den „Fruchtschuppen“) 
bloß der Charakter von Deckschuppen (Brakteen) zuzuschreiben wäre. 

In diesem Sinne wurde unlängst eine Arbeit von Kubart (6) 
veröffentlicht. Man muß anerkennen, daß sich dieselbe auf gründ- 
liche und fleißige Beobachtungen stützt und viele gute Gedanken 
enthält, doch beruht sie betreffs der morphologischen Deutung der 
weiblichen Junzperus-Blüte auf einer Methode, welche in ihrer 
Isoliertheit in der vergleichenden Morphologie nicht zu einem ver- 
läßlichen Resultate führen kann. Man bestrebt sich nämlich zur 
morphologischen Deutung einzelner Teile des Blütenzapfens durch 
das Studium der Anatomie und ÖOntogenie zu gelangen. Doch es 
genügt nachzusehen, welcher Weg zu der schon allgemein an- 
erkannten Deutung der Fruchtschuppe der Abietineen geführt hatte, 
um zu erkennen, was für eine Methode auch in unserem Falle an- 
zuwenden sei. Das Studium der Entwicklungsgeschichte und Ana- 
tomie hatte für die Sproßtheorie der Fruchtschuppe der Abvetineen 
keine ereifbaren Erfolge geliefert, denn das eigentliche Fruchtblatt 
wird in der Jugend ganz in derselben Weise wie die Deckschuppe 
angeleet, und doch kann jenes keineswegs für ein einfaches Phyllom 
sehalten werden, weil es in der Achsel eines wirklichen Blattes 
steht. Zum Ziele hat nur das Studium der fertigen Organe, die 
Vergleichung derselben, das Aufsuchen der homologen Glieder 
und vorallem das vergleichend-morphologische Studium der 
Abnormitäten geführt. Das ist auch unserer Meinung nach der 
einzige Weg, welcher zu morphologisch richtigen Schlüssen 
führen kann, wenn man vor der Aufgabe steht, die Zusammen- 
stellung der Junvperus-Blüte und die Deutung einzelner Teile der- 
selben aufzuklären.?) — 

Die weiblichen Blütenzapfen von Juniperus communis weisen 
eine fast auffallende Regelmäßigkeit in ihrer Zusammensetzung auf. 
Abweichungen von dem normalen Blütenbau findet man verhältnis- 
mäßig selten; sehr viele von denselben haben auch entweder gar 
keinen, oder nur einen sehr kleinen morphologischen Wert. Man 
muß deswegen eine ungemein große Anzahl von Blüten von ver- 


) Eine schon von Mohl (7) und Sachs (Lehrbuch 1873) ausgesprochene 
Ansicht. 

2) Betreffs der Methoden der vergleichenden Morphologie vergleiche man: 
Pax (Allgemeine Morphologie der Pflanzen. 1890. S. 11 „... Die Entwicklungs- 
geschichte zeigt unmittelbar, wie ein Organ entsteht, nicht was es ist“) und 
Velenovsky (18). 


32 Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Cupressineen ete. 


schiedenen Standorten der Untersuchung unterwerfen, um einige 
wichtige Abweichungen zu finden!). 

Diese Abweichungen in dem Blütenbau sind hauptsächlich 
zweierlei Art. Man findet öfter, daß die Schuppen (und ebenso 
auch die Samenanlagen) des ganzen Blütenzapfens im zweizähligen 
Quirlen stehen. Dabei ist aber sonst die Stellung der einzelnen 
Teile so regelmäßig wie bei einer normalen Blüte, sodaß solche 
Abweichungen keine Bedeutung für die Aufklärung der Blüten- 
verhältnisse haben.?) 

Viel wichtiger erscheinen solche Abnormitäten, wo die Zahl 
der Samenanlagen vergrößert oder reduziert ist und wo 
neue „Fruchtschuppen“ zu den schon vorhandenen dazutreten. 

Wir wollen nun die aufgezeichneten Diagramme kurz er- 
klären, bevor wir an ihre morphologische Deutung herantreten. 

Fig. 7. Mit dem normalen Fruchtblätterwirtel (ca, &, €) 
stehen drei Samenanlagen in Alternation, doch ist noch ein Eichen 
(0,) entwickelt, welches ein wenig nach außen zwischen die zwei 
Fruchtblätter (cı und c;) verschoben ist. Alle vier Samenanlagen 
sind gut entwickelt und fast gleichgroß. 

Fig. 8. Ein ähnlicher Fall, aber mit fünf entwickelten Eichen; 
das fünfte (0,) ist zwischen die Fruchtblätter c, und c; verschoben. 

Fig. 10. Zwei alternierende dreizählige Wirtel von Frucht- 
blättern. Mit dem inneren Wirtel drei Eichen in normaler Alter- 
nation, eine Samenanlage (o,) kleiner, zwischen die Fruchtblätter 
6, und c; eingekeilt und mit c; seitlich verwachsen. 

Fig. 11. Ein analoger Fall. Von den Fruchtschuppen des 
inneren Wirtels trägt die Schuppe c, und c; je eine seitlich an- 
gewachsene Samenanlage, welche nur rudimentär entwickelt ist. 
Außerdem drei normal gestellte und ausgebildete Eichen. 

Es fragt sich nun, auf welche Weise man die angeführten 
Fälle morphologisch erklären soll? Im Sinne der Theorie, daß 
eine jede Samenanlage ein ganzes umgebildetes Frucht- 
blatt vorstellt, müßte man annehmen, daß die dickeren und 
deutlich unterschiedenen Fruchtblätter 4—c; nichts anderes sind 
als bloße Deckschuppen (Brakteen), welche weder morpho- 
logisch noch physiologisch von den unteren verschieden sind. 


1) Die aufgezeichneten Fälle haben insgesamt den Charakter der s. g. 
morphologischen Abnormitäten (siehe Velenovsky 18), welche auf ganz 
gesunden Pflanzen zwischen vielen normalen Blüten gefunden wurden und 
gewiß ohne Einfluß irgend einer Krankheit entstanden sind. Pathologische 
Abnormitäten, sowie auch solche, welche augenscheinlich nur zufällig ent- 
standen sind, wurden überhaupt nicht berücksichtigt. — Ich habe fast 
nur solche Beobachtungen zu der Beweisführung benutzt und dieselben auf- 
gezeichnet, welche ich mehrmals gefunden habe. Auf nur einmal gefundene 
Abweichungen habe ich meist verzichtet und darum nur einige wenige Bilder 
ausgewählt, welche die geschilderten Verhältnisse klar und deutlich veran- 
schaulichen. 

2) Das Vorkommen von zweizähligen Blütenzapfen wurde mehrmals be- 
obachtet, so z. B. von Schröter (12) u. a. 

Es steht öfter in der Achsel von zwei Nadeln desselben Quirls je ein 
zweizähliger Blütenzapfen, welcher aus sechs Paar Deckschuppen, einem Paar 
Fruchtschuppen und einem Paar mit den letzteren alternierenden Eichen besteht. 
Man bemerkt auch nicht selten sterile Ästchen mit zweizähligen Nadelquirlen, 


Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen et. 33 


Das Diagramm Figur 7 und 8 könnte vielleicht eine derartige 
Erklärung zulassen, daß ein neuer Wirtel von Fruchtschuppen hin- 
zugekommen ist, welche sämtlich zu Eichen umgewandelt sind, von 
denen jedoch in der Fieur 7 zwei, in der Figur 8 nur eins zur 
Abortierung gelangte. Doch eine solche Erklärung paßt für den 
Fall Figur 10 und 11 überhaupt nicht; man müßte ja annehmen, daß 
hier an der Ausbildung des Blütenzapfens vier dreigliederige 
Wirtel teilnehmen. Der unterste von ihnen hält völlig den 
Charakter von sterilen Deckschuppen bei, der zweite (welcher 
mit dem ebengenannten alterniert) ist zu Eichen umgebildet 
(von denen doch zwei oder eins fehlgeschlagen hat. Dann müßte 
wieder ein steriler Schuppenwirtel folgen und nach diesem 
abermals einSamenanlagenquirl. Es müßte also abwechselnd 
ein Wirtel seinen ursprünglichen vegetativen Habitus beibehalten, 
der zweite völlie zu den Samenanlagen sich umbilden, eine 
Erscheinung, für welche man vergeblich eine Analogie in der 
Koniferen-Familie suchen würde. Man findet aber in den angeführten 
Modifikationen des Diagrammes nicht einmal eine Spur von Phyllom- 
oder Eichen-Rudimenten, welche im Diagramme fehlen, obzwar die 
räumlichen Verhältnisse ganz gut die rudimentäre Entwicklung der 
fehleeschlagenen Organe zulassen. 

Figur 10 und 11 zeigen ganz deutlich, daß die beiden Frucht- 
schuppenwirtel unmittelbar nacheinander folgen, sodaß man 
sich keineswegs noch einen Quirl zwischen dieselben eingekeilt 
denken kann, von welchem die Eichen o, und o, ein Überrest 
wären; dieselben liegen vielmehr im Kreise des inneren Schuppen- 
wirtels und sind mehr nach innen als nach außen geschoben. Wenn 
man die Eichen o,, 0, für einen selbständigen Wirtel halten 
wollte, so müssen sie mit den äußeren Fruchtschuppen alter- 
nieren, woraus aber eine Umstellung der folgenden Organe 
resultieren müßte, insbesondere müßte der innere Schuppen- 
quirl hinter dem äußeren stehen. Es ist also ersichtlich, daß 
man auf Grund der oben angeführten Theorie keineswegs zu 
einer annehmbaren Deutung der Stellung der Samenanlagen ge- 
langen kann. 

Es erübrigt mir also keine andere Erklärung als diejenige, 
welche Strasburger vertrat, nämlich, daß die Samenanlagen 
zweifelsohne zu den „Fruchtschuppen“ gehören, welche 
ihre mütterlichen Fruchtblätter vorstellen. In der normalen 
Blüte von Jıumiperus commumis entfaltet ein jedes Fruchtblatt 
ein einziges Eichen, das seitlich an der Basis (und zwar 
immer an derselben Seite) entspringt. In der Figur 10 hat das 
Fruchtblatt ec, zwei Eichen anstatt eines einzigen entwickelt. Diese 
Samenanlage an sich selbst schon schwächer angelegt, wurde in- 
folge des Platzmangels zwischen die Fruchtblätter e; und cs ein- 
gekeilt; sie ist an ihre Fruchtschuppe ce; seitlich angewachsen. 
Ähnlicherweise läßt sich auch die Figur 7, 8, 11 ganz einfach er- 
klären. Im Diagramme Figur 7 trägt die Fruchtschuppe «s zwei 
Eichen; dasselbe ist der Fall bei den Schuppen cı und ce, Figur 
8, 11. Die letzte Figur läßt auch die teilweise eingetretene Um- 

Beihefte Bot. Centralbl. Bd. XXIII. Abt. I. Heft 1. 3 


34 Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Owpressineen ete. 


stellung der normalen drei Samenanlagen (siehe Fig. 8) in ihrer 
Entstehung erkennen. 

Diese Deutung wird durch jene Erscheinungen unterstützt, 
wo eine Reduktion der Eichen eintritt. Ich habe mehrmals 
beobachtet, daß die drei normal entwickelten Fruchtschuppen nur 
zwei (seltener nur eine) Samenanlagen umhüllen, oder daß in den 
zweizählig „ebauten Blütenzapfen nur ein einziges Eichen 
stand, was nur durch Rückbildung der Samenanlage an einer 
der Fruchtschuppen zu erklären ist. Wenn das Fruchtblatt, 
welches normal eine einzige Samenanlage trägt, dieselbe zuweilen 
abortieren läßt, so ist es auch nicht unnatürlich, wenn eine Ver- 
mehrung auf zwei eintritt; es ist ja eine Rückkehr zum ursprüng- 
lichen Stande, wo einem jeden Fruchtblatte nach seiner bilateralen 
Symmetrie zwei Samenanlagen zugehören. 

Auch dadurch wird unsere Ansicht indirekt unterstützt, dab 
die angeführte Vermehrung der Eichenzahl auf fünf, ja selbst auf 
sechs mehrmals beobachtet wurde, doch niemals sah ich, daß der 
letzte Schuppenwirtel von mehr als sechs Samenanlagen umgeben 
würde. Schlechtendal (11) fand auch eine Vermehrung der 
Eichen, indem er schreibt: „Hinter jeder dieser Schuppen befindet 
sich eine weibliche Blume, oder deren auch zwei, welche zur 
Frucht auswachsend, später in der geschlossenen Beere verborgen 
zu sein pflegt.“ Renner (10) fand einen Blütenzapfen, welcher 
aus zwei dreieliedericen Schuppenwirteln bestehend, hinter den 
Schuppen des unteren Wirtels je zwei Eichen, hinter den oberen 
je eins aufwies. Diese Tatsache scheint mir vorzüglich für unsere 
Ansicht zu zeugen, während man für dieselbe nach der Theorie von 
den in die Eichen umgebildeten Fruchtblättern überhaupt keine 
Erklärung finden kann.!) — Die gar nicht seltene Vermehrung der 
Fruchtblätter (Fig. 10, 11), von denen der untere Wirtel fast 
immer steril bleibt, kann nicht überraschen, denn es ist diese Er- 
scheinung für die Mehrzahl der Oupressineen eine Regel. 

Ein sehr wichtiges Moment für die Beurteilung des morpho- 
locischen Baues des weiblichen Blütenzapfens von Jumiperus com- 
munis ist der Vergleich mit der nahe verwandten Juniperus Sabina. 
Die weibliche Blüte, welche aus zwei Fruchtschuppenwirteln zu- 
sammengesetzt ist, trägt nur in der Achsel der unteren Schuppen 
je zwei Samenanlagen, der obere Wirtel ist unfruchtbar. Wie 
könnte man diesen Bau nach der früher angeführten Theorie (der- 
zufolee die Samenanlagen den ganzen Fruchtblättern homolog sein 
sollen) deuten? Könnte vielleicht einem zweigliederigen Quirl ein 
viergliederiger folgen, nach welchem wieder ein zweizähliger zu 


!) Renner (10) beschreibt auch androgyne Blütenzapfen von Juniperus 
communis, deren obere Schuppen normal entwickelte Ovula, die unteren Deck- 
schuppen aber Staubbeutel trugen. Man kann diese Erscheinung ganz gut mit 
derjenigen vergleichen, welche Velenovsky (17) bei Seguoia sempervirens be- 
schreibt. Das unmittelbare Aufeinanderfolgen der die Samenanlagen tragenden 
Fruchtschuppen nach den zu Staubblättern umgebildeten Schuppen führt zu der 
Annahme, daß alle, einen Beerenzapfen zusammensetzenden Schuppen derselben 
morphologischer Natur sind, indem sie den Charakter einfacher Phyllome be- 
sitzen. 


Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen ete. 35 


stehen käme, und zwar abwechselnd der eine unfruchtbar, der 
andere zu Eichen umgewandelt? Es ist hier einleuchtend klar, 
daß ein jedes Eichenpaar der Schuppe, hinter welcher es steht, 
zugehörig ist. Nehmen wir aber diese Aufklärung bei Junzperus 
Sabina als richtig an, so müssen wir unbedinet eine im Prinzipe 
gleiche Deutung auch für Juneperus communts zulassen, denn es 
sind beide Arten, aus vielen Gründen, besonders auch der Frucht- 
ausbildung nach, als sehr nahe verwandt zu betrachten. 


Bei Jumiperus Sabina kommt auch eine Erscheinung vor, 
welche offenbar an dieselben Verhältnisse bei Jumwperus communis’ 
erinnert. Es wird hie und da eine Samenanlage rückgebildet; es 
steht dann hinter einer der unteren Fruchtschuppen nur ein Eichen, 
seltener auch hinter der gegenüberstehenden nur eins — der Fall 
also, welcher für Juneperus communis normal ist. Das Eichen 
steht nun in der Mitte hinter seiner Fruchtschuppe, also in 
der Lücke zwischen den beiden oberen sterilen Schuppen. Sollte 
das Eichen ein ganzes Phyllom vorstellen, so müßte dasselbe mit 
den unteren Fruchtschuppen abwechseln, woraus eine Umstellung 
des oberen Schuppenpaares um 90° folgen müßte. Wenn wir 
nun denken, daß anstatt der zweizähligen Wirtel dreizählige stehen, 
so resultiert aus den Raumverhältnissen notwendig eine kleine Um- 
stellung der Eichen in der Weise, wie wir sie bei Juneperus 
commaunis wahrnehmen. 


Einen nicht zu unterschätzenden Wert für die richtige Lösung 
der diskutierten Frage haben auch Abweichungen des normalen 
Blütenbaues, welche bei den Thuja-Arten sehr häufig auftreten. 
Der normale weibliche Blütenzapfen von Thaya oceidentalis L. be- 
steht aus drei Paar Fruchtschuppen; die unteren zwei Paar tragen 
je zwei Eichen, das dritte oberste Paar bleibt regelmäßig unfrucht- 
bar, und erscheint in der Form der sogenannten Kolumella. Es 
eibt doch Fälle, wo auch das dritte Schuppenpaar ein Eichen 
verbirgt (Fig. 14). Nun kommt oft eine Vermehrung der Frucht- 
blattpaare vor (Fig. 12); zuweilen trägt eine von den hinzu- 
gekommenen Fruchtschuppen ein Eichen (Fig. 12) oder es ver- 
schwindet eine Samenanlage in der Achsel einer der unteren 
Fruchtschuppen (Fig. 12) und die übriggebliebene rückt dann von 
dem Bande seiner Fruchtschuppe gegen ihre Mitte, wo sie mehr 
Platz findet. Bisweilen verkümmern die beiden zu einer von den 
Fruchtschuppen gehörenden Eichen (Fig. 12). Dieselben Verhält- 
nisse fand ich bei Thaya plicata Don vor. 

Wenn die Schuppen des zweiten fruchtbaren Paares bei 
Thıyja occidentahs nur je eine Samenanlage tragen, so nähert sich 
das Diagram demjenigen von Thuja orientalis L. (Biota Endl.) an, 
wo von den drei vorhandenen Schuppenpaaren das zweite in der 
Regel nur einsamig ist. Auch bei dieser Art treffen wir allerlei 
Modifikationen an!): die unteren Fruchtschuppen entwickeln je ein 


!, Bei einer großen Anzahl von weiblichen Blütenzapfen von Thya 
orientalis fand ich folgende in Figur 16—18 dargestellte interessante Erscheinung: 
In der Achsel einer der unteren Deckschuppen der weiblichen Blüte stand eine 


3% 


36 Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen ete, 


Eichen, die beiden oberen Schuppenpaare sind steril (Fig. 15, 17); 
bisweilen verkümmert eine der letzteren usw. Uberallnimmt man 
aber die wichtige Erscheinung wahr, daß, wenn anstatt zwei Eichen 
nur eins zur Entwicklung gelangt, dasselbe eine solche Stellung 
einnimmt, wo es am meisten Platz findet, d. i. hinter der 
Mitte einer Schuppe und zugleich in der Lücke zwischen den 
foleenden Schuppen. 

Diese häufig vorkommende Reduktion oder auch Vermehrung 
der normal vorkommenden Anzahl der Eichen bei einer und der- 
selben Art, sowie auch bei den nächstverwandten Arten, kann gewiß 
auf keine andere Weise gedeutet werden, als daß die Eichen zu 
jenen Fruchtblättern gehören, hinter welchen sie stehen, 
und daß dieselben keineswegs für selbständige umgewan- 
delte Fruchtblätter gehalten werden können. 

Zum Zweifel an der Richtigkeit dieser von Strasburger 
dargeleeten und begründeten Deutung hat vielleicht folgendes ge- 
führt. Man muß voraussetzen, daß in einer normalen Juniperus 
communis-Blüte ein jedes Fruchtblatt je eine einzige Samen- 
anlage trägt, nicht vielleicht das eine zwei Samenanlagen, das 
andere keine, denn es weisen alle Fruchtschuppen die «leiche 
Stärke, Größe und Wachstumschnelliekeit auf. Würde ein Frucht- 
blatt steril werden, so würde es notwendig in der Entwicklung 
zurückbleiben, schwächer und kleiner aussehen zugunsten des- 
jenigen, welches zwei Eichen entwickeln würde. In den jüngsten 
Stadien findet man zwar, was diese Sache betrifft, keinen deut- 
lichen Unterschied zwischen den einzelnen Fruchtschuppen, aber 
in der weiteren Entwicklung zeigt es sich, daß die Fruchtschuppe, 
deren zugehöriges Eichen keines weiteren Wachstumes fähig ist, 
allmählich verkümmert und von den Nachbarschuppen über- 
wuchert wird. Man wolle nun die Entwicklung der so häufig 
auftretenden einseitigen und unregelmäßigen Beeren verfolgen, 
welche entweder nur aus zwei, ja Sogar aus einer einzigen ver- 
diekten Fruchtschuppe entstanden sind und demnach auch zwei 
oder nur einen Samen enthalten. 

In den normalen Blüten gibt also ein jedes Fruchtblatt auf 
seiner bestimmten Seite dem Eichen Ursprung, aber immer in 
Übereinstimmung mit der Nachbarschuppe, sodaß alle drei 
Fruchtblätter entweder nur auf ihrer linken oder nur auf der 
rechten Seite je ein Eichen tragen. Diese Erscheinung von 
anscheinend eigentümlicher Regelmäßigkeit muß dennoch nicht 
überraschen, wenn man sich den Verlauf der phyllogenetischen 
Entwicklung vor Augen hält. Wenn ein jedes Fruchtblatt die 
beiden — ursprünglich zweifelsohne angelesten — Eichen durch 
den Raummangel nicht zur Entfaltung zu bringen imstande war, 


normal ausgebildete männliche Blüte. Die Blütenzapfen machen dann den Ein- 
druck androgyner Blüten. Es handelt sich hier aber nur um eine Abweichung, 
wo an derselben Blütenachse sowohl die weibliche, als auch die männliche Blüte 
vorkommt; normalerweise erscheinen diese Blüten auf ganz verschiedenen und 
oft auch räumlich entfernten Achsen. Diese Abweichungen können aber keines- 
wegs als androgyue Blüten angesehen werden. 


Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen etc. an 


so muß man sozusagen das Bestreben voraussetzen, wenigstens 
ein einziges von denselben zu entwickeln. Und da genügt es, 
sich zu denken, daß ein Eichen irgend einer Fruchtschuppe etwas 
stärker und kräftiger angelegt wurde; dann müßte es schon von 
Anfang an auf das nebenstehende Eichen der Nachbarschuppe 
hemmend wirken, wodurch die letztgenannte genötigt wurde, 
die Samenanlage auf der anderen (also morphologisch mit der 
ersten identischen) Seite auszubilden. Der gleiche Vorgang 
müßte sich bei der dritten Schuppe wiederholen. Dieser Stand 
konnte dann (ebenso wie eine ganze Reihe ähnlicher Beispiele der 
Regelmäßiekeit und Symmetrie) durch Vererbung stabilisiert 
werden. 

Aus der abwechselnden Stellung der Eichen mit ihren Frucht- 
blättern darf man nicht gleich deduzieren, sie seien einfach um- 
gebildete Karpelle.e. Die jüngsten Stadien der Entwicklung be- 
weisen hier auch nichts wesentlichest), denn der Ort, wo der Samen 
von Anfang an angelegt wird, ist bereits erblich fixiert. Es ist 
übrigens die Stellung der Samenanlage an dem Fruchtblatt- 
rande eine reselmäßige Erscheinung und auch die kleine 
‚Verschiebung derselben nach innen, hinter den Fruchtblattwirtel, 
aus den Raumverhältnissen leicht begreifbar. Die basale Stellung 
der Samenanlagen ist bei den Konzferen überhaupt verbreitet; sehr 
viele Fälle analoger Stellung der Samenanlagen finden wir bei den 
Phanerogamen überall. Man erklärt dieselbe durch das bekannte 
Gesetz Hoffmeisters, daß einzelne Organe an demjenigen Orte 
ihre Stellung einehmen, wo sie am meisten Platz finden. 
Wenn also bei Junzperus normal drei Eichen zur Entwicklung ge- 
langen, so ist es demnach natürlich, daß sie die Stellung in den 
Lücken zwischen ihren drei Fruchtblättern einnehmen. 
Wenn mehr als drei Eichen sich entfalten, so sehen wir, daß 
dieselben infolge der veränderten Ortsverhältnisse gleich in einer 
anderen Stellung sich anordnen. 

Eine ganze Reihe ähnlicher Fälle übergehend, wollen wir nur 
beispielsweise noch das Verhalten des sogenannten terminalen 
einfachen Eichens in den Fruchtknoten erwähnen, wo das Eichen 
sowohl bei seiner Entwicklung von der ersten Jugend an, als auch 
in seiner definitiven Ausbildung tatsächlich eine terminale 
Stellung auf der Blütenachse einnimmt, sodaß es von einigen 
— aufGrund von ontogenetischen Studien — für ein Achsengebilde 
gehalten wurde. Und doch können wir nicht einmal in diesem, so aus- 
gesprochenen Falle nach der Foliolartheorie und aus vergleichend- 
morphologischen Gründen das Eichen für etwas anderes halten, als 
für einen seitlichen, an der Basis stehenden Abschnitt des 


!) Die anatomisch-entwicklungsgeschichtlichen Verhältnisse können freilich 
die morphologischen Befunde unterstützen, jedoch können sie nicht als ein 
entscheidender Faktor in solchen Streitfragen gelten, welche die äußere Mor- 
phologie betreffen. Dasselbe wird auch von Kubart anerkannt (10), so z. B. 
S. 15: „Vielmehr muß ich meine Ergebnisse dahin zusammenfassen, daß sich 
sogar in den einzelnen Schuppen derselben Wacholderbeere die 
(anatomischen) Verhältnisse nicht gleich gestalten“; 8. 19: „Ist doch 
das Gefäßbündel ein höchst anpassungsfähiges Glied der Pflanze,“ 


38 Bayer, Zur Deutufg der weiblichen Blüten der Oupressineen ete. 


Fruchtblattes. Weil dieses Eichen, nur allein entwickelt, den 
größten Raum im Fruchtknoten an seiner Basis (d. h. am 
Zipfel der Blütenachse) findet, so ist es von der Seite seines Frucht- 
blattes in die Mitte des Fruchtknotens auf seine Basis vorgerückt, 
wo der Platz für sein Wachstum am günstigsten ist. 


Die Natur der Fruchtschuppe bei Juniperus communis. 


Seitdem Parlatore bei allen Koniferen-Gattungen die 
Anwesenheit einer zusammengesetzten Fruchtschuppe vor- 
ausgesetzt und Strasburger diese Ansicht ausführlich begründet 
hat, bestand eine lange Zeit kein Zweifel an der allgemeinen 
Giltigkeit dieser Voraussetzung. Eichler selbst übernahm in 
seinem unsterblichen Werke „Blütendiagramme“, diese Ansicht von 
Strasburger, obwohl er früher die Anwesenheit einer zusammen- 
gesetzten Fruchtschuppe für die Gruppen der Araucarieae und 
Oupressineae bestritten hatte. Die morphologische Deutung der 
zusammengesetzten Fruchtschuppe wurde freilich zum Gegenstand 
langer Streite, welche endlich durch den Sieg der Abvetineen- 
Sproßtheorie beendigt wurden, welche A. Braun, Caspary, Mohl, 
Stenzel, Willkomm begründet und Celakovsky (1) und 
Velenovsky (16, 17) durch positive Tatsachen bewiesen 
haben. Diese Deutung wurde dann unter dem Eindrucke der An- 
sichten Strasburgers von der alleemeinen Anwesenheit einer 
zusammengesetzten Fruchtschuppe bei allen Konzferen ohne 
weiteres auf alle Gruppen derselben bezogen, obwohl sie nur 
für die Abietineen wirklich nachgewiesen ist. Besonders die 
Oupressineen wurden in dieser Hinsicht sehr vernachlässigt und der 
Bau der Fruchtschuppe bloß in analoger Weise, wie bei den 
Abietineen erklärt; doch es scheint, daß auführliche und gründliche 
Studien der Blütenverhältnisse bei allen Gattungen der Cupressineen 
noch mehrere interessante Erkenntnisse bieten werden. 

Weit davon entfernt, aus den Beobachtungen, welche nur 
auf einigen Gattungen ausgeführt wurden, Schlüsse für die ganze 
Gruppe zu ziehen, will ich mich hauptsächlich auf die Verhältnisse 
bei Juniperus commanis beschränken. Es wird allgemein an- 
genommen, daß die Fruchtschuppe der Cupressineen in ähnlicher 
Weise zusammengesetzt ist wie bei den Abietineen, wofür die Tat- 
sache zu zeugen scheint, daß bei der Mehrzahl der Gattungen der 
erößte Teil der Fruchtschuppe durch Gewebewucherung sehr stark 
verdickt wird, worauf die Spitze derselben als mehr oder weniger 
deutlich abgesondertes Anhängsel ihrer Rückseite aufsitzt. Es wird 
infolgedessen diese Spitze für eine gewöhnliche Deck- 
schuppe (Bractea), der innere verdickte Teil der Frucht- 
schuppe, hinter welchem die Samen stehen, für das eigentliche 
Fruchtblatt gehalten. In welcher Weise diese „Zusammensetzung“ 
der Fruchtschuppe zustande gekommen ist, ob nur zwei ursprüng- 


liche Fruchtblätter — wie bei den Abietineen — oder deren 
mehrere — wie bei Oryptomeria — mit der Deckschuppe zu- 


sammengewachsen sind, darüber findet man keine Beobachtungen 
und Angaben. 


Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen etc. 39 


Betrachtet man die Fruchtbeere von Juniperus communis in 
allen ihren Entwicklunesstadien, so erkennt man Folgendes: In der 
ersten Jugend läßt sich kein Unterschied zwischen den weiblichen 
Blütenzapfen und den sterilen Ästchenknospen wahrnehmen. Erst 
in der Zeit, wo die Eichen zur Reife gelangen, sieht man dieselben 
deutlich aus ihrer Schuppendecke hervorragen. Der oberste 
Schuppenwirtel läßt sich in dieser Zeit schon durch seine etwas 
abweichende Farbe und Größe von den übrigen (unteren) Schuppen- 
quirlen unterscheiden. Man bezeichnet die Schuppen des obersten 
Wirtels als „Fruchtschuppen“. Sie sind in diesem Entwicklungs- 
stadium ganz einfach, ohne jede Spur von Zusammen- 
setzung; Sie sind den tiefer stehenden Deckschuppen voll- 
kommen ähnlich. 

Selbst vor der Befruchtung der Eichen läßt sich doch schon 
erkennen, daß ihre Basis deutlich stärker und saftiger er- 
scheint als es bei den unterstehenden Schuppen der Fall ist. 
Bleiben die Eichen unbefruchtet, so sterben sie ab und vertrocknen 
allmählich, ohne zuvor zu wachsen. In diesem Falle vergrößern 
sich die drei Fruchtschuppen anfangs ein wenig, um später eleich- 
falls abzusterben und zu vertrocknen. Die unter denselben 
stehenden Schuppenwirtel bleiben dennoch lebendige und grün. 
Aus dieser Erscheinung geht deutlich hervor, daß sich die Frucht- 
blätter durch eine andere physiologische Funktion kenn- 
zeichnen als die, welche den übrigen Schuppen des Blütenzapfens zu- 
kommt, sodaß sie offenbar in einem physiologischen Zusammen- 
hange mit den Eichen stehen; mit anderen Worten: es sind 
wirkliche Fruchtblätter (Karpelle), die freilich durch das 
Absterben der Eichen ihrer Funktion beraubt auch degeenerieren 
müssen. 

Wenn dagegen die Samenanlagen befruchtet werden, so tritt 
in dem Fruchtschuppenwirtel gleich ein rasches, nachträgliches 
Wachstum ein; die Basis der Fruchtschuppen wird immer 
srößer und dicker, sie wölbt sich nach innen deutlich 
vor; es wird aber zugleich die ganze Schuppe stärker und 
srößer und auf ihrer Außenseite mehr konvex, sodaß sich 
die drei Schuppenspitzen oberhalb der Zapfenmitte ein- 
ander nähern. Die Entwicklung von neuen Gewebemassen auf 
dem inneren, basalen Schuppenteile geht rasch vorwärts, die 
Gewebemassen der nebeneinander stehenden Schuppen 
fließen schon von der Schuppeninsertion angefangen zu- 
sammen, das wuchernde Gewebe füllt die Lücken zwischen 
den Eichen, welche endlich von demselben auch von oben ganz 
überwachsen werden, aus, sodaß sie dann im Gewebe völlig 
eingeschlossen sind. Dieses Gewebewachstum schreitet 
dennoch nicht bis zu der eigentlichen Spitze der Frucht- 
schuppe vor; es bleibt vielmehr auf den basalen und 
mittleren Teil derselben beschränkt. Die Folge davon ist 
die, daß die Schuppenspitze etwas nach außen abgelenkt 
wird, und zwischen den drei Fruchtblätterspitzen ein Feldchen vom 
Gewebe entsteht, welches die Eichen von oben kuppelförmig überwölbt, 


40 Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen ete. 


In dieser ganzen Entwicklungsgeschichte der Juniperus-Beere 
kann ich nichts anderes sehen, als ein nachträgliches Wachs- 
tum und die Verdickung des Fruchtblattes, was bekanntlich 
eine ganz gewöhnliche Erscheinung bei den Karpellen ist. 

Man muß deshalb daraus das Resultat ziehen, daß die drei 
Fruchtschuppen der weiblichen Jauniperus-Blüte drei ganz 
einfache Karpelle vorstellen, und daß man hier überhaupt von 
keiner „Deckschuppe“ — welche durch die Spitze des Frucht- 
blattes repräsentiert werden soll — und einer eigentlichen „Frucht- ‘ 
schuppe“ — welche der erst nachträglich wachsende und die 
Eichen umschließende Gewebewulst vorstellen mag — keine Rede 
sein kann. 

Es ist schon oben hervorgehoben worden, daß die „Frucht- 
schuppe“ von Anfang an ganz und deutlich einfach er- 
scheint und zwar auch dann noch, wenn die Eichen schon völlig: 
ausgebildet und reif sind. Man müßte deshalb annehmen, daß das 
eigentliche Fruchtblatt erst nachträglich nach der Befruchtung 
der Eichen hervorwächst, wogegen früher keine Spur dieses so 
wichtigen Organs zu finden war!). Es ist gewiß undenkbar und 
der Natur widersprechend, daß zuerst die Eichen und dann 
erst nachträglich ihr Fruchtblatt — dessen Abkömmlinge sie 
vorstellen — zur Entfaltung gelangen sollte. — Die Deutung der 
Fruchtschuppe als ein zusammengeesetztes Organ konnte nur durch 
bloße Deduktion per analogiam ohne gründliche Beobachtung der 
tatsächlichen Verhältnisse zu Stande kommen. 

Was die anderen Gattungen der ÜOupressineen betrifft, habe 
ich bei Thuja und Ohamaecyparis?) im Allgemeinen dieselben Ver- 
hältnisse wie bei Juniperus sichergestellt. Die Fruchtschuppe ist 
bei den beiden Gattungen ohne Zweifel ganz einfach. Der Ver- 
lauf der Verdickung des Fruchtblattes läßt besonders bei O’hamaecy- 
paris erkennen, daß es sich hier um keine Neubildung handeln 
kann. Zur Ohamaecyparis gesellt sich in dieser Hinsicht auch 
Oupressus. — Über die übrigen Oupressineen-Gattungen will ich 
mich noch nicht in einer entscheidenden Weise äußern, weil ich 
bis jetzt sehr wenige: frisches Material zur Verfügung hatte. 

Kubart (6) hat der Anschwellung der Fruchtblätter von 
Juniperus communis auf Grund von anatomisch-entwicklungsge- 
schichtlichen Untersuchungen eine ganz eigenartige Bedeutung zu- 
geschrieben. Er fand vor allem, daß das Wachstum der sogenannten 
„Fruchtschuppen‘“ (im Sinne Eichlers) ringsum an der Basis der 
“ „Deckblätter“ in der Form eines kreisförmigen Wulstes beginnt3). 


!) Ich beziehe mich auch auf die anatomisch-entwicklungsgeschichtlichen 
Beobachtungen von Kubart (6), welcher sagt: „Sie (die „Fruchtblätter“) sind 
zur Zeit, da die Samenanlagen bereits entwickelt sind, noch nicht zu sehen, sie 
bilden sich erst später aus“. . 

2) Chamaecyparis nutkaensis Spach, Chamaecyparis pisifera S. et. Z., 
Chamaecyparis sphaerordea Spach. 

®) Kubart (6): ... die Bildung der „Fruchtschuppen“ vollzieht sich rings 
um die ganze Achse; nicht allein superponiert der Oberseite der „Deckblätter“ 
tritt die Bildung der „Fruchtschuppe“ auf, sondern der ganze Sproß fängt an, 
in dieser Zone intensiv zu wachsen, 


Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen etc. 41 


Die Art und Weise des Gefäßbündelverlaufes führt den genannten 
Autor zur Überzeugung, daß der Hauptteil der fertigen Schuppe 
des Beerenzapfens der „Fruchtschuppe‘“ angehört, gegenüber der 
Ansicht Strasburgers, welcher sagt: „Bei Juniperus communis 
ist die Entwicklung der Fruchtschuppe eine verhältnismäßig sehr 
schwache; sie erreicht gar nicht die Spitze des Deckblattes ... .“, 
zu welcher Ansicht Strasburger auch durch Verfoleung des Ge- 
fäßbündelverlaufes gekommen ist. Kubart schließt vielmehr, daß 
man nach dem Verlaufe und nach der Verzweigung der Gefäß- 
bündel, wie dieselben von ihm selbst und von Strasburger be- 
obachtet- wurden, foleern kann, daß die Fruchtschuppe nicht 
mit einem axillaren Sprosse gleichwertig seinkann. Diese 
Ausführungen sind auch für unsere Deutung des Fruchtblattes von 
Wichtigkeit, denn sie unterstützen die Ansicht, daß das Frucht- 
blatt einfacher Natur ist. 

Die angeführten entwicklungsgeschichtlichen Beobachtungen 
geben dem genannten Verfasser Anlaß zu der von ihm nur zurück- 
haltend ausgesprochenen Ansicht, daß es sich hier wohl nicht um 
ein Fruchtblatt, sondern um eine Neubildung handeln dürfte, 
welche eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Arillus von Tuxus 
haben soll. 

Es ist nicht meine Absicht gegen diese, nur als bloße Mög- 
lichkeit ausgesprochene Ansicht polemisch aufzutreten. Doch will 
ich darauf aufmerksam machen, daß es nicht nötig ist, in unserem 
Falle zu einer so unnatürlichen Deutung zu greifen, durch 
welche neue Begriffe in die Morphologie der ÜOupressineen ein- 
geführt würden. Die Arillarbildung bei Taxus selbst entbehrt noch 
der vollkommenen Aufklärung. Aus der ganzen Auseinandersetzung 
Kubarts geht hervor, — was auch mit meinen Beobachtungen 
völlig im Einklange steht, daß die Gewebewucherung, welche endlich 
die Eichen vollkommen einschließt, nicht zwischen dem Schuppen- 
wirtel und dem Eichenquirl als ein Zwischengebilde entwickelt 
wird, sondern daß eigentlich die Basis der Fruchtblätter 
selbst in ihrer ganzen Ausdehnung, besonders aber auf ihrer 
inneren Fläche, zu wachsen beginnt. Die Fruchtblätter stehen 
dieht gedrängt nebeneinander, mit ihren Rändern sich an der 
Basis vollkommen berührend, sehr oft auch verwachsend, 
sodaß durch die Gewebewucherung in diesen Partien ein kreis- 
förmiger, ringsum geschlossener Wulst entstehen kann. Dieses 
Verhalten ist übrigens nicht das überall einzige; ich konnte nämlich 
vielmals beobachten, daß die Wucherung in drei deutlich gesonderten 
Teilen vor sich ging). 

Die Verdickung der Fruchthlätter wird also durch rasche 


') In einer ganz übereinstimmenden Weise äußern sich Schröter und 
Kirchner (18): „Die fertilen Schuppen wachsen heran, indem zuerst auf der 
Mitte ihrer Innenseite eine Wulst entsteht, die später an Größe zunimmt. Die 
von Anfang an am Grunde mit einander verwachsenen Fruchtblätter zeigen nun 
an dieser Stelle ein intensives interkalares Wachstum .... — Die Anschwellungen 
der Fruchtblätter überragen bald die Blattspitzen und drängen diese etwas nach 
auswärts“, 


42 Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen etc. 


Teilung und Vermehrung des meristematischen, der Frucht- 
blattbasis angehörenden Gewebes verursacht, worüber uns 
auch der (von Kubart auch angeführte) Umstand belehrt, daß die 
annähernd dreieckige Fläche, welche zwischen den drei Frucht- 
blätterspitzen an dem Gipfel des ausgewachsenen Beerenzapfens 
sich befindet, der morphologischen Oberseite der Frucht- 
blätter entspricht, indem sie mit zahlreichen Spaltöffnungen 
besetzt ist. Auf diesen Umstand hat auch schon Strasburger 
aufmerksam gemacht. Daraus ist es aber ersichtlich, das die Ver- 
mehrung des Gewebes zwischen der unteren und oberen 
Epidermis, also in dem Fruchtblatte selbst, ihren Ursprung 
senommen haben müßte. Würde der verdickte Wulst als eine 
selbständige Bildung mit dem Fruchtblatte an dessen innerer Fläche 
verwachsen, so müßte diese verdeckt werden. Die Gipfelfläche 
müßte dann diesem Neugebilde angehören. 

Das Bestreben der vergleichenden Morphologie geht &ewiß 
dahin, für einzelne Modifikationen des Blütenbaues eine einfachste, 
aber alleemein gültige Deutung zu finden und dieselben auf 
einen einheitlichen Grundtypus zu überführen. Einzelne, oben 
angeführte Erklärungen des Blütenbaues von Juneperus commmunis 
stoßen hie und da auf verschiedene Hindernisse, weil man einige 
Tatsachen nicht mit Hilfe derselben erklären kann. 

Es bleibt deshalb nichts übrig, als eine solche Deutung an- 
zunehmen, welche auch mit Hinsicht auf die nächste Verwandtschaft 
am natürlichsten erscheint und welche auf wirklich beobachteten 
Tatsachen basiert. 


Zusammenfassung. 


1. Die Eichen der Blütenzapfen von Juniperus, Thaya, 
Chamaecyparis gehören zu den Schuppen, hinter welchen 
sie stehen; dieletzteren stellen ihre mütterlichen Frucht- 
blätter vor. 

2. Fruchtschuppen von Jımiperus, Thuja, Chamaecyparıs 
sind sowohl in der Jugend, als auch in der Fruchtzeit 
ganz einfacher Natur, sie sind einfache fertile Phyllome 
(Karpelle). Die Eichen stehen demnach auf der Blüten- 
achse erster Ordnung. 

3. Nach der Befruchtung beginnt ein starkes inter- 
kalares Gewebewachstum an der Basis der Fruchtblätter, 
wodurch ihr innerer Teil wulstartig emporwächst und 
die Spitze des Fruchtblattes nach außen ablenkt. 

4. Die „Fruchtschuppe“ von COryptomeria ist aus einer 
Stützbraktee und aus einigen (2—6, gewöhnlich5) fertilen 
Schuppen eines axillaren Sprosses, dessen Achse ver- 
kümmert war, zusammengesetzt. Diese, der Stützbraktee 
angewachsenen fertilen Phyllome (Karpelle) bilden auf 
der Innenseite der Stützbraktee eine Wulst, welche in 
so viele Zähne kammartig gespalten erscheint, aus wie 
vielen Fruchtblättern er entstanden ist. — Die Eichen 
stehen hierdemnach auf der Blütenachse zweiter Ordnung. 


Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Ouwpressineen ete. 43 

Ich erfülle eine angenehme Pflicht, indem ich dem hoch- 
eeehrten Herrn Universitäts-Professor Dr. Jos. Velenovsky, 
Direktor des botanischen Instituts und Gartens der k. k. böhmischen 
Universität: in Prag für seine liebenswürdige, mir durch Zusendung 
von Untersuchungsmateriale erteilte Unterstützung meinen wärmsten 
Dank aussage. — Nebst dem sei auch dem Herrn Dr. Otto Gintl 
(Kgl. Weinberge) für seine gütige Beihilfe mein gebührender Dank 
gezollt. 


Benutzte Literatur. 


1. Celakovsky, L., Zur Kritik der Ansichten von der Fruchtschuppe der 
Abietineen. (Abh. d. kgl. böhm. Gesellsch. d. Wissensch. Prag 1882.) 

2. Eichler, A., Blütendiagramme I. 1875. 

3. —, Über die weiblichen Blüten der Koniferen. (Monatsber. d. k. Akad. d. 
Wissensch. Berlin 1881.) 

4 —, Coniferae in Engler-Prantels Pflanzenfamilien. II. 1. 1889. 

5. Kramer, A., Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgeschichte und des 
anatom. Baues der Fruchtblätter d. Oupressineen u. d. Placenten d. 
Abretineen. Leipzig 1885. 

6. Kubart, B., Die weibliche Blüte von Junziperus commamıs L. (Sitzuugsber. 
d. k. Akad. d. Wissensch. Wien 1905.) 

7. Mohl, H. v., Über die männlichen Blüten der Koniferen. (Verm. Schriften 
botan. Inhalts. 1895.) 

8. Payer, Recherches organogeniques sur la fleur des Coniferes. 1860. 

9. Parlatore, Flora Italiana. IV. 

10. Renner, O., Über Zwitterblüten bei Juniperus communis. (Flora 1904.) 

11. Schlechtendal, F. L. v., Botanische Zeitung. 1862. 

12. Schröter, C©., Über abnorme Beerenzapfen von Juniperus communis. (Be- 
richte d. schweiz. botan. Gesellschaft. H. 7. Bern 1897.) 

13. — u. Kirchner, O., Gattung Juniperus. (Lebensgeschichte der Blüten- 
pflanzen Mitteleuropas. I. 1. 1906.) 

14. Schumann, K., Über die weiblichen Blüten der Coniferen (Verh. d. 
Botan. Ver. d. Prov. Brandenburg. Jahrg. 44. 1902). 

15. Strasburger, E., Die Koniferen und die Gnetaceen 1872. 

16. Velenovsky, J., Zur Deutung der Fruchtschuppe der Abretineen. (Flora 1888.) 

17. —, Einige Bemerkungen zur Morphologie der Gymnospermen. (Beihefte z. 
Botan. Centralblatt. 1903.) 

18. —, Vergleichende Morphologie. I. Prag 1905. 


Erklärung der Tafel. 


Fig. 1. Ein durchgewachsener Zapfen von Oryptomeria japoniea Don; 
b Stützbraktee des Fruchtblattes, er kammartige Fruchtschuppe (ÖCrista). — 
8), $9, $; sterile, in der Achsel der einzelnen Nadelblätter stehende Knospen 
bezw. Ästehen. — Die oberen und die unteren Schuppen des Fruchtzapfens 
einfach, steril und ohne den kammartigen Auswuchs. 

Fig. 2. Querschnitt durch den mittleren Teil einer fruchtbaren Zapfen- 
schuppe mit fünfzähniger COrista, die Zahl und Orientierung der Leitbündel 
zeigend, von denen das unten in der Mitte stehende der Stützbraktee, die 


44 Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen etc. 


übrigen der eigentlichen „Fruchtschuppe“ angehören, welche demnach aus fünf 
Phyllomen des axillaren Sprosses zusammengesetzt erscheint. — & Xylem, ph 
Phloöm, p Grundparenchym, sc Sclereiden, % Harzkanal der Stützbraktee mit Harz. 

Fig. 3. Ein steriles, in der Achsel der Nadel 5 auf der Achse eines 
durchgewachsenen Zapfens stehendes Ästchen mit ein wenig vergrößerten Vor- 
blättern a ß; e d die folgenden Nadelblätter. 

Fig. 4 Eine sterile Achselknospe der durchwachsenden Zapfenachse 
mit deutlich vergrößerten Vorblättern a, $. Außer diesen nur noch zwei Nadeln 
(ec, d) entwickelt, die Knospenachse verkümmert. 

Fig. 5. Eine noch mehr reduzierte Knospe. Die Vorblätter in der 
Mediane einander genähert. Bezeichnung wie in Fig. 3 u. 4. 

Fig. 6. Dieselbe Knospe von rückwärts (von der Achsenseite). 

Fig. 7—11. Diagramme der abweichend gebauten weiblichen Blüten 
von Juniperus communis (siehe S. 32). 

Fig. 12—14. Diagramme der abweichend gebauten weiblichen Blüten 
von Thaya occidentalis (siehe S. 35). 

Fig. 15—18. Diagramme der weiblichen Blüten von Thıya orventalis 
(siehe S. 36). 


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Beihefle zum Botanischen Centralblatt Ba. XXI Abt. F. 


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Lith. Anst v; Johannes Arndt, Jena 


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Zur Nukleolusfrage.) 


Ein Beitrag zur Kenntnis der Bildung von Nukleolus in 
vegetativen Zellen von Lupinus angustifolius 
und Allium cepa. 


Von 


Peter Georgevitch. 


Mit Tafel V. 


Über die Herkunft und die Bedeutung der Nukleolen werden 
zur Zeit nach V. Häcker?) drei Theorien vertreten. 

Die erste ist die Transportationstheorie, „da nach der- 
selben die Substanz der Nukleolen zu Beginn der Teilung auf die 
sich bildenden Chromosomen übertragen und bei der Rekonstitution 
der Tochterkerne den Tochterschleifen wieder entnommen wird.“ 

Die zweite Theorie ist die Reservestoff-Theorie Stras- 
burger’s®).. Nach dieser Theorie stellt die Nukleolarsubstanz einen 
Reservestoff dar, aus dem das Kinoplasma nach Bedarf schöpft und 
durch dessen Aufnahme seine Tätigkeit erhöht wird. 

Eine dritte, die Kernsekret-Theorie, ist von V. Häcker 
aufgestellt. Er nimmt an, wie die Mehrzahl der Autoren, daß die 
Nukleolen keine strukturierten Gebilde seien. Nach ihm stellt aber 
Nukleolus keine Nähr- oder Reservestoff-Substanz dar, sondern nur 
ein Abspaltungs- oder Zwischenprodukt des Stoffwechsels, „welches 
während der vegetativen Tätigkeit der Zelle und des Kernes in 
oder an den chromatischen Balken und Fäden zur Abscheidung 
gelangt und noch während der Kernruhe oder in Beginn der Mitose 
als eine Art Sekret aus dem Kernraum entfernt wird, und zwar ent- 
weder in gelöster oder, im letzteren Fall, auch in ungelöster Form.“ 

Neuerdings zeigt sich bei manchen Autoren die Tendenz, die 
Prinzipien der ersten und der zweiten Theorie zu kombinieren 
und den Nukleolus als einen Stoff aufzufassen, aus welchem nicht 


Wissenschaften zu Belgrad erschienen, und mit ihrer Bewilligung wird auch 
dieser Auszug veröffentlicht. 

2) Praxis und Theorie der Zellen- und Befruchtungslehre. Jena 1899, 
pag. 114. 

%) Karyokinetische Probleme. (Jahrb. f, wiss. Bot. Bd. 28.) 


46 Georgevitch, Zur Nukleolusfrage. 


nur Kinoplasma, sondern auch die Chromosome nach Bedarf schöpfen 
können und dadurch ihre Substanz vermehren. 

Trotzdem ist aber diese Frage noch nicht genug aufgeklärt, und 
in der Literatur finden wir noch manche Meinungeserschiedenheit. 

So saet O0. Hertwig!) über ‘diese Frage folgendes: „Nach 
der herrschenden Lehre werden während der Karyokinese die 
Nukleolen aufgelöst, um später in den Tochterkernen wieder neu 
gebildet zu werden. Was bei der Auflösung aus der Substanz 
wird, und wie die Neubildung vor sich geht, konnte mit unsern 
üblichen Hifsmitteln nicht genau festgestellt werden. Die Kon- 
tinuität zwischen alten und neuen Nukleolen war jedenfalls unter- 
brochen“ (p. 197). 

Diese Tatsache möchte ich besonders hervorheben und gleich 
darauf hinweisen, daß ich als Hauptaufgabe meiner Arbeit den 
Nachweis über die Kontinuität der einzelnen Nukleolengenerationen 
betrachte. 


Material und Methoden. 


Es wurden untersucht die Wurzelspitzen von Lupinus angusti- 
folius und Allvum cepa, die in Flemming’scher Flüssigkeit fixiert, 
nach üblicher Methode behandelt, und in Schnitte von 5—1 u 
zerlegt wurden. Die Schnitte von Zupinus wurden ausschließlich 
nach Heidenhain mit Eisenhämatoxylin, dagegen diejenigen von 
Allium nach Heidenhain mit Hämatoxylin und nach Flemming 
mit drei Farben gefärbt. 


1. Lupinus angustifolius. 


Der Zellkern von Zupinus enthält im Ruhezustande (Fig. 1) ver- 
hältnismäßig wenige Chromatin, welches an der Peripherie des 
Kernes verteilt ist. Es ist bemerkenswert, daß diese Chromatin- 
masse auf einzelne Punkte konzentriert ist, welche sich sehr in- 
tensiv färben und wahrscheinlich die Chromosomen in ruhendem 
Zustande darstellen. 

In der Mitte des Zellkernes befindet sich ein verhältnismäßig 
großer Nukleolus, welcher mehrere Vakuolen enthält. Die Peri- 
pherie des Nukleolus färbt sich viel intensiver als die vakuolisierte 
Mitte, wie das auch von H. Wager?) für den Nukleolus von 
Phaseolus gezeigt worden ist (p. 43). 

Der Nukleolus ist auf den Präparaten von einem hellen Hof 
umgeben, welcher aber in frischem Zustande nicht nachzuweisen, 
und deshalb als Kunstprodukt der Fixierung aufzufassen ist. Für 
diese Auffassung sprechen auch - jene feine Fasern, welche den 
Nukleolus mit dem peripheren Kernnetze verbinden, und welche 
auch Wager folgendermaßen beschreibt: „In the resting condition 
the nukleolus is suspended to the peripheral network by delicate 
treads, which are only visible in carefully stained specimens“ (p. 45). 


!) Allgemeine Biologie. Zweite Auflage des Lehrbuches „die Zelle und 
die Gewebe“. Jena 1906. 
2) The nucleolus and nuclear division in the root apet of Phaseolus. 


Georgevitch, Zur Nukleolusfrage. 47 


Bei der Fixierung zieht sich der Nukleolus zusammen, wobei 
auch einige Partien des Kernnetzes, die mit dem Nukleolus ver- 
klebt waren, in feine Fäden ausgezogen werden. Wager läßt 
diese Verbindungsfäden — „suspendinge treads“ — eine große Rolle 
spielen, und meint, daß die Nukleolarsubstanz durch diese in „sur- 
roundine treads“ des Kernnetzes übergehe. Das Stadium der Pro- 
phase verläuft normal, und die Chromosome differenzieren sich um 
die bestehenden Chromatinzentren heraus. Am Ende der Prophase 
sind die Chromosomen schon differenziert, und der Nukleolus be- 
einnt eine unregelmäßige, amoeboide Form anzunehmen. Ein solches 
Stadium ist in der Figur 2 dargestellt: Der Nukleolus ist viel in- 
tensiver als die Chromosomen eefärbt, und fängt an, Vakuolen zu 
bekommen. Ein weiterer Schritt in der Vakuolisierung des 
Nukleolus ist in der Fieur 3 zur Anschauung gebracht. Der 
Nukleolus hat eine noch unregelmäßirere Form bekommen; die 
Vakuolisierung des Nukleolus ist noch weiter fortgeschritten, und 
deshalb ist der Nukleolus in mehrere Enden ausgezogen. Die 
Chromosome zeigen noch immer den innigen Zusammenhang mit 
dem Nukleolus. Sehr interessant in dieser Beziehung ist das 
Stadium, welches in der Figur 4 dargestellt ist. 

Hier ist die Masse des Nukleolus in vier deutliche Enden 
ausgezogen, welche mehr oder weniger die Form der Chromosome 
angenommen haben. Es ist weiter sehr bemerkenswert, daß nur 
diese vier Enden vom Nukleolus eine Vakuolisierung zeigen und 
dadurch ihre gemeinsame Abstammung vom Nukleolus deutlich 
bekunden. 

Dieses Stadium ist auch insoforn interessant, als die drei 
oberen Enden des Nukleolus viel kompakter erscheinen und mit 
wenigen Vakuolen versehen sind und sich deshalb viel intensiver 
färben als das vierte (untere) Ende, welches viel mehr Vakuolen 
enthält und sich weniger intensiv färbt. Dies wird wahrscheinlich 
derjenige Teil von Nukleolus sein, welcher später als ein Über- 
schuß in das umgebende Protoplasma ausgestoßen wird (extra- 
nuklearer Nukleolus). Nurdiese Enden vom Nukleolus besitzenVakuolen, 
die bei den umgebenden Uhromosomen zur Zeit vermißt werden, 
und sich außerdem noch viel intensiver färben als die Öhromosomen. 

Auf Grund dieser Eigenschaften ist es wohl unwahrscheinlich, 
daß eine Verwechslung der Chromosome mit den Teilen vom Nu- 
kleolus möglich wäre. 

Selbst H. Wager, welcher annimmt, daß die Nukleolarmasse 
durch ihre Verbindungsfäden in das Kernnetz transportiert werde, 
und erst aus diesem die Chromosome gebildet werden, gibt zu, dab es 
in manchen Fällen gerade so aussieht, als ob die Nukleolarsubstanz 
direkt zu Chromosomen umgewandelt wäre. 

So sagt Wager: „It is extremely difficult, however, to be 
certain of the exact sequence of events, as the observations have 
to be made entirely on stained specimens. In many cases the 
nukleolus appears as if it was becoming direktly transformed into 
chromosomes, ..... “ (p. 47). Nach der Differenzierung der Chromo- 
some aus dem Kernnetze und aus einem Teil vom Nukleolus werden die 


48 Georgeviteh, Zur Nukleolusfrage. 


Spindelfasern eebildet, die vom Spindelpole zu den Chromosomen 
verlaufen. Metaphase und Anaphase verlaufen in normaler Weise. 
In der Telophase werden die Tochterkerne gebildet, und nachher 
das Kernnetz in der von Gregoire und Wygaerts!) angegebenen 
Weise. Es erfolgt zuerst die Anhäufung der Chromosome an die 
Spindelpole und dann das Auseinanderweichen derselben. Dabei 
werden zahlreiche Anastomosen zwischen einzelnen Chromosomen 
gebildet. 

Diese Anastomosen sind nichts anderes als die ausgezogene 
Substanz der Chromosome, welche zu der Zeit Väkuolen in ihrer 
Masse bekommen haben. 

Eine gewisse Anzahl von Chromosomen vereinigen sich zu 
einer unregelmäßigen, kompakten Masse, welche noch immer mit 
dem Kernnetze verbunden ist. 

So sehen wir in der Figur 5 eine schon geteilte Zelle mit 
zwei Tochterkernen dargestellt. In beiden Tochterkernen können 
wir je drei kompakte chromatische Massen wahrnehmen, und zwar 
in dem oberen Tochterkerne alle drei weit von einander entfernt, 
und nur durch das chromatische Kernnetz verbunden. 

In dem unteren Tochterkerne können wir schon die ange- 
bahnte Vereinigung dieser chromatischen Massen wahrnehmen. 
Zwei größere chromatische Massen sind einander genähert und 
teilweise schon vereinigt. 

Die rechte Hälfte ist aber viel intensiver gefärbt als die 
linke, woraus man den Schluß ziehen kann, daß diese Masse durch 
Vereinigung beider Hälften entstanden ist. 

Ein weiterer Schritt der Vereinigung von Chromosomen ist 
in der Figur 6 dargestellt. 

Im oberen Tochterkerne befinden sich zwei kompakte chro- 
matische Massen, die sich viel intensiver färben als die übrigen 
an der Peripherie des Kernes befindlichen Chromosome. Außerdem 
sind diese Massen so einander «enähert, daß deren Umrisse 
kaum zu unterscheiden sind. 

Vergleichen wir dieses Stadium mit dem in der Figur 5 dar- 
gestellten, so können wir feststellen, daß die angebahnte Vereinigung 
von drei chromatischen Massen zu zwei, wie sie im unteren Tochter- 
kerne der Figur 5 dargestellt wurde, auf dem Stadium der Figur 6 
vollzogen ist. Die vollendete Vereinigung aller chromatischen 
Massen zu einer einzigen ist im unteren Tochterkerne der Figur 6 
zur Anschauung «eebracht. Während man im oberen Tochterkerne 
zwei chromatische Massen antrifft, sehen wir im unteren Tochter- 
kerne nur eine einzive kompakte Masse von unregelmäßiger Form 
und unebenen Umrissen. Außerdem kann man noch feststellen, 
daß diese zentrale Masse durch feine Fibrillen des Kernnetzes mit 
den peripheren Chromosomen in Verbindung steht. Das ist aber 
ein Beweis mehr, daß diese Masse durch eine Vereinigung von 
mehreren Chromosomen entstanden ist, die ihrerseits mit anderen 


!) La reconstitution du noyau et la formation des chromosomes dans 
les cinöses somatique. (Extrait de la Revue: „La Cellule“. T. XXI.) 


Georgevitch, Zur Nukleolusfrage. 49 


Chromosomen im Zusammenhang waren. Endlich bekommt diese 
Masse eine rundliche Form und mehrere Vakuolen und stellt so 
den regenerierten Nukleolus dar. 

Demnach können wir wohlannehmen, daß der regrenerierende 
Nukleolus in den vegetativen Zellen von Lupinus in der Telophase 
durch Vereinigung mehrerer Chromosome zu einer Masse ent- 
standen ist. Wenn wir nun weiter bedenken, daß in der Prophase 
aus dem Nukleolus drei Chromosome entstanden sind, während in 
der Telophase der regenerierende Nukleolus durch Vereinigung 
von drei chromatischen Massen gebildet wird, so kann man daraus 
klar ersehen, daß diese Massen nur die Chromosome des Tochter- 
kernes sein können. 

Nach dieser Auffassung ist die Kontinuität zwischen alten und 
neuen Nukleolen wohl gesichert. 

Auch in der Literatur finden wir einige Angaben über eine 
direkte Entstehung der Chromosome aus der Masse des Nukleolus. 
So hat J. Bershs!) für Spirogyra solche Angaben über die Bildung: 
von Chromosomen gemacht. Nach diesem Autor werden die Chromo- 
some in der Prophase aus der Masse des Nukleolus gebildet. 

Auf Seite 65 sagt Berghs folgendes: On voit que les chromo- 
somes se desagent du nucleole quiescent au sein du quel ils 
etaient contenus“. 

Bershs nimmt an, daß sich das perinukleolare Kernnetz bei 
der Bildung von Chromosomen nicht beteiligt. 

Außer diesen echten Chromosomen werden auch sogenannte 
„bätonnets somatiques“ ebenfalls aus derkernigen Masse des Nukleolus 
gebildet. 

H. Wager hat die Rekonstitution des Nukleolus im Tochter- 
kerne für Phaseolus beschrieben. Er hat ebenfalls gefunden, daß 
ein im Tochterkerne regenerierender Nukleolus durch Vereinigung 
mehrerer chromatischer Massen (Chromosomen) gebildet wird. 

- Verschiedene Farbentöne dieser Massen deuten darauf hin, 
daß dieselben durch Vereinigung mehrerer kleinerer entstanden sind. 

Seine diesbezügliche Resultate faßt Wager im folgenden 
Satze zusammen: „I think, ..... that the nucleoli in the dauchter- 
nuclei definitely originate by the fusion of the chromosomes, first 
of all into a number of small nucleolar masses, connected together 
by a deeply stained network, and then by further fusion into the 
large nucleoli found in the mature cells“ (p. 47). 


2. Allium cepa. 


Der Zellkern dieser Spezies enthält viel mehr Chromatin und 
relativ längere Chromosome als der Zellkern von Lupinus. Im 
ruhenden Zustande (Fig. 7) enthält der Zellkern einen relativ 
kleineren Nukleolus, in dessen Mitte eine große Vakuole verhanden 
ist, und ist von keinem hellen Hof umgeben. 


ı) Le noyau et la cinese chez le Spirogyra. (Extrait de la Revue „La 
Cellule“. T. XXIIL £. 1.) 
Beihefte Bot. Centralbl. Bd. XXIII. Abt. I. Heft 1. 4 


50 : Georgevitch, Zur Nukleolusfrage. 


Nach B. N&mec!) befindet sich bei jüngeren Zellkernen von 
Allvum cepa ein sehr schmaler, von radialen Fibrillen durchsetzter 
Hof. Später soll aber bei älteren Kernen dieser Hof durch An- 
häufung von Chromatinkernen an die Fibrillen verschwinden. Es 
ist wohl möglich, daß in der Figur 7 ein solcher Kern dargestellt 
ist, füge aber gleich hinzu, daß auch an anderen Präparaten kein 
Hof wahrzunehmen war. 

Vom Nukleolus sind zahlreiche feine Fäden in radialer 
Richtung nach der Kernperipherie auszespannt. Diese Fäden 
kreuzen sich, und. in den Knotenpunkten wird die sehr intensiv 
sich färbende chromatische Masse angesammelt. Interessant ist es, 
daß die Längsspaltung des chromatischen Kernfadens vor seinem 
Zerfall in einzelne Chromosome erfolgt. 

Zu gleicher Zeit mit dem Zerfall des Kernfadens kommen 
auch die achromatischen Polkappen zum Vorschein. In der Figur 
8 ist nur eine solche dargestellt, da der Schnitt etwas schief zur 
Spindelachse geführt wurde. Auf diesem Stadium hat der Nukle- 
olus seine ursprüngliche Form geändert, indem er mehr länglich 
und unregelmäßig geworden ist. In seiner Mitte sehen wir nicht 
mehr jene große, helle Vakuola, weshalb der Nukleolus jetzt ganz 
homogen erscheint. 

Es wurde schon betont, daß die Präparate, nach welchen die 
Figuren 7, 8 und 9 gezeichnet sind, nach Flemming mit drei 
Farben zefärbt wurden. Nach dieser Methode färbt sich be- 
kanntlich der Nukleolus intensiv hellrot, die Chromosomen da- 
gegen purpurrot. Dieses verschiedene tinktionelle Verhalten gibt 
uns die Möglichkeit, die Bestandteile von Nukleolus und Chromo- 
somen sicher von einander zu unterscheiden. 

Auf dem in der Figur 8 dargestellten Stadium ist die achro- 
matische Polkoppe schon gebildet, der Nukleolus aber ist noch 
immer im Inneren des Kernes ganz vorhanden. Daraus können 
wir den Schluß ziehen, daß zur Bildung der achromatischen Pol- 
koppe keine Nukleolarsubstanz verbraucht wurde. Dasselbe Ver- 
hältnis bleibt auch später bestehen. Der Nukleolus hat seine Form 
noch weiter geändert und schließlich die Form eines Chromosoms 
angenommen. 

So sehen wir in der Figur 9 unter anderen Chromosomen 
auch ein solches, welches dieselbe hellrote Färbung zeigt wie der 
Nukleolus selbst, es liegt in der Mitte der unteren Reihe der in 
der Metaphose sich befindenden Chromosome. 

Auf diesem Stadium ist die Kernmembran desorganisiert, 
und die achromatische Figur vollständig ausgebildet, obgleich die 
Nukleolarsubstanz in der Form eines Chromosoms ganz erhalten 
ist. Für unsere Annahme, daß dieses hellrot sich färbende Chro- 
mosom vom Nukleolus entstanden ist, spricht noch der Umstand, 
daß nur dieses einzige Chromosom die intensiv hellrote Färbung 
zeigt, während alle anderen Chromosome sich dunkelrot färben. . 


!) Über die karyokinetische Kernteilung in der Wurzelspitze von Allium 
cepa. (Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XXXIT. H. 2, 


Georgevitch, Zur Nukleolusfrage. 51 


Das Stadium der Anaphase und der Telophase verläuft in 
normaler Weise. In der Figur 10 ist das Stadium der Telophase 
dargestellt: Beide Tochterkerne sind regeneriert und mit einer 
Membran umgeben. Außerdem ist die Zellplatte gebildet und zeigt 
in ihrer Mitte die charakteristische Krümmung, welche auch von 
Nemce für Allkum beschrieben wurde. 

Die Chromosome zeigen deutliche Vakuolen in ihrer Masse, 
wie das Gr&egoire und Wyeaerts für vegetative Zellen beschrieben 
haben. In jedem Tochterkerne sieht man je ein vakuolisiertes 
Chromosom, in dessen Mitte ein längliches oder ovales Körper- 
chen in der Verlängerung desselben Chromosoms liest. Dieses 
Körperchen ist kompakt, während die anderen Bestandteile dieses 
Chromosoms vakuolisiert sind. Außerdem färbt es sich weniger 
intensiv als die Bestandteile dieses und anderer Chromosome, und 
zeigt überhaupt alle Eigenschaften eines resenerierenden Nukleolus. 
Bei einer genauen Betrachtuug des mikroskopischen Bildes kann 
man feststellen, das dieses kompakte Körperchen durch je zwei 
parallele, feine, farblose Fädchen mit anderen Bestandteilen dieses 
Chromosoms in Verbindung steht. 

Das ganze Bild macht den Eindruck, als ob die Masse eines 
Chromosoms sich um diesen Punkt konzentrierte, wodurch derselbe 
durch die Apposition der Chromatinmasse vergrößert wird. 

Den Vorgang der Konzentration der Chromosomenmasse in 
beschriebene Zentren können wir uns folgendermaßen vorstellen: 
Um eimen kompakten Punkt des vakuolisierten Ohromosoms, welcher 
beiderseits durch je eine Vakuole von anderen Bestandteilen des 
Chromosoms getrennt ist, wird immer neue chromatische Masse 
von beiden Seiten her aufgelagerte Dadurch wird das kompakte 
chromatische Körperchen immer größer, bleibt aber noch immer 
durch je zwei feine, farblose Fädchen mit anderen Teilen dieses 
Chromosoms in Verbindung. Nach der von Gr&6goir und Wyeaerts 
gegebenen Definition stellen diese Fädchen die lateralen Wände 
der Vakuole, und sind aus der Chromosomenmasse gebildet. In 
der beschriebenen Weise konzentriert sich die ganze Masse eines 
bestimmten Chromosoms zu einem kompakten, kleineren oder 
größeren Punkt, welcher einen regenerierenden Nukleolus 
darstellt. Aus der Masse anderer Chromosome wird dagegen 
das chromatische Kernnetz in bekannter Weise gebildet. 

So haben wir den ganzen Zyklus der Veränderungen des 
Nukleolus festgestellt. In der Prophase wird aus dem Nukleolus 
ein Ohromosom (für Allvrum) gebildet, und in der nächsten Telophase 
regeneriert der Nukleolus aus der Masse eines bestimmten COhro- 
MOSomS. 

Solche Entstehungsweise von Nukleolus steht im besten Ein- 
klange mit der Theorie der Chromosomenindividualität. Gregoire 
und seine Schüler haben besonders betont, daß die Uhromosome 
in der Telophase nur ihre Form, nicht aber ihr Wesen verändern, 
woraus zu schließen ist, daß im Ruhezustande der Zellkern die- 
selbe Ohromosomenzahl wie bei der Mytose enthält, nur ohne deut- 
liche Umrisse einzelner Chromosome. In der Prophase dagegen wird 

4.” 


52 Georgeviteh, Zur Nukleolusfrage. 


nur die Masse einzelner Ohromosome aus dem Kernnetze konzen- 
triert, und zwar aus denjenigen Teilen desselben, welche in der Telo- 
phase durch Vakuolisierung derselben Chromosome entstanden sind. 

Auf diese Weise ist die so viel erörterte Individualität der 
Ohromosome auf das deutlichste bewiesen. Unsere Annahme über 
die Entstehung des Nukleolus nach der gegebenen Erklärung steht 
keineswegs im Widerspruch mit der Theorie von der Individualität 
der Chromosome, da aus den vakuolisierten Chromosomen einer Telo- 
phase wieder nur die Chromosome der nächsten Prophase sebildet 
werden. 

Zu diesen Chromosomengenerationen wird die Masse des 
Nukleolus in Form eines oder mehrerer Chromosome in der Pro- 
phase hinzugefügt, oder aus denselben in der Telophase als der 
regrenerierende Nukleolus eliminiert. , 

Ganz anders verhält sich die Sache nach der von Wager 
gegebenen Beschreibung der Entstehung von Nukleolus. Nach ihm 
werden die Chromosome in der Prophase nur aus dem Kernnetze 
gebildet. Der Nukleolus gibt nur die amorphe Masse — „nucleolar 
material“ —, welche aus dem Nukleolus durch die „suspending 
fibrres“ in das Kernnetz übergeht, und dadurch dessen Masse 
vermehrt. 

In der Telophase dagegen entsteht der Nukleolus durch Ver- 
einieung einiger Ohromosome, morphologeisch also aus ganz ver- 
schiedenen Elementen, welche nur einen Teil des Nukleolus aus 
der Prophase enthalten. Dadurch ist aber die Kontinuität zwischen 
dem alten Nukleolus einer Prophase und dem neuen in der nächsten 
Telophase unterbrochen. 

Für Allium hat B. N&mec!) die Bildung des Nukleolus durch 
Umwandlung der Spindelfasern an den Polen der Teilungsfiguren 
beschrieben. 

Die Mantelfasern verlieren ihre faserige Struktur und werden 
in eine homogene Masse umgewandelt, welche ihre konische Form 
beibehalten hat. Später wird sie körnig und färbt sich mit drei 
Farben rötlich gelb. Einzelne ‘Körner dieser Masse vereinigen 
sich zu einem oder mehreren rundlichen Körpern, welche alle 
Eigenschaften der regenerienden Nukleolen aufweisen. Sie 
liegen am Pole des Tochterkernes in einer kleinen Vertiefung und 
erst später dringen sie in das Kerninnere 

Auf meinen Präparaten, die ebenfalls mit drei Farben nach 
Flemming gefärbt wurden, konnte ich nie eine solche Umwand- 
lung der Spindelfasern in Nukleolus beobachten. 

Dagegen habe ich sehr oft die Gelegenheit gehabt, an den 
Polen der Tochterkerne solche sehr intensiv sich färbende Körper- 
chen in einer Vertiefung zu beobachten. In allen Fällen hat sich 
aber herausgestellt, daß diese rundlichen Körperchen an den Polen 
der Tochterkerne nichts anders waren als die kompakten Enden. 
eines vakuolisierten Chromosoms, welches am Pole des Tochter- 
kernes lag, und über die übrigen hinausragte. Das kompakte 


1) 1. c. p. 330. 


ee 10. 


IC) vun } 


Gemgevitsch del. Verlag von 0. Heinrich in Dresden N. Litt Anstv.Johannes Arndt, Jena 


Georgevitch, Zur Nukleolusfrage. 53 


Ende eines solchen Chromosoms färbt sich aber intensiv und ist 
von anderen Teilen dieses Ohromosoms durch eine Vakuole getrennt. 


Auf ersten Blick macht es den Eindruck eines selbständigen 


Körpers, und es ist wohl die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß 
sie irrtümlicherweise als Nukleolen interprätiert wurden. 


Figurenerklärung. 


Sämtliche Figuren sind mit Hilfe des Ab&’schen Zeichenapparates ge- 


zeichnet. 
Fig. 1. Eine Periblemzelle aus dem Längsschnitte einer Wurzelspitze von Lu- 


10. 


pinus angustifolius. Der Kern ist im Ruhezustande. Ok. V. Obj. !/ız 
Ölimmersion von Leitz. 


. Eine Periblemzelle in der Mytose, sonst wie in der Figur 1. 
. Wie in der Figur 2. Nukleolus ist vakuolisiert und hat eine noch un- 


regelmäßigere Form bekommen. 


. Ein weiteres Stadium der Vakuolisierung vom Nukleolus, welcher in 


vier Enden ausgezogen ist, sonst wie in der Figur 3. 


. Eine Periblemzelle in der Mytose; beide Tochterkerne zeigen die Ver- 


einigung der chromatischen Massen. Ok. V. Obj. !/j. L. 


. Wie in der Figur 5, nur ist die Vereinigung der chromatischen Massen 


weiter fortgeschritten. 


. Eine Periblemzelle aus dem Längsschnitte einer Wurzelspitze von Allium 


cepa. Der Zellkern ist im Ruhestadium. Ok. V. Obj. Yı. L. 


. Eine Periblemzelle in der Mytose. Die Ohromosome sind differenziert, 


und die Polkappe gebildet. Ok. IV. Obj. 0,30 Ölimmersion. Zeiß. 


. Wie in der Figur 8, nur ist die Spindelbildung vollendet; der Zellkern 


befindet sich in der Metaphose. 
Eine Periblemzelle in der Teilung und mit zwei Tochterkernen. Die 
Zellplatte ist gebildet. Ok. III. Obj. !/ı. L. 


54 


Zur Frage über den Einfluss des Lichtes 
auf die Atmung der niederen Pilze. 
Von 
A. Löwschin. 


(Aus dem Botanischen Laboratorium der Universität zu Kiew.) 


Mit Tafel VI bis VII. 


Die Atmung der Pflanzenorganismen wird bekanntlich durch 
den Wechsel von Beleuchtung und Dunkelheit nicht sehr wesent- 
lich beeinflußt. Immerhin konnte man häufige im Lichte eine Ver- 
langsamung der Atmung beobachten. 

Aber im Jahre 1899 fand Kolkwitz!), daß das Licht bei den 
niederen Pilzen und Bakterien unabhängig von dem morphologischen 
Zustand der Kultur und von ihrer Nahrung eine anfangs an 10%, 
betragende Beschleunigung der Atmung hervorbringt. Seine Er- 
gebnisse stehen im Widerspruch mit den bis dahin bekannten 
kritischen Untersuchungen auf diesem Gebiete Kolkwitz erklärt 
dies sehr einfach folgendermaßen: „Die Forscher‘ — schreibt er?) — 
„welche vor mir den gleichen Gegenstand behandelt haben, ver- 
mochten nicht ganz die Schwierigkeiten zu überwinden, welche 
ihnen vor allem das Konstanthalten der Temperatur verursachte. 
Es darf darum auch nicht sehr überraschen, daß ich durch Ver- 
feinerung der Methode zu wesentlich anderen Ergebnissen ge- 
kommen bin.“ 

Später (1902) hat Maximow:) durch die Versuche mit 
Aspergillus niger und Maucor stolonifer, wobei er auch für eine 
sute Temperaturkonstanz des umgebenden Mediums sorgte, die 
Beobachtungen von Kolkwitz teilweise bestätigt und ist zu 
analogen Ergebnissen gekommen. Er scheint auch einerlei 
Meinung mit ihm bezüglich der Ursache des eben gezeigten 
Widerspruches zu sein. 


!) Kolkwitz, R., Über den Einfluß des Lichtes auf die Atmung der 
niederen wi (Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XXXII. H.1. S. 128.) 

an 129. 

) ne N. A., Über den Einfluß des Lichtes auf die Atmung der 
niederen Pilze. (Gentralblatt für Bakteriologie usw. Abt. II. BandIX. 1902, 
No, 6—7. 8, 193.) 


Beihelte zum Botanischen Centralblatt Ba. XMILAbEI 


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4.Löwschin 


Beihefte zum Botanischen Centralblatt Da. KMILAbEI Taf. WM. 


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4 Löwschin. 962 Verlag von ©. Heinrich in Dresden-N Lilh. Anstv. Johannes Arndt, Jena. 


Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes ete. 55 


Aber es gibt noch eine Möglichkeit, welche die beiden Autoren 
offenbar für unzulässig hielten, und zwar, daß bei ihren eigenen 
Versuchen die aktinische Erwärmung der Kulturen eine Rolle 
spielte. Diese Voraussetzung widerspricht freilich ihren Be- 
hauptungen. Doch hoffe ich zu zeigen, daß sie vieles für sich hat. 

In der Tat benutzten sie zum Beleuchten das starke, oft 
dazu noch mittels konkaver Reflektoren kondensierte elektrische 
Lieht. — Maximow setzte sogar die Kulturen den direkten Sonnen- 
strahlen in einigen Versuchen aus. — Dieses Licht verursachte 

manchmal bei ihren Versuchen, trotz der angewandten Temperatur- 

reeulierungsvorrichtungen und Rührwerke, eine so starke Er- 
wärmung des das Kulturgefäß umgebenden Wassers, daß die 
Forscher persönlich eingreifen mußten, damit die unerwünschte 
Temperaturerhöhung vermieden wurde „Nur wenn“ — schreibt 
Kolkwitz!) — „das die Kultur bescheinende Bogenlicht durch eine 
Sanz schwach konische, innen mit dünner Nickelschicht belegte 
Papphülse recht wirksam gesammelt wurde, konnten die an der 
spiegelblanken Nickeliläche reflektierten Wärmestrahlen so stark 
erwärmen, daß die Temperatur zu sehr stiee. In diesem Falle 
mußte darauf Acht gegeben werden, daß der Regulator nicht un- 
beabsichtigt außer Funktion gesetzt wurde‘. 

Bei Maximow) findet man folgende nicht weniger interessanten 
Worte: „Ubrigens mußte, um übermäßige Erhöhung der Temperatur 
zu vermeiden, die Gasflamme unter dem Kessel D:) hin und wieder 
ausgelöscht werden (bei einiger Gewöhnung konnte im Voraus 
bestimmt werden, um wieviel die Temperatur im Kessel D herab- 
gesetzt werden mußte, um den Eintluß der Strahlenwärme im Gefäß 
E auszugleichen); ausnahmsweise mußte Kaltes oder heißes Wasser 
in das Gefäß E hinzugeeossen werden.“ 

Mit Hilfe solcher Manipulationen gelang es freilich dem Forscher, 
unerwünschte Temperaturschwankungen des umgebenden Mediums 
zu beseitigen. 

Aber es lievt nun nahe, zu fragen, ob auch Temperatur- 
schwankungen der Kultur selbst damit unmöglich wurden? Ob ihre 
Temperatur wirklich stets konstant blieb und keine nennenswerte 
Steigerung im Lichte aufwies? 

Auf diese wichtigen Fragen hat ebenso gut Kolkwitz wie 
Maximow keine befriedigende Antwort, denn sie maßen nur die 
Temperatur des Mediums und zogen daraus die Schlüsse über die 
der Kulturen, während viele Umstände, welche die Entstehung von 
Temperaturdifferenzen zwischen dem Medium und Organismus fördern 
könnten, bei ihren Versuchen vorhanden waren, wie das starke 
Licht, große, nicht selten dazu noch dunkelgefärbte, beschienene 
Flächen der Kulturen, ihre verhältnismäßig kleinen Massen und 
endlich ihre oberflächliche Lage auf den Nährflüssigkeiten, ihre 


1) ]. ec. 8.144. 

Ay, 0; 8,201 

», Der Kessel D wurde mit einem T’hermoregulator versehen und diente 
zum Konstanthalten der Temperatur des Wasserstromes, der weiter das Gefäß E 


durchfloß, worin das Kulturgefäß sich befand, 


56 Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes ete. 


Berührung also mit einem so schlechten Wärmeleiter, wie 
die Luft. 

Kolkwitz sah offenbar diese Möglichkeit nicht voraus, indem 
er ohne weiteres schlechthin annnahm, daß „Pilzkultur und durch- 
strömende Luft stets die gleiche und konstante Temperatur hatten.“!) 

Was Maximow betrifft, so war er scharfsichtiger. „Im. 
Wasserbehälter‘‘ — lesen wir Il. c. S. 200 — „befand sich das 
Kulturgefäß und ein empfindliches Thermometer .... Das Re- 
servoir dieses Thermometers war nie dem Einflusse des direkten. 
Sonnenlichtes ausgesetzt, sondern blieb stets-verdeckt, da widrigen- 
falls das Quecksilber leicht über die Temperatur des umgebenden 
Elements hinaus sich erwärmen Könnte .. .“ 

Daß dasselbe auch der Pilzkultur selbst passieren könnte, 
daran dachte er gar nicht, und suchte daher durch parallele Kontroll- 
versuche im Dunkeln sich nur davon zu überzeugen, daß Tem- 
peraturschwankungen des umgebenden Wassers, „welche beim 
Wechsel von Dunkelheit und Licht dennoch stattfinden könnten, 
keinerlei Einfluß auf die Atmung der Pilze ausüben‘.2) | 

So ließen sich die beiden Forscher in solch einer wichtigen 
Frage, wie die über das Temperaturverhalten der Kulturen im 
Lichte, durch die Annahme leiten, daß die Pilztemperatur stets 
mit der des umgebenden Mediums zusammenfallen müßte. 

In der Wirklichkeit aber verhält sich dies häufig canz anders. 

Im Frühlmg 1904 habe ich auf Rat von Herrn Professor 
Dr. K. A. Purijewitsch, dem ich auch für seine zahlreichen 
wertvollen Anweisungen zu bestem Dank verpflichtet bin, eine Unter- 
suchung über den Einfluß des Lichtes auf die Atmung der niederen 
Pilze unternommen.?) Ich stellte Versuche mit ähnlichen Pilzkulturen 
an, wie Kolkwitz und Maximow, und Konnte nicht selten be- 
trächtliche Temperaturdifferenzen zwischen der Kultur und dem 
Medium beobachten, die im diffusen Tageslichte bis zu 0,7° C.) 
erreichten. 

Ich sehe nicht, was für ein Umstand bei den Versuchen der 
zitierten Autoren die Entstehung ähnlicher Temperaturdifferenzen 
verhindern könnte, und halte darum ihre Interpretation der ohne 
Zweifel richtig beobachteten Erscheinungen für eine schwach be- 
gründete. 

I. 


Im Folgenden ist Allgemeines über die Versuchsobjekte, die 
angewandte Methode etc. möglichst kurz gefaßt. Näheres findet 
man bei der Beschreibung der einzelnen Versuche und ihrer Re- 
sultate. 

Versuchsobjekte. Reine Kulturen von Aspergillus niger, 
Oladosporium herbarum Link, Oidium lactis und Penieillium sp. 


D)1. ce. 8. 140. 

a I a 86 ZU: 

>) Verschiedenen Umständen zufolge konnte ich nur einen vorläufigen Teil 
der Arbeit ausführen. 

*) Man wird sehen, daß diese Zahl keineswegs den Maximalwert der 
etwaigen Temperaturdifferenzen gibt, 


Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes etc. 57 


Nährboden. Am meisten durehsichtige, feste Nährgelatine 
von verschiedener Zusammensetzung, nämlich: 


(«) (b) 
NVassenkan u. 2 1 L. 
Gelamesne 2.727200 Er 00T 
Rohrzucker 2... ...2..:02109 72 21000 
Beptonawätter 2....11.2 20200 ION 
Ammonummitrat ea are 
Ralkumphosphatın a oe 
Masnnumsultat 2 27, 2,040,2.0,38% 


Manchmal wurde auch mit Gelatine zu Gallerte gewordene 
Raulin’sche Lösung gebraucht. Diese Sorten der Nährgelatine 
werden bei der Beschreibung der einzelnen Versuche kurz be- 
zeichnet als a-, b- oder R. L.-Gelatine. In einigen Versuchen wurde 
Raulin’sche Lösung allein benützt. 


Co:s-Bestimmung. Ich bestimmte nur die Mengen der 
während streng «emessener Zeitintervalle ausgeatmeten Kohlen- 
säure, nach der Pettenkofer’schen Methode. Zur Reinigung der 
durchströmenden Luft dienten eine mit Watte und drei mit 
Natronkalk «efüllte U-förmige Röhren und eine Drechsel’sche 
Kontrollflasche mit Barytlösung. Die Pettenkofer’schen Ab- 
sorptionsröhren enthielten immer 100 cbem Barytlösung, die nach- 
her in hermetisch zu verstopfende Flaschen abgelassen wurde. 
Hinter diesen Röhren wurde noch eine Drechsel’sche Kontroll- 
flasche mit Barytlösung eingeschaltet. , 


Zum Titrieren diente die Oxalsäurelösung, von welcher 1 chem 
einem mgr ausgeatmeter Kohlensäure entsprach. Die Baryt- und 
Oxalsäurelösung: en verhielten sich zu einander wie 20:41, 15 und 
20: 41,6, wobei Phenolphtalein als Indikator diente. 


Zn Bestimmung der absorbierten Kohlensäure wurden 20 ebem 
von der Absorbtionslösung vermittelst einer mit einem evakuierten 
Gefäße verbundenen Pipette genommen. ‚Jede Bestimmung wurde 
zwei- bis dreimal ausgeführt. Die angewandten Büretten gestatteten 
ein bis auf 0,05 cbem genaues Ablesen. 


Luftstrom. Zum Durchdrücken der Luft dienten große, 
nach dem Mariotte’schen Prinzip von mir selbst Konstruierte 
Druckflaschen (Taf. VIII, Fig. 1), die einen konstanten und bequem re- 
sulierbaren Luftstrom erzeugten. Durch zwei Glashähne und einen 
Quetschhahn wurde der Luftstrom nach Wunsch in eine von vier 
Absorptions- oder in (fünfte mit Wasser gefüllte) eine Ventilationsröhre 
(vgl. Schema Taf. VIII, Fig. 2, %) gelenkt. Die letzere diente, damit 
keine Änderung der Luftstromgeschwindiekeit während des Versuches 
auch dann stättfände, wenn keine Öo,-Absorption ausgeführt wurde. 
Die mit einer Gasuhr gemessene Luftstromgeschwindigkeit schwankte 
bei einzelnen Versuchen von 3 bis auf 5 L. pro Stunde, am meisten 
betrug sie 4,25—4,5 L. 


58 Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes etc. 


Vor Versuchsbeginn fand immer eine vorläufige Ventilation 
während 1-2 Stunden mit ca. 10 L., resp. 20 L. kohlensäure- 
freier Luft statt. 

Kulturgefäß. Ich bediente mich Roux’s Kolben von ca. 
400 ebem Inhalt, die mit ca. 250 cbem Nährsubstanz gefüllt wurden. 
Die Mycelfläche in solch einem Kolben betrug an 160 gem. Durch 
einen seitlichen Fortsatz jedes Kolben wurde eine von mir selbst spe- 
zielleemachte, nach außen gebogene, dünne Glasröhre (Taf. VIII, Fig. 3«) 
mit Mündung von ca 0,5 mm hineingeführt, wodurch die Luft in den 
Kolben einströmte. Die Ausströmung geschah durch eine breitere Glas- 
röhre (Taf. VIII, Fig. 36), deren Mündung von ca.3 mm in der Mitte 
des Atemraumes sich befand, und die durch den Kolbenhals durch- 
sing. Die beschriebene Einrichtung des Kulturgefäßes entsprach 
dem Zwecke gut, wie vorläufige Versuche mit Salmiaknebel ge- 
zeigt hatten. 

Ein anderer Fortsatz jedes Kolben diente zu ihrer Fiillung. 
Ein unten durch Gummipfropfen hineingehendes Röhrchen gestattete, 
auf Wunsch flüssige Nährlösungen zu wechseln. 


Temperatur. Alle Versuche wurden bei gewöhnlicher 
Zimmertemperatur ausgeführt. 

Ich maß durch zwei vorher verglichene, bis auf 0,050 C. 
genau ablesbare Thermometer nicht nur die Temperatur des um- 
sebenden Mediums, sondern auch die der Pilzkulturen. Zu diesem 
Zweck wurde ein Thermometer von unten durch den Kolbenhals 
hineingeführt und berührte somit «lie niedere Seite des Pilzmycels. 
Leider standen zu meiner Verfücung bloß gewöhnliche Thhermo- 
meter mit zylindrischen Reservoiren. Man soll dies bei Würdieung 
meiner Angaben betreffs der Temperatur der Pilze in Betracht nehmen. 

Das andere Thermometer befand sich neben dem Kulturgefäß 
und wurde bei Beleuchtung der Wirkung des Lichtes ausgesetzt. 

Der Temperaturkonstanz halber tauchte ich das Kulturgefäb in 
ein großes, würfelähnliches Glasaquarium, das ca. 64 L. destillierten 
Wassers enthielt. Darin befand sich auch ein Schlangenrohr von 
ca. 8 Meter Länge, das aus einzelnen Glasröhren von 3mm Innen- 
weite zusammengesetzt worden war und zum Konstanthalten der 
Temperatur der in das Kulturgefäß einströmenden Luft diente. 


Beleuchtung. Ich benutzte ausschließlich das diffuse 
Tageslicht. 

Das Aquarium mit dem Kulturgefäß wurde zu diesem Zwecke 
an ein östliches Fenster gestellt, und die Versuche wurden erst dann 
begonnen, wenn kein direkter Sonnenstrahl mehr ins Fenster 
drane. Das Kulturgefäß wurde dabei so befestigt, daß das Pilz- 
mycel in senkrechter Fläche lag und gleichmäßig beschienen wurde. 

Zwischen dem Gefäß und der Glaswand des Aquariums be- 
fand sich eine ca. 8 cm dicke Wasserschicht. 

Die Verdunklung wurde mittels eines schwarzen, passend 
gemachten Kartonmantels erreicht. 

Jede Abweichung von der beschriebenen Versuchsanordnung 
ist an der betreffenden Stelle angegeben. 


Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes etc. 59 


JaT: 


Ich beschreibe hier die Versuche ohne die chronologische Reihen- 
folge, indem ich dabei diejenigen auslasse, die nach ihrer Anordnung 
und ihren Resultaten einen von den mitzuteilenden wiederholten 
und somit nichts neues dargeboten haben. 

In den unten angegebenen Tabellen bedeutet: t%i = Anfangs- 
temperatur der bezüglichen Pilzkultur; t%a = Anfangstemperatur des 
umgebenden Wassers; /\ ti?, resp. A ta° = Temperaturzuwachs, so- 
daß die Summe ti? + /\ ti°, resp. ta° — A ta die im entsprechen- 
den Versuchsmoment beobachtete Temperatur in Grad Celsius gibt. 
Das Übrige versteht sich von selbst. 

Die beigefügten Diagramme (Taf. VI u. VII) stellen synoptisch 
die beobachteten Erscheinungen dar. 

1. Versuch. Diagramm 1: 25. März 1904. Starkes Tages- 
licht. Cladosporium herbarum Link, eine 6 Tage alte, dunkel 
gefärbte, ziemlich kompakte, aber noch wachsende Kultur auf 
a-Gelatine. 4 erste Öos-Mengen für !/stündige, 3 letztere für 
!/,stündige Zeitintervalle. Versuchsdauer: 113° —32%, Luftstrom- 
geschwindigkeit: c. 4,5 L pro Stunde. 


tie = 19,90 €.) ta0 = 19,70 C. 


| Co, in mer TUN ti? A ta Temperaturdifferenz. 

Em 21,76 Sn a 0,20 

au. 23,23 0,7 | 0,2 0,70 

3.0 2 22,15 0,4 0,3 0,30 
Tan.) 293.05 0,9 0,5 0,6 

DD): IN | | | 

| ER) 00 we = 

aD) ea 00. 0005 0,30 


Von besonderem Interesse sind die Zahlen der letzten 
Kolumne. Man sieht, daß auch im diffusen Tageslichte, das dazu 
noch drei Glasplatten (Fensterscheibe, Aquariums- und Kulturgefäß- 
wand) und eine ca. 8 cm dicke Wasserschicht durchstrahlt hat, 
beträchtliche Temperaturdifferenzen zwischen der Kultur und Um- 
gebung entstehen. Dabei ist zu beachten, daß die Luft mit der 
Geschwindiekeit von 4,5 L. pro Stunde über die Kultur strömte. 


2. Versuch. Diagramm 2: 26. März 1904. Starkes Tages- 
licht. Oladosporium herbarum Link; dieselbe Kultur, wie im vor- 
stehenden Versuch. Die Cos-Mengen für !/;stündige Zeitintervalle. 
Versuchsdauer: 11°°—255. Luftstromgeschwindiekeit: ca. 5 L. pro 
Stunde. Das äußere Thermometer wurde etwas weiter vom Kultur- 
sefäß entfernt. 


') Zwischen dem Mycel und Ende des Thermometers lag leider eine ca, 
2 mm dicke Gelatineschicht, 


60 Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes ete. 


tie = 19,50 0.1) ta0 = 19,40 C. 


Co, in mgr | AN | /A ta®  Temperaturdifferenz. 
jl 0) 21,75: 0,10 
Di 29,715. 0007 0,2 0,60 
7, 2254 #900 03 0,70 
4D. 25 008 0,3 0,250 


Hier sieht man auch die beträchtliche Steigerung der Tem- 
peratur des Pilzes im Lichte. 

Es fragte sich, ob diese Steigerung von einer durch das Licht 
bewirkten physikalischen Erwärmung der Kultur herrührte oder 
darin eine physiologisch-chemische Lichtwirkung beobachtet wurde. 

Um dies zu beantworten, wurden die Beobachtungen über 
die Temperatur wiederholt, nachdem die Pilzkultur durch Dampf- 
sterilisation getötet worden war. Da aber die Dampfsterilisation 
zugleich auch die Gelatine verflüssigt und undurchsichtie gemacht 
hatte, so war es notwendig, eine Versuchsmodifikation einzuführen. 
Das Pilzmycel wurde daher herausgenommen und zerschnitten, mit 
einem Streifen wurde das Reservoir eines Thermometers umwickelt, 
dann in einer leeren Eprouvette durch einen Pfropfen befestigt und 
so in einen mit destilliertem Wasser sefüllten, breiten Glaszylinder 
eingetaucht. Das andere Thermometer befand sich daneben bloß 
im Wasser. Zwischen der Zylinderwand und den Thermometern 
lag eine ca. 5 cm dicke Wasserschicht. Die Beobachtungen wurden 
an demselben Fenster ausgeführt. 

9. Versuch. Diagramm 3: Cladosporium herbarum Link. 
Das getötete Mycel, das vor dem Versuch in emer Formalinlösung 
bewahrt wurde. Starkes Tageslicht. 


M=2200 m) = 220 


FANGEN | A ta° Temperaturdifferenz. 
1245 belichtet — | E | 0 
127 L. 0,4 | 0,1 0,3 
125° L. | 0,6 0,1 0,50 
1257 L. | 0,8 0,1 0,70 
11 | 0,8 0,1 0,70 
1°1 verdunkelt | — — _ 
102;D): | 0,3 0 0,30 
1198 JD). 0 —0,05 0,05 0 
1117. — 0,1 | — 0,1 0 
1:2 belichtet — _ | — 
113 L. 0,1 —0,055 0,15 
U. S. W. 


!) Zwischen dem Mycel und Ende des Thermometers lag leider eine ca, 
2 mm dicke Gelatineschicht. 


Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes ete. 61 


Den gesamten Verlauf des Versuches gibt das Dia- 
eramm 3 an. 


Die Temperatur auch des toten Pilzes stieg beträchtlich im 
Lichte und erreichte in zwölf Minuten nach der Beleuchtung ihr 
Maximum. Die Zuwachse der äußeren Temperatur im Lichte waren 
viel kleiner. Man bemerkt dabei, daß sie auch kleiner als die in 
den Versuchen 1 und 2 ausfielen. Es erklärt sich daraus, daß die 
Masse der nahe bei dem äußeren Thermometer liegenden erwärmten - 
Substanz in diesem Falle unbeträchtlich war und somit schwächer 
beeinflußte Diese Tatsache deckt die Hauptursache der in den 
Versuchen 1 und 2 beobachteten Steigerung der Temperatur des 
umgebenden Wassers im Lichte auf. 


Man sieht nun klar, wie unvorsichtig es wäre, nach dem 
äußeren Thermometer die Temperatur der bezüglichen Kultur zu 
beurteilen. 


Ich wiederholte u. a. den Versuch 3 im direkten Sonnen- 
lichte. Die Temperatur des toten Mycels stieg dabei in 10 Minuten 
nach der Beleuchtung um 4°C und die Divergenz der Temperatur 


N 


erreichte bis zu 3° C. 


4. Versuch. Diagramm 4: 10. April 1904. Starkes Tages- 
licht. Penieillium sp., eine T Tage alte, gut entwickelte Kultur auf 
b-Gelatine. Verflüssigung der Gelatine unbemerkbar. Die Cos»- 
Mengen für !/,stündige Zeitintervalle. Versuchsdauer: 110—402, 
Luftstromgeschwindigkeit: ca 4 L. pro Stunde. 


ne ers ta 1esoe 


Co, in mer NS Aw“ Temperaturdifferenz. 
be DD: 10,5 12 ja 0,45 0 
2.D. 10,25 -— 0,05 01 0,30 
D. 10,5 0,35 0,2 060 
A, 10,5 0.45 0,3 0,60 
5. D. 11 0.25 0,3 0,40 
6. D. 1 0,15 03 0,30 
De 11,25 0,15 0,3 0,30 


” 
Keine Beschleunigung der Atmung im Lichte trotz der 
Steigerung der Temperatur. 


5. Versuch. Diagramm 5: 11. April 1904. Starkes Tages- 
licht. Peniecillium sp. Dieselbe Kultur wie in dem Versuch 4. 
Verflüssigung der Gelatine wohl bemerkbar. Die Uos-Mengen für 
Zeitintervalle von 25 Minuten. Versuchsdauer: 12”—3#0  Luft- 
stromgeschwindigkeit: ca 4,25 L. pro Stunde. 


62 Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes etc. 


tie = 19,50 C. tao = 19,40 €. 


C,nmr  Atı | A ta | Feraperaturdif era 
1.1D) 16,75 A N 0,10 
2.D. 16,4 oa N Mo 0.20 
3.7 18125. 2 0 0 nor 0,60 
ZB) 19 ee | 0,30 
Ba 190 oe 0,65 0 
6. D. 19,250 oe 0,20 


Die Kultur scheint während des Versuches zu wachsen. Es 
mag sein, daß die Erweckung der Wachstumstätiekeit im Zusammen- 
hang mit der Steigerung der Temperatur im Lichte stand. Von 
irgend einem anderen Einfluß des Lichtes auf die Atmung kann 
man nichts bestimmtes aussagen. Es ist dies übrigens immer der Fall, 
wenn man ähnliche Versuche mit rasch wachsenden Kulturen anstellt. 

6. Versuch. Diagramm 6: 4. April 1904. Etwas ge- 
schwächtes Tageslicht (der Himmel hatte sich bezogen). 

Aspergillus niger, 5 Tage alte, noch weiße, auf R. L.-Gelatine 
langsam wachsende Kultur. Die Cos-Mengen für !/,stündige Zeit- 
intervalle. Versuchsdauer: 12+5—4. Luftstromgeschwindigkeit ca. 
4 L. pro Stunde. 


ti = 20,20 0. ta = 19,90 Q.) 


Co, in mgr | AN a N en ı Temperaturdifferenz. 
Im a = Rn 
2} 2%5 | 0 | 0,30 
u el. 0 0,45 0 
| Ener a 0,50 
Dein 0202 2.005 0,55 
Bam ee = 
ED A| 2 
8.D. U — 0,30 


Keine Beschleunigung der Atmung im Lichte. 

7. Versuch. 5. März 1904. Starkes Tageslicht. Ordium 
lactis, eine 12 Tage alte, weiße Kultur auf a-Gelatine mit 3°) 
Rohrzucker. Die Cos-Meneen für !/sstündige Zeitintervalle. Versuchs- 
dauer: 124° —303. Luftstromgeschwindiekeit: ca. 4,52 pro Stunde. 
tie=19°0. ta°—= 18,9% C. während des Versuches ganz unverändert. 

1. 2De Tenor 002: 3. D. 6,25 mer Cos». 
2ER OD a 4... 1,0.0.29 0, R 
Keine Beschleunigung der Atmung im Lichte. 


!) Die Zahlen beziehen sich auf die Temperatur am Ende der zweiten 
Oo,-Bestimmung. 


Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes ete. 63 


8. Versuch. Diagramm 7: 18. März 1904. Starkes Tages- 
licht. Oidium lactis. Stägige Kultur. Hier wurde ein großer 
Roux’s-Kolben mit ca. 314 qem Bodenfläche verwendet. Inhalt des 
Atemraumes war ca. 400 cbem. Deshalb Luftstromgeschwindigkeit: 
ca. 6 L. pro Stunde. Versuchsdauer: 112#°—23% Die Co2-Mengen 
für Zeitintervalle von 25 Minuten. 


A lo oa niche) 


Oo, nmer | A | A Teinperaturdiflrenz, 
| | 
I. je 0 I) | 0,30 
SET 8.6 GO 0,30 
5 na, = 
| 19 VB a 0,30 
5, De N Ze 
Be | 8,1 0,3 | 08 | 0,30 


Keine Beschleunigung der Atmung im Lichte, vielmehr um- 
gekehrt. 

Ich habe sechs Versuche mit Ordium lachs angestellt und 
niemals eine Beschleunigung der Atmung im Lichte beobachtet. 


9. Versuch. Diagramm 8: 28. Mai 1904. Starkes Tages- 
licht, aber der Versuchsapparat wurde in der Mitte des Zimmers 
im Abstand von ca. 3 Meter vom Fenster aufgestellt und die Pilz- 
kultur von oben mittels eines flachen Spiegels beschienen. Über 
dem Kulturgefäß stand eine ca. 4 cm hohe Wasserschicht. 

Aspergellus niger. Die Kultur auf Raulin’scher Lösung war 
drei Tage alt, noch weiß, aber ziemlich kompakt. Versuchsdauer: 
11° 1°, Luftstromgeschwindigkeit: 2 L.!) pro Stunde Die 
Temperatur des Pilzes wurde nicht gemessen. ta? = 23° ©. blieb 
konstant. Die Cos-Mengen für !/, stündige Zeitintervalle. 


1. D. 30,5 mgr Co». 4. L. 33 mer (os. 
DD 2. 1 a 
3, 1, Ba &. D. la 


Keine Beschleunigung der Atmung im Lichte. 


Im Ganzen habe ich 22 Versuche ausgeführt, und niemals 
konnte ich eine regelmäßige Beschleunigung der Atmung im Lichte 
beobachten, die ohne Zusammenhang mit der aktinischen Er- 
wärmung der Kultur stände. 


ı) Es war der einzige Versuch, im Verlauf dessen die Luftstromgeschwindig- 
keit so klein war. 


64 Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes ete. 


Figuren-Erklärung (Taf. VII). 


Fig. 1. Druckflaschen zur Erzeugung des Luftstroms. « Mariott'sche 
Röhre; b Syphon; ce Hahn zur Regulierung des Wasserstroms. Das Pfeilchen 
zeigt die Richtung des Luftstroms. 

Fig. 2. Schema der Anordnung des Versuchsapparats. « die Druck- 
flaschen; 5 U-Röhren zur Reinigung der durchströmenden Luft; ce Drechsel’sche 
Kontrolflasche mit Barytlösung; d Schlangenrohr; e Kulturgefäß; f äußeres 
Thermometer; 9 Aquariumwand; % Glashahn zur Regulierung der Luftstrom- 
geschwindigkeit; # Pettenkofer’sche Absorptionsröhren; % Ventilationsröhre; 
! Gasuhr. 

Fig. 3. Kulturgefäß. Die Pfeilchen zeigen die Richtung des Luftstromes. 
a Zuführungs-, db Ausführungsröhre; e inneres Thermometer; d Pilzmycel. 


Beihefte zum Botanischen Centralblatt Ba. AIM.AbLI. 


1a 


oe 


3 ARE 


A.Löwschin gez 


Varlac von 6, Heinrich in Dresden-N. 


64a 


Zur Abwehr. 


Aus Anlaß eines von mir im „Botanischen Centralblatt‘“ er- 
statteten Referates hat mich Herr M. Britzelmayr in den ‚„Mit- 
teilungen der Bayerischen Botanischen Gesellschaft‘ heftig an- 
gegriffen. Ich habe in derselben Zeitschrift*) auf diese Angriffe 
erwidert und dieselben entschieden zurückgewiesen. 

‘ Ich hätte nun erwartet, daß Herr Britzelmayr — es wurde 
dies in Aussicht gestellt — den Versuch machen werde, seinen 
Standpunkt wissenschaftlich zu begründen und seine Vertrautheit 
mit den Bestrebungen moderner Systematik darzulegen. Das tat 
er allerdings nicht. Dafür hängt er seiner neuesten lichenologischen 
Arbeit**) ein Kapitel an, welches in gehässigem Tone alle Unter- 
stellungen, Verdrehungen, Verdächtigungen und geschmacklosen 
Vergleiche wiederholt. Auf den angeschlagenen Ton, welcher der 
Würde der Wissenschaft nicht entspricht, gehe ich nicht ein; ich 
begnüge mich damit, unter Hinweis auf meine erste Erwiderung, 
die unbegründeten Anwürfe neuerdings entschieden zurück- 
zuweisen. 

Die Polemik Britzelmayrs enthält ein einziges sachliches 
Moment, das Bekenntnis, daß er Individuen beschreibe. Dieses 
Geständnis ist bemerkenswert, es zeigt, daß ich die licheno- 
logischen Arbeiten Britzelmayrs früher doch noch zu hoch ein- 
schätzte, und es liefert den Beweis, daß meine Kritik berechtigt 
war. Bei polymorphen Arten Individuen zu beschreiben und zu 
benennen, ist eine müßige Spielerei, aus welcher der Wissenschaft 
keinerlei Gewinn erwächst. Gegen ein derartiges, die Ziele der 
modernen Systematik völlig ignorierendes Gebaren mußte Ein- 
spruch erhoben werden, und das tat ich. Damit glaube ich den 
Streit auch in sachlicher Beziehung erledigt zu haben. Wünscht 
Herr Britzelmayr dennoch in ruhiger Weise, unter Ausschaltung 
persönlicher Angriffe, die Sache weiter zu verfolgen, so werde ich 
einer Auseinandersetzung nicht aus dem Wege gehen. Auf An 
rempelungen jedoch reagiere ich in der Zukunft nicht mehr. 


Wien, am 11. September 1907. 


Kustos Dr. A. Zahlbruckner, 
Wien I, Burgring, Naturhistorisches Hofmuseum. 


*) Band II, S. 63. 
#*) Diese Zeitschrift, Band XXIII. 


64h. 


Über die Reversibilität der Enzymwirkungen 
und den Einfluß äußerer Faktoren 
auf die Enzyme (Invertase, Maltase). 


Von 
F. G. Kohl, Marburg. 


Überall in den Pflanzen treffen wir die Saccharose in variablem 
Verhältnisse von reduzierenden Zuckern begleitet an; meist sind 
letztere in der Art miteinander vereiniet, wie im Invertzucker. 
Man war natürlich ebenso berechtigt, diesen Invertzucker als 
Residuum einer natürlichen Rohrzuckersynthese anzusprechen, als 
in ihm das Produkt eines partiellen hydrolytischen Abbaues der 
Saccharose zu erblicken. Die zweite dieser Annahmen wurde hin- 
reichend durch unsere Kenntnisse über die hydrolytische Spaltung 
des Rohrzuckers, die man durch Einwirkung von Säuren, Enzymen etc. 
auch außerhalb des Organismus sich abspielen lassen Konnte, ge- 
stützt; die erste Annahme dagegen war zunächst rein spekulativer 
Natur. Die Synthese des Rohrzuckers, die Vereinieung von Glukose 
und Laevulose extra cellulam war noch nicht gelungen, alle dahin- 
zielenden Versuche hatten im Gegenteil negative Resultate ergeben 
und es schien der lebenden Zelle die Fähiekeit vorbehalten zu 
sein, die beiden Komponenten des Invertzuckers zum Saccharose- 
Molekül vereinigen zukönnen. Wenn Grüß (1898) bei Ernährung 
von Gerstenembryonen mit 4 /, Glukoselösung in den Zellen der 
Keimpflänzchen Saccharose sich bilden sah, so wurde auch durch 
diese Beobachtung zunächst nichts anderes erwiesen, als dab 
lebendes Protoplasma aus der dargebotenen Hexose Rohrzucker zu 
bilden vermag. Erst als die Enzyme als hydrolisierende Katalysa- 
toren erkannt waren, mußte man mit der Möglichkeit rechnen, 
daß dieselben sowohl in der Zelle als auch auberhalb derselben 
gelegentlich in reversem Sinne, d. h. synthetisch zu arbeiten 
imstande sind. 

Die sogenannte „Unvollständiekeit“ mancher Reaktionen, d.h. 
die Tatsache, daß manche Reaktionen trotz des Vorhandenseins der 
zur Reaktion nötigen Substanzen und trotz „ünstieer Außenver- 
hältnisse nicht zu Ende geführt werden, sondern vielmehr vor dem 
Abschluß aufhören, war den Chemikern längst bekannt. Auch die 


64e- Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen etc. 


Enzymhydrolysen sah man häufig nicht zu Ende geführt. Man 
war nunmehr vor die Aufgabe gestellt, nach einer Erklärung für 
diese „Unvollständiekeit der Enzymwirkungen“ zu suchen. Nach 
der Ansicht der einen (Tammann, 1892 etc.) sollte die Hydrolyse 
dadurch zum Stillstande kommen, daß die sich anreichernden Spal- 
tungsprodukte die Enzyme in eine unwirksame Modifikation über- 
führen, nach der Ansicht der anderen (Hill u. A.) dagegen da- 
durch, daß die Enzyme nach zwei entgegengesetzten Richtungen 
zu arbeiten imstande sind, und daß der scheinbare Stillstand in _ 
der Reaktion eintritt, wenn die hydrolytische Spaltung der enzy- 
matischen Synthese das Gleichgewicht hält. Die Enzyme würden 
sich nach dieser Auffassung ähnlich verhalten wie die Säure bei 
der Esterbildung; unter ihrem Einflusse bildet sich unter Wasser- 
abspaltung der Ester, den sie weiter unter Wasseraddition in 
Alkohol zurückverwandelt.e.. Auch hier tritt Gleichgewicht, Still- 
stand ein, wenn der eine Teil der Reaktion, die Esterbildung, sich 
mit derselben Geschwindigkeit vollzieht wie der entgegengesetzte, 
die Esterspaltung!). Es galt nunmehr, die Existenz einer derartigen 
rückläufigen Bewegung im Verlaufe der Enzymwirkung experi- 
mentell zu beweisen. Daß dazu der Beweis eines Stillstandes der 
Enzymhydrolyse nicht genügt, ist nach dem Gesagten ohne Weiteres 
klar, da der Stillstand auch Folge einer Enzymzerstörung sein 
kann. Es mußte vielmehr darauf ankommen, durch genauen Verfolg 
des Prozesses Vor- und Rückwärtsschwankungen zu konstatieren 
oder die Bedingungen so zu gestalten, daß überhaupt zunächst nur 
die rückläufige Bewegung eintreten konnte. Endlich war es not- 
wendig, die chemische Natur des Produktes der Reversionstätigkeit 
des Enzyms festzustellen und wünschenswert, die Bedingungen 
kennen zu lernen, unter welchen die Reversion eintritt und fort- 
schreitet und die Faktoren zu ermitteln, welche den Verlauf des 
Prozesses regulieren und beherrschen. 

Croft Hill?) gelang es zuerst (1898) durch Hefemaltase Glu- 
kose in Maltose umzuwandeln. Emmerling?) fand wenige Jahre 
später die Amyedalin-Synthese; Kastle und Loevenhart:) sahen 
die Lipase der Tiere Fettsäureester aufbauen, Hill) in einer zweiten 


m 
!) Esterbildung: 2 Alkohol + Salzsäure — Ester + Wasser —- Salzsäure. 


— 
Esterspaltung: 2 Alkohol + Salzsäure = Ester + Wasser 4 Salzsäure. 


HOI+GH0+0MO=cy Foo o 


2) Croft Hill, Journ. of the chem. Society. Vol. LXXXIII. 1838. 


p. 534. 

®2) Emmerling, Ber. d. chem. Gesellsch. Bd. XXXIV. 1901. p. 600. 
Croft Hill, ibid. p. 1380, 1384. Emmerling, ibid. p. 2206—2207. - 

*) Kastle und Loevenhart, Amer. chem. Journ. Vol. XXIV. 1900. 
p- 491. 

5) Croft Hill, Proceed. of the chem. Society. Vol. LVII. 1901. p. 184. 
— Journ. of the chem. Soc. Transactions. 1903. 1. p. I78— 3. 


Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen etc. 64d 


Untersuchung die Taka-Diastase Maltose aus Glukose bilden. 1902 
wiesen Fischer und Armstrong!) nach, daß die Laktase Glukose 
und Galaktose zu Laktose vereinigt und Cremer?), daß Hefepreb- 
saft Laevulose zu Glykogen kondensiert. In der Publikation, in 
der Hill über die Reversibilität der Wirkung der Taka-Diastase 
Mitteilung macht, stellt er es als wahrscheinlich hin, daß bei der 
Maltosesynthese gleichzeitig eine Biose entsteht, die er als „Re- 
vertose“ bezeichnet. Armstrong:) gelang es in einer Unter- 
suchung, die einen wichtigen Beitrag zum Studium der reversiblen 
Enzymwirkungen darstellt, zu entdecken, daß die Hill’sche Re- 
vertose Isomaltose ist, welche aus der -Glukose, die in der ge- 
wöhnlichen Glukose die a-Glukose begleitet, hervorgeht. Neuer- 
dings haben Visser®) und Pantanelli:) versucht, die synthetische 
Wirkung der Invertase wahrscheinlich zu machen. Bei Visser 
war jedoch die Menge des entstandenen Disaccharids eine so mi- 
nimale, kaum 1°, nach Monaten, daß man einen sicheren Beweis 
für die Existenz einer Synthese in seinen Experimenten nicht er- 
blicken kann. Auch die Versuche über die Reversionswirkung der 
Invertase von Pantanelli sind meiner Meinung nach hierzu un- 
zureichend. Es hängt ihnen ein Fehler an, in den ich anfänglich 
bei meinen diesbezüglichen Untersuchungen ebenfalls geraten war. 
Er hat nämlich meines Erachtens mit zu stark sauren und alka- 
lischen Lösungen gearbeitet. Durch Säuren sowohl als durch Al- 
kalien werden bekanntlich Glukose und Laevulose zerstört und die 
Abnahme dieser Hexosen darf unter solchen Umständen nicht ohne 
weiteres als untrügliches Zeichen einer Reversion gedeutet werden. 
Esist unerläßlich, sich bei jedem Einzelversuch oder mehrere Male 
in jeder Versuchsreihe durch vorgenommene Säurehydrolysierungen 
davon zu überzeugen, daß der Gesamtzucker (reduzierender + durch 
Hydrolyse reduzierend gemachter) sich nicht vermindert hat. Mit 
anderen Worten, es muß durch Säurehydrolyse die Existenz des 
nicht reduzierenden Zuckers, der Biose ev. der Saccharose quan- 
titativ ermittelt werden. Es ist keineswegs ausreichend, aus der 
Differenz zwischen der Menge reduzierenden Zuckers vor und nach 
der Invertasewirkung die Anwesenheit von revertierter Saccharose, 
erschließen zu wollen, denn eine solche Differenz würde auch vor- 
handen sein, wenn der reduzierende Zucker zum Teil zerstört 
worden wäre. Und eine solche partielle Zerstörung ist in den 
Pantanelli’schen Versuchen nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern 
vielmehr sehr wahrscheinlich. Laevulose und Glukose werden, das 
ist erwiesen, sowohl von Säuren als auch von Alkalien angegriffen, 
die Laevulose bei erhöhter Temperatur leichter als die Glukose 


1) Fischer, C. und Armstrong, E. F., Ber. d. chem. Ges. XXXV. 
1902. p. 3144—3153. Armstrong, Chem. News. Vol. LXXXVI. 1902. 
p. 16667. 

2) Öremer, Ber. d. chem. Ges. Bd. XXXII. 1899. p. 2062. 

©) Armstrong, E. F., Proceed. Royal Society. Ser.B. T. LXXVI. n®, 
B. 513. nov. 1905. p. 592—99. 

#) Visser, Zeitschr. f. phys. Chem. Bd. LIl. 1905. p. 257—309. 

5) Pantanelli, E., Rendiconti della R. Accad. dei Lincei. Vol. XV. 
1° sem, ser, 5a. fasc. 10°. 20 maggio. 1906. 


64e Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen etc. 


unter Bildung von Ameisensäure, Laevulinsäure etc. Es entstehen 
dabei durch Alkohol fällbare Substanzen, deren Drehungsvermögen 
etwa nur die Hälfte von dem der Laevulose, deren Reduktionskraft 
sogar nur ein Drittel von der der Laevulose ausmacht. Laevulose 
geht bei Gegenwart von Kalk schon bei gewöhnlicher Temperatur 
in Saccharin, Glukosaccharin ete. über. In Berührung mit Alkalien 
entstehen aus Glukose ebenfalls schon bei Zimmertemperatur Man- 
nose, Laevulose, Glutose ete., und wenn die Glukose auch ver- 
dünnten Säuren gegenüber resistenter ist als die Laevulose, so 
spielen sich doch sicher unter dem Einflusse von Säuren ebenfalls 
langsam Veränderungen ab, es entstehen Isomaltose, Dextrine etec., 
sanz abgesehen davon, dab gleichzeitig auch eine Reversion durch 
Säure, wie sie nachgewiesen ist, eine Enzymreversion vortäuschen 
kann. Bei dieser Lage der Dinge wird es gewagt erscheinen, aus 
einer Abnahme der Menge reduzierenden Zuckers auf eine Rever- 
sion desselben schließen zu wollen. Bei den grundlegenden Ver- 
suchen wird man sich vielmehr ausschließlich neutraler Lösungen 
bedienen müssen. Unter Berücksichtigung dieser Vorsichtsmaß- 
regeln ist es mir bei meinen seit längerer Zeit betriebenen Stu- 
dien über die Hefeenzyme, die ich im chemisch-biologischen Labo- 
ratorium des Institut Pasteur zu Paris fortzusetzen Gelegenheit 
hatte, gelungen, die Reversion der Invertasewirkung, mit 
anderen Worten die Saccharosesynthese, durch Hefeinver- 
tase aufzufinden. Ausführlich werde ich über meine diesbezüg- 
lichen Arbeiten an anderer Stelle unter Beibringung eines reichen 
Zahlenmateriales berichten, hier sei nur ein Teil meiner Re- 
sultate in Kürze und unter ausdrücklichem Hinweis auf den aus- 
- führlichen Bericht mitgeteilt. 

Ich benutze mit Freuden die Gelegenheit, den Herren, 
welchen ich die Aufnahme im das weltberühmte Institut und 
die denkbar liberalste Gewährung aller zu meinen Untersuchungen 
erforderlichen Hülfsmittel verdanke, in erster Linie den Herren 
Roux und Metchnikoff, sowie dem Leiter des chemisch- 
biologischen Laboratoriums, Herrn G. Bertrand, der mich mit 
seinem wertvollen Rate bei meinen speziellen Untersuchungen in 
liebenswürdigster Weise unterstützte, meinen verbindlichsten Dank 
zum Ausdruck zu bringen. 

In geeigneter Weise!) hergestellte Hefeextrakte wurden auf 
ihren Enzymgehalt genau untersucht und von ihnen diejenigen be- 


1!) Die Invertase- Auszüge aus der Hefe wurden nach zwei verschiedenen 
Methoden gewonnen. I. Ein Teil Hefe wird in zwei Teilen Glyzerin verteilt, 
zwei bis drei Tage unter öfterem Umschütteln digeriert und durch Papier und 
sodann durch Porzellan filtriert: Glyzerinextrakt (a). II. Ein Teil Hefe wird 
in der 4—5fachen Menge Alkohols !/,—1 Stunde belassen, filtriert, und diese 
Behandlung 2—3 mal wiederholt. Dann wird die Hefe abgepreßt und rasch an 
der Luft getrocknet. Das erhaltene Hefepulver wird in der 5—-10fachen Menge 
Chloroformwasser mit 1/,0/, Guajacol während 1—2 Stunden verteilt gelassen 
und dann durch Papier und Chamberlandkerzen filtriert: Chloroformwasser- 
extrakt (ß). Die beiden Extrakte enthalten in verschiedener Menge Amylase, 
Inulase, Glykogenase, Trypsin, Invertase. An Invertase sind beide Extrakte 
reich, « enthält viel Amylase, # sehr wenig; auch der Glykogenasegehalt scheint 
bei « größer als bei £ zu sein. Über den Maltasegehalt folgen später aus- 
ührliche Mitteilungen. 


Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen etc. 64f 


nutzt, bei denen Versuche ein bedeutendes Überwiegen der In- 
vertase erkennen ließen. Ließ ich diese Invertaselösungen, von 
welchen ich die in Glyzerin ganz besonders invertasereich fand, 
auf Saccharoselösungen von bekannter Konzentration bei konstanter 
Temperatur im Dunkeln und bei Ausschaltung jedweder Bakterien- 
Infektion durch Thymol, Chloroform ete. einwirken, so zeigten in 
bestimmten Zwischenräumen vorgenommene titrimetrische Be- 
stimmungen des Invertzuckers nach der überaus empfindlichen Me- 
thode von G. Bertrand), die man wohl als die zuverlässieste 
unter den jetzt gebräuchlichen bezeichnen darf, meist zunächst eine 
regelmäßige, stetige Zunahme an Invertzucker, nach etwa 20—24 
Stunden (die Zeit ist nach Konzentrationsverhältnissen und bei ver- 
schiedenen Temperaturen verschieden) aber häufige ein Stillstehen 
oder ein Vor- und Rückwärtsschreiten der Enzymwirkune. Die 
anfangs gleichmäßige fortschreitende Inversion macht einer perio- 
disch wiederkehrenden Reversion Platz. Die jeweils gefundene 
Invertzuckermenge stellt die Resultante aus den Wirkungen der 
beiden entgegengesetzt verlaufenden Prozesse, der Inversion und 
der Reversion, dar. Da in vielen meiner Versuchsreihen die 
Reaktion sich nach scheinbarem Stillstand oder deutlichem Rück- 
ange im hydrolytischen Sinne fortsetzte, kann von einem Aufhören 
der Enzymwirkung infolge Unwirksamwerdens der Invertase nicht 
wohl die Rede sein. Der Tammann’schen Auffassung ist damit 
sicher wenigstens für die Invertasewirkung der Boden entzogen. 
Trat in der Reaktion Umkehrung ein, so verriet sie sich durch 
Abnahme des Invertzuckergehalts der Versuchsflüssigkeit, d.h. durch 
Abnahme des Reduktionsvermögens in Fehling’scher Lösung. 

Die Kupferreduktion ist bekanntlich bedingt durch die An- 
wesenheit von Aldehydgruppen im Zuckermolekül. Es konnte nun 
entweder die Glukose des Invertzuckers in Maltose (resp. Isomal- 
tose) übergeführt werden, indem unter Wasserabgabe aus zwei 
Molekülen Glukose ein Molekül Maltose entsteht; dabei verschwindet 
eine der Aldehydgruppen, was eine Herabminderung des Kupfer- 
reduktionsvermögens im Gefolge hat; oder aber es konnte Saccha- 
rose unter Wasserabgabe aus Invertzucker entstehen, wobei die 
Aldehyderuppe der Glukose verschwindet; die mit der Glukose zu- 
sammentretende Laevulose enthält an Stelle der Aldehydgruppe 
die Ketongruppe C=0, und es ist klar, daß bei einer Maltose- 
bildung das Reduktionsvermögen der Lösung vorübergehend niemals 
total verschwinden kann, und daß ein vollständiges Ausbleiben der 
Kupferreduktion ein strikter Beweis einmal für das vollständige 
Verschwinden der Glukose und zweitens für die Bildung eines 
überhaupt nicht reduzierenden Zuckers, also hier von Saccharose 
sein muß. Ich führe hier einen Versuch an, in dem sich eine der- 
artige totale Reversion abspielte: 


Versuch I. Begonnen am 19. Juli 1907. Temperatur = 20°C. 
/u jeder Zuckerbestimmung wurden 5 cc einer 10/,-Saccharose- 


'), Bertrand, G., Le dosage des sucres röducteurs. (Bull. des Sciences 


pharmacologiques n®. 1. Janvier 1907.) 


640 Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen ete. 


lösung benutzt, zu der 1 ce Glycerininvertase und etwas Thymol 
zugefügt waren. 


Zeit der Invertasewirkung in Stunden (obere Ziffernreihe): 
Prozentgehalt an redivierendem Zucker in 5 ce-Lösung (untere Ziffernreihe): 


1 2 4 6 I OT 1823 24 381273850 
4,6(2) 9,2(2) 14,.(2) 22,1(2) 32,0 40,2) 50,0 26,4 27,0 0.0. 1, 24 44, 38, 


(250 grm oxalsaures Ammoniak gebrauchen 24,7 ce K Mn O,;- 
Lösung. Titer der Kaliumpermanganatlösung 0,906. Die eingeklam- 
merten Zahlen bedeuten, daß mehrere Titrationen vorgenommen 
wurden.) 


Bis zur siebzehnten Stunde stieg die Inversion des Rohr- 
zuckers bis zu 50,1 °/,; nach Verlauf von 18 Stunden war bereits 
die Hälfte des Invertzuckers wieder revertiert; nach 24 Stunden 
war der Invertzucker in zwei Proben beinahe ganz, in zwei anderen 
total verschwunden. Nach 38 Stunden ungefähr waren bereits wieder 
44,2 0/, reduzierender Zucker vorhanden. Gleichzeitig entnommene 
Proben wurden durch 25 Minuten langes Kochen mit Salzsäure 
hydrolisier. Nach vollständiger Abkühlung wurde mit Natrium- 
karbonat neutralisiert, und nach 3 Minuten langem Kochen mit 
Fehline das reduzierte Kupfer durch Titration mit der Lösung 
von übermangansaurem Kali von bekanntem Titer bestimmt. In 
allen Fällen wurde die ursprüngliche Zuckermenge wiedergefunden. 

Bei einem ‚ähnlichen Versuch, der bei etwas höherer Tem- 
peratur angestellt wurde, begann die Reversion nach 26 Stunden 
15 Minuten und betrug nach 49 Stunden 35 Minuten 8,2 %/,, wurde 
aber in der Zwischenzeit durch eine schwache Inversion unter- 
brochen: 


Versuch Il. Begonnen am 28. August 1907 11 Uhr 45 Min. 
vorm. Dunkelkammer. Temperatur = 26° C. 

Zu je 10 ce einer fünfprozentigen Saccharoselösung war je 1 ce 
Glyzerininvertase und Thymol zugefügt. 


Zeit der Invertasewirkung in Stunden (erste Ziffernreihe): 
Prozentgehalt an reduzierendem Zucker in 10 ee-Lösung (zweite Ziffernreihe): 


9115 99ı5 9Zı5 94ıs 9Kıs 9715 9915 3015 4735 4935 
42,2 52,0 53,8 58,0 58,8 58,0 54,8 55,0 56,8 50,6 
0,8 %/, rev. 3,2%, rev. 0,2%, inv. 1,8%, inv. 6,2%, rev. 


(Titer der Kaliumpermanganatlösung 0,8476.) 


Ganz ähnlich verlief unter abwechselnder Inversion und Re- 
version nach Verlauf von 29 Stunden 30 Minuten der Prozeß bei 
Anwendung einer nach der Methode 5 hergestellten Invertase- 
lösung, wie folgende Zahlen darlegen: 


Versuch Ill. Begonnen am 24. August 1907. 10 Uhr 30 Min. 
vorm. Temperatur = 26° C. Auf 5 cc 10 °/, Saccharoselösung 
wurde zugefügt 1 cc Inyvertaselösung. Da letztere chloroformhaltig 
war, wurde Thymol nicht zugesetzt. -Das. Chloroform. muß. selbst- 


Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen etc. 64h 


verständlich, da es Fehling’sche Lösung reduziert, vor der 
Kupferreduktion entfernt werden. 


Zeit der Invertasewirkung in Stunden (erste Ziffernreihe): 
Prozentgehalt an reduzierendem Zucker (zweite Ziffernreihe): 


2990 3080 3190 3290 3390 4915 51% 5450 
3 204 24,8 35.0 44,0 39,8 36,4 37,0 
2,6 %/, rev. 44%, inv. 10.2%,inv. 9,0%,inv. 4,2%/,rev. 3,4°/°rev. 0,6°), inv. 


(Titer der Kaliumpermanganatlösung 1—4 = 0,9060; 5—8 = 0,9401.) 


Woher es kommt, daß bei einzelnen Versuchen die Reversion 
ausbleibt oder erst sehr spät einsetzt, soll hier vorläufig noch nicht 
erörtert werden, da meine Untersuchungen über die Abhängigkeit 
der Enzymwirkung von äußeren Verhältnissen, von der Konzen- 
tration der angewandten Zuckerlösung etc. noch im Gange sind; 
ich möchte jedoch auch hierfür ein Beispiel genauer anführen. 


Versuch IV. Begonnen am 1. Oktober 1907. Temperatur 
— 35° C. 10 grm Saccharose gelöst in 100 ce destilliertem Wasser 
und 10 cc Glyzerininvertase (a). Dunkelzimmer. (Titer der Kali- 
permanganatlösung — 1,032.) 


Zeit der Invertasewirkung in Stunden (obere Ziffernreihe): 
Prozentgehalt an reduzierendem Zucker (untere Ziffernreihe): 


Ts ae te Hohen 7a 
0 7,5 102 14,5 51.0 55,0 60,0 59,3 60,0 71,8 78,2 80,4 82,0 90,0 90,8 92,2 
rev. 


Hier schreitet, wie man sieht, die Inversion stetig fort, nur 
nach Verlauf von 23 Stunden ist eine minimale Reversion zu kon- 
statieren, die jedoch nach weiteren zwei Stunden wieder aus- 
eeglichen ist. Nach Verlauf von 1, 2, 21 und 75 Stunden wurde 
hydrolysiert und stets derselbe Wert erhalten, der = 100 gesetzt 
wurde (14,9 —15,1 cc Kaliumpermanganatlösung) und mit dem bei 
Beginn des Versuches erhaltenen genau übereinstimmt. 

Bei weiteren Versuchen wurde von Invertzucker ausgegangen, 
hergestellt durch Hydrolyse von Saccharose mit Schwefelsäure. 
Auf jed grm Saccharose wandte ich 50 ce zweiprozentige Schwefel- 
säure an und erhitzte 30 Minuten lang auf 100° C. Nach dem 
Erkalten wurde mit Baryumkarbonat gegen Methylorange neutrali- 
siert und filtriert. 


Versuch V. Begonnen am 7. Oktober 1907. T = 19 C., 
60 cc Invertzuckerlösung (1 cc = 70,6 mgr Invertzucker) und 
40 ce Glyzerininvertase und Chloroform. (Titer der Permanganat- 
lösung = 1,032.) 


Dauer der Invertasewirkung in Stunden (obere Ziffernreihe): 
Menge reduzierenden Zuckers in milligr (untere Ziffernreihe): 


Bu. 9. bis, ‚1680: ,,.18.2\,9038, 7 9480 
70.6. 72,3. 73,8._69,2 69,9 64,2 69,2 673 685 70,6, 718 68,5. 69,9 


64i Kohl, Über die Reversibilität der Euzymwirkuugen etc. 


Aus diesen Worten geht deutlich hervor, daß während der 
ersten zwei Stunden noch vorhandener Rohrzucker invertiert wurde, 
wogegen von da ab bis nach Ablauf der siebenten Stunde 13,0 /, 
des erreichten Maximalgehaltes an Invertzucker revertiert wurde; 
von da ab bis zum Abschlusse des Versuches nach 24 Stunden 
30 Minuten wurde mit kleinen Schwankungen in reversivem Sinne 
im Wesentlichen invertiert. 


In ganz analoger Weise verliefen weitere Versuche mit neu- 
.tralen Invertzuckerlösungen, bei denen nur die Konzentration der 
Invertase herabgemindert wurde. Ich greife noch einen derselben 
heraus, der deutlich erkennen läßt, daß bei so geringen Invertase- 
mengen die Enzymwirkung nur anfänglich flott verläuft, nach einem 
Tage aber bereits äußerst träge zu werden beginnt. 


Versuch VI. Begonnen am 11. Oktober 1907. 10 Uhr 45 Min. 
vorm. Temperatur = 19° C. Dunkelzimmer. 20 «rm Saccharose 
—+ 200 ce aq. dest. — 4 cc H,SO., 25 Minuten hydrolysiert, 
mit Baryumkarbonat neutralisiert und filtriert, von dieser Lösung: 
wurden 100 ce mit 10ce a und etwas Chloroform versetzt. (Titer 
der Permanganatlösung — 0,9857.) 


Dauer der Invertasewirkung in Stunden (erste Ziffernreihe): 
Menge des reduzierenden Zuckers in milligr (zweite Ziffernreihe): 


0 415 6 2215 2415 3015 5315 185% 

32:9 °.91.0° 84,1 82,1 84,5 82,1 82,6 84,1 
> = > + 

Reversion von 11,6 %, Inversion Reversion Inversion 

von 2,5%, von 2,5), von 2,1%, 


Hier waren also nach 22 Stunden 15 Minuten 11,6°, des 
ursprünglich vorhandenen Invertzuckers revertiert, dann wechselten 
schwache Inversionen mit ebensolchen Reversionen ab. Nach ca. 
drei Tagen wurde der Versuch abgebrochen. 

Diese sehr beschränkte Auswahl aus meinen Versuchsproto- 
kollen möge vorläufig genügen, um zu zeigen, daß es mir unter 
Anwendung neutraler Lösungen gelungen ist, die Befähigung 
der Hefe-Invertase, aus Invertzucker Saccharose aufzu- 
bauen, einwurfsfrei zu beweisen. Ich wiederhole, daß gegen 
alle bisherigen Versuche, die Reversibilität der Invertasewirkung 
zu beweisen, der Einwurf geltend gemacht werden durfte, daß die 
vorhandenen Säuren oder Alkalien nicht nur die gegen beide über- 
‘aus empfindlichen Enzyme, sondern auch einen Teil des reduzie- 
renden Zuckers zerstört haben konnten, und daß die beim Kochen 
mit Fehling’scher Lösung zutage tretende Verminderung der Quan- 
tität des reduzierenden Zuckers irrtümlich als durch Reversion her- 
vorgerufen angesehen wurde; daß es ferner unterlassen worden 
war, durch von Zeit zu Zeit vorgenommene Säurehydrolyse den 
Gesamtzuckergehalt der Versuchslösung zu bestimmen. Pantanelli 
wandte bis 5,6 cc !/Jı N. Salzsäure und_bis 16,2 cc !/ıo N. Natron- 


Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen etc. 64k 


lauge an, Konzentrationen, bei denen sicherlich, besonders bei 
höheren Temperaturen, eine vollständige Zerstörung des Enzyms 
und eine teilweise des Invertzuckers erfolgen mußte. Wir wissen, 
daß sehr kleine Säuremengen die Invertasewirkung in bemerkens- 
werter Weise beschleunigen, als günstigsten Maximalzusatz fanden 
0’Sullivan und Tompson 0,00025 Schwefelsäure, eine Zugabe 
von Säure, die ungeheuer viel kleiner ist als die von Pantanelli 
angewandte; dasselbe eilt in noch höherem Grade von den Alka- 
lien, die selbst in kleinster Menge auf pflanzliche Invertase sofort 
und dauernd zerstörend wirkt. Aus diesem Grunde habe ich stets 
sanz besondere Aufmerksamkeit darauf verwendet, alle Versuchs- 
Hüssigkeiten aufs Genaueste zu neutralisieren und erst dann, wenn 
der Gang derInversion und Reversion unter diesen Umständen 
festgeleet war, wurde zum Studium des Einflusses äußerst geringer 
Quantitäten von Säuren und Alkalien geschritten. Die letzteren 
Untersuchungen sind noch im Gange, ebenso die über den Einfluß 
der Temperatur und des Lichtes auf die Invertase und den Verlauf 
ihrer hydrolytischen oder synthetischen Tätigkeit, weshalb ich über 
die diesbezüglichen Ergebnisse später Mitteilung machen werde. 


Nur was den Lichteinfluß auf die Invertasewirkung an- 
langt, möchte ich hier auf einige Beziehungen hinweisen, die sich 
aus den von mir erhaltenen Werten schon jetzt erkennen lassen. 


Der hemmende Einfluß des zerstreuten Tageslichtes auf die 
Inversion der Saccharose ist sehr deutlich sichtbar und wahrschein- 
lich auf eine partielle Zerstörung des Enzyms durch das Licht zu- 
rückzuführen. Bisher wurde ein ähnlicher schädigender Einfluß 
des Lichtes nur für die Diastase nachgewiesen (Green, Brown 
und Morris). Hier bei der Invertase gelang es mir nun nicht nur 
zu beobachten, daß im Dunkeln die Inversion bedeutend schneller 
vorwärts schreitet wie im Lichte, sondern auch, daß sie früher 
einer keversion Platz macht, wie nebenstehendes Versuchsprotokoll 
vorläufig illustrieren mag. 


Versuch L. Begonnen am 29. Oktober 1907 3 Uhr 30 Min. nachm. 
Temperatur = 19° 0.— 100ce neutraler Invertzuckerlösung —- 100 ce 


Glyzerininvertase + Chloroform. (Titer der Permanganatlösung 
— 0,9857.) 


Dauer der Invertase- Menge reduzierenden Zuckers in milligr 
wirkung: im zerstreuten Licht: im Dunkeln: 
30 Min. 75,4 75,4 
24 Std. 76,0 = + 0,6 invertiert. 81,6 = + 6,2 invertiert. 
48 „ 82,1= -+ 6,7 u 852 —= +98 ; 
2: 346= +92 R 82,1= — 3,1 revertiert. 
DOR: 82,1= — 2,5 revertiert. 86,0 = + 3,9 invertiert. 


Im Dunkelversuch erreicht die Inversion bereits nach 48 
Stunden einen höheren Wert, als im Lichtversuch nach 72 Stunden. 


641 Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen etc. 


Im Dunkelversuch besinnt die Reversion schon nach 72 Stunden 
energisch, während sie im Lichtversuch erst nach 96 Stunden ein- 
setzt. 

Von den Substanzen, welche man als sehr aktive Beschleu- 
niger der Diastasehydrolyse bisher kennen gelernt hat (Calcium- 
phosphat 0,5 %,, Ammoniakalaun 0,25 °,,, essigsaure Tonerde 0,25 %/, 
und Asparagin 0,05 °/,), habe ich zunächst aus hier nicht zu er- 
örternden Gründen das Asparagin auf seinen Einfluß auf die In- 
vertasehydrolyse geprüft. Eine Dosis von 0,05 °/, erwies sich als 
nicht beschleunigend. | 


Versuch VII. Begonnen am 9. Oktober 1907 5 Uhr 30 Min. 
nachm. Temperatur = 35° C. 200 ce. 20°/, Saccharoselösung + 
50 cc. Invertaselösung + Chloroform. 


Zeit der Invertasewirkung \ 2 a = Diez 
(in Stunden): 1620 21°, 243° 4015 zwischen 1. u. 4. 
en ohneAsparagin 9,9 12 12,4 14,3 - 4,4 
lösung: mit Asparagin 10,0 Iulz 12,6 14,6 4,6 
Diff. 0,1 0,5 0,2 03 0,2: 


Da 0,2 ce noch im Bereich der Beobachtungsfehler liegen, 
kann von einem beschleunigenden Einflusse des Asparagins nicht 
wohl gesprochen werden. 


Daß mein Hefeglyzerinextrakt auch Maltase enthielt, mußte 
ich aus der Tatsache foleern, daß dasselbe den Zuckergehalt einer 
reinen Glukoselösung von bestimmter Konzentration stets sofort 
verminderte, um ihn alsdann wieder zu vergrößern. Die Maltase 
arbeitet also anfangs synthetisch, indem sie Glukose zu Mal- 
tose (resp. Isomaltose) kondensiert, um sodann wieder wechselnde 
Mengen der letzteren in Glukose zu spalten, was mit einer Ver- 
mehrung des Gehaltes an reduzierendem Zucker verbunden ist. 
Auch bei diesen Experimenten wurde durch mehrfache Säure- 
hydrolysierungen der jeweilige Gesamtzuckergehalt festgestellt. 
Wurde mit vollkommen zellfreiem Extrakt gearbeitet, so blieb 
letzterer während des ganzen Versuches nahezu derselbe. Waren 
dagegen einzelne Hefezellen im Extrakt verblieben, was im An- 
fang meiner Arbeiten einige Male der Fall war, ehe ich das Ex- 
trakt stets vor dem Versuche durch sterilisierte Porzellanfilter 
passieren ließ, so wurde der Gesamtzuckergehalt im Laufe des. 
einzelnen Versuches durch schwache Gärung langsam etwas Ver- 
mindert, wie z. = in folgendem Versmen: 


Yerzuch vun, Begonnen am 17. Sepfeinher 1907. 16,639 grım 
Glukose gelöst in 100 cc destillierten Wassers +5 ce Glyzerin- 
hefeextrakt (a) en  yzeionm, 190er liter 2 Permanganat- 
lösung = u a: 


En N ee A re er 


Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen etc. 64m 


Zeit der Maltasewirkung in Stunden (erste Ziffernreihe): 
Reduzierender Zucker in milligr (zweite Ziffernreihe): 


0 1), 145 945 19 
170 161 156 159 151 
(2) — 8,23 %/, revertiert — 11,17 ®/, revertiert 
| 19 ] 2430 2430 | 2630 ] 39 40 | 40 | 
hydrolysiert hydrolysiert hydrolysiert 
165 164 163 164 161 163 163 


Infolge schwacher Gärung verminderte sich also hier der Ge- 
samtzucker von 165 auf 163. 

Bei anderen Versuchen mit durch Chamberland-Kerzen fil- 
triertem Extrakte fiel der Verlust an Gesamtzucker weg. Die Re- 
version erreichte nicht selten die Höhe von 25°, und mehr ®/, 
wie z. B. in folgendem Versuche: 


Versuch IX. Begonnen am 10. September 1907 10 Uhr 
15 Min. vorm. 18,703 grm Glukose (95,7 °/,) gelöst in destilliertem 
Wasser +5 cc Glyzerinextrakt (a) auf 100 ce ergänzt und mit 
Thymol versetzt. Temperatur =26° 0. (Titer der Permanganat- 
lösung = 10,092.) 


D Eee uk 1. 2. 9. 4, 3. 
auer der Enzymwirkung & LH 
(in ee = 2445 2845 4630 5215 6945 
Reduzierender Zucker in °%, der BERN 
ursprünglichen Menge: 65,2%, 868%, Sal, 83,6 Un aD 
Menge des reduzierenden Zuckers 
nach Säurehydrolyse: ION ESS LU nES IE S3SI 3, 
Es wurden also bei 1 25,7%, 
” er) HL) ” 2 1,9 un 
> 5 OR ee) 6,30), [ revertiert. 
” ” ” ” 4 4,2 % 
” ” ” ” 5) 1,6 %o 


Nehmen wir mit Armstrong in der Glukose die Anwesen- 
heit von a- und P-Glukose an, so werden wir im Kondensations- 
produkt Maltose und Isomaltose erwarten dürfen, die man nach 
rationeller Anwendung von maltasefreier Hefe (Saccharomyces 
Marxianus) und Maltasehefe (Sacch.-intermedians) getrennt 
als Osazone nachweisen kann. ‚Jedenfalls ist durch meine Versuche 
die Befähigung der Hefemaltase, Glukose zu Maltose zu 
revertieren, sicher nachgewiesen, und zwar, worauf ganz 
besonders aufmerksam gemacht sei, in viel kürzerer Zeit und 
in stärkerem Maße als in den bisher vorliegenden Versuchen. 


Unsere Anschauung von der primären Bildung von Kohle- 
hydraten im assimilierenden Pflanzenblatte haben bekanntlich 
Brown und Morris neuerdings wesentlich zu modifizieren ver- 
sucht... Sie nehmen aufgrund sorgfältiger Zuckerbestimmungen in 


64n Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen ete. 


Blättern vor und nach der Belichtung an, daß auf assimilatorischem 
Weee zunächst nicht Hexosen (Glukose, Laevulose), sondern Biosen 
(Saccharose, Maltose) entstehen, die alsdann durch enzymatische 
Spaltungen Glukose und Laevulose, kurz zur Plasmaernährung und 
zu sonstigem Verbrauche geeignete Hexosen liefern. Die in den 
Chloroplasten erscheinende Stärke ist immer das Symptom einer 
Kohlehydratüberproduktion und also Reservekohlehydrat. Es zeigten 
sich im Allgemeinen folgende Kohlehydratwandlungen im Blatt: 


1. Am Morgen ist der Gehalt an Stärke, Rohrzucker und 
Maltose gering, Glukose und Laevulose aber haben sich 
angesammelt. In abgeschnittenen Blättern nimmt nach 
längerer Verdunkelung der Gehalt an Glukose und 
Laevulose zu. 

2. Infolge der Assimilation am Lichte steigt der Gehalt 
an Stärke, Rohrzucker, Laevulose und Glukose, wenn 
die Stoffableitung durch den Blattstiel verhindert ist. 

. Bei ermöglichter Ableitung vermindern sich während 
der Assimilation im Lichte Glukose, Laevulose und 
Rohrzucker, Stärke und vor allem Maltose dagegen 
nehmen zu. 


BL) 


Wie haben wir uns diese Wandlungen vorzustellen? Wenn 
Glukose und Laevulose in der Dunkelheit zunehmen, so geschieht 
dies durch die enzymatische Spaltung des Rohrzuckers; gleichzeitig 
aber wird ein Teil der Stärke durch Diastase in Maltose umge- 
wandelt, diese aber durch Maltase in Glukose gespalten und zum 
Teil veratmet. 

Im Lichte werden Glukose und Laevulose nach ihrer Ent- 
stehung zum Teil zu Rohrzucker kondensiert, zum Teil gespeichert, 
wenn die Ableitung unmöglich ist, verschwinden aber fast ganz, 
wenn das Gegenteil der Fall ist. 

Um eine auf den ersten Blick ganz unverständliche Erscheinung 
handelt es sich, wenn wir die Maltose in abgeschnittenen Blättern 
nach lebhafter Assimilation abnehmen, in an der Pflanze be- 
lassenen dagegen sich in ansehnlicher Weise vermehren sehen. 
Vermutlich wird sie im abgeschnittenen Blatte in Glukose gespalten, 
wogegen sich in den an der Pflanze verbleibenden Blättern die 
Konzentrationsverhältnisse so gestalten, daß nicht nur aus dem 
Stärkeabbau Maltose resultiert, sondern auch eine Maltose- 
synthese aus Glukose sich vollzieht. Im Dunkeln aber wird die 
aus der Stärke gebildete Maltose bei unterbrochener Ableitung in 
Glukose gespalten. Im Lichte erleidet im abgeschnittenen Blatte 
die Maltose hydrolytische Spaltung, im an der Pflanze festsitzenden 
Blatte findet Maltosereversion statt; im Dunkeln wird Maltose 
hydrolysiert. 

Diastase, Invertase und Maltase sind hiernach im Blatte 
fortwährend tätig, die Kohlenhydratumwandlungen zu bewerk- 
stelligen. Die Invertase scheint vorwiegend synthetisch zu 
arbeiten bei abgeschnittener Abfuhr, hydrolysierend bei ge- 
statteter_ Ableitung; die Maltose gerade umgekehrt synthetisch 


Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen etec. 640 


bei gestatteter Ableitung, hydrolysierend bei abgeschnittener 
Abfuhr. 

Diese Vorgänge hat man bisher nur zum geringen Teil als 
im Blatte sich abspielend nachweisen können. Über den diasta- 
tischen Abbau der Stärke sind wir zwar im Einzelnen noch längst 
nicht im Klaren, aber wir wissen, daß er sich unter dem Einflusse 
der Amylase jedenfalls unter Bildung von Maltose und Dextrinen 
als Endprodukten vollzieht. Äußerst mangelhaft sind unsere Kennt- 
nisse über Invertase. Brown und Morris!) und Kosmann?) 
fanden sie in Blättern, aber genauere Untersuchungen über ihre 
zweifellos auch im Blatte, sowohl nach der synthetischen wienach 
der hydrolysierenden Seite entfaltete Tätiekeit fehlen noch gänz- 
lich. Die Maltase endlich wurde bis heute in Blättern überhaupt noch 
nicht gefunden. Es klafft hier eine fühlbare Lücke im Bestande 
unserer Erfahrungen. Die aus dem hydrolytischen Abbau der 
Stärke durch die Amylase resultierende Maltose muß weiter ab- 
gebaut werden, da sie als Disacharid für weitere Verwendung im 
Haushalt der Pflanze wenig geeignet ist; die vermutlich zunächst zu 
Hexosen kondensierten ersten Produkte der Assimilation müssen in 
Maltose und Stärke umgewandelt werden; für beide Vorgänge ist das 
vorläufig hypothetische Agens die Maltase, und doch wissen wir über 
sie, soweit es sich um ihr Vorkommen im grünen Pflanzenblatte 
handelt, so viel wie Nichts. Es wird daher als hinreichend begründet 
erscheinen, wenn ich mich im Anschlusse an die bereits hier mit- 
geteilten Untersuchungen über die Reversion der Wirkung der 
Hefeinvertase und Hefemaltase weiter der Erforschung der 
Blattinvertase und Blattmaltase zugewandt und an der klas- 
sischen Stätte, von der bereits so gewichtige Beiträge zur Kenntnis 
der Enzyme ausgegangen sind, die Bearbeitung dieses für die 
Pflanzenphysiologie so überaus bedeutungsvollen Gegenstandes in 
Angriff genommen habe. Es wird der Bericht über die von mir 
erhaltenen diesbezüglichen Resultate den Inhalt weiterer Publika- 
tionen bilden. 


Paris, Institut Pasteur, 
im November 1907. 


!) Brown und Morris, A contribution to the chemistry and physiologie 
of foliage leaves. (Journal Chem. Soc. Trans. 1893. 604.) 
?) Kosmann, Recherches chimiques sur les ferments contenus dans les 


vegetaux. (Bull. de la Soc. chim. de Paris. XXVII. 1877. 257.) 


ee A 
i = 


Verlage erscheint ferner: 


Pe _ HEDWIGIA 


Organ 


für 


3 Kryptogamenkunde una ERS OLADIET 


nebst 


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 Zusendungen von Manuskripten und Anfragen redaktioneller A 
werden unter der Adresse: Professor Dr. O. Uhlworm, 
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die Redaktion der Beihefte zum Botanischen Centralblare 


65 


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Ceropegea Woodir Schlechter wurde von J. Medley Wood 
in Durban auf den Felsen des Grönberges in Natal, in einer Höhe 
von uneefähr 1800 Fuß über dem Meere, im Februar 1881 ge- 
funden ). Eine farbige Abbildung von ihr befindet sich in „Curtis. 
botanical magazine“. No. 665. Tab. 7704. 

Oeropegia Woodii gehört zu der Familie der Asclepradaceae 
und ist eine zierliche, herabhängeende, ausdauernde, immergrüne Pflanze 
(Fig. 1, Taf. XI: Ceropegia Woodii Schlechter. Habitusbild. Verer. !/ıo), 
die aus einer knolligen Grundachse hervortritt. Die Knollen haben 
meistens eine kugelige oder ovale Gestalt, sind fleischig und er- 
reichen eine Größe von 3 bis 4 cm im Durchmesser. Die Wurzeln 
entspringen reichlich aus allen Teilen der Knolle, doch sind die 
Seitenteile bevorzugt, indes die Unterseite häufig wurzellos bleibt. 
Sie sind fadenförmig, von der Basis bis zur Spitze fast von 
sleichem Durchmesser (ca 1 mm). Bei in Töpfen kultivierten 
Pflanzen erreichen sie eine Länge bis zu 25 em; meistens jedoch 
sind sie kürzer und weniger verzweigt. Aus einer Knolle ent- 
springen meistens mehrere, zwei bis vier Sprosse, welche eine be- 
trächtliche Länge — 4 bis 5b m und mehr — erreichen können. 
Sie sind beim normalen Wachstum unverzweigt, bindfadenartig, 
unbehaart, mit Ausnahme der Corolla, der ganz jungen Blätter und 
der Drüsenzotten, und von der Basis bis zur Spitze von gleichem 
Aussehen. Die Internodien sind zylindrisch, von rötlich-grüner 
Farbe, welche durch Anthocyan hervorgerufen wird, und durch- 
schnittlich 1 mın dick. Ihre Länge nimmt von der Spitze bis zur 


) Gartenflora. 1900. 8. 529. 
Beihefte Bot. Centralbl. Bd. XXIII. Abt. I. Heft 2. 


St 


66 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


Basis des Sprosses zu; meist schwankt sie zwischen 6 bis 10 cm, 
erreicht aber bei älteren Pflanzen eine Länge bis 20 cm. 

Das Internodium geht allmählich in den höherstehenden 
Knoten über; das nächstfolgende setzt sich dagegen scharf von der 
Basis der beiden Blätter ab. Der Knoten, von derselben Farbe 
wie die Internodien, ist ungefähr doppelt so dick wie diese, also 
2 mm. Er ist zwischen der Ansatzstelle der Blätter mehr flach, 
dagegen an den Seiten mehr hervorgewölbt: Sehr häufig ist er 
verdickt, auch knöllchenartig entwickelt. Die Knöllchenbildung 
fängt schon frühzeitig an, sie ist schon an den jungen Knoten, 
dem dritten, vierten oder fünften von der Spitze aus gerechnet, 
wahrnehmbar. Sie beginnt mit dem Herausbrechen zweier sich 
gegrenüberstehender Wurzelanlagen etwas unterhalb der zwischen 
den beiden Ansatzstellen der Blätter gelegenen Teile des Knotens. 
Die Verdickung nimmt nicht regelmäßig mit dem Alter der auf- 
einanderfolgenden Knoten zu, sondern an beliebigen Stellen des 
Sprosses können sich ein oder mehrere Knoten zu im Vergleich 
mit der Zartheit der Pflanze mächtigen Knöllchen entwickeln. An 
frei in der Luft herabhängenden Pflanzen kann man solche bis zu 
2 em im Durchmesser beobachten. Andere Knoten wieder entwickeln 
sich gar nicht weiter, sodaß man an einem Sproß Knöllchen der 
verschiedensten Größen finden kann. Je mehr ein Knoten sich 
zur Knolle verdickt, desto mehr verschwindet die ursprüngliche 
Farbe; er wird infolge eingetretener Korkbildung dunkelgrau. 

Das lebhafteste Wachstum besitzen die Sprosse im Frühjahr 
und Sommer, sie wachsen aber auch im Herbst und Winter; da- 
‚gegen ist es mit der Ausbildung der Knoten zu Knöllchen gerade 
umsekehrt; die Vergrößerung derselben fällt namentlich in die 
Wintermonate Wie schon bemerkt, geht der Knöllchenbildung 
das Austreiben von Wurzeln, welche als kleine Hervorwölbungen 
an dem Knoten sichtbar werden, voraus. In dem Maße, als der 
Knoten sich dann verdickt, brechen weitere Wurzeln hervor, und 
zwar an der ganzen Oberfläche des Knöllchens. Ihre Zahl schwankt 
nach der Größe der Knöllchen von zwei bis zwanzig und darüber. 
Die Wurzeln haben jedoch bei frei herabhängenden Pflanzen ein 
beschränktes Wachstum, sind durchschnittlich nur 1 mm lang und 
verharren in diesem latenten Zustande, bis sie in günstigere Ver- 
hältnisse gelangen. H 

Aus dem apikalen Teil des Knotens entspringen die gestielten 
ganzrandigen Blätter, welche zu dekussierten Paaren geordnet 
sind, wie es der Querschnitt durch den Sproßscheitel in Figur 2 
zeigt. An ausgewachsenen Sprossen ist diese dekussierte Stellung 
nicht mehr zu erkennen, da alle Blätter ihre Oberseite dem Licht 
zukehren und dadurch eine teilweise Drehung der Internodien ver- 
ursachen; auch in der Natur sind die Sprosse an Felsen herab- 
hänsend und nur von einer Seite beleuchtet. 

Der Blattstiel ist bei jüngeren wie älteren Blättern fast gleich 
lang, zirka 1 cm; sein Durchmesser entspricht im Allgemeinen der 
Dicke des Blattes, nimmt jedoch von dem Blattgrund bis zur Spitze 
etwas zu. Auf der Oberseite des Blattstieles zeigt sich eine leichte 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 67 


Einfurchung, welche gegen den Blattgrund hin seichter wird und 
fast ganz verschwindet. Die Farbe des Stieles ist gleich der der 
Internodien und Knöllchen. 

Die Blattspreiten sind im nicht ausgewachsenen Zustand 
länger als breit, bei älteren Blättern hat sich dagegen das Ver- 
hältnis geändert. Diese erreichen eine Länge bis zu 2 cm und 


Fig. 2. Querschnitt durch einen Sproßscheitel. 


b Blätter, pb Primordialblätter, v» Vegetationspunkt, d Drüsenzotten, 
da Drüsenanlagen. Vergr ®%),. 


darüber, sie sind fleischig, bis 2 mm dick. Dem Blatt eilt eine 
Spitze, nach Raciborski!) als Vorläuferspitze bezeichnet, im 
Wachstum voraus. Dieselbe übersteigt meistens die Länge von 
1 mm nicht, ist schon an ganz jungen Blättern entwickelt und 
zeiet in der weiteren Entfaltung der Spreite keine nennenswerte 
Streckung. Sie ist viel derber und fester als die Spreite, nament- 


Fig. 3. Querschnitt durch einen Sproß gleich unterhalb des Knotens. 


b Blätter, ö Internodium, « Achselknospen, d Drüsenzotten. Vergr. %]ı. 


lich in den jungen Blättern der Knospe, welche nach oben zu- 
sammengeschlagen einen Schutz des Vegetationsscheitels bewerk- 
stelligen?). Die Blattspreiten sind sehr schön gefärbt, ihre Ober- 
seite ist grau-grünlich, mit zierlich zerstreuten, dunkelgrünen Flecken, 
ohne einen Überzug von Wachs. Die Farbe stammt von den 
unter der durchsichtigen Cuticula gelegenen Zellschichten. Die 


!) Raciborski, Über die Vorläuferspitze. (Flora. Bd. 87. 1900. 8.1.) 
u, ?) Vergleiche Göbel, K., ÖOrganographie der Pflanzen. Jena 1898. 
S. 505. 


5* 


68 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchun gen ete. 


Unterseite ist bei jungen Blättern mehr grün, bei älteren dagegen 
srünlich-rot bis rot, welche Färbung auf Anthocyan zurückzuführen 
ist. Nebenblätter kommen nicht vor, doch konnten am Grunde . 
des Blattstieles rechts und links seitlich zwei Drüsenzotten Kon- 
statiert werden (Fig. 2, d; Fig. 3, d), welche mit bloßem Auge 
als hellere Punkte erscheinen, zwischen welchen sich die Achsel- 
knospe befindet (Fig. 3, a; Fig. 4, a). 

Der Sproß wächst bei normalen Verhältnissen nur mit einem 
Vegetationspunkt weiter, an welchem die Blattanlagen als seitliche 
Auswüchse in Gestalt eines Höckers entstehen. Schon an dem 
höchststehenden Primordialblatte sind die Anlagen .der Drüsenzotten 
als je ein seitlicher Auswuchs des Blattgrundes (Nebenblätter?) 
vorhanden, wie aus Figur 2 zu ersehen ist. Dieselben erreichen 
ihre definitive Ausbildung viel früher als die Blätter, sind schon 


Fig. 4. Längsschnitt durch einen Sproßscheitel. 
b Blätter, v Vegetationspunkt, d Drüsenzotten, « Achselknospe. Vergr. 2}. 


in dem Sproßscheitel ausgewachsen und fungieren als Schutz für 
den Vegetationspunkt, indem sie sich über denselben hervorwölben 
(Fig. 4, d). 

Unter dem Schutze der älteren Teile entstehen am Vege- 
tationspunkt in den Achseln der Blätter die Seitensproßknospen, 
sie werden später angelegt als jene (Fig. 4, a). Sie entwickeln 
sich jedoch in der Regel nicht zu Seitensprossen, sondern ver- 
harren in einem entwiekelungsfähigen Zustand und entfalten sich 
nurunter besonderen Umständen, sind also Ruheknospen!). Beiknospen 
kommen ebenfalls vor. Die Achselknospen würden einen nicht ge- 
nügenden Schutz vom Blattgrund, welcher keine Verbreiterung 
aufweist, aus haben; sie sind auch nicht in das Gewebe der Sproß- 
achse versenkt, dafür gewähren ihnen die Drüsenzotten, welche 
rechts und links von ihnen inseriert sind, einen guten Schutz 
(er 3), a), 

Die Drüsenzotten, welche sich am Sproßscheitel befinden, wie 


2) Schenk, A., Handbuch der Botanik. Breslau 1882. S. 355. 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc, 69 


auch diejenigen am Blattgrunde aller älteren Blätter, besitzen an 
ihrem Fuß und an ihrer Oberfläche, doch hier weniger, faden- 
förmige, unverzweigte Haare, welche sich meistens über den Vege- 
tationspunkt krümmen und dadurch die Bedeutung der Drüsenzotten 
als Schutzorgan erhöhen (Fig. 5, f). Auch an Blättern, aber nur 
an ganz jungen noch im Sproßscheitel sich befindenden, kommen 
Haare von derselben Gestalt wie die der Drüsenzotten vor (Fig. DaB: 
ein Längsschnitt durch einen Sproßscheitel, seitlich getroffen, SO- 
daß ein Blatt, eine Drüsenzotte des gegenüberliegsenden Blattes 
und ein seitlicher Teil des Vegetationspunktes sichtbar ist). 
Treiber!), welcher fünf Arten der Gattung Ceropegia untersucht 
hat, gibt an, daß keine von ihnen Trichomgebilde zeige, von kleinen 
papillenartieen Vorwölbungen einzelner Epidermiszellen abgesehen, 
und gibt dies als Merkmal für diese Gattung an. Bei Ceropegia 
Woodii Schlechter finden sich auch nirgends 
Trichomgebilde, außer bei ganz jungen Blättern 
und allen Drüsenzotten. Sie bilden jedoch 
auf den jungen Blättern keinen dichten Über- 
zug, sondern stehen vereinzelt da und dienen 
wie die der Drüsenzotten zur Erhöhung des | 
Schutzes der zarten Gewebeteile; sie fallen £- 
nach genügender Erstarkung der Cuticula ab. 
Ob dieses Verhalten auch anderen Ceropegia 
zukomme, zumal bei allen Gattungen der 
Asclepiadaceae einfache Haare vorkommen), 
ist bei Treiber nicht erwähnt, da er über 
den Vegetationsscheitel nichts angibt. 

In den Gewächshäusern blüht Ceropegia 
Woodii Schlechter reichlich den ganzen 
Sommer über, vom März bis November; auch 
tritt Fruchtbildung ein, aber nur sehr selten. Tan ende 
Im hiesigen Botanischen Garten der Univer- qurch einen Sproßscheitel. 
sität, wo sie seit fünf Jahren kultiviert wird, » Biatt, v Vegetationspunkt, 
wurde sie ausschließlich auf vegetativem Wege 4 Drüscazaite, # Haare, 
vermehrt, was sehr leicht durch Aussetzen 
von Stengelknollen geschieht. 

Die Blüten, meistens in der Vier- oder Dreizahl, stehen in 
gestielten, doldie zusammengezogenen, cymösen Agsgregraten, sind 
zwittrig, vollkommen strahlig, mit fünfgliedrigen Quirlen und er- 
reichen eine Länge bis zu 2cm. Sie sind schön gefärbt. Die am 
Grunde kugelige Kronröhre ist rötlich-violett, die in der Jugend 
zusammenhängende Corolla dunkelrot. Die Kelchblätter sind Klein, 
schmal und zugespitzt. Die Blütenstände stehen nicht in den 
Blattachseln, sondern entspringen aus dem oberen Teil des Knotens, 
zwischen den beiden Blättern, in gleicher Höhe wie diese. 


' 
ul 


) Treiber, K., „Über den anatomischen Bau des Stammes der Asele- 
piadaceen.“ (Bot. Oentralbl. Bd. 48. 1891. 8. 213 u. 313.) 

2) Nach Engler, „Die natürlichen Pflanzenfamilien,“ Teil IV. Abt, 2, 
Leipzig 1895. S. 192. 


70 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


B. Innere Morphologie. 


Einleitung. 


Die Familie der Asclepiadaceae ist wegen ihrer abweichenden 
anatomischen Verhältnisse schon häufig Gegenstand eingehender 
Untersuchungen gewesen. Manche ihrer Eigenschaften wurden da- 
her schon ziemlich früh bekannt, sodaß heute eine ganze Anzahl 
spezieller Beobachtungen vorliegt; namentlich haben das innere 
Leptom, das Hadrom, die Milchröhren und der Bast die Aufmerk- 
samkeit der Forscher auf sich gelenkt. K. Treiber!) hat die 
ganze Familie in vergleichend anatomischer Hinsicht behandelt. 
Auf die einzelnen, hier inbetracht kommenden Abhandlungen wird 
im Laufe der Arbeit hingewiesen werden. 

Zur Untersuchung von Ceropegia Woodii verwendete ich so- 
wohl frisches, als auch Alkoholmaterial in Celloidin und Paraffin 
eingebettet. Je nachdem es sich geeignet erwies, wurden Hand- 
oder Mikrotomschnitte ausgeführt. Namentlich für das Feststellen 
der Entwicklung der Knöllchen und Wurzeln waren Serienschnitte 
notwendig. Das für diesen Zweck verwendete Material wurde mit 
absolutem Alkohol fixiert, worauf die Objekte in ein Gemisch von 
gleichen Teilen absoluten Alkohols und Chloroforms, dann in reines 
Chloroform übertragen wurden; in beiden verblieben sie solange 
bis sie untergesunken waren. Darauf wurde zum Chloroform im 
Wärmeschrank Paraffin von 46° C©. Schmelzpunkt während fünf 
bis sechs Tagen zugesetzt und nach Verdunstung des Chloroforms 
durch reines „46° ©. Paraffin“ und nach einigen Tagen durch 
„520 C. Paraffin“ ersetzt. Statt Chloroform wurde auch Benzol, 
Xylol, Cedernöl verwendet, auch eine Doppeleinbettung mit Celloidin- 
Paraffin wurde versucht, doch ergab das erstere die besten Re- 
sultate, namentlich für die Internodien, welche wegen ihrer Bast- 
fasern beim Schneiden zerrissen wurden. Gefärbt wurde mit Alaun- 
karmin-Methylerün und Haematoxylin-Safranin, meistens jedoch mit 
letzteren Farbstoffen. 


I. Entwickelung der Gewebe. 


Figur 6A stellt einen Querschnitt durch das erste, sich ab- 
hebende Internodium im Sproßscheitel dar. Sie repräsentiert die . 
drei primären Meristeme, welche sich aus dem Urmeristem differen- 
ziert haben. 

1. Die Zellen des einschichtigen Protoderms pi, welche sich 
durch eine regelmäßige Zickzacklinie von dem darunter liegenden 
Bildungsgewebe abgrenzen, erscheinen im Längsschnitt quadratisch. 
Sie teilen sich nur in tangentialer Richtung und erzeugen die ein- 
schichtige Epidermis. 


DERrenbiersake a l2c392207. 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 71 


2. Das Grundmeristem 9m, welches aus abgerundeten ver- 
hältnismäßig großen Zellen besteht, weist nur wenige kleine Inter- 
zellularen auf. Das äußere Grundmeristem besteht aus fünf bis 
sechs Zellschichten, von welchen sich die primäre Rinde (Fig. 6B 
pr) ableitet; aus dem inneren geht das Mark (»n) hervor. 

3. Das Procambium (Fig. 6A pe), das sich durch Englumig- 
keit, lückenlosen Verband und Eckigkeit der Zellen vom Grund- 
meristem unterscheidet, bildet einen einheitlichen Hohlzylinder. 
Im Längsschnitt sind seine Zellen langgestreckt, mit etwas schief 
gestellten Querwänden. Aus demselben differenzieren sich — auch 
nach Treibert), welcher einige Asclepradaceen darauf hin unter- 
sucht hat — das Hadrom, Leptom, Cambium, die Bastbündel und 
das Leptomparenchym. Zuerst werden auf der innersten Grenze 


Fig. 6A. Internodiumquerschnitt Fig. 6B. Internodiumquerschnitt etwas 


im Sproßscheitel. vom Sproßscheitel entfernt. 
pt Protoderm, gm Grundmeristem, pr primäre Rinde, m Mark, pcz Zellschichten, 
pe Procambium. Vergr. 2%].. die aus dem Procambium hervorgegangen 


sind, 22 inneres primäres Leptom, bb Bast- 
bündel, /p Leptomparenchym, «al äusseres 
primäres Leptom, pg primäres Gefäss, 
re Reihencambium, /c Leptomeambium. 
Vergr. 2%. 


sehr kleine Zellen sichtbar, das innere primäre Leptom (Fig. 6B 
ıl), auf der äußersten entstehen Zellgruppen, welche sich noch 
durch die unter ihnen gelegenen sich vergrößernden Zellen (Ip), 
besser abheben, die Bastbündel (bb). Dann treten kleinzellige Ge- 
webepartien unter den sich vergrößernden und abrundenden Zellen 
auf, welche das primäre äußere Leptom darstellen (al). Jetzt 
werden an vier Stellen zwischen den beiden Leptomen primäre 
Gefäße (pg) sichtbar, meistens je eines, welche Anordnung den 
deeussiert stehenden Blättern entspricht; dann bilden sich weitere 
zwischen diesen vier Stellen unregelmäßig zerstreute. Die Schichten 
zwischen dem äußeren Leptom und den primären Gefäßen und 
zwischen letzteren und dem inneren Leptom werden zum Cambium; 
das äußere ordnet sich aber erst später in Reihen zum Reihen- 


ı) Treiber, K.,l. ce. S. 243, 


72 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


cambium (rc) an; das innere wird zum Leptomcambium (le), wie 
es Treiber!) genannt hat. 

Vor der Besprechung der einzelnen Gewebeteile erscheint es 
von Vorteil, die Anordnung der Gewebegruppen auf dem Querschnitt 
durch das Internodium kurz anzuführen. Derselbe weist einen Ring 
bicollateraler Gefäßbündel auf, wie dies Mohl?) für die Familie der 


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Fig. 7. Querschnitt durch ein älteres Internodium. 


e Epidermis, pr primäre Rinde, cp äusserste Zellschicht der primären Rinde, ie Inter- 
zellularen, »2r Milchröhren, 5b Bastgruppen, Z!p Leptomparenchym, «al äusseres Leptom, 
re Reihencambium, A Hadrom, g Gefäss, %2l kleine Partien des inneren Leptoms, 
zil zerdrückte Leptomzellen, m» Mark, mAh Markhörner. Vergr. ®%/, 


Asclepiadaceen entdeckt hat. Die Aufeinanderfolge der Gewebe von 
außen nach innen ist folgende: Eine einschichtige Epidermis (e); 
eine fünf bis sechs Schichten aufweisende primäre Rinde (pr); 
Gruppen von Bastzellen (db) durch Parenchymzellen getrennt; ein 
Ring von Reihencambium (rc); Hadrom (7); Leptomeambium (le); 
inneres Leptom (= und %el); Mark (m). 


» Treiber, Kl. ce. Ss. 247. 


2) Mohl, Hugo v., Einige Andeutungen über den Bau des Bastes. (Bo- 
tanische Zeitung. 1855. S. 873.) 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 2) 


II. Die einzelnen Gewebe. 


1. Aus dem Protoderm entstandene Gewebe. 


Auf dem Querschnitt durch das Internodium (Fig. 8, e) sind 
die Epidermiszellen etwas breiter als tief, also umgekehrt wie beim 
Protoderm, was auf die Vergrößerung des Internodiumdurchmessers 
zurückzuführen ist, zumal keine Tangentialteilungen beobachtet 
werden können; im Längsschnitt erscheinen sie fast quadratisch. 
Ihre inneren wie äußeren Membranen sind im Vergleich zu den- 
jenigen der primären Rinde stärker entwickelt. Die Außenwände 
sind leicht konvex gekrümmt und mit einer ziemlich dieken Cuti- 
eularschicht (cn) versehen, welche von einer dünnen Cutieula (ce) 
überkleidet ist. Einzelne Zellen sind papillenartig nach außen 
vorgewölbt (pa). Für den Blattstiel und den Knoten gilt dasselbe, 


ng 


Fig. 8. Querschnitt durch ein Internodium. 


e Epidermis, pa papillöse Epidermiszelle, e Cuticula, ern Cuticularschicht, ee Zellulose- 
schicht, pr primäre Rinde, ep”äusserste Zellschicht der primären Rinde, 
ic Interzellularen. Vergr. 1%],. 


nur daß der letztere viel häufiger papillöse Vorwölbungen aufweist. 
Die Epidermiszellen der Blätter sind flach (Fie. 14, e), die Cuticular- 
schicht ist dünner als beim Internodium, und nur an den Blatt- 
rändern zeigen sich Vorwölbungen und diekere Außenwände. Die 
Seitenwandungen sind gewellt, auf der Unterseite des Blattes 
(Fig. 9A) mehr als auf der Oberseite (B). Von oben gesehen 
zeigen die Außenschichten eine Streifung. Anthocyan kommt in 
den Epidermiszellen nicht vor. 

Die große Mehrzahl der Spaltöffnungen befindet sich auch hier 
auf der Unterseite der Blätter (Fig. 9A), auf der Oberseite ist 
ihre Zahl bedeutend kleiner (B). Sie kommen auch an allen 
übrigen oberirdischen Teilen der Pflanze vor. Dieselben besitzen 
den für die Angiospermen typischen Bau (Fig. 10: Querschnitt 
durch ein junges Internodium). Die Schließzellen liegen meistens 


74 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


im gleichen Niveau mit den übrigen Epidermiszellen. Auf ihrer 
der Spalte zugekehrten Seite besitzen sie starke Membranver- 
diekungen, namentlich oben und unten, wo sie vorspringende Höcker 
bilden, wodurch die zwei bekannten Hohlräume, durch die Zentral- 
spalte (x) von einander getrennt, der Vorhof (v%) und der Hinter- 
hof (Ah), entstehen. Die Rückenwände (r) sind unverdickt und 
wölben sich konvex in das Lumen der benachbarten Nebenzellen. 
Die Atemhöhle (ah) wird von einer oder zwei Zellen umfaßt, indes 
die Schließzellen meistens durch drei, manchmal auch vier Neben- 
zellen begrenzt sind (Fig. 9A; B), denen sich etwa noch die nächst- 


Fig. 9A. Flächenansicht der Epidermis mit Spaltöffnungen 
von der Blattunterseite. 


sp Spaltöffnungen. Vergr. »5/,. 


folgenden Zellen anreihen; doch ist eine bestimmte Anordnung der 
weiteren Epidermiszellen nicht zu erkennen. 

Haare kommen, wie schon früher erwähnt, nur bei (eropegia 
Woodii Schlechter und nur an ganz jugendlichen Organen, Drüsen- 
zotten und ihrem Fuß, vor. Eine geringe Anzahl von jungen 
Epidermiszellen wachsen zu einzelnstehenden Haaren aus. Diese 
bilden mehrzellige, dünnwandige, meist «ekrümmte Zellfäden 
(Fig. 5,2). Die erste Teilungswand verläuft in gleicher Ebene 
mit den Außenwandungen der Epidermis und schnürt die Fußzelle 
des Haares ab, welche nicht unter das Niveau der übrigen Epi- 
dermiszellen versenkt ist. An der Bildung der Drüsenzotten be- 
teiligen sich außer den Epidermiszellen nur wenige unter dieser 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 75 


gelegene Zellenschichten (Fig. 11 A). Die Epidermiszellen der 
Zotte sind tief und flach, nach innen schmäler werdend, und um- 
geben die Zentralzellen kranzförmig (Fig. 11B, e). Sie haben 


Fig. 9B. Flächenansicht der Epidermis mit Spaltöffnungen 
von der Blattoberseite. 
sp Spaltöffnungen. Vergr. 15/,. 


dünne Wände, nur die Außenmembranen werden etwas verdickt. 
Die im Innern gelegenen Zellen, welche subepidermalen Ursprungs 


u 


Fig. 10. Querschnitt durch ein junges Internodium. 


e Epidermis, z Zentralspalte, vh Vorhof, Ah Hinterhof, r Rückenwände, ah Atemhöhle. 
Vergr. 55. 


sind, sind dünnwandig, im Querschnitt abgerundet (Fig. 11B, x), 
von kleinen Interzellularen begleitet. Im Längsschnitt erscheinen 
sie gestreckt und mit schief gestellten Querwänden (Fig. 11A, «). 


76 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 


2, Aus dem Grundmeristem entstandene Gewebe. 


Die primäre Rinde, welche zwischen der Epidermis und den 
Basteruppen sich ausbreitet, besteht aus fünf bis sechs Zelllagen 
(Fie. 7, pr). Im allgemeinen setzt sie sich aus kompakten, dünn- 
wandigen, meist abgerundeten, auch ovalen, im Längsschnitt in 
Reihen angeordneten, wenige gestreckten Parenchymzellen zu- 
sammen. Üollenchymatisch verdickte Sklerenchym- und Steinzellen, 
wie sie sich bei vielen anderen Aselepiadaceen finden !), Kommen 
hier nicht vor. Nur die äußere, der Epidermis anliexende Schicht 
weist kleinere, dichter aneinanderstoßende Zellen auf (Fig. 7, cp), 
welche eine kaum merkliche Wandverdickung haben (Fig. 8, cp); 
mit Chlorzinkjod oder ‚Jod und Schwefelsäure nehmen die Zell- 
wände keine hellblaue Färbung an. Sie unterscheiden sich auch 


Fig. 11 A. Drüsenzotte im Längsschnitt. Fig. 11B. Drüsenzotte im Querschnitt. 
e Epidermiszellen, öz Innenzellen. Vergr. 13/,. 


durch ihren Inhalt von den tiefer gelegenen Zellen. Die primäre 
Rinde ist ziemlich chlorophyllreich, bildet also ein Assimilations- 
gewebe; doch nimmt der Gehalt an Chlorophylikörnern nach innen 
allmählich ab. Stärkekörner sind überall reichlich vorhanden. 
Anthocyan, welches das erünlich-rote äußere Aussehen bewirkt, 
färbt viele Zellen, namentlich die der äußeren Schichten, intensiv 
rot. Die für Anthocyan bei A. Zimmermann?) angegebenen 
Reaktionen treten auch hier sehr schön ein. In Wasser, Alkohol 
und Äther löst es sich vollkommen. Bei Zusatz von stark ver- 
dünnter Kalilauge erscheint es blau-grün, und bei nachträglichem 
Säurezusatz nimmt es wieder die ursprüngliche rote Färbung an. 


1) Vergleiche Treiber, K.,l. ce. S. 215. 
2) Zimmermann, A., Die botanische Mikrotechnik. Tübingen 1892. 
S. 104 u. 229. 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. allg) 


Die äußerste Zelllage ist merkwürdigerweise sehr chlorophyllarm. 
und ohne Anthocyan; ebenso sind Stärkekörner sehr spärlich. Eine 
Schutzscheide, welche, wie Treiber!) angibt, an die Bastfasern 
anerenzt, ist nicht zu erkennen; Ohlorophyli- und Stärkekörner 
sind in den inneren Zellen überall in annähernd gleicher Menge 
vorhanden, und auch die Form der Zellen ist dieselbe, nur dab 
die unmittelbar an den Bast stoßenden Zellen mit letzterem keine 
Interzellularen bilden (Fig. 16A, ss). Sonst sind Interzellularen 
in der primären Rinde reichlich vorhanden, aber nicht eroß 
(Fig. 8, ce). 

Das Mark hat infolge des Vorhandenseins des innern Leptoms 
die Gestalt eines vierstrahligen Sternes, dessen zentraler Teil 
mehr oder weniger elliptisch ist und mit den vier Hörnern zwischen 
die Leptomteile bis zum Hadrom vordringt. Es besteht aus dünn- 
wandigen, rundlichen, wenige gestreckten Parenchymzellen mit 
vielen Interzellularen, welche die der primären Rinde an Größe 


Ya 


Fig. 12. Kalkoxalat-Krystalle. 
A Kd Kıystalldruse, B X Einzel- und Zwillingskrystall. 


Vergr. 15/,. 


etwas übertreffen. Stärkekörner sind in den Markzellen reichlicher 
vorhanden als im der Rinde. j 

Kalkoxalat-Krystalle?2) kommen in Rinde wie Mark sowohl in 
Form von Drusen (Fig. 12A, Ad) als von Einzel- und Zwillings- 
krystallen (Fig. 12B, K) vor. 

Die Grundparenchymzellen des Blattstieles (Fig. 13) mit 
ebenfalls dünnwandigen, abgerundeten und wenig gestreckten in 
Reihen angeordneten Zellen und vielen kleinen Interzellularen 
zeigen dieselben Eigenschaften wie die Rindenzellen. Sie funk- 
tionieren auch als Assimilationsgewebe, sind stärkereich und ent- 
halten Anthocyan, welches nach der Mitte des Stieles abnimmt, 
sodaß die im Innern befindlichen Zellen nicht mehr gefärbt sind; 
die an die Epidermis grenzende Schicht ist kleiner und besitzt 
wenig mehr verdickte Membranen (cp). Sie weist sehr wenig Chlo- 
rophyll und kein Anthocyan auf. 

Die dorsiventralen Blätter besitzen einen ziemlich einfachen 
Bau. Das Palisadengewebe (Fig. 14, pl), welches ungefähr zwei 


Treiber, BR, 110,8, 217 
2) Treiber, K., 1. ce. 8. 305, 


78 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


Drittel der Blattdicke ausmacht, besteht aus mehreren, senkrecht 
zur Oberfläche gestreckten Lagen zylindrischer, dünnwandiger 
Parenchymzellen, welche ziemlich breit und im Allgemeinen nicht 
viel mehr als zweimal so lang wie breit sind. Sie sind in lockerem 


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208 
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Fig. 13. Querschnitt durch einen Blattstiel. 


o entspricht der Oberseite des Blattes, entspricht der Unterseite des Blattes, 
e Epidermis, cp äusserste Zellschicht des Grundparenchyms, ie Interzellularen, 
mr Milchröhren, A Hadrom, Z Leptom. Vergr. ®, 


Zusammenhang, seitlich meist isoliert. An die Epidermis stoßen 
sie mit einer nicht sehr regelmäßigen, viel kürzeren Zellschicht, 
welche weniger Chlorophyll besitzt. Sie gehen allmählich in die 
Schwammparenchymzellen über. Diese sind abgerundet, elliptisch, 
dünnwandig, chlorophyllärmer, viele große Interzellularen zwischen 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 79 


sich lassend. Ihr Inhalt ist, namentlich an ältern Blättern, durch 
Anthoeyan rot gefärbt und zwar in den an die Epidermis stoßenden 
Zellen intensiver als in den innern. 
Die Reaktionen: auf Anthocyan 
treten auch hier sehr deutlich und 
schön auf. 

Die Milchröhren durchziehen 
als ununterbrochene, langge- 
streckte, reich verzweigte Röhren 
alle Pflanzenteile. Sie sind ‘nach 
de Bary!) bei den Asclepiadaceen 
stets ungeeliedert; in der für die 
Familietypischen Gestaltung finden 
sie sich auch bei Ceropegia Woodivi 
und sind mit einer unverdickten, 
glatten Wand versehen, die auf 
Cellulose reagiert; sie besitzen 
einen plasmatischen Wandbelag 
und zahlreiche Zellkerne. Als 
Saft führen sie eine milchige 
Flüssigkeit. Nach den Unter- 
suchungen von Chauveaut?) 
entstehen sie aus Initialen, welche 
die ersten differenzierten Elemente 
im Embryo darstellen; sie treten 
in der Knotenebene auf und liegen 
kreisförmig an der Peripherie des 
Zentralzylinders, durch eine oder 
mehrere Parenchymzellen vonein- 
ander getrennt. Diese Initialen 
verlängern sich zu Schläuchen 
und verästeln sich stark, indem 
sie sich in die Interzellularen des 
Grundgewebes hineinzwängen, um 
das Milchsaftgefäßsystem der er- 
wachsenen Pflanze zu bilden. Sie 
treten zerstreut, ohne gewisse 
Partien zu bevorzugen, in Mark 
und Rinde reichlich auf (Fig. 7, mr), 
ihr Verlauf ist meistens ein ver- 
tikaler; sie verzweigen sich aber 
häufig und bilden zuweilen Quer- 
anastomosen (Fig. 15). Im Inter- 
nodium verlaufen die Milchröhren 
des Markes isoliert von denen der Fig. 14. Querschnitt durch ein Blatt. 
Rinde und dringen nicht durch o Oberseite, « Unterseite, e Epidermis, 


36 o 2 3 l Palisadengewebe 
den Gefäßbündelzylinder hindurch; sen Sschwammparenchym. Vergr. #}ı. 


') De Bary, Vergleichende Anatomie der Vegetationsorgane der Pha- 
nerogamen und Farne. Leipzig 1877. 8. 134. 
?) Ohauveaut, Gustave, Recherches embryogeniques sur l’appareil lacti- 


80  Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 


dagegen sind im Knoten, wo der Holzkörper sich in vier Teile auf- 
löst, quere, an den Unterbrechungsstellen verlaufende Verbindungs- 
röhren sehr häufig. Im Blattstiel begleiten sie hauptsächlich die 
Gefäßbündel, finden sich aber auch vereinzelt im Grundparenchym 
(Fig. 13, mr). Oscar Mayus!) faßt die Resultate seiner Unter- 
suchungen über den Verlauf der Milchgefäße bei den Blättern der 
Asclepiadaceen folgendermaßen zusammen: „Die Milchgefäße be- 
gleiten stets die Gefäßbündel bis in 
die kleinsten Endieungen, deren Bahnen 
entsprechend diesen oft Netzanastomosen 
bilden und in den größeren Blattnerven 
zahlreiche H-förmige Verbindungen un- 
tereinander bilden. In der Regel kommt 
ein Austritt aus den Gefäßbündelbahnen 
nicht vor. Ebenso sind keine blatt- 
eigenen Milchröhren vorhanden.“ Bei 
Ceropegia Woodii konnten die Milch- 
röhren nur in der Parenchymscheide 
der Blattnerven gefunden werden (Fig. 
20, mr). Beim Aufhellen mit 600), 
wässriger Jod-Chloralhydratlösung, wel- 
che Methode Mayus?) anwendete, ge- 
lang es nicht, die dicken Blätter durch- 
sichtie zu machen und den Verlauf der 
Milchröhren zu erkennen, außer der 
Aderung (Fig. 26). Auch sekundäre 
Bilduneen, wie die Wurzeln an den 
Knoten und Knollen, sind von Milch- 
röhren durchzogen, welche von dem pri- 
mären Milchröhrensystem abstammen. 


3. Aus dem Procambium entstandene 
Gewebe. 


Fi Eu Der an die primäre Rinde stoßende 
Fie. 15. Milchröhren im Mark Ring, welcher sich aus dem Procambium 
15. 


und Queranastomosen. differenziert, wird von den Bastgruppen 
Vergr. 15]. gebildet (Fig. 7, bb). Die einzelnen 


(Gruppen, welche parallel zur Epidermis 
vestreckt und durch eine oder zwei Parenchymzellen von einander 
getrennt sind, bestehen aus einer verschiedenen Anzahl von Zellen, 
bis zu 15. Dieselben sind nicht regelmäßig angeordnet, bilden 
meistens zwei, auch nur eine oder drei Lagen, schließen eng: zu- 


- 


fere des Euphorbracees, Urticacees, Apocynees et Asclepiadees. (Annales des 
sciences nat. Botanique. Ser. 7. Tom. 14. 1891. S. 1. Nach dem Referat 
von L. Klein, Botanisches Centralblatt. Bd. 48. 1891. S. 334.) 
!) Mayus, Oscar, Beiträge über den Verlauf der Milchröhren in den 
Blättern. (Beihefte zum Botanischen Centralblatt. Band 18. 1905. S. 271.) 
2) Mayus, ©, 1. ce. S. 281. 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. &1 


sammen und auch an die angrenzenden Parenchymzellen (Fig. 16A)). 
Die einzelnen Bastzellen sind von langgestreckter, spindelförmiger 
Gestalt mit pfriemenförmie zugespitzten Enden; ihre Wandungen 
sind gleichmäßig stark verdickt. Das Lumen ist sehr klein, manch- 
mal ganz verengt. Die Mittellamellen sind zart und heben sich 
deutlich von den sekundären Verdickungen, welche eine regelmäßige 
Schichtung erkennen lassen, ab (Fig. 16, 5x). Manchmal findet 
man an den Bastzellen lokale Erweiterungen, welche Protoplasma 
eingekapselt haben!) (Fig. 16B). Die von Treiber?) für die 


Fig. 16 A. Bastgruppe und die angrenzenden Fig. 16B. Lokale An- 
Gewebe. schwellungen von Bastzellen 
bz Bastzellen, pr primäre Rinde, !p Leptomparenchym, mit eingekapseltem Proto- 
al äusseres Leptom, re Reihencambium. plasma. 


Vergr. 2%],. Vergr. 35], 


Bastzellen, welche nach seinen Angaben allen Aselepiadaceen eigen 
sind, erwähnte Reaktion (mit Jod in Jodkalilösung hell-ziegelrote 
Färbung), stimmt auch für Ceropegia Woodvi, außerdem färben sie 
sich mit Chlorzinkjod etwas dunkler und werden nach längerem 
Einwirken dunkelrot. Mit Jod und nachträglicher Zugabe von 
konzentrierter Schwefelsäure tritt Hellblaufärbung ein. Es ist noch 
zu bemerken, daß die Bastzellen sich in den Stengelknoten nicht 
finden; sie fehlen dort, wo der Hohlzylinder des Gefäßbündels sich 
in vier Teile spaltet und zwei von ihnen in die Blattstiele übergehen. 


!) Vergleiche Krabbe, G., Ein Beitrag zur Kenntnis der Struktur und 
des Wachstums vegetabilischer Zellhäutee (Pringsheim’s Jahrbücher für 
wissenschaftliche Botanik. Bd. XVII. 1887. Heft III. $.346.) 

2) Treiber, K., ]l. e. 8, 245, 


Beihefte Bot, Centralbl. Bd. XXIII, Abt. I. Heft 2. 6 


83  Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


An die Bastgruppen grenzt nach innen eine Parenchymscheide, 
welche, weil sie sich an das äußere Leptom anlegt, als Leptom- 
parenchym bezeichnet werden kann (Fig. 7, Ip). Dasselbe besteht 
aus einem Ring von parenchymatischen Zellen in ein bis zwei Lagen. 
Die Zellen sind im Allgemeinen etwas kleiner als die der primären 
Rinde, auch abgerundet, aber meistens oval; sie lassen kleine 
Interzellularen, in welche auch die Milchröhren hineinwachsen, 
zwischen sich. Im Längsschnitt sind sie gestreckter als die 
übrigen Parenchymzellen. Sie führen reichlich Stärke und besitzen 
auch etwas Chlorophyll. 

Das Leptom, welches als äußeres und inneres auftritt, be- 
steht aus ziemlich engen an den Siebplatten etwas erweiterten 


TC 


Fig. 17. Reihencambium, Hadrom und die angrenzenden Gewebe. 
re Reihencambium, A Hadrom, al äusseres Leptom, Ze Leptomcambium. Vergr. 0). 


Siebröhren, englumigen und langgestreckten Geleitzellen und Cambi- 
formzellen. Kristalle wurden nicht gefunden, wie auch Treiber!) 
dieselben nur als bei den Periploceae vorkommend angibt. 

Das äußere Leptom ist zu Gruppen im Kreise angeordnet 
(Fig. 7, al); diese sind durch eine oder zwei Parenchymzellen 
voneinander getrennt. Es behält seinen ursprünglichen Zustand 
auch später bei und zeigt im Gegensatz zum inneren Leptom vom 
Cambium aus keine nennenswerte sekundäre Zunahme (Fig. 16A, al). 
Es wird vom Hadrom durch den geschlossenen Ring des Reihen- 
cambiums (Fig. 9, rc) geschieden. 

Das Reihencambium besteht meistens aus viereckigen, sehr 


1) Treiber, 1. c. 8. 306. 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 83 


dünnwandieen, dicht aneinanderstoßenden Zellen und setzt sich in 
jüngeren Internodien aus wenigen Lagen von Zellen zusammen, 
die aber lebhafte Teilung zeigen, und in älteren Internodien häufig 
viele Schichten aufweisen. Seine Zellen sind immer, wie der 
Name es schon andeutet, im Reihen angeordnet. Im Längsschnitt 
erscheint es schmal, langgestreckt, mit sehr wenig schiefgestellten 
Querwänden. Dasselbe erzeugt nach innen das sekundäre Hadrom 
und nach außen kaum merklich das sekundäre äußere Leptom. 
Vor der Besprechung des Hadromringes möge das innere 
Leptom, welches von Mohl!) entdeckt und von Petersen?) als 
charakteristisch für die Asclepiadaceen erkannt wurde, mit dem 


Fig. 18. Leptomcambium, inneres Leptom und die angrenzenden Gewebe. 


le Leptomcambium, &2 inneres Leptom, m Mark, k Hadrom, pg primäres Gefäß. 
Vergr. 1%]. 


Leptomcambium folgen. Das innere Leptom bildet keinen Ring, 
sondern ist an vier Stellen vorhanden, entsprechend der elliptischen 
Gestalt des Markes, und zwar finden sich zwei größere Partien 
an den Enden der kurzen Achse der Ellipse (Fig. 7, gel) und zwei 
kleinere an den Enden der langen Achse (Al). Die beiden großen 
Teile entsprechen auch den zwei stärker entwickelten Abschnitten 
des Hadroms. Zwischen den vier Teilen des innern Leptoms und 
dem Hadromringe hat sich aus dem Procambium das Leptom- 
cambium differenziert, welches Treiber so benannt hat,] weil es 

ı) v. Mohl, Hugo, ]. c. S. 890. 

?) Petersen, O. G., Über das Auftreten bicollateraler Gefäßbündel in 
verschiedenen Pflanzenfamilien und über den Wert derselben für die Systematik. 
(Botanische Jahrbücher für Systematik, Pflanzengeschichte und Pflanzengeographie. 
Band 3. 1882. S. 384.) 


(u 


84  Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 


nach außen hin keinerlei Gewebe produziert!). Die vier Leptom- 
teile mit ihren Cambien sind von einander durch Markhörner ge- 
trennt, welche bis zum Hadrom reichen und eine Breite von 
meistens zwei oder drei Zellen besitzen, manchmal auch mehr 
(Fig. 7, mh). In jüngern Internodien sind die vier Leptomteile 
nicht zusammenhängend, sondern bilden Gruppen, welche durch 
Parenchymzellen getrennt sind (Fig. 18, «l), die beiden großen 
Teile meistens fünf, sechs, auch mehr oder weniger, die beiden 
kleinen fast immer je zwei Gruppen. Früh beginnt jedoch das 
Leptomeambium mit seiner Tätigkeit und scheidet das sekundäre 
Leptom ab, namentlich an den zwei großen Gruppen, sodaß sich 
die Gruppen vereinigen und die an das Mark stoßenden Leptom- 
zellen zerdrückt werden und kaum noch ein Lumen erkennen 
lassen. Nach der Vereinigung bilden die beiden großen Teile des 
Leptoms zwei Bogen, welche mit ihren Konvexseiten einander zu- 
sekehrt sind. Die beiden kleineren Teile dagegen bleiben länger 
unzerdrückt; die Tätigkeit des Cambiums ist auch hier eine ge- 
ringere, die beiden Gruppen bleiben länger unvereinigt. Die Be- 
standteile des inneren Leptoms sind dieselben, wie die des äußeren, 
dagegen unterscheidet sich das Leptomcambium wesentlich von 
dem Reihencambium. Vor allem ist seine beschränkte Tätigkeit 
hervorzuheben; es dient lediglich dazu, das innere Leptom zu ver- 
mehren, und nimmt an keinen weiteren sekundären Bildungen An- 
teil. Die Gestalt der Zellen ist auch eine andere, als im Reihen- 
cambium; sie sind meistens sechseckig und größer (Fig. 18, Ic); 
im Längsschnitt auch gestreckt, aber etwas breiter. 

Die primären Gefäße des Hadroms werden an vier Stellen 
kreuzständig angelegt; dann treten auch einzelne dazwischen auf; 
ihre Membranen sind ringförmige auch spiralig verdickt. Später 
bildet sich vom Cambium ein eleichmäßiger sekundärer Hadrom- 
ring; die primären Gefäße liegen nach innen in dem Leptom- 
cambium (Fig. 18, pg); welches aus zwei bis drei Zelllagen besteht; 
dasselbe zeigt in jüngeren Internodien keine Unregeelmäßiekeit in 
seinem Bau, sondern ist überall gleich stark. Erst später werden 
zwei Stellen in der Weiterausbildung bevorzugt; es sind immer 
die, welche den größeren Teilen des inneren Leptoms gegenüber- 
liegen, also auch in der kleinen Achse der Markellipse sich be- 
finden. Hier wird zunächst nach außen vom' Ring je ein Gefäß 
angeleet (Fig. 7, g), worauf sich noch mehrere bilden, sodaß zwei 
starke Wülste am Ringe entstehen, die sich hauptsächlich aus 
Tracheen aufbauen. Die übrigen Abschnitte des Ringes erfahren 
zu dieser Zeit schon keine weitere Vergrößerung mehr, sodaß die 
beiden stark entwickelten Teile durch dünne, gleichmäßige Bogen 
verbunden bleiben. Diese bestehen im Gegensatz zu den stark 
entwickelten Gefäßteilen aus Tracheiden, welche mit Hoftüpfeln 
besetzt sind (die Tracheen zeigen einfache Perforation)2). Echtes 


Del eaipersKemlnle.18.1247: 

2) Vergleiche Solereder, H., Über den systematischen Wert der Holz- 
struktur bei den Dieotyledonen. (Inaugural-Dissertation.) München 1885. Seite 
197 u. 175. 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 85 


Libriform fehlt. Das Reihencambium schließt an das Hadrom 
überall dicht an. Der innere Bau ist also ein bilateraler. 

Von je einem Internodium zum andern alternieren die langen 
Achsen der Markellipse mit den kleinen, sodaß in zwei aufeinander 
foleenden Internodien dieselben Achsen aufeinander senkrecht 
stehen; ebenso erfahren im Knoten die großen und kleinen Teile 
des inneren Leptoms, sowie die stark entwickelten Gefäßteile des 
Hadromringes eine Drehung um 90° Diese Drehung erfolgt im 
Knoten auf folgende Weise: Im unteren Abschnitt des Knotens 
teilt sich das Gefäßbündel in vier Gruppen (wenn ein floraler 
Zweig entspringt in fünf, Fie. 19), in zwei größere, welche der 
kurzen Achse der Markellipse, dem großen Teile des inneren Lep- 


Fig. 19. Querschnitt durch ein kleines Knöllchen. 


e Epidermis, kpr primäre Rinde des Knöllchens, m Mark, mpr Verbindungsstellen der 
primären Rinde und des Markes, bs Blattstielstränge, bls Blütenstielstrang, al äußeres 
Leptom, %e Knölleheneambium, A Hadrom, Ze Leptomeambium, © inneres Leptom. 
Vergr. %, (schematisch). 


toms und dem stark entwickelten Gefäßteile des Hadromringes 
entsprechen, und zwei kleine mit der langen Achse der Markellipse, 
den kleinen Teilen des inneren Leptoms und den gleichmäßig ent- 
wickelten Verbindungsbogen des Hadromringes korrespondierende. 
Die beiden kleineren Gruppen nehmen einen seitlichen Verlauf 
(Fig. 19, bs u. bis) und gehen in die gegenständigen Blätter über. 
Dadurch wird die Markellipse viel länger gestrekt, und die vier 
Markhörner verbinden sich mit der primären Rinde (Fig. 19, mpr); 
hier tritt eine reiche Verzweigung auf, auch eine Verbindung des 
Milchröhrensystems, wodurch sich die im Internodium isoliert ver- 
laufenden Mark- und Rindenmilchröhren vereinigen. Wenn ein 
floraler Sproß aus dem Knoten entspringt, so nimmt sein Gefäß- 
bündel auch aus einer der kleinen Gruppen den Ursprung; es entspringt 
nämlich aus einem Knoten nur immer ein floraler Sproß., Die 


86 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


größeren Gruppen des Gefäßbündels, aus welchen die Adventiv- 
wurzeln und zum Teil die Knöllchenverdickung, wenigstens an der 
Zerklüftungsstelle des Knotens, sich bilden, erfahren sofort in dem 
Maße, als sich die kleinen Gruppen seitlich nach oben in die Blatt- 
stiele begeben#eine Vierteldrehung, also um 90°; und noch im 


Fig. 20. Querschnitt eines Hauptnervs. 


o Blattoberseite, „ Blattunterseite, »2r Milchröhren, ps Schutzscheide, !2 Leptom, 
adrom. Vergr. %],. 


Knoten kommen sie über die Stelle zu liegen, wo die Blätter ent- 
springen. Dabei bildet sich das Gefäßbündel wieder zum Hohl- 
zylinder aus, der dem des unteren Knotens gleichwertig, nur in 
allen Teilen um 90° verschoben ist. Daß die kleine und große 
Achse des Markzylinders dadurch auch eine Drehung erfahren und 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 87 


die entsprechenden Achsen auf einander senkrecht stehen müssen, 
ergibt sich aus dem vorher Gesagten. 

Im Blattstiel sind drei Gefäßbündel vorhanden: ein zentraler 
Hauptstrange und zwei seitliche Nebenstränge, welche rechts und 
links von der Blattfurche liegen (Fig. 13). Die Gefäßbündel sind 
von einer einschichtigen Parenchymscheide umschlossen, welche sich 
nur sehr wenig von dem Grundparenchym unterscheidet. Ihre 
Zellen schließen dichter zusammen und weisen etwas weniger 
Chlorophyll auf, dagegen mehr Stärke. Die Gefäßbündel sind nach 
dem bicollateralen Typus gebaut. Zu innerst liegt das Hadrom, 
dessen Teile unregelmäßig zerstreut sind; an die Parenchymscheide 
erenzt das Leptom, in Gruppen angeordnet, die durch ein bis zwei 
Parenchymzellen getrennt sind; es bildet also einen unterbrochenen 
Ring. Auf der Seite, welche dem äußeren Leptom im Stengel 
entspricht, ist hier das Leptom stärker entwickelt als auf der 
sesrenüberliegenden, die ins innere Leptom des Stengels übergeht. 
Zwischen dem Gefäß- und Siebteil liegt das Cambium. Die Be- 
schaffenheit und das Aussehen der einzelnen Teile der Getäßbündel 
sind ähnlich denen des Internodiums. 


Der Hauptstielstrang tritt als Hauptnerv, die beiden Neben- 
stielstränge als Seitennerven in das Blatt ein. Alle drei verzweigen 
sich reichlich in miteinander anastomosierende Nerven verschie- 
dener Ordnung (Fig. 26). Das Blatt ist also netznervig. Was 
den Bau der Nerven anbetrifft, so kehren die Verhältnisse der 
Bicollarität wieder. Die Figur 20, welche den Hauptnerv dar- 
stellt, zeigt, daß die Schutzscheide keinen kontinuierlichen Ring 
darstellt, sondern auf zwei Stellen beschränkt ist, welche der Ober- 
und der Unterseite des Blattes zugekehrt sind. Zu innerst liegt 
das Hadrom, ein Bündel bildend; um dieses herum, ebenso wie 
beim Blattstiel, das Cambium; zwischen diesem und der Parenchym- 
scheide das Leptom, welches viel stärker auf der Ober- als auf 
der Unterseite entwickelt ist; also kehren dieselben Verhältnisse 
wieder wie im Blattstiel, nur noch in verstärktem Maße. 


4. Knöllchenbildung. 


Wie schon in dem Abschnitt über äußere Morphologie gesagt 
wurde, entwickeln sich normal die Knoten zu Knöllchen; aber auch 
andere Organe der Pflanze, so Internodien, Blattstiele und Blatt- 
spreiten, können durch entsprechende Behandlung, so durch Ver- 
dunkelung und Abtrennung zur Knöllchenbildung veranlaßt werden. 
Die Figur 19 stellt schematisch einen Querschnitt durch ein kleines 
Knotenknöllchen dar, aus demselben ist zu ersehen, dab das Cam- 
bium und die primäre Rinde es vornehmlich sind, welche in Teilung 
gehen und die Verdickung verursachen; das Mark, Hadrom und 
die Leptome nehmen keinen merklichen Anteil, was auch aus der 
Darstellung der folgenden Figuren hervorgehen wird. Daß das 
Mark, Hadrom und die Leptome an der Knöllchenbildung nicht 
beteiligt sind, zeigen deutlich die Figuren 21 und 22 (Querschnitte 


38 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


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®. 
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‚Fig. 21. Querschnitt durch einen Teil eines verdiekten Internodiums. 


!p Leptomparenchym, al äußeres Leptom, ke Knöllchencambium, % Hadrom, Ie Leptom 
cambium, 22 inneres Leptom, m Mark. 


Vergr. %ı. 


28 
DR 


A 
ISCH 
IS 


Fig. 22. Querschnitt durch ein verdicktes Internodium. 


e Epidermis, pr primäre Rinde, kpr primäre Rinde des Knöllchens, al äußeres Leptom, 
re Reihencambium, %e Knöllcheneambium, © inneres Leptom, m Mark, 
Vergr. ®]ı. 


Glabisz, Morphotogische und physiologische Untersuchungen ete. 89 


durch verdickte Internodien).. Der Hadromring (Fig. 22, h) ist 
nicht gesprengt, also konnten das Mark wie die anderen von ihm 
eingeschlossenen Zelleruppen nicht in Teilung gegangen sein. Das 
Cambium erfährt eine lebhafte Teilung durch Tangentialwände, so- 
daß eine radiale Strahlung entsteht (Fig. 21, ke). Das äußere 
Leptom (Fieg. 21 und 22, al) wird durch das Knöllchencambium, 
in dem Maße wie dieses sich geteilt hat, von dem Hadrom ge- 
trennt. Die einzelnen äußeren Leptomgruppen (Fig. 22, al) ent- 
fernen sich voneinander, entsprechend der weiteren Vermehrung 
des Knöllchencambiums, immer mehr; die Zahl der Gruppen nimmt 


Fig. 23. Querschnitt durch ein Knöllchen mit Korkbildung. 


ko Korkzellen, pr primäre Rinde. Vergr. 1%/.. 


nicht zu, wie auch die Anzahl der Leptomzellen. Die primäre 
Rinde nimmt außer dem Cambium einen regen Anteil bei der 
Knöllehenbildung; ihre Zellen teilen sich lebhaft, nehmen auch an 
Größe zu (Fig. 22, kpr). 

Durch die in die Dicke wachsenden Sproßteile wird die Epi- 
dermis gedehnt und bald gesprengt. Es bildet sich an Stelle dieser 
ein Phellosen aus, welches durch tangentiale Wände nach außen 
tafelförmig gestaltete, zusammenschließende, in radialen Reihen an- 
geordnete Zellen abgibt; welches die Korkzellen sind (Fig. 23, ko); 
dieselben bewirken die dunkelgraue Färbung der Knöllchen. 


6. Kulturversuche. 


I. Versuchszweck und Versuchsanstellung. 


Wie schon im ersten Teil bemerkt, bildet Ceropegia Woodki 
Schlechter an den Knoten Stengelknöllchen und Beiwurzeln, 
welch letztere bei frei in der Luft herabhängenden Pflanzen ein 
beschränktes Wachstum haben und durchschnittlich nur 1 mm lang 
werden. Ferner wurde erwähnt, daß die Pflanze bei ungestörtem 


90 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 


Gedeihen nur mit einem Vegetationspunkt weiter wächst, also nur 
langgestreckte, unverzweigte, bis mehrere Meter lange Sprosse 
darstellt. 

Außer der Feststellung der anatomischen Verhältnisse war 
mir die Aufgabe gestellt worden, die Bedingungen der Knöllchen- 
bildung, des Austreibens der Beiwurzeln, der Achselknospen und 
schließlich die Bedeutung der Knöllchen für die Vermehrung fest- 
zustellen. 


Was die Versuchsanstellung für diese kurz angegebenen 
Hauptfragen, welchen sich im Laufe der Ausführung noch weitere 
hinzugesellten, so die Frage nach der Erzeugung von Knöllchen 
und anderen Bildungen durch andere Sproßteile als Knoten (Inter- 
nodien, Blattstiele, -spreiten etc.) anbetrifft, so wurde dieselbe in 
später zu beschreibender Weise variiert. 


Bei Beginn der experimentellen Untersuchungen mußte in 
erster Linie für ein genügendes Material von Sprossen gesorgt 
werden, was jedoch nicht schwierig war, da die Beschaffenheit 
‘der Pflanze es ohne große Mühe erlaubt, durch Zerschneiden in 
soviel Stücke, als Knoten vorhanden sind, und Aussetzen derselben 
in feucht gehaltene Kulturerde, in nicht langer Zeit lange und 
kräftige Sprosse zu bekommen. Gerade diese jungen Sprosse 
bieten das geeignetste Material für Versuche, da bei ihnen die 
Knöllchenbildung noch wenig oder garnicht begonnen hat. 


Die Ausführung der Kulturen war, von Details vorläufig ab- 
gesehen, folgende: Bei schon längere Zeit in Töpfen vegetierenden 
Pflanzen wurden bei den einen alle Knoten und Vegetationsspitzen 
der herunterhängenden Sprosse eingeeipst, bei andern nur die 
Sproßspitzen, und drittens wurden normal weiter wachsende als 
Vergleichsobjekte zugezogen. Darauf wurden Sprosse mit ihren 
Grundknollen und reichlichem Wurzelwerk in Kulturkisten, welche 
mit derselben Erde ausgefüllt waren, wie die Töpfe, so eingepflanzt, 
dab die Sprosse auf der Erde lagen. Bei je zwei Sprossen wurden 
hier eingesipst: 1. alle Knoten und Vegetationsspitzen, 2. nur die 
Vegetationsspitzen und 3. nichts. Diese Versuche wurden sowohl 
im Licht, als in der Dunkelkammer ausgeführt, die frühere Serie 
von Topfversuchen hingegen nur bei Lichtzutritt. Nun folgten 
Versuche mit abgeschnittenen Sprossen, die also keine Grundknollen 
besaßen, in Wasser und Nährsalzlösungen (Fig. 1, Taf. IX). Es 
wurden auch hier immer Kulturen bei Lichtzutritt und in der 
Dunkelkammer, sowie auch bei nur teilweiser Verdunkelung ange- 
stellt. Als Lösungen wurden Zucker-, Glyzerin-, anorganische 
Nährsalzlösungen und Leitungswasser verwendet. Gleichzeitig mit 
diesen Versuchen wurden auch abgeschnittene Sprosse, in Glas- 
häfen auf Wasser und den oben genannten Lösungen schwimmend, 
bei Tageslicht und Lichtabschluß der Beobachtung unterworfen. 
Es möge jedoch gleich hier bemerkt werden, daß diese letztge- 
nannten Kulturen zu keinem stichhaltigen Resultat führten, da die 
Sprosse oder einzelne Sproßteile zu schnell zugrunde gingen. Diese 
Versuche verfolgten in erster Linie den Zweck, festzustellen, 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 9] 


welche Lösung die Knöllchen- und Beiwurzelbildung begünstige 
und ob dabei Belichtung respektive Verdunkelung von Einfluß sei. 
Um weitere ' Einsicht in das Verhalten der Ceropegia zu be- 
kommen, wurden auch kleinere Sproßteile auf ihre Regenerations- 
fähigkeit geprüft. Dies geschah vor allen Dingen auf Sand, welcher 
mit genügend Nährstoffen durchtränkt war, und zwar bei Licht- 
abschluß und Lichtzutritt. Zugleich wurden einzelne Sproßteile 
auch auf Wasser und Lösungen geleet. Schon hier möge das Re- 
generieren der Blätter, welche manche Eigentümlichkeiten in der 
Knöllchen- wie Wurzelbildung zeigten, hervorgehoben sein. 


II. Versuche mit ganzen Pflanzen in Erde. 


1. Sprosse frei herabhängend. 


Es ist außerordentlich häufig, daß Organanlagen bei Pflanzen 
sich beim ungestörten Verlauf der Entwickelung nicht entfalten. 
Sie verbleiben vielmehr als schlummernde Knospen und werden 
“ nur unter bestimmten Bedingungen zur Weiterentwickelung an- 
geregt. Dieses Verhalten trifft bei der behandelten Pflanze in 
hohem Maße zu. Sie besitzt in jeder Blattachsel schlummernde 
Seitensproßknospen, welche bei frei herabhängenden Sprossen sich 
nicht entwickeln. Die zuerst angestellten Versuche verfolgten 
unter anderm auch die Aufgabe, festzustellen, inwieweit und 
wann sich diese Knospen zu Seitensprossen entwickeln; doch kann 
diese Frage hier nicht erschöpfend behandelt, sondern nur in be- 
stimmter Richtung erörtert werden; es wird in späteren Kapiteln 
noch einiges zu berücksichtigen sein. 

Ältere Pflanzen -— damit soll gesagt werden, daß es nicht 
Sprosse waren, welche während der Versuchszeit gewachsen waren, 
wie jene, welche in den späteren Versuchen ausschließlich zur 
Verwendung kamen, sondern solche, die schon seit geraumer Zeit 
in den Töpfen kultiviert worden waren und an ihrem dichten 
Wurzelwerk leicht als solche erkannt werden konnten — 
wurden in ihren Töpfen gelassen und die frei herabhängenden 
Sprosse bei Lichtzutritt auf das Entfalten der Achselknospen ge- 
prüft. Die Sprosse hatten Grundknollen von durchschnittlich 1,5 
bis 2 cm Durchmesser; gewöhnlich gehörten einer Knolle ein oder 
zwei Sprosse an. Zum Versuche wurden drei Töpfe mit lauter 
unverzweigten Sprossen verwendet. In Topf No. 1, welcher sieben 
Sprosse hatte, wurden alle Vegetationsspitzen vergipst. Beim Topf 
No. 2 mit sechs Sprossen wurden alle Vegetationsspitzen und 
Knoten vergipst, und beim dritten Topf das Wachstum ungestört 
gelassen. Es braucht wohl kaum bemerkt zu werden, daß den 
Versuchspflanzen genügend Nährstoffe und Wasser gegeben wurde, 
wie auch die warme und feuchte Gewächshausluft für sie eine 
günstige Stätte zum Vegetieren repräsentierte. Ihr Verhalten 
wurde vom 17. Mai bis zum 5. August verfolgt. Das Resultat mit 
Topf No. 1 war folgendes: 


92 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 


Tabelle No. 1. 


Knoten 'Spross | Spross | Spross Spross Spross | Spross | Spross 
No. | No.1. | No. 2. | No.3. | No.4. | No.5. | No.6. | No. 7. 
eo m 10 
2 RR RI On oo No 
RO 0 
Zn BER 3 0 
5 2 1 0 2 
6 2 0 
7 2 


In der ersten Kolonne sind die Knoten angegeben, von der 
Basis bis zur Spitze gerechnet, die Vegetationsspitze nicht mitge- 
zählt, und in den wagerechten Reihen die Anzahl der zur Ent- 
wickelung gelangten Achselknospen an den entsprechenden Knoten. 
Die vergipsten Vegetationsspitzen haben anfangs häufig den Gips 
zersprengt, wurden aber immer von neuem eingegipst, sodaß Keine 
weiter gewachsen ist, obgleich die meisten am Ende des Versuchs 
noch lebenskräftig waren und nach Entfernung des Gipses ihr 
Wachstum fortsetzten, doch nicht mit voriger Schnelligkeit und 
Regelmäßigkeit; sie verkümmerten mehr und mehr. 

Die Korrelation zwischen Wachstum der Achselknospen und 
der Sproßspitzen kam bei Hemmung der Weiterentwickelung der 
letztern schon nach zwölf Tagen dadurch zum Ausdruck, daß die 
Achselknospen austrieben. Durch Vergipsen der zuerst ausge- 
triebenen wurde ein Entwickeln von weiteren Achselknospen be- 
wirkt. Wie aus der Tabelle zu ersehen ist, sind aus dem der Ve- 
getationsspitze am nächsten gelegenen Knoten immer die zwei 
Achselknospen des Blattpaares zur Entfaltung gekommen; sie waren 
es auch, welche zuerst austrieben. Erst durch Hemmung ihres 
weiteren Wachstums hat die korrelative Wirkung die weiteren 
Anlagen zur Entfaltung gebracht. Aus diesem Verhalten der 
Achselknospen ist deutlich zu erkennen, daß bei dem Auswachsen 
der Knospen die Korrelation mit der Vegetationsspitze, wie der 
Knospen untereinander eine maßgebende Rolle spielt, und daß die 
Reaktion zuerst bei den der Vegetationsspitze nächstliegenden 
Achselknospen einsetzt und erst später auf die folgenden über- 
greift, also der Strom der zur Sproßbildung verwendbaren Stoffe 
allmählich gezwungen wird, den tiefer gelegenen Knospen zuzu- 
strömen. Man könnte noch die nicht zur Entfaltung gelangten 
Achselknospen zum Austreiben zwingen; doch wurde der Versuch 
unterbrochen, weil die schon ausgetriebenen Seitensprosse sehr 
häufig den’ Gips zersprengten und in einer einzigen Nacht ein 
Blattpaar entwickelten, und sodann die Achselknospen der Seiten- 
sprosse austrieben. 

Topf No. 2, an dessen Sprossen alle Knoten und Vegetations- 
spitzen vergipst wurden, zeigte hingegen ein ganz anderes Ver- 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 98 


halten. Er hatte sechs Sprosse von ähnlicher Beschaffenheit wie 
die im Topfe No. 1. Da hier aber durch das Vergipsen nicht nur 
das Weiterwachstum der Vegetationsspitze, sondern auch das Ent- 
falten der Achselsprosse verhindert wurde, so mußten entweder 
Adventiosprosse aus anderen Organen der Sprosse sich entwickeln, 
oder, was auch vermutet wurde, neue Sprosse aus der Grundknolle 
austreiben. Nur an drei Knoten aller Sprosse — was jedoch ohne 
Bedeutung ist — haben sich Achselknospen entwickelt, weil der 
Gips durch die sich zu Knöllchen entwickelten Knoten sehr häufig 
gesprengt wurde. Wo jedoch die Versuche keine Störung erlitten, 
verwirklichte sich die zweite der oben genannten Vermutungen, 
d.h. aus der Grundknolle begannen neue Sprosse auszutreiben, 
und zwar dauerte es bei der Wachstumshemmune aller sproß- 
erzeugenden Teile längere Zeit, volle 18 Tage, bis die Sproßbildung 
an der Grundknolle begann. Nach und nach trieb die Grundknolle 
eines jeden der sechs Sprosse einen neuen Sproß aus; aus einer 
Grundknolle gingen sogar deren zwei hervor. Sie wurden eben- 
falls alle vergipst, zeigten aber eine größere Kraft und machten 
sich häufig von ihrem Verbande los, sodaß einige Blätter sich ent- 
falten konnten, obschon der Gipsverband täglich erneuert wurde. 
Es kam auch vor, daß die Veeetationsspitzen sich in der Gips- 
haube umbogen und rückwärts herauszwängten. Infolge des Außer- 
funktionsetzens der ursprünglichen Sprosse fingen diese an zu 
welken und verloren zuletzt alle Blätter; nur die neu gebildeten, 
kräftigen Sprosse blieben am Leben und trieben sogar Seiten- 
sprosse, obgleich ihre Knoten vergipst worden waren. Aus anderen 
Organen der Pflanze sind während der ganzen Versuchsdauer nie- 
mals neue Sprosse hervorgegangen, immer nur aus den Achsel- 
knospen, worauf später nochmals eingegangen werden wird. Die 
Grundknollen, aus welchen sich die neuen Sprosse entwickelten, 
sind ja auch nichts anderes als umgebildete Knoten. 

Beim dritten Topf, wo die Sprosse unbehindert weiter wachsen 
konnten, ist keine einzige Achselknospe zur Entfaltung gekommen; 
die Sprosse erreichten eine ziemliche Länge und stellten je einen 
einzigen Fadensproß dar. Auch aus der Grundknolle trieben keine 
neuen Sprosse. 

Was die Knöllchen- und Beiwurzelbildung bei diesen oben 
besprochenen Versuchen anbetrifft, so kann hier nur eine allge- 
meine Betrachtung folgen, zahlenmäßige Angaben werden bei 
späteren Versuchen geboten. Zwischen Topf No.1 und No. 2 war 
in der Entwickelung der Knöllchen und Beiwurzeln anfangs kein 
Unterschied zu konstatieren. Erst eine länger andauernde Ver- 
hinderung der Achselknospenentfaltung, also auch des Verbrauchs 
der Baustoffe, hatte zur Folge, daß, im Gegensatz zu Topf No. 3, 
die sich anhäufenden Nährstoffe der Sprosse von Topf No. 1 Neu- 
bildungen hervorriefen. Es wurden nämlich hier eine größere An- 
zahl von Knoten zu Knöllchen verdickt und, Hand in Hand damit, 
auch mehr Beiwurzeln erzeugt. 

Bei den Sprossen des Topfes No. 2, wo alle Knoten vergipst 
waren, ließ sich schon viel früher ein stärkerer Zuwachs der 


94 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


Knoten erkennen als bei den anderen Töpfen. Dies hat wohl 
seinen Grund darin, daß von vornherein ein Austreiben der Achsel- 
knospen verhindert wurde und die aufgenommenen und verarbeiteten 
Stoffe der Knöllchen- und Beiwurzelbildune zu Gute kamen. Die 
Expansionskraft der an Umfang zunehmenden Knöllchen war auch 
eine viel größere als die der Achselknospen; daher waren sie auch 
imstande, die Gipskruste zu zersprengen und sich zu vergrößern. 
Infolee des fortwährenden erneuten Eingipsens nehmen aber die 
Sprosse an Lebenskraft ab und fangen an zu welken; die Blätter 
fallen ab, und die weitere Entwickelung der Knöllchen hört auf. 
An anderen Teilen der Pflanze (Blätter, Sproßinternodien) ist 
weder Verdickung noch Beiwurzelbildung erfolgt. 


2 Sprosse auf Erde liegend. 


In unseren Gewächshäusern wird Oeropegia Woodii Schlechter 
als frei in der Luft hängende Pflanze gezüchtet; in Wirklichkeit 
ist sie aber, wie gleich am Anfang gesagt wurde, eine an Felsen 
herabkriechende Pflanze. Man kann sie auch nicht als orthotrop 
ansehen, obgleich sie senkrecht nach unten wächst; denn dies er- 
folgt nur, wenn sie keine Unterlage findet und ist alsdann durch 
ihre Zartheit und den langen, fadenförmigen Bau bedingt. Sie ist 
vielmehr plagiotrop, gedeiht auch kräftiger und üppiger, wenn man 
sie kriechend auf Erde wachsen läßt. Um ihr Verhalten auch in 
dieser Form des Vegetierens kennen zu lernen und wenigstens ein 
Urteil darüber zu bekommen, wie sie in Wirklichkeit in der freien 
Natur gedeiht, wurden Sprosse mit bewurzelten Grundknollen in 
Kulturkästen, welche mit humus- und nährstoffreicher Erde gefüllt 
waren, so eingepflanzt, daß die Sprosse horizontal auf die Erde 
zu liegen kamen. Diese Versuche hatten auch den Zweck, noch 
andere wichtige Fragen zu prüfen, weswegen sie mehrfach variiert 
wurden. Es wurden wieder Parallelversuche im Tageslicht und 
bei völligem Lichtabschluß ausgeführt. Die Versuchsdauer umfaßte 
die Zeit vom 26. Mai bis zum 10. August 1905. Bei zwei ersten 
Sprossen mit je einer Grundknolle wurde sowohl bei der Licht-, 
als auch bei der Dunkelkultur nichts vergipst; bei je zwei anderen 
wurden nur alle Vegetationsspitzen, und bei einem dritten Paar 
die Vegetationsspitzen und alle Knoten in Gips verpackt. Dazu 
wurden möglichst gleiche Exemplare ausgesucht, alle stammten 
vom laufenden Jahre, weswegen die Knöllchen- und Beiwurzel- 
bildung bei ihnen noch wenig oder gar nicht begonnen hatte. Die 
Sprosse waren durchschnittlich 25 cm lang und zählten acht bis 
zwölf Knoten. Zuerst mögen die Versuche in Licht und dann die 
im Dunkeln folgen, nebst einem Vergleich der beiden Kulturreihen. 


a. Versuche am Licht. 


A. Das Wachstum der beiden unvergipsten Sprosse war an- 
fangs identisch mit dem der aus Töpfen frei herunterhängenden; 
die Sprosse wuchsen nur mit einer Vegetationsspitze weiter, wie 
auch die Entwickelung der Knoten zu Knöllchen und die Bei- 


Gl abisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 95 
wurzelbildung mit den Topfpflanzen übereinstimmte. Die Beiwurzeln 
blieben jedoch nicht auf einem bestimmten Stadium stehen, wie 
bei den hängenden Sprossen, sondern entwickelten sich weiter und 
bildeten Kräftige, auch verzweigte Wurzeln in der Erde. 

Wie schon früher bemerkt, beginnt die Knöllchenentwickelung 
mit der Anlage von zwei Beiwurzeln, welche in den Zwischen- 
räumen zwischen den Ansatzstellen der Blätter entspringen. Diesem 
Verhalten entsprechend wuchsen aus einem Knoten fast immer zwei 
Wurzeln in den Boden, auch später nicht mehr. Die Ausbildung 
der Knoten zu Knöllchen war an angewurzelten Knoten eine weit- 
aus bevorzugte, sodaß sich hier mit der Zeit starke Knöllchen ent- 
wickelten. 

Ebenfalls verschieden von den frei herabhängenden Pflanzen 
war das Verhalten inbezug auf das Austreiben der Achselknospen. 
Es entwickelte sich nämlich oft eine ganze Anzahl und sie wurden 
zu starken Seitensprossen, welche an Wachstum den Hauptsproß 


übertrafen. Um ein klares Bild über das Gesagte zu bekommen, 
mögen einige Versuchsergebnisse tabellarisch zusammengestellt 
folgen: 
Tabelle No. 2. 
Sproß No. 1. Sproß No. 2. 
3» Entwickelte | Ausgetriebene | =. Entwickelte | Ausgetriebene 
aa Se Beiwurzeln | Achselknospen | 3 5:0 Beiwurzeln Achselknospen 
58u SRH? 
25 An An Knoten- Hs An Am  |Knoten- 
Ser Knot Ihre Knot zahlder| S „23 Knot Ihre ana zahl der 
Enz nee nos |) nos see 
I R n 
2 V.1.192.|,0 0 0 ) 1l 0 0 0 0 
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10. Sinn 2 8 11 7 2 5 5 
za, lo, © lea 1 1.6 Br 
10 2 10 8 10 1 10 3 
11 1 


In gleicher Höhe mit der Knotennummer des Hauptsprosses 
die Erde gewachsenen Beiwurzeln und die 


ist die Anzahl der 
Zahl der Knoten der Seitensprosse angegeben. 


in 


Es möge gleich 


hervorgehoben werden, daß die Achselknospen erst dann austreiben, 
wenn schon Beiwurzeln entwickelt waren. Ihr Entfalten ist auch 
nicht anders zu erklären als dadurch, daß sie durch die am selben 
Knoten entsprungenen Beiwurzeln eine stärkere und schnellere 
Zufuhr von Nährstoffen erhielten. Die Blätter des Hauptsprosses, 
wie auch später die der Seitensprosse, erreichten viel größere 


96  Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


Dimensionen als die der hängend kultivierten Individuen, wes- 
wegen sie auch mehr Assimilate produzieren, und diese zum kräf- 
tieen Aufbau und zum Austreiben der Knospen verwendet werden 
konnten. Das Verbleiben der Seitensprosse im Knospenzustand, 
wie dies bei den herunterhängenden Exemplaren vorkommt, steht 
also auch in Beziehung zum Verhalten anderer Teile des Organis- 
mus. Daß die Beiwurzeln bei frei herabhängenden Sprossen in 
ihrer Entwickelung stehen bleiben, ist auf die Hemmung durch un- 
günstige äußere Bedingungen zurückzuführen, weswegen die An- 
lagen, wie z.B. die des Efeus!), wenn er ohne Unterlage kultiviert 
wird, imgrunde genommen nicht als latente aufgefaßt werden können. 
In den genannten Versuchen sind nur diejenigen Anlagen zur vollen 
Ausbildung gelangt, welche mit der Erde in Berührung kamen; 
es sind namentlich genügende Feuchtigkeit, sowie der Bodenreiz 
selbst, welche das Weiterwachstum bedingen; die Verdunkelung 
nimmt keinen Anteil dabei, wie weiter unten besprochene Versuche 
zeigen. Aus Tabelle No. 2 geht hervor, daß es nicht die ältesten 
Knoten waren, welche Wurzeln getrieben hatten, sondern die 
mittleren, und zwar deswegen, weil die ältesten mit der Erde nicht 
in Berührung kamen, die Sprosse beschrieben einen kleinen Bogen, 
bis sie auf die Unterlage zu liegen kamen. Daß es auch nicht die 
jüngsten waren, erklärt sich durch deren Mangel an schon ent- 
wickelten Anlagen. Namentlich diejenigen Knoten, welchen die 
Bodenwurzeln entsprangen, nahmen reichlich an Umfang zu und 
wuchsen zu kräftigen Knöllchen heran, produzierten aber keine 
Beiwurzeln mehr, wie die Knollen, denen die günstigen Bedingungen 
zur normalen Entfaltung der Wurzelanlagen fehlten. 

Die Verzweigung des Hauptsprosses ging, wie es auch die 
Tabelle zeigt, von den Achselknospen derjenigen Knoten oder der 
‚Knöllchen, deren Beiwurzeln Boden gefaßt haben, oder wenigstens 
der benachbarten Knoten aus. Die Seitensprosse wuchsen auch 
kräftig weiter, da ihnen durch die unmittelbare Stoffzufuhr reichlich 
Material zum Aufbau zur Verfügung gestellt wurde und überholten 
sogar beträchtlich den Hauptsproß. Knöllchen- und Wurzelbildung, 
sowie weitere Verzweigung trat bei ihnen ebenfalls ein. 

Aus diesem Versuch ist vor allen Dingen zu ersehen, daß die 
Entwickelungshemmung der Beiwurzeln an frei herabhängenden 
Sprossen durch ungünstige Verhältnisse bedingt wird, und jene 
Hemmung als auslösender Reiz die Erzeugung weiterer Beiwurzel- 
anlagen bewirkt. Das Nichtaustreiben der Achselknospen ist wieder 
auf die unzureichende Zufuhr von Baustoffen zurückzuführen. 

B. Im Gegensatz zu dem eben beschriebenen Versuche sind 
bei den zwei Sprossen, deren Vegetationsspitzen vergipst waren, 
die Achselknospen an den der Vegetationsspitze nächstliegenden 
Knoten zuerst zum Austreiben gebracht worden. Schon nach zwölf 
Tagen, also nach derselben Zeitdauer wie bei dem Topfversuche 
No. 1, haben sich Achselknospen entfaltet; sie wurden sofort ver- 


1) Vergleiche Goebel, K., Organographie der Pflanzen. 1898. S. 476. 


, 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 97 


vergipsten Sprossen, nur daß hier aus mehr Knoten Wurzeln in 
die Erde wuchsen, wie auch mehr Knöllchenbildung eintrat. Für 
die weitere Ausbildung der Achselknospen kamen in diesem Ver- 
suche zwei Momente inbetracht: das Vergipsen und die Beiwurzeln, 
welche in die Erde gewachsen waren. Daher entsprangen die 
Seitensprosse nicht nur aus den höheren Knoten, durch das Ver- 
sipsen der Vegetationsspitzen verursacht, sondern auch aus jenen, 
deren Beiwurzeln in die Erde gewachsen waren; doch war die 
durch das Vergipsen hervorgerufene Reaktion eine kräftigere, da 
die Versuchsobjekte, inbetreff des Austreibens der Achselknospen, 
mehr dem Topfversuch No. 1 als dem vorherbeschriebenen Versuche 
A glichen. 

0. Bei den zwei Essen, an welchen alle Vegetationsspitzen 
und Knoten vergipst waren, war das Verhalten vollkommen gleich- 
wertie dem Topfversuch No. 2. Es kamen aus den Grundknollen 
neue Sprosse zur Ausbildung. Die Knöllchen- und Beiwurzelbildung 
war anfangs. eine intensivere als bei Versuch A und B. Durch 
das häufige Zersprengen des Gipsverbandes, der zwar immer wieder 
erneuert wurde, gelang es indessen einigen Beiwurzeln, in die Erde 
zu wachsen. Die Hauptsprosse fingen daher nicht zu welken an 
und verloren auch ihre Blätter nicht, wie bei Topfversuch No. 2; 
vielmehr entwickelten sich ihre Knoten infolge der vermehrten 
Nährstoffzufuhr zu mächtigen Knöllchen. Dieser Versuch zeigt 
deutlich, daß, wenn alle Vegetationspunkte in ihrer Entwickelung 
gehemmt werden, die Knöllchenbildung begünstigt wird. 


b. Versuche im Dunkeln. 


Als Dunkelkammer diente ein im Gewächshaus vermauerter, 
dicht abgeschlossener Raum, wo sich die Dampfheizungsröhren be- 
fanden. Die Temperatur war hier nicht so günstig, wie im Ge- 
wächshaus selbst, auch viel mehr schwankend, was wohl nicht 
ohne Einfluß auf die Resultate geblieben ist. Die Dunkelkammer 
im Laboratorium hatte zu niedrige Temperatur, weswegen sie nicht 
zu den Versuchen benutzt werden konnte. 

D. Zwei vollkommen unvergipste Sprosse zeigten im Dunkeln 
folgendes Verhalten: 


Tabelle No. 23. 


Sproß 39: ılz 


Sproß No. D- 
a4 Entwickelte | Ausgetriebene | VEntwickelte Ausgetriebene 
Datim: $ = 3eiwurzeln | Achselknospen RR Si | Bouzelug ‚Achselknospen 
= ei FA -— a 3 n =  — FD 
72 Knoten-| 5% © Knoten- 
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Sn& |Knoten Ihre | Knoten ?ahlder On Bi Knoten Ihre Knoten zahl der 
Son | Zahl Seiten-| ‚3 © Zahl Seiten- 
2 No. | | No. Isprosse un No. No. | sprosse 
l 
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0, VI. E 7 - 3 - 
10. VI | 8 5 l 10 | 6 2 6 1 
| ' 


Beihefte Bot, Centralbl, Bd. XXIII. Abt. I. Heft 2. f 


98  Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 


Das weitere Verhalten der Sprosse Konnte nicht verfolet 
werden; sie starben wegen der ungünstigen Temperatur und des 
Lichtabschlusses langsam ab. 


Es kamen hier nur diejenigen Beiwurzelanlagen zur Ent- 
wickelung, deren Knoten mit der Erde in Berührung kam, bei den 
anderen blieben die Wurzeln nach ihrem Hervorbrechen aus dem 
Knoten auf derselben Entwickelungsstufe wie bei den am Licht 
kultivierten Sprossen stehen, das Verdunkeln übte keinen be- 
sünstigenden Einfluß aus. Die Achselknospen trieben auch erst 
dann aus, als schon Beiwurzeln in die Erde gewachsen waren; 
das Verhalten in dieser Beziehung war also gleich den Sprossen A. 
Das Weiterwachsen der Haupt- und Seitensprosse war dagegen ein 
langsameres als bei A. 


Bei den ausgetriebenen Seitensprossen haben sich die Inter- 
nodien und Blattstiele viel mehr verlängert als bei Lichtkulturen, 
die Blattspreiten sind dagegen klein und unentwickelt geblieben. 
Die Farbe der etiolierten Sprosse war eine weiße bis hell-gelbe, 
die Formation des Chlorophylls unterblieb, wie auch kein Antho- 
cyan nachgewiesen werden konnte; dasselbe Verhalten zeigten 
auch die weiter gewachsenen Hauptsprosse. Die Überverlängerung 
ist als ein Versuch der Pflanze aufzufassen, der Dunkelheit zu 
entfliehen, wie dies Godlewski dargetan hat!). Wie bei vielen 
anderen Kriechenden Sprossen, so zZ. B. bei Vinca major, Polygonum 
aviculare?), ändert sich auch bei Ceropegia Woodit der transver- 
sale Geotropismus derart, daß im Dunkeln eine mehr oder minder 
vertikale Lage zustande kommt. Die etiolierten Sprosse nehmen 
eine senkrecht aufsteigende Richtung an, nicht nur die horizontal 
liegenden, sondern auch die herabhängenden, indem sowohl der 
weiter wachsende Hauptsproß, als auch die Seitensprosse durch 
scharfe knieförmige Umbiegung vertikal weiter wachsen (Tafel X, 
Fig. 1). Wenn man solche etiolierte Sprosse an Licht bringt, so 
kehren sie langsam in die normale Lage zurück. 


Die Knöllchenbildung begann bei allen Dunkelkulturen eher 
und reichlicher. Daß die Dunkelheit in hohem Grade begünstigend 
wirkt, zeigten sehr schön die Sprosse, welche nur teilweise ver- 
dunkelt waren; diese Versuche werden später besprochen werden. 
Hier sei auch auf die Versuche von Vöchting „Über die Bildung 
der Knollen“ verwiesen?), wo Vöchting namentlich an der Kar- 
toffel nachgewiesen hat, daß Verdunkelung im hohen Maße auf die 
Knöllchenbildung von Einfluß ist. 


E. Bei den zwei Sprossen, an welchen die Vegetationsspitzen 
vergipst waren, sind nicht wie bei den entsprechenden Lichtver- 
suchen (B) die Achselknospen vor den Beiwurzeln zur Entwickelung 
gekommen. Schon acht Tage nach Beginn des Versuchs trieben 
einige Beiwurzeln der älteren Knoten in die Erde; Achselknospen 


!) Godlewski, Biologisches Centralblatt. Band 9. 1889. S. 481. 

2) Vergleiche Pfeffer, W., Pflanzenphysiologie. Band2. 1904. S. 677. 

3) Vöchting, Über die Bildung der Knollen. (Bibliotheca botanica. 
Heft 4. 1887. S. 39.) 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 99 


wuchsen erst nach 27 Tagen aus, und zwar an den jüngsten 
Knoten, wie bei B; nicht wie bei A an den Knoten, wo Beiwurzeln 
entwickelt waren oder den nächstliegenden. Die begünstigende 
Wirkung des Vergipsens auf das Austreiben der Achselknospen 
war also vom größeren Einflusse als die durch die Beiwurzeln, 
welche in die Erde gewachsen waren (Nährstoff- und Wasserauf- 
nahme). 

Die Knöllchenbildung war reichlicher als bei Versuch D, sie 
übertraf auch, wenigstens anfangs, die bei Be Das Absterben der 
Sprosse begann, wie auch bei den zuletzt beschriebenen Sprossen, 
an den Spitzen und griff immer weiter zurück. Die Blätter fielen 
ziemlich früh ab, weil sie ja durch den Lichtabschluß außer Funktion 
gesetzt waren; zuletzt blieb nur die Grundknolle übrig, welche 
auch in Zersetzung überging. 

F. Die durch Verdunkelung an Sprossen mit vergipsten Ve- 
Setationsspitzen und Knoten hervorgerufenen Störungen waren so 
groß, daß sie zu keinen Neubildungen mehr befähigt waren; auch 
aus der Grundknolle trieben keine neuen Sprosse Die vor- 
handenen blieben noch eime kurze Zeit am Leben, gingen dann 
aber schnell zugrunde. 


Aus den in diesem Abschnitt II besprochenen Versuchen folgt, 
daß die Entwickeluneshemmung von Beiwurzel-Anlagen und von 
Achselknospen bei frei herabhängenden Pflanzen auf ungünstige 
Bedingungen zurückzuführen ist, und daß die Entwickelung dieser 
Organe in gegenseitiger Beziehung steht. Für das Weiterwachsen 
der Beiwurzeln ist namentlich genügende Feuchtigkeit notwendig; 
das Verdunkeln hat keinen fördernden Einfluß. Die Knöllchen- 
bildung wird durch Lichtabschluß begünstigt; auf das Weiter- 
wachsen der Sprosse wirkt Lichtabschluß hemmend. Durch Ver- 
sipsen der Vegetationsspitzen wird die Entfaltung der Achsel- 
knospen, namentlich an den nächstfolgenden Knoten, veranlaßt; 
die Knöllchenbildung ist alsdann eine reichlichere. Vollkommenes 
Vergipsen wirkt auf die Knöllchenbildung begünstigend und ver- 
anlaßt die Grundknollen zum Austreiben neuer Sprosse. 


III. Versuche mit abgeschnittenen Sprossen 
in Lösungen. 


Nachdem nun eine allgemeine Übersicht über das Verhalten 
der Ceropegia Woodri gewonnen worden ist, soll dazu übergegangen 
werden, die Wirkungen einiger Lösungen auf Knöllchen- und Bei- 
wurzelbildung, sowie auf das Austreiben der Achselknospen zu 
prüfen. Zu diesem Zwecke wurden Sprosse ohne Grundknollen 
verwendet, damit die sonst in diesen angesammelten Reservestoffe 
nicht zur Geltung kämen und die Wirkung beeinträchtigten. Von 
Topfpflanzen wurden frisch gewachsene, möglichst junge Sprosse 

7* 


100 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 


von durchschnittlich 30 em Länge abgeschnitten und in Fläschchen, 
welche mit den zu prüfenden Flüssigkeiten angefüllt waren, durch 
einen durchbohrten Kork, mit dem basalen Ende eingeführt (Taf. IX, 
Fig. 1), wobei die Sprosse an der Berührungsstelle mit dem Kork 
mit Watte umwickelt wurden. Sie waren immer unverzweigt 
(Taf. X). Es wurden wiederum Parallelversuche im Licht und im 
Dunkeln und auch bei teilweiser Verdunkelung angestellt. 

Wie aus den früheren Versuchen hervorgeht, veranlaßt das 
Vergipsen der Sproßspitzen nicht nur das Austreiben der Achsel- 
knospen, sondern begünstigt auch die Knöllchen- und Beiwurzel- 
bildung, weswegen auch bei allen hier verwendeten Sprossen die 
Sproßspitzen außer Funktion gesetzt wurden, um dadurch einen 
besseren Einblick in die Beeinflussung durch die Lösungsmittel zu 
gewinnen. Es wurden jedoch hier die Sproßspitzen nicht vergipst, 
da sie zu häufig den Gips zersprengten und weiterwuchsen, sondern 
sie wurden abgeschnitten, wie auch jede ausgetriebene Achsel- 
knospe gleich nach ihrer Entfaltung ebenfalls entfernt wurde. Die 
Reaktion, welche durch die mechanische Hemmung des Wachstums 
einer Knospe verursacht wird, ist ja eine ähnliche wie beim Wee- 
schneiden der Knospe!); doch kommt bei letzteren außerdem der 
Wundreiz mit seinen Folgen hinzu, was jedoch bei diesen Ver- 
suchen nicht inbetracht kommt. 

Als Nährflüssigkeiten wurden verwendet: reines Leitungs- 
wasser, welches je nach zwei Tagen durch frisches ersetzt wurde; 
1, %, und 1!/, %, Rohrzuckerlösung und 1%, Glyzerinlösung, alle 
mit sterilisiertem Wasser. Diese Lösungen mußten täglich ge- 
wechselt werden, da sonst die Sprosse an ihrem basalen Teil, mit 
welchem sie in die Lösung tauchten, zugrunde gegangen wären, 
weil sich sehr rasch Pilzkulturen bildeten. Als weitere Lösung 
kam die Knop’sche Nährlösung zur Verwendung, enthaltend in 
einem Liter destilliertem Wasser: 16 gr Ca-nitrat, 4 er Me-sulfat, 
4 er K-nitrat, 1 gr K-phosphat; sie wurde je nach zwei Tagen 
frisch zugegeben. 

Wie schon am Anfang dieses Abschnittes bemerkt, wurden 
für diese Versuche nur junge Sprosse von den Topfpflanzen abge- 
schnitten. Bei diesen Sprossen war noch keine Achselknospe zur 
Entfaltung gekommen, wie auch die Knöllchenbildung noch nicht 
begonnen hatte; Beiwurzeln waren nur an den älteren Knoten als 
kleine Hervorwölbungen bemerkbar. Die Sprosse repräsentierten 
also ein gutes Material für die Beobachtung der weiteren Aus- 
bildung der Organe. 

Es wurden gleichzeitige immer fünf Kulturen angestellt, ent- 
sprechend den fünf Lösungen (inklusive Leitungswasser), und häufig 
wiederholt. Am besten gediehen die Sprosse in Leitungswasser, 
gingen dagegen häufig in der Nährlösung und 1°, Glyzerinlösung 
zugrunde, in den Zuckerlösungen seltener. Zuerst mögen die Licht- 
kulturversuche angeführt werden, und zwar nur diejenigen, bei 


1) Vergleiche Pfeffer, W., 1. ec, Band 2. S. 202. Goebel, K., All- 
gemeine Regenerationsprobleme. (Flora. Band 95. 1905. S. 394.) 


welchen während 


a. Mit beblätterten Sprossen. 
genden drei Tabellen No. 4, 
sultate dreier Versuchsreihen aus verschiedenen Zeiten des Jahres 
zahlenmäßig dargestellt. 


In den fe 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 


der 
lebenskräftig blieben; bei den übrigen Ve 
sultat ein ähnliches. 


101 


ganzen Versuchsdauer alle fünf Sprosse 


suchsreihen ist das Re- 


1. Versuche am Licht. 


5 und 6 sind die Re- 


Tabelle No. 4 


Art 


der 


Kultur 


Bomer- 
kungen 


Leitungs-| 4 


wasser 


1 
Zucker- | % 
6 


wasser 


‘© | Zucker- 


1 
wasser | 3 
4 


Nähr- | 2 


13 
lösung *) | 4 


Glycerin- 


wasser 


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2 
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4 [0] {0} 
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6 © I © 
3 
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0) 10 


Leitungs-) 


wasser 


Zucker- 


wasser 


Zucker- 
wasser 
a 


2°) 


Nähr- 


lösung 


Glycerin- 
wasser 


(19) 


Leitungs- 


wasser 


Zucker- 


wasser 


Zucker- 


wasser 


Nähr- 


| lösung 


Glycerin- 


wasser 


(1%) 


*) Die Knop'scl 
lösung“ bezeichnet, 


18,9 33,3 580,9 


Il | | 


Yährlösung ist in den Tabellen immer nur mit „Nähr- 


102 Glabisz, Morphologische und'physiolagische Untersuchungen ot. 


S 
or 


Tabelle No. 


E Bemer- 
2 kungen 
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3 | | 
Leitungs-| 4 | | | Sara a | 5 
wasser | e | ı | : | a | 
7 |ı1 | | | 
lee ı | | 
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1 
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wasser | $ s 08 | 10 | 
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9 1 
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Zucker- 2 
wasser | 4 | 1,4. | zu | 5,9 
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2 |3-35 P | 393 
wasser | 5 N 1,2 10 39,2 
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alla | 
14 5 2 | ] 
3|2| . 3 
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wasser | g | 1 ı 67 
8-11 | | 
I 12 | | 
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|. | | | 
| 1,5 | 40. | 381,6 
| 
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1 
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lösung 
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Glyeerin-| 3") 
) 
wasser | 4 | 212 | 982 
ao [6 | | | 
s|ı| | 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuehungen ete. 103 


Tabelle No. 6. 


= E 
Art ja 25 
der E 22 |Bemer- 
© 3 |kung: 
Kultur Ss kungen 
Leitungs- 
254,4 
wasser 
10 
11 
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5 wasser 95,5 
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10 | \l | | | \ 
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Zucker- 5° 445 | 
I © || s | 
wasser R | 3 2 | 17 | 1188 
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11,07 9 
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2 1,6 20 58,9 
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= 9 | || | | 
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2 | | | 
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= vasser. 150 a | 8 | 
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6 1 6 5 \[ | 
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Glycerin- I! | = 
wasser | 3) 0) 15,7 93,5 ER 
@UN) 2 


104 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


Die Knoten sind von der Basis bis zur Spitze gezählt und 
diejenigen, welche sich in der Lösung befanden, mit einem Kreuz 
bezeichnet. Auf gleicher Linie mit der Knotennummer ist die An- 
zahl der ausgetriebenen Achselknospen, welche gleich nach ihrer 
Entfaltung entfernt wurden, angegeben; ferner die Zahl der her- 
vorgebrochenen Beiwurzeln und des Durchmessers der verdickten 
Knoten in mm. In den zwei folgenden Rubriken ist die Gesamt- 
zahl der Achselknospen und Beiwurzeln, auf zehn Knoten berechnet 
angeführt, um dadurch einen besseren Überblick über die Wirkungen 
der Lösungen, inklusive Leitungswasser, zu gewinnen. Aus den 
Durchmessern der verdickten Knoten ist zuerst der Durchmesser 
des „Gesamt-Knöllchens“ (Summa aller verdickten Knoten) be- 
rechnet worden, nach der Formel d’-+d;=D: (Der Durch- 
messer im Kubus einer aus mehreren verschmolzenen Kugel ist 
gleich der Summe aller Durchmesser im Kubus). Aus diesem 
Durchmesser des „Gesamtknöllchens“ ist sein Inhalt in cbmm nach 
der Formel: V = A/; d® —= 0,5236.d3 (das Volumen einer Kugel ist 
gleich ihrem Durchmesser im Kubus mal 0,5236) berechnet worden, 
ebenfalls auf zehn Knoten. Die Berechnungen wurden immer nur 
mit einer Dezimalstelle auf eine Dezimalstelle ausgeführt, statt mit 
0,5236 wurde mit 0,52 multipliziert. Der Durchmesser der ein- 
zelnen verdickten Knoten wurde möglichst genau gemessen; es 
wurden auch zwei Durchmesser genommen, weil die Knöllchen 
nicht nach allen Richtungen gleichmäßig ausgebildet waren. Die 
angegebenen Zahlen beanspruchen daher keine mathematische Ge- 
nauigkeit, worauf es ja auch nicht ankam, es sollte einfach die 
Differenz der Gesamtknöllchenbildung zwischen den einzelnen 
Lösungen und die Gesamtzunahme festgestellt werden. Nach der 
angegebenen Versuchsdauer ist nicht nur die Beschaffenheit der 
Sprosse an dem betreffenden Tage angegeben, sondern auch das 
zugezählt, was früher entstanden ist, namentlich was die ausge- 
triebenen Achselknospen anbetrifft. 

Aus den drei Tabellen ist erstens zu ersehen, daß das Ver- 
halten der Sprosse während verschiedener Jahreszeiten nicht gleich 
ist. Im Frühjahr und Sommer findet das Austreiben der Achsel- 
knospen häufiger statt als im Herbst und Winter; dagegen ist in 
den letzteren Jahreszeiten die Knöllchen- und Wurzelbildung eine 
reichlichere. Dieses Verhalten gibt sich auch bei den Topfipflanzen 
kund, indem die Sprosse derselben im Sommer ein viel schnelleres 
Wachstum aufweisen und mehr Knoten erzeugen als im Winter; 
dagesren die Knöllchen- und Wurzelbildung im Winter in den Vorder- 
grund tritt. Am Anfang der Versuchszeit kommen mehr Achselknospen 
zur Entfaltung als später; es ist eine immer längere Zeit not- 
wendig zum Austreiben der Achselknospen, je mehr die Reaktion 
auf die basalen Knoten übergreift. Manchmal kommen aus einem 
Blattwinkel zwei Achselknospen zur Entwickelung. Es wurde schon 
bei Besprechung der äußeren Morphologie darauf hingewiesen, daß 
sich manchmal sogar schon Beiknospen vorfinden. 

Wie aus Tabelle No. 1 hervorging, treiben immer zuerst die 
der Sproßspitze nächstliegenden Achselknospen aus, was sich auch 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 105 


bei diesen Versuchen bestätigte. Die Achselknospen treiben aus, 
bevor die Knöllchen- und Beiwurzelbildung beginnt; später ist da- 
eegen die Entwickelung der letzteren eine intensivere und steigt 
immer mehr an, natürlich nur bis zu einem gewissen Grade, was 
schon dadurch bedingt wurde, daß die Versuchssprosse an Lebens- 
kraft abnahmen und immer mehr Blätter verloren. Die Erzeugung 
einer größeren Zahl von Beiwurzeln geht im allgemeinen parallel 
der Verdickung der Knoten. Es sei hier bemerkt, daß in den 
Tabellen nur diejenigen Beiwurzeln angeführt worden sind, welche 
eezählt werden konnten, also die schon hervorgebrochenen und in 
ihrer Entwickelung stehen gebliebenen; ihre Länge betrug bis 14, 
mm, überschritt diese Grenze nur selten. In der Beiwurzelbildung 
und Knotenverdickung ist eine Bevorzugung der basalen Knoten 
zu bemerken; doch ist dies nicht Regel; es sind häufig die in der 
Mitte, auch am Ende befindlichen Knoten, welche sich am meisten 
verdickt haben. Nur in Leitungswasser und in Zuckerwasser haben 
sich auch die Knoten, welche in der Flüssigkeit waren, zu Knöll- 
chen ausgebildet; bei den übrigen Lösungen konnte eine Ver- 
diekung nicht ermittelt werden; dasselbe gilt für die Beiwurzeln, 
sie nahmen nur bei diesen Flüssigkeiten an Zahl zu und ent- 
wickelten sich weiter. Namentlich im Leitungswasser wuchsen sie 
zu langen Wurzeln aus; in der Zuckerlösung blieben sie hingegen 
immer kurz. Es wird also durch eine normale Beleuchtung die 
Bildung und das’Auswachsen der Wurzeln nicht aufgehoben, wie 
an den durch Wasser umspülten Partien der abgeschnittenen Sprosse 
zu sehen ist!). In der Knop’schen Nährlösunge und im 1%, Gly- 
zerinwasser blieben sie meistens in dem gehemmten Zustand stehen 
und es entwickelten sich keine neuen. Die Beiwurzeln der Knoten, 
welche mit Watte umgeben waren, entwickelten sich auch weiter, 
da die Watte immer von der mit Wasserdampf gesättigten Luft- 
schicht feucht gehalten wurde. Dies geschah sowohl bei Dunkel-, 
wie bei Lichtkulturen, was auch ein Beweis dafür ist, daß das 
Stehenbleiben der Beiwurzeln auf einem gewissen Stadium auf ge- 
ringe Feuchtigkeit zurückzuführen ist. Die Wurzelspitzen zeigten 
hier deutlich den Hydrotropismus, indem die Beiwurzeln wagerecht 
der Watte angeschmiegt weiterwuchsen 2). 

Was das Gedeihen der Kulturen anbetrifft, so blieben die 
Sprosse im Leitungswasser am längsten lebenskräftig, und es gingen 
nur selten welche zugrunde; die in den Zuckerlösungen gediehen 
auch gut, in der 11°, Lösung weniger, die Sprosse starben 
häufig ab. Ebenso gingen die Sprosse, welche in Nährsalz- und 
1°/, Glyzerinwasser kultiviert wurden, sehr häufig und manchmal 
schon nach kurzer Zeit zugrunde, weswegen immer neue Versuche 
angestellt werden mußten. In der letzten Rubrik „Bemerkungen“ 
ist immer angegeben, wann die Sprosse abzusterben anfingen. 

Um über die Wirkungen der fünf Flüssigkeiten auf das Aus- 
treiben der Achselknospen und die Bildung der Beiwurzeln und 


1) Vergleiche Pfeffer, W., l. c. Band 2. S. 106. 
2) Vergleiche Pfeffer, W., l. c, Band 2, 1904, S, 605, 


106 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


der Knöllchen eine klare Vorstellung zu bekommen, wurden aus 
den Tabellen No. 4, 5 und 6 Durchschnittszahlen berechnet und in 
Tabelle No. 7 zusammengestellt. 


Tabelle No. 7. 


38 Art Achsel- ı Verdickte 
Ei der Kultur knospen Beiwurzeln dr Bemerkungen 
: 
Leitunes- | | 
oO | 0) [6 | 
wasser 2,1 1,9 
| Zucker- | 
5 || wasser 0,5 11,4 53,6 
a "ao 
Ei x 
‚n | Zucker- 
in | walsseraie 779726 4,8 4 
1/_ 0 | 
= 1/2 Jo \ al k 
z Nähr ; 
” 2 : 
lösung 4, 1 3,5 
Glyzerin- K ; 
wasser 10/o | 0,8 10,9 5) (,. 
Leitungs- | | 
= 5 | C 2) 
wasser Se 257,9 
|| Zucker- | | 
5 | wasser VE 28 222,9 
= 5/6 | 
Sei BE E7 | = T 
Eur Zucker, | 
D&D | wasser 5,8 16,9 154,8 
3| 12% 
S n zz 
Z Nähr- < | Die Basis des Sprosses 
2 9. 5 : \ — Tabl. No.5 — fin 
lösung | 3, 2 13,1 41,3 an abzusterben. E 
Glyzerin- | | Die Basis des Sprosses 
| 5 | 5 — Tabl. No.5 — fing 
Wasser 1%) | 0,5 | 16, 3 79,6 an abzusterben. 
Leitung's- | 
oO 5) Q 
36,3 614,2 
4 Zucker- 
© | wasser 0 34,9 351,9 
D 1/0 
S la "Io 
Oö 
o | Zucker- 
SE wasser 4,1 18,7 226,7 
=) 10h | 
> Nähr- Der Sproß — Tabelle 
4 08 7 No. 6 — war teilweise 
lösung 71 19,5 121, este. 
Glyzerin- \ Der Sproß — Tabelle 
| No. 6 — war teilweise 
wasser 1%, 0,8 16,9 71,9 abgestorben. 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 107 


Es sollte damit auch bezweckt werden, die in den drei Ta- 
bellen vorkommenden Unregelmäßigkeiten auszugleichen; denn daß 
solche. sich bei solchen Versuchen fast immer einstellen, lehrt die 
Erfahrung. Es spielen eben dabei noch andere Momente mit, 
welche die Weiterausbildung der Sprosse beeinflussen, so die Lebens- 
kraft der Sprosse, die am Tage der Versuchsanstellung schon vor- 
handenen Beiwurzelanlagen, die Jahreszeit, in welcher die Ver- 
suche zur Ausführung kamen u. s. f. In dieser Durchschnitts- 
tabelle sind die Zahlen auch auf zehn Knoten berechnet. In dem 
ersten Abschnitt (nach 15 Tagen) sind die Angaben der Tabelle 
No. 4 (nach 18 Tagen) und der Tabelle No. 5 (nach 11 Taeen) 
zusammengezogen und auf eine Versuchsdauer von 15 Tagen be- 
rechnet. In dem zweiten Abschnitt (nach 60 Tagen) wurden die 
Angaben der Tabelle No. 5 (nach 67 Tagen) und in die der Ta- 
belle No. 6 (nach 55 Tagen) auf eine Zeitdauer von 60 Tagen zu- 
sammengezogen. Der dritte Abschnitt stellt den Durchschnitt aus 
den Zahlen der Tabelle No. 4 (nach 96 Tagen) und der Tabelle 
No. 6 (nach 98 Tagen) dar, welche auf 100 Tage Versuchsdauer 
berechnet wurden. Die Versuchsdauer wurde in Tabelle No. 7 in 
drei Perioden eingeteilt, da die Wirkungen der Lösungen, wie aus 
den drei vorhergehenden Tabellen zu ersehen ist, am Anfang der 
Versuchszeit nicht dieselben waren, wie am Ende. Bei Besprechung 
wird auch immer auf die Originaltabellen hingewiesen werden. Die 
Sprosse 2 bis 5 der Tafel X entsprechen der Tabelle No. 6, sie 
wurden am 7. Februar photographiert; ihre Aufeinanderfolge ist 
dieselbe wie in der Tabelle, Sproß 2 wurde in Leitungswasser, 
Sproß 3 in 1/,°/, Zuckerwasser, Sproß 4 in 1!/,°/, Zuckerwasser 
und Sproß 5 in Nährsalz gezogen. Der Sproß der 1°/, Glyzerin- 
wasser-Kultur ist nicht photographiert, weil er zu dieser Zeit schon 
anfing, zugrunde zu gehen. 

In der zweiten Periode (Tabelle No. 4 und 5) haben an den 
Leitungswasser- und Nährsalz-Kulturen am meisten Achselknospen 
ausgetrieben; diesen folgen die 11!/, °/, Zuckerwasser-Kulturen. Bei 
den 1/,°/, Zuckerwasser- und 1 °/, -Glyzerinwasser-Kulturen kam 
(Tabelle 4) gar keine Achselknospe zur Entfaltung, wie auch diese 
Kulturen in Tabelle 5 die letzte Stelle einnehmen. In der zweiten 
Periode (Tabelle 5 und 6) ist die Entwickelungsintensität der 
Achselknospen bei den Leitungswasser-Kulturen beträchtlich, wie 
namentlich aus Tabelle 5 hervorgeht; die Nährsalz-Kulturen bleiben 
hinter diesen zurück, übertreffen aber inbezug auf Achselsproß- 
bildung die Kulturen des 1!/, °/, Zuckerwassers. Bei den 1/5 
Zucker- und 1°/, Glyzerinwasser-Kulturen kommen überhaupt in 
der ganzen Versuchsdauer nur sehr wenige oder auch keine Achsel- 
knospen zur Entfaltung. In Leitungswasser entwickeln sich noch 
in der dritten Periode Achselknospen, doch weniger wie in den 
beiden ersten, auch bei den Nährsalz-Kulturen ist noch ein Zu- 
nehmen zu Kkonstatieren, dagegen kamen bei den 1!/, %/, Zucker- 
wasser-Kulturen keine zum Austreiben. 

Der Einfluß der Flüssigkeiten auf die Beiwurzelbildung ist 
von dem auf das Austreiben der Achselknospen verschieden, man 
kann fast sagen, ein umgekehrter. In der ersten Periode, Tabelle 
4 und 5, stehen in dieser Beziehung die !/s /» Zucker- und 1%, 


108 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


Glyzerinwasser-Kulturen an erster Stelle; diesen folgen die 11/5 %, 
Zuckerwasser-Kulturen, und die letzte Stelle nehmen die Leitungs- 
wasser- und Nährsalz-Kulturen ein. Im Gegensatz zum Entfalten 
der Achselknospen ist von der ersten bis zur zweiten Periode bei 
der Beiwurzelbildung nicht ein Fallen, sondern ein Steigen zu kon- 
statieren. Die !/; °/, Zuckerlösungs-Kulturen sind auch in dieser 
Periode (Tabelle 5 und 6) an erster Stelle, doch findet sich bei 
den Leitungswasser-Kulturen ein beträchtlicheres Steigen, sodaß, 
was die Zahl der hervorgebrochenen Beiwurzeln anbetrifft, diese 
derjenigen der 1 °/, Glyzerin-Kulturen gleich kommt oder sie sogar 
übersteigt. Bei den 1!/, °/, Zuckerlösungs-Kulturen machen die her- 
vorgebrochenen Beiwurzeln eine größere Zahl aus als bei den 1°), 
Glyzerinwasser-Kulturen, sodaß man sie an die dritte Stelle setzen 
kann. Die Sprosse der anorganischen Nährlösungen produzieren 
auch fast ebensoviel Beiwurzeln wie die der letztgenannten 
Lösungen, doch bleiben sie inbezug auf die Aufeinanderfolge hinter 
jenen zurück. In der dritten Periode (Tabelle No.4 und 6) steigt 
die Zahl der hervorgebrochenen Beiwurzeln an, doch nicht in dem 
Maße wie von der ersten zur zweiten. Bei den Leitungswasser- 
Kulturen findet noch eine beträchtliche Zunahme statt, sodaß sie 
die anderen überflügeln und den ersten Platz einnehmen; die 
Sprosse der 1/,°%/, Zuckerwasser-Kulturen bleiben hinter denselben 
zurück. Bei den drei anderen Kulturen werden nur noch wenige 
Beiwurzeln produziert, am meisten noch bei den Nährsalz-Kulturen. 

Die Entwickelung der Knoten zu Knöllchen geht im allge- 
meinen parallel der Beiwurzelproduktion. In der ersten Periode 
(Tab. No.4 und 5)haben sich am meisten die Knoten der Sprosse, 
welche in 1!/, °/, Zucker- und 1 °/, Glyzerinwasser gezogen wurden, 
verdickt; fast keine merkliche Verdickung ist bei den Sprossen 
im Leitungswasser und in der anorganischen Nährlösung einge- 
treten. Für die zweite Periode (Tab. No. 5 und 6) gilt das bei 
den Beiwurzeln Gesagte, nur daß die Leitungswasser-Kulturen die 
1/, 0/u Zuckerwasser-Kulturen im Durchschnitt übertroffen haben. 
In der dritten Periode (Tab. No. 4 und 6) ist bei den Sprossen 
des Leitungswassers eine starke Vergrößerung der Knoten wahr- 
nehmbar; sie steigt bei längerer Versuchsdauer noch weiter an, 
wie aus Tabelle No. 4 (nach 145 Tagen) zu ersehen ist, sodaß sie 
die in anderen Lösungen kultivierten Sprosse weit übertrifft. Im 
Verhältnis zu der Beiwurzelbildung ist sie ebenfalls beträchtlicher. 
Die !/; °/, Zuckerlösungs-Kulturen folgen in der Knöllchenbildung 
gleich wie in der Beiwurzelbildung denen im Leitungswasser; doch 
halten Knöllchen- und Beiwurzelbildung gleichen Schritt. Bei den 
11/, 0/u Zuckerwasser- und Nährsalz-Kulturen findet auch noch ein 
starker Zuwachs statt; dagegen bleiben bei den 1°/, Glyzerin- 
wasser-Kulturen die verdickten Knoten auf derselben Stufe stehen 
wie in der zweiten Periode. 

Aus dem Gesagten und der Durchschnitts-Tabelle No. 7 ist zu 
folgern, daß das Leitungswasser das Austreiben der Achselknospen 
im Vergleich zu den übrigen Lösungen am meisten fördert, daß 
am Beginn des Versuches die meisten Achselknospen sich ent- 
wickeln, und auch später immer neue zur Entfaltung kommen. In 
der ersten Periode treiben aus den Sprossen der anorganischen 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 109 


Nährlösung ebensoviel Achselknospen aus wie beim Leitungswasser; 
in der folgenden Zeit etwas weniger; die des 1!/, °/, Zuckerwassers 
im ganzen noch weniger, namentlich in der ersten Periode; da- 
gseren ist eine stärkere Zunahme in der zweiten zu konstatieren, 
sodaß hier die Nährsalz-Kulturen zurückbleiben. !/s °%/, Zucker- 
wasser und 1 °/, Glyzerinwasser wirkt hemmend auf das Austreiben 
der Achselknospen, es kommen nur wenige am Anfang zur Entfaltung. 

In der Beeinflussung der Beiwurzelbildung gehen diese beiden 
zuletzt genannten Lösungen in der ersten Periode den andern weit 
voraus; sie wirken begünstigend. Beim !/, °/, Zuckerwasser nimmt 
die Zahl der hervorgebrochenen Beiwurzeln immer zu; beim 1°) 
Glyzerinwasser in der zweiten Periode weniger wie dort und bleibt 
dann konstant. An den Knoten der Leitungswasser-Kulturen ist in 
der ersten Periode nur eine geringe Beiwurzelbildunge zu beob- 
achten; sie steigt aber später rasch an, sodaß in der dritten Periode 
mehr hervorgebrochen sind als beim !/,°%/, Zuckerwasser. 1!/s %o 
Zuckerwasser steht in der Wirkung während der ersten Periode 
zwischen den letztgenannten Flüssigkeiten: die Produktion nimmt 
in der zweiten Periode stark, in der dritten wenig zu. 

Für die Verdickung der Knoten gilt dasselbe, nur daß beim 
Leitungswasser eine noch stärkere Zunahme zu beobachten ist. 
Auch beim 1!/, °/, Zuckerwasser ist in der dritten Periode im Ver- 
gleich zu den hervorgebrochenen Beiwurzeln ein beträchtlicher Zu- 
wachs der Knoten zu bemerken. 

Die Aufeinanderfolge der fünf Lösungen, inbegriffen Leitungs- 
wasser, inbezug: auf die Beeinflussung der Beiwurzel- und Knöllchen- 
bildung und des Entfaltens der Achselknospen in den drei Perioden 
würde mithin folgende sein: 


Tabelle No. 8. 


| 
Perioden Achselknospen | Beiwurzeln Verdickte Knoten 
—— nn 
© Leitungswasser |!/,°/, Zuckerwasser 1/, %/), Zuckerwasser 
= = Ä A 
.S Nährlösung 10/, Glyzerinwasser 1°/, Glyzerinwasser 
ui 
= B ER 
af 1!/,0/p Zuckerwasser | 1!/, O/yZuckerwasser| 11/, %/,Zuckerwasser 
— 1°/, Glyzerinwasser Leitungswasser Nährlösung 
2 BD ER BER & I 
= 1/,0/, Zuckerwasser Nährlösung ı Leitungswasser 
Leitungswasser 1/, %/uZuckerwasser Leitungswasser 
1 11/,0/,Zuckerwasser Leitungswasser 1/, 0/, Auckerwasser 
2/0 > 2 10 
Nährlösung 1!/, %/, Zuckerwasser| 11/, 0/,Zuckerwasser 


!/, %) Zuckerwasser 1°/, Glyzerinwasser 1°), Glyzerinwasser 


Zweite Periode. 


1°/, Glyzerinwasser Nährlösung Nährlösung 
} 
| - ai) | ’ 
| Leitungswasser Leitungswasser Leitungswasser 
Nährlösung | 1/2°/o Zuckerwasser | !/, %/, Zuckerwasser 
| 
1!/,0/, Zuckerwasser Nährlösung 1!/, 0), Zuckerwasser 


| 


Nährlösung 


? Ir: 
1 °/, Glyzerinwasser | 1!/,°/, Zuckerwasser 


1 °/, Glyzerinwasser 


Dritte Periode. 


1/, °/u Zuckerwasser | 19/, Glyzerinwasser 


I} 


110 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


Die Wirkungen, welche die Flüssigkeiten auf die Ausbildung 
der Sprosse ausüben, sind nicht während der ganzen Versuchsdauer 
die gleichen; beim Leitungswasser ist z. B. die Kurve im allge- 
meinen eine aufsteigende; beim 1!/5°/, Zucker- und 1°/, Glyzerin- 
wasser erreicht sie, was die Knöllchen- und Wurzelbildung anbe- 
langt, in der ersten Periode den Höhepunkt. Beim ersteren steigt 
sie in der zweiten Periode ziemlich stark an, erreicht hier das 
Maximum, fällt dann bei den Achselknospen und Beiwurzeln, hält 
sich fast in derselben Höhe bei der Knöllchenbildung usw. 

Die Leitungswasser-Kulturen bestätigen, daß Nahrungsmangel 
formative Veränderungen an der Pflanze verursacht). Das Ver- 
halten der Sprosse der Nährsalz-Kulturen war im allgemeinen 
identisch mit dem Resultat des Topfversuchs No. 1, wo alle Sproß- 
spitzen vergipst waren; hier wie dort hatten die Sprosse genügend 
Nährstoffe zur Verfügung, was wohl auch ein Grund dafür ist, daß 
sich die Beiwurzeln in der anorganischen Nährlösung selbst nicht 
weiter entwickelten, weil wohl auch die Aufnahme der Nährstoffe 
durch die Schnittfläche genügte. Die Entwickelung dieser Kulturen 
könnte man etwa als die normale bezeichnen. Daß Rohrzucker 
und Glyzerin auf die Beiwurzel- und Knöllchenbildung einen be- 
sünstigenden Einfluß ausgeübt haben, geht aus dem Vergleich mit 
den Nährsalz-Kulturen hervor; dagegen wirkten sie auf das Aus- 
treiben der Achselknospen hemmend. Aus der Beschreibung 
weiterer Kulturergebnisse wird auch hervorgehen, daß nicht nur 
die organischen Stoffe als Reizmittel dienen, sondern daß Ceropegia 
Woodii befähigt ist, wenigstens mit Rohrzucker, als einziger ge- 
botener Nahrung Neubildungen zu erzeugen und eine zeitlang zu 
existieren. 


Infolge des Abschneidens der Sproßspitzen blieben an den 
Sproßenden Internodienstummeln; diese gingen allmählich zugrunde); 
auch die basalen Stummeln sterben fast immer ab. An drei 
Leitungswasser-Kulturen blieben die letzteren jedoch durch die 
ganze Versuchsdauer lebenskräftig und produzierten dicht oberhalb 
der Schnittfläche eine respektive zwei Beiwurzeln. Mit der Zeit 
bildete sich an diesen Stellen eine merkliche Verdickung aus. Daß 
die Internodien auch außerhalb der Flüssigkeit zur Beiwurzelbildung 
veranlaßt werden können, geht aus zwei Wasser-Kulturen hervor. 
In Tafel IX, Figur 1 ist ein verzweigter Sproß einer Leitungswasser- 
Kultur photographiert, welcher mächtige Knollen gebildet hat; die 
Versuchsdauer reichte vom 10. Juni bis zum 18. November (an 
welchem Tage die Aufnahme gemacht wurde), betrug also 161 
Tage. Erst am 30. September war an einem Internodium, und 
zwar an seinem apikalen Ende, ein kleiner Höcker zu bemerken, 
der sich zu einer 0,5 mm langen Beiwurzel ausbildete. Später 
ist auch am anderen Internodium an derselben Stelle eine Bei- 


ı) Vergleiche Pfeffer, W., 1. c. Band 2. S. 153. 
2) Vergleiche Pfeffer, W., 1. c. Band 2. S. 203 und 278. 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 111 


wurzel hervorgebrochen, wie aus der Figur 1 zu ersehen ist. Die 
zweite Kultur dauerte vom 10. Juni bis zum 16. Dezember, also 
189 Tage. Die Reaktion trat hier zur selben Zeit, wie am ersten 
Sproß ein, und es wuchs die Anlage zu einer 2 mm langen Bei- 
wurzel heran. 


b. Mit unbeblätterten Sprossen. 
In denselben Flüssigkeiten und auf dieselbe Weise wie bei 


den Versuchen mit beblätterten wurden auch beim Taeeslicht Ver- 
suche mit unbeblätterten Sprossen angestellt. Die Resultate sind 
in Tabelle 9 zussammengestellt: 
Tabelle No. 9. 
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112 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


Da die Sprosse der Assimilationsorgane beraubt waren, konnten 
sie nur noch durch die in der primären Rinde befindlichen Chloro- 
plasten Assimilate erzeugen, andererseits stand ihnen in den Zucker- 
und Glyzerin-Kulturen organische Nahrung zur Verfügung. Die 
Sprosse waren bestrebt, die verlorenen Teile zu ersetzen, indem 
sie blatttragende Seitensprosse erzeugten!). Bei den Sprossen der 
1/,0/, Zuckerwasser-Kulturen sind mehr Achselknospen zur Ent- 
faltung gekommen als bei den beblätterten Sprossen; das Be- 
streben der Sprosse, die Assimilationsorgane neu zu bilden, war 
größer als die hemmende Wirkung, welche 1/,°/, Zuckerwasser auf 
die Ausbildung der Seitensprosse ausübt. Wenn nicht die ganzen 
Blätter, sondern nur die Blattspreiten abgeschnitten wurden, so 
fielen nach kurzer Zeit die Blattstiele als funktionslos gewordene 
Organe ab?). Eine Neubildung von Blätterspreiten ist nie einge- 
treten. 


Außer beiden Zuckerwasser-Kulturen gingen die Sprosse der 
anderen Kulturen schon nach relativ kurzer Zeit zu Grunde; am 
längsten hielten sich noch die des Leitungswassers. Daß bei den 
letzteren noch beträchtliche Neubildungen eingetreten sind (Tabelle 
No. 9), ist namentlich darauf zurückzuführen, daß die in der pri- 
mären Rinde sich reichlich vorfindenden Chloroplasten genügend 
Assimilate produzieren mußten, und daß schon ein Vorrat von Re- 
servestoffen aufgespeichert war. Die Sprosse der Nährsalz-Kulturen 
starben immer schon nach kurzer Zeit ab, ohne daß bei ihnen eine 
Beiwurzel- oder Knöllchenbildung eintrat; nur einige Achselknospen 
kamen zur Entfaltung. Wir können uns vorstellen, daß durch die im 
Vergleich zur geringen Assimilation zu reichliche Aufnahme von an- 
organischen Stoffen eine Störung im Stoffwechselgetriebe verursacht, 
welche den Tod der betreffenden Organe zur Folge hat. Die 
Zuckerwasser-Kulturen erzeugten sowohl am Anfang der Versuchs- 
zeit als später mehr Beiwurzeln; ebenso war die Knotenverdickung 
eine reichlichere. Daraus kann nur geschlossen werden, daß die 
Sprosse den ihnen dargebotenen Rohrzucker weiter verarbeitet und 
als Baustoff verwendet haben. Wie aus den gleich zu beschreibenden 
Dunkelkulturen hervorgeht, ist die Pflanze sogar befähigt, mit 
Rohrzucker als einziger organischer Nahrung wenigstens eine Zeit 
lang zu gedeihen; es ist also damit zugleich gezeigt, daß sie unter 
Verarbeitung des Zuckers die am Aufbau beteiligten Kohlenstoff- 
verbindungen zu bilden und wenigstens bis zu einem gewissen 
Grade alles zu erreichen vermag, was für den Lebensprozeb not- 
wendig ist?). Die einprozentigen Glycerin-Kulturen sind immer, 
ohne Neubildungen hervorgebracht zu haben, abgestorben, sowohl 
am Licht als im Dunkeln; diese Kohlenstoffverbindung kommt also 
als Nährstoff nicht in Betracht, wie überhaupt der Nährwert der 


!) Vergleiche Göbel, K., Über Regeneration im Pflanzenreich. (Biolo- 
gisches Centralblatt. Band 22. 1902.  S. 387.) 


2) Vergleiche Pfeffer, W., 1. c. Band 2. S. 203 und 278. Auch 
Jost, Ludwig, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie. Jena 1904. S. 408. 


°®) Vergl. Pfeffer, W.,l.c. Band 1. S. 269, 349, 353. 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 113 


verschiedenen Kohlenstoffverbindungen ein sehr ungleicher ist !), 
sie wirkt nur am Anfange der Versuchsdauer (Tabelle No. 4, 5, 6) 
für die Wurzel- und Knöllchenbildung anregend. 


Wie in dem Abschnitt über „Versuchsanstellung“ gesagt ist, 
wurden die Sprosse durch einen durchbohrten Kork in die Fläschchen 
mit den Flüssigkeiten eingeführt und zur Befestigung die Inter- 
nodien an der Stelle, wo sie den Kork berührten, mit Watte umwickelt. 
An vier unbeblätterten Sprossen, nämlich an zwei Wasser- und zwei 
Zuckerlösungskulturen, verdickten sich an diesen Stellen die Inter- 
nodien stark, es brachen auch einige Beiwurzeln hier hervor 
(Tafel IX, Fig. 2 und 3). Bei den Sprossen mit Blättern blieben 
die Internodien immer unverdickt; auch trat keine Beiwurzelbildung 
ein. Daß die Knöllchenbildung gerade an diesen mit Watte um- 
wickelten Internodien eintrat, veranlaßte die Prüfung der Frage, 
ob diese Verdickung vielleicht unter der begünstigenden Wirkung 
des Verdunkelns entstanden sei. Es wurden daher später auch 
Versuche in dieser Richtung angestellt. | 


2. Versuche im Dunkeln. 


Wie schon früher gesagt wurde, hatten die Dunkel-Kulturen 
segenüber den Lichtversuchen unter zu niedriger Temperatur zu 
leiden. Da auch nicht genügend Sprosse vorhanden waren, wegen 
großem Verbrauch für andere Versuche, wurden anfangs solche 
nur im Leitungswasser, 1!/,%/, Zuckerwasser und in anorganischer 
Nährlösung: angestellt; im Winter wurden dann Versuchsreihen mit 
allen fünf Flüssigkeiten wiederholt, doch starben alle wegen zu 
hoher Temperatur in wenigen Tagen ab. (Die Dampfheizungsröhren 
des Gewächshauses waren durch den Raum, welcher als Dunkel- 
kammer diente, durchgeleitet.) Bezüglich der Einwirkung des 
Liehtabschlusses auf die Knöllchen- und Wurzelbildung würden 
diese Versuche sowieso keine stichhaltigen Resultate ergeben, da 
die Sprosse der meisten Lösungen wegen des Verhinderns, Assi- 
milate zu bilden, in nicht langer Zeit absterben iußten. Für 
diese Frage waren die Kulturversuche beim teilweisen Lichtab- 
schluß maßgebend. Hier jedoch handelte es sich in erster Linie 
darum, zu erforschen, inwieweit die Sprosse vegetieren und Neu- 
bildungen hervorbringen könnten beim Verhindern der Assimilations- 
tätigkeit, worüber die drei genannten Lösungskulturen einen teil- 
weisen Aufschluß ergaben. 


vergl. Pfeffer, W., 1. e. Band 1. 8. 367. 


Beihefte Bot. Centralbl. Bd, XXIII. Abt. I. Heft 2. 8 


114 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 


a. Mit beblätterten Sprossen. 


(Hierzu Tabelle No. 10a und b.) 


Tabelle No. 10a. 


Bemer- 
kungen 


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Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 115 


Tabelle No. 10h. 


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* | Nährlösungskultur zu Grunde gegangen. 


Die Leitungswasserkulturen erzeugten am Anfang: Neubildungen 
(Tabelle 10a vier Beiwurzeln und eine Achselknospe; Tab. 10b vier 
Beiwurzeln), aber die Sprosse verloren bald die Blätter und gingen 
langsam zugrunde. Sie waren nur solange befähigt, Neubildungen 
zu produzieren und sich am Leben zu erhalten, als die aufge- 
speicherten Betriebsstoffe ausreichten, dann starben sie an der 
Basis beginnend langsam ab. Das Verhalten der Sprosse in an- 
organischer Nährlösung war gleich wie in Leitungswasser; mit 
nur anorganischer Nahrung war ihr Weiterbestehen unmöglich. 
Dagegen erzeugten die Sprosse in Zuckerwasser nicht nur am An- 
fang Neubildungen, namentlich Beiwurzeln, sondern die Produktion 
stieg später noch, und die Sprosse konnten am Leben erhalten 
werden; zwar verloren sie langsam ihre Blätter als funktionslos 
gewordene Organe. 

9" 


116 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


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Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 117 


Die Leitungswasserkulturen sind nicht angegeben, weil die 
Sprosse, ohne Neubildungen hervorgebracht zu haben, zugrunde 
singen. Die Kulturen in anorganischen Nährlösungen erzeugten 
ohne Blätter weniger neue Organe als mit solchen, da durch das 
Entfernen derselben ihnen weniger organische Stoffe zu Gebote 
standen; sie starben auch früher ab. Das Verhalten der 11/,)o 
Zuckerwasser-Kulturen ist ein ähnliches wie bei den beblätterten 
Sprossen, nur daß durch das Abschneiden der Blätter die Sprosse 
hier zum Austreiben von Achselknospen veranlaßt wurden, aus dem- 
selben Grunde, wie bei den Lichtkulturen ohne Blätter. Die Zahl 
der hervorgebrochenen Beiwurzeln war anfangs eine größere, stieg 
aber später weniger an. Die Schlußfolgerungen, die sich aus diesen 
Ergebnissen ziehen lassen, sind schon bei Besprechung der Licht- 
kulturen angeführt worden (b. Mit unbeblätterten Sprossen), sodaß 
hier nur darauf verwiesen werden mag. 


3. Versuche bei teilweisem Lichtabschluss. 


a. Ein Teil der Sprosse ist verdunkelt. 


Auf die gleiche Weise wie bei den schon besprochenen Kultur- 
versuchen wurden auch hier in den fünf Flüssigkeiten Kulturen 
ausgeführt. Sprosse mit Blättern, bei welchen die Sproßspitzen 
und die herausgewachsenen Seitensprosse abgeschnitten wurden, 
wurden mit ihren apikalen Hälften in Tuben aus schwarzem Karton 
eineeführt, und die Durchbohrung alsdann dicht mit Watte ausge- 
füllt, um ein vollkommenes Verdunkeln zu erreichen; die basalen 
Hälften waren hingegen dem vollen Tageslicht ausgesetzt. Die 
Ergebnisse dieser Versuche sind in Tabelle No. 12 angegeben, 
welche auf dieselbe Art zusammengestellt ist wie die früheren 
Tabellen; nur sind die Neubildungen im Hellen und im Dunkeln 
getrennt berechnet, und zwar auf fünf Knoten. | 

Diese Versuche haben sehr schön gezeigt, wie aus der Ta- 
belle No. 12 und der Abbildung Tafel X, Figur I, welcher Sproß 
der Leitungswasserkultur entnommen ist, hervorgeht, daß die 
Dunkelheit im hohen Maße begünstigend auf die Knöllchenbildung 
wirkt. Bei allen Kulturen ist keine Verdickung der im Hellen sich 
befindlichen basalen Knoten eingetreten; dagegen sind bei den 
apikal gelegenen Knoten mächtige Knöllchen entstanden, obgleich, 
wie aus den früheren Versuchen hervorging, die basalen sonst bei 
der Knöllchenbildung bevorzugt sind. Der Gesamtinhalt der im 
Dunkeln verdickten Knoten überstieg weit den der Lichtkulturen. 
Die Zahl der hervorgehrochenen Beiwurzeln war entsprechend den 
Verdickungen eine große, überstieg aber die der Lichtkulturen 
nicht. Die Beiwurzeln entwickelten sich wie beim Liehtzutritt auch 
beim Lichtabschluß nicht weiter; sie blieben auf dem gehemmten 
Zustand stehen. Verdunkelung wirkt also nicht fördernd auf das 
Wachstum der Beiwurzeln; diese werden nur durch genügende 
Feuchtigkeit zum Weiterwachsen veranlaßt. 

Wie aus der Tabelle zu ersehen ist, erzeugten auch die am 
Licht befindlichen Knoten ziemlich reichlich Beiwurzeln, wenigstens 


Tabelle No. 12. 


118 @labisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 


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Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 119 


am Anfang der Versuchsdauer. Wenn man die Produktion von 
Beiwurzeln der Knoten am Licht und im Dunkeln bei Beachtung 
der reichlichen Knöllchenbildung im Dunkeln gegenüberstellt, so 
ergibt sich auch, daß Lichtabschluß die Bildung der Beiwurzeln 
nicht begünstigt. 

Die Blätter fielen an den im Dunkeln befindlichen Sproß- 
teilen allmählich ab. Über das Verhalten der etiolierten Sprosse 
wurde schon früher gesprochen, hier möge noch einmal auf die 
Figur 1, Tafel X hingewiesen werden. 

Daß die verdunkelten apikalen Sproßteile nicht abstarben, 
wie bei den Kulturen bei völligem Lichtabschluß, ist leicht einzu- 
sehen, weil ihnen genügend Nähr- und Baustoffe zuflossen, nament- 
lich Assimilate. Der Eintluß der Lösungen, inbegriffen Leitungs- 
wasser, auf die Neubildungen, war übrigens hier ein ähnlicher, wie 
bei den Lichtkulturen. 


b. Verdunkelung von Internodien. 

Wie erwähnt, haben sich bei einigen Sprossen der Licht- 
kulturen ohne Blätter Verdiekungen an denjenigen Stellen der 
Internodien gebildet, wo dieselben mit Watte umwickelt waren; 
auch trat hier Beiwurzelbildune ein. Da bei den Sprossen aller 
übrigen Kulturen niemals Knöllchenbildung an Internodien Dbe- 
obachtet worden war, wurden hierüber Versuche angestellt. An 
Sprossen von vier Versuchsreihen, zwei mit Blättern und zwei 
ohne solche, wurde bei jedem abwechselnd ein Internodium ver- 
dunkelt und eins unverdunkelt gelassen. Bei je einer weiteren 
Versuchsreihe mit beblätterten und unbeblätterten Sprossen wurden 
-die Internodien zuerst mit Watte umwickelt und darüber mit 
schwarzem Papier, bei den beiden anderen Versuchsreihen nur mit 
schwarzem Papier, um sicher zu gehen, daß nicht die Watte als 
Reiz auf die Knöllchenbildung und Wurzelbildung wirke, sondern 
die Knöllchen nur wegen der begünstigenden Wirkung des Ver- 
dunkelns entstehen. 

Bei den zwei Versuchsreihen mit beblätterten Sprossen ent- 
wickelten sich die Sprosse normal. Es traf bei ihnen keine Knöll- 
chen- und Wurzelbildung ein; die Neubildungen waren vollkommen 
identisch mit denen der Tabellen No. 4 5 und 6, auch was die 
Beeinflussung durch die verschiedenen Flüssigkeiten anbetrifft. 

Dagegen erzeugten die Sprosse ohne Blätter sowohl an den 
mit Watte und schwarzem Papier (Tabelle No: 13) als an den nur 
mit schwarzem Papier (Tabelle No. 14) umwickelten Internodien 
Beiwurzeln und Anschwellungen. Daraus ersieht man, daß nicht 
die Watte als Reiz gewirkt hat, sondern der Lichtabschluß. Die 
hierzu gehörenden Tabellen No. 13 und 14 sind ähnlich zusammen- 
gestellt wie die vorhergehenden. Da jedoch die Gesamtzahl der 
ausgetriebenen Achselknospen und  herausgebrochenen Bei- 
wurzeln, wie auch die Verdickung der Knoten nur eine geringe 
war, sind diese Rubriken weggelassen... Um die Knöllchen- und 

jeiwurzelbildung an den Internodien zu veranschaulichen, ist erstens 
außer der Knotenzahl die Internodienzahl der Sprosse von der 


120 Glabisz, Morphologische und plıysiologisehe Untersuchungen ete 
Tabelle 
Vordickto 
Internodien 
Art De- 
der merkungen 
Kultur 
14 
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6 
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(19%) 4 | 
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A | 
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ou [BE 1 3] 22 
[5 1 
6 
do 1 
7 
141 . | 1 
1 . | 2 
2 Hierzu 
I 1 r Fig. 25 mit 
173 | i | 6 | denseiven 
| | Knoten- 
4 | und 
4 | Inter- 
5 IE 2 | 15 11 nodien- 
D | 1 zahlen 
2 6 bezeichnet, 
6 27|2 z 
7 2711,52] 17 
1 
Bullen 
Zucker- 3 | | 
| 1 | 
wasser 4 | Grunde 
op | A f i Eafzertone 
2 0 
6 
6 1 
7 


Nähr 


ing- und Glycerinwasserkultur zu Grunde gegangen, 


121 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


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122 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


Fig. 24. 
Unbeblätterter 
Sproß einer 1/0), 
Zuckerwasser- 
Kultur mit 
Knöllchen- und 
Beiwurzelbildung 
an verdunkelten 


Internodien. 
Vergr. !}ı. 


Basis bis zur Spitze angegeben, sodaß die Zahlen 
der aufeinanderfolgenden sich zwischen zwei Knoten 
befindlichen Internodien auch zwischen die ent- 
sprechenden Zahlen der Knoten zu stehen kamen; 
außerdem sind die Internodien, entsprechend der 
Verdunkelung oder Nichtverdunkelung, unter ver- 
schiedene Rubriken angeordnet. Die mit einem 
Kreuz bezeichneten Knoten und Internodien be- 
fanden sich in der Flüssigkeit. Ferner wurden 
für die Beiwurzel- und Knöllchenbildung zwei spe- 
zielle Rubriken geschaffen, deren eine in zwei Teile 
geteilt ist; die Neubildungen sowohl der Knoten 
wie der Internodien sind wagerecht in derselben 
Reihe, unter der betreffenden Rubrik mit den ent- 
sprechenden Knoten- und Internodien angegeben. 

Im Vergleich mit der Tabelle No. 9 ent- 
standen hier viel weniger Neubildungen aus den 
Knoten, die Verdunkelung hatte zur Folge, daß 
die Bau- und Reservestoffe sich nicht nur in den 
letzteren ansammelten, sondern auch in den ver- 
dunkelten Internodien, wo sie das Material zu 
Verdickungen und Beiwurzelbildungen lieferten. 
Die Knöllchen der Knoten als auch der Inter-. 
nodien sind ja Reservestoffmagazine. Daß nur die 
Verdunkelung die Knöllchen- und Beiwurzelbildung 
veranlaßt, geht daraus hervor, daß aus keinem 
nicht verdunkelten Internodium Neubildungen ent- 
standen sind. Nur bei den Sprossen der Leitungs- 
und Zuckerwasser-Kulturen sind (wie aus den Ta- 
bellen No. 13 und 14 hervorgeht) Verdiekungen 
und Beiwurzeln entstanden; die Sprosse der 
anderen Kulturen blieben zu kurze Zeit lebens- 
kräftig (siehe oben),. um solche produzieren zu 
können. Es war nämlich eine längere Zeit des 
Einwirkens der Verdunkelung notwendig, bis die 
Internodien reaktionsfähig wurden. Die Ver- 
diekungen an den Internodien waren nicht an be- 
stimmte Stellen lokalisiert, sondern breiteten sich 
immer über einen kürzeren oder längeren Teil der- 
selben aus; sie begannen auch etwa an zwei oder 
mehr Stellen und nahmen dann manchmal den 
größten Teil des verdunkelten Internodiums ein. 
In Figur 24 ist ein Teil des Sprosses der 1/0) 
Zuckerwasserkultur abgebildet; die Zahlen an den 
Knoten und Internodien entsprechen denen in der 
Tabelle No. 13; Internodium 3 und 5 waren ver- 
dunkelt. sie zeigen die Beiwurzel- und Knöllchen- 
bildung‘; jedoch sind in dieser Figur nur die stärker 
verdickten Partien angedeutet worden. Aus diesem 
Verhalten der Sprosse sieht man, daß Verdunkelung 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 123 


in hohem Maße beeünstigend auf die Knotenbildung wirkt, was 
auch die Resultate der Tabelle No. 12 bestätigen. 

Daß sich nur bei den Sprossen ohne Blätter durch Ver- 
dunkelung Beiwurzeln und Verdickungen an den Internodien er- 
zielen ließen, nicht an jenen mit Blättern, hat seinen Grund wohl 
darin, daß durch die direkte Zuleitung der Assimilate die Knoten 
mehr angeregt wurden, diese aufzuspeichern und zu verwenden, 
als die Internodien. 


4. Versuche mit Sprossen auf Nährlösungen. 


Sowohl im Hellen als auch im Dunkeln wurden Sprosse, bei 
welchen die Sproßspitzen abgeschnitten waren und jeder sich ent- 
wickelnde Seitensproß beizeiten entfernt wurde, mit und ohne 
Blätter in Schalen gelest, welche mit den zu prüfenden fünf Flüssig- 
keiten angefüllt waren. Die Sprosse hatten jedoch eine viel kürzere 
Existenz als in den Fläschcehenkulturen. Die Sprosse schwammen 
nämlich nur anfangs auf den Flüssigkeiten, sanken später immer 
mehr unter. In der ersten Zeit produzierten sie noch Neubildungen, 
indem Achselknospen sich entfalteten und Beiwurzeln hervor- 
brachen; Knöllchenbildung trat hingegen nur in sehr geringem 
Maße ein; die Sprosse eingen dann langsam zugrunde. Das Ver- 
halten der beblätterten und unbeblätterten Sprosse in den Lösungen 
(inklusive Leitungswasser) war ähnlich wie bei den Fläschchen- 
kulturen. Am meisten Seitensprosse trieben die Sprosse in Leitungs- 
wasser, 11/5°/, Zuckerwasser und in der anorganischen Nährlösung 
aus. Die reichlichste Beiwurzelbildunge fand sich bei den Sprossen 
im Leitungswasser, !/,°/, und 11/5°/, Zuckerwasser. Am schnellsten 
starben die Sprosse in der anorganischen Nährlösung und im 1°), 
Glyzerinwasser ab. Die im Dunkeln ausgewachsenen Achselknospen 
zeigten negativen Geotropismus und waren etioliert; von denselben 
blieben die Sprosse der Zuckerlösungen am längsten am Leben, 
die der anderen produzierten nur sehr wenig oder auch gar keine 
Neubildungen und gingen in kurzer Zeit zugrunde. 


IV. Versuche mit einzelnen Sprossteilen., 


1. Versuche mit Internodien und Knoten. 


Isolierte Internodien und Sproßstücke mit einem und zwei 
Knoten wurden auf feuchtgehaltenen Sand gelegt, sowohl bei Licht- 
zutritt wie in der Dunkelkammer. Von 20 im Hellen ausgelegten 
Internodien sind 14 zu Grunde gegangen; bei vieren haben sich 
an je einem Ende an der Schnittflläche Verdickungen gebildet, 
welche zu Knöllchen von 3—4 mm im Durchmesser anwuchsen; 
Beiwurzeln sind nicht heryorgebrochen. An zwei Internodien haben 
sich nicht nur Knöllchen an der Schnittfläche gebildet, sondern es 
ist auch aus diesen je eine Beiwurzel hervorgebrochen (Taf. IX, 
Fig. 4). Daß Internodien zur Knöllchen- und Beiwurzelbildung 


124 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


befähigt sind, haben die Kulturen mit verdunkelten Internodien 
gezeigt. Es wurde oben gezeigt, daß Beiwurzeln auch bei zwei 
Sprossen der Fläschchenkulturen aus Internodien hervorgebrochen 
waren ohne Verdunkelung, infolge des Entfernens aller Vegetations- 
spitzen, auch der begünstigenden Wirkung des Leitungswassers 
(Nahrungsmangel); bei der langen Einwirkung eriff die Reaktion 
auf die Internodien über. Hier bei den abgetrennten Internodien 
wurde die Knöllchen- und Beiwurzelbildung durch die Unterbrechung 
des Zusammenhanges bewirkt!), daß diese Gebilde an der Schnitt- 
fläche und nicht an anderen Stellen entstanden, veranlaßte der 
Wundreiz 2). In der Dunkelkammer ist bei einigen Internodien 
an der Schnittfläche auch Knöllchen- und Beiwurzelbildung ein- 
getreten, doch mußten eine eroße Anzahl von Internodien aus- 
gelegt werden, bis positive Resultate erhalten wurden. 


Ein Weiterwachsen der Beiwurzeln aus den Internodien 
konnte nicht erreicht werden, obgleich ihnen genügend Feuchtig- 
keit zur Verfügung stand; die in ihnen vorhandenen Stoffe reichten 
nur aus, um eine Reaktion zu bewirken, aber nicht, um die Bei- 
wurzeln vollkommen auszubilden. Die Internodien fingen bei 
längerem Liegenlassen an dem nicht reagierenden Ende zu 
schrumpfen an und starben langsam ganz ab. Sproßbildung trat 
niemals en — auch nicht bei den Internodien, welche in den 
Doppelschalen auf die Flüssigkeiten gelegt wurden. Beiwurzel- 
bildung konnte hingegen bei diesen Kulturen erzielt werden, doch 
nur am Licht, im Dunkeln gingen die Internodien alle zu Grunde. 


Wenn Internodien mit einem oder zwei Knoten ohne Blätter 
ausgelegt wurden, so trat bei diesen nur eine geringe Verdickung 
und Beiwurzelbildung an den Knoten ein; daß letztere nicht an 
den Internodien oder an deren Schnittflächen entstanden, ist schon 
durch die normale Organisation®) verursacht; die Knoten sind die 
prädisponierten Organe für diese Bildungen. Auch kleine Sprosse 
trieben aus den Achselknospen der Knoten aus. Doch entwickelten 
sie sich nicht zu ganzen Pflanzen, da ihnen wegen des Fehlens 
der ursprünglichen Blätter zu wenig Baumaterial zuflodß. Das Ver- 
halten war am Licht und im Dunkeln dasselbe. 


Wurden Knoten mit ihren beiden Blättern in feuchten Sand 
ausgelegt, so erzeugten sie viele Beiwurzeln, welche zu starken 
Wurzeln auswuchsen; die Knoten verdickten sich zu eroßen 
Knöllchen, und aus den Blattwinkeln trieben die Achselknospen 
aus (Taf. IX, Fig. 5), welche sich normal weiter entwickelten und 
kräftige Sprosse lieferten. Ob die Internodien an den Knoten ge- 
lassen oder abgeschnitten wurden, war ohne Einfluß. Diese Me- 
thode wurde auch zur vegetativen Vermehrung der Pflanze benutzt. 


1) Nach Untersuchungen von Goebel, K., Allgemeine Regenerations- 
probleme. (Flora. Bd. 95. 1905. S. 390.) 

2) Vergleiche Goebel, K., Morphologische und biologische Bemerkungen. 
Bd. 92. 1903. S. 133. 

3) Vergleiche Goebel, K., Über Regeneration im Pflanzenreich. (Bio- 
logisches Oentralblatt. Bd. 22. 1902. S. 491.) 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 125 


Sprosse konnten immer nur aus den Blattachseln erhalten 
werden, aus keinem anderen Teil der Pflanze, auch aus den Blättern 
nicht; obgleich sehr viele ausgepflanzt wurden. Wenn die aus- 
setriebenen Achselknospen entfernt wurden, so gingen neue Sprosse 
hervor, durch wiederholtes Entfernen konnten mehrere Sprosse aus 
einer Blattachsel zum Entstehen gebracht werden. Die Erklärung 
dafür liegt einfach darin, daß in der Blattachsel, wo sich sonst die 
Achselknospe des Seitensprosses befindet, das Gewebe des Stamm- 
vegetationspunktes eine Zeit lang im embryonalen Zustand ver- 
harrt und eine Anzahl von Sprossen in Brosue Sigen Reihenfolge 
bilden kann!). AN 

Daß Sprosse nur aus den Blattachseln entstehen, beweisen 
auch Versuche, welche mit schon ausgebildeten Knollen angestellt 
wurden. Grundknollen von Topfpflanzen, deren Sprosse und Wurzeln 
alle abgeschnitten waren, wurden in feuchten Sand eingepflanzt, 
die einen mit ihrem apikalen Pol, also demjenigen, welcher den 
Blattachseln entspricht, und die andern mit dem basalen nach oben. 
Bei den Knollen, welche mit dem apikalen Pol nach oben zu liegen 
kamen, entwickelten sich die Sprosse und zwar aus dem apikalen 
Pol, also dem den Blattachseln entsprechenden Teil; sie krümmten 
sich negativ geotropisch und zeigten Etiolement, bis sie ans Licht 
kamen. Aus anderen Teilen der Knolle entwickelten sich Keine 
Sprosse. Für die Wurzeln gilt dasselbe wie bei den vorhergehenden 
Versuchen; sie brechen aus allen Teilen der Knollen hervor, doch 
sind die Seitenteile bevorzugt. 


2. Versuche mit Blättern. 


Es mögen zuerst die Versuche mit Blättern so besprochen 
werden, wie sie aufeinander gefolgt sind, bevor versucht wird, 
eine Deutung der Resultate zu geben. Bei der Versuchsanstellung 
wurden, wo nicht speziell darauf hingewiesen wird, die Blätter 
auf oder in feuchtgehaltenen, mit genügend Nährstoffen durch- 
tränkten Sand geleet. Die Versuche a bis f nahmen am 27. Juli 
ihren Anfang und zwar bei Lichtzutritt. 

a) 25 ganze Blätter wurden in Sand eingesetzt, so daß die 
Stiele in Sand und die Spreiten auf Sand zu liegen kamen. Bis 
zum 22. August bildete sich bei allen Blättern am basalen Ende 
des Stieles eine merklich größere oder kleinere Verdickung; bei 
zehn Blättern entstand außer derselben nichts weiter; bei zwölf 
wuchs aus dem basalen Ende des Blattstieles je eine 0,2 bis 1,5 cm 
lange Wurzel hervor; bei dreien entwickelte sich noch je eine 
solche in der Mitte des Stieles. 

Am 2. September zeigten die Blätter folgendes Verhalten: 
Zwei Blätter waren zu Grunde gegangen; bei drei war keine 
Wurzelbildung eingetreten, sie starben später ab; bei 16 ent- 
sprangen eine bis drei Wurzeln aus dem basalen Ende des Stieles, 
welcher Teil sich zu Knöllchen von 2,5 bis 4 mm verdickt hatte 


) Vergleiche Goebel, K., Organographie der Pflanzen. Jena 1898, 
S. 619. 


126 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 


bei vier Blättern entsprangen zwei oder drei Wurzeln aus dem 
Mittelstück des Stieles, bei welchen Blättern sich die Verdickung 
über den ganzen Stiel verbreitete, namentlich über das basale Ende. 

Am 21. November waren noch 17 Blätter lebenskräftig. Bei 
den meisten entsprangen die starken meist unverzweieten bis zu 
zehn cm langen Wurzeln zu 2 bis 6 aus dem zu einem starken 
Knöllchen von 3 bis 7 mm Durchmesser herangewachsenen 
basalen Ende des Stieles. Eines dieser Blätter ist auf Tafel IX, 
Figur 6 photographiert; bei der geringeren Zahl von Blättern, wo 
die Wurzeln aus den basalen, wie aus den anderen Teilen des 
Stieles hervorkamen (Tafel IX, Figur 7), war der ganze Stiel mehr 
oder weniger verdickt. Später gingen einige von diesen Blättern 
zu Grunde; der Rest hielt sich den ganzen Winter über frisch, 
und bis zum Aueust des nächsten Jahres trat keine wesentliche 
Veränderung an ihnen ein. Die Wurzeln vermehrten sich und 
wuchsen weiter, wie die Knöllchen auch an Umfang zunahmen und 
einen Durchmesser von über einen cm erreichten, aber keine Sprosse 
erzeugten, wie solche auch niemals aus Blättern erhalten werden 
konnten. 

b) 25 ganze Blätter wurden mit der Oberseite auf trocken 
gehaltenen Sand gelegt, sodaß die Stiele nach oben ragten. Am 
2. September waren fünf von ihnen abgestorben und bei vier keine 
Wurzelbildung eingetreten; bei 15 war aus dem basalen Ende des 
Stiels je eine 1 bis 1,5 mm lange Wurzel hervorgebrochen; bei 
einem Blatt hatten sich außerdem zwei aus dem Mittelteil des 
Stiels entwickelt. Merklich hat sich fast bei allen Blättern das 
basale Stielende etwas verdickt. Die aus diesen Blättern hervor- 
gebrochenen Wurzeln sind später nicht weitergewachsen, sie blieben 
auf demselben gehemmten Zustand stehen, wie die Beiwurzeln der 
Stengelknöllchen; die Verdickungen nahmen auch nicht mehr zu. 
Mit der Zeit starben alle Blätter ab. Daß auch hier die Hemmung 
der Wurzelbildung nur auf ungenügende Feuchtigkeit zurückzu- 
führen ist, wie bei den Stengelwurzeln, geht aus einem Parallel- 
versuch hervor. Es wurden nämlich Blätter auf dieselbe Weise 
ausgelert, nur daß sie immer begossen und mit Glasscheiben be- 
deckt wurden; die aus den meisten Blattstielen hervorgebrochenen 
Wurzeln wuchsen weiter und erreichten in kurzer Zeit den Sand. 
Bei diesen Blättern war die Knöllchenbildung an den Stielen eine 
nur sehr geringe und nahm auch nicht zu, wie auch keine weiteren 
Wurzeln hervorbrachen. Sie blieben lange Zeit, manche sogar den 
Winter über, am Leben, aber es trat keine weitere Veränderung 
an ihnen ein. Daß hier die Knöllchenbildung im Verhältnis zu 
Versuch a eine so geringe war, hat wohl seinen Grund teilweise 
auch darin, daß sie dort durch die Verdunkelung begünstigt, hier 
durch das Licht gehemmt war. 

c) Je 30 Blätter wurden teils mit ihren Stielen, wie bei a, 
in feuchten Sand ausgepflanzt, teils mit der Oberseite auf Sand 
gelegt. Bei der Hälfte der Blätter beider Gruppen wurde die 
Hauptader an der Basis, bei der anderen Hälfte wurden einige 
Nebenadern durchschnitten. Anfangs gingen mehrere Blätter zu 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 127 


Grunde. Bei den übrigen traten die Neubildungen auf dieselbe Art 
ein wie bei a undb. Die Spreiten blieben unverändert, die Schnitt- 
flächen vernarbten. 


d) 25 Blätter, bei welchen der Stiel mit zwei Schnitten 
(Fig. 25, Blatt 6) entfernt war, wurden mit dem basalen Ende 
bis in halbe Höhe der Spreite in Sand gesteckt. Mehrere gingen 
schon nach kurzer Zeit zu Grunde, bei den anderen vernarbten die 
Schnittflächen. Es war bei diesen Blättern eine längere Zeit not- 
wendig, bis Knöllchen- und Wurzelbildune eintrat, als bei den vor- 
hergehenden. Am 4. Oktober waren noch 14 Spreiten lebens- 
kräftige. Bei allen hatten sich an den beiden Schnittflächen ein 
oder zwei kleine Knöllchen gebildet, und bei 12 Blättern ent- 
sprangen aus dem basalen Ende der Knöllchen eine bis drei Wurzeln. 
Später nahmen die Kuöllchen noch etwas an Größe zu, wie auch 
noch mehr Wurzeln hervorkamen (Tafel IX, Fig. 8). 


e) Bei ebensoviel Blättern als bei d wurden die Spitzen ab- 
geschnitten und mit dem apikalen Ende in Sand gesetzt. Ihr Ver- 
halten war ein ähnliches, wie bei denen der Versuche b. Die 
Wurzeln entsprangen aus dem basalen Ende des Stiels. Die meisten 
blieben gehemmt; einige wuchsen, da sie immer feucht gehalten 
wurden, in den Sand. Die Schnittfllächen der Spreiten vernarbten; 
nur bei einem Blatt wuchs aus der Schnittfläche in der Nähe der 
Hauptader eine 7 mm lange Wurzel hervor und wuchs weiter. 
Eine Verdickung der Spreite war nicht zu bemerken. Das Blatt 
wurde am 21. November photographiert (Tafel IX, Figur 9). Die 
noch übriggebliebenen Blätter dieses Versuchs wurden weiter kul- 
tiviert, doch starben alle, ohne weitere Neubildungen hervorgebracht 
zu haben, mit der Zeit ab. Auf dieselbe Weise wurden später noch 
viele Blätter ausgesetzt; doch wuchs keine Wurzel mehr direkt aus 
der Schnittfläche hervor. 


f) Von Raciborski!) wurde an Blättern gewisser Asclepiadaceen 
eine Wiederbhildung der gewaltsam entfernten Vorläuferspitze nach- 
sewiesen. Bei Ceropegia Woodit ist eine Regeneration derselben 
niemals eingetreten. Es wurden sowohl Blätter auf und in Sand 
gelegt, als auch auf die Lösungen in den Doppelschalen. Doch 
zeigten sie immer dasselbe Verhalten wie ganze Blätter. Die 
Schnittflächen vernarbten; aber eine Wiederbildung der Vorläufer- 
spitze wurde nicht beobachtet. 

&) Blatthälften, Stücke der Lamirfa und Stiele wurden auf 
und zum Teil in Sand ausgesetzt; doch ging alles zugrunde, ohne 
Neubildungen hervorgebracht zu haben. 

h) Bei Lichtabschluß ergaben die Versuche a bis f, was die 
Insertion der Wurzeln anbetrifft, dasselbe Resultat wie die Licht- 
kulturen. Knöllchenbildung trat bei ihnen ebenfalls, je nach der 
Versuchsanstellung in größerem oder geringerem Maße ein, anfangs 
sogar etwas früher, durch die Verdunkelung begünstigt. Doch 
starben die Blätter schon nach kurzer Versuchsdauer ab. Auch 


) Raciborski, |. ce. S, 10, 


128 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


entwickelten sich, wie bei Versuch b, die hervorgebrochenen 
Wurzeln bei den im Trockenen ausgelegten Blättern nicht weiter. 

i) Sowohl am Licht als auch im Dunkeln wurden ganze Blätter 
und Blattstücke mit der Ober- und Unterseite auf die fünf Lösungen 
in den Doppelschalen gelegt. Doch ergaben sie nichts Nennens- 
wertes, wie auch die meisten schon nach kurzem faulten. Später 
wurden noch mehr Blätter, welche von den Sprossen früherer 
Kulturversuche herstammten, in denselben Variationen, namentlich 
in Sand ausgesetzt, um die Ergebnisse noch weiter zu prüfen; sie 
waren im allgemeinen dieselben. 

Erwähnt möge noch eine Versuchsreihe sein, welche am 
28. Dezember 1905 auf feuchtgehaltenem Sand bei Lichtzutritt an- 


Fig. 25. Blätter mit_Wurzeln von Sandkulturen (Erklärung im Text). Vergr. !/,. 


gestellt wurde und bei welcher zwei Versuchsmethoden neu hinzu- 
kamen und eine schon früher angewendete ein anderes Ergebnis gab. 

k) 15 ganze Blätter wurden mit dem apikalen Ende der 
‚Spreite in Sand gesetzt. Bei einigen brachen aus dem basalen 
Ende des Stieles Wurzeln hervor, welche im gehemmten Zustand 
verweilten. Nur bei zweien wuchsen sie in die Erde hinein. 
Knöllchenbildung trat nur sehr wenig an dem basalen Ende des 
Stieles ein. In den beiden folgenden Versuchsmethoden waren die 
Neubildungen am Stiel ähnlich. Die Blätter verblieben den ganzen 
Winter und Frühjahr über im Sand, ohne weitere Veränderungen 
zu zeigen. Am 26. Juni 1906 waren noch sechs Blätter am Leben. 
Bei allen diesen war der apikale Teil der Spreite, soweit er in der 
Erde war, hell, chlorophyllos und etwas verdickt geworden (Fig. 25, 
Blatt 1). Am Stiel war keine Knöllchenbildung eingetreten. Aus 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 129 


dem basalen Teil der Verdickung, gerade an der Grenze, hatte sich 
aus einem Blatt eine 3 cm lange Wurzel entwickelt (Figur 25, 
Blatt 2). Später wuchs noch an zwei Blättern an derselben Stelle 
je eine Wurzel hervor. Die Verdickungen am. apikalen Ende der 
Spreite erreichten eine ungefähr doppelte Dicke, wie der basale, 
assimilierende Teil über der Erde. 

l) 38 Blätter, bei welchen die Spitze der Spreite mit einem 
Schnitt entfernt war, wie bei e, wurden mit dem apikalen Ende 
in Sand gepflanzt. Hier, wie auch bei m, trat die Knöllchenbildung 
früher ein als bei k. Bis zum 3. April 1906 waren 17 Blätter 
zu Grunde gegangen; bei zwölfen war keine Veränderung zu be- 
merken; bei neun hatten sich aus der Schnittfläche kleine Hervor-- 
wölbungen, Knöllchen, 1—2 an einem Blatt, gebildet; der in der 
Erde befindliche Teil der Spreite war auch etwas angeschwollen 
[Tafel IX, Figur 10 (von der Oberseite) und 11 (von der Unter- 
seite). Wurzelbildung war an der Lamina bis dahin nicht zu be- 
merken. Bis zum 5. Mai hatten sich bei allen übriggebliebenen 
16 Blättern an der Schnittfläche der Spreite kleine Knöllchen ge- 
bildet, die Verdickung des in der Erde befindlichen apikalen Teiles 
der Lamina hatte zugenommen, und bei zwei Blättern war aus 
dem basalen Ende der Verdickung je eine 1,5—2 cm lange Wurzel 
sewachsen. Am 26. Juni zeigte die Verdickung des in der Erde 
sich befindenden Abschnitts der Lamina mindestens die doppelte 
Breite, wie der basale, über der Erde befindliche Teil. Die Knöll- 
chen an den Schnittflächen hatten an Größe etwas zugenommen. 
Aus zehn Blättern entsprangen eine bis mehrere Wurzeln, doch 
immer nur aus dem basalen Ende der knöllchenartigen Verdickung 
der Spreite, und zwar in gleichem Maße auf der Unter- als auf 
der Oberseite der Blätter (Fig. 25, Blatt 3 von der Unterseite 
und Blatt 4 von der Oberseite). Bei einem Blatt entwickelten 
sich sogar je eine Wurzel auf der Ober- und auf der Unterseite. 
Aus der Schnittfläche der Spreiten ging bei keinem Blatt eine 
Wurzel hervor, auch nicht aus der Mitte der Verdicknng der La- 
mina, sondern immer aus ihrem basalen Ende. 

m) Bei 36 Blättern wurden die Spitzen der Spreiten längs 
der Hauptader halbiert, und ebenso wie bei k und I mit dem 
apikalen Ende in Sand gesetzt. Am 3. April 1906 waren noch 
21 Blätter vorhanden. Bei allen hatte sich bis zu dieser Zeit 
(Tafel IX, Fig. 12 [von der Unterseite] und Fig. 13 [von der Ober- 
seite]) die Spitze verdickt, und aus den beiden Schnittflächen waren 
ein oder zwei kleine Knöllchen hervorgegangen. Wurzelbildung 
fehlte his dahin. Bei den bis zum 26. Juni noch übriggebliebenen 
sechs Blättern (Fig. 25, Blatt 5) waren bei fünf aus dem basalen 
Teil der Knöllchen eine oder zwei Wurzeln gewachsen. Die Ver- 
diekung der Spitze hatte noch ziemlich zugenommen. 

Hieran mögen noch die Ergebnisse der Versuche mit Blättern, 
bei welchen die Stiele entfernt und welche mit dem basalen Teil 
der Lamina in Sand gepflanzt worden waren, angeschlossen werden, 
weil bei diesen. die Wurzeln (Fig. 25, Blatt 6) immer aus dem 
unteren, basalen Teil der Knöllchen den Ursprung nahmen, also 

Beihefte Bot. Centralbl, Bd. XXIII, Abt. I. Heft 2. 


130 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


hier wie bei den Blättern mit halbierter Spitze entsprangen, ob- 
gleich die Lage der Blätter eine umgekehrte war. Ehe dazu 
übergegangen wird, eine wenigstens teilweise Erklärung über die 
Ergebnisse dieser Versuche zu geben, seien einige allgemeine 
Probleme über die Regenerationserscheinungen, speziell die, welche 
sich auf Blätter beziehen, erwähnt. 


Der Reiz, welcher die Neubildungen an Stücken von Pflanzen, 
z. B. an Blättern hervorruft, führt Goebel!) einmal auf die Ver- 
wundung als solche und dann auf die Unterbrechung des Zu- 
sammenhanges mit anderen Organen, speziell auf die Unterbrechung 
der Leitungsbahnen zurück. Daß Verwundung Veranlassung zur 
Neubildung geben kann, zeigen ja die Erscheinungen der Ver- 
narbung (im weitesten Sinne. Daß aber bei der Regeneration 
nicht die Verwundung als solche in erster Linie in Betracht kommt, 
sondern die Aufhebung des Zusammenhanges mit anderen Organen, 
stellte Goebel an einer Anzahl von Fällen fest, so an dem Ver- 
halten bewurzelter bryophylium-Blätter. 


Namentlich durch Vöchtings?) Untersuchungen ist die Auf- 
merksamkeit, der Forscher auf jene Erscheinungen gelenkt worden, 
die man als Polarität zu bezeichnen pflegt. Diese äußert sich 
darin, daß bei Sproßstecklingen am apikalen Ende die Sproßbildung, 
am basalen die Wurzelbildung bevorzugt ist, während sich Wurzel- 
stecklinge umgekehrt verhalten, nnd bei Blättern, worauf es hier 
speziell ankommt, in den typischen Fällen überhaupt keine Polarität 
hervortritt, sondern sowohl Wurzel- als Sproßbildunge am basalen 
Ende auftreten. Nach Goebel>) ist die Polarität bei der Re- 
generation der Ausdruck der in den Pflanzen vorhandenen Bau- 
stoffverteilung. Die Bevorzugung der Basis an Blättern hängt da- 
mit zusammen, daß in ihnen normal eine Wanderung der Baustoffe 
in basipetaler Richtung stattfindet. 


Lindemuth*) hat Blätter von 65 Arten zur Bewurzelung 
gebracht; doch nur bei 15 von diesen ist Sproßbildung eingetreten, 
es ist also nur ein kleiner Teil von Blättern befähigt, Sprosse 
hervorzubringen. Die Blätter von (eropegia Woodvi erzeugen, wie 
aus den Versuchen hervorgeht, leicht Wurzeln, sind aber nicht 
imstande, Sprosse zu bilden, welches Verhalten von Goebel als 
„unvollständige Regeneration“ bezeichnet wird. Daß auch bei 
ihnen keine Polarität hervortritt und die Wurzeln größtenteils an der 
Basis entstehen, also die Stromrichtung der Baustoffe für ihre Ent- 
stehung maßgebend ist, zeigen die Blätter, welche mit dem Stiel 
in Sand und die, welche mit der Oberseite auf Sand gelegt wurden. 


) Goebel, K., Morphologische und biologische Bemerkungen (Flora. 
Bd. 92. 1903. S. 133) und Allgemeine Regenerationsprobleme. (Flora. Bd. 95. 
1905. S. 390.) 

2) Vöchting, H., „Über Organbildung im Pflanzenreich“. Teil1. 1878. 

3) Goebel, K., Allgemeine Regenerationsprobleme. (Flora. Bd. 9. 
1905. S. 407 und 409.) 

*) Lindemuth, H., Weitere Mitteilungen über regenerative Wurzel- und 
Sproßbildung auf Laubblättern (Blattstecklingen). (Gartenflora. 1905. S. 622.) 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 131 


Bei beiden entstanden, obgleich die letzteren verkehrt lagen, die 
Wurzeln zunächst nur an der Basis des Stieles, erst später foleten 
diesen im Laufe der Zeit an manchen Blättern noch weitere Wur- 
zeln auf der ganzen Länge des Stieles bis in die Nähe der Lamina, 
welches Verhalten auch Voechting!) für die Blätter von Hetero- 
certron diversifolium angibt An der Lamina selbst waren, wenn 
der Stiel entfernt war, die Wurzeln ebenfalls nur an der Basis 
inseriert, sie entsprangen immer aus den basalen Teilen der 
Knöllchen, welche sich aus den Schnittflächen gebildet haben. 
Auch bei allen übrigen Blättern, unbekümmert, zu welcher Jahres- 
zeit sie zu den Untersuchungen von den Sprossen abgeschnitten 
wurden und welcher Versuchsreihe sie angehörten, gingen die 
Wurzeln anfangs nur aus dem basalen Teil des Stieles hervor. 
Nur bei einem einzigen Blatt (Taf. IX, Fig. 9) brach direkt eine 


Fig. 26. Nervatur eines Blattes. 
vs Vorläuferspitze. Vergr. 5/,. 


Wurzel aus der Schnittfläche der Spreite hervor, und zwar nicht 
aus der Hauptader, sondern aus dem seitlichen Teil. Wie aus 
den Versuchen namentlich von Voechting und Goebel hervor- 
geht, entspringen die Neubildungen nicht nur aus der Basis der 
interkalar wachsenden Blätter, sondern auch, wenn Blattstücke 
verwendet werden, aus der Basis der letzteren. Die Wurzeln ent- 
springen bekanntlich immer endogen, für ihren Ursprung ist der 
Verlauf der Adern ausschlaggebend. In Figur 26 ist die Nervatur 
eines Blattes gezeichnet. Die Adern verlaufen nicht nur vom 
basalen zum apikalen Ende, dazwischen verbunden durch zahlreiche 
Anastomosen, sondern beschreiben häufig Bogen, sogar schon die 
Seitennerven erster Ordnung, sodaß ihr Verlauf ein umgekehrter 
wird. Auch die letzten Verzweigungen der Nervatur verlaufen 
unregelmäßig nach dem basalen wie apikalen Ende des Blattes zu. 
Wenn die Spitze eines Blattes mit solcher Nervatur entfernt wird, 
1) Voechting, H., 1. ec. S. 101. 

9% 


132 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


werden nicht nur die apikalen Enden der Nerven abgeschnitten, 
sondern es geschieht auch das Umgekehrte, sodaß das basale Ende 
‘ einer Ader sich an der Schnittfläche und das apikale sich weiter 
in der Spreite drin befinden kann. Daß die Stromrichtung für 
das Entstehen der Wurzeln ausschlaggebend ist, geht aus den Er- 
eebnissen an allen wurzeltreibenden Blättern hervor. Beim eben 
angeführten Fall war sie aller Wahrscheinlichkeit nach auch maß- 
sebend, indem aus dem basalen Ende eines Nervs die Wurzel den 
Ursprung genommen hat. Dabei konnte auch der Wundreiz mit- 
gewirkt haben, was daraus hervorgeht, daß er nicht nur Ver- 
anlassung zur Vernarbung, sondern auch zur Knöllchenbildung 
geben Kann. 


Ebenso wie für die Wurzelbildung ist die Stromrichtung für 
die Knöllchenbildung leitend. Die Knöllchen entstehen immer an 
der Basis der Stiele, und wenn diese abgeschnitten werden, an 
der Basis der Lamina; erst später ergreift die Verdickung weitere 
Teile des Stieles und der Lamina. Die Knöllchenbildung seht so- 
sar der Wurzelbildung voraus, sodaß für die Weiterentwickelung 
der Wurzeln schon ein genügsendes Material an Baustoffen vor- 
handen ist. 


Schon komplizierter und schwieriger ist die Erklärung für 
die Blätter der Versuchsmethoden k, I und m. Auch bei diesen 
Blättern entstanden anfangs nur an der Basis der Stiele Knöllchen 
und Wurzeln. Daß die meisten auf dem «ehemmten Zustand 
stehen geblieben sind, kommt hier nicht in Betracht, doch übte 
dies einen ausschlaggebenden Einfluß auf das weitere Verhalten 
der Blätter aus; denn bei denjenigen, deren Wurzeln Boden gefaßt 
hatten, fand keine weitere Wurzelbildung an der Lamina statt. 
Also war den hier in Betracht kommenden Blättern der Versuchs- 
reihen k, | und m wegen zu geringer Feuchtigkeit die Möglichkeit 
entzogen, die Wurzeln an den für sie prädisponierten Stellen zu 
entfalten. Auch die Knöllchenbildung war an diesen Stellen durch 
den Lichtzutritt gehemmt, obgleich sie normaler Weise an der 
Basis der Stiele sich bilden sollte, da ja die Stromrichtung die 
basipetale ist. Infolge der hemmenden Wirkung der Beleuchtung 
auf die Knöllchenbildung und der für das Entfalten der Wurzeln 
zu geringen Feuchtigkeit, wie andererseits durch die infolge Ver- 
dunkelung bewirkte Förderung der Knöllchenbildung wurde die 
Stromrichtung verändert. Daß sie sich verändert hat, geht daraus 
hervor, daß die Knöllchenbildung an dem apikalen, in der Erde 
befindlichen Teil vor der Wurzelbildung eintrat, also die Baustoffe 
für die Verdicekungen nur aus dem basalen assimilierenden Teil 
der Blätter herstammen konnten. Zuerst erfolgte die Knöllchen- 
bildung bei den Versuchsreihen I und m direkt aus den Schnitt- 
flächen hervor, und zwar eher als bei der Versuchsmethode k. 
Dies ist wohl auf den Wundreiz zurückzuführen, welcher an diesen 
Stellen eine schnellere und reichlichere Teilung der Zellen be- 
wirkte. Daß er aber für die Knöllchenbildung nicht ausschlag- 
sebend ist, zeigt die Versuchsmethode k, bei welcher sich der 


Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 133 


apikale Teil der Lamina bei Abwesenheit jeglicher Verletzung um 
das Doppelte verdickt hat. 

Das Entspringen der Wurzeln dieser Blätter aus dem apikalen 
Teil der Lamina war eine direkte Folge der Veränderung der 
Stromrichtung. Daß sie immer nur an dem basalen Teil der Ver- 
diekungen inseriert waren, kann mithin dahin gedeutet werden, 
daß die basalen Teile des Blattes für die Wurzelbildung die be- 
vorzugten sind, was auch wohl damit im Zusammenhang steht, 
daß bei den interkalar wachsenden Blättern gegen die Basis zu 
immer jüngere Zonen liegen würden. 

Ob die Erklärung des Ursprungs der Wurzeln aus dem ba- 
salen Teil der Verdiekungen eine zutreffende ist, muß dahingestellt 
bleiben. Daß aber die Stromrichtung maßgebend ist für die 
Knöllchen- und Wurzelbildung, haben die angestellten Versuche 
aufs neue dargetan., 


V. Zusammenfassung. 


1. Sprosse treiben nur aus den Blattachseln der Knoten her- 
vor; an Internodien, Blattstielen und Blattspreiten konnten solche 
nicht erzielt werden. Für die Knöllchen- und Beiwurzelbildung 
sind die Stengelknoten die prädisponierten Entstehungsorte. Bei 
bestimmter Versuchsanstellung (nach Isolierung) treten diese Bil- 
dungen auch an Internodien und Blättern auf. 

2. Frei herabhängende Sprosse wachsen nur mit der Sproß- 
spitze weiter; sie bilden normal an Knoten Stengelknöllchen und 
Beiwurzeln. Die Beiwurzeln haben ein beschränktes Wachstum, 
sie werden durchschnittlich nur 1 mm lang. Die Zahl der hervor- 
gebrochenen Beiwurzeln entspricht der Größe der Knöllchen. 

3. Bei auf Erde liegenden Sprossen bleiben die Beiwurzeln 
nicht dauernd im Wachstum gehemmt, sondern wachsen weiter 
und bilden kräftige auch verzweigte Wurzeln in der Erde. Es 
treiben auch Achselknospen aus und zwar meistens aus den Knoten, 
welche in die Erde gewachsene Beiwurzeln besitzen. Die Seiten- 
sprosse wachsen kräftig weiter. 

4. In Leitungswasser kultivierte Sprosse zeigen reichliche 
Knöllchen- und Beiwurzelbildung, die Zahl der ausgetriebenen 
Achselknospen ist eine große; also werden die Sprosse durch 
Nahrungsmangel zu Neubildungen angerest. Rohrzucker und 
Glycerin üben einen begünstigenden Einfluß auf die Knöllchen- 
und Beiwurzelbildung aus, dagegen wirken sie auf das Austreiben 
der Achselknospen hemmend. Ceropegea Woodii ist befähigt, mit 
Rohrzucker als einziger Nahrung Neubildungen zu erzeugen und 
wenigstens eine Zeit lang zu existieren; mit Glycerin nicht. Mit 
nur anorganischer Nahrung, ohne Assimilation, war das Weiter- 
bestehen der Sprosse unmöglich. 

5. Das Nichtaustreiben der Achselknospen ist auf unzureichende 
Zufuhr von Baustoffen und Wasser zurückzuführen. Infolge 
Hemmung des Wachstums der Sproßspitze werden die Achsel- 


134 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


knospen der jüngeren Knoten zum Austreiben gebracht; wenn diese 
an der Entwickelung gehindert sind, werden neue erzeugt. Infolge 
Hemmung des Wachstums der Sproßspitze und des Austreibens 
der Achselknospen werden die Grundknollen zum Austreiben neuer 
Sprosse veranlaßt. Lichtabschluß ist auf das Austreiben der 
Achselknospen ohne Einfluß, auf das Weiterwachsen der Sprosse 
wirkt es hemmend. Durch die reichliche Wasser- und Nährstoff- 
aufnahme begünstigen die Beiwurzeln, welche in die Erde gewachsen 
sind, das Austreiben der Achselknospen. Die Wachstumshemmung 
an den Veeetationsspitzen übt eine größere Wirkung auf das Aus- 
treiben der Achselknospen aus, als es die in die Erde gewachsenen 
Beiwurzeln tun (Wasser- und Nährstoffaufnahme). Infolge des 
Abschneidens der Blätter werden die Sprosse bestrebt, diese durch 
Austreiben von Achselknospen zu ersetzen. 

6. Die Entwickelungshemmung der Beiwurzeln ist auf geringe 
Feuchtigkeit zurückzuführen. Jene Hemmung bewirkt als aus- 
lösender Reiz die Erzeugung weiterer Beiwurzeln. Für das Weiter- 
wachsen der Beiwurzeln ist genügende Feuchtigkeit notwendig; 
Lichtabschluß wirkt nicht fördernd.. Das Auswachsen der Bei- 
wurzeln verringert das Hervorbrechen weiterer Beiwurzeln. 

7. Die Wachstumshemmung der Vegetationsspitzen begünstigt 
die Knöllchenbildung; die Begünstigung ist noch größer, wenn so- 
wohl die Vegetationsspitzen in ihrer Entwicklung gehemmt werden 
als auch das Austreiben der Achselknospen verhindert wird. Die 
Knöllchenbildung wird durch Lichtabschluß beeünstigt, sogar ver- 
anlaßt. 

8. Die .Stromrichtung ist maßgebend für die Entstehung der 
Knöllchen und Wurzeln bei Blättern. 


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Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 135 


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Erklärung der Tafeln. 


Taf. IX. Fig. 1. Verzweigter Sproß einer Kultur in Leitungswasser nach 161 Tagen 
Versuchsdauer photographiert. An zwei Internodien sind aus dem api- 
kalen Ende Beiwurzeln hervorgebrochen. Diese Figur zeigt auch die 
Versuchsanstellung der Fläschchenkulturen. Vergr. !/ı. 

„ Fig. 2. Basales Stück eines unbeblätterten Sprosses einer Kultur in 
Leitungswasser. Beiwurzel- und Knöllchenbildung am Internodium, 
welches mit Watte umwickelt war. Vergr. !/ı. 

„ Fig. 3. Basales Stück eines unbeblätterten Sprosses einer Kultur in 
Zuckerwasser. Beiwurzel- und Knöllchenbildung am Internodium, 
welches mit Watte umwickelt war. Vergr. !ı. 

„ Fig. 4. Isoliertes Internodium. Knöllchen- und Beiwurzelbildung an 
der Schnittfläche. Vergr. !/.. 

„ fig. 5. Isoliertes Knöllchen mit Blättern. Reichliche Beiwurzelbildung 
und ausgetriebene Achselknospe. Vergr. !/.. 

„ Fig. 6. Blatt mit Knöllchen- und Beiwurzelbildung am basalen Ende 
des Stieles. Vergr. !/ı. 

2. 

Länge des Stieles. Vergr. !/ı. 


ig, Blatt mit Knöllchen- und Beiwurzelbildung an der ganzen 

„ Fig. 8. Blattspreite mit Knöllchen- und Beiwurzelbildung am basalen 
Ende. Vergr. !ı. 

»„ Fig. 9. Blatt, bei welchem das apikale Ende der Spreite abgeschnitten 
ist, Vergr. !ı. 

„ Fig. 10 u. 11. Blätter, bei welchen das apıkale Ende der Spreite ab- 
geschnitten ist. Knöllchenverdiekungen an der Schnittfläche. Vergr. !/ı. 

„ Fig. 12 u. 13. Blätter, bei welchen das apikale Ende der Spreite 
durchschnitten ist. Knöllchenverdickungen an der Schnittfläche. Vergr.!/ı. 


136 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 


Taf. X. Fig. 1. Sproß einer Kultur in Leitungswasser, nach 92 Tagen Ver- 


suchsdauer photographiert; entspricht der Tabelle No. 12. Apikaler 
Teil des Sprosses verdunkelt. Gesamtzahl der im Hellen ausgebrochenen 
Beiwurzeln (auf 5 Knoten berechnet) 16,2; der im Dunkeln 48,7. Ge- 
samtinhalt der im Hellen verdickten Knoten (auf 5 Knoten berechnet) 
10 cbmm; der im Dunkeln 2286,7 cbmm. Etiolierter Seitensproß aus 
einem apikalen Knoten. Vergr. ?/,. 


Sproß 2, 3, 4 und5, Kulturen am Licht entnommen, nach 98 Tagen Ver- 


suchsdauer photographiert, gehören derselben Versuchsreihe an, ent- 
sprechen der Tabelle No. 6. Reihenfolge der Sprosse nach der Intensität 
der Knöllchen- und Beiwurzelbildung. Berechnungen auf 10 Knoten: 
Fig. 2. Sproß einer Kultur in Leitungswasser. Hervorgebrochene 
Beiwurzeln 47,3; Gesamtinhalt der verdickten Knoten 843,5 cbmm. 
Vergr. ?],. 

Fig. 3. Sproß einer Kultur in !/, %/, Zuckerwasser. Hervorgebrochene 
Beiwurzeln 39; Gesamtinhalt der verdickten Knoten 638,9 cebmm. 
Vergr. 2);. 

Fig. 4. Sproß einer Kultur in 1!/, °/, Zuckerwasser. Hervorgebrochene 
Beiwurzeln 32; Gesamtinhalt der verdickten Knoten 423,8 cbmm. Am 
basalen Knoten in Zuckerwasser entwickelte Beiwurzeln. Vergr. ?];. 
Fig. 5. Sproß einer Kultur in Knop’scher Nährlösung. Hervor- 
gebrochene Beiwurzeln 30; Gesamtinhalt der verdickten Knoten 216,6 
cbmm. Am basalen Knoten in Knop’'scher Nährlösung hervorge- 
brochene Beiwurzeln nicht weiter entwickelt. Vergr. 2/z. 


Beihefte zum Botanischen Centralblatt Bd. XXIII. Abt. 1. Tafel IX. 


J. Glabisz. Verlag von C. Heinrich, Dresden-N. 


Beihefte zum Botanischen Centralblatt Bd. XXIII. Abt. I. 


J. Glabisz. Verlag von C. Heinrich, Dresden-N, 


= 
I 
e 
f 
v 


zum Botanischen Centralblatt 


are. 


Beihefte 


Ba. XXIII. Abt. I. 


J. Glabisz. 


Tafel XI. 


Biol: 
Ceropegia Woodii 
Schlechter. 


Habitusbild. 


Vergr. 1/10. 


Verlag von C. Fleinrich, 
Dresden-N. 


137 


Über die Karyokinese bei Oedogonium. 
Sechster Beitrag zur Kenntnis der Karyokinese. 
Von 
C. van Wisselingh. 


Mit Tafel XII. 


Während die Zellteilung bei Oedogonium besonders die Auf- 
merksamkeit der Botaniker erregt hat, ist der Prozeß, der mit 
derselben zusammengeht, die Kernteilung, nur wenig studiert worden. 
In dieser Hinsicht bildet Oedogonvium einen Kontrast mit Spirogyra, 
bei der die Kernteilung von mehreren Untersuchern in Einzelheiten 
beschrieben worden ist. Die Ursache davon ist, daß bei den 
dickeren Arten der Gattung Sperogyra die Kerne ziemlich groß 
sind und oft leicht beobachtet werden können. Bei den dicksten 
Oedogonium-Arten sind dieKerne gewöhnlich bedeutend kleiner als bei 
den dicksten Spzrogyren; überdies sind sieverborgen hinter den dunkel- 
grünen, wandständigen Chromatophoren, wodurch die Untersuchung 
sehr erschwert wird. Die Einzelheiten, welche die Kernteilung 
darbietet, sind beim lebenden Objekt ganz der Beobachtung ent- 
zogen. In der Literatur habe ich denn auch wenig über die Kern- 
teilung bei Oedogonium gefunden. Die wichtigsten Veröffent- 
lichungen sind von Strasburger und Klebahn. 


Historisches. 


Strasburger!) beschreibt die Kernteilung bei Oedogontum 
lumidulum Kg. und deutet dabei wiederholt auf die Übereinstimmung 
mit der Kernteilung der höheren Pflanzen. Er erwähnt die Bil- 
dung der Chromosomen (Fasern) durch Zusammenschmelzung der 
in dem Kern anwesenden Körner, das Verschwinden des Kern- 
körperchens, die Gestalt der Kernspindel und das Auseinander- 
weichen der Kernspindelhälften. Zwischen den beiden Kernanlagen 
sah Strasburger eine feinkörnige Substanz. Die Tochterkerne 


!) Zellbildung und Zellteilung. 1880, S. 190 ff. 


138 van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogomium. 


bilden sich nach Strasburger auf die folgende Weise: Die 
Stäbchen (Chromosomen) in den beiden Kernanlaeen verschmelzen 
zunächst an ihren polaren und dann an ihren äquatorialen Enden. 
Die Tochterkerne runden sich jetzt ab und wachsen auf Kosten 
des zwischen ihnen angesammelten feinkörnigen Protoplasmas, das 
sie nach Strasburger verschlucken. Indessen nähern die Kerne 
sich wieder. Die Stäbchen zerfallen in aneinander sereihte Körner 
und in jedem Tochterkern wird ein Kernkörperchen sichtbar. Nach 
Anlage der Zellplatte gehen die Tochterkerne aufs Neue auseinander. 
Klebahn!) erwähnt die Übereinstimmung zwischen der Kern- 
teilung bei Oedogonium Boscii und der der höheren Pflanzen. Er 
deutet aber auch auf eine wichtige Verschiedenheit hin. Er hat 
nämlich keine entwickelte Spindelfasern beobachten können. 


Methode. 


Durch Anwendung einer Untersuchungsmethode, mit welcher 
ich schon bei Spirogyra, Fritillaria und Leucojum gute Resultate 
erhielt?), habe ich versucht, auch unsere Kenntnis der Kernteilung 
bei Oedogonium zu erweitern. Für diese Untersuchung gebrauchte 
ich eine dicke Oedogonium-Art, die diekste, welche ich in der Um- 
sebung Steenwyks finden konnte. Bei der Untersuchung zeigte 
es sich, daß dieselbe Oedogomium ceyathigerum Wittr. wars). 

Die für die Untersuchung bestimmten Pflänzchen wurden mit 
Hilfe des Flemming’schen Gemisches fixiert, und wenn sie in 
demselben einige Tage verweilt hatten, wurden sie mit Chromsäure 
behandelt, die ich gewöhnlich in einer zwanzieprozentigen Lösung 
anwendete.e Durch die Einwirkung des Flemmine’schen Ge- 
misches erleiden das Kerngerüst, der Zellwandring und der äußere 
Zellwandteil derartige Abänderungen, daß ihre Widerstandsfähigkeit 
Uhromsäure gegenüber bedeutend größer geworden ist. Die oben- 
genannten Teile bleiben zurück, wenn der Zellinhalt und die Zell- 
wand im Übrigen ganz gelöst sind. Dann lösen sich die dünnen 
Teile des Kerngerüstes und demzufolge fällt dasselbe auseinander. 
Während der Einwirkung der Chromsäure wird selbstverständlich 
genau beobachtet. Es versteht sich, daß die Kerne «ewöhnlich 
nicht in den äußeren, meist zylinderförmigen Membranteilen bleiben. 
Neben diesen Membranteilen und den Zellwandringen schwimmen 
sie in der Chromsäurelösung. Bei der Anwendung einer zwanzig- 
prozentigen Chromsäurelösung schreitet der Lösungsprozeß sehr 
langsam fort, so daß es viele Stunden, und bisweilen länger als 
einen halben Tag dauert, bis die Beobachtungen beendet sind. Bei 


!) Studien über Zygoten. II. Die Befruchtung von Oedogonrum Boseit. 
(Jahrb. f. wiss. Botanik. Bd. XXIV. 1892. S. 235.) 

2) Über den Nukleolus von Spirogyra. (Bot. Zeitung. 1898. S. 195.) 
:ber das Kerngerüst. (Bot. Zeitung. 1899. S. 155.) Über Kernteilung bei 
Spirogyra. (Flora. 1900. S. 355.) Untersuchungen über Spirogyra. (Bot. 
Zeitung. 1902. S. 122.) Über abnormale Kernteilung. (Bot. Zeitung. 1903. 
S. 201.) 

3) van Wisselingh, C., Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 
(Beihefte zum Bot. Centralbl. Bd. XXIII. Abt. I. Heft 3. S 162.) 


van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogontum. 139 


der Anwendung einer stärkeren Chromsäurelösung, z. B. einer vierzig- 
oder fünfzieprozentigen, wie ich sie früher benutzte, findet zwar eine 
schnellere Auflösung statt, aber es entsteht dann zu viel Bewegung 
in der Flüssiekeit. Die starke Aufschwellung des inneren Membran- 
teils verursacht, daß die Zellen sich jedesmal verschieben, was 
oft sehr hinderlich ist. Bisweilen wandte ich Brillantblau entra 
erünlich an, um die Kerne, nachdem ich die Ohromsäure mit Wasser 
ausgewaschen hatte, zu färben. 


Der ruhende Kern. 


Bei Oedogonium cyathigerum befindet sich der Kern im wand- 
ständieen Protoplasma in ungefähr gleicher Entfernung von den beiden 
Querwänden. Derselbe hat eine mehr oder weniger kugelförmige 
Gestalt. An der Seite der Zellmembran ist er etwas abgeplattet. 
Wenn die abgeplattete Seite dem Beobachter zugekehrt ist oder 
von ihm abgewendet ist, so erscheint der Kern fast kreisförmig. 
Der Kern ist scharf begrenzt, eine Erscheinung, die, wie bei an- 
deren Kernen, aller Wahrscheinlichkeit nach auch hier mit der 
Anwesenheit einer Kernmembran zusammenhängt. Das Kerngerüst 
ist dem anderer Kerne ähnlich. Es erscheint aus Körnern zu- 
sammengesetzt, welche durch feine Fädchen miteinander verbunden 
sind. Wenn .man bei dem mit dem Flemming’schen Gemisch 
fixierten Material mittelst Chromsäure das Kerngerüst isoliert hat, 
so kann man bei weiterer Einwirkung beobachten, daß es allmäh- 
lich auseinanderfällt, weil die feinen Verbindungen selöst werden. 
Man erhält dann aber nicht sogleich eine Menge lose Körner; 
während der Einwirkung der Chromsäure kann man sehen, daß 
auch dünne Fädchen frei werden, welche feinen Perlschnüren 
ähnlich sind. 

Mehr oder weniger in der Mitte des Kernes befindet sich 
der Nukleolus.. Ich untersuchte, ob dieser Ähnlichkeit mit dem 
Nukleolus von Spirogyra hätte, oder ob er mit den Nukleolen der 
höheren Pflanzen übereinstimmte. Es zeigte sich, daß Letzteres 
der Fall war. Nie gelang es mir, mit Hilfe von Chromsäure Fäden, 
wie bei Spirogyra, oder etwas Besonderes aus dem Nukleolus zu 
isolieren. Er löste sich immer in der ÖÜhromsäure auf, ohne etwas 
zurückzulassen. Der Chromsäure leistet er weniger Widerstand 
als das Kerngerüst, aus dem er während der Einwirkung allmäh- 
lich verschwindet. 


Die Karyokinese. 


Während in dem oberen Ende einer Zelle sich ein Zellwand- 
ring oder ein mit demselben identischer, napfförmiger Zellwandteil 
bildet, erleidet der Kern Abänderungen, die auf eine künftige 
Teilung hinweisen. Die Körner im Kerngerüst sind größer als bei 
dem ruhenden Kern; während der Einwirkung der Uhromsäure 
zerfällt esin Körner, Klümpchen und Fädchen, welche Perlschnüren 
ähnlich sind. Letztere sind deutlicher als bei dem ruhenden Kern. 
Der Nukleolus wird kleiner und verschwindet zuletzt ganz, während 


140 van Wisselin eh, Über die Karyokinese bei Oedogonum. 


der Kern auch seine scharfe Begrenzung verliert, was, wie bei 
anderen Pflanzen, wohl mit einer Auflösung der - Kernmembran 
zusammenhängt. Dies sind die ersten Modifikationen, welche der 
Kern zeigt. 

In folgenden Entwickelungsstadien sind die perlschnurförmigen 
Fäden, welche mehrere Windungen zeigen, kompakter. Allmählich 
verschwindet die Ähnlichkeit mit Perlschnüren. Sie bekommen 
eine gleichmäßige Dicke. Einige zeigen noch eine einzelne dünne 
Stelle, eine Erscheinung, die ich auch bei Frztillarıa!) beobachtet 
habe. Später sind alle dünnen Teile verschwunden. Indessen haben 
sich die meisten feinen Verbindungen zwischen den verschiedenen 
Fäden gelöst. Die Fäden werden später noch kürzer, während 
sich die Zahl der Windungen vermindert. Aus dem Kerngerüst ent- 
stehen also eine Anzahl Kernfäden oder Chromosomen. Dieselben 
gruppieren sich auf eine besondere Weise. Im Polfeld2) kommen 
sie zusammen. Es befindet sich in der Mitte der der Zellmembran 
zugekehrten Seite. Figurl stellt einen Kern vor, der das Polfeld 
zeigt. Die Begrenzung ist bei demselben nicht so deutlich wie 
bei dem ruhenden Kern, während seine Form platt und länglich 
ist. Die feinen Verbindungen zwischen den Chromosomen sind in 
der Ohromsäurelösung nicht wahrnehmbar und demgemäß sind sie 
in der Figur nicht gezeichnet worden. Die Kernfäden bleiben im 
Polfeld miteinander verbunden. Der gegenseitige Verband wird 
an dieser Stelle sogar noch fester, während alle übrigen Ver- 
bindungen zwischen den Kernfäden aufgehoben werden. Ihre 
freien Enden weichen in verschiedener Richtung auseinander. Die 
Kernplatte ist dann gebildet. Figur 2 stellt eine in Chromsäure- 
lösung schwimmende Kernplatte vor. 

Wie bei Sperogyra, Fritillaria und Leucojum:) kann man 
auch bei Vedogomium mittelst Chromsäure nachweisen, daß zwischen 
den Chromosomen feine Verbindungen vorhanden sind. Wenn das 
Oytoplasma und die Zellwand mit Ausnahme des äußeren Teils auf- 
gelöst sind, so schwimmen die Kernfiguren in der Chromsäurelösung 
frei umher. Bei den Kernplatten bleiben die Chromosomen lange 
miteinander verbunden. Allmählich werden die feinen Verbindungen 
gelöst und die Chromosomen werden nacheinander frei. Zuletzt 
sind alle feinen Verbindungen gelöst und alle Chromosomen gehen 
auseinander (Fig. 4), vorausgesetzt, daß sie sich nicht ineinander 
verwickelt haben, was ihrer Windungen wegen leicht geschehen 
kann. Allmählich werden ihre Umrisse undeutlich und zuletzt sind 
sie auch aufgelöst. 

Wenn die Chromosomen frei werden, so kann man leicht 
ihre Länge und ihre Form studieren, aber sehr schwer ist es, ihre 
Anzahl festzustellen. In einem folgenden Abschnitt werde ich be- 
schreiben auf welche Weise mir das gelungen ist. Jetzt erwähne 


1) Über das Kerngerüst. Fig. 3. 

2) Rabl, Über Kernteilung. (Morpholog. Jahrb. Bd. X. 1885. S. 226, 
281 u. 322.) 

3) Über den Nukleolus von Spirogyra. S. 209. Über das Kerngerüst 
S. 163 u. 168. 


van Wisselinsh, Über die Karyokinese bei Oedogonium. 141 


ich nur, daß ihre Anzahl 19 ist. Die Länge der Chromosomen 
ist sehr verschieden. Man beobachtet sehr lange, mittelmäßig 
lange und kurze. Die längsten können selbst sechsmal länger sein 
als die kürzesten. Bisweilen konnte ich feststellen, daß eines der 
19 Chromosomen bedeutend länger war als die übrigen; es gibt 
aber auch Kernplatten, bei denen ich diese Erscheinung nicht 
beobachten konnte. Die Chromosomen haben eine sehr verschiedene 
Form. Man findet I-, J-, L-, S-, U- und V-förmige Chromosomen, 
während auch noch verschiedene andere Formen vorkommen können. 
Die längeren sind oft U- oder V-förmig und haben dann gewöhnlich 
zwei gleich lange Schenkel; sie können aber auch eine ganz andere 
Gestalt haben. Die Befestigungsstelle ist bei den Chromosomen 
verschieden. Bei den längeren befindet diese sich ungefähr in der 
Mitte, bei den kürzeren befindet sie sich an dem einen Ende oder 
sie nähert sich mehr oder weniger demselben. Wo die Chromosomen 
aneinander befestigt sind, sind sie gewöhnlich umgebogen; ganz 
gerade kommen wenig vor. 

Die Kernplatte teilt sich in zwei gleiche Kernplattenhälften. 
Die Chromosomen erleiden dabei eine Längsspaltung und ihre 
Hälften weichen auseinander. Dieses findet im Alleemeinen auf 
eine derartige Weise statt, daß die Enden der halbierten Chromo- 
somen am längsten miteinander verbunden bleiben. Zuletzt haben 
die Hälften aller Chromosomen sich von einander losgelöst. Aus 
den 19 Chromosomen sind dann zwei Gruppen, jede von 19 halben 
Chromosomen, entstanden. Die Kernplatte hat sich geteilt in zwei 
Kernplattenhälften. Bei den Kernplattenhälften sind die Ohromo- 
somen an der den Polen der Kernfigur zugekehrten Seite durch 
feine Verbindungen miteinander verbunden. Während der Spaltung 
der Chromosomen und des Auseinanderweichens der Kernplatten- 
hälften ist dieser gegenseitige Verband beibehalten geblieben. Die 
freien Enden der Ohromosomen der beiden Kernplattenhälften sind 
einander, zugekehrt. Wenn man die Kernfigsuren mit Chromsäure- 
lösung behandelt, so kann man sich von den obenerwähnten Einzel- 
heiten überzeugen. Die Kernplattenhälften fallen allmählich aus- 
einander, der Auflösung der obengenannten feinen Verbindungen 
zufolge. Die halbierten Chromosomen kann man dann beobachten 
entweder ganz frei oder paarweise verbunden, wenn die Hälften 
der Chromosomen an ihren Enden noch zusammenhängen. 

Figur 8 stellt die Chromosomen einer in Teilung begriffenen 
Kernplatte vor. Mittelst Chromsäure sind sie isoliert worden. Die 
Hälften der längsten Chromosomen sind an beiden Enden noch 
miteinander verbunden; die Hälften der Ühromosomen mittelmäßiger 
Länge hängen noch an einem Ende zusammen, während die Hälften 
der kürzesten Chromosomen ganz frei umherschwimmen. Aus 
diesen und derartigen Beobachtungen schließe ich, daß die Trennung 
der Hälften anfängt, wo die Chromosomen miteinander verbunden sind, 
und daß bei den kürzesten und den mittelmäßig langen Ohromosomen 
die Hälften an dem freien Ende am längsten miteinander verbunden 
bleiben, während bei den längsten die Verbindung an beiden Enden 
ungefähr gleichzeitig aufgehoben wird. Bei den kürzesten ist die 


142 van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonium. 


Trennung zuerst vollzogen. Auch folgt aus den Beobachtungen, 
daß die feinen Verbindungen zwischen den Chromosomen bei der 
in Teilung begriffenen Kernplatte mittelst Chromsäure leichter ge- 
löst werden, als die Verbindungen zwischen den noch zusammen- 
hängenden Chromosomenhälften. 

In Bezug auf die Übereinstimmung der Karyokinese bei 
Oedogonium mit der bei höheren Pflanzen ist die Lösung der Frage, 
ob auch bei Oedogomium eine Kernspindel vorkommt, von großer 
Bedeutung. Wenn auf die Frage eine verneinende Antwort ge- 
geben werden muß, wie Klebahn gemeint hat, so würde die 
Karyokinese bei Oedogonium mit der der höheren Pflanzen nebst 
Punkten von Übereinstimmung auch eine große Verschiedenheit dar- 
bieten. Ich habe deshalb genau auf die Anwesenheit einer Kern- 
spindel Acht gegeben, und in der Tat ist es mir gelungen, diese in 
verschiedenen Entwicklungsstadien sehr deutlich zu beobachten. 
Die Kernspindel bei Oedogomium ist der von Spirogyra und höherer 
Pflanzen ähnlich, aber die Spindelfasern sind viel feiner, sodaß es 
sehr begreiflich ist, daß andere Beobachter, die bei Oedogonium 
die Karyokinese nur beim lebendigen Objekt oder nach einer anderen 
als der von mir befolgten Methode studierten, dieselbe nicht haben 
unterscheiden können. 

Wenn die Kernplattenhälften auseinander gewichen sind, so 
zeigt es sich, daß sie noch durch feine Spindelfasern verbunden 
sind, welche man auf die folgende Weise nachweisen kann: Mittelst 
einer 20 prozentigen Chromsäurelösung isoliert man die Kernfigur 
durch Auflösung der inneren Zellwand und des Cytoplasmas. Be- 
merkenswert ist es, daß die beiden umherschwimmenden Kern- 
plattenhälften einander gegenüber genau dieselbe Stellung behalten. 
Das kommt dadurch, daß die Kernspindel der Einwirkung der 
COhromsäure etwas länger Widerstand leistet als das übrige Cyto- 
plasma. Zuletzt werden die Spindelfasern aufgelöst. Die Kern- 
plattenhälften sind dann nicht mehr genau einander gegrenüber 
gestellt; sie trennen sich und schwimmen jede für sich in der 
Chromsäurelösung umher, bis sie der Auflösung der feinen Ver- 
bindungen zwischen den Chromosomen zufolge auseinander fallen. 
Die feinen Spindelfasern sind in der Chromsäurelösnng schwer zu 
unterscheiden, aber wenn man die Chromsäure mit Wasser vor- 
sichtig wegwäscht, so kann man die Spindel sehr deutlich wahr- 
nehmen. Man sieht dann eine Anzahl feiner, fadenartiger, bogen- 
förmiger Verbindungen zwischen den beiden Chromosomenbündeln 
(Fig. 3). Am Rande der Kernfigur kann man bisweilen wahr- 
nehmen, daß die Verbindungen den Chromosomen entlang nach den 
Polen der Kernfigur laufen. Wenn die Chromsäure etwas lange 
eingewirkt hat, so beobachtet man zwischen den beiden Kern- 
plattenhälften nur Reste der Kernspindel, welche einer körnigen 
Substanz ähnlich sind. Wenn die Kernplattenhälften sich schon 
bedeutend modifiziert haben und kleinen Kernen ähnlich sind, ge- 
lingt es noch auf die obenerwähnte Weise, die mehr oder weniger 
zurückgegangene Spindel nachzuweisen (Fig. 5). Dieselbe zeigt 
dann einige Ähnlichkeit mit einer körnigen Substanz. Später 


van Wisselinsh, Über die Karyokinese bei Oedogonium. 143 


konnte ich sie nicht mehr wahrnehmen. Ich nehme an, daß sie 
im Cytoplasma aufeelöst oder verteilt wird. 


Die Tochterkerne, die an den Polen der Kernfigur sich schon 
in bedeutender Entfernung voneinander befinden, kommen später 
wieder sehr nahe aneinander und nehmen dann „enau einander 
gegenüber eine Stelle an beiden Seiten der neuen Querwand, welche 
indessen gebildet ist, ein. Figur 7 stellt die beiden Tochter- 
kerne vor, während dieselben sich in der Chromsäurelösung befinden. 
Das umringende Oytoplasma hat sich aufgelöst, aber die dünne 
Querwand noch nicht. Dieselbe breitet sich anfanes nur durch 
den mittleren Teil des Protoplasten aus. Später breitet sie sich 
bis an die Längswand aus, wobei das wandständige Chromatophor 
durchschnitten wird). Der Protoplast ist dann in zwei Teile geteilt, 
aber die Querwand ist dann noch nicht an der Läneswand be- 
festigt. Sie bildet eine dünne, lose Platte in der Zelle. Die 
Tochterkerne entfernen sich später wieder von der Zellplatte und 
nehmen jeder ungefähr in der Mitte des entsprechenden Protoplasten 
eine Stelle ein. Sie befinden sich immer in dem wandständigen 
Protoplasma. ° 


Über die Entwicklung der Kernplattenhälften zu Tochterkernen 
bemerke ich Folgendes: Die Chromosomen ziehen sich zusammen. 
Ihre freien Enden kommen an der vom Pole abgewendeten Seite 
zusammen und treten miteinander in Verbindung. Die Chromosomen 
werden an vielen Stellen dünner und demzufolge perlschnur- 
förmig. Diese perlschnurförmigen Fäden bilden Bogen, welche 
sich von der nach dem Pol zugekehrten Seite zu der gegenüber- 
gestellten Seite ausbreiten. Zusammen bilden sie dann eine platte, 
mehr oder weniger kreisföürmige oder etwas längliche Figur. Figur 
‚6 stellt die beiden T'ochterkerne in dem oben geschilderten Zustande 
vor, während dieselben sich in der Chromsäurelösung befinden. 
Die Tochterkerne erhalten eine scharfe Begrenzung, was wohl mit 
der Bildung einer Kernmembran zusammenhängt. Die Chromosomen 
teilen sich in Körner, welche durch feine Fädchen verbunden 
bleiben, während zwischen den verschiedenen Chromosomen auch 
feine Verbindungen entstehen. In den Kernen erscheinen Nukleolen 
(Fig. 7). Anfangs befinden sich diese an der der Zellplatte zu- 
gekehrten Seite. Sie vereinigen sich zu einem Nukleolus, der un- 
eefähr in der Mitte des Kernes eine Stelle bekommt. Die Tochter- 
kerne, welche anfangs gewöhnlich etwas länglich sind, wachsen, 
und werden allmählich mehr oder weniger kugelförmig. 

Die Karyokinese ist jetzt beendet, aber die Zellteilung noch 
nicht. Die alte Zellwand spaltet sich um den Zellwandring oder 
um den dicken Rand des Näpfchens. Der Ring oder das Näpfchen 
streckt sich und bildet ein neues Membranstück. Demzufolge findet 
im Zellinhalt eine Versetzung statt und wird die lose Querwand 
nach oben geschoben. Wenn diese im unteren Ende des neuen 
Membranstückes angelangt ist, so hat sie die Stelle ihrer Be- 


) van Wisselingh 0., Über den Ring u, die Zellwand bei Oedogonium, 
76:82 1,1,) 


144 van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonium. 


stimmung erreicht. An beiden Seiten wird sie bald von dem 
zellulosereichen inneren Membranteil bedeckt!). 


Über die Bestimmung der Chromosomenzahl. 


In dem vorigen Abschnitt habe ich mitgeteilt, daß es bei 
Oedogonium eyathigerum sehr schwer ist, die Zahl der Chromosomen 
zu bestimmen. Weil die von mir angewendete Methode zur Be- 
stimmung der Chromosomenzahl neu ist, dieselbe ungemein viel 
Geduld erfordert, und ich gegen meine Erwartung eine ungerade 
Zahl, nämlich neunzehn, fand, so werde ich hier in Einzelheiten 
mitteilen, auf welche Weise ich zu diesem Resultat gekommen 
bin. Beim Studium der Kernplatten zeigte es sich, daß es durch- 
aus unmöglich ist, die Zahl der Chromosomen zu bestimmen, so 
lange sie miteinander verbunden sind. Das Zählen der freien 
Enden, vorausgesetzt, daß solches ausführbar wäre, würde zu ganz 
unrichtigen Schlüssen führen, da einige Chromosomen an einem 
Ende festsitzen, während andere in der Mitte festsitzen und deshalb 
zwei freie Enden haben. Sogar zeigte es sich beim Auseinander- 
fallen der Kernplatten in freie Chromosomen und Häufchen zu- 
sammenhängender Chromosomen, durch Einwirkung verdünnter 
Chromsäure, daß es nicht möglich ist, bei den Häufchen, 
auch wenn sie nur aus drei bis fünf Chromosomen bestehen, mit 
Gewißheit die Zahl zu bestimmen. Die Chromosomen sind von 
verschiedener Länge und verschieden gebogen, während sie auf 
allerlei Weise übereinander liegen können. Dadurch ist es sehr 
schwer, ihre Zahl festzustellen. Ich habe es mir darum bei der 
Bestimmung ihrer Zahl zur Aufgabe gemacht, sie alle durch Ein- 
wirkung verdünnter Chromsäure zu isolieren und jedes für sich 
wahrzunehmen. Jedes Chromosom wurde gezeichnet und wenn der 
Versuch beendet und gelungen war, wurden sie mit Hilfe der 
Zeichnung gezählt. Die Methode ist sehr einfach, aber bei ihrer 
Anwendung erfährt man allerlei Schwierigkeiten, wie sich unten 
zeigen wird. Wenn man mit Hilfe verdünnter Chromsäurelösung 
den inneren Teil der Zellwand und das Oytoplasma vorsichtig auf- 
gelöst hat, so kann man beobachten, daß viele Kerne noch in den 
zylinderförmigen äußeren Membranteilen sitzen und andere sich, 
außerhalb derselben befinden. Wenn eine Kernplatte, deren Chro- 
mosomenzahl man bestimmen will, außerhalb des Restes der Zell- 
wand liegt, so beobachtet man genau, ob nach einiger Zeit Chro- 
mosomen frei werden; einige Chromosomen werden bald losgelöst, 
während andere viel fester verbunden sind. Bisweilen gehen die 
Chromosomen wie von selbst allmählich auseinander, aber gewöhn- 
lich bleiben einige übereinanderliesen und man muß dann ver- 
suchen, durch eine geringe Bewegung in der Chromsäurelösung 
eine Trennung zu vollführen. Ich versuchte solches, indem ich 
mit Filtrierpapier eine Spur der Flüssigkeit unter dem Deckgläschen 
wegsog oder mit Hilfe einer Nadel eine Spur Wasser hinzufüste 


1) van Wisselingh, C., Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 
(L&S. 170) 


van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonium. 145 


oder auf das Objektglas tickte, oder mit einer Nadel sehr sanft 
das Deckgläschen berührte. Alle diese Manipulationen müssen mit 
der größten Vorsicht und unter fortwährender genauer Beobachtung 
ausgeführt werden. Eine Bewegung, durch welche einige Chro- 
mosomen wegschwimmen, ohne daß man hat feststellen können, 
wieviel es sind, verursacht, daß der Versuch mißlingt. Auch wenn 
einige Chromosomen ineinander verwickelt bleiben und nicht zu 
trennen sind, gelingt es nicht, ihre Zahl festzustellen. Man muß 
darauf acht geben, daß unter dem Deckgläschen sich nicht mehr 
als eine Kernplatte befindet, um zu verhindern, daß zwischen ihre 
Chromosomen Chromosomen anderer Kernplatten geraten, was leicht 
eine -Verwechslung veranlassen würde. 

Wenn die Kernplatte in dem äußeren Membranteil sitzen ge- 
blieben ist, versuchte ich oft, auf eine andere Weise die Ohromo- 
somenzahl zu bestimmen. Ich versuchte, indem ich mit Hilfe von 
Filtrierpapier eine sehr geringe Strömung in der Flüssigkeit 
zuwege brachte, die freiwerdenden Chromosomen hintereinander 
aus dem äußeren Membranteil schwimmen zu lassen. Indessen 
wurden sie gezeichnet und nach Beendigung des Versuches gezählt. 
Bei dieser Art zu experimentieren können sich natürlich dieselben 
Schwierigkeiten darbieten, wie bei der ersterwähnten. Die Versuche 
dauern sehr lange; man muß jedoch keine stärkere Chromsäurelösung 
anwenden als eine zwanzigeprozentige; besser ist es, eine noch ver- 
dünntere Lösung zu benutzen; die Versuche dauern dann Zwar 
länger, aber die Aussicht, ein gewisses Resultat zu erhalten, ist 
größer. 
Nachdem ich auf die oben beschriebene Weise eine Anzahl 
Versuche angestellt hatte, war es mir achtmal bei einer Kernplatte 
gelungen, alle Öhromosomen für sich zu beobachten und zu zeichnen. 
In diesen acht Fällen deutete die Zeichnung neunzehn Chromosomen 
an (Fig. 4). Bei den Kernplattenhälften habe ich auch versucht, 
die Chromosomenzahl zu bestimmen. Weil die Zahl, nämlich der 
beiden Kernplattenhälften zusammen, dann das Doppelte, also 38 ist, 
so ist es viel schwerer, ein sicheres Resultat zu erhalten. Noch weniger 
gelingt es, vor der Bildung der Kernplatte die Chromosomen zu 
zählen. Sie sind dann länger und dünner als bei der Kernplatte 
und zeigen auch mehr Windungen, sodaß es nicht gelingt, sie zu 
trennen. Dagegen glückte es mir bei einer teilenden Kernplatte, 
die Chromosomenzahl festzustellen. Ich zählte zehn Chromosomen- 
hälften, unter denen sehr lange waren, welche paarweise an den 
beiden E nden miteinander verbunden waren, sechzehn, die paarweise 
an einem Ende zusammenhingen, und zwölf, srößtenteils kleinere, die 
ganz frei waren, im ganzen also 38 Chromosomenhälften (Fig. 8). 


Kritisches und Resultate. 


In Übereinstimmung mit den Ansichten von Strasburger 
und Klebahn habe auch ich gefunden, daß die Karyokinese bei 
Oedogonium der der höheren Pflanzen sehr ähnlich ist. Die Ähn- 
lichkeit ist sogar noch srößer, als Klebahn sich vorstellte. Von 


: 10 
Beihefte Bot, Centralbl, Bd, XXIII. Abt. I, Heft 2. 


146 van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonium. 


mir wurde nämlich sehr deutlich eine aus Fasern zusammengesetzte 
Kernspindel wahrgenommen, während Klebahn keine Spindelfasern 
unterscheiden Konnte. 

Strasburger spricht von einer körnigen Substanz zwischen 
den beiden Tochterkernen, welche von denselben verschluckt wird. 
Ich habe bemerkt, als ob die zurückgegangene Spindel mehr oder 
weniger einer körnigen Substanz ähnlich ist, und es kommt mir 
deshalb vor, als ob die körnige Substanz, welche Strasburger be- 
obachtete, die zurückgegangene Spindel wäre Ich habe aber 
durchaus nichts wahrnehmen können, was auf ein Verschlucken 
von den Tochterkernen deutet, weshalb ich annehme, daß auch bei 
Oedogonrum die Kernspindel aus dem Cytoplasma entsteht und in 
dasselbe wieder aufgenommen wird.. 

Was die Chromosomen angeht, so gehen die Meinungen von 
Strasburger und die meinigen sehr auseinander. Strasburger 
unterscheidet keine Chromosomen verschiedener Länge und nimmt 
auch nicht an, daß sie während der Karyokinese stets miteinander 
verbunden sind. Die von Strasburger befolete Untersuchungs- 
methode gestattet es aber auch nicht, die von mir nachgewiesenen 
Einzelheiten zu beobachten. Es kommt mir vor, als ob dieses zu 
der Verschiedenheit unserer Resultate beigetragen hat. Weniger 
wahrscheinlich scheint es mir, daß die Karyokinese der beiden 
untersuchten Arten so verschieden ist. 


Die von mir erhaltenen Resultate sind im Folgenden kurz 
zusammengefaßt: 

Die Karyokinese bei Oedogonium zeiet große Überein- 
stimmung mit der der höheren Pflanzen. Die Entstehung der 
Kernfäden oder Chromosomen aus dem Kerngerüst, die Bildung 
der Kernplatte aus den Chromosomen, die Teilung der Kernplatte, 
die Längsspaltung der Chromosomen, die Entwicklung der Kern- 
plattenhälften zu Tochterkernen, alle diese Erscheinungen der 
Karyokinese zeigen bei Vedogonium Ähnlichkeit mit der Karyokinese 
im Embryosack von Fritillaria und Leucoypum. Auch bei Vedogonvum 
bleiben während der Karyokinese die Ohromosomen stets durch 
feine Verbindungen miteinander verbunden. Wie bei den höheren 
Pflanzen kommt auch bei Oedogonium eine Kernspindel zur Ent- 
wicklung. Der Nukleolus verschwindet beim Anfang der Karyokinese 
und in den Tochterkernen erscheinen wieder Nukleolen, welche 
sich zu einem einzigen Nukleolus vereinigen. Der Nukleolus stimmt 
überein mit den Nukleolen höherer Pflanzen und nicht mit dem 
von Spirogyra. Fäden, wie sie bei Sprrogyra in dem Nukleolus 
vorkommen, oder etwas anderes von besonderer Beschaffenheit habe 
ich in dem Nukleolus von Oedogonium nicht nachweisen können. 
Das Interessanteste, das die Karyokinese bei Oedogondum darbietet, 
sind wohl die Chromosomen, welche sehr verschiedener Länge sind 
und deren Zahl 19 beträgt. 


van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonrum. 147 


Oedogonium ist ein neues Beispiel einer Pflanze mit ver- 
schiedenen Chromosomen. Im Pflanzenreich ist diese Erscheinung 
sehr selten beobachtet worden. Rosenberg!) hat von derselben im 
Jahre 1905 einen interessanten Fall erwähnt. Er fand nämlich bei 
Listera in den Gonotokonten 5 größere und 11 kleinere Chromo- 
somen und in den somatischen Kernen 10 größere und 22 kleinere. Im 
Jahre 1898 habe ich?) schon mitgeteilt, daß bei Sperogyra crassa 
zwei der zwölf Chromosomen von den übrigen verschieden waren. 
Diese zwei waren gewöhnlich etwas länger als die übrigen und an 
dem einen Ende ein wenig verdünnt. Bei im Flemming’schen 
Gemisch gehärtetem Material gelang es mir, mittelst Chromsäure- 
lösung aus dem dünneren Ende ein fadenähnliches Körperchen zu 
isolieren. Dieser Versuch ist nicht nur ein einziges Mal gelungen, son- 
dern wohl vielleicht hundertmal. Nie erhielt ich ein negatives Re- 
sultat. Bei der weiteren Untersuchung zeigte es sich, daß die beiden 
abweichenden Ohromosomen in näherer Beziehung mit dem Nukleolus 
oder mit den zwei Nukleolen standen, welche von allen übrigen 
im Pflanzenreich aufzefundenen Nukleolen verschieden sind. Die 
bei Spirogyra crassa erhaltenen Resultate fand ich später bei einer 
anderen Spezies, Spirogyra triformis, bestätigt). 

Im Pflanzenreich sind bis jetzt noch keine Chromosomen auf- 
sefunden, welche untereinander so sehr verschieden sind, wie bei 
Spirogyra. Dagegen sind im Tierreich wohl solche Beobachtungen 
semacht worden®). Henking5) vermochte in der Spermatogenese von 
Pyrrhocoris ein Chromatinelement nachzuweisen, das sich von den 
übrigen durch bestimmte Eigenschaften unterscheidet. Dieses spezi- 
fische Chromosoma, von Montgomery als „Ohromatin nucleolus“, von 
Mac Glung als accessorisches Öhromosoma bezeichnet, ist seither bei 
zahlreichen Insekten nachgewiesen worden, und auch bei Arachnoideen 
und Myriopoden scheint etwas Ähnliches vorzukommen. Von be- 
sonderem Interesse sind vor allem die Beobachtungen, die Sutton) 
über das accessorische Chromosoma in den Spermatogonien der 
Heuschrecke, Drachystola magna, gemacht hat. 

Merkwürdig ist bei Oedogonium die ungerade Chromosomen- 
zahl. Ungerade Zahlen sind selten aufgefunden worden. In Ver- 
bindung mit der Keimung der Oospore von Oedogonium, aus welcher 
vier Schwärmsporen entstehen, halte ich das erhaltene Resultat 
von Bedeutung. Es kommt mir vor, dab Oedogontum eine Generation 
mit einer einfachen Chromosomenzahl ist und daß bei der Keimung 
der Vospore die Reduktionsteilung stattfindet, woraus folgen würde, 
daß bei Oedogonium kein Generationswechsel vorkommt. 


!) Zur Kenntnis der Reduktionsteilung in Pflanzen. (Botan. Notiser. 1905. 
Separatabdr. 8. 9.) 

2) Über den Nukleolus von Spirogyra. 8. 207. 

°) Über Kernteilung bei Spirogyra. 8. 362. 

*) Boveri, Th., Ergebnisse über die Konstitution d. chromat. Substanz 
d. Zellkerns. 8. 52 ff. 

5) Über Spermatogenese und deren Beziehung zur Eientwicklung bei 
Pyrrhocoris apterus L. (Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LI. 1891.) 

°) The spermatogonial divisions in Brachystola magna. (Bull. Univ. 
Kansas. Bd. I. 1900.) On the morphology of the chromosome group in 
Brachystola magna. (Biolog. Bull. Bd. IV, 1902.) 

10* 


148 van Wisselingh, Über die Karyokinese hei. Oedogonium, 


Anhang. 


Am Schlusse dieses Aufsatzes über Karyokinese will ich nach 
Anleitung von Untersuchungen von Gregoire und Wygaerts!) 
und von Bergehs?) einige Bemerkungen machen über den Wert 
der von mir befoleten Untersuchungsmethode und die mit derselben 
erhaltenen Resultate. 


Diese Methode ist beim Studium der Karyokinese von mir 
bei Spirogyra schon wiederholt und auch beim Embryosack von 
Fritillarıa und Leucoygum angewendet worden. In verschiedenen 
Abhandlungen habe ich sie beschrieben und habe ich die Vorteile, 
welche sie darbietet, insbesondere bei der Untersuchung von Teilen, 
welche in dem Flemming’schen Gemisch eine größere Wider- 
standsfähigkeit Chromsäure e„egrenüber erhalten haben, erwähnt. 
Um nicht in Wiederholungen zu verfallen, verweise ich auf meine 
Abhandlungen über Karyokinese®). Ich bemerke nur, daß das 
Material in dem Flemming’schen Gemisch hinreichend sehärtet 
werden muß. Anfangs benutzte ich Material, das vier Tage in 
dem Flemming’schen Gemisch verweilt hatte; später ließ ich es 
länger in demselben stehen und untersuchte von Zeit zu Zeit, ob 
es hinreichend gehärtet war. Zuerst wendete ich eine starke 
Chromsäurelösung an, nämlich eine 5Oprozentige; später habe ich 
oft verdünntere Lösungen benutzt, z. B. eine 2Oprozentige. Die 
Versuche dauern dann natürlich länger, aber die Gelegenheit, genau 
zu beobachten, ist größer. 


Eine Fehlerquelle, welche meiner Methode wie auch allen 
Methoden, bei denen Fixiermittel benutzt werden, anhängt, ist, dab 
das Fixieren Modifikationen hervorruft. Wenn man lebendige Kerne, 
z.B. in Spirogyra-Fäden, mit Aufmerksamkeit unter dem Mikroskop 
beobachtet und schnell das Flemming’sche Gemisch einwirken 
läßt, so bemerkt man, daß das Ansehen der Kerne plötzlich sehr 
modifiziert wird. Deshalb habe ich meine Resultate so viel wie 
möglich durch Untersuchung lebendigen Materials kontrolliert. 


Beim Studium der Karyokinese höherer Pflanzen werden all- 
gemein von fixiertem und in Paraffin eingeschmolzenem Material 
Serienschnitte angefertigt, welche gefärbt und teilweise wieder 
entfärbt werden. Wie bekannt, erhält man mittelst dieser Methode, 
wenn sie mit Sorgfalt angewendet wird, wunderschöne Präparate. 
Doch sind meiner Meinung nach die verschiedenen Operationen, 
welche das Material erleidet, mit Fehlerquellen verbunden. 


1!) Gregoire, Victor, und A. Wygaerts, La reconstitution du noyau 
et la formation des chromosomes. (La Cellule. T. XXI. Fasc.1. 1903. S. 7.) 
Gregoire, Victor, La structure de l’el&ment chromosomique. (La Cellule. 
12, 2O0UE Base 26 20 Be) 

2) Berghs, Jules, Le noyau et la cinese chez le Spirogyra. (La 
Cellule. T. XXI. Base, 1 1906. 8. 55.) 

3) Über den Nukleolus von Spirogyra. (Bot. Zeitung. 1898. S. 199.) 
Über das Kerngerüst. (Bot. Zeitung. 1899. S. 155.) Über abnormale Kern- 
teilung. (Bot. Zeitung. 1903. 8. 210.) 


van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonium. 149 


Wie ich oben schon bemerkt habe, ruft das Fixieren tief 
eingreifende Modifikationen hervor. Auch ist die Möglichkeit, dab 
zufolge der verschiedenen Operationen bisweilen Teile, wie Spindel- 
fasern oder Uhromosomen, von ihrer Stelle geraten, nicht aus- 
seschlossen. Daß wegen die teilweise Entfärbung der Schnitte 
Einwendungen zu machen sind, darauf habe ich schon früher hin- 
Sewiesen!), Besonders hat A. Fischer solches nachgewiesen ?) 
und auch Sypkens ist derselben Meinung). 

Wenn man die verschiedenen Fehlerquellen, die der so schönen 
und in vielen Hinsichten vortrefflichen Methode anhängen, berück- 
sichtigt, so darf man es als motiviert betrachten, auch andere 
Untersuchungsmethoden anzuwenden, um die Resultate, welche auf 
verschiedene Weise erhalten sind, miteinander zu vergleichen. Wenn 
man verschiedene Methoden mit Sorgfalt anwendet, ihre Fehler- 
quellen berücksichtigt und keine übereilte Schlüsse macht, so muß 
man zuletzt zu übereinstimmenden Resultaten gelangen. Der Vor- 
teil der Anwendung verschiedener Methoden besteht vor allem 
darin, daß die Fehlerquellen, welcher jeder Methode besonders 
anhängen, eher ans Licht kommen. 

Wie bekannt, gründet sich meine Methode nicht auf die An- 
fertigung feiner Schnitte, sondern auf das Isolieren von Teilen, 
welche in dem Flemming’schen Gemisch Chromsäure gegenüber 
eine größere Widerstandsfähigkeit erhalten haben. Auf eine ganz 
andere Weise werden die Kerne analysiert als nach der allgemein 
gebräuchlichen Methode. Doch haben beide Methoden in einigen 
Fällen zu vollkommen übereinstimmenden Resultaten geführt. Mit 
einem einzigen Beispiel werde ich das erläutern: 

Bei der Untersuchung der Kerne des protoplasmatischen 
Wandbeleges des Embryosackes von Fritillaria und Leucogum ge- 
langte ich zu .einem Resultate, das durchaus nicht in Überein- 
stimmung war mit den Ansichten früherer Autoren. Gregoire 
und Wygaerts?) erwähnen dasselbe folgendermaßen: Recemment, 
van Wisselingh (99) a &emis une opinion particuliere. D’apres 
lui, l’element chromatique est forme simplement de parties plus 
epaisses, tr&s irregulieres et tres diverses, reunies entre elles par 
des portions plus minces. De plus, ces deux sortes de parties du 
reseau nucleaire ne sont pas des constituants morphologiques differents. 
Jauteur, en effet, tout en reservant la question de la nature 
chimique du reseau, n’admet pas la distinetion morphologique entre 
substratum achromatique et corpuscules nucl&iniens. Nachdem oben- 
genannte Autoren’) die Resultate, welche sie bei den Wurzeln von 
Trillium grandiflorum erhielten, mitgeteilt haben, bemerken sie 
folgendes: Si on compare les donnedes qui pr6cedent avec les 
renseignements de la litterature botanique, on voit quelles ne se 
rapprochent guere que des observations de van Wisselingh, 


!) Über das Kerngerüst. S. 160. 

?) Fixierung, Färbung und Bau des Protoplasmas. Jena 1899, 
%) De Kerndeeling by Fritillaria imperialis. 8. 9 ff, 

NR CH Sl, 

By. 1.0 8.2.14, 


150 van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonium. 


avec lesquelles elles concordent parfaitement. Hierbei bemerke ich 
noch, daß meine Untersuchungen bei Fritillaria von Sypkens!) 
einer Kontrolle unterworfen sind. Sypkens, der bei seiner Unter- 
suchung Serienschnitte und auch meine Methode benutzte, fand 
gleichfalls meine Resultate bestätigt. 


Außer dem obenerwähnten Resultat sind auch noch andere 
meiner Resultate von Gr&goire und Wygaerts?) bestätigt worden. 
In einem Punkte haben diese Autoren mich aber nicht verstanden. 
Ich halte es deshalb für erwünscht, einige meiner Resultate näher 
zu erläutern. Die Bildung der Kernfäden aus dem Kerngerüst ist 
von mir wie folgt beschrieben worden:): „Ein Teil der feinen 
Fädchen, welche die Klümpchen und Körner miteinander verbinden, 
zieht sich zusammen. Demzufolge nähern sich die Klümpcehben und 
die Körner einander und schließlich sind sie nicht mehr zu unter- 
scheiden. So entstehen die Kernfäden. Anfangs sehen dieselben 
einigermaßen perlschnurartige aus. Das dauert jedoch nicht lange. 
Die Klümpchen und Körner werden gegeneinander gedrückt 
und abgeplattet. Die Fäden erhalten ein mehr gleichmäßiges 
Aussehen. Nachher ziehen sie sieh noch bedeutend zusammen. 
Anfangs sind sie dünn und lange; zuletzt haben sie eine be- 
deutende Dicke erhalten, während ihre Länge abgenommen hat. 
Während. ein Teil der feinen Verbindungen sich zusammenzieht, 
wird an anderen Stellen der Verband zerbrochen, aber nie werden 
alle Verbindungen zwischen den Kernfäden aufgehoben.“ Gegen 
meine Vorstellung, daß die Klümpchen und Körner gegeneinander 
gedrückt und abgeplattet werden, haben die belgischen Autoren ®) 
Einwendungen zu machen, wie sich aus Foleendem zeigt: „De 
plus, dans le Trilium, on ne peut pas dire que les „Klümpchen“ 
sont „gedrückt und abgeplattet“. Nous avons vu que toute la 
substance chromatique se ramasse sur elle-m&me, ainsi que ferait 
un filament de caoutchouc qu'on aurait etire et qu’on abandonnerait 
ensuite lentement Aa son elastieite.“ Die Vorstellung von Gregoire 
und Wygaerts, nach welcher das ganze Kerngerüst sich zusammen- 
zieht, ist durchaus nicht mit der meinigen in Widerspruch. Nach 
meiner Vorstellung zieht ein Teil der feinen Verbindungen sich 
zusammen, während andere Verbindungen aufgehoben werden; die 
feinen Fädchen ziehen sich dabei zurück und vereinigen sich mit 
den Kernfäden; die Kernfäden werden an einem Ende frei, wäh- 
rend an dem anderen Ende die übriggebliebenen Verbindungen 
sich zusammenziehen, wodurch die Kernfäden fester miteinander 
verbunden werden. Alles dies schließt aber nicht aus, daß einige 
Teile des sich zusammenziehenden Gerüstes einen Druck gegen- 
einander ausüben könnten, und ich nehme an, daß solches in der 
Tat der Fall ist. Wenn die feinen Verbindungen sich zusammen- 
ziehen, kommen die Klümpchen gegeneinander und nach meiner 


ı) ]. e. 8. 44 u. 63. 

2) ]. c. S. 24, 25, 26. 

3) Über das Kerngerüste. S. 163. 
4]. e. 8. 41. 


van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonium. 151 


Meinung können sie dabei abgeplattet werden. In Verbindung 
hiermit erkläre ich das Vorhandensein einzelner Querstreifen bei 
einigen Kernfäden. Diese Querstreifen sind oft sehr deutlich wahr- 
nehmbar. Auch Gr&egoire und Wyeaerts haben dieselben ab- 
gebildet. Die Querstreifen deuten die Stellen an, wo die letzten 
feinen Verbindungen sich zusammengezogen haben. Vor dieser 
Zusammenziehung bestehen die Kernfäden, bei welchen die Er- 
scheinung sich darbietet, aus zwei oder drei zusammenhängenden 
Teilen. . Nach der Zusammenziehung beobachtet man einen oder 
zwei deutliche Querstreifen. Während der Behandlung mit Chrom- 
säure fallen solche Kernfäden in zwei oder drei Stücke auseinander, 
welche an den Stellen, wo sie miteinander verbunden waren, bis- 
weilen sehr platt sind. Ich bin der Meinung, daß diese Erscheinung 
verursacht wird durch einen Druck, welchen die zusammenkommenden 
Teile der Kernfäden aufeinander ausüben. Auch nehme ich an, 
daß die Kernfäden und die Kernwand einen Druck gegeneinander 
ausüben, weil die an die Kernwand stoßenden umgebogenen Enden 
der Kernfäden oft auch platt sind. 


Wie ich oben schon erwähnt: habe, haben auch Gregoire 
und Wygaerts!) die Querstreifen, die bisweilen einige Kernfäden 
zeigen, abgebildet; sie geben aber keine Erklärung dieser eigen- 
tümlichen Erscheinung. Die Zusammenziehung des Kerngerüstes 
vergleichen die genannten Autoren?) mit der eines „filament de 
caoutchouc“; diese: Vergleichung stimmt nicht vollkommen, weil 
beim Kerngerüst dicke nnd dünne Teile miteinander abwechseln. 
Aus Obigem geht hervor, daß unsere Beobachtungen völlig mit- 
einander in Übereinstimmung sind, und nur unsere Vorstellungen 
von der Zusammenziehung des Kerngerüstes etwas verschieden 
sein können. 


Auf noch ein anderes Mißverständnis will ich einen Augen- 
blick die Aufinerksamkeit richten. Bei den Wurzeln von Allium 
ist Gregoire?) später zu einem einigermaßen anderen Resultate 
gekommen als bei Trollvum. Er erwähnt darüber Folgendes: „Nous 
devons dire, & linverse de van Wisselineh, Moll, Sypkens, 
que nous considerons comme tres vraisemblable la constitution de 
l’element chromosomique aux depens de deux groupes de substances. 
Seulement, et ici va apparaitre mieux encore la divergence qui 
nous separe des theories corpusculaires, — nous tenons que la 
substance chromatique impreene le substratum achromatique, quelle 
se trouve sur ce dernier non pas sous la forme de corpuscules in- 
dependants, mais a l’&tat d’impregnation.“ Ich muß hierzu be- 
merken, daß ich nie behauptet habe, daß das Kerngerüst aus einem 
einzigen Stoff besteht, was unter Anderem aus dem foleendem Satz 
aus meiner Abhandlung über das Kerngerüst hervorgeht!): „Um 
Mißverständnisse zu vermeiden, bemerke ich, daß ich wohl die 


l. e; Fig. 20, 
MoHS 32 

Eon Br 3l2ru, 313, 
l. ec. 8, 161. 


152 van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogomium. 


Ansicht bestritten habe, nach welcher beim Kerngerüste ein mor- 
phologischer Unterschied zwischen Chromatinkörnern und Lininfäden 
bestehe, aber daß ich durchaus nicht behaupte, daß das Gerüst 
nur aus einem einzigen Stoffe gebildet sei. Betrachtungen über 
die chemische Zusammensetzung des Gerüstes sind nicht Zweck 
dieser Arbeit.“ 

Über meine Untersuchungsmethode hat Gregoire sich nicht 
ausgelassen; wenn ich aber die Weise, auf welche er von meinen 
Resultaten Kenntnis nimmt, berücksichtige, so darf ich annehmen, 
dab er auch meiner Methode Wert beilegt. Ganz anders ist, wie 
sich zeigen wird, das Urteil von Jules Berehs, der im Labora- 
torium von Gregoire den Kern und die Karyokinese bei Sperogyra 
studiert hat. | 

Berghs!) hat bei seiner Untersuchung die jetzt bei höheren 
Pilanzen allgemein gebräuchliche Methode angewendet, die An- 
fertigung von Serienschnitten und das Färben. Er kommt zu Re- 
sultaten, welche von den früherer Autoren sehr verschieden sind. 
Der Kürze wegen werde ich dies nur an einem einzigen Beispiel 
erläutern. Berehs?) nimmt an, daß während der Protophase aus 
dem Nukleolus zwölf Chromosomen entstehen, les petits bätonnets 
(chromosomes) prophasiques et metaphasiques. An ihrer Bildung 
beteiligt sich nicht der ganze Nukleolus, sondern nur ein Teil des- 
selben. Was nun sehr eigentümlich ist, ist wohl die Bildung von 
sechs großen Chromosomen während der Anaphase, les chromosomes 
anaphasiques. Diese entstehen aus den chromosomes prophasiques 
und aus dem Rest des Nukleolus. 

Berehs versucht zu beweisen, daß die Beobachtungen und 
Resultate anderer Untersucher unrichtig sind. Auch die von mir 
angewendete Methode muß es entgelten. Er) schreibt: „Nous 
croyons que la methode de van Wisselinsh n'est pas faite pour 
etudier la morphologie du noyau. La methode ..... est plutöt 
faite pour &tudier Ja nature chimique des differentes substances 
du noyau et de la cellule.“ Ich hatte nicht erwartet, daß jemand 
meine Methode für eine chemische Untersuchung geeignet halten 
würde. Ich selbst finde dieselbe dafür durchaus nicht geeignet, 
wie auch aus verschiedenen Publikationen hervorgeht. In meiner 
Abhandlung über das Kerngerüst schrieb ich*) z. B.: „Betrachtungen 
über die chemische Zusammensetzung des Gerüstes sind nicht Zweck 
dieser Arbeit.“ 

Daß meine Methode nicht geeignet für das Studium der 
Morphologie des Kernes ist, nimmt Berghs an auf Grund eines 
Versuches bei dem ruhenden Kern. Er versuchte, mit Chromsäure 
die beiden von mir entdeckten Nukleolusfäden zu isolieren. Dieses 
Experiment ist ganz mißlungen. Bershs>) beobachtete nur „des 
endroits plus refringents, de contours et de nombre variables.“ 


Dale 60218: 

2) e 3264, 6bnu. 12. 
3) I, & & 70% 78 

=) Ik & & 1lall; 

DT OSeTe 


van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonium. 153 


e 


Er fragt: „Sont-ce des vacuoles ou bien sont-ce des formations 
specials, qui auraient pu donner Yillusion du peloton de Meunier 
ou des deux chromosomes de van Wisselineh? 

Ich habe schon wiederholt die Karyokinese bei Spirogyra 
studiert, und bei jeder Untersuchung habe ich sehr deutlich die 
beiden Nukleolusfäden unterscheiden können. Für eine Anzahl 
von Fällen bei verschiedenen Spezies habe ich sie abgebildet!). 
Zumal bei Spirogyra erassa habe ich selbst die Modifikationen, welche 
diese Fäden erleiden, während der ganzen Karyokinese verfolgen 
können. Bei einer großen Anzahl Kernplatten ist ihre Stelle von 
mir bestimmt worden2). Durch die erhaltenen Resultate wurde u. A. 
aufgeklärt, wie eskommt, daß die Zahl der Nukleolen bei Spirogyra 
höchstens zwei ist, nämlich die konstante Zahl der Nukleolusfäden. 
Alle meine Beobachtungen und Resultate werden von Berghs auf 
Grund eines einzigen Experiments, das nicht gelungen ist, als 
eine Illusion qualifiziert. Überdies wurde dieses Experiment bei 
einer anderen Spezies angestellt, als ich untersuchte, nämlich bei 
einer dünneren. Berghs hätte berücksichtigen müssen, daß die 
Karyokinese bei Spirogyra Verschiedenheiten darbietet und das, 
was bei der einen Art sehr deutlich zu sehen ist, bei einer anderen 
sehr schwer oder nicht wahrnehmbar ist. Vor Kurzem untersuchte 
ich eine Spezies, welche auch dünner war, als die früher unter- 
suchten Spezies. Es kostete mir Mühe, die beiden Nukleolusfäden 
zu unterscheiden, während es mir bei den früher untersuchten 
Spezies wieder sofort gelang. 

Meunier:) hat auch schon, indem er die lebendigen Spirogyra- 
Fäden auf eine besondere Weise behandelte, in dem Nukleolus des 
ruhenden Kerns einen gewundenen Faden (peloton) unterscheiden 
können. Berghs betrachtet dieses auch als eine Illusion. Ich 
habe es dagegen immer als eine interessante Beobachtung gefunden. 
Bei dem ruhenden Kern sind die beiden Nukleolusfäden so sehr 
sewunden, daß man nicht feststellen kann, ob deren ein oder zwei 
vorhanden sind. Während der Prophase werden sie aber kurz 
und dick und ihre. Zahl ist genau zu bestimmen®). Moll5), der 
zuerst Serienschnitte der Spirogyra-Kerne gemacht hat, hat bis- 
weilen auch mehr oder weniger deutlich die Fäden in dem Nukleolus 
unterscheiden können. Besonders interessant ist seine Figur 29. 

Berghs°) hat in seinen Schnitten im Nukleolus nichts unter- 
scheiden können; bisweilen hat er nur ein helles Fleckchen be- 
obachtet. Daraus folgt aber nicht, daß die Beobachtungen anderer 
Untersucher unrichtig sind. 


ı) Über den Nukleolus von Spirogyra. (Bot. Zeitung. 1898. Fig. 6 bis 
einschließlich Fig. 16 und Fig. 24.) Über Kernteilung bei Spirogyra. (Flora. 
1900. Fig. 1, 2 u. 11.) Über abnormale Kernteilung. (Bot. Zeitung. 1908. 
Fig. 126 bis einschließlich Fig. 134.) 

2) Über den Nukleolus von Spirogyra. 1 ec. 8. 216. 

8) Le nucl&ole des Spirogyra. (La Oellule. Vol. III. S. 370 ff.) 

») Van Wisselingh, Über den Nukleolus von Spirogyra. 1. ce. 8. 206. 

6) Observations on Karyokinesis in Sperogyra. (Verhandl. d. Koninkl, 
Akad. von Wetensch. te Amsterdam. Abt. 2. Bd. 1. No 9. 1893.) 

21.110: 84 0% 


154 van Wisselineh, Über die Karyokinese bei Oedogontum. 


Einmal hat Berghs!) einen karyokinetischen Zustand wahr- 
eenommen, der nicht mit seinen Resultaten übereinstimmte. Als 
ein „cas extraordinaire“ wird derselbe nicht im Zusammenhang 
mit anderen Zuständen berücksichtigt, obgleich andere Autoren 
doch ähnliche Beobachtungen gemacht haben?2). Die Zeichnungen 
von Moll nennt Berghs?) „un peu sch&matises“. Durch die 
Freundlichkeit von Moll hatte ich die Gelegenheit, sie mit den 
Präparaten zu vergleichen, und ieh konnte mich dabei von der 
großen Genauigkeit, mit welcher sie ausgeführt sind, überzeugen. 
Beim Studium der Karyokinese habe ich sie wiederholt berück- 
sichtigt. 

Die Zeichnungen von Berghs machten auf mich einen weniger 
günstigen Eindruck. Ich behaupte nicht, daß sie schematisiert 
sind; vielmehr machen sie den Eindruck, daß sie nach mehr oder 
weniger verschrumpften Präparaten angefertigt sind. Die Spindel- 
fasern haben ein sehr unnatürliches Aussehen. Sie zeigen allerlei 
unregelmäßige Krümmungen. Bergehs berücksichtigt nicht die 
Fehlerquellen, welche seiner eigenen Methode anhängen, während 
er meiner Methode keinen Wert beilest. So behauptet er*) u. A.: 
„Les reactifs que nous avons employes ne peuvent avoir detruit 
Vaspect des choses; c’est le reproche qu’on pourrait faire plutöt 
a ceux de van Wisselineh, et il nous semble que l’auteur, en 
se basant sur sa methode, ne peut pas conclure & ce qui se passe 
dans la cellule vivante en cinese“. Wenn man wissen will, was 
in der lebendigen Zelle stattfindet, so liegt es doch auf der Hand, 
zuerst das lebendige Objekt selbst zu untersuchen. Bercshs hat 
es aber nicht für nötig erachtet, seine Resultate durch eine der- 
artige Untersuchung zu kontrollieren. Doch wäre dies sehr wün- 
schenswert gewesen. Wenn man nämlich die Karyokinese beim 
lebendigen Objekt studiert, so kann man beobachten, dab die 
Spindelfasern ganz anders aussehen als Berghs sie abbildet. Sie 
zeigen keine unregelmäßigen Krümmungen. Die Kernwand, die 
Spindelfasern und die Aufhängefäden, alle sind gespannt. Berghs?) 
nimmt an, daß die Spindelfasern von zwei Seiten in den Kern 
dringen. Ich kann mir vorstellen, daß man, wenn die Spindel- 
fasern durchgeschnitten sind, und durch diese Weise von Prä- 
parieren von ihrer Stelle gebracht sind, ohne dies zu berücksich- 
tigen, wohl zu einem derartigen Schluß kommen kann. 


Was die Untersuchungen von Berghs betrifft, so bemerke 
ich noch, daß er meiner Meinung nach spätere und frühere Zu- 
stände miteinander verwechselt hat. Figur 10 stellt einen späteren 
Zustand vor als Figur 6 und 7, obgleich der Kern sich noch nicht 
in die Länge gestreckt hat und während die Quantität des 
Cytoplasmas um den Kern weniger ist als in Figur 6 und 7. 


c. S. 63 u. 85 und Fig. 7. 

oll, 1. e. Nukleolus in Fig. 27. 
c. 8. 75. 

e. 8. 77. 

ce. 8. 81. 


van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonium. 155 


Zwischen Figur 4 und 6 ist eine Lücke, welche durch die Be- 
schreibunge nicht ausgefüllt wird. Wenn man die Quantität des 
Plasmas um den Kern berücksichtigt, so ist esklar, daß die beiden 
vorgesteliten Zustände weit von einander entfernt sein müssen. 
Dasselbe eilt für Fig. 10 und 11. 

Zuletzt bemerke ich noch, daß die von mir bei Spirogyra 
erhaltenen Resultate von Berghs!) nicht ganz richtig mitgeteilt 
werden. Aus dem Nukleolus kommen nämlich nicht zwei ganze 
Chromosomen, sondern nur Teile von zwei Chromosomen; diese 
Teile unterscheiden sich von den Teilen, welche aus dem Kern- 
gerüst entstehen, und den zehn anderen Chromosomen ähnlich sind. 
Meine ersten Beobachtungen bei Spirogyra stimmen vollkommen 
mit den späteren überein, aber verschiedene Überlegungen haben 
mich 2) veranlaßt, anzunehmen, daß nicht zwei ganze Uhromosomen 
aus dem Nukleolus oder aus den beiden Nukleoli entstehen, sondern 
nur Teile von Ohromosomen. Diese Modifikation in meiner Vor- 
stellung führte zu einer einfacheren und besseren Erklärung aller 
meiner Beobachtungen. 

Meine Meinung über die von mir angewendete Methode ist 
seit meiner ersten Untersuchung über Karyokinese nicht modifiziert 
worden. Die Untersuchung des lebendigen Materials betrachte ich 
als die ideale. Großen Wert lege ich der Anfertigung von Serien- 
schnitten bei. Aber auch die von mir angewendete Methode hat Wert 
für das Studium der Karyokinese. Sie gestattet uns, verschiedene 
Einzelheiten der Karyokinese zu studieren, wozu andere Methoden 
nicht ausreichen. Ich würde z. B. in der Tat keine Möglichkeit 
gesehen haben, die Öhromosomenzahl bei Oedogonium zu bestimmen, 
wenn ich nicht die Ohromsäuremethode hätte benutzen können. 
Die Bestimmung ist aber sehr schwer und fordert die größte 
Vorsicht und Geduld. Man soll deshalb die Methode und die mit 
ihr erhaltenen Resultate nicht sogleich verwerfen, wenn es nach 
Hinzufügung der Ohromsäurelösung nicht sofort gelingt, mit Leichtig- 
keit 19 Chromosomen zu zählen. 


Groningen, Mai 1907. 


Figurenerklärung. 


Alle Figures haben Beziehung auf die Karyokinese. Die Vergrößerung 
ist 1000 mal. 

Fig. 1. Kern mit dem Polfeld während der Einwirkung von Chromsäure. 
Die Begrenzung ist nicht so scharf wie beim ruhenden Kern. 

Fig. 2. Eine mittelst Öhromsäure isolierte Kernplatte. 

Fig. 3. Die beiden Kernplattenhälften mit der Spindel, mittelst Ohrom- 
säure isoliert; die Ohromsäure durch Wasser weggewaschen. 


Fig. 4. Die 19 mittels Ohromsäure isolierten Ohromosomen. 


)]l,e.8. 8. 


2) Über abnormale Kernteilung. 1 ec. 8. 215#f, 


156 van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogontum. 


Fig. 5. Die beiden Tochterkerne mit der zurückgegangenen Spindel, 
mittelst Chromsäure isoliert; die Chromsäure durch Wasser weggewaschen. 

Fig. 6. Die Kerngerüste der beiden Tochterkerne in Chromsäurelösung ; 
die Nukleolen sind aufgelöst. 

Fig. 7. Die Tochterkerne während der Einwirkung von Chromsäure; die 
Nukleolen und die Zellplatte sind noch nicht aufgelöst. 

Fig. 8. Die 38 Chromosomenhälften in Chromsäurelösung; viele sind 
paarweise verbunden. 


Tafel AT. 


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Dresden-N: 


Verlag von. C Heinrich, 


Cvan Wisselingh. 


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HEDWIGIA 


Organ 


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Kryptogamenkunde una Phytopathologie 


nebst 


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Redigiert 
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H 1892—1893 ( „ XXXI--XXXMD. ..a „ 8— 
„ 1894—1896 ( „ XXXIM—XXXV) .a „12— 
BE 13972219009. WE RERNT KL) EN RA ne 
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DRESDEN-N. Verlagsbuchhandlung C. Heinrich. 


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‚Original-Arbeiten. 


ri * be ehr DERRT TIERE 
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322, 


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Herausgegeben 
| von; 
Prof. Dr. 0. Uhlworm una Prof. Dr. F. G. Kohl 
in Berlin | in Marburg. 


TE RER WERE EEE ER ET EURE NEW 


Bi: Band XXL. 
2 Erste Abteilung: 
Anatomie, Histologie, Morphologie und Physiologie der Pflanzen. 


Heft 3. 


1908 
Verlag von C. Heinrieh 
Dresden -N. 


Ausgegeben am 18. Mai 1908. 


Inhalt. 


Seite 

van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand: 

bei Oedogonium. Mit 4 Tafeln . . . 2 2... ... 157-190 
Fahringer, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete nebst 

Bemerkungen über neuere blütenbiologische Ar- 

beiten. Mit KTafel 2. no es 
Koltoäski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme 

auf die Kohlensäureassimilation der Wasserpflanzen. De 

Mit. 8 Abbildungen im Text :.. . . ....... 204 272 
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körper-- 

wachstum der Pflanzen. Mit 1 Abbildung im Text 273—319 


Die Beiträge erscheinen in zwangloser Folge. Jeder Band umfaßt 
3 Hefte. Preis des Bandes M. 16.—. 


Zu beziehen durch alle Buchhandlungen oder direkt vom Verlage 
'C. Heinrich, Dresden-N. 


Zusendungen von Manuskripten und Anfragen redaktioneller Art 
werden unter der Adresse: Professor Dr. OÖ. Uhlworm, 
Berlin W. 15, Nachodstraße 17, mit der Aufschrift „Für 
die Redaktion der Beihefte zum Botanischen Centralblatt“ 
erbeten. 


Über den Ring und die Zellwand 
bei Oedogonium. 
Von 


C. van Wisselingh. 


Mit Tafel XIII—XV1. 


Bei mikroskopischer Beobachtung der Oedogoniaceen wird un- 
sere Aufmerksamkeit von selbst auf den Ring gerichtet, der ge- 
wöhnlich in einzelnen, oft in mehreren Zellen an der Zellwand 
befestiet ist. Bisweilen dehnt sich ein Ring unter den Augen 
des Beobachters in sehr kurzer Zeit zu einem zylinderförmigen 
Stück Zellwand aus. Diese merkwürdige Membranbildung hat in 
hohem Maße das Interesse der Botaniker erreet. Eine Unter- 
suchung nach der Karyokinese bei Oedogomium veranlaßte mich, 
dann und wann auch meine Aufmerksamkeit auf den Ring zu 
richten. Das führte zu der Entdeckung einer Untersuchungsmethode, 
die mir zum Studium dieses interessanten Objektes sehr seeignet 
vorkam. Die Autoren, die vor mir den Ring und die Zellwand 
von Oedogonium untersuchten, haben in mancher Hinsicht ver- 
schiedene Ansichten verkündigt, und das veranlaßte mich um so 
mehr, selbst darüber Untersuchungen anzustellen. 


Historisches. - 


Wie schon oben gesagt, ist der Ring von Oedogonvum der 
(regenstand sehr verschiedener Ansichten. Das betrifft seine che- 
mische Zusammensetzung, seine Struktur, seine Entstehung, sein 
Wachstum, die mit seiner Ausdehnung verbundene Spaltung der 
alten Zellmembran und seinen Anteil an der Bildung der neuen. 

Die meisten Autoren haben nicht untersucht, ob in dem 
Ring ein besonderer chemischer Körper vorkommt. Pringsheim 
(I, S. 34 und 35) erwähnt die Üellulosereaktion mit Chlorzink- 
jodlösung und den halbflüssigen Zustand des Ringes. De Bary 
(I, S. 43) betrachtet ihn als eine weiche, dehnbare Cellulose- 
masse. Nach Wille (S. 444) besteht der Ring aus wasser- 


158 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogomaum. 


haltiger Cellulose Strasburger (II, S. 164) spricht nur von 
einem Cellulosering. Klebahn (S. 240) erwähnt, daß der Ring 
und die junge Membran, welche aus demselben entsteht, eine von 
der übrigen Zellwand abweichende Reaktion zeigen; sie speichern 
nämlich den Hämatoxylinfarbstoff sehr energischh Klebahn be- 
schreibt ihre Beschaffenheit als etwas gallertartie. Auch Hirn 
(I, S. 6 und 7) hat besondere Reaktionen bei dem Ringe beobachtet. 
wie Violettfärbung mit einer sehr verdünnten Chlorzinkjodlösune 
und Blaufärbung mit einer Lösung von Methylenblau bei dem 
zentralen Teil, das aus einer schleimartigen Masse gebildet ist. 
Die peripherische Ringschicht, das heißt, die an das Lumen stoßende 
Schicht, zeigt bei Anwendung von Jod und Schwefelsäure Cellu- 
losereaktion. 

Die meisten Untersucher nehmen an, daß der Ringe mit einem 
schmalen Teil an der Zellwand befestigt ist. Nach Strasburger 
(I, S. 190) sitzt der Ring auf einer Leiste. Sachs (S. 22, Fig. 17) 
gibt von demselben eine Abbildung, die mit dieser Ansicht über- 
einstimmt. Von Mohl (S. 721) nimmt an, daß der Ring mit zwei 
sehr schmalen, dicht nebeneinander verlaufenden Streifen in Ver- 
bindung steht. Nach Strasburger (I, S. 190 und III, S. 164) 
ist der Ring an seiner Ansatzstelle gespalten und die Einfügungs- 
leiste in zwei Hälften geteilt. 

Die Meinungen über den inneren Bau des Ringes sind ver- 
schieden. Nach Wille (8. 445) hat der Ring einen lamellösen 
Bau; Pringsheim (1, S. 35), Strasburger (III, S. 165) und Hirn 
(I, S. 7) dagegen unterscheiden nur eine peripherische Schicht 
und einen zentralen Teil. Strasburger (I, S. 193; II, S. 85) be- 
trachtet den Ring als in seinem inneren Teil dichter als an der 
Seite des Zelllumens, aber später erwähnt er (III, S. 165), daß er 
eine äußere dichtere und eine innere weniger dichte Schicht hat 
unterscheiden können. Nach Hirn (I, S. 7) ist der zentrale Teil 
aus einer schleimartigen Masse gebildet und besteht die peripherische 
Schicht aus Oellulose. Dieselbe ist oberhalb und unterhalb des 
Ringes mit der alten Membran verwachsen. 

Über den Ursprung des Ringes sind ganz verschiedene Mei- 
nungen ausgesprochen. Mehrere Autoren nehmen an, daß der Ringe 
vom Anfang zwar an der Zellwand befestigt ist, doch daß sein 
Ursprung und seine Entwicklung übrigens unabhängig von derselben 
sind Pringsheim (I, S. 12), Nägeli, Hofmeister (siehe 
Wille, S. 444), Strasbureer (I, S. 188 ff.; III, S. 164) und Hirn 
(I, S. 7) sind dieser Meinung zugetan. Nach Hirn wird zuerst 
der zentrale Teil aus einer schleimartigen Masse gebildet; dann 
entsteht der peripherische Teil. Hirn (I, S. T und 8) sucht den 
Beweis dafür zu liefern durch Versuche mit Zuckerlösungen. In 
den Zellen, die sich eben zur Teilung anschickten, wurde mit den- 
selben Plasmolyse hervorgerufen. Hirn sah, daß um den halsartie' 
verengten Teil des kontrahierten, teils freiliegenden Protoplasten 
eine Schleimmasse ausgeschieden wurde; dann sah er, daß um den 
Protoplast sich auch eine Membran bildete. Wenn die Zucker- 
kultur in’s Dunkle gestellt wurde, konnte Hirn nur Ausscheidung 


van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonwum. 159 


einer schleimartigen Masse um den halsartig verengten Teil be- 
obachten. Aus diesen Versuchen, sagt Hirn, geht deutlich hervor, 
daß bei der Rinebildung der Ringschleim zuerst von dem Protoplast 
ausgeschieden wird; erst dann entsteht der peripherische Teil des 
Ringes in Form einer Celluloseschicht, die den kontrahierten Pro- 
toplast vollständige umkleidet, in normalen Fällen aber nur den 
Rineschleim nebst der Innenseite der Zellwand eleich ober- und 
unterhalb des Ringes bekleiden dürfte. 

Nach de Bary (I, S. 80) und von Mohl (S. 721) entsteht 
der Ring dadurch, daß die innere Lamelle der Zellwand eine Falte 
bildet. Hartig (S.417) faßt ihn als eine Falte einer neugebildeten 
Verdickunesschicht auf. Dippel (S. 52) sieht in ihm eine Falte 
der ganzen Celluloseschicht. Nach Wille (S. 444) fängt die Ring- 
bildung in der Zellwand an, in der Nähe der inneren Begrenzung 
derselben. Der innerste Teil der ursprünglichen Membran über- 
spannt den Ring, während derselbe an Dicke zunimmt. Wille be- 
trachtet den Ring als eine kurze wasserreichere Schicht in der 
Membran. 

Die Frage, ob das Wachstum des Ringes mit Intussus- 
ception oder Apposition verbunden ist, ist von den verschiedenen 
Autoren auf verschiedene Weise beantwortet worden. Stras- 
burger (II, S. 85) nahm zuerst an, daß der Ring durch Auf- 
lagerung neuer Lamellen wächst. Später sagt er (III, S. 165): 
„Ob das Wachstum des Ringes auf Einwanderung von Substanz 
allein beruht, oder der Anlage zugleich neue Lamellen vom Cyto- 
plasma aus apponiert werden, läßt sich nicht entscheiden“. Wille 
(S. 445) behauptet, daß der Ring durch Intussusception entsteht 
und daß, während er wächst, ununterbrochen Schichten eingelagert 
oder differenziert werden. 

Alle Untersucher nehmen an, daß unmittelbar vor der Streckung 
des Ringes ein Bersten der Zellwand stattfindet. In Einzelheiten wird 
dieser merkwürdige Prozeß verschieden beschrieben. Pringsheim 
(IL, S. 15) nimmt an, daß beim Aufbrechen der Zellwand der Zusammen- 
hang oberhalb des Ringes sogar «anz aufgehoben wird, und dab 
derselbe später durch eine Verwachsung wieder hergestellt wird. 
Den Teil der Mutterzellwand oberhalb des Ringes nennt Prings- 
heim Kappe und den Teil unterhalb desselben Scheide An der 
Berührungsstelle der oberen und unteren Tochterzelle entsteht nach 
Prinesheim ein Intercellularraum. 

Andere Untersucher erwähnen nicht, daß der Zusammenhang 
der Zellwand aufgehoben wird. Nach Strasburger (I, S. 189 ıı. 
190; II, S. 85; III, S.165) entsteht in dem Ring während seiner 
Entwickelung eine Spalte. An dieser Stelle öffnet er sich später. 
Andere Autoren haben keine Spalte beobachtet. Wille (S. 446) 
sagt, daß die Spalte, welche Strasburger erwähnt, nicht vor- 
handen ist. Nach Wille berstet nur die Zellwand. 

Von Hirn (I, S. 8) wird eben so wenig eine Spaltung des 
inges angenommen. Fr erwähnt, daß die Celluloseschicht der 
Zellmembran durch einen Kreisriß entzwei geteilt wird. Der äußere 
Teil der Zellmembran, der von Hirn Cuticula genannt wird, wird 


160 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 


dagegen ganz unregelmäßig entzwei gerissen. Die Zellen können 
aber sehr” bald ihre zerrissene Outieula regrenerieren. 

Alle Autoren nehmen an, daß der Ring bei seiner Streckung 
ein neues zylinderförmiges Membranstück bildet. Nach Prings- 
heim (1, S. 37) entstehen die beiden Hüllmembranen der oberen 
Tochterzelle zusammen aus dem me Auch Strasburger 
(I, S.195; DH, S.85) und Hirn (I, S.7) nehmen an, daß die beiden 
Schichten der Zellwand direkt aus dem Ring entstehen. Hiien 
sagt bezüglich der Bildung der äußeren Schicht Folgendes: „Der 
zentrale Teil des Ringes wird in der Tat aus einer schleimartigen 
Masse gebildet, die beim Zerreißen der Zellwand von Bedeutung 
sein dürfte und die sich bei der Ausdehnung des Ringes zur neuen 
Cuticula gestaltet“. Wille (S. 451) nimmt zwar an, daß die Zell- 
wand in ihrer ganzen Dicke aus dem Ring gebildet wird, allein 
er meint, daß solches auf eine andere Weise stattfindet als Prings- 
heim und Strasburger angeben. Wille sagt, daß der Ring zu 
einem neuen Membranstück ausgezogen wird und daß schließlich 
auf dem neugebildeten Membranstück eine Cuticula entsteht; die- 
selbe wird nicht gebildet durch eine Umbildung der äußersten 
Zellwandschicht, sondern durch eine Ausscheidung. Klebahn (S. 240) 
erwähnt nur, daß die junge Membran aus dem Ring entsteht. 

Wie bekannt, findet während der Entwicklung des Ringes 
Karyokinese statt. Nach de Bary und Hofmeister (siehe Wille, 
S. 451) wird die Scheidewand zwischen den beiden Tochterzellen 
bei der Scheidenöffnung gebildet. Andere Autoren nehmen an, daß 
sie niedriger entsteht und daß, wenn der Ringe sich ausdehnt, sie 
aufwärts nach der Scheidenöffnung wandert, wo sie mit der Seiten- 
wand zusammenwächst. Nach Strasburger (I, S. 192) und Hirn 
(I, S. 8) entsteht die Querwand im ganzen Querschnitt der Zelle 
simultan. Wille (S. 447) achtet das wahrscheinlich. Wille (S. 450) 
meint, daß die Querwand während ihrer Bewegung aufwärts an 
der Wand der Mutterzelle festsitzt. Nach Klebahn (S. 240) ist 
die junge Querwand eine lose Platte und nach Strasburger 
(I, S.192) eine lose zarte Oellulosewand. Hirn (I, S.8) sagt, dab 
die Querwand bei ihrer Wanderung aufwärts gar nicht oder nur 
sanz lose mit der Zellwand vereinigt zu sein scheint. 

Der erste Zellwandring, der sich nach der Keimung einer 
Schwärmspore bildet, ist nach Hirn (I, S. 15 u. 16) ein wenig 
abweichend, indem er mit besonders breiter Fläche der Zellmembran 
ansitzt; die periphere Ringschicht sieht man sich fast über die 
ganze Innenwand des oberen Endes der Zelle erstrecken. Der 
Zusammenhang der Kappe mit der übrigen Zellwand wird infolee 
dessen gering, bisweilen wird sie sogar abgeworfen. Andere Au- 
toren, u. a. Poulsen und Wille (siehe Wille, S. 451) erwähnen 
auch "das Abwerfen der Kappe. 

Die obere der beiden ersten Tochterzellen ist nach Hirn 
(I, S.16) die bleibende Scheitelzelle.e Er erwähnt, daß sie bei den 
verschiedenen Arten verschieden ist, aber auch bei einer und der- 
selben Art variieren kann. Öfters ist sie an ihrem oberen Ende 
leicht abgerundet, nicht selten mehr oder weniger abgestutzt. 


van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 161 


Bisweilen ist sie in eine kurze Spitze ausgezogen. Bei einigen 
Arten wächst sie zu einer langen hyalinen Borste aus. 


Methode. 


Bei der Untersuchung von Oedogonium-Material, das während 
einiger Zeit in dem Flemming’schen Gemisch aufbewahrt war, 
zeigte es sich, daß der Ring und der aus demselben hervorgehende 
Teil der Zellmembran eine eigentümliche chemische Veränderung 
erfahren hatten. Bei lebendigem Material und bei Alkohol-Material 
zeicen diese Teile verschiedenen Reagentien gegenüber oft wenig 
Widerstand. Ihre Form wird meist unter Aufschwellung modifiziert. 
Ganz anders ist das Verhältnis Reagentien gegenüber, wenn das 
Material einige Tage in dem Flemming’schen Gemisch verweilt 
hat. Der Ring und der aus demselben «„ebildete Teil der Zell- 
wand haben dann eine ähnliche Modifikation erfahren wie die Zell- 
kerne. Behandelt man einen Oedogonium-Faden, der lange senug 
der Einwirkung des Flemming’schen Gemisches ausgesetzt worden 
ist, mit einigermaßen verdünnter Ohromsäurelösung, so sieht man, 
daß der äußere Teil der Zellwand und die Ringe der Einwirkung 
der Chromsäure sehr lange Widerstand leisten, während der übrige 
Teil der Zellwand vollständig selöst wird. Von dem Zellinhalt 
leisten die Kerne am längsten Widerstand. Wenn die Chromsäure 
einige Zeit eingewirkt hat, ist von den Pflänzchen nichts übrig 
geblieben als die äußeren Teile der Zellwände, die Ringe und die 
Kerne. Man sieht diese Objekte dann nebeneinander in der Chrom- 
säurelösung schwimmen. 


(Gewöhnlich wendete ich eine Oemsärnalhsums von 20%, 
an; stärkere Lösungen können auch benutzt werden. Um den 
Lösunesprozeß und die bei demselben hervortretenden Einzelheiten 
venau verfoleen zu können, gab ich aber einer Lösung von 20%, 
den Vorzug. Der Prozeß dauert dann zwar länger, aber derselbe 
verläuft ruhiger und man kann lade die gewünschten Be- 
obachtungen machen. | 


Die obenerwähnte Untersuchungsmethode ist dieselbe, die ich 
[rüher beim Studium der Karyokinese bei Sperogyra!) und im 
Embryosack von Fritillaria und Leucopum?) anwendete; die Ob- 
jekte, welche man zu studieren wünscht, werden in dem Flemming- 
schen Gemisch gehärtet und mittels Chromsäure isoliert. Die 
Vorteile, welche diese Methode bietet, werde ich hier nicht 
ausführlich auseinandersetzen. Es versteht sich von selbst, dab 
man viel genauer Objekte beobachten kann, wenn dieselben ganz 
isoliert sind, als wenn oberhalb und unterhalb derselben, neben 
und in denselben sich andere Sachen befinden. Dadurch wird immer 


') Über den Nukleolus von Spvroyyra. (Bot. Zeitung. 1898. S. 195.) 
Über Kernteilung bei Spirogyra. (Flora. 1900. S. 355.) Untersuchungen über 
Spirogyra. (Bot. Zeitung. 1902. 8.122.) Über abnormale Kernteilung. (Bot, 
Zeitung. 1903. 8. 201.) 

2) Über das Kerngerüst. (Bot. Zeitung. 1899. 8, 155.) 


Beihefte Bot, Centralbl, Bd. XXIII, Abt, I, Heft 3, 41 


162 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 


die Beobachtung mehr oder weniger gestört und oft ganz unmöglich 
eemacht; nicht selten hat das Anlaß gegeben zu falschen Folgerungen. 

Die mittelst Chromsäure isolierten Zellwandteille kann man, 
nachdem man die Chromsäure mit Wasser ausgewaschen hat, färben, 
z.B. blau mit Brillantblau extra erünlich. Viel Vorteil bringt das 
aber nicht, weilman sie ohne Färbung auch leicht beobachten kann. 

Nicht allein auf die oben angegebene Weise, sondern auch 
auf verschiedene andere Weisen hahe ich die Zellwand von Oedo- 
gonium studiert. Außer mit in dem Flemming’schen Gemisch 
sehärtetem Material wurde auch experimentiert mit lebendigem 
Material und Alkoholmaterial. Bei der Untersuchung wurden ver- 
schiedene Reagentien angewendet, wie ich an den betreffenden 
Stellen erwähnen werde. 


Material. 

In der Umgebung von Steenwyk fand ich mehrere Oedogonium- 
Arten. Bei der Untersuchung der dickeren Arten zeigte es sich, 
daß der Ring bei der einen Art kräftiger entwickelt war als bei 
der andern, während seine Form bisweilen auch verschieden war. 
Unter diesen Arten war eine, die mir für das Studium des Ringes 
besonders geeignet vorkam. Mit derselben habe ich meine Ver- 
suche angestellt. Ihre Merkmale stimmen vollkommen überein mit 
denen, welche Hirn (I, S. 252 ff.) für Oedogomium cyathigerum 
Wittr. angibt. Die Art ist besonders gekennzeichnet durch die 
eigentümlich gebildeten Zwergemännchen, die sich oft in großer 
Zahl auf den angeschwollenen Oedogonium-Stützzellen festgesetzt 
haben. Wie Hirn, konnte ich feststellen, daß die Zweremännchen 
nicht einzellig sind. Immer konnte ich zwischen Antheridium und 
Fußzelle eine zarte Querwand beobachten. Diese befindet sich, 
wie Hirn erwähnt, an der Stelle, wo das Zweremännchen rinesum 
wie eingeschnürt ist. Wenn man die Oospore zerdrückt, zeigt ihre 
Membran längslaufende Streifen. 


Über die chemische Natur der Zellwand und des Ringes. 


Wie bei anderen Alsen ist bei Oedogomium die Cellulose ein 
bedeutender Bestandteil der Zellwand. Auf verschiedene Weise 
kann sie nachgewiesen werden. Mit COhlorzinkjodlösung und mit 
Jodjodkalilösung und einigermaßen verdünnter Schwefelsäure (4 Teile 
Schwefelsäure von 95%, mit 1 Teil Wasser) zeigt die Zellwand 
und auch der Ring die bekannte Blaufärbung. Besonders wenn sie 
vorher einige Augenblicke mit Kaliumchlorat und Salpetersäure er- 
wärmt sind, ist die Cellulosereaktion mit Jod und Schwefelsäure sehr 
deutlich. Nach einer Maceration von einigen Tagen in Kupferoxyd- 
ammoniaklösune gibt die Zellwand mit den obengenannten Reagentien 
noch eine starke Üellulosereaktion. In dieser Hinsicht ist also die 
Zellwand von Oedogonvium verholzten Zeilwänden!) ähnlich, denen 


ı) van Wisselingh, O., Mikrochemische Untersuchungen über die Zell- 
wände der Fung?., (Jahrb, für wiss. Botanik, 1897. S. 634.) 


van Wisselingh. Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 163 


man mittelst Kupferoxydammoniaklösung auch nicht alle Cellulose 
entziehen kann, was mit anderen cellulosehaltenden Zellwänden 
wohl der Fall ist. Auf dieselbe Weise wie bei verholzten Zell- 
wänden kann man auch bei Oedogonium die Löslichkeit der Cellu- 
lose in Kupferoxydammoniaklösung nachweisen. Erwärmt man 
Zellwände bis 300° in Glycerin, so leistet die Cellulose Widerstand, 
während andere Bestandteile unter Zersetzung aus der Zellwand 
entfernt werden. Das Üelluloseskelett, das die Zellwand und der 
Rine zurücklassen (Fig. 6 und 7), löst sich sogleich in Kupferoxyd- 
ammoniaklösung. 

Aus Obigem geht hervor, dab bei Oedoyonium die Zellwand 
nicht nur aus Cellulose, sondern auch aus anderem Membranstoff 
besteht. Darum studierte ich das Verhältnis der Zellwand ver- 
schiedenen Reagentien gegenüber. Mit Phlorogluein und Salzsäure 
wurde keine Färbung erhalten. Die Erwärmung mit Kaliumchlorat 
und Salpetersäure und konzentrierter Kalilauge führte nicht zu 
Resultaten, welche die Reaktionen, die man bei verkorkten und 
kutikularisierten Zellwänden beobachtet, ähnlich sind. In vierzig- 
prozentiger Chromsäure löst sich die Zellwand bald vollständig auf. 
Mit Rutlieniumroth nimmt die Zellwand eine hellrote Farbe an, 
indem der Ring stärker gefärbt wird. Durch Brillantblau extra 
erünlich in neutraler Lösung wird die Zellwand nicht gefärbt. Be- 
merkenswert ist die Violettfärbung mit Jodjodkalilösung nach Er- 
wärmung bis 300° C in Glyzerin. Die ganze Zellwand und auch 
der Ring zeigt diese Färbung. 

Die obenerwähnten Resultate verbreiten wenig Licht über die 
chemische Natur der Membranstoffe, die sich nebst der Cellulose 
in der Zellwand finden. Es eibt keinen Grund, an Verholzung, 
Verkorkung oder Kutikularisierung zu denken. Gibt man speziell 
acht auf die chemische Natur des Ringes, so kann man leicht fest- 
stellen, daß in demselben ein ganz besonderer Membranstoff vor- 
kommt. 

Der Ringe nimmt mit Jodjodkalilösung, auch ohne vorher- 
gehende Erwärmung in Glyzerin, eine deutliche, doch nicht starke 
violette Farbe an. Nach Hinzufügung verschiedener Reagentien 
schwillt er auf. Mit Jodjodkaliumlösung allein ist das schon der 
Fall (Fig. 3); stärker wird die Aufschwellung, wenn darauf Schwefel- 
säure von 76°, hinzugefügt wird. Der Ring zeigt dann Cellulose- 
reaktion; er wird nämlich blau gefärbt. Nach Erwärmung bis 300° 
in Glyzerin ist die Substanz, die so leicht Aufschwellung veranlaßt, 
aus dem Ring entfernt. Der Rest des Ringes (Fig. 6, j und Fig. 
7, m) ist dann löslich in Kupferoxydammoniaklösune. 

Wie der Ring, schwillt auch der äußere Teil der Zellwand 
in ‚Jodjodkaliumlösung schon auf (Fig. 3, @). Die Aufschwellung 
wird ınit Schwefelsäure von 76°, viel stärker. Nach der Hinzu- 
fügung der Jodjodkaliumlösung kann man oft bei dem äußeren stark 
aufgeschwollenen Teil eine schwache Violettfärbung wahrnehmen. 
Nur eine sehr zarte Schicht an der Peripherie (Fig. 3, r,) hat mit 
Jod eine gelbe Farbe angenommen. Nach der Hinzufügung der 
76 prozentigen Schwefelsäure scheint mit Ausnahme des gelbgefärbten 

I 


164 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 


peripherischen Schichtchens (Fig. 3, r,) der äußere Teil der Zell- 
wand (Fig. 3, a) farblos, oder derselbe zeigt nur eine schwache 
Cellulosereaktion; er ist nämlich hellblau gefärbt, während der 
innere Teil der Zellwand (Fig. 3, e) dunkelblau gefärbt ist. Be- 
handelt man Material, das bis 300° in Glycerin erwärmt ist, mit 
Jodjodkaliumlösung und Schwefelsäure von 76°/,, so kann man die 
äußere farblose oder nur hellgefärbte Schicht nicht unterscheiden, 
weil der stark aufschwellbare Bestandteil aus der Zellwand ent- 
fernt ist. 

AusObigem geht schon hervor, daß die chemische Natur des 
äußeren Teils der Zellwand der des Ringes ähnlich ist. Bei dem 
Ringe, der in Vergleichung mit dem äußeren Teil sehr dick ist, 
sind die Farbereaktionen aber viel deutlicher. Noch mehr zeiet 
sich die Übereinstimmung, wenn man Material, das in dem Fiem- 
ming’schen Gemisch gehärtet worden ist, untersucht. Der Ring 
und die äußere Schicht der Zellwand bekommen in diesem Gemisch 
sanz andere Eigenschaften. Anstatt bald aufzuschwellen nach 
Hinzufügung verschiedener Reagentien, leisten sie lange Widerstand, 
ohne daß dabei ihre Gestalt modifiziert wird. Eigentümlich sind 
die Erscheinungen, die sich bei der Einwirkung der Chromsäure 
darbieten. Der innere Teil der Zellmembran löst sich unter starker 
Aufschwellunge und bisweilen unter Entstehung vieler Falten auf, 
während der Ringe und der äußere Teil sehr lange Widerstand 
leisten (Fig. 4). 

Die Membran der Fußzelle unterscheidet sich von den Mem- 
branen der anderen Zellen dadurch. daß an ihrer Außenseite die 
obenbeschriebene Schicht fehlt. 


Die Struktur der Zellen. 


Bei Beobachtung der zierlichen Pflänzchen bemerkt man so- 
gleich, daß ihre Zellen sehr verschiedener Größe sind. Bei den 
von mir untersuchten Exemplaren wechselte die Länge der. Zellen 
ab. von 44—140 u; einige waren noch bedeutend länger. Die 
Dicke der Zellen war 18—36 u. Bei demselben Exemplar haben 
die Zellen bisweilen sehr verschiedene Dimensionen. In der Rich- 
tung vom Scheitel nach dem Fuß folgen auf dünne Zellen bisweilen 
plötzlich dicke. Pflänzchen, die aus wenigen Zellen: bestehen. 
zeieen bisweilen schon diese Erscheinung (Fig. 43 und 49). Im 
Allgemeinen sind die Zellen zylinderförmige. Die Querwände sind 
gewöhnlich mehr oder weniger nach oben gewölbt. Bei genauer 
Betrachtung, und zumal bei der Untersuchung des im Flemming- 
schen Gemisch gehärteten Materials, ergibt sich, daß die Struktur 
der Membran bei den verschiedenen Zellen der Hauptsache nach 
eine treffende Ähnlichkeit zeigt und in Einzelheiten dennoch eine 
merkwürdige Verschiedenheit. 

Wie im vorigen Abschnitt schon erwähnt ist, Kann man bei 
der Zellwand einen äußeren und einen inneren Teil unterscheiden. 
Den äußeren Teil (Fig. 3, « und 5) werde ich der Bequemlichkeit 
wegen Bekleidung nennen. Der Name Cuticula ist nicht ge- 


van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedoyonium. 165 


eignet, weil seine physische und chemische Natur und seine Ent- 
stehungsweise ganz anders sind als bei der gewöhnlichen Cuticula. 
Die Bekleidung enthält sehr wenig Cellulose, aber viel einer Sub- 
stanz, die in verschiedenen Reagentien aufschwillt und in dem 
Flemming’schen Gemisch gehärtet wird. Der innere Teil (Fig. 9, e), 
den ich Cellulosewand nennen werde, enthält dagegen viel Cellulose. 
Nach Härtung des Materials in dem Flemming’schen Gemisch 
kann man mittelst einer 2Oprozentieen Chromsäurelösung den äußeren 
Teil isolieren durch Auflösung des inneren Teils. Man sieht, daß 
der innere Teil aufschwillt und sich bisweilen faltet, während der 
äußere Widerstand leistet und seine Form beibehält. Darauf brechen 
die Zellen voneinander und sucht der innere Teil einen Ausweg 
nach außen. Zuletzt hat sich der innere Teil ganz aufgelöst, wäh- 
rend der äußere frei umherschwimmt, ohne daß seine Form ver- 
ändert worden ist (Fig. 2, @« und Fie. 4, « und 5b). Während des 
Lösungsprozesses kann man den äußeren Teil scharf von dem 
inneren unterscheiden; man kann genau feststellen, was seine Form 
ist und in welchem Maße und auf welche Weise er teilnimmt an 
der Zusammensetzung der Zellwand. Der innere Teil der Zellwand 
ist dicker als der äußere und aus Schichten zusammengesetzt. Die 
Schiehtung konnte ich am besten wahrnehmen nach Erwärmung 
während einieer Augenblicke in einem Gemisch von Salpetersäure 
und Kaliumchlorat und nach Blaufärbung durch Jodjodkaliumlösung 
und einigermaßen verdünnte Schwefelsäure (76 °/). Der an das 
Lumen stoßende Teil der Cellulosewand löst sich in Chromsäure- 
lösung bisweilen nicht so baldaufals der an die Bekleidung stoßende 
Teil und gibt bisweilen auch etwas stärkere Üellulosereaktion. 
Die Bekleidung befindet sich ausschließlich an der Peripherie 
der Pflänzchen. Der innere Teil der Zellmembran nimmt samt der 
dünnen Mittellamelle teil an der Bildung der Querwände. Bei der 
vollständig ausgebildeten Querwand ist die Mittellamelle schwer zu 
unterscheiden, indem sie beiderseitie von der Öellulosewand bedeckt 
wird. Die Bekleidung hat im einfachsten Fall die Form eines 
hohlen Zylinders, der an beiden Enden offen ist, während man die 
Cellulosewand mit einem allseitie «eschlossenen Sack vergleichen 
kann. Die Bekleidungen der verschiedenen Zellen liegen nahe bei- 
einander, aber berühren einander niemals. Immer sind sie durch 
die Cellulosewand getrennt. Die Bekleidung ist oft an einem Ende 
erweitert oder verengt; bisweilen ist das an beiden Enden der Fall 
(Fig. 4, «). Häufig besteht die Bekleidung nicht nur aus einem 
zylinderförmigen Zellwandteil, sondern außerdem auch noch aus 
einem oder mehreren besonderen schmalen ringförmigen Teilen 
(Fig. 4, 5b). Bisweilen konnte ieh sogar fünf oder sechs derartige 
ringförmige Bekleidungsstücke an einer Zelle unterscheiden. Diese 
befinden sich an ihrem oberen Ende Die Teile der Zellwand, 
welche die ringförmigen Bekleidungsstücke tragen. ragen an ihren 
unteren Enden etwas hervor. Demzufolge scheint die Zellwand 
quer gestreift (Fig. 1 unten und Fig. 8). Kinige Zellen umfassen 
mit ihrer Zellwand mehr oder weniger die angrenzenden, näher 
beim Scheitel sich befindenden Zellen (Fig. Il oben). Bisweilen ist 


166 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogomium. 


diese Erscheinung sehr auffallend. Es gibt Zellen, die größtenteils 
von den Wänden anderer Zellen mit einer Art von Scheide um- 
seben sind. Die Bekleidung bedeckt diesen scheidenförmigen An- 
hang (Fig. 1, f) an der Außenseite, wo derselbe elatt ist. An 
der Innenseite kann man herumlaufende, ein wenig einspringende 
Leisten unterscheiden. Die scheidenförmigen Teile zeigen dem- 
zufolge Querstreifung. 

Merkwürdig ist die Bekleidung bei der Scheitelzelle. Die 
Scheitelzelle ist gewöhnlich etwas zugespitzt, bisweilen abgerundet. 
Im einfachsten Fall bildet die Bekleidune ein Ganzes, das am 
Scheitel geschlossen und unten offen ist und das gleichmäßige die 
innere cellulosereiche Wand bedeckt (Fig. 17 und 18, ec; Fig. 21 
und 22, c). (Die Figur 17 stellt das in dem Flemming’schen Ge- 
misch gehärtete Objekt vor und die dazu gehörige Figur 18 das- 
selbe nach Einwirkung von Chromsäure Für andere zueinander 
gehörige Figuren gilt dasselbe) In anderen Fällen besteht die 
Bekleidung der Scheitelzelle aus zwei Teilen, einem zylinderförmigen 
und einem mehr oder weniger kegelförmigen bis halbkuselförmigen 
(Fig. 23 und 24, a, d). In wieder anderen Fällen befinden sich 
zwischen diesen beiden Teilen noch ein oder mehrere schmale 
ringförmige Bekleidunesstücke (Fig. 25 und 26, b; Fig. 27 und 28, b). 

Dann und wann ist der Scheitel mit einem losen Mützchen 
versehen (Fig. 35, «), das aus cellulosehaltigem Membranstoft be- 
steht und das auch nach Härtung in dem Flemming’schen Ge- 
misch in Chromsäurelösung sich ganz löst oder einen oder ein paar 
Ringe zurückläßt (Fig. 36, «,). Bisweilen hat das Mützchen eine 
napfförmiee Bekleidung, zu welcher noch ein oder mehrere ring- 
förmige Teile hinzukommen können (Fig. 37, «; Fig. 38, d, b; 
Fig. 39, «; Fig. 40, d, b).. Die Bekleidung dieses Mützchens 
kommt in chemischer Hinsicht mit den Bekleidungen der Zellen 
völlig überein. 

Oft besteht die Bekleidung der Scheitelzelle nur aus einem 
zylinderförmigen Teil (Fig. 20, «a; Fig. 30, « oben), indem am 
Scheitel die Bekleidung fehlt (Fig. 19, h; Fig. 29, h). Die Scheitel- 
zelle ist dann oft abgerundet oder stumpf. Bisweilen befinden sich 
im Scheitel am oberen Ende der zylinderförmigen Bekleidung ein 
oder ein paar Ringe, die, wie die Bekleidung, der Einwirkung von 
Chromsäure, Widerstand leisten (Fig. 31 und Fie. 32, 5). 

Die Fußzelle ist oben gewöhnlich dicker als die anderen 
Zellen; sie läuft nach unten eng zu und breitet sich dann zu einem 
platten, vielästigen Fuß aus. Ihre Wand ist dicker als die Wände 
der anderen Zellen und was sehr merkwürdig ist, die Bekleidung 
fehlt. (Vergleiche Fig. 17—20, 43—52.) 

Bei einigen sehr großen Zellen konnte ich zwei und drei un- 
vefähr gleichgroße zylinderförmige Bekleidungsstücke unterscheiden 
(Fie. 41 und 42, a). 

In dem Abschnitt über die Verschiedenheiten bei der Spaltung 
der Zellwand wird es sich zeigen. woher die große Verschiedenheit 
der Zellwände kommt, 


van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedoyonium. 167 


Die Struktur des Ringes. 


Der Zellwandring bildet sich im oberen Ende der Zellen. 
Wenn er vollständig entwickelt ist, d. h. kurz bevor die Zellwand 
berstet und er sich streckt, ist er unmittelbar an der Zellwand 
befestigt (Fig. 15, ©). Die Verbindungsstelle ist dann nicht be- 
sonders schmal. Wenn aber der Ring noch nicht ganz entwickelt 
ist, sitzt er auf einer schmalen niedrigen Leiste (Fie. 1, %; Fig. 5, %k). 

Bei dem Ring habe ich zwei Teile unterscheiden können, eine 
peripherische, an das Zelllumen stoßende Schicht (Fig. 3, q und 5, q) 
und einen inneren Teil (Fig. 3, p; Fig. 5, p). Cellulose und der 
schon oben erwähnte eieentümliche Membranstoff kommen in beiden 
Teilen vor, doch die peripherische Schicht ist bedeutend reicher 
_ an Cellulose als der innere Teil. Wenn der Ring noch nicht voll- 
kommen entwickelt ist, setzt sich die peripherische Schicht in die 
Leiste und ein wenig in die Zellwand das Lumen entlang fort 
(Fig. 5, g). Eine Schichtung habe ich bei dem Ring nicht wahr- 
nehmen können. Die obenerwähnten Einzelheiten sind mit Hilfe 
von Reagentien festgestellt, wie es sich unten zeigen wird. 

Wenn man den Ring mit Jodjodkaliumlösung behandelt, so 
wird er violett gefärbt, und wenn man dann 76 prozentige Schwefel- 
säure hinzufügt, so zeigt er Cellulosereaktion. Die peripherische 
Schicht ist dann deutlich dunkler blau gefärbt als der innere Teil. 
Wenn die Zellwand geborsten ist und der Ring sich mehr oder 
weniger ausgedehnt hat, so kann man beide Teile besonders gut 
unterscheiden (Fig. 3, p, 9). 

Durch Erwärmung in Glyzerin bis 300° © wird der Membran- 
stott, der dem Ring seine besonderen Eigenschaften verleiht, ent- 
fernt. Besonders wenn die Zellwand schon gespalten ist, kann 
man beobachten, daß aus dem inneren Teil des Ringes sich mehr 
Membranstoff aufeelöst hat als aus dem peripherischen Teil, der 
reicher an Cellulose ist. Der Rest des Ringes (Fig. 7, »n) ist der 
Hauptsache nach als der Celluloserest der peripherischen Schicht 
zu betrachten. Wenn die Zellwand noch nicht gespalten ist, so 
zeigt sich der Ring nach Erwärmung in Glyzerin wie folgt: Er ist 
dünner geworden und hat sich etwas zusammengezogen. Er scheint 
mittelst zwei dicht nebeneinander gestellten, gespannten Häutchen 
an der Zellwand befestigt zu sein (Fig. 6, /,),. Diese Häutchen 
müssen der Hauptsache nach betrachtet werden als Cellulosereste 
der peripherischen Schicht. 

Wie schon oben gesagt, wird der Ring in dem Flemming- 
schen Gemisch gehärtet. Mittelst Chromsäure kann man ihn dann 
von der Zellwand lösen. Während und nach der Auflösung der 
Zellwand kann man an dem Ring verschiedenes beobachten. 

An dem isolierten, vollständig entwickelten Ring Kann man 
zu beiden Seiten der Befestigungsstelle ein einigermaßen hervor- 
ragendes Leistchen wahrnehmen (Fig. 4, s). Bei verschiedener 
Einstellung zeigen sich diese Leistchen wie zwei Pünktchen oder 
zwei Streifehen. Auch vor der Einwirkung der Chromsäure sind 
ie beiden Streifehen zu unterscheiden. 


168 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 


An noch nicht vollständige entwickelten Ringen sieht man, 
wenn man sie von der Zellwand gelöst hat, an der Befestigungs- 
stelle zwei umgebogene Häutchen (Fig. 4, t; Fig. 22, t, Fig. 24, t 
oder Fig. 26, t). Diese gehören zu der peripherischen Schicht, 
die sich in die Leiste, auf welcher der Ring sitzt, und auch etwas 
in die Zellwand dem Lumen entlang fortsetzt. Während der Chrom- 
säureeinwirkung ist die peripherische Schicht besonders deutlich 
zu beobachten. Man kann genau wahrnehmen, daß das Vorkommen 
des in dem Flemming’schen Gemisch „ehärteten Stoffes in der 
innersten Schicht der Zellwand bis auf geringe Entfernung der 
Befestigungsstelle des Ringes beschränkt ist (Fig. 5, q). 


Die Entwicklung des Ringes. 


Der Anfang des Ringes ist eine kleine, ringförmige Erhaben- 
heit an der Innenseite der Zellwand (Fig. 8, !; Fig. 29, 7). Wenn 
diese von einiger Bedeutung geworden ist, so zeigt sie sich bei 
verschiedener Einstellung wie ein Pünktchen oder ein Streifchen. 
Behandelt man in dem Flemming’schen Gemisch gehärtetes Ma- 
terial mit Chromsäurelösung, so läßt die Zellwand, wo die Erhaben- 
heit sich befindet, einen zarten Ring zurück (Fig. 9, !; Fig. 30, 7). 
Die Entstehung des Ringes ist also mit dem Auftreten eines be- 
sonderen Membranstoffs verbunden. Während der weiteren Ent- 
wicklung des Ringes nimmt die Erhabenheit an Umfang zu und 
bei bestimmter Einstellung kann man bald einen doppelten Streifen 
beobachten. Allmählich bildet sich eine runde Leiste oder Ring, 
der auf einer schmalen, niedrigen Erhabenheit an der Zellwand 
festsitzt. Den besonderen Membranstoff, der bei der Ringbildune 
entsteht, kann man jetzt auch in der an das Lumen stoßenden 
Schicht der Zellwand bis auf geringe Entfernung der Befestigungs- 
stelle des Ringes wahrnehmen, nämlich wenn man gehärtetes Ma- 
terial mit Chromsäurelösung behandelt (Fig. 5). Während seiner 
weiteren Entwicklung wird der Ring dicker und breiter und ver- 
schwindet allmählich die schmale niedrige Leiste, worauf er sitzt. 
Wenn er vollständig ausgebildet ist. ist er unmittelbar mit der 
Zellwand vorbunden (Fig. 15). Die modifizierten Teile der Zell- 
wand zu beiden Seiten der Befestigungsstelle werden während des 
Dickenwachstums des Ringes einwärts umgebogen und werden zu- 
vleich ein Teil desselben. Sie bilden die beiden herumlaufenden 
Leistehen (Fig. 4, s; Fig. 16, s) des vollkommen entwickelten 
Ringes, dessen Verbindunesstelle breiter geworden ist. Sowohl die 
völlige ausgebildeten als die noch wenige entwickelten Ringe zeigen 
dieselbe innere Struktur: bei beiden kann man eine peripherische 
Schicht unterscheiden, die reicher an Cellulose ist als der innere Teil. 

Auf die Frage, ob man annehmen muß, daß bei der Ent- 
stehung und während der Entwicklung des Ringes Apposition oder 
Intussusception von Membranstoff, oder beide Prozesse stattfinden, 
muB geantwortet werden, daß die Bildung des Ringes nicht erklärt 
werden kann durch die Annahme, daß ausschließlich Apposition 
stattfindet, daß man dagegen wohl eine einfache ungezwungene Er- 


van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 169 


klärung geben kann, wenn man ausschließlich Intussusception an- 
nimmt. Die gemachten Beobachtungen reichen nicht aus, um zur 
Annahme zu führen, daß neben Intussusception auch Apposition 
stattfindet. 

Wie oben erwähnt, ist die Rinebildune verbunden mit dem 
Auftreten eines besonderen Membranstoffes in der an das Lumen 
stoßenden Schicht der Zellwand. Dabei findet sehr wahrscheinlich 
Intussusception statt. Eine Abänderung des schon vorhandenen 
Membranstoffs halte ich in Verbindung mit der weiteren Entwick- 
lung des Ringes für unwahrscheinlich. Bei dem Ringe findet wäh- 
rend seiner Entwicklung Zunahme des eigentümlichen Membran- 
stoffes statt, denn obgleich er viel dicker wird, bleibt seine Resistenz 
der Chromsäure gegrenüber dieselbe Weil die Zunahme auch inner- 
halb der peripherischen Schicht stattfindet, so ist man wohl fast 
gezwungen, auch beim Dickenwachstum des Ringes Intussception 
anzunehmen. 

Je nachdem der Ring dicker wird, nimmt auch der Cellulose- 
gehalt zu, denn der Celluloserest, den er nach Erwärmung in 
Glyzerin bis auf 300° zurückläßt, ist bedeutender, je nachdem der 
Ringe dicker ist. Eine Apposition von Öellulose an dem Ring wäh- 
rend seines Dickewachstums kann mit Hilfe verschiedener Reagentien 
nicht nachgewiesen werden. Die Zunahme des Üellulosegehalts 
des Ringes findet also sehr wahrscheinlich auch durch Intussus- 
ception statt. 

Wenn man das Wachstum des Ringes durch Apposition zu 
erklären sucht, so gelangt man zu viel komplizierteren Vorstellungen 
und man stößt dabei auf große Schwierigkeiten. Man würde dann 
annehmen müssen, daß die peripherische Schicht an der Seite des 
Lumens immer anwachse und an der anderen Seite sich zu gleicher 
Zeit modifiziere; das heißt, daß sie celluloseärmer werde. Die 
Zunahme des eigentümlichen Membranstoffs innerhalb der peri- 
pherischen Schicht und das erste Auftreten derselben in der Zell- 
wand können aber durch Apposition nicht erklärt werden; für diesen 
Membranstoft muß man deshalb wohl Intussusception annehmen oder 
man würde annehmen müssen, daß sie z.B. durch eine Modifikation 
der Cellulose entstehe.e Meine Untersuchungen haben aber keine 
Resultate geliefert, auf deren Grund man eine Modifikation der 
peripherischen Schicht oder eine Umsetzung der Cellulose in die 
eieentümliche Ringsubstanz annehmen darf. 

Die Weise, auf welche der Ring in verschiedenen Entwick- 
lungsstadien an der Zellwand befestigt ist, ist auch schwierig mit 
einer Bildung durch Apposition in Einklang zu bringen. Die solide 
Befestigung des Ringes, und besonders der Übergang der peripheri- 
schen Schicht in die an das Lumen erenzende Zellwandschicht, 
weisen auf eine andere Bildungsweise hin. 

Nimmt man ausschließlich Intussusception an, so ist es leicht, 
eine einfache Vorstellung der Entstehung und der Entwicklung des 
Ringes zu geben, welche vollkommen mit allen Beobachtungen in 
Übereinstimmung ist. Der Prozeß fängt in der Zellwand an, und 
zwar in der an das Lumen stoßenden Schicht. In derselben er- 


170 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 


scheint durch Intussusception ein besonderer Membranstoff. Zu- 
eleich entsteht an der Innenseite der Zellwand eine kleine, ring- 
förmiee Erhabenheit, wobei der innerste Teil der Zellwand eine 
Falte bildet. Durch Intussusception bildet diese Erhabenheit sich 
zu dem Zellwandrine aus. Es findet dabei sowohl Intussusception 
der eieentümlichen Rinesubstanz als anderen Membranstoffs statt. 
In der peripherischen Schicht, die in den innersten Teil der Zell- 
wand übergeht und sich als eine Falte desselben zeigt, findet be- 
sonders Intussusception von Üellulose statt. 


Die Bildung der Tochterzellen. 


Die Zellwand berstet, wo der Ring an ihr befestigt ist. Die 
Spaltung fängt an ihrer Außenseite genau geerenüber der Mitte der 
Befestigungsstelle an und schreitet einwärts fort bis an den Ringe, 
aberin dem Ring selbst entstehtkeine Spalte. Der Ringe dehnt sich nach 
der Spaltung: schnell aus (Fig. 8, m; Fig. 9, m; Fig. 10, m; Fig. 
11, m) und bildet ein neues zylinderförmiges Membranstück zwischen 
den alten Membranteilen, an welchen es befestigt ist (Fig. 12, n). 
Das neue Membranstück wird ein Teil der oberen Tochterzelle. 
Oft dehnt der Ring sich gleichmäßige aus; es kommt aber auch vor, 
daß die Ausdehnung an der einen Seite etwas eher anfänet als an 
der anderen Seite (Fig. 10, m; Fig. 11, mn). 

Wenn der Ring sich streckt, hat die Scheidewand sich schon 
gebildet. Sie entsteht zwischen den beiden Toochterkernen als eine 
lose Platte (Fig. 8, v; Fig. 10, v). Während der Streckung des 
Ringes wird sie nach oben geschoben. Sie wandert nach dem 
neuen, zylinderförmigen Membranstück. Wenn sie in das untere 
Ende desselben eelanet ist, hört die Verschiebung auf. Die Platte 
bleibt da mit ihrem Rande an der Wand festsitzen (Fig. 12, »). 

In den beiden Tochterzellen entsteht jetzt durch Apposition 
eine Wand, die im Gegensatz mit dem neuen zylinderförmigen 
Membranstück reich an Cellulose ist. Die beiden neuen Wände 
bedecken überall die Zellwand an der Innenseite. Demzufolge wird 
die neue Querwand an beiden Seiten von einer cellulosereichen 
Wand bedeckt. Das neue zylinderförmige Membranstück wird an 
der Innenseite bedeckt. Es wird so zur Bekleidung der CGellulose- 
wand. 

Man ist wohl gezwungen, anzunehmen, daß die cellulosereichen 
Wandschichten, welche in den Tochterzellen entstehen, durch 
Apposition gebildet werden, weil man doch nicht annehmen kann. 
daß sie an verschiedenen Stellen aus drei ganz verschiedenen 
Membranteilen entstehen, nämlich aus dem gestreckten Ring, aus 
der dünnen Scheidewand und aus der alten Cellulosewand. Die 
Frage, ob die Öellulosewand nach ihrer Entstehung auch durch 
Intussusception wachse, bleibt hier unberücksichtigt. 

Wie oben erwähnt, unterscheidet das an das umgebende Medium 
stoßende Schichtchen der Bekleidung sich durch Gelbfärbung, wenn 
man die Zellwand mit Jodjodkaliumlösung und Schwefelsäure oder 
allein mit Jodjodkaliumlösung behandelt. Diese Modifikation konnte 


van Wisselineh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 171 


ich nicht unmittelbar nach der Spaltung der Zellwand beobachten, 
wenn der Ring sich zu strecken anfängt, sondern wohl bei etwas 
späteren Entwicklungsstadien. Die «eringe Modifikation entsteht 
also sehr wahrscheinlich auch unter dem Einfluß des umgebenden 
Mediums. E 

Bei der jungen, dünnen, noch losen Querwand habe ich 
auf verschiedene Weise versucht, Üellulose nachzuweisen. Es ist 
mir aber nicht gelungen. Nach Erwärmung bis auf 300° in Glyzerin 
konnte ich auch nicht bemerken, daß sie einen Rest hinterlassen 
hätte. Man darf also annehmen, daß sie keine Cellulose oder nur 
sehr seringe Spuren davon enthält. Bei der jungen Querwand 
habe ich weiter untersucht, ob sie überall zugleich entstehe, ob 
der Rand sich zuerst bilde und später der mittlere Teil, oder ob 
sie sich vielleicht auf eine andere Weise entwickele. Bei Be- 
handlung des indem Flemming’schen Gemisch gehärteten Materials 
konnte ich während der Auflösung des Cytoplasmas feststellen, dab 
die dünne Querwand sich anfangs nur durch den mittleren Teil 
des Protoplasten ausbreitet. Später. breitet sie sich bis an die 
Zellwand aus, wobei das wandständige Chromatophor durchschnitten 
wird. Bei der Untersuchung von lebendigem Material habe ich 
auch auf diese Erscheinung acht gereben und ich sah, daß die 
Änderung, die das Chromatophor während der Teilung erleidet, auf 
eine Durchschneidung in zentrifugaler Richtung hinweist. 


Verschiedenheiten bei der Spaltung der Zellwand. 


Oben habe ich die Bildung der beiden Tochterzellen im all- 
semeinen beschrieben. Der Ring nimmt einen bedeutenden Anteil 
an der Membranbildung der oberen Tochterzelle. Entstanden in 
der innersten Zellwandschicht, bildet er wie durch einen Zauber- 
schlage den äußeren Teil eines neuen Membranstückes. Die Spal- 
tung der alten Zellwand geht dieser merkwürdigen Erscheinung 
voran. Diese Spaltung zeigt Verschiedenheiten, die mit Eigen- 
tümlichkeiten der Zellwand und mit der Stelle des Ringes in Ver- 
bindung stehen. Unten werde ich die verschiedenen Fälle be- 
handeln, die sich bei der Spaltung ereignen können. 

Wie oben erwähnt, spaltet nur die alte Zellwand. Diese ist 
aus zwei verschiedenen Schichten zusammengesetzt, von denen ich 
die äußere die Bekleidung und die innere die Öellulosewand ge- 
nannt habe. In einigen Fällen spalten sich diese beiden Schichten, 
in anderen Fällen spaltet sich nur die innere Schicht. Wenn beide 
Schichten spalten (Fig. 8 und 9, untere Zelle), wird die Bekleidung 
in zwei Stücke zerteilt, die sehr verschiedener Länge sind; das 
obere Stück hat die Form eines platten Ringes (Fig. 9, unteres 
Stück 5); das untere Stück ist zylinderförmig (Fig. 9, unteres 
Stück @). Wenn in der oberen Tlochterzelle der Zellteilungsprozeb 
sich wiederholt, nimmt der neue Zellwandring eine solche Stellung 
ein (Fig. 1, j, unten), daß bei der Spaltung der Zellwand die zu- 
letzt gebildete Bekleidung auch wieder in zwei ungleiche Stücke 
zerteilt wird, nämlich ein kurzes oder ringförmiges oberes, und ein 


172 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonsum. 


langes oder zylinderförmiges unteres. Das ringförmige Stück ist 
vewöhnlich ebenso breit wie das früher gebildete. Wenn der Prozeß 
sich einige Male in der oberen Tochterzelle wiederholt, so bekommt 
man zuletzt eine Zelle mit einer Bekleidung, die aus mehreren 
ringförmigen Stücken und aus einem zylinderförmigen Stück besteht. 
Wie ich schon oben erwähnt habe, können alle diese Bekleidungs- 
stücke bei in Flemming’schen Gemisch gehärtetem Material durch 
Chromsäure sehr deutlich nachgewiesen und leicht isoliert werden. 
Aus Obigem zeht hervor, daß die ringförmigen Stücke von ver- 
schiedenem Alter sind; das oberste ist das älteste. Wie die ring- 
förmigen Bekleidungsstücke, so ist auch die cellulosereiche Zell- 
wand, die sich unmittelbar unter diesen Bekleidungsstücken befindet, 
von verschiedenem Alter. Die älteren Stückchen der Membran 
ragen über die später gebildeten etwas hervor und demzufolge ist 
die Zellwand mit herumlaufenden Rippen ausgestattet und zeigt 
Querstreifen. Die hervorragenden Teile der Membran erhalten eine 
schiefe Stellung und sind kleinen Kappen ähnlich (Fig. 1, 9; Fig. 8, 9). 


Wie oben erwähnt, wird nicht immer bei der Spaltung der 
Zellwand von der zylinderförmigen Bekleidung ein rineförmiges 
Stück abgeschnitten (Fig. 10 und 11, untere Zelle). Die Bekleidung 
bleibt dann während der Spaltung der Zellwand ein Ganzes (Fig. 11,« 
unten) und nach der Einwirkung der Chromsäure findet man kein 
rineförmiges Bekleidungsstück. Wenn dieser Fall sich ereignet, 
spaltet sich nur die Cellulosewand. Die Stelle. die der Ring ein- 
nimmt, ist dann hiermit in Übereinstimmung. Er befindet sich 
hoch oder ganz oben in der Zelle dicht an der Stelle, wo die Be- 
kleidungen von zwei Zellen sich nähern. Das neue, zylinderförmige 
Membranstück, das aus dem Ring entsteht, wird die Bekleidung 
der oberen Tochterzelle, und die schon vorhandene Bekleidung der 
Mutterzelle wird die Bekleidung der unteren Tochterzelle. Dieser 
letztere Fall scheint einfacher als der zuerst behandelte; er kann 
jedoch Anlaß geben zur Entstehung von Zellen mit sehr komplizierter 
Wandstruktur. Das alte Membranstück der unteren Tochterzelle 
sreift etwas über die neue Membran der oberen Tochterzelle. 
Wenn Ringebildunge und Spaltung der Zellwand sich wiederholen, 
so wird der übergreifende Teil (Fig. 10, f; Fig. 1, f) immer größer. 
Dieses rührt daher, daß die Stelle, die der Ring einnimmt und wo 
die Zellwand berstet, sich jedesmal etwas niedriger befindet. Dem- 
zufolge ist nach jeder Zellteilung die Hülle, welche die obere 
Tochterzelle an ihrem unteren Teil umgibt, etwas größer geworden. 
Diese Hülle zeigt Querstreifen, weil sie an der Innenseite mit 
Rippen ausgestattet ist (Fie. 1, f). Die jüngeren Teile der Cellu- 
losewand sind nämlich jedesmal etwas kürzer als die älteren. An 
der Außenseite setzt die Bekleidung sich über die Hülle fort und 
ist dieselbe glatt. 


Oft findet sich unmittelbar unter einer Zelle, die mit einer 
die höhere Zelle umgebenden Hülle ausgestattet ist, eine Zelle mit 
mehreren Kappen (Fig. 1). 


van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Vedogonum. 173 


Die Scheitelzelle. 


Wie oben erwähnt, ist bei der Scheitelzelle die Bekleidung 
oft aus einem Stück gebildet. das die Cellulosewand an der Außen- 
seite überall gleichmäßig bedeckt (Fig. 18, c). Es versteht sich 
von selbst, daß eine derartige Bekleidung unmöglich aus einem 
Ringe entstanden sein kann. Das ist denn auch nicht der Fall. 
Sie entsteht aus einem Membranstück, das einem Näpfchen ähnlich 
ist, dessen Rand an der Innenseite verdickt ist (Fig. 13, o; Fig. 33, 0). 
Dieses Membranstück ist identisch mit dem Zellwandring. Beide 
entstehen auf eine analoge Weise; ihre innere und äußere Struktur 
zeigt wichtige Punkte der Übereinstimmung; ihr Verhältnis Reagentien 
gegenüber ist ganz dasselbe und sie bilden unter ähnlichen Er- 
scheinungen die äußere Schicht einer neuen Membran. Der napf- 
förmige Zellwandteil bildet sich, wie der Ring, an der Innenseite 
der Zellwand oben in den Zellen. Während Ringe sich in allen 
Zellen bilden können, entstehen die napfförmigen Zellwandteile fast 
ausschließlich in den einzelligen Keimpflänzchen und in den Scheitel- 
zellen. Die Bildung dieser napfförmigen Zellwandteile ist, wie bei 
dem Ring, verbunden mit einer Modifikation der innersten Schicht 
der Cellulosewand, in welcher derselbe eigentümliche Membranstoff 
entsteht, welchen man in dem Ringe findet. Demzufolge wird das 
Näpfchen durch Jodjodkaliumlösung violett gefärbt und schwillt es 
nach Hinzufügung verschiedener Reagentien selbst von Jodjodkalium- 
lösung auf. In dem Flemming’schen Gemisch wird es gehärtet. 
Es leistet dann der Einwirkung einer Chromsäurelösung Widerstand, 
weshalb es isoliert werden kann (Fig. 14; Fig. 34, 0). Ebenso 
wie bei dem Ringe gelingt es auch, bei dem Näpfchen mit Jodjod- 
kaliumlösung und Schwefelsäure von 76 °/, eine Cellulosereaktion 
zu erhalten. Die an das Lumen stoßende Schicht ist reicher an 
Cellulose als der übrige Teil des Näpfchens. 


Der dicke Rand des Näpfchens bildet sich auf ähnliche Weise 
wie der Ringe. Er bekommt an der Außenseite auch ein Leistchen 
(Fig. 14, s,; Fig. 34, s,), das dem unteren der beiden Leistchen, 
die sich an dem Ring befinden, entspricht. An der Oberseite geht 
der dicke Rand in den innersten modifizierten Teil der Zellwand 
über. Unmittelbar über dem oben erwähnten Leistchen spaltet sich die 
alte Zellwand bis an das Näpfchen. Das Näpfchen, besonders der 
dicke Rand, dehnt sich nach der Spaltung aus (Fig. 35, 0; Fig. 36 0) 
und bildet ein Membranstück von gleichmäßiger Dicke, das am 
Scheitel geschlossen und unten offen ist (Fig. 18, ce). Der abee- 
schnittene Teil der alten Wand der Scheitelzelle wird nach einiger 
Zeit abgeworfen. Oft kann man beobachten, daß dieser einem 
Mützchen ähnliche Zellwandteil noch auf der Scheitelzelle sitzt 
oder an derselben hängt (Fig. 35, w). Nach der Spaltung der 
Zellwand wandert die schon gebildete Querwand (Fig. 35, v) nach 
dem neuen Membranstück und bleibt in dessen unterem Ende sitzen 
(Fig. 12, v). In beiden Tochterzellen bildet sich darauf eine cellulose- 
reiche Membran, die Cellulosewand. Der ausgewachsene napfförmige 
Zellwandteil ist jetzt die Bekleidung der Scheitelzelle geworden, 


174 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogomium. 


Wenn eine Scheitelzelle, die eine Bekleidung hat, wie oben 
beschrieben worden ist, sich teilt, so bildet sich in dem oberen 
Ende gewöhnlich ein normaler Zellwandring (Fig. 21, j; Fig. 22,5). 
Bei der Spaltung der Zellwand wird die Bekleidung dann in zwei 
Stücke zerteilt, ein napfförmiges und ein zylinderförmiges. Letzteres 
wird zur Bekleidung der unteren Tochterzelee Das napfförmige 
und ein neues zylinderförmiges, das aus dem Zellwandring ent- 
standen ist, werden zur Bekleidung der oberen Tochterzelle oder 
neuen Scheitelzelle..e Wenn letztere sich teilt, so ist solches ge- 
wöhnlich wieder mit der Bildung eines Zellwandringes verbunden. 
Die Stelle, welche derselbe einnimmt, ist etwas mehr vom Scheitel 
entfernt ‘als die Stelle des vorigen Ringes (Fig. 23, 5; Fig. 24, 7). 
Bei der Spaltung der Zellwand wird demzufolge das zylinderförmige 
Stück der Bekleidung in zwei ungleiche Stücke zerteilt, einschmales 
ringförmiges und ein langes zylinderförmiges. Das vorhandene 
napfförmige, das abgeschnittene ringförmige und das neue aus dem 
Ring entstandene zylinderförmige Stück werden nun die Bekleidung 
der neuen Scheitelzelle. Nach jeder Teilung in der Scheitelzelle 
hat die Zahl der ringförmigen Bekleidungsstücke sich um eins ver- 
mehrt (Fig. 25; Fig. 26). Ich konnte bisweilen drei derartige 
Stücke unterscheiden (Fig. 27; Fig. 28, b). 


Die erste Teilung in dem einzelligen Keimpflänzchen ist nicht 
immer mit der Bildung eines napfförmigen Zellwandteils verbunden. 
Es kann vorkommen, daß sich bei der ersten Teilung ein Zell- 
wandring (Fig. 15, ?; Fig. 16) bildet, der sich nach der Spaltung 
der Zellwand zu einem zylinderförmigen Membranstück ausdehnt 
(Fig. 19; Fig. 20), welches zur Bekleidung der Scheitelzelle wird. 
In diesem Fall wird die alte Cellulosewand am Scheitel nicht 
abgeworfen, sondern sie bleibt erhalten (Fig. 19, %). Die neue 
Cellulosewand legt sich dort an die alte. Weil die alte Cellulose- 
wand dicker ist als die Bekleidung, so sieht die Scheitelzelle anders 
aus als eine Scheitelzelle mit vollständiger Bekleidung (vergleiche 
Fig. 17 und 19). 


Wenn bei der Scheitelzelle der Zellteilungsprozeß sich auf 
die obenerwähnte Weise wiederholt, so wird bei der Spaltung der 
Zellwand von der zylinderförmigen Bekleidung ein schmaler Streifen 
abgeschnitten (Fig. 29; Fig. 30). Dieser schmale ringförmige Streifen 
und die neue zylinderförmige Bekleidung werden die Bekleidung der 
oberen Tochterzelle, d.h. der neuen Scheitelzelle (Fig. 31; Fig. 32). 
Wenn nun einer folgenden Zellteilung die Bildung eines Näpfchens 
vorhergeht, so wird am Scheitel die vorhandene Öellulosewand als 
Mützchen abgeworfen (Fig. 35, «.. Am Rande dieses Mützchens 
findet man bisweilen einen oder ein paar Ringe, die bei dem im 
Flemming’schen Gemisch gehärteten Material der Einwirkung 
einer Chromsäurelösung Widerstand leisten (Fig. 36, «,). Es sind 
rinsförmige Bekleidungsstücke, die von zylinderförmigen abgeschnitten 
worden sind. Bisweilen haben diese Ringe nur eine sehr geringe 
Dieke und man muß sie dann als Reste von mehr oder weniger 
zurückgegangenen Bekleidungsstücken betrachten. 


van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 115 


Bisweilen kommt es vor, daß bei der Teilung einer Scheitel- 
zelle, die mit einer vollständigen Bekleidung aus einem Stück oder 
mit verschiedenen Bekleidungstücken, napf-, ring-undzylinderförmigen, 
ausgestattet ist, sich anstatt eines gewöhnlichen Ringes ein napfför- 
miger Zellwandteil bildet, der zur Bekleidung der oberen Tochterzelle 
wird; das heißt der neuen Scheitelzelle. Scheitelzellen, die auf diese 
Weise gebildet sind, zeigen ein sehr eigentümliches Mützchen (Fig. 
37; Fie. 39). Die Cellulosewand des Mützchens ist nämlich mit 
einer Bekleidung versehen, die aus einem oder mehreren Teilen. be- 
steht, aus einem napfförmigen Teil und bisweilen auch noch aus 
einem oder mehreren ringförmigen (Fig. 38, d, b; Fig. 40, d, b). 

Nach der ersten Teilung sind die Teilungen in der Fußzelle 
mit gewöhnlicher Ringbildung verbunden (Fig. 17, 7). 


Über die Entwicklung der Keimpflänzchen überhaupt. 


Wenn man die abnormen Fälle unberücksichtigt läßt, so bietet 
die Entwicklung der Pflänzchen noch eine große Verschiedenheit 
dar. Die verschiedenen Fälle, die sich bei der Längswandbildung 
ereienen können, sind im Allgemeinen nicht an bestimmte Zellen 
sebunden. Zudem folgen die Zellteilungen bei den verschiedenen 
Pflänzchen durchaus nicht auf dieselbe Weise aufeinander. Dem- 
zufolge sind die Pflänzchen oft von der ersten Teilung an schon 
verschieden, besonders gilt das für die Bekleidung der verschiedenen 
Zellen. Aus dem verschiedenen Verhalten der Bekleidung kann 
man bisweilen auf die Weise schließen, in welcher ein Pflänzchen 
sich entwickelt hat. 

Bei der ersten Teilung in dem einzelligen Pflänzchen, welches mit 
einem verzweigten Fuß an einem Blatt oder an etwas anderes befestigt 
ist, können, wie oben erwähnt, zwei verschiedene Fälle vorkommen. 
Die Scheitelzelle bekommt nämlich entweder eine vollständige 
Bekleidung (Fig. 17; Fig. 18, ec) oder die Bekleidung fehlt am 
Scheitel (Fig. 19, h; Fig. 20). Die folgende Teilung findet bald 
in der Scheitelzelle, bald in der Fußzelle statt. Wenn die zweite 
Teilung in der Scheitelzelle stattfindet, teilt sich darauf gewöhnlich 
die Fußzelle, und wenn von beiden Zellen die Fußzelle sich zuerst 
teilt, findet die dritte Teilung meistens in der Scheitelzelle statt. 
Auf beide Arten erhält man ein vierzelliges Pflänzchen. Wenn 
bei der ersten Teilung die Scheitelzelle eine vollständige Bekleidung 
erhalten hat, besteht später die Bekleidung der Scheitelzelle beim 
vierzellieen Pflänzchen aus zwei Stücken, einem zylinderförmigen 
und einem kegel- oder halbkugelförmigen (Fig. 45; Fie. 46). Figur 
43 stellt ein dreizelliges Pflänzchen vor, das sich wahrscheinlich 
auf folgende Weise entwickelt hat: Bei der ersten Teilung Bildung 
einer Scheitelzelle mit vollständiger Bekleidung (Fig. 44, c) und 
die zweite Teilung in der Fußzelle. Wenn die dritte Teilung dann 
in der Scheitelzelle stattfindet, so erhält man ein vierzelliges 
Pflänzchen, wie oben erwähnt. Viele derartige vierzellige Pflänzchen 
habe ich wahrgenommen, die sich vermutlich auf eine der ‚beiden 
oben erwähnten . Arten entwickelt hatten. Mit Gewißheit Kann 


176 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonsum. 


das aber nicht gesagt werden, da auch noch eine andere Bildungs- 
weise möglich ist, nämlich bei der ersten Teilung Bildung einer 
Scheitelzelle mit einer zylinderförmigen Bekleidung, die zweite 
Teilung in der Scheitelzelle und Bildung einer neuen Scheitelzelle 
mit einer vollständigen Bekleidung. Man erhält auf diese Weise 
auch ein dreizellives Pflänzchen, wie in Fieur 43 dargestellt ist. 
Die dritte Teilung findet wieder in der Scheitelzelle statt, wobei 
eine neue Scheitelzelle mit den zwei obengenannten Bekleidungs- 
stücken gebildet wird. Daß wirklich die zweite und die dritte 
Teilung in der Scheitelzelle stattfinden können, hat sich beim 
Studium anderer Pflänzchen gezeigt. Ich untersuchte nämlich vier- 
zellige Pilänzchen, wobei die Scheitelzelle mit drei Bekleidungs- 
stücken versehen war, mit einem kegel- oder halbkugelförmigen, 
einem ringförmigen und einem zylinderförmigen (Fig. 47; Fig. 48). 
Daraus kann man schließen, auf welche Weise sie sich entwickelt 
haben. Wenn die Scheitelzelle mit zwei Bekleidungsstücken aus- 
gestattet ist, mit einem kegel- oder halbkugelförmigen und mit 
einem zylinderförmigen, so hat wenigstens eine Teilung in der 
Scheitelzelle stattgefunden. Wenn sich zwischen beiden Bekleidungs- 
stücken noch ein ringförmiges befindet, so deutet das auf zwei 
Teilungen in der Scheitelzelle hin, während zwei oder drei ring- 
förmigre Bekleidungsstücke zwischen den beiden anderen drei oder 
vier Teilungen in der Scheitelzelle anzeigen. Daraus folgt, dab 
bei den letzgenannten vierzelligen Pflänzchen die zweite und auch 
die dritte Teilung in der Scheitelzelle stattfanden. Eine andere 
Erklärung kann in diesem Falle nicht gegeben werden. Scheitel- 
zellen mit drei verschiedenen Bekleidungsstücken, wie oben erwähnt, 
kommen bei zwei- und dreizelligen Pflänzchen nicht vor, während 
eine Scheitelzelle mit zwei verschiedenen Bekleidungsstücken wohl 
bei dreizelligen Pflänzchen, aber nicht bei zweizelligen vorkommen 
kann. Bei zweizelligen Pflänzchen bildet die Bekleidung der Scheitel- 
zelle immer ein Ganzes. 

Das in Figur 49 dargestellte fünfzellige Pflänzchen ist ver- 

mutlich aus einem dreizelligen Pflänzchen entstanden, wie in Figur 43 
abgebildet ist, durch eine Teilung in der Scheitelzelle und eine 
Teilung in der mittleren Zelle, wobei Bildung eines ringförmigen 
Bekleidungsstückes stattfand (Fig. 50, b). 
Wie oben erwähnt, erhalten die Pflänzchen oft schon bei der 
ersten Teilung eine Scheitelzelle mit einer vollständigen Bekleidung. 
In anderen Fällen findet das viel später statt. Ich konnte die 
Bildung derartiger Scheitelzellen bei fünf-, sechs- und elfzelligen 
Pflänzchen beobachten. Da nicht nur die Scheitelzelle, sondern 
auch andere Zellen sich auf verschiedene Weise entwickeln, so 
kann man bei den Pflänzchen, obgleich sie nur aus einer Zellen- 
reihe gebildet sind, doch eine große Mannigfaltigkeit der Form 
beobachten. 


Abnorm entwickelte Zellen. 


In einigen Fällen ist die Zellteilung offenbar gestört worden, 
und zeigen die Zellen dementsprechend Abweichungen. 


van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 177 


Zwischen den normalen Zellen kommen bisweilen sehr große 
Zellen mit großen Kernen vor, und mit einer Bekleidung, die aus 
zwei oder drei ungefähr eleicheroßen zylinderförmigen Stücken zu- 
sammengesetzt ist. Diese Zellen sind wahrscheinlich entstanden, 
indem bei der Karyokinese der Kern sich nicht geteilt hat und die 
Scheidewandbildung ausgeblieben ist!). Bei der Scheitelzelle und 
der Fußzelle können ähnliche Erscheinungen vorkommen (Fig. 41; 
Fig. 42). 

Bei Beobachtung eines fünfzelligen Pflänzchens wurde meine 
Aufmerksamkeit auf die mittelste Zelle gelenkt. Sie war dreimal 
länger als die anderen Zellen (Fig. 51. Aus der Untersuchung 
ergab sich, daß die Bekleidung aus fünf Teilen zusammengesetzt 
war, aus drei ungefähr gleicheroßen zylinderförmigen und aus zwei 
schmalen rineförmigen Stücken; die letzteren befanden sich an dem 
oberen Ende der Zelle (Fig. 52). Die Zahl und die Verschieden- 
heit der Bekleidunesstücke wie auch ihre Stelle deuteten darauf 
hin, daß die Zelle wahrscheinlich auf die folgende Weise entstanden 
war: Oben in einer anfangs normalen Zelle entstand zweimal ein 
sewöhnlicher Zellwandrine, worauf jedesmal Spaltung der Zellwand 
und Bildung eines neuen Membranstückes folgte. Der zweite Ring 
bildete sich etwas niedriger als der erste. Das oberste ringförmige 
und das unterste zylinderförmige Bekleidungsstück waren anfangs 
ein Ganzes, das aus einem Zellwandring entstanden war. Das 
unterste rineförmige und das mittelste zylinderförmige Bekleidungs- 
stück bildeten auch ein Ganzes, das aus einem anderen Ring ent- 
standen war. Das oberste zylinderförmige Stück hatte sich zuletzt 
aus einem Zellwandring gebildet. 

Einmal fand ich ein achtzelliges Pflänzchen mit einer sehr 
oroßen Scheitelzelle, die mit sechs Bekleidungsstücken versehen 
war, mit einem napiförmigen, zwei ringförmigen und drei ungefähr 
gleich großen zylinderförmigen. Wahrscheinlich ist diese Scheitel- 
zelle aus einer normalen Scheitelzelle mit einem napfförmigen und 
einem zylinderförmigen Bekleidungsstück entstanden und zwar auf 
eine ähnliche Weise wie die mittelste Zelle des oben erwähnten 
fünfzelligen Pflänzchens. 

Eigentümliche Fußzellen fand ich bei einem dreizelliven und 
bei einem zweizelligen Pflänzchen. Sie waren aus zwei ver- 
schiedenen Teilen zusammengesetzt, aus einem oberen mit einer 
zylinderförmigen Bekleidung und einem unteren von der Gestalt 
einer gewöhnlichen Fußzelle und ohne Bekleidung. Die mittlere 
Zelle des dreizelligen Pflänzchens hatte eine zylinderförmige Be- 
kleidung und die Scheitelzelle war mit zwei Bekleidungsstücken 
ausgestattet, nit einem napfförmigeen und mit einem zylinder- 
förmigen. Das dreizellige Pflänzchen kann sich auf die folgende 
Weise entwickelt haben. Die Bildung eines napfförmigen Zell- 
wandteils ist der ersten Zellteilung vorangegangen und das Re- 
sultat dieser Teilung war eine eewöhnliche Fußzelle und eine 

') Siehe über karyokinetische Prozesse ohne eigentliche Kernteilung meine 
Abhandlung: „Über abnormale Kernteilung“. (Botan. Zeit, 1903. Erste Abt, 
S, 219 u. 220.) 

Beihefte Bot, Centralbl. Bd, XXIII, Abt. I. Heft 3, 12 


178 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 


Scheitelzelle mit vollständiger Bekleidung. Die Scheitelzelle hatte 
sich später auf normale Weise geteilt und aus der normalen Fuß- 
zelle hatte sich nach der Bildung eines Ringes die große abnormale 
Fußzelle entwickelt. 

Die Eigentümlichkeiten des zweizelligen Pflänzchens deuteten 
auf eine Teilung der großen abnormalen Fußzelle Die Scheitel- 
zelle war nämlich mit zwei Bekleidungsstücken versehen, mit 
einem rineförmigen und mit einem zylinderförmigen, was auf die 
folgende Entwicklung hinwies. Aus einem sewöhnlichen Keim- 
pflänzchen war nach der Bildung eines Zellwandringes die eroße 
Fußzelle entstanden, wobei Kern- und Zellteilung ausblieben. 
Später hatte die Fußzelle einen Zellwandring «ebildet und hatte 
sich geteilt, wobei die beiden Tochterzellen jede einen Kern 
erhielten. Bei der Spaltung der Zellwand war von der zylinder- 
förmigen Bekleidung das obengenannte ringförmige Stück abee- 
schnitten. Nur auf diese Weise ist die Anwesenheit dieses Be- 
kleidunesstückes zu erklären. 

Einmal konnte ich in einer großen Zelle mit zwei zylinder- 
förmigen Bekleidungen, wie oben beschrieben, einen Zellwandring 
beobachten, bei dem sich die folgende Eigentümlichkeit darbot: 
Die Modifikation der innersten an das Lumen stoßenden Zellwand- 
schicht hatte sich viel mehr nach unten ausgebreitet als bei nor- 
malen Ringen der Fall ist. Der modifizierte Teil der Zellwand 
wurde nach unten allmählich dünner. 

Bisweilen bildet sich ein Zellwandrine: und bleiben die Spaltung 
der Zellwand, die Kernteilung und die Zellteilung aus. In diesem 
Fall dehnt der Ring sich nicht aus. Später bildet sich eine cellu- 
losereiche Zellwandschicht, die auch den Ring bedeckt. 

Noch verschiedene andere Abnormitäten können vorkommen. 
Einmal sah ich an der einen Seite der Zellwand eine Spalte ent- 
stehen und den Zellwandring sich strecken, während an der gegen- 
übergestellten Seite die Spaltung und die Streckung ganz aus- 
blieben. Demzufolge wurde das Pflänzchen knieförmie umgebogen 
unter Bildung eines rechten Winkels. { 

Bisweilen fand ich mehrere Ringe bei einander. Einmal sah 
ich drei Ringe bei einander, einen von gewöhnlicher Größe und 
zwei kleinere; von einer cellulosereichen Zellwandschicht waren sie 
alle zusammen bedeckt. Spaltung der Zellwand und Streckune 
der Ringe waren in diesem Fall auszeblieben. Bei Behandlune 
mit einer Chromsäurelösung blieben die Ringe, die in dem Flem- 
ming’schen Gemisch gehärtet waren. mit einander verbunden. 
Bei lebendigem Material konnte ich auch einmal drei Ringe bei 
einander wahrnehmen. Im Gegensatz zum vorigen Fall sah ich, 
daß die Zellwand sich spaltete und daß die Ringe, indem sie sich 
streckten, kurze Membranstücke bildeten. 


Kritisches. 


Wie schon oben erwähnt, sind oft die Resultate der Autoren 
nicht mit einander in Übereinstimmung. Meine eigenen Resultate 


van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 179 


sind in mancher Hinsicht von den früher erhaltenen verschieden. 
In diesem Abschnitt werde ich auf übereinstimmende Resultate 
und auf Verschiedenheiten hinweisen. Wo die Ansichten anderer 
Autoren mit den meinigen unvereinbar sind, werde ich versuchen, 
die Unhaltbarkeit ersterer zu beweisen. 

Was die chemische Natur des Ringes angeht, so stimmen 
meine Resultate am meisten mit denen von Klebahn (S. 240) und 
Hirn (I, S. 6 u. 7) überein. Ich nehme auch an, daß in dem 
Ringe ein besonderer Membranstoff vorhanden ist. 

Nach einigen Untersuchern ist der Ring unmittelbar an der 
Zellwand befestigt, nach anderen sitzt er auf einer Leiste. Bei 
der von mir untersuchten Art sitzt der Ring, wenn er noch nicht 
vollständige ausgebildet ist, auf einer Leiste, aber später nicht mehr. 
Obgleich die Resultate der Autoren verschieden sind, können also 
ihre Beobachtungen, was diesen Punkt betrifft, doch ganz richtig sein. 

Wie Pringsheim (I, S.35), Strasburger (III, S. 165) und 
Hirn (I, S. 7) habe ich bei dem Ring eine peripherische Schicht 
und einen zentralen Teil unterscheiden können, aber nicht, wie 
Wille (S. 445), einen lamellösen Bau. Ich habe auf diesen Punkt 
besonders meine Aufmerksamkeit gerichtet, aber weder bei leben- 
dieem noch bei gehärtetem Material und auch nicht mit Hilfe von 
Reagentien habe ich einen lamellösen Bau wahrnehmen können. 
Wohl konnte ich bisweilen Kleine Querfalten an der Innenseite des 
Ringes beobachten (Fig. 42 unten).” Dieselben können verursachen, 
daß der Ring bisweilen einige undeutliche bogenförmige Linien 
zeigt, was vermutlich die Annahme einer Schichtung veranlaßt hat. 
Was der Unterschied zwischen der peripherischen Schicht und dem 
zentralen Teil angeht, so weichen meine Resultate von denen 
anderer Autoren ab. Nach Hirn (I, S. 7), der auf diesen Punkt 
besonders seine Aufmerksamkeit gerichtet hat, ist der zentrale 
Teil aus einer schleimartigen Masse gebildet und besteht die 
peripherische Schicht aus Cellulose. Den eigentümlichen Membran- 
stoff, welcher in dem Ringe vorkommt, habe ich auch in der peri- 
pherischen Schicht und sogar in dem innersten Teil der Zellwand 
sefunden, während ich Cellulose auch in dem zentralen Teil des 
Ringes nachweisen konnte. Ich habe nur feststellen können, dab 
(lie peripherische Schicht sich von dem zentralen Teil durch einen 
höheren Cellulosegehalt unterscheidet. 

Die Ansichten der verschiedenen Autoren über den Ursprung 
und die Entwicklung des Ringes sind sehr verschieden. Nach 
Pringsheim,. Nägeli. Hofmeister, Strasburger und Hirn 
ist der Ring vom Anfang an zwar an der Zellwand befestigt, aber 
sein Ursprung und seine Entwicklung sind ganz unabhängig von 
derselben. Hirn (I, 5.7 u. 8) sucht das zu beweisen durch seine 
plasmolytischen Versuche mit Zuckerlösungen. Ich habe bei Oedo- 
gonvum cyathigerum diese interessanten Versuche wiederholt. Die 
dabei erhaltenen Resultate werde ich hier mitteilen. Zehn Gramm 
Zucker löste ich in 100 cem Grabenwasser. In dieser Lösung 
verweilten die Pflänzchen drei Tage. Dann brachte ich einen Teil 
derselben in das Flemming’sche Gemisch und einen anderen Teil 

122 


180 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonmum. 


in Spiritus. Die m dem Flemming’schen Gemisch gehärteten 
Pflänzchen untersuchte ich mit einer Chromsäurelösung von 20 9: 
das Spiritusmaterial behandelte ich mit verschiedenen Reagentien. 
Die Zuckerlösung rief Plasmolyse hervor. Nach zwei Tagen konnte 
ich in den Zellen mit Ringen und in denen, in welchen die Ring- 
bildung gerade angefangen hatte, eine abnorme Wandbildung be- 
obachten. Gewöhnlich sah ich, daß da, wo der Protoplast sich von 
der Zellwand zurückgezogen hatte, eine neue Wand entstanden 
war. In Zellen, in welchen die Rinebildung schon weit vorgerückt 
war, konnte ich am oberen Ende des Protoplasten mehrere La- 
mellen wahrnehmen (Fig. 53, %y). ‘In anderen Zellen sah ich 
zwischen der Stelle, wo die Ringbildung gerade angefangen hatte. 
und der neugebildeten Wand oben an dem Protoplast eine eigen- 
tümliche Membranstoffmasse (Fig. 54, x). Selten hatte sich, wie 
Hirn beobachtete, um dem oberen halsartig verengten Teil des 
kontrahierten Protoplasten eine Masse ausgeschieden, die einiger- 
maßen einem Ring ähnlich war. Die chemische Untersuchung der 
sebildeten Teile zeigte, daß sie nicht aus einer schleimartigen 
Masse bestanden, sondern hauptsächlich aus Membranstoff, der reich 
an Cellulose war. Mit einer Jodjodkaliumlösung und Schwefelsäure 
von 65 oder 76 °/, erhielt ich eine starke Cellulosereaktion und 
nach Erwärmung in Glyzerin bis 300° C. waren bedeutende Cellu- 
losereste zurückzeblieben. Die verschiedenen Teile hatten nach 
der Erwärmung ihre Form beibehalten. Ich bemerke, daß sie sich 
nach der Erwärmung in Glyzerin mit Jodjodkaliumlösung violett 
färben und daß sie sich in dieser Hinsicht deshalb wie die Zell- 
wand und der Ring verhalten. Mit Rutheniumroth nehmen sie 
eine hellrote. Farbe an. Aus Obigem geht hervor, daß diese Ge- 
bilde sich Reagentien gegenüber im Alleemeinen wie die Öellulose- 
wand verhalten. Bei der Untersuchung des in dem Flemming'’- 
schen Gemisch gehärteten Materials mit einer Chromsäurelösung 
von 20 °, konnte ich jedoch feststellen, daß bisweilen eine oder 
mehrere Lamellen von den übrigen verschieden waren. Sie lösten 
sich in der Chromsäurelösung nicht, sondern sie verhielten sich 
ganz auf dieselbe Weise wie die Bekleidung der Membran (Fig. 55, %,). 

Nachdem ich die oben erwähnten Versuche gemacht hatte, 
habe ich mich gefragt, welche Bedeutung die Versuche von 
Hirn für die Kenntnis des Ursprungs und der Entwicklung des 
Ringes haben, wenn er sich unter normalen Umständen bildet? 
Ich bemerke, daß, was ich bei Oedogonium in Zuckerlösungen ent- 
stehen sah, gewöhnlich einem Zellwandring nicht ähnlich ist. Hirn 
ist in dieser Hinsicht etwas elücklicher gewesen, obgleich die von 
ihm abgebildeten Ringe doch noch bedeutend von normalen ah- 
weichen. Auch muß man berücksichtigen, daß bei den Versuchen 
die Protoplasten sich unter sehr abnormen Umständen befinden. 
Wenn an der Stelle. wo der Protoplast sich von der Zellwand 
zurückgezogen hatte, etwas entsteht, das einem Ringe ähnlich ist. 
so ist es deutlich, daß die Zellwand daran keinen Anteil hat. 
Damit ist aber noch nicht bewiesen, daß unter normalen Umständen 
die Zellwand ebenso wenig bei der Rinebildung beteiligt sei. Wie 


van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 181 


merkwürdig die Versuche von Hirn auch sind, sie erklären nicht, 
wie der Ring unter normalen Umständen entsteht und wächst. 

Nach Wille (S. 444) fängt die Ringhbildung in der Zellwand 
in der Nähe des Lumens an. Nach Dippel (S.52) entsteht der 
Ring durch Faltung der ganzen inneren cellulosereichen Wand- 
schicht, nach de Bary (I, S.80) und H. vonMohl (S. 721) durch 
Faltung der inneren Lamelle der Zellwand und nach Hartig (S. 417) 
durch Faltung einer neugebildeten Schicht. Ich selbst nehme an, 
daß die Rinebildung in dem an das Lumen grenzenden innersten 
Teil der Cellulosewand anfängt, der eine Falte bilde. Dazu konnte 
ich nachweisen, daß die Rinebildung mit dem Auftreten eines eigen- 
tümlichen Membranstoffes verbunden ist. 

Die Frage, ob das Wachstum des Ringes mit Intussusception 
oder Apposition verbunden ist, ist auf verschiedene Weise beant- 
wortet worden. Man muß dabei berücksichtigen, daß einige Au- 
toren das Wachstum der Zellwände ausschließlich durch Intussus- 
ception und andere es ausschließlich durch Apposition erklären 
wollen, ungeachtet der Tatsache, daß die Untersuchung der meisten 
Zellwände weder Beweise zu Gunsten der einen noch der anderen 
Ansicht bringt. Nach Wille (S. 445) werden, während der Ring 
wächst, ununterbrochen Schichten eingelagert oder differenziert; 
nach Strasburger wächst er dagegen durch Auflagerung neuer 
Lamellen (II, S. 85). Später aber hat,Strasburger (III, S. 165) 
nochmals über das Wachstum des Ringes geschrieben, ohne dabei 
eine bestimmte Meinung auszusprechen. Die Schichten, von denen 
- Wille redet und welche er auch abgebildet hat, hat kein anderer 
Untersucher beobachtenkönnen, während Strasburzer (III, S.165) 
nur eine peripherische Schicht und einen zentralen Teil hat unter- 
scheiden können. 

Will man Beiträge zur Kenntnis des Wachstums der Zell- 
wand liefern, so muß man berücksichtigen, daß es ein sehr kom- 
plizierter Prozeß ist, wobei verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. 
Von jedem Fall muß ein besonderes und genaues Studium gemacht 
werden, ohne daß man dabei von der einen oder der anderen 
Theorie beeinflußt wird. In vielen Fällen wird man in seinen 
Hoffnungen getäuscht, weil es sehr schwer oder unmöglich ist, in 
dem einen oder anderen Sinne Schlüsse zu machen. In einigen 
Fällen zeigen sich die gewählten Objekte geeigneter zum Zweck 
und die Untersuchung liefert positivere Ergebnisse, wie z. B. bei 
Caulerpa der Fall gewesen ist. Ich selbst untersuchte u. a. Spiro- 
gyra*). Bei dieser Untersuchung war ich wohl gezwungen anzu- 
nehmen, daß beim Wachstum der Zellwand Apposition eine sehr 
bedeutende Rolle spiele, ohne daß ich Beweise beibringen Konnte, 
daß Intussusception ausgeschlossen sei. Bei der Untersuchung des 
tinges von Oedogonvum bin ich dagegen zu einem anderen Re- 
sultat gekommen. Die Entstehung und das Wachstum des Ringes 
kann ich nur erklären, wenn ich Intussusception annehme. 


!) Over Wandvorming by Kernlooze cellen. (Botanisch Jaarbock. 13° 
deel. 1904, mit einem Auszug im Deutschen.) 


182 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogomum. 


Über die der Streckung des Ringes unmittelbar vorhergehende 
Spaltung der Zellwand sind von verschiedenen Autoren Mitteilungen 
gemacht worden, die mit meinen bei Oedogonium cyathigerum er- 
haltenen Resultaten im Widerspruch sind. Pringsheim (II, S. 13) 
nimmt an, daß beim Aufbrechen der Zellwand der Zusammenhang 
oberhalb des Ringes aufgehoben wird. Mehrere Pflänzchen, in 
denen sich Zellen befanden mit Membranen, die sich gerade ge- 
spaltet hatten und mit Ringen, die in Streckung begriffen waren, 
habe ich bis auf 500° C in Glyzerin erwärmt. Der Zellinhalt und 
verschiedene Bestandteile der Zellwand zersetzen sich dabei und 
lösen sich. Falls Pringsheim’s Mitteilung richtig wäre, so würden 
die Pflänzchen an den Stellen, wo der Zusammenhang aufgehoben 
worden ist, gewiß auseinander fallen müssen. Das geschieht aber 
durchaus nicht. Die Celluloseskelette, welche die Pflänzchen zurück- 
lassen, bestehen aus Zellenreihen, die auch an den oben genannten 
Stellen ihren Zusammenhang beibehalten haben. 

Nach Strasburger (I, S. 189 u. 190; II, S. 85; IIIS. 165) 
berstet nicht allein die Zellwand, sondern entsteht auch in dem 
Ring eine Spalte. Wenn man beim Mikroskopisieren auf eine 
Stelle des Ringes einstellt, so befindet sich über und unter dieser 
Stelle die gespaltene Membran und es scheint auf den ersten Blick, 
als wenn auch der Ring oespalten wäre. Bei genauerer Beob- 
achtung zeigt es sich aber,. daß solches nicht der Fall ist. Unter- 
sucht man bei in dem Flemming’schen Gemisch gehärtetem Ma- 
terial den Ring in verschiedenen Entwicklungsstadien während und 
nach Auflösung der Cellulosewand in Chromsäurelösung, so kann 
man wohl feststellen, daß der Ring sich ausdehnt, aber nicht, daß 
er sich spaltet. 

Hirn (I, S. 8) erwähnt, daß die Celluloseschicht der Zell- 
wand durch einen Kreisriß entzwei geteilt wird, aber daß der 
äußere Teil oder die Outieula, von mir die Bekleidung genannt, 
dagegen ganz unregelmäßig entzwei gerissen wird. Bei Vedogonium 
cyathigerum habe ich ein ganz anderes Resultat erhalten. Bis- 
weilen bleibt die Bekleidung ein Ganzes und wird sie die Be- 
kleidung der unteren Tochterzelle; in anderen Fällen wird die Be- 
kleidung bei der Spaltung der Zellmembran in zwei Teile geteilt, 
einen kurzen rineförmigen und einen langen zylinderförmigen. Die 
Teilung findet immer auf sehr regelmäßige Weise statt, sodaß der 
abgeschnittene ringförmige Teil überall dieselbe Breite erhält. 
Nach Hirn können die Zellen sehr bald ihre zerrissene Outicula 
regenerieren. Ich habe jedoch nie eine Beobachtung gemacht, wo- 
raus sich eine Regeneration der Bekleidung vermuten ließ. 

Auf Grund meiner Untersuchungen nehme ich an, daß die 
Bekleidung ausschließlich aus dem Ringe entsteht, der in dem 
innersten Teil der Cellulosewand seinen Ursprung nimmt. Nie ent- 
wickelt die Bekleidung sich aus dem äußeren Teil der Membran 
oder entsteht sie auf derselben. 

Die meisten Autoren nehmen an. daß der äußere und der 
innere Teil der Zellmembranen zusammen aus dem Ring entstehen. 
Wille (S. 451) sagt aber, daß der Ring eine neue Membran bildet 


van Nessalin gh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 183 


und daß später durch eine Ausscheidung auf der Membran die Cu- 
tieula entsteht. Ich selbst bin zu einem Resultat gekommen, das 
mit keiner einzigen Ansicht der früheren Autoren übereinstimmt. 
Ich nehme an, daß der äußere Teil der Zellwand oder die Be- 
kleidung aus dem Ringe entsteht und daß der innere Teil oder die 
Cellulosewand später gebildet wird, wobei Apposition eine Rolle 
spielt. Durch Anwendung einer neuen Untersuchungsmethode bin 
ich zu dieser Ansicht gelangt. Die von mir angewendete Methode. 
härten in dem Flemming’schen Gemisch und isolieren mit Hilfe 
einer Chromsäurelösung, gestattet die Bildung des äußeren Membran- 
teils aus dem Ring Schritt für Schritt zu folgen, während die 
spätere Bildung des inneren Membranteils leicht festgestellt werden 
kann. Auffallend ist die verschiedene Intensität der Oellulose- 
reaktion bei der Zellwand vor und nach der Bildung des inneren 
Teils, besonders nach Erwärmung in Glyzerin bis auf 300° C. 

Ein sehr dünnes, an das umgebende Medium stoßendes Schicht- 
chen der Bekleidung erleidet eine geringe Modifikation. 

Die junge Querwand betrachte ich als eine lose Platte, die 
nach dem unteren Ende des aus dem Ring «ebildeten Membran- 
stückes wandert. In dieser Hinsicht bestätigen meine Unter- 
suchungen die Resultate einiger früherer Untersucher. Daß die 
junge Querwand während ihrer Bewegung aufwärts an der Seiten- 
wand festsitzt, wie Wille (S. 450) meint, ist sehr unwahrscheinlich. 
um daß man dann schwerlich erklären kann, daß sie sich bewegt. 
Daß sie nicht festsitzt, geht zudem hervor aus ihrem Verhalten 
bei der Plasmolyse und beim Finieren. Wenn der Protoplast sich 
von der Seitenwand zurückzieht, so geht die junge Querwand mit 
im Gegensatz zu der jungen Querwand bei Sprrogyra, die unter 
gleichen Umständen mit der Seitenwand verbunden bleibt. Als neu 
zu betrachten ist meine Ansicht, daß die Querwand nicht simultan 
entstehe. Zuerst entsteht ihr mittlerer Teil und später breitet sie 
sich aus. Verschiedene Beobachtungen deuten auf eine derartige 
Bildungsweise hin. 

Strasburger (I, S. 192) nennt die junge Querwand eine zarte 
Cellulosewand. Ich habe aber auf keinerlei Weise Cellulose in 
derselben nachweisen können. Wenn sie an die Stelle ihrer Be- 
stimmung gekommen ist, bildet sich bald der innere Membranteil. 
der sie an beiden Seiten bedeckt. 

Der erste Zellwandrine, der sich nach der Keimung einer 
Schwärmspore bildet, ist nach Hirn (I, S. 15 u. 16) ein wenig 
abweichend. Ich kam zum Resultat, daß in diesem Falle oft kein 
eigentlicher Ring gebildet wird, sondern ein Zellwandteil. der einem 
Näpfchen mit einem dieken Rande ähnlich ist. Diese Form ent- 
spricht der Bekleidung der ersten Scheitelzelle, nämlich wenn diese 
mit einer Bekleidung ausgestattet ist, welche auch ihren Scheitel 
bedeckt. 

Die Bildung eines Näpfchens geht nicht immer der ersten Zell- 
teilung voran. Bisweilen bildet sich ein gewöhnlicher Ring, während 
hei späteren Teilungen auch ein Näpfchen zur Entwicklung kommen 
kann. Die obere der. beiden ersten Toochterzellen ist nach Hirn 


184 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 


(I, S. 16) die bleibende Scheitelzelle des Fadens. Bei Oedogonium 
cyathigerum beobachtete ich aber oft Teilungen in der Scheitelzelle, 
wobei die Bekleidung sehr regelmäßig in Stücke geteilt wird. Ich 
konnte napfförmige, ringförmige und zylinderförmige Bekleidungs- 
stücke unterscheiden. 

Zuletzt richte ich die Aufmerksamkeit auf das Fehlen der 
Bekleidung bei der Fußzelle, eine bis jetzt ach unbekannte Eigen- 
tümlichkeit dieser Zelle. 


/Jusammenfassung der Hauptergebnisse. 


1. Bei der Zellwand von Oedogonvium kann man zwei Schichten 
unterscheiden, die chemisch sehr verschieden sind. Die äußere 
Schicht enthält wenige Cellulose und viel eines eigentümlichen 
Membranstoffes, der durch verschiedene Reagentien aufschwillt, mit 
Jod schwach violett gefärbt wird und in dem Flemming’schen 
Gemisch gehärtet wird und in diesem Zustand der Einwirkung 
einer Chromsäurelösung Widerstand leistet. Wo sie an das um- 
gebende Medium stößt, hat ein sehr dünnes Schichtchen eine ge- 
ringe Modifikation erlitten; es wird demzufolge mit Jod gelb ge- 
färbt. Die innere Schicht der Zellwand ist reich an Cellulose und 
ist aus Lamellen zusammengesetzt. 

2. Die äußere Schicht, von mir Bekleidung senannt, besteht 
bei jeder Zelle aus einem Teil oder aus mehreren Teilen, nämlich 
aus einem zylinderförmigen und oft auch noch aus einem oder 
mehreren rineförmieen. Bei der Scheitelzelle kann man oft dreierlei 
Teile unterscheiden, einen napfförmigen, einen oder mehrere ring- 
förmige und einen zylinderförmigen. Die Bekleidung bedeckt oft 
den Scheitel; bisweilen ist das nicht der Fall. Bei der Fußzelle 
fehlt die Bekleidung. Die innere Schicht oder die Cellulosewand 
umeibt das Zelllumen. 

3. Wenn eine Zelle sich zur Teilung anschickt, bildet sich 
in dem oberen Ende ein Ring oder ein Zellwandteil, der einem 
Näpfehen mit einem an der Innenseite verdiekten Rand ähnlich ist. 
Letzteres ist oft bei der ersten Teilung nach der Keimung einer 
Schwärmspore der Fall; bisweilen kommt es auch bei einer späteren 
Teilung in der Scheitelzelle vor. 

4. Der Ring und das Näpfchen stimmen. was ihre chemische 
Natur betrifft, mit der Bekleidung überein. Bei beiden können 
der leicht aufschwellende Membranstoff und Cellulose nachgewiesen 
werden. 

9. Bei dem Ring und bei dem Näpfchen kommt die Cellulose 
besonders in der an das Lumen stoßenden Schicht vor. 

6. Die Bildung des Ringes fängt in dem innersten Teil der 
Zellwand an, wo ein eigentümlicher Membranstoff auftritt, während 
an der Innenseite der Zellwand eine Erhabenheit entsteht. 

1. Die Entstehung und das Wachstum des Ringes können 
nur durch Intussusception verschiedener Membranstoffe erklärt 


van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedoyonium. 185 


werden. Neben dem erwähnten eigentümlichen Membranstoff wird 
auch Cellulose eingelagert. 

8. Wenn die Zellwand bei dem Ring oder bei dem dicken 
Rand des Näpfchens spaltet, so können dabei verschiedene Fälle 
vorkommen. Bisweilen bleibt die zylinderförmige Bekleidung ein 
Ganzes und nur die Öellulosewand spaltet. Bei Wiederholung dieses 
Prozesses kann die Membran einer Zelle sich derartig entwickeln, 
daß sie eine höhere Zelle mehr oder weniger umgibt. Im anderen 
Fällen spaltet auch die Bekleidung, was die Entstehung von Zellen 
mit verschiedenen Bekleidungsstückeu veranlaßt. 

9. Die junge Querwand ist eine lose Platte, in welcher keine 
Cellulose nachgewiesen werden kann. Zuerst bildet sich der mittlere 
Teil; später breitet sie sich bis zu der Seitenwand aus. Sie wandert 
nach dem neu: gebildeten Membranstück und sie bleibt in dem 
unteren Ende desselben sitzen. 

10. Die innere cellulosereiche Zellwandschicht oder die Cellu- 
losewand entsteht durch Apposition. 


Nachsehrift. 


Die Publikation dieser Abhandlung hat durch verschiedene 
Umstände große Verzögerung erlitten. Nachdem meine Unter- 
suchungen schon beendet waren und als das Manuskript fertig war, 
sind mehrere neue Publikationen über Oedogonium zu meiner 
Kenntnis gelangt. Die wichtigsten sind von Guido Kraskovits: 
Ein Beitrag zur Kenntnis der Zellteilungsvorgänge bei Oedoyonium, 
und von K. E. Hirn, Studien über Oedogoniaceen, eine Kritische 
Zusammenstellung der Untersuchungen und Beobachtungen, die in 
den Jahren 1901—1905 über Oedogoniaceen gemacht worden sind. 
In dieser letzteren Arbeit werden unter andern die Untersuchungen 
von Kraskovits, Fritsch, Scherffel und Schröder erwähnt, 
die ich in dieser Nachschrift, insofern sie mit meinen eigenen Unter- 
suchungen in Zusammenhang stehen, zu besprechen wünsche. Zu- 
erst gilt das für die Untersuchungen von Kraskovits. 

Die Resultate von Kraskovits weichen in mancher Hinsicht 
von denen der früheren Untersucher ab. Nicht weniger sind sie 
von den meinigen verschieden. Nach Kraskovits (8.246) fängt 
die Bildung des Zellwandringes in der Membran an. Der zentrale 
Teil des Ringes entsteht zuerst durch einen Verquellungsprozeß 
eines Teils der Zellwand, die demzufolge dünner wird. Wenn auf 
diese Weise die primäre Ringsubstanz oder der Ringschleim ge- 
bildet worden ist, entsteht überall an der Innenseite der Zellwand 
eine neue Zellwandschicht, die, wo sie den Ringschleim umgibt, 
dicker ist. Daß die Ringbildung mit der Entstehung einer Zell- 
wandschicht, die den ganzen Protoplast umgibt, verbunden ist, ist 
eine Behauptung, welche an eine alte Vorstellung Hartig’s (5.417) 
erinnert, die von späteren Untersuchern nicht geteilt wird. Ich 
selbst habe auch nie etwas von der Bildung einer Zellwandschicht, 
welche die Ringanlage und die Cellulosewand zusammen bedeckt, 


186 van Wisselingh, Über.den Ring und die Zellwand bei Oedogonzunmn. 


entdecken können, obgleich ich mit geeigneten Mitteln vom An- 
fange an den Rine von der Zellwand «senau habe unterscheiden 
können. 

Nach Kraskovits linden bei der Bildung des zentralen Ring- 
teils Verquellung der Zellwand und Verdünnung derselben statt. 
Ich habe wohl das Auftreten eines eigrentümlichen Membranstoffs 
konstatieren köhnen, der in Kontakt mit verschiedenen Reagentien auf- 
schwillt, aber ich habe durchaus nichts beobachten können, das auf 
eine Verquellune schon vorhandenen Membranstoffs hinweist. Im 
Gegenteil mußte ich annehmen, daß die Entwicklung des Ringes 
auch mit Bildung von Cellulose verbunden war. 

Kraskovits (S. 267) nimmt an, daß die äußere Zellwand- 
schicht, die er Cuticula nennt, aus einem Teil des Ringschleims 
entstehle. Hierüber habe ich eine andere Ansicht. Der Ring und 
die äußere Zellwandschicht enthalten einen Stoff, der durch ver- 
‚schiedene Reagentien aufschwillt oder verquillt. Daraus entsteht 
bei der Untersuchung eine große Schwierigkeit, wie Kraskovits 
gewiß auch erfahren hat. Es ist mir aber gelungen, diese Teile 
derart zu härten, daß ich sie mittelst Ohromsäure isolieren Konnte, 
was mir gestattete, festzustellen, daß der ganze Rine sich bei der 
Bildung der äußeren Zellwandschicht beteiligt. 

Eine andere Einwendung gegen die Folgerungen Kraskovits’s 
betrifft die Entwicklung der Querwand. Nach Kraskovits (8.261) 
ist dieselbe, wenn sie mit der Längswand verbunden wird, ein- 
schichtig und sie bleibt es so lange, bis in einer der zwei Zellen, 
die sie scheidet, wieder Rinebildung und Teilung stattfinden. Bei 
einer Anzahl von Pflänzchen habe ich Querwände untersucht, auch 
bei Pflänzchen, die noch nur aus einigen Zellen bestanden und 
wobei ich feststellen konnte, wie sie sich entwickelt hatten. 
Es war leicht zu konstatieren, daß Querwände, die nach Kras- 
kovits noch einschichtie sein müßten, an beiden Seiten von der 
inneren Zellwandschicht, die den ganzen Protoplast umgibt, bedeckt 
waren. Ich beharre also bei meiner Meinung, daß die Querwand, 
wenn sie in dem unteren Ende des neuen zylinderförmigen Membran- 
stückes angelangt ist, bald an beiden Seiten von der Cellulosewand 
bedeckt wird. 

Über die erste Teilung in den einzelliven Keimpflänzchen 
saet Kraskovits (S. 264), daß sie von den folgenden Teilungen 
bedeutend abweicht, weil sie niemals mit der Bildung einer Innen- 
schicht verbunden ist. Ringbildung hat Kraskovits bei der ersten 
Teilung nicht beobachtet. Die Bildung eines napfförmigen Zell- 
wandteils wird nicht von ihm erwähnt; offenbar hat er einen der- 
artigen Zellwandteil nicht wahrgenommen. Eine bedeutende und 
konstante Verschiedenheit zwischen der ersten Teilung und den 
folgenden Teilungen ist überhaupt nicht von mir konstatiert worden. 
Bei der ersten Teilung drängt sich die Bildung eines Näpfchens 
in den Vordergrund, während bei späteren Teilungen sich ge- 
wöhnlich ein Ring bildet. Hiermit habe ich die wichtigsten Ver- 
schiedenheiten zwischen den Resultaten von Kraskovits und den 
meinigen erwähnt. Kraskovits untersuchte nicht Oedogonzum 


van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 187 


cyathigerum, sondern andere Spezies. Zum Teil kann das die Ur- 
sache der Verschiedenheiten sein; zum größten Teil stehen sie ge- 
wiß im Zusammenhang mit den angewendeten Untersuchungs- 
methoden, wie ich oben schon angedeutet habe. 

Obgleich die Untersuchungen Kraskovits’s offenbar mit Sorg- 
talt angestellt worden sind, viele Figuren seine Arbeit erläutern 
und dieselbe vieles enthält, das für spätere Untersucher Wert 
haben kann, so kann ich seine wichtigsten Schlüsse doch nicht 
bestätigen. 

Nach Fritsch (III, S. 652) ist der Ring eine wasser- 
reiche Celluloseschicht in der Membran, welche durch Intussus- 
ception gebildet wird. Fritsch schließt sich also der Ansicht 
Wille’s an. Die Keimung der Schwärmsporen wurde von Fritsch 
(I und II) bei Oedogomium capillare und Oedogomium  cardiacum 
studiert. Bei der letzterwähnten Art beobachtete er, daß bei der 
ersten Teilung regelmäßig die Kappe abgeworfen wird. 

Fritsch (II, S.15) und Scherffel (8.559) haben bei Arten 
mit einer halbkugeligen Basalzelle die Keimung der Schwärmsporen 
studiert. Fritsch ist der Meinung, daß die erste Teilung unter 
Ringbildune stattfindet, wobei der Ring dem der Oedogonium- 
Keimlinge gleicht oder die Form einer Kuppel bekommt, was mit 
meinen bei OVedogonium cyathigerum erhaltenen Resultaten stimmt. 
Scherffel ist dagegen zu einem anderen Resultat gekommen. 

Von Schröder (S.143 u. 144) ist bei einem ziemlich dicken 
Oedogonvum eine sehr dicke ziemlich konsistente Gallerthülle be- 
obachtet. Bemerkenswert ist das Verhalten dieser Gallerthülle bei 
der Teilung der Zellen. Sobald der Cellulosering gebildet ist und 
die alte Zellmembran den peripheren Riß bekommt, reizt auch die 
Gallerthülle mit einem meist ganz glatten, selten unregelmäßigen 
Riß auf. Die neugebildete Zelle hat während ihres Heranwachsens 
keine nachweisbare Gallerthülle; diese entsteht später. Schröder 
ist der Ansicht, daß die von ihm beobachtete Gallerthülle mit der 
äußeren dünnen Cuticula (Bekleidung) von Oedogonium Borisianum 
identisch sei. 


Figurenerklärung. 


Die Vergrößerung der Figuren ist wie folgt: Figur 1 und 3 1000 mal, 
Figur 5 2000 mal, Figur 43 bis einschließlich 52 250 mal und die übrigen Fi- 
guren 500 mal. 

In den Figuren bedeutet: « zylinderförmige Bekleidung, b ringförmiges Be- 
kleidungsstück, e Bekleidung, die eine Scheitelzelle an der Außenseite vollständig 
bedeckt, d napfförmiges Bekleidungsstück, e Oellulosewand, e, innerste Schicht der 
Cellulosewand, f Anhang an der Zellwand, g Kappen, % Scheitel ohne Bekleidung, 
v ausgebildeter Ring, nicht ganz entwickelter Ring auf einer Leiste, % Leiste, / Ring- 
anlage, m sich streckender Ring, » neues Membranstück, o napfförmiger Zellwand- 
teil mit verdicktem Rand, p zentraler Teil des Ringes, g peripherische Ringschicht, 
r äuberstes modifiziertes Schichtchen eines Ringes, der anfängt, sich zu strecken, , 
äußerstes modifiziertes Schichtchen der Bekleidung, sLeistehen an dem ausgebildeten 


188 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonwum. 


Ring, s, Leistehen an einem napfförmigen Zellwandteil, # Häutchen an den 
isolierten nicht ganz entwickelten Ring, /, Häutchen, mit welchem der Cellulose- 
rest des Ringes an der Zellwand befestigt ist, « Mützchen, «, Ring aus einem 
Mützchen, das abgeworfen wird, » junge Querwand, w Protoplast, & Kern, 
y während Plasmolyse gebildete Lamellen, y, isolierte Lamelle, x Zellstoffmasse. 


Die folgenden Figuren sind nach im Flemming’schen Gemisch ge- 
härtetem Material gezeichnet: Fig. 1, 8, 10, 12, 15, 15, 17, 19, 21, 23, 25, 27, 
29, 31, 33, 35, 37, 39, 41, 43, 45, 47, 49, öl, 53 und 54. 

Die folgenden Figuren stellen vor, was nach Behondhng des im Flem- 
ming’schen Gemisch gehärteten Materials mit Chromsäurelösung zurückbleibt: 
Fig. 2, 4, 9, 11, 14, 16, 18, 20, 22, 24, 26, 28, 30, 32, 34, 36, 38, 40, 42, 44, 
46, 48, 50, 52 und 55. 

Fig. 3 ist gezeichnet nach Alkoholmaterial, das sich in Jodjodkalilösung 
befindet. 

Fig. 5 ist gezeichnet nach gehärtetem Material, während eine Chrom- 
säurelösung darauf einwirkt. 

Fig. 6 und 7 sind gezeichnet nach Alkoholmaterial, das bis 300° C. in 
Glyzerin erwärmt worden ist. 

Fig. 1: Zelle mit Ring und Teile der angrenzenden Zellen. Am oberen 
Ende hat die Zellwand einen Anhang, der die angrenzende Zelle umgibt. Unten 
eine Zelle mit Ring und mit Kappen. 

Fig. 2: Ring und Bekleidung der mittelsten Zelle in Figur 1. 

Fig. 3: Zelle mit Ring, der anfängt sich zu strecken. Ring und Be- 
kleidung sind geschwollen durch die Behandlung mit Jodjodkalilösung. 

Fig. 4: Bekleidungen und Ringe fünf angrenzender Zellen. 

Fig. 5: Ring im Durchschnitt. 

Fig. 6: Celluloserest eines Membranstückes mitnicht ganz entwickeltem Ring. 

Fig. 7: Celluloserest eines Membranstückes mit Ring nach der Spaltung 
der Membran. 

Fig. 8: Zelle mit Ringanlage und Zelle mit ringförmigen Bekleidungs- 
stücken und mit sich streckendem Ring. 

Fig. 9: Bekleidungen und Ringe der Zellen in Figur 8. 

Fig. 10: Zelle mit sich streckendem Ring und obere angrenzende Zelle. 

Fig. 11: Bekleidungen und Ring der Zellen in Figur 10. 

Fig. 12: Obere und untere Tochterzelle. 

Fig. 13: Einzelliges Pfänzchen mit napfförmigem Membranteil. 

Fig. 14: Napfförmiger Membranteil aus dem einzelligen Pflänzchen Fig. 13. 

Fig. 15: Einzelliges Pflänzchen mit Ring. 

Fig. 16: Ring aus dem einzelligen Pflänzchen Figur 15. 

Fig. 17: Zweizelliges Pfänzchen, obere Zelle mit Bekleidung aus einem 
Stück, Fußzelle mit Ring. 

Fig. 18: Bekleidung und Ring Figur 17. 

Fig. 19: Zweizelliges Pflänzchen, Scheitel ohne Bekleidung. 

Fig. 20: Bekleidung der Scheitelzelle, Figur 19. 

Fig. 21: Scheitelzelle eines fünfzelligen Pflänzchens mit Bekleidung aus 
einem Stück und mit Ring. 

Fig. 22: Bekleidung und Ring der Scheitelzelle Figur 21. 

Fig. 23: Scheitelzelle mit zylinderförmigem und mit napfförmigem Be- 
kleidungsstück und mit Ring. 

Fig. 24: Bekleidungsstücke und Ring der Scheitelzelle Figur 23. 


van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 189 

Fig. 25: Scheitelzelle mit drei verschiedenen Bekleidungsstücken und 
mit Ring. 

Fig. 26: Bekleidungsstücke und Ring der Scheitelzelle Figur 25. 

Fig. 27: Scheitelzelle eines 25 zelligen Pflänzchens mit drei ringförmigen 
Bekleidungsstücken. 

Fig. 28: Die fünf Bekleidungsstücke der Scheitelzelle Figur 27. 

Fig. 29: Scheitelzelle mit ringförmiger Bekleidung und mit Ringanlage 


und Zelle mit Ring. 


Fig. 30: 
Fig. 31: 
kleidungsstück. 
Fig. 32: 
Fig. 33: 


Membranteil. 


® Fig. 34: 
zelle Figur 33. 
Fig. 35: 
Fig. 36: 


Ring aus dem 


Fig. 37: 


Bekleidung. 
Fig. 

Mützchens. 
Fig. 
Fig. 

Mützchens. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


38: 


Die Bekleidung und Ringe der Zellen in Figur 29. 
Scheitelzelle mit zylinderförmigem und mit ringförmigem Be- 


Bekleidungsstücke der Scheitelzelle Figur 31. 
Scheitelzelle eines elfzelligen Pflänzchens mit napfförmigem 


Bekleidungsstücke und napfförmiger Membranteil der Scheitel- 


Scheitelzelle mit Mützchen, das abgeworfen wird. 
Zylinderförmige Bekleidung, napfförmiger Membranteil 
Mützchen der Scheitelzelle Figur 35. 

Scheitelzelle eines siebenzelligen Pflänzchens mit Mützehen mit 


und 


Bekleidung der Scheitelzelle Figur 37 und Bekleidungsstücke des 


: Scheitelzelle mit Mützehen mit Bekleidung. 
: Bekleidung der Scheitelzelle Figur 39 und Bekleidungsstücke des 


: Große Scheitelzelle mit zwei zylinderförmigen Bekleidungen, 
: Bekleidungen der Zelle Fig. 41. 

: Dreizelliges Pfänzchen. 

: Bekleidungen des Pflänzchens Figur 43. 

: Vierzelliges Pflänzchen. 

: Bekleidungen des Pflänzchens Fig. 45. 

: Vierzelliges Pflänzchen. 

: Bekleidungsstücke des Pflänzchens Fig. 47. 

: Fünfzelliges Pflänzchen. 

50: 
51: 
52: 
53: 
54: 
55: 


Bekleidungsstücke des Pflänzchens Figur 49, 

Fünfzelliges Pflänzchen mit einer sehr großen Zelle. 
Bekleidungsstücke des Pflänzchens Figur 51. 

Zelle, in welcher sich nach Plasmolyse eine Wand gebildet hat. 
Zelle, in welcher nach Plasmolyse Wandbildung stattgefunden hat. 
Ring, Bekleidungsstücke und Lamelle isoliert aus einer Zelle, 


in welcher nach Plasmolyse Wandbildung stattfand. 


Bary, A. de, 


handl. der Senckenberg. Gesellsch. Bd. ]. 


— Botanische 


Dippel, Das Mikroskop. 


Literatur. 


Über die Algengattungen Oedogonium und Bulbochaete. 
1854. 8. 43.) 


(Ab- 


Zeitung. 1858. Beilage. S. 80, 


1869. 8. 52. 


190 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 


Fritsch, The germination of the zoospores in Oedogonium. (Annals of Bo- 
tany. Vol. XVI. No. LXH. June 1902.) 

— The structure and development of the young plants in Oedogomium. (l. ec. 
Vol. XVI. .No. LXIII. Sept. 1902.) 

— Algological notes. No. 5. Some points in the structure of a young Oedo- 
gonium. (l. c. Vol. XVII. No. LXXII. Oct. 1904.) 

Hartig, Botanische Zeitung. 1855. S. 417. 

Hirn, K. E., Monographie und Iconographie der Oedogonaner (Acta socie- 
tatis seientinen fennicae T. XXVII. No. 1) 

— Studien über Oedogoniaceen. 1. (l. ce. T. XXXIV. No. 3.) 

Klebahn, H., Studien über Zygoten. II. Die Befruchtung von Oedogonium 
Boseit. (Jahrb. für wiss. Botanik. Bd. XXIV. 1892. S. 235.) 
Kraskovits, Guido, Ein Beitrag zur Kenntnis der Zellteilungsvorgänge bei 

Oedogonium. (Sitzungsber. d. kaiserl. Akad. d. Wissensch. Mathem.- 
Naturw. Klasse. Bd. CXIV. Heft IV. Abt. I. 1905. S. 237.) 
Mohl, H. von, Botanische Zeitung. 1855. S. 721. 
Pringsheim, N., Untersuchungen über den Bau und die Bildung der Pflanzen- 


zelle. 1854. 
— Morphologie der Oedogonieen. 1858. (Pringsh. Jahrb. für wissensch. Bo- 
tanik. Bd. I.) 


Sachs, J. von, Lehrbuch der Botanik. 1874. 8. 22. 

Scherffel, Einige Beobachtungen über Oedogonien mit halbkugeliger Fußzelle. 
(Berichte der deutsch. bot. Gesellsch. Bd. XIX. S. 557.) 

Schröder, Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. (Verhandl. des 
naturhist.-medic. Vereins zu Heidelberg. N. F. Bd. VII. 1902—1904 
S. 144.) 

Strasburger, E., Zellbildung und Zellteilung. 1880. 

— Über den Bau und das Wachstum der Zellhäute. 1882. 

— Histologische Beiträge. Heft II. Über das Wachstum vegetabilischer Zell- 
häute. 1889. 
Wille, N., Algologische Mitteilungen. (Jahrb. für wissensch. Botanik. Bd. 

XVII. 1887. S. 425.) 


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Ver 


191 


Zur Kenntnis einiger Blütensekrete nebst 
Bemerkungen über neuere blütenbiologische 
Arbeiten. 


Von 
Dr, Josef Fahringer, Wien. 


Mit Tafel XVII. 


Unter dem Titel „Beiträge zur histologischen Blütenbiologie“ 
sind in der „Österr. Bot. Zeitschrift“ mehrere Aufsätze von Porsch!) 
erschienen, in denen Blütenwachs und Futterhaare als neue An- 
lockungsmittel der Orchideen-Blüte beschrieben wurden. In einem 
dieser Aufsätze?) findet sich mein Name mehrmals erwähnt, woraus 
hervorgeht, daß ich die Untersuchungen über Blütenwachs früher 
als Porsch und keineswegs nur kursorisch durchführen Konnte. 

Im Herbste 1902 erhielt ich von Professor v. Wettstein 
eine Anzahl frische, sowie einige Formolexemplare der Blüte von 
Ornithidium divaricatum Barb. Rodr.®) zur Untersuchung. Die 
frischen Blüten verwendete ich teils zu mikroskopischen Unter- 
suchungen, teils zu jenen chemischen Reaktionen, die sich, wie 
beispielsweise die Fehling’sche Reaktion, nur mit frischem Ma- 
teriale durchführen lassen, während die Formolexemplare nur zur 
Kontrolle dienen Konnten. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen 
waren folgende: 


1. Bau des Labellum und der Sekretzellen. 

Das Labellum der Ornithidum-Blüte (Fig. 1, « und db) ist ein 
längliches Perigonblatt, dessen Seitenwände zwei schwach gekrümmte 
Lappen erkennen lassen, zwischen denen sich der rundliche Kallus 
befindet. Der große Mittellappen ist auf der Oberseite gegen die 
Spitze zu tief braunrot gefärbt und trägt an dieser Stelle einen 
weißen, flockig aussehenden Überzug von Blütenwachs. Hinter 


1) Porsch, Beiträge zur „histologischen Blütenbiologie“. (Österr. Bot. 
Zeitschrift. 1905. No. 5 und 7. 1906. No. 2.) 

2) Porsch, Ü., 1. c. No. 7. pag. 255— 257. 

®) Porsch, 1. ce, No. 7. 1905, pag. 254, 


192 Fahriuger, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete ete. 


dem Kallus bemerkt man ein zweites Klümpchen von dieser Sub- 
stanz und zwar gerade der Narbe gegenüber (Fig. 1, B). Die 
große, an der Spitze des Labellum befindliche Wachsmasse hat 
ungefähr die Form eines römischen V und nimmt gegen den Kallus 
zu an Menge ab. Die unter der Wachsabsonderung befindlichen 
Epithelzellen unterscheiden sich in vieler Beziehung von den ge- 
wöhnlichen Epithelzellen. Vergleichen wir zunächst die Größen- 
verhältnisse, so finden wir: 


Art der Zellen. | | Durchschnittsgröße 
= 2 Länge Breite 2 
Grössen in u. Länge Breite 


Sekretzelen . . .. | 64—80 | 16-24 12 | 20 


Papillarepithel (Oberseite) 48—80 | 16—20 64 18 
Kallusepiihele me 23 32 20—27 32 23°5 
Papillarepithel (Unterseite) | 8—20 | 4-32 | 14 28 


Wie aus dieser Tabelle ersichtlich ist, sind die Sekretzellen 
schon durch ihre Länge ganz besonders gegenüber den übrigen 
Epithelzellen gekennzeichnet. Noch auffallender werden diese 
Zellen durch die Tinktion des Plasmas mit einem braunroten Farb- 
stoff, sowie dadurch, daß die freie Membran der Sekretzellen rund- 
lich gewölbt und nicht papillös hervorgezogen erscheint, ferner, 
daß sich die erwähnten Zellen durch Lage, Gestalt der freien 
Membran und Färbung sehr markant von dem übrigen Epithel ab- 
heben. Es sind offenbar ganz besonders der Funktion dieser Zellen 
entsprechende umgewandelte epitheliale Gebilde. Untersuchen wir 
diese Zellen an einem Querschnitt durch das Vorderende des La- 
bellums, so sehen wir längliche, an der freien Seite abgerundete 
Zellen mit einer etwa 1.6 « dicken Membran, deren Inhalt aus 
einem Protoplasten von grobkörniger ‘Struktur besteht. Meistens 
ist der ziemlich große Kern durch große lichtbrechende Klümpchen 
derart verdeckt, daß er kaum sichtbar ist (Fig. 2, A). Erst nach 
Behandlung mit Alkohol, welcher diese lichtbrechenden Körper löst, 
tritt der Kern schärfer hervor und läßt eine ovale Form und körnigen 
Inhalt erkennen. Die erwähnten stark lichtbrechenden Klümpcehen 
scheinen nach ihrem Verhalten zu den Lösungsmitteln, sowie schon 
nach ihrem Aussehen, Wachsabsonderungen zu sein. Die Cuticula 
ist in solchen Zellen mit Wachskörpern nicht verändert. Die 
Zellen des Labellum der Ornthidium-Blüte gehen somit an ganz 
bestimmten Stellen in ein sezernierendes, durch Größe, 
Färbung und Form der Zellen deutlich verschiedenes Epithel 
über, dessen Tätigkeit sich ohne chemische Veränderung der 
Outiecula vollzieht. 


2. Über den Chemismus und die Natur des Blütenwachses. 


Die chemische Untersuchung der Wachssubstanz gestaltete 
sich insofern sehr schwierig, als alle verfügbaren Blüten zusammen 
kaum 1 gr Wachs lieferten. 


Fahringer. Zur Kenntnis einiger Blütensekrete etc. 193 


Die von Zimmermann!) angeführten Reaktionen ließen sich 
ohne weiteres durchführen und ergaben folgende Resultate: Die 
Substanz löst sich wenige in kaltem Alkohol mit etwas Rückstand, 
leicht in Äther, Chloroform und Benzol, ebenso in heißem Alkohol. 
Mit Alkanatinktur geschmolzen, bildeten sich violette 'Tröpfchen; 
dagegen erzeugten Säuren und Basen keine wesentlichen Ver- 
änderungen an der Substanz. Machen diese Reaktionen an und für 
sich die Natur des Sekretes als wachsartigen Körper wahrscheinlich, 
so wird dies durch den Vergleich mit anderen Wachsarten in bei- 
eesrebener Tabelle?) nahezu völlig sichergestellt: 


Tabelle pflanzlicher und tierischer Wachsarten. 


Spez. Gew. | Schwer- | 333 573 | eE|458 Besondere 
Wachsart 150 ©. | punkt |F88 38 | 2°“ | ZA Eigenschaften 
| Berllser eellse 
kalt,we-) _ 
gar 1—1:06 | 52°-55° |unlösl.| leicht ne leicht| Glycerin 
u ; i 2 heiß 
Dlipawelehs 0:92 390 —40° | wenig | leicht jicht — a; 
Galaktoden- FD s a N ER 
dronwachs Tas | I ge FREE 
, sehr |i.20 Teil.| löslich 
Zauegracıs ni 1:005 | 45°—46° eng rn N an == 
Er löslichin heiß. 
Ficuswachs = | 56°—57° | wenig | leicht | leicht — | Terpentinöl 
| u. fetten Ölen. 
22205 Dr EN löslich in 
_ pherenwachs BE I 1002 5; IE a Aue OL 
Carnaubaw. |0°:995—0' 999 80°—81° | wenig | vollst. | vollst.| — — 
Palmwachs |0-992-0-995 10291050 wenig eiehtin| yonst., — | gemengt mit 
Br Be Ey un 9 ın löslich löslich in äth. 
Bienenwachs [0 :960—0: 963 62°_62 5% ,..1:., 40 .. ä leicht Ölen 
as 1: 10 verseifbar. 
BR a löslich in äth. 
Cocecidenw. 0970 820—83° | wenig | wenig | wenig |leicht Ölen 
LT DER. _ verseifbar. 
Maxillariaw. er SEN RE | TEN x gemengt mit 
(Ormithidium- 64°—102 wenig | leicht | leicht leicht Harz nl 
blüte) | äth. Ölen. 


Wohl alle hier erwähnten pflanzlichen Wachsarten, auch das 
Blütenwachs von Ornithidium, sind Glyceride, die keine freien 
Fettsäuren enthalten, weshalb sie auch nicht verseifbar sind, im 
(segensatz zu den tierischen Wachsarten, die bekanntlich freie 


!), Zimmermann, Mikroskopische Technik. 1892. 
?) Schädler, Technologie der Fette und Öle des Pflanzen- und Tier- 
reiches. Berlin 1863. 


Beihefte Bot. Centralbl. Bd. XXIIL. Abt. I. Heft 3, 13 


194 Fahringer, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete etc. 


Fettsäuren enthalten. Daher ergab sowohl die Akroleinprobe 
als auch die Kampferprobe!) bei der Untersuchung des Blüten- 
wachses ein negatives Resultat. Auch die gewöhnlichen Eiweis- 
und die Fehling’schen Zuckerreaktionen führten zu keinem posi- 
tiven Ergebnisse. Es fehlen also bestimmt Beimengungen von 
Eiweiß, Fett und Zucker. Lösen wir dagegen die Substanz. 
in Alkohol, so. färbt sich die Lösung bei Behandlung mit dem 
Millon’schen Reagens schwach rot, was auf das Vorhandensein 
ätherischer Öle hindeutet. Versetzt man eine Lösung in etwas 
Alkohol mit Hz SO,, so färbt sich die Lösung alsbald gelbgrün, es 
muß also auf Beimengungen von harzartigen Körpern geschlossen 
werden, da ja bekanntlich die Schwefelsäure bei größeren Mengen 
Harz dieses durch Rotfärbung, bei geringeren Mengen durch Gelb- 
srünfärbung anzeigt. Überdies deutet der hohe Schmelzpunkt des 
Rückstandes auch schon darauf hin. Das Blütenwachs von 
Ornithidium divaricatum ist also ein fettfreies Glycerin 
mit Beimengungen von ätherischen Ölen und harzähn- 
lichen Körpern. Porsch?) gibt in seiner Arbeit an, daß er an 
einem einzigen Formolexemplar nicht weniger als 13 Reaktionen 
ausgeführt habe. Wenn man bedenkt, daß eine Blüte kaum !/; 
Substanz liefert und gewisse Reaktionen, z. B. die Fehling’sche 
Reaktion, nur mit frischen Exemplaren gemacht werden können, so 
ist wohl klar, daß die von ihm diesbezüglich gemachten Angaben 
meinem Manuskripte entlehnt und als „eigene“ Untersuchungen 
angeführt wurden. Das Urteil über ein derartiges Vorgehen mag 
der Öffentlichkeit überlassen bleiben. Was die physikalische Eigen- 
schaft des Blütenwachses anbelangt, so konnte ich die kristallinische 
Beschaffenheit der Substanz durch Auskristallisieren des Wachses 
aus alkoholischer Lösung nachweisen und feststellen, daß die meist 
zu Klümpchen vereinigten tafelförmigen Kriställchen die bereits 
von Wiesner?) erwähnte Doppelbrechung zeigen. Die vor- 
liegende Untersuchung ergibt also eine nahezu voll- 
ständige Übereinstimmung mit den bereits untersuchten 
pflanzlichen Wachsarten, sowohl in chemischer als auch 
in physikalischer Hinsicht. 

Dasselbe ist nun auch bezüglich der Entstehung und Sekretion 
des Wachses der Fall. Untersucht man nämlich die wachsabson- 
dernden Stellen unter Zusatz von Alkohol und beobachtet den lang- 
samen Lösungsprozeß unter dem Mikroskop, so bemerkt man zu- 
nächst, daß eine große Anzahl lichtbrechende Klümpchen gar bald 
angegriffen werden, sich in Tröpfchen umwandeln und schließlich 
ganz verschwinden, und zwar so, daß der ursprünglich von diesen 
Körpern völlig verdeckte Kern im Plasma der sezernierenden Zellen 
sichtbar wird (Fig. 2, A und D). 


!) Auf Wasser rotierender Kampfer stellt sofort diese Bewegungen ein, 
sobald nur die geringsten Spuren von Fett auf die Wasseroberfläche gelangen. 
Siehe übrigens die meisten Handbücher der organischen Chemie. 

2) Porsch, l. c. pag. 253 ff. 

3) Wiesner, J., Über die kristallinische Beschaffenheit der geformten 
Wachsüberzüge. (Bot. Zeitung. 1876. pag. 225 ff.) 


Fahringer, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete etc. 195 


Es werden also im Protoplasma Wachskörner vorgebildet und 
sodann durch die unverändert bleibende Cuticula nach außen 
abgeschieden. Die unter den sezernierenden Oberhautzellen befind- 
lichen Mesophylizellen des Labellum weisen gleichfalls lichtbrechende 
Körper auf, die aber nicht, wie Porsch!) angibt, wachs- oder fett- 
artiger Natur sein können, daß sie schon durch das Wasser ver- 
ändert werden und gar bald verschwinden. Die Absonderung des 
Blütenwachses erfolgt allseitig und zwar so, daß das abgeschiedene 
Wachs (Fig. 3, A, 5) sehr deutlich die Konturen der sezer- 
nierenden Zellen aufweist. Die von Porsch?) erwähnte schollen- 
artige Absonderung des Blütenwachses ist an frischen Exem- 
plaren nicht zu sehen, während die in Formol mazerierte 
Substanz oft so aussieht. Diese oben erwähnte Struktur) des 
Blütenwachses ist für viele pflanzliche Wachsarten charakteristisch. 
Das hier beschriebene Blütenwachs von Ornithidium 
divaricatum muß also sowohl in Bezug auf die chemi- 
schen und physikalischen, als auch hinsichtlich der Ent- 
stehung und Ausscheidung zu den pflanzlichen Wachs- 
arten gerechnet werden. 


3. Biologische Bedeutung des Blütenwachses. 


Das Blütenwachs von Ormithidium divaricatium Barb. Rodr. 
dient nach Porschst) Ansicht als Anlockungsmittel für Wachs 
bereitende Insekten, was auch durch Wettsteins5) Beobachtung 
erhärtet wird. Nun, ich bin der Ansicht, daß die Beobachtung 
Wettsteins nur erweist, daß diese Substanz von verschiedenen 
Insekten abgenommen wird. Wozu diese Substanz aber von den In- 
sekten verwertet wird und worin also die biologische Bedeutung gerade 
dieses Anlockungsmittels, und speziell für diese Pflanze liegt, das 
vermag uns die Beobachtung nicht zu ergeben. Porsch®) be- 
hauptet aber, „daß hier die Blüte denjenigen Stoff, den sich die 
Insekten zu ihrem Zellenbau selbst bereiten müssen, als Anlockungs- 
mittel fix und fertig ... .. darbietet.“ Diese Behauptung ist un- 
richtie. Es gibt überhaupt keine natürlichen oder künstlichen 
Nahrungs- und Nutzmittel, die an und für sich direkt zum Aufbau 
des tierischen Organismus verwendet werden können; denn alle in 
den tierischen Körper gelangenden Substanzen werden ausnahmslos 
durch gewisse Prozesse des lebenden Protoplasmas in geeigneter 
Weise umgewandelt. Dasselbe ist auch bezüglich der Wachs- 
absonderungen der Insekten der Fall. Wir kennen keinen einzigen 


1) Porsch, ]l. c. No. 7. 1905. pag. 258. 

2) Porsch, 1. c. No. 7. pag. 255 und Tafel IV, Fig. 9. 

»), Siehe Wiesner, Beobachtung über die Wachsüberzüge der Epidermis 
(Bot. Zeit. 1871 pag. 769 ff.) und De Bary, Über die Wachsüberzüge der Epi- 
dermis. (Bot. Zeit. 1871.) 

#) Porsch, ]l. c. pag. 255 und Mitteilungen des naturw. Vereins an der 
Universität Wien. Jahrg. II. 1904. No. 4—7. pag. 52. 

5) Wettstein, R. v., Vegetationsbilder aus Südbrasilien. 1904. pag. 30, 

6) Porsch, ], c, No, 7, pag. 25, 

13* 


196 Fahringer, Zur Kenntnis einiger. Blütensekrete etc. 


Fall, in welchem nicht das Wachs in eigenen Drüsen entweder 
aus Nahrungssäften (Coceiden, Aphiden, Aleurodiden) oder aus dem 
- Honig (Apiden) hergestellt wird. Das Bienenwachs ist somit ein 
Umwandlungsprodukt des Honigs oder anderer Nahrungssäfte. Die 
Bienen zum Beispiel müssen also zur Herstellung des Wachses vor 
allem honigliefernde Pflanzen aufsuchen, und hätte also eine Wachs- 
absonderung auf einer Blüte gar keinen Zweck, besonders dann 
nicht, wenn diese Substanz chemisch so verschieden ist von tie- 
rischem Wachs, wie das Blütenwachs von Ornithidium divaricatum. 
Die pflanzlichen Wachsarten sind Gemenge von Cerotinsäure- 
Myricylester, Myricyl-Alkohol nebst aromatischen Kohlen- 
wasserstoffen und einigen Alkoholen und Oxysäuren. 
Bienenwachs enthält dagegen ein Gemenge von Cerotinsäure 
und Palmatinsäure-Myricylester, ferner Myricylalkohol, 
Gerilalkohol, einige ungesättigte Fettsäuren und Kohlen- 
wasserstoffe, Alkohol- und Melissensäure. Ja, es läßt sich 
sogar nachweisen, daß Bienenwachs keine Spuren pflanzlichen 
Wachses enthält, und zwar gestattet dies die Köttsdorfer’sche 
Zahl (als Maß für die Sättigungskaprizität der gesamten Fettsäuren). 
Daneben gibt noch das spezifische Gewicht, der Schmelzpunkt, so- 
wie das Verhältnis der Ätherzahl zur Säurezahl sichere Anhaltungs- 
punkte für Beimengungen zum Bienenwachs irgendwelcher Art. 
Die Köttsdorfer’sche Verseifungszahl des reinen Bienenwachses 
— 9, die Verhältniszahl—= 3°75; Carnaubawachs hat dagegen 
die Verseifungszahl 79, die Verhältniszahl = 19. Geringe Bei- 
mengungen verändern sofort die Verhältnis- und Verseifungszahl. 
Reines Bienenwachs aber enthält niemals auch nur Spuren von 
pflanzlichem Wachs. Ähnlich verhält es sich natürlich auch bei 
anderen Insekten, die Wachs absondern. Es ergibt sich also 
aus der Entstehungsweise des tierischen Wachses, sowie 
aus demÜÖhemismus desselben die vollständige Unrichtig- 
keit der Porsch’schen Auffassung. 


Auch der biologische Zweck dieses Sekretes wäre sonach 
total verfehlt, sobald man der Porsch’schen Auffassung beipflichtet. 
Wenn auch die schneeweiße, von der braunroten Unterlippe der 
Blüte sich scharf absondernde Wachsmasse, wie schon Wettstein!) 
richtig vermutete, Insekten aus der Ferne anlocken dürfte, so liegt 
vor allem die Bedeutuug des Sekretes als Anlockungsmittel in einer 
ganz anderen Verwertung als in der von Porsch angegebenen. 
Es ist lange bekannt, daß die Bienen klebrige Überzüge von 
Knospen, Wachsabsonderungen von Blättern oder Früchten u. derg]. 
einsammeln, um daraus ein Klebemittel (Propolis oder Klebwachs) 
herzustellen, das ihnen zum Verstopfen von Ritzen und Fugen u. derg]. 
dient. Die große Klebrigkeit des frischen Wachses, sowie überhaupt 
die ganze Beschaffenheit desselben deuten an und für sich schon darauf 
hin, daß es wohl nur zu diesem Zwecke von den Bienen verwertet 
wird. Es liefert also lediglich sogenanntes Klebwachs 
(Propolis). Übrigens ist es ein ausgezeichnetes Abwehrmittel 


!) Porsch, 1. c. No. 7. pag. 258. 


Fahringer, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete etc. 197 


segrenüber kleinen pollenfressenden Insekten (z. B. Nitituliden), die 
an dieser klebrigen Masse haften bleiben dürften. Damit ist wohl 
auch die spezielle biologische Bedeutung des Blütenwachses erklärt. 
Die Sicherung der Fremdbestaubung ist durch die Lage der Wachs- 
absonderungen (Fig. 1, 4 und BD) bedingt; die für die Vermittlung 
der Befruchtung besonders wichtigen anthophilen Hymenopteren 
werden, um eine sonst nicht allgemein vorkommende für sie not- 
wendige Substanz, nämlich Klebwachs, zu erhalten, gerade diese 
nicht sehr auffallenden grünlichen Blüten, deren Wachssekret übrigens 
den Wee zur Blüte zeigt, aufsuchen, während andere schädliche 
Formen durch die Klebrigkeit des Wachses abgehalten 
werden. Dazu kommt noch, daß das Wachs an und für sich nur 
von einer sehr geringen Anzahl von Insekten verwertet werden 
kann, also die Blüte von vornherein von vielen Schädlingen nicht 
beachtet werden dürfte. Daß gerade bei den Orchideen solche von den 
sewöhnlichen verschiedenen Anlockungsmitteln, wie Blütenwachs 
oder Futterhaaret), vorkommen, ist uns aus der vollkommenen An- 
passung der Orchrdeen-Blüte an die Insektenbefruchtung um so 
eher erklärlich, als hier der Pollen des einzigen (selten zweier) 
Staubgefäßes vor den Angriffen verschiedener Insekten geschützt 
werden muß. Diese doppelte biologische Bedeutung einzelner An- 
lockungsmittel, wie sie gerade für Orchideen charakteristisch sind, 
wird noch späterhin Gegenstand eingehender Besprechung sein. 


4. Einige Bemerkungen über Beschaffenheit und biologische 
Bedeutung einiger Anlockungsmittel. 


Die verschiedenen Anlockungsmittel?), die von einer großen 
Anzahl von Blütenpflanzen den tierischen Besuchern zur Sicherung 
der Fremdbestäubung geboten werden, wirken auf Gesichts-, Ge- 
ruchs- und Geschmackssinn derselben. Die Ausbildung verschiedener 
Anlockungsmittel wie Honig, Futterhaare, Futterpollen etc. 
erklärt sich nur aus den verschiedenen Bedürfnissen der sich von 
Pflanzenstoffen nährenden Tiere, ebenso wie Farbe und Duft auf 
Anlockung aus der Form berechnet und dem ziemlich gut ausge- 
bildeten Geruchs- oder Gesichtssinn verschiedene Insekten angepaßt 
sind. Auf diese Weise gewinnen sich die Pflanzen einerseits ganz 
bestimmte für ihre Entwicklung förderliche Besucher, während 
andererseits schädliche Gäste abgehalten werden. Auf die Frage 
der biologischen Bedeutung von Blütenfarbe und Blütenduft will ich 
hier nicht weiter eingehen, nachdem ja auf diesem Gebiete bereits 
eingehende Untersuchungen von Plateau?) und Andreaet) vor- 


1) Boorsch, 1. ce. No. 5. "pag. 165. 

?) Porsch, Die Anlockungsmittel der Pflanzen im Lichte neuerer For- 
schungen. (Mitteilungen des Naturwissenschaftl. Vereins an der Universität 
Wien. 1904. No. 4. pag. 25 ff.) 

°) Plateau, Comment les fleures attirent les insectes. (Bull. de l’Aca- 
(demie royale d. sc. de lettr. et b. arts de Belgique. 1895. 1896. 1897.) 

*%) Andreae, Inwiefern werden Insekten durch Blütenfarbe und Duft der 
Blumen angezogen? (Beihefte zum Bot. Oentralblatt. Bd. XV. Heft 3.) 


198 Fahringer, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete etc. 


liegen, deren Ergebnisse von Porsch!) eingehend besprochen und 
in charakteristischer Weise zusammengefaßt wurden. Viel notwendiger 
erscheint es mir, die für die Ernährungsweise und speziellen Lebens- 
bedürfnisse einzelner Tiere wichtigen Anlockungsmittel zu besprechen. 
Zu diesen gehört vor allem der Blütenhonig. Dieses bei zahl- 
reichen Pflanzen vorkommende Sekret ist einer von den unentbehr- 
lichsten Nahrungsstoffen der verschiedensten Insekten, welche die 
Befruchtung vermitteln und in manchen Fällen auch Schutz gegen 
Schädlinge?) bieten. Deshalb finden wir auch bei Honigblütlern 
die mannigfaltigsten Einrichtungen®) zum Aufbewahren und zum 
Schutze des Honigs. Als Beispiel möchte ich hier die Blüte von 
Symphytum tuberosum L. anführen, welche ich näher zu untersuchen 
(Gelegenheit hatte. Die glockenförmige Blumenkrone dieser Pflanze ®) 
trägt am basalen Ende einen gelblich aussehenden Wulst, der um 
den Fruchtknoten einen Ring bildet. Diese Wulst besteht, wie die 
mikroskopische Untersuchung zeigt, aus zahlreichen Trichomen, 
ganz ähnlich den nach Porsch>5) bei Maxillarien-Arten vorkom- 
menden, von ihm beschriebenen Futterhaaren. Die Trichome 
(Fig. 4, A und 5) sind ein- bis zweizellig, besitzen eine dicke 
eutinisierte Membran. 


Der Protoplast der etwa 1 mm lang werdenden Trichome 
besteht aus einem ziemlich homogen granuliertem Inhalt mit einem 
mehr oder weniger basal gelagerten Kern. Die Fehling’sche 
Reaktion beweist, daß diese Haarzellen Zucker enthalten. Wenn 
man mittelst Glyzerin oder absolutem Alkohol dem Protoplast 
Wasser entzieht, so scheiden sich würfelförmige Zuckerkristalle in 
erößerer Menge ab. Der Blütenhonig enthält etwa 77 °/, Wasser 
und 23 °/, Zucker und liefert eine Einzelblüte ungefähr 6—8 mg. 
Zucker. Zu einem einzigen Gramm Zucker müssen also zirka 119 
Blüten abgesucht werden, zu einem Kilogramm sind etwa 119000 
Blüten erforderlich. Diese Zahlen erklären zur Genüge das un- 
vemein häufige Vorkommen der Symphytum-Arten, die zu den be- 
liebtesten Besuchsobjekten für anthophile Insekten gehören. Die 
große Zahl der reichlich Honig absondernden Trichome gestattet 
überdies einen mehrmaligen Besuch durch Insekten, und zwar so, 
daß die Fremdbestäubung ziemlich gut gesichert erscheint. Über- 
dies sind die Trichome selbst durch die dicke, ziemlich harte Zell- 
membran gut geschützt und man findet selbst an alten, bereits von 
Stacheln angebohrten Blüten die Trichome unverletzt, da die 
Bienen sich eben mit dem außen abgeschiedenen Honig begnügen 
müssen. Wir haben es also hier mit einem Fall ganz be- 


1) Porsch, 1. e. Mitteilungen des naturw. Vereins. pag. 26 ff. 

2) Wettstein, R. v., Über die Kompositen der österr.-ung. Flora mit 
zuckerausscheidenden Hüllschuppen. (Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie 
der Wissenschaften. Math.-naturw. Klasse. 1888.) 

3) Darwin, Ch., Die verschiedenen Einrichtungen, durch welche Or- 
chideen von Insekten befruchtet werden. Übersetzt von Carus. Stuttg. 1877. 

#) Kerner, A. v., Pflanzenleben. 2. Aufl. Leipzig 1898. ypag. 254 ff. 
1, &- (OÖ) | 

>) Porsch, ], ce. I. pag.. 166, 


Fahringer, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete etc. 199 


sonderer Anpassung an die Insektenbefruchtung ver- 
mittelst Honig absondernder Trichome zu tun. Außer dem 
Blütenhonig ist nur noch der Pollen als ein allgemein verbreitetes 
Anlockungsmittel der Blumen zu nennen, die einzelnen Fälle aus- 
senommen, in denen ein Teil der Antheren direkt zu sogenannten 
Beköstigungsantheren umgewandelt ist, z. B. bei Cassza fistwla L.!) 
Doch ist dies nur meist dann der Fall, wenn keine Honigabson- 
derungen stattfinden. In den meisten Fällen kommt es zur Aus- 
bildung von zahlreichen Staubgefäßen, von denen dann einzelne 
ohne Gefahr für die Befruchtung abgeweidet werden können (Ra- 
numculaceae, Rosaceae), oder es stehen die Einzelblüten in dichten 
Blütenständen zusammen und es werden dann nur wenige Antheren 
ausgebildet (Compositaue, Umbelliferae). Die große Zahl besonders 
solcher Pflanzen, die den Insekten Honie oder Pollen liefern, darf 
uns nicht Wunder nehmen, wenn wir beachten, daß gerade diese. 
Anlockungsmittel für die Lebensverhältnisse der meisten Insekten 
von enormer Bedeutung sind. Die hier mitgeteilte Tabelle mag 
das Verhältnis der Blütensekrete zu den Lebensmitteln der Bienen 
klarlegen 2): 


| | | | | | 
Glu- | Fruk- |Saccha- | | Pollen | Eett- Hypo- 


Benennungen | H20. kose | tose | rose Dextrin| Wachs | Fette) N.  xantin. 


[ ! 


Blütenhonig:) [79-62 | 22-47 37:96 23-02. | arme 


Pollen?) . .|632 — | — ı 12:97 = 3:61 7:41 27:81 0:077 
% Ri a ee 
Bienenhonig®) | 18° 96 oe | 2:69 3:89 —. DAL 
Eukterbrei®) . (65-6211. | — | — | _ | _ 9.38 |ag05| 


| Amei- | Trockensubst. 


Benennungen Harze, a Ste ut | Se ‚sen. | Gl. a. 
Blütenhonig !) 2 | | | | 1:44 | _ 17-21 | 30:16 
Pollen) . .\817 2:08 16 2.00 — | —- 
Bienenhonig) | — — | — | — 0:24 11:42 88-89| 3:75 
Futterbrei y b == EN VER 3-04 [ 22 ; we 


») Mittel aus 9 Analysen. 2) Mittel aus 2 Analysen. 3) Mittel aus 175 
Analysen. *) Mittel aus 5 Analysen. 


Aus dieser Tabelle geht zunächst hervor, dab der Blütenhonig 
sehr wässerig ist und verhältnismäßig wenige Zucker enthält, die 


!), Knuth, Handbuch der Blütenbiologie. Bd. Ill. Teil I. p. 366 4. 
2) König, J., Ohemische Zusammensetzung der menschl, Nahrungs- und 
(senußmittel. Berlin, V, Springer, 1903. Bd. |], 


200 Fahringer, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete etc. 


Bienen also gezwungen sind, ziemlich viele Blüten abzusuchen, um 
einieermaßen Honig zu bekommen. Auch besteht der Blütenhonie 
fast zu gleichen Teilen aus Glukose und Saccharose, während im 
Bienenhonig nur wenig Saccharose vorhanden ist; offenbar wird 
die Umwandlung der Saccharose in Glukose im Körper der Bienen 
durch geeignete Fermente vollzogen. Ferner ist noch zu erwähnen, 
daß der Bienenhonig freie Ameisensäure enthält, die eben erst im 
Körper der Bienen erzeugt wird. Der wässrige, fett- und eiweis- 
reiche Futterbrei wird fast ausschließlich, wie wir hier sehen, aus 
dem Pollen erzeugt und nur wenige Honig: beigemengt, und dürfte 
wohl auch hier das überschüssige Wasser des Blütenhonigs ver- 
wendet werden. Wir können also behaupten, daß Honig und Pollen 
für die Lebensbedürfnisse der meisten Insekten vollkommen aus- 
reichen, denn bei fast allen nicht räuberisch lebenden Insekten 
verhält es sich bezüglich der Ernährung ähnlich. Honig und 
Pollen müssen also als Anlockunesmittel hinsichtlich 
ihrer biologischen Bedeutung allen anderen vorangestellt 
werden. Dagegen besitzen die sonst noch vorkommenden An- 
lockungsmittel, wie Futterhaare, Blütenwachs etc., die ja nicht all- 
gemein vorkommen, eine untergeordnete, nur aus den speziellen 
Lebensverhältnissen solcher Pflanzen erklärliche Bedeutung. 


Unter diesen wären zunächst zu erwähnen die von Porsch!) 
als „Futterhaare“ bezeichneten Eiweiß- und Fettdrüsen, die bei 
einigen tropischen Orchideen, sowie auch einigen anderen ein- 
heimischen Pflanzen vorkommen. Vor allem nun ist festgestellt. 
daß die Futterhaare durchaus keine neuen Anlockungsmittel sind, 
wie Porsch behauptet, denn schon Darwin:) erwähnt an ver- 
schiedenen Stellen seines Werkes „Über die verschiedenen Ein- 
richtungen der Orchideen zum Zwecke der Fremdbestäubung“, das 
Vorkommen von vorragenden Leisten und Fransen, die von Bienen 
(Huglossa-Arten) benagt werden, eine Tatsache, die übrigens auch 
von Crüger:) durch direkte Beobachtung erhärtet wurde Es 
handelt sich hier auch um honiglose Blüten, und die Angaben 
Urügers und Darwins beweisen, daß Futterhaare bei Orchrdeen 
ziemlich verbreitet sein dürften. Nur hat Darwin keine genaue 
Beschreibung derselben gegeben, und bietet uns die Arbeit von 
Porseh in dieser Hinsicht eine wertvolle Ergänzung. Allerdings 
sind die angeführten Reaktionen auf Eiweiß meiner Meinung 
nach unzulänglich, um so mehr, als bei den meisten von ihm unter- 
suchten Maxellareen ätherische Öle in der Blüte vorkommen, die 
durch die von Porsch angeführten Reaktionen viel besser angezeigt 
werden als Eiweißstoffee. Ebenso ist die Osmiumreaktion auf 
Fett durchaus nicht eindeutige. Jedenfalls bedürfen die diesbezüglich 
von Porsch gemachten Angaben noch einer genauen Nachunter- 
suchung. Einstweilen gehen wir von der Annahme aus, daß wir 
es hier mit Absonderungen von Fett und Eiweiß in eigenen Drüsen- 


DIBorsichsel.ic No2o par 66: 
?) Darwin, 1. c. 1878. pag. 68 u. a. O. 
») Crüger, Journal Linn. Soc. Botany. Vol. VIII. 1864. pag. 130. 


Fahrınger, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete ete. 201 


haaren zu tun haben. Wir können das um so leichter tun, als 
der histologische Bau dieser Organe einwandfrei beschrieben wurde, 
und mit Rücksicht darauf, sowie auch wegen des Mangels an Blüten- 
honie die biologische Bedeutung dieser Organe zwanelos erklärt 
werden kann. Vor allem aber bin ich durchaus nicht der Ansicht, 
daß Fett und Eiweißkörper als Ersatz für Blütenhonig den 
Insekten geboten werden können; denn bei dieser Annahme würden 
ja diese Orchideen im Kampf ums Dasein gegenüber den honig- 
tragenden Arten stark im Nachteil sein, um so mehr, als ja der 
Pollen an und für sich schon Fette und Eiweißkörper enthält. 
Vielmehr ist die Bedeutung der Futterhaare als Anlockungsmittel, 
abgesehen davon, daß sie ein wichtiges Nahrungsmittel für 
gewisse Insekten abgeben, auch darin zu suchen, daß sie den nur in 
einem einzigen Staubgefäße vorfindlichen undin seiner Gänze für 
die Befruchtung notwendigen Pollen vor den Angriffen 
pollenfressender Insekten schützen, indem diese Organe 
gerade diejenigen Stoffe produzieren, die sonst den Pollen- 
säcken entnommen werden müßten. Auf diese Weise erklärt 
sich auch, warum speziell bei den Orchideen Futterhaare als An- 
lockungsmittel vorkommen. Es ist überhaupt anzunehmen, daß 
Futterhaare ausschließlich bei pollenarmen!) Blumen vorkommen. 
Auch das bei Ornithidium divaricatum Barb. Rodr. vorkommende - 
Blütenwachs hat, wie auch schon früher erwähnt, eine ähnliche 
Bedeutung, indem gewisse Insekten das von Blättern, Knospen oder 
wachsreichem Pollen herrührende Blütenwachs hier direkt in auf- 
fälliger Form vorfinden, und zwar so, daß die ziemlich wachsreichen 
klebrigen Pollensäcke einigermaßen geschützt sind. Betrachten 
wir nun auch noch die übrigen bisher bekannt gewordenen An- 
lockungsmittel, wie z. B. die bei Cussea festula L. vorkommenden 
Beköstigungsantheren oder die bei Freycinetia strobrlacea er zur 
Ausbildung gelangenden kolbenartigen Beköstigungskörper u.s. w., 
so können wir mit Rücksicht auf die Blütenbeschaffenheit, es 
delt sich ausschließlich um pollenärmere Blumen, ebenfalls die Be- 
hauptung aufstellen, daß alle diese vereinzelt vorkommenden An- 
loekungsmittel immer eine doppelte biologische Bedeutung haben, 
nämlich, nicht nur Insekten anzulocken, sondern auch edle, 
zur Befruchtung unentbehrliche Organe vor etwaigen 
Angriffen zu schützen. 


Auf Grund unserer Anschauungen lassen sich die verschiedenen 
Anlockungsmittel folgendermaßen kurz charakterisieren, nämlich als 
Anlockungsmittel, die auf den Gesichts- und Geruchssinn ge- 
wisser Tiere wirken (fernwirkende Anlockungsmittel). Hier- 
her gehören Blütenfarbe und Blütenduft, diese finden sich 
meist bei solchen Pflanzen, die in Gesellschaft anderer sie über- 
wachsender oder überwuchernder Pflanzen vegetieren. Es erscheinen 
dann diese Anlockungsmittel sehr auffallend. In den überwiegend 


!) Die Bezeichnung pollenarm ist im biologischen Sinne zu nehmen; es 
kommt hier nicht auf die Menge des Pollens, sondern auf die Verwertung zur 
Befruchtung an. 


202 Fahringer, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete etc. 


meisten Fällen finden sich aber außerdem noch andere vornehmlich 
auf den Geschmacksinn wirkende Anlockungsmittel (nahwirkende 
Anlockungsmittel), und zwar entweder solche, die unter den 
Insektenblütlern all&emein verbreitet sind, und in reichlicher Menge 
wichtige Nahrungsmittel zur Verfügung stellen (normale An- 
lockungsmittel), nämlich Blütenhonig und gewöhnlicher 
Pollen, oder es finden sich immer nur vereinzelt!) einige An- 
lockungsmittel, die aber nicht nur die Aufgabe haben, Insekten 
oder andere Tiere anzulocken, sondern auch meist gewissermaßen 
als Schutzorgane dienen (abnormale Anlockungsmittel). Hier- 
her gehören Futterhaare, Blütenwachs, Beköstigungsantheren, Be- 
köstigungskörper u.s. w. Es ist jedenfalls auch klar, daß das Vor- 
kommen bestimmter Anlockungsmittel mit der Höhe der Organisation 
der betreffenden Pflanze zusammenhängt, und man kann es gewiß als 
ein Zeichen höherer Ausbildung betrachten, wenn z. B. statt einem 
einzigen Anlockungsmittel mehrere (Farbe und Honig) auf einer Blüte 
vorkommen, oder ganz bestimmte Stoffe, die gerade für eine zur 
Vermittlung der Befruchtung besonders geeignete Insektengruppe 
(Apiden) außerordentlich wichtig sind, erzeugt werden, und tat- 
sächlich gehören die Honieblütler unter den Angiospermen fast 
ausschließlich zu den höchst entwickelten Pflanzen. Hiermit 
:claube ich, soweit ich Einblick in die Sache habe, die mir gestellte 
Aufeabe erfüllt zu haben, die einerseits darin bestand, einige in 
neuerer Zeit in die Blütenbiologie eingeschleppte Irrtümer zu be- 
seiticen, andererseits aber auch einige Beiträge zu bringen, die in 
mancher Hinsicht für die blütenbiologische Forschung von einiger 
Bedeutung sein dürften. Wenn vielleicht manches von dem Ge- 
sagten noch nicht ausreichend begründet erscheinen sollte, so mag 
das wohl auf die Schwierigkeiten zurückzuführen sein, die sich der 
Beobachtung und Untersuchung entgegenstellten, ich bin aber der 
Ansicht, daß sich manche meiner Anschauungen späterhin als 
richtig erweisen werden, und ich hoffe selbst, noch in dieser Hin- 
sicht einiges beitragen zu können. Schließlich möge es mir noch 
gestattet sein, Herrn Professor Rudolf Böhm für seine wertvollen 
Winke in Bezug auf den chemischen Teil meiner Arbeit meinen 
besten Dank auszudrücken. 


Figurenerklärung. 


Fig. 1A: Blüte von vorn, Fig. 1 B: von der Seite (eine Sepale entfernt). 
So oberes Sepalum, Ss seitliches Sepalum, 7? Petalen, Z Labellum, @ Gym- 
nostemium, C Callus, W Weachssekret. 

Fig. 2A: Einzelne Sekretzellen (stark vergrößert) nach Entfernung des 
Wachses durch Alkohol. Fig. 2B: Gruppe von Sekretzellen mit Wachsinkrusta- 
tion in Lösung während des Zusatzes von Alkohol. H Membran, K Kern, 


!) D. h. nur bei bestimmten Pflanzengruppen (Orchideen) und ganz 
wenigen Arten anderer Gruppen vorkommende Anlockungsmittel. 


Beihefte zum Botanischen Centralblait BA.XXH Abt. I Taf XVT. 


Fig. IB. 


Verlag von 6.Heinrich in Dresden-N. Lith, Anstv. Johannes Alt, Jena 


Fahringer, Zur Kenntnis emiger Blütensekrete ete. 203 


W Wachssekret, P Protoplast, M Mesophyli des Labellum (frische Präparate 
eingelegt in Alkohol und Glyzerin). 

Fig. 3A: Wachssekret (bei starker Vergrößerung, Sekretzellen mit Kali- 
lauge entfernt). Fig. 3B: Epithel mit Wachssekret (bei schwacher Vergrößerung). 
W Wachssekret, Z Sekretzellen (frische Schnitte). 

Fig. 4: Honigtrichome aus der Blumenkrone vom Symphytum tuberosum L. 
A: einzelne Trichome (stark vergrößert). B: Gruppe von Trichomen (schema- 
tisch. 4 Membran, X Kern, Z Zuckerkristalle, M Mesophyll (frische Schnitte). 


204 


Über den Einfluss der elektrischen Ströme 
auf die Kohlensäureassimilation 
der Wasserpflanzen. 
Von 


Alexander Koltonski 
aus Grabow (Russ.-Polen). 


Mit 4 graphischen Darstellungen und 4 Zeichnungen im Text. 


Geschichtliches. !) 


Der Einfluß der Elektrizität auf das Pflanzenleben bildet 
seit anderthalb Jahrhunderten den Gegenstand der Forschung. 

Die ersten Untersuchungen auf diesem Gebiete sind geknüpft 
an die Namen: — Meinbray, Nollet, Bertholon, Humphry- 
Davy, Humboldt. Wollaston. — Diese Forscher stellten fest, 
daß die Hlektrizität unter bestimmten Bedingungen die Keimung 
der Samen befördert und das Wachstum der Pilanzen beschleuniet. 

1843 erschien die höchst interessante Arbeit des Wiener 
Botanikers Franz Unger?) über „Die Pflanze im Momente der 
Tierwerdung.“ In dieser Schrift, welche in Form von Briefen 
veröffentlicht ist, behandelt er das Leben von Vaucheria clavata 
in allen seinen Erscheinungen und unter Einwirkung verschiedener 
Einflüsse. Einer der Briefe behandelt die Einwirkung der Elek- 
trizität auf das Leben der Schwärmspore und stellt eine Erschei- 
nung fest, die Verworn später mit dem Namen Galvanotaxis be- 
legt hat. 

Es scheint mir hier auch die richtige Stelle zu sein, die Tat- 
sache festzustellen, daß Unger und nicht Hermann — wie es 
Verworn:) angibt — der Erste war, der sich mit den Problemen 
der Galvanotaxis lebendiger Organismen beschäftigte. Schon 50 
Jahre vor Hermann hat Unzer die Erscheinung der Galvano- 
taxis an Stentor niger, einer bekannten Infusorie, studiert und be- 
obachtet. „Bei einer genügenden Stromintensität sah man das herr- 


1) Einige von diesen hier angegebenen geschichtlichen Daten habe ich 
der historischen Skizze von M. ©. Grady in „Le petit Temps“ vom 25. Januar 
1895 entnommen. . 

2) Unger, J., Die Pflanze im Momente der Tierwerdung. Wien 1843. 

® Verworn, Allgemeine Physiologie. 1903. S. 486. 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 205 


liche Schauspiel der in Bogenzügen herbeieilenden Tierchen. Es 
war unstreitig die Kurve einer Ellipse, von deren Brennpunkte aus 
sich die Macht des kontraktiven Poles verbreitete; ja sie schienen 
vielmehr durch eine unsichtbare Kraft dahin geleitet zu werden, 
aber kein einziges wählte den kürzesten Weg.“!) 

Im Jahre 1846 studierten Sheppard und Forster in Eng- 
land, etwas später Hubeck und Fichtner in Deutschland, den 
Einfluß der dynamischen Elektrizität auf die Futterpflanzen, und 
fanden dabei, daß jene die Ernte von 13 auf 27°, steigern kann. 

Im Jahre 1876 hat Wilhelm Velten?) seine interessanten 
Versuche über die Einwirkung strömender Elektrizität auf das 
Protoplasma und seine Bewegung angestellt. 

Sie wurden veranlaßt durch die Vermutung, daß die Proto- 
plasmaströmung auf elektrischen Vorgängen im Protoplasma be- 
ruhe — eine Vermutung, welche durch die älteren Versuche 
Dutrochet’s und Becquerel’s nicht bestätigt wurde — und 
führten zur Aufstellung folgender Hypothese: „Die Ursache der 
Protoplasmabeweeung ist in elektrischen Strömen, die der lebende 
Zellinhalt selbst erzeugt, zu suchen.“ 

Von dem Gedanken ausgehend, daß der wachstumhindernde 
Einfluß der Bäume auf die niederen Pflanzen des Waldes außer 
von den Beleuchtungsverhältnissen auch von der Verteilung der 
atmosphärischen Elektrizität bedingt ist, ging 1878 L. Grandeau) 
an seine Versuche über der Einfluß der atmosphärischen Elek- 
trizität auf die Ernährung der Pflanzen, und fand, daß jene einen 
sehr beträchtlichen Einfluß auf die Ernährung ausübt. Berthelot‘) 
fügt dieser Mitteilung die Bemerkung hinzu, dab er auf die Be- 
deutung der atmosphärischen Elektrizität für das Pflanzenwachs- 
tum bereits aufmerksam «emacht habe, indem er nachwies, daß 
unter dem Einflusse der Elektrizität die Aufnahme von Stickstoff 
durch organische Körper stattündet. 

Nach diesen bahnbrechenden Arbeiten hat sich die Zahl der- 
selben mit der Zeit sehr vergrößert, doch haben die Forscher ihr 
Augenmerk nicht gleichmäßig auf alle Erscheinungen des Pflanzen- 
lebens gelenkt. Von mehr praktischen Gesichtspunkten ausgehend, 
studierten sie vielmehr solche Wirkungen der Elektrizität, welche 
den Ertrag der Aussaat vermehren konnten, d. h. ihren Einfluß 
auf Keimung und Wachstum. Eine der wichtigsten Arbeiten nach 
dieser Richtung ist die von Selim LemströmÖ), in der er 
Folgendes bemerkt: „Man muß nicht vergessen, daß bisher die 
Elektrizität als eine Sache von gar keiner oder geringer Bedeu- 
tung für das verwickelte Leben der Pflanzen angesehen wurde. 
Man erwartete daher von ihr keine größere Wirkung. Aus der 
weiteren Darstellung wird indessen hervorgehen, daß diese Auf- 


NEnger.licini 

2) Sitzungsber. der k. Akad. d. Wiss. April 1876. Bd. 73. Oktober 
1876. Bd. 74. 

°) Compt. rend. T. 87. p. 60, 265. 

+) Compt. rend. T. 87. p. 9. 

°, Lemström, Selim, Elektrokultur. Berlin (W. Junk) 1902. 8.7. 


206 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischenStröme ete. 


fassung einer Richtigstellung bedarf, und daß der elektrische Strom 
in der Atmosphäre zu den wichtigeren Faktoren des Pflanzen- 
lebens gezählt werden mub.“ 

Nur wenige Forscher beschäftigten sich mit den anderen 
Phänomenen des pflanzlichen Lebens, obgleich sie wissenschaftlich 
nicht minder interessant zu sein scheinen. 

Als eines der vernachlässigten Gebiete können wir die Assi- 
milation der Kohlensäure bezeichnen. Den Einfluß der Elektrizi- 
tät auf dieselbe haben bis jetzt — meines Wissens — nur zwei 
Forscher untersucht, der Franzose Thouvenin!) — dessen Arbeit 
„De Yiniluence des courants &leetriques continus sur la decomposi- 
tion de lacide carbonique chez les vegeteaux aquatiques“ im 
Jahre 1906 erschienen ist — und der Italiener Pollacci, welcher 
einige Studien über diesen Gegenstand in italienischer Sprache 
publizierte. In Deutschland ist über dieses Thema bisher nicht 
gearbeitet worden. 

Angereet durch meinen hochverehrten Lehrer, Herrn Geheim- 
rat Professor Dr. Kny in Berlin, der mir in zuvorkommendster Weise 
die Mittel des Instituts zur Verfügung gestellt hat und mit gutem 
Rat und Hilfe die Ausführung meiner Arbeit ermöglichte, beab- 
sichtige ich, einige weitere Beiträge zu diesem Thema zu liefern. 


Allgemeines über die Assimilation von Kohlensäure. 


Es ist bekannt, daß die chlorophyliführenden Pflanzenteile 
die Fähigkeit besitzen, mit Hilfe der Energie der Lichtstrahlen 
organische Substanz aus Kohlensäure und Wasser unter Entbindung 
von Sauerstoff zu erzeugen. 

Die Menge des durch die Pflanze ausgeschiedenen Sauerstofts 
entspricht annähernd der Menge der durch dieselbe zerlegten 
Kohlensäure und kann als Maß der Energie, mit welcher die 
Zerlegung vor sich geht, dienen. 

Setzt man den Zweig einer submersen Weasserpflanze der 
Einwirkung der Lichtstrahlen aus, so entwickeln sich alsbald an 
der Schnittfläche sauerstoffreiche Gasblasen. Eine quantitative 
Gehaltsbestimmung des Sauerstoffs in dem ausgeschiedenen und 
aufgefangenen Gase könnte uns über die Energie der Zerlegung 
der Kohlensäure durch die betreffende Pflanze einen sicheren Auf- 
schluß geben. 

Wir verfügen aber über eine bequemere Methode der Mes- 
sung dieser Energie, welche für unsere Zwecke von genügender 
Genauigkeit ist. 

Ist der Zweige einer Wasserpflanze gut abgeschnitten und die 
Lichtquelle konstant, so ist auch die Blasenzahl pro Zeiteinheit 
konstant, und die Anzahl der aus sauerstoffreicher Luft bestehenden 
Gasblasen läßt ein annähernd richtiges Maß für die Energie ge- 
winnen, mit der die grünen Pflanzenteile assimilieren.?) 

1") Revue gener. de Botan. T. 8. 1896. 


2) Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 1897. Bd. 1. S. 291, 315. — Detmer, 
Das Pflanzenphysiologische Praktikum. 1895. S. 113. 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 307 


Es ist bekannt, daß durch verschiedene Einflüsse die Assi- 
milationsenereie geändert wird, und durch die Anzahl der Blasen 
leicht zu messen ist. Dieser Methode kann man sich daher auch 
bedienen, wenn man den Einfluß des elektrischen Stromes auf die 
Assimilation feststellen will. 

Man darf dabei nicht vergessen, dab sich bei Einwirkung der 
Lichtstrahlen in den chlorophyllführenden Pflanzenteilen neben der 
Kohlensäureassimilation ununterbrochen auch die Atmung als eine 
unentbehrliche Funktion des Pilanzenlebens vollzieht, und daß sich 
nach außen nur die Resultierende aus diesen beiden Erscheinungen 
äußert und gemessen werden kann. 

Es müßte daher eigentlich dem Studium über die Einwirkung 
des elektrischen Stromes auf die Kohlensäureassimilation ein 
solches über die Einwirkung desselben auf die Pflanzenatmung 
vorausgehen. Doch mußte ich hierauf wegen mancher dabei auf- 
tretenden Schwierigkeiten vorläufig verzichten. 

Wenn man bedenkt, in welchem Maße bei guter Beleuchtung: 
die Enereie der Kohlensäureassimilation der Pflanzen die Atmung 
derselben übertrifft, so wird man zugeben, daß der durch die 
Nichtberücksichtung der letztern begangene Fehler wahrschein- 
lich nicht zu groß sein wird. 


Untersuchungen von Thouvenin und Pollacci. 


Wie schon oben bemerkt wurde, blieb bis noch vor Kurzem 
der Einfluß der Elektrizität auf die photosynthetischen Wirkungen 
des Chlorophylils von den Forschern ganz unbeachtet, und der 
Arbeit von Thouvenin!) gehört der Verdienst, hier bahnbrechend 
geworden zu sein. 

Er unterzog seinen Untersuchungen einige Wasserpflanzen 
und beobachtete die Zahl der Gasblasen, welche von denselben 
beim Durchschicken eines elektrischen Gleichstromes durch ihren 
Körper ausgeschieden wurden. 

Seine Versuchsanordnung war sehr einfach und bestand in 
Folgendem: Ein etwa anderthalb Liter fassendes Glasgefäß wurde 
mit gewöhnlichem Wasser gefüllt, dem etwas Selterser Wasser bei- 
gemischt war. Die Offnung dieses Gefäßes verschloß ein Kork- 
stöpsel, durch dessen Mitte eine kleine Eisenbüchse gezogen war. 
Im Boden der letzteren befand sich eine kleine Öffnung, in die 
mittelst eines durchgebohrten Kautschukstopfens ein Glasröhrchen 
eingepaßt war. 

Das der Untersuchung unterworfene Sproßende einer Wasser- 
pflanze wurde mit der Spitze nach unten und mit der Basis nach 
oben in das Glasgefäß auf die Weise hineingebracht, daß der der 
Basis naheliegende Teil der Pflanze durch das Glasröhrchen durch- 
gesteckt und an diesem mit etwas Guttapercha festgehalten wurde. 
So befand sich ein Teil des Zweiges in der Eisenbüchse, die mit 
demselben Wasser wie das Hauptgefäß gefüllt war. 


'ı), Thouvenin, l. ec. p. 493—451. 


308 Koltonski. Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 


Über die abgeschnittene Fläche des Zweiges wurde ein voll 
mit Wasser gefülltes Reagenzrohr «estellt. welches die sich bei 
der Assimilation entwickelnden Gasblasen zu zählen erlaubte, da 
dieses sonst durch die gasförmigen Produkte der elektrolytischen 
Zersetzung des Wassers erschwert würde. 

Außerdem befand sich noch in dem Korkstopfen ein kleines 
Glasröhrchen, welches den Austritt der bei der Elektrolyse des 
Wassers sich bildenden Gase „estattete. 

Um durch die zu untersuchenden Pflanzen den elektrischen 
Strom durchschicken zu können, werden durch den das Glasgefäß 
schließenden Stopfen zwei durch Guttapercha isolierte, kupferne 
Drähte gezogen, welche mit den beiden Polen einer ealvani- 
schen Batterie verbunden waren. Die beiden anderen entblößten 
Enden der Kupferdrähte, die sich in dem Wasser des Untersuchungs- 
sefäßes selbst befanden, klemmten die Pflanze in der Nähe ihrer 
beiden Enden so ein, daß hier ein Kontakt hergestellt wurde, so 
daß durch Schließen und Öffnen eines Schalters die Pflanze der 
Wirkung des Stromes ausgesetzt oder demselben entzogen werden 
konnte. 

Damit die Lichtintensität bei allen Versuchen dieselbe bliebe, 
wurden diese stets bei völlig wolkenlosem Himmel ausgeführt. 


Die Untersuchung bestand darin, daß während einiger Minuten 
durch die Pflanze ein kontinuierlicher elektrischer Strom durch- 
geschickt wurde, und die Zahl der sich dabei in einer gewählten 
Zeiteinheit entwickelnden Gasblasen «ezählt wurde. Nachher 
wurde der Strom auf einige Minuten unterbrochen und die sich 
jetzt in derselben Zeiteinheit entwickelnden Blasen für sich gezählt. 
Dasselbe wurde während einer gewissen Zeit wiederholt und auf 
diese Weise die Zahlen erhalten. Der Verlauf des Versuches wurde 
durch eine Kurve graphisch veranschaulicht. 

Außerdem wurden einige Versuche ausgeführt, bei welchen 
die Gasmenge, die in einer gegebenen Zeitperiode von der Pflanze 
entwickelt war, gemessen wurde, und zwar so, dab man über die 
abgeschnittene Pflanzenbasis nebeneinander zwei mit Wasser 
gefüllte Reagenzgläser stellte, das eine, wenn die Pflanze 
elektrisiert, das zweite, wenn sie es nicht war. Ein Tropfen ganz 
reinen Petroleums, eingeführt in die mit Wasser gefüllten Reagenz- 
släser, trennte dasselbe von dem sich über ihm aufsammelnden Gase 
und verhinderte seine Diffusion. 


Das Hauptergebnis der Thouvenin’schen Versuche host 
darin, daß der elektrische Gleichstrom die Assimilation 
des Kohlenstoffes bei den Wasserpflanzen befördert, in- 
dem er die Zerlegung der Kohlensäure beschleunigt. Da- 
bei bemerkt Thouvenin noch, daß hier offenbar ein Intensitäts- 
optimum vorhanden sein muß, nach dessen Überschreiten die Ströme 
der Pflanze schädlich werden, daß dieses Optimum aber nicht allein 
für jede Gattung, sondern für jedes Individuum derselben Gattung 
verschieden ist. 

Zu diesem Hauptergebnisse kam dieser Forscher durch die 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 209 


Beobachtungen, die er bei seinen Versuchen machte, und die sich 
folgendermaßen darstellen: 

Sofort nach dem Durchlassen des elektrischen Stromes stieg 
die von der Pflanze pro Zeiteinheit entwickelte Blasenzahl und er- 
reichte schnell ein Maximum, auf dem sie sich hielt. 

Nachdem der Strom unterbrochen wurde, fiel die Blasenzahl 
lanesam und erreichte allmählich die Größe, die sie vor dem Ver- 
suche besaß. Doch konnte hier die ursprüngliche Blasenzahl nicht 
immer erreicht werden, was durch die Assimilation begünstigrende, 
bekannte Ursachen — unter anderen Erwärmung des Wassers — ver- 
ursacht war. 

Weiter zeigte sich, daß die Ströme die Zerlegung der Kohlen- 
säure um so mehr begünstigten, je größer ihre Intensität war. 

Die Richtung der durch die Pflanze durchgehenden Ströme 
war bei mehreren Versuchen ganz ohne Einfluß auf die dabei ein- 
tretenden Erscheinungen. Doch wurde bei einigen Hlodea-Pflanzen 
bemerkt, daß der Strom, wenn er von der Spitze den Zweig zur Basis 
durchlief, keine Beschleunigung der Kohlensäureassimilation hervor- 
rief, dagegen seine Einwirkung eine merkliche war, wenn derselbe 
in entgegengesetzter Richtung die Pflanze durchströmte. Durch 
anatomische Untersuchungen konnte Thouvenin diese Anomalie 
nicht erklären. 

Aus den Versuchen, bei welchen die durch die Pflanzen ent- 
wickelten Gasmengen gemessen wurden, konnte festgestellt werden, 
daß, während man eine Wasserpflanze elektrisierte, das 
Volumen des durch sie ausgeschiedenen Gases und die 
darin enthaltene Sauerstoffmenge erößer war, als die 
während der Zeit, in der die Pflanze nicht elektrisiert wurde. 

Der Unterschied zwischen den Gasmenseen in diesen beiden 
Fällen stand aber bei verschiedenen Pflanzen in keinem bestimmten 
Verhältnisse zu den Stromintensitäten. Mehrere Versuche mit einer 
und derselben Pflanze vorzunehmen, war aber unmöglich, da diese 
durch das Experimentieren ermüdet wurde und sich für weitere 
Untersuchungen unbrauchbar erwies. Außerdem kamen bei ver- 
schiedenen Exemplaren derselben Pflanzengattung mehrere Ver- 
hältnisse, unter anderen ihr Alter und ihr Gesundheitszustand in 
Betracht, welche die Einwirkung des elektrischen Stromes auf ver- 
schiedene Weise regeln könnten. 

Schickte man durch einen etwa 10 cm langen Hlodea-Zweig 
einen elektrischen Strom, der durch fünf hintereinander geschaltete 
Daniels Elemente zeliefert wurde, so war der Widerstand des 
Versuchsobjektes ein so enormer, dab die gemessene Stromintensität 
kaum die Größe von einigen Tausendsteln Ampere überschritt. 
Wenn man dann die Elektroden allein, unter Beibehaltung des 
Abstandes zwischen ihren Enden, aber ohne die Pflanze, in das 
Versuchszefäß hineinbrachte und den elektrischen Strom durch- 
schickte, so zeigte das Amperemeter fast dieselbe Stromintensität 
wie bei der Anwesenheit der Pflanze. Daraus schloß Thouvenin, 
daß die durch die Pflanze selbst hindurchgehende Elektrizitätsmenge 
eine höchst geringe sein muß. Indem man aber die Stellen, an 

Beihefte Bot. Centralbl. Bd. XXIII. Abt. I. Heft 3. 14 


210 Koltouski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 


welchen die Versuchspflanze durch die Poldrähte eingeklemmt 
war, mit Guttapercha isoliert und jene also nur von elektrischen 
Strömen umringt läßt, so ließ sich dann keine Einwirkung dieser 
Ströme auf die Assimilation der Kohlensäure feststellen. Dies 
führte zu der Annahme, daß eine Vergrößerung der Assimilations- 
energie dann erreicht wird, wenn die Pflanze nicht allein von den 
Strömen umgeben wird, sondern wenn ein Teil derselben durch 
diese selbst hindurchgeht. 

Thouvenin erkannte, daß zwei wichtige Einwände gegen 
seine Resultate gemacht werden konnten. Die Vererößerung der 
Blasenzahl während des Elektrisierens der Pflanze könnte durch 
rein physikalische Wirkung des Stromes hervorgerufen werden, 


1° entweder durch Elektrolyse des in der Pflanze ent- 
haltenen Wassers, 
2° oder durch Zersetzung der in diesem Wasser, in der 
Form von H; 00; aufgelösten Kohlensäure (H> CO; 
—— CO; - (0) +.H3), 
in beiden Fällen wird Sauerstoff in Freiheit gesetzt. 
Um aber zu zeigen, daß die Wirkung des elektrischen Stromes 
bei seinen Untersuchungen eine physiologische war, brachte 
Thouvenin die Tätigkeit des Chlorophylis zum Stillstand, indem 
er dem Wasser, in welchem die Pflanze untersucht wurde, etwas 
Chloroform zusetzte. Dabei konnte man beobachten, daß bei der 
Anästhesierung zuerst eine sehr kurze Steigerung der Assimilations- 
energie zustande kam, gleich darauf aber sich die Zerlegung der 
Kohlensäure verlangsamte, und am Ende einer bestimmten Zeit- 
periode — etwa eine Viertelstunde — keine Gasentwicklung be- 
merkbar war. Mit Erreichung der Anästhesie entwickelte sich aus 
ihrer Schnittfläche, auch beim Durchlassen des elektrischen Stromes 
durch die Pflanze, keine Gashlase. 

Man konnte die Wirkung des Stromes bei solchen Pflanzen 
wieder hervorrufen, wenn man sie auf bestimmte Zeit in frisches 
Wasser brachte. Dies gelang aber selten, besonders wenn die 
Pflanze stark chloroformiert war. Nun meint Thouvenin, 
wenn auch dabei der Tod der Pflanze hervorgerufen wird, 
müßte, wenn die Wirkung des Stromes eine rein physikalisch- 
chemische wäre, die Einwirkung dieser Ströme’ auch bei den toten 
Pflanzen zum Vorschein kommen, sogar in höherem Maße, da der 
Tod, besonders in den ersten Momenten, die Permeabilität der 
Membran nicht ändert, das tote Protoplasma dabei aber noch durch- 
dringbarer wird. 

Wie auch Pollaceci!) mit Recht bemerkt, scheint diese Er- 
klärung doch nicht so sehr überzeugend zu sein, denn die Bei- 
fügung eines so stark wirkenden chemischen Reagenzes wie Uhlo- 
roform, ruft nicht allein die Anästhesierung der Pflanze hervor, 
sondern verhindert oder zerstört auch den Mechanismus der den 
Pilanzenkörper zusammensetzenden chemischen Kombinationen. 


ı) Pollaeei, Gino, Estratto dal Bulletino della Societa italiana d, Se. 
di Firenze del 12 Marzo 1905. p. 9. 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. aan 


Was noch überhaupt über die Thouvenin’sche Arbeit zu 
sagen ist, ereibt sich aus dem Weiteren. 

Vor allem ist die von ihm vorgenommene Messung bezw. 
Analyse der sich bei der Assimilation entwickelnden Gase zu ver- 
werfen. Denn bei seiner Versuchsanordnung ist es ausgeschlossen, 
daß in dem mit Wasser vollgefüllten und über die Basis der Ver- 
suchspflanze gestellten Reagenzglase sich eben nur die gasförmigen 
Assimilationsprodukte aufsammeln, ein Teil von ihnen macht aber, 
ohne Zweifel, stets die durch den elektrischen Strom erzeugten 
Gase aus. 

Dadurch wird vielleicht auch die von Thouvenin unerklärte 
Tatsache verständlich, welche darin bestand, daß den easförmigen 
Assimilationsprodukten der elektrisierten Pflanzen gewöhnlich etwas 
Kohlensäure beigemischt war, welche durch elektrolytische Zer- 
setzung der im Wasser in der Form von H;C0O; aufgelösten 
Kohlensäure entstehen konnte. 

Damit die Lichtintensitäten bei den verschiedenen Versuchen 
dieselben blieben, mußten sie stets bei völlix wolkenlosem Himmel 
auseeführt werden. Daher konnte auch die Dauer derselben immer 
nur eine sehr geringe sein. Da aber im Allgemeinen die Zahl 
solcher Tage im Jahre eine nicht sehr bedeutende ist, so konnte 
auch die Zahl der Versuche keine genügende sein, um die aus 
ihnen gezogenen Schlüsse, wenn die Resultate auch sehr markant 
waren und die Zufälligkeit bei ihnen als ausgeschlossen erschien, 
mit voller Sicherheit zu bekräftigen. 

Es ist weiter aus diesen Untersuchungen gar nicht ersicht- 
lich, ob die dazu angewandten Pflanzenindividuen vor dem Ver- 
suche eine gleichmäßige Blasenzahl pro Zeiteinheit entwickelten. 
Aus mehreren Versuchen, die ich angestellt habe, erwies sich, 
daß sehr oft, wenn auch während der ersten Minuten die Pflanze 
gleichmäßig assimilierte, dies sich plötzlich änderte. Die zur 
Untersuchung angewandten Pflanzen müßten daher eine gewisse 
Zeit vor der Untersuchung auf die Gleichmäßiekeit der von ihr 
pro Zeiteinheit entwickelnden Gashlasen geprüft werden, was 
aber bei der Eile der Thouvenin’schen Versuche nicht mög- 
lich war. 

Die der Untersuchung unterzogenen Pflanzenindividuen be- 
fanden sich bei der obigen Versuchsanordnung während der ganzen 
Versuchsdauer im Wasser, das durch den elektrischen Strom zer- 
setzt war; dabei wurden die Produkte der Elektrolyse nicht fort- 
veschafft, sondern blieben zum großen Teil in dem Versuchswasser 
aufgelöst. Dadurch waren für die Pflanzen ganz abnorme Ver- 
hältnisse geschaffen, durch die die Assimilationsenergie wesentlich 
verändert sein konnte. 

Da der bei den Versuchen angewandte Strom durch eine 
aus wenieen Daniel’schen Elementen bestehenden Batterie er- 
halten wurde, so konnte man nur mit kleinen Spannungen experi- 
mentieren, was vielleicht auch die Resultate anders gestaltet hat. 

Einiges Bedenken erregt auch die Anwendung der Kupfer- 
(lrähte der eisernen Blechbüchse und der Zusatz von Selterser 

14* 


DD Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


Wasser, das mehr Mineralsalze enthält als das gewöhnliche 
Leitungswasser, und dadurch besonders noch bei der Elektrolyse 
abnorme Verhältnisse schafft. 

Auch Temperaturänderungen, die bei der Thouvenin’schen 
Versuchsanordnung eine gewisse Rolle spielen könnten, waren 
garnicht berücksichtigt, nicht einmal eine Messung derselben vor- 
genommen. Selbst wenn diese Wirkung keine eroße war, so 
könnte sie doch einen gewissen Einfluß auf das Schlußresultat des 
Versuches ausüben. 

Auch die Frage, welche Bedeutung die Stromrichtung bei 
diesen Versuchen hatte, war nur gelegentlich beantwortet. 

Ungeachtet aller dieser kleinen Fehler, die sich bei den ersten 
Arbeiten gewöhnlich einstellen, muß das Verdienst Thouvenins 
in hohem Maße gewürdigt werden. Denn trotz der Einfachheit 
seiner Versuche, gestatteten ihre Resultate einen neuen Einblick 
in die Natur des pflanzlichen Lebens. 

Pollacei!) stellte sich die Aufgabe, die Einwirkung des 
elektrischen Stromes auf die Assimilation der Kohlensäure ein- 
gehender zu erforschen, und zwar im Sinne der Ergründung der dabei 
in der Pflanze erfolgenden inneren Vorgänge. Zu diesem Zwecke 
bediente er sich auch ganz anderer Methoden. 

Eine große Bedeutung besitzen die Arbeiten von Pollacei 
dadurch, daß er sich in ihnen nicht allein auf die Wasserpflanzen 
beschränkte, sondern seine Untersuchungen auch auf die in der 
Luft lebenden erstreckte, um damit die Resultate auf alle assi- 
milierenden Pflanzen verallgemeinern zu können. 

Anstatt die Gase zu analysieren, die durch die elektrisierte 
Pflanze entwickelt wurden, untersuchte Pollacci die ersten faß- 
baren Verbindungen, die sich bei der Assimilation der Kohlen- 
säure bilden. Dabei wurde das Formaldehyd nicht in Betracht 
gezogen, da es seiner Unbeständigkeit wegen, die vergleichenden 
Untersuchungen unsicher oder gar unmöglich machen würde. Statt 
dessen wurde die Bildung der Stärke beobachtet, was die Experi- 
mente im allgemeinen sehr vereinfachte. Denn es ist klar, daß, wenn 
sich die Stärke, welche sicher ein mittelbares Produkt der Kohlen- 
stoffassimilation ist, in den assimilierenden Organen elektrisierter 
Pflanzen, die vor dem keine solche enthielten, reichlicher bildet 
als in den ähnlichen Organen von nicht elektrisierten Pflanzen 
derselben Gattung, die Assimilationsenergie der ersteren erößer 
als die der anderen ist. 

Es waren fünf Methoden), deren sich Pollacci bei den quali- 
tativen und quantitativen Bestimmungen der sich in den Blättern 
der Versuchspflanzen bildenden Stärke bediente. 

1° Die direkte Zählung der durch Jod gefärbten und in 
den Blättern gebildeten Stärkekörner unter dem Mikroskope. 


ı) Pollacci. G., Influenza dell’elettrizita sull’ assimilazione elorofilliana. 
(Estratto dal Bulletino della Societa italiana d. Sc. di Firenze del. 12 Marzo 
1905. p. 94—98.) 

2) Pollacci, G., Sopra i metodi di ricerca quantitativa dell’amido con- 
tenuto nei tessuti vegetali. (Estratto dagli Atti del R. Instituto Botanico dell’ 
Universita di Pavia. Serie II. Vol. XI.) 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 213 


Vergleichende Beobachtungen solcher Art sind aber sehr un- 
sicher, dienten daher nur in einigen Fällen, und zwar zur Fest- 
stellung der Bildung der Stärke: in Pflanzen, die während einer 
wenieer hellen Tageszeit und in einer dunklen Umgebung elektri- 
siert wurden. 

2° Die Methode von Sachs zur Messung der durch die 
Blätter aus der Atmosphäre absorbierten Kohlenstoffmenge. 

Sachs beobachtete in verschiedenen Momenten des Tages 
die Gewichtsveränderungen von Blättern gleicher Oberfläche. Die- 
selbe Methode wurde für die Blätter elektrisierter und nichtelek- 
trisierter Pflanzen angewandt. Dabei wurden sie beide gut aus- 
getrocknet und während der ganzen Operation genau denselben 
Bedingungen ausgesetzt. Diese Methode hat sehr befriedigende 
Vereleichsresultate ergeben. 

3° Buscalioni und Pollacci!) haben in ihrer Arbeit über 
Antocyanine eine photographische Methode zur Feststellung der 
gebildeten Stärkemengen in roten und grünen Blätterteilen ausge- 
arbeitet. 

Die untersuchten Blätter wurden vorsichtie — um die Auflösung 
der Stärke zu verhindern — durch Äther oder absuluten Alkohol 
entfärbt. Die so entfärbten Blätter behandelte man nachher mit 
‚Jod, wobei sich die etwa vorhandene Stärke blau färbte. 


Die so präparierten Blätter, welche verglichen werden sollten» 
wurden zwischen zwei durchsichtige Glasplatten z„elegt, unter 
welche man ein mit Silbereitrat bestrichenes, lichtempfindliches 
Papier ausbreitete und der Wirkung des Sonnenlichtes auf kürzere 
oder längere Zeit unterwarf. Auf diese Weise konnte nicht allein 
eine genaue Reproduktion der Blätterformen, sondern auch der ver- 
schiedenen Töne der Färbung erhalten werden, und durch ihre Inten- 
sität die in den elektrisierten und nichtelektrisierten Blättern ent- 
haltenen Stärkemengen verglichen werden. 


4° Die der Untersuchung unterliegenden Blätter wurden zu- 
erst bei 60—70° C. längere Zeit im Wasser erwärmt und filtriert. 
Das Filtrat enthielt auf die Weise die gesamte Stärkemenge der 
untersuchten Blätter in Lösung. Diese letzte gab mit einer 
mäßigen ‚Jodlösung die charakteristische Färbung. Wurden die 
sefärbten Lösungen zweier zum Vergleich untersuchten Blätter 
in den Kolorimeter von Dubosq gebracht, so konnte die größere 
oder kleinere Menge der Stärke leicht festgestellt werden. 

5° Es ist bekannt, daß durch Behandlung mit Salz- oder 
Schwefelsäure die Stärke in Glukose umgewandelt werden kann. 

Auf dies gestützt, wurde die in den untersuchten Blättern 
enthaltene Stärke verzuckert, und dann durch die gewöhnlichen 
teaktionen von Fehline oder Pasteur die Menge des Zuckers 
festgestellt, von welcher man auf die der Stärke schließen Konnte. 
jei den Versuchen von Pollacci wurden die Pflanzen dunklen 
Entladungen, Wechselströmen und Gleichströmen von eroßer und 


ı, Attı Inst, botan, di Pavia. Vol, VIJl. 1903. 


214 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


kleiner Spannung unterworfen. Er bemerkt, daß, obschon die 
Zahl der von ihm ausgeführten Versuche eine kleine war, sich 
ihre Resultate so auffallend gestalteten, daß sie ihm einige 
wichtige Schlüsse zu ziehen erlaubten. 

Es zeigte sich nämlich bei seinen Untersuchungen, daß der 
elektrische Strom, wenn seine Intensität eine gewisse 
Grenze nicht überschritt. die Bildung der Stärke in den 
Blättern begünstigte, woraus man auch schließen konnte, dab 
sich beim Einwirken des elektrischen Stromes die photosynthe- 
tische Wirkung des Chlorophylis steigert. 

Weiter zeigte sich, daß diese Beeünstigung größer war. 
wenn die Pflanze der Einwirkung des Gleichstromes unterworfen 
wurde, und dieser das Innere der Assimilationsorgane direkt 
durchströmte. 

Sehr interessant waren die Versuche, die mit den Pflanzen 
in der Dunkelheit vorgenommen waren. Es hat sich nämlich her- 
auseestellt, daß bei der Einwirkung des elektrischen Stromes auf 
einige Assimilationsorgane sich in denselben auch bei Abwesenheit 
des Lichtes Stärke- bilden konnte, während sich bei denselben 
Bedingungen in denselben Organen, wenn sie nicht elektrisiert 
waren, keine solche bildete. 

Diese höchst bemerkenswerte Beobachtung legte die Ver- 
mutung nahe, daß in bestimmten Fällen und in einigen Funktionen 
die elektrische Energie wenigstens teilweise diejenige der Sonne 
ersetzen kann. 

Die Feststellung des Optimums der Stromintensität, das auch 
nach Pollacei eine sehr variable Größe sein muß, hat sich dieser 
vorbehalten. Versuche hierüber befinden sich im Gange. 

Pollacci hatin einer späteren Arbeit!) die obigen Methoden 
selbst einer Kritik unterworfen. 

Die lange Praxis zeigte ihm nämlich, dab die zuverlässigste 
Methode der Stärkebestimmung die Verzuckerungsmethode ist, und 
zwar eignet sich für diese am besten eine frisch vorbereitete und 
in eenügender Menge angewandte Diastase. 

Eine genaue Nachprüfung der in diesen Arbeiten angegebenen 
Resultate konnte ich vorläufie nicht vornehmen. Ich unterwarf 
aber sehr viele Pflanzenexemplare der Einwirkung des elektrischen 
Stromes während mehrerer Stunden im Dunkeln, konnte aber die 
Bildung der Stärke durch denselben nicht feststellen. 


Anordnung eigener Untersuchungen. 


Die Arbeit, die ich mir vorgenommen habe, sollte eigentlich 
eine Erweiterung der Thouvenin’schen Versuche sein. Durch 
Verbessung der Versuchsmethoden sollten die von jenem Forscher 
erhaltenen Resultate geprüft, und, falls sie sich als richtige heraus- 


ı) Pollacci,. G., Sopra i metodi di ricerca quantitativa dell’ amido 
contenuto nei tessuti vegetali. (Estratto dagli Atti del R. Instituto Botanico 
dell’Universita di Pavia, marzo 1906.) 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 215 


stellen, tiefer beeründet werden. Dies sollte den ersten Teil 
meiner Arbeit bilden. 

Der zweite Teil bestand in Foleendem. Wie schon oben 
gesagt wurde, schickte Thouvenin stets den elektrischen Strom 
durch die Pflanze selbst. Es erschien mir aber höchst interessant, 
zu untersuchen, wie sich der Einfluß des elektrischen Stromes 
auf die Assimilation äußert, wenn dieser nicht die Pflanze direkt, 
sondern das Medium, in dem sie untersucht werden, durchströmte. 

Das Medium, in dem ich meine Untersuchungspflanzen der 
Wirkung des elektrischen Stromes aussetzte, war gewöhnliches 
Leitungswasser, das die zur Assimilation nötige Kohlensäuremenge 
— festgestellt durch eine grobe Analyse — enthielt. Um aber 
die bei der Elektrolyse des Wassers entstehenden Zersetzungspro- 
dukte fortschaffen zu können, wurde jenes stets durch neues, das 
aus der Leitung durch ein bis an den Boden des Versuchsgefäßes 
reichendes Röhrchen floß, ersetzt. Durch Klemmschrauben konnte 
dabei die Geschwindiekeit des Wasserstromes nach Belieben regu- 
liert werden. 

Zu den Versuchen wurden nur gesunde und unverletzte 
Pfianzenexemplare verwendet. Die Versuchsobjekte brachte man 
dabei, an einen Glasstab mittels eines Bindfadens vorsichtig an- 
gebunden, in das Wasser. 

Die Glasgefäße, die bei den Untersuchungen als Versuchs- 
sefäße bezw. Flüssiekeitswiderstände dienten, hatten eine Größe 
von 20><9><8,5 cm (Länge >< Breite >< Höhe). Der Querschnitt 
des stromdurchflossenen Wassers wurde stets auf 63 gem gehalten. 

Für die. Versuche wurde der Gleichstrom der Berliner 
Elektrizitätswerke verwandt, der nach den Untersuchungen von 
Blasius und Schweizer!) bei physiologischen Experimenten als 
konstant anzusehen ist, und in einer Spannung von 110 Volt 
zur Verfügung stand. Da man aus solcher Stromquelle zu jeder 
Zeit Ströme von beliebiger Intensität entnehmen konnte, erwies 
sich solche Anordnung des Versuches als höchst zweckmäßig. 

Näheres über die Schaltung und Aufstellung der einzelnen 
Apparate zeigt uns die Skizze Figur 1. 

Wie wir aus dieser ersehen können, bestand diese Anordnung 
aus einem. Versuchs- und einem Kontrollapparat, welche beide aus 
je einem gewöhnlichen Glastroge von den oben angegebenen 
Dimensionen hergestellt waren. An jeden von ihnen war oben 
an der Seitenwand ein Ausflußloch für das Leitungswasser hinein- 
gebohrt, in welches ein rechtwinklich gebogenes Glasröhrchen hinein- 
gepaßt und durch eine Mischung von Wachs und Kollophonium 
(1:1) befestigt war. Die anderen zu dem Versuchsapparat ge- 
hörigen Glaströge (Wy) dienten nur als Flüssigkeitswiderstände, 
deren Zahl, und dadurch auch die Stromstärke, nach Belieben ver- 
ändert werden konnte. 

Um die Versuche von den Veränderungen «des Tageslichtes 
vollständig unabhängig zu gestalten, wurden sie in einer vollkommen 


') Blasius und Schweizer, Pflügers Archiv, Bd. 53, 1895, 8. 496, 


216 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


dunklen Kammer ausgeführt und die Beleuchtung der Wasserpflanzen 
durch eine besonders konstruierte Bogenlampe von Siemens und 
Halske hergestellt (Z). 


r Ver- 


Pı Versuchspflanze. 


ter (Widerstand —100 Ohm). R Widerstand von 100 Ohm. 
T Thermometer. 


erome 


efäß. Wg Regulierwiderstände (Flüssigkeitswiderstände). 


» Kontrollpflanze, 


4Ap Milli-Amp 
e mit Alaunlösung. K Korkplatten. 


Schaltungsskizze. 


A Ausschalter. 


Vg Versuchsgefäß. Kg Kontrollg 


G Glühlampe. 
D Parallelwandige Gefäß 


E Kohlenelektroden. 
S Planspiegel 


bindungsröhre. 


L Bogenlampe. 


C Sicherung. 
U Umschalter. 


Die beiden Apparate waren auf zwei kleinen Tischen auf- 
gestellt, und zwar so, daß sie von der Bogenlampe, die zwischen 
ihnen hing, gleich entfernt waren. 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. Tl 


Die Bogenlampe befand sich in einem Blechgehäuse, das 
nach zwei eegenüberlierenden, den Tischen zugekehrten Seiten 
eine große Öffnung hatte, so dab die Versuchs- wie auch die 
Kontrollpflanze von ihr gleichmäßig beleuchtet wurden. 

Um die Pflanzen auch von unten einigermaßen zu beleuchten, 
war vor das Versuchs- und Kontrollgefäß ein Planspiegel (5) geleet. 

‘ Um die Wärmewirkung der Lichtstrahlen der Bogenlampe 
nach Möglichkeit zu lindern, wurden auf beiden Tischen, in gleicher 
Entfernung von jener, je ein parallelwandiges Gefäß (D) mit Alaun- 
lösung aufgestellt, da diese das Vermögen besitzt, die Wärme- 
strahlen zu absorbieren. 

Quer über die Gefäße des Versuchs- und Kontrollapparates 
waren kleine rechteckige Korkplatten (X) gelegt. Jede von ihnen 
enthielt zwei Löcher, eins für das Thermometer (7), das zweite 
für die Befestieung der Pflanzen (P, bezw. P;). 

Die Messung der angewandten Ströme geschah vermittelst 
eines Milliamperemeters (Ap) von Siemens & Halske, das Zehn- 
tausendstel Ampere genau abzulesen erlaubte. Wie aus der Schal- 
tungsskizze ersichtlich ist, war dieser Amperemeter in den Strom- 
kreis so eingeschaltet, daß während des ganzen Versuches der 
Strom ihn nicht passierte. Durch einen Umschalter (U) konnte 
aber das Amperemeter leicht in den Kreis zur Messung des Stromes 
eingeführt werden. Diese Vorsichtsmaßregel war wegen der Fein- 
heit des angewandten Apparates dringend nötig. 


Einfluss des die Pflanzen durchgehenden elektrischen Stromes 
auf die Assimilation der Kohlensäure. 


Um den Einfluß des die Pflanze durchfließenden elektrischen 
Stromes auf die Kohlensäureassimilation festzustellen, wurde zu 
jedem Versuche je eine Pflanze in das Versuchseefäß (Vg) gebracht, 
und zwar auf folgende Weise: 

Ein etwa 7 cm langes Sproßende der zu untersuchenden 
Pflanze wurde vermittelst eines Bindfadens an einem Glasstabe 
befestigt. Der letztere war durch einen Gummipfropfen gezogen, 
der in ein mit Wasser vollgefülltes Reagenzrohr genau paßte. 
In denselben Gummipfropfen, dicht neben dem Glasstabe, war ein 
kleines Glasröhrehen «eführt, so daß der ebene Teil des Sproß- 
endes durch dieses in das Reagenzrohr mit seiner abgeschnittenen 
Basis ragte. Diese ganze Anordnung wurde, wie es Figur 2 
zeigt, durch eine Korkplatte (A) festgehalten. Um durch die 
Pflanze den elektrischen Strom durchschicken zu können, wurde 
diese an zwei Stellen, welche etwa um 6,5 cm voneinander ab- 
standen, durch bloßgeleete Enden zweier durch Guttapercha iso- 
lierten Platindrähte eingeklemmt. Durch die anderen, auch blob- 
gelegten Enden der Drähte wurde die Versuchspflanze in den 
Stromkreis eingeführt, indem diese mit je einer in Widerstands- 
sefäßen eingetauchten Kohlenelektrode verbunden wurde. 

Was die Elektroden selbst betrifft, so waren die zwei, welche 
mit den Platindrähten in direkter Verbindung standen, in kleine, 


218 


Koltonski, Über. den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 


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Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 219 


mit demselben Leitungswasser sefüllte Thonzellen getaucht, da sie, 
bei stärkeren Strömen, in das Versuchsgefäß selbst gestellt sein 
mußten. Die zwei anderen, welche in die Widerstandsgefäße 
tauchten, und nur den Versuchsapparat in den Stromkreis ein- 
leiteten, waren größere Kohlenplatten (8,9><1,2>xx28 cm). 

Die Elektroden mußten nach jedem Versuche gereinigt werden, 
da sich die als Kathode benutzte Kohlenplatte nach einiger Dauer 
der Versuche mit einem weißlich-grauen Überzuge bedeckte, welcher 
verschiedene Komplikationen des Leitunesvermögens im Versuchs- 
apparate herbeiführen konnte. 

Die einzelnen Glasgefäße wurden miteinander vermittelst 
U-förmieger Glasröhren (r) von 30 em Durchmesser, welche mit 
10°), testgewordener Gelatinelösung gefüllt waren, leitend verbunden. 
Da die Gelatinelösung die Wanderung der Ionen verlangsamt!), 
so wurde dadurch die Möglichkeit der Fernhaltung der elektro- 
lytischen Zersetzungsprodukte der einzelnen Gefäße von der 
Pflanze viel größer gemacht. 

Je nachdem die Gefäße durch ein oder zwei nebeneinander 
befindliche U-Röhren verbunden waren, könnte man durch den 
Versuchsapparat Ströme von verschiedener Intensität schicken. 
Die Gelatinelösung mußte natürlich nach jedem, bei stärkeren 
Strömen sogar während derselben Versuche gewechselt werden. 


Um die Resultate der Versuche möglichst einwandsfrei zu ge- 
stalten, mußte man sich bemühen, verschiedene störende Beein- 
flussungen, die durch die Schwankungen des spezifischen Leitungs- 
vermögens eintreten konnten, auszuschließen. Die Schwankungen 
entstehen teilweise durch die Temperaturerhöhung (Erhöhung des 
Leitungsvermögens), teilweise wieder infolge der elektrolytischen 
Zersetzungsvorgänge (Herabsetzung des Leitungsvermögens). 

Da aber bei unseren Versuchen das Wasser des Versuchs- 
sefäßes ununterbrochen erneuert wurde, so konnte das Leitungs- 
vermögen hier als annähernd konstant angenommen werden, eben 
aus denselben Gründen auch die Temperatur. 

Die Erneuerung des Wassers in den Widerstandsgefäßen 
durch einen ununterbrochenen Strom stieß auf manche Schwierig- 
keiten. Daher begnüste ich mich damit, den Wasserwechsel durch 
Heber nach bestimmten Zeitperioden zu bewirken. 

Nach Gassner?) nimmt das Leitungsvermögen des Leitungs- 
wassers in dem von mir verwandten Glaströgen pro Milliampere- 
stunde um 0,0625 °/, (konstante Temperatur vorausgesetzt) ab. 
Demgemäß angenommen, dab eine Änderung des Leitungswider- 
standes bis 5%, ohne Einfluß auf die Versuche ist, konnte die 
Zeit, nach welcher das Wasser in den Widerstandsgefäßen ge- 
wechselt sein mußte, mittels einer einfachen Rechenoperation leicht 
berechnet werden. 


ı) Noyes, A. A. u. Blanchard, A., Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 36. 
1901.. p..1. 

°) Gassner, Der Galvanotropismus der Wurzel. (Sonderabdruck der 
jot. Ztg. Jhrg. 1906. p. 13.) 


220 Koltonski, Über den Einfluß ‚der elektrischen Ströme etc. 


Die folgende Tabelle!) „ibt das Resultat dieser Berechnung: 
Gesamtstromstärke Notwendiger minimaler 
Milliampere Wasserwechsel nach je 

50,4 1%, Std. 
36 2 
28,8 21), 
144 5 
12 10 
3.6 0 


” 


Was die Messung des Stromes betrifft, so entspricht, wie 
schon Thouvenin?) bemerkte, die am Amperemeter abgelesene 
Stromstärke nicht derjenigen, welche durch die Pflanze selbst 
durchgeht. Es ist nur ein sehr kleiner Bruchteil der durchge- 
schickten Gesamtelektrizitätsmenge, die durch die Versuchspflanzen 
hindurchgeht. 

Um diesen zu bestimmen, konnte ich keine Mittel finden, und 
begnügte mich mit der Angabe der (Gesamtstromstärke, was 
uns zwar über die Sache selbst nicht Vieles aussagt, beim Ver- 
gleich aber der unter denselben Bedingungen ausgeführten Messungen 
ein relatives Maß der durch die Pflanze durchgehenden Ströme 
darstellt. 

Daß es nicht genügte, wie es Thouvenin:) zeigte, die 
Steigerung der Assimilationsenergie dadurch hervorzurufen, daß die 
Versuchspflanze von den elektrischen Strömen nur umhüllt war, 
konnte ich auch durch eine Reihe von Versuchen, die bei ver- 
schiedenen Stromstärken ausgeführt waren, bestätigen. 

Da wir zu unseren Versuchen das Licht einer elektrischen 
Bogenlampe benützten, so war es dringend nötig, stets eine Kon- 
trolle der Gleichmäßigkeit desselben bei der Hand zu haben. 
Darin bestand eben die Funktion des Kontrollapparates (Fig. 1), 
dessen Anordnung der des Versuchsapparates genau entsprach. 
Die Beobachtung der Blasenzahl einer sich in ihm befindenden 
Kontrollptlanze erlaubte, die etwaigen Veränderungen der Lichtin- 
tensität, die für die beiden Apparate stets dieselben waren, fest- 
zustellen und bei der Betrachtung der erhaltenen Resultate in 
Rechnung zu ziehen. 

Wenn die Helligkeit der Bogenlampe nach einiger Zeit eine 
größere wurde, so mußte sich das in der vergrößerten Blasenzahl 
der Kontrollpflanze pro Zeiteinheit äußern. Bei Verkleinerung 
der Helligkeit mußte das Entgegengesetzte eintreten. Diese Ver- 
srößerung bezw. Verminderung der Helligkeit mußte aber auch 
auf die Versuchspflanze ihre Wirkung ausüben. Daher war es 


Gassner slrchp. 13. 
2) Thouvenin, |. ce. p. 446. 
d) Thouvenin, |. ce. p. 447. 


Koltonski, Über den Rinfluß der elektrischen Ströme ete. >| 
nötig, die bei der letzten beobachtete Blasenzahl um diejenige zu 
vermindern bezw. zu vergrößern, um welche die Blasenzahl der 
Kontrollpflanze gestiegen, bezw. eefallen ist. So z. B. wenn die 
Blasenzahl der Kontrollpilanze pro Zeiteinheit von 100 auf etwa 
115%, gestiegen ist, so bedeutet es, alle andere Einwirkungen 
als unverändert angenommen, daß die Helliekeit der Bogenlampe 
annähernd auch um etwa 15°), gestiegen ist. Ist jetzt, nach Be- 
endieung des Versuches, die Blasenzahl der Versuchspflanze pro 
Zeiteinheit durch die Einwirkung des elektrischen Stromes von 
100 auf 80 /, gefallen, so beträgt die wahre, durch den Strom 
hervorgerufene Verminderung der Blasenzahl nicht 20, sondern 
20 + 15, also 35 %)o. 

Es soll noch bemerkt werden, daß jeder Versuch mit den- 
selben Kohlen ausgeführt wurde, und daß man ihn nicht gleich 
nach dem Einsetzen derselben begann, da diese anfangs gewöhn- 
lich nicht ganz gleichmäßig brannten. 

Die Bogenlampe war beweglich an der Decke der Dunkel- 
kammer befestigt, sodaß man ihre Stellung immer so regulieren 
konnte, daß unser Auge, die beobachtete Pflanze und der Licht- 
bogen der Lampe auf einer geraden Linie sich befanden. 

Es könnte für unsere Resultate die Richtung des elektrischen 
Stromes auch von einer großen Bedeutung werden. Daher wurde 
jener durch manche Pflanzen in der Richtung von der Spitze zur 
Basis des Sproßendes, durch die anderen in entgegengesetzter 
Richtung durchgesandt. 

Wie schon oben bemerkt wurde, dauerten die Versuche von 
Thouvenin zu kurz, um aus ihnen über die Bedeutung der Zeit- 
dauer der Stromwirkung auf die Assimilation der Kohlensäure 
urteilen zu können. 

Es ist klar, daß, um einwandsfrei und streng wissenschaft- 
liche Resultate zu erhalten, man bei Untersuchungen solcher Art 
alle uns zur Verfügung stehenden Methoden anwenden müßte. 
Für unseren Fall würde das aber eine zu große Zeit in Anspruch 
nehmen. Daher beenügte ich mich vorläufig mit der ersten von 
den oben genannten, und zwar mit der Methode des Blasenzählens. 
Obwohl sie keine absolute Sicherheit bietet, so erschien sie mir 
doch als die zuverlässigste, weil sie uns die Veränderung der Assi- 
milationgsenergeie in jedem Momente am anschaulichsten zeigen kann. 

Die Beobachtungen dieses Abschnittes waren an Klodea cana- 
densis und Ceratophyllam demersum angestellt. 

Zu jedem Versuche wurden zwei gesunde Pflanzenexemplare 
ausgewählt, von diesen mit dem Rasiermesser das Sproßende ab- 
seschnitten und auf die oben beschriebene Weise in den Versuchs- 
bezw. Kontrollapparat hineingebracht !). 

Nachdem jede von den zu untersuchenden Pflanzen auf die 
Gleichmäßigkeit der von ihr pro Zeiteinheit (Minute) ausge- 


') Da bei allen diesen Versuchen die elektrische Bogenlampe ganz gleich- 
mäßig brannte, so habe ich, der Klarheit wegen, auf die Angaben der Be- 
obachtungen am Kontrollapparate verzichtet. Etwaige kleine Veränderungen 
wurden natürlich bei der Aufstellung der Tabellen berücksichtigt. 


202 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 


schiedenen Blasenzahl geprüft wurde, eing ich zu dem Experiment 
selbst über. 

Die dabei erhaltenen Resultate sind in den Tabellen I—V 
und den vier graphischen Zeichnungen niedergelest. Um aber 
leicht vergleichbare Zahlen zu erhalten, wurden die bei den Be- 
obachtungen notierten Zahlen immer auf 100 umgerechnet. 

Vor allem haben meine Versuche die von Thouvenin fest- 
sestellte Tatsache, daß, wenn man durch eine Wasserpflanze 
einen elektrischen Strom schickt, die von jener pro Zeit- 
einheit ausgeschiedene Blasenzahl bezw. Assimilations- 
energie sofort gesteigert wird, bestätigt. 

Nun konnte ich aber noch zeigen, daß diese Erscheinung 
stets zu Stande kommt, so lange die Pflanze am Leben 
ist, sowohl wenn sie sich in dem Optimum ihrer Lebens- 
tätigkeit befindet, wie auch wenn sie dem Tode nahe ist. 

Bei den vielen Beobachtungen, die ich gemacht habe, wurde 
die pro Zeiteinheit von der Versuchspflanze ausgeschiedene Blasen- 
zahl beim Durchfließen des elektrischen Stromes nur in sehr 
wenigen Fällen kleiner, was natürlich auf zufällige Nebenerschei- 
nungen - zurückzuführen ist. (Pflanzen: V., VIL, XVIH, XXI, 
XXV. XXX.) Es soll hier aber bemerkt werden, daß dieses sich 
auf die mittlere, pro Zeiteinheit auszeschiedene Blasenzahl bezieht, 
welche während sechs Minuten beobachtet wurde, denn betrachten 
wir dieselbe während der ersten Minute nach dem Durchlassen 
des Stromes, so wurde sie auch in diesen Fällen gewöhnlich größer. 

In noch wenigeren Fällen wurde die mittlere pro Zeiteinheit 
ausgeschiedene Blasenzahl beim Ausschalten des Stromes größer 
(Pflanzen: IL., V., XVII). 

Betrachten wir aber diese drei Fälle etwas näher, so kann 
die etwaige, bei ihnen beobachtete Abweichung durch den Um- 
‚stand erklärt werden, daß vor dem Ausschalten des Stromes diese 
Pflanzen während längerer Zeit (4 bezw. 10 und 1 Stunde) unter 
der Einwirkung desselben standen, und das Ausschalten hier als 
Reiz wirkte, der die Steigerung der Blasenzahl hervorrief. 

Trotzdem aber, daß nach jeder einzelnen Einschaltung des 
elektrischen Stromes die pro Zeiteinheit von der Pflanze ausge- 
schiedene Blasenzahl stieg, lief doch im Großen und Ganzen 
seine Wirkung darauf hinaus, daß sie diese Blasenzahl 
allmählich verminderte und schließlich das Leben der 
Pflanze zum Stillstande brachte. 

Wenn wir zwei Pflanzenindividuen unter denselben Bedingungen 
der Einwirkung des elektrischen Stromes aussetzen, und zwar nur 
mit dem Unterschiede, daß die Richtungen, in welchen sie beide 
der Strom durchfloß, verschieden waren, so hat der durch die 
Pflanze in derRichtung vonder Spitze zurBasisderselben 
durchflossene Strom, nach derselben Zeit, eine größere 
Herabdrückungeder Assimilationsenergie der betreffenden 
Pflanze hervorgerufen als derjenige, welcher die andere 
Pflanze in entgegengesetzter Richtung durchströmte. 

Daß dieser Unterschied nach dem ersten Durchlassen des 
Stromes nicht ganz Klar hervortritt, ist wahrscheinlich darin zu 
suchen, daß in den ersten Momenten die Wirkung des Stromes 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 225 


auf die Pflanze sich hauptsächlich als Reiz äußert, der auf beide 
Pilanzen in gleichem Sinne einwirkt und daher annähernd gleiche 
Resultate hervorruft. 

Was die verschiedenen Stromstärken betrifft, welche durch die 
Pflanzen eeschickt waren, so ist Folgendes zu bemerken: 

Wie schon oben erwähnt wurde, einge nur ein kleiner Bruch- 
teil der am Amperemeter eeemessenen Ströme durch die Pflanze 
selbst hindurch. Es ist auch schon bemerkt worden, daß die 
direkte Messung dieser kleinen Ströme nicht vorgenommen werden 
konnte, und daß man sich daher mit den am Amperemeter abge- 
lesenen begnügen mußte. 

Es ist selbsverständlich, das beim Dwurchlassen des elek- 
trischen Stromes durch die Pflanze in dieser höchst komplizierte 
Vorgänge ausgelöst werden, die sich überdies bei jedem anderen 
Pflanzenindividuum ganz verschieden gestalten müssen. Desto 
auffallender erschien mir der Umstand, daß, wenn wir die 
Unterschiede zwischen den von den Pflanzen pro Zeitein- 
heit ausgeschiedenen und in Prozenten ausgedrückten 
mittleren Blasenzahlen, die während e«leicher, hinter- 
einander folgenden Zeitperioden, ohne Einwirkung des 
Stromes und unter Einwirkung derselben beobachtet 
wurden, vergleichen, jene Reihen von Zahlen darstellen, 
die sich annähernd gleich sind, wie es die nachfolgende 
Tabelle zeigt: 


Pfl & Strom- | h 2 h 
a stärke in | Unterschiede der mittleren Blasenzahlen in °), 
 Milliamp. 


LO], ne 
I.| a, 


m 2 a. an, 
Do. 44 3a ag 38 
Vin. 021.10, 
a Nor. li. .s 
5 or 10 15 15 1er 
Be AL An, 
SR: er Eelense, 
a N 
Ze ee Rn 
Ban) 3, 1254,8. 10.11, 9 
N. |. 85. Ba (art 
By u... ale or 
Bann. 715. 79. 89. 
BL kan 63. 76. 
Zyı | 105 163. 75. 71. 72055 62, 51 67. 65, 67. 23, 22. 
N 68. 67. 65. 50. 47. 
XXUL| 20 20. 15. 
N 5, a alar, 
XXVL & 12. 20. 13. 
RN u A. A 
RI", 20, 20, 
>50 3, 
ZI. 59 DM 10, 5. 


224 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 


Es ist klar, daß die Reihen aus durchweg gleichen Zahlen 
nicht bestehen können, denn wie aus den Tabellen (I-V) zu 
ersehen ist, übt der Strom auf die untersuchten Pflanzen noch 
eine andere Wirkung aus, indem er mit der Zeit die Assimilations- 
energie der Kohlensäure herabdrückt. 

Und wenn wir für die eben angegebene Tabelle eine Ge- 
nauiekeit bis sogar auf 10°/, beanspruchen müssen, so ist es 
trotzdem aus ihr ersichtlich, daß hier eine gewisse Gesetzmäßig- 
keit zum Vorschein kommt, was einen gewissen Anhaltspunkt 
dafür gibt, dab die primäre Wirkung des elektrischen 
Stromes hier eine rein physikalische Erscheinung ist. 

Nun wurde aber gezeigt, daß die hier hervorgerufene Er- 
scheinung bei getöteten Pflanzen nicht hervorgebracht werden konnte. 
Ich elaube daher, annehmen zu können, daß bei diesen Unter- 
suchungen der elektrische Strom eine einfache Elektro- 
lyse der bei der Assimilation der Kohlensäure sich inter- 
mediär bildenden labilen Verbindungen hervorruft. 

Durch diese Annahme kann auch die andere Wirkung des 
elektrischen Stromes, die sich in der Herabdrückung der Lebens- 
tätigkeit der Versuchspflanzen bei seiner längeren Einwirkung 
äußert, verständlich werden. 

Aus unseren Tabellen (I—V) ersehen wir, daß nach einer 
bestimmten Zeit die Assimilationstätigkeit der Versuchspflanzen 
bedeutend herabgedrückt und bei längerer Einwirkung ganz zum 
Stillstand gebracht wird. 

Eine Ausnahme davon bilden die Pflanzen I und III, welche 
von sehr kleinen Strömen (0.0005—0.0025 Ampere) eleKtrisiert 
wurden. Bei der ersten von ihnen, obwohl der elektrische Strom 
während vier Stunden auf sie einwirkte, änderte sich die von ihr 
pro Minute ausgeschiedene mittlere Blasenzahl gegen die ursprüng- 
liche garnicht. Wenn wir aber doch die Endblasenzahl mit der 
am Anfange dieser vier Stunden vergleichen, so sehen wir, daß sie 
um 11°/, kleiner wurde, was bei solch kleiner Stromstärke sehr 
bemerkenswert ist. Dasselbekann man von der Pflanze III sagen, 
bei der nach 30 Minuten bei einer Stromstärke von 0.0025 Am- 
pere die Blasenzahl um 4 °/, gefallen ist, wenn auch die am Ende 
des Versuches die von dieser Pflanze ausgeschiedene Blasenzahl 
gegen dieselbe am Anfange des Versuches um 4°), gestiegen ist. 

Von allen von mir untersuchten Pflanzen konnte ich nur drei 
(I, II und III) am Leben erhalten. Alle anderen Exemplare 
waren einige Stunden nach Unterbrechung der Stromwirkung, 
einige schon während derselben, tot. Diese war also negativer 
Natur. Durch vergleichende anatomische Untersuchungen der Kon- 
troll- und Versuchspflanzen konnte ich im Bau der letzteren keine 
Veränderungen fesstellen. 

Dies alles führte mich zu der Annahme, daß außer der physika- 
lisch-chemischen Wirkung der elektrische Strom hier noch eine 
sekundäre, physiologische Wirkung ausübt, die darin besteht, dab 
bei der in der Pflanze hervorgerufenen Elektrolyse für diese giftige 
Stoffe entstehen, die ihren Tod allmählich hervorrufen. 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 225 


Betrachten wir nun noch näher die in den Tabellen einge- 
tragenen Resultate, so läßt sich aus ihnen eine gewisse gesetz- 
mäßige Abhängigkeit der Verminderung der Assimilationsenergie 
von der Zeit, während der die Pflanze elektrisiert wurde, ver- 
muten. 

So z. B. bei Pflanze III (Tab. I) drückt der während einer 
halben Stunde einwirkende elektrische Strom die pro Minute von jener 
die ausgeschiedene Biasenzahl um 4°/, herab. Nach einer Zeitperiode, 
achtmal größer war, also zwei Stunden dauerte, wurde die Blasenzahl 
um 42°), herabgedrückt, also um eine Zahl, die etwa zehnmal 
erößer ist. Bei Pflanze XVIII (Tab. III) betrug die Blasenver- 
minderunge nach der ersten Stunde 23 °,, nach der zweiten 30 °/,, 
also ungefähr das Gleiche. Bei Pflanze XIV (Tab. III) nach den 
ersten 30 Minuten — 19°/, nach den nächsten — 15°/,. Bei 
Pflanze XXVIll (Tab. IV) nach den ersten 15 Minuten — 29 °1,, 
nach den weiteren 15 Minuten — 27°),. Bei Pflanze XXXI 
(Tab. V) nach den ersten 15 Minuten — 24°, nach anderen 15 
Minuten — 19°/,. Also bei allen vier letztgenannten Pflanzen war 
die Herabdrückung der Blasenzahl in den gleichen Zeitperioden für 
dasselbe Exemplar dieselbe. 

Wenn man auch in einigen Fällen Abweichungen (Pflanzen: 
XIX, XVII, IV) davon festgestellt hat, so kann man bei dem 
verwickelten Komplexe von Erscheinungen, die hier zu Tage treten, 
doch annehmen, daß die Herabdrückung der Assimilations- 
energie der Zeit, während welcher der Strom auf die 
Pflanze einwirkt, annähernd proportional ist. 

Es soll noeh einiges über die Bedeutung der Stromstärken 
bei unseren Versuchen gesagt werden. 

Betrachten wir die Wirkung des Stromes nach den ersten 
sechs Minuten, so ist sie stets positiver Natur. Der elektrische Strom 
wirkt hier augenscheinlich als Reiz, der die Lebenstätigkeit der 
Pflanzen erreet. Diese Wirkung des Stromes addiert sich mit 
seiner physikalisch-chemischen und dadurch wird nach dieser ersten 
Einwirkung die Blasenzahl bezw. die Assimilationsenergie um so 
viel erhöht. 

Strenge Gesetzmäßigkeiten konnten hier für verschiedene 
Stromstärken nicht festgestellt werden. Die Wirkung war ganz 
von der Beschaffenheit der einzelnen Pflanzenindividuen abhängig. 
Im alleemeinen aber wirkten die stärkeren Ströme auch als starke 
Reize, und daher waren die von ihnen heı vorgei ufenen Steigerungen 
der Assimilationsenergie größer. 

Betrachten wir weiter die Pflanzen nach 36 Minuten, d. h. 
nachdem sie während 18 Minuten der Wirkung des Stromes unter- 
zogen waren, so beobachteten wir, dab bei einer gewissen Strom- 
stärke, die etwa 0.02 Ampere beträgt, die negative Wirkung des 
Stromes zum Vorschein kommt. 

Daß nach dieser Periode die schwächeren Ströme noch einen 
positiven Einfluß auf die Assimilationsenergie ausüben, ist dadurch 
zu erklären, dab die Reizwirkung dieser Ströme größer ist, als die 
negative Einwirkung der sich bei der Elektrolyse bildenden Sub- 
stanzen. 

Beihefte Bot. Centralbl. Bd. XXIII. Abt. I. Heft 3. 15 


226 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 

Verfoleen wir den weiteren Verlauf dieser Untersuchung, so 
zeieen sie, daß bei verschiedenen Exemplaren zwischen 
der negativen Wirkung der elektrischen Ströme und 
ihrer Stärke keine strenge Gesetzmäßigkeit herrscht, 
daß aber die Depression der Assimilationsenergie im All- 
gemeinen mit den Stromstärken größer wird. 

Ströme unter 0.0025 Ampere, durch die Pflanzen in der 
Richtung von der Basis zur Spitze durcheeschickt, scheinen von keiner 
physiologischen Wirkung auf diese zu sein. Die Erscheinungen, 
die sie hervorrufen, sind höchstwahrscheinlich nur physikalisch- 
chemischer Natur, die hier weiter auf das Leben der Pflanze 
keinen Einfluß ausüben. 

Nun habe ich noch einige Versuche auf die Weise angestellt, 
daß ich eine und dieselbe Pflanze verschiedenen Stromstärken unter- 
warf. Die Resultate einiger solcher Versuche sind in den 4 gra- 
phischen Tabellen dargestellt, in welchen im rechtwinklichen Coor- 
dinatensystem die Minuten als Abscissen und die zugehörigen, bei 
den betreffenden Zeitpunkten beobachteten Blasenzahlen als Ordi- 
naten aufgetragen sind. 

Diese Darstellungen bestätigen vor allem die Tatsache, daß 
der durch die lebende Pflanze geschickte elektrische Strom die 
Assimilationstätigkeit gegen die vorhergehende Periode, in der 
diese nicht elektrisiert wurde, stets steigert. 

Weiter zeigen sie, dab für die Veränderungen der Assimila- 
tionsenergie, bezogen auf die Veränderung der von der Pflanze 
pro Minute ausgeschiedenen Blasenzahl, zwei charakteristische 
Kurven vorhanden sind, von welchen eine dem Fall entspricht, 
wenn die Pflanze in der Richtung von der Basis zur Spitze, die 
andere, wenn sie in entgegengesetzter Richtung vom Strome durch- 
flossen wird. 

Die erste von ihnen zeigt, daß für jede, in der Richtung 
von der Basis zur Spitze während kurzer Zeitperioden elek- 
trisierte Pflanze ein Maximum der Stromstärke vorhanden 
ist, bei dem die Steigerung der Assimilationsenergie am 
srößten wird. Von da ab wird sie immer kleiner, bis schließlich 
die Stromwirkung die assimilatorische Tätigkeit der Pflanze so 
herabdrückt, daß trotz der jedesmaligen Steigerung der Blasen- 
zahl nach jedem neuen Durchlassen des Stromes diese ihre ur- 
sprüngliche Größe auch während der Einwirkung desselben nicht 
mehr erreichen kann und schließlich auf O reduziert wird. 

Bis zum Erreichen des Maximums ist die jedesmalige 
Veränderung der Blasenzahl der Stromstärke annähernd 
proportional. 

Die andere Kurve, welche für die entgegengesetzte Richtung 
des Stromes charakteristisch ist, zeigt ein etwas anderes Verhalten. 
Indem sie auch das oben ausgesprochene alleemeine Gesetz der 
Steigerung der Assimilationsenergie nach jeder neuen Durchleitung 
des elektrischen Stromes durch die Pflanze bestätigt. gehen die bei 
dieser Richtung des Stromes hervorgerufenen Veränderungen der 
Blasenzahl nicht zuerst bis zu einem gewissen Maximum hinauf 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. Do 


— dann heruntersteigend, sondern die maximale Zahlder Blasen 
wird gewöhnlich durch die schwächsten Ströme gleich 
am Anfanee des Versuches hervorgerufen, und von da 
ab fällt jene allmählich, bis sie auf O gebracht wird. 


nn 


455 160 165 


150 


AHo HS 


AaS BU 15 


120 


105 40 45 


100 


Stromintensitäten in Amperen. 
Zeit in Minuten. 


Elodea canadensis, elektrisiert in der Richtung: von Spitze zur Basis, bei 14,5° ©. 


SE Er: 


[gezuoserg 


Indem jedes Durchlassen des Stromes durch die Pflanze 
eine Steigerung der Blasenzahl hervorruft, entsteht, wie die 
Kurven zeigen, beim Ausschalten desselben eine Ver- 
minderung dieser Blasenzahl, die bis zu einer gewissen 
Stromintensität derselben annähernd proportional ist, 

19" 


228 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 


FürjedesPflanzenindividuum scheint hieraber eine Strom- 
stärke vorhanden zu sein, beider dieAssimilationsenergie 
plötzlich so heruntergedrückt wird, daß von diesem 
Momente ab der Tod der Pflanze beeinnt. 


u. 
Smzzerzeim 


GG 


SBaS:BuE 
ie ze 
nie SEeirer 
ee zum 
skus Bau ame 
Spass 
mem 


Zeit in Minuten. 


Stromintensitäten in Amperen. 


\ 


28 30 35 ko 45 50 55 


Elodea canadensis, elektrisiert in der Richtung: von Spitze zur Basis, bei 14,50 Q. 


Blasenzahl. 


Wie aus den Assimilationskurven zu ersehen ist, sind die 
Stromstärken, bei welchen das Maximum der Blasenzahl und der 
Stillstand der assimilatorischen Tätiekeit bei verschiedenen 
 Pflanzenindividuen eintritt, höchst verschieden. Und in der Tat 


2 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 
Stromintensitäten in Amperen. 


er 


NS 


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auı 45, 80, 85 30 


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"[yezuoseig 


REG GIER, 2 
DENDzEIn zo 15 30 % ‚go u 58 55 


Zeit in Minuten. 


Elodea canadensis, elektrisiert in der Richtung: von Basiszur Spitze, bei 15°C. 


Stromintensitäten in Amperen. 


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N S N N 
RN RN \ N N 

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EEE RER LEN 


RER iR TG ST 40 


5 o 15 30 


"TBZUOSTIEL 


Zeit in Minuten. 


Elodea canadensis, elektrisiert in der Richtung: von Basis zur Spitze, bei 150 0. 


230 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 


sind die hier angegebenen Resultate ein Spiel von so vielen Be- 
dineungen, daß es kaum denkbar sein kann, für zwei verschiedene 
Exemplare übereinstimmende Zahlen zu erhalten. 

Zum Schluß soll hier noch eines Faktors gedacht werden, 
von dem oben noch nicht gesprochen wurde, der aber von einiger 
Wichtigkeit für unsere Resultate sein kann. Dies ist der Ein- 
fluß der Zersetzungsprodukte, die bei der Elektrolyse des Mediums, 
in dem die Pflanze beobachtet wurde, entstehen. Obwohl, wie 
oben gezeigt wurde, für ihre Fortschaffunge aus den Versuchströgen 
gesorgt wurde, so ist doch nicht zu leugnen, daß im Momente 
ihrer Entstehung — ihre Wirkung könnte eben in diesem 
Momente die entscheidende sein — sich diese Zersetzungspro- 
dukte in direkter Berührung mit der Versuchspflanze befanden 
und daher ohne Zweifel ihre Wirkung auf diese ausübten. Die 
Größe dieser Komponente festzustellen, war mir vorläufie un- 
möglich. 

Vielleicht wäre sie ausführbar durch Heranziehung der 
Pollacci’schen Stärkebestimmungsmethode, was aber so viel 
Zeit in Anspruch nehmen würde, daß ich zur Zeit darauf ver- 
ziehten mußte. ® 


Einfluss eines gleichmässigen elektrischen Feldes auf die 
Assimilation der Kohlensäure. 


Schicken wir durch das Medium, in dem die Wasserpllanze 
beobachtet wird, einen elektrischen Strom, so geht, da der Wider- 
stand des Pflanzenkörpers ein viel größerer ist, als der des Me- 
diums, nur ein kleiner Bruchteil dieses Stromes durch die Pflanze 
selbst. 

Die Pflanze befindet sich in diesem Falle in einem gleich- 
mäßigen elektrischen Felde, denn als solches betrachtet man einen 
Strom, dessen Stromfäden geradlinig, parallel und eleich dicht sind. 

Es war höchst interessant, zu erfahren, wie sich der Einflub 
eines solchen homogenen, elektrischen Feldes auf die Assimilation 
der Kohlensäure äußert. 

Die etwaige Ablenkung der Stromlinien, welche durch die 
Einführung der Stromlinien hervorgerufen wurde, war für unsere 
Versuche nicht in Betracht gezogen und die Verteilung der Linien 
in der Pflanze selbst als gleichmäßig angenommen. 


Die Versuchsordnung zeigte im Vergleiche zu der bei den 
oben ausgeführten Versuchen angewandten nur geringe Abände- 
rungen. 

Da der Strom jetzt nicht mehr durch die Pflanze selbst ge- 
schickt zu werden brauchte, so konnte die Pflanze frei, durch 
einen (Glasstab «gestützt, in das Versuchsgefäß gebracht werden. 
Nun ergeben sich hier aber zwei Stellungen für die zu 
untersuchende Pflanze, die eine, wenn die Längsachse der 


I 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


ZIRITIIIIIRIIIEIRRIIITTTT 


N 
ISIN 


ISIN 


I 


NIII 


Fig. ) 


232 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


Pflanze senkrecht zu den Stromlinien steht, und die zweite, 
wenn sie parallel derselben ist. Eine Versuchsanordnung in 
der zweiten Stellung zeigt uns die Figur 3. 

Um einigermaßen bei allen Versuchen die gleiche Stellung 
der Pflanzen im elektrischen Felde zu behalten, wurde bei jedem 
Versuche seine Mitte fixirt und das Versuchsobjekt in dieser durch 
eine Korkplatte festgehalten. 

Die Versuche dieses Abschnittes, deren Resultate in den 
Tabellen VI—XIV dargestellt sind, wurden auf die Weise ausge- 
führt, daß zuerst zwei kräftige und : gesunde Sproßenden von 
Elodea canadensis durch Abschneiden auf dieselbe Länge gebracht 
wurden und eines von ihnen als Versuchs-, das andere als Kontroll- 
pflanze verwandt wurde. 

Nachdem ich mich über die Gleichmäßigkeit der von beiden 
pro Minute ausgeschiedenen Gasblasen überzeugt hatte, ging ich 
an die Versuche selbst heran. 

Ich unterzo® die Versuchspflanze in bestimmten Zeitperioden 
der Einwirkung des elektrischen Stromes, und beobachtete nach 
Verlauf derselben die von ihr und der Kontrollpflanze pro Minute 
ausgeschiedenen Blasenzahlen. 

Während der Anfangsperiode dauerte die Stromeinwirkung 
gewöhnlich nur vier Minuten, welchen immer andere vier folgten, 
während welcher die Pflanze der Wirkung des Stromes entzogen war. 

Die weiteren Zeitperioden der Stromeinwirkung waren auf 
l bezw. 2, 4 und 6 Stunden bemessen, aber immer so, daß jede 
der untersuchten Pflanzen im ganzen während zehn Stunden 
dieser Einwirkung unterzogen war. Außerdem waren die Ver- 
suchspflanzen während der ersten vier Stunden von der elektrischen 
Bogenlampe beleuchtet, während der sechs weiteren Stunden dagegen 
befanden sie sich im Dunkeln. 

Nach den längeren Stromeinwirkungsperioden wurde bei 
einigen. Versuchen der Strom auf kurze Zeit unterbrochen und die 
jetzt von der Pflanze pro Minute ausgreschiedene Blasenzahl be- 
obachtet. Auch wurden die Pflanzen einige Stunden nach Unter- 
brechung des Versuches auf die Veränderung der von ihnen aus- 
veschiedenen Blasenzahl untersucht. 

Jede in der Tabelle durch eine Zahl angegebene Beobachtung 
stellt ein arithmetisches Mittel von vier Beobachtungen dar, von 
welchen jede eine Minute dauerte. Um die Resultate noch leichter 
vergleichbar zu machen, wurden alle so erhaltenen Zahlen auf die 
Zahl 100 umgerechnet, der die Anfaneszahl aller Versuchs- 
und Kontrollpflanzen gleich gesetzt wurde. 


1. Längsachse der Versuchspflanzen senkrecht zu Stromlinien. 


Die Resultate dieser Versuche sind in den Tabellen VI—XII 
dargelest. 

Die in der ersten von diesen Tabellen angegebenen Resul- 
tate beziehen sich nur auf die Anfangsperiode, d. h. auf eine 
solche, während der die Pflanzen intermittierend je vier Minuten 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 233 


der Einwirkung des elektrischen Stromes ausgesetzt und entzogen 
waren. Bei allen diesen Versuchen, von welchen jeder nur 46 
Minuten dauerte, waren nur die Stromstärken und Stromdichten 
verschieden, alle anderen Bedineungen dageren stets eleich ge- 


halten. 
Um den Einfluß der Stromdichte, d. h. der Größe — EN 
i Stromquerschnitt 
aut die Assimilationsenergie feststellen zu können, habe ich den 
Querschnitt des Versuchszefäßes dadurch zu verringern gesucht, 
daß ich in diesen einen entsprechend eroßen Paraffinblock (9) 
hineinbrachte, der an die Wand und den Boden des Gefäbßes befestigt 
wurde (Fig. 4). Auf diese Weise konnte der Querschnitt des 
letzteren auf 35, in einigen Fällen auf 14 qcm verkleinert und dem- 
entsprechend die Stromdichte, die auf die Pflanzen einwirken sollte, 
vergrößert werden. 
Betrachten wir die in der Tabelle VI angegrebenen Resul- 
tate näher, so zeigt uns die letzte Rubrik derselben die endgiltigen 
Veränderungen der ursprünglichen mittleren, pro Zeiteinheit von 


den Pflanzen ausgeschiedenen Blasenzahl prozentualisch aus- 
sedrückt. 

Was hier zuerst in die Augen fällt, ist der Umstand, dab 
die elektrischen Ströme, welche das Medium, in dem die 
Pflanze wuchs, in kurzen Zeitperioden durchtlossen, nach 
einer nicht sehr langen Einwirkung die Assimilaton der 
Kohlensäure beider eine gewisseGrenzenichtübersteigen- 
den Stromintensität steigern, von da ab sie aber herab- 
drücken. 

Es besteht hier kein gesetzmäßiges Verhältnis zwischen der 
positiven Wirkung des Stromes auf die Kohlensäureassimilation 
und seiner Intensität, was auf einen sehr komplizierten Vorgang hin- 
weist. Was aber die negative Wirkune der Ströme betrifft, so läßt sich 
hier eine gewisse Abhängiekeit von der Stromstärke bezw. Strom- 
diehte vermuten. 

Die Tatsache, welche für die erste Versuchsreihe so auffallend 
war, und welche darin bestand, daß nach jeder neuen Strom- 
wirkung, die von der Pflanze pro Minute ausgeschiedene Blasen- 
zahl stieg, konnte bei diesen jetzt besprochenen Versuchen nicht 
festgestellt werden. Es zeigte sich hier in dieser Hinsicht keine 
Spur irgendwelcher Gesetzmäßigkeit. Das Durchschicken, wie 
das Ausschalten des elektrischen Stromes konnte, je nach der Be- 


234 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


schaffenheit der betreffenden Pflanze, einmal eine Steigerung bezw. 
Herabdrückung der Blasenzahl, das zweite Mal das Umeekehrte 
hervorrufen. 

Die bei den obigen Versuchen auf den ersten Blick als 
dominierende, von mir als physikalisch-chemische bezeichnete 
Wirkung des Stromes kommt also bei diesen Versuchen gar nicht 
zum Vorschein, was ich mir dadurch zu erklären suche, daß ich 
annehme, die durch die Pflanzen selbst bei diesen Versuchen durch- 
sehenden Ströme sind so minimal, daß sie nicht imstande sind, 
die oben besprochenen Elektrolysen der sich in lebenden Pflanzen 
bildenden Stoffe hervorzurufen. 

Wenn wir überhaupt die Wirkungen von Strömen eleicher 
Intensität bei den ersten und den jetzt besprochenen Versuchen ver- 
gleichen, so sind sie bei den ersten von viel negativerem Einflusse 
auf die Kohlensäureassimilation der betreffenden Pflanzen, als bei 
den letzten. Die Dichte der die Pflanzen durchströmenden Elek- 
trizität scheint hier also von ausschlaegebender Bedeutung zu sein. 

Schickt man durch das Medium, in dem die Pflanze be- 
obachtet wird, einen elektrischen Strom in kurzen, einige Minuten 
dauernden Zeitperioden, so übt er auf jene eine Reizwirkung aus, 
in deren Folge alsbald eine Steigerung der Assimilationsenergie 
zustande kommt. 

Bei elektrischen Strömen von größeren Intensitäten gesellt 
sich aber dieser Reizwirkung eine andere, ihr entgegengesetzte, zu, 
welche höchstwahrscheinlich als Folge der in dem Medium durch 
seine Elektrolyse entstehenden Zersetzungen zu betrachten ist. 

Diese Periode, in der die Pflanzen auf die besprochene Weise 
nur intermittierend, während kurzer Zeitabschnitte der Einwirkung 
der Ströme unterzogen wurden, nannte ich die Anfangsperiode, und 
ihre Dauer war bei allen späteren Versuchen (Tab. VIT-—-XII) auf 
18 Minuten bemessen. 

Betrachten wir die Veränderungen, die bei verschiedenen 
Stromintensitäten während dieser Zeitperiode in der Blasenzahl 
hervorgerufen wurden, so können wir hier, wie auch bei den in 
der Taballe VI angegebenen Versuchen, keine Gesetzmäßiekeit 
feststellen. Eines konnte hier nur hervorgehoben werden, daß bei 
gewissen Intensitäten des elektrischen Feldes (etwa 15 Milliampere 
Stromstärke und 0,24 Milliampere pro qem Stromdichte) die Ein- 
wirkung desselben eine positive war, von da ab aber eine nega- 
tive. Auffallend ist aber, daß hei sehr starker Stromintensität 
(etwa 38 Milliampere Stromstärke und 0,6 Milliampere Stromdichte) 
diese Wirkung zum erößten Teil, d. h. bei mehreren Pflanzen- 
exemplaren, wieder eine positive war. 

Dieses läßt sich vielleicht durch die zweierlei Wirkungen 
des elektrischen Feldes auf folgende Weise erklären: Wie schon 
oben erwähnt wurde, übt die erstere von ihnen einen Reiz aus, der 
die Assimilationsenergie der Pflanzen steigert, die zweite drückt 
sie dagegen herab. Sind die Stromintensitäten gering, so ist die 
zweite Wirkung des Stromes während solcher kurzen Zeitperioden 
wahrscheinlich von keiner Bedeutung für die Kohlensäureassimila- 


Koltonski, Uber den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 235 


tion, jedenfalls wird sie von der ersten übertroffen, und als Schlub- 
resultat ergibt sich eine Steigerung der von der Pilanze pro Zeit- 
einheit ausgeschiedenen Blasenzahl. Werden die Stromintensitäten 
erößer, so wächst wahrscheinlich im alleemeinen die Empfindlich- 
keit der Pilanzen für die Wirkung der zweiten Art schneller, weshalb 
bei diesen als Resultate eine Verminderung der Assimilations- 
energie eintritt. Dann scheint aber bei der größten hier ange- 
wandten Stromintensitäten die Reizwirkung derselben überhand zu 
nehmen, und es entsteht deshalb bei ihrer Anwendung wiederum eine 
Steigerung der von der Pflanze pro Zeiteinheit ausgeschiedenen 
Blasenzahl. Diese erste Periode der Untersuchung erscheint also 
als ein Kampf zwischen diesen beiden hier angeführten Strom- 
wirkungen. 

Die Frage über die Natur der Reizwirkungen, welche durch 
die elektrischen Ströme hervogerufen werden, zu beantworten, ist 
eine höchst schwierige. Es sind hier natürlich verschiedene Mög- 
lichkeiten denkbar. 

Am einfachsten wäre die Annahme, daß es die elektroly- 
tischen Wirkungen in der lebendigen Substanz selbst sind, welche 
die verschiedenen Reizwirkungen hervorrufen. Mit dem Zerfall 
dieser Verbindung ist schon an sich die Entstehung von Erregunes- 
erscheinungen egeben. Dies trifft aber vielmehr für unsere erste 
Versuchsreihe zu. Für die jetzt zu besprechenden Versuche scheint es 
aber die Elektrolyse des die Versuchspflanzen umgebenden Mediums, 
des Leitungswassers, zu sein. Denn es entstehen bei derselben 
Stoffe, welche als chemische Reize auf die Pflanzensubstanz ein- 
wirken und die. betreffenden Reizerscheinungen hervorrufen. 
Verworn!) zweifelt zwar, ob dieses Moment bei den galvanischen 
Erscheinungen wesentlich beteiligt ist, es ist aber nach meinen 
Versuchen kaum zu verneinen, daß diese Wirkung in besonderen 
Fällen als eine der wichtiesten Komponenten des gesamten Kom- 
plexes der Reizerscheinungen hervortritt. 

Als eine weitere solche Komponente führt der eben genannte 
Forscher die durch den galvanischen Strom hervorgerufene Flüssie- 
keitsverschiebung im porösen, mit Flüssigkeit getränkten Körper an. 

Es ist bekannt, daß bei einer längeren Einwirkung eines Reizes 
die lebendige Substanz ihre Erregbarkeit allmählich verliert, so dab 
der betreffende Organismus den Reiz nicht mehr als solchen em- 
pfindet. Läßt man daher den elektrischen Strom eine längere 
Zeit auf die Pflanze einwirken, so hört seine Reizwirkung auf die- 
selbe alsbald auf, und die Pflanze ermüdet, worunter zu verstehen 
ist, daß die Energie aller ihrer Lebensfunktionen herabgesetzt wird. 

‘is können hier aber noch andere Erscheinungen eintreten. 

Unter Ermüdung versteht man nach Verworn?) einerseits 
die Anhäufung von Zersetzungsprodukten, die durch die ange- 
strengte Tätigkeit entstehen, und ande worseits den Verbrauch und 
den mangelhaften Ersatz der zur Restitution der lebendigen Sub- 
stanz nötigen Stoffe. 

ı) Verworn, ]. ec, p. 457. 
2, Verworn, ]. e. p. 502. 


236 Koltonski, Über den Kinfluß der elektrischen Ströme etc. 


Nun könnte aber bei unseren Versuchen durch die Energie 
des elektrischen Stromes vielleicht ein Übermaß der verbrauchten 
Stoffe gebildet, anderseits die dabei entstehenden Zersetzungs- 
produkte von ihm in für den Organismus unschädliche Form um- 
gewandelt werden, so daß die Stromwirkung schließlich zu einer 
Steigerung der Energie einiger Lebensfunktionen führen würde. 

Um festzustellen, wie sich diese Verhältnisse beim Einflusse 
eines gleichmäßigen elektrischen Feldesauf die Kohlensäureassimilation 
äußern, habe ich die Versuchspflanzen während längerer Zeit- 
perioden dem Einflusse eines solchen Feldes unterzogen, und be- 
obachtete am Ende jeder solchen Periode die Veränderungen der 
von den Pflanzen pro Zeiteinheit ausgeschiedenen Blasenzahlen. 

Es hat sich hier herausgestellt, dab bei sehr kleinen 
Stromintensitäten (von einer Dichte bis zu etwa O,l und 
einer Stromstärke bis zu etwa 6 Milliampere) die Wir- 
kung derselben eine Steigerung der Assimilationsenereie 
hervorrief, wobei diese der Zeiteinwirkung dieser 
Ströme annähernd direkt proportional war. 

Denn, da nach vierstündiger Einwirkung dieser schwachen 
Ströme die Steigerung!) der von den Pflanzen pro Zeiteinheit 
ausgeschiedenen Blasenzahl etwa 9,75 °,, betrug, so wurde sie 
nach sechsstündiger Einwirkung etwa 14,5 °/,; es wird also eine 
annähernd stimmende Proportion 4:6 — 9,75:14,5 erhalten. 

Bei Anwendung von erößeren Stromintensitäten 
wird der Einfluß eines solchen eleichmäßigen Feldes 
auf die Assimilationsenergie ein negativer, wobei die 
Größe ihrer Verminderung mit der Zeitdauer der Ein- 
wirkung entsprechend größer wird. 

Um einen gewissen Einblick in die am Schlusse jeder Periode, 
während der die Pflanzen elektrisiert wurden, entstebenden Ver- 
"änderungen zu bekommen, habe ich die foleende Tabelle zu- 
sammengestellt: 


| 
| 
| 
| 
| 


Fi — B er = 5 B 
8 sales a seele 
Et a a S Ei N d = >) = =) = 8 
= Sa als een ee 
a - AS > ri Ta 
3 amade Beer 
2 Selen Een ne ee 
g B al eNgn|ı 2535| 2005 
= a5 | 5 3,0 sa acea sem 
= = aan 3 = = 
= & Asa |A = Sa 
1 15 0.24 6,1 9,2 el 
2 15 0.43 14 15,4 16,8 
: te) 0.32 18 27 4 
4 19 0.56 42,7 68,5 
> 42 0.69 18 24 40 17 
6 28 0.81 6,8 23,5 46 75 


2) Die hier angegebene Steigerung der Blasenzahl stellt das arithmetische 
Mittel aller diesen Versuchen entsprechenden Resultate dar. 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 237 


Die in dieser Tabelle stehenden Zahlen sind arithimetische 
Mittel, welche aus allen, jeder Versuchsreihe entsprechenden Re- 
sultaten erhalten wurden. 

Aus den Versuchsreihen 1 und 2 «eht hervor, daß bei 
eleichen Stromstärken die durch sie hervorgerufene De- 
pression der Assimilationsenergie von den Stromdichten 
abhängige ist und mit dieser entsprechend wächst. 

Bei der Versuchsreihe 3 ist vor allem zu bemerken, daß hier 
von der gewöhnlichen Art der Untersuchung eine kleine Ab- 
weichung gemacht wurde, indem nach jeder längeren oder kürzeren 
Stromeinwirkungsperiode der Strom auf je vier Minuten unterbrochen 
wurde, was aber von keinem merklichen Einflusse auf die am 
Ende des Versuches beobachteten Blasenzahlen war. 

Es soll hier bemerkt werden, daß die Blasenzahl, welche 
von den untersuchten Pflanzen nach Unterbrechung der Strom- 
wirkung beim Ende jedes Versuches ausgeschieden wurde, sich 
fast gar nicht unterschied von der am Schlusse der Stromein- 
wirkung beobachteten, d. h, daß diese Unterbrechung fast 
car keinen Reiz auf die Assimilationstätigkeit der betreffenden 
Pflanzen ausübte. Auch sehr wenig. änderte sich die Blasenzahl 
einige Stunden nach Unterbrechung des Versuches, in einigen 
Tagen sind aber alle Pflanzen, bei welchen der elektrische Strom 
eine Depression der Assimilation hervorgerufen hat, zugrunde ge- 
sangen, obwohl sie in normale Verhältnisse gebracht waren. Dies 
ist die Folee der Überreizung!), deren allgemeine Bedeutung 
nichts anderes ist, als das, was wir als äußere Todesursachen be- 
zeichnen. 

2; En Re Überreizung nicht nur, wenn sie in einer 
Stei erung, sondern auch wenn sie in einer Herabsetzung der als 
Lebensbedingungen wirkenden Faktoren besteht, schließlich -stets 
den Tod zur Folge hat.“ 

Die Versuchreihen 3 und 4 bestätigen wiederum den oben 
auseesprochenen Satz von der Abhängiekeit der durch den elek- 
trischen Strom hervorgerufenen Depression der Assimilationsenergie 
von der Stromdichte. 

Die annähernde Gleichheit der aus den Versuchsreihen 5 und 
6 erhaltenen Zahlen läßt vermuten, daß die nach einer ge- 
wissen längeren Zeit durch ein gleichmäßiges elek- 
trisches Feld hervorgerufene Depression der Kohlen- 
säureassimilation von dem Produkte Stromstärke und 
Stromdichte abhängig ist, denn in der Tat sind für diese 
Versuchsreihen diese Produkte sich annähernd gleich (28,98 bezw. 
22,68). 

Dasselbe betrifft die Versuchsreichen 3 und 4. Die Produkte 
aus Stromstärke und Stromdichte verhalten sich bei ihnen wie 
1:1,75, die Depressionen der Assimilationsenergie nach insgesamt 
zehnstündiger Stromeinwirkung, wie etwa 1:1,56, also mit einer 
Genauigkeit, die trotz der Kompliziertheit hier eintretender Er- 


1) Verworn, |. c, p. 506. 


238 Koltonski. Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc, 


scheinungen, eine gewisse Gesetzmäßigkeit doch zu vermuten er- 
laubt. Und wenn auch diese Abhängiekeit für die ersten zwei Ver- 
suchsreihen nicht zutrifft, so ist, wenn man bedenkt, was für eine 
Fülle von Erscheinungen hier zu Tage tritt, wenn man bedenkt, 
bis zu welchem Grade jede Pflanze ihre individuellen Eigenschaften 
zur Entfaltung bringen kann, die Aufstellung von solchen, nur sehr 
annähernd giltigen Sätzen doch berechtigt, denn sie gewährt uns 
jedenfalls einen gewissen Einblick in diese so dunkle und ver- 
wickelte Welt, deren volle Aufklärung kaum je geschehen wird. 

Es ist selbstvertständlich, daß die Vergleiche der Resultate 
nur für Versuchsreihen mit sich naheliegenden Stromintensitäten 
angestellt werden konnten, denn bei großen Unterschieden der- 
selben können die Nebenerscheinungen, die sie hervorrufen, eine 
bedeutende Störung jener Abhängiekeit verursachen. 

Betrachten wir noch weiter die zuletzt aufgestellte Kleine 
Tabelle, so können wir feststellen, daß im Großen und Ganzen die 
Depression der Assimilationsenergie nach jeder weiteren längeren 
Zeitperiode, in der die Pflanze der Stromeinwirkung unterzogen 
war, größer wird. Außerdem ist noch zu bemerken, daß diese, die 
Depression der Assimilationsenergie ausdrückenden Zahlen bei den 
schwächeren Stromintensitäten langsamer steigen wie bei stärkeren; 
so, wenn sie bei den ersten arithmetische Progressionen bilden, 
bilden sie bei den letzten geometrische. 

Dies weist auf die Tatsache hin, daß zwischen den durch den 
Strom hervorgerufenen Veränderungen der Assimilationsenergie 
und der Zeitdauer der Einwirkung derselben auf die Pflanzen ein 
gewisses gesetzmäßiges Verhältnis besteht, und daß jene einen 
sehr wichtigen Faktor bei diesen Erscheinungen darstellt. Denn 
wäre dies nicht der Fall, so müßte sich das Hauptergebnis der 
Stromeinwirkung schon nach der ersten längeren Zeitperiode ein- 
stellen, was nicht der Fall ist. 


Fassen wir jetzt alles hier Gesagte zusammen, so können 
wir mit Sicherheit sagen, daß, wenn sich eine Wasserpflanze 
in einem gleichmäßigen elektrischen Felde, das in dem 
sie umgebenden Medium erzeugt wird, befindet, und die 
Längsachse der Pflanze senkrecht zu den Stromlinien 
steht, bei sehr kleinen Stromintensitäten die Wirkung 
eines solchen Feldes eine positive ist, daß sie bei 
srößeren aber negativ wird. Außerdemist diese von der 
Einwirkungsdauer des Stromes, von seiner Stärke und 
Dichte abhängige und steht zu diesem im geraden Ver- 
hältnisse. 

Von den vielen Störungen, die die verschiedenen Ab- 
weichungen von den hier ausgesprochenen Betrachtungen verur- 
sachen, scheint eine die Veränderung des Widerstandes der Ver- 
suchsobjekte im Laufe des Versuches zu sein, die durch den elek- 
trischen Strom selbst herbeigeführt wird. Nach Pfeffer!) wird 
schon durch eine vorübergehende Durchleitung eines elektrischen 


I Pfeffer cr B. II 9.866; 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 239 


Stromes der Leitungswiderstand der Pflanzengewebe transitorisch 
herabgesetzt. 

Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, daß die 
schwächeren Ströme die Assimilationsenergie der Pflanzen erhöhen, 
die stärkeren diese dagegen herabdrücken. Es ist sicher, daß 
jedem Pflanzenindividuum eine andere Stromintensität entspricht, 
bei der die Wirkung, die sie ausübt, eine schädliche wird. 

Wir wissen, daß der elektrische Strom einige Körper, unter 
anderen auch den Wasserstoff, passierend diese in den status nas- 
cens überführt. In diesem Zustande besitzt der Wasserstoff stark 
reduzierende Eigenschaften. Der durch die Pflanze durchgehende elek- 
trische Strom würde vielleicht auch nichts anderes sein als ein Antrieb, 
welcher hilft, daß der Wasserstoff, der sich im Inneren der Pflanze 
bildet, mit größerer Energie die Kohlensäure, mit der er in Be- 
rührung kommt, reduziert. 

Nach Bach!) kann der Chemiker die sekundäre Wirkung 
des bei der Elektrolyse in statu nascendi erhaltenen Wasserstoffes, 
die Reduktion der Kohlensäure, herbeiführen. Die elektrolytische 
Reduktion der Kohlensäure wurde auch durch die Versuche von 
Royer?), v. Lieben), Cohen und Jahn) bestätigt. 

Phipson>) studierte die Vegetation der Pflanzen in der 
Wasserstoffatmosphäre, indem er Wasserstoff in Wasser, das 
CO; enthielt, einleitete und zeigte, daß sich das Volumen des 
Wasserstoffs um 20 Teile verkleinerte. Dieses müßte geschehen, 
wenn der Wasserstoff mit einem Teile der Kohlensäure reagiert. 
Putz®) äußert sogar, daß die Kohlensäure vom Chlorophyll über- 
haupt durch elektrische Energie assimiliert wird, und betrachtet 
also dieses als ein photo-elektrisches System. Er zitiert einen 
Fall, bei welchem die Existenz von der Umwandlung des Lichtes 
stammender elektrischer Ströme in der Pflanze nachgewiesen sein 
konnte, und nimmt an, daß hier der sich durch diese Ströme 
bildende Wasserstoff als Vermittler wirkt. 

Allen diesen Versuchen entsprechend, kann mit einer ge- 
wissen Sicherheit angenommen werden, daß der durch die Pflanze 
geschickte elektrische Strom in dieser die elektrolytische Zer- 
setzung der sich in ihr vorfindenden Kohlensäure hervorruft. 

Damit ist aber noch garnicht gesagt, daß er die Kohlensäure- 
assimilation der Pflanzen begünstigt. Dieses könnte gezeigt werden, 
wenn wir nachweisen könnten, daß die Produkte der photosynthe- 
tischen Wirkung des Chlorophylis und der elektrolytischen des 
Stromes miteinander identisch sind, was Pollacci nachgewiesen 
haben will. 

Es würde sich dann natürlich für jede Pflanze ein gewisses 
Maximum der Stromwirkung ergeben, bei dem noch eine 


!) Bach, Oompt. rend. I. OXXVI. 1898. p. 479. 

2) Royer, Compt. rend. I. LXX. 1870. p. 731. 

») Wiener Monatshefte. 16. 1895. p. 211. 18. 1897. p. 582. 

#) Cohen und Jahn, Ber. d. D. Chem. Ges. B. 37. 1904. p. 2836. 
5) Chem. New. 67. p. 303. 

6) Chem. Oentralbl. 1886. p. 774. 


240 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 


Steigerung der Assimilation möglich ist, denn durch den Strom können 
höchstwahrscheinlich nur die Ausgangsprodukte, aus welchen durch 
die Tätigkeit der lebendigen Pflanze selbst erst die höheren 
Kohlenhydrate entstehen, gebildet werden. Entstehen aber durch 
den Strom diese Ausgangsprodukte in einem Übermaße, so reicht 
die Lebenskraft der Pflanze nicht mehr zur Verarbeitung der- 
selben und wird von ihm paralysiert, auf welche Weise ich mir 
auch die Resultate meiner Versuche erkläre. 


2. Längsachse der Versuchspflanzen parallel zu Stromlinien. 


In der Stellung der Pflanzen, bei welcher die Längsachsen 
derselben parallel zu den Stromlinien sind, ergeben sich zwei 
weitere Möglichkeiten. Die eine, wenn der Strom den Pflanzen- 
zweig in der Richtung von der Basis zur Spitze durchläuft (Fig. 3), 
und die zweite, wenn dieses in umgekehrter Richtung geschieht. 
Diese beiden Fälle wurden auch bei den hierzu gehörigen, in den 
Tabellen XII und XIII dargelegten Versuchen auseinander ge- 
halten. 

Wie bei den Versuchen erster Reihe zeigt sich auch hier, 
daß die Ströme, welche die Pflanzen in derRichtung von 
der Spitze zur Basis durchfließen, einen merklich ne- 
sativeren Einfluß auf die Assimilationsenergie ausüben. 

Ging der Strom durch die Pflanzen in der Richtung von 
der Basis zur Spitze, so waren die Zahlen (°/,)!), um welche die 
Assimilationsenergie der betreffenden Pflanzen herabgedrückt 
wurde, nach 2, 4 bezw. 10 Stunden: 10,2, 34,5 und 49,6 °/,, bei 
entgegengesetzter Richtung des Stromes: 13,5, 34,5 und 56,7 °/.. 

Im allgemeinen waren die zu diesem Abschnitte gehörigen 
Versuche genau auf die Weise ausgeführt, wie diejenigen des 
zweiten Abschnittes, und im Großen und Ganzen ergaben sich aus 
ihnen auch dieselben Resultate in der Abhängiekeit der durch die 
elektrischen Ströme hervorgerufenen Depressionen der Assimilations- 
energie von den Stromintensitäten und der Dauer ihrer Ein- 
wirkung, wie bei jenen. 


Hauptresultate. 


Fassen wir jetzt alles oben Gesagte zusammen, so kommen 
wir zu folgenden Hauptresultaten: 

I. Schickt man einen elektrischen Strom durch eine Wasser- 
pflanze, so äußert sich eine Wirkung in Folgendem: 

1. So lange die Pflanze lebenskräftig ist, steigt bei jedem 
Durchlassen des Stromes die von ihr pro Zeiteinheit ausge- 
schiedene Blasenzahl. 

2. Der während längerer Zeit durchgeschickte Strom ruft 
allmählich eine Verminderung hervor und führt den Tod der 


!) Die hier angeführten Zahlen stellen das arithmetische Mittel aller zu 
diesem Abschnitte gehörigen Versuche dar. 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 241 


Pflanze herbei. Nur sehr schwache Ströme machen davon eine 
Ausnahme, indem sie keine Verminderung der von der Pflanze 
ausgeschiedenen Blasenzahl, sondern ihre Erhöhung hervorrufen. 

3. Ströme, welche die Pflanzen in der Richtung von ihrer 
Spitze zur Basis durchfließen, üben auf die Assimilationstätigkeit 
derselben einen negativeren Einfluß aus, als jene, welche sie in ent- 
eesetzter Richtung durchströmen. 

4. Die negative Wirkung des Stromes auf die Assimilations- 
energie ist für dieselbe Pflanze der Dauer der Einwirkung an- 
nähernd proportional. 

5. Zwischen der Einwirkung der Ströme auf ers chiedene 
Pflanzenindividuen und der Intensität derselben besteht im allee- 
gemeinen keine strenge Gesetzmäßigkeit, doch rufen stärkere 
Ströme auch größere Depressionen der Assimilationsenergie hervor. 

6. Werden durch eine und dieselbe Wasserpflanze elektrische 
Ströme von verschiedener Stärke in der Richtung von der Basis zur 
Spitze während kurzer Zeitperioden geschickt, so ruft ein jedes- 
maliges neues Durchlassen des Stromes eine Steigerung der von 
der Pflanze pro Zeiteinheit ausgeschiedenen Blasenzahl hervor, die 
der Stromstärke bis zu einem gewissen, für jedes Individuum ver- 
schiedenen Maximum annähernd proportional ist. 


Gehen solche Ströme durch die Pflanzen in entgegengesetzter 
Richtung, so fällt die maximale Blasenzahl gleich auf den Anfang 
des Versuches. 

Jede Unterbrechung ruft bei diesen Versuchen eine Ver- 
minderung der Blasenzahl hervor, die auch bis zu einer gewissen 
Stromstärke derselben annähernd proportional ist. Bei dieser, aber 
für jedes Pflanzenindividuum verschiedenen Stromstärke, wird die 
Assimilationsenergie plötzlich so heruntergedrückt, daß von diesem 
Momente ab die Pflanze sich im Stadium des Absterbens befindet 
und nicht mehr zum Leben gebracht sein kann. 


II. Schickt man einen elektrischen Strom durch das Medium, 
in dem die Pflanze beobachtet wird, so daß die Stromlinien senk- 
recht zur Längsachse des Versuchsobjektes stehen, so übt er auf 
die Kohlensäureassimilation folgende Wirkung aus: 

1. Durchfließt der elektrische Strom das Medium während 
kurzer, nur einige Minuten dauernder Zeitperioden, so befördert 
dieser Strom, wenn seine Intensität eine gewisse, für jedes In- 
dividuum bestimmte Größe nicht überschreitet, die von der Pilanze 
pro Zeiteinheit ausgeschiedene Blasenzahl, bei größeren Strominten- 
sitäten wird dagegen diese schon nach der kurzen Einwirkung des 
Stromes herabgedrückt. 

2. Werden die Pflanzen der Einwirkung des elektrischen Feldes 
während längerer Zeitperioden unterzogen, so ruft dieselbe bei sehr 
kleinen Stromintensitäten eine Steigerung der Assimilationsenergie 
hervor, die der Zeitdauer dieser Kinwirkung annähernd proportional ist. 
Bei Anwendung größerer Stromintensitäten wird der Einfluß eines sol- 
chen gleichmäßigen elektrischen Feldes ein negativer, wobei die Größe 
dieser Wirkung mit der Zeitdauer derselben entsprechend wächst, 

Beihefte Bot, Centralbl, Bd. XXIII. Abt. I, Heft 3, 16 


242 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


3. Bei gleichen Stromstärken werden die hervorgerufenen 
Depressionen der Assimilationsenergie abhängig von den Strom- 
dichten und stehen zu denselben im geraden Verhältnisse. Bei 
verschiedenen Stromstärken bezieht sich diese Abhängigkeit annähernd 
auf das Produkt Stromstärke und Stromdichte. 

III. Läßt man den elektrischen Strom durch das die Pflanze 
umgebende Medium so verlaufen, daß die Stromlinien parallel zur 
Längsachse derselben sind, so ist die Wirkung die folgende: 

1. In der Abhängigkeit der Einwirkung von. Stromintensi- 
täten und ihrer Zeitdauer stellen sich hier dieselben Verhältnisse, 
wie bei der senkrechten Stellung der Stromlinien zur Längsachse 
der Versuchspflanzen ein. 

2. Die Ströme, welche die Pflanzen in der Richtung von der 
Spitze zur Basis durchfließen, üben auf die Assimilationsenergie 
derselben einen negativeren Einfluß, als diejenige, welche sie in ent- 
gegrengesetzter Richtung durchströmen. 

Trotzdem diese, von uns ausgeführten Versuche keine er- 
schöpfende Antwort auf die sehr komplizierten Fragen geben, so 
können doch die aus ihnen gezogenen Schlüsse Anhaltspunkte zu 
weiteren Forschungen auf diesem schwierigen und verwickelten Ge- 
biete liefern. 

Zuletzt mag es mir noch gestattet sein, meinem hochverehrten 
Lehrer, Herrn Geheimen Regierungsrat Prof. Dr. Kny in Berlin, 
der mir die Ausführung meiner Arbeit ermöglichte und in zuvor- 
kommendster Weise stets mit gutem Rat zur Seite stand, meinen 
aufrichtigsten Dank auszusprechen. 

In eben so herzlicher Weise danke ich dem Herrn Privat- 
dozenten Dr. W. Magnus und Herın Dr. G. Gaßner, die stets 
ein reges Interesse für meine Arbeit zeigten, und mir oft dabei mit 
gutem Rat behilflich waren. 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 243 


Tabellen I bis XIV. 


16* 


244 Koltonski, Über den Einfluß.der elektrischen Ströme etc. 


Nr. des Versuches: 1. 1uR Ill. 
Versuchspflanze: Elodea canadensis. Elodea canadensis. Elodea canadensis. 
Stromrichtung: Von Basis zur Spitze. | Von Spitze zur Basis. | Von Basis zur Spitze. 
Stromstärke: 0,0005 Amp. 0,0005 Amp. 0,0025 Amp. 
Temperatur: 15%. 150 C. 14.5920: 


Ohne Stromwirkung 


Bei 5 


132323313 111 151516151615 110 151515131513 | 122 


24 28 27 30 28 30 100 15 15 14 15 14 14 104 13 14 14 15 14 15 118 


2433323 .114 15 1414151514 | 104 21 18 21 21 18 21 167 


29 28 23282726 100 15 14 15 12 13 12 96 18 18 18 18 18 18 150 


323903333 | 114 141315141414 | ° 100 18 2ı ı8 21 ıgı8g | 158 


Nach 10 Stunden 


Ohne 02823287 %6 | 100 12 14 13 13 14 15 96 


15 15 18 18 18 15 138 


Bei „ 1 a 2431 111 141415161415 | 105 ae aa | 171 


Nach 30 Minuten 21 a ı8 2ı 2118 167 


28 23 28 28 28 28 100 14 14 14 14 14 14 100 12 12 12 12 12 12 100 


Nach 4 Stunden | 29 28 27 28 29 28 100 13 13 12 12 13 14 9] 


‚Ohne Stromwirkung | 29 29 29 29 2929 | 103 11 1111111112 80 1518 18151818 | 146 


Bei z Ba | 114 13 13 12 13 13 13 91 21 21 2ı 1821 18 167 


I 


Nach 15 Minuten 


Nach 2 Stunden 15 15 15 15 15 15 125 


Ohne Stromwirkung | 29 30 23 30 28 26 103 13 12 12 10 11 ı1 82 1212 15 121212 | 104 
Bei ei 


Ohne 


13 13 13 12 14 13 93 15 151515 15 15 | 125 


» 12 13 11 18 11 12 87 12 12 15 12 12 12 104 


P.S. Die in kleiner Schrift eingetragenen Zahlen bedeuten die Blasenzahl pro Minutt 


Pabellen I, H, III, IV, V: Der elektrische Stron 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 


IV. 


Elodea canadensis. 
Von Spitze zur Basis. 


. 0,0025 Amp. 


150 C. 


14 14 14 14 14 14 


21 21 21 20 20 18 


14 14 14 14 14 13 


20 18 18 20 18 18 


12 12 14 12 12 11 


18 20 20 18 20 18 


14 14 12 14 14 12 


18 20 18 13 20 18 


643344 


136 


41 


245 


Tabelle I. 


V, 


Elodea canadensis. 
Von Basis zur Spitze. 


0,0040 Amp. 
14,5° ©. 


28 28 28 28 28 28 


35 35 37 38 39 39 


30 35 26 25 26 24 


33 33 32 32 31 30 


25 22 23 23 23 24 


30 29 29 27 28 28 


000000 


223244 


342008 


0905.05050270 


001233 


VE0E0E0E0E0 


000000 


07020202070 


ging durch die Versuchspflanzen selbst. 


v1 


Elodea eanadensis. 
Von Spitze zur Basis. 


0,0040 Amp. 
190 CH 


18 18 18 18 18 18 
20 21 20 21 20 21 
14 14 14 14 13 14 
16 18 18 18 18 18 
16 16 16 16 16 16 


22 20 20 20 20 20 


16 16 16 16 16 16 


18 20 18 18 16 18 


16 16 14 16 16 16 


16 18 18 18 16 18 


16 16 16 18 16 16 


14 16 14 16 14 16 


die in großer Schrift die mittlere Blasenzahl, welche bei allen Versuchen auf 100 reduziert ist. 


100 


946 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


Nr, des Versuches: Aal, VII. IX. 

Versuchspflanze: Ceratophylium demersum. Elodea canadensis. Elodea canadensis. 

Stromrichtung: Von Basis zur Spitze. Von Basis zur Spitze. Von Basis zur Spitze. 

Stromstärke: 0,0065 Amp. 0,0065 Amp. 0,0065 Amp. 

Temperatur: 14,5° C. 15085 155° C. 
Ohne Stromwirkung | 1414 12141414 | 100 888888 | 100 41 41 41 41 41 41 100 
Bei " 16 16 1617 17 18 | 119 11414141415 | 175 51 58 58 61 66 56 147 
Ohne 5 16 15 13 11 12 10 | 92 13 11 10 11 10 13 142 46 47 44 39 39 41 104 
Bei n 2eonnmıan | 8 131212141211 154 59 60 62 60 61 60 147 
Ohne ” woman m | 46 11 11 11 10 10 10 131 58 52 47 53 49 49 125 
Bei 5 sa 9a | 79 12 12 12 11 11 11 144 54 61 57 64 60 63 146 
Ohne R: Bogasen | 45 10109999 117 52 52 50 50 47 47 117 
Bei n | > 9 10 11 10.11 10 127 53 53 54 52 55 58 132 
Ohne = i I 99898 | 108 43 44 41 40 40 38 100 
Bei » Inst 10 10 10 10 10 10 125 4124092440 , 100 
Ohne B ; ; sss8s88 | 100 37 39 35 36 31 32 85 
Bei „ - - 910 9 810 9 115 

Nach 15 Minuten . 


Nach 1 Stunde 


Ohne Stromwirkung : ? 3 Sys ze 96 
Bei » : 810 9 9 910 114 
Ohne a . : aD OU 94 
Bei n : - 9109998 113 
Ohne 5 : 5 TR Re Sl 


Kumsanuenensn. 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 


247 


Tabelle II. 


X. 


Elodea canadensis. 
Von Spitze zur Basis. 


10 


0,0065 Amp. 


140 C. 


82.87 87878 


9 10 10 10 


878 


899 


7 


90 


XI 


Elodea canadensis. 


Von Spitze zur Basis. 


0,0065 Amp. 
14,5° C. 


21 21 21 21 21 21 


24 24 18 21 21 21 


15 15 15 12 15 15 


18 18 18 18 15 18 


12 13 123 13 12 13 


13 13 14 14 15 15 


12 12 12 12 12 12 


13 13 14 14 15 15 


10 10 11 11 12 12 


12 12 12 13 13 13 


10 10 10 10 10 10 


10 11 12 11 12 12 


10 10 11 11 12 12 


ae 


100 
105 
69 
98 
60 
67 
57 
67 
52 
60 
48 


55 


4 


43 


XL. 


Elodea canadensis. 
Von Spitze zur Basis. 


0,0065 Amp. 
14,52C: 


au 27 27 27 27 27 


28 31 29 29 27 28 


24 23 22 24 22 23 


24 27 27 27 24 26 


21 22 20 22 20 21 


24 24 23 25 24 23 


22 20 22 22 22 21 


25 23 23 22 23 21 


22 21 19 22 20 21 


23 25 22 24 21 23 


22 21 21 21 19 19 


100 
106 
85 
96 
76 
89 
80 
85 
77 
85 
76 


XIII. 


Elodea canadensis. 
Von Spitze zur Basis. 


0,0065 Amp. 


15€. 


20 20 20 20 20 20 
22 22 20 21 20 21 
20 19 18 19 19 19 
20 21 22 20 21 20 
20::19°19713°19718 
22 21 22 20 21 19 
18 18 19 18 19 17 
19 22 20 20 19 21 
19 17 19 17 18 17 
19 21 20 19 19 19 


19 15 20 20 19 18 


100 
105 
95 
103 
94 
104 
90 
101 
89 
98 
90 


248 


Koltonski, Über den Einfiuß der elektrischen Ströme ete. 


Nr. des Versuches: 


Versuchspflanze: 
Stromrichtung: 
Stromstärke: 
Temperatur: 


Ohne Stromwirkung 
Be » 


Nach 10 Minuten 


Ohne Stromwirkung 


Bei e 
Ohne 5 
Bei “ 


Nach 1 Stunde 


Ohne Stromwirkung 
Bei = 


Nach 30 Minuten 


Ohne Stromwirkung 
Bei 5 
Ohne 
Bei 5 

Nach 30 Minuten 


Ohne Stromwirkung 


Bei e 
Ohne r 
Bei a 
Ohne = 
Bei = 


Nach 1 Stunde 


Ohne Stromwirkung 
Bei n 


Nach 1 Stunde 


Ohne Stromwirkung 
Bei = 
Ohne 


” 
Nach 12 Stunden 


Bei Stromwirkung 
Ohne 


” 


Elodea canadensis. 


0,0085 Amp. 


14,50 ©. 


14 14 14 14 14 14 


100 


| 
21 19 18 17 17 119 


13131212 1 11 


111010 9 910 
12 11 11 11 11 10, 


I} 


ı 9 0 


wo999%9%8 


© 
[e.) 
Die} 
[eo] 
[eo] 
ER I 


ar 0 
(2 a er nt 


36 


68 
92 


63 
66 


58 
60 


41 


33 
37 
30 
36 


21 


18 
23 
18 


XV. 


Elodea canadensis. 


Von Basis zur Spitze.|V on Spitze zur Basis.|Von Spitze zur Basis. 


0,0085 Amp. 


14,50 C. 


12 12 12 12 12 12 


12 13 17 18 18 17 


14 13 13 13 14 14 
17 19 19 18 19 18 | 
14 12 13 12 13 10 


14 17 17 17 17 18 


14 16 14 12 12 12 
17 15 16 14 15 13 


66641414 


2 


2 
3 3 


fer 
22H, 8 » 


fen 
BD HH ww + 
>» 


DD DB m 
HD 

(>) 

oO 

oO 

je 


xV1. 
Geratophyllum demersum. 


0,0085 Amp. 
14,5% C. 


16 16 16 16 16 16 
24 24 25 25 25 25 


8 8 89 910] 
20 20 20 20 22 22. 
88888 8] 
20 20 20 20 22 22 


SEE E6 


22 22 21 21 20 20 
18 18 18 18 18 18 
5078,06 
10 10 12 10 10 10 
66666 


XVI. 


Ceratöphyllum demersu 
Von Basis zur Spit: 
0,0085 Amp. 


14,50 C. 


16 16 16 16 16 16 
30 30 30 30 30 30 


17 18 16 15 15 15 
27 28 27 25 25 24 
14 14 14 14 14 14 
20 24 26 26 26 26 


18 18 17 17 17 17 


| 12 12 14 14 14 14 


12 12 10 12 10 10 


12 10 10 10 10 10 
10 10 10 12 10 12 
10 10 10 10 10 10 
10 10 10 12 10 10 


10 8 8 10 10 10 


86686 
86666 
4422 
44666 
44624 


Pa »,P 9 


Koltonski, Über den Einfluß. der elektrischen Ströme etc, 


Tabelle III. 


XVII. 


Elodea canadensis. 


Yon Basis zur Spitze. 
0,0125 Amp. 
14,50 C. 


19 19 19 19 19 19 
30 33.32 30 32 29 


17 12 11 10 10 10 
26 24 26 24 24 22 
4110 93 91010 
2222224 


211 310 9 9 
25 25 24 22 23 23 


Bl 885 88 
18 19 14 22 21 22 
533446 
15 19 14 16 16 16 
11 1 11 11.11 11 
6 = 
10 14 16 16 14 14 
54444 
12 15,18 16 16 16 
644443 
16 16 16 16 16 16 


443 4 


11 11 12 11 1212 


8545 A555 
12 12 15 15 15 15 


BEBEB3.71:7'7 


3383 
7888 
43 


>00 


w 


»—e2:22.2 


u 
S 


Mr | 


100 


XIX. 


Elodea canadensis. 


145,920: 


a7 27 27 27 20 27 
41 38 35 35 35 34 


21 20 20 20 20 20 
36 39 40 40 39 38 
22 17 17 15 17 18 
34 39 38 36 34 33 


20 18 17 17 17 15 
36 37 37 34 33 32 


23 22 19 24 24 23 


15 10 10 11 11 13 
24 28 28 27 22 22 


1271171112713 112 


24 25 24 25 24 25 
20 20 21 20 20 20 


0176788 
11 14 14 11 17 17 
189898 


Von Spitze zur Basis. 
0,0125 Amp. 


XX. 


XXL 


Cerätophylium demersum. | Geratophyllum demersum. 


Von Basis zur Spitze. 


0,0125 Amp. 
14,50 C. 


10 10.10 10 10 10 
27 28 25 24 21 19 


OEEIEE TEE GET 
17 16 15 14 17 15 
7.0.0.8 4% 


18 18 19 16 16 20 


0.5538 060 


15 16 16 15 14 14 
999999 


5:98 9 8 
12131312 9 9 
644433 


IE, HE: 


44 44 44 44 44 44 
72 69 57 60 63 62 


54 Al 41 35 37 37 
73 71 74 69 73 65 
46 39 36 41 37 40 
56 70 68 68 64 68 


Io 0 


05:0 05,0510559 


Von Spitze zur Basis. 
0,0125 Amp. 


250 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


XXL. XXoI 


Nr. des Versuches: 


Versuchspflanze: Elodea canadensis. Elodea canadensis. 
Stromrichtung: Von Basis zur Spitze. Von Spitze zur Basis. 
Stromstärke: 0,0200 Amp. 0,0200 Amp. 


Temperatur: 14,50 C. 14,5° C. 


Ohne Stromwirkung 16 16 16 16 16 16 100 10 10 10 10 10 10 100 
Bei 5 32 28 28 20 20 20 154 17 17 14 15 13 13 148 
Ohne & 1212121212 8 71 9: 9, Teuer 48 
Bei > 24 16 20 16 12 12 104 3.3.3 aus 28 
Ohne s saaaıaa 29 won ana 8 
Bei > 12 16 16 12 12 12 83 2. 250.024 3783 23 

Nach 15 Minuten 882888 54 1.1 aD 8 
Ohne Stromwirkung 565655 33 000000 0 
Bei n 1212 8888 58 000000 
Ohne » 5BAa55AB5 29 
Bei » 566565 34 
Ohne = een 6 
Bei 5 Ä ; 2 x 
Ohne 5 

Nach 1 Stunde 5 3 p a 


Bei Stromwirkung 5 A $ B 


Ohne s 5 5 - = 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 251 


Tabelle IV. 
XXTV. XXV. XXVl. 


Ceratophylium demersum. 
Von Basis zur Spitze. 


Ceratophyllum demersum. 
- Von Basis zur Spitze. 


Ceratophyllum demersum. 
Von Spitze zur Basis. 


0.0200 Amp. 0,0200 Amp. 0,0200 Amp. 
15° C. 14,5% C. 15° C. 
19 19 19 19 19 19 100 36 36 36 36 36 36 100 10 10 10 10 10 10 100 
37 44 40 40 40 37 208 74 75 75 74 69 70 203 28 27 35 21 21 21 238 
2016131211 6 92 34 22 21 19 20 18 62 Po 12 
26 25 23 21 18 21 118 40 44 42 46 39 39 116 15 16 15 14 13 13 143 
110 8 8 88 46 24 16 14 13 12 11 42 22100 0.0200 ) 
13 16 16 17 16 15 82 23 23 23 24 20 20 62 vr 12 
121.0..0) 0:0 2 
005.020..020 ) 1982762050 19 100000 2 
000000 0 665544 14 
000000 0 Do 3 
754, 32 11 
100100 0.1 
Aa ae 34 12 
io © 1 
| 
| Von 1 
| 
| 128.7:8,6.6 20 
1 I en 3 
| 


252 


Koltonski, Über den Eintiuß der elektrischen Ströme etc. 


Nr. des Versuches: XXVl. XXVM. xXXIX. 
Versuchspflanze: Elodea canadensis. Elodea canadensis. Geratophyllum demersum. 
Stromrichtung: Von Basis zur Spitze. | Von Spitze zur Basis. | Von Basis zur Spitze, 
Stromstärke: 0,0450 Amp. 0,0450 Amp. 0,0450 Amp. 
Temperatur: 14070. 14° C. 15020: 


12 12 12 12 12 12 


Ohne Stromwirkung | 20 20 20 20 2020 | 100 17 17 17 17 17 17 


Bei 5 323332333 | 1638| 5423 |151l | a1 86 14 | 114 
Ohne e 12 13 13 12 13 13 63| wıos99g9 54 2.1 Kor ara 11 
Bei ® 19 18 19 19 18 19 93 | 10111010 9 9 58 7:87 78867 61 
Ohne „ 12 12 12 12 12 12 60 esse 46 een 10 

Nach 12 Stunden i r E : een 4 
Bei Stromwirkung| 14 15 15 14 15 15 72 899988 50 23.3.4 30 24 
Ohne 2 388888 40 a ae 43 1:/0072021098 3 
Bei 5 22227272 | 60| mo 9898 | B2l 233333 24 


Nach 15 Minuten SAEBER sl 


33 000000 0 


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{er} 
oa 
[S}1 
(Se) 
EN; 
[or] 
{er} 
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Ohne Stromwirkung| 6 
Nach 2 Stunden x : 2 : 0 0707020200 0 


Bei Stromwirkung 883838888 40 7BBBGHR 33 000000 0 


Ohne „ BaTara 26 BB5AAASB 26 000000 
Nach 12 Stunden 


Bei Stromwirkung 7116676 35 655555 30 


Nach 15 Minuten ır22171 6 000101 2 
Ohne Stromwirkung| ı ı ı01 1 4 000100 1 
Bei s 1 

Ohne e 11 Ko 101 1 


Nach 4 Stunden : : ; As » 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


Tabelle V. 
ee EEE TEE EN EITCEESSBEN 
BRONERT, xXXXI. XXXILI. 
Ceratophylium demersum. Elodea canadensis. Ceratophyllum demersum. 
Von Spitze zur Basis. Von Spitze zur Basis. Von Basis zur Spitze. 
0,0450 Amp. 0,0500 Amp. 0,0500 Amp. 
14,50 C. 14,50 ©. 14,50 C. 
36 36 36 36 36 36 100 18 18 18 18 18 18 100 12 12 12 12 12 12 100 
80 83 83 86 85 82 231 32 44 42 36 34 28 200 23 24 25 33 18 17 167 
38 24 24 22 21 21 69 16 14 14 12 14 14 78 655545 42 
284434 38 24 16 14 12 14 16 80 Bez gag 8 63 
Aorasolı 6 81010 8 812 | 52 BB6EG6GBE TE 42 
>53.323 3:3 | 8 14 18 18 16 16 16 I 91013 910 7 80 
| | 

125020 0:00 | 0,5 12 12 10 10 810 97 | 1.0 4 
4.931 18 | 4 14 14 16 14 14 14 | 830 963213 32 

10 10 10 10 10 10 | 56 

| 
020502.060) 0 0 E66 6 AA | 32 ON © 4 
000000 | 0 

GB 37 Da 13 
A. A 39 000 00 1 
000000 0 

1188666 41 

KARA 22 

232932 3 14 

AN 9) 19 

. DS an aBoR 13 

07020002000 0 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


254 


Einwirkung eines gleichmäßigen elektrischen Felde 


"ZUNNIIMWOIIS 9UUO 
oynurm oad [yqezuosejg] PXOTYyLML 


94 


122 


104 


116 


150 


119 


108 


185 


100 


-SUNnyIIMWOINS 19q 
oynum oAd TyBzuoseig PAoTyyLm 


90 


120 


97 


150 


216 


"ZUNYIIMWOAIS EUYUO 
oynum oAd Tyezuosejg 9X9T9Y4LM 


120 


120 


95 


144 


185 


95 


100 


104 


127 


122 


118 


84 


30 


92 


99 


98 


103° 


117 


114 


110 


54 


85 


83 


101 


105 


68 


75 


"JUnyIIMWOIIS Toq 
onurp; oıd [yeZuosufg PXoTıyım 


117 


125 


112 


95 


124 


125 


145 


"ZUNyIIMWOIS HULO 
oynum oAd TyBzuosuIg HLOTJFıM 


109 


120 


107 


93 


135 


121 


140 


98 


100 


106 


117 


97 


99 


100 


103 


84 


105 


74 


93 


102 


94 


105 


76 


"JUNNIMWOAIS TOA 
dymurm Od [yBZUuoseIg 9AoT4FLM 


"ZUNYNAMWMOLIIS HUTO 
mu; OAd [UBZUuosuIg 910]I44IM 


"uszurepdsyonsaoA 


112 


100 


115 


98 


95 


126 


105 


00 


1 


104 


12 


16 


17 


9 


101 


18 


19 


20 


15,50 C. 


Temperatur 14 


Elodea canadensis. 


255 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


Tabelle VI. 


‚uf die senkrecht zu den Stromlinien stehenden Pflanzen. 


"[gqezuoseig uexof 
-J4TUL EP SUNIOPURIO A OSTITNSPUH 


"wob oıd 
gaodwerjjm UT HYyOTPWOAIS 


"9IodwelfIm UT SYABIsworIS 


"wob ur sıosse A UEUESSOFYOANP 
eworg WwOoA sep YYTuyosaond 


-ZUnNILMWOINS HUUO 
oynurm oad [yezussefg SI9T4IN 


63 


100 


142 


115 


114 


113 


124 


105 


155 


119 


117 


170 


” 


109 


” 


0,24 


104 


+27 


15 


127 


—a 


14 
63 
63 
3 


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0,29 


18 


98 


"ZUNNATAUOIS TOq 
oynurm od [yezuose[g 910]J4LN 


99 


"JUNYITAWIOIFS HUyo 
oynumm oAd Tyezuosefgg EXoTyyLm 


"JunyalmwmorIs 104 
oynurp; oad TyBzuosufer OXoTyyım 


94 


135 


130 


120 


121 


116 


113 


113 


113 


123 


118 


105 


115 


142 


183 


128 


128 


108 


110 


185 


190 


105 


108 


122 


54 


96 


E17 


117 


110 


105 


112 


96 


117 


— 18 


s1 82 


82 


118 


124 


110 


105 


109 


112 


173 


125 


117 


195 


9 


104 


94 


9 


—23 


35 
14 


77 


77 


ie) 
> 


— 32 


68 


69 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


256 


Einwirkung eines gleichmäßigen elektrischen Feldes 


-ZUNNIIMWIOLIS 
d9p JungperqIıogun Aaep yoeu 
Smurm odd [yBzuoserg SXaTyyım 


"Zungıam 
-wOoIS uoegIpungsy d9urs yoeu 
oynum oad Tqezusserg 9AaT3yım 


‘0, UL Spordsgusjuvy ep yosu 
uszuegdsyonsaoA A9p Tyezuest;E 
-eIjg UEIOTINIm dep SunaopuemmA 


"usgnurp F puoı 
-YBM ZUNyIIMWorS A9ure Tod , 
‚ognurm oıd [yezuoseig 9aolyyım 


101 


105 


111 


94 
106 


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-WOIISHUYO uonurm F pueıygem 
oynurm oad [yezuoseig 9a0[y4ım 


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UOA JUNYAIMUIOAIS A9UTO yoRu 
omurm od [yezuoserg Saofygım 


‘4299593 001 — SUnyJamworg 
Uyo SIYANSI9 A SOP AIUBJUy ue 
omurm oAd [qezuoserg aıoTıyım 


"u9zurgdjfoaguoy 


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103 


106 


100 


99 


106 


101 
100 


106 


100 


101 


106 


101 
102 


114 


9 


103 


104 


"u9zuegdsyonsaa‘ 


10 


12 


14 


15,5% C. 


Temperatur 14 


Elodea canadensis. 


257 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


Tabelle VII. 


auf die zu den Stromlinien senkrecht stehenden Pflanzen. 


ord SredweifIm u OIOTPULOAIS 


"9rodwerffjim Ur OLLB4SWLOLIg 


"SIOSSE AM UEUASSOFUIANP 
PWOALNS TWIOA SEP YNIUYyDSIENnY 


I9P [yezuosejg uaIoyLuu Op 


Zundopug.ıa AognTosge aFıryn3puy 


pun -syonsıoA Aop Tyezueseig 
ueropyyw dep 


-TLUOAIS AHP Jung99aIgaoyuN) yosu 
oynurm oad Tqezuoserg 9aofyyın 


-wWoAIS ussıpungsg Aaul yoBu 
oynurm oad Tyezuosefgg S1oyyL m 


-WOI4S 10I1pungsF yoeu uozuegyrd 
-syonsıoA\ App [yezuose[g uodorL 


-gyrur HP SunaopumıoA AynTosqy 


pum -SyonsaoA Aop [yBzuoseig 


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-SyonsIoA IOP [UBZUoseIgT 
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od [yezuesejf VAXofgyLM 


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113 
114 
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100 


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— 10 

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+18 
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0 


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90 

91 
100 
103 
117 
105 
100 
118 
103 
103 
111 
109 
100 
100 


"ZJUNNIIMWOIIS Hugo 
usgnumm F pusıyem oynu 
-Ip 01d [yeZuoseIg 81oTyyıl 


105 
100 
105 

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100 
103 
104 
104 
100 
107 
103 
106 
1 
109 
109 
100 

15,50 C. 


"uognu 
-IM 7 pueıygem Junyıa 
-WOAIIS I8UT9 TEq oynurm. 
od Tgezusselg 9Aofyyım 


Einwirkung eines gleichmäßigen elektrischen Feldes 


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100 
110 

3 
100 

6 

98 

99 
100 

99 

99 
108 
101 
103 
107 
109 
104 
104 


"ZUnNIM 
-WoIS 9uyo soyonsıen 
sep odueyuy we ognuIm 
od jgezueselg VAOTyyım 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


"U9ZUBgATTOAAUOY 


Temperatur 14 


"USZUBFAÄSYONSLIO A, 


258 


Elodea canadensis. 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


Tabelle VIII. 


uf die senkrecht zu den Stromlinien stehenden Pflanzen. 


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-IM od [UBZUOSBIT 919]I4LW 


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-SyaNSI9A TIP [YBZU9SeTT a] - au - - - au au au - - - au - - - - 
uoropyyrm A0p Zunıopur | | | | | | | | | | | | | | | | | | | 
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| ar naar a a N N 
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uedojJpw op Sunıspurıo‘ 
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"ZuUnyam 
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op [yuzuoseig uoxepyyrun | | | | | | | | | | | | | | | 
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-syonsaoA Aop [yezuoseig | | | | | | I+ | | | | F+ ++ ||] | 


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177 


aosıpungs zg Yowu wezuep 
-SUONSIOA AOP TUBZUOSTIT UBAXOL 
-I4T op Sunaopurao‘ eynTosqy 


"uozuggdfoaguoy 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 


260 


Einwirkung eines gleichmäßigen elektrischen Feldeg 


pun -syonsao‘\ A0p TyWzuos 
-BIT UHETOTINWL Top SundopurdoA‘ 


"SUNYyIIM 
Jungioumg YoRBu 
Tqgzuoswjer OAXopyım 


-WOAIIS TO 
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"ZunspIa 
-WOISAOp SunyoorgqoguN yaBu 
oynumm oAd [IBZUOSTIT OAO]IFLM 


-Suns[Imnto 
-WOIIS uUBIITPungsg dEUD yoaru 
oynumm oad [yezusse[g 9ATyyıN 


Sporısdssugjfuy dep yaru 
uozuvpydsyonsaoA\ Aop TywZuos 
-BIgT U9IsTypLu A9p Sundopur.ıeA 


‚uognumm F puot 
-URM Sunsy.LImAWmorgg Aeue Toq 
oynurm oOAd TUBZUOSTIT HAOjgyLm 


; "SUNNILA 
-WOAISHIUUO uSINULM FPUSLUBM 
oyauım oAd TUBZUOSBIT PAIN 


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68 


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98 


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92 


94 


14 


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96 


103 


94 


99 


96 


"uagnumm F pueı 
-UBM SUNYIIMWMOIIS T9UIO TOA 
num OAd [IBZUOSBIE PAOLIJML 


"SUNMALMTIOLIS HULO 
soyansto\ SOp 9susjJuy we 
num Oad TUBZUESBIT HA9TIHIM 


"uszurpdffoayuoyy 


"uszuwgdsyo USIO A 


Nr. 


97 


100 
100 
” 


96 


aı 


Den | 


95 


98 


99 


[5 


I 110 


94 


9 


95 


98 


> 


1a 


Temperatur 12,5 


Elodea canadensis. 


261 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 


Tabelle IX. 


auf die senkrecht zu den Stromlinien stehenden Pflanzen. 


tn nn 


m  — — — — — — — 


"wob 
od otudweujpig U o4gPTPpwoAIS 


‘oa9dwel[Im UT OYTEISWOIIS 


"wob Ur SIOSSB A UAUOSSOFYOANP 
BWOLIS WOA SEP 4yTuyosıond 


"uozuggdsyonsaaA 
A9P T[YyBZUoseIgT U9IETINTUL TOP 
SUNIOPURLO AOINTOSIE OSTynSpur 


"u9zurgydjfoayuoy 
pun -syonsıeA AP Tyezuos 
-eIg U9LOTJNWL TOP SUNIEPUBIOA 


"SUNNITMUTIWOLIS HUyO UHp 
-un4S 31 YOBU [UBZUOSBIT 9AOTJJLM 


”„ 
” 


0,29 


18 
„ 


” 


\ —45| 63 


62 
64 
64 


-ZuUny Im 
-woiS 19p Sungıojumg yoeu 
oynum oad TUBZUoSsBIgT PAoTgyim 


60 
54 
97 
57 
65 


"SJunyara 
-mMOAIS TOP Sunmparq.roguf) yazu 
onumm oxd [BZuoseIg HAOT4yLM 


64 
61 


61 


"SUNSAMWOALIS TOFLpungsgyoRu 
num od [UBZUOSBIT HaoTggım 


"SUNNITATIOIIS 
1osıpungs z yowu wuozuepd 
-SYONSAHA A9P [UBZUISBIE UOAOT 
-gyrur op Sundopuması oynTosqy 


"u9zurpdffoaguosg 
pun -syonsaoA ae Tyezuos 
-eIg USLOTIML dOp SUndopurdoA 


"SuUmMaTAm 
-OJIS8 OP Sungrjumg yoru 
oynumy Ord [LBZUOSBIT OXOTIFLM 


"SUNS-ITM 
-Wo1g op Jungaa.rq.Logu]) yoBu 
ognurm od TUBZUASBTET HXOT4yLm 


"SUNSLIIMULOAIS TOdLPpUNgSz yoRu 


oyuumy Dal [EBZUOHTTEL VAOTIFLM 


Zu 


% 


83 
8 


10 
94 | 
74 
94 
s1 

107 


100 


u 


-TLOA1IS 18.01 pungsz yoeuuezuegd 
-SyonSIOA AOP [UBZUOSEIT U9AOT 
-JJIUE I9p SUnIPpurıoA eynJosqy 


"UOZUBHFITTOAJUoNM 
pun -syonsıoA Aop Tujfezues 
-8IT U9IETILW Top JunIopurdoA 


725 


"SUns.IIM 
-ureWwoINS dedıpungszg ypeu 
oynumm oıd Tyezussejg SATIN 


'oporiodsguefuy Jop you 
uozusydsyonsıay Aep Tyezuas 
-B]g UOILO[gyrw dep Zunopurıo‘ 


-uognumm F pusı 
-yeM JunyALMWwolSs Aours T9q 
ognurm; oad TUEZUaSeIg AAoTgyım. 


62 
3 
104 
100 
82 
108 
79 
100 
100 
125 
96 
114 


13 
— 14 


106 

94 
100 
100 
101 


"SUNNILA 
-WOAIIS HUTO USInULM F PusayyMm 
oynurm o1d [UBZUESBIT a1ofyyIN. 


93 
102 
96 
98 
102 
100 


Einwirkung eines gleichmäßigen elektrischen Felde 


"uomnurm 7 puoı 
-UEM JUNNIAMWOIIS IOUTO TEq 
ognumm oad TyBZuosejg SaofyyıLm. 


98 
101 
100 

% 


-SUNNALMTLOIIS 
9UyosOyonSsIE A SOPOZUeFUYy uB 
oynurmm od [yBZUeseIg 91OTyyıL 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


"uszuegd[joaguoy 


= 
z 


Temperatur 13—15° C. 


100 


10 


"uszuggdeyonsae‘ 


Nr. 


262 


Elodea canadensis. 


263 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


Tabelle X. 


auf die senkrecht zu den Stromlinien stehenden Pflanzen. 


‘wob 
oıd 9rsdwerjim UT 9YyoLpwoagg 


'"oredwreijim UT HNARISUOLIS 


"wob ut sıosse AM USUSBSOFYOINP 
EWOLNS TWIOA SEP JTUyosıEnd 


-ZUNNILMUTWWOIIS HuUyo uop 
-UNIS ZT y9eU TUEZUOSBIgT EXeTJyLM 


-uozuegdsyonsaıoA I9p 
Tyezuose[g uadojyyıu ıop Junı 
-apugıo‘\ 9ynJosge AsıınSpuy 


"U9ZUBHATJOALUoMy 
pun -syonsıe\ Aep Tyezuos 
-eIg USLOJJJLw Op Sunopugao‘ 


"Sunyam 
-TIO1IS TOP Junya9ag.te4uN yosu 
oynurm oad Tezuasag SXOT4yım 


64 


” 


” 


” 


” 


"SJunmMIm 
-UIWONS AOSıpumyasg you 
oynumm od TyeZuaselg 9X9T4yım 


"ZUNyIM 
-WOASIOSIpungszoeu uszuepd 
-SyonsIoA AOP [UEZUOSEeIT U9AOT 


-I4Tur 19P JundopurıoA‘ PInTosqy 


"u9zueydffoayuoyy 
pun -syonsaoA AP Tywzuos 
-eIg U9AaoTyur 1op SundopurRde‘ 


"SUNMLIM 
-umwoas aadıpunyasg yauuı 
oynurm sad [qwzuosafgr HAaTyaım 


123 


— 39 


61 


100 


63 
104 


111 


2 
100 


111 


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f Sunyırnmong 1oS1pungst 
yoeu Tywzuosejet PXOT4FLN 


"SUNYILMWOIIS AOSIPUNngST 
yaeu uszuerdsyonsıoN 
ı9p [yEZUOSEIT UEALOTFFTUL 
d9p suUnIspugIo‘\ PO4MJOoSsqYy 


116 


-u9zuuydjjoiyuoy pun 
-SyoNSITOA A9P [yBzuoseig 
ue1oj441Lmw I9p JunITopuRIoA 


ri 
| ee 


-SUNNIIMWOLIS TOSTPUNIST 
yasu [yezuasejgT 9AOfy4yıM 


105 
113 
95 
100 
100 


'oporıod 
-SZURJUY Iep Ossufyag ua 
uozueprdsyonsae Aop [yez 
-uose[g Top Jundopurgao‘ 


0 
-13 


"usynumm F pusı 
-UBM JUNYLIMWOLIS IHUIO 
109 TUBZUSSETT = SXOTH FEIN! 


119 
122 
94 
124 
100 
37 


"ZUnyJALMWUOIIS 
ouyo uonumm F pueı 
-UBM [yezuosefg oAXof4yıL 


91 
9 
102 

85 
104 
115 

9 


"uognurm F puoı 
-yUBM SUNANIMWOLIS AOUIO 
reg Tyezussert SIOTIYLM 


111 
112 
99 
132 
0 
0 
6 
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104 
102 
99 
105 
85 
101 
115 
00 


"ZUNYIIMWOIS 
auyo weynumy F pusa 
-YURM TUBZuoseIg PALOTIyım 


Einwirkung eines gleichmäßigen elektrischen Feldes 


8 
106 
112 

87 
100 

83 
100 
118 


| "usgnurm 7 Ppusı ea — 
| -yeMm JunsyILMWoIIS IOUTO a 0 Sa 
104 Iqezuoswpg oXOLyLM Bar er 


100 
83 
106 
115 
83 
Temperatur 13,5 —15° C. 


Koltonski, Über den Eintiuß der elektrischen Ströme etc. 


"SUNYIIMWOAIIS a& ° 
| vugo soyonsaoA‘ Sop OgurF & & SE SI SE EEE SEE TI 
-UY WE [U®ZUOSBIT AXOTIyLM > ‚ x >. 2 er x 


"uszuepgd[foauoy 


upzurgdsyonsıaA 


Elodea canadensis. 


264 


265 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


Tabelle X], 


auf die senkrecht zu den Stromlinien stehenden Pflanzen. 


"wob oıd 
9aadweifjim Ur 94yoLpwmoAHg| 


"OLOAWIEILTLNL UT ONIEISWOLIS 


"wob ur 
saosse M  UEUDESSOFDINP 
OWLOAIS OA SEP JHUYOSIENY) 

"Sun IM 
-wong dp Zumypeaq 
-aoguN) ypoeu uepungs gL 
LUST IBZUOSH TTS TOT. HEINE 

"SUNMyıIMm | 
-morsS A0p Sumyooıq 
-ao4u() yoeu uepunys zZ 
ur [yezuosefg OAOfIYLML 

"uozuegd 


-SsyonsIaA Aap [yezuoseig 
ueaopgyıw A9p Sunaopug 
-194. omJosqe osrynspuy 


-u9zuBgdjorguoy pun 
-syonsaoA\ AP [yBzuoseig 
uoaoj4yLu op Sunaopurao‘ 


"SUnyIM 
-TIOLIS TOP SuUny99IJToHuN 
yaeu [yezuose]g PAOT4yIL 


"ZUNNIIMWOLS LOSLpuNngsg 
yosu [yBZUosEIT PAo]gyın 


"ZUNMITMULOAS IISTPUNISZ 
yosu wezugydsyansıo‘ 
19p [yeZuose[g| UPEAOLJATLUL 
op SUNAHpurgaoA PYULosqYy 


-SonsToA AOp Tyezuoserg 
u9gofyyrm IEp JUmaopumıoA 


"SUNMLMWOAS AOILPUNgSZ 
yoru TYBZUuosw[g OAOLIITIN 


"JUN>L.IIMWMOLS AOITPUNIS] 
yovu mezurydsgonsaoA 
Aop TBzuosejer UOTOTYyFLuL 
aop JUnaopurdoA oNNToSqY 


"u9zurpdjjoaguos; pun 
-STONSBIOA AOP TBzuosnfer 
U9OTOTFLUE JOp JUN AOpUNLDO A 


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Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


266 


Einwirkung eines gleichmäßigen elektrischen Felde 


u yowu 


I TEE 
ansao‘ 
A9P [yezuasajg U9LOTYUL 
19Pp sUundopurdoA OyıL[osay 


-uozuggdffoauoyy pun 
-syonsao A IOp [yezuosaigt 
uodaTFyLUL TOP SUNIHPURIAA 


| 


"ZUNNITMUIOLIS IOITPUNFST 
peu Tyvzuosafgt PAolyyIL 


-ZUnNNAIIMWOLIIS AOSITPpUNgST 
yaeu uozurpdsypnsıaa 
A9p [yvzuose[g UOALOTFFLUL 
a9p Sun.dopurıoA 9YUJosqYy 


-u9zuggdffoiguoy pun 
-SIPNSIOA AOP Tyezuoseig 
ueLo [gu ep SuUnTepmaoaA 


"ZUNNIIMUTOIIS AESIPpUNgST 
yowu Tyezuesefg PAaaTygım 


"opoLıod 
-S3UBFUY ap assu]yog wue 
uszuwgdsyonsaaydop [yeZ 


-usse[g !9p FunpumaA 
mm nn 


us4nurm F UOA 
SUNYIIAWOIIS IHUID PUHaL 
-UBM [YBZUOSeIT 9aolı}ım 


79 


135 


131 


157 


"SUnNıMm 
-WOAIISIOPZUNnya9HAq1oIU]] . 
uonumı 7 pPuseı 
-UBM TyBZuoseIg 91O]I4YIM 


-uoynumm F puoı 
-UBM JUNNAIMWOIIS TOULO 


t9q [gezussel] OAOf9YIM 


8l 


132 


125 


"SUNSL.IIMWOIIS 
guyo seyonsıoA‘ sEp 9SueF 
-UY uB [yezuoseIg 9A9TJyıML 


"u9zueydjforyuoy 


118 


"uozueydsyonsaeA 


15,50 C. 


Temperatur 14 


Elodea canadensis. 


267 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


Tabelle XII. 


auf die senkrecht zu den Stromlinien stehenden Pflanzen. 


“IM ur oggorpmorgg rn 


"oıodure Ye) a 
ZETTEINESSULESOSTERHSDLEOIEHS au R 2 z 


"wob ur 
SIOSSeEM UPEUSSSOFUOAINP © = & = = 2 S 2 RN N Q EN RR Q Q Q 
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ur Tgezusse[g $AaTyım 


"SuUnyam 

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Tgezuosefg Ip Junaepur | | | | 


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-SyONSIHA IEp [yBZuaseIg 7 
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-WIOIIS IEp Zunypeaqaoyuf) 
yoeu Tyezuoseg 9AaTyyı m 


18 
59 

1 

0 
18 
15 
33 


"ZUNMITMULOIIS IEILPUNFSY 
yoeu [yezuoserg PA1OT4yıM 


9 
37 
108 
19 
9 
B) 
118 
37 
10 
17 
10 
6 
131 
40 
122 
17 
115 
18 
100 
16 
107 
53 
117 


-JunyıLmn wong daogıpungsz 
yowu wozusgdsyonsao 
A9p [BZUoseLT UATOTJFLUL 
1op Sunaopurao‘ omfosqy 


"uazuepdifoguoy pun 
-syonsaaA Aap [yBzuoselg 


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Sol SEES | Ne) [os os 
u9aafyyrLur op SUNLHpuRIeA + | | | | | | | | + | | | | + | + 
Iunyumwongmspmm | 33 25 8353 RERBASESSIZIESEESRRAERTS SS BT 
ner | - - - - m - m n. Mr 


yowu [yBzuoswjg] PaoT4yım 


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© 19I31Tpungs OBu uozueyd - au - - - an) Ko - _ i Ar) - au © 
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269 


Tabelle XIII. 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


auf die parallel zu den Stromlinien stehenden Pflanzen. 


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von Basis zur Spitze der Pflanzenzweige. 


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104 
100 


1 
0 
5 
— 24 
— 10 
— 19 
0 
Richtung des elektrischen Stromes: 


+12 
+18 
+22 
+42 
+10 


99 
100 
112 
118 
105 

99 
103 
132 

76 
142 
110 

s1 
110 
104 


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eugo wemum F pPueı 
SUB TUBZUOSBLEN SIOTFHEN 


& 
100 
114 
102 
104 
109 
100 

99 
120 

87 
89 

34 
113 
105 
104 
101 
101 
107 
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| ‚uoynuım Fr 
pusıyem SunyıumworIs 
AHUTP TOA TUBZUASBIET ALOTIHLIN. 


Einwirkung eines gleichmäßigen elektrischen Feldes auf 


100 
100 
98 
96 
102 
111 
99 
100 
118 
97 
57 
93 
94 
144 
91 
105 
112 
103 


"SUNYUIAWMOILS HUTO 
seyonsıieA Sep 9dusjuy 
we T[geZuesejg OAOJIyILm 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 


"UOZUBHATTOAYUOM 


"USZUBFÄSTOnSıO A 


270 


Temperatur 13,5 


Elodea canadensis. 


Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 971 


lie parallel zu den Stromlinien stehenden Pflanzen. Tabelle XIV. 
2: eh Hu8 = a Fun Mr FR: 
Be je | 4 
F: 355 | ag® B- FE En Sa | #8 = 5 
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57 43 36 37 6A 

109 29.) 52 100 o 164 „ „ „ 

66 en 45 44 —_. 55 

130 2. 64 LO +30 11 —85 „ „ „ 
138 + 38 104 107 Ad || 

200 +100 |} — 62 200 00 „ » „ 

70 — 30 86 86 li | 

113 23. 48 133 Aue | » 2 „ 

64 E96 33 34 67 

117 ug. 58 100 | le m „ 35 0,56 
136 +36 64 | 56 3, 

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35 65 L Us 89 

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Yon Spitze zur Basis der Pflanzenzweige. 


273 


Das normale Längen-, Flächen- und 
Körperwachstum der Pflanzen. 
Von 
stud. rer. nat. Georg Ritter. 


Mit 1 schematischen Anordnung im Text. 


In seiner Mutationstheorie (1) bezeichnet es Hugo’de Vries als 
eine für die weitere Forschung auf entwicklungsgeschichtlichem 
Gebiete, für die Beurteilung der Art und Weise der Entstehung 
der Spezies, Varietäten etc. wichtige Aufgabe des Variations- 
statistikers, an weiteren „Merkmalen“ von Organismen die Gültig- 
keit des von Adolphe Quötelet entdeckten, in dessen (2) „Anthro- 
pometrie ou mesure des differentes facultes de !’homme“ und (3) „Du 
systeme social et des lois qui le regissent“ verifizierten Verteilungs- 
gesetzes zu prüfen. Es soll also untersucht werden, ob auch hier tat- 
sächlich die Anordnung der Varianten eine solche ist, daß diese arith- 
metisch dem Gesetze der „großen Zahlen“ Bernoulli’s und Poissons 
gehorchend, den Zahlenkoefficienten des Newton-Pascal’schen 
Bixomiums (p + q)" oder in eraphischem Ausdrucke den geome- 
trischen Ordinaten eines rechtwinkligen Koordinatensystems ent- 
sprechen. wie sie sich durch Berechnung des Integrales 


1 ER 
ih, fe Sex, 


ergeben, ob die des öfteren ermittelten statistischen Verhältnisse ein 
und desselben Merkmales ferner Konstanz des Gipfels aufweisen etc. 
Die Bedeutung nun, die dieser Nachweis für die moderne Biologie 
besitzt, veranlabte mich, diesbezügliche Untersuchungen anzustellen. 
So basierte auch ich auf der in typischer Weise bei jeder hin- 
reichend großen Gruppe von Individuen stets zu beobachtenden, 
nach Maß und Zahl, quantitativ und meristisch verfolebaren, durch 
äußere, physikalische und chemische Bedingungen und sonstige 
biologische Faktoren, durch den „monde ambiant“ und die „causes 
accidentelles“ bedingten Ungleichheit jener selbst wie ihrer einzelnen 
Organe. So untersuchte auch ich die sogenannte fluktuierende, 
graduelle, vreversible, begrenzte, statistische, teils individuelle, teils 
partielle Variabilität, different von den übrigen, mit dem gleichen 
jeiliefte Bot. Centralbl, Bd, XXIII, Abt, I. Heft 3, 15 


974 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum etc. 


Namen „Variabilität zusammengefaßten Erscheinungen, als der syste- 
matischen und der durch Bastardierung erzeugten Polymorphie und der 
sogenannten „spontanen Abänderungen“, und achtete ebenfalls auf 
die Konstanz des Maximums der ermittelten Variationskurven, so- 
wie deren Amplituden und Galtons-Quartilwerten Q, und Q» etc. 

Tatsächlich nun fand ich da auch überall, wo nicht Species 
minores, Unterrassen, existierten und somit Summationskurven von 
eleichen Gipfeln, aber wechselnder Frequenz ergaben, Konstanz. Ja, 
es ergab sich im großen und ganzen auch eine recht nette Übereinstim- 
mung zwischen Theorie und Praxis, indem mir so teils symmetrische, 
teils asymmetrische Kurven, die einzelnen Spezialfälle der (4) Pear- 
son’schen Typen, begegeneten, wie sie auf anthropologischem Gebiete 
durch(5) Ammon, auf zoologischem durch(6) Weldon,(7) Bateson, 
in botanischer Richtung aber vor allem durch (8) Ludwig, (9) de 
Vries etc. bekannt geworden sind. Und wenn nun dann auch durch 
kleinere Abweichungen den Bedingungen unseres Problemes natürlich 
nie völlig Genüge geleistet war, solag dieseben, wie(10) Verschaffelt 
für solche Fälle zu begründen weiß, daran, daß die einwirkenden 
Ursachen nicht unendlich an der Zahl sind, und die, welche den 
Wert der betreffenden Eigenschaft zu vergrößern oder zu verkleinern 
trachten, die ungünstigen Umstände überbieten, respektive ihnen 
potentiell nachstehen. Denn, wenn beide Gruppen sich nicht im 
Gleichgewichtszustande befinden, können ja die Gesetze der Wahr- 
scheinlichkeitslehre ihre völlige Anwendune nicht haben, und die 
Resultate von Messungen, Zählungen, Wägungen etc. somit nicht zu 
einem mit der binomialen Kurve «genau übereinstimmenden Dia- 
eramme Anleitung geben. 

In besonders auffallender Weise aber waren es so gewisse 
Zwischenzahlen, Äußerungen diskontinuierlicher Variabilität, die Ab- 
weichungen von der theoretischen Norm bildeten, und die, dem 
unbeerenzteren Wachstume der Pflanzen entsprechend, weiterhin 
für diesen fundamentalen Unterschied in der Variation zwischen 
Flora und Fauna (11) garantierten, obschon sie auf anthropologischem 
Gebiete allerdings auch nicht völlige unbekannt blieben. Deren Ge- 
setzmäßigekeit bezüglich Konstanz, Frequenz und ihren arithmetischen 
Werten gaben nun die Veranlassung, daß ich nun systematisch 
einzelne Kategoorieen von Pflanzenorganen, jetzt ausschließlich zwecks 
ihres Studiums zur empirischen Ermittelung, heranzog, wo nämlich 
von einem typischen, normalen, regulären Längen-, Flächen- wie 
Körperwachstume die Rede sein kann. 

Die Resultate, die ich bei diesen, einige Jahre hindurch 
seführten Untersuchungen erzielte, sei mir jetzt gestattet, vVorzu- 
tragen. indem wir die Betrachtung anderer variationsstatistisch in- 
teressanter Fragen einer weiteren Spezialabhandlung vorbehalten 
wollen. 

Ich meine bestimmt annehmen zu dürfen, daß unsere jetzigen 
Ergebnisse, abgesehen von einem Werte für die Mutationstheorie, 
sowie für die Kenntnis des Einflusses positiver und negativer Se- 
lektion, für die der Erblichkeit etc., vor allem für neue klare Vor- 
stellungen über das wichtige und interessante Wachstumsphänomen 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 275 


gegenüber den bislang meist vertretenen, unklaren Vorstellungen 
über Intussusception und Apposition eine gute Grundlage darbieten. 
Denn unsere diskontinuierlich variierenden Klassen, die typischen 
Wachstumsetappen repräsentierend, dürften. soll nicht von vorn- 
herein auf jede Erklärung Verzicht geleistet werden, einzig und 
allein durch einen in der Natur von (12) Otto Müller tatsächlich an 
der Baeillariacee Melosira arenaria beobachteten Teilunesmodus 
kleinster, von den meisten Forschern zur Erklärung der verschie- 
densten physiologischen Vorgänge aneenommener „Lebensein- 
heiten“ ihre einfachste, ungezwuneendste, mit keinem wissenschaft- 
lichen Ergebnisse im geringsten Widerspruche stehende Begründung 
erfahren. Dies wurde ja auch bereits von Herrn Hofrat Prof. Dr. 
Ludwig, mit dessen Ansichten über das Wachstum unsere Arbeit 
auch in Einklang steht, gelegentlich seiner Untersuchungen über 
die Variabilität in. den Intloreszenzen der (ompositen, Umbelliferen, 
Primulaceen (15) ete. gezeigt. (Siehe auch Schluß!) 

Es wäre also zur Erklärung anzunehmen, daß unsere verant- 
wortlich zu machenden organisierten Teilkörper, auf die wir erst 
später etwas näher eingehen wollen, in der gewöhnlichen Weise 
rhythmische Zweiteilungen eingehen, wo indes die beiden Teil- 
produkte im Verhältnisse von Mutter zu Tochter stehen. Daher 
wird letztere, entsprechend dem Verhalten eines jungen Kaninchens 
in der bekannten Aufgabe des Fibonacei, eine Reifeperiode über- 
springend. erst von der übernächsten Generation an an der wei- 
teren, nun regelmäßigen Vermehrung teilnehmen, eventuell freilich, 
wo Nebenzahlen in die Erscheinune treten, wieder in sprung weisen 
Unteretappen, indem etwa ein Teil bereits in gewisse Dauerzu- 
stände übergegangen sein mag. 

Schenken wir nun, nach diesen einleitenden Bemerkungen, 
auf unsere gesetzmäßigen numerischen Verhältnisse hin unsere 
Aufmerksamkeit zunächst 


la. dem regulären linearen Wachstume. 


Auf diesem Gebiete wurde ja bereits von (14) Pfeifer im großen 
und ganzen untersucht, in welcher Ausdehnung, Frequenz und 
Konstanz der mit unseren Zahlen in naher Beziehung stehende 
goldene Schnitt in die Erscheinung tritt. Dazu wurde die Untersuchung 
auf alle Haupt- und größeren Unterabteilungen der in Deutschland 
und den angrenzenden Ländern, namentlich aber in Österreich vor- 
kommenden Flora, bei der Familie der Farne aber auch auf viele 
exotische Gattungen und Arten ausgedehnt. Da, wo die Pflanzen 
nicht in natura zu beschaffen waren, wurden naturgetreue Ab- 
bildungen in Photographie oder Naturdruck als besonders das präch- 
tige von (15) Dr. Ritter von KEttinehausen hergestellte Werk: 
„Physiotopia plantarum Austriacarum“, ferner das von (16) Reub 
verfaßte Buch: „Pflanzenblätter in Naturdruck”, sowie die Abhand- 
lung (17) Waldners über „Die Farne Deutschlands“ zur Benutzung 
herangezogen. Die Untersuchungsmethode war in allen diesen 
Fällen die, dab an den Vegetabilien mit Hülfe des „Proportional- 

15* 


376 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 


zirkels“ festgestellt wurde, ob an gegliederten Objekten sich das 
Verhältnis des Major zum Minor feststellen ließe. Tatsächlich re- 
sultierte denn da auch aus diesen Forschungen ein Ergebnis, welches 
unzweifelhaft für den von (18) Adolf Zeising in seiner Schrift: „Der 
goldene Schnitt“ zum erstenmale mit Bestimmtheit ausgesprochenen 
Gedanken, dab jener nicht nur eine reale, sondern wohl fast uni- 
versale Bedeutung besitze, zu sprechen schien. Es ergab sich nämlich 
eine weitausgedehnte Verbreitung dieser Proportion nebst ihren 
mannichfachen, mathematisch leicht abzuleitenden Spezialtällen und 
Modifikationen: Von jenen Pflanzenorganen, die durch Form und 
Größe zu genauen, zuverlässigen, brauchbaren Messungen sich eigenen. 
fungieren vorzugsweise zweierlei, für uns hier inbetracht kommende 
Kaulome sowie Phyllome als Träger des goldenen Schnittes, so- 
weit sie wenigstens in irgendwelcher Weise eine Gliederung erkennen 
lassen: die Stengel etwa durch Knoten, Blätter und sonstige Axen- 
gebilde zweiter Ordnung, die Blätter etwa bei Fiederung, sekun- 
dären Bildungen ete. Besonders schön und typisch ergab sich so die 
Proportion bei den Umbelliferen, während für die Kaulome das 
Verhältnis der Sectio aurea besonders frequent und exakt in der 
Blütenregion auftritt. So bei vielen Zabraten, als Lamium album und 
L. maculatum, ferner von den Monocotyledoneae, wo kein Dicken- 
wachstum statthat, vor allem bei den Gramineae, Juncaceae, Smilaceae 
und Alzsmataceae, in der Abteilung der Uryptogamen schließlich bei 
den Farnen und verwandten Zguwisetaceae, hier indes meist derart, 
daß das Verhältnis von Major zu Minor aus Summen von Ab- 
schnitten gebildet wird. 

Ich selbst habe nun diese Angaben auf diese Methode viel- 
fach auf ihre Richtigkeit hin geprüft, und in der weitaus größten 
Mehrzahl der Fälle auch wirklich bestätigt gefunden. 

Weiterhin hat Cäsar de Bruyker in Mac Leod’s Abhand- 
lung (19): „Over correlatieve variatie bij de Rogge en de Gerst“ 
für die Längen bestimmter Halminternodien genannter Gräser 
polymorphe Kurven ermittelt. Zweitelsohne beruht es auch hier 
auf gesetzmäßigen, inneren Vorgängen, daß in dem Polygone IV, 
dem besondere Beachtung gezollt wurde, das primäre Maximum 
die Amplitude im Verhältnisse 5:8 teilt, während die sekundären 
Gipfel eine Gliederung der beiden so erhaltenen Kurvenhälften 
wieder im Zahlenverhältnisse 3:5, beziehungsweise 2:3 bedingen. 

Somit könnte man also schließlich, schon allein auf diesen Tat- 
sachen basierend, mit gutem Rechte ohne Weiteres auf ein Längen- 
wachstum im Zahlenverhältnisse des Fibonacei schließen, und so auch 
auf eine entsprechende, bereits charakterisierte, ihrer physiologischen 
Dignität nach als von der sonst meistens zu beobachtenden, im Rhythmus 
der Potenzreihe 2" (Glieder = 2 4 8 16 32..., Vermehrung 
der Sporen, z. B. bei Ascomyceten, Florideae, Phaeophyceae, der 
Bacteriacene und vieler grüner Aleeen etc.) statthabenden Teilung 
abgeleiteten Vermehrung unserer noch zu erörternden Teilkörper, 
die die lebende Substanz aufbauen. Denn es existiert wohl ein 
kunstästhetisches, aus der Betrachtung der Natur bekanntes, aber 
kein zwingendes mechanisches Prinzip, demzufolge diese Gesetz- 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 277 


mäßigkeiten mit Naturnotwendigkeit bedingt erschienen. Aber 
ich möchte gleichwohl erst noch weitere empirische Belege zur 
Entscheidung unserer Frage nach der Art der linearen Erweiterung 
erbringen. 

Dazu nahm ich nun Messungen statistisch an den Petioli der 
Phyllome vor, wobei der Millimeter als Einheit des Maßes zugrunde 
gelegt wurde. So bestimmte ich zunächst an 12000 Blattexemplaren 
von Chaerophyllum temulum stets die Länge des untersten Inter- 
nodiums, also der Strecke zwischen den untersten beiden Paaren 
von seitlichen, das Bild des Gesamtphylloms in verkleinertem Maße 
reproduzierenden Abzweigungen, sodaß also stets der morphologisch 
gleichwertige, homologe Teil Berücksichtigung fand. 

Bei unseren Objekten dürfte ja wohl das typische Längen- 
wachstum sehr cut zu studieren sein. Zwar geht ja mit zu- 
nehmendem Fortschritte in der Längendimension zweifellos auch eine 
Erweiterung Hand in Hand, dieselbe erweist sich jedoch im Ver- 
hältnisse zu jenem so außerordentlich untergeordnet und geringfügig, 
daß der ganze Wachstumsmodus jedenfalls unmöglich als solcher 
körperlicher, wie wir ihn in seinem Typus noch werden kennen 
lernen, angesprochen werden kann. Überhaupt mag wohl die Ver- 
größerung des Stengelumfanges eher auf Dehnung infolge des 
Turgors als auf wesentlich neue Stoffeinlagerung zurückzuführen sein. 

Des Näheren geschah nun die Untersuchung derart, daß ich 
das Blatt mit der morphologischen Oberseite auf einen sorgfältig 
gearbeiteten Metallmaßstab fest auflegte.e Dann gestatteten mir 
jedesmal die an den Insertionsstellen der erwähnten seitlichen Teil- 
blättchen am Blattstiele quer zu dessen Axe orientierten Kleinen 
Erhebungswulste, die Knoten, in allen Fällen eine zuverlässige, brauch- 
bare Längenablesung. So war auch mit ziemlich absoluter Genauig- 
keit eine Entscheidung durch Konstatieren der größeren Annäherung 
an zwei fraeliche, um einen Millimeter differente Größen zu treffen 
da, wo das Maß nicht genau mit dem Ende einer Einheit kollidierte. 

Die auf diese Weise empirisch ermittelten Resultate repräsen- 
tiert uns nun arithmetisch die folgende Tabelle, indem trotz des 
Vorteiles größerer Anschaulichkeit und Übersichtlichkeit, gleich- 
wohl der Schwierigkeit der Darstellung. wegen auf eine graphische 
Darstellung nach der Methode der (20) „Rectangles“ oder dem 
Prinzipe der (20) „Loaded ordinates“ Verzicht geleistet wurde. 


Länge des untersten Internodiums am Phyllome 
von ÜUhaerophybl. temul. 
mm-Zahl: AB HOTEL 19E72 01021009072 921 


Frequenz: 62 154 226 299 384 353 620 594 653 771 727 617 641 486 434 437 338 351 341 224 236 


mm-Zahl: 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 
Frequenz: 202 239 191 172 176 138 97 119 103 110 94 108 82 74 99 73 80 90 78 70 58 44 55 51 37 


mm-Zahl: 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76.77 


Frequenz: 47 43 50 27 40 41 15 16 27 152311 913 8743 


Zn — 


ar 1 — AND 812 


4 


278 Ritter, Das «normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 


Gar leicht läßt sich da aber auch so erkennen, daß in großen 
Zügen die Anordnung der Varianten eine solche ist, wie sie den 
theoretischen Anforderungen des Binomiums entspricht. Wir sehen 
so ja auch bei uns ein „Zentrum größter Dichte“, um das die 
übrigen Variationen sich gruppieren, und zwar im eroßen und 
sanzen mit um so geringerer Frequenz, je entfernter die betreffenden 
Klassen vom Maximum lieeren, je größer also der betreffende re- 
lative Klassenwert ist. 

Aber, wie bereits gesagt, ist es das Überwiegen gewisser 
Zwischenzahlen, die die kontinuierliche Variation unterbrechen, das 
mit der strengen Form des Quetelet’schen Gesetzes nicht in Ein- 
klang zu bringen ist, sondern einen fundamentalen Unterschied 
bedingt. Und ich meine nun, daß durch das Raisonnement, dab 
die Bedingungen und Verhältnisse der Außenwelt auf die Gestaltung 
beim Wachstumsprozesse doch regellos und willkürlich modifizierend 
einwirken müssen, diese Äußerungen diskontinnierlicher Variabilität 
ihre Begründung schon von vornherein keinesfalls erfahren können. 
Denn selbst da, wo es sich um „anorganische Ereignisse“ handelt, als 
z. B. um die Temperatur während eines Jahres, oder um andere 
„Zufälligkeiten“, als die Geburt männlicher Individuen, die Häufigkeit 
eines bestimmten Buchstabens auf je einer von einer großen Reihe 
sleichlanger Zeilen ete., besteht zwischen den empirisch ermittelten 
Variationskurven und den theoretisch abgeleiteten Polygonen eine 
auch zahlenmäßig ganz verblüffende Übereinstimmung: Wie überall, 
wo konstante Ursachen und zufällige, veränderliche Einflüsse bei 
dem Zustandekommen eines-Ereignisses sich geltend machen, pa- 
ralisieren sich nämlich bei Ermittelungen in der „großen Zahl“ 
die Nebenwirkungen, weil sie nach den allerverschiedensten Rich- 
tungen hin statthaben. 

Müssen wir also schon aus diesem Grunde diesen Sekundär- 
eipfeln unsere nähere Beachtung zollen, so kann uns aber weiterhin 
deren Konstanz, mit der sie schon bei, mit Rücksicht auf die beträcht- 
liche Variationsweite, die Amplitude der Kurve, relativ nur wenigen 
Messungen in die Erscheinung treten, auch nur zu einem gleichen 
Verhalten bestimmen. Wir sehen nämlich aus folgender Tabelle, 
deren einzelne Reihen uns die festgestellten Variationsverhältnisse 
bei zweimal je 5000 und einmal 2000 Individuen, wie sie etappen- 
weise zur Untersuchung gelangten, vor Augen führt, daß tatsäch- 
lich, ungeachtet der auf die Variabilität als Ernähruneserscheinung 
doch modifizierend einwirkenden Verschiedenheiten verschiedener 
Nährböden, in den Reihen 1 und 2 die Maxima völlige dieselben 
sind. Nur Spalte 3 läßt erkennen, daß die aber auch nur im 
Fehlen gewisser Partien bestehende Abweichun® doch noch nicht 
seschwunden ist, vielleicht auch infolge des verschiedenen Be- 
obachtungsmaterials. Denn eine vorwiegende Berücksichtigung von 
solchen Formen, die von Standorten herrühren, wo die durch die 
Lokalität bedinete Selektion besondere Größenvarietäten aufkommen 
ließ, mag wohl die Veränderung bedingt haben. 

(leichwohl befindet sich überall, wie besonders betont sein 
mag — es waren ja die Messungen an sämtlichen brauchbaren 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 279 


Phyllomen je eines ganzen Pflanzenstockes vorgenommen worden - 

dasselbe primäre Maximum. Hieraus ist allein schon zu entnehmen 
sestattet, daß die Größe der Neigung, bis zu einer gewissen, bestimmten 
Stufe in der Entwickelung fortzuschreiten, eine unter normalen 
Verhältnissen streng veregelte, den Teilkörpern inhärente ist. So 
hat sich ja auch für (21) Chrysanthemum segetum beispielsweise 
derselbe Gipfel bei Zählungen der Randstrahlen für Individuen aus 
Thüringen wie aus Holland ergeben, und es darf wohl mit Recht 
angenommen werden, daß eine gleiche Übereinstimmung sich auch 
für unser Objekt nachweisen läßt. ‚Jedenfalls aber können auch 
wir schon aus der Konstanz des Haupteipfels wie der sekundären 
Maxima feststellen, daß der Gestaltungsprozeß aus inneren Ge- 
setzen heraus und bis zu einem gewissen (srade unabhängig und 
unbeeinflußt von äußeren Faktoren, dank der Wirkung gewisser 
organischer Kräfte, verläuft. Denn es bedarf wohl keines beson- 
deren Beweises, daß chemische wie physikalische Faktoren an den 
Standorten unserer Umbellifere nicht die gleichen waren. Im Einklange 
mit diesem Ergebnisse hat man ja auch im (22) Heidelberger Bo- 
tanischen Garten, als man das Blühen der Kirschbäume auf das 
Allersenaueste erforschte, gefunden, daß es sich in ziemlicher Un- 
abhängiekeit von den Launen z. B. des Wetters abspielt. So ver- 
mag hier die Sommertemperatur die Entwicklung, die, wie neuere 
Untersuchungen völlig bestätigen, in zwei streng «eschiedene 
Perioden, durch die Winterruhe unterbrochen, zerfällt, nicht im 
mindesten zu beeinflussen. Auch während der Frühjahrsentfaltung 
können Schwankungen der Temperatur den Verlauf des Wachs- 
tumtempos nicht ändern. Die Blüten entwickeln sich im März 
stets rascher als im Februar. Dabei erweist es sich gänzlich gleich- 
eiltig, ob jener wärmer ist wie dieser oder nicht. Nur auf den 
Gesamtverlauf der Blütenbildung hat die Temperatur Einfluß, und 
ein nasses, aber dabei warmes Frühjahr sieht die Gegenden früher 
in Blütenschmuck prangen, als ein kaltes, trockenes. Ganz beson- 
ders aber eibt sich die teilweise Unabhängigkeit der Lebens- 
erscheinungen von der Temperatur hier dadurch zu erkennen, dab 
von Oktober an die Knospenentfaltung ruht, mag nun ein herr- 
licher Spätherbst die Sommerwärme wieder auf Wochen zurück- 
rufen, oder ein Frühwinter vorzeitige strenge Kälte uns bringen. 


Länge des untersten Internodiums am Phyllome 
von Ohaerophyli. temul. 
mm-Zahl: 4 5 6 Beh he ee lee) el 
n 5000, Frequenz: 62 93 125 131 141 136 253 242 281 301 289 223 230 203 147 149 126 131 124 
n 5000, 2 61 101 143 172 153 271 263 245 329 261 243 252 171 163 163 132 129 111 


n 2000, gs 2 25 71 64 96 89 127 141 157 151 159 112 124 125 80 91 86 


mm-Zahl: 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 


> 
N 
(ee) 


n 5000, Frequenz: 81 90 92 103 89 68 70 62 55 6( 52 49 51 38 46 46 42 41 42 35 31 25 23 
n 5000, y : 91 95 72 93 85 79 81 69 40 58 55 56 45 54 43 28 52 30 39 46 43 39 33 21 
1 


n = 2000, „ : 525238 43172525 7 2 2— 98141 Je 2—- — - 


980 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 


mm-Zahl: 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 


n — 5000, Frequenz: % 3 2 2 0 9 www lW15 88957 7 
n — 5000, RBB 35 29 39 18,20 5 ie Jo Se 


2000, en = u = 


B 
| 


mnmzaal: 5667 O1 ma 7a Ta 76 77 


n=5000, Frequenz: 5 2 2 2 — 1 
n—5000, Da 2 120 BEA FO Erle 14253423 ER 0 


n—2000, 9 2 — 


Würden wir nun hier, für die beiden ersten Reihen den ein- 
zelnen Klassen korrespondierende Strecken auf den Abseissen und 
der Frequenz der einzelnen verschiedenen Vorkommnisse ent- 
sprechende auf den Ordinaten je eines rechtwinkligen Koordinaten- 
systemes auftragen, so ergäben dann die Verbindungslinien der so 
festgelegten Punkte Kurven mit so täuschend ähnlichem, fast völlig 
gleichem Verlaufe, daß sie zur Diagnose unserer Spezies dienen 
könnten. Reduzieren wir für unsere Maxima die große Zahl der 
Beobachtungen auf je 100 Ermittelungen, stellen wir also die pro- 
zentuale Häufigkeit dar, so erkennen wir aber auch so schon aus 
der relativ hervorragenden Gleichheit der Frequenz nicht nur in 
weit besserem Maße die Richtigkeit unserer im vorigen Absehnitte 
bereits erkannten Erscheinung einer gewissen Widerstandsfähigkeit 
gegen äußere Einwirkungen bezüglich des Entwicklungsprozesses,. 
sondern gewinnen weiterhin die Vorstellung, daß, soweit nicht all- 
zustark eine Differenz der „Ernährung“ sich geltend macht, die 
Eigenschaft unsrer Pflanze, in den betreffenden Zwischenzahlen regel- 
mäßig zu variieren, nicht nur eine qualitativ. sondern auch quan- 
titativ erbliche ist. Natürlich kann dadurch auch nur weiterhin ge- 
währleistet sein, daß unseren. Zahlenverhältnissen eine besondere, 
tiefe Bedeutung zukommt. 


Häufigkeit der einzelnen Gipfel-Klassen in % 
in Spalte 1 und 2 obiger Tabellen (zum Vereleiche!). 


mm-Zahl: 8 10 13 16 19 21 24 26 29 32 34 36 38 


0%, Frequenz: 2,82 5,6 6,02 4,6 2,98 2,62 1,8 2,06 1,4 1,2 1,04 1,02 0,92 
9% or 344 5,42 6,58 5,04 3,26 2,58 1,81 1,86 1,62 1,1 1,11 1,08 0,56 


mm-Zahl: 39 42 47 48 50 92 54 55 97 98 60 63 


%/, Frequenz: 0,92 0,84 0,52 0,46 0,44 0,42 0,36 0,36 02 03 0,26 0,14 
Of, KINRRN: 1,04 0,92 0,58 0,56 0,5 0,8 0,44 0,42 0,16 0,24 0,2 0,12 


Endlich aber verraten ihrem arithmetischen Werte nach die 
Zwischenklassen selbst nicht Willkür, sondern strenge Gesetzmäßig- 
keit. Denn sie sind weiterhin, wie bereits kurz angedeutet, zu den 
Gliedern der mathematisch bestimmten Reihe des Fibonacei, die unsin 
ihren Simplis und Multiplis aus den Näherungswerten der Braun- und 


Ritter. Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 28] 


Schimper’schen unendlichen Kettenbrüche (Blattstellungsgesetze!) 
IEME! 1 u 

3+1 

1 


au 


En. I+... 1... 
vertraut sind, in direkte Beziehung zu bringen. So bestätigen 
sie auch das beim Studium anderer „Merkmale“ entdeckte Ge- 
setz (23), daß bei Unterschwankungen der Variation die Intervalle 
der Hauptvariationsgipfel durch die der Nebenvariation’ in den 
Näherung'sverhältnissen des goldenen Schnittes geteilt werden. Wie 
nämlich anschließende Übersicht dartut, lassen sich — obschon der 
Millimeter an und für sich von vornherein natürlich nicht als „Mab- 
stab der Natur“ aufzufassen ist und, abgesehen von manchen nicht 
zu vermeidenden Beobachtunesfehlern, z. B. das gleichwertige Über- 
wiegen zweier benachbarter Klassen ebendarauf zurückzuführen 
sein mag —- sämtliche diskontinuierlich variierende Zahlen, analog 
den chemischen Elementen im periodischen Systeme direkt in ein- 
zelne engere Reihen zerlegen oder dazu in Beziehung bringen. 
Daher dürfte nunmehr nach den früheren Beweisen der Konstanz 
und erblichen Regelung wohl jeder Zweifel daran geschwunden 
sein, daß sie keine zufälligen Erscheinungen sind, sondern eine 
wichtige Rolle im Leben spielen, und, da keine andere Erklärungs- 
möglichkeit bestehen dürfte, auf die von uns vindizierte «esetz- 
mäßige, einfache Teilung hinweisen. 


Zahlen des Fibonacei (s. schematische Anordnung i. fole.). 
1) Zahlen der Hauptreihe: 
(1) (2) (8) (5) 8 15 21 34 55 
“ Multipla: 24=3.8 59=3.13 65=3.21 (Dupla s. 1. Nebenr.) 
32=4.8 32=4.13 48=2.24 64=2.32 
2) Zahlen der Nebenreihen: 
(4) (6) 10 16 26 42 (68) 
(MESZ IEANTENTE 
Bıpla2 52 2,16 3632.18) | 642.32 72 2.186 
48=3.16 54=53.18 — 58=2.29 
Ebenso ergeben sich bei der vindizierten Vermehrung: 


38 =2.19 BI =3.19 
19 teilt den Intervall zwischen 16—21 im Verhältn. 3:2 
(5.10 =) 50 F ADD . e 200 
WEAIN—)00 ,„.., x N 5b5—68 „ n 5:8 
TO : N N 68-716 " 5:3 


3ei unserem Objekte nun war bei der empirischen Ermittelung 
stets einem ganz bestimmten, homologen Teile am Phyllome die 
Beachtung geschenkt worden. Es mußte ja so zweifelsohne am 
untrüglichsten die Art des linearen Wachstumes festzustellen sein. 
Die prinzipielle Übereinstimmung aber, die sich so für das Größen- 


9822 Ritter, Das normale Läneen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 
6 _ r) = 


verhältnis benachbarter Internodien durch die Untersuchungen 
Pfeifers, wie für die Entwicklung des Einzelnen aus meinen 
Resultaten ergab, indem in beiden Fällen die Zahlen der Lame’schen 
Reihe eine Rolle spielen, schien es mir nun auch zulässig zu 
machen, daß bei weiteren Messungen an anderen analogen Objekten 
nunmehr sämtliche Internodien zur Untersuchung herangezogen 
würden; dann müßten ja, dem Verhältnis von Major zu Minor zufolge, 
gleichwohl wieder in der großen Zahl der Beobachtungen ent- 
sprechende Gesetzmäßigkeiten in derselben Weise ihren Ausdruck 
erhalten, wenn auch hier wieder ein gleicher Entwicklungstropus 
statthaben sollte. 

So verfuhr ich denn auch wirklich mit den Phyllomen von 
Sambucus nigra und ebenfalls auch von Robinia pseudacacia, bei welch’ 
letzterer aber nicht das Verhältnis von Major zu Minor ausgeprägt 
ist. Auch hier wurde wieder von möglichst voneinander fernee- 
legenen Standorten in beiden Fällen das Material gesammelt, da 
ja so auch allein am sichersten das konstante Auftreten bestimmter 
Zahlenverhältnisse für die tiefe, innere Bedeutung garantieren muß. 

Wirklich, nun stellten sich, wie aus foleender Tabelle er- 
sichtlich ist, trotzdem doch bei unserer „Akacie* die Koexistenz 
mehrerer eleichwertiger Rassen oder eine starke Selektion auch 
eine weitere Ditferenz, bezüglich des jeweiligen primären Maximums, 
bedingt, auch diesmal wieder, wo es sich nicht mehr um partielle 
Variabilität handelt, die ganz eleichen Gesetzmäßigkeiten dar: 
Die Koincidenz der jetzt erhaltenen Zwischenklassen mit den früheren 
hinsichtlich ihrer arithmetischen Wertigkeit —- eine eeringfüsige 
Abweichung, die Äquivalenz der Klassen 16 und 17 bezüglich ihrer 
Frequenz etc. und sonstige spezifische Eigentimlichkeiten in der 
Variation, als z. B. das Fehlen eines Maximums bei 19, können 
wohl kaum eine andere Auffassung begründen — muß natürlich nicht 
nur unser früheres Resultat weiterhin bestätigen, sondern auch in 
allgemeinerer Weise die Entwickelung als eine nicht nur prinzipiell, 
sondern bis zu einem gewissen Grade auch absolut gleiche er- 
scheinen lassen. Somit stehen aber ihrer systematischen Stellung 
nach verschiedenste Arten und Sippen in verwandter Beziehung zu- 
einander, wie dies, durch die Resultate der späteren Abschnitte 
weiterhin ebenfalls ersichtlich, nach kurzer Erörterung unserer Teil- 
körper dank deren physiologischer Bedeutung ohne weiteres ver- 
ständlich wird. 

Auch Herr stud. math. G. Wagner, der in Göttingen, ohne 
im Wesentlichen in die zu beobachtenden Gesetzmäßiekeiten ein- 
seweiht zu sein, liebenswürdiger Weise das Resultat beim Hol- 
lunder nachprüfte, erhielt bei relativ schon wenigen Messungen 
ein gleiches Ergebnis. 


Länge der Internodien am Phyllome von Sambueus nigra. 
nr 1800; 


GERT SER IL ORT BET SET 3 ET DE SE STD 


5) 
30 51 60 78 63 120 96 78 87 72 54 72 72 48 36 57 66 51 54 


23 
Frequenz: 3151 
mm: 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 4 42 48 
Frequenz: 57 12 63 39 30 42 33.307397 724 53077277157 112 2a 21 ar 5 i. 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 283 


Länge der Internodien am Phyllome 
von Robinia psindacaeva. 
mm: 6 7 89 10 11 122 13 a 5 16 7 181990 1 2 23 


Frequenz: 7 17 54 53 118 121 159 246 254 2839 402 394 422 418 363 392 341 126 


|, _ g4500 
— 1226 19 40 42 65 117 118 153 227 198 196 191 101 103 98 76 fe 11900 
mm: 4 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 
Breduenz iz eshass a a 65 2 5 1 - 2 | 4500 
a ee! rer Sa 


Also Konstatieren wir, wenn wir unsere Ermittelungen kurz 
zusammenfassen, daß das normale, typische Längenwachstum der 
Pflanzen kein eleichmäßiges, sondern ein sprung weises, rythmisches, 
erblich streng geregeltes, aber durch starke Selektion zu beein- 
flussendes, selbst dann aber noch wesetzmäßiges ist. Denn stets 
werden ganz bestimmte arithmetische Entwicklungsstufen — ev. Ab- 
weichungen liegen innerhalb der zulässigen Fehlergrenze — einge- 
halten, die unter allen Umständen die typischen Wachstumsetappen 
durch ihre Frequenz repräsentieren. Dieselben geschehen im Verhält- 
nisse der Fibonacei-Zahlen, und zwar ungeachtet der Stellung der 
Spezies in der Phyllogenie, in bestimmter, übereinstimmender Weise. 
Sie deuten auf eine einheitliche, gesetzmäßige, einfache, in der Natur 
auch wirklich beobachtete Teilung gewisser, zum Verständnisse 
aller physiologischen Vorgänge mit Notwendigkeit anzunehmender, 
auf wissenschaftlicher Grundlage in ihrem Bestande logisch er- 
schlossener „Lebenseinheiten“ hin. Wenigstens dürfte auf andere 
Weise eine Erklärung nicht zu geben sein. Der Wachstumsmodus 
scheint ziemlich verbreitet zu sein. Die Fälle, wo das Ver- 
hältnis von Major zu Minor in der Länge benachbarter Internodien 
zur Erscheinung selangt, sind als Spezialfälle des allgemeineren 
aufzufassen, wo — wie bei Robinia — beliebige Fibonacci-Glieder 
auftreten, ohne daß dabei die Proportion der Sectio aurea nachzu- 
weisen ist. Offenbar aber deutet jede solche Segmentierung und 
regelmäßige Gliederung auf eine gleiche Orientierung unserer vin- 
dizierten Teilkörper in der Richtung der Axe des wachsenden Or- 
sanes, die Erscheinung der Sectio aurea aber speziell auf eine 
qualitativ gleichartige Vermehrung (stets z. B. Zahlen der Haupt- 
oder Nebenreihe!) hin, wo indes in quantitativer Beziehung durch 
den in höheren Regionen immer mehr verminderten Saftdruck, 
durch die Verteilung der wirkenden Kraft auf die daselbst anzu- 
treffenden Abzweigungen, den Einfluß der Gravitation, vor allem 
aber durch Erblichkeit etc. beeinflußt, ein Ende der Teilungen ge- 
geben sein mag. So ist dann auch jeder scharfe Gegensatz zwischen 
Organen mit der Ausbildung der Proportion und solchen, wo das 
Verhältnis nicht ausgebildet ist, durch die Fälle beseitigt, wo sich 
erst aus Summen von Abschnitten dank der Wirkung der genannten 
Faktoren und des der Art und dem Individuum spezifischen Cha- 
rakters der goldene Schnitt ergibt. — 


984 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 


Daß sich nun gewisse organisierte Körper, die die gesamte 
lebende Substanz aufbauen, in der von uns angenommenen Weise 
teilen, dafür spricht nun aber neben manchen weiteren noch eine 
Gruppe von Erscheinungen, die ich hier zu besprechen anschließen 
möchte. Denn wenn auch wohl die Sectio aurea ihrem ursprüng- 
lichen Begriffe nach ein Verhältnis geradliniger Strecken ist, so kann 
doch gleichwohl auch da, wo es sich um krummlinige Strecken 
handelt, beispielsweise beim Stengelumfange und seiner Teilung 
durch am Kaulome inserierte Blattorgane, das Verhältnis nach- 
gewiesen werden. Ich meine 


Ib. die numerische Variation der in Divergenzen 
angeordneten Organe. 


Zwar können wir uns da mit Hofmeister und (24) Schwen- 
dener sehr wohl vorstellen, daß die seitlichen Sprossungen in 
ihrem Jugendzustande nach ihrem Hervortreten am Vegetations- 
punkte ihres Kaulomes gesetzmäßige Verschiebungen erleiden. Denn 
ihr Ausdehnungsbestreben wird sich parallel und quer zur Axe des- 
selben in einer anderen Weise äußern, als es deren Längen- und 
Diekenwachstum zuläßt. Letzteres muß ja auf die seitlichen Sprosse 
einen Widerstand nach einer Richtung hin ausüben, und zwar das 
Dickenwachstum einen longitudinalen Druck und transversalen Zug, 
das Längenwachstum aber einen loneitudinalen Zug und transver- 
salen Druck. Dann könnten ja auch wir unter der Voraussetzung 
einer bestimmten Querschnittsform und gleichbleibender, später 
unter sich ändernder Form und Größe diesen Einfluß auf durchaus 
logische, sinnreiche Weise erklären, und auf mathematische An- 
schauungen zurückführen, die schließlich die Spiralstellungen er- 
eäben, die sich unserer Wahrnehmung darbieten, aber durch Druck 
und Zug, durch Größenabnahme der Axe und Größenzunahme der 
seitlichen Organe auf eine a priori zu bestimmende Weise modifi- 
ziert werden. 

Doch prüfen wir die Zahl der in diesem bestimmten Divergenz- 
verhältnisse angeordneten homologen Glieder, so folgen also auch 
da wieder Gesetzmäßigkeiten, die wieder nicht auf mechanische 
Weise durch die (24) Juxtapositionstheorie oder die (25) Hypothese 
der sphärotaktischen Säule und der Phyllopodien Delpinos ihre 
Begründung erfahren können. Denn zunächst berühren ja schon 
die mechanischen Erklärungen die Entstehung der betreffenden 
Organe überhaupt nicht; dann aber sind ja auch ihnen zufolge sowohl 
die Spiralen als die mit denselben mathematisch zusammenhängenden 
Divergenzen nichts als geometrisch abgeleitete Dinge, die leicht 
in die Pflanze hineinkonstruiert werden können, und für die An- 
schauung wohl sehr lehrreich und praktisch, aber jeder entwick- 
lungsgeschichtlichen gesetzlichen Bedeutung entbehren. Schließlich 
treten die Gesetzmäßigkeiten in der numerischen Variation auch 
da in die Erscheinungen, wo von Divergenz überhaupt keine Rede 
sein kann. 


Ritter, Das normale Längen-. Flächen- und Körperwachstum ete. 285 


So ließe sich hier wohl auf (26) Primula officinalis hinweisen, 
wo in der großen Zahl der Fälle fünf Blüten ihre Ausbildung er- 
fahren, aber, wenn andauernd zünstige Vegetationsbedingungen be- 
stehen, dann zwischen den bereits vorhandenen weitere kleine 
Knöspchen hervorsprossen, die wohl schon in der ursprünglichen 
Anlage vorhanden gewesen sein mögen, deren Zahl aber jeden- 
falls wieder eine unserer Reihe zugehörige ist. (Gipfel dann 8, 
ev. 13.) 

Auch die Blattrippenzählungen dürfen hier nicht unerwähnt 
bleiben. Auch hier kann von einer gegenseitigen Beeinflussung 
sar keine Rede sein, aber auch hier treten so ohne Druck und 
Verschiebung stets Gipfelzahlen des Fibonacci auf, wie dies bereits 
für mehrere Fälle (27) erwiesen wurde, und in einer demnächst zu 
veröffentlichenden Abhandlung von mir weiter dargetan werden soll. 

Strenge Regelmäßiekeiten nun, wie wir sie hier demonstrieren 
wollen, sind ja bereits von Ludwig an seinen zu Beginn er- 
wähnten Merkmalen, meist pentameren Phanerogamen Konstatiert 
worden. 

Jetzt soll nun gezeigt werden, daß dieselben, soweit freilich 
nicht eine ausschließlich quirlige Anordnung der Organe statthat, 
sleichwohl auch an tetrameren Phanerogamen sehr gut zu be- 
obachten sind. Nur mag zuvor noch kurz darauf hingewiesen 
werden, daß die von Vogler in seiner Arbeit über die (28) „Va- 
riationskurven bei Pflanzen mit tetrameren Blüten“ teilweise er- 
mittelten Gipfel für Anautia arvensis mit meinen für Suecesa 
pratensis erhaltenen, entsprechend der verwandten Beziehungen 
beider Spezies, gut übereinstimmen. Sicherlich wäre dies in voll- 
kommenerem Maße der Fall, wenn von dem genannten Autor zahl- 
reichere Ermittelungen angestellt wären. Auch mag erwähnt 
werden, daß auch für die anderen Fälle, wo, von der Art 
des Verzweigungssystems jeweilige abhängige, abweichende Maxima 
natürlich erhalten wurden, bereits von (29) Wasteels in seiner 
Erörterung „Over de lieeing de Maxima in Variatiekurven en het 
voorkomen der Fibonaceigetallen“ eine Erklärung durch einen, 
wegen der allen seinen theoretischen Reihen gemeinsamen Faktoren 
zu unserer Lame’schen Reihe in Beziehung zu bringenden Tei- 
lungstropus gegeben werden konnte (wie ja überhaupt alle nu- 
merischen Gesetzmäßigkeiten auf besondere, von der Vermehrung 
des Fibonacci nur geringe Modifikationen erfordernde Teilungen in 
der Organanlage zurückzuführen wären). 

Allerdings ist ja die Tetramerie bei dem Wiesenabbiß nur 
eine scheinbare (30), da wohl die Krone meist vierzählig ist, doch 
dies Verhalten nur aus einer Verwachsung eines typisch fünf- 
zähligen Planes resultieren dürfte. Es fällt nämlich die Krone 
über die Kelchteile, statt mit ihnen zu alternieren, ferner wurden 
von Wydler Fälle beobachtet von der Ausbildung eines fünften, 
alsdann median nach hinten, also einem der Kronenteile 
anteponiert stehenden Staubgefäßes, das auf eine fünfzählige 
Kronenbildung hindeutet. Weiter kommen gleichzeitig promiscue 
vier- und fünfzähligee Kronen vor, ebenso Blüten, die 


286 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 


auch im Kelche pentamer sind. Auch die Analogie fernerhin mit 
den verwandten Valerianaceae und Compositae, Pflanzen mit fünf- 
zähligem Schema, dürfte so ja wohl das Verhalten in Krone und 
Andröceum entsprechend den Plantagineae erklären. Dann wären 
also die in Fällen von Pentamerie freien zwei oberen Petalen in 
den pseudotetrameren Pflanzen verwachsen, das mit ihnen ver- 
wachsende Staubgefäß unterdrückt, und die Entstehung des oberen 
Kronenteiles mit nur einem einzigen Primordium würde auf konge- 
nitaler Verwachsung beruhen. Andrerseits aber ist dann die Anlage 
mit zwei Pimordien bei Scabriosa keine Spaltung, sondern Rück- 
kehr zum Typus, der sich so auch bei anderen Arten der Familie, 
bei Pferocephalus, Morina ete. findet, für die alle deswegen wohl 
auch dieselben numerischen Gesetze zu vindizieren sind (soweit 
sie zur Prüfung geeignete Merkmale besitzen). 

Betreffs der Variation der Blüten der Hauptachse vermochte 
ich nun aber leider nicht jene völlie zu bestimmen, da trotz der 
ziemlich beträchtlichen Zahl wegen der großen Amplitude noch 
kein bestimmtes konstantes Maximum sich erkennen läßt, wenn 
schon natürlich auch hier bereits, da für sie die Regeln der Kollektiv- 
maßlehre eher ihre Anwendung finden, die seltener auftretenden 
seitlichen Klassen in geforderter Weise mit größerer Entfernung 
vom Bereiche des Hauptgipfels eine immer geringer werdende 
Frequenz aufweisen. Offenbar aber dürfte hier beim Weiterzählen 
auch eine Fibonacei-Zahl das Maximum ergeben haben, vielleicht 
ein Duplum, wie es so ja auch im Divergenzbruche, der hier 1%/ıs 
beträgt, zum Ausdrucke gelangt, und wie es weiter durch die be- 
sonders bei graphischer Darstellung anschaulichen Variations-Ver- 
hältnisse in den zahlreichen diskontinuierlichen typischen Äußerungen 
sämtlich von Fällen zweigliedriger Quirle (Überwiegen der geraden 
Zahlen!) wahrscheinlich erscheinen muß (in Übereinstimmung auch 
mit manchen Vorkommnissen der Koniferen-Zapfen, wo man bei- 
spielsweise bei Pinus Picea öfters neben der gewöhnlichen %/s,-Form 
einer solchen mit 16 resp. 26 Parastichen begegnet). 

Um so günstiger aber gestaltete sich das Resultat, das mir 
das Studium der Infloreszenzen der sekundären Achsen und der 
Abzweigungen noch höherer Ordnung ergab. Hier werden jetzt 
— wie folgendes Schema dartut — im Einklange auch mit der 
Divergenz, die jetzt, wie auch bei Scabosa ®/ıs beträgt, wieder die 
Intervalle der direkten, einfachen Zahlen durch die Nebenvariationen 
im Zahlenverhältnisse der Sectio aurea gegliedert, in noch umfang- 
reicherem Maße, als es bislang zur Kenntnis gelangte. 


Numerische Variation der Hauptaxen von Suceisa prat. 


mm-Zahl: 8 910 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 


Frequenz: 1— — 14-10 614839338 7 19 15 33 27 42 31 41 39 52 39 63 51 78 49 


mm-Zahl: 36 37 38 39 40 41 4243 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 


Frequenz: 94 63 111 74 132 88 146 95 162 114 171 153 182 162 190 160 170 148 163 161 191 172 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 287 


mm-Zahl: 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 7273 74 75 76 77 78 79 80 


Frequenz: 211 183 200 161 183 121 188 171 193 114 154 123 136 111 122 93 101 88_94 83 96 73 80 


mm-Zahl: 3 32 3 534 5 56 97 5 39 0 1 92 93 9 9 96 97 98 99 100 101 


Frequenz: 62 64 41 3 21 16 13 9 19° 1920 23 16 19 10 E35 8 10 9 8 2 


mm-Zahl: 102 103 104 105 106 107 108 109 110 


Frequenz: 0 6 Kai — 2 1 1 — 2 


Numerische Variation der Nebenaxen von Suecisa prat. 
(n = 9000). 


mm-Zahl: 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 39 34 


Frequenz: 4 2 2 4 6 6 28 10 26 30 28 52 60 54 88 264 68 84 116. 128 130 156 204 172 196 


mm-Zahl: 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 


Frequenz: 188 248 202 232 312 282 276 364 326 318 296 316 330 284 288 298 262 276 224 204 218 


mm-Zahl: 56 57 58 59 60 64 & 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 


Frequenz: 162 176 170 126 1386 86 74 86 84 834 56 48 34 0 26 29, 16 16 18 10 4 


mm-Zahl: 16 « 18 19 8078317327783 E 85 


Frequenz: SET 167267 Fazer 2 4 2 


Schematische Anordnung und Gliederung der Hauptreihe 
i, Verh. des G@.-8. 


u. ed 7 


EI —< 2 


e.->7 


Auch hier waltet Monomorphie und Symmetrie ob, und auch 
hier muß die Stufe, bis zu der vor der definitiven Ausgestaltung 


288 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum etc. 


und Zahl der Organe die Entwickelung ihren Gang nimmt, wieder 
cine erblich fixierte, streng geregelte sein, und gewisse Etappen 
bis zu einer bestimmten Hauptstufe durchlaufen, die wie auch jene 
eben mit unserem Teilungs-Gesetze ihre Begründung erfährt. Denn 
wenn auch Individuen anzutreffen sind, die auf einer früheren oder 
späteren Stufe die Teilung unterbrechen und sistieren, so gehorchen 
doch auch diese wieder in ihrer Gesamtheit den Gesetzen Que&- 
telet's. Denn auch hier kann man sich leicht für diese Fälle 
überzeugen, daß sie in hinreichender Weise mit dem Wahrschein- 
lichkeitspolygone zusammenfallen, wenn die arithmetische Zahlen- 
reihe in eine Kurve verwandelt ist, wo die einzelnen Klassen die 
Ordinaten bilden. Auch hier eben haben sich die Differenzen, 
durch die für unsere Spezies Kurven von verschiedenem Beobach- 
tungsmaterial sich unterscheiden, in der großen Zahl aufgehoben, 


Zahl der Blüten der Nebenaxen. 


Klasse: 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 


Frequenz: 3 2133519 614110 78-12 810 2 — 6— 4 8 n= 16 


42 23 4 521 71816 13 19 31 28 37 19 48 37 41 43 28 16 42 27 n— 700 
42 2 4 5 522 720 21 18 25 36 31 46 33 61 49 59 68 42 68 93 82 n— 1450 
42245523 721 23 19 32 44 33 51 46 S0 61 60 79 68 79 114 99 n= 2100 


Von da ab Hauptgipfel auf 42. 


Klasse: 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 
Erequenz!: 27 = 4 —- 13 2:2 117171 — = n= 160 
25 16 1912 611 3101512 8 7 31512 3 2 — _ — en 700 


78 34 49 22 16 52 16 32 38 24 26 28 32 34 19 16 27 19 21 51213 2 — n=1450 
101 63 128 90 43 61 24 58 82 61 42 32 40 42 32 31 51 34 43 121923 6 6 n=210g 


Klasse: 58 59 60 61 & 65 64 65 66 67 65 9 70 T1 72 73 


Erequenz.5 2 — —_ — — — n= 16 
-—- - - -— - - — - - -— — — — — — 2= 0% 
Be) a Eee ee Eile 

SEH27 162 SS IST ITS Boa ES Eee r—2100 


und ist, den konstanten Ursachen, vor allem der erblichen Regelung: 
entsprechend, auch hier ein konstantes Resultat zutage getreten, 
das sich nicht mehr ändert. 

Freilich aber auch erst wieder bei Zählungen in der „großen 
Zahl“. Betrachten wir nämlich wieder einmal in folgender Über- 
sicht die sukcessive Entstehung unseres empirischen Binomiums, 
so ergeben sich hier, wenn wir freilich zu ungleichen, geeigneten 
Mengen die zeitlich aufeinanderfolgenden Varianten der ganzen 
Vegetationsperiode und auch da wieder nur die zu ihrem Beeinne 
auftretenden zusammenfassen — es gelangten täglich ungefähr die 
gleiche Zahl zur Untersuchung — recht verschiedene Maxima, 16, 
26, 32, 36, 42, Sie alle aber tun dar, daß auch trotz des 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 289 


Unterschiedes zwischen Kon- und Devarianten strenge Gesetz- 
mäßiekeit obwaltet und ebenfalls nicht Zufall und Willkür herrschen, 
und daß weiterhin auch eine solche Differenz die Lehren der Mu- 
tationstheorie nicht zu erschüttern vermag. Denn wie es für den 
Statistiker als eine elementare, geläufige Erscheinung sich erweist, 
daß bei wenigen Ermittelungen die Einzelkurven noch weit über 
die Papierfläche, auf der sie geometrisch dargestellt werden, in 
höchstens flachem Bogen sich verbreiten, und erst im Laufe der 
weiteren Untersuchung die verlangte Gruppierung statthat, so ist 
es andrerseits in unserem Falle ebenso klar und evident, daß das 
Resultat beispielsweise bei erst 2100 Untersuchungen noch nicht 
als definitives, vollständiges anzusprechen ist, sondern weitere em- 
pirische Feststellungen erheischt. Meist liefert ja überhaupt erst 
eine größere, umfangreichere Zählung resp. Messung oder Wägung 
das wahre, echte Maximum, und nur in einzelnen Fällen, wie z. B. 
bei Reihe 3 für Ohnerophyli. temul., wo eine besondere, durch die 
Natur der Lokalität bedingte Größenvarietät existiert, mag der Gipfel 
schon früher deutlich und konstant als solcher sich geltend machen. 
‚Jedenfalls aber sind hier nicht — wie wir besonders noch beachten 
wollen — von den Individuen, die infolge der äußeren Einwirkungen 
auf einer anderen Stufe als der Normalstufe stehen geblieben sind, 
trotz der anfänglichen Schwankungen des primären Gipfels, neue, 
selbständige, isolierte Rassen dank des äußeren Einflusses entanden. 
So ist auch hier wieder die (32) Unbeständigkeit des Einflusses jed- 
weder Selektion und die Beschränktheit des durch sie Erreichbaren 
bestätigt, indem hier stets einunddasselbe Entwickelungsprinzip 
seine Geltung zu bewahren vermag. Und so wird weiter auch die 
Richtigkeit des Satzes erwiesen, daß (35) Variabilität keine Mu- 
tabilität ist, und daß durch jene neue Sippen nicht gebildet werden. 
Denn in diesem Falle hätte ja jede Rasse, für sich gesondert, wohl 
einfache Variationskurven ergeben. Aber die Kombinationspolygone 
zusammen würden mit größter Pleomorphie, bestimmter, fixierter 
Lage der Maxima je nach der jeweiligen, relativen Frequenz und 
Beteiligung der Arten bei ebener Darstellung Inkonstanz und stetige 
Oszillationen des Hauptgipfels, selbst in der großen Zahl aufweisen, 
während aber bei Zuhülfenahme der dritten Dimension in der Dar- 
stellung des ganzen Variationskomplexes dann die Gesamtheit der 
parallel hintereinander mit ihren Gipfeln in einer Ebene senkrecht 
zu den einzelnen Kurven angeordneten Binomialkurven eine bisym- 
metrische Fläche ergäbe. 

War nun aber die Vierzahl des Korollen bei unserem Objekte 
hier nur eine Pseudotetramerie, so darf wohl in der Beziehung 
kein Einwand zu erheben sein gegen Elaeagnus angustifolium, wo 
jetzt nun einem anderen Merkmale, der Zahl der Kurztriebe, die 
Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Auch hier können ebenfalls 
ohne weiteres die Maxima ungezwungen zu unserer Reihe in Be- 
ziehung gebracht werden, und wir sehen wieder, daß trotz der 
geringen Menge der Beobachtungen der mor phologische Bau wieder 
nicht ins Blaue hinein variiert. 

Beihefte Bot, Centralbl, Bd. XXIII. Abt, I, Heft 3, 19 


290 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum etc. 


Numerische Variation der Kurztriebe 
an Elaeagn. angustifol. (n — 550). 


mm-Zahl: 177273 42°57726 77278779010, 1172427130142 195 167 1718 EEE 


Frequenz: 6 10 18 28 26 64 52 40 22 34 38 24 28 32 14 18 18 4 14 4 6 


mm-Zahl: 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 


Frequenz: 4 2 2 8 6 2 6 6 4 4 


Gipfelzahlen und ihre Koincidenz mit den Fib.-Zahlen. 


1 
Zahlen des s— 
Kettenhbr >12: @4 71118 29; Duplum: 222.11, 282.14 


Außerdem ; e Ev. wegen ihrer geringen Frequenz 
desike ten Dr er lENz> wieder geschwunden ? 


Weiterhin nun untersuchte ich noch die Variabilität im An- 
dröceum, wo das OO-Zeichen in systematischen Werken indes 
ebensowenig gerechtfertigt erscheinen kann, wie da, wo es sich um 
andere Organe handelt. Auch hier nämlich treten unsere Gesetz- 
mäßigkeiten wieder in die Erscheinung, wenn auch natürlich dank 
der spezifischen Tektonik jeder Rasse in eigener, durch die Art 
der Anordnung etc. bedingter Weise, die als Charakteristikum für 
den Systematiker Wert besitzen muß. Ich hatte so die Fest- 
stellungen gemacht an den in end- und seitenständigren dekussierten 
Rispen versammelten, wegen der orthogonalen Kreuzung der auf- 
einanderfolgenden Blattpaare, und der späteren Entstehung eines 
Sepalenpaares typisch tetrameren Blüten von Clematis Vitalba, wo- 
bei die vereinzelten trimeren, pentameren und hexameren Blüten 
von der Untersuchung ausgeschlossen wurden. Ferner wurden Er- 
mittelungen vorgenommen an den männlichen Blüten von Degonia 
hybrida, deren Inftloreszenzen axilläre Zymen darstellen, die bis in 
die letzte Verzweigung gleichmäßig dichasisch sind, oder nach ein- 
bis mehrmaligen Gabelungen in Winkeln ausgehen. Zweifellos ge- 
schah es hier, daß viele der zahlreichen Gärtnervarietäten Berück- 
sichtigung fanden, indem das Material von verschiedenen Seiten 
in dankenswerter, gütiger Weise zur Verfügung gestellt wurde. 
Aber trotzdem also ist auch auf diese Weise zu entnehmen, daß 
in der numerischen Variation zwischen tetrameren und pentameren 
Phanerosamen kein prinzipieller fundamentaler Unterschied durch- 
weg zu bestehen braucht. Das Teilungsprinzip kann in beiden 
Fällen das gleiche sein (wie ja auch eine Differenz vielfach unbe- 
sreiflich erscheinen müßte im Hinblicke darauf, daß viele Familien 
teils vier-, teils fünfzählige Blüten bildende Arten zusammenfassen), 
da auch hier bei unsern untersuchten Arten eine diskontinuierliche, 
gesetzmäßige Entwickelung nach der Lam&’schen Reise statthat. 

Dies soll demnächst auch noch an einem weiteren Beispiele 
gezeigt werden, wo in günstigster Weise die Amplitude eine sogar 
noch größere als bei Suceisa prat. ist. 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete.. 291 


Numerische Variation im Androeceum 
von Olematis Vitalba (n = 1300). 


Zahl: 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 8 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 


Frequenz: 2 2 aa 6 — 821 6 6 4 32 er 56 40 56 56 114 76 68 


Zabl: 47 48 49 50 51 592 53 54 55 56 57 58 59 60 61 = 63 64 & 66 67 


Frequenz: 118 74 51 89 4 88 54 34 _36, 21 ‚31 10 7 FE 10 DR EC 2 2 


Gipfelzahlen und ihre Koincidenz mit den Fib.-Zahlen. 
Von früher her bekannt: 26 28 (— 2.14) 32 (—2.16) 34 38 (2.19) 4244 (= 4.11) 
47 50 52 55 57 60. 
Neu dazu gekommen: 30 — 3.10 40 =4.10 64 = 4.16. 


Numerische Variation im Androeceum 
von Begonia hybrida (n = 650). 
(Blüten „mit Wahl“; Lage des primären Gipfels deshalb unentschieden.) 
Zahl: 18 19 20 21 22 23 21 25 26 27 28 29 30 31 32 38 34 35 36 37 38 39 


Frequenz: 1 AR 3. PFuruRErErEtIe ge 418 19 20 16 17 19 0 3 2 4 


Zahl: 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 ® 54 55 56 57 58 59 w 61 


Frequenz: 36 39 58 4 @ 13 9 12 11 on— \® 3 Ag 4 3 1 De Ba 


Gipfelzahlen und ihre Koineidenz mit den Fib.-Zahlen. 
Von früher her bekannt: 19 22 = 2.11) 24 = 38) 28 (= 2.14) 32 (= 2.16) 
36 (= 2.18) 38 (= 2.19) 39 = 3.13) 42 47 50 52 
(= 2.26) 54 (— 3.18) 55 58 (= 2.29) 60. 


Daher dürfte nun also auch von dieser Seite her, wo Gründe 
mechanischer Art das Zustandekommen von Divergenzen plausibel 
zu machen vermögen, nicht nur nicht der geringste Einspruch 
segen unsere Annahme letzter Einheiten, die hier als Ausgangs- 
punkt für die Entwickelung des einzelnen Organes zu fungieren 
hätten, und deren gesetzmäßigen, einfachen, rythmischen Teilung 
im Zahlenverhältnisse des Fibonacei zu erheben sein, sondern auch 
hier ohnedies jede Begründung fehlen. Auch hier würde dann 
das Auftreten der Multipla entweder wie früher beim meristischen 
Längenwachstum aus einer fortgesetzten Vermehrung in Unter- 
etappen, oder vielfach auch direkt nachweisbar, aus Dedoublement 
und eventuell noch weiterer Vervielfältigung der ursprünglichen 
Örgananlage resultieren. Hieraus entsteht ja eben die hemicyklische 
Bildung, indem mehrzählige Wirtel, wie wir sie ja von zwei bis 
zirka dreißiggliedrig variieren sehen, in spiralieer Anordnung bei 
sleichsinniger Orientierung verlaufen. 


iy* 


292 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum etc. 


Betreffs 


II. des normalen zweidimensionalen Wachstumes 


habe ich ja bereits in kurzer vorläufiger Mitteilung in meinen (34) 
„Beiträgen zur Physiologie des Flächenwachstumes der Pflanzen“ 
dargeetan, daß auch da die Variationen keine kontinuierlichen sind, 
sondern ebenfalls Zwischenzahlen zur Erscheinung gelangen. Die- 
selben erhielten sich nun bei meinen früheren Untersuchungen 
eleichfalls bei unendlichen Zählungen konstant und ließen sich be- 
reits bei wenigen Ermitteluneen erkennen. Auch ergaben sie, so- 
weit die Individuen von ein und demselben Standorte herrührten, 
bezüglich der Frequenz wieder eine frappierende Übereinstim- 
mung. Ich hatte daselbst Blattspreitenmessungen vorgenommen, 
und zwar sowohl die Länge wie die Breite des Phyllomes zum 
Gegenstande der Untersuchung gemacht, von Vaccımium Vitis Idaea, 
Vacc._ Myrtillus und Myrtus commaunis, bei den beiden letzten 
Objekten freilich nur in wenigen statistischen Ermittelungen „mit 
Wahl“. 

Daselbst nun habe ich wieder, wie entsprechend ‚schon beim 
Längenwachstume, eine nicht nur prinzipielle, sondern auch absolut 
gleiche Gesetzmäßiekeit ebenfalls feststellen können, ohne indes 
an der Stelle näher darauf einzugehen. 

Es hatten sich nämlich auch dort wieder in allen Fällen ein 
und dieselben Maxima ihrem arithmetischen Werte nach ergeben. 
Nur einige weitere Zwischenzahlen, die sich als Äußerungen 
einer Nebenvariation von untergeordneter Bedeutung nachweisen 
ließen, obschon auch sie zweifellos im Leben unserer Pflanzen eine 
gewisse Rolle spielen, und sie so gelegentlich meiner späteren Unter- 
suchungen sich ebenfalls hin und wieder herausstellten, verloren 
sich allmählich wieder völlig oder bis auf eine „Andeutung“ eines 
Gipfels unter den übrigen kontinuierlichen Varianten. Nur die 
Klasse 20 behauptete sich von diesen selbst am Schlusse noch als 
Maximum. Aber, wie mich ein Analogieschluß von meinen jetzigen 
Beobachtungen vermuten lassen möchte, hätte wohl auch sie, im 
Einklange auch mit der immer geringer werdenden relativen 
Frequenz, im Laufe einer weiteren empirischen Prüfung schließlich 
ebenfalls nur kontinuierlich variiert. 

Wie dies nun auch bereits das Ergebnis des Studiums ganz 
anderer Merkmale am Blatte, so die bereits erwähnten Blattrippen- 
zählungen nur wahrscheinlich erscheinen lassen können, spielen 
auch hier wieder unsere Fibonacci-Zahlen eine Rolle. ‚Jetzt treten 
sie uns —- es kann hier selbstverständlich nur auf das Verhältnis 
ankommen — in unseren Zwischenklassen als die mit 10 multipli- 
zierten Quadratwurzeln entgeeen. Als solche nötigt sie schon allein 
die verblüffende Übereinstimmung zwischen theoretischen und 


empirisch festeestellten Werten — diese Koincidenz kann wegen 
der bereits beim Längenwachstume beobachteten nicht mehr als 
besonders auffällig erscheinen — aufzufassen. 


Es war demnach auch hier, da ebenfalls auf mechanische 
Weise keine befriedigende Erklärung der arithmetischen Zahlen- 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum etc. 293 


verhältnisse beizubringen war, unser Teilungsmodus vorauszusetzen, 
wo indes die Teilstücke — zur Erklärung der Wertigkeit der dis- 
kontinuierlichen Variationen als Quadratwurzeln — eine andere 
bestimmte, jedenfalls nicht mehr lineare Verteilungsrichtung be- 
obachten müssen. 

Wie sich nun ja bekanntlich durch Heranziehen analoger 
Prozesse uns ein besseres, leichteres Verständnis zu eröffnen pflest, 
so glaubte ich, jetzt am zweckmäßiesten zum Vergleiche auf eine 
bekannte elementare Tatsache hinweisen zu müssen. „Wie sich 
nämlich aus dem Flächeninhalte eines Quadrates ganz einfach die 
Seiteneröße ergibt, indem man diesen Flächenwert radiziert, und 
wie, wenn auch die Fläche etwa durch Erwärmung des Körpers, 
dem sie angehören mag, eine Ausdehnung erführe, die jeweilige 
Seitengröße doch stets durch die Quadratwurzel aus dem zuge- 
hörigen Flächenwerte dargestellt würde, da ja, wie wir aus der 
Kalorik wissen, starre Körper bei Temperatursteigerungen sich 
nach allen Dimensionen in gleicher Weise vergrößern, so könnte 
man diese Verhältnisse als dem Wesen nach zwar verschiedene, 
aber in gewissen Punkten, dem Effekte nach, doch analoge, in 
unserem Falle zugrunde legend, d. h. die Ausdehnung durch 
Wärme der Vergrößerung durch Wachstum — von gewissen Unter- 
schieden abgesehen — zur Seite stellend, nur in umgekehrter 
Weise von der Quadratwurzel auf die wichtigen, in Frage kom- 
menden, für das Quadrat charakteristischen Merkmale, vor allem 
also die Gleichheit der Seiten und ihre rechtwinklige Stellung zu- 
zückschließen, und dieselben in unserem Falle als gegeben be- 
trachten“. 

Demzufolge wäre dann klar und deutlich die fragliche Er- 
scheinunge mit der Annahme eines nach Länge und Breite in 
sleichem Verhältnisse statthabenden Wachstumes in einfachster 
Weise zu erklären: Auch hier bliebe die Orientierung unserer Ein- 
heiten wieder je eine prinzipiell gleiche, einheitliche, konstante bei 
den Teilungen, nachdem einmal erst eine bestimmte, durch die spe- 
zifische plasmatische Konstitution bedingte, für die Art charak- 
teristische, gleichsam den Grundstock für die weitere Gestaltung 
bildende Anordnung unserer Teilkörper in der allerjugendlichsten 
Anlage geschehen ist, wie analog beim Kristalle durch das ganze 
Assregat über die integrierten Teile eine solche Kraft ausgeübt 
wird, daß die Moleküle eine bestimmte Lage annehmen. 

Tatsächlich stehen ja auch mit dieser Erklärung nicht im 
geringsten irgendwelche Beobachtungen im mindesten Widerspruche. 
Denn wirklich läßt es sich im Gegenteile sofort unschwer eı- 
kennen, daß schon das jugendliche Blatt genau die Form und Ge- 
stalt des definitiv ausgewachsenen vielfach besitzt, und eben nur 
durch die Größe differiert. Auch traten mir ja bei Messungen 
der Breite, wie bereits bemerkt, genau dieselben Zwischenklassen 
entgegen wie bei der Feststellung der Längendimension. Dadurch ist 
nicht nur ebenfalls dafür varantiert,. dab unsere diskontinuierlichen 
Zahlen auch wirklich Quadratwurzeln aus den Gliedern der 
lsam@’schen Reihe darstellen, sondern weiterhin unzweifelhaft und 


294 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum etc. 


eindeutig die Richtigkeit eben unserer Deutung eines nach beiden 
Dimensionen in gleichem Rhytmus statthabenden Wachstums dar- 
getan, sowie auch die Berechtigung der Annahme der vindizierten 
Verteilung unsrer organisierten Individualitäten. 

Daß nun die in der genannten kleinen Abhandlung kurz vor- 
setragenen Resultate zu bestätigen sind, und der Induktionsschluß, 
mit dem ich diese Gesetzmäßigkeiten für weitere Objekte vindizierte, 
tatsächlich auch seine Berechtigung besitzt, das möchte ich nun 
jetzt dartun, indem ich die Resultate weiterer empirischer Er- 
mittelungen demonstriere. Zuvor aber sei es gestattet, mit gütiger 
Erlaubnis des Herrn Kantonschullehrers A. Heyer in St. Gallen 
darauf hinzuweisen, daß derselbe für Länge und Breite der Phyl- 
lome von Prunus spinosa auch dieselben Gipfelzahlen erhielt, wie 
wir sie hier kennen lernen werden. — Es dürften aus den weiteren 
Darstellungen sich auch Tatsachen ergeben, die auch für andere 
Gebiete nicht interesselos sind. Denn jetzt fand auch in ver- 
schiedener Weise der Einfluß von solchen äußeren Faktoren Be- 
rücksichtigung, die durch ihre Intensität und dank der spezifischen 
Eigenschaften des Objektes auf den Gestaltungsvorgang modifizierend 
einwirken. Gerade hier, wo nämlich bereits eine Anzahl ver- 
schiedener Arten untersucht und als übereinstimmend befunden wurde, 
meinte ich am sichersten feststellen zu können, inwiefern der 
Wachstumsprozeß durch den „monde ambiant“ zu beeinflussen ist. 

Zunächst freilich möchte ich erst noch in größter Kürze die 
Resultate angeben, die mir das statistische Studium ohne solche 
Berücksichtigung irgendwelcher Selektion ergab, und die nun an 
folgenden Objekten, teils auf Länge, teils auf Breite hin geprüft, 
nachgewiesen wurden. 


(n = 1800) Länge der Spreite von Trifolium pratense. 
(„Mit Wahl“, nach d. Mahd.) 
Au 8 DD u a, de 1 AD al Aa a a en 2 


Frequenz: 1 7 15 23 29 48 66 85 101 151 173 151 133 1 118 1397 127 88 73 59 41 10 


mm: 29 30 3i 32 33 34 2 36 u 38 39 40 41 


Frequenz: 30 16° 15 416 11 10 Fu 7 77 3.3 De 


Länge der Spreite von Buxus sempervirens. m — 1000.) 


mm: SER EB IN DNNAIRDBEBSDAIEE NEE. 


Frequenz: u o 5 8 10 22 25 24 31 5259. 59 36 65 68 1 63 57 93 52 57 60 35 28 31 33 17 6 


Breite der Spreite von Robinia pseudacacia. (n = 1300.) 


mm: 91011 1213 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 


Frequenz:12 20 16 46 58 64 54 40 58 60 50 56 62 72 66 58 54 42 26 60 58 50 42 48 4012 20 3014 6 2 J 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete.. 295 


Breite der Spreite von Berberis aquifolia. (n = 1000.) 
mm: 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 


Frequenz: 24 DS, 8 Sen IE: 1775297534529 302305737 0 3 DE Dub An E93 


mm: 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 


Aremenz ae 16 3 2 5 a5 Ten 


Wir sehen, daß auch hier stets, wenn wir die Reihen in 
Kurven umsetzen würden, die Sätze der Kollektivmaßlehre ihre 
Anwendung finden können. Aber gleichwohl treten auch hier dis- 
kontinuierliche Variationen auf, und zwar stets absolut ein und die- 
selben, ungeachtet der Differenz der Spezies, die ihrer natürlichen 
Verwandtschaft nach zu den verschiedensten Familien zählen. Auch 
hier also werden sich stets dank gleicher materieller Grundlage, 
die eben nur durch Annahme unserer Teilkörper verständlich er- 
scheinen kann, die gleichen inneren Vorgänge abspielen. Und ich 
meine, daß nun unter diesen Umständen auch der Beweis der Kon- 
stanz durch Darstellung der etappenweisen Entwickelung unserer 
ermittelten Variationsverhältnisse überflüssig erscheint, indem eben 
diese Koincidenz am besten die tiefe, innere Bedeutung, die jedes 
Zufälligen entbehrt, dartut. 

Zudem ergibt sich auch eine absolute Gleichheit der Gesetz- 
mäßiekeiten, wenn wir unsere jetzigen Gipfelzahlen mit denen der 
früheren Arbeit vergleichen. Auch dies muß uns ja zu gleicher An- 
sicht und gleichem Verhalten bestimmen. 

Also sind demnach auch hier wieder die mit 10 multiplizierten 
Quadratwurzeln, wie nachstehende Rechnungen eindeutig belehren, 
die Maxima in jeder unserer Reihen, und treiben uns auch hier 
wieder zu denselben Auffassungen über die Physiologie des zwei- 
dimensionalen Wachstumes. 


Giptelzahlen und ihre Koincidenz mit den Quadrat- 
Wurzeln aus Fib.-Zahlen. 


Theoret. Hauptzahlen: 10./1=10 10./2=14,1 10./3=17,3 10./5= 29,8 
Empirische Werte: 10 14 17—-18 22 


Theoret. Hauptzahlen: 10. V 8—PS2 0: V 1836.02. #107. \ 21 = 45,8 
Empirische Werke: 28 36 45—48 


Theoret. Nebenzahlen: 10. yıo —=31,6 10. V 16 = 40,0 10. Y 26 = 51,0 
Empirische Werte: 32 40 51 


Theoret. Nebenzahlen: 10. Y 18 — 42,4 
Empirische Werte: 42 


Im ersten Abschnitte nun hatten wir ja bereits die Er- 
scheinung der partiellen Variabilität studiert, und dabei also ge- 


296 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 


funden, daß auch da im Prinzipe und, abgesehen vielleicht von 
einer Differenz bezüglich des Maximums, auch absolut dieselben 
Regelmäßiekeiten sich darstellen, wie wenn wir unser Augenmerk 
in geleichmäßiger Weise „ohne Wahl“ bestimmter Organe beliebigen 
solchen, natürlich stets homoloren, zuwenden. Auch hier. nun unter- 
suchte ich wieder, ob auch hier dasselbe Resultat sich ergäbe. So 
achtete ich auf die Ausbildung von Phyllomen, die von den unteren, 
Ästen herrühren, sowie solchen, die aus der Kronengegend stammen. 
Hierbei wurde es jedoch vermieden, daß in einem Falle etwa vor- 
wiegend die jugendlichen Blätter der diesjährigen Vegetationsperiode, 
und im anderen vielleicht die älteren, definitiv ausgebildeten, an 
ihrer bedeutend dunkleren Farbe und ihrer lederartigeren Konsistenz 
der Epidermis als solche kenntlichen Verwendung fanden, sondern es 
wurde stets den letzteren die Berücksichtigung geschenkt. Ich nahm 
nämlich diese Ermittelungen an einer immergrünen Pflanze vor, 
und zwar wieder an demselben Strauche von buxus sempervirens, 
der bereits, ohne daß dabei irgend eine Bevorzugung «ewisser 
Partien beabsichtigt gewesen wäre, das Material zu unserer, eben 
veröffentlichten Reihe geliefert hatte, mit einem Maximum bei 22. 

Auch jetzt nun sehen wir wieder die völlige gleichen Gipfelzahlen, 
ja sogar denselben primären Gipfel in beiden Reihen (siehe fol- 
vende Tabelle), indem, vielleicht aber auch nur infolge einer zu 
seringen Zahl von Messungen, jeweilig nur die Schwerpunktsordinate 
und andere zu berechnende Konstanten unserer darzustellenden 
/ariationspolygone abweichen mögen. Ich meine aber, daß jeden- 
falls trotz alledem nur wieder dies hervorgehen kann, daß in 
gleicher Weise ein einheitliches, gesetzmäßiges Wachstum statthat, 
und in dieser Hinsicht kein Teil eines Organismus durch seine 
Lage eine Ausnahme bildet. 

Vergegenwärtigen wir uns nun aber die gestaltende Einwir- 
kung des Lichtes, (35) und erinnern wir uns jetzt speziell an die Ver- 
änderungen, die sein Mangel beispielsweise in der Tektonik des 
Buchenblattes (36) in so durchgreifender Weise bezüglich der Aus- 
bildung des Pallisaden- und Schwammparenchymes, der Interzellu- 
laren etc. hervorruft, so möchte man aber wohl meinen, daß we- 
nigstens zwischen Sonnen- und Schattenblättern eines Stockes auch 
bezüglich der Gipfelzahlen ein prinzipieller Unterschied bestehen 
könnte. 

Deshalb nahm ich nun auch in der Richtune jetzt Unter- 
suchungen vor, besonders auch durch den Standort unseres Strauches 
beeünstigt, dessen östlicher und südlicher Teil nämlich durch kein 
anderes Gebüsch beschattet war, während hingegen die westlichen 
und nördlichen Partien dicht an einen mit Unterholz durchsetzten, 
starkbelaubten, völlige schattigen Hochwald grenzten. 

Da nun bemerken wir allerdings in unseren folgenden be- 
treffenden Reihen, die die statistischen Verhältnisse repräsentieren, 
einen Unterschied, wie er ja auch durch die starke entgegeneesetzt 
wirkende Selektion von vornherein zu erwarten stand. Aber selbst 
hier ist es nicht eine prinzipielle Differenz, sondern eben auch nur 
eine Verschiedenheit in der Lage des Hauptgipfels, der einmal 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 297 


wieder auf 22, dann auf 17 liegt, also stets Zahlen, die wir, wie 
auch die übrigen -diskontinuierlichen Varianten als solche bereits 
kennen lernten. Auch hier also erfährt eine gewisse Unabhängeig- 
keit und Widerstandsfähiekeit der Pflanzen gegenüber äußeren Ein- 
wirkungen, sowie die Beschränktheit des Einilusses der Zuchtwahl 
durch die selbst jetzt noch «esetzmäßieen Variationen ihren ein- 
deutieen Ausdruck. 


Länge der Blätter von Bux. sempervir. von der unter. 
(Reihe I) und ober. (Reihe II) Region. 


mm: 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 


Frequenz: 4 6 12 12 19 31 33 36 42 47 47 39 52 55 61 59 44 39 29 21 22 21 14 — — — n=750 
> =-- od 518 19 17 29 42 47 41 56 61 72 65 59 48 29 32 35 29 18 12 13 3 n=750 


Länge der Blätter von Bux. sempervir. von Licht- (Reihe I) 
u. Schattenseite (Reihe II). 


mm: 9101112 13 14 15 1617 1819 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 


10 16 17 24 33 42 43 56 69 68 65 60 54 55 52 47 38 36 35 41 39 34 29 21 16 n — 1000 


Können, ja müssen wir nunmehr also, all unseren überein- 
stimmenden bisherigen Erfahrungen zufolge mit Recht mit Hilfe 
eines Induktionsschlusses der Meinung sein, daß überhaupt an allen 
Objekten, wo das Wachstum einen gleichen Fortschritt nach zwei 
Dimensionen hin ergibt, ebenfalls stets die völlig „leichen Ent- 
wicklungsgesetze obwalten, indem eben stets die erhaltenen Zwischen- 
klassen diskontinuierlich variieren, so darf es nun wohl auch als 
berechtigt selten, wenn ich mich nun jetzt bei der weiteren Be- 
rücksichtigung von Fällen, wo durch die „Ernährung“ wieder eine 
„anormale“, d. h. von der gewöhnlichen Form abweichende Ent- 
wickelung bedingt wurde, lediglich auf das empirische Studium 
dieser absonderlichen Fälle beschränkte, und auf die, zum Ver- 
gleiche wegen der großen Augenfälliekeit der Abweichung ent- 
behrlichen Feststellung der Variationsverhältnisse der „normalen“ 
Form Verzicht leistete. Es kommt uns ja zudem hier weniger 
darauf an, zu untersuchen, wie sehr die beiden Fälle voneinander 
differieren, als vielmehr festzustellen, ob selbst für eine solche ab- 
weichende Bildung noch unsere ermittelten Regelmäßigkeiten ihre 
Gültigkeit besitzen. So unterwarf ich also auch demzufolge bei 
Majanthenmum bifolium, einer ausgesprochen ombrophilen Pflanze, 
nur solche Exemplare der empirischen Untersuchung, die von einem 
Standorte herrühbren, wo dank der lokalen Verhältnisse eine direkte, 
ungeschwächte Insolation jetzt eine ganz bedeutende Reduktion 
der Größenverhältnisse des Phyllomes verursacht hatte (wie sie ja 
nach (37) Warming bis zu !/; der gewöhnlichen Form des Durch- 
schnittes betragen kann). 

Leider nur war die Zahl der Objekte daselbst eine ziemlich 
begrenzte, sodaß unsere Reihe I der anschließenden Tabelle, die 


298 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum etc. 


uns die betreffenden Variationen vor Augen führt, aus nur 200 Einzel- 
beobachtungen gebildet wird. Deshalb nun sammelte ich auch 
weiterhin, jetzt von verschiedenen Standorten durcheinander, wo 
aber stets eine intensive, ungehinderte Besonnung statthaben 
konnte, auch „mit Wahl“ weitere 300 Blätter, die zwar nicht in 
der Gesamtheit eine solche Hemmung der Entwickelung aufweisen, 
wie sie das Maximum der ersten Reihe zu erkennen eibt, wo aber 
gleichwohl wieder, als bei Minus-Varianten, die typische Größe 
noch nicht erreicht ist. 

In beiden Fällen aber nun erkennen wir auch jetzt wieder, 
daß auch hier ebenfalls unsere Gesetze das Wachstum beherrschen, 
daß wieder nicht Zufall und Willkür trotz der offenbar doch 
schädlichen Wirkung von außen her obwalten, und daß selbst die 
stärkste Selektion keine fundamentale Differenz herbeizuführen 
vermag. 


Breite des Blattes e Majanth. bifol. von sonnigem 
Standorte. 


mm: 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 


Frequenz: 1 1 2 1215 1716 2124292831205 331— —— — — — n —= 200 
„ 4 10 12 14 29 32 27 19 24 27 293827 222711 n — 300 


Indes kennen wir aber doch auch Fälle, wo morphogene 
Reize in deutlichster Weise den „Bauplan“ nicht nur quantitativ, 
graduell, sondern auch qualitativ zu ändern die Pflanzen veran- 
lassen können. Ich meine hier natürlich nicht die Erscheinungen 
der „direkten Selbstanpassung“, wie sie durch die Forschungen 
und Versuche von Constantin, Volkens, Stahl, Vöchting, 
Lesage, Frank, Askenasy, Goebel, Gräbner etc. bekannt 
wurden, sondern habe jetzt vielmehr die Fälle im Auge, wo para- 
sitäre Einwirkungen störend Deformationen bedingen, wo Schma- 
rotzer sich im Gewebe der Wirtspflanze einnisten. Dieselben üben 
auf das lebende Protoplasma tiefgreifende Veränderungen aus, in- 
dem, wie bei der Gärung etwa durch die Wirksamkeit der Hefe- 
zellen die chemische Konstitution der Kulturflüssigkeit ihre Ver- 
änderung durch Spaltung der Verbindungen etc. erfährt, entsprechend 
hier, in einem saftreichen, wachstumsfähigen Parenchyme, mit der 
Fähigkeit begabt, auf Kosten der aufgenommenen Substanz sich zu 
teilen und erweitern, eine Umwandlung der ganzen organischen 
„spezifischen Konstitution“ veranlaßt wird, eine Umwandlung, bei 
der sozusagen ein andersartiges Plasma bezüglich seiner Gestal- 
tungstendenz entsteht. Es „verschmilzt“ nämlich förmlich ein Teil 
des Protoplasma mit dem des Parasiten, und naturgemäß gelangen 
dann bei der Bildung eines Gewebekomplexes äußerlich auch andere 
Formen zur Schau. 

Ich entschloß mich nun, schließlich auch noch einem solchen 
Objekte die Beachtung zu schenken. Dazu schien mir nun von 
all diesen mannigfachen Erscheinungen der Hypertrophien, Asci-. 
dien, Hexenbesen, Krebsen etc., indem auch die Bedingung eines 


\ 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 299 


zweidimensionalen Wachstums von vornherein wenige Auswahl ge- 
stattete, recht eünstig die Huphorbia amygdalordes (silvatica). 
Denn deren mit dem Aecidium infizierten Blätter dürfen deshalb 
als „eutes Merkmal“ angesprochen werden, weil der parasitäre 
Einfluß in augenfälliester Weise in einer völlig differenten Gestal- 
tung, die den Unwissenden eine andere Spezies vermuten lassen 
kann, seinen Ausdruck findet, aber weil trotz dieser Deformation 
doch nicht etwa eine Verkrüppelunge der Phyllome dieselben der 
Messung schwer zugänglich macht. Auch stand eine Menge Ma- 
terial (in Göttingens Umgebung) zur Verfügung. 

Die Variationsverhältnisse, selbst hier nun wieder mit unseren 
alten Zwischenklassen, vergegenwärtigen wir uns aus folgender 
Übersicht. 


Länge der infizierten Phyllome der Zuphorbia 
amygd. (silv.). (n = 800.) 


mm:78 91011 1213 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 


Frequenz: 2 6 14 20 18 24 40 50 42 78 94 80 68 36 32 44 34 24 18 12 16 24 14 10 


Es muß also geschlossen werden, daß selbst dieser störende, 


sewaltsame Eingriff — von einer harmonischen mutualistischen 
Symbiose kann ja hier gar keine Rede sein — die gesetzmäßigen 


Teilungen unserer Lebenseinheiten prinzipiell nicht zu beeinflussen 
vermag, sondern eben nur eine Veränderung bezüglich ihrer An- 
ordnung in der allerjugendlichsten Anlage und in einer Weise, wie 
sie noch erörtert werden wird, veranlaßt. So können wir nun auch. 
die jetzt abweichende Form des Blattes, die „anomale“ mit der 
„normalen“, eesunden, ebenso die durch „Mutation“ entstandenen 
Neubildungen zu ihrer Stammform, ja wohl überhaupt alle homo- 
losen Organe, wo nur immer gleiche Entwickelungsprinzipien be- 
obachtet werden, ja, vielleicht alle Erscheinungsformen der orga- 
nischen Welt — vgl. später — trotz der Verschiedenheit be- 
züglich der feineren, näheren äußeren Gestalt, und der Stellung 
in der Stammeseeschichte, in solche Beziehung zu einander stellen, 
wie etwa die mannichfachen, verschiedenen Kristallformen, in 
denen beispielsweise der die Spezies „Caleit“ bildende kohlensaure 
Kalk erscheint. Dieselben sind ja alle doch auf dasselbe System 
zurückzuführen und voneinander abzuleiten. So ist bei uns ja stets 
die organisierte „Einheit“ das Gemeinschaftliche, die wir stets als 
„Gleiches“ auffassen können. Denn selbst eine chemische Differenz 
wird im Wesentlichen hier keine andere Rolle spielen als bei den 
zahlreichen je gleichwertigen Teilstücken der Zelle, z. B. den 
Chlorophylikörnern einer Art, die, trotzdem ihre chemische Zusammen- 
setzung etwas differiert, gleichwohl in der großen Zahl von gleicher 
Größe sind, auch sonst gleiches Gepräge zur Schau tragen, und in 
sleicher Weise ihre Funktion verrichten. Dann aber sind ja auch 
chemisch verschiedene Mineralien isomorph und vermögen in der 
gleichen Krystallform aufzutreten. 


300 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 


Werfen wir nun auch hier wieder einen kurzen Rück, 
blick auf unser Resultat des zweiten Abschnittes unserer Arbeit- 
so finden wir also wieder, soweit der dem Wesen nach bestehende 
Unterschied zwischen ein- und zweidimensionalem Wachstum eine 
Konkordanz zuläßt, das Ergebnis des ersten Teiles bestätigt: Auch 
hier ist das Wachstum diskontinuierlich, und unter allen Umständen 
sesetzmäßig, und jedenfalls dem Prinzipe nach stets völlig unbe- 
einflußt von chemischen, physikalischen und biologischen Faktoren. 
Denn auch hier variieren überall die absolut gleichen Zwischen- 
klassen diskontinuierlich, jetzt im Verhältnisse der Quadratwurzeln 
aus Fibonacci-Zahlen stehend. So als Quadratwurzeln, im Einklange 
mit den Tatsachen, weisen sie auf ein nach beiden Dimensionen hin 
in gleichem Verhältnisse statthabendes Wachstum infolge einer 
treukonservierten ÖOrientierungsweise der Einheiten, aber wegen 
ihrer Beziehung zu den Fibonacei-Gliedern wieder auf unsere vin- 
dizierte, gesetzliche Vermehrung der organisierten Teilkörper hin, 
besonders da auch hier keine andere Erklärungsmöglichkeit besteht. 
Auch hier wieder gibt sich ein recht allgemeines Entwickelungs- 
prinzip zu erkennen. 


Bisher nun haben wir uns ausschließlich mit Fällen beschäftigt, 
wo sich. das typische reguläre Längen- wie Flächenwachstum stu- 
dieren ließ, und dabei also eine Entwickelune im Verhältnisse der 
direkten Fibonacei-Zahlen bezüglicherweise der Quadratwurzeln 
aus denselben konstatiert. Diese Erscheinung macht es denn nun 
ohne weiteres wahrscheinlich, daß da, wo es sich um 


III. das normale Körperwachstum der Pflanzen 


handelt, nun die Kubikwurzeln aus den Gliedern der genannten 
Reihe in entsprechender Weise durch das nach der strengen Form 
des Quetelet’schen Satzes ungerechtfertigte Überwiegen einzelner, 
in ihrem Verhältnisse die Abseisse teilenden Ordinaten auf das 
gleiche Teilungs- und ein analoges Lagerungsgesetz zu schließen 
nötigen. Denn auch hier müßte sonst doch immerhin die erste 
sesetzmäßige Anordnung in der Organanlage sowie die Beziehung 
zur Lame&’schen Reihe noch jeder Begründung entbehren, wenn 
sich auch für einen eventuell zu beobachtenden gleichmäßigen Fort- 
schritt der drei Dimensionen der auf unsere Teilkörper ausgeübte 
Druck und somit sich ergebende Zwang, in der bestimmten Orien- 
tierung zu verharren, geltend’ machen läßt. 

Um nun diese Frage zu entscheiden, schlug ich zwei ver- 
schiedene Wege bei der Untersuchung ein, indem aber jedesmal 
die erhaltenen Werte wieder nach der bewährten statistischen Me- 
thode verwertet wurden. Leider nur traten mir bei meinen dies- 
bezüglichen Arbeiten in gewisser Beziehung eine Reihe von Schwierig- 
keiten in den Weg, die, sonst aber auf die Richtigkeit und Brauch- 
barkeit der Ergebnisse ohne den allergeringsten Einfluß, vor allem 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 301 


in dem Mangel an geeienetem Materiale zu Beginn meiner Unter- 
suchung im Frühjahre ihren Grund haben. Trotzdem aber dürfte 
also klar und eindeutig der Beweis der Richtigkeit unserer Ver- 
mutung erbracht sein, sodaß ich bereits diese vorläufigen Fest- 
stellungen des Zusammenhanges halber jetzt durch Publikation der 
Kenntnisnahme weiterer Kreise zugänglich machen möchte. Denn 
sie geben vielleicht Veranlassung, daß auch von andrer Seite her 
analoge Prüfungen eingeleitet werden. 

So stellen zunächst die Samen von Ampygdalus commumnis 
(„süße“ Mandel, ohne Perikarp) wenige homogenes Material dar. 
Auch erweist sich durchweg die dritte Dimension so gering bezüglich 
ihrer Größe, daß auf ihre Messung Verzicht geleistet werden mußte, 
da ja dieselbe Werte ergeben hätte, die nur durch Berechnung von 
Brüchen auf ihre Übereinstimmung mit der Theorie hätten geprüft 
werden können. Dies mochte natürlich wenig empfehlenswert und 
unsicher, andrerseits aber, im Hinblicke auf das erzielte Resultat, 
auch entbehrlich erscheinen. Denn an und für sich muß ja das 
Auftreten einer Zahl im Werte der Kubikwurzel schon allein für 
entsprechende Gesetzmäßigkeiten auch der anderen Dimensionen, 
mathematisch eindeutig, garantieren. 

Die Zahlenverhältnisse, wie sie nun bei der Messung zunächst 
der Länge resultierten, stellt foleende Tabelle dar. 


Größe der Länge des Samens von Amygd. comm. 
ea ed jeltg) ou ei 29 93) 21 25, 26 24 28 29 


Frequenz: 4 6 38 30 40 34 162 164 132 168 108 46 12 20 14 2 ca: n—1000 


Auch hier war wieder der Millimeter als Maßeinheit zugrunde 
gelest, und die Messungen nun mit Hilfe einer guten Schubleere 
auseeführt worden. Daher dürfte wieder jeder Irrtum inbezug 
auf die Größenzahlen ausgeschlossen sein, da ja mit dem Nonius 
auch in Fällen, wo die Länge nicht genau mit dem Ende eines 
Multiplen der Einheit kollidierte, durch leichte und sichere Fest- 
stellung der größeren Annäherung an eine der beiden in Frage 
stehenden Größen eine zuverlässige Entscheidung herbeigeführt 
werden konnte. 

Wie nun ersichtlich, haben wir es auch hier, trotz der für 
eine so geringe Variationsweite doch genügenden Zahl von Unter- 
suchungen, wo doch sicher das Gesetz der großen Zahlen Ber- 
noulli’ss und Poisson’s der Theorie nach seine Gültiekeit haben 
müßte, wieder nicht mit einer durchaus „normalen“ Verteilung der 
Varianten zu tun. Denn das darzustellende Polygon macht der 
Tatsache auch entsprechend, eanz den Eindruck einer Summations- 
kurve, wo wieder einige Klassen diskontinuierlich variieren. Es 
gilt dies für 20, 21 — 23 27-28, und, wie die „Andeutung“ 
eines Gipfels verrät, für 17. 

Offenbar nun spielen diese Zwischenzahlen auch in unserem 
Falle im Leben der Pflanze wieder eine wichtige Rolle, und ich 
meine, da wir doch aus ihnen Schlüsse von weittragender Be- 


302 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 


deutung ziehen wollen, auch hier zuerst wieder den Nachweis 
schuldig zu sein, daß unsere Maxima echte, wahre Gipfel sind, die 
sich als solche konstant erhalten, und daß sie nicht etwa als „Nach- 
barzahlen“ solcher oder überhaupt völlig zufällie nur anfänglich 
überwiegen, um bei unendlich vielen Beobachtungen schließlich doch 
noch kontinuierlich zu variieren. ‚Auch hier will ich nun den Nach- 
weis wieder so einfachst führen, daß ich kurz die Entwickelung 
der statistischen Verhältnisse demonstriere. 

Besonders eünstig dürfte es da für unseren Zweck sein, dab 
je 500 Mandeln bezüglich ihrer Güte ete. verschiedenen Qualitäten 
angehören, die natürlich als solche zunächst auch gesondert ze- 
messen wurden, und dabei nun folgende Verteilung ergaben. 


Größe der Samen von Amygdal. comm. 


mm: 14 15 16 17 18 19 20 231 2 23 24 25 26 27 28 29 


Frequenz: 2 0 2 10 6 24 66 70 58 108 76 36 6 18 4 2 1. Qualität. 
2 


„ 2 6 6 20 34 60 96 94 74 60 32 10 6 = 2. Qualität. 


Wir bemerken da, daß inbezug auf die Frequenz der einander 
entsprechenden Klassen ein Unterschied besteht, ja daß in beiden 
Fällen wieder einmal andere Hauptmaxima resultieren — selbst- 
verständlich nur infolge der Auswahl seitens der Händler — die 
so auch auf einfachste Weise die Äquivalenz zweier Gipfel in der 
Gesamtkurve begründen. Wir konstatieren aber weiter, daß trotz- 
alledem diese beiden verschiedenen Zwischenzahlen in beiden 
Reihen der Übersicht eine bevorzugte Stellung einnehmen. Denn 
so überwiegt im ersten Falle 20, 21 als sekundäres Maximum ganz 
bedeutend, und im anderen Falle deutet 23 ganz deutlich, besonders 
bei graphischer Darstellung, einen Gipfel an. Offenbar würde sie 
mit noch viel größerer Frequenz überwiegen, wenn nur der Schwer- 
punkt mehr nach der positiven Richtung läge. Außerdem aber 
sind es noch weitere Zahlen, welche uns durch ihre besondere 
Häufigkeit auffallen, 17 und 27,28. Diese liegen zwar auch noch 
innerhalb des Variationsfeldes der zweiten Reihe, aber da genießen 
sie unter diesen Minusvarianten keine besondere Bevorzugung. Hin- 
gegen im ersten Falle treten sie so überwiegend auf, daß sie sich, 
wie wir aus der Tabelle der Gesamt-Verteilung ja bereits ent- 
nahmen, selbst da noch als deutliche Maxima behaupten. 

Können wir nun schon hieraus, unter Berücksichtigung all 
dieser Umstände, mit Recht schließen, daß auch sie keineswegs zu- 
fällige, willkürliche Varianten sind, denen keine tiefere, innere Be- 
deutung zugrunde lieet, sondern daß auch sie infolge der streng 
regulierten Wachstumsprozesse als Zwischenzahlen auftreten, aber 
hier nur infolee der künstlichen Auswahl seitens der Händler nicht 
zur Geltung kommen, so besitzen wir außer dieser Konstanz einen 
weiteren sicheren Beweis darin, daß bei sonstiger Übereinstimmung 
dieselben Zahlen auch bei den „Knackmandeln“ die kontinuierliche 
Variation unterbrechen. 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 303 


Größe der Länge des Samens von der „Knackmandel“. 


mm: 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 


Frequenz: 3 6 3 6 18 24 33 57 839 21 Oele sa: n—225. 


Wie steht es nun aber mit der Breite? Wir hatten bei 
unseren Untersuchungen des vorigen Abschnittes gesehen, daß da 
senau dieselben Zahlen überwogen wie bei der Länge, wenn sie 
meist natürlich auch nur niederere Zahlenelieder der betreffenden 
Entwickelungsreihe waren. Ein Analogieschluß auf unsere jetzigen 
Verhältnisse läßt somit erwarten, daß Ähnliches auch hier der Fall 
ist. Dann aber, im Falle der Richtiekeit unserer Vermutung, 
wären wir ja in den Stand gesetzt, unsere jetzige, die inneren 
Vorgänge dartuende Reihe durch weitere, neue zugehörige Glieder 
zu erweitern. Tatsächlich nun sehen wir uns da nicht getäuscht, 
denn sowohl bei den Variationen der Breite der „süßen“ wie der 
„Knack“-Mandel finden wir übereinstimmend und konstant 13 als 
primäres Maximum. Deren Zugehöriekeit zu unserer Reihe dürfte 
nun schon aus dem weniger bedeutenden, aber doch immer noch 
Senügrend auffallenden Überwiegen der 17 bei Amygdalus communis, 
die wir ja auch bei Längenmessung als Gipfel vorfanden, mit Sicher- 
heit zu erschließen sein. 


Größe der Breite des Samens von der 
1. Süßen Mandel. (n=1000.) 2. Knackmandel. (n = 225.) 


mm: 910 11 12 13 14 15 16 17 18 11 12 13 14 15 16 


Frequenz: 6 38 118 178 298 226 80 24 24 8 15 48 834 42 24 12 


Fassen wir nun, an der Hand des Ermittelten, unsere Gipfel- 
zahlen alle zusammen, so würde sich also nunmehr die Reihe aus 
den Gliedern 13 — 17 — 20, 21 — 23 — 27, 28 zusammensetzen, 
die nun schließlich noch durch weitere Komponenten, wie sie sich 
bei übriger Übereinstimmung selegentlich einer Untersuchung der 
Dimensionen der „Glaszwiebel“, einer Varietät von Allium cepa, 
ergaben, eine erwünschte Ergänzung erfahren. 

(rerade dieses Objekt erschien mir nämlich wegen seines re- 
»ulären Wachstums für unseren Zweck recht geeignet. Leider nur 
lassen sich auch hier nur zwei Dimensionen, die wegen der Kreis- 
form des @uerschnittes als Durchmesser natürlich gleiche Größe 
besitzen, quantitativ bestimmen. Denn die Längenmessung würde 
wegen der allmählichen Verschmälerung und des allmählichen Über- 
vanges der Zwiebel in den Stengel nur unsichere, und somit un- 
brauchbare Resultate liefern. 


{ 


Größe des Durchmessers der Glaszwiebel. (n = 240.) 
mm: 2072137 2 2 24 5 26 27 28 29. 80 81. 32 83 34 85 86 87 38 39 
Frequenz: 4 6 8 4 6.16 19 19 2 24 20 221210 6 44.2 


304 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum etc. 


Auch hier überwiegen nämlich gewisse Klassen 20—23, 
24--27—30—--33—38, Zahlen, die trotz einiger gemeinsamer von 
den früheren Reihen deutlich im Zusammenhange abweichen, ganz 
abgesehen davon, daß das hier von den beiden früheren Arten 
völlig differente Wachstum schon an und für sich wieder eine völlig 
verschiedene Auffassung und Deutung erheischt. 

Wie nun bereits angedeutet wurde, stehen unsere jetzt er- 
mittelten diskontinuierlichen Variationsklassen bezüglich ihrer arith- 
metischen Wertigkeit nunmehr mit den Kubikwurzeln aus Fibonacei- 
Zahlen in Beziehung. Waren nun früher die gelegentlich der 
Untersuchungen über zweidimensionales Wachstum gefundenen 
Maxima die mit 10 multiplizierten Quadratwurzeln aus den Gliedern 
jener Reihe, so sind jetzt unsere Gipfelzahlen direkt mit den 
ebenso oft vervielfachten Kubikwurzeln identisch, wie die wieder 
vorzügliche Koineidenz zwischen Theorie und Praxis, aus nach- 
stehender Tabelle ersichtlich, demonstriert. 


Gipfelzahlen und ihre Koinceidenz mit den Kubikwurzeln 
aus Fibonacei-Zahlen. 


Hauptreihe: 
Empirischer Wert: 13 Id 20, 21 23, 24 
3 sn Bit 3” 
Theoretischer Wert: 10./2=12,6 10./5=17,1 10.)8=2%0 10.713 = 23,5 


Empirischer Wert: 27, 28 33 38 
3 3 3 


Theoretischer Wert: 10./ 21=27,6 10./34—=32,4 10.55 = 38,0 


Nebenreihe: 
Empirischer Wert: 30 
3 


Theoretischer Wert: 10 .V26 —2ING: 


Auch hier wieder werden wir also zur Annahme unserer Teil- 
körper und ihrer bereits des öfteren vindicierten gesetzlichen Teilung 
tatsächlich gezwungen. Hatte uns nun aber die Quadratwurzel auf das 
Quadrat und seine typischen Eigenschaften verwiesen, von denen 
wir rückschließend, zur Annahme einer nach beiden Dimensionen 
in gleichem Verhältnisse statthabenden Stoffzunahme „elangten, so 
müssen wir nun entsprechend jetzt von der einfachsten dreidimen- 
sionalen Form, dem Würfel, ausgehen, und wieder seine charakter- 
istischen Merkmale, die Gleichheit der drei Seiten und ihre recht- 
winklige Stellung, zum gerundlegenden Auseangspunkte der Er- 
klärung der Wertigkeit der Zwischenzahlen als Kubikwurzeln 
machen. Demzufolge hätten wir dann hier ebenfalls anzunehmen, 
daß wieder, den Tatsachen auch wirklich entsprechend, ein überall 
hin in einheitlichem gleichen Rhytmus fortschreitendes Wachstum 
statthat, nach unseren Vorstellungen wieder infolge der eleich- 
bleibenden gegenseitigen Lagerung (selbst im Laufe noch so oft 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 305 


wiederholter Teilungen) unserer organisierten Leebenseinheiten, die 
die plasmatische Substanz aufbauen. 

Leider waren wir eben bisher noch nicht in den Stand ge- 
setzt, ein im Zahlenverhältnisse der Kubikwurzel stattfindendes 
Wachstum auch für die dritte Dimension nachzuweisen, da uns 
jedesmal unüberwindliche Schwierigkeiten in der morphologischen 
Eigenart der wenigen, zu Gebote stehenden Objekte entgegentraten. 
Und wenn wohl auch durch das bereits Festgestellte, zumal im An- 
schlusse an die analogen Erscheinungen beim Längen- wie Flächen- 
wachstume, an der Tatsächlichkeit unserer vermuteten Entwicklung 
nunmehr jeder Zweifel als beseitigt betrachtet werden darf, um so 
mehr, als ja das Auftreten einer Kubikwurzel dasselbe auch bei 
den anderen Dimensionen mathematisch notwendig erscheinen läßt, 
so hätte ich eben gleichwohl gerne noch zum Überflusse den tat- 
sächlichen Beweis erbracht. 

Um nun nach Möglichkeit noch diese Schwäche der Arbeit 
zu beseitigen, wurde noch die zweite Methode eingeschlagen, deren 
Ergebnisse nun gleichfalls wieder nicht gegen uns sprechen: Ich 
bestimmte im Volumeter, einem sorgfältige graduierten Gefäße, den 
Betrag der Höhe, in einer Maßeinheit, fast dem Millimeter gleich, 
ausgedrückt, um den das Niveau des Wassers stieg, nachdem ich 
jedesmal einen der zu untersuchenden Körper, die Knollen von 
Solanum tuberosum (sog. „Reichskanzler“) in dasselbe eingebracht 
hatte. Es müßten ja dann, da bei ähnlichen Körpern die Volumina 
im Verhältnisse ähnlichliegender Strecken, letztere also im Ver- 
hältnisse der Kubikwurzeln ersterer stehen, wenn wirklich auch 
hier die Dimensionen in der geforderten Weise im Verhältnisse der 
Kubikwurzeln aus den Zahlen der Lame&’schen Reihe variieren, 
die Gipfel der ermittelten Variationen direkte Fibonacei-Zahlen 
ergeben. 

Leider traf es sich nur wieder ungünstig, daß auch unser 
jetziges Objekt kein besonders gutes Material repräsentiert, da ja 
sanz natürlicher Weise das Wachstum in der Erde durch den ge- 
walticen Bodendruck und durch sonstige mechanische Hindernisse, 
Steine und dergleichen für uns unliebsame, nachteilige Beeinflussung 
erfahren muß, wie ja auch die Unregelmäßiekeit der Gestalt der 
Kartoffelknolle genugsam bekundet. Auch konnten wegen einer 
nicht allzugroßen Zahl der zur Verfügung stehenden Exemplare die 
Ermittelungen nur in einem Gefäße mit relativ großem Durchmesser, 
zirka zehn Zentimeter, vorgenommen werden. Denn nur so war 
ja auf keine, natürlich mehr Einzelbeobachtungen erfordernde 
Variationsweite, die allerdings auch wieder weitere, zahlreichere 
Zwischenzahlen zeliefert hätte, zu rechnen. 

Wie wir nun sehen, fällt der Hauptgipfel in unseren beiden 
ersten Reihen auf 4, während in der dritten Reihe — deren Ma- 
terial von einem anderen Händler stammt, vielleicht auch einer 
besonderen Kulturvarietät angehören mag — 6 als primäres Maximum 
auftritt, aber gleichfalls 4 eine hervorragende Frequenz besitzt. 
Außerdem aber fällt noch die Andeutung eines Gipfels bei 10 auf, 
und in den ersten Reihen der Übersicht bei 8. Ebenso sehen wir 

Beihefte Bot. Centralbl. Bd. XXIII. Abt. I, Heft 3, 20 


306 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 


12 eine besondere Häufigkeit aufweisen; vergegenwärtigen wir uns 
nun wieder die ungünstigen Wachstumsbedingungen und erwägen, 
daß die durch sie bedingte Anomalie um so augenfälliger in die 
Erscheinung treten muß, je größer das Objekt ist, da es dann ihren 
Einflüssen natürlich auch am meisten ausgesetzt war, so könnte 
man wohl vermuten (will man nicht das oft anfänglich zu be- 
obachtende Überwiegen von „Nachbarzahlen“ oder etwa unseren 
Maßstab als ungünstig verantwortlich machen), daß 12 nur infolge 
der störend einwirkenden äußeren Einflüsse statt 13 diskontinuierlich 
varüert. Dann aber hätten wir durchweg Zahlen, die in glänzendster 
Weise mit den verlangten kollidieren. 


Kartoffeln. Steigen des Wassers im Volumeter 
um die Einheitsstrecke. 
Klasse 12773077 572655055 


_ Frequenz: 21068 646 81814 ı 4 A A 2 — n — 300 
1 14.91.1197 81,50 oa a na 
—_ 115,81 31446-342315. 18 57 5.8 2.29 1 1lmego: 


Doch sprechen jedenfalls auch so, ohnedies, trotz der geringen 
Abweichung, unsere Ergebnisse von dieser Seite her durchaus nicht 
gegen unsere logisch begründete, dem Zusammenhange nach not- 
wendige, bezüglich ihrer Richtigkeit auf anderem Wege auch be- 
reits bestätigte Annahme eines Wachstumes jetzt im Verhältnisse 
der Kubikwurzeln aus Fibonacci-Zahlen, ebensowenig wie gegen 
die Voraussetzung unserer Teilkörper und ihrer gesetzmäßigen, ein- 
fachen, in der Natur auch beobachteten Teilung: Tatsächlich ist ja 
auf diese Weise eine, mit keinem wissenschaftlichen Ergebnisse 
im geringsten Widerspruche stehende, einfache, ungezwungene, voll- 
ständige Erklärung zu geben. 


Fassen wir nun auch hier unser Resultat zusammen, jetzt 
aber in Mitberücksichtigung unserer früheren Ergebnisse, so würden 
sich dann etwa folgende Sätze als 


Resultat der Arbeit 
ergeben: 

1. Das organische Wachstum erfolgt schon insofern gesetz- 
mäßig, als die Anordnung der Varianten beim statistischen Ver- 
fahren eine solche ist, wie sie den Anforderungen des Quetelet’schen 
Gesetzes entspricht: Stets, die chemischen physikalischen Bedingungen 
und sonstigen biologischen Faktoren mögen beliebige sein, es mag 
sich handen um quantitative oder numerische, individuelle oder 
partielle, Kon- oder De-Variabilität ete., ergibt sich ein Mittelwert 
jeweilig, um den sich die Variationen mit um so geringerer Fre- 
quenz nach beiden Richtungen bei linearer Darstellung gruppieren, 
je entfernter sie ihm stehen. 

2. Im Gegensatze zur Variation anorganischer Merkmale, wo 
zwar auch die Kollektivmaßlehre ihre Anwendung finden kann, 
aber bei wiederholten Untersuchungen auch desselben Merkmales 
stets andere Gipfel resultieren, ist das Maximum, das bezüglich 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 307 


seiner Lage durch die spezifischen Eigenschaften des Objektes be- 
dinet ist, in der großen Zahl hier dasselbe, und konstant, selbst 
wenn das Material von verschiedenen Standorten stammt. Selbst- 
verständlich können dabei nie die völlig eleichen Ernährungsbe- 
dingungen vorausgesetzt werden, und so ist daraus, wie auch be- 
sonders aus der trotzdem bei genügend großer Untersuchungszahl 
zu beobachtenden Übereinstimmung seiner relativen Häufigkeit der 
Nachweis erbracht, daß der Gestaltungsprozeß bis zu einem ge- 
wissen Grade unabhängie von äußeren Faktoren verläuft. 

>. Weiterhin bestätigt diesen Schluß die Frequenz der übrigen 
Varianten. Stellt man sich nämlich, vorausgesetzt stets eine genügende 
Zahl von Beobachtungen, die prozentuale Häufigkeit dar, so er- 
kennt man, daß, wie die Größe der Neigung, einen bestimmten 
Mittelwert hervorzubringen, auch die Größe der Tendenz, auf einer 
früheren oder späteren Entwicklungsstufe als Minus- oder Plus- 
variante stehen zu bleiben, erblich geregelt sein und dem Plasma 
inhärieren muß. 

4. Nur wenn Kurven einander gegenüber „gestellt werden, 
deren Material von Standorten herrührt, wo einmal eine nachhaltige, 
einen gewissen Grad der Stärke überschreitende Selektion wirkte, 
respektive, wo im anderen Falle die Entwickelung durch keine 
solche oder eine entgegengesetzt wirkende beeinflußt wurde, ist 
zwischen den beiden Polygonen eine Differenz zu Konstatieren, 
die nun bestehen kann: 

a) in einer Verschiebung der Schwerpunktsordinate, 
b) im Auftreten eines neuen Gipfels. 

3. Indes ist trotzdem die Wirkung eine beschränkte, und 
jedenfalls vermag Zuchtwahl, der äußere Einfluß keine neuen Sippen, 
die ein neues konstantes Merkmal aufweisen, zu erzeugen. Denn 
wenn nicht innerhalb einer Art erblich fixierte, „Rassen“ (wie bei 
den Umbelliferen) bestehen, ergeben sich keine Kombinationspoly- 
sone, und so ist dadurch auch weiter gewährleistet, daß durch 
fluktuierende Variabilität keine neuen Arten entstehen. Die teil- 
weise Unabhängigkeit des Wachstumsphänomenes von dem „monde 
ambiant“ zeigt sich aber evident noch in anderer Weise, die aus 
dem Folgenden klar werden wird. 

6. Es treten stets gewisse „Zwischenklassen“ auf, die die 
kontinuierliche Variation unterbrechen, d. h. die Entwickelung ist 
keine gleichmäßige, sondern eine sprungweise, rhythmische. 

7. Dieselben sind konstant und ebenfalls erblich geregelt, 
ferner je die absolut gleichen, soweit ein gleicher Wachstumsmodus 
statthat, also an allen homologen Organen, ebenso je bei der Va- 
riation der zwei Dimensionen bei Flächen-, und der drei Dimen- 
sionen bei Körperwachstum. Sie fehlen nur dann, wenn dank der 
lokalen Verhältnisse die ganze betreffende Partie der Kurve fehlt, 
oder durch nur wenige Vorkommnisse vertreten wird. 

8. Wenn nun eine Selektion einen Wechsel des Gipfels zur 
Folge hat, so liegt das neue Maximum dann stets auf einer dieser 
diskontinuierlichen Klassen, wird also die Entwickelung, die diese 
typischen Hauptstufen «urehläuft, im Prinzipe nie gestört, sondern 


20* 


308 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 


eben nur graduell beeinflußt. Es gilt dies für Gigantismus wie 
Nanismus, sowie Deformationen und Anomalien, als weiter die 
Pleophyllie und Pleotaxie wie Polykladie. 

9. In genau derselben gesetzmäßigen Weise bedingt auch 
partielle Variabilität, wenn überhaupt, einen Unterschied. 

10. Außer der Konstanz und erblichen Regelung kommen nun 
unseren Zwischenzahlen auch mathematische Gesetzmäßiekeiten zu. 
Stets sind diese in Beziehung zu bringen zur Fibonacei-Reihe. So 
teilen die diskontinuierlichen Ordinaten die Abscisse bei Längen- 
wachstum im Verhältnisse der direkten Glieder der Lame’schen 
Reihe, bei Flächenwachstum in dem ihrer Quadratwurzeln und bei 
Körperwachstum dem der Kubikwurzeln. Auf dem Gebiete der 
numerischen Variation variieren die Simpla und Multipla. je nach 
der Art der Anordnung etc. und eines eventuellen „Dedoublements“ 
oder weiterer Vervielfältigung, als Zwischenzahlen, auch bei manchen 
tetrameren Phanerogamen. 

11. Somit liert den untersuchten Organen, wie verschiedenen 
Familien ein einheitliches Entwickelungsprinzip zu Grunde (mutatis 
mutandis!). 

12. Dasselbe ist rein mechanisch nicht zu erklären. Zwar 
kann man sich aus der gegenseitigen Beeinflussung in Kontakt 
seratener Organe das Zustandekommen allgemein von Divergenzen 
vorstellen, aber allein durch mechanische Begründung ist nie den 
xesetzmäßiekeiten bezüglich Frequenz, Konstanz Rechnung ge- 
tragen. Ebensowenie sind die Regelmäßigkeiten des ein-, zwei- 
und dreidimensionalen Wachstumes ausschließlich mechanisch zu 
beeründen. So besteht also ein fundamentaler Unterschied zwischen 
organischem und anorganischem Wachstume Es dürfte kaum «e- 
lingen, durch Darstellung „künstlicher“ Pflanzen, beruhend auf der 
physikalischen Erscheinung der Diosmose etc., und aus der „Proto- 
plasmamechanik“ den Gestaltungsvorgang zu erklären. 

13. Um nun aber gleichwohl das Zustandekommen der gesetz- 
mäßigen Variation zu verstehen, ergibt sich die Notwendigkeit der 
Annahme kleinster lebender Individualitäten, die die gesamte 
lebende Substanz aufbauen. Auf deren &esetzmäßigen, einfachen, 
im Zahlenverhältnisse des Fibonacei geschehenden, in der Natur 
auch tatsächlich beobachteten Vermehrung würde dann das 
organische Wachstum (unter sonstiger Bewahrung unserer jetzigen 
Anschauungen über Nahrungsaufnahme etc.) beruhen. 

14. Zur Erklärung der Wertigkeit der Klassenzahlen bei 
Längen-, Flächen- und Körperwachstum ist dann weiter einfachst 
anzunehmen, daß stets die Verteilung der „Einheiten“ im Laufe 
der Teilungen je eine gleiche, einheitliche bei den einzelnen Organen 
bleibt, wenn einmal erst die Anordnung in der Organanlage durch 
organische Kräfte geschehen ist. So ergeben sich ja die direkten 
Fibonacei-Zahlen, so auch ihre Quadratwurzeln und Kubikwurzeln, 
infolge des dadurch bedingten, je nach ein, respektive zwei und 
(lrei Dimensionen in eleichem Rhythmus statthabenden Wachstumes, 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 309 


Kann nun unsere Hypothese letzter lebender Einheiten schon 
deshalb als vollberechtiet «eelten, da sie gewisse Erscheinungen 
ohne Widerspruch zu erklären vermag, so muß sie aber ganz na- 
türlich noch einwandsfireier in jeder Weise erscheinen, wenn wir 
sie auch mit Vorstellungen, zu denen Phänomene ganz anderer 
Natur und andere Reflexionen führten, in Einklang bringen können. 

Daß nun wirklich auch bereits von anderer Seite her ähnliche 
Gebilde vorausgesetzt werden mußten, und daß wir mit diesen 
unsere Teilkörper identisch halten können, das möchte ich nun jetzt, 
besonders, weil daraus auch weitere direkte Vorteile für unsere 
Auffassung resultieren dürften, und da unsere hier vorgebrachten 
Grundanschauungen von den bestehenden, meistverbreiteten An- 
sichten speziell über den Wachstumsprozeß ziemlich abweichen, 
unter stetiger Bezuenahme auf denselben demonstrieren: 

Schon durch die allerersten anatomischen Forschungen auf 
botanischem Gebiete, die der Italiener (38) Marcelius Malpiehi 
1674 und der Engländer (39) Nehemias Grew 1682 vornahmen, 
gewann man ja durch die Entdeckung des zellulären Baues der 
Organismen einen hübschen Einblick sowohl in die Tektonik der 
Lebewesen, wie auch besonders in die Natur des auf Teilung der 
organisierten Materie unter steter neuer Stoffaufnahme und Ver- 
arbeitung in homogene Körpersubstanz beruhenden Wachstumsphäno- 
menes. ‚Denn waren ja wohl auch die Vorstellungen, die man sich 
über diese eigenartigen Gebilde machte, selbst nach den bahnbrechen- 
den Untersuchungen von (40) Wolff, (41)Oken, (42) Treviranus, 
(43) Purkinje, (44) Schleiden etc- in vielen Punkten noch recht 
mangelhaft, indem man ja so vor allem der doch unwesentlichen, aus 
dem Plasma erst „ausgeschwitzten“ Membran die bedeutsamste Rolle 
beim Lebensprozesse zugestand, so resultierte doch trotz alledem als- 
bald als eines der wichtigsten Fundamente der modernen Biologie schon 
aus diesen anfänglichen Studien die Erkenntnis einer wichtigen Tat- 
sache. Es ergab sich, daß jede einzelne dieser Zellen schon ein eigener, 
selbständiger Träger der charakteristischen Lebensfunktionen, der 
Assimilation, des Wachstums und der Teilung ist, eine „Lebenseinheit“, 
um (45) Virchow’s Nomenklatur zu gebrauchen, und so durch ihre 
sesetzmäßigen Teilungen und Segmentierungen, besonders schön 
und exakt an Meristemen und Veeetationszonen, eben den Ge- 
staltungsvorgane, die Volumenzunahme etc. einleitet, in steter Be- 
rücksichtieung des »Prineipiums minimae areae«, sodaß die auf- 
tretenden Zellwände unserem Auge als rechtwinklig sich schneidende 
Kurvensysteme, die periklinen als eine Schar konfokaler Parabeln, 
die antiklinen als orthogonale Trajektorieen ete. erscheinen. 

Aber, wie man sich nun weiter mit der Physiologie dieser 
Zellgebilde beschäftigte, mußte man gar bald aus deren Fähigkeit, 
auf die allerverschiedensten äußeren Reize, aufthermische, optische, 
chemische, mechanische Einwirkungen in vesetzmäßiger Weise zu 
reagieren, ebenso aus dem Vermögen, die kompliziertesten, che- 
mischen Prozesse zu vollziehen, und die verschiedenartigsten, auf 
eivenste Art aufgebauten Substanzen herzustellen, mit Notwendig- 
keit den Schluß ziehen, daß sie hochzusammengesetzte Körper, 


310 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum etc. 


also gewissermaßen selbst wieder „Elementarorganismen“ sind, 
und so für das Wachstum und die Gestaltung in letzter Linie nicht 
verantwortlich gemacht werden Können. Daß sie so selbst wieder 
aus zahlreichen kleinsten Teilstücken bestehen, dafür mußten weiter- 
hin vor allem noch die bei dem Studium der Ontogenesis gemachten 
Erfahrungen sprechen, die Beobachtung, daß durch die Vereinieung 
zweier solcher Zellen, der Ei- und Samenzelle, die Grundlage zur 
Entwickelung eines neuen Organismus gegeben ist, der die Eigen- 
schaften seiner Eltern, bisweilen die individuellsten, gerinefügigsten 
Züge derselben getreulich reproduziert. Denn eben diese Zellen 
müssen so die spezifischen Eigenschaften und latenten Merkmale 
vertretende Individualitäten besitzen, „Anlagen“, in deren Gesamt- 
heit das neuentwickelte Lebewesen gleichsam vorgebildet, potentiell 
enthalten ist, und durch deren Teilungen etc. nun eben ihre Ent- 
faltung statthat. 

Tatsächlich nun kam man ja auch gar bald, wie man 
sich durch weitere phytotomisch-entwickelungsegeschichtliche Unter- 
suchungen orientierte, wirklich morphologisch zu ganz anderen 
Auffassungen über die Zelle und ihre Bedeutung, indem man zu- 
nächst die Schleiden-Schwann’sche Theorie zu Gunsten der be- 
sonders von (46) Schultze begründeten Protoplasmalehre aufeab. Es 
stellte sich nämlich tatsächlich auch heraus, daß sie in Wirklichkeit 
gar nicht die letzte Lebenseinheit ist, sondern ein höchst kompli- 
ziertes Gebilde repräsentiert, in dem die bereits angeführten, für 
die Organismen typischen Reaktionen noch einer ganzen Reihe von 
untergeordneten, inhomogenen, morphologisch und physiologisch 
streng differenten Teilstücken zukommen: Von diesen wären zu 
nennen die meist mehrere Nukleolos in sich bergenden Nuklei, die 
von der Zentrosphäre umhüllten Zentrosomen, die als Chloro-, 
Chromo- und Leuko-Plasten in die Erscheinung tretenden Chroma- 
tophoren etc., alles lebende Individualitäten mit großer funktioneller 
Selbstständigkeit. 

Aber auch diese eben erwähnten Körper durfte man bei so 
beträchtlicher Manniefaltiekeit der äußeren Erscheinung besonders 
noch nach Kenntnisnahme der Differenzierung wieder des Zyto- 
plasma in ein schaumartige Alveolen bildendes Alveolar- oder 
Trophoplasma, und ein fadiges Filar- oder Kinoplasma, vor allem 
aber nach Entdeckung der gelegentlich der indirekten Kernspaltung, 
der Karyokinese, eintretenden Chromatin-Teilung ganz offenbar 
wieder noch nicht als letzte „lebende Elemente“ betrachten. Denn 
so hätte ja, ganz abgesehen von diesen Tatsachen, auf jede Einheit- 
lichkeit und Übersichtlichkeit der Auffassung von vornherein 
Verzicht geleistet werden müssen, und dann können wohl unsere 
Teilkörper offenbar auch nicht die stofflichen Träger der erblichen 
Eigenschaften sein. Auch (47) Wiesner begründet die Notwendig- 
keit der Annahme einer „Elementarstruktur“ im allgemeiner Weise 
weiterhin: „Wenn im Leben der Organismen der Teilung eine so 
große und weitauszedehnte Wirksamkeit zufällt, und wenn man 
den Gang der Forschung erwägt, der uns fortwährend mit neuen 
Teilkörpern bekannt macht, so muß wohl zugestanden werden, dab 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 31] 


wir in der Teilungsfrage noch nicht bis an das letzte Ziel gelangt 
sind, und daß es im Organismus noch Teilungsvorgänge gibt, die 
sich bis jetzt der direkten Wahrnehmung entzogen haben. Es ist 
deshalb eine, ich möchte sagen, durch den Entwickelungsgeang der 
neueren Forschung uns förmlich aufgenötiete Annahme, dab das 
Protoplasma noch andere, teilungsfähige, organisierte Individuali- 
täten birgt, ja daß es ganz und gar aus solchen lebenden Teilungs- 
körpern bestehe.“ 

War man aber nun so einmal, falls man nicht jede Möglich- 
keit eines guten, leichten Verständnisses der physiologischen Pro- 
zesse entbehren wollte, zur Annahme letzter, kleinster, wahrer 
Lebenseinheiten gezwungen, so durfte man auch vor, infolge der 
Häufung unseres Detailwissens erforderlichen Theorien und Hypo- 
thesen nicht zurückschrecken. Zudem war es ja bislang nie ge- 
glückt, die allerfeinste Organisation unserer eroben, sinnlichen 
Wahrnehmung zugänglich zu machen, und vorläufig wenigstens dürfte 
auch nicht die geringste Aussicht dazu bestehen. Denn wenn 
wir bedenken, daß der überhaupt erst bei starker Vergrößerung 
sichtbare, dann noch als homogene Masse erscheinende, bei einem 
Lebewesen, wie beim anderen aussehende Samenfaden unzählige 
komplizierte Eigenschaften des Vaters auf das Ei überträgt, und 
daß diese gleiche Substanz die differentesten Wirkungen im Laufe 
der ontogenetischen Entwickelung ausübt, in der die in Ei und 
Samen latenten Eigenschaften allmählich erst offenbar werden, so 
müssen ja hier zweifellos Organisationsverhältnisse vorliegen, die 
auch mit dem Hülfsmittel der besten Mikroskope kaum erschlossen 
werden dürften. 

Wie nun der Chemiker, um sich ein klares Bild über die 
näheren Vorgänge und Ursachen der chemischen Prozesse machen 
zu können, eine eigene Disziplin schuf, die Strukturchemie, durch 
die tatsächlich auch die Reaktionen verständlich und begreiflich 
erscheinen, so wurden nun eben in analoger Weise, zum ent- 
sprechenden Zwecke, auf wissenschaftlicher Grundlage, auch von 
Seiten der Biologen, Vorstellungen gebildet von entsprechenden 
kleinsten lebenden Gebilden, die aber durch eben ihre Lebens- 
fähigkeit in fundamentaler Weise sich von den Einheiten der Che- 
miker unterscheiden. 

Freilich ist ja auch der Biologe, da sich das Organische aus 
denselben Elementen aufbaut wie das Anorganische, im letzten Grunde 
ebenfalls auf dieselben Atome und Moleküle verwiesen, aber es 
sewährt doch eben die Annahme der Klementarstruktur, worauf 
auch Wiesner hinweist, für das Verständnis aller physiologischen 
Vorgänge, für Regeneration und Vererbung unschätzbare und un- 
entbehrliche Vorteile. Denn ohnedies erscheinen diese Prozesse 
völlig unverständlich. Auch ergibt sich so eine unendlich größere, 
vollständigen Klarheit betreffs des Wachstumsprozesses gegenüber 
den „verworrenen“ Ansichten über Intussuszeption und Apposition. 
Denn nur durch die Annahme eines letzten lebenden Elementes ist 
uns ein zwar schematischer, aber vollkommen klarer Einblick (48) 
in die allerfeinste Tlektonik ermöglicht, „wie man ihn in den mo- 


312 Ritter, Das normale Flächen-, Längen- und Körperwachstum ete.- 


lekularen Bau beispielsweise eines bei allerstärkster Vergrößerung 
eben sichtbaren Stückchens einer verholzten Membran nie wird er- 
langen können. Denn uns ist doch schon die Molekularstruktur des 
beispielsweise nur aus einer Molekulart sich aufbauenden Diamanten 
völlige unbekannt, andererseits aber befinden sich, wie die Tinktion 
lehrt, in großartigster kompliziertester Weise dort neben kristallinen, 
amorphen und kolloidalen Mineralsubstanzen noch Cellulose, Holz- 
summi, Vanilin, Koniferin ete., Körper also, deren chemische Struktur 
uns noch völlig unbekannt ist. Auch ist ja nur durch eine solche 
Voraussetzung (48) „nicht nur der Organismus selbst auf eine letzte 
Einheit zurückgeführt, auch die Haut, der Kern und die übrigen 
lebenden Individualitäten der Zelle erscheinen uns gleich dem 
Protoplasma unter dem gleichen morphologischen und physiologischen 
Gesichtspunkte, sie erscheinen als wesentlich gleiche, wenn auch 
verschieden ausgebildete und verschieden funktionierende Teile der 
Zelle.“ 

So entstand nun also eben, um unsere Aufmerksamkeit wieder 
den letzten, fingierten Lebenseinheiten zuzuwenden, z. B. die Lehre 
von den (49) „Gemmulae“ Darwins, dessen provisorische Hypo- 
these der Pangenesis freilich mit der Annahme einer Abgabe und 
eines Transportes dieser „Keimchen“ seltsam anmutet und auch 
isoliert dasteht. So bildeten sich weiter die Vorstellungen, nach 
denen andererseits (50)- Herbert Spencer, dessen Ansichten sich 
schon bei (51) Johannes Müller vorfinden, mit seinen, in ihrer 
Gesamtheit die Organismen zusammensetzenden, durch ihr Ver- 
mögen, sich einer speziellen Form anzuordnen, die „organische 
Polarität bedingenden „Physiological units“, ferner (52) Nägeli in 
seiner Hypothese eines aus Scharen von Micellen aufgebauten, als 
strangartiges Netzwerk das „Ernährungsplasma“ der Zelle dureh- 
ziehenden, und von hier sich kontinuierlich auf andere Zellen fort- 
setzenden Idioplasmas, (33) Wiesner mit seinen Plasomen, mit 
der von (94) Oscar Hertwige begründeten Biogenesis und den 
Theorien von (95) Strasburger, (96) Driesch, der (57) Deter- 
ıninanten-Lehre und Keimplasma-Hypothese von Weismann, und 
der Lehre der (58) intracellularen Panzenesis von Hugo de Vries 
eemeinschaftlich den stofflichen Träger der erblichen Eigenschaften, 
in allen einzelnen Zellen als seoenwärtig voraussetzen als die 
„Substanzeinheit“, die mit der Fähigkeit der Assimilation, des 
Wachstumes und der Teilung begabt, die „Anlage des Ganzen“, 
die „Kraft zur Bildung des Ganzen“, im sich enthält. $ 

Diesen Gebilden also, zu deren Annahme Gründe ganz an- 
derer Art, als unsere in dieser Arbeit dazu bestimmenden es sind, 
führten, möchte ich nun auch unsere letzten Teilkörper zur Seite 
stellen, da ja in allen Fällen dieselben Grundeigenschaften vin- 
diziert werden, und die Kontinuität einer Entwickelung nach einem 
bestimmten Prinzip ja ebenfalls Vererbung voraussetzt. Und wenn 
wir nun dann eben auch wie Spencer und Wiesner speziell 
annehmen, daß, wie die ganze Pflanze sich in viele Millionen von 
Zellen gliedern läßt, so auch wieder diese Zellen, jede in ihrer 
Gesamtheit, in allen ihren einzelnen Teilen und Teilstücken sich 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 315 


aus elementaren Lebenseinheiten aufbauen, die, hier das Plasma 
nebst seinen mannigfachen differenzierten Körpern, dort aber den 
Kern, die „Lininfäden, Nukleinmassen etc. gesetzmäßig zusammen- 
setzen, dabei aber doch stets als integrierte Teile eines Organismus 
in organischen Beziehungen zueinander verbleiben, so stellen wir 
uns ja trotzdem, dem obieen zufolge, mit den übrigen Forschern 
keineswegs in einen prinzipiellen Widerspruch. Denn dieselben 
verbinden ja trotz der Verschiedenheit der Bezeichnungen mit 
ihren kleinsten lebenden Gebilden, im Grunde genommen, stets 
ein und dieselbe Vorstellung, und so sind ja, wie (59) Hertwig 
erklärt, die physiologischen Einheiten Spencers, die Plasome 
Wiesners gleichsam Stückchen des durch den ganzen Körper als 
Netz verbreiteten Idioplasmas Nägelis. Das ist aber nach der Lehre 
von ihm, identisch mit seinen mit „spezifischer Energie“ ausgestatteten 
„Artzellen“, und zufolge der Anschauungen von Strasburger, 
Driesch, de Vries, in Berücksichtieung der Äquivalenz der 
männlichen und weiblichen „Erbmasse“, der gleichwertigen Ver- 
teilung derselben auf die aus dem befruchteten Eie hervorgehenden 
Zellen, der Verhütung der „Summierung der Erbmassen“, und der 
„Isotropie“ des Protoplasmas in den Zellkernen enthalten. Und von 
hier aus vermag es dann der Lehre der intracellularen Pangenesis 
zufolge, soweit es nicht mehr latent, „aktiv“ wird, in das Plasma 
der Zelle einzuwandern, um hier nun den Ausgangspunkt für die 
manniefachen Plasmaprodukte zu bilden. Denn es bindet je nach 
dem „morphologischen Ort“ ete. die verschiedenartigste Materie 
an sich, und nimmt zweifellos auf diese Weise neben der Über- 
lieferung des Charakters auch an der Entwickelung teil. 

Außer den erwähnten Vorteilen aber, ganz abgesehen davon, 
daß so unsere konstatierten Gesetzmäßigkeiten am allereinfachsten 
ihre ursächliche Motivierung erfahren, meine ich aber mit der 
Annahme eines Aufbaues der gesamten Zelle aus Plasomen auch 
noch in anderer Beziehung den beobachteten Tatsachen am besten 
Rechnung zu tragen. Denn so ist zunächst schon von (60) 
Wiesner mit positiver Sicherheit in exakter Weise der Nachweis 
erbracht werden, daß entgegen einer vielverbreiteten Anschauung 
auch die Haut der Zelle, wenigstens solange sie sich in organischem 
Wachstume befindet, sich keineswegs als tot erweist, sondern ein 
lebendes Plasma- und Eiweißstoffe führendes Glied derselben ist. 
Während dieser Zeit muß sie, weder fihrillär noch geschichtet, 
aus kleinsten, Jebenden Individualitäten, Dermatosomen bestehen. 
Denn wenn auch wohl meist bei der Teilung von Zellen ein Teil 
der Membran der Mutterzellwand in die Wandbildung der Tochter 
eintritt, und der Rest vom lebenden Zellleibe her ergänzt wird, 
wird doch beispielsweise bei der Sprossung von Saccharomnces und 
der Konidienbildung die Membran „in toto* veteilt, und aus einer 
winzigen Hautanlage der Mutterzelle unter Beteiligung des Proto- 
plasmas wächst die Tochterzelle heran, die sich unter völligster 
Abschnürung der Haut von der Mutterzelle ablöst. Zudem gelang 
es ja auch, beim sogenannten Karbonisierungsverfahren Aggregate 
von Plasomen der Wahrnehmung zugänglich zu machen. 


3/4 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 


Dann läßt sich ja auch die Ansicht, dab der den Zellkern 
umgebende Teil des Protoplasmas, das Zytoplasma, sich nicht 
aus Plasomen aufbaue, bei unseren Vorstellungen von deren 
Eigenschaften weder mit den Forschungsergebnissen über die 
sogenannten „Gallen“, noch mit den Resultaten der Studien über 
Bastardbildung vereinen, da es sehr wohl auch für die Wachstums- 
und Gestaltungsvoreänge Bedeutung hat, und so in beiden Fällen 
auch eine Beeinflussung des ausschließlich von ihm beeinflußten 
(sewebes resultiert. So ist ja auch die Frucht z. B., die durch Be- 
leeung der Pflanze A mit dem Pollen der Spezies B gebildet wird, 
bezüglich der Gestalt, Größe und Farbe von den der Art A eigenen 
Früchten höchst different, und gibt bereits den Einfluß des Sperma- 
kernes von B zu erkennen. Der ist aber auf das Ei nur durch 
das diese zwei Kerne umhüllende Zytoplasma übertragen worden, 
welches auch wirklich eine der den Kern betreffenden gleiche oder 
mindestens sehr ähnliche Veränderung erfährt, offenbar wieder nur 
bei gleicher materieller Grundlage denkbar. Zudem mußte ja auch 
direkt eine (61) „Erhlichkeit außerhalb des Zellkernes“ vindiziert 
werden, zur Erklärung dafür, daß unsere, zu Beginn unseres Ab- 
schnittes mehrfach erwähnten Träger spezifischer Funktionen, 
Stärkebildner, Chromatophoren etc. bei jeder Zellteilune von einer 
auf die andere Zelle mit übergehen. Bedenken wir nun noch, dab 
auch die Erscheinung der (62) Merogonie für unsere Ansicht sprechen 
muß, indem kernlos gemachte Eifragmente nach der Befruchtung 
durch einen Samenfaden gleichwohl sich zu Lebewesen zu entwickeln 
vermögen, welche die Eigenschaften beider Elternreproduzieren Können, 
daß ferner (63) Kern und Plasma sich im Laufe der phyllogenetischen 
Entwickelung wahrscheinlich erst allmählich aus einer gemeinsamen 
Substanz, in der sie ja heute noch bei vielen Nostocaceae, Oscel- 
latoriaceae etc. vereinigt sind, dem Archiplasma, herausdifferen- 
zierten, und somit zum Teil fundamentale Strukturdifferenzen sicher- 
lich nicht aufweisen werden, so dürfen wir wohl nunmehr aus allen 
diesen Gründen also mit vollstem Rechte annehmen, daß — wenn 
überhaupt eine Elementarstruktur besteht; und darauf sahen wir 
alles hindeuten — sich die Zelle in ihrer vollen Gesamtheit aus 
unseren lebenden Teilkörpern aufbaut. Dabei ist wohl nicht zu 
befürchten, daß wir andrerseits Gefahr laufen, der biologischen 
Bedeutung des Kernes wenig gerecht zu werden und den Grund- 
charakter der Vererbungstheorien zu verwischen. | 

Dazu brauchen wir aber gar nicht erst mit Nägeli für die 
Assimilations- und Wachstumsvorgänge ein besonderes in Kontinuität 
stehendes, durch den Gesamtorganismus im Zusammenhange sich 
durchziehendes spezielles Ernährungsplasma annehmend, lediglich 
dessen letzte Individualitäten für das Zustandekommen der konsta- 
tierten Gesetzmäßiekeiten verantwortlich machen, sondern können 
ruhige mit Wiesner in jedem Plasome ein Vererbungsorgan er- 
blicken. In jedem einzelnen solchen sind dann eben die gestal- 
tenden Kräfte enthalten, die das geteilte durch Wachstum zu einem 
neuen sich ergänzen lassen, wo schon durch die bestimmte Lage 
im „Keimplasma“ unter Mitwirkung aller anderen die organische 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete, 315 


Entwickelung beeinflussender Faktoren ete., die im Laufe des on- 
togenetischen Wachstumes eintretende Vielgestaltigkeit begründet ist. 

Auf diese Weise ist wirklich in letzter Konsequenz eine letzte, 
wahre „Einheit“ geschaffen, die das Gesetz der Einheit auch im 
inneren Baue der Organismen in umfassendster Weise berück- 
sichtiet. Denn ist so ja wohl schon an sich klar, daß die letzten 
lebenden Elemente sich gegenseitig viel näher stehen werden, als 
die Zellen und ihre sonstigen Teilstücke einander, so ergibt sich 
für uns hier direkt die Notwendigkeit der Annahme gleicher Ge- 
stalt und Größe noch verständlicher, da ja unsere Einheiten, die 
den gesamten Organismus aufbauen, aus nur relativ wenigen solchen 
im „Keimplasma“ ihren Ursprung durch Teilungen nehmen müssen, 
mögen sie nun im Laufe der ontogenetischen Entwickelung in ge- 
“ wisse Dauerzustände übergehen, oder als „Keimplasome“ ihre Teilungs- 
fähiekeit und Gestaltunestendenz bewahren. Denn wenn wir bei den 
Variationen aller Dimensionen bei gleicher Wachstumsart je die 
völlig gleichen arithmetischen Zwischenzahlen diskontinuierlich va- 
riieren sehen, so erfährt diese Erscheinung doch offenbar stets ihre 
einfachste Begründung mit der Annahme eines gleichen Durch- 
messers unserer Einheiten, und da janach (64) Kerners Raisonnement 
den kleinsten, zum Aufbaue verwendeten lebenden Raumgebilden 
Kristallform nicht zukommen kann, liegt es nahe, an den höchsten 
Grad der Symmetrie, an Kugelgestalt zu denken; und wenn nun 
weiter nicht nur bei dem Wachstume eines einzelnen bestimmten 
Orgsanes, nicht nur bei den Variationen aller homologen eines In- 
dividuums, einer Art, sondern stets, ungeachtet einer Stellung der 
Spezies in der Stammesgeschichte, abgesehen von unvermeid- 
lichen Beobachtungsfehlern, je ganz bestimmte, einheitliche 
gleiche Gesetzmäßiekeiten, stets also Zahlen einer mathematisch 
festgelegten, einheitlichen Reihe zur Erscheinung gelangen, so ist 
eben diesem Umstande wieder nur so am einfachsten Rechnung 
zu tragen, daß wir auch eine stets gleiche Größe voraussetzen. Ja, 
vielleicht ließe sich dies überhaupt für alle Plasome, ohne Rück- 
sicht auf das Organ, das sie jeweilig aufbauen, vindicieren, indem 
die Multipla, z. B. der zehnfache Wert bei Quadrat- und Kubik- 
wurzeln, dann ihre Beeründung in der Art und Weise der An- 
ordnung in der jugendlichen Anlage erfahren. So erklären wir ja 
auch bezüglich der einzelnen Dimensionen die Differenz je der re- 
lativen Lagen des Hauptgipfels bei Messungen der Länge, der Breite, 
respektive der Tiefe an einem Objekte, daß wir durch die Ver- 
teilung der Teilkörper in der Anlage schon die eine oder andere 
der senkrecht zueinander stehenden Richtung bevorzugt annehmen. 

So lassen sich also im großen und ganzen dann die ver- 
schiedenen Formen und Organe, wie sie uns an einer Art 
entgegentreten, etwa den mannigfachen Erscheinungsformen 
zur Seite stellen, die der Baumeister aus selbst völlig gleichen 
Bausteinen zu erzielen vermag. Dann dürfte der Unterschied, der 
zwischen den Spezies ‘bezüglich dieses Baumateriales besteht, bei 
sleicher Größe und Gestalt ete. ein solcher sein, wie er infolge 
der inneren Entwickelungsfähigkeit (um einen Vergleich Nägeli’s 


316 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 


hier zu benutzen), beispielsweise beim Wasserstoffe eintreten kann, 
indem sich hier physikalische Eigenschaften verändern, aber stets 
doch der Grundcharakter des Elementes konserviert bleibt. So 
würden dann eben eventuelle Veränderungen, die die Keimplasome 
betreffen, eine Mutation bedingen und so wären vor allem die 
Rückschläge einer Form zur Stammform, die Fälle von Atavismus, 
am besten erklärlich. Denn eben nur so ist am besten bei unserer 
Auffassung, da eben die wieder eintretenden alten Bedingungen 
das Plasom die alten früheren Eigenschaften besitzen lassen, eine 
eben so einfache wie tatsächliche Motivierung gegeben. 

Jedenfalls aber sehen wir, daß auf diese Weise kein Wider- 
spruch zu irgend einer. beobachteten Tatsache besteht, ja daß wir 
bei einer solchen Wachstumstheorie vielmehr am besten mit Vor- 
stellungen, zu denen Lebensvorgänge ganz anderer Art führten, 
im Einklange stehen. Da wir nun auch noch mit dem wichtigen 
als logisches Axiom erscheinenden Faktor rechnen, daß alles Lebende 


aus Lebendem hervorgeht — omnis cellula e cellula, omnis nucleus. 


e nucles, omne granulum e granulo — so besitzt unsere Hypothese 
jedenfalls Berechtigung, solange wenigstens, bis wir einmal sicher 
wissen, wie wirklich die Gesetzmäßiekeiten des Längen-, Flächen- 
und Körperwachstumes zustande kommen. 

Wie ich nun bereits erwähnte, bestätigen unsere schen 
Ermittelungen auch die Richtigkeit der Ansicht des Herrn Hofrat 
Prof. Dr. Ludwig. Zur Publikation teilt er mir dieselbe in dankens- 
werter, liebenswürdiger Weise wie folgt mit: 

„Das Wachstum der Pflanzen erfolgt diskontinuierlich, in ge- 
setzmäßigem Rhythmus, wie die mehreipfeligen Variationspolygone 
mit konstanter Gipfellage beweisen. 

Das führte mich zu der Hypothese, daß sich die organischen 
Einheiten der pflanzlichen (tierischen) Substanz nach bestimmten 
Teilungsgesetzen vermehren, wobei die Teilstücke sich auf den 
Raum der ursprünglichen Einheiten ausbreiten, bevor sie von neuem 
geteilt werden. 

Die Teilungsgesetze, welche am meisten Verbreitung haben, 
sind bei niederen Pflanzen das der Potenzreihe 2” 


1 2 4 8 16 32 64 128 
bei höheren das der von mir aufgestellten Reihe 


: 2 3 5) 8 10 13 16 18.21 20 0a 


welche sich durch Einführung von Unterstufen bei der Kaninchen- 
vermehrung des Fibonacei ergibt. Außerdem dürften vielleicht 
noch die eine oder andere der von mir und später von Wasteels 
aufgestellten Vermehrungsreihen vorkommen. 

Seien allgemein die Zahlen des für die betreffende Art 
geltenden Teilungsgesetzes der Einheiten bezw. nı Ns Ds . . ., SO 
werden bei linearem Wachstume die Längen durch entsprechende 
Hauptetappen hindurchgehen, und die Ordinaten für die Gipfel des 
Variationspolygones der Länge müssen in dem Verhältnisse n, :n3:n; 


2 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 317 


stehen. In dem gleichen Verhältnisse müssen nach der obigen 
Hypothese die Gipfelordinaten der Variationspolygone der Flächen- 
inhalte und Volumina solcher Gebilde stehen, die während des 
Flächenwachstumes, bezw. im letzteren Falle des dreidimensionalen 
Wachstumes ihre Gestalt nicht ändern, d.h. mathematisch „ähnlich“ 
bleiben. 

Da sich nun aber ähnliche ebene Figuren wie die Quadrate 
und ähnliche Körper wie die Kuben entsprechender Dimensionen 
verhalten, so werden die Gipfelordinaten der Variationspolygone 
für Längen, Breiten etc. bei Flächenwachstum im Verhältnisse 


Ya ns > ns ..., bei körperlichem Wachstume (Früchte, gestauchte 


SIEER STE IUE S Sh Eee 
Stengel etc.) im Verhältnisse m : ns :yns... stehen müssen.“ 


Literaturangabe. 


1. de Vries, Hugo, Mutationstheorie. Leipzig 1901—1903. 

. Quetelet, Adolphe, Anthropometrie ou mesure des differentes facultes 
de l’homme. Leipzig 1870-71. 

. — Du systeme social et des lois qui le regissent. Paris 1848. 

4. Pearson, K., Contributions to the mathematical theory 'of evolution. 
(Phil. Trans. Roy. Soc. London. CLXXXV; A, 71-110, Pls. 1-5; 
CLXXXI; A, 343—414, 10 Pls.) 

5. Ammon, Otto, Zur Anthropologie der Badener. 707 pp. Jena (G. Fischer) 
1899. 

6. Weidon, W.F. R., Übersicht über seine Werke s. Davenport: Statistical 
methods with special reference to biological variation. London (Chap- 
mann & Hall) 1904. 

71. Bateson, W., vgl. 6. 

8. Ludwig, Fr., vgl. 6. 

aade Vries,.H. vol. 1. Bd. 1. 

10. Verschaffelt, Eduard, Über graduelle Variabilität von pflanzl. Eigen- 
schaften. (Berichte der deutschen bot. Ges. XII. 350—355.) 

11. Ludwig. Fr., Ein fundamentaler Unterschied in der Variation bei Tier und 
Pflanze. (Bot. Jaarboek, Kruidkundig Genootschap Dodonaea te Gent. 
XI. 1899.) 

12. Müller, Otto, Berichte der deutschen bot. Ges. I. p. 35—44. 

13. Ludwig Fr., vgl. 6. 

14. Pfeifer, Xaver, Der goldene Schnitt und dessen Erscheinungsformen in 
Mathematik, Natur und Kunst. Augsburg. 

15. Ritter von Ettinghausen, Physiotopia plantar. Austriac. Wiener Staats- 
druckerei. 


[8 


wo 


16. Reuß, Pflanzenblätter in Naturdruck. Ulm. 

. Waldner, Farne Deutschlands. Heidelberg (C. Winter). 

18. Zeising, Adolf, Der goldene Schnitt. Halle 1884. 

19. Mac lLeod, Over correlatieve Variatie by de Rogge en de Gerst. Handl. II, 
(Vlaamsch Natuur- eu Geneest.-Congress. Gent. p. 42—56.) 


318 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 


. Davenport, vgl. 6, 7, 8. 
. de Vries, H., vgl. 1., Mutationstheorie. Bd. I. 
. Franee&, R., Bericht aus den „Leipziger Neuesten Nachrichten“ vom 


30. April 1906. 


. Ludwig, Fr., z. B.: Über Variationskurven. (Bot. Centralblatt. 1898.) 

. Schwendener, Mechanische Theorie der Blattstellungen. 1878. 

5. Delpino, Teoria generale della fillotassi. Genova 1883. 

5. Ludwig, Fr., Berichte der d. b. Ges. 1896. p. 204 ff. 

.— vgl. M. 

. Vogler, P., Variationskurven bei Pflanzen mit tetrameren Blüten. (Viertel- 


jahrsschrift d. Naturf.-Ges. Zürich. XLII. 429—436. April 11.) 


. Wasteels, Over de ligging der Maxima in Variatiekurven en het voor- 


komen der Fibonaccigetallen. 


. Vgl. Eichler, Blütendiagramme. Leipzig (Engelmann) 1875—78. 

. Wydler, Flora. 1860. p. 497 £. 

dies Verve HSV/els le 

. Ibidem. 

. Ritter, G., Beiträge zur Physiologie des Flächenwachstums der Pflanzen. 


(Beihefte z. Bot. Centralbl. Bd. XXTII. 1907. Abt. II.) 


. Vgl. z. B. Warming, Ökolog. Pflanzen-Geographie. Berlin 1902. p. 395 ete. 
. Stahl, Über den Einfluß des sonnigen oder schattigen Standortes auf die 


Ausbildung der Laubblätter. (Jenaische Zeitschr. f. Naturw, XVI. 1883.) 


a\Wacmun en vel 352 821% 


38. Malpighi, Marcelius, Anatome plantarum. 1674. 

. Grew, Nehemias, The anatomy of plants. 1862. 

. Wolf, Casp. Friedr., Theorie von der Generation. 1674. 

. Oken, Lehrbuch der Naturphilosophie. 1809. 

. Treviranus, Vom inwandigen Baue der Gewächse. 1806. 

. Purkinje, Jahrbücher für wiss. Kritik. 1840. V. p. 33—38. 

. Schleiden, Matthias, Grundzüge der wiss. Botanik. 2. Aufl. 1845. 

. Virchow, R., Die Zellularpathologie in ihrer Begründung auf physiol. u. 


patholog. Gewebelehre. II. Aufl. 1862. 


. Schultze, Max, Das Protoplasma der Rhizopoden und der Pflanzenzelle. 
. Wiesner, J., Elementarstruktur und das Wachstum der lebenden Substanz. 


Wien 1892. 


. Ibidem. 
. Darwin, Ch., Das Variieren der Tiere und Pflanzen. Bd.Il. Kap. 27. 1868. 
. Spencer, H., Prinzipien der Biologie. S. 258, 276-278. Faktoren der 


organ. Entwickelung. Kosmos 1886. 


. Müller, Joh., Lehrbuch der Physiologie. 1840. Kap. XVII. 

. Nägeli, Mechanisch-physiol. Theorie der Abstamm.-Lehre. 1884. 

. Wiesner, vgl. 47. 

. Hertwig, Oscar, Zeit- u. Streitfragen der Biologie. Jena 1894 resp. 


SEN, leal, I0E 


. Strasburger, Ed., Neue Untersuchungen über den Befruchtungsvorgang 


als Grundlage einer Theorie der Zeugung. 1884. 


. Driesch, Analytische Theorie der organischen Entwickelung. Leipzig 1894, 
. Weismann, Das Keimplasma. Jena 1892. 
8, 


de Vries, H,, Interzellulare Pangenesis, Jena 1889, 


63. 
64. 


Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 319 


. Hertwig, Oscar, Allgemeine Biologie. S. 634. 
. Wiesner, J., Untersuchungen über die Organisation der vegetabilischen 


Zellhaut. (Sitz.-Ber. der k. Ak. der Wiss. Math.-nat. Klasse. Bd, 
XCIII. 1886.) 


. de Vries, vgl. 58. 
2. Boveri, Über die Befruchtung und Entwickelungsfähigkeit kernloser See- 


igeleier. (Arch. f. Entw.-Mech. Bd. II. 1895.) 
Wiesner, vgl. 47. 
Kerner von Marilaun, Pflanzenleben. Bd. I. p. 550. 


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.; FRCBLT NEN NND TE Be N 120 
r 1869—1872( „ VI-—XI) a u 6— 
1873—1888( „ XUI-XXVD . . .a „ 8— 
7 1889—1891 ( „ XXVIM—XXX). . a „ 30— 
4 1892—183 ( „ XXXI-XXXD. .a „ 8— 
5; 1894—1896 ( „ AXXIU-—XXXV) .a „12— 
„ 1897—1902 ( „ XXXVI—XLI) a „ 20.— 
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