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Beihefte
zum
Botanischen Gentralhlatt.
Original-Arbeiten.
Herausgegeben
Prof. Dr. 0. Uhlworm una Prof. Dr. F. G. Kohl
in Berlin in Marburg.
Band XXI.
Erste Abteilung:
Anatomie, Histologie, Morphologie und Physiologie der Pflanzen.
Mit 17 Tafeln und 39 Abbildungen im Text.
LIBRARY
BOTAN ICAI
GARDEN
1908
Verlag von C, Heinrich
Dresden -N.
Inhalt.
Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. Mit
ihafel‘. Bi:
Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen
Peperomien. Mit 2 Tafeln . ER ae
Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Cu-
pressineen nebst Bemerkungen über Oryptomeria.
Mit 1 Tafel RER SE Re
Georgevitch, Zur Nukleolusfrage. Mit 1 Tafel
Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes
auf die Atmung der niederen Pilze. Mit 3 Tafeln
Zahlbruckner, Zur Abwehr SET
Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen
und den Einfluß äußerer Faktoren auf die nn,
(Invertase, Maltase). an:
Glabisz, Morphologische und ee Unter-
uneen an ÜCeropegia Woodiw Schlechter. Mit
3 Tafeln und 30 Abbildungen im Text
van Wisselingh, Über die a bei Oedo-
gomium. Mit 1 Aarele:
van Wisselingh, Über den Ring und die Zell
bei Badia Mit 4 Tafeln a
Fahringer, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete nebst
Bemerkungen über neuere blütenbiologische Ar-
beiten. Mit 1 Tafel
Koltonski, Über den Einfluß der een rar
auf die ohne esnlation der Wasserpflanzen.
Mit 8 Abbildungen im Text ER NEL,
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körper-
wachstum der Pflanzen. Mit 1 Abbildung im Text
Seite
1—13
14—-26
27 —44
45—53
5464
64a
. 64b—640
65—136
137—156
157—190
191—203
204—272
273—319
_ Beihefte
zum
Botanischen Gentralblatt.
Original-Arbeiten.
Herausgegeben
Prof. Dr. 0. Uhlworm u und Prof. Dr. F. G. Kohl
'in Berlin in Marburg.
Band XXI.
Erste Abteilung:
omie, Histologie, Morphologie und Physiologie der Pflanzen.
Heft 1.
1908
Verlag von C. Heinrich
Dresden -N.
Ausgegeben am 10. Januar 1908.
Inhalt.
Seite
Fuhrmann, Be bei Bakterien. Mit
£ batela..... 3 ee I1—13
Schürhoff, Ozellen ni en bei einigen
Reperomien. Mit 2 Saen 3. .... 14-26
Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Cu.
pressineen nebst Bemerkungen über Oryptomeria.
Mieal,latelee 200% ee ee le
Georgevitch, Zur Nuklecivenase Mit 1 Tafel . . 45-53
Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes
auf die Atmung der niederen Pilze. Mit 3 Tafeln 54—64
Zahlbruckner; Zur Abwehr 0.2.2 2.2.2000 64a
Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen
und den Einfluß äußerer Faktoren auf die Enzyme
(Invertase, Maltase). - :.. 2... ...% 2045 08
Die Beiträge erscheinen im zwangloser Folge. Jeder Band umfaßt
3 Hefte. Preis des Bandes M. 16.—.
Zu beziehen durch alle Buchhandlungen oder direkt vom Verlage
C. Heinrich, Dresden-N.
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Entwicklungszyklen bei Bakterien.”
Von
Franz Fuhrmann,
Privatdozent an der Technischen Hochschule zu Graz.
Mit Tafel I.
Aus zahlreichen Untersuchungen entnehmen wir, daß die
Bakterienzelle keineswegs unter allen Umständen ihre Form und
Gestalt beibehält, weshalb jetzt von einer Unveränderlichkeit der
Bakterien im Sinne Cohns nicht mehr die Rede sein kann.
Während des ganzen Lebenslaufes ändert die Bakterienzelle un-
unterbrochen ihre Gestalt und die Summe aller dieser Veränderungen,
die sich nicht nur an ihrer Gestalt, sondern auch an ihrer feineren
Struktur abspielen, ist eben ihr Entwicklungskreis. Durch die Ver-
wendung ganz bestimmter Nährmedien zur Zucht und ausgewählter
äußerer Bedingungen gelingt es, ganz bestimmte Phasen aus dem
Entwicklungskreis auszuwählen und nur diese sich immer wieder
wiederholen zu lassen. Züchten wir beispielsweise den Baeillus
typhi abdominalıs auf schief erstarrtem Nähragar beim Tlemperatur-
optimum in der Weise, daß wir nach zwölfstündigem Wachstum
die Zellen immer wieder auf frisches Agar überimpfen, so werden
wir im hängenden Tropfen ausschließlich kurze lebhaft be-
wegliche Stäbchen erkennen. Die fortwährende Erneuerung
des Nährsubstrates hat zur Folge, daß sich die beweglichen Schwärm-
zellen unseres Bakteriums wieder in Schwärmtochterzellen und so
fort teilen. Setzen wir aber mit den Überimpfungen aus und
untersuchen eine mehrere Tage alte Agarkultur im hängenden
Tropfen, _dann beobachten wir neben beweglichen Zellen auch
solche, die etwas verlängert sind und die Bewegungsfähigkeit ver-
!) Nach den beiden während der 78. Versammlung Deutscher Natur-
forscher und Ärzte in Stuttgart im September 1906 in der Abteilung für Bo-
tanık und Hygiene einschließlich Bakteriologie gehaltenen Vorträgen als vor-
läufige Mitteilung zusammengestellt. Dementsprechend entfielen Literaturan-
gaben, die in der zusammenfassenden später folgenden Abhandlung über die
Entwicklungskreise mehrerer Pseudomonas-Arten eingehende Berücksichtigung
finden werden.
Beihefte Bot. Centralbl. Bd. XXIII. Abt. I. Heft 1. 1
2 Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien.
loren haben. Erst bei neuerlicher Überimpfung werden die letzt-
genannten Zellen zu Schwärmern, die sich weiter in bewegliche
Tochterzellen teilen, welch letztere sich nach Erschöpfung des
Nährbodens wieder in ruhende Zellen umwandeln. Wir haben
also einen kleinen Entwicklungskreis vor uns, in dem
zwei Formen scharf charakterisiert auffallen, die durch
eine Reihe von weniger auffallenden Übergangsformen verbunden
sind.
Auch bei den sporenbildenden Bakterienarten sind Ent-
wicklungskreise bekannt. Ich erinnere an den Erreger des Milz-
brandes, das Bacterium Anthracis; auch hier werden durch einige
Generationen hindurch Kurzstäbchen gebildet. In der Folge treten
gegliederte Fäden in den Vordergrund. Nach der Fadenbildung
werden in diesen die Dauerformen, Sporen, erzeugt. Die restliche
Sporenmutterzelle zerfällt und die freien Sporen können nun lange
Zeit hindurch lebend bleiben und die verschiedensten schädigenden
Einflüsse ertragen. Werden sie auf einen frischen Nährboden ge-
bracht, keimen sie in ganz bestimmter Art und Weise und die
neuentstandenen Kurzstäbchen durchlaufen wieder die gleichen Ent-
wicklungsstadien, wie die Sporenmutterzelle.
Wir wissen aber weiter, daß in lange nicht überimpften
Reinkulturen die Bakterien sehr verschiedene Wuchsformen an-
nehmen, die von den meisten Untersuchern als Degenerations-
produkte oder Involutionsformen gedeutet werden; ähnliche
Erscheinungen werden auch noch durch eine ganze Reihe äußerer
Einflüsse hervorgerufen.
Es hat aber auch nicht an Forschern gefehlt, welche in diesen
veränderten Formen entweder das Zeichen einer weitgehenden
Pleomorphie der betreffenden Bakterienart sahen oder aber ganz
bestimmte Phasen eines großen Entwicklungskreises.
Haben doch zahlreiche Untersuchungen an den Erregern des
Rotzes, der Pest, der Diphtherie und Tuberkulose Formen
aufgedeckt, die die Zugehörigkeit dieser Mikroben zu den Bakterien
sehr in Frage stellen.
Besonders eingehend und oft wurde der Erreger der asia-
tischen Cholera und überhaupt die verschiedenen Vibrionen
auf ihre Formveränderlichkeit untersucht. Ich erwähne aus den
vielen einschlägigen Publikationen nur die Arbeiten von Weibel,
Kohlbrugge, Marx und Woithe, Matzuschita, Almquist,
Maaßen, Gamaleia, Fischer und Hammerl, auf die hier des
näheren nicht eingegangen werden kann.
Im allgemeinen geht aus allen Untersuchungen hervor, daß
die Vibrionen inbezug auf ihre Form äußerst labil sind. Schon
die in wenige Tage alten Vibrionenkulturen angehäuften Stoff-
wechselprodukte, nach Ruata insonderheit das gebildete Ammoniak,
bewirken tiefereifende Veränderungen in der feineren Struktur und
in der Form der Zellen. Die gleiche Wirkung üben gewisse
Neutralsalze des Natriums, Kaliums und besonders des Li-
thiums aus, wenn sie in geringeren oder höheren Konzentrationen
in der Fleischbrühe oder im Nähragar vorhanden sind. Diese Ver-
Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. 3
suche haben auch die interessante Tatsache ergeben, daß die
Formveränderungen keineswegs immer mit schweren
Schädigungen des Bakterienprotoplasten verbunden sein
müssen, sondern daß die andersgestalteten Zellen ihre
Lebensenergie vollständig bewahrt haben und in ent-
sprechende Bedingungen gebracht wieder Individuen der
ursprünglichen Form hervorzubringen vermögen.
Daß wir nun berechtigt sind, in dem konstanten Auf-
treten dieser ungewöhnlichen Formen gewisse Typen der
verschiedenen Stadien von Entwicklungszyklen der Bakterien zu
erblicken, sollen die folgenden Untersuchungen zeigen.
- Gelegentlich der bakteriologischen Untersuchung von Flaschen-
bieren züchtete ich Bakterienarten rein, die unter bestimmten
Bedingungen immer bestimmte Formveränderungen auf-
wiesen. Diese sindimmer vonbestimmten Veränderungen
des Zellinhaltes begleitet. Am eenauesten habe ich diese
Verhältnisse an Pseudomonas cerevisiae untersucht. Von einer ein-
gehenden Besprechung aller Versuche sehe ich hier ab und hebe
im Folgenden nur die wichtigsten heraus.
Die genannte Bakterienart!) gedeiht auf allen üblichen La-
boratoriumsnährböden bei einer Temperatur von ungefähr 22° C.
am besten. Die beispielsweise innerhalb von 48 Stunden auf neu-
traler zehnprozentiger Nährgelatine gewachsenen Zellen erscheinen
im hängenden Tropfen untersucht annähernd gleich. Eine genaue
Feststellung ihrer Größe ergibt nur geringfügige Unterschiede der-
selben. Die Mehrzahl der an den Enden leicht abgerundeten
Stäbchen ist ausgezeichnet beweglich. Daneben finden sich ver-
hältnismäßig wenig unbewegliche etwas verlängerte Zellen. Um
nun den ganzen Verlauf der Entwicklung an einer Zelle in neu-
traler Nährbouillon bequem verfolgen zu können, fing ich die
Bakterienzellen in den Maschenräumen von sehr dünn geschnittenen
und dann sterilisierten Hollundermark- oder Sonnenblumen-
markplättchen. Diese beschickten Plättchen wurden dann in
der sterilen feuchten Kammer gehalten und so dauernd beobachtet.
In der Nährbouillon verläuft die Entwicklung nun folgender-
maßen: Das bewegliche Kurzstäbchen verlängert sich ungefähr
auf die doppelte Zellenlänge. Dabei wird die Bewegung träger.
Diese besteht dann in einem geringen Hin- und Herwandern der
verlängerten Zelle. Hierauf findet die Durchschnürung in der Mitte
statt und plötzlich fahren die beiden Tochterzellen auseinander.
Beide Tochterzellen verlängern sich dann ohne Einstellung ihrer
Bewegung, die nur mit zunehmender Länge verlangsamt wird und
unmittelbar vor der Durchschnürung beider Zellen den früher ge-
schilderten Typus annimmt. Dann trennen sich die neuen Tochter-
zellen wieder. Diese Zellbildung wiederholt sich noch etliche Male.
Die Bewegungsfähigkeit der Zellen nimmt allmählich ab. Es kommt
!) Vergl. Fuhrmann, F., Zur Kenntnis der Bakterienflora des Flaschen-
bieres. I. Pseudomonas cerevisiae. (Oentralbl. f. Bakteriolog. Abt. Il. Bd.
XVI. 1906.)
le
4 Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien.
zur Bildung längerer Zellen, die in der Folge sich nicht mehr
von einander trennen, wodurch Fadenbildungen entstehen. Die
kürzeren Fäden, an denen die Gliederung noch gut zu erkennen
ist, führen schlängelnde Bewegungen aus, während die langen Fäden
kaum mehr eine Gliederung zeigen und beweguneslos ruhen. So-
wohl in den kurzen als auch in den längeren Fäden bemerkt man
srößere und kleinere etwas stärker lichtbrechende Pünktchen und
Körnchen und an den Enden zahlreicher Zellen birnförmige Auf-
treibungen. Die Fäden lagern sich nun innige aneinander, ihre
Konturen verschwinden mehr und mehr und schließlich ist nur
mehr ein sogenannter Detritus vorhanden, in dem noch die ge-
nannten stärker lichtbrechenden Körnchen auffallen. In diesem
Ruhestadium erhält sich eine Kultur von Pseudomonas cerevisiae
Monate lang lebend. Auf einen frischen Nährboden übertragen
entwickeln sich aus diesem Detritus neue Bakterienvegetationen.
Auf die färberischen Eigentümlichkeiten dieser stärker
lichtbrechenden Kügelchen und Körnchen in den Fadenbildungen
und im Detritus kommen wir später zurück.
Züchten wir nun Pseudomonas cerevisiae auf der schief er-
starrten Agarfläche bei 34—35° C., so findet nur eine spärliche
Vermehrung der Zellen statt und die oben angedeuteten Ent-
wicklungsphasen werden in kurzer Zeit durchlaufen, wobei noch
die Mehrzahl der Stäbchen den gleichen Entwicklungszustand zeigt,
was natürlich die Beobachtung wesentlich erleichtert. Außerdem.
bewirkt die hohe Temperatur eine geringe Vergrößerung der Zellen,
wodurch wieder die Protoplasmastruktur deutlicher zur Anschauung
gelangt.
Die oben mitgeteilte Beobachtungsmethode mit Hollundermark
in der feuchten Kammer hat viele Vorzüge, aber den Nachteil,
daß nach kurzer Zeit Sauerstoffmangel eintritt. Durch öfteres
Lüften kann dem allerdings vorgebeugt werden, dadurch erhöht
sich aber die Gefahr einer Verunreinigung von außen. Aus diesen
Gründen benutzte ich diese Versuchsanordnung in der Folge nur
zur Beobachtung der verschiedenen Stadien innerhalb weniger
Stunden.
Schon nach wenigen Stunden findet in der hohen Temperatur
eine geringe Vergrößerung der Zellen in allen Dimensionen statt.
Nach 12 Stunden finden sich nur mehr sehr wenig gut bewegliche
Kurzstäbchen. Die Tochterzellen bleiben zu Fadenverbänden ver-
einigt, die zuerst noch eine Gliederung erkennen lassen, später
aber den Eindruck echter Fäden machen. Nach 24 Stunden findet
man fast ausschließlich lange Fäden, die im hängenden Tropfen
untersucht Schlangenwindungen ausführen. Sie sind nicht im ganzen
Verlauf gleich dick, sondern zeigen Einschnürungen und besonders
an den Enden mehr oder weniger deutlich kolbige Auftreibungen.
Nach 48 Stunden fallen schon im ungefärbten Zustande etwas
stärker lichtbrechende Kügelchen und Körnchen in den Fäden und
in den verlängerten Stäbchen auf. Letztere sind teilweise gebläht
und besitzen dann ein homogenes nur äußerst wenig lichtbrechendes
Plasma. Die Enden der Fäden und auch mittlere Partien sind
-
Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. 5
durch etwas stärkeres Lichtbrechungsvermögen und schwach ze-
körnten Inhalt ausgezeichnet. Nach drei Tagen gewahrt man schon
den Bakteriendetritus vom oben geschilderten Typus, aus dem sich
nach Überimpfung auf frisches Agar bei Zimmertemperatur neue
Reinkulturen unseres Bakteriums entwickeln.
Die Veränderungen der Protoplasmastruktur der Bak-
terien in den verschiedenen Entwicklungsphasen bringen mit Me-
thylenblau tingierte Ausstrichpräparate sehr gut zur Anschauung.
Ich benutzte dazu wenigstens ein halbes Jahr alte wässrige Lösungen
dieses Farbstoffes. Die Färbedauer betrug eine halbe Stunde bei
Zimmertemperatur. Wie bekannt erleiden durch das Altern Methylen-
blaulösungen insofern eine Veränderung, als Methylenazur ge-
bildet wird, welches basophile Zellbestandteile rot oder rot-
violett färbt. Auch das Chromatin gewisser Protozoen färbt sich
damit leuchtendrot.
Wenn wir nun Ausstrichpräparate von 24stündigen bei
345° C. gehaltenen Agarkulturen unseres Bakteriums mit alter
wässriger Methylenblaulösung färben, so finden wir nebenhomogen
blautingierten Zellfäden von gleichmäßiger Dicke solche, deren
Protoplasma eine feine Körnelung erkennen läßt. Diese
kleinen Granula haben eine etwas dunklere Farbe angenommen.
In den Ausstrichpräparaten älterer bei hoher Temperatur gehaltener
Asarkulturen bemerkt man in Fäden und wenigen Einzelindividuen
verstreut im Protoplasma bereits größere Granula, dessen Farbe
rotviolett ist. In der Folge fließen die kleineren Körnchen zu
srößeren zusammen und endlich sieht man nur mehr ein einziges
oder nur wenige in einem Zellfaden. Es hat eine endständige
Lage. Inden kolbigen Auftreibungen bemerkt man in der blau ge-
färbten Grundsubstanz oft mehrere rote Körner. Im gefärbten
Bakteriendetritus finden sich die genannten Körner vollständig in
einer schwach blau gefärbten Masse eingebettet. Allem Anscheine
nach handelt es sich bei diesen Körnchen um ähnliche Gebilde,
wie sie Babes und Ernst und Andere in den Bakterienzellen be-
schreiben und die mitunter auch als sporogene Körner be-
zeichnet wurden. Ich möchte nur mit Nachdruck hervor-
heben, daß diese Gebilde keineswegs Degenerations-
produkte sind, sondern gewiß eine große Bedeutung für
die Erhaltung der Art besitzen, nachdem sich ausihnen selbst
nach Monaten noch Bakterienvegetationen entwickeln. Ob wir in
diesen Bildungen eine kondensierte Kernsubstanz der Bak-
terienzelle erblicken dürfen, vermag ich nicht zu entscheiden.
‚Jedenfalls aber ist ihr färberisches Verhalten gegenüber Methylen-
azur sehr auffällig, nachdem der genannte Farbstoff gerade die
Kernsubstanz der Malariaprotozoen und anderer niederer Tiere
ebenso färbt. Aus diesem färberischen Verhalten allein einen
Schluß auf die Chromatinnatur dieser roten Körner des Bakterien-
detritus zu ziehen, erscheint mir dennoch nicht zulässig. Wohl aber
sprechen viele andere Erscheinungen dafür, auf die ich hier nicht
näher eingehen kann, die aber in einer später erscheinenden Ab-
handlung berücksichtigt werden sollen. Bezüglich dieser Körnchen
möchte ich nur noch hinzufügen, daß sie bei Differenzierungs-
6 Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien.
färbungen den Farbstoff bedeutend länger zurückhalten
als die übrige Bakterienzelle oder der Bakteriendetritus.
Sogenannte endogene Sporen konnte ich bei Pseudomonas cerevisiae
niemals nachweisen, weshalb wir in diesen Körnchen auch keine
Sporenvorstufen erblicken dürfen.
Aus dem bisher mitgeteilten geht hervor, daß Pseudomonas
cerevisiae in der Tat einen großen Entwicklungskreis durchläuft,
dessen einzelne Phasen durch das Auftreten ganz bestimmter
Formen und Zellstrukturen gekennzeichnet sind, die unter den ge-
nannten Bedingungen immer zu beobachten sind.
Bisher wurden Verhältnisse erörtert, die sich bei der Zucht
von Pseudomonas cerevisiae in Fleischbrühe, Nährgelatine
oder Agar finden. Die genannten Nährsubstrate enthalten noch
sehr hoch zusammengesetzte Stickstoffquellen und fördern das
Wachstum der meisten Bakterien ganz wesentlich. Man hat aber
auch schon früh erkannt, daß wenigstens für eine große Anzahl
von Bakterienarten sehr einfache Stickstoff- und Kohlenstoffquellen
genügen, wenn gewisse Salze in sehr geringen Quantitäten gleich-
zeitig vorhanden sind. Die von Arthur Mayer angegebene
„stickstofffreie, mineralische Nährlösung II (M-Nährlösung)“ enthält
alle zum Aufbau der Bakterienzelle nötigen Elemente in ent-
sprechenden Verbindungen mit Ausnahme des Stickstoffes, den ich
als Chlorammonium in ein- bis zweiprozentiger Menge zufügte.
Außerdem setzte ich noch als besondere Kohlenstoffquelle ein halb
Prozent Saccharose zu. Es ist wohl überflüssig, die schon allseits
anerkannten Vorzüge einer aus chemisch genau definierten und
jederzeit in reiner Form erhältlichen Chemikalien hergestellten
Bakteriennährsubstanz noch anzuführen. Inder oben beschriebenen
Nährlösung gedeiht unsere Bakterienart bei Zimmertemperatur noch
gut, wenn auch die Vermehrung der Zellen verhältnismäßig lang-
sam geschieht. Im allgemeinen sind die Wuchsformen dabei etwas
vergrößert. Auch hier teilen sich die eingeimpften Kurzstäbchen
zuerst in bewegliche Zellen, die sich von einander anfangs trennen,
später aber zu Ketten vereint bleiben und ihre Bewegungen ein-
stellen. Einzelne Glieder der Ketten und die zu zweit vereinten
Stäbchen ändern dann ihre Form und nehmen eine Keulengestalt
an, die an Diphtheriebazillen erinnert. Die an einem Zellpol auf-
getretene Auftreibung wird immer größer; der Inhalt dieser Ge-
bilde ist nicht mehr homogen, sondern ein oder mehrere etwas
stärker lichtbrechende Kügelchen werden darin sichtbar. Die ge-
gliederten Kettenverbände sind von zwei bis drei derartigen Bil-
dungen ungleich abgeteilt. Auffallend ist die Erscheinung, daß
sich in den Ketten immer zwei Auftreibungen oder Kolben mit
ihrem Scheitel berühren, während die Endauftreibungen der zu
zweit vereinten Stäbchen an den von einander entfernten Zellpolen
auftreten. Während nun die kolbigen Auftreibungen immer größer
werden, nimmt die Anzahl der etwas stärker lichtbrechenden
Körperchen in den von Anschwellungen freien Zellen des Fadens
ab und ihr Inhalt verliert mehr und mehr sein ursprüngliches
Lichtbrechungsvermögen. Sobald die Kolben ihre volle Größe er-
Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. 7
reicht haben, hat auch der nichtkolbig verdickte Teil des einseitig
kolbig verdickten Stäbchens seinen Inhalt fast vollständig verloren
und erscheint etwas zusammengezogen und leer. Dadurch nähert
sich die Gestalt der fertisen Endkolben der Kugelform, ohne aber
jemals vollständige Kugelform anzunehmen. Diese Kolben bleiben
nun wochen- und monatelang in diesem Nährsubstrat lebensfähig.
Im gefärbten Ausstrichpräparat sind sie nach Methylenblautinktionen
entweder homogen dunkelblauviolett gefärbt oder enthalten in einer
hellblauen Grundmasse ein oder mehrere rotviolette Kügelchen.
In sehr alten Chlorammoniumkulturen bildet sich ein Bodensatz,
in dem sich neben sehr großen gut färbbaren Kolben in über-
wiegender Mehrheit die schon oft genannten Körnchen und Kügel-
chen finden. Aus den Kolben und den zuletzt genannten Kügelchen
entwickeln sich nach Übertragung auf einen frischen Nährboden
neuerlich schwärmende Kurzstäbchen.
Gerade im letztgenannten Nährboden sind die einzelnen Ent-
wicklunesformen sehr scharf charakterisiert.
Die Untersuchungen von Matzuschita, Hammerl und Anderen
haben ergeben, daß gewisse Neutralsalze, darunter auch COINH,,
einen gestaltgebenden Einfluß auf Bakterienzellen, insonder-
heit Vibrionen, ausüben. Ich kann diese Befunde bestätigen,
jedoch mit der Einschränkung, daß nur die Größe der Zellen
mit zunehmendem Salzgehalt biszu einem gewissen Grade
zunimmt und der Ablauf der einen Entwicklungsphasen
dadurch beschleunigt wird. Dies gilt ganz besonders für das
Chlorammonium. Erst ein großer Zusatz dieses Salzes von
mindestens fünf Prozent bewirkt plötzliche Veränderungen der
Bakterienformen, ohne daß dabei die einzelnen Entwicklungsstadien
durchlaufen werden. Durch plötzlich erzeugte hohe Salzkonzen-
trationen wird aber das Wachstum vollständig unterdrückt
und die Zellen deformiert. Es kommt dann überhaupt nicht zur
Bildung aller jener Formen, die derartig schädigende Einflüsse zu
überdauern vermögen. Von der Richtigkeit dieser Anschauung
belehrt uns folgender einfacher Versuch: Bringen wir etwas einer
mehrere Monate alten Agarkultur von Pseudomonas cerevisiae in
die früher angegebene Chlorammonium-Saccharose-Nährlösung mit
einem Gehalt von zehn Prozent CINH, und bewahren diese Auf-
schwemmung zwei Wochen hindurch auf, so findet keine formelle
. Veränderung der Kügelchen des Bakteriendetritus statt. Eine Ent-
wicklung unterbleibt. Säen wir nun diese Aufschwemmung nach
Abzentrifugieren der Chlorammoniumlösung auf Nähragar aus, so
entwickeln sich zahlreiche Kolonien unseres Bakteriums. DBe-
handeln wir aber eine 18stündige Agarkultur ebenso, so werden
die Zellen getötet, trotzdem das davon angefertigte Prä-
parat eine Menge hypertropher Wuchsformen zeigt. Dieser
Versuch zeigt aber noch mehr. Wie wir sehen, sind die jungen
Schwärmzellen gegen schädigende Einflüsse viel weniger wider-
standsfähig als die Formen des Endstadiums im Entwicklungskreis.
Dies liegt aber auch in der Natur des Entstehens der einzelnen
Formen des Entwicklungszyklus, Die verschiedenen scharf unter-
8 Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien.
scheidbaren Formen entstehen entsprechend der Abnahme der
günstigen Ernährungsbedingungen. Solange sozusagen optimale
Bedingungen herrschen, entwickelt unser Bakterium ausschließlich
Schwärmzellen. Erst später kommt es zur Bildung aller jener
Formen, die unter den immer ungünstiger werdenden äußeren
Verhältnissen für die Erhaltung der Art durch ihre zunehmende
Widerstandsfähigkeit von der größten Bedeutung sind. Ganz
analoge Verhältnisse finden wir ja auch bei den sporenbildenden
Bakterien. Die in der freien Natur vegetierenden Bakterien sind
nun so manchen plötzlich auf sie einstürmenden Schädlichkeiten
ausgesetzt und solchen, die allmählich in verstärktem Maße auf sie
wirken. Gegen erstere werden sie schutzlos, gegen letztere aber
durch die Endformen ihres Entwicklungskreises gefeit sein. Solche
langsam wirkende Einflüsse Können wir nun künstlich in den Rein-
kulturen dadurch schaffen, daß wir die betreffende Bakterienspezies
in Nährsubstraten züchten, die eben noch eine Vermehrung
der Zellen zulassen. Dieses ist nun durch die Verwendung
sehr einfacher Stickstoffquellen, wie es CINH, ist, leicht erreichbar.
Andere Bakterienarten, die sich nur bei der Darreichung kompli-
zierter Stickstoffquellen zu vermehren vermögen, müssen wieder
bei der für sie eben noch ausreichenden N.-Quelle kultiviert werden.
Es erhebt sich nun die Frage, ob jede Zelle den ganzen
geschilderten Entwicklungskreis durchmachen muß oder ob durch
Übertragung auf optimale Nährböden sich aus jeder Zwischenform
die Stäbchenform wieder rückbilden kann. Für Pseudomonas cere-
visiae läßt sich die Frage dahin entscheiden, daß in der Tat sich
jede Form des Entwicklungskreises wieder in die Kurzstäbchenform
zurückführen läßt. Jede Chlorammoniumreinkultur enthält ja die
verschiedenen Entwicklungsformen gleichzeitig, da bei der Ver-
impfung durchaus nicht nur gleichaltrige und gleichwertige Zellen
übertragen werden. Wenn wir daher in einem hängenden Tropfen
etwas von einer Chlorammoniumkultur oder einer bei höherer
Temperatur gezüchteten Agarkultur unseres Bakteriums in Pepton-
wasser verimpfen, können wir die Neubildung der Kurstäbchen
direkt unter dem Mikroskop verfolgen. Es ergibt sich dabei die
bemerkenswerte Tatsache, daß beider Rückentwicklung der Zwischen-
formen genau die bereits durchlaufenen Stadien in umgekehrter
Reihenfolge bis zum Kurzstäbchen zurückgelegt werden, wenn
das Stadium der Endkolben noch nicht vollständig erreicht ist.
Die etwas stärker lichtbrechenden Kügelchen verteilen sich in den
Fadenbildungen in Form immer kleinerer Körnchen, wodurch der
Zellinhalt ein immer homogeneres Aussehen erhält. Dann findet
ein Zerfall in die einzelnen noch verlängerten Glieder statt, die
sich dann durch Teilung in die schwärmenden Kurzstäbchen ver-
wandeln. Sobald aber die Endkolben vollständig ausgebildet sind,
wird nicht mehr das Stäbchen durch rückläufige Durchwanderung
des Kolbenbildungsprozesses gebildet. Die Endkolben zeigen dann
in ihrem Inhalt untereinander gleichgroße Körnchen und bekommen,
das Aussehen von Sporangien. Am verschmälerten Ende des
Kolbens treten dann diese Körnchen unter Zunahme ihrer Größe
Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. 16)
[2
in Gestalt von Stäbchen aus, die noch als Kette vereint dem
Kolben anhängen. Dann erst werden die Glieder frei und schwärmen
als Kurzstäbchen in der Flüssigkeit. Auch aus den mit Methylen-
azur rotviolett färbbaren Kügelchen des Bakteriendetritus bilden
sich kurze Kettchen, die sich dann in die schwärmenden Zellen
auflösen.
Eine andere bemerkenswerte Erscheinung möchte ich nicht
verschweigen, trotzdem ich sie noch nicht weit genug verfolgen
konnte, um sie vollkommen zu erklären. Bei der Rückbildung
der Fäden und verlängerten Stäbchen, entstehen meistens seitlich
an der Zellwand kleine Warzchen, die sich langsam vergrößern
und schließlich als homogene schwach lichtbrechende Kugeln ab-
gestoßen werden. In einzelnen solchen Gebilden beobachtet man
in der Folge eine Zerteilung des Inhaltes in 6—8 sich scharf ab-
hebende Kügelchen, die dann austreten und sich nur wenig be-
wegen. Sie sind sehr klein und besitzen eine runde Form. Später
findet man sie nicht mehr in der Kultur. Trotz eifriger Be-
mühungen ist es mir bis jetzt nicht gelungen, festzustellen, was
aus ihnen wird. Ich muß deshalb die Frage offen lassen, ob sie
für die weitere Entwicklung der Bakterienart von Bedeutung sind
oder nur vergängliche Ausscheidungen der Bakterienzelle darstellen.
Anknüpfend an diese Beobachtung möchte ich nur hinzufügen, daß
Pseudomonas myzogenes, eine aus Flaschenbier isolierte Bakterien-
art, auf die ich im folgenden noch zurückkomme, auf der Nähr-
gelatine zwei differente Oberflächenkolonieformen regelmäßig bildet.
Im Anfang dachte ich natürlich an eine Verunreinigung. Ich impfte
nun unter dem Mikroskop von jeder Kolonie ab, und die davon
angelegten Agarkulturen zeigten nicht die geringsten Unterschiede,
ebensowenig konnte ich in gefärbten und ungefärbten Präparaten
Differenzen zwischen den Stäbchen aus beiden Kolonien beobachten.
Goß ich neuerlich Platten, so erhielt ich abermals beide Kolonie-
formen. So oft ich auch diese Versuche wiederholte, die Ergeb-
nisse blieben gleich. Es wurden übrigens auch von Dahmen für
den Erreger der asiatischen Cholera zwei konstant auftretende
Formen von Gelatineoberflächenkolonien beschrieben. Auch Pseudo-
monas cerevisiae läßt geringe Unterschiede in den Kolonieformen
auf der Gelatine bemerken, ebenso noch einige andere aus Flaschen-
bieren reingezüchtete Bakterienarten. Ob wir für das Auftreten
der beiden verschiedenen Formen „erade Generationen unserer
Bakterienart, die von den oben beschriebenen aus den Kugeln aus-
getretenen kleinsten Formen abstammen, verantwortlich machen
dürfen, vermag ich zur Zeit nicht zu entscheiden. Voreilige Schlüsse
dürfen eben nicht gezogen werden.
Wir haben nun gesehen, daß sozusagen unter allen Bedingungen
gewisse konstante Formveränderungen auftreten. Wenn ich kurz
zusammenfassend meine Versuchsergehnisse mit Pseudomonas cere-
visiae wiederhole, ergeben sich folgende Tatsachen:
Pseudomonas cerevisiae durchläuft während ihres Lebens
in verschiedenen Nährsubstraten einen ganz bestimmten
Entwicklungskreis, dessen einzelne Phasen durch. das
10 Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien.
Auftreten gut charakterisierten Formen gekennzeichnet
sind. Die verschiedenen äußeren Bedingungen, wie erhöhte
Temperaturen und ınäßiger Zusatz von Chlorammonium oder andren
Salzen verändern die dabei auftretenden Formen nur in Bezug auf
die Größe, wodurch die Untersuchung der gebildeten Entwicklungs-
formen wesentlich erleichtert wird. Auch treten dabei die einzelnen
Entwicklungsphasen viel deutlicher hervor, als in den mit Stoff-
wechselprodukten überladenen Reinkulturen in exquisit ausgezeich-
neten Nährsubstraten bei optimaler Temperatur. Aus diesen Gründen
empfiehlt es sich, die Entwicklungskreise der Bakterien bei ihrer
Zucht in einer das Wachstum eben noch zulassenden Nährlösung
von ganz bestimmter Zusammensetzung, die jederzeit wieder genau
gleich herstellbar ist. In solchen Nährlösungen bildet im Verlaufe
der Entwicklung unsere Bakterienart verschiedene Formen, die von
den meisten Autoren als Degenerationsprodukte bezeichnet wurden
und noch werden, die sich aber bei genauerer Untersuchung als
vollständig lebensfähig, ja sogar als widerstandsfähiger erweisen
als die als normal und typisch betrachteten schwärmenden Kurz-
stäbchen. Wir haben also in den Endformen des Entwicklungs-
kreises unserer Bakterienart Gebilde vor uns, die für die Erhaltung
der betreffenden Bakterienspezies von der allergrößten Bedeutung
sind. Freilich ist ihre Resistenz gegen hohe Temperaturen viel
geringer als die der Sporen. Trotzdem vertragen sie eine längere
Austrocknung und die Einwirkung einer Reihe von schädlichen
Einflüssen, wie sie sich in der freien Natur finden. Dazu rechne ich
in erster Linie die Einwirkung hoher Salzkonzentrationen. In der
Natur finden sich Bakterien überall dort, wo Wasser ist. Die
Wassermenge ist aber fortwährenden Schwankungen unterworfen
und sehr oft wird den Bakterien dieses lebenswichtige Substrat
für längere Zeit vollständig entzogen. Es ist also für die Erhaltung _
der Art geradezu die Bildung entsprechender, Trockenperioden
überdauernder Entwicklungsstadien eine Notwendigkeit. Geschähe
dies nicht, müßten in kurzer Zeit eine große Menge von bekannten
Bakterienarten des Ackerbodens und der Erde überhaupt aussterben.
Bis es aber zur kompletten Austrocknung kommt, wirken auf die
Zelle immer zunehmende Konzentrationen der gelösten Bestand-
teile ein. Auch gegen diese die Zelle in gewissen Stadien ihrer
Entwicklung äußerst schädigenden Einflüsse schützt sie sich durch
die Bildung dagegen resistenter Formen.
Es haben sich schon zahlreiche Autoren mit der Frage nach
der Ursache der formellen Veränderungen der Bakterienzelle be-
schäftigt und dafür chemisch-physikalische Einflüsse verantwortlich
gemacht. So geben Schwankungen in der Konzentration der Salz-
lösungen zu osmotischen Störungen Anlaß, die sich natürlich auch
in der Struktur und Form der Zelle wiederspiegeln werden. Ich
erwähne nur die plasmolytischen Erscheinungen. Treten derartige
. Störungen plötzlich mit großer Intensität auf, kommt es zur Ver-
nichtung der Zellen, schwellen sie aber allmählich an, dann sind
sie eben nur ein äußerer Reiz für die Bildung der entsprechenden
Schutzformen, denn es ist mit dem Begriff der lebenden Zelle un-
Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. 11
vereinbar, sie einfach als Spielball der auf sie einstürmenden
äußeren Einflüsse aufzufassen.
Mit der Feststellung des Entwicklungszyklus von einer ein-
zieen Bakterienart ist aber noch nicht viel getan. Daraus kann
für die vielen anderen Bakterienarten nichts verallgemeinert werden.
Es könnte ja die früher angegebene Chlorammoniumnährlösung auf
alle darin überhaupt wachsenden Bakterienarten den gleichen Ein-
fluß ausüben, womit allerdings die Zusammengehörigkeit aller Bak-
terien und eine Pleomorphie derselben im richtigen Sinne des
Wortes erwiesen wäre. Anderseits könnte sich jede Bakterienart
dem genannten Nährsubstrat gesrenüber und inbezug auf die hohen
Temperaturen anders verhalten, womit wieder auf eine sehr große
Selbstständigkeit der einzelnen Bakterien hingewiesen und der bis-
her im allgemeinen nur auf physiologischen Merkmalen aufgebaute
Zusammenhang zwischen einzelnen Bakterienarten noch mehr ge-
lockert würde. Ich konnte nun aus Flaschenbier eine zweite
Bakterienart isolieren, die ich wegen ihrer Fähigkeit, Schleim zu
bilden, Pseudomonas myxogenes nannte. Diese Bakterienart ist
etwas kleiner als Pseudomonas cerevisiae und besitzt die Fähigkeit,
einen fluoreszierenden Farbstoff zu bilden. Sie unterscheidet sich
noch durch viele andere physiologische Merkmale, auf die hier
nicht eingegangen werden kann, und bildet überdies noch wesentlich
anders aussehende Kolonien auf der neutralen zehnprozentigen
Nährgelatine. Beide genannten Bakterienarten sind eigentlich nur
durch ihre Begeißelung einander nähergebracht, da sie an einem
Ende ein Büschel von Geißeln tragen. Pseudomonas myxogenes
verhält sich nun hinsichtlich ihres Entwicklungskreises bei hohen
Temperaturen und in Chlorammoniumnährlösung ebenso wie Pseu-
domonas cerevisiae.e Wir müssen also diese beiden Bakterienarten
trotz ihrer bedeutenden sonstigen Unterschiede verwandtschaftlich
knapp aneinander reihen. Bei diesen Bieruntersuchungen fand
sich noch eine Bakterienart, die im wesentlichen ebenfalls den
gleichen Entwicklungskreis aufweist. Es erscheint mir überflüssig,
hier nochmal auf die Besprechung der einzelnen Formen einzu-
sehen. Ich habe dann noch eine sich kulturell und in ihrer
Wirkung auf die verschiedenen Nährböden scharf von der überall
vorkommenden Pseudomonas fluorescens unterscheidende Pseudomonas
dermatogenes aus Bier isoliert, die ebenfalls einen fluoreszierenden
Farbstoff bildet. Die letztgenannte Bakterienart unterscheidet sich
von der fluoreszierenden Pseudomonas mgxogenes durch die von ihr
hervorgerufenen Zersetzungen der Nährsubstrate verhältnismäßig
nur wenig. Untersucht man aber ihren Entwicklungszyklus, so
findet man wesentlich andere Formen, sodaß in verwandschaftlicher
Beziehung diese beiden Arten weit von einander zu stellen sind,
trotz ihres ähnlichen biologischen Verhaltens. Der Entwicklungs-
zyklus von Pseudomonas dermalogenes gleicht aber dem von Pseu-
domonas fluorescens Mig. Diese wenigen Andeutungen werden ge-
nügen, um die Hinfälligkeit der Verwendung von Lebensäußerungen,
bestehend in Veränderungen des Nährsubstrates und in Bildungen
bestimmter Produkte, als artbestimmende Merkmale darzutun
12 Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien.
Ebenso ungerechtfertigt ist es, die Tierpathogenität oder gar die
Virulenz als charakteristisches Speziesmerkmal anzuführen. An-
dererseits aber besitzen wir in den Entwicklungskreisen der ein-
zelnen Bakterienarten für sie scharf charakterisierte und soweit
die Erfahrung bisher lehrt, dauernde Merkmale, auf die ein natür-
liches System der Bakterien aufgebaut werden kann. Auch werden
dadurch neue verwandschaftliche Beziehungen der einzelnen Bak-
terienarten unter einander aufgedeckt. Welch reiche Ergebnisse
entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen von sporenbildenden
Bakterenarten liefern, haben die schönen Arbeiten von Migula
und Arthur Mayer und ihre Schule und Andere gezeigt. Auch
die neueren Abhandlungen über die Strukturen der sich teilenden
Bakterienzellen haben für die Beurteilung der Stellung der Bak-
terienzelle in der belebten Natur beachtenswerte Winke gegeben.
So interessant eine eingehende Erörterung aller dieser Befunde
wäre, muß ich hier doch darauf verzichten und mir dieselbe für
meine spätere umfassende Darstellung aufsparen, worin die Ent-
wicklungszyklen noch einer Reihe von anderen Pseudomonas-Arten
besprochen werden sollen.
Tafelerklärung.
Fig. 1 stellt das Photogramm eines mit 1/, Karbolfuchsin gefärbten Ausstrich-
präparates einer 24stündigen bei Zimmertemperatur gewachsenen Pepton-
wasserkultur von Pseudomonas cerevisiae bei 1000facher Vergrößerung
dar. Wir sehen hiernur kurze an den Enden abgerundete Stäbchen, an
denen keine besonderen färberischen Erscheinungen festzustellen sind.
„ 2. Von der in Figur 1 dargestellten Bakterienkultur wurde eine Abimpfung
auf Fleischwasser-Agar gemacht und 18 Stunden bei 34,5° C. gehalten.
Den nach dieser Zeit mit !/; Karbolfuchsin tingierten Agarrasenausstrich
von Pseudomonas cerevisiae zeigt unser Photogramm bei 1000facher Ver-
größerung. Wir sehen die verlängerten und teilweise zu Fäden umge-
wandelten Stäbchen, in deren Inhalt durch die intensive Fuchsinfärbung
ein Hervortreten von Strukturen verhindert ist.
3. Der hier dargestellte Ausstrich stammt von einer durch 24 Stunden bei
34,5° ©. gehaltenen Agarkultur von Pseudomonas cerevisiae, bei 1000-
facher Vergrößerung. Gefärbt wurde aber mit alter, wässriger Methylen-
blaulösung durch eine Viertelstunde. Die Fadenbildung ist weiter fort-
geschritten. In dem nur blaßblau tingierten Plasma der Fäden sehen
wir dunkle, verschieden große Körnchen, die sich an gewissen Stellen,
besonders an den Polen zu größeren im .‚Photogramm schwarz aus-
sehenden Massen vereint haben. Alle diese Gebilde erscheinen im Prä-
parat violettrot gefärbt.
4. Dieses Photogramm entspricht einer 48 Stunden bei 34,5°0. gezüchteten
Agarkultur von Pseudomonas cerevisiae, doch bei 2000facher Vergrößerung.
Die kleinen Körnchen haben sich zu größeren Kugeln gesammelt, die
im schwach gefärbten Plasma liegen. Das Bild erinnert an einen sporen-
tragenden Zellfaden. Doch wurde auch hier mit Methylenblau gefärbt
und die schwarzen Kügelchen sind im Präparat vom Methylenazur rot-
Beihefte zum Botanischen Centralblatt Bd. XXIII. Abt. 1. Tafel 1.
F. Fuhrmann phot. Verlag von C. Heinrich, Dresden-N.
0:
Fuhrmann, Entwicklungszyklen bei Bakterien. 13
violett tingiert. Bei der Anwendung der üblichen Sporenfärbungsme-
thoden entfärben sie sich in der vorgeschriebenen Differenzierung voll-
ständig.
. Hier sehen wir den mit Methylenblau gefärbten Bakteriendetritus von
Pseudomonas cerevisiae, bei 1800facher Vergrößerung. In der kaum ge-
färbten und nur wenig strukturierten Grundmasse liegen die schwarzen,
in Wirklichkeit rotviolett tingierten Körnchen, die sich durch Resistenz
gegen Trockenheit und höhere Salzkonzentrationen auszeichnen. Aus
ihnen entwickeln sich auf frischen Nährböden neue Bakterienvegetationen.
Pseudomonas cerevisiae wurde bei Zimmertemperatur durch fünf Tage
in Chlorammonium-Saccharose-Nährlösung gezüchtet und von. der ent-
standenen zarten Kahmhaut ein mit Methylenblau gefärbtes Ausstrich-
präparat hergestellt. Vergrößerung 1200fach. Die Zellen sind vergrößert
und zum Teil keulenförmig aufgetrieben. Dieser Teil ist dunkler gefärbt.
Außerdem fallen die Kettenverbände auf. Die feinen Körnchen im Plasma
kommen im Photogramm nicht mehr zur Anschauung.
Auch hier sehen wir neben Fadenbildung und gering kolbig aufge-
triebenen Zellen einen schön ausgebildeten Endkolben. Vergrößerung
1200.
Dieses bei 1000facher Vergrößerung aufgenommene Photogramm eines
Ausstriches einer Chlorammonium-Saccharose-Kultur von Pseudomonas
cerevisiae zeigt sehr schön die Entstehung der Endkolben. Gefärbt
wurde mit Methylenblau. Im linken Zellenpaar enthält die kolbige Auf-
treibung nur ein kleineres dunkel gefärbtes Korn, das in den rechten
Zellen bereits die volle Größe erreicht hat und den ganzen Kolben erfüllt.
entspricht ebenfalls einem aus Chlorammonium-Saccharose-Kultur von
Pseudomonas cerevisiae hergestellten mit !/; Karbolfuchsin gefärbten
Ausstrichpräparat. In dem linken Zellenpaar sieht man an der unteren
Zelle ein seitliches Knöpfchen, das später abgeschnürt wird und mit-
unter in kleinste Teile zerfällt, deren weiteres Schicksal ich noch nicht
feststellen konnte. Die anderen Zellen zeigen sehr schöne kolbige Auf-
treibungen. Vergrößerung 2000.
Es wurde der Bodensatz einer älteren Chlorammonium-Saccharose-Kultur
von Pseudomonas cerevisiae in Peptonwasser verimpft. Nach 12 Stunden
fertigte ich davon ein Ausstreichpräparat an und färbte es mit Methylen-
blau. Unser Photogramm zeigt uns einen Endkolben, aus dem sich die
lichtblau tingierten Stäbchen entwickeln. Man sieht daran die Zellkette
noch hängen. Die im Präparat gut sichtbare Struktur des Endkolbens,
resp. die präformierten Stäbchen darin kommen im Photogramm nicht
zum Ausdruck, Vergrößerung 1200.
14
Ozellen und Lichtkondensoren
bei einigen Peperomien.
Von
Dr. P. Schürhoff.
Mit Tafel II und III.
1. Peperomia metallica Lind. et Rod.
Bei den Vorbereitungen zu einer Vorlesung fand ich im
Blattquerschnitt von Peperomia metallica an Stelle der Palisaden-
zellen eiförmie gestaltete Zellen, die mit der Spitze nach der
Unterseite des Blattes orientiert waren, während der halbkugel-
förmige Teil der Oberseite zugekehrt war.
Diese Form der Assimilationszellen ist bereits von Noll!)
bei verschiedenen sSelaginellen beobachtet worden und als Be-
leuchtungsapparat erklärt. „Die?) nach außen gewölbten Zellen
wirken als linsenförmige Lichtkondensoren, in dem die senkrecht
zur Oberfläche des Blattes einfallenden Strahlen teils durch
Brechung, teils durch totale Reflexion an der Trichterwand gegen
die Basis der Zelle geleitet werden und die hier angesammelten
Chloroplasten intensiver durchleuchten.“
Die trichterförmigen Palisadenzellen von Peperomia metallica
zeichneten sich in verschiedener Weise aus. Sie enthielten
Chlorophyllkörner, jedoch stets nur vier. Diese waren von
außerordentlicher Größe, sie lagen stets in dem unteren Teile der
eiförmigen Zelle, so daß in derselben Weise wie nach Noll’s Unter-
suchungen bei den Selaginellen auch hier die Lichtstrahlen “stets
auf den Assimilationsapparat reflektiert wurden. Ganz auffallend
war, daß die Chloroplasten stets gleiche Größe besaßen, fast voll-
kommen rund waren und die des Schwammparenchyms an Größe
um das Mehrfache übertrafen.
Der durch die Form der Zellen und die Lage der Chloro-
plasten geschaffene Beleuchtungseffekt wird aber noch wesentlich
!) Noll, Arbeiten des botan. Institutes in Würzburg. Bd. III. 1888.
2) Haberlandt, Physiologische Pflanzenanatomie. Leipzig 1904. S. 257.
Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien. 15
gefördert durch das Vorkommen von Kalziumoxalatdrusen in un-
gefähr der Hälfte aller Palisadenzellen.
Figur 1 zeigt diese eigenartigen Palisadenzellen schräg von
unten. Man sieht die Vierzahl der Chloroplasten, besonders deutlich
bei a; b zeigt die großen Kalziumoxalatdrusen. Das Photogramm
wurde nach einem frischen, ungefärbten Schnitt hergestellt.
Das Blatt von Peperomia metallica besitzt, ebenso wie alle
andern Peperomia-Arten, unter der Epidermis der Oberseite ein
‘ Hypoderm; dieses ist bei Peperomia metallica mehrschichtig, was
bei andern Peperomia-Arten auch vorkommt, wie es insbesondere
Pfitzer!) nachgewiesen hat.
In neuerer Zeit hat Haberlandt?) in der Epidermis von
Peperomia metallica Zellbildungen gefunden, die er als Lichtsinnes-
organe anspricht. Die sehr auffallenden eiförmigen Palisadenzellen
mit ihren eigrenartigen Lichtkondensoren beschreibt er nicht.
Seine diesbezüglichen Ausführungen seien im folgenden kurz
angeführt:
„Die großen Laubblätter von Peperomia metallica sind mit
einem mächtigen Wassergewebe versehen und besitzen auf ihrer
Oberfläche zahlreiche fast kreisrunde Höckerchen, die mehrzellige
Sammellinsen vorstellen. Auf dem Blattquerschnitt sieht man, dab
jede Linse von einer Gruppe tangential „eteilter Epidermiszellen
gebildet wird, die sich sphärisch vorwölbt. Genau unter der Mitte
dieser Linse befindet sich eine Ölzelle mit etwas abgeflachtem Öl-
tropfen, der als zweite Sammellinse fungiert. Stellt man beim
Linsenversuch auf die untere Querwand der unter der Olzelle ge-
legenen relativ niedrigen Wassergewebezelle ein, so sieht man
wieder in der Mitte das hell leuchtende Mittelfeld, umgeben von
einem eanz dunkeln Saume, und um diesen herum noch einen
ziemlich breiten lichten Hof als optischen Effekt der flachen epi-
dermalen Sammellinse. Bei schräger Beleuchtung tritt selbstver-
ständlich wieder eine prompte Verschiebung dieser Helliekeits-
verteilung ein. — Die gewöhnlichen Epidermiszellen sind mit flachen
Außenwänden und ebensolchen oder nur schwach gebrochen vor-
gewölbten Innenwänden versehen, zur Lichtperzeption daher nicht
geeignet.“
Zu diesen Ausführungen Haberlandt’s möchte ich bemerken,
daß es mir nicht gelungen ist, die beschriebenen „Ozellen“ an
Peperomia metallica aufzufinden. Die Epidermis bestand stets aus
kaum vorgewölbten Zellen; ÖOltropfen fanden sich in der Hypo-
dermis überhaupt nicht vor. Dagegen besaß die Oberseite des
Blattes sowohl wie die Unterseite zahlreiche Drüsenhärchen, die
sich in muldenförmigen Einsenkungen der Epidermis befanden, so
daß das Drüsenköpfehen kaum zur Hälfte über die Oberfläche der
Epidermis hervorragte (s. Fig. 6, «a.).
!) Pfitzer, Mehrschichtige Epidermis ete, (Pringsheims Jahrbücher,
Bd. VIII. 1871—72. 8. 26—31.)
») Haberlandt, Die Lichtsinnesorgane der Laubblätter. Leipzig 1905,
Seite 116.
16 Schürhoff, Özellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien.
Bei Lupenbetrachtung sieht man denn auch, besonders deut-
lich an der glänzenden Blattoberseite, die grübchenartigen Ver-
tiefungen, in denen diese Drüsenhaare sitzen. Linsenförmige Er-
höhungen der Epidermis waren nicht wahrzunehmen.
Dagegen scheinen die Drüsenhaare der Oberfläche zur Licht-
perzeption geeignet; sie stehen in dieser Beziehung wohl auf einer
Stufe mit den Öltröpfchen, denen Haberlandt!) bei Peperomia
magnoliaefolia diese Eigenschaft zuschreibt, auch „die darunter befind-
liche Wassergewebszelle ist 1!/, bis 21/, mal so hoch als die Ölzelle“.
Die Palisadenzellen enthalten einen verhältnismäßig großen
Zellkern, außerdem sehr häufig eine Kalziumoxalatdruse und die
vier großen runden Chloroplasten. Die Kristalldrusen wirken
augenscheinlich als Lichtkondensoren und -Reflektoren; sie legen
stets zwischen Lichtquelle und den Chloroplasten.
Kocht man ein ganzes Blatt in Chloralhydrat — man kann
auch die Epidermis der Oberseite mit der Hypodermis vorher ab-
ziehen, was keine Schwierigkeiten verursacht — so sieht man bei
mikroskopischer Betrachtung, daß die Kristalldrusen stets in den
Palisadenzellen vorhanden sind, die über den Nerven liegen, sie
begleiten auf diese Weise die einzelnen Gefäßbündel und zwar in
Reihen von sechs bis zwölf nebeneinander; auf diese Weise wird
beinahe die Hälfte aller Zellen mit Kristalldrusen versehen.
Die regelmäßige Vierzahl der Chlorophylikörner legte die
Vermutung nahe, daß es sich eventuell um selbständige organische
Lebewesen handeln könnte, vor allem fanden sich Analogien mit
Oyanophyceen, speziell mit Gloeocapsa ähnlichen Formen, Versuche,
die darauf ausgingen, diese Chlorophyllapparate zu isolieren und
außerhalb der Pflanze zu züchten, hatten bisher jedoch keinen
Erfolge. Auch gelang es nicht mit Hilfe der neuesten mikro-
technischen Methoden Zellkerne nachzuweisen, was ja bei den
Oyanophyceen immer noch auf große Schwierigkeiten stößt, wenn
auch die Arbeiten von Kohl?) und Olive:) das Vorhandensein von
Zellkernen bei den Oyanophyceen sichergestellt haben.
Gegen die Annahme, daß es sich um selbständige Lebens-
formen handeln könnte, spricht vor allem der Umstand, daß diese
Assimilationsorgane in lebende Zellen eingeschlossen sich vorfinden,
während wir sonst bei Symbiose der Oyanophyceen ein Vorkommen
derselben nur in den Interzellularen finden. Ausschlaggebend ist
diese Tatsache darum noch nicht, so daß wir durch entwicklunges-
eeschichtliche Untersuchung und vergleichende Anatomie allein
eine Klarstellung dieser Verhältnisse gewinnen können.
Das entwickelte Blatt zeigt also, wie erwähnt, unter der ein-
bis mehrschichtigen Hypodermis als einzige Palisadenschicht die
charakteristischen eiförmigen Zellen. Die Hypodermiszellen sind
bedeutend größer, so daß an der Basis der einzelnen Hypodermis-
ı) Haberlandt, Die Lichtsinnesorgane der Laubblätter. S. 116, 117.
2) Kohl, J. G., Über die Organisation und Physiologie der Cyano-
phyceen-Zelle ete. Jena 1903.
®) Olive, E. W., Methodie division of the muclei of the Oyanophyceae;
(Beihefte z. bot. Centralblatt. 1904. 8. 10.)
Schürhoff, Özellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien. 17
zelle ungefähr vier bis zehn (im Querschnitt meist zwei bis drei)
Palisadenzellen anliegen. Interzellularräume werden zwischen
beiden Zellenlagen nicht gebildet. Im Querschnitt zeigen die
Palisadenzellen nach Fixierung mit Chromosmiumessigsäure und
Färbung mit Safranin-Gentianaviolett einen Zellkern, der ungefähr
in der Mitte der Zelle liegt, meistens gerade oberhalb der Chloro-
plasten und noch in Berührung mit ihnen. Zum Unterschiede von
den Kernen der Hypodermis und des Parenchyms besitzt er stets
runde Gestalt, während die erwähnten anderen Kerne sehr häufig
gestreckt sind.
Im unteren Drittel, bez. in der unteren Hälfte liegen die vier
großen, intensiv dunkelgrün gefärbten Chlorophylikörner. Sie haben
runde, höchstens etwas eiförmige Gestalt. Mit Chloralhydrat auf-
gehellte, oder auch einige Zeit in Wasser liegende Präparate
lassen in den Körnern ein maschiges Gewebe erkennen. Bei der
Färbung mit Safranin-Gentianaviolett haben sie ein blaßrötliches
Aussehen erhalten. Im Innern zeigen sie mehrere dunkler gefärbte
Körnchen, hier und da scheint ein größeres dieser Körnchen von
einem helleren Hofe umgeben zu sein.
Während bei den höheren Pflanzen ein begrenztes, fest be-
stimmtes Mengenverhältnis von Chloroplasten in der einzelnen Zelle
bisher nicht bekannt war, finden wir, zZ. B. bei der Lebermoos-
sattung Amthoceros!), in den assimilierenden Thalluszellen einen
einzigen Chloroplasten. Bei Selaginella kommen ebenfalls ein, bei
manchen Arten auch zwei Chloroplasten vor, z. B. bei Selaginella
caesia. Die von Haberlandt!) gegebenen Abbildungen, Figur 97 A
und B, zeigen in mehrfacher Beziehung große Ahnlichkeit mit den
Palisadenzellen von Peperomia metallica. Sie sind gleichfalls mit
einer linsenförmig vorgewölbten oberen Membran versehen; die
Chloroplasten liegen auch im unteren Teile der etwas trichterförmig
gestalteten Zelle, während der obere Teil frei bleibt; der Zellkern
ist ebenso wie bei Peperomia gelegen.
Die Unterschiede liegen vor allem an dem regelmäßigen Vor-
kommen der gleich zu besprechenden Kristalldrusen, die der
Peperomia eine noch größere Ausnutzung der Lichtstrahlen er-
möglichen. Diese Drusen aus oxalsaurem Kalk fehlen fast in keiner
Zelle, während sie sonst im Blatte überhaupt nicht vorkommen.
Die einzelnen Spitzen der Drusen sind besonders scharf. Kocht
man ein Blattstückchen in Chloralhydrat, oder legt man es durch
Alkohol und Xylol in Canadabalsam ein, so findet man, daß die
Drusen sich über den einzelnen Gefäßbündeln besonders gut aus-
gebildet finden, sie verlaufen meistens in Reihen zu sechs bis zehn
nebeneinander.
Sonst kommt Kalziumoxalat im Blatt nur in Form von Einzel-
kristallen als Begleiter der Gefäßbündel vor, doch auch nur in
geringer Menge.
Plasma ist in den Palisadenzellen nur spärlich vorhanden;
Schleim fehlt gänzlich.
ı) Haberlandt, Physiol. Pflanzenanatomie. S. 237.
Beihefte Bot. Centralbl. Bd. XXIII. Abt, I, Heft 1, 2
18 Schürhoff, Özellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien.
Das unter der Palisadenreihe liegende Parenchym unter-
scheidet sich vor allem durch die viel kleineren Chlorophylikörner
(Fig. 2, b). Sie befinden sich in wechselnder Anzahl in den Zellen,
ihre Form unterscheidet sie gleichfalls sehr von denen der Palisaden-
zellen: denn während letztere höchstens ein wenig eiförmig sind,
haben diese oft eine längliche, meistens linsenförmige Gestalt; sie
sind von der Seite gesehen manchmal zwei- bis dreimal so lang
wie breit. Die Färbung mit Safranin-Gentianaviolett hat ihnen
dasselbe blaßrote Aussehen verliehen wie den Chloroplasten in
der Palisadenreihe; auch in ihnen sieht man kleine Körnchen, die
sich etwas dunkler rot gefärbt haben, auch zeigen sie deutlich er-
kennbare kleine Vakuolen.
Die Zellkerne unterscheiden sich, wie erwähnt, von denen
der Palisadenreihe dadurch, daß sie oft eine etwas gestreckte Form
annehmen.
Behandelt man einen aus frischem Material hergestellten Quer-
schnitt mit Alkohol zur Entfernung der Luft und des Chlorophylis
und fügt dann Jodlösung hinzu, so findet man, daß die Chloro-
plasten der Palisadenzellen so gut wie gar keine Stärkekörnchen,
oder doch nur sehr kleine enthalten, alle Zellen des chlorophyll-
führenden Parenchyms jedoch mit ziemlich großer rundlicher Stärke
versehen sind. Dies ist ein Zeichen, daß die Assimilationsprodukte
der Palisadenreihe sehr schnell weiter geleitet werden, obgleich
sie doch in bedeutend größerer Menge hier gebildet werden als
im Schwammparenchym. Letzteres kommt als Assimilationsgewebe
der Palisadenreihe gegenüber kaum in Betracht und zeigt doch fast
ausschließlich die Assimilationsprodukte. Diese Tatsache steht in
Einklang mit Haberlandt!): „Und umgekehrt kann bei sehr leb-
hafter Assimilation die Entstehung größerer Stärkeeinschlüsse voll-
kommen unterbleiben, sobald nur die Assimilationsprodukte sofort
nach ihrer Entstehung abgeleitet werden. Dies ist z. B. sehr
häufige bei den Chlorophylikörnern der spezifischen Assimilations-
zellen (der Palisadenzellen) der Fall, während die Chlorophyl-
körner des Schwammparenchyms, der Stengelrinde u. s. w. trotz
geringerer Assimilationstätigkeit die erzeugten Stärkeeinschlüsse
länger in sich aufspeichern.
Bei einem mitteleroßen Blatt ist die mehrschichtige Hypo-
dermis bereits größtenteils entwickelt. Die Palisadenzellen haben
dieselbe Form wie die gänzlich ausgewachsenen Blätter. Die vier
Chloroplasten befinden sich bereits im unteren Teile der Zelle,
während in der oberen Hälfte die Kalziumoxalatdruse schon ent-
wickelt ist. Die Maße sind jedoch überall etwas kleiner wie beim
voll entwickelten Blatte. Der eigenartige Assimilationsapparat ist
also bereits vollkommen fertiggestellt.
Die Chlorophylikörner des Schwammparenchyns scheinen schon
vollkommen entwickelt zu sein, auch hinsichtlich ihrer Größe.
Auch bei einem noch sehr kleinen Blatte von ungefähr
4 mm Breite und 1 cm Länge ist der Chlorophyllapparat schon
ı) Phys. Pflanzenanatomie. 1904. S. 239.
Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien. 19
fertig angeleet, z. T. sind die Kristalldrusen auch schon gebildet.
Die Chloroplasten sind bereits am Grunde der Palisadenzellen ge-
lagert und zeigen gegen die andern Ohlorophylikörner bedeutende
Größenunterschiede.
In diesem Stadium findet eine rege Vermehrung der Palisaden-
zellen statt. Hand in Hand damit geht die Teilung der Chloro-
plasten. Diese verläuft in zweierlei Weise: Entweder überwiegt
die Schnelligkeit der Zellvermehrung oder die der Teilung der
Chloroplasten; daher finden wir denn sowohl ziemlich kleine Zellen
mit z. T. zwei großen Chloroplasten (Fig. 4, e) als auch große, breite
Palisadenzellen mit meistens acht kleineren Chloroplasten (Fig. 4, b).
Natürlich finden wir auch bei den ersteren, je nach dem Fortschritt
der Teilung, drei und vier Chloroplasten (Fig 4,c,d) und bei den
letzteren außerdem wohl vier, fünf, sechs und sieben Chloroplasten.
Diese beiden Arten der Vermehrung der Chlorophyllkörner im be-
stimmten Verhalten zur Zelle finden sich jedoch bei derselben
Pflanze vor.
Die Drusen sind noch sehr klein, sie bestehen meistens nur
aus wenigen Kriställchen, auch in den Zellen, in denen sich die
Anzahl der Chloroplasten bis auf acht vermehrt hat, tritt nie mehr
wie eine Druse auf.
Wenden wir uns nunmehr zur Untersuchung eines sehr jungen
Stadiums. Die Blätter besaßen nur eine Breite von 1,5 mm; sie
waren noch mit den Oberseiten aneinander gelegt, so daß sie für
die Assimilation so gut wie gar nicht in Betracht kamen. Die Länge des
Blattes betrug ungefähr 3 mm. In diesem Zustande war die Epi-
dermis noch nicht zur Bildung der Hypodermis übergegangen. An
der Epidermis befanden sich reichlich Kleine Drüsenhaare; diese
Haare waren ungestielt, jedoch konnte man beobachten, daß
eine stielartige Zelle durch die Epidermis zur Palisadenreihe führt.
Unter der einschichtigen Epidermis befindet sich die Anlage der
Palisadenzellen. Schon in diesem frühen Zustande bemerkt man
eine tiefgrüne Färbung dieser Schicht, die sich vom Parenchym
scharf abhebt. Die Chloroplasten befinden sich z. T. schon in
Vierzahl in diesen Zellen. Sie sind jedoch noch sehr klein und
zeigen häufig eine Einschnürung in der Mitte — Es erhellt
hieraus gleichzeitig, daß wir es mit richtigen Chloroplasten zu tun
haben, denn die einzelligen Algen weisen ein derartiges nachträg-
liches Wachstum nicht auf. Im übrigen stellt die vergleichende
Anatomie der Gattung Peperomia diese Tatsache weiterhin sicher.
— Die Lagerung der Chloroplasten ist noch ohne bestimmte An-
ordnung, die Drusen fehlen selbstverständlich., Die Zellen weisen
auch noch nicht ihre eigentümliche trichterartige Form auf; sie
sind jedoch schon etwas höher wie breit und besitzen ungefähr
den vierten Teil der Längen- und Breitemaße der angewachsenen
Zelle.
Es erhellt hieraus, daß der Beleuchtungsapparat noch nicht
ausgebildet ist. Die Lagerung der Öhloroplasten, die doch auf
Lichtreize zurückzuführen ist, kann natürlich in der zu erwarten-
den Weise noch nicht durchgeführt sein, da das Licht, wegen des
DES
Ad
20 Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien.
Aneinanderneigens der Oberfläche von der Mittelrippe aus, nur von
unten her eindringen kann.
Wir sehen also in den Palisadenzellen von Peperomia metallica
eigenartige Anpassungen, die geeignet sind, kleine Spuren Licht
der Assimilationstätiekeit noch voll dienstbar zu machen. Wie
sehr die Palisadenzellen darauf eingerichtet sind, jede Spur Licht
für sich nutzbar zu machen, zeigt ein Querschnitt durch das ent-
wickelte Blatt. Man erkennt sofort, daß die Zellen des Schwamm-
parenchyms für eine erfolgreiche Assimilationstätigkeit kaum noch
inbetracht kommen. Zudem ist das Schwammparenchym zum
größten Teile mit intensiv rotem Zellsaft erfüllt, sodaß fast jede
Spur Licht absorbiert wird.
2. Peperomia Saundersii D. C.
Ähnliche Verhältnisse wie bei Peperomia metallica treffen
wir bei Peperomia Saundersii. Die Epidermis ist ebenso gebaut
und enthält eleichfalls dieselben Drüsenhaare mit den Wasser-
gewebszellen, sodaß wir hier wahrscheinlich auch von Licht-
perzeptionsapparaten in Sinne Haberlandt’s sprechen können.
Die auf die mehrschichtige Hypodermis des ausgewachsenen
Blattes folgende Palisadenreihe ist auch hier nur eine Zellreihe
hoch; die Zellen sind gleichfalls trichterförmig, aber bedeutend
kleiner wie bei der erstgenannten Art. Auch ist die Trichterform
der einzelnen Zellen bei weitem nicht so charakteristisch aus-
gebildet, was schon durch die enge a u der Zellen neben-
einander verhindert wird.
An der Basis einer kmwodlenmisraele liegen im Querschnitt
sechs bis zehn (bei Peperomia metallica nur zwei bis vier) Palisaden-
zellen.
Bemerkenswert ist an der Hypodermis, daß die an die Pali-
sadenschicht anstoßenden Zellen eine konvexe untere Fläche haben;
durch diese Einrichtung wird eine Vergrößeruug der lichtspendenden
Oberfläche bewirkt.
Haberlandt ist der Ansicht, daß diese Ausbuchtungen den
Wassergewebszellen die Fähigkeit verleihen, als Lichtsinnesorgane
zu dienen: „Endlich!) sind auch die innersten Wassergewebszellen
gegen das Assimilationsgewebe vorgewölbt, also „leichfalls zur
Lichtperzeption geeignet“.
Es sei hier gleich darauf aufmerksam «emacht, daß diese
Ausbuchtungen der Hypodermiszellen bei den im folgenden be-
schriebenen Peperomien in mehr oder minder ausgeprägter Weise
stets vorkommen.
Die Palisadenzellen schließen sich interzellularraumfrei
an die Basis der Hypodermiszellen an, und da sie natürlich der
gewölbten Fläche folgen, so zeigen sie im Querschnitt eine wellen-
förmige Anordnung.
ı) Haberlandt, Die Lichtsinnesorgane etc. S. 117.
Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien. 21
Die Palisadenzellen sind äußerst dicht gelagert und bei einem
vollkommen entwickelten Blatte höchstens von der Größe wie die
eines mittleren Blattes der Peperomia metallica. Sie zeichnen sich
durch intensives Chlorophyll aus; doch waren die Chloroplasten
durchaus nicht größer, als die des Schwammparenchyms, sie kamen
auch nie in Vierzahl vor, sehr häufig ließ sich jedoch für jede
Zelle die Anzahl der Chloroplasten auf acht feststellen. Sie liegen,
genau wie bei Peperomia metallıca, am Grunde bez. in der unteren
Hälfte der trichterförmigen Palisadenzellen. Auch die Kalzium-
oxalatdrusen fehlten nicht. Zum Unterschiede von denen der
Peperomia metallica waren sie bedeutend kleiner, entsprechend der
überhaupt kleineren Zelle, sie waren in jeder Zelle vorhanden,
während sie bei Peperomia metallica, wie erwähnt, nur in ungefähr
der Hälfte aller Zellen vorkommen.
Die Oberflächenansicht, die in derselben Weise, wie bei
Peperomia metallica erwähnt, präpariert wurde, zeigte einerseits
die Verteilung der Kristalldrusen, andererseits ließ sie auch die
konkaven Ausbuchtungen, denen die Palisadenzellen anliegen, gut
erkennen.
Die Zellen des Schwammparenchyms enthielten auch bedeutend
mehr Chlorophyll, als bei der erstgenannten Art, sodaß die Differenz
der Assimilationstätigkeit nicht so groß zu sein scheint wie bei
ETStETET.
Die Entwicklungsgeschichte verläuft ähnlich wie bei Peperomia
metallica. In einem der Figur V analogen Zustande sieht man
‚ziemlich dasselbe Bild, nur fällt es auf, daß das Chlorophyll der
Palisadenschicht sich so gut wie gar nicht von dem des Schwamm-
parenchyms abhebt. Der Unterschied zwischen der Anlage der
Palisadenschicht und des Schwammparenchyms charakterisiert sich
nur durch die gestreckte Form der ersteren und die Interzellular-
räume der letzteren.
Bei der weiteren Entwicklung des Blattes bildet sich all-
mählich die Trichterform der Palisadenzellen hieraus; zugleich
wandern die Chloroplasten in den unteren Teil der Zelle, während
im oberen Teile die Kristalldruse erscheint.
3. Peperomia cordifolia D. ©.
Bei Peperomia cordıfolia finden sich in der Epidermis der
Blattoberseite Ölzellen, die meistens in einer kleinen Einsenkung
liegen. Unter dieser Sekretzelle liegt eine, selten zwei zugehörige
Hypodermiszellen, deren untere Wand (wenn zwei derartige Hypo-
dermiszellen vorhanden sind, jedoch nur die Wand der untersten)
linsenförmig ausgebuchtet ist. Die Zelle ist meist 1!/, bis 21/, mal
so hoch wie breit.
Das Schwammparenchym ist verhältnismäßig stark ausge-
bildet, es ist im Querschnitt ungefähr doppelt so groß wie die
Hypodermis. Die Basis der unteren Hypodermiszellen ist gewölbt,
sodaß die ihr anliegenden Palisadenzellen im Querschnitt ebenfalls
die wellenförmige Anordnung zeigen, wie es schon für Peperomia
22 Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien.
Saundersii erwähnt wurde. Die Palisadenzellen haben eleichfalls
trichterförmige Gestalt; sie liegen zu 6—10 auf dem Querschnitt
an einer Hypodermiszelle. Jede Palisadenzelle enthält eine Kal-
ziumoxalatdruse von mittlerer Größe. Die Chloroplasten unter-
scheiden sich durch ihre Größe kaum von denen des Schwamm-
parenchyms.
Die Unterseite des Blattes ist mit zahlreichen dünnwandigen
Haaren besetzt. Die Haare bestehen aus 6—10 Zellen von ziem-
lich gleichem Durchmesser. Die Basalzelle ist nicht über die
Epidermis vorgewölbt.
Außerdem finden sich an der Blattunterseite zahlreiche Drüsen-
köpfchen, die in die Epidermis eingesenkt sind; sie sind denen der
Blattunterseite von Peperomia metallica und Saundersii gleich.
4. Peperomia resedaeflora Lind. et Andr.
Sowohl die Blattoberseite wie die Unterseite von Peperomia
resedaeflora ist mit zahlreichen einzelligen und diekwandigen Haaren
versehen. Diese Haare sitzen in der Mitte auf einer Basalzelle,
die ziemlich vorgewölbt ist; diese Basalzelle wird von Haber-
landt als Lichtsinnesorgan angesprochen. Die Seitenwände dieser
Zelle sind einwärts gerichtet, die Innenwand ist nicht vorgewölbt.
Unter den Basalzellen der Blattoberseite befindet sich nun ent-
weder eine Ölzelle oder eine etwas höhere Wassergewebezelle.
„Die!) Zweizelliekeit dieses Lichtperzeptionsorgans (die Haarzelle
kommt nicht inbetracht) und die dadurch bedingte nicht unbeträcht-
liche Höhe desselben hängt augenscheinlich mit dem Umstand zu-
sammen, daß die obere als Sammellinse fungierende Zelle keine
stark vorgewölbte Außenwand besitzt, infolgedessen ihr Brenn-
punkt tief unten im Wassergewebe liegt.“
Hypodermis und Schwammparenchym zeigen im Querschnitt
ungefähr dieselbe Dicke. Die Palisadenzellen sind ebenfalls auf
dem Querschnitt wellenförmig der Basis der unteren Hypodermis-
zellen angereiht und zwar meist zu 5—8 Stück an einer Hypo-
dermiszelle Die Palisadenzellen haben ebenfalls die trichter-
förmige Gestalt, wie sie für die anderen Peperomien im vorher-
gehenden beschrieben: wurde. ‚Jede dieser Zellen enthält eine ver-
hältnismäßig große Kalziumoxalatdruse. Die Chloroplasten besitzen
keine besonders auffallende Größe; sie sind in unbestimmter Zahl
in jeder Zelle vorhanden. Meistens sind sie so zahlreich, daß sie
beinahe die ganze Palisadenzelle ausfüllen, sodaß nur ein kleiner
Teil, etwa das obere Drittel, frei bleibt, in diesem Teile liegt dann
auch die Kristalldruse.
5. Peperomia rubella Hook.
Auch die Epidermis des Blattes der Peperomia rubella ist für
Lichtwirkungen eingerichtet. Sowohl die Oberseite wie die Unter-
ı) Haberlandt, Die Lichtsinnesorgane ete, S. 115,
Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien. 93
seite des Blattes ist mit zahlreichen Haaren versehen, die sich
durch eine große Basalzelle mit halbkreisförmiger Vorwölbung aus-
zeichnen; auf der Mitte dieser Zelle setzt sich das dünnwandige
teils einzellig kegelförmige, teils mehrzellive Haar an. Die Basal-
zelle ist an der Oberseite des Blattes häufig tangential in zwei
Zellen geteilt.
Die Hypodermis ist im Verhältnis zum Schwammparenchym
sehr stark entwickelt, sie zeigt ungefähr die doppelte Dicke des
letzteren. Die Palisadenzellen haben ebenfalls wieder die be-
schriebene ei- bez. trichterförmige Gestalt und sind der Basis einer
jeden Hypodermiszelle zu je 5—10 (auf dem Querschnitt) wellen-
förmig angelagert.
_ Alle Palisadenzellen enthalten in der oberen chlorophylifreien
Hälfte eine Kalziumoxalatdruse. Die untere Hälfte ist mit den
Chloroplasten erfüllt, die anscheinend in wechselnder, nicht be-
stimmter Anzahl vorkommen. Die Größe der Chloroplasten ist
nicht besonders auffallend.
6. Peperomia arifolia Mig.
Auch Peperomia arifolia besitzt in der Epidermis der Öber-
seite ein Organ, das zur Lichtperzeption bestimmt scheint. Jede
Epidermiszelle der Blattoberseite ist nach außen halbkugelig vor-
sewölbt, während die Epidermiszellen der Blattunterseite nur ein
klein wenig nach außen ausgebuchtet sind.
Die Blattoberseite ist meistens mit Algen zahlreich besiedelt,
da sich in den Tälern zwischen den halbkugelförmigen Zellen fast
stets Wasser ansammelt. Die vorgewölbten Flächen der Epidermis-
zellen sind jedoch nicht von den Algen besiedelt (es kommen vor
allem einzellige kleine ovale Algen von der Größe der Chlorophyll-
körner vor), sodaß dem Lichteffekt nicht Abbruch getan wird.
Beide Blattseiten sind vollständig unbehaart.
Die Hypodermis ist etwa anderthalbmal so dick wie das
Schwammparenchym. Die Palisadenzellen sind gleichfalls trichter-
förmig und liegen der Basis der Hypodermiszellen in Wellenlinien
an, jedoch zeigen diese Wellen nur eine geringe Ausbuchtung.
Die Palisadenzellen enthalten stets eine Kalziumoxalatdruse und
im unteren Teile die Ohloroplasten; ihre Zahl beträgt ungefähr 12
für jede Palisadenzelle. Außerdem enthält die große Mehrzahl
dieser Zellen einen oder mehrere prismatische oder tafelförmige
Kristalle, die jedoch nicht aus Kalziumoxalat bestehen.
Wir finden also als übereinstimmende Merkmale, soweit diese
auf Lichtwirkungen sich beziehen, bei den aufgezählten Peperomien
teils Ozellen im Sinne Haberlandts, nämlich bei
Peperomia metallica: Drüsenhaare mit zugehörigen Wassergewebs-
zellen. (Beziehungsweise auch die von Haberlandt ange-
gebenen Bildungen der Epidermis);
94 Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien.
Peperomia Saundersü.: Drüsenhaare wie bei Peperomia metallea;
Peperomia cordifoha: Sekretführende Epidermiszellen mit zuge-
hörigen Hypodermiszellen;
Peperomia resedaeflora: Basalzelle der einzelligen Haare mit den
zugehörigen Hypodermiszellen;
Peperomia rubella: Basalzelle der ein- und mehrzelligen Haare oft
mit darunter liegender Hypodermiszelle, wie bei Peperomia
resedaeflora;
Peperomia arifoha: Papillöse Epidermis;
teils finden wir Lichtkondensoren und zwar bei allen genannten
Peperomien in prinzipiell gleicher Zusammenstellung und Wirkung,
nämlich:
1) durch die Trichterform der Palisadenzellen wird das Licht
auch bei seitlichem Einfall auf die am Grunde des Trichters ge-
lagerten Chloroplasten reflektiert;
2) wirkt die obere konvexe Wand der Palisadenzelle als Linse;
3) bewirkt die Kristalldruse, daß die durch den linsenförmigen
oberen Teil der Zelle konzentrierten Lichtstrahlen auf alle Chloro-
plasten gleichmäßig dispersiert werden.
Es ist jedoch noch eine offene Frage, ob die Einrichtung der
trichterförmigen Assimilationszellen eben nur als Lichtkondensor
der Assimilation zu gute kommt, oder ob nicht auch die Palisaden-
zellen als „Ozellen“ dienen. Für einige Selaginellen!), die gleich-
falls diese trichterförmigen Assimilationszellen besitzen, indem sich
die Epidermiszellen dazu umgewandelt haben, nimmt Haberlandt
dies auch an. Alle Verhältnisse von S. Martinii z. B. treffen
auch für die Peperomien zu, am auffallendsten für Peperomia
metallica. Dienen wirklich die Trichterzellen bei einigen sSela-
ginellen zur Lichtperzeption, so liegt nichts im Wege, diese Eigen-
schaft auch den gleichartigen Assimilationszellen der Peperomien
beizulegen. Vielleicht ist die Einrichtung der Palisadenzellen zu
beiden Zwecken vorhanden, wie Haberlandt für Schistostega
auch annimmt (S. 103).
Dient die eigenartige Ausbildung der Trichterzellen der
Peperomien jedoch nur als Lichtkondensor, so muß als höchst
wahrscheinlich angenommen werden, daß bei anderer Beleuchtungs-
richtung, z. B. von der Blattunterseite, sich die Lage der Chloro-
plasten und der Kristaldrusen ändern würde Wirkt die Einrichtung
aber als Lichtperzeptionsapparat, wenn auch nur zum Teil, so muß
die Anordnung in den Assimilationszellen stets dieselbe bleiben.
Zum Versuch wurden die Blätter von Peperomia metallica
und Peperomna Saundersii abgeschnitten und in feuchten Petri-
Schalen auf mattes schwarzes Papier gestellt und zwar mit der
Blattoberseite nach unten. Die Schalen wurden dem diffusen Tages-
licht ausgesetzt, jeden Abend wurden Blattquerschnitte hergestellt.
Die Lage der Chloroplasten in dem unteren Teile der trichter-
förmigen Palisadenzelle blieb jedoch erhalten, ebenso blieb die
!) Haberlandt, Die Lichtsinnesorgane etc. S. 103.
Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien. 95
Kristalldruse an ihrem Platze oberhalb der Chloroplasten. Das
Schwammparenchym ließ ebenfalls keine Anderung erkennen, nur
die Spaltöffnungen der Blattunterseite wurden lebhaft grün.
Hieraus ergibt sich nach der im vorhergehenden angestellten
Überlegung, daß die Eigenart der Palisadenzellen nicht nur auf
eine bessere Lichtausnutzung abgestimmt ist.
Endlich scheint es einer gewissen Bedeutung nicht zu ent-
behren, daß bei Peperomia metallica, bei der die Palisadenzellen
gewissermaßen als Typus ausgebildet sind, die Drusen nur über
den Nerven auftreten. Denn nehmen wir nunmehr an, daß die
Trichterzellen in ihrer vollkommenen Ausbildung mit den Kristall-
drusen zumteil auch als ÖOzellen fungieren, so müssen wir nach
unsern bisherigen Kenntnissen annehmen, daß die Reizleitung etwa
durch bestimmte Elemente der Gefäßbündel vermittelt wird, oder
wenigstens die Reizleitunge in den prosenchymatischen Zellen der
Gefäßbündel besser und schneller von statten geht.
Die Gefäßbündel bei Peperomia metallica sind nicht besonders
kräftig ausgebildet; auf der Ober- und Unterseite werden sie durch
ein bis zwei Zellschichten schwachen Kollenchyms geschützt. Die
obere Kollenchymlage, die sich durch etwas größere Zellen aus-
zeichnet, grenzt unmittelbar an die mit Kristalldrusen versehenen
Palisadenzellen.
Endlich läßt sich aus der Verteilung des Kalziumoxalats noch
schließen, daß den Kristalldrusen eine wesentliche Bedeutung als
Bestandteil des Lichtperzeptionsapparates der Peperomien zukommt.
)
Erklärung der Tafeln.
Fig. 1. Schräger Querschnitt durch das Blatt von Peperomia metallica. Photo-
gramm 250 :1.
„ 2. a Querschnitt durch die Palisaden eines voll entwickelten Blattes;
b Chlorophylikörner desselben Blattes aus dem Schwammparenchym,
Beide nach frischem ungefärbtem Material. Vergr. 500:1,
„ 93. @ Querschnitt durch die Palisaden eines mittelgroßen Blattes;
b Chlorophyllkörner desselben Blattes aus dem Schwammparenchym.
Beide Abbildungen nach frischem, ungefärbtem Material. Vergr. 500: 1.
„ 4. Aus einem Blatt von 4 mm Breite und 1 cm Länge. « Ühlorophylil-
körner des Schwammparenchyms, 5b und ce Palisadenzellen im Quer-
schnitt, d und e Palisadenzellen in der Oberflächenansicht. Vergr. 500 .:1.
„ 5. Querschnitt durch die Palisadenzellen eines sehr jungen Blattes, frisches
Material, ungefärbt. Vergrößerung 500:1.
„ 6. Querschnitt durch die Randpartie eines entwickelten Blattes von Pepe-
romia melallica. Photogramm. «a Drüsenhaar; 5b Palisadenzellen ;
ce Kristalldrusen; d Gefäßbündel; e Chloroplasten. Vergr. 100:1.
„ 7. Querschnitt durch die Palisadenzellen eines voll entwickelten Blattes
von Peperomia Saumndersii, gefärbt mit Säurefuchsin. « Hypodermiszelle;
b Palisadenzellen; e Schwammparenchym. Vergr. 500 :1.
„ 8. Peperomia cordifola. Palisadenzellen, Mikrotomschnitt, gefärbt mit
Säurefuchsin, Vergr. 500:1,
26
Schürhoff, Ozellen und Lichtkondensoren bei einigen Peperomien.
Fig. 9. Querschnitt durch die Palisadenzellen von Peperomia resedaeflora.
10.
Jul
12.
13.
a Hypodermiszelle; b Palisadenzellen; ce Schwammparenchym.Vergr.500:1.
Peperomia rubella. Haare der Blattoberseite. Vergr. 250:1.
Peperomia rubella. Palisadenzellen nach einem Mikrotomschnitt mit
Säurefuchsin gefärbt. Vergr. 500:1.
Peperomia arifolia. Palisadenartig vorgewölbte Epidermiszellen der
Blattoberseite (die Epidermiszellen der Unterseite des Blattes sind un-
gefähr doppelt so lang wie hoch und nur wenig vorgewölbt, vergleiche
übrigens Taf. I, Fig. 5 bei Haberlandt: die Lichtsinnesorgane etc.).
Vergr. 500:1.
Peperomia arifolia. Palisadenzellen. Mikrotomschnitt, mit Säurefuchsin
gefärbt. Vergr. 500:1.
P. Schürhoff gez.
Verlag von 6. Heinrich in Dresdon-N
Iun IN
Lilli. Anst,v. Johannes Arndt, Jena.
u
In
Taf. I.
Beihefte zum Botarüschen Centrelblatt Bd. XXI AbET.
Lith. Anst,v. Johannes Arndt, Jena,
Verlag von G.Heinrich in Dresden-N,
P.Schürhoff gez.
21
Zur Deutung der weiblichen Blüten
der Cupressineen
nebst Bemerkungen über Cryptomeria.
Von
Dr. Aug. Bayer,
Pribram, Böhmen.
Mit Tafel IV.
Wenn wir die zahlreiche Reihe von Arbeiten und Studien,
welche die Morphologie der weiblichen Konrferen-Blüten zum Gegen-
stande haben, überblicken, so erkennen wir, daß die größte Auf-
merksamkeit der Erklärung der Fruchtschuppe der Abietineen ge-
sewidmet wurde, wogegen die anderen Koniferengruppen meist
nur flüchtix behandelt wurden. Durch viele Beobachtungen ist
man, was die erwähnte Familie anbelangt, zu einem positiven Er-
folge gelangt, sodaß in der jetzigen Zeit die morphologische Deutung
der Fruchtschuppe bei den Abietineen völlig klar vor Augen liegt.
Es wurde bewiesen, daß bei den Konzferen überhaupt zweierlei
Grundtypen der weiblichen Blüten vorkommen: einmal stehen
die Samenanlagen (Eichen) auf der Fläche einer Schuppe oder in
deren Achsel auf der Achse erster Ordnung, d. h. die
„Fruchtschuppe“ stellt ein einfaches Fruchtblatt vor (z. B.
bei Phyllocladus, Microcachrys);, das anderemal stehen sie auf der
Achse zweiter Ordnung, d.h. die „Fruchtschuppe“ erscheint
aus einer Stützbraktee und aus einem eigentlichen, hinter der-
selben stehenden, einem axillaren verkümmerten Sprosse ange-
hörenden Fruchthlatte (eventuell aus zwei oder mehreren Frucht-
blättern) mehr oder weniger deutlich zusammengesetzt.
Auf Grund dieser sehr bemerkenswerten Tatsache, welche
augenscheinlich für die ganze Koniferen-Systematik als grund-
sätzlich wichtig angesehen werden und darum zum Teilungsgrunde
gemacht werden muß, resultiert eine, von der bisher anerkannten
etwas abweichende Verteilung der Gattungen in der Familie der
Koniferen (17).
28 Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen ete.
Der ganzen Gruppe der Oupressineen wurde bisher in Bezug
auf die Deutung der „Fruchtschuppe“ eine unverdient kleine Auf-
merksamkeit gewidmet. Es ist ersichtlich, daß im der ganzen
Gruppe, so wie sie von Eichler aufgefaßt wurde (4), die Frucht-
schuppe nirgends so deutlich aus zwei morpholoeisch ver-
schiedenen Teilen (der Stützbraktee und dem Fruchtblatte) zu-
sammengesetzt erscheint, wie es bei den Abietineen der Fall
ist. Die „Fruchtschuppe der Cupressineen weist eine gewisse
Kompliziertheit in der Fruchtreife nur insoweit auf, als ihr innerer
Teil oberhalb der Eichen meistenteils bedeutend anschwillt und
hervorwächst, sodaß manchmal eine stark hervorragende kamm-
artige Wulst entsteht, auf deren äußerer Fläche dann die
Fruchtschuppenspitze als ein mehr oder weniger deutlich abge-
sondertes Anhänesel aufsitzt, weshalb hier dem Anschein nach eine
zusammengesetzte „Fruchtschuppe“ vorkommt; die äußerlich
aufsitzende Spitze wird als eine Stützbraktee, der innere
wulstige Teil als ein Fruchtblatt gedeutet.
Bevor wir an die Behandlung einiger Vertreter der Cupres-
sineen herantreten, möge ein Himblick auf die Gruppe der 7axo-
dineen gestattet sein. Von Velenovsky (17) wurde bereits der
Beweis erbracht, daß bei den Taxodineen-Gattungen Seguoia,
Arthrotaxis, Sciadopitys, Ounninghamia ganz ähnlich wie bei Arau-
caria und Agathrs eine ganz einfache „Fruchtschuppe“ vor-
kommt, welche als ein Fruchtblatt zu deuten ist. Die
Gruppe der Taxodineen erscheint darnach unnatürlich und muß
aufgehoben werden, weil die übrigen, früher hierher &ezählten
Gattungen wiederum andere Blütenverhältnisse besitzen.
Eichler (2) macht auf die Ähnlichkeit der inneren Frucht-
schuppenverdickungen bei Taxodium, Sciadopitys, Oryptomeria auf-
merksam, und will in ihrer Größe und Ausbildung einen gewissen
Übergang ersehen, wodurch er seine Ansicht begründet, daß alle
diese Bildungen mit der zusammengesetzten Fruchtschuppe der
Abietineen homolog sind.
In welch’ überraschender Weise aber eine solche äußere
Ähnlichkeit zu irrigen Schlüssen führen kann, zeigt sich am besten
bei der Gattung Oryptomeria. Die „Fruchtschuppe“ von Orypto-
merta unterscheidet sich von derjenigen bei Arthrotaxıs nur dadurch,
daß die wulstige Anschwellung oberhalb der Eichen bei Oryptomeria
in einige (2—6) Zähne gespalten, also in der Form eines
Kammes („Crista“) ausgebildet sind. Die wahre morpho-
logische Natur der ganzen „Fruchtschuppe“ ist dennoch bei den
beiden Gattungen eine völlig verschiedene. Indem bei Arthro-
taxis die „Fruchtschuppe“* ein einfaches Fruchtblatt vor-
stellt, dessen innerer Teil wulstartig angeschwollen ist,
hat der kammartige Wall bei Oryptomeria (Fig. 1, cr) eine ganz
andere Bedeutung: er ist so vielen zusammengewachsenen
Phyllomen eines axillaren Fruchtsprosses (dessen Achse
zur Verkümmerung gelangte) gleichwertig, wie viele Zähne
er besitzt; die anhängselartige Blattspitze, welche dem
Rücken des Kammes aufsitzt (Fig. 1, b), stellt eine Stützbraktee
Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen ete.. 29
dieses Fruchtsprosses vor. Diese Erklärung, welche für die
Oryptomeria-Fruchtschuppe von Velenovsky (17) gegeben wurde,
wird durch das Verhalten der „Fruchtschuppen“ auf den häufig
vorkommenden durchgewachsenen Zapfen und durch die
Stellung, Zahl und Orientierung der Gefäßbündel bestätigt.
Weil das Erkennen der wahren Natur der „Fruchtschuppe“
von Cryptomeria für die Lösung der Frage von dem Blütenbau
der ganzen Aoneferen-Familie von größter Wichtigkeit ist, sei es
gestattet, einige Beobachtungen als Beweis für die Richtigkeit der
oben angeführten Deutung der Fruchtschuppe anzuführen.
Eine sehr häufige Erscheinung bei Oryptomeria sind durch-
sewachsene Zapfen (Fig. 1). Die oberen Schuppen eines solchen
Zapfens verlieren plötzlich die innere kammartige Anschwellung
und gleichzeitige verschwinden immer auch die Samenanlagen —
wie dies übereinstimmend ebenfalls von Velenovsky (17) be-
obachtet wurde —, was uns klar und deutlich belehrt, daß zwischen
den beiden Bildungen, der „Crista“ und den Eichen, ein
Zusammenhang besteht.
Unterhalb der fertilen Fruchtschuppen stehen einige breitere
Schuppen, welche nach unten allmählich in die normale nadelförmige
Form übergehen. Von den letzteren Schuppen pflegen einige in
ihrer Achsel manchmal kleine Knospen oder sterile Ästehen zu
tragen (Fig. 1, sı). Solche sterile Axillarsprosse (Fig. 3—6) be-
einnen immer mit zwei gegenüberstehenden lateralen Blättchen
(Prophylla a, £), das dritte Nadelblatt (c) steht adossiert, das
vierte (d) auch fast in der Mediane dem adossierten gegenüber.
Die folgenden Phyllome stehen in der normalen spiraligen Stellung.
Sind solche Achselknospen verkümmert (Fig. 4—6), so pflegen die
Prophylla a, $# auffallend vergrößert und in der Mediane
hinter der Stützbraktee mehr oder weniger einander genähert
zu Sein, jasie berühren sichnicht einmal mit ihren Rändern,
während sie an der, der Achse zugewandten Seite von einander
weiter entfernt sind (Fie. 6 .. Das dritte Phyllom (ec) ist m der
Regel bedeutend kleiner, das vierte (d) dagegen etwas größer.
Die anderen Blättchen pflegen oft ganz rückgebildet zu sein.
In der Vergrößerung und Annäherung in der Mediane der
ersten zwei Blättchen des Axillarsprosses sehen wir ganz analoge
Verhältnisse, wie man sie bei den durchgewachsenen Zari.xr-Zapfen
wahrnimmt (16), mit dem Unterschiede, daß die transversalen
Schuppen bei Uryptomeria mit ihren vorderen, bei Larix dagegen
mit den hinteren (der Achse zugekehrten) Rändern zu einander
rücken.
Verkümmerte sterile Achselknospen findet man öfter auch in
der Achsel der Schuppen, welche auf den durchgewachsenen Zapfen
oberhalb der eigentlichen ‚„Fruchtschuppen“ folgen (Fig. 1, sa, 53).
Das gleichzeitige Verschwinden der „Crista“ und der
Eichen und das Erscheinen der sterilen Achselknospen
anstatt der „ÖUrista‘“ sowohl oberhalb, als auch unterhalb der
fertilen „Fruchtsehuppen“ läßt mit voller Sicherheit annehmen,
daß die „Crista“ der „Fruchtschuppe“ mit den Blättern
30 Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Cupressineen ete.
eines Axillarsprosses gleichwertige und zwar aus so vielen
zusammengewachsenen Schuppen des letzteren entstanden
ist, in wieviele Zähne sie gespalten erscheint. Die nach
außen abgelenkte Spitze der Fruchtschuppe stellt die Stütz-
braktee vor.
Die Richtiekeit dieser Deutung der „OUrista“ wird sehr schön
durch die anatomischen Verhältnisse illustriert. Wenn die Zähne
der „Orista“ als Phyllome einer verkrümmten Achse angehören,
so müssen sie auch zu derselben wie zu ihrem Zentrum orientiert
sein. Die Querschnitte durch die ganze „Fruchtschuppe“ lassen
wirklich so viele deutlich gesonderten Gefäßbündel erkennen, aus wie
vielen Phyllomen (die Stützbraktee mitgerechnet) die ganze Frucht-
schuppe zusammengesetzt ist (Fig. 2). Alle Gefäßbündel sind so
gestellt, daß ihr Xylem nach innen, das Phloöm nach außen gekehrt
ist, wie es auch die ursprüngliche Stellung einzelner Phyllome vor-
aussetzt. Man vergleiche auch die Abbildung, welche Warming
(Hdb. d. system. Botanik, S. 186, Fig. 249) zeichnet, wo er auf
einem Länesschnitte durch die Mitte der Fruchtschuppe ganz
deutlich die umgekehrte Orientierung des Holzteiles und des Bast-
teiles wiedergibt. Er sagt auch richtig: „Die Leitbündel, welche
in die Deckschuppe eintreten, wenden das Holz aufwärts und den
Bast abwärts, wie sonst in einem Blatte; die Leitbündel, welche
in die Fruchtschuppe hinaufgehen, haben die umgekehrte An-
ordnung von Holz und Bast.“
Die Gattung Cryptomeria bietet uns also so viel Material,
und zwar nicht abnormer, sondern ganz normaler Natur, dab
sie allein zur Bestätigung der Sproßtheorie der Abietineen dienen
kann. Man braucht nicht einmal die abnormen durchgewachsenen
Zapfen von Larix und anderen Abvetineen zu kennen, um sich denn-
noch eine richtige Vorstellung davon zu machen, in welcher Weise
die zusammeneesetzte „Fruchtschuppe“ entstanden ist. Und doch
wurde Oryptomeria in eine Gruppe eingereiht, wo an der Kom-
pliziertheit der Fruchtschuppe gezweifelt wurde.
Wie die Gattungen der Gruppe Taxodineae einen abweichen-
den Blütenbau besitzen, so scheint auch die Gruppe der Oupressineae
betreffs der weiblichen Blüten einer gründlichen Erklärung zu bedürfen.
Von den (Oupressineen-Gattungen habe ich besonders dem
Juniperus meine Aufmerksamkeit zugewendet. Die ungewöhnliche
gegenseitige Stellung der Samenanlagen und der Fruchtblätter
wurde auf mannigfache Weise gedeutet. Wie überhaupt die Blätter
bei Juniperus in dreizähligen Quirlen stehen, so besteht auch der
weibliche Blütenzapfen aus einigen Quirlen von gewöhnlichen,
sterilen Deckschuppen, auf welche in der normalen Blüte ein drei-
zähliger Wirtel von „Fruchtschuppen“ folgt, mit welchem dann
drei Samenanlagen alternieren.
Ohne auf die historische Entwicklung der Ansichten über die
morphologische Bedeutung einzelner Blütenteile einzugehen, wollen
wir nur den jetzigen Stand dieser Frage hervorheben. Gegen die
Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen etc. 3]
vonPayer, Eichler, Oerstedt stammende und von Strasburger
verteidigte Ansicht, daß von den Eichen je eins zu einer Frucht-
schuppe gehöre und diese deswegen die Natur eines Frucht-
blattes besitze — stellt man die Art und Weise der Verwachsung
der Eichen mit den Fruchtschuppen in den jüngsten Entwicklungs-
stadien, und dann den Umstand, daß die Eichen von Anfang an
in alternierender Stellung mit den „Fruchtschuppen“ angeleet werden,
ohne daß irgend eine Orientierung zu diesen „Fruchtschuppen“
zu sehen wäre. Aus diesen Verhältnissen schließt man, daß die
Samenanlagen einfach umgebildete Fruchtblätter vorstellen!), wobei
selbstverständlich dem nächsten Schuppenquirl (den „Fruchtschuppen“)
bloß der Charakter von Deckschuppen (Brakteen) zuzuschreiben wäre.
In diesem Sinne wurde unlängst eine Arbeit von Kubart (6)
veröffentlicht. Man muß anerkennen, daß sich dieselbe auf gründ-
liche und fleißige Beobachtungen stützt und viele gute Gedanken
enthält, doch beruht sie betreffs der morphologischen Deutung der
weiblichen Junzperus-Blüte auf einer Methode, welche in ihrer
Isoliertheit in der vergleichenden Morphologie nicht zu einem ver-
läßlichen Resultate führen kann. Man bestrebt sich nämlich zur
morphologischen Deutung einzelner Teile des Blütenzapfens durch
das Studium der Anatomie und ÖOntogenie zu gelangen. Doch es
genügt nachzusehen, welcher Weg zu der schon allgemein an-
erkannten Deutung der Fruchtschuppe der Abietineen geführt hatte,
um zu erkennen, was für eine Methode auch in unserem Falle an-
zuwenden sei. Das Studium der Entwicklungsgeschichte und Ana-
tomie hatte für die Sproßtheorie der Fruchtschuppe der Abvetineen
keine ereifbaren Erfolge geliefert, denn das eigentliche Fruchtblatt
wird in der Jugend ganz in derselben Weise wie die Deckschuppe
angeleet, und doch kann jenes keineswegs für ein einfaches Phyllom
sehalten werden, weil es in der Achsel eines wirklichen Blattes
steht. Zum Ziele hat nur das Studium der fertigen Organe, die
Vergleichung derselben, das Aufsuchen der homologen Glieder
und vorallem das vergleichend-morphologische Studium der
Abnormitäten geführt. Das ist auch unserer Meinung nach der
einzige Weg, welcher zu morphologisch richtigen Schlüssen
führen kann, wenn man vor der Aufgabe steht, die Zusammen-
stellung der Junvperus-Blüte und die Deutung einzelner Teile der-
selben aufzuklären.?) —
Die weiblichen Blütenzapfen von Juniperus communis weisen
eine fast auffallende Regelmäßigkeit in ihrer Zusammensetzung auf.
Abweichungen von dem normalen Blütenbau findet man verhältnis-
mäßig selten; sehr viele von denselben haben auch entweder gar
keinen, oder nur einen sehr kleinen morphologischen Wert. Man
muß deswegen eine ungemein große Anzahl von Blüten von ver-
) Eine schon von Mohl (7) und Sachs (Lehrbuch 1873) ausgesprochene
Ansicht.
2) Betreffs der Methoden der vergleichenden Morphologie vergleiche man:
Pax (Allgemeine Morphologie der Pflanzen. 1890. S. 11 „... Die Entwicklungs-
geschichte zeigt unmittelbar, wie ein Organ entsteht, nicht was es ist“) und
Velenovsky (18).
32 Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Cupressineen ete.
schiedenen Standorten der Untersuchung unterwerfen, um einige
wichtige Abweichungen zu finden!).
Diese Abweichungen in dem Blütenbau sind hauptsächlich
zweierlei Art. Man findet öfter, daß die Schuppen (und ebenso
auch die Samenanlagen) des ganzen Blütenzapfens im zweizähligen
Quirlen stehen. Dabei ist aber sonst die Stellung der einzelnen
Teile so regelmäßig wie bei einer normalen Blüte, sodaß solche
Abweichungen keine Bedeutung für die Aufklärung der Blüten-
verhältnisse haben.?)
Viel wichtiger erscheinen solche Abnormitäten, wo die Zahl
der Samenanlagen vergrößert oder reduziert ist und wo
neue „Fruchtschuppen“ zu den schon vorhandenen dazutreten.
Wir wollen nun die aufgezeichneten Diagramme kurz er-
klären, bevor wir an ihre morphologische Deutung herantreten.
Fig. 7. Mit dem normalen Fruchtblätterwirtel (ca, &, €)
stehen drei Samenanlagen in Alternation, doch ist noch ein Eichen
(0,) entwickelt, welches ein wenig nach außen zwischen die zwei
Fruchtblätter (cı und c;) verschoben ist. Alle vier Samenanlagen
sind gut entwickelt und fast gleichgroß.
Fig. 8. Ein ähnlicher Fall, aber mit fünf entwickelten Eichen;
das fünfte (0,) ist zwischen die Fruchtblätter c, und c; verschoben.
Fig. 10. Zwei alternierende dreizählige Wirtel von Frucht-
blättern. Mit dem inneren Wirtel drei Eichen in normaler Alter-
nation, eine Samenanlage (o,) kleiner, zwischen die Fruchtblätter
6, und c; eingekeilt und mit c; seitlich verwachsen.
Fig. 11. Ein analoger Fall. Von den Fruchtschuppen des
inneren Wirtels trägt die Schuppe c, und c; je eine seitlich an-
gewachsene Samenanlage, welche nur rudimentär entwickelt ist.
Außerdem drei normal gestellte und ausgebildete Eichen.
Es fragt sich nun, auf welche Weise man die angeführten
Fälle morphologisch erklären soll? Im Sinne der Theorie, daß
eine jede Samenanlage ein ganzes umgebildetes Frucht-
blatt vorstellt, müßte man annehmen, daß die dickeren und
deutlich unterschiedenen Fruchtblätter 4—c; nichts anderes sind
als bloße Deckschuppen (Brakteen), welche weder morpho-
logisch noch physiologisch von den unteren verschieden sind.
1) Die aufgezeichneten Fälle haben insgesamt den Charakter der s. g.
morphologischen Abnormitäten (siehe Velenovsky 18), welche auf ganz
gesunden Pflanzen zwischen vielen normalen Blüten gefunden wurden und
gewiß ohne Einfluß irgend einer Krankheit entstanden sind. Pathologische
Abnormitäten, sowie auch solche, welche augenscheinlich nur zufällig ent-
standen sind, wurden überhaupt nicht berücksichtigt. — Ich habe fast
nur solche Beobachtungen zu der Beweisführung benutzt und dieselben auf-
gezeichnet, welche ich mehrmals gefunden habe. Auf nur einmal gefundene
Abweichungen habe ich meist verzichtet und darum nur einige wenige Bilder
ausgewählt, welche die geschilderten Verhältnisse klar und deutlich veran-
schaulichen.
2) Das Vorkommen von zweizähligen Blütenzapfen wurde mehrmals be-
obachtet, so z. B. von Schröter (12) u. a.
Es steht öfter in der Achsel von zwei Nadeln desselben Quirls je ein
zweizähliger Blütenzapfen, welcher aus sechs Paar Deckschuppen, einem Paar
Fruchtschuppen und einem Paar mit den letzteren alternierenden Eichen besteht.
Man bemerkt auch nicht selten sterile Ästchen mit zweizähligen Nadelquirlen,
Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen et. 33
Das Diagramm Figur 7 und 8 könnte vielleicht eine derartige
Erklärung zulassen, daß ein neuer Wirtel von Fruchtschuppen hin-
zugekommen ist, welche sämtlich zu Eichen umgewandelt sind, von
denen jedoch in der Fieur 7 zwei, in der Figur 8 nur eins zur
Abortierung gelangte. Doch eine solche Erklärung paßt für den
Fall Figur 10 und 11 überhaupt nicht; man müßte ja annehmen, daß
hier an der Ausbildung des Blütenzapfens vier dreigliederige
Wirtel teilnehmen. Der unterste von ihnen hält völlig den
Charakter von sterilen Deckschuppen bei, der zweite (welcher
mit dem ebengenannten alterniert) ist zu Eichen umgebildet
(von denen doch zwei oder eins fehlgeschlagen hat. Dann müßte
wieder ein steriler Schuppenwirtel folgen und nach diesem
abermals einSamenanlagenquirl. Es müßte also abwechselnd
ein Wirtel seinen ursprünglichen vegetativen Habitus beibehalten,
der zweite völlie zu den Samenanlagen sich umbilden, eine
Erscheinung, für welche man vergeblich eine Analogie in der
Koniferen-Familie suchen würde. Man findet aber in den angeführten
Modifikationen des Diagrammes nicht einmal eine Spur von Phyllom-
oder Eichen-Rudimenten, welche im Diagramme fehlen, obzwar die
räumlichen Verhältnisse ganz gut die rudimentäre Entwicklung der
fehleeschlagenen Organe zulassen.
Figur 10 und 11 zeigen ganz deutlich, daß die beiden Frucht-
schuppenwirtel unmittelbar nacheinander folgen, sodaß man
sich keineswegs noch einen Quirl zwischen dieselben eingekeilt
denken kann, von welchem die Eichen o, und o, ein Überrest
wären; dieselben liegen vielmehr im Kreise des inneren Schuppen-
wirtels und sind mehr nach innen als nach außen geschoben. Wenn
man die Eichen o,, 0, für einen selbständigen Wirtel halten
wollte, so müssen sie mit den äußeren Fruchtschuppen alter-
nieren, woraus aber eine Umstellung der folgenden Organe
resultieren müßte, insbesondere müßte der innere Schuppen-
quirl hinter dem äußeren stehen. Es ist also ersichtlich, daß
man auf Grund der oben angeführten Theorie keineswegs zu
einer annehmbaren Deutung der Stellung der Samenanlagen ge-
langen kann.
Es erübrigt mir also keine andere Erklärung als diejenige,
welche Strasburger vertrat, nämlich, daß die Samenanlagen
zweifelsohne zu den „Fruchtschuppen“ gehören, welche
ihre mütterlichen Fruchtblätter vorstellen. In der normalen
Blüte von Jıumiperus commumis entfaltet ein jedes Fruchtblatt
ein einziges Eichen, das seitlich an der Basis (und zwar
immer an derselben Seite) entspringt. In der Figur 10 hat das
Fruchtblatt ec, zwei Eichen anstatt eines einzigen entwickelt. Diese
Samenanlage an sich selbst schon schwächer angelegt, wurde in-
folge des Platzmangels zwischen die Fruchtblätter e; und cs ein-
gekeilt; sie ist an ihre Fruchtschuppe ce; seitlich angewachsen.
Ähnlicherweise läßt sich auch die Figur 7, 8, 11 ganz einfach er-
klären. Im Diagramme Figur 7 trägt die Fruchtschuppe «s zwei
Eichen; dasselbe ist der Fall bei den Schuppen cı und ce, Figur
8, 11. Die letzte Figur läßt auch die teilweise eingetretene Um-
Beihefte Bot. Centralbl. Bd. XXIII. Abt. I. Heft 1. 3
34 Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Owpressineen ete.
stellung der normalen drei Samenanlagen (siehe Fig. 8) in ihrer
Entstehung erkennen.
Diese Deutung wird durch jene Erscheinungen unterstützt,
wo eine Reduktion der Eichen eintritt. Ich habe mehrmals
beobachtet, daß die drei normal entwickelten Fruchtschuppen nur
zwei (seltener nur eine) Samenanlagen umhüllen, oder daß in den
zweizählig „ebauten Blütenzapfen nur ein einziges Eichen
stand, was nur durch Rückbildung der Samenanlage an einer
der Fruchtschuppen zu erklären ist. Wenn das Fruchtblatt,
welches normal eine einzige Samenanlage trägt, dieselbe zuweilen
abortieren läßt, so ist es auch nicht unnatürlich, wenn eine Ver-
mehrung auf zwei eintritt; es ist ja eine Rückkehr zum ursprüng-
lichen Stande, wo einem jeden Fruchtblatte nach seiner bilateralen
Symmetrie zwei Samenanlagen zugehören.
Auch dadurch wird unsere Ansicht indirekt unterstützt, dab
die angeführte Vermehrung der Eichenzahl auf fünf, ja selbst auf
sechs mehrmals beobachtet wurde, doch niemals sah ich, daß der
letzte Schuppenwirtel von mehr als sechs Samenanlagen umgeben
würde. Schlechtendal (11) fand auch eine Vermehrung der
Eichen, indem er schreibt: „Hinter jeder dieser Schuppen befindet
sich eine weibliche Blume, oder deren auch zwei, welche zur
Frucht auswachsend, später in der geschlossenen Beere verborgen
zu sein pflegt.“ Renner (10) fand einen Blütenzapfen, welcher
aus zwei dreieliedericen Schuppenwirteln bestehend, hinter den
Schuppen des unteren Wirtels je zwei Eichen, hinter den oberen
je eins aufwies. Diese Tatsache scheint mir vorzüglich für unsere
Ansicht zu zeugen, während man für dieselbe nach der Theorie von
den in die Eichen umgebildeten Fruchtblättern überhaupt keine
Erklärung finden kann.!) — Die gar nicht seltene Vermehrung der
Fruchtblätter (Fig. 10, 11), von denen der untere Wirtel fast
immer steril bleibt, kann nicht überraschen, denn es ist diese Er-
scheinung für die Mehrzahl der Oupressineen eine Regel.
Ein sehr wichtiges Moment für die Beurteilung des morpho-
locischen Baues des weiblichen Blütenzapfens von Jumiperus com-
munis ist der Vergleich mit der nahe verwandten Juniperus Sabina.
Die weibliche Blüte, welche aus zwei Fruchtschuppenwirteln zu-
sammengesetzt ist, trägt nur in der Achsel der unteren Schuppen
je zwei Samenanlagen, der obere Wirtel ist unfruchtbar. Wie
könnte man diesen Bau nach der früher angeführten Theorie (der-
zufolee die Samenanlagen den ganzen Fruchtblättern homolog sein
sollen) deuten? Könnte vielleicht einem zweigliederigen Quirl ein
viergliederiger folgen, nach welchem wieder ein zweizähliger zu
!) Renner (10) beschreibt auch androgyne Blütenzapfen von Juniperus
communis, deren obere Schuppen normal entwickelte Ovula, die unteren Deck-
schuppen aber Staubbeutel trugen. Man kann diese Erscheinung ganz gut mit
derjenigen vergleichen, welche Velenovsky (17) bei Seguoia sempervirens be-
schreibt. Das unmittelbare Aufeinanderfolgen der die Samenanlagen tragenden
Fruchtschuppen nach den zu Staubblättern umgebildeten Schuppen führt zu der
Annahme, daß alle, einen Beerenzapfen zusammensetzenden Schuppen derselben
morphologischer Natur sind, indem sie den Charakter einfacher Phyllome be-
sitzen.
Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen ete. 35
stehen käme, und zwar abwechselnd der eine unfruchtbar, der
andere zu Eichen umgewandelt? Es ist hier einleuchtend klar,
daß ein jedes Eichenpaar der Schuppe, hinter welcher es steht,
zugehörig ist. Nehmen wir aber diese Aufklärung bei Junzperus
Sabina als richtig an, so müssen wir unbedinet eine im Prinzipe
gleiche Deutung auch für Juneperus communts zulassen, denn es
sind beide Arten, aus vielen Gründen, besonders auch der Frucht-
ausbildung nach, als sehr nahe verwandt zu betrachten.
Bei Jumiperus Sabina kommt auch eine Erscheinung vor,
welche offenbar an dieselben Verhältnisse bei Jumwperus communis’
erinnert. Es wird hie und da eine Samenanlage rückgebildet; es
steht dann hinter einer der unteren Fruchtschuppen nur ein Eichen,
seltener auch hinter der gegenüberstehenden nur eins — der Fall
also, welcher für Juneperus communis normal ist. Das Eichen
steht nun in der Mitte hinter seiner Fruchtschuppe, also in
der Lücke zwischen den beiden oberen sterilen Schuppen. Sollte
das Eichen ein ganzes Phyllom vorstellen, so müßte dasselbe mit
den unteren Fruchtschuppen abwechseln, woraus eine Umstellung
des oberen Schuppenpaares um 90° folgen müßte. Wenn wir
nun denken, daß anstatt der zweizähligen Wirtel dreizählige stehen,
so resultiert aus den Raumverhältnissen notwendig eine kleine Um-
stellung der Eichen in der Weise, wie wir sie bei Juneperus
commaunis wahrnehmen.
Einen nicht zu unterschätzenden Wert für die richtige Lösung
der diskutierten Frage haben auch Abweichungen des normalen
Blütenbaues, welche bei den Thuja-Arten sehr häufig auftreten.
Der normale weibliche Blütenzapfen von Thaya oceidentalis L. be-
steht aus drei Paar Fruchtschuppen; die unteren zwei Paar tragen
je zwei Eichen, das dritte oberste Paar bleibt regelmäßig unfrucht-
bar, und erscheint in der Form der sogenannten Kolumella. Es
eibt doch Fälle, wo auch das dritte Schuppenpaar ein Eichen
verbirgt (Fig. 14). Nun kommt oft eine Vermehrung der Frucht-
blattpaare vor (Fig. 12); zuweilen trägt eine von den hinzu-
gekommenen Fruchtschuppen ein Eichen (Fig. 12) oder es ver-
schwindet eine Samenanlage in der Achsel einer der unteren
Fruchtschuppen (Fig. 12) und die übriggebliebene rückt dann von
dem Bande seiner Fruchtschuppe gegen ihre Mitte, wo sie mehr
Platz findet. Bisweilen verkümmern die beiden zu einer von den
Fruchtschuppen gehörenden Eichen (Fig. 12). Dieselben Verhält-
nisse fand ich bei Thaya plicata Don vor.
Wenn die Schuppen des zweiten fruchtbaren Paares bei
Thıyja occidentahs nur je eine Samenanlage tragen, so nähert sich
das Diagram demjenigen von Thuja orientalis L. (Biota Endl.) an,
wo von den drei vorhandenen Schuppenpaaren das zweite in der
Regel nur einsamig ist. Auch bei dieser Art treffen wir allerlei
Modifikationen an!): die unteren Fruchtschuppen entwickeln je ein
!, Bei einer großen Anzahl von weiblichen Blütenzapfen von Thya
orientalis fand ich folgende in Figur 16—18 dargestellte interessante Erscheinung:
In der Achsel einer der unteren Deckschuppen der weiblichen Blüte stand eine
3%
36 Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen ete,
Eichen, die beiden oberen Schuppenpaare sind steril (Fig. 15, 17);
bisweilen verkümmert eine der letzteren usw. Uberallnimmt man
aber die wichtige Erscheinung wahr, daß, wenn anstatt zwei Eichen
nur eins zur Entwicklung gelangt, dasselbe eine solche Stellung
einnimmt, wo es am meisten Platz findet, d. i. hinter der
Mitte einer Schuppe und zugleich in der Lücke zwischen den
foleenden Schuppen.
Diese häufig vorkommende Reduktion oder auch Vermehrung
der normal vorkommenden Anzahl der Eichen bei einer und der-
selben Art, sowie auch bei den nächstverwandten Arten, kann gewiß
auf keine andere Weise gedeutet werden, als daß die Eichen zu
jenen Fruchtblättern gehören, hinter welchen sie stehen,
und daß dieselben keineswegs für selbständige umgewan-
delte Fruchtblätter gehalten werden können.
Zum Zweifel an der Richtigkeit dieser von Strasburger
dargeleeten und begründeten Deutung hat vielleicht folgendes ge-
führt. Man muß voraussetzen, daß in einer normalen Juniperus
communis-Blüte ein jedes Fruchtblatt je eine einzige Samen-
anlage trägt, nicht vielleicht das eine zwei Samenanlagen, das
andere keine, denn es weisen alle Fruchtschuppen die «leiche
Stärke, Größe und Wachstumschnelliekeit auf. Würde ein Frucht-
blatt steril werden, so würde es notwendig in der Entwicklung
zurückbleiben, schwächer und kleiner aussehen zugunsten des-
jenigen, welches zwei Eichen entwickeln würde. In den jüngsten
Stadien findet man zwar, was diese Sache betrifft, keinen deut-
lichen Unterschied zwischen den einzelnen Fruchtschuppen, aber
in der weiteren Entwicklung zeigt es sich, daß die Fruchtschuppe,
deren zugehöriges Eichen keines weiteren Wachstumes fähig ist,
allmählich verkümmert und von den Nachbarschuppen über-
wuchert wird. Man wolle nun die Entwicklung der so häufig
auftretenden einseitigen und unregelmäßigen Beeren verfolgen,
welche entweder nur aus zwei, ja Sogar aus einer einzigen ver-
diekten Fruchtschuppe entstanden sind und demnach auch zwei
oder nur einen Samen enthalten.
In den normalen Blüten gibt also ein jedes Fruchtblatt auf
seiner bestimmten Seite dem Eichen Ursprung, aber immer in
Übereinstimmung mit der Nachbarschuppe, sodaß alle drei
Fruchtblätter entweder nur auf ihrer linken oder nur auf der
rechten Seite je ein Eichen tragen. Diese Erscheinung von
anscheinend eigentümlicher Regelmäßigkeit muß dennoch nicht
überraschen, wenn man sich den Verlauf der phyllogenetischen
Entwicklung vor Augen hält. Wenn ein jedes Fruchtblatt die
beiden — ursprünglich zweifelsohne angelesten — Eichen durch
den Raummangel nicht zur Entfaltung zu bringen imstande war,
normal ausgebildete männliche Blüte. Die Blütenzapfen machen dann den Ein-
druck androgyner Blüten. Es handelt sich hier aber nur um eine Abweichung,
wo an derselben Blütenachse sowohl die weibliche, als auch die männliche Blüte
vorkommt; normalerweise erscheinen diese Blüten auf ganz verschiedenen und
oft auch räumlich entfernten Achsen. Diese Abweichungen können aber keines-
wegs als androgyue Blüten angesehen werden.
Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen etc. an
so muß man sozusagen das Bestreben voraussetzen, wenigstens
ein einziges von denselben zu entwickeln. Und da genügt es,
sich zu denken, daß ein Eichen irgend einer Fruchtschuppe etwas
stärker und kräftiger angelegt wurde; dann müßte es schon von
Anfang an auf das nebenstehende Eichen der Nachbarschuppe
hemmend wirken, wodurch die letztgenannte genötigt wurde,
die Samenanlage auf der anderen (also morphologisch mit der
ersten identischen) Seite auszubilden. Der gleiche Vorgang
müßte sich bei der dritten Schuppe wiederholen. Dieser Stand
konnte dann (ebenso wie eine ganze Reihe ähnlicher Beispiele der
Regelmäßiekeit und Symmetrie) durch Vererbung stabilisiert
werden.
Aus der abwechselnden Stellung der Eichen mit ihren Frucht-
blättern darf man nicht gleich deduzieren, sie seien einfach um-
gebildete Karpelle.e. Die jüngsten Stadien der Entwicklung be-
weisen hier auch nichts wesentlichest), denn der Ort, wo der Samen
von Anfang an angelegt wird, ist bereits erblich fixiert. Es ist
übrigens die Stellung der Samenanlage an dem Fruchtblatt-
rande eine reselmäßige Erscheinung und auch die kleine
‚Verschiebung derselben nach innen, hinter den Fruchtblattwirtel,
aus den Raumverhältnissen leicht begreifbar. Die basale Stellung
der Samenanlagen ist bei den Konzferen überhaupt verbreitet; sehr
viele Fälle analoger Stellung der Samenanlagen finden wir bei den
Phanerogamen überall. Man erklärt dieselbe durch das bekannte
Gesetz Hoffmeisters, daß einzelne Organe an demjenigen Orte
ihre Stellung einehmen, wo sie am meisten Platz finden.
Wenn also bei Junzperus normal drei Eichen zur Entwicklung ge-
langen, so ist es demnach natürlich, daß sie die Stellung in den
Lücken zwischen ihren drei Fruchtblättern einnehmen.
Wenn mehr als drei Eichen sich entfalten, so sehen wir, daß
dieselben infolge der veränderten Ortsverhältnisse gleich in einer
anderen Stellung sich anordnen.
Eine ganze Reihe ähnlicher Fälle übergehend, wollen wir nur
beispielsweise noch das Verhalten des sogenannten terminalen
einfachen Eichens in den Fruchtknoten erwähnen, wo das Eichen
sowohl bei seiner Entwicklung von der ersten Jugend an, als auch
in seiner definitiven Ausbildung tatsächlich eine terminale
Stellung auf der Blütenachse einnimmt, sodaß es von einigen
— aufGrund von ontogenetischen Studien — für ein Achsengebilde
gehalten wurde. Und doch können wir nicht einmal in diesem, so aus-
gesprochenen Falle nach der Foliolartheorie und aus vergleichend-
morphologischen Gründen das Eichen für etwas anderes halten, als
für einen seitlichen, an der Basis stehenden Abschnitt des
!) Die anatomisch-entwicklungsgeschichtlichen Verhältnisse können freilich
die morphologischen Befunde unterstützen, jedoch können sie nicht als ein
entscheidender Faktor in solchen Streitfragen gelten, welche die äußere Mor-
phologie betreffen. Dasselbe wird auch von Kubart anerkannt (10), so z. B.
S. 15: „Vielmehr muß ich meine Ergebnisse dahin zusammenfassen, daß sich
sogar in den einzelnen Schuppen derselben Wacholderbeere die
(anatomischen) Verhältnisse nicht gleich gestalten“; 8. 19: „Ist doch
das Gefäßbündel ein höchst anpassungsfähiges Glied der Pflanze,“
38 Bayer, Zur Deutufg der weiblichen Blüten der Oupressineen ete.
Fruchtblattes. Weil dieses Eichen, nur allein entwickelt, den
größten Raum im Fruchtknoten an seiner Basis (d. h. am
Zipfel der Blütenachse) findet, so ist es von der Seite seines Frucht-
blattes in die Mitte des Fruchtknotens auf seine Basis vorgerückt,
wo der Platz für sein Wachstum am günstigsten ist.
Die Natur der Fruchtschuppe bei Juniperus communis.
Seitdem Parlatore bei allen Koniferen-Gattungen die
Anwesenheit einer zusammengesetzten Fruchtschuppe vor-
ausgesetzt und Strasburger diese Ansicht ausführlich begründet
hat, bestand eine lange Zeit kein Zweifel an der allgemeinen
Giltigkeit dieser Voraussetzung. Eichler selbst übernahm in
seinem unsterblichen Werke „Blütendiagramme“, diese Ansicht von
Strasburger, obwohl er früher die Anwesenheit einer zusammen-
gesetzten Fruchtschuppe für die Gruppen der Araucarieae und
Oupressineae bestritten hatte. Die morphologische Deutung der
zusammengesetzten Fruchtschuppe wurde freilich zum Gegenstand
langer Streite, welche endlich durch den Sieg der Abvetineen-
Sproßtheorie beendigt wurden, welche A. Braun, Caspary, Mohl,
Stenzel, Willkomm begründet und Celakovsky (1) und
Velenovsky (16, 17) durch positive Tatsachen bewiesen
haben. Diese Deutung wurde dann unter dem Eindrucke der An-
sichten Strasburgers von der alleemeinen Anwesenheit einer
zusammengesetzten Fruchtschuppe bei allen Konzferen ohne
weiteres auf alle Gruppen derselben bezogen, obwohl sie nur
für die Abietineen wirklich nachgewiesen ist. Besonders die
Oupressineen wurden in dieser Hinsicht sehr vernachlässigt und der
Bau der Fruchtschuppe bloß in analoger Weise, wie bei den
Abietineen erklärt; doch es scheint, daß auführliche und gründliche
Studien der Blütenverhältnisse bei allen Gattungen der Cupressineen
noch mehrere interessante Erkenntnisse bieten werden.
Weit davon entfernt, aus den Beobachtungen, welche nur
auf einigen Gattungen ausgeführt wurden, Schlüsse für die ganze
Gruppe zu ziehen, will ich mich hauptsächlich auf die Verhältnisse
bei Juniperus commanis beschränken. Es wird allgemein an-
genommen, daß die Fruchtschuppe der Cupressineen in ähnlicher
Weise zusammengesetzt ist wie bei den Abietineen, wofür die Tat-
sache zu zeugen scheint, daß bei der Mehrzahl der Gattungen der
erößte Teil der Fruchtschuppe durch Gewebewucherung sehr stark
verdickt wird, worauf die Spitze derselben als mehr oder weniger
deutlich abgesondertes Anhängsel ihrer Rückseite aufsitzt. Es wird
infolgedessen diese Spitze für eine gewöhnliche Deck-
schuppe (Bractea), der innere verdickte Teil der Frucht-
schuppe, hinter welchem die Samen stehen, für das eigentliche
Fruchtblatt gehalten. In welcher Weise diese „Zusammensetzung“
der Fruchtschuppe zustande gekommen ist, ob nur zwei ursprüng-
liche Fruchtblätter — wie bei den Abietineen — oder deren
mehrere — wie bei Oryptomeria — mit der Deckschuppe zu-
sammengewachsen sind, darüber findet man keine Beobachtungen
und Angaben.
Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen etc. 39
Betrachtet man die Fruchtbeere von Juniperus communis in
allen ihren Entwicklunesstadien, so erkennt man Folgendes: In der
ersten Jugend läßt sich kein Unterschied zwischen den weiblichen
Blütenzapfen und den sterilen Ästchenknospen wahrnehmen. Erst
in der Zeit, wo die Eichen zur Reife gelangen, sieht man dieselben
deutlich aus ihrer Schuppendecke hervorragen. Der oberste
Schuppenwirtel läßt sich in dieser Zeit schon durch seine etwas
abweichende Farbe und Größe von den übrigen (unteren) Schuppen-
quirlen unterscheiden. Man bezeichnet die Schuppen des obersten
Wirtels als „Fruchtschuppen“. Sie sind in diesem Entwicklungs-
stadium ganz einfach, ohne jede Spur von Zusammen-
setzung; Sie sind den tiefer stehenden Deckschuppen voll-
kommen ähnlich.
Selbst vor der Befruchtung der Eichen läßt sich doch schon
erkennen, daß ihre Basis deutlich stärker und saftiger er-
scheint als es bei den unterstehenden Schuppen der Fall ist.
Bleiben die Eichen unbefruchtet, so sterben sie ab und vertrocknen
allmählich, ohne zuvor zu wachsen. In diesem Falle vergrößern
sich die drei Fruchtschuppen anfangs ein wenig, um später eleich-
falls abzusterben und zu vertrocknen. Die unter denselben
stehenden Schuppenwirtel bleiben dennoch lebendige und grün.
Aus dieser Erscheinung geht deutlich hervor, daß sich die Frucht-
blätter durch eine andere physiologische Funktion kenn-
zeichnen als die, welche den übrigen Schuppen des Blütenzapfens zu-
kommt, sodaß sie offenbar in einem physiologischen Zusammen-
hange mit den Eichen stehen; mit anderen Worten: es sind
wirkliche Fruchtblätter (Karpelle), die freilich durch das
Absterben der Eichen ihrer Funktion beraubt auch degeenerieren
müssen.
Wenn dagegen die Samenanlagen befruchtet werden, so tritt
in dem Fruchtschuppenwirtel gleich ein rasches, nachträgliches
Wachstum ein; die Basis der Fruchtschuppen wird immer
srößer und dicker, sie wölbt sich nach innen deutlich
vor; es wird aber zugleich die ganze Schuppe stärker und
srößer und auf ihrer Außenseite mehr konvex, sodaß sich
die drei Schuppenspitzen oberhalb der Zapfenmitte ein-
ander nähern. Die Entwicklung von neuen Gewebemassen auf
dem inneren, basalen Schuppenteile geht rasch vorwärts, die
Gewebemassen der nebeneinander stehenden Schuppen
fließen schon von der Schuppeninsertion angefangen zu-
sammen, das wuchernde Gewebe füllt die Lücken zwischen
den Eichen, welche endlich von demselben auch von oben ganz
überwachsen werden, aus, sodaß sie dann im Gewebe völlig
eingeschlossen sind. Dieses Gewebewachstum schreitet
dennoch nicht bis zu der eigentlichen Spitze der Frucht-
schuppe vor; es bleibt vielmehr auf den basalen und
mittleren Teil derselben beschränkt. Die Folge davon ist
die, daß die Schuppenspitze etwas nach außen abgelenkt
wird, und zwischen den drei Fruchtblätterspitzen ein Feldchen vom
Gewebe entsteht, welches die Eichen von oben kuppelförmig überwölbt,
40 Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen ete.
In dieser ganzen Entwicklungsgeschichte der Juniperus-Beere
kann ich nichts anderes sehen, als ein nachträgliches Wachs-
tum und die Verdickung des Fruchtblattes, was bekanntlich
eine ganz gewöhnliche Erscheinung bei den Karpellen ist.
Man muß deshalb daraus das Resultat ziehen, daß die drei
Fruchtschuppen der weiblichen Jauniperus-Blüte drei ganz
einfache Karpelle vorstellen, und daß man hier überhaupt von
keiner „Deckschuppe“ — welche durch die Spitze des Frucht-
blattes repräsentiert werden soll — und einer eigentlichen „Frucht- ‘
schuppe“ — welche der erst nachträglich wachsende und die
Eichen umschließende Gewebewulst vorstellen mag — keine Rede
sein kann.
Es ist schon oben hervorgehoben worden, daß die „Frucht-
schuppe“ von Anfang an ganz und deutlich einfach er-
scheint und zwar auch dann noch, wenn die Eichen schon völlig:
ausgebildet und reif sind. Man müßte deshalb annehmen, daß das
eigentliche Fruchtblatt erst nachträglich nach der Befruchtung
der Eichen hervorwächst, wogegen früher keine Spur dieses so
wichtigen Organs zu finden war!). Es ist gewiß undenkbar und
der Natur widersprechend, daß zuerst die Eichen und dann
erst nachträglich ihr Fruchtblatt — dessen Abkömmlinge sie
vorstellen — zur Entfaltung gelangen sollte. — Die Deutung der
Fruchtschuppe als ein zusammengeesetztes Organ konnte nur durch
bloße Deduktion per analogiam ohne gründliche Beobachtung der
tatsächlichen Verhältnisse zu Stande kommen.
Was die anderen Gattungen der ÜOupressineen betrifft, habe
ich bei Thuja und Ohamaecyparis?) im Allgemeinen dieselben Ver-
hältnisse wie bei Juniperus sichergestellt. Die Fruchtschuppe ist
bei den beiden Gattungen ohne Zweifel ganz einfach. Der Ver-
lauf der Verdickung des Fruchtblattes läßt besonders bei O’hamaecy-
paris erkennen, daß es sich hier um keine Neubildung handeln
kann. Zur Ohamaecyparis gesellt sich in dieser Hinsicht auch
Oupressus. — Über die übrigen Oupressineen-Gattungen will ich
mich noch nicht in einer entscheidenden Weise äußern, weil ich
bis jetzt sehr wenige: frisches Material zur Verfügung hatte.
Kubart (6) hat der Anschwellung der Fruchtblätter von
Juniperus communis auf Grund von anatomisch-entwicklungsge-
schichtlichen Untersuchungen eine ganz eigenartige Bedeutung zu-
geschrieben. Er fand vor allem, daß das Wachstum der sogenannten
„Fruchtschuppen‘“ (im Sinne Eichlers) ringsum an der Basis der
“ „Deckblätter“ in der Form eines kreisförmigen Wulstes beginnt3).
!) Ich beziehe mich auch auf die anatomisch-entwicklungsgeschichtlichen
Beobachtungen von Kubart (6), welcher sagt: „Sie (die „Fruchtblätter“) sind
zur Zeit, da die Samenanlagen bereits entwickelt sind, noch nicht zu sehen, sie
bilden sich erst später aus“. .
2) Chamaecyparis nutkaensis Spach, Chamaecyparis pisifera S. et. Z.,
Chamaecyparis sphaerordea Spach.
®) Kubart (6): ... die Bildung der „Fruchtschuppen“ vollzieht sich rings
um die ganze Achse; nicht allein superponiert der Oberseite der „Deckblätter“
tritt die Bildung der „Fruchtschuppe“ auf, sondern der ganze Sproß fängt an,
in dieser Zone intensiv zu wachsen,
Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen etc. 41
Die Art und Weise des Gefäßbündelverlaufes führt den genannten
Autor zur Überzeugung, daß der Hauptteil der fertigen Schuppe
des Beerenzapfens der „Fruchtschuppe‘“ angehört, gegenüber der
Ansicht Strasburgers, welcher sagt: „Bei Juniperus communis
ist die Entwicklung der Fruchtschuppe eine verhältnismäßig sehr
schwache; sie erreicht gar nicht die Spitze des Deckblattes ... .“,
zu welcher Ansicht Strasburger auch durch Verfoleung des Ge-
fäßbündelverlaufes gekommen ist. Kubart schließt vielmehr, daß
man nach dem Verlaufe und nach der Verzweigung der Gefäß-
bündel, wie dieselben von ihm selbst und von Strasburger be-
obachtet- wurden, foleern kann, daß die Fruchtschuppe nicht
mit einem axillaren Sprosse gleichwertig seinkann. Diese
Ausführungen sind auch für unsere Deutung des Fruchtblattes von
Wichtigkeit, denn sie unterstützen die Ansicht, daß das Frucht-
blatt einfacher Natur ist.
Die angeführten entwicklungsgeschichtlichen Beobachtungen
geben dem genannten Verfasser Anlaß zu der von ihm nur zurück-
haltend ausgesprochenen Ansicht, daß es sich hier wohl nicht um
ein Fruchtblatt, sondern um eine Neubildung handeln dürfte,
welche eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Arillus von Tuxus
haben soll.
Es ist nicht meine Absicht gegen diese, nur als bloße Mög-
lichkeit ausgesprochene Ansicht polemisch aufzutreten. Doch will
ich darauf aufmerksam machen, daß es nicht nötig ist, in unserem
Falle zu einer so unnatürlichen Deutung zu greifen, durch
welche neue Begriffe in die Morphologie der ÜOupressineen ein-
geführt würden. Die Arillarbildung bei Taxus selbst entbehrt noch
der vollkommenen Aufklärung. Aus der ganzen Auseinandersetzung
Kubarts geht hervor, — was auch mit meinen Beobachtungen
völlig im Einklange steht, daß die Gewebewucherung, welche endlich
die Eichen vollkommen einschließt, nicht zwischen dem Schuppen-
wirtel und dem Eichenquirl als ein Zwischengebilde entwickelt
wird, sondern daß eigentlich die Basis der Fruchtblätter
selbst in ihrer ganzen Ausdehnung, besonders aber auf ihrer
inneren Fläche, zu wachsen beginnt. Die Fruchtblätter stehen
dieht gedrängt nebeneinander, mit ihren Rändern sich an der
Basis vollkommen berührend, sehr oft auch verwachsend,
sodaß durch die Gewebewucherung in diesen Partien ein kreis-
förmiger, ringsum geschlossener Wulst entstehen kann. Dieses
Verhalten ist übrigens nicht das überall einzige; ich konnte nämlich
vielmals beobachten, daß die Wucherung in drei deutlich gesonderten
Teilen vor sich ging).
Die Verdickung der Fruchthlätter wird also durch rasche
') In einer ganz übereinstimmenden Weise äußern sich Schröter und
Kirchner (18): „Die fertilen Schuppen wachsen heran, indem zuerst auf der
Mitte ihrer Innenseite eine Wulst entsteht, die später an Größe zunimmt. Die
von Anfang an am Grunde mit einander verwachsenen Fruchtblätter zeigen nun
an dieser Stelle ein intensives interkalares Wachstum .... — Die Anschwellungen
der Fruchtblätter überragen bald die Blattspitzen und drängen diese etwas nach
auswärts“,
42 Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen etc.
Teilung und Vermehrung des meristematischen, der Frucht-
blattbasis angehörenden Gewebes verursacht, worüber uns
auch der (von Kubart auch angeführte) Umstand belehrt, daß die
annähernd dreieckige Fläche, welche zwischen den drei Frucht-
blätterspitzen an dem Gipfel des ausgewachsenen Beerenzapfens
sich befindet, der morphologischen Oberseite der Frucht-
blätter entspricht, indem sie mit zahlreichen Spaltöffnungen
besetzt ist. Auf diesen Umstand hat auch schon Strasburger
aufmerksam gemacht. Daraus ist es aber ersichtlich, das die Ver-
mehrung des Gewebes zwischen der unteren und oberen
Epidermis, also in dem Fruchtblatte selbst, ihren Ursprung
senommen haben müßte. Würde der verdickte Wulst als eine
selbständige Bildung mit dem Fruchtblatte an dessen innerer Fläche
verwachsen, so müßte diese verdeckt werden. Die Gipfelfläche
müßte dann diesem Neugebilde angehören.
Das Bestreben der vergleichenden Morphologie geht &ewiß
dahin, für einzelne Modifikationen des Blütenbaues eine einfachste,
aber alleemein gültige Deutung zu finden und dieselben auf
einen einheitlichen Grundtypus zu überführen. Einzelne, oben
angeführte Erklärungen des Blütenbaues von Juneperus commmunis
stoßen hie und da auf verschiedene Hindernisse, weil man einige
Tatsachen nicht mit Hilfe derselben erklären kann.
Es bleibt deshalb nichts übrig, als eine solche Deutung an-
zunehmen, welche auch mit Hinsicht auf die nächste Verwandtschaft
am natürlichsten erscheint und welche auf wirklich beobachteten
Tatsachen basiert.
Zusammenfassung.
1. Die Eichen der Blütenzapfen von Juniperus, Thaya,
Chamaecyparis gehören zu den Schuppen, hinter welchen
sie stehen; dieletzteren stellen ihre mütterlichen Frucht-
blätter vor.
2. Fruchtschuppen von Jımiperus, Thuja, Chamaecyparıs
sind sowohl in der Jugend, als auch in der Fruchtzeit
ganz einfacher Natur, sie sind einfache fertile Phyllome
(Karpelle). Die Eichen stehen demnach auf der Blüten-
achse erster Ordnung.
3. Nach der Befruchtung beginnt ein starkes inter-
kalares Gewebewachstum an der Basis der Fruchtblätter,
wodurch ihr innerer Teil wulstartig emporwächst und
die Spitze des Fruchtblattes nach außen ablenkt.
4. Die „Fruchtschuppe“ von COryptomeria ist aus einer
Stützbraktee und aus einigen (2—6, gewöhnlich5) fertilen
Schuppen eines axillaren Sprosses, dessen Achse ver-
kümmert war, zusammengesetzt. Diese, der Stützbraktee
angewachsenen fertilen Phyllome (Karpelle) bilden auf
der Innenseite der Stützbraktee eine Wulst, welche in
so viele Zähne kammartig gespalten erscheint, aus wie
vielen Fruchtblättern er entstanden ist. — Die Eichen
stehen hierdemnach auf der Blütenachse zweiter Ordnung.
Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Ouwpressineen ete. 43
Ich erfülle eine angenehme Pflicht, indem ich dem hoch-
eeehrten Herrn Universitäts-Professor Dr. Jos. Velenovsky,
Direktor des botanischen Instituts und Gartens der k. k. böhmischen
Universität: in Prag für seine liebenswürdige, mir durch Zusendung
von Untersuchungsmateriale erteilte Unterstützung meinen wärmsten
Dank aussage. — Nebst dem sei auch dem Herrn Dr. Otto Gintl
(Kgl. Weinberge) für seine gütige Beihilfe mein gebührender Dank
gezollt.
Benutzte Literatur.
1. Celakovsky, L., Zur Kritik der Ansichten von der Fruchtschuppe der
Abietineen. (Abh. d. kgl. böhm. Gesellsch. d. Wissensch. Prag 1882.)
2. Eichler, A., Blütendiagramme I. 1875.
3. —, Über die weiblichen Blüten der Koniferen. (Monatsber. d. k. Akad. d.
Wissensch. Berlin 1881.)
4 —, Coniferae in Engler-Prantels Pflanzenfamilien. II. 1. 1889.
5. Kramer, A., Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgeschichte und des
anatom. Baues der Fruchtblätter d. Oupressineen u. d. Placenten d.
Abretineen. Leipzig 1885.
6. Kubart, B., Die weibliche Blüte von Junziperus commamıs L. (Sitzuugsber.
d. k. Akad. d. Wissensch. Wien 1905.)
7. Mohl, H. v., Über die männlichen Blüten der Koniferen. (Verm. Schriften
botan. Inhalts. 1895.)
8. Payer, Recherches organogeniques sur la fleur des Coniferes. 1860.
9. Parlatore, Flora Italiana. IV.
10. Renner, O., Über Zwitterblüten bei Juniperus communis. (Flora 1904.)
11. Schlechtendal, F. L. v., Botanische Zeitung. 1862.
12. Schröter, C©., Über abnorme Beerenzapfen von Juniperus communis. (Be-
richte d. schweiz. botan. Gesellschaft. H. 7. Bern 1897.)
13. — u. Kirchner, O., Gattung Juniperus. (Lebensgeschichte der Blüten-
pflanzen Mitteleuropas. I. 1. 1906.)
14. Schumann, K., Über die weiblichen Blüten der Coniferen (Verh. d.
Botan. Ver. d. Prov. Brandenburg. Jahrg. 44. 1902).
15. Strasburger, E., Die Koniferen und die Gnetaceen 1872.
16. Velenovsky, J., Zur Deutung der Fruchtschuppe der Abretineen. (Flora 1888.)
17. —, Einige Bemerkungen zur Morphologie der Gymnospermen. (Beihefte z.
Botan. Centralblatt. 1903.)
18. —, Vergleichende Morphologie. I. Prag 1905.
Erklärung der Tafel.
Fig. 1. Ein durchgewachsener Zapfen von Oryptomeria japoniea Don;
b Stützbraktee des Fruchtblattes, er kammartige Fruchtschuppe (ÖCrista). —
8), $9, $; sterile, in der Achsel der einzelnen Nadelblätter stehende Knospen
bezw. Ästehen. — Die oberen und die unteren Schuppen des Fruchtzapfens
einfach, steril und ohne den kammartigen Auswuchs.
Fig. 2. Querschnitt durch den mittleren Teil einer fruchtbaren Zapfen-
schuppe mit fünfzähniger COrista, die Zahl und Orientierung der Leitbündel
zeigend, von denen das unten in der Mitte stehende der Stützbraktee, die
44 Bayer, Zur Deutung der weiblichen Blüten der Oupressineen etc.
übrigen der eigentlichen „Fruchtschuppe“ angehören, welche demnach aus fünf
Phyllomen des axillaren Sprosses zusammengesetzt erscheint. — & Xylem, ph
Phloöm, p Grundparenchym, sc Sclereiden, % Harzkanal der Stützbraktee mit Harz.
Fig. 3. Ein steriles, in der Achsel der Nadel 5 auf der Achse eines
durchgewachsenen Zapfens stehendes Ästchen mit ein wenig vergrößerten Vor-
blättern a ß; e d die folgenden Nadelblätter.
Fig. 4 Eine sterile Achselknospe der durchwachsenden Zapfenachse
mit deutlich vergrößerten Vorblättern a, $. Außer diesen nur noch zwei Nadeln
(ec, d) entwickelt, die Knospenachse verkümmert.
Fig. 5. Eine noch mehr reduzierte Knospe. Die Vorblätter in der
Mediane einander genähert. Bezeichnung wie in Fig. 3 u. 4.
Fig. 6. Dieselbe Knospe von rückwärts (von der Achsenseite).
Fig. 7—11. Diagramme der abweichend gebauten weiblichen Blüten
von Juniperus communis (siehe S. 32).
Fig. 12—14. Diagramme der abweichend gebauten weiblichen Blüten
von Thaya occidentalis (siehe S. 35).
Fig. 15—18. Diagramme der weiblichen Blüten von Thıya orventalis
(siehe S. 36).
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Beihefle zum Botanischen Centralblatt Ba. XXI Abt. F.
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45
Zur Nukleolusfrage.)
Ein Beitrag zur Kenntnis der Bildung von Nukleolus in
vegetativen Zellen von Lupinus angustifolius
und Allium cepa.
Von
Peter Georgevitch.
Mit Tafel V.
Über die Herkunft und die Bedeutung der Nukleolen werden
zur Zeit nach V. Häcker?) drei Theorien vertreten.
Die erste ist die Transportationstheorie, „da nach der-
selben die Substanz der Nukleolen zu Beginn der Teilung auf die
sich bildenden Chromosomen übertragen und bei der Rekonstitution
der Tochterkerne den Tochterschleifen wieder entnommen wird.“
Die zweite Theorie ist die Reservestoff-Theorie Stras-
burger’s®).. Nach dieser Theorie stellt die Nukleolarsubstanz einen
Reservestoff dar, aus dem das Kinoplasma nach Bedarf schöpft und
durch dessen Aufnahme seine Tätigkeit erhöht wird.
Eine dritte, die Kernsekret-Theorie, ist von V. Häcker
aufgestellt. Er nimmt an, wie die Mehrzahl der Autoren, daß die
Nukleolen keine strukturierten Gebilde seien. Nach ihm stellt aber
Nukleolus keine Nähr- oder Reservestoff-Substanz dar, sondern nur
ein Abspaltungs- oder Zwischenprodukt des Stoffwechsels, „welches
während der vegetativen Tätigkeit der Zelle und des Kernes in
oder an den chromatischen Balken und Fäden zur Abscheidung
gelangt und noch während der Kernruhe oder in Beginn der Mitose
als eine Art Sekret aus dem Kernraum entfernt wird, und zwar ent-
weder in gelöster oder, im letzteren Fall, auch in ungelöster Form.“
Neuerdings zeigt sich bei manchen Autoren die Tendenz, die
Prinzipien der ersten und der zweiten Theorie zu kombinieren
und den Nukleolus als einen Stoff aufzufassen, aus welchem nicht
Wissenschaften zu Belgrad erschienen, und mit ihrer Bewilligung wird auch
dieser Auszug veröffentlicht.
2) Praxis und Theorie der Zellen- und Befruchtungslehre. Jena 1899,
pag. 114.
%) Karyokinetische Probleme. (Jahrb. f, wiss. Bot. Bd. 28.)
46 Georgevitch, Zur Nukleolusfrage.
nur Kinoplasma, sondern auch die Chromosome nach Bedarf schöpfen
können und dadurch ihre Substanz vermehren.
Trotzdem ist aber diese Frage noch nicht genug aufgeklärt, und
in der Literatur finden wir noch manche Meinungeserschiedenheit.
So saet O0. Hertwig!) über ‘diese Frage folgendes: „Nach
der herrschenden Lehre werden während der Karyokinese die
Nukleolen aufgelöst, um später in den Tochterkernen wieder neu
gebildet zu werden. Was bei der Auflösung aus der Substanz
wird, und wie die Neubildung vor sich geht, konnte mit unsern
üblichen Hifsmitteln nicht genau festgestellt werden. Die Kon-
tinuität zwischen alten und neuen Nukleolen war jedenfalls unter-
brochen“ (p. 197).
Diese Tatsache möchte ich besonders hervorheben und gleich
darauf hinweisen, daß ich als Hauptaufgabe meiner Arbeit den
Nachweis über die Kontinuität der einzelnen Nukleolengenerationen
betrachte.
Material und Methoden.
Es wurden untersucht die Wurzelspitzen von Lupinus angusti-
folius und Allvum cepa, die in Flemming’scher Flüssigkeit fixiert,
nach üblicher Methode behandelt, und in Schnitte von 5—1 u
zerlegt wurden. Die Schnitte von Zupinus wurden ausschließlich
nach Heidenhain mit Eisenhämatoxylin, dagegen diejenigen von
Allium nach Heidenhain mit Hämatoxylin und nach Flemming
mit drei Farben gefärbt.
1. Lupinus angustifolius.
Der Zellkern von Zupinus enthält im Ruhezustande (Fig. 1) ver-
hältnismäßig wenige Chromatin, welches an der Peripherie des
Kernes verteilt ist. Es ist bemerkenswert, daß diese Chromatin-
masse auf einzelne Punkte konzentriert ist, welche sich sehr in-
tensiv färben und wahrscheinlich die Chromosomen in ruhendem
Zustande darstellen.
In der Mitte des Zellkernes befindet sich ein verhältnismäßig
großer Nukleolus, welcher mehrere Vakuolen enthält. Die Peri-
pherie des Nukleolus färbt sich viel intensiver als die vakuolisierte
Mitte, wie das auch von H. Wager?) für den Nukleolus von
Phaseolus gezeigt worden ist (p. 43).
Der Nukleolus ist auf den Präparaten von einem hellen Hof
umgeben, welcher aber in frischem Zustande nicht nachzuweisen,
und deshalb als Kunstprodukt der Fixierung aufzufassen ist. Für
diese Auffassung sprechen auch - jene feine Fasern, welche den
Nukleolus mit dem peripheren Kernnetze verbinden, und welche
auch Wager folgendermaßen beschreibt: „In the resting condition
the nukleolus is suspended to the peripheral network by delicate
treads, which are only visible in carefully stained specimens“ (p. 45).
!) Allgemeine Biologie. Zweite Auflage des Lehrbuches „die Zelle und
die Gewebe“. Jena 1906.
2) The nucleolus and nuclear division in the root apet of Phaseolus.
Georgevitch, Zur Nukleolusfrage. 47
Bei der Fixierung zieht sich der Nukleolus zusammen, wobei
auch einige Partien des Kernnetzes, die mit dem Nukleolus ver-
klebt waren, in feine Fäden ausgezogen werden. Wager läßt
diese Verbindungsfäden — „suspendinge treads“ — eine große Rolle
spielen, und meint, daß die Nukleolarsubstanz durch diese in „sur-
roundine treads“ des Kernnetzes übergehe. Das Stadium der Pro-
phase verläuft normal, und die Chromosome differenzieren sich um
die bestehenden Chromatinzentren heraus. Am Ende der Prophase
sind die Chromosomen schon differenziert, und der Nukleolus be-
einnt eine unregelmäßige, amoeboide Form anzunehmen. Ein solches
Stadium ist in der Figur 2 dargestellt: Der Nukleolus ist viel in-
tensiver als die Chromosomen eefärbt, und fängt an, Vakuolen zu
bekommen. Ein weiterer Schritt in der Vakuolisierung des
Nukleolus ist in der Fieur 3 zur Anschauung gebracht. Der
Nukleolus hat eine noch unregelmäßirere Form bekommen; die
Vakuolisierung des Nukleolus ist noch weiter fortgeschritten, und
deshalb ist der Nukleolus in mehrere Enden ausgezogen. Die
Chromosome zeigen noch immer den innigen Zusammenhang mit
dem Nukleolus. Sehr interessant in dieser Beziehung ist das
Stadium, welches in der Figur 4 dargestellt ist.
Hier ist die Masse des Nukleolus in vier deutliche Enden
ausgezogen, welche mehr oder weniger die Form der Chromosome
angenommen haben. Es ist weiter sehr bemerkenswert, daß nur
diese vier Enden vom Nukleolus eine Vakuolisierung zeigen und
dadurch ihre gemeinsame Abstammung vom Nukleolus deutlich
bekunden.
Dieses Stadium ist auch insoforn interessant, als die drei
oberen Enden des Nukleolus viel kompakter erscheinen und mit
wenigen Vakuolen versehen sind und sich deshalb viel intensiver
färben als das vierte (untere) Ende, welches viel mehr Vakuolen
enthält und sich weniger intensiv färbt. Dies wird wahrscheinlich
derjenige Teil von Nukleolus sein, welcher später als ein Über-
schuß in das umgebende Protoplasma ausgestoßen wird (extra-
nuklearer Nukleolus). Nurdiese Enden vom Nukleolus besitzenVakuolen,
die bei den umgebenden Uhromosomen zur Zeit vermißt werden,
und sich außerdem noch viel intensiver färben als die Öhromosomen.
Auf Grund dieser Eigenschaften ist es wohl unwahrscheinlich,
daß eine Verwechslung der Chromosome mit den Teilen vom Nu-
kleolus möglich wäre.
Selbst H. Wager, welcher annimmt, daß die Nukleolarmasse
durch ihre Verbindungsfäden in das Kernnetz transportiert werde,
und erst aus diesem die Chromosome gebildet werden, gibt zu, dab es
in manchen Fällen gerade so aussieht, als ob die Nukleolarsubstanz
direkt zu Chromosomen umgewandelt wäre.
So sagt Wager: „It is extremely difficult, however, to be
certain of the exact sequence of events, as the observations have
to be made entirely on stained specimens. In many cases the
nukleolus appears as if it was becoming direktly transformed into
chromosomes, ..... “ (p. 47). Nach der Differenzierung der Chromo-
some aus dem Kernnetze und aus einem Teil vom Nukleolus werden die
48 Georgeviteh, Zur Nukleolusfrage.
Spindelfasern eebildet, die vom Spindelpole zu den Chromosomen
verlaufen. Metaphase und Anaphase verlaufen in normaler Weise.
In der Telophase werden die Tochterkerne gebildet, und nachher
das Kernnetz in der von Gregoire und Wygaerts!) angegebenen
Weise. Es erfolgt zuerst die Anhäufung der Chromosome an die
Spindelpole und dann das Auseinanderweichen derselben. Dabei
werden zahlreiche Anastomosen zwischen einzelnen Chromosomen
gebildet.
Diese Anastomosen sind nichts anderes als die ausgezogene
Substanz der Chromosome, welche zu der Zeit Väkuolen in ihrer
Masse bekommen haben.
Eine gewisse Anzahl von Chromosomen vereinigen sich zu
einer unregelmäßigen, kompakten Masse, welche noch immer mit
dem Kernnetze verbunden ist.
So sehen wir in der Figur 5 eine schon geteilte Zelle mit
zwei Tochterkernen dargestellt. In beiden Tochterkernen können
wir je drei kompakte chromatische Massen wahrnehmen, und zwar
in dem oberen Tochterkerne alle drei weit von einander entfernt,
und nur durch das chromatische Kernnetz verbunden.
In dem unteren Tochterkerne können wir schon die ange-
bahnte Vereinigung dieser chromatischen Massen wahrnehmen.
Zwei größere chromatische Massen sind einander genähert und
teilweise schon vereinigt.
Die rechte Hälfte ist aber viel intensiver gefärbt als die
linke, woraus man den Schluß ziehen kann, daß diese Masse durch
Vereinigung beider Hälften entstanden ist.
Ein weiterer Schritt der Vereinigung von Chromosomen ist
in der Figur 6 dargestellt.
Im oberen Tochterkerne befinden sich zwei kompakte chro-
matische Massen, die sich viel intensiver färben als die übrigen
an der Peripherie des Kernes befindlichen Chromosome. Außerdem
sind diese Massen so einander «enähert, daß deren Umrisse
kaum zu unterscheiden sind.
Vergleichen wir dieses Stadium mit dem in der Figur 5 dar-
gestellten, so können wir feststellen, daß die angebahnte Vereinigung
von drei chromatischen Massen zu zwei, wie sie im unteren Tochter-
kerne der Figur 5 dargestellt wurde, auf dem Stadium der Figur 6
vollzogen ist. Die vollendete Vereinigung aller chromatischen
Massen zu einer einzigen ist im unteren Tochterkerne der Figur 6
zur Anschauung «eebracht. Während man im oberen Tochterkerne
zwei chromatische Massen antrifft, sehen wir im unteren Tochter-
kerne nur eine einzive kompakte Masse von unregelmäßiger Form
und unebenen Umrissen. Außerdem kann man noch feststellen,
daß diese zentrale Masse durch feine Fibrillen des Kernnetzes mit
den peripheren Chromosomen in Verbindung steht. Das ist aber
ein Beweis mehr, daß diese Masse durch eine Vereinigung von
mehreren Chromosomen entstanden ist, die ihrerseits mit anderen
!) La reconstitution du noyau et la formation des chromosomes dans
les cinöses somatique. (Extrait de la Revue: „La Cellule“. T. XXI.)
Georgevitch, Zur Nukleolusfrage. 49
Chromosomen im Zusammenhang waren. Endlich bekommt diese
Masse eine rundliche Form und mehrere Vakuolen und stellt so
den regenerierten Nukleolus dar.
Demnach können wir wohlannehmen, daß der regrenerierende
Nukleolus in den vegetativen Zellen von Lupinus in der Telophase
durch Vereinigung mehrerer Chromosome zu einer Masse ent-
standen ist. Wenn wir nun weiter bedenken, daß in der Prophase
aus dem Nukleolus drei Chromosome entstanden sind, während in
der Telophase der regenerierende Nukleolus durch Vereinigung
von drei chromatischen Massen gebildet wird, so kann man daraus
klar ersehen, daß diese Massen nur die Chromosome des Tochter-
kernes sein können.
Nach dieser Auffassung ist die Kontinuität zwischen alten und
neuen Nukleolen wohl gesichert.
Auch in der Literatur finden wir einige Angaben über eine
direkte Entstehung der Chromosome aus der Masse des Nukleolus.
So hat J. Bershs!) für Spirogyra solche Angaben über die Bildung:
von Chromosomen gemacht. Nach diesem Autor werden die Chromo-
some in der Prophase aus der Masse des Nukleolus gebildet.
Auf Seite 65 sagt Berghs folgendes: On voit que les chromo-
somes se desagent du nucleole quiescent au sein du quel ils
etaient contenus“.
Bershs nimmt an, daß sich das perinukleolare Kernnetz bei
der Bildung von Chromosomen nicht beteiligt.
Außer diesen echten Chromosomen werden auch sogenannte
„bätonnets somatiques“ ebenfalls aus derkernigen Masse des Nukleolus
gebildet.
H. Wager hat die Rekonstitution des Nukleolus im Tochter-
kerne für Phaseolus beschrieben. Er hat ebenfalls gefunden, daß
ein im Tochterkerne regenerierender Nukleolus durch Vereinigung
mehrerer chromatischer Massen (Chromosomen) gebildet wird.
- Verschiedene Farbentöne dieser Massen deuten darauf hin,
daß dieselben durch Vereinigung mehrerer kleinerer entstanden sind.
Seine diesbezügliche Resultate faßt Wager im folgenden
Satze zusammen: „I think, ..... that the nucleoli in the dauchter-
nuclei definitely originate by the fusion of the chromosomes, first
of all into a number of small nucleolar masses, connected together
by a deeply stained network, and then by further fusion into the
large nucleoli found in the mature cells“ (p. 47).
2. Allium cepa.
Der Zellkern dieser Spezies enthält viel mehr Chromatin und
relativ längere Chromosome als der Zellkern von Lupinus. Im
ruhenden Zustande (Fig. 7) enthält der Zellkern einen relativ
kleineren Nukleolus, in dessen Mitte eine große Vakuole verhanden
ist, und ist von keinem hellen Hof umgeben.
ı) Le noyau et la cinese chez le Spirogyra. (Extrait de la Revue „La
Cellule“. T. XXIIL £. 1.)
Beihefte Bot. Centralbl. Bd. XXIII. Abt. I. Heft 1. 4
50 : Georgevitch, Zur Nukleolusfrage.
Nach B. N&mec!) befindet sich bei jüngeren Zellkernen von
Allvum cepa ein sehr schmaler, von radialen Fibrillen durchsetzter
Hof. Später soll aber bei älteren Kernen dieser Hof durch An-
häufung von Chromatinkernen an die Fibrillen verschwinden. Es
ist wohl möglich, daß in der Figur 7 ein solcher Kern dargestellt
ist, füge aber gleich hinzu, daß auch an anderen Präparaten kein
Hof wahrzunehmen war.
Vom Nukleolus sind zahlreiche feine Fäden in radialer
Richtung nach der Kernperipherie auszespannt. Diese Fäden
kreuzen sich, und. in den Knotenpunkten wird die sehr intensiv
sich färbende chromatische Masse angesammelt. Interessant ist es,
daß die Längsspaltung des chromatischen Kernfadens vor seinem
Zerfall in einzelne Chromosome erfolgt.
Zu gleicher Zeit mit dem Zerfall des Kernfadens kommen
auch die achromatischen Polkappen zum Vorschein. In der Figur
8 ist nur eine solche dargestellt, da der Schnitt etwas schief zur
Spindelachse geführt wurde. Auf diesem Stadium hat der Nukle-
olus seine ursprüngliche Form geändert, indem er mehr länglich
und unregelmäßig geworden ist. In seiner Mitte sehen wir nicht
mehr jene große, helle Vakuola, weshalb der Nukleolus jetzt ganz
homogen erscheint.
Es wurde schon betont, daß die Präparate, nach welchen die
Figuren 7, 8 und 9 gezeichnet sind, nach Flemming mit drei
Farben zefärbt wurden. Nach dieser Methode färbt sich be-
kanntlich der Nukleolus intensiv hellrot, die Chromosomen da-
gegen purpurrot. Dieses verschiedene tinktionelle Verhalten gibt
uns die Möglichkeit, die Bestandteile von Nukleolus und Chromo-
somen sicher von einander zu unterscheiden.
Auf dem in der Figur 8 dargestellten Stadium ist die achro-
matische Polkoppe schon gebildet, der Nukleolus aber ist noch
immer im Inneren des Kernes ganz vorhanden. Daraus können
wir den Schluß ziehen, daß zur Bildung der achromatischen Pol-
koppe keine Nukleolarsubstanz verbraucht wurde. Dasselbe Ver-
hältnis bleibt auch später bestehen. Der Nukleolus hat seine Form
noch weiter geändert und schließlich die Form eines Chromosoms
angenommen.
So sehen wir in der Figur 9 unter anderen Chromosomen
auch ein solches, welches dieselbe hellrote Färbung zeigt wie der
Nukleolus selbst, es liegt in der Mitte der unteren Reihe der in
der Metaphose sich befindenden Chromosome.
Auf diesem Stadium ist die Kernmembran desorganisiert,
und die achromatische Figur vollständig ausgebildet, obgleich die
Nukleolarsubstanz in der Form eines Chromosoms ganz erhalten
ist. Für unsere Annahme, daß dieses hellrot sich färbende Chro-
mosom vom Nukleolus entstanden ist, spricht noch der Umstand,
daß nur dieses einzige Chromosom die intensiv hellrote Färbung
zeigt, während alle anderen Chromosome sich dunkelrot färben. .
!) Über die karyokinetische Kernteilung in der Wurzelspitze von Allium
cepa. (Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XXXIT. H. 2,
Georgevitch, Zur Nukleolusfrage. 51
Das Stadium der Anaphase und der Telophase verläuft in
normaler Weise. In der Figur 10 ist das Stadium der Telophase
dargestellt: Beide Tochterkerne sind regeneriert und mit einer
Membran umgeben. Außerdem ist die Zellplatte gebildet und zeigt
in ihrer Mitte die charakteristische Krümmung, welche auch von
Nemce für Allkum beschrieben wurde.
Die Chromosome zeigen deutliche Vakuolen in ihrer Masse,
wie das Gr&egoire und Wyeaerts für vegetative Zellen beschrieben
haben. In jedem Tochterkerne sieht man je ein vakuolisiertes
Chromosom, in dessen Mitte ein längliches oder ovales Körper-
chen in der Verlängerung desselben Chromosoms liest. Dieses
Körperchen ist kompakt, während die anderen Bestandteile dieses
Chromosoms vakuolisiert sind. Außerdem färbt es sich weniger
intensiv als die Bestandteile dieses und anderer Chromosome, und
zeigt überhaupt alle Eigenschaften eines resenerierenden Nukleolus.
Bei einer genauen Betrachtuug des mikroskopischen Bildes kann
man feststellen, das dieses kompakte Körperchen durch je zwei
parallele, feine, farblose Fädchen mit anderen Bestandteilen dieses
Chromosoms in Verbindung steht.
Das ganze Bild macht den Eindruck, als ob die Masse eines
Chromosoms sich um diesen Punkt konzentrierte, wodurch derselbe
durch die Apposition der Chromatinmasse vergrößert wird.
Den Vorgang der Konzentration der Chromosomenmasse in
beschriebene Zentren können wir uns folgendermaßen vorstellen:
Um eimen kompakten Punkt des vakuolisierten Ohromosoms, welcher
beiderseits durch je eine Vakuole von anderen Bestandteilen des
Chromosoms getrennt ist, wird immer neue chromatische Masse
von beiden Seiten her aufgelagerte Dadurch wird das kompakte
chromatische Körperchen immer größer, bleibt aber noch immer
durch je zwei feine, farblose Fädchen mit anderen Teilen dieses
Chromosoms in Verbindung. Nach der von Gr&6goir und Wyeaerts
gegebenen Definition stellen diese Fädchen die lateralen Wände
der Vakuole, und sind aus der Chromosomenmasse gebildet. In
der beschriebenen Weise konzentriert sich die ganze Masse eines
bestimmten Chromosoms zu einem kompakten, kleineren oder
größeren Punkt, welcher einen regenerierenden Nukleolus
darstellt. Aus der Masse anderer Chromosome wird dagegen
das chromatische Kernnetz in bekannter Weise gebildet.
So haben wir den ganzen Zyklus der Veränderungen des
Nukleolus festgestellt. In der Prophase wird aus dem Nukleolus
ein Ohromosom (für Allvrum) gebildet, und in der nächsten Telophase
regeneriert der Nukleolus aus der Masse eines bestimmten COhro-
MOSomS.
Solche Entstehungsweise von Nukleolus steht im besten Ein-
klange mit der Theorie der Chromosomenindividualität. Gregoire
und seine Schüler haben besonders betont, daß die Uhromosome
in der Telophase nur ihre Form, nicht aber ihr Wesen verändern,
woraus zu schließen ist, daß im Ruhezustande der Zellkern die-
selbe Ohromosomenzahl wie bei der Mytose enthält, nur ohne deut-
liche Umrisse einzelner Chromosome. In der Prophase dagegen wird
4.”
52 Georgeviteh, Zur Nukleolusfrage.
nur die Masse einzelner Ohromosome aus dem Kernnetze konzen-
triert, und zwar aus denjenigen Teilen desselben, welche in der Telo-
phase durch Vakuolisierung derselben Chromosome entstanden sind.
Auf diese Weise ist die so viel erörterte Individualität der
Ohromosome auf das deutlichste bewiesen. Unsere Annahme über
die Entstehung des Nukleolus nach der gegebenen Erklärung steht
keineswegs im Widerspruch mit der Theorie von der Individualität
der Chromosome, da aus den vakuolisierten Chromosomen einer Telo-
phase wieder nur die Chromosome der nächsten Prophase sebildet
werden.
Zu diesen Chromosomengenerationen wird die Masse des
Nukleolus in Form eines oder mehrerer Chromosome in der Pro-
phase hinzugefügt, oder aus denselben in der Telophase als der
regrenerierende Nukleolus eliminiert. ,
Ganz anders verhält sich die Sache nach der von Wager
gegebenen Beschreibung der Entstehung von Nukleolus. Nach ihm
werden die Chromosome in der Prophase nur aus dem Kernnetze
gebildet. Der Nukleolus gibt nur die amorphe Masse — „nucleolar
material“ —, welche aus dem Nukleolus durch die „suspending
fibrres“ in das Kernnetz übergeht, und dadurch dessen Masse
vermehrt.
In der Telophase dagegen entsteht der Nukleolus durch Ver-
einieung einiger Ohromosome, morphologeisch also aus ganz ver-
schiedenen Elementen, welche nur einen Teil des Nukleolus aus
der Prophase enthalten. Dadurch ist aber die Kontinuität zwischen
dem alten Nukleolus einer Prophase und dem neuen in der nächsten
Telophase unterbrochen.
Für Allium hat B. N&mec!) die Bildung des Nukleolus durch
Umwandlung der Spindelfasern an den Polen der Teilungsfiguren
beschrieben.
Die Mantelfasern verlieren ihre faserige Struktur und werden
in eine homogene Masse umgewandelt, welche ihre konische Form
beibehalten hat. Später wird sie körnig und färbt sich mit drei
Farben rötlich gelb. Einzelne ‘Körner dieser Masse vereinigen
sich zu einem oder mehreren rundlichen Körpern, welche alle
Eigenschaften der regenerienden Nukleolen aufweisen. Sie
liegen am Pole des Tochterkernes in einer kleinen Vertiefung und
erst später dringen sie in das Kerninnere
Auf meinen Präparaten, die ebenfalls mit drei Farben nach
Flemming gefärbt wurden, konnte ich nie eine solche Umwand-
lung der Spindelfasern in Nukleolus beobachten.
Dagegen habe ich sehr oft die Gelegenheit gehabt, an den
Polen der Tochterkerne solche sehr intensiv sich färbende Körper-
chen in einer Vertiefung zu beobachten. In allen Fällen hat sich
aber herausgestellt, daß diese rundlichen Körperchen an den Polen
der Tochterkerne nichts anders waren als die kompakten Enden.
eines vakuolisierten Chromosoms, welches am Pole des Tochter-
kernes lag, und über die übrigen hinausragte. Das kompakte
1) 1. c. p. 330.
ee 10.
IC) vun }
Gemgevitsch del. Verlag von 0. Heinrich in Dresden N. Litt Anstv.Johannes Arndt, Jena
Georgevitch, Zur Nukleolusfrage. 53
Ende eines solchen Chromosoms färbt sich aber intensiv und ist
von anderen Teilen dieses Ohromosoms durch eine Vakuole getrennt.
Auf ersten Blick macht es den Eindruck eines selbständigen
Körpers, und es ist wohl die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß
sie irrtümlicherweise als Nukleolen interprätiert wurden.
Figurenerklärung.
Sämtliche Figuren sind mit Hilfe des Ab&’schen Zeichenapparates ge-
zeichnet.
Fig. 1. Eine Periblemzelle aus dem Längsschnitte einer Wurzelspitze von Lu-
10.
pinus angustifolius. Der Kern ist im Ruhezustande. Ok. V. Obj. !/ız
Ölimmersion von Leitz.
. Eine Periblemzelle in der Mytose, sonst wie in der Figur 1.
. Wie in der Figur 2. Nukleolus ist vakuolisiert und hat eine noch un-
regelmäßigere Form bekommen.
. Ein weiteres Stadium der Vakuolisierung vom Nukleolus, welcher in
vier Enden ausgezogen ist, sonst wie in der Figur 3.
. Eine Periblemzelle in der Mytose; beide Tochterkerne zeigen die Ver-
einigung der chromatischen Massen. Ok. V. Obj. !/j. L.
. Wie in der Figur 5, nur ist die Vereinigung der chromatischen Massen
weiter fortgeschritten.
. Eine Periblemzelle aus dem Längsschnitte einer Wurzelspitze von Allium
cepa. Der Zellkern ist im Ruhestadium. Ok. V. Obj. Yı. L.
. Eine Periblemzelle in der Mytose. Die Ohromosome sind differenziert,
und die Polkappe gebildet. Ok. IV. Obj. 0,30 Ölimmersion. Zeiß.
. Wie in der Figur 8, nur ist die Spindelbildung vollendet; der Zellkern
befindet sich in der Metaphose.
Eine Periblemzelle in der Teilung und mit zwei Tochterkernen. Die
Zellplatte ist gebildet. Ok. III. Obj. !/ı. L.
54
Zur Frage über den Einfluss des Lichtes
auf die Atmung der niederen Pilze.
Von
A. Löwschin.
(Aus dem Botanischen Laboratorium der Universität zu Kiew.)
Mit Tafel VI bis VII.
Die Atmung der Pflanzenorganismen wird bekanntlich durch
den Wechsel von Beleuchtung und Dunkelheit nicht sehr wesent-
lich beeinflußt. Immerhin konnte man häufige im Lichte eine Ver-
langsamung der Atmung beobachten.
Aber im Jahre 1899 fand Kolkwitz!), daß das Licht bei den
niederen Pilzen und Bakterien unabhängig von dem morphologischen
Zustand der Kultur und von ihrer Nahrung eine anfangs an 10%,
betragende Beschleunigung der Atmung hervorbringt. Seine Er-
gebnisse stehen im Widerspruch mit den bis dahin bekannten
kritischen Untersuchungen auf diesem Gebiete Kolkwitz erklärt
dies sehr einfach folgendermaßen: „Die Forscher‘ — schreibt er?) —
„welche vor mir den gleichen Gegenstand behandelt haben, ver-
mochten nicht ganz die Schwierigkeiten zu überwinden, welche
ihnen vor allem das Konstanthalten der Temperatur verursachte.
Es darf darum auch nicht sehr überraschen, daß ich durch Ver-
feinerung der Methode zu wesentlich anderen Ergebnissen ge-
kommen bin.“
Später (1902) hat Maximow:) durch die Versuche mit
Aspergillus niger und Maucor stolonifer, wobei er auch für eine
sute Temperaturkonstanz des umgebenden Mediums sorgte, die
Beobachtungen von Kolkwitz teilweise bestätigt und ist zu
analogen Ergebnissen gekommen. Er scheint auch einerlei
Meinung mit ihm bezüglich der Ursache des eben gezeigten
Widerspruches zu sein.
!) Kolkwitz, R., Über den Einfluß des Lichtes auf die Atmung der
niederen wi (Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XXXII. H.1. S. 128.)
an 129.
) ne N. A., Über den Einfluß des Lichtes auf die Atmung der
niederen Pilze. (Gentralblatt für Bakteriologie usw. Abt. II. BandIX. 1902,
No, 6—7. 8, 193.)
Beihelte zum Botanischen Centralblatt Ba. XMILAbEI
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Danke
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4.Löwschin
Beihefte zum Botanischen Centralblatt Da. KMILAbEI Taf. WM.
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4 Löwschin. 962 Verlag von ©. Heinrich in Dresden-N Lilh. Anstv. Johannes Arndt, Jena.
Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes ete. 55
Aber es gibt noch eine Möglichkeit, welche die beiden Autoren
offenbar für unzulässig hielten, und zwar, daß bei ihren eigenen
Versuchen die aktinische Erwärmung der Kulturen eine Rolle
spielte. Diese Voraussetzung widerspricht freilich ihren Be-
hauptungen. Doch hoffe ich zu zeigen, daß sie vieles für sich hat.
In der Tat benutzten sie zum Beleuchten das starke, oft
dazu noch mittels konkaver Reflektoren kondensierte elektrische
Lieht. — Maximow setzte sogar die Kulturen den direkten Sonnen-
strahlen in einigen Versuchen aus. — Dieses Licht verursachte
manchmal bei ihren Versuchen, trotz der angewandten Temperatur-
reeulierungsvorrichtungen und Rührwerke, eine so starke Er-
wärmung des das Kulturgefäß umgebenden Wassers, daß die
Forscher persönlich eingreifen mußten, damit die unerwünschte
Temperaturerhöhung vermieden wurde „Nur wenn“ — schreibt
Kolkwitz!) — „das die Kultur bescheinende Bogenlicht durch eine
Sanz schwach konische, innen mit dünner Nickelschicht belegte
Papphülse recht wirksam gesammelt wurde, konnten die an der
spiegelblanken Nickeliläche reflektierten Wärmestrahlen so stark
erwärmen, daß die Temperatur zu sehr stiee. In diesem Falle
mußte darauf Acht gegeben werden, daß der Regulator nicht un-
beabsichtigt außer Funktion gesetzt wurde‘.
Bei Maximow) findet man folgende nicht weniger interessanten
Worte: „Ubrigens mußte, um übermäßige Erhöhung der Temperatur
zu vermeiden, die Gasflamme unter dem Kessel D:) hin und wieder
ausgelöscht werden (bei einiger Gewöhnung konnte im Voraus
bestimmt werden, um wieviel die Temperatur im Kessel D herab-
gesetzt werden mußte, um den Eintluß der Strahlenwärme im Gefäß
E auszugleichen); ausnahmsweise mußte Kaltes oder heißes Wasser
in das Gefäß E hinzugeeossen werden.“
Mit Hilfe solcher Manipulationen gelang es freilich dem Forscher,
unerwünschte Temperaturschwankungen des umgebenden Mediums
zu beseitigen.
Aber es lievt nun nahe, zu fragen, ob auch Temperatur-
schwankungen der Kultur selbst damit unmöglich wurden? Ob ihre
Temperatur wirklich stets konstant blieb und keine nennenswerte
Steigerung im Lichte aufwies?
Auf diese wichtigen Fragen hat ebenso gut Kolkwitz wie
Maximow keine befriedigende Antwort, denn sie maßen nur die
Temperatur des Mediums und zogen daraus die Schlüsse über die
der Kulturen, während viele Umstände, welche die Entstehung von
Temperaturdifferenzen zwischen dem Medium und Organismus fördern
könnten, bei ihren Versuchen vorhanden waren, wie das starke
Licht, große, nicht selten dazu noch dunkelgefärbte, beschienene
Flächen der Kulturen, ihre verhältnismäßig kleinen Massen und
endlich ihre oberflächliche Lage auf den Nährflüssigkeiten, ihre
1) ]. ec. 8.144.
Ay, 0; 8,201
», Der Kessel D wurde mit einem T’hermoregulator versehen und diente
zum Konstanthalten der Temperatur des Wasserstromes, der weiter das Gefäß E
durchfloß, worin das Kulturgefäß sich befand,
56 Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes ete.
Berührung also mit einem so schlechten Wärmeleiter, wie
die Luft.
Kolkwitz sah offenbar diese Möglichkeit nicht voraus, indem
er ohne weiteres schlechthin annnahm, daß „Pilzkultur und durch-
strömende Luft stets die gleiche und konstante Temperatur hatten.“!)
Was Maximow betrifft, so war er scharfsichtiger. „Im.
Wasserbehälter‘‘ — lesen wir Il. c. S. 200 — „befand sich das
Kulturgefäß und ein empfindliches Thermometer .... Das Re-
servoir dieses Thermometers war nie dem Einflusse des direkten.
Sonnenlichtes ausgesetzt, sondern blieb stets-verdeckt, da widrigen-
falls das Quecksilber leicht über die Temperatur des umgebenden
Elements hinaus sich erwärmen Könnte .. .“
Daß dasselbe auch der Pilzkultur selbst passieren könnte,
daran dachte er gar nicht, und suchte daher durch parallele Kontroll-
versuche im Dunkeln sich nur davon zu überzeugen, daß Tem-
peraturschwankungen des umgebenden Wassers, „welche beim
Wechsel von Dunkelheit und Licht dennoch stattfinden könnten,
keinerlei Einfluß auf die Atmung der Pilze ausüben‘.2) |
So ließen sich die beiden Forscher in solch einer wichtigen
Frage, wie die über das Temperaturverhalten der Kulturen im
Lichte, durch die Annahme leiten, daß die Pilztemperatur stets
mit der des umgebenden Mediums zusammenfallen müßte.
In der Wirklichkeit aber verhält sich dies häufig canz anders.
Im Frühlmg 1904 habe ich auf Rat von Herrn Professor
Dr. K. A. Purijewitsch, dem ich auch für seine zahlreichen
wertvollen Anweisungen zu bestem Dank verpflichtet bin, eine Unter-
suchung über den Einfluß des Lichtes auf die Atmung der niederen
Pilze unternommen.?) Ich stellte Versuche mit ähnlichen Pilzkulturen
an, wie Kolkwitz und Maximow, und Konnte nicht selten be-
trächtliche Temperaturdifferenzen zwischen der Kultur und dem
Medium beobachten, die im diffusen Tageslichte bis zu 0,7° C.)
erreichten.
Ich sehe nicht, was für ein Umstand bei den Versuchen der
zitierten Autoren die Entstehung ähnlicher Temperaturdifferenzen
verhindern könnte, und halte darum ihre Interpretation der ohne
Zweifel richtig beobachteten Erscheinungen für eine schwach be-
gründete.
I.
Im Folgenden ist Allgemeines über die Versuchsobjekte, die
angewandte Methode etc. möglichst kurz gefaßt. Näheres findet
man bei der Beschreibung der einzelnen Versuche und ihrer Re-
sultate.
Versuchsobjekte. Reine Kulturen von Aspergillus niger,
Oladosporium herbarum Link, Oidium lactis und Penieillium sp.
D)1. ce. 8. 140.
a I a 86 ZU:
>) Verschiedenen Umständen zufolge konnte ich nur einen vorläufigen Teil
der Arbeit ausführen.
*) Man wird sehen, daß diese Zahl keineswegs den Maximalwert der
etwaigen Temperaturdifferenzen gibt,
Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes etc. 57
Nährboden. Am meisten durehsichtige, feste Nährgelatine
von verschiedener Zusammensetzung, nämlich:
(«) (b)
NVassenkan u. 2 1 L.
Gelamesne 2.727200 Er 00T
Rohrzucker 2... ...2..:02109 72 21000
Beptonawätter 2....11.2 20200 ION
Ammonummitrat ea are
Ralkumphosphatın a oe
Masnnumsultat 2 27, 2,040,2.0,38%
Manchmal wurde auch mit Gelatine zu Gallerte gewordene
Raulin’sche Lösung gebraucht. Diese Sorten der Nährgelatine
werden bei der Beschreibung der einzelnen Versuche kurz be-
zeichnet als a-, b- oder R. L.-Gelatine. In einigen Versuchen wurde
Raulin’sche Lösung allein benützt.
Co:s-Bestimmung. Ich bestimmte nur die Mengen der
während streng «emessener Zeitintervalle ausgeatmeten Kohlen-
säure, nach der Pettenkofer’schen Methode. Zur Reinigung der
durchströmenden Luft dienten eine mit Watte und drei mit
Natronkalk «efüllte U-förmige Röhren und eine Drechsel’sche
Kontrollflasche mit Barytlösung. Die Pettenkofer’schen Ab-
sorptionsröhren enthielten immer 100 cbem Barytlösung, die nach-
her in hermetisch zu verstopfende Flaschen abgelassen wurde.
Hinter diesen Röhren wurde noch eine Drechsel’sche Kontroll-
flasche mit Barytlösung eingeschaltet. ,
Zum Titrieren diente die Oxalsäurelösung, von welcher 1 chem
einem mgr ausgeatmeter Kohlensäure entsprach. Die Baryt- und
Oxalsäurelösung: en verhielten sich zu einander wie 20:41, 15 und
20: 41,6, wobei Phenolphtalein als Indikator diente.
Zn Bestimmung der absorbierten Kohlensäure wurden 20 ebem
von der Absorbtionslösung vermittelst einer mit einem evakuierten
Gefäße verbundenen Pipette genommen. ‚Jede Bestimmung wurde
zwei- bis dreimal ausgeführt. Die angewandten Büretten gestatteten
ein bis auf 0,05 cbem genaues Ablesen.
Luftstrom. Zum Durchdrücken der Luft dienten große,
nach dem Mariotte’schen Prinzip von mir selbst Konstruierte
Druckflaschen (Taf. VIII, Fig. 1), die einen konstanten und bequem re-
sulierbaren Luftstrom erzeugten. Durch zwei Glashähne und einen
Quetschhahn wurde der Luftstrom nach Wunsch in eine von vier
Absorptions- oder in (fünfte mit Wasser gefüllte) eine Ventilationsröhre
(vgl. Schema Taf. VIII, Fig. 2, %) gelenkt. Die letzere diente, damit
keine Änderung der Luftstromgeschwindiekeit während des Versuches
auch dann stättfände, wenn keine Öo,-Absorption ausgeführt wurde.
Die mit einer Gasuhr gemessene Luftstromgeschwindigkeit schwankte
bei einzelnen Versuchen von 3 bis auf 5 L. pro Stunde, am meisten
betrug sie 4,25—4,5 L.
58 Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes etc.
Vor Versuchsbeginn fand immer eine vorläufige Ventilation
während 1-2 Stunden mit ca. 10 L., resp. 20 L. kohlensäure-
freier Luft statt.
Kulturgefäß. Ich bediente mich Roux’s Kolben von ca.
400 ebem Inhalt, die mit ca. 250 cbem Nährsubstanz gefüllt wurden.
Die Mycelfläche in solch einem Kolben betrug an 160 gem. Durch
einen seitlichen Fortsatz jedes Kolben wurde eine von mir selbst spe-
zielleemachte, nach außen gebogene, dünne Glasröhre (Taf. VIII, Fig. 3«)
mit Mündung von ca 0,5 mm hineingeführt, wodurch die Luft in den
Kolben einströmte. Die Ausströmung geschah durch eine breitere Glas-
röhre (Taf. VIII, Fig. 36), deren Mündung von ca.3 mm in der Mitte
des Atemraumes sich befand, und die durch den Kolbenhals durch-
sing. Die beschriebene Einrichtung des Kulturgefäßes entsprach
dem Zwecke gut, wie vorläufige Versuche mit Salmiaknebel ge-
zeigt hatten.
Ein anderer Fortsatz jedes Kolben diente zu ihrer Fiillung.
Ein unten durch Gummipfropfen hineingehendes Röhrchen gestattete,
auf Wunsch flüssige Nährlösungen zu wechseln.
Temperatur. Alle Versuche wurden bei gewöhnlicher
Zimmertemperatur ausgeführt.
Ich maß durch zwei vorher verglichene, bis auf 0,050 C.
genau ablesbare Thermometer nicht nur die Temperatur des um-
sebenden Mediums, sondern auch die der Pilzkulturen. Zu diesem
Zweck wurde ein Thermometer von unten durch den Kolbenhals
hineingeführt und berührte somit «lie niedere Seite des Pilzmycels.
Leider standen zu meiner Verfücung bloß gewöhnliche Thhermo-
meter mit zylindrischen Reservoiren. Man soll dies bei Würdieung
meiner Angaben betreffs der Temperatur der Pilze in Betracht nehmen.
Das andere Thermometer befand sich neben dem Kulturgefäß
und wurde bei Beleuchtung der Wirkung des Lichtes ausgesetzt.
Der Temperaturkonstanz halber tauchte ich das Kulturgefäb in
ein großes, würfelähnliches Glasaquarium, das ca. 64 L. destillierten
Wassers enthielt. Darin befand sich auch ein Schlangenrohr von
ca. 8 Meter Länge, das aus einzelnen Glasröhren von 3mm Innen-
weite zusammengesetzt worden war und zum Konstanthalten der
Temperatur der in das Kulturgefäß einströmenden Luft diente.
Beleuchtung. Ich benutzte ausschließlich das diffuse
Tageslicht.
Das Aquarium mit dem Kulturgefäß wurde zu diesem Zwecke
an ein östliches Fenster gestellt, und die Versuche wurden erst dann
begonnen, wenn kein direkter Sonnenstrahl mehr ins Fenster
drane. Das Kulturgefäß wurde dabei so befestigt, daß das Pilz-
mycel in senkrechter Fläche lag und gleichmäßig beschienen wurde.
Zwischen dem Gefäß und der Glaswand des Aquariums be-
fand sich eine ca. 8 cm dicke Wasserschicht.
Die Verdunklung wurde mittels eines schwarzen, passend
gemachten Kartonmantels erreicht.
Jede Abweichung von der beschriebenen Versuchsanordnung
ist an der betreffenden Stelle angegeben.
Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes etc. 59
JaT:
Ich beschreibe hier die Versuche ohne die chronologische Reihen-
folge, indem ich dabei diejenigen auslasse, die nach ihrer Anordnung
und ihren Resultaten einen von den mitzuteilenden wiederholten
und somit nichts neues dargeboten haben.
In den unten angegebenen Tabellen bedeutet: t%i = Anfangs-
temperatur der bezüglichen Pilzkultur; t%a = Anfangstemperatur des
umgebenden Wassers; /\ ti?, resp. A ta° = Temperaturzuwachs, so-
daß die Summe ti? + /\ ti°, resp. ta° — A ta die im entsprechen-
den Versuchsmoment beobachtete Temperatur in Grad Celsius gibt.
Das Übrige versteht sich von selbst.
Die beigefügten Diagramme (Taf. VI u. VII) stellen synoptisch
die beobachteten Erscheinungen dar.
1. Versuch. Diagramm 1: 25. März 1904. Starkes Tages-
licht. Cladosporium herbarum Link, eine 6 Tage alte, dunkel
gefärbte, ziemlich kompakte, aber noch wachsende Kultur auf
a-Gelatine. 4 erste Öos-Mengen für !/stündige, 3 letztere für
!/,stündige Zeitintervalle. Versuchsdauer: 113° —32%, Luftstrom-
geschwindigkeit: c. 4,5 L pro Stunde.
tie = 19,90 €.) ta0 = 19,70 C.
| Co, in mer TUN ti? A ta Temperaturdifferenz.
Em 21,76 Sn a 0,20
au. 23,23 0,7 | 0,2 0,70
3.0 2 22,15 0,4 0,3 0,30
Tan.) 293.05 0,9 0,5 0,6
DD): IN | | |
| ER) 00 we =
aD) ea 00. 0005 0,30
Von besonderem Interesse sind die Zahlen der letzten
Kolumne. Man sieht, daß auch im diffusen Tageslichte, das dazu
noch drei Glasplatten (Fensterscheibe, Aquariums- und Kulturgefäß-
wand) und eine ca. 8 cm dicke Wasserschicht durchstrahlt hat,
beträchtliche Temperaturdifferenzen zwischen der Kultur und Um-
gebung entstehen. Dabei ist zu beachten, daß die Luft mit der
Geschwindiekeit von 4,5 L. pro Stunde über die Kultur strömte.
2. Versuch. Diagramm 2: 26. März 1904. Starkes Tages-
licht. Oladosporium herbarum Link; dieselbe Kultur, wie im vor-
stehenden Versuch. Die Cos-Mengen für !/;stündige Zeitintervalle.
Versuchsdauer: 11°°—255. Luftstromgeschwindiekeit: ca. 5 L. pro
Stunde. Das äußere Thermometer wurde etwas weiter vom Kultur-
sefäß entfernt.
') Zwischen dem Mycel und Ende des Thermometers lag leider eine ca,
2 mm dicke Gelatineschicht,
60 Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes ete.
tie = 19,50 0.1) ta0 = 19,40 C.
Co, in mgr | AN | /A ta® Temperaturdifferenz.
jl 0) 21,75: 0,10
Di 29,715. 0007 0,2 0,60
7, 2254 #900 03 0,70
4D. 25 008 0,3 0,250
Hier sieht man auch die beträchtliche Steigerung der Tem-
peratur des Pilzes im Lichte.
Es fragte sich, ob diese Steigerung von einer durch das Licht
bewirkten physikalischen Erwärmung der Kultur herrührte oder
darin eine physiologisch-chemische Lichtwirkung beobachtet wurde.
Um dies zu beantworten, wurden die Beobachtungen über
die Temperatur wiederholt, nachdem die Pilzkultur durch Dampf-
sterilisation getötet worden war. Da aber die Dampfsterilisation
zugleich auch die Gelatine verflüssigt und undurchsichtie gemacht
hatte, so war es notwendig, eine Versuchsmodifikation einzuführen.
Das Pilzmycel wurde daher herausgenommen und zerschnitten, mit
einem Streifen wurde das Reservoir eines Thermometers umwickelt,
dann in einer leeren Eprouvette durch einen Pfropfen befestigt und
so in einen mit destilliertem Wasser sefüllten, breiten Glaszylinder
eingetaucht. Das andere Thermometer befand sich daneben bloß
im Wasser. Zwischen der Zylinderwand und den Thermometern
lag eine ca. 5 cm dicke Wasserschicht. Die Beobachtungen wurden
an demselben Fenster ausgeführt.
9. Versuch. Diagramm 3: Cladosporium herbarum Link.
Das getötete Mycel, das vor dem Versuch in emer Formalinlösung
bewahrt wurde. Starkes Tageslicht.
M=2200 m) = 220
FANGEN | A ta° Temperaturdifferenz.
1245 belichtet — | E | 0
127 L. 0,4 | 0,1 0,3
125° L. | 0,6 0,1 0,50
1257 L. | 0,8 0,1 0,70
11 | 0,8 0,1 0,70
1°1 verdunkelt | — — _
102;D): | 0,3 0 0,30
1198 JD). 0 —0,05 0,05 0
1117. — 0,1 | — 0,1 0
1:2 belichtet — _ | —
113 L. 0,1 —0,055 0,15
U. S. W.
!) Zwischen dem Mycel und Ende des Thermometers lag leider eine ca,
2 mm dicke Gelatineschicht.
Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes ete. 61
Den gesamten Verlauf des Versuches gibt das Dia-
eramm 3 an.
Die Temperatur auch des toten Pilzes stieg beträchtlich im
Lichte und erreichte in zwölf Minuten nach der Beleuchtung ihr
Maximum. Die Zuwachse der äußeren Temperatur im Lichte waren
viel kleiner. Man bemerkt dabei, daß sie auch kleiner als die in
den Versuchen 1 und 2 ausfielen. Es erklärt sich daraus, daß die
Masse der nahe bei dem äußeren Thermometer liegenden erwärmten -
Substanz in diesem Falle unbeträchtlich war und somit schwächer
beeinflußte Diese Tatsache deckt die Hauptursache der in den
Versuchen 1 und 2 beobachteten Steigerung der Temperatur des
umgebenden Wassers im Lichte auf.
Man sieht nun klar, wie unvorsichtig es wäre, nach dem
äußeren Thermometer die Temperatur der bezüglichen Kultur zu
beurteilen.
Ich wiederholte u. a. den Versuch 3 im direkten Sonnen-
lichte. Die Temperatur des toten Mycels stieg dabei in 10 Minuten
nach der Beleuchtung um 4°C und die Divergenz der Temperatur
N
erreichte bis zu 3° C.
4. Versuch. Diagramm 4: 10. April 1904. Starkes Tages-
licht. Penieillium sp., eine T Tage alte, gut entwickelte Kultur auf
b-Gelatine. Verflüssigung der Gelatine unbemerkbar. Die Cos»-
Mengen für !/,stündige Zeitintervalle. Versuchsdauer: 110—402,
Luftstromgeschwindigkeit: ca 4 L. pro Stunde.
ne ers ta 1esoe
Co, in mer NS Aw“ Temperaturdifferenz.
be DD: 10,5 12 ja 0,45 0
2.D. 10,25 -— 0,05 01 0,30
D. 10,5 0,35 0,2 060
A, 10,5 0.45 0,3 0,60
5. D. 11 0.25 0,3 0,40
6. D. 1 0,15 03 0,30
De 11,25 0,15 0,3 0,30
”
Keine Beschleunigung der Atmung im Lichte trotz der
Steigerung der Temperatur.
5. Versuch. Diagramm 5: 11. April 1904. Starkes Tages-
licht. Peniecillium sp. Dieselbe Kultur wie in dem Versuch 4.
Verflüssigung der Gelatine wohl bemerkbar. Die Uos-Mengen für
Zeitintervalle von 25 Minuten. Versuchsdauer: 12”—3#0 Luft-
stromgeschwindigkeit: ca 4,25 L. pro Stunde.
62 Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes etc.
tie = 19,50 C. tao = 19,40 €.
C,nmr Atı | A ta | Feraperaturdif era
1.1D) 16,75 A N 0,10
2.D. 16,4 oa N Mo 0.20
3.7 18125. 2 0 0 nor 0,60
ZB) 19 ee | 0,30
Ba 190 oe 0,65 0
6. D. 19,250 oe 0,20
Die Kultur scheint während des Versuches zu wachsen. Es
mag sein, daß die Erweckung der Wachstumstätiekeit im Zusammen-
hang mit der Steigerung der Temperatur im Lichte stand. Von
irgend einem anderen Einfluß des Lichtes auf die Atmung kann
man nichts bestimmtes aussagen. Es ist dies übrigens immer der Fall,
wenn man ähnliche Versuche mit rasch wachsenden Kulturen anstellt.
6. Versuch. Diagramm 6: 4. April 1904. Etwas ge-
schwächtes Tageslicht (der Himmel hatte sich bezogen).
Aspergillus niger, 5 Tage alte, noch weiße, auf R. L.-Gelatine
langsam wachsende Kultur. Die Cos-Mengen für !/,stündige Zeit-
intervalle. Versuchsdauer: 12+5—4. Luftstromgeschwindigkeit ca.
4 L. pro Stunde.
ti = 20,20 0. ta = 19,90 Q.)
Co, in mgr | AN a N en ı Temperaturdifferenz.
Im a = Rn
2} 2%5 | 0 | 0,30
u el. 0 0,45 0
| Ener a 0,50
Dein 0202 2.005 0,55
Bam ee =
ED A| 2
8.D. U — 0,30
Keine Beschleunigung der Atmung im Lichte.
7. Versuch. 5. März 1904. Starkes Tageslicht. Ordium
lactis, eine 12 Tage alte, weiße Kultur auf a-Gelatine mit 3°)
Rohrzucker. Die Cos-Meneen für !/sstündige Zeitintervalle. Versuchs-
dauer: 124° —303. Luftstromgeschwindiekeit: ca. 4,52 pro Stunde.
tie=19°0. ta°—= 18,9% C. während des Versuches ganz unverändert.
1. 2De Tenor 002: 3. D. 6,25 mer Cos».
2ER OD a 4... 1,0.0.29 0, R
Keine Beschleunigung der Atmung im Lichte.
!) Die Zahlen beziehen sich auf die Temperatur am Ende der zweiten
Oo,-Bestimmung.
Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes ete. 63
8. Versuch. Diagramm 7: 18. März 1904. Starkes Tages-
licht. Oidium lactis. Stägige Kultur. Hier wurde ein großer
Roux’s-Kolben mit ca. 314 qem Bodenfläche verwendet. Inhalt des
Atemraumes war ca. 400 cbem. Deshalb Luftstromgeschwindigkeit:
ca. 6 L. pro Stunde. Versuchsdauer: 112#°—23% Die Co2-Mengen
für Zeitintervalle von 25 Minuten.
A lo oa niche)
Oo, nmer | A | A Teinperaturdiflrenz,
| |
I. je 0 I) | 0,30
SET 8.6 GO 0,30
5 na, =
| 19 VB a 0,30
5, De N Ze
Be | 8,1 0,3 | 08 | 0,30
Keine Beschleunigung der Atmung im Lichte, vielmehr um-
gekehrt.
Ich habe sechs Versuche mit Ordium lachs angestellt und
niemals eine Beschleunigung der Atmung im Lichte beobachtet.
9. Versuch. Diagramm 8: 28. Mai 1904. Starkes Tages-
licht, aber der Versuchsapparat wurde in der Mitte des Zimmers
im Abstand von ca. 3 Meter vom Fenster aufgestellt und die Pilz-
kultur von oben mittels eines flachen Spiegels beschienen. Über
dem Kulturgefäß stand eine ca. 4 cm hohe Wasserschicht.
Aspergellus niger. Die Kultur auf Raulin’scher Lösung war
drei Tage alt, noch weiß, aber ziemlich kompakt. Versuchsdauer:
11° 1°, Luftstromgeschwindigkeit: 2 L.!) pro Stunde Die
Temperatur des Pilzes wurde nicht gemessen. ta? = 23° ©. blieb
konstant. Die Cos-Mengen für !/, stündige Zeitintervalle.
1. D. 30,5 mgr Co». 4. L. 33 mer (os.
DD 2. 1 a
3, 1, Ba &. D. la
Keine Beschleunigung der Atmung im Lichte.
Im Ganzen habe ich 22 Versuche ausgeführt, und niemals
konnte ich eine regelmäßige Beschleunigung der Atmung im Lichte
beobachten, die ohne Zusammenhang mit der aktinischen Er-
wärmung der Kultur stände.
ı) Es war der einzige Versuch, im Verlauf dessen die Luftstromgeschwindig-
keit so klein war.
64 Löwschin, Zur Frage über den Einfluß des Lichtes ete.
Figuren-Erklärung (Taf. VII).
Fig. 1. Druckflaschen zur Erzeugung des Luftstroms. « Mariott'sche
Röhre; b Syphon; ce Hahn zur Regulierung des Wasserstroms. Das Pfeilchen
zeigt die Richtung des Luftstroms.
Fig. 2. Schema der Anordnung des Versuchsapparats. « die Druck-
flaschen; 5 U-Röhren zur Reinigung der durchströmenden Luft; ce Drechsel’sche
Kontrolflasche mit Barytlösung; d Schlangenrohr; e Kulturgefäß; f äußeres
Thermometer; 9 Aquariumwand; % Glashahn zur Regulierung der Luftstrom-
geschwindigkeit; # Pettenkofer’sche Absorptionsröhren; % Ventilationsröhre;
! Gasuhr.
Fig. 3. Kulturgefäß. Die Pfeilchen zeigen die Richtung des Luftstromes.
a Zuführungs-, db Ausführungsröhre; e inneres Thermometer; d Pilzmycel.
Beihefte zum Botanischen Centralblatt Ba. AIM.AbLI.
1a
oe
3 ARE
A.Löwschin gez
Varlac von 6, Heinrich in Dresden-N.
64a
Zur Abwehr.
Aus Anlaß eines von mir im „Botanischen Centralblatt‘“ er-
statteten Referates hat mich Herr M. Britzelmayr in den ‚„Mit-
teilungen der Bayerischen Botanischen Gesellschaft‘ heftig an-
gegriffen. Ich habe in derselben Zeitschrift*) auf diese Angriffe
erwidert und dieselben entschieden zurückgewiesen.
‘ Ich hätte nun erwartet, daß Herr Britzelmayr — es wurde
dies in Aussicht gestellt — den Versuch machen werde, seinen
Standpunkt wissenschaftlich zu begründen und seine Vertrautheit
mit den Bestrebungen moderner Systematik darzulegen. Das tat
er allerdings nicht. Dafür hängt er seiner neuesten lichenologischen
Arbeit**) ein Kapitel an, welches in gehässigem Tone alle Unter-
stellungen, Verdrehungen, Verdächtigungen und geschmacklosen
Vergleiche wiederholt. Auf den angeschlagenen Ton, welcher der
Würde der Wissenschaft nicht entspricht, gehe ich nicht ein; ich
begnüge mich damit, unter Hinweis auf meine erste Erwiderung,
die unbegründeten Anwürfe neuerdings entschieden zurück-
zuweisen.
Die Polemik Britzelmayrs enthält ein einziges sachliches
Moment, das Bekenntnis, daß er Individuen beschreibe. Dieses
Geständnis ist bemerkenswert, es zeigt, daß ich die licheno-
logischen Arbeiten Britzelmayrs früher doch noch zu hoch ein-
schätzte, und es liefert den Beweis, daß meine Kritik berechtigt
war. Bei polymorphen Arten Individuen zu beschreiben und zu
benennen, ist eine müßige Spielerei, aus welcher der Wissenschaft
keinerlei Gewinn erwächst. Gegen ein derartiges, die Ziele der
modernen Systematik völlig ignorierendes Gebaren mußte Ein-
spruch erhoben werden, und das tat ich. Damit glaube ich den
Streit auch in sachlicher Beziehung erledigt zu haben. Wünscht
Herr Britzelmayr dennoch in ruhiger Weise, unter Ausschaltung
persönlicher Angriffe, die Sache weiter zu verfolgen, so werde ich
einer Auseinandersetzung nicht aus dem Wege gehen. Auf An
rempelungen jedoch reagiere ich in der Zukunft nicht mehr.
Wien, am 11. September 1907.
Kustos Dr. A. Zahlbruckner,
Wien I, Burgring, Naturhistorisches Hofmuseum.
*) Band II, S. 63.
#*) Diese Zeitschrift, Band XXIII.
64h.
Über die Reversibilität der Enzymwirkungen
und den Einfluß äußerer Faktoren
auf die Enzyme (Invertase, Maltase).
Von
F. G. Kohl, Marburg.
Überall in den Pflanzen treffen wir die Saccharose in variablem
Verhältnisse von reduzierenden Zuckern begleitet an; meist sind
letztere in der Art miteinander vereiniet, wie im Invertzucker.
Man war natürlich ebenso berechtigt, diesen Invertzucker als
Residuum einer natürlichen Rohrzuckersynthese anzusprechen, als
in ihm das Produkt eines partiellen hydrolytischen Abbaues der
Saccharose zu erblicken. Die zweite dieser Annahmen wurde hin-
reichend durch unsere Kenntnisse über die hydrolytische Spaltung
des Rohrzuckers, die man durch Einwirkung von Säuren, Enzymen etc.
auch außerhalb des Organismus sich abspielen lassen Konnte, ge-
stützt; die erste Annahme dagegen war zunächst rein spekulativer
Natur. Die Synthese des Rohrzuckers, die Vereinieung von Glukose
und Laevulose extra cellulam war noch nicht gelungen, alle dahin-
zielenden Versuche hatten im Gegenteil negative Resultate ergeben
und es schien der lebenden Zelle die Fähiekeit vorbehalten zu
sein, die beiden Komponenten des Invertzuckers zum Saccharose-
Molekül vereinigen zukönnen. Wenn Grüß (1898) bei Ernährung
von Gerstenembryonen mit 4 /, Glukoselösung in den Zellen der
Keimpflänzchen Saccharose sich bilden sah, so wurde auch durch
diese Beobachtung zunächst nichts anderes erwiesen, als dab
lebendes Protoplasma aus der dargebotenen Hexose Rohrzucker zu
bilden vermag. Erst als die Enzyme als hydrolisierende Katalysa-
toren erkannt waren, mußte man mit der Möglichkeit rechnen,
daß dieselben sowohl in der Zelle als auch auberhalb derselben
gelegentlich in reversem Sinne, d. h. synthetisch zu arbeiten
imstande sind.
Die sogenannte „Unvollständiekeit“ mancher Reaktionen, d.h.
die Tatsache, daß manche Reaktionen trotz des Vorhandenseins der
zur Reaktion nötigen Substanzen und trotz „ünstieer Außenver-
hältnisse nicht zu Ende geführt werden, sondern vielmehr vor dem
Abschluß aufhören, war den Chemikern längst bekannt. Auch die
64e- Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen etc.
Enzymhydrolysen sah man häufig nicht zu Ende geführt. Man
war nunmehr vor die Aufgabe gestellt, nach einer Erklärung für
diese „Unvollständiekeit der Enzymwirkungen“ zu suchen. Nach
der Ansicht der einen (Tammann, 1892 etc.) sollte die Hydrolyse
dadurch zum Stillstande kommen, daß die sich anreichernden Spal-
tungsprodukte die Enzyme in eine unwirksame Modifikation über-
führen, nach der Ansicht der anderen (Hill u. A.) dagegen da-
durch, daß die Enzyme nach zwei entgegengesetzten Richtungen
zu arbeiten imstande sind, und daß der scheinbare Stillstand in _
der Reaktion eintritt, wenn die hydrolytische Spaltung der enzy-
matischen Synthese das Gleichgewicht hält. Die Enzyme würden
sich nach dieser Auffassung ähnlich verhalten wie die Säure bei
der Esterbildung; unter ihrem Einflusse bildet sich unter Wasser-
abspaltung der Ester, den sie weiter unter Wasseraddition in
Alkohol zurückverwandelt.e.. Auch hier tritt Gleichgewicht, Still-
stand ein, wenn der eine Teil der Reaktion, die Esterbildung, sich
mit derselben Geschwindigkeit vollzieht wie der entgegengesetzte,
die Esterspaltung!). Es galt nunmehr, die Existenz einer derartigen
rückläufigen Bewegung im Verlaufe der Enzymwirkung experi-
mentell zu beweisen. Daß dazu der Beweis eines Stillstandes der
Enzymhydrolyse nicht genügt, ist nach dem Gesagten ohne Weiteres
klar, da der Stillstand auch Folge einer Enzymzerstörung sein
kann. Es mußte vielmehr darauf ankommen, durch genauen Verfolg
des Prozesses Vor- und Rückwärtsschwankungen zu konstatieren
oder die Bedingungen so zu gestalten, daß überhaupt zunächst nur
die rückläufige Bewegung eintreten konnte. Endlich war es not-
wendig, die chemische Natur des Produktes der Reversionstätigkeit
des Enzyms festzustellen und wünschenswert, die Bedingungen
kennen zu lernen, unter welchen die Reversion eintritt und fort-
schreitet und die Faktoren zu ermitteln, welche den Verlauf des
Prozesses regulieren und beherrschen.
Croft Hill?) gelang es zuerst (1898) durch Hefemaltase Glu-
kose in Maltose umzuwandeln. Emmerling?) fand wenige Jahre
später die Amyedalin-Synthese; Kastle und Loevenhart:) sahen
die Lipase der Tiere Fettsäureester aufbauen, Hill) in einer zweiten
m
!) Esterbildung: 2 Alkohol + Salzsäure — Ester + Wasser —- Salzsäure.
—
Esterspaltung: 2 Alkohol + Salzsäure = Ester + Wasser 4 Salzsäure.
HOI+GH0+0MO=cy Foo o
2) Croft Hill, Journ. of the chem. Society. Vol. LXXXIII. 1838.
p. 534.
®2) Emmerling, Ber. d. chem. Gesellsch. Bd. XXXIV. 1901. p. 600.
Croft Hill, ibid. p. 1380, 1384. Emmerling, ibid. p. 2206—2207. -
*) Kastle und Loevenhart, Amer. chem. Journ. Vol. XXIV. 1900.
p- 491.
5) Croft Hill, Proceed. of the chem. Society. Vol. LVII. 1901. p. 184.
— Journ. of the chem. Soc. Transactions. 1903. 1. p. I78— 3.
Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen etc. 64d
Untersuchung die Taka-Diastase Maltose aus Glukose bilden. 1902
wiesen Fischer und Armstrong!) nach, daß die Laktase Glukose
und Galaktose zu Laktose vereinigt und Cremer?), daß Hefepreb-
saft Laevulose zu Glykogen kondensiert. In der Publikation, in
der Hill über die Reversibilität der Wirkung der Taka-Diastase
Mitteilung macht, stellt er es als wahrscheinlich hin, daß bei der
Maltosesynthese gleichzeitig eine Biose entsteht, die er als „Re-
vertose“ bezeichnet. Armstrong:) gelang es in einer Unter-
suchung, die einen wichtigen Beitrag zum Studium der reversiblen
Enzymwirkungen darstellt, zu entdecken, daß die Hill’sche Re-
vertose Isomaltose ist, welche aus der -Glukose, die in der ge-
wöhnlichen Glukose die a-Glukose begleitet, hervorgeht. Neuer-
dings haben Visser®) und Pantanelli:) versucht, die synthetische
Wirkung der Invertase wahrscheinlich zu machen. Bei Visser
war jedoch die Menge des entstandenen Disaccharids eine so mi-
nimale, kaum 1°, nach Monaten, daß man einen sicheren Beweis
für die Existenz einer Synthese in seinen Experimenten nicht er-
blicken kann. Auch die Versuche über die Reversionswirkung der
Invertase von Pantanelli sind meiner Meinung nach hierzu un-
zureichend. Es hängt ihnen ein Fehler an, in den ich anfänglich
bei meinen diesbezüglichen Untersuchungen ebenfalls geraten war.
Er hat nämlich meines Erachtens mit zu stark sauren und alka-
lischen Lösungen gearbeitet. Durch Säuren sowohl als durch Al-
kalien werden bekanntlich Glukose und Laevulose zerstört und die
Abnahme dieser Hexosen darf unter solchen Umständen nicht ohne
weiteres als untrügliches Zeichen einer Reversion gedeutet werden.
Esist unerläßlich, sich bei jedem Einzelversuch oder mehrere Male
in jeder Versuchsreihe durch vorgenommene Säurehydrolysierungen
davon zu überzeugen, daß der Gesamtzucker (reduzierender + durch
Hydrolyse reduzierend gemachter) sich nicht vermindert hat. Mit
anderen Worten, es muß durch Säurehydrolyse die Existenz des
nicht reduzierenden Zuckers, der Biose ev. der Saccharose quan-
titativ ermittelt werden. Es ist keineswegs ausreichend, aus der
Differenz zwischen der Menge reduzierenden Zuckers vor und nach
der Invertasewirkung die Anwesenheit von revertierter Saccharose,
erschließen zu wollen, denn eine solche Differenz würde auch vor-
handen sein, wenn der reduzierende Zucker zum Teil zerstört
worden wäre. Und eine solche partielle Zerstörung ist in den
Pantanelli’schen Versuchen nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern
vielmehr sehr wahrscheinlich. Laevulose und Glukose werden, das
ist erwiesen, sowohl von Säuren als auch von Alkalien angegriffen,
die Laevulose bei erhöhter Temperatur leichter als die Glukose
1) Fischer, C. und Armstrong, E. F., Ber. d. chem. Ges. XXXV.
1902. p. 3144—3153. Armstrong, Chem. News. Vol. LXXXVI. 1902.
p. 16667.
2) Öremer, Ber. d. chem. Ges. Bd. XXXII. 1899. p. 2062.
©) Armstrong, E. F., Proceed. Royal Society. Ser.B. T. LXXVI. n®,
B. 513. nov. 1905. p. 592—99.
#) Visser, Zeitschr. f. phys. Chem. Bd. LIl. 1905. p. 257—309.
5) Pantanelli, E., Rendiconti della R. Accad. dei Lincei. Vol. XV.
1° sem, ser, 5a. fasc. 10°. 20 maggio. 1906.
64e Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen etc.
unter Bildung von Ameisensäure, Laevulinsäure etc. Es entstehen
dabei durch Alkohol fällbare Substanzen, deren Drehungsvermögen
etwa nur die Hälfte von dem der Laevulose, deren Reduktionskraft
sogar nur ein Drittel von der der Laevulose ausmacht. Laevulose
geht bei Gegenwart von Kalk schon bei gewöhnlicher Temperatur
in Saccharin, Glukosaccharin ete. über. In Berührung mit Alkalien
entstehen aus Glukose ebenfalls schon bei Zimmertemperatur Man-
nose, Laevulose, Glutose ete., und wenn die Glukose auch ver-
dünnten Säuren gegenüber resistenter ist als die Laevulose, so
spielen sich doch sicher unter dem Einflusse von Säuren ebenfalls
langsam Veränderungen ab, es entstehen Isomaltose, Dextrine etec.,
sanz abgesehen davon, dab gleichzeitig auch eine Reversion durch
Säure, wie sie nachgewiesen ist, eine Enzymreversion vortäuschen
kann. Bei dieser Lage der Dinge wird es gewagt erscheinen, aus
einer Abnahme der Menge reduzierenden Zuckers auf eine Rever-
sion desselben schließen zu wollen. Bei den grundlegenden Ver-
suchen wird man sich vielmehr ausschließlich neutraler Lösungen
bedienen müssen. Unter Berücksichtigung dieser Vorsichtsmaß-
regeln ist es mir bei meinen seit längerer Zeit betriebenen Stu-
dien über die Hefeenzyme, die ich im chemisch-biologischen Labo-
ratorium des Institut Pasteur zu Paris fortzusetzen Gelegenheit
hatte, gelungen, die Reversion der Invertasewirkung, mit
anderen Worten die Saccharosesynthese, durch Hefeinver-
tase aufzufinden. Ausführlich werde ich über meine diesbezüg-
lichen Arbeiten an anderer Stelle unter Beibringung eines reichen
Zahlenmateriales berichten, hier sei nur ein Teil meiner Re-
sultate in Kürze und unter ausdrücklichem Hinweis auf den aus-
- führlichen Bericht mitgeteilt.
Ich benutze mit Freuden die Gelegenheit, den Herren,
welchen ich die Aufnahme im das weltberühmte Institut und
die denkbar liberalste Gewährung aller zu meinen Untersuchungen
erforderlichen Hülfsmittel verdanke, in erster Linie den Herren
Roux und Metchnikoff, sowie dem Leiter des chemisch-
biologischen Laboratoriums, Herrn G. Bertrand, der mich mit
seinem wertvollen Rate bei meinen speziellen Untersuchungen in
liebenswürdigster Weise unterstützte, meinen verbindlichsten Dank
zum Ausdruck zu bringen.
In geeigneter Weise!) hergestellte Hefeextrakte wurden auf
ihren Enzymgehalt genau untersucht und von ihnen diejenigen be-
1!) Die Invertase- Auszüge aus der Hefe wurden nach zwei verschiedenen
Methoden gewonnen. I. Ein Teil Hefe wird in zwei Teilen Glyzerin verteilt,
zwei bis drei Tage unter öfterem Umschütteln digeriert und durch Papier und
sodann durch Porzellan filtriert: Glyzerinextrakt (a). II. Ein Teil Hefe wird
in der 4—5fachen Menge Alkohols !/,—1 Stunde belassen, filtriert, und diese
Behandlung 2—3 mal wiederholt. Dann wird die Hefe abgepreßt und rasch an
der Luft getrocknet. Das erhaltene Hefepulver wird in der 5—-10fachen Menge
Chloroformwasser mit 1/,0/, Guajacol während 1—2 Stunden verteilt gelassen
und dann durch Papier und Chamberlandkerzen filtriert: Chloroformwasser-
extrakt (ß). Die beiden Extrakte enthalten in verschiedener Menge Amylase,
Inulase, Glykogenase, Trypsin, Invertase. An Invertase sind beide Extrakte
reich, « enthält viel Amylase, # sehr wenig; auch der Glykogenasegehalt scheint
bei « größer als bei £ zu sein. Über den Maltasegehalt folgen später aus-
ührliche Mitteilungen.
Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen etc. 64f
nutzt, bei denen Versuche ein bedeutendes Überwiegen der In-
vertase erkennen ließen. Ließ ich diese Invertaselösungen, von
welchen ich die in Glyzerin ganz besonders invertasereich fand,
auf Saccharoselösungen von bekannter Konzentration bei konstanter
Temperatur im Dunkeln und bei Ausschaltung jedweder Bakterien-
Infektion durch Thymol, Chloroform ete. einwirken, so zeigten in
bestimmten Zwischenräumen vorgenommene titrimetrische Be-
stimmungen des Invertzuckers nach der überaus empfindlichen Me-
thode von G. Bertrand), die man wohl als die zuverlässieste
unter den jetzt gebräuchlichen bezeichnen darf, meist zunächst eine
regelmäßige, stetige Zunahme an Invertzucker, nach etwa 20—24
Stunden (die Zeit ist nach Konzentrationsverhältnissen und bei ver-
schiedenen Temperaturen verschieden) aber häufige ein Stillstehen
oder ein Vor- und Rückwärtsschreiten der Enzymwirkune. Die
anfangs gleichmäßige fortschreitende Inversion macht einer perio-
disch wiederkehrenden Reversion Platz. Die jeweils gefundene
Invertzuckermenge stellt die Resultante aus den Wirkungen der
beiden entgegengesetzt verlaufenden Prozesse, der Inversion und
der Reversion, dar. Da in vielen meiner Versuchsreihen die
Reaktion sich nach scheinbarem Stillstand oder deutlichem Rück-
ange im hydrolytischen Sinne fortsetzte, kann von einem Aufhören
der Enzymwirkung infolge Unwirksamwerdens der Invertase nicht
wohl die Rede sein. Der Tammann’schen Auffassung ist damit
sicher wenigstens für die Invertasewirkung der Boden entzogen.
Trat in der Reaktion Umkehrung ein, so verriet sie sich durch
Abnahme des Invertzuckergehalts der Versuchsflüssigkeit, d.h. durch
Abnahme des Reduktionsvermögens in Fehling’scher Lösung.
Die Kupferreduktion ist bekanntlich bedingt durch die An-
wesenheit von Aldehydgruppen im Zuckermolekül. Es konnte nun
entweder die Glukose des Invertzuckers in Maltose (resp. Isomal-
tose) übergeführt werden, indem unter Wasserabgabe aus zwei
Molekülen Glukose ein Molekül Maltose entsteht; dabei verschwindet
eine der Aldehydgruppen, was eine Herabminderung des Kupfer-
reduktionsvermögens im Gefolge hat; oder aber es konnte Saccha-
rose unter Wasserabgabe aus Invertzucker entstehen, wobei die
Aldehyderuppe der Glukose verschwindet; die mit der Glukose zu-
sammentretende Laevulose enthält an Stelle der Aldehydgruppe
die Ketongruppe C=0, und es ist klar, daß bei einer Maltose-
bildung das Reduktionsvermögen der Lösung vorübergehend niemals
total verschwinden kann, und daß ein vollständiges Ausbleiben der
Kupferreduktion ein strikter Beweis einmal für das vollständige
Verschwinden der Glukose und zweitens für die Bildung eines
überhaupt nicht reduzierenden Zuckers, also hier von Saccharose
sein muß. Ich führe hier einen Versuch an, in dem sich eine der-
artige totale Reversion abspielte:
Versuch I. Begonnen am 19. Juli 1907. Temperatur = 20°C.
/u jeder Zuckerbestimmung wurden 5 cc einer 10/,-Saccharose-
'), Bertrand, G., Le dosage des sucres röducteurs. (Bull. des Sciences
pharmacologiques n®. 1. Janvier 1907.)
640 Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen ete.
lösung benutzt, zu der 1 ce Glycerininvertase und etwas Thymol
zugefügt waren.
Zeit der Invertasewirkung in Stunden (obere Ziffernreihe):
Prozentgehalt an redivierendem Zucker in 5 ce-Lösung (untere Ziffernreihe):
1 2 4 6 I OT 1823 24 381273850
4,6(2) 9,2(2) 14,.(2) 22,1(2) 32,0 40,2) 50,0 26,4 27,0 0.0. 1, 24 44, 38,
(250 grm oxalsaures Ammoniak gebrauchen 24,7 ce K Mn O,;-
Lösung. Titer der Kaliumpermanganatlösung 0,906. Die eingeklam-
merten Zahlen bedeuten, daß mehrere Titrationen vorgenommen
wurden.)
Bis zur siebzehnten Stunde stieg die Inversion des Rohr-
zuckers bis zu 50,1 °/,; nach Verlauf von 18 Stunden war bereits
die Hälfte des Invertzuckers wieder revertiert; nach 24 Stunden
war der Invertzucker in zwei Proben beinahe ganz, in zwei anderen
total verschwunden. Nach 38 Stunden ungefähr waren bereits wieder
44,2 0/, reduzierender Zucker vorhanden. Gleichzeitig entnommene
Proben wurden durch 25 Minuten langes Kochen mit Salzsäure
hydrolisier. Nach vollständiger Abkühlung wurde mit Natrium-
karbonat neutralisiert, und nach 3 Minuten langem Kochen mit
Fehline das reduzierte Kupfer durch Titration mit der Lösung
von übermangansaurem Kali von bekanntem Titer bestimmt. In
allen Fällen wurde die ursprüngliche Zuckermenge wiedergefunden.
Bei einem ‚ähnlichen Versuch, der bei etwas höherer Tem-
peratur angestellt wurde, begann die Reversion nach 26 Stunden
15 Minuten und betrug nach 49 Stunden 35 Minuten 8,2 %/,, wurde
aber in der Zwischenzeit durch eine schwache Inversion unter-
brochen:
Versuch Il. Begonnen am 28. August 1907 11 Uhr 45 Min.
vorm. Dunkelkammer. Temperatur = 26° C.
Zu je 10 ce einer fünfprozentigen Saccharoselösung war je 1 ce
Glyzerininvertase und Thymol zugefügt.
Zeit der Invertasewirkung in Stunden (erste Ziffernreihe):
Prozentgehalt an reduzierendem Zucker in 10 ee-Lösung (zweite Ziffernreihe):
9115 99ı5 9Zı5 94ıs 9Kıs 9715 9915 3015 4735 4935
42,2 52,0 53,8 58,0 58,8 58,0 54,8 55,0 56,8 50,6
0,8 %/, rev. 3,2%, rev. 0,2%, inv. 1,8%, inv. 6,2%, rev.
(Titer der Kaliumpermanganatlösung 0,8476.)
Ganz ähnlich verlief unter abwechselnder Inversion und Re-
version nach Verlauf von 29 Stunden 30 Minuten der Prozeß bei
Anwendung einer nach der Methode 5 hergestellten Invertase-
lösung, wie folgende Zahlen darlegen:
Versuch Ill. Begonnen am 24. August 1907. 10 Uhr 30 Min.
vorm. Temperatur = 26° C. Auf 5 cc 10 °/, Saccharoselösung
wurde zugefügt 1 cc Inyvertaselösung. Da letztere chloroformhaltig
war, wurde Thymol nicht zugesetzt. -Das. Chloroform. muß. selbst-
Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen etc. 64h
verständlich, da es Fehling’sche Lösung reduziert, vor der
Kupferreduktion entfernt werden.
Zeit der Invertasewirkung in Stunden (erste Ziffernreihe):
Prozentgehalt an reduzierendem Zucker (zweite Ziffernreihe):
2990 3080 3190 3290 3390 4915 51% 5450
3 204 24,8 35.0 44,0 39,8 36,4 37,0
2,6 %/, rev. 44%, inv. 10.2%,inv. 9,0%,inv. 4,2%/,rev. 3,4°/°rev. 0,6°), inv.
(Titer der Kaliumpermanganatlösung 1—4 = 0,9060; 5—8 = 0,9401.)
Woher es kommt, daß bei einzelnen Versuchen die Reversion
ausbleibt oder erst sehr spät einsetzt, soll hier vorläufig noch nicht
erörtert werden, da meine Untersuchungen über die Abhängigkeit
der Enzymwirkung von äußeren Verhältnissen, von der Konzen-
tration der angewandten Zuckerlösung etc. noch im Gange sind;
ich möchte jedoch auch hierfür ein Beispiel genauer anführen.
Versuch IV. Begonnen am 1. Oktober 1907. Temperatur
— 35° C. 10 grm Saccharose gelöst in 100 ce destilliertem Wasser
und 10 cc Glyzerininvertase (a). Dunkelzimmer. (Titer der Kali-
permanganatlösung — 1,032.)
Zeit der Invertasewirkung in Stunden (obere Ziffernreihe):
Prozentgehalt an reduzierendem Zucker (untere Ziffernreihe):
Ts ae te Hohen 7a
0 7,5 102 14,5 51.0 55,0 60,0 59,3 60,0 71,8 78,2 80,4 82,0 90,0 90,8 92,2
rev.
Hier schreitet, wie man sieht, die Inversion stetig fort, nur
nach Verlauf von 23 Stunden ist eine minimale Reversion zu kon-
statieren, die jedoch nach weiteren zwei Stunden wieder aus-
eeglichen ist. Nach Verlauf von 1, 2, 21 und 75 Stunden wurde
hydrolysiert und stets derselbe Wert erhalten, der = 100 gesetzt
wurde (14,9 —15,1 cc Kaliumpermanganatlösung) und mit dem bei
Beginn des Versuches erhaltenen genau übereinstimmt.
Bei weiteren Versuchen wurde von Invertzucker ausgegangen,
hergestellt durch Hydrolyse von Saccharose mit Schwefelsäure.
Auf jed grm Saccharose wandte ich 50 ce zweiprozentige Schwefel-
säure an und erhitzte 30 Minuten lang auf 100° C. Nach dem
Erkalten wurde mit Baryumkarbonat gegen Methylorange neutrali-
siert und filtriert.
Versuch V. Begonnen am 7. Oktober 1907. T = 19 C.,
60 cc Invertzuckerlösung (1 cc = 70,6 mgr Invertzucker) und
40 ce Glyzerininvertase und Chloroform. (Titer der Permanganat-
lösung = 1,032.)
Dauer der Invertasewirkung in Stunden (obere Ziffernreihe):
Menge reduzierenden Zuckers in milligr (untere Ziffernreihe):
Bu. 9. bis, ‚1680: ,,.18.2\,9038, 7 9480
70.6. 72,3. 73,8._69,2 69,9 64,2 69,2 673 685 70,6, 718 68,5. 69,9
64i Kohl, Über die Reversibilität der Euzymwirkuugen etc.
Aus diesen Worten geht deutlich hervor, daß während der
ersten zwei Stunden noch vorhandener Rohrzucker invertiert wurde,
wogegen von da ab bis nach Ablauf der siebenten Stunde 13,0 /,
des erreichten Maximalgehaltes an Invertzucker revertiert wurde;
von da ab bis zum Abschlusse des Versuches nach 24 Stunden
30 Minuten wurde mit kleinen Schwankungen in reversivem Sinne
im Wesentlichen invertiert.
In ganz analoger Weise verliefen weitere Versuche mit neu-
.tralen Invertzuckerlösungen, bei denen nur die Konzentration der
Invertase herabgemindert wurde. Ich greife noch einen derselben
heraus, der deutlich erkennen läßt, daß bei so geringen Invertase-
mengen die Enzymwirkung nur anfänglich flott verläuft, nach einem
Tage aber bereits äußerst träge zu werden beginnt.
Versuch VI. Begonnen am 11. Oktober 1907. 10 Uhr 45 Min.
vorm. Temperatur = 19° C. Dunkelzimmer. 20 «rm Saccharose
—+ 200 ce aq. dest. — 4 cc H,SO., 25 Minuten hydrolysiert,
mit Baryumkarbonat neutralisiert und filtriert, von dieser Lösung:
wurden 100 ce mit 10ce a und etwas Chloroform versetzt. (Titer
der Permanganatlösung — 0,9857.)
Dauer der Invertasewirkung in Stunden (erste Ziffernreihe):
Menge des reduzierenden Zuckers in milligr (zweite Ziffernreihe):
0 415 6 2215 2415 3015 5315 185%
32:9 °.91.0° 84,1 82,1 84,5 82,1 82,6 84,1
> = > +
Reversion von 11,6 %, Inversion Reversion Inversion
von 2,5%, von 2,5), von 2,1%,
Hier waren also nach 22 Stunden 15 Minuten 11,6°, des
ursprünglich vorhandenen Invertzuckers revertiert, dann wechselten
schwache Inversionen mit ebensolchen Reversionen ab. Nach ca.
drei Tagen wurde der Versuch abgebrochen.
Diese sehr beschränkte Auswahl aus meinen Versuchsproto-
kollen möge vorläufig genügen, um zu zeigen, daß es mir unter
Anwendung neutraler Lösungen gelungen ist, die Befähigung
der Hefe-Invertase, aus Invertzucker Saccharose aufzu-
bauen, einwurfsfrei zu beweisen. Ich wiederhole, daß gegen
alle bisherigen Versuche, die Reversibilität der Invertasewirkung
zu beweisen, der Einwurf geltend gemacht werden durfte, daß die
vorhandenen Säuren oder Alkalien nicht nur die gegen beide über-
‘aus empfindlichen Enzyme, sondern auch einen Teil des reduzie-
renden Zuckers zerstört haben konnten, und daß die beim Kochen
mit Fehling’scher Lösung zutage tretende Verminderung der Quan-
tität des reduzierenden Zuckers irrtümlich als durch Reversion her-
vorgerufen angesehen wurde; daß es ferner unterlassen worden
war, durch von Zeit zu Zeit vorgenommene Säurehydrolyse den
Gesamtzuckergehalt der Versuchslösung zu bestimmen. Pantanelli
wandte bis 5,6 cc !/Jı N. Salzsäure und_bis 16,2 cc !/ıo N. Natron-
Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen etc. 64k
lauge an, Konzentrationen, bei denen sicherlich, besonders bei
höheren Temperaturen, eine vollständige Zerstörung des Enzyms
und eine teilweise des Invertzuckers erfolgen mußte. Wir wissen,
daß sehr kleine Säuremengen die Invertasewirkung in bemerkens-
werter Weise beschleunigen, als günstigsten Maximalzusatz fanden
0’Sullivan und Tompson 0,00025 Schwefelsäure, eine Zugabe
von Säure, die ungeheuer viel kleiner ist als die von Pantanelli
angewandte; dasselbe eilt in noch höherem Grade von den Alka-
lien, die selbst in kleinster Menge auf pflanzliche Invertase sofort
und dauernd zerstörend wirkt. Aus diesem Grunde habe ich stets
sanz besondere Aufmerksamkeit darauf verwendet, alle Versuchs-
Hüssigkeiten aufs Genaueste zu neutralisieren und erst dann, wenn
der Gang derInversion und Reversion unter diesen Umständen
festgeleet war, wurde zum Studium des Einflusses äußerst geringer
Quantitäten von Säuren und Alkalien geschritten. Die letzteren
Untersuchungen sind noch im Gange, ebenso die über den Einfluß
der Temperatur und des Lichtes auf die Invertase und den Verlauf
ihrer hydrolytischen oder synthetischen Tätigkeit, weshalb ich über
die diesbezüglichen Ergebnisse später Mitteilung machen werde.
Nur was den Lichteinfluß auf die Invertasewirkung an-
langt, möchte ich hier auf einige Beziehungen hinweisen, die sich
aus den von mir erhaltenen Werten schon jetzt erkennen lassen.
Der hemmende Einfluß des zerstreuten Tageslichtes auf die
Inversion der Saccharose ist sehr deutlich sichtbar und wahrschein-
lich auf eine partielle Zerstörung des Enzyms durch das Licht zu-
rückzuführen. Bisher wurde ein ähnlicher schädigender Einfluß
des Lichtes nur für die Diastase nachgewiesen (Green, Brown
und Morris). Hier bei der Invertase gelang es mir nun nicht nur
zu beobachten, daß im Dunkeln die Inversion bedeutend schneller
vorwärts schreitet wie im Lichte, sondern auch, daß sie früher
einer keversion Platz macht, wie nebenstehendes Versuchsprotokoll
vorläufig illustrieren mag.
Versuch L. Begonnen am 29. Oktober 1907 3 Uhr 30 Min. nachm.
Temperatur = 19° 0.— 100ce neutraler Invertzuckerlösung —- 100 ce
Glyzerininvertase + Chloroform. (Titer der Permanganatlösung
— 0,9857.)
Dauer der Invertase- Menge reduzierenden Zuckers in milligr
wirkung: im zerstreuten Licht: im Dunkeln:
30 Min. 75,4 75,4
24 Std. 76,0 = + 0,6 invertiert. 81,6 = + 6,2 invertiert.
48 „ 82,1= -+ 6,7 u 852 —= +98 ;
2: 346= +92 R 82,1= — 3,1 revertiert.
DOR: 82,1= — 2,5 revertiert. 86,0 = + 3,9 invertiert.
Im Dunkelversuch erreicht die Inversion bereits nach 48
Stunden einen höheren Wert, als im Lichtversuch nach 72 Stunden.
641 Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen etc.
Im Dunkelversuch besinnt die Reversion schon nach 72 Stunden
energisch, während sie im Lichtversuch erst nach 96 Stunden ein-
setzt.
Von den Substanzen, welche man als sehr aktive Beschleu-
niger der Diastasehydrolyse bisher kennen gelernt hat (Calcium-
phosphat 0,5 %,, Ammoniakalaun 0,25 °,,, essigsaure Tonerde 0,25 %/,
und Asparagin 0,05 °/,), habe ich zunächst aus hier nicht zu er-
örternden Gründen das Asparagin auf seinen Einfluß auf die In-
vertasehydrolyse geprüft. Eine Dosis von 0,05 °/, erwies sich als
nicht beschleunigend. |
Versuch VII. Begonnen am 9. Oktober 1907 5 Uhr 30 Min.
nachm. Temperatur = 35° C. 200 ce. 20°/, Saccharoselösung +
50 cc. Invertaselösung + Chloroform.
Zeit der Invertasewirkung \ 2 a = Diez
(in Stunden): 1620 21°, 243° 4015 zwischen 1. u. 4.
en ohneAsparagin 9,9 12 12,4 14,3 - 4,4
lösung: mit Asparagin 10,0 Iulz 12,6 14,6 4,6
Diff. 0,1 0,5 0,2 03 0,2:
Da 0,2 ce noch im Bereich der Beobachtungsfehler liegen,
kann von einem beschleunigenden Einflusse des Asparagins nicht
wohl gesprochen werden.
Daß mein Hefeglyzerinextrakt auch Maltase enthielt, mußte
ich aus der Tatsache foleern, daß dasselbe den Zuckergehalt einer
reinen Glukoselösung von bestimmter Konzentration stets sofort
verminderte, um ihn alsdann wieder zu vergrößern. Die Maltase
arbeitet also anfangs synthetisch, indem sie Glukose zu Mal-
tose (resp. Isomaltose) kondensiert, um sodann wieder wechselnde
Mengen der letzteren in Glukose zu spalten, was mit einer Ver-
mehrung des Gehaltes an reduzierendem Zucker verbunden ist.
Auch bei diesen Experimenten wurde durch mehrfache Säure-
hydrolysierungen der jeweilige Gesamtzuckergehalt festgestellt.
Wurde mit vollkommen zellfreiem Extrakt gearbeitet, so blieb
letzterer während des ganzen Versuches nahezu derselbe. Waren
dagegen einzelne Hefezellen im Extrakt verblieben, was im An-
fang meiner Arbeiten einige Male der Fall war, ehe ich das Ex-
trakt stets vor dem Versuche durch sterilisierte Porzellanfilter
passieren ließ, so wurde der Gesamtzuckergehalt im Laufe des.
einzelnen Versuches durch schwache Gärung langsam etwas Ver-
mindert, wie z. = in folgendem Versmen:
Yerzuch vun, Begonnen am 17. Sepfeinher 1907. 16,639 grım
Glukose gelöst in 100 cc destillierten Wassers +5 ce Glyzerin-
hefeextrakt (a) en yzeionm, 190er liter 2 Permanganat-
lösung = u a:
En N ee A re er
Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen etc. 64m
Zeit der Maltasewirkung in Stunden (erste Ziffernreihe):
Reduzierender Zucker in milligr (zweite Ziffernreihe):
0 1), 145 945 19
170 161 156 159 151
(2) — 8,23 %/, revertiert — 11,17 ®/, revertiert
| 19 ] 2430 2430 | 2630 ] 39 40 | 40 |
hydrolysiert hydrolysiert hydrolysiert
165 164 163 164 161 163 163
Infolge schwacher Gärung verminderte sich also hier der Ge-
samtzucker von 165 auf 163.
Bei anderen Versuchen mit durch Chamberland-Kerzen fil-
triertem Extrakte fiel der Verlust an Gesamtzucker weg. Die Re-
version erreichte nicht selten die Höhe von 25°, und mehr ®/,
wie z. B. in folgendem Versuche:
Versuch IX. Begonnen am 10. September 1907 10 Uhr
15 Min. vorm. 18,703 grm Glukose (95,7 °/,) gelöst in destilliertem
Wasser +5 cc Glyzerinextrakt (a) auf 100 ce ergänzt und mit
Thymol versetzt. Temperatur =26° 0. (Titer der Permanganat-
lösung = 10,092.)
D Eee uk 1. 2. 9. 4, 3.
auer der Enzymwirkung & LH
(in ee = 2445 2845 4630 5215 6945
Reduzierender Zucker in °%, der BERN
ursprünglichen Menge: 65,2%, 868%, Sal, 83,6 Un aD
Menge des reduzierenden Zuckers
nach Säurehydrolyse: ION ESS LU nES IE S3SI 3,
Es wurden also bei 1 25,7%,
” er) HL) ” 2 1,9 un
> 5 OR ee) 6,30), [ revertiert.
” ” ” ” 4 4,2 %
” ” ” ” 5) 1,6 %o
Nehmen wir mit Armstrong in der Glukose die Anwesen-
heit von a- und P-Glukose an, so werden wir im Kondensations-
produkt Maltose und Isomaltose erwarten dürfen, die man nach
rationeller Anwendung von maltasefreier Hefe (Saccharomyces
Marxianus) und Maltasehefe (Sacch.-intermedians) getrennt
als Osazone nachweisen kann. ‚Jedenfalls ist durch meine Versuche
die Befähigung der Hefemaltase, Glukose zu Maltose zu
revertieren, sicher nachgewiesen, und zwar, worauf ganz
besonders aufmerksam gemacht sei, in viel kürzerer Zeit und
in stärkerem Maße als in den bisher vorliegenden Versuchen.
Unsere Anschauung von der primären Bildung von Kohle-
hydraten im assimilierenden Pflanzenblatte haben bekanntlich
Brown und Morris neuerdings wesentlich zu modifizieren ver-
sucht... Sie nehmen aufgrund sorgfältiger Zuckerbestimmungen in
64n Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen ete.
Blättern vor und nach der Belichtung an, daß auf assimilatorischem
Weee zunächst nicht Hexosen (Glukose, Laevulose), sondern Biosen
(Saccharose, Maltose) entstehen, die alsdann durch enzymatische
Spaltungen Glukose und Laevulose, kurz zur Plasmaernährung und
zu sonstigem Verbrauche geeignete Hexosen liefern. Die in den
Chloroplasten erscheinende Stärke ist immer das Symptom einer
Kohlehydratüberproduktion und also Reservekohlehydrat. Es zeigten
sich im Allgemeinen folgende Kohlehydratwandlungen im Blatt:
1. Am Morgen ist der Gehalt an Stärke, Rohrzucker und
Maltose gering, Glukose und Laevulose aber haben sich
angesammelt. In abgeschnittenen Blättern nimmt nach
längerer Verdunkelung der Gehalt an Glukose und
Laevulose zu.
2. Infolge der Assimilation am Lichte steigt der Gehalt
an Stärke, Rohrzucker, Laevulose und Glukose, wenn
die Stoffableitung durch den Blattstiel verhindert ist.
. Bei ermöglichter Ableitung vermindern sich während
der Assimilation im Lichte Glukose, Laevulose und
Rohrzucker, Stärke und vor allem Maltose dagegen
nehmen zu.
BL)
Wie haben wir uns diese Wandlungen vorzustellen? Wenn
Glukose und Laevulose in der Dunkelheit zunehmen, so geschieht
dies durch die enzymatische Spaltung des Rohrzuckers; gleichzeitig
aber wird ein Teil der Stärke durch Diastase in Maltose umge-
wandelt, diese aber durch Maltase in Glukose gespalten und zum
Teil veratmet.
Im Lichte werden Glukose und Laevulose nach ihrer Ent-
stehung zum Teil zu Rohrzucker kondensiert, zum Teil gespeichert,
wenn die Ableitung unmöglich ist, verschwinden aber fast ganz,
wenn das Gegenteil der Fall ist.
Um eine auf den ersten Blick ganz unverständliche Erscheinung
handelt es sich, wenn wir die Maltose in abgeschnittenen Blättern
nach lebhafter Assimilation abnehmen, in an der Pflanze be-
lassenen dagegen sich in ansehnlicher Weise vermehren sehen.
Vermutlich wird sie im abgeschnittenen Blatte in Glukose gespalten,
wogegen sich in den an der Pflanze verbleibenden Blättern die
Konzentrationsverhältnisse so gestalten, daß nicht nur aus dem
Stärkeabbau Maltose resultiert, sondern auch eine Maltose-
synthese aus Glukose sich vollzieht. Im Dunkeln aber wird die
aus der Stärke gebildete Maltose bei unterbrochener Ableitung in
Glukose gespalten. Im Lichte erleidet im abgeschnittenen Blatte
die Maltose hydrolytische Spaltung, im an der Pflanze festsitzenden
Blatte findet Maltosereversion statt; im Dunkeln wird Maltose
hydrolysiert.
Diastase, Invertase und Maltase sind hiernach im Blatte
fortwährend tätig, die Kohlenhydratumwandlungen zu bewerk-
stelligen. Die Invertase scheint vorwiegend synthetisch zu
arbeiten bei abgeschnittener Abfuhr, hydrolysierend bei ge-
statteter_ Ableitung; die Maltose gerade umgekehrt synthetisch
Kohl, Über die Reversibilität der Enzymwirkungen etec. 640
bei gestatteter Ableitung, hydrolysierend bei abgeschnittener
Abfuhr.
Diese Vorgänge hat man bisher nur zum geringen Teil als
im Blatte sich abspielend nachweisen können. Über den diasta-
tischen Abbau der Stärke sind wir zwar im Einzelnen noch längst
nicht im Klaren, aber wir wissen, daß er sich unter dem Einflusse
der Amylase jedenfalls unter Bildung von Maltose und Dextrinen
als Endprodukten vollzieht. Äußerst mangelhaft sind unsere Kennt-
nisse über Invertase. Brown und Morris!) und Kosmann?)
fanden sie in Blättern, aber genauere Untersuchungen über ihre
zweifellos auch im Blatte, sowohl nach der synthetischen wienach
der hydrolysierenden Seite entfaltete Tätiekeit fehlen noch gänz-
lich. Die Maltase endlich wurde bis heute in Blättern überhaupt noch
nicht gefunden. Es klafft hier eine fühlbare Lücke im Bestande
unserer Erfahrungen. Die aus dem hydrolytischen Abbau der
Stärke durch die Amylase resultierende Maltose muß weiter ab-
gebaut werden, da sie als Disacharid für weitere Verwendung im
Haushalt der Pflanze wenig geeignet ist; die vermutlich zunächst zu
Hexosen kondensierten ersten Produkte der Assimilation müssen in
Maltose und Stärke umgewandelt werden; für beide Vorgänge ist das
vorläufig hypothetische Agens die Maltase, und doch wissen wir über
sie, soweit es sich um ihr Vorkommen im grünen Pflanzenblatte
handelt, so viel wie Nichts. Es wird daher als hinreichend begründet
erscheinen, wenn ich mich im Anschlusse an die bereits hier mit-
geteilten Untersuchungen über die Reversion der Wirkung der
Hefeinvertase und Hefemaltase weiter der Erforschung der
Blattinvertase und Blattmaltase zugewandt und an der klas-
sischen Stätte, von der bereits so gewichtige Beiträge zur Kenntnis
der Enzyme ausgegangen sind, die Bearbeitung dieses für die
Pflanzenphysiologie so überaus bedeutungsvollen Gegenstandes in
Angriff genommen habe. Es wird der Bericht über die von mir
erhaltenen diesbezüglichen Resultate den Inhalt weiterer Publika-
tionen bilden.
Paris, Institut Pasteur,
im November 1907.
!) Brown und Morris, A contribution to the chemistry and physiologie
of foliage leaves. (Journal Chem. Soc. Trans. 1893. 604.)
?) Kosmann, Recherches chimiques sur les ferments contenus dans les
vegetaux. (Bull. de la Soc. chim. de Paris. XXVII. 1877. 257.)
ee A
i =
Verlage erscheint ferner:
Pe _ HEDWIGIA
Organ
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3 Kryptogamenkunde una ERS OLADIET
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Prof. Dr. Georg Hieronymus in Berlin.
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Jahrgang 1852—1857 (Band I) . . .. 2... M.12.—
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Bo Ba CV) ER
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aisso 1er ©, Vin xı) re
5 1873—188 ( „ XU—-XXVD . a u, 8—
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F 1892—183 ( „ ZXXI-XXXDMD. ..2 „ 8—
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Herausgegeben
Prof. Dr. 0. Uhlworm . und Prof. Dr. F. G. Kohl
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Band XXI.
Erste Abteilung:
Anatomie, Histologie, Morphologie und Physiologie der Pflanzen.
Heft 2.
1908
Verlag von C. Heinrich
Dresden -N.
Ausgegeben am 10. März 1908.
Glabisz, Moirhelonteche und ya ni a
suchungen an Üeropegia Woodii Schlechter. Mit n,
3 Tafeln und 30 Abbildungen im Text . . . .
van Wisselingh,. Über die en, bei Oedo-
gonium. Mit 1 ae el
"Die Beiträge erscheinen in zwangloser Folge. Jeder Band umfaßt
3 Hefte. Preis des Bandes M. 16.—. 1 a
x
"4
S 7%
Zu beziehen durch alle Buchhandlungen oder direkt vom Verl
C. Heinrich, Dresden-N.
Zusendungen von Manuskripten und Anfragen redaktioneller A
werden unter der Adresse: Professor Dr. O. Uhlworm,
Berlin W. 15, Nachodstraße 17, mit der Aufschrift a
die Redaktion der Beihefte zum Botanischen Centralblare
65
Morphologische und physiologische Unter-
suchungen an Ceropegia Woodii Schlechter.
Von ’
Joseph Glabisz.
Mit Tafel IX—XI und 30 Abbildungen im Text.
A, Äussere Morphologie.
Ceropegea Woodir Schlechter wurde von J. Medley Wood
in Durban auf den Felsen des Grönberges in Natal, in einer Höhe
von uneefähr 1800 Fuß über dem Meere, im Februar 1881 ge-
funden ). Eine farbige Abbildung von ihr befindet sich in „Curtis.
botanical magazine“. No. 665. Tab. 7704.
Oeropegia Woodii gehört zu der Familie der Asclepradaceae
und ist eine zierliche, herabhängeende, ausdauernde, immergrüne Pflanze
(Fig. 1, Taf. XI: Ceropegia Woodii Schlechter. Habitusbild. Verer. !/ıo),
die aus einer knolligen Grundachse hervortritt. Die Knollen haben
meistens eine kugelige oder ovale Gestalt, sind fleischig und er-
reichen eine Größe von 3 bis 4 cm im Durchmesser. Die Wurzeln
entspringen reichlich aus allen Teilen der Knolle, doch sind die
Seitenteile bevorzugt, indes die Unterseite häufig wurzellos bleibt.
Sie sind fadenförmig, von der Basis bis zur Spitze fast von
sleichem Durchmesser (ca 1 mm). Bei in Töpfen kultivierten
Pflanzen erreichen sie eine Länge bis zu 25 em; meistens jedoch
sind sie kürzer und weniger verzweigt. Aus einer Knolle ent-
springen meistens mehrere, zwei bis vier Sprosse, welche eine be-
trächtliche Länge — 4 bis 5b m und mehr — erreichen können.
Sie sind beim normalen Wachstum unverzweigt, bindfadenartig,
unbehaart, mit Ausnahme der Corolla, der ganz jungen Blätter und
der Drüsenzotten, und von der Basis bis zur Spitze von gleichem
Aussehen. Die Internodien sind zylindrisch, von rötlich-grüner
Farbe, welche durch Anthocyan hervorgerufen wird, und durch-
schnittlich 1 mın dick. Ihre Länge nimmt von der Spitze bis zur
) Gartenflora. 1900. 8. 529.
Beihefte Bot. Centralbl. Bd. XXIII. Abt. I. Heft 2.
St
66 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
Basis des Sprosses zu; meist schwankt sie zwischen 6 bis 10 cm,
erreicht aber bei älteren Pflanzen eine Länge bis 20 cm.
Das Internodium geht allmählich in den höherstehenden
Knoten über; das nächstfolgende setzt sich dagegen scharf von der
Basis der beiden Blätter ab. Der Knoten, von derselben Farbe
wie die Internodien, ist ungefähr doppelt so dick wie diese, also
2 mm. Er ist zwischen der Ansatzstelle der Blätter mehr flach,
dagegen an den Seiten mehr hervorgewölbt: Sehr häufig ist er
verdickt, auch knöllchenartig entwickelt. Die Knöllchenbildung
fängt schon frühzeitig an, sie ist schon an den jungen Knoten,
dem dritten, vierten oder fünften von der Spitze aus gerechnet,
wahrnehmbar. Sie beginnt mit dem Herausbrechen zweier sich
gegrenüberstehender Wurzelanlagen etwas unterhalb der zwischen
den beiden Ansatzstellen der Blätter gelegenen Teile des Knotens.
Die Verdickung nimmt nicht regelmäßig mit dem Alter der auf-
einanderfolgenden Knoten zu, sondern an beliebigen Stellen des
Sprosses können sich ein oder mehrere Knoten zu im Vergleich
mit der Zartheit der Pflanze mächtigen Knöllchen entwickeln. An
frei in der Luft herabhängenden Pflanzen kann man solche bis zu
2 em im Durchmesser beobachten. Andere Knoten wieder entwickeln
sich gar nicht weiter, sodaß man an einem Sproß Knöllchen der
verschiedensten Größen finden kann. Je mehr ein Knoten sich
zur Knolle verdickt, desto mehr verschwindet die ursprüngliche
Farbe; er wird infolge eingetretener Korkbildung dunkelgrau.
Das lebhafteste Wachstum besitzen die Sprosse im Frühjahr
und Sommer, sie wachsen aber auch im Herbst und Winter; da-
‚gegen ist es mit der Ausbildung der Knoten zu Knöllchen gerade
umsekehrt; die Vergrößerung derselben fällt namentlich in die
Wintermonate Wie schon bemerkt, geht der Knöllchenbildung
das Austreiben von Wurzeln, welche als kleine Hervorwölbungen
an dem Knoten sichtbar werden, voraus. In dem Maße, als der
Knoten sich dann verdickt, brechen weitere Wurzeln hervor, und
zwar an der ganzen Oberfläche des Knöllchens. Ihre Zahl schwankt
nach der Größe der Knöllchen von zwei bis zwanzig und darüber.
Die Wurzeln haben jedoch bei frei herabhängenden Pflanzen ein
beschränktes Wachstum, sind durchschnittlich nur 1 mm lang und
verharren in diesem latenten Zustande, bis sie in günstigere Ver-
hältnisse gelangen. H
Aus dem apikalen Teil des Knotens entspringen die gestielten
ganzrandigen Blätter, welche zu dekussierten Paaren geordnet
sind, wie es der Querschnitt durch den Sproßscheitel in Figur 2
zeigt. An ausgewachsenen Sprossen ist diese dekussierte Stellung
nicht mehr zu erkennen, da alle Blätter ihre Oberseite dem Licht
zukehren und dadurch eine teilweise Drehung der Internodien ver-
ursachen; auch in der Natur sind die Sprosse an Felsen herab-
hänsend und nur von einer Seite beleuchtet.
Der Blattstiel ist bei jüngeren wie älteren Blättern fast gleich
lang, zirka 1 cm; sein Durchmesser entspricht im Allgemeinen der
Dicke des Blattes, nimmt jedoch von dem Blattgrund bis zur Spitze
etwas zu. Auf der Oberseite des Blattstieles zeigt sich eine leichte
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 67
Einfurchung, welche gegen den Blattgrund hin seichter wird und
fast ganz verschwindet. Die Farbe des Stieles ist gleich der der
Internodien und Knöllchen.
Die Blattspreiten sind im nicht ausgewachsenen Zustand
länger als breit, bei älteren Blättern hat sich dagegen das Ver-
hältnis geändert. Diese erreichen eine Länge bis zu 2 cm und
Fig. 2. Querschnitt durch einen Sproßscheitel.
b Blätter, pb Primordialblätter, v» Vegetationspunkt, d Drüsenzotten,
da Drüsenanlagen. Vergr ®%),.
darüber, sie sind fleischig, bis 2 mm dick. Dem Blatt eilt eine
Spitze, nach Raciborski!) als Vorläuferspitze bezeichnet, im
Wachstum voraus. Dieselbe übersteigt meistens die Länge von
1 mm nicht, ist schon an ganz jungen Blättern entwickelt und
zeiet in der weiteren Entfaltung der Spreite keine nennenswerte
Streckung. Sie ist viel derber und fester als die Spreite, nament-
Fig. 3. Querschnitt durch einen Sproß gleich unterhalb des Knotens.
b Blätter, ö Internodium, « Achselknospen, d Drüsenzotten. Vergr. %]ı.
lich in den jungen Blättern der Knospe, welche nach oben zu-
sammengeschlagen einen Schutz des Vegetationsscheitels bewerk-
stelligen?). Die Blattspreiten sind sehr schön gefärbt, ihre Ober-
seite ist grau-grünlich, mit zierlich zerstreuten, dunkelgrünen Flecken,
ohne einen Überzug von Wachs. Die Farbe stammt von den
unter der durchsichtigen Cuticula gelegenen Zellschichten. Die
!) Raciborski, Über die Vorläuferspitze. (Flora. Bd. 87. 1900. 8.1.)
u, ?) Vergleiche Göbel, K., ÖOrganographie der Pflanzen. Jena 1898.
S. 505.
5*
68 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchun gen ete.
Unterseite ist bei jungen Blättern mehr grün, bei älteren dagegen
srünlich-rot bis rot, welche Färbung auf Anthocyan zurückzuführen
ist. Nebenblätter kommen nicht vor, doch konnten am Grunde .
des Blattstieles rechts und links seitlich zwei Drüsenzotten Kon-
statiert werden (Fig. 2, d; Fig. 3, d), welche mit bloßem Auge
als hellere Punkte erscheinen, zwischen welchen sich die Achsel-
knospe befindet (Fig. 3, a; Fig. 4, a).
Der Sproß wächst bei normalen Verhältnissen nur mit einem
Vegetationspunkt weiter, an welchem die Blattanlagen als seitliche
Auswüchse in Gestalt eines Höckers entstehen. Schon an dem
höchststehenden Primordialblatte sind die Anlagen .der Drüsenzotten
als je ein seitlicher Auswuchs des Blattgrundes (Nebenblätter?)
vorhanden, wie aus Figur 2 zu ersehen ist. Dieselben erreichen
ihre definitive Ausbildung viel früher als die Blätter, sind schon
Fig. 4. Längsschnitt durch einen Sproßscheitel.
b Blätter, v Vegetationspunkt, d Drüsenzotten, « Achselknospe. Vergr. 2}.
in dem Sproßscheitel ausgewachsen und fungieren als Schutz für
den Vegetationspunkt, indem sie sich über denselben hervorwölben
(Fig. 4, d).
Unter dem Schutze der älteren Teile entstehen am Vege-
tationspunkt in den Achseln der Blätter die Seitensproßknospen,
sie werden später angelegt als jene (Fig. 4, a). Sie entwickeln
sich jedoch in der Regel nicht zu Seitensprossen, sondern ver-
harren in einem entwiekelungsfähigen Zustand und entfalten sich
nurunter besonderen Umständen, sind also Ruheknospen!). Beiknospen
kommen ebenfalls vor. Die Achselknospen würden einen nicht ge-
nügenden Schutz vom Blattgrund, welcher keine Verbreiterung
aufweist, aus haben; sie sind auch nicht in das Gewebe der Sproß-
achse versenkt, dafür gewähren ihnen die Drüsenzotten, welche
rechts und links von ihnen inseriert sind, einen guten Schutz
(er 3), a),
Die Drüsenzotten, welche sich am Sproßscheitel befinden, wie
2) Schenk, A., Handbuch der Botanik. Breslau 1882. S. 355.
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc, 69
auch diejenigen am Blattgrunde aller älteren Blätter, besitzen an
ihrem Fuß und an ihrer Oberfläche, doch hier weniger, faden-
förmige, unverzweigte Haare, welche sich meistens über den Vege-
tationspunkt krümmen und dadurch die Bedeutung der Drüsenzotten
als Schutzorgan erhöhen (Fig. 5, f). Auch an Blättern, aber nur
an ganz jungen noch im Sproßscheitel sich befindenden, kommen
Haare von derselben Gestalt wie die der Drüsenzotten vor (Fig. DaB:
ein Längsschnitt durch einen Sproßscheitel, seitlich getroffen, SO-
daß ein Blatt, eine Drüsenzotte des gegenüberliegsenden Blattes
und ein seitlicher Teil des Vegetationspunktes sichtbar ist).
Treiber!), welcher fünf Arten der Gattung Ceropegia untersucht
hat, gibt an, daß keine von ihnen Trichomgebilde zeige, von kleinen
papillenartieen Vorwölbungen einzelner Epidermiszellen abgesehen,
und gibt dies als Merkmal für diese Gattung an. Bei Ceropegia
Woodii Schlechter finden sich auch nirgends
Trichomgebilde, außer bei ganz jungen Blättern
und allen Drüsenzotten. Sie bilden jedoch
auf den jungen Blättern keinen dichten Über-
zug, sondern stehen vereinzelt da und dienen
wie die der Drüsenzotten zur Erhöhung des |
Schutzes der zarten Gewebeteile; sie fallen £-
nach genügender Erstarkung der Cuticula ab.
Ob dieses Verhalten auch anderen Ceropegia
zukomme, zumal bei allen Gattungen der
Asclepiadaceae einfache Haare vorkommen),
ist bei Treiber nicht erwähnt, da er über
den Vegetationsscheitel nichts angibt.
In den Gewächshäusern blüht Ceropegia
Woodii Schlechter reichlich den ganzen
Sommer über, vom März bis November; auch
tritt Fruchtbildung ein, aber nur sehr selten. Tan ende
Im hiesigen Botanischen Garten der Univer- qurch einen Sproßscheitel.
sität, wo sie seit fünf Jahren kultiviert wird, » Biatt, v Vegetationspunkt,
wurde sie ausschließlich auf vegetativem Wege 4 Drüscazaite, # Haare,
vermehrt, was sehr leicht durch Aussetzen
von Stengelknollen geschieht.
Die Blüten, meistens in der Vier- oder Dreizahl, stehen in
gestielten, doldie zusammengezogenen, cymösen Agsgregraten, sind
zwittrig, vollkommen strahlig, mit fünfgliedrigen Quirlen und er-
reichen eine Länge bis zu 2cm. Sie sind schön gefärbt. Die am
Grunde kugelige Kronröhre ist rötlich-violett, die in der Jugend
zusammenhängende Corolla dunkelrot. Die Kelchblätter sind Klein,
schmal und zugespitzt. Die Blütenstände stehen nicht in den
Blattachseln, sondern entspringen aus dem oberen Teil des Knotens,
zwischen den beiden Blättern, in gleicher Höhe wie diese.
'
ul
) Treiber, K., „Über den anatomischen Bau des Stammes der Asele-
piadaceen.“ (Bot. Oentralbl. Bd. 48. 1891. 8. 213 u. 313.)
2) Nach Engler, „Die natürlichen Pflanzenfamilien,“ Teil IV. Abt, 2,
Leipzig 1895. S. 192.
70 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
B. Innere Morphologie.
Einleitung.
Die Familie der Asclepiadaceae ist wegen ihrer abweichenden
anatomischen Verhältnisse schon häufig Gegenstand eingehender
Untersuchungen gewesen. Manche ihrer Eigenschaften wurden da-
her schon ziemlich früh bekannt, sodaß heute eine ganze Anzahl
spezieller Beobachtungen vorliegt; namentlich haben das innere
Leptom, das Hadrom, die Milchröhren und der Bast die Aufmerk-
samkeit der Forscher auf sich gelenkt. K. Treiber!) hat die
ganze Familie in vergleichend anatomischer Hinsicht behandelt.
Auf die einzelnen, hier inbetracht kommenden Abhandlungen wird
im Laufe der Arbeit hingewiesen werden.
Zur Untersuchung von Ceropegia Woodii verwendete ich so-
wohl frisches, als auch Alkoholmaterial in Celloidin und Paraffin
eingebettet. Je nachdem es sich geeignet erwies, wurden Hand-
oder Mikrotomschnitte ausgeführt. Namentlich für das Feststellen
der Entwicklung der Knöllchen und Wurzeln waren Serienschnitte
notwendig. Das für diesen Zweck verwendete Material wurde mit
absolutem Alkohol fixiert, worauf die Objekte in ein Gemisch von
gleichen Teilen absoluten Alkohols und Chloroforms, dann in reines
Chloroform übertragen wurden; in beiden verblieben sie solange
bis sie untergesunken waren. Darauf wurde zum Chloroform im
Wärmeschrank Paraffin von 46° C©. Schmelzpunkt während fünf
bis sechs Tagen zugesetzt und nach Verdunstung des Chloroforms
durch reines „46° ©. Paraffin“ und nach einigen Tagen durch
„520 C. Paraffin“ ersetzt. Statt Chloroform wurde auch Benzol,
Xylol, Cedernöl verwendet, auch eine Doppeleinbettung mit Celloidin-
Paraffin wurde versucht, doch ergab das erstere die besten Re-
sultate, namentlich für die Internodien, welche wegen ihrer Bast-
fasern beim Schneiden zerrissen wurden. Gefärbt wurde mit Alaun-
karmin-Methylerün und Haematoxylin-Safranin, meistens jedoch mit
letzteren Farbstoffen.
I. Entwickelung der Gewebe.
Figur 6A stellt einen Querschnitt durch das erste, sich ab-
hebende Internodium im Sproßscheitel dar. Sie repräsentiert die .
drei primären Meristeme, welche sich aus dem Urmeristem differen-
ziert haben.
1. Die Zellen des einschichtigen Protoderms pi, welche sich
durch eine regelmäßige Zickzacklinie von dem darunter liegenden
Bildungsgewebe abgrenzen, erscheinen im Längsschnitt quadratisch.
Sie teilen sich nur in tangentialer Richtung und erzeugen die ein-
schichtige Epidermis.
DERrenbiersake a l2c392207.
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 71
2. Das Grundmeristem 9m, welches aus abgerundeten ver-
hältnismäßig großen Zellen besteht, weist nur wenige kleine Inter-
zellularen auf. Das äußere Grundmeristem besteht aus fünf bis
sechs Zellschichten, von welchen sich die primäre Rinde (Fig. 6B
pr) ableitet; aus dem inneren geht das Mark (»n) hervor.
3. Das Procambium (Fig. 6A pe), das sich durch Englumig-
keit, lückenlosen Verband und Eckigkeit der Zellen vom Grund-
meristem unterscheidet, bildet einen einheitlichen Hohlzylinder.
Im Längsschnitt sind seine Zellen langgestreckt, mit etwas schief
gestellten Querwänden. Aus demselben differenzieren sich — auch
nach Treibert), welcher einige Asclepradaceen darauf hin unter-
sucht hat — das Hadrom, Leptom, Cambium, die Bastbündel und
das Leptomparenchym. Zuerst werden auf der innersten Grenze
Fig. 6A. Internodiumquerschnitt Fig. 6B. Internodiumquerschnitt etwas
im Sproßscheitel. vom Sproßscheitel entfernt.
pt Protoderm, gm Grundmeristem, pr primäre Rinde, m Mark, pcz Zellschichten,
pe Procambium. Vergr. 2%].. die aus dem Procambium hervorgegangen
sind, 22 inneres primäres Leptom, bb Bast-
bündel, /p Leptomparenchym, «al äusseres
primäres Leptom, pg primäres Gefäss,
re Reihencambium, /c Leptomeambium.
Vergr. 2%.
sehr kleine Zellen sichtbar, das innere primäre Leptom (Fig. 6B
ıl), auf der äußersten entstehen Zellgruppen, welche sich noch
durch die unter ihnen gelegenen sich vergrößernden Zellen (Ip),
besser abheben, die Bastbündel (bb). Dann treten kleinzellige Ge-
webepartien unter den sich vergrößernden und abrundenden Zellen
auf, welche das primäre äußere Leptom darstellen (al). Jetzt
werden an vier Stellen zwischen den beiden Leptomen primäre
Gefäße (pg) sichtbar, meistens je eines, welche Anordnung den
deeussiert stehenden Blättern entspricht; dann bilden sich weitere
zwischen diesen vier Stellen unregelmäßig zerstreute. Die Schichten
zwischen dem äußeren Leptom und den primären Gefäßen und
zwischen letzteren und dem inneren Leptom werden zum Cambium;
das äußere ordnet sich aber erst später in Reihen zum Reihen-
ı) Treiber, K.,l. ce. S. 243,
72 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
cambium (rc) an; das innere wird zum Leptomcambium (le), wie
es Treiber!) genannt hat.
Vor der Besprechung der einzelnen Gewebeteile erscheint es
von Vorteil, die Anordnung der Gewebegruppen auf dem Querschnitt
durch das Internodium kurz anzuführen. Derselbe weist einen Ring
bicollateraler Gefäßbündel auf, wie dies Mohl?) für die Familie der
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Fig. 7. Querschnitt durch ein älteres Internodium.
e Epidermis, pr primäre Rinde, cp äusserste Zellschicht der primären Rinde, ie Inter-
zellularen, »2r Milchröhren, 5b Bastgruppen, Z!p Leptomparenchym, «al äusseres Leptom,
re Reihencambium, A Hadrom, g Gefäss, %2l kleine Partien des inneren Leptoms,
zil zerdrückte Leptomzellen, m» Mark, mAh Markhörner. Vergr. ®%/,
Asclepiadaceen entdeckt hat. Die Aufeinanderfolge der Gewebe von
außen nach innen ist folgende: Eine einschichtige Epidermis (e);
eine fünf bis sechs Schichten aufweisende primäre Rinde (pr);
Gruppen von Bastzellen (db) durch Parenchymzellen getrennt; ein
Ring von Reihencambium (rc); Hadrom (7); Leptomeambium (le);
inneres Leptom (= und %el); Mark (m).
» Treiber, Kl. ce. Ss. 247.
2) Mohl, Hugo v., Einige Andeutungen über den Bau des Bastes. (Bo-
tanische Zeitung. 1855. S. 873.)
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 2)
II. Die einzelnen Gewebe.
1. Aus dem Protoderm entstandene Gewebe.
Auf dem Querschnitt durch das Internodium (Fig. 8, e) sind
die Epidermiszellen etwas breiter als tief, also umgekehrt wie beim
Protoderm, was auf die Vergrößerung des Internodiumdurchmessers
zurückzuführen ist, zumal keine Tangentialteilungen beobachtet
werden können; im Längsschnitt erscheinen sie fast quadratisch.
Ihre inneren wie äußeren Membranen sind im Vergleich zu den-
jenigen der primären Rinde stärker entwickelt. Die Außenwände
sind leicht konvex gekrümmt und mit einer ziemlich dieken Cuti-
eularschicht (cn) versehen, welche von einer dünnen Cutieula (ce)
überkleidet ist. Einzelne Zellen sind papillenartig nach außen
vorgewölbt (pa). Für den Blattstiel und den Knoten gilt dasselbe,
ng
Fig. 8. Querschnitt durch ein Internodium.
e Epidermis, pa papillöse Epidermiszelle, e Cuticula, ern Cuticularschicht, ee Zellulose-
schicht, pr primäre Rinde, ep”äusserste Zellschicht der primären Rinde,
ic Interzellularen. Vergr. 1%],.
nur daß der letztere viel häufiger papillöse Vorwölbungen aufweist.
Die Epidermiszellen der Blätter sind flach (Fie. 14, e), die Cuticular-
schicht ist dünner als beim Internodium, und nur an den Blatt-
rändern zeigen sich Vorwölbungen und diekere Außenwände. Die
Seitenwandungen sind gewellt, auf der Unterseite des Blattes
(Fig. 9A) mehr als auf der Oberseite (B). Von oben gesehen
zeigen die Außenschichten eine Streifung. Anthocyan kommt in
den Epidermiszellen nicht vor.
Die große Mehrzahl der Spaltöffnungen befindet sich auch hier
auf der Unterseite der Blätter (Fig. 9A), auf der Oberseite ist
ihre Zahl bedeutend kleiner (B). Sie kommen auch an allen
übrigen oberirdischen Teilen der Pflanze vor. Dieselben besitzen
den für die Angiospermen typischen Bau (Fig. 10: Querschnitt
durch ein junges Internodium). Die Schließzellen liegen meistens
74 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
im gleichen Niveau mit den übrigen Epidermiszellen. Auf ihrer
der Spalte zugekehrten Seite besitzen sie starke Membranver-
diekungen, namentlich oben und unten, wo sie vorspringende Höcker
bilden, wodurch die zwei bekannten Hohlräume, durch die Zentral-
spalte (x) von einander getrennt, der Vorhof (v%) und der Hinter-
hof (Ah), entstehen. Die Rückenwände (r) sind unverdickt und
wölben sich konvex in das Lumen der benachbarten Nebenzellen.
Die Atemhöhle (ah) wird von einer oder zwei Zellen umfaßt, indes
die Schließzellen meistens durch drei, manchmal auch vier Neben-
zellen begrenzt sind (Fig. 9A; B), denen sich etwa noch die nächst-
Fig. 9A. Flächenansicht der Epidermis mit Spaltöffnungen
von der Blattunterseite.
sp Spaltöffnungen. Vergr. »5/,.
folgenden Zellen anreihen; doch ist eine bestimmte Anordnung der
weiteren Epidermiszellen nicht zu erkennen.
Haare kommen, wie schon früher erwähnt, nur bei (eropegia
Woodii Schlechter und nur an ganz jugendlichen Organen, Drüsen-
zotten und ihrem Fuß, vor. Eine geringe Anzahl von jungen
Epidermiszellen wachsen zu einzelnstehenden Haaren aus. Diese
bilden mehrzellige, dünnwandige, meist «ekrümmte Zellfäden
(Fig. 5,2). Die erste Teilungswand verläuft in gleicher Ebene
mit den Außenwandungen der Epidermis und schnürt die Fußzelle
des Haares ab, welche nicht unter das Niveau der übrigen Epi-
dermiszellen versenkt ist. An der Bildung der Drüsenzotten be-
teiligen sich außer den Epidermiszellen nur wenige unter dieser
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 75
gelegene Zellenschichten (Fig. 11 A). Die Epidermiszellen der
Zotte sind tief und flach, nach innen schmäler werdend, und um-
geben die Zentralzellen kranzförmig (Fig. 11B, e). Sie haben
Fig. 9B. Flächenansicht der Epidermis mit Spaltöffnungen
von der Blattoberseite.
sp Spaltöffnungen. Vergr. 15/,.
dünne Wände, nur die Außenmembranen werden etwas verdickt.
Die im Innern gelegenen Zellen, welche subepidermalen Ursprungs
u
Fig. 10. Querschnitt durch ein junges Internodium.
e Epidermis, z Zentralspalte, vh Vorhof, Ah Hinterhof, r Rückenwände, ah Atemhöhle.
Vergr. 55.
sind, sind dünnwandig, im Querschnitt abgerundet (Fig. 11B, x),
von kleinen Interzellularen begleitet. Im Längsschnitt erscheinen
sie gestreckt und mit schief gestellten Querwänden (Fig. 11A, «).
76 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc.
2, Aus dem Grundmeristem entstandene Gewebe.
Die primäre Rinde, welche zwischen der Epidermis und den
Basteruppen sich ausbreitet, besteht aus fünf bis sechs Zelllagen
(Fie. 7, pr). Im allgemeinen setzt sie sich aus kompakten, dünn-
wandigen, meist abgerundeten, auch ovalen, im Längsschnitt in
Reihen angeordneten, wenige gestreckten Parenchymzellen zu-
sammen. Üollenchymatisch verdickte Sklerenchym- und Steinzellen,
wie sie sich bei vielen anderen Aselepiadaceen finden !), Kommen
hier nicht vor. Nur die äußere, der Epidermis anliexende Schicht
weist kleinere, dichter aneinanderstoßende Zellen auf (Fig. 7, cp),
welche eine kaum merkliche Wandverdickung haben (Fig. 8, cp);
mit Chlorzinkjod oder ‚Jod und Schwefelsäure nehmen die Zell-
wände keine hellblaue Färbung an. Sie unterscheiden sich auch
Fig. 11 A. Drüsenzotte im Längsschnitt. Fig. 11B. Drüsenzotte im Querschnitt.
e Epidermiszellen, öz Innenzellen. Vergr. 13/,.
durch ihren Inhalt von den tiefer gelegenen Zellen. Die primäre
Rinde ist ziemlich chlorophyllreich, bildet also ein Assimilations-
gewebe; doch nimmt der Gehalt an Chlorophylikörnern nach innen
allmählich ab. Stärkekörner sind überall reichlich vorhanden.
Anthocyan, welches das erünlich-rote äußere Aussehen bewirkt,
färbt viele Zellen, namentlich die der äußeren Schichten, intensiv
rot. Die für Anthocyan bei A. Zimmermann?) angegebenen
Reaktionen treten auch hier sehr schön ein. In Wasser, Alkohol
und Äther löst es sich vollkommen. Bei Zusatz von stark ver-
dünnter Kalilauge erscheint es blau-grün, und bei nachträglichem
Säurezusatz nimmt es wieder die ursprüngliche rote Färbung an.
1) Vergleiche Treiber, K.,l. ce. S. 215.
2) Zimmermann, A., Die botanische Mikrotechnik. Tübingen 1892.
S. 104 u. 229.
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. allg)
Die äußerste Zelllage ist merkwürdigerweise sehr chlorophyllarm.
und ohne Anthocyan; ebenso sind Stärkekörner sehr spärlich. Eine
Schutzscheide, welche, wie Treiber!) angibt, an die Bastfasern
anerenzt, ist nicht zu erkennen; Ohlorophyli- und Stärkekörner
sind in den inneren Zellen überall in annähernd gleicher Menge
vorhanden, und auch die Form der Zellen ist dieselbe, nur dab
die unmittelbar an den Bast stoßenden Zellen mit letzterem keine
Interzellularen bilden (Fig. 16A, ss). Sonst sind Interzellularen
in der primären Rinde reichlich vorhanden, aber nicht eroß
(Fig. 8, ce).
Das Mark hat infolge des Vorhandenseins des innern Leptoms
die Gestalt eines vierstrahligen Sternes, dessen zentraler Teil
mehr oder weniger elliptisch ist und mit den vier Hörnern zwischen
die Leptomteile bis zum Hadrom vordringt. Es besteht aus dünn-
wandigen, rundlichen, wenige gestreckten Parenchymzellen mit
vielen Interzellularen, welche die der primären Rinde an Größe
Ya
Fig. 12. Kalkoxalat-Krystalle.
A Kd Kıystalldruse, B X Einzel- und Zwillingskrystall.
Vergr. 15/,.
etwas übertreffen. Stärkekörner sind in den Markzellen reichlicher
vorhanden als im der Rinde. j
Kalkoxalat-Krystalle?2) kommen in Rinde wie Mark sowohl in
Form von Drusen (Fig. 12A, Ad) als von Einzel- und Zwillings-
krystallen (Fig. 12B, K) vor.
Die Grundparenchymzellen des Blattstieles (Fig. 13) mit
ebenfalls dünnwandigen, abgerundeten und wenig gestreckten in
Reihen angeordneten Zellen und vielen kleinen Interzellularen
zeigen dieselben Eigenschaften wie die Rindenzellen. Sie funk-
tionieren auch als Assimilationsgewebe, sind stärkereich und ent-
halten Anthocyan, welches nach der Mitte des Stieles abnimmt,
sodaß die im Innern befindlichen Zellen nicht mehr gefärbt sind;
die an die Epidermis grenzende Schicht ist kleiner und besitzt
wenig mehr verdickte Membranen (cp). Sie weist sehr wenig Chlo-
rophyll und kein Anthocyan auf.
Die dorsiventralen Blätter besitzen einen ziemlich einfachen
Bau. Das Palisadengewebe (Fig. 14, pl), welches ungefähr zwei
Treiber, BR, 110,8, 217
2) Treiber, K., 1. ce. 8. 305,
78 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
Drittel der Blattdicke ausmacht, besteht aus mehreren, senkrecht
zur Oberfläche gestreckten Lagen zylindrischer, dünnwandiger
Parenchymzellen, welche ziemlich breit und im Allgemeinen nicht
viel mehr als zweimal so lang wie breit sind. Sie sind in lockerem
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Fig. 13. Querschnitt durch einen Blattstiel.
o entspricht der Oberseite des Blattes, entspricht der Unterseite des Blattes,
e Epidermis, cp äusserste Zellschicht des Grundparenchyms, ie Interzellularen,
mr Milchröhren, A Hadrom, Z Leptom. Vergr. ®,
Zusammenhang, seitlich meist isoliert. An die Epidermis stoßen
sie mit einer nicht sehr regelmäßigen, viel kürzeren Zellschicht,
welche weniger Chlorophyll besitzt. Sie gehen allmählich in die
Schwammparenchymzellen über. Diese sind abgerundet, elliptisch,
dünnwandig, chlorophyllärmer, viele große Interzellularen zwischen
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 79
sich lassend. Ihr Inhalt ist, namentlich an ältern Blättern, durch
Anthoeyan rot gefärbt und zwar in den an die Epidermis stoßenden
Zellen intensiver als in den innern.
Die Reaktionen: auf Anthocyan
treten auch hier sehr deutlich und
schön auf.
Die Milchröhren durchziehen
als ununterbrochene, langge-
streckte, reich verzweigte Röhren
alle Pflanzenteile. Sie sind ‘nach
de Bary!) bei den Asclepiadaceen
stets ungeeliedert; in der für die
Familietypischen Gestaltung finden
sie sich auch bei Ceropegia Woodivi
und sind mit einer unverdickten,
glatten Wand versehen, die auf
Cellulose reagiert; sie besitzen
einen plasmatischen Wandbelag
und zahlreiche Zellkerne. Als
Saft führen sie eine milchige
Flüssigkeit. Nach den Unter-
suchungen von Chauveaut?)
entstehen sie aus Initialen, welche
die ersten differenzierten Elemente
im Embryo darstellen; sie treten
in der Knotenebene auf und liegen
kreisförmig an der Peripherie des
Zentralzylinders, durch eine oder
mehrere Parenchymzellen vonein-
ander getrennt. Diese Initialen
verlängern sich zu Schläuchen
und verästeln sich stark, indem
sie sich in die Interzellularen des
Grundgewebes hineinzwängen, um
das Milchsaftgefäßsystem der er-
wachsenen Pflanze zu bilden. Sie
treten zerstreut, ohne gewisse
Partien zu bevorzugen, in Mark
und Rinde reichlich auf (Fig. 7, mr),
ihr Verlauf ist meistens ein ver-
tikaler; sie verzweigen sich aber
häufig und bilden zuweilen Quer-
anastomosen (Fig. 15). Im Inter-
nodium verlaufen die Milchröhren
des Markes isoliert von denen der Fig. 14. Querschnitt durch ein Blatt.
Rinde und dringen nicht durch o Oberseite, « Unterseite, e Epidermis,
36 o 2 3 l Palisadengewebe
den Gefäßbündelzylinder hindurch; sen Sschwammparenchym. Vergr. #}ı.
') De Bary, Vergleichende Anatomie der Vegetationsorgane der Pha-
nerogamen und Farne. Leipzig 1877. 8. 134.
?) Ohauveaut, Gustave, Recherches embryogeniques sur l’appareil lacti-
80 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc.
dagegen sind im Knoten, wo der Holzkörper sich in vier Teile auf-
löst, quere, an den Unterbrechungsstellen verlaufende Verbindungs-
röhren sehr häufig. Im Blattstiel begleiten sie hauptsächlich die
Gefäßbündel, finden sich aber auch vereinzelt im Grundparenchym
(Fig. 13, mr). Oscar Mayus!) faßt die Resultate seiner Unter-
suchungen über den Verlauf der Milchgefäße bei den Blättern der
Asclepiadaceen folgendermaßen zusammen: „Die Milchgefäße be-
gleiten stets die Gefäßbündel bis in
die kleinsten Endieungen, deren Bahnen
entsprechend diesen oft Netzanastomosen
bilden und in den größeren Blattnerven
zahlreiche H-förmige Verbindungen un-
tereinander bilden. In der Regel kommt
ein Austritt aus den Gefäßbündelbahnen
nicht vor. Ebenso sind keine blatt-
eigenen Milchröhren vorhanden.“ Bei
Ceropegia Woodii konnten die Milch-
röhren nur in der Parenchymscheide
der Blattnerven gefunden werden (Fig.
20, mr). Beim Aufhellen mit 600),
wässriger Jod-Chloralhydratlösung, wel-
che Methode Mayus?) anwendete, ge-
lang es nicht, die dicken Blätter durch-
sichtie zu machen und den Verlauf der
Milchröhren zu erkennen, außer der
Aderung (Fig. 26). Auch sekundäre
Bilduneen, wie die Wurzeln an den
Knoten und Knollen, sind von Milch-
röhren durchzogen, welche von dem pri-
mären Milchröhrensystem abstammen.
3. Aus dem Procambium entstandene
Gewebe.
Fi Eu Der an die primäre Rinde stoßende
Fie. 15. Milchröhren im Mark Ring, welcher sich aus dem Procambium
15.
und Queranastomosen. differenziert, wird von den Bastgruppen
Vergr. 15]. gebildet (Fig. 7, bb). Die einzelnen
(Gruppen, welche parallel zur Epidermis
vestreckt und durch eine oder zwei Parenchymzellen von einander
getrennt sind, bestehen aus einer verschiedenen Anzahl von Zellen,
bis zu 15. Dieselben sind nicht regelmäßig angeordnet, bilden
meistens zwei, auch nur eine oder drei Lagen, schließen eng: zu-
-
fere des Euphorbracees, Urticacees, Apocynees et Asclepiadees. (Annales des
sciences nat. Botanique. Ser. 7. Tom. 14. 1891. S. 1. Nach dem Referat
von L. Klein, Botanisches Centralblatt. Bd. 48. 1891. S. 334.)
!) Mayus, Oscar, Beiträge über den Verlauf der Milchröhren in den
Blättern. (Beihefte zum Botanischen Centralblatt. Band 18. 1905. S. 271.)
2) Mayus, ©, 1. ce. S. 281.
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. &1
sammen und auch an die angrenzenden Parenchymzellen (Fig. 16A)).
Die einzelnen Bastzellen sind von langgestreckter, spindelförmiger
Gestalt mit pfriemenförmie zugespitzten Enden; ihre Wandungen
sind gleichmäßig stark verdickt. Das Lumen ist sehr klein, manch-
mal ganz verengt. Die Mittellamellen sind zart und heben sich
deutlich von den sekundären Verdickungen, welche eine regelmäßige
Schichtung erkennen lassen, ab (Fig. 16, 5x). Manchmal findet
man an den Bastzellen lokale Erweiterungen, welche Protoplasma
eingekapselt haben!) (Fig. 16B). Die von Treiber?) für die
Fig. 16 A. Bastgruppe und die angrenzenden Fig. 16B. Lokale An-
Gewebe. schwellungen von Bastzellen
bz Bastzellen, pr primäre Rinde, !p Leptomparenchym, mit eingekapseltem Proto-
al äusseres Leptom, re Reihencambium. plasma.
Vergr. 2%],. Vergr. 35],
Bastzellen, welche nach seinen Angaben allen Aselepiadaceen eigen
sind, erwähnte Reaktion (mit Jod in Jodkalilösung hell-ziegelrote
Färbung), stimmt auch für Ceropegia Woodvi, außerdem färben sie
sich mit Chlorzinkjod etwas dunkler und werden nach längerem
Einwirken dunkelrot. Mit Jod und nachträglicher Zugabe von
konzentrierter Schwefelsäure tritt Hellblaufärbung ein. Es ist noch
zu bemerken, daß die Bastzellen sich in den Stengelknoten nicht
finden; sie fehlen dort, wo der Hohlzylinder des Gefäßbündels sich
in vier Teile spaltet und zwei von ihnen in die Blattstiele übergehen.
!) Vergleiche Krabbe, G., Ein Beitrag zur Kenntnis der Struktur und
des Wachstums vegetabilischer Zellhäutee (Pringsheim’s Jahrbücher für
wissenschaftliche Botanik. Bd. XVII. 1887. Heft III. $.346.)
2) Treiber, K., ]l. e. 8, 245,
Beihefte Bot, Centralbl. Bd. XXIII, Abt. I. Heft 2. 6
83 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
An die Bastgruppen grenzt nach innen eine Parenchymscheide,
welche, weil sie sich an das äußere Leptom anlegt, als Leptom-
parenchym bezeichnet werden kann (Fig. 7, Ip). Dasselbe besteht
aus einem Ring von parenchymatischen Zellen in ein bis zwei Lagen.
Die Zellen sind im Allgemeinen etwas kleiner als die der primären
Rinde, auch abgerundet, aber meistens oval; sie lassen kleine
Interzellularen, in welche auch die Milchröhren hineinwachsen,
zwischen sich. Im Längsschnitt sind sie gestreckter als die
übrigen Parenchymzellen. Sie führen reichlich Stärke und besitzen
auch etwas Chlorophyll.
Das Leptom, welches als äußeres und inneres auftritt, be-
steht aus ziemlich engen an den Siebplatten etwas erweiterten
TC
Fig. 17. Reihencambium, Hadrom und die angrenzenden Gewebe.
re Reihencambium, A Hadrom, al äusseres Leptom, Ze Leptomcambium. Vergr. 0).
Siebröhren, englumigen und langgestreckten Geleitzellen und Cambi-
formzellen. Kristalle wurden nicht gefunden, wie auch Treiber!)
dieselben nur als bei den Periploceae vorkommend angibt.
Das äußere Leptom ist zu Gruppen im Kreise angeordnet
(Fig. 7, al); diese sind durch eine oder zwei Parenchymzellen
voneinander getrennt. Es behält seinen ursprünglichen Zustand
auch später bei und zeigt im Gegensatz zum inneren Leptom vom
Cambium aus keine nennenswerte sekundäre Zunahme (Fig. 16A, al).
Es wird vom Hadrom durch den geschlossenen Ring des Reihen-
cambiums (Fig. 9, rc) geschieden.
Das Reihencambium besteht meistens aus viereckigen, sehr
1) Treiber, 1. c. 8. 306.
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 83
dünnwandieen, dicht aneinanderstoßenden Zellen und setzt sich in
jüngeren Internodien aus wenigen Lagen von Zellen zusammen,
die aber lebhafte Teilung zeigen, und in älteren Internodien häufig
viele Schichten aufweisen. Seine Zellen sind immer, wie der
Name es schon andeutet, im Reihen angeordnet. Im Längsschnitt
erscheint es schmal, langgestreckt, mit sehr wenig schiefgestellten
Querwänden. Dasselbe erzeugt nach innen das sekundäre Hadrom
und nach außen kaum merklich das sekundäre äußere Leptom.
Vor der Besprechung des Hadromringes möge das innere
Leptom, welches von Mohl!) entdeckt und von Petersen?) als
charakteristisch für die Asclepiadaceen erkannt wurde, mit dem
Fig. 18. Leptomcambium, inneres Leptom und die angrenzenden Gewebe.
le Leptomcambium, &2 inneres Leptom, m Mark, k Hadrom, pg primäres Gefäß.
Vergr. 1%].
Leptomcambium folgen. Das innere Leptom bildet keinen Ring,
sondern ist an vier Stellen vorhanden, entsprechend der elliptischen
Gestalt des Markes, und zwar finden sich zwei größere Partien
an den Enden der kurzen Achse der Ellipse (Fig. 7, gel) und zwei
kleinere an den Enden der langen Achse (Al). Die beiden großen
Teile entsprechen auch den zwei stärker entwickelten Abschnitten
des Hadroms. Zwischen den vier Teilen des innern Leptoms und
dem Hadromringe hat sich aus dem Procambium das Leptom-
cambium differenziert, welches Treiber so benannt hat,] weil es
ı) v. Mohl, Hugo, ]. c. S. 890.
?) Petersen, O. G., Über das Auftreten bicollateraler Gefäßbündel in
verschiedenen Pflanzenfamilien und über den Wert derselben für die Systematik.
(Botanische Jahrbücher für Systematik, Pflanzengeschichte und Pflanzengeographie.
Band 3. 1882. S. 384.)
(u
84 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc.
nach außen hin keinerlei Gewebe produziert!). Die vier Leptom-
teile mit ihren Cambien sind von einander durch Markhörner ge-
trennt, welche bis zum Hadrom reichen und eine Breite von
meistens zwei oder drei Zellen besitzen, manchmal auch mehr
(Fig. 7, mh). In jüngern Internodien sind die vier Leptomteile
nicht zusammenhängend, sondern bilden Gruppen, welche durch
Parenchymzellen getrennt sind (Fig. 18, «l), die beiden großen
Teile meistens fünf, sechs, auch mehr oder weniger, die beiden
kleinen fast immer je zwei Gruppen. Früh beginnt jedoch das
Leptomeambium mit seiner Tätigkeit und scheidet das sekundäre
Leptom ab, namentlich an den zwei großen Gruppen, sodaß sich
die Gruppen vereinigen und die an das Mark stoßenden Leptom-
zellen zerdrückt werden und kaum noch ein Lumen erkennen
lassen. Nach der Vereinigung bilden die beiden großen Teile des
Leptoms zwei Bogen, welche mit ihren Konvexseiten einander zu-
sekehrt sind. Die beiden kleineren Teile dagegen bleiben länger
unzerdrückt; die Tätigkeit des Cambiums ist auch hier eine ge-
ringere, die beiden Gruppen bleiben länger unvereinigt. Die Be-
standteile des inneren Leptoms sind dieselben, wie die des äußeren,
dagegen unterscheidet sich das Leptomcambium wesentlich von
dem Reihencambium. Vor allem ist seine beschränkte Tätigkeit
hervorzuheben; es dient lediglich dazu, das innere Leptom zu ver-
mehren, und nimmt an keinen weiteren sekundären Bildungen An-
teil. Die Gestalt der Zellen ist auch eine andere, als im Reihen-
cambium; sie sind meistens sechseckig und größer (Fig. 18, Ic);
im Längsschnitt auch gestreckt, aber etwas breiter.
Die primären Gefäße des Hadroms werden an vier Stellen
kreuzständig angelegt; dann treten auch einzelne dazwischen auf;
ihre Membranen sind ringförmige auch spiralig verdickt. Später
bildet sich vom Cambium ein eleichmäßiger sekundärer Hadrom-
ring; die primären Gefäße liegen nach innen in dem Leptom-
cambium (Fig. 18, pg); welches aus zwei bis drei Zelllagen besteht;
dasselbe zeigt in jüngeren Internodien keine Unregeelmäßiekeit in
seinem Bau, sondern ist überall gleich stark. Erst später werden
zwei Stellen in der Weiterausbildung bevorzugt; es sind immer
die, welche den größeren Teilen des inneren Leptoms gegenüber-
liegen, also auch in der kleinen Achse der Markellipse sich be-
finden. Hier wird zunächst nach außen vom' Ring je ein Gefäß
angeleet (Fig. 7, g), worauf sich noch mehrere bilden, sodaß zwei
starke Wülste am Ringe entstehen, die sich hauptsächlich aus
Tracheen aufbauen. Die übrigen Abschnitte des Ringes erfahren
zu dieser Zeit schon keine weitere Vergrößerung mehr, sodaß die
beiden stark entwickelten Teile durch dünne, gleichmäßige Bogen
verbunden bleiben. Diese bestehen im Gegensatz zu den stark
entwickelten Gefäßteilen aus Tracheiden, welche mit Hoftüpfeln
besetzt sind (die Tracheen zeigen einfache Perforation)2). Echtes
Del eaipersKemlnle.18.1247:
2) Vergleiche Solereder, H., Über den systematischen Wert der Holz-
struktur bei den Dieotyledonen. (Inaugural-Dissertation.) München 1885. Seite
197 u. 175.
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 85
Libriform fehlt. Das Reihencambium schließt an das Hadrom
überall dicht an. Der innere Bau ist also ein bilateraler.
Von je einem Internodium zum andern alternieren die langen
Achsen der Markellipse mit den kleinen, sodaß in zwei aufeinander
foleenden Internodien dieselben Achsen aufeinander senkrecht
stehen; ebenso erfahren im Knoten die großen und kleinen Teile
des inneren Leptoms, sowie die stark entwickelten Gefäßteile des
Hadromringes eine Drehung um 90° Diese Drehung erfolgt im
Knoten auf folgende Weise: Im unteren Abschnitt des Knotens
teilt sich das Gefäßbündel in vier Gruppen (wenn ein floraler
Zweig entspringt in fünf, Fie. 19), in zwei größere, welche der
kurzen Achse der Markellipse, dem großen Teile des inneren Lep-
Fig. 19. Querschnitt durch ein kleines Knöllchen.
e Epidermis, kpr primäre Rinde des Knöllchens, m Mark, mpr Verbindungsstellen der
primären Rinde und des Markes, bs Blattstielstränge, bls Blütenstielstrang, al äußeres
Leptom, %e Knölleheneambium, A Hadrom, Ze Leptomeambium, © inneres Leptom.
Vergr. %, (schematisch).
toms und dem stark entwickelten Gefäßteile des Hadromringes
entsprechen, und zwei kleine mit der langen Achse der Markellipse,
den kleinen Teilen des inneren Leptoms und den gleichmäßig ent-
wickelten Verbindungsbogen des Hadromringes korrespondierende.
Die beiden kleineren Gruppen nehmen einen seitlichen Verlauf
(Fig. 19, bs u. bis) und gehen in die gegenständigen Blätter über.
Dadurch wird die Markellipse viel länger gestrekt, und die vier
Markhörner verbinden sich mit der primären Rinde (Fig. 19, mpr);
hier tritt eine reiche Verzweigung auf, auch eine Verbindung des
Milchröhrensystems, wodurch sich die im Internodium isoliert ver-
laufenden Mark- und Rindenmilchröhren vereinigen. Wenn ein
floraler Sproß aus dem Knoten entspringt, so nimmt sein Gefäß-
bündel auch aus einer der kleinen Gruppen den Ursprung; es entspringt
nämlich aus einem Knoten nur immer ein floraler Sproß., Die
86 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
größeren Gruppen des Gefäßbündels, aus welchen die Adventiv-
wurzeln und zum Teil die Knöllchenverdickung, wenigstens an der
Zerklüftungsstelle des Knotens, sich bilden, erfahren sofort in dem
Maße, als sich die kleinen Gruppen seitlich nach oben in die Blatt-
stiele begeben#eine Vierteldrehung, also um 90°; und noch im
Fig. 20. Querschnitt eines Hauptnervs.
o Blattoberseite, „ Blattunterseite, »2r Milchröhren, ps Schutzscheide, !2 Leptom,
adrom. Vergr. %],.
Knoten kommen sie über die Stelle zu liegen, wo die Blätter ent-
springen. Dabei bildet sich das Gefäßbündel wieder zum Hohl-
zylinder aus, der dem des unteren Knotens gleichwertig, nur in
allen Teilen um 90° verschoben ist. Daß die kleine und große
Achse des Markzylinders dadurch auch eine Drehung erfahren und
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 87
die entsprechenden Achsen auf einander senkrecht stehen müssen,
ergibt sich aus dem vorher Gesagten.
Im Blattstiel sind drei Gefäßbündel vorhanden: ein zentraler
Hauptstrange und zwei seitliche Nebenstränge, welche rechts und
links von der Blattfurche liegen (Fig. 13). Die Gefäßbündel sind
von einer einschichtigen Parenchymscheide umschlossen, welche sich
nur sehr wenig von dem Grundparenchym unterscheidet. Ihre
Zellen schließen dichter zusammen und weisen etwas weniger
Chlorophyll auf, dagegen mehr Stärke. Die Gefäßbündel sind nach
dem bicollateralen Typus gebaut. Zu innerst liegt das Hadrom,
dessen Teile unregelmäßig zerstreut sind; an die Parenchymscheide
erenzt das Leptom, in Gruppen angeordnet, die durch ein bis zwei
Parenchymzellen getrennt sind; es bildet also einen unterbrochenen
Ring. Auf der Seite, welche dem äußeren Leptom im Stengel
entspricht, ist hier das Leptom stärker entwickelt als auf der
sesrenüberliegenden, die ins innere Leptom des Stengels übergeht.
Zwischen dem Gefäß- und Siebteil liegt das Cambium. Die Be-
schaffenheit und das Aussehen der einzelnen Teile der Getäßbündel
sind ähnlich denen des Internodiums.
Der Hauptstielstrang tritt als Hauptnerv, die beiden Neben-
stielstränge als Seitennerven in das Blatt ein. Alle drei verzweigen
sich reichlich in miteinander anastomosierende Nerven verschie-
dener Ordnung (Fig. 26). Das Blatt ist also netznervig. Was
den Bau der Nerven anbetrifft, so kehren die Verhältnisse der
Bicollarität wieder. Die Figur 20, welche den Hauptnerv dar-
stellt, zeigt, daß die Schutzscheide keinen kontinuierlichen Ring
darstellt, sondern auf zwei Stellen beschränkt ist, welche der Ober-
und der Unterseite des Blattes zugekehrt sind. Zu innerst liegt
das Hadrom, ein Bündel bildend; um dieses herum, ebenso wie
beim Blattstiel, das Cambium; zwischen diesem und der Parenchym-
scheide das Leptom, welches viel stärker auf der Ober- als auf
der Unterseite entwickelt ist; also kehren dieselben Verhältnisse
wieder wie im Blattstiel, nur noch in verstärktem Maße.
4. Knöllchenbildung.
Wie schon in dem Abschnitt über äußere Morphologie gesagt
wurde, entwickeln sich normal die Knoten zu Knöllchen; aber auch
andere Organe der Pflanze, so Internodien, Blattstiele und Blatt-
spreiten, können durch entsprechende Behandlung, so durch Ver-
dunkelung und Abtrennung zur Knöllchenbildung veranlaßt werden.
Die Figur 19 stellt schematisch einen Querschnitt durch ein kleines
Knotenknöllchen dar, aus demselben ist zu ersehen, dab das Cam-
bium und die primäre Rinde es vornehmlich sind, welche in Teilung
gehen und die Verdickung verursachen; das Mark, Hadrom und
die Leptome nehmen keinen merklichen Anteil, was auch aus der
Darstellung der folgenden Figuren hervorgehen wird. Daß das
Mark, Hadrom und die Leptome an der Knöllchenbildung nicht
beteiligt sind, zeigen deutlich die Figuren 21 und 22 (Querschnitte
38
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
SS
ee
IN L N ED
Y N E
®.
|
a
‚Fig. 21. Querschnitt durch einen Teil eines verdiekten Internodiums.
!p Leptomparenchym, al äußeres Leptom, ke Knöllchencambium, % Hadrom, Ie Leptom
cambium, 22 inneres Leptom, m Mark.
Vergr. %ı.
28
DR
A
ISCH
IS
Fig. 22. Querschnitt durch ein verdicktes Internodium.
e Epidermis, pr primäre Rinde, kpr primäre Rinde des Knöllchens, al äußeres Leptom,
re Reihencambium, %e Knöllcheneambium, © inneres Leptom, m Mark,
Vergr. ®]ı.
Glabisz, Morphotogische und physiologische Untersuchungen ete. 89
durch verdickte Internodien).. Der Hadromring (Fig. 22, h) ist
nicht gesprengt, also konnten das Mark wie die anderen von ihm
eingeschlossenen Zelleruppen nicht in Teilung gegangen sein. Das
Cambium erfährt eine lebhafte Teilung durch Tangentialwände, so-
daß eine radiale Strahlung entsteht (Fig. 21, ke). Das äußere
Leptom (Fieg. 21 und 22, al) wird durch das Knöllchencambium,
in dem Maße wie dieses sich geteilt hat, von dem Hadrom ge-
trennt. Die einzelnen äußeren Leptomgruppen (Fig. 22, al) ent-
fernen sich voneinander, entsprechend der weiteren Vermehrung
des Knöllchencambiums, immer mehr; die Zahl der Gruppen nimmt
Fig. 23. Querschnitt durch ein Knöllchen mit Korkbildung.
ko Korkzellen, pr primäre Rinde. Vergr. 1%/..
nicht zu, wie auch die Anzahl der Leptomzellen. Die primäre
Rinde nimmt außer dem Cambium einen regen Anteil bei der
Knöllehenbildung; ihre Zellen teilen sich lebhaft, nehmen auch an
Größe zu (Fig. 22, kpr).
Durch die in die Dicke wachsenden Sproßteile wird die Epi-
dermis gedehnt und bald gesprengt. Es bildet sich an Stelle dieser
ein Phellosen aus, welches durch tangentiale Wände nach außen
tafelförmig gestaltete, zusammenschließende, in radialen Reihen an-
geordnete Zellen abgibt; welches die Korkzellen sind (Fig. 23, ko);
dieselben bewirken die dunkelgraue Färbung der Knöllchen.
6. Kulturversuche.
I. Versuchszweck und Versuchsanstellung.
Wie schon im ersten Teil bemerkt, bildet Ceropegia Woodki
Schlechter an den Knoten Stengelknöllchen und Beiwurzeln,
welch letztere bei frei in der Luft herabhängenden Pflanzen ein
beschränktes Wachstum haben und durchschnittlich nur 1 mm lang
werden. Ferner wurde erwähnt, daß die Pflanze bei ungestörtem
90 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc.
Gedeihen nur mit einem Vegetationspunkt weiter wächst, also nur
langgestreckte, unverzweigte, bis mehrere Meter lange Sprosse
darstellt.
Außer der Feststellung der anatomischen Verhältnisse war
mir die Aufgabe gestellt worden, die Bedingungen der Knöllchen-
bildung, des Austreibens der Beiwurzeln, der Achselknospen und
schließlich die Bedeutung der Knöllchen für die Vermehrung fest-
zustellen.
Was die Versuchsanstellung für diese kurz angegebenen
Hauptfragen, welchen sich im Laufe der Ausführung noch weitere
hinzugesellten, so die Frage nach der Erzeugung von Knöllchen
und anderen Bildungen durch andere Sproßteile als Knoten (Inter-
nodien, Blattstiele, -spreiten etc.) anbetrifft, so wurde dieselbe in
später zu beschreibender Weise variiert.
Bei Beginn der experimentellen Untersuchungen mußte in
erster Linie für ein genügendes Material von Sprossen gesorgt
werden, was jedoch nicht schwierig war, da die Beschaffenheit
‘der Pflanze es ohne große Mühe erlaubt, durch Zerschneiden in
soviel Stücke, als Knoten vorhanden sind, und Aussetzen derselben
in feucht gehaltene Kulturerde, in nicht langer Zeit lange und
kräftige Sprosse zu bekommen. Gerade diese jungen Sprosse
bieten das geeignetste Material für Versuche, da bei ihnen die
Knöllchenbildung noch wenig oder garnicht begonnen hat.
Die Ausführung der Kulturen war, von Details vorläufig ab-
gesehen, folgende: Bei schon längere Zeit in Töpfen vegetierenden
Pflanzen wurden bei den einen alle Knoten und Vegetationsspitzen
der herunterhängenden Sprosse eingeeipst, bei andern nur die
Sproßspitzen, und drittens wurden normal weiter wachsende als
Vergleichsobjekte zugezogen. Darauf wurden Sprosse mit ihren
Grundknollen und reichlichem Wurzelwerk in Kulturkisten, welche
mit derselben Erde ausgefüllt waren, wie die Töpfe, so eingepflanzt,
dab die Sprosse auf der Erde lagen. Bei je zwei Sprossen wurden
hier eingesipst: 1. alle Knoten und Vegetationsspitzen, 2. nur die
Vegetationsspitzen und 3. nichts. Diese Versuche wurden sowohl
im Licht, als in der Dunkelkammer ausgeführt, die frühere Serie
von Topfversuchen hingegen nur bei Lichtzutritt. Nun folgten
Versuche mit abgeschnittenen Sprossen, die also keine Grundknollen
besaßen, in Wasser und Nährsalzlösungen (Fig. 1, Taf. IX). Es
wurden auch hier immer Kulturen bei Lichtzutritt und in der
Dunkelkammer, sowie auch bei nur teilweiser Verdunkelung ange-
stellt. Als Lösungen wurden Zucker-, Glyzerin-, anorganische
Nährsalzlösungen und Leitungswasser verwendet. Gleichzeitig mit
diesen Versuchen wurden auch abgeschnittene Sprosse, in Glas-
häfen auf Wasser und den oben genannten Lösungen schwimmend,
bei Tageslicht und Lichtabschluß der Beobachtung unterworfen.
Es möge jedoch gleich hier bemerkt werden, daß diese letztge-
nannten Kulturen zu keinem stichhaltigen Resultat führten, da die
Sprosse oder einzelne Sproßteile zu schnell zugrunde gingen. Diese
Versuche verfolgten in erster Linie den Zweck, festzustellen,
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 9]
welche Lösung die Knöllchen- und Beiwurzelbildung begünstige
und ob dabei Belichtung respektive Verdunkelung von Einfluß sei.
Um weitere ' Einsicht in das Verhalten der Ceropegia zu be-
kommen, wurden auch kleinere Sproßteile auf ihre Regenerations-
fähigkeit geprüft. Dies geschah vor allen Dingen auf Sand, welcher
mit genügend Nährstoffen durchtränkt war, und zwar bei Licht-
abschluß und Lichtzutritt. Zugleich wurden einzelne Sproßteile
auch auf Wasser und Lösungen geleet. Schon hier möge das Re-
generieren der Blätter, welche manche Eigentümlichkeiten in der
Knöllchen- wie Wurzelbildung zeigten, hervorgehoben sein.
II. Versuche mit ganzen Pflanzen in Erde.
1. Sprosse frei herabhängend.
Es ist außerordentlich häufig, daß Organanlagen bei Pflanzen
sich beim ungestörten Verlauf der Entwickelung nicht entfalten.
Sie verbleiben vielmehr als schlummernde Knospen und werden
“ nur unter bestimmten Bedingungen zur Weiterentwickelung an-
geregt. Dieses Verhalten trifft bei der behandelten Pflanze in
hohem Maße zu. Sie besitzt in jeder Blattachsel schlummernde
Seitensproßknospen, welche bei frei herabhängenden Sprossen sich
nicht entwickeln. Die zuerst angestellten Versuche verfolgten
unter anderm auch die Aufgabe, festzustellen, inwieweit und
wann sich diese Knospen zu Seitensprossen entwickeln; doch kann
diese Frage hier nicht erschöpfend behandelt, sondern nur in be-
stimmter Richtung erörtert werden; es wird in späteren Kapiteln
noch einiges zu berücksichtigen sein.
Ältere Pflanzen -— damit soll gesagt werden, daß es nicht
Sprosse waren, welche während der Versuchszeit gewachsen waren,
wie jene, welche in den späteren Versuchen ausschließlich zur
Verwendung kamen, sondern solche, die schon seit geraumer Zeit
in den Töpfen kultiviert worden waren und an ihrem dichten
Wurzelwerk leicht als solche erkannt werden konnten —
wurden in ihren Töpfen gelassen und die frei herabhängenden
Sprosse bei Lichtzutritt auf das Entfalten der Achselknospen ge-
prüft. Die Sprosse hatten Grundknollen von durchschnittlich 1,5
bis 2 cm Durchmesser; gewöhnlich gehörten einer Knolle ein oder
zwei Sprosse an. Zum Versuche wurden drei Töpfe mit lauter
unverzweigten Sprossen verwendet. In Topf No. 1, welcher sieben
Sprosse hatte, wurden alle Vegetationsspitzen vergipst. Beim Topf
No. 2 mit sechs Sprossen wurden alle Vegetationsspitzen und
Knoten vergipst, und beim dritten Topf das Wachstum ungestört
gelassen. Es braucht wohl kaum bemerkt zu werden, daß den
Versuchspflanzen genügend Nährstoffe und Wasser gegeben wurde,
wie auch die warme und feuchte Gewächshausluft für sie eine
günstige Stätte zum Vegetieren repräsentierte. Ihr Verhalten
wurde vom 17. Mai bis zum 5. August verfolgt. Das Resultat mit
Topf No. 1 war folgendes:
92 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc.
Tabelle No. 1.
Knoten 'Spross | Spross | Spross Spross Spross | Spross | Spross
No. | No.1. | No. 2. | No.3. | No.4. | No.5. | No.6. | No. 7.
eo m 10
2 RR RI On oo No
RO 0
Zn BER 3 0
5 2 1 0 2
6 2 0
7 2
In der ersten Kolonne sind die Knoten angegeben, von der
Basis bis zur Spitze gerechnet, die Vegetationsspitze nicht mitge-
zählt, und in den wagerechten Reihen die Anzahl der zur Ent-
wickelung gelangten Achselknospen an den entsprechenden Knoten.
Die vergipsten Vegetationsspitzen haben anfangs häufig den Gips
zersprengt, wurden aber immer von neuem eingegipst, sodaß Keine
weiter gewachsen ist, obgleich die meisten am Ende des Versuchs
noch lebenskräftig waren und nach Entfernung des Gipses ihr
Wachstum fortsetzten, doch nicht mit voriger Schnelligkeit und
Regelmäßigkeit; sie verkümmerten mehr und mehr.
Die Korrelation zwischen Wachstum der Achselknospen und
der Sproßspitzen kam bei Hemmung der Weiterentwickelung der
letztern schon nach zwölf Tagen dadurch zum Ausdruck, daß die
Achselknospen austrieben. Durch Vergipsen der zuerst ausge-
triebenen wurde ein Entwickeln von weiteren Achselknospen be-
wirkt. Wie aus der Tabelle zu ersehen ist, sind aus dem der Ve-
getationsspitze am nächsten gelegenen Knoten immer die zwei
Achselknospen des Blattpaares zur Entfaltung gekommen; sie waren
es auch, welche zuerst austrieben. Erst durch Hemmung ihres
weiteren Wachstums hat die korrelative Wirkung die weiteren
Anlagen zur Entfaltung gebracht. Aus diesem Verhalten der
Achselknospen ist deutlich zu erkennen, daß bei dem Auswachsen
der Knospen die Korrelation mit der Vegetationsspitze, wie der
Knospen untereinander eine maßgebende Rolle spielt, und daß die
Reaktion zuerst bei den der Vegetationsspitze nächstliegenden
Achselknospen einsetzt und erst später auf die folgenden über-
greift, also der Strom der zur Sproßbildung verwendbaren Stoffe
allmählich gezwungen wird, den tiefer gelegenen Knospen zuzu-
strömen. Man könnte noch die nicht zur Entfaltung gelangten
Achselknospen zum Austreiben zwingen; doch wurde der Versuch
unterbrochen, weil die schon ausgetriebenen Seitensprosse sehr
häufig den’ Gips zersprengten und in einer einzigen Nacht ein
Blattpaar entwickelten, und sodann die Achselknospen der Seiten-
sprosse austrieben.
Topf No. 2, an dessen Sprossen alle Knoten und Vegetations-
spitzen vergipst wurden, zeigte hingegen ein ganz anderes Ver-
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 98
halten. Er hatte sechs Sprosse von ähnlicher Beschaffenheit wie
die im Topfe No. 1. Da hier aber durch das Vergipsen nicht nur
das Weiterwachstum der Vegetationsspitze, sondern auch das Ent-
falten der Achselsprosse verhindert wurde, so mußten entweder
Adventiosprosse aus anderen Organen der Sprosse sich entwickeln,
oder, was auch vermutet wurde, neue Sprosse aus der Grundknolle
austreiben. Nur an drei Knoten aller Sprosse — was jedoch ohne
Bedeutung ist — haben sich Achselknospen entwickelt, weil der
Gips durch die sich zu Knöllchen entwickelten Knoten sehr häufig
gesprengt wurde. Wo jedoch die Versuche keine Störung erlitten,
verwirklichte sich die zweite der oben genannten Vermutungen,
d.h. aus der Grundknolle begannen neue Sprosse auszutreiben,
und zwar dauerte es bei der Wachstumshemmune aller sproß-
erzeugenden Teile längere Zeit, volle 18 Tage, bis die Sproßbildung
an der Grundknolle begann. Nach und nach trieb die Grundknolle
eines jeden der sechs Sprosse einen neuen Sproß aus; aus einer
Grundknolle gingen sogar deren zwei hervor. Sie wurden eben-
falls alle vergipst, zeigten aber eine größere Kraft und machten
sich häufig von ihrem Verbande los, sodaß einige Blätter sich ent-
falten konnten, obschon der Gipsverband täglich erneuert wurde.
Es kam auch vor, daß die Veeetationsspitzen sich in der Gips-
haube umbogen und rückwärts herauszwängten. Infolge des Außer-
funktionsetzens der ursprünglichen Sprosse fingen diese an zu
welken und verloren zuletzt alle Blätter; nur die neu gebildeten,
kräftigen Sprosse blieben am Leben und trieben sogar Seiten-
sprosse, obgleich ihre Knoten vergipst worden waren. Aus anderen
Organen der Pflanze sind während der ganzen Versuchsdauer nie-
mals neue Sprosse hervorgegangen, immer nur aus den Achsel-
knospen, worauf später nochmals eingegangen werden wird. Die
Grundknollen, aus welchen sich die neuen Sprosse entwickelten,
sind ja auch nichts anderes als umgebildete Knoten.
Beim dritten Topf, wo die Sprosse unbehindert weiter wachsen
konnten, ist keine einzige Achselknospe zur Entfaltung gekommen;
die Sprosse erreichten eine ziemliche Länge und stellten je einen
einzigen Fadensproß dar. Auch aus der Grundknolle trieben keine
neuen Sprosse.
Was die Knöllchen- und Beiwurzelbildung bei diesen oben
besprochenen Versuchen anbetrifft, so kann hier nur eine allge-
meine Betrachtung folgen, zahlenmäßige Angaben werden bei
späteren Versuchen geboten. Zwischen Topf No.1 und No. 2 war
in der Entwickelung der Knöllchen und Beiwurzeln anfangs kein
Unterschied zu konstatieren. Erst eine länger andauernde Ver-
hinderung der Achselknospenentfaltung, also auch des Verbrauchs
der Baustoffe, hatte zur Folge, daß, im Gegensatz zu Topf No. 3,
die sich anhäufenden Nährstoffe der Sprosse von Topf No. 1 Neu-
bildungen hervorriefen. Es wurden nämlich hier eine größere An-
zahl von Knoten zu Knöllchen verdickt und, Hand in Hand damit,
auch mehr Beiwurzeln erzeugt.
Bei den Sprossen des Topfes No. 2, wo alle Knoten vergipst
waren, ließ sich schon viel früher ein stärkerer Zuwachs der
94 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
Knoten erkennen als bei den anderen Töpfen. Dies hat wohl
seinen Grund darin, daß von vornherein ein Austreiben der Achsel-
knospen verhindert wurde und die aufgenommenen und verarbeiteten
Stoffe der Knöllchen- und Beiwurzelbildune zu Gute kamen. Die
Expansionskraft der an Umfang zunehmenden Knöllchen war auch
eine viel größere als die der Achselknospen; daher waren sie auch
imstande, die Gipskruste zu zersprengen und sich zu vergrößern.
Infolee des fortwährenden erneuten Eingipsens nehmen aber die
Sprosse an Lebenskraft ab und fangen an zu welken; die Blätter
fallen ab, und die weitere Entwickelung der Knöllchen hört auf.
An anderen Teilen der Pflanze (Blätter, Sproßinternodien) ist
weder Verdickung noch Beiwurzelbildung erfolgt.
2 Sprosse auf Erde liegend.
In unseren Gewächshäusern wird Oeropegia Woodii Schlechter
als frei in der Luft hängende Pflanze gezüchtet; in Wirklichkeit
ist sie aber, wie gleich am Anfang gesagt wurde, eine an Felsen
herabkriechende Pflanze. Man kann sie auch nicht als orthotrop
ansehen, obgleich sie senkrecht nach unten wächst; denn dies er-
folgt nur, wenn sie keine Unterlage findet und ist alsdann durch
ihre Zartheit und den langen, fadenförmigen Bau bedingt. Sie ist
vielmehr plagiotrop, gedeiht auch kräftiger und üppiger, wenn man
sie kriechend auf Erde wachsen läßt. Um ihr Verhalten auch in
dieser Form des Vegetierens kennen zu lernen und wenigstens ein
Urteil darüber zu bekommen, wie sie in Wirklichkeit in der freien
Natur gedeiht, wurden Sprosse mit bewurzelten Grundknollen in
Kulturkästen, welche mit humus- und nährstoffreicher Erde gefüllt
waren, so eingepflanzt, daß die Sprosse horizontal auf die Erde
zu liegen kamen. Diese Versuche hatten auch den Zweck, noch
andere wichtige Fragen zu prüfen, weswegen sie mehrfach variiert
wurden. Es wurden wieder Parallelversuche im Tageslicht und
bei völligem Lichtabschluß ausgeführt. Die Versuchsdauer umfaßte
die Zeit vom 26. Mai bis zum 10. August 1905. Bei zwei ersten
Sprossen mit je einer Grundknolle wurde sowohl bei der Licht-,
als auch bei der Dunkelkultur nichts vergipst; bei je zwei anderen
wurden nur alle Vegetationsspitzen, und bei einem dritten Paar
die Vegetationsspitzen und alle Knoten in Gips verpackt. Dazu
wurden möglichst gleiche Exemplare ausgesucht, alle stammten
vom laufenden Jahre, weswegen die Knöllchen- und Beiwurzel-
bildung bei ihnen noch wenig oder gar nicht begonnen hatte. Die
Sprosse waren durchschnittlich 25 cm lang und zählten acht bis
zwölf Knoten. Zuerst mögen die Versuche in Licht und dann die
im Dunkeln folgen, nebst einem Vergleich der beiden Kulturreihen.
a. Versuche am Licht.
A. Das Wachstum der beiden unvergipsten Sprosse war an-
fangs identisch mit dem der aus Töpfen frei herunterhängenden;
die Sprosse wuchsen nur mit einer Vegetationsspitze weiter, wie
auch die Entwickelung der Knoten zu Knöllchen und die Bei-
Gl abisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 95
wurzelbildung mit den Topfpflanzen übereinstimmte. Die Beiwurzeln
blieben jedoch nicht auf einem bestimmten Stadium stehen, wie
bei den hängenden Sprossen, sondern entwickelten sich weiter und
bildeten Kräftige, auch verzweigte Wurzeln in der Erde.
Wie schon früher bemerkt, beginnt die Knöllchenentwickelung
mit der Anlage von zwei Beiwurzeln, welche in den Zwischen-
räumen zwischen den Ansatzstellen der Blätter entspringen. Diesem
Verhalten entsprechend wuchsen aus einem Knoten fast immer zwei
Wurzeln in den Boden, auch später nicht mehr. Die Ausbildung
der Knoten zu Knöllchen war an angewurzelten Knoten eine weit-
aus bevorzugte, sodaß sich hier mit der Zeit starke Knöllchen ent-
wickelten.
Ebenfalls verschieden von den frei herabhängenden Pflanzen
war das Verhalten inbezug auf das Austreiben der Achselknospen.
Es entwickelte sich nämlich oft eine ganze Anzahl und sie wurden
zu starken Seitensprossen, welche an Wachstum den Hauptsproß
übertrafen. Um ein klares Bild über das Gesagte zu bekommen,
mögen einige Versuchsergebnisse tabellarisch zusammengestellt
folgen:
Tabelle No. 2.
Sproß No. 1. Sproß No. 2.
3» Entwickelte | Ausgetriebene | =. Entwickelte | Ausgetriebene
aa Se Beiwurzeln | Achselknospen | 3 5:0 Beiwurzeln Achselknospen
58u SRH?
25 An An Knoten- Hs An Am |Knoten-
Ser Knot Ihre Knot zahlder| S „23 Knot Ihre ana zahl der
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za, lo, © lea 1 1.6 Br
10 2 10 8 10 1 10 3
11 1
In gleicher Höhe mit der Knotennummer des Hauptsprosses
die Erde gewachsenen Beiwurzeln und die
ist die Anzahl der
Zahl der Knoten der Seitensprosse angegeben.
in
Es möge gleich
hervorgehoben werden, daß die Achselknospen erst dann austreiben,
wenn schon Beiwurzeln entwickelt waren. Ihr Entfalten ist auch
nicht anders zu erklären als dadurch, daß sie durch die am selben
Knoten entsprungenen Beiwurzeln eine stärkere und schnellere
Zufuhr von Nährstoffen erhielten. Die Blätter des Hauptsprosses,
wie auch später die der Seitensprosse, erreichten viel größere
96 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
Dimensionen als die der hängend kultivierten Individuen, wes-
wegen sie auch mehr Assimilate produzieren, und diese zum kräf-
tieen Aufbau und zum Austreiben der Knospen verwendet werden
konnten. Das Verbleiben der Seitensprosse im Knospenzustand,
wie dies bei den herunterhängenden Exemplaren vorkommt, steht
also auch in Beziehung zum Verhalten anderer Teile des Organis-
mus. Daß die Beiwurzeln bei frei herabhängenden Sprossen in
ihrer Entwickelung stehen bleiben, ist auf die Hemmung durch un-
günstige äußere Bedingungen zurückzuführen, weswegen die An-
lagen, wie z.B. die des Efeus!), wenn er ohne Unterlage kultiviert
wird, imgrunde genommen nicht als latente aufgefaßt werden können.
In den genannten Versuchen sind nur diejenigen Anlagen zur vollen
Ausbildung gelangt, welche mit der Erde in Berührung kamen;
es sind namentlich genügende Feuchtigkeit, sowie der Bodenreiz
selbst, welche das Weiterwachstum bedingen; die Verdunkelung
nimmt keinen Anteil dabei, wie weiter unten besprochene Versuche
zeigen. Aus Tabelle No. 2 geht hervor, daß es nicht die ältesten
Knoten waren, welche Wurzeln getrieben hatten, sondern die
mittleren, und zwar deswegen, weil die ältesten mit der Erde nicht
in Berührung kamen, die Sprosse beschrieben einen kleinen Bogen,
bis sie auf die Unterlage zu liegen kamen. Daß es auch nicht die
jüngsten waren, erklärt sich durch deren Mangel an schon ent-
wickelten Anlagen. Namentlich diejenigen Knoten, welchen die
Bodenwurzeln entsprangen, nahmen reichlich an Umfang zu und
wuchsen zu kräftigen Knöllchen heran, produzierten aber keine
Beiwurzeln mehr, wie die Knollen, denen die günstigen Bedingungen
zur normalen Entfaltung der Wurzelanlagen fehlten.
Die Verzweigung des Hauptsprosses ging, wie es auch die
Tabelle zeigt, von den Achselknospen derjenigen Knoten oder der
‚Knöllchen, deren Beiwurzeln Boden gefaßt haben, oder wenigstens
der benachbarten Knoten aus. Die Seitensprosse wuchsen auch
kräftig weiter, da ihnen durch die unmittelbare Stoffzufuhr reichlich
Material zum Aufbau zur Verfügung gestellt wurde und überholten
sogar beträchtlich den Hauptsproß. Knöllchen- und Wurzelbildung,
sowie weitere Verzweigung trat bei ihnen ebenfalls ein.
Aus diesem Versuch ist vor allen Dingen zu ersehen, daß die
Entwickelungshemmung der Beiwurzeln an frei herabhängenden
Sprossen durch ungünstige Verhältnisse bedingt wird, und jene
Hemmung als auslösender Reiz die Erzeugung weiterer Beiwurzel-
anlagen bewirkt. Das Nichtaustreiben der Achselknospen ist wieder
auf die unzureichende Zufuhr von Baustoffen zurückzuführen.
B. Im Gegensatz zu dem eben beschriebenen Versuche sind
bei den zwei Sprossen, deren Vegetationsspitzen vergipst waren,
die Achselknospen an den der Vegetationsspitze nächstliegenden
Knoten zuerst zum Austreiben gebracht worden. Schon nach zwölf
Tagen, also nach derselben Zeitdauer wie bei dem Topfversuche
No. 1, haben sich Achselknospen entfaltet; sie wurden sofort ver-
1) Vergleiche Goebel, K., Organographie der Pflanzen. 1898. S. 476.
,
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 97
vergipsten Sprossen, nur daß hier aus mehr Knoten Wurzeln in
die Erde wuchsen, wie auch mehr Knöllchenbildung eintrat. Für
die weitere Ausbildung der Achselknospen kamen in diesem Ver-
suche zwei Momente inbetracht: das Vergipsen und die Beiwurzeln,
welche in die Erde gewachsen waren. Daher entsprangen die
Seitensprosse nicht nur aus den höheren Knoten, durch das Ver-
sipsen der Vegetationsspitzen verursacht, sondern auch aus jenen,
deren Beiwurzeln in die Erde gewachsen waren; doch war die
durch das Vergipsen hervorgerufene Reaktion eine kräftigere, da
die Versuchsobjekte, inbetreff des Austreibens der Achselknospen,
mehr dem Topfversuch No. 1 als dem vorherbeschriebenen Versuche
A glichen.
0. Bei den zwei Essen, an welchen alle Vegetationsspitzen
und Knoten vergipst waren, war das Verhalten vollkommen gleich-
wertie dem Topfversuch No. 2. Es kamen aus den Grundknollen
neue Sprosse zur Ausbildung. Die Knöllchen- und Beiwurzelbildung
war anfangs. eine intensivere als bei Versuch A und B. Durch
das häufige Zersprengen des Gipsverbandes, der zwar immer wieder
erneuert wurde, gelang es indessen einigen Beiwurzeln, in die Erde
zu wachsen. Die Hauptsprosse fingen daher nicht zu welken an
und verloren auch ihre Blätter nicht, wie bei Topfversuch No. 2;
vielmehr entwickelten sich ihre Knoten infolge der vermehrten
Nährstoffzufuhr zu mächtigen Knöllchen. Dieser Versuch zeigt
deutlich, daß, wenn alle Vegetationspunkte in ihrer Entwickelung
gehemmt werden, die Knöllchenbildung begünstigt wird.
b. Versuche im Dunkeln.
Als Dunkelkammer diente ein im Gewächshaus vermauerter,
dicht abgeschlossener Raum, wo sich die Dampfheizungsröhren be-
fanden. Die Temperatur war hier nicht so günstig, wie im Ge-
wächshaus selbst, auch viel mehr schwankend, was wohl nicht
ohne Einfluß auf die Resultate geblieben ist. Die Dunkelkammer
im Laboratorium hatte zu niedrige Temperatur, weswegen sie nicht
zu den Versuchen benutzt werden konnte.
D. Zwei vollkommen unvergipste Sprosse zeigten im Dunkeln
folgendes Verhalten:
Tabelle No. 23.
Sproß 39: ılz
Sproß No. D-
a4 Entwickelte | Ausgetriebene | VEntwickelte Ausgetriebene
Datim: $ = 3eiwurzeln | Achselknospen RR Si | Bouzelug ‚Achselknospen
= ei FA -— a 3 n = — FD
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Beihefte Bot, Centralbl, Bd. XXIII. Abt. I. Heft 2. f
98 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc.
Das weitere Verhalten der Sprosse Konnte nicht verfolet
werden; sie starben wegen der ungünstigen Temperatur und des
Lichtabschlusses langsam ab.
Es kamen hier nur diejenigen Beiwurzelanlagen zur Ent-
wickelung, deren Knoten mit der Erde in Berührung kam, bei den
anderen blieben die Wurzeln nach ihrem Hervorbrechen aus dem
Knoten auf derselben Entwickelungsstufe wie bei den am Licht
kultivierten Sprossen stehen, das Verdunkeln übte keinen be-
sünstigenden Einfluß aus. Die Achselknospen trieben auch erst
dann aus, als schon Beiwurzeln in die Erde gewachsen waren;
das Verhalten in dieser Beziehung war also gleich den Sprossen A.
Das Weiterwachsen der Haupt- und Seitensprosse war dagegen ein
langsameres als bei A.
Bei den ausgetriebenen Seitensprossen haben sich die Inter-
nodien und Blattstiele viel mehr verlängert als bei Lichtkulturen,
die Blattspreiten sind dagegen klein und unentwickelt geblieben.
Die Farbe der etiolierten Sprosse war eine weiße bis hell-gelbe,
die Formation des Chlorophylls unterblieb, wie auch kein Antho-
cyan nachgewiesen werden konnte; dasselbe Verhalten zeigten
auch die weiter gewachsenen Hauptsprosse. Die Überverlängerung
ist als ein Versuch der Pflanze aufzufassen, der Dunkelheit zu
entfliehen, wie dies Godlewski dargetan hat!). Wie bei vielen
anderen Kriechenden Sprossen, so zZ. B. bei Vinca major, Polygonum
aviculare?), ändert sich auch bei Ceropegia Woodit der transver-
sale Geotropismus derart, daß im Dunkeln eine mehr oder minder
vertikale Lage zustande kommt. Die etiolierten Sprosse nehmen
eine senkrecht aufsteigende Richtung an, nicht nur die horizontal
liegenden, sondern auch die herabhängenden, indem sowohl der
weiter wachsende Hauptsproß, als auch die Seitensprosse durch
scharfe knieförmige Umbiegung vertikal weiter wachsen (Tafel X,
Fig. 1). Wenn man solche etiolierte Sprosse an Licht bringt, so
kehren sie langsam in die normale Lage zurück.
Die Knöllchenbildung begann bei allen Dunkelkulturen eher
und reichlicher. Daß die Dunkelheit in hohem Grade begünstigend
wirkt, zeigten sehr schön die Sprosse, welche nur teilweise ver-
dunkelt waren; diese Versuche werden später besprochen werden.
Hier sei auch auf die Versuche von Vöchting „Über die Bildung
der Knollen“ verwiesen?), wo Vöchting namentlich an der Kar-
toffel nachgewiesen hat, daß Verdunkelung im hohen Maße auf die
Knöllchenbildung von Einfluß ist.
E. Bei den zwei Sprossen, an welchen die Vegetationsspitzen
vergipst waren, sind nicht wie bei den entsprechenden Lichtver-
suchen (B) die Achselknospen vor den Beiwurzeln zur Entwickelung
gekommen. Schon acht Tage nach Beginn des Versuchs trieben
einige Beiwurzeln der älteren Knoten in die Erde; Achselknospen
!) Godlewski, Biologisches Centralblatt. Band 9. 1889. S. 481.
2) Vergleiche Pfeffer, W., Pflanzenphysiologie. Band2. 1904. S. 677.
3) Vöchting, Über die Bildung der Knollen. (Bibliotheca botanica.
Heft 4. 1887. S. 39.)
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 99
wuchsen erst nach 27 Tagen aus, und zwar an den jüngsten
Knoten, wie bei B; nicht wie bei A an den Knoten, wo Beiwurzeln
entwickelt waren oder den nächstliegenden. Die begünstigende
Wirkung des Vergipsens auf das Austreiben der Achselknospen
war also vom größeren Einflusse als die durch die Beiwurzeln,
welche in die Erde gewachsen waren (Nährstoff- und Wasserauf-
nahme).
Die Knöllchenbildung war reichlicher als bei Versuch D, sie
übertraf auch, wenigstens anfangs, die bei Be Das Absterben der
Sprosse begann, wie auch bei den zuletzt beschriebenen Sprossen,
an den Spitzen und griff immer weiter zurück. Die Blätter fielen
ziemlich früh ab, weil sie ja durch den Lichtabschluß außer Funktion
gesetzt waren; zuletzt blieb nur die Grundknolle übrig, welche
auch in Zersetzung überging.
F. Die durch Verdunkelung an Sprossen mit vergipsten Ve-
Setationsspitzen und Knoten hervorgerufenen Störungen waren so
groß, daß sie zu keinen Neubildungen mehr befähigt waren; auch
aus der Grundknolle trieben keine neuen Sprosse Die vor-
handenen blieben noch eime kurze Zeit am Leben, gingen dann
aber schnell zugrunde.
Aus den in diesem Abschnitt II besprochenen Versuchen folgt,
daß die Entwickeluneshemmung von Beiwurzel-Anlagen und von
Achselknospen bei frei herabhängenden Pflanzen auf ungünstige
Bedingungen zurückzuführen ist, und daß die Entwickelung dieser
Organe in gegenseitiger Beziehung steht. Für das Weiterwachsen
der Beiwurzeln ist namentlich genügende Feuchtigkeit notwendig;
das Verdunkeln hat keinen fördernden Einfluß. Die Knöllchen-
bildung wird durch Lichtabschluß begünstigt; auf das Weiter-
wachsen der Sprosse wirkt Lichtabschluß hemmend. Durch Ver-
sipsen der Vegetationsspitzen wird die Entfaltung der Achsel-
knospen, namentlich an den nächstfolgenden Knoten, veranlaßt;
die Knöllchenbildung ist alsdann eine reichlichere. Vollkommenes
Vergipsen wirkt auf die Knöllchenbildung begünstigend und ver-
anlaßt die Grundknollen zum Austreiben neuer Sprosse.
III. Versuche mit abgeschnittenen Sprossen
in Lösungen.
Nachdem nun eine allgemeine Übersicht über das Verhalten
der Ceropegia Woodri gewonnen worden ist, soll dazu übergegangen
werden, die Wirkungen einiger Lösungen auf Knöllchen- und Bei-
wurzelbildung, sowie auf das Austreiben der Achselknospen zu
prüfen. Zu diesem Zwecke wurden Sprosse ohne Grundknollen
verwendet, damit die sonst in diesen angesammelten Reservestoffe
nicht zur Geltung kämen und die Wirkung beeinträchtigten. Von
Topfpflanzen wurden frisch gewachsene, möglichst junge Sprosse
7*
100 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc.
von durchschnittlich 30 em Länge abgeschnitten und in Fläschchen,
welche mit den zu prüfenden Flüssigkeiten angefüllt waren, durch
einen durchbohrten Kork, mit dem basalen Ende eingeführt (Taf. IX,
Fig. 1), wobei die Sprosse an der Berührungsstelle mit dem Kork
mit Watte umwickelt wurden. Sie waren immer unverzweigt
(Taf. X). Es wurden wiederum Parallelversuche im Licht und im
Dunkeln und auch bei teilweiser Verdunkelung angestellt.
Wie aus den früheren Versuchen hervorgeht, veranlaßt das
Vergipsen der Sproßspitzen nicht nur das Austreiben der Achsel-
knospen, sondern begünstigt auch die Knöllchen- und Beiwurzel-
bildung, weswegen auch bei allen hier verwendeten Sprossen die
Sproßspitzen außer Funktion gesetzt wurden, um dadurch einen
besseren Einblick in die Beeinflussung durch die Lösungsmittel zu
gewinnen. Es wurden jedoch hier die Sproßspitzen nicht vergipst,
da sie zu häufig den Gips zersprengten und weiterwuchsen, sondern
sie wurden abgeschnitten, wie auch jede ausgetriebene Achsel-
knospe gleich nach ihrer Entfaltung ebenfalls entfernt wurde. Die
Reaktion, welche durch die mechanische Hemmung des Wachstums
einer Knospe verursacht wird, ist ja eine ähnliche wie beim Wee-
schneiden der Knospe!); doch kommt bei letzteren außerdem der
Wundreiz mit seinen Folgen hinzu, was jedoch bei diesen Ver-
suchen nicht inbetracht kommt.
Als Nährflüssigkeiten wurden verwendet: reines Leitungs-
wasser, welches je nach zwei Tagen durch frisches ersetzt wurde;
1, %, und 1!/, %, Rohrzuckerlösung und 1%, Glyzerinlösung, alle
mit sterilisiertem Wasser. Diese Lösungen mußten täglich ge-
wechselt werden, da sonst die Sprosse an ihrem basalen Teil, mit
welchem sie in die Lösung tauchten, zugrunde gegangen wären,
weil sich sehr rasch Pilzkulturen bildeten. Als weitere Lösung
kam die Knop’sche Nährlösung zur Verwendung, enthaltend in
einem Liter destilliertem Wasser: 16 gr Ca-nitrat, 4 er Me-sulfat,
4 er K-nitrat, 1 gr K-phosphat; sie wurde je nach zwei Tagen
frisch zugegeben.
Wie schon am Anfang dieses Abschnittes bemerkt, wurden
für diese Versuche nur junge Sprosse von den Topfpflanzen abge-
schnitten. Bei diesen Sprossen war noch keine Achselknospe zur
Entfaltung gekommen, wie auch die Knöllchenbildung noch nicht
begonnen hatte; Beiwurzeln waren nur an den älteren Knoten als
kleine Hervorwölbungen bemerkbar. Die Sprosse repräsentierten
also ein gutes Material für die Beobachtung der weiteren Aus-
bildung der Organe.
Es wurden gleichzeitige immer fünf Kulturen angestellt, ent-
sprechend den fünf Lösungen (inklusive Leitungswasser), und häufig
wiederholt. Am besten gediehen die Sprosse in Leitungswasser,
gingen dagegen häufig in der Nährlösung und 1°, Glyzerinlösung
zugrunde, in den Zuckerlösungen seltener. Zuerst mögen die Licht-
kulturversuche angeführt werden, und zwar nur diejenigen, bei
1) Vergleiche Pfeffer, W., 1. ec, Band 2. S. 202. Goebel, K., All-
gemeine Regenerationsprobleme. (Flora. Band 95. 1905. S. 394.)
welchen während
a. Mit beblätterten Sprossen.
genden drei Tabellen No. 4,
sultate dreier Versuchsreihen aus verschiedenen Zeiten des Jahres
zahlenmäßig dargestellt.
In den fe
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc.
der
lebenskräftig blieben; bei den übrigen Ve
sultat ein ähnliches.
101
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suchsreihen ist das Re-
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5 und 6 sind die Re-
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*) Die Knop'scl
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102 Glabisz, Morphologische und'physiolagische Untersuchungen ot.
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Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuehungen ete. 103
Tabelle No. 6.
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104 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
Die Knoten sind von der Basis bis zur Spitze gezählt und
diejenigen, welche sich in der Lösung befanden, mit einem Kreuz
bezeichnet. Auf gleicher Linie mit der Knotennummer ist die An-
zahl der ausgetriebenen Achselknospen, welche gleich nach ihrer
Entfaltung entfernt wurden, angegeben; ferner die Zahl der her-
vorgebrochenen Beiwurzeln und des Durchmessers der verdickten
Knoten in mm. In den zwei folgenden Rubriken ist die Gesamt-
zahl der Achselknospen und Beiwurzeln, auf zehn Knoten berechnet
angeführt, um dadurch einen besseren Überblick über die Wirkungen
der Lösungen, inklusive Leitungswasser, zu gewinnen. Aus den
Durchmessern der verdickten Knoten ist zuerst der Durchmesser
des „Gesamt-Knöllchens“ (Summa aller verdickten Knoten) be-
rechnet worden, nach der Formel d’-+d;=D: (Der Durch-
messer im Kubus einer aus mehreren verschmolzenen Kugel ist
gleich der Summe aller Durchmesser im Kubus). Aus diesem
Durchmesser des „Gesamtknöllchens“ ist sein Inhalt in cbmm nach
der Formel: V = A/; d® —= 0,5236.d3 (das Volumen einer Kugel ist
gleich ihrem Durchmesser im Kubus mal 0,5236) berechnet worden,
ebenfalls auf zehn Knoten. Die Berechnungen wurden immer nur
mit einer Dezimalstelle auf eine Dezimalstelle ausgeführt, statt mit
0,5236 wurde mit 0,52 multipliziert. Der Durchmesser der ein-
zelnen verdickten Knoten wurde möglichst genau gemessen; es
wurden auch zwei Durchmesser genommen, weil die Knöllchen
nicht nach allen Richtungen gleichmäßig ausgebildet waren. Die
angegebenen Zahlen beanspruchen daher keine mathematische Ge-
nauigkeit, worauf es ja auch nicht ankam, es sollte einfach die
Differenz der Gesamtknöllchenbildung zwischen den einzelnen
Lösungen und die Gesamtzunahme festgestellt werden. Nach der
angegebenen Versuchsdauer ist nicht nur die Beschaffenheit der
Sprosse an dem betreffenden Tage angegeben, sondern auch das
zugezählt, was früher entstanden ist, namentlich was die ausge-
triebenen Achselknospen anbetrifft.
Aus den drei Tabellen ist erstens zu ersehen, daß das Ver-
halten der Sprosse während verschiedener Jahreszeiten nicht gleich
ist. Im Frühjahr und Sommer findet das Austreiben der Achsel-
knospen häufiger statt als im Herbst und Winter; dagegen ist in
den letzteren Jahreszeiten die Knöllchen- und Wurzelbildung eine
reichlichere. Dieses Verhalten gibt sich auch bei den Topfipflanzen
kund, indem die Sprosse derselben im Sommer ein viel schnelleres
Wachstum aufweisen und mehr Knoten erzeugen als im Winter;
dagesren die Knöllchen- und Wurzelbildung im Winter in den Vorder-
grund tritt. Am Anfang der Versuchszeit kommen mehr Achselknospen
zur Entfaltung als später; es ist eine immer längere Zeit not-
wendig zum Austreiben der Achselknospen, je mehr die Reaktion
auf die basalen Knoten übergreift. Manchmal kommen aus einem
Blattwinkel zwei Achselknospen zur Entwickelung. Es wurde schon
bei Besprechung der äußeren Morphologie darauf hingewiesen, daß
sich manchmal sogar schon Beiknospen vorfinden.
Wie aus Tabelle No. 1 hervorging, treiben immer zuerst die
der Sproßspitze nächstliegenden Achselknospen aus, was sich auch
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 105
bei diesen Versuchen bestätigte. Die Achselknospen treiben aus,
bevor die Knöllchen- und Beiwurzelbildung beginnt; später ist da-
eegen die Entwickelung der letzteren eine intensivere und steigt
immer mehr an, natürlich nur bis zu einem gewissen Grade, was
schon dadurch bedingt wurde, daß die Versuchssprosse an Lebens-
kraft abnahmen und immer mehr Blätter verloren. Die Erzeugung
einer größeren Zahl von Beiwurzeln geht im allgemeinen parallel
der Verdickung der Knoten. Es sei hier bemerkt, daß in den
Tabellen nur diejenigen Beiwurzeln angeführt worden sind, welche
eezählt werden konnten, also die schon hervorgebrochenen und in
ihrer Entwickelung stehen gebliebenen; ihre Länge betrug bis 14,
mm, überschritt diese Grenze nur selten. In der Beiwurzelbildung
und Knotenverdickung ist eine Bevorzugung der basalen Knoten
zu bemerken; doch ist dies nicht Regel; es sind häufig die in der
Mitte, auch am Ende befindlichen Knoten, welche sich am meisten
verdickt haben. Nur in Leitungswasser und in Zuckerwasser haben
sich auch die Knoten, welche in der Flüssigkeit waren, zu Knöll-
chen ausgebildet; bei den übrigen Lösungen konnte eine Ver-
diekung nicht ermittelt werden; dasselbe gilt für die Beiwurzeln,
sie nahmen nur bei diesen Flüssigkeiten an Zahl zu und ent-
wickelten sich weiter. Namentlich im Leitungswasser wuchsen sie
zu langen Wurzeln aus; in der Zuckerlösung blieben sie hingegen
immer kurz. Es wird also durch eine normale Beleuchtung die
Bildung und das’Auswachsen der Wurzeln nicht aufgehoben, wie
an den durch Wasser umspülten Partien der abgeschnittenen Sprosse
zu sehen ist!). In der Knop’schen Nährlösunge und im 1%, Gly-
zerinwasser blieben sie meistens in dem gehemmten Zustand stehen
und es entwickelten sich keine neuen. Die Beiwurzeln der Knoten,
welche mit Watte umgeben waren, entwickelten sich auch weiter,
da die Watte immer von der mit Wasserdampf gesättigten Luft-
schicht feucht gehalten wurde. Dies geschah sowohl bei Dunkel-,
wie bei Lichtkulturen, was auch ein Beweis dafür ist, daß das
Stehenbleiben der Beiwurzeln auf einem gewissen Stadium auf ge-
ringe Feuchtigkeit zurückzuführen ist. Die Wurzelspitzen zeigten
hier deutlich den Hydrotropismus, indem die Beiwurzeln wagerecht
der Watte angeschmiegt weiterwuchsen 2).
Was das Gedeihen der Kulturen anbetrifft, so blieben die
Sprosse im Leitungswasser am längsten lebenskräftig, und es gingen
nur selten welche zugrunde; die in den Zuckerlösungen gediehen
auch gut, in der 11°, Lösung weniger, die Sprosse starben
häufig ab. Ebenso gingen die Sprosse, welche in Nährsalz- und
1°/, Glyzerinwasser kultiviert wurden, sehr häufig und manchmal
schon nach kurzer Zeit zugrunde, weswegen immer neue Versuche
angestellt werden mußten. In der letzten Rubrik „Bemerkungen“
ist immer angegeben, wann die Sprosse abzusterben anfingen.
Um über die Wirkungen der fünf Flüssigkeiten auf das Aus-
treiben der Achselknospen und die Bildung der Beiwurzeln und
1) Vergleiche Pfeffer, W., l. c. Band 2. S. 106.
2) Vergleiche Pfeffer, W., l. c, Band 2, 1904, S, 605,
106 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
der Knöllchen eine klare Vorstellung zu bekommen, wurden aus
den Tabellen No. 4, 5 und 6 Durchschnittszahlen berechnet und in
Tabelle No. 7 zusammengestellt.
Tabelle No. 7.
38 Art Achsel- ı Verdickte
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Glyzerin- | | Die Basis des Sprosses
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SE wasser 4,1 18,7 226,7
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> Nähr- Der Sproß — Tabelle
4 08 7 No. 6 — war teilweise
lösung 71 19,5 121, este.
Glyzerin- \ Der Sproß — Tabelle
| No. 6 — war teilweise
wasser 1%, 0,8 16,9 71,9 abgestorben.
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 107
Es sollte damit auch bezweckt werden, die in den drei Ta-
bellen vorkommenden Unregelmäßigkeiten auszugleichen; denn daß
solche. sich bei solchen Versuchen fast immer einstellen, lehrt die
Erfahrung. Es spielen eben dabei noch andere Momente mit,
welche die Weiterausbildung der Sprosse beeinflussen, so die Lebens-
kraft der Sprosse, die am Tage der Versuchsanstellung schon vor-
handenen Beiwurzelanlagen, die Jahreszeit, in welcher die Ver-
suche zur Ausführung kamen u. s. f. In dieser Durchschnitts-
tabelle sind die Zahlen auch auf zehn Knoten berechnet. In dem
ersten Abschnitt (nach 15 Tagen) sind die Angaben der Tabelle
No. 4 (nach 18 Tagen) und der Tabelle No. 5 (nach 11 Taeen)
zusammengezogen und auf eine Versuchsdauer von 15 Tagen be-
rechnet. In dem zweiten Abschnitt (nach 60 Tagen) wurden die
Angaben der Tabelle No. 5 (nach 67 Tagen) und in die der Ta-
belle No. 6 (nach 55 Tagen) auf eine Zeitdauer von 60 Tagen zu-
sammengezogen. Der dritte Abschnitt stellt den Durchschnitt aus
den Zahlen der Tabelle No. 4 (nach 96 Tagen) und der Tabelle
No. 6 (nach 98 Tagen) dar, welche auf 100 Tage Versuchsdauer
berechnet wurden. Die Versuchsdauer wurde in Tabelle No. 7 in
drei Perioden eingeteilt, da die Wirkungen der Lösungen, wie aus
den drei vorhergehenden Tabellen zu ersehen ist, am Anfang der
Versuchszeit nicht dieselben waren, wie am Ende. Bei Besprechung
wird auch immer auf die Originaltabellen hingewiesen werden. Die
Sprosse 2 bis 5 der Tafel X entsprechen der Tabelle No. 6, sie
wurden am 7. Februar photographiert; ihre Aufeinanderfolge ist
dieselbe wie in der Tabelle, Sproß 2 wurde in Leitungswasser,
Sproß 3 in 1/,°/, Zuckerwasser, Sproß 4 in 1!/,°/, Zuckerwasser
und Sproß 5 in Nährsalz gezogen. Der Sproß der 1°/, Glyzerin-
wasser-Kultur ist nicht photographiert, weil er zu dieser Zeit schon
anfing, zugrunde zu gehen.
In der zweiten Periode (Tabelle No. 4 und 5) haben an den
Leitungswasser- und Nährsalz-Kulturen am meisten Achselknospen
ausgetrieben; diesen folgen die 11!/, °/, Zuckerwasser-Kulturen. Bei
den 1/,°/, Zuckerwasser- und 1 °/, -Glyzerinwasser-Kulturen kam
(Tabelle 4) gar keine Achselknospe zur Entfaltung, wie auch diese
Kulturen in Tabelle 5 die letzte Stelle einnehmen. In der zweiten
Periode (Tabelle 5 und 6) ist die Entwickelungsintensität der
Achselknospen bei den Leitungswasser-Kulturen beträchtlich, wie
namentlich aus Tabelle 5 hervorgeht; die Nährsalz-Kulturen bleiben
hinter diesen zurück, übertreffen aber inbezug auf Achselsproß-
bildung die Kulturen des 1!/, °/, Zuckerwassers. Bei den 1/5
Zucker- und 1°/, Glyzerinwasser-Kulturen kommen überhaupt in
der ganzen Versuchsdauer nur sehr wenige oder auch keine Achsel-
knospen zur Entfaltung. In Leitungswasser entwickeln sich noch
in der dritten Periode Achselknospen, doch weniger wie in den
beiden ersten, auch bei den Nährsalz-Kulturen ist noch ein Zu-
nehmen zu Kkonstatieren, dagegen kamen bei den 1!/, %/, Zucker-
wasser-Kulturen keine zum Austreiben.
Der Einfluß der Flüssigkeiten auf die Beiwurzelbildung ist
von dem auf das Austreiben der Achselknospen verschieden, man
kann fast sagen, ein umgekehrter. In der ersten Periode, Tabelle
4 und 5, stehen in dieser Beziehung die !/s /» Zucker- und 1%,
108 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
Glyzerinwasser-Kulturen an erster Stelle; diesen folgen die 11/5 %,
Zuckerwasser-Kulturen, und die letzte Stelle nehmen die Leitungs-
wasser- und Nährsalz-Kulturen ein. Im Gegensatz zum Entfalten
der Achselknospen ist von der ersten bis zur zweiten Periode bei
der Beiwurzelbildung nicht ein Fallen, sondern ein Steigen zu kon-
statieren. Die !/; °/, Zuckerlösungs-Kulturen sind auch in dieser
Periode (Tabelle 5 und 6) an erster Stelle, doch findet sich bei
den Leitungswasser-Kulturen ein beträchtlicheres Steigen, sodaß,
was die Zahl der hervorgebrochenen Beiwurzeln anbetrifft, diese
derjenigen der 1 °/, Glyzerin-Kulturen gleich kommt oder sie sogar
übersteigt. Bei den 1!/, °/, Zuckerlösungs-Kulturen machen die her-
vorgebrochenen Beiwurzeln eine größere Zahl aus als bei den 1°),
Glyzerinwasser-Kulturen, sodaß man sie an die dritte Stelle setzen
kann. Die Sprosse der anorganischen Nährlösungen produzieren
auch fast ebensoviel Beiwurzeln wie die der letztgenannten
Lösungen, doch bleiben sie inbezug auf die Aufeinanderfolge hinter
jenen zurück. In der dritten Periode (Tabelle No.4 und 6) steigt
die Zahl der hervorgebrochenen Beiwurzeln an, doch nicht in dem
Maße wie von der ersten zur zweiten. Bei den Leitungswasser-
Kulturen findet noch eine beträchtliche Zunahme statt, sodaß sie
die anderen überflügeln und den ersten Platz einnehmen; die
Sprosse der 1/,°%/, Zuckerwasser-Kulturen bleiben hinter denselben
zurück. Bei den drei anderen Kulturen werden nur noch wenige
Beiwurzeln produziert, am meisten noch bei den Nährsalz-Kulturen.
Die Entwickelung der Knoten zu Knöllchen geht im allge-
meinen parallel der Beiwurzelproduktion. In der ersten Periode
(Tab. No.4 und 5)haben sich am meisten die Knoten der Sprosse,
welche in 1!/, °/, Zucker- und 1 °/, Glyzerinwasser gezogen wurden,
verdickt; fast keine merkliche Verdickung ist bei den Sprossen
im Leitungswasser und in der anorganischen Nährlösung einge-
treten. Für die zweite Periode (Tab. No. 5 und 6) gilt das bei
den Beiwurzeln Gesagte, nur daß die Leitungswasser-Kulturen die
1/, 0/u Zuckerwasser-Kulturen im Durchschnitt übertroffen haben.
In der dritten Periode (Tab. No. 4 und 6) ist bei den Sprossen
des Leitungswassers eine starke Vergrößerung der Knoten wahr-
nehmbar; sie steigt bei längerer Versuchsdauer noch weiter an,
wie aus Tabelle No. 4 (nach 145 Tagen) zu ersehen ist, sodaß sie
die in anderen Lösungen kultivierten Sprosse weit übertrifft. Im
Verhältnis zu der Beiwurzelbildung ist sie ebenfalls beträchtlicher.
Die !/; °/, Zuckerlösungs-Kulturen folgen in der Knöllchenbildung
gleich wie in der Beiwurzelbildung denen im Leitungswasser; doch
halten Knöllchen- und Beiwurzelbildung gleichen Schritt. Bei den
11/, 0/u Zuckerwasser- und Nährsalz-Kulturen findet auch noch ein
starker Zuwachs statt; dagegen bleiben bei den 1°/, Glyzerin-
wasser-Kulturen die verdickten Knoten auf derselben Stufe stehen
wie in der zweiten Periode.
Aus dem Gesagten und der Durchschnitts-Tabelle No. 7 ist zu
folgern, daß das Leitungswasser das Austreiben der Achselknospen
im Vergleich zu den übrigen Lösungen am meisten fördert, daß
am Beginn des Versuches die meisten Achselknospen sich ent-
wickeln, und auch später immer neue zur Entfaltung kommen. In
der ersten Periode treiben aus den Sprossen der anorganischen
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 109
Nährlösung ebensoviel Achselknospen aus wie beim Leitungswasser;
in der folgenden Zeit etwas weniger; die des 1!/, °/, Zuckerwassers
im ganzen noch weniger, namentlich in der ersten Periode; da-
gseren ist eine stärkere Zunahme in der zweiten zu konstatieren,
sodaß hier die Nährsalz-Kulturen zurückbleiben. !/s °%/, Zucker-
wasser und 1 °/, Glyzerinwasser wirkt hemmend auf das Austreiben
der Achselknospen, es kommen nur wenige am Anfang zur Entfaltung.
In der Beeinflussung der Beiwurzelbildung gehen diese beiden
zuletzt genannten Lösungen in der ersten Periode den andern weit
voraus; sie wirken begünstigend. Beim !/, °/, Zuckerwasser nimmt
die Zahl der hervorgebrochenen Beiwurzeln immer zu; beim 1°)
Glyzerinwasser in der zweiten Periode weniger wie dort und bleibt
dann konstant. An den Knoten der Leitungswasser-Kulturen ist in
der ersten Periode nur eine geringe Beiwurzelbildunge zu beob-
achten; sie steigt aber später rasch an, sodaß in der dritten Periode
mehr hervorgebrochen sind als beim !/,°%/, Zuckerwasser. 1!/s %o
Zuckerwasser steht in der Wirkung während der ersten Periode
zwischen den letztgenannten Flüssigkeiten: die Produktion nimmt
in der zweiten Periode stark, in der dritten wenig zu.
Für die Verdickung der Knoten gilt dasselbe, nur daß beim
Leitungswasser eine noch stärkere Zunahme zu beobachten ist.
Auch beim 1!/, °/, Zuckerwasser ist in der dritten Periode im Ver-
gleich zu den hervorgebrochenen Beiwurzeln ein beträchtlicher Zu-
wachs der Knoten zu bemerken.
Die Aufeinanderfolge der fünf Lösungen, inbegriffen Leitungs-
wasser, inbezug: auf die Beeinflussung der Beiwurzel- und Knöllchen-
bildung und des Entfaltens der Achselknospen in den drei Perioden
würde mithin folgende sein:
Tabelle No. 8.
|
Perioden Achselknospen | Beiwurzeln Verdickte Knoten
—— nn
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Leitungswasser 1/, %/uZuckerwasser Leitungswasser
1 11/,0/,Zuckerwasser Leitungswasser 1/, 0/, Auckerwasser
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Nährlösung 1!/, %/, Zuckerwasser| 11/, 0/,Zuckerwasser
!/, %) Zuckerwasser 1°/, Glyzerinwasser 1°), Glyzerinwasser
Zweite Periode.
1°/, Glyzerinwasser Nährlösung Nährlösung
}
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Nährlösung | 1/2°/o Zuckerwasser | !/, %/, Zuckerwasser
|
1!/,0/, Zuckerwasser Nährlösung 1!/, 0), Zuckerwasser
|
Nährlösung
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1 °/, Glyzerinwasser | 1!/,°/, Zuckerwasser
1 °/, Glyzerinwasser
Dritte Periode.
1/, °/u Zuckerwasser | 19/, Glyzerinwasser
I}
110 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
Die Wirkungen, welche die Flüssigkeiten auf die Ausbildung
der Sprosse ausüben, sind nicht während der ganzen Versuchsdauer
die gleichen; beim Leitungswasser ist z. B. die Kurve im allge-
meinen eine aufsteigende; beim 1!/5°/, Zucker- und 1°/, Glyzerin-
wasser erreicht sie, was die Knöllchen- und Wurzelbildung anbe-
langt, in der ersten Periode den Höhepunkt. Beim ersteren steigt
sie in der zweiten Periode ziemlich stark an, erreicht hier das
Maximum, fällt dann bei den Achselknospen und Beiwurzeln, hält
sich fast in derselben Höhe bei der Knöllchenbildung usw.
Die Leitungswasser-Kulturen bestätigen, daß Nahrungsmangel
formative Veränderungen an der Pflanze verursacht). Das Ver-
halten der Sprosse der Nährsalz-Kulturen war im allgemeinen
identisch mit dem Resultat des Topfversuchs No. 1, wo alle Sproß-
spitzen vergipst waren; hier wie dort hatten die Sprosse genügend
Nährstoffe zur Verfügung, was wohl auch ein Grund dafür ist, daß
sich die Beiwurzeln in der anorganischen Nährlösung selbst nicht
weiter entwickelten, weil wohl auch die Aufnahme der Nährstoffe
durch die Schnittfläche genügte. Die Entwickelung dieser Kulturen
könnte man etwa als die normale bezeichnen. Daß Rohrzucker
und Glyzerin auf die Beiwurzel- und Knöllchenbildung einen be-
sünstigenden Einfluß ausgeübt haben, geht aus dem Vergleich mit
den Nährsalz-Kulturen hervor; dagegen wirkten sie auf das Aus-
treiben der Achselknospen hemmend. Aus der Beschreibung
weiterer Kulturergebnisse wird auch hervorgehen, daß nicht nur
die organischen Stoffe als Reizmittel dienen, sondern daß Ceropegia
Woodii befähigt ist, wenigstens mit Rohrzucker, als einziger ge-
botener Nahrung Neubildungen zu erzeugen und eine zeitlang zu
existieren.
Infolge des Abschneidens der Sproßspitzen blieben an den
Sproßenden Internodienstummeln; diese gingen allmählich zugrunde);
auch die basalen Stummeln sterben fast immer ab. An drei
Leitungswasser-Kulturen blieben die letzteren jedoch durch die
ganze Versuchsdauer lebenskräftig und produzierten dicht oberhalb
der Schnittfläche eine respektive zwei Beiwurzeln. Mit der Zeit
bildete sich an diesen Stellen eine merkliche Verdickung aus. Daß
die Internodien auch außerhalb der Flüssigkeit zur Beiwurzelbildung
veranlaßt werden können, geht aus zwei Wasser-Kulturen hervor.
In Tafel IX, Figur 1 ist ein verzweigter Sproß einer Leitungswasser-
Kultur photographiert, welcher mächtige Knollen gebildet hat; die
Versuchsdauer reichte vom 10. Juni bis zum 18. November (an
welchem Tage die Aufnahme gemacht wurde), betrug also 161
Tage. Erst am 30. September war an einem Internodium, und
zwar an seinem apikalen Ende, ein kleiner Höcker zu bemerken,
der sich zu einer 0,5 mm langen Beiwurzel ausbildete. Später
ist auch am anderen Internodium an derselben Stelle eine Bei-
ı) Vergleiche Pfeffer, W., 1. c. Band 2. S. 153.
2) Vergleiche Pfeffer, W., 1. c. Band 2. S. 203 und 278.
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 111
wurzel hervorgebrochen, wie aus der Figur 1 zu ersehen ist. Die
zweite Kultur dauerte vom 10. Juni bis zum 16. Dezember, also
189 Tage. Die Reaktion trat hier zur selben Zeit, wie am ersten
Sproß ein, und es wuchs die Anlage zu einer 2 mm langen Bei-
wurzel heran.
b. Mit unbeblätterten Sprossen.
In denselben Flüssigkeiten und auf dieselbe Weise wie bei
den Versuchen mit beblätterten wurden auch beim Taeeslicht Ver-
suche mit unbeblätterten Sprossen angestellt. Die Resultate sind
in Tabelle 9 zussammengestellt:
Tabelle No. 9.
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112 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
Da die Sprosse der Assimilationsorgane beraubt waren, konnten
sie nur noch durch die in der primären Rinde befindlichen Chloro-
plasten Assimilate erzeugen, andererseits stand ihnen in den Zucker-
und Glyzerin-Kulturen organische Nahrung zur Verfügung. Die
Sprosse waren bestrebt, die verlorenen Teile zu ersetzen, indem
sie blatttragende Seitensprosse erzeugten!). Bei den Sprossen der
1/,0/, Zuckerwasser-Kulturen sind mehr Achselknospen zur Ent-
faltung gekommen als bei den beblätterten Sprossen; das Be-
streben der Sprosse, die Assimilationsorgane neu zu bilden, war
größer als die hemmende Wirkung, welche 1/,°/, Zuckerwasser auf
die Ausbildung der Seitensprosse ausübt. Wenn nicht die ganzen
Blätter, sondern nur die Blattspreiten abgeschnitten wurden, so
fielen nach kurzer Zeit die Blattstiele als funktionslos gewordene
Organe ab?). Eine Neubildung von Blätterspreiten ist nie einge-
treten.
Außer beiden Zuckerwasser-Kulturen gingen die Sprosse der
anderen Kulturen schon nach relativ kurzer Zeit zu Grunde; am
längsten hielten sich noch die des Leitungswassers. Daß bei den
letzteren noch beträchtliche Neubildungen eingetreten sind (Tabelle
No. 9), ist namentlich darauf zurückzuführen, daß die in der pri-
mären Rinde sich reichlich vorfindenden Chloroplasten genügend
Assimilate produzieren mußten, und daß schon ein Vorrat von Re-
servestoffen aufgespeichert war. Die Sprosse der Nährsalz-Kulturen
starben immer schon nach kurzer Zeit ab, ohne daß bei ihnen eine
Beiwurzel- oder Knöllchenbildung eintrat; nur einige Achselknospen
kamen zur Entfaltung. Wir können uns vorstellen, daß durch die im
Vergleich zur geringen Assimilation zu reichliche Aufnahme von an-
organischen Stoffen eine Störung im Stoffwechselgetriebe verursacht,
welche den Tod der betreffenden Organe zur Folge hat. Die
Zuckerwasser-Kulturen erzeugten sowohl am Anfang der Versuchs-
zeit als später mehr Beiwurzeln; ebenso war die Knotenverdickung
eine reichlichere. Daraus kann nur geschlossen werden, daß die
Sprosse den ihnen dargebotenen Rohrzucker weiter verarbeitet und
als Baustoff verwendet haben. Wie aus den gleich zu beschreibenden
Dunkelkulturen hervorgeht, ist die Pflanze sogar befähigt, mit
Rohrzucker als einziger organischer Nahrung wenigstens eine Zeit
lang zu gedeihen; es ist also damit zugleich gezeigt, daß sie unter
Verarbeitung des Zuckers die am Aufbau beteiligten Kohlenstoff-
verbindungen zu bilden und wenigstens bis zu einem gewissen
Grade alles zu erreichen vermag, was für den Lebensprozeb not-
wendig ist?). Die einprozentigen Glycerin-Kulturen sind immer,
ohne Neubildungen hervorgebracht zu haben, abgestorben, sowohl
am Licht als im Dunkeln; diese Kohlenstoffverbindung kommt also
als Nährstoff nicht in Betracht, wie überhaupt der Nährwert der
!) Vergleiche Göbel, K., Über Regeneration im Pflanzenreich. (Biolo-
gisches Centralblatt. Band 22. 1902. S. 387.)
2) Vergleiche Pfeffer, W., 1. c. Band 2. S. 203 und 278. Auch
Jost, Ludwig, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie. Jena 1904. S. 408.
°®) Vergl. Pfeffer, W.,l.c. Band 1. S. 269, 349, 353.
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 113
verschiedenen Kohlenstoffverbindungen ein sehr ungleicher ist !),
sie wirkt nur am Anfange der Versuchsdauer (Tabelle No. 4, 5, 6)
für die Wurzel- und Knöllchenbildung anregend.
Wie in dem Abschnitt über „Versuchsanstellung“ gesagt ist,
wurden die Sprosse durch einen durchbohrten Kork in die Fläschchen
mit den Flüssigkeiten eingeführt und zur Befestigung die Inter-
nodien an der Stelle, wo sie den Kork berührten, mit Watte umwickelt.
An vier unbeblätterten Sprossen, nämlich an zwei Wasser- und zwei
Zuckerlösungskulturen, verdickten sich an diesen Stellen die Inter-
nodien stark, es brachen auch einige Beiwurzeln hier hervor
(Tafel IX, Fig. 2 und 3). Bei den Sprossen mit Blättern blieben
die Internodien immer unverdickt; auch trat keine Beiwurzelbildung
ein. Daß die Knöllchenbildung gerade an diesen mit Watte um-
wickelten Internodien eintrat, veranlaßte die Prüfung der Frage,
ob diese Verdickung vielleicht unter der begünstigenden Wirkung
des Verdunkelns entstanden sei. Es wurden daher später auch
Versuche in dieser Richtung angestellt. |
2. Versuche im Dunkeln.
Wie schon früher gesagt wurde, hatten die Dunkel-Kulturen
segenüber den Lichtversuchen unter zu niedriger Temperatur zu
leiden. Da auch nicht genügend Sprosse vorhanden waren, wegen
großem Verbrauch für andere Versuche, wurden anfangs solche
nur im Leitungswasser, 1!/,%/, Zuckerwasser und in anorganischer
Nährlösung: angestellt; im Winter wurden dann Versuchsreihen mit
allen fünf Flüssigkeiten wiederholt, doch starben alle wegen zu
hoher Temperatur in wenigen Tagen ab. (Die Dampfheizungsröhren
des Gewächshauses waren durch den Raum, welcher als Dunkel-
kammer diente, durchgeleitet.) Bezüglich der Einwirkung des
Liehtabschlusses auf die Knöllchen- und Wurzelbildung würden
diese Versuche sowieso keine stichhaltigen Resultate ergeben, da
die Sprosse der meisten Lösungen wegen des Verhinderns, Assi-
milate zu bilden, in nicht langer Zeit absterben iußten. Für
diese Frage waren die Kulturversuche beim teilweisen Lichtab-
schluß maßgebend. Hier jedoch handelte es sich in erster Linie
darum, zu erforschen, inwieweit die Sprosse vegetieren und Neu-
bildungen hervorbringen könnten beim Verhindern der Assimilations-
tätigkeit, worüber die drei genannten Lösungskulturen einen teil-
weisen Aufschluß ergaben.
vergl. Pfeffer, W., 1. e. Band 1. 8. 367.
Beihefte Bot. Centralbl. Bd, XXIII. Abt. I. Heft 2. 8
114 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc.
a. Mit beblätterten Sprossen.
(Hierzu Tabelle No. 10a und b.)
Tabelle No. 10a.
Bemer-
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Sproß teilweise
abgestorben.
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Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 115
Tabelle No. 10h.
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z
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* | Nährlösungskultur zu Grunde gegangen.
Die Leitungswasserkulturen erzeugten am Anfang: Neubildungen
(Tabelle 10a vier Beiwurzeln und eine Achselknospe; Tab. 10b vier
Beiwurzeln), aber die Sprosse verloren bald die Blätter und gingen
langsam zugrunde. Sie waren nur solange befähigt, Neubildungen
zu produzieren und sich am Leben zu erhalten, als die aufge-
speicherten Betriebsstoffe ausreichten, dann starben sie an der
Basis beginnend langsam ab. Das Verhalten der Sprosse in an-
organischer Nährlösung war gleich wie in Leitungswasser; mit
nur anorganischer Nahrung war ihr Weiterbestehen unmöglich.
Dagegen erzeugten die Sprosse in Zuckerwasser nicht nur am An-
fang Neubildungen, namentlich Beiwurzeln, sondern die Produktion
stieg später noch, und die Sprosse konnten am Leben erhalten
werden; zwar verloren sie langsam ihre Blätter als funktionslos
gewordene Organe.
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116 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
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Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 117
Die Leitungswasserkulturen sind nicht angegeben, weil die
Sprosse, ohne Neubildungen hervorgebracht zu haben, zugrunde
singen. Die Kulturen in anorganischen Nährlösungen erzeugten
ohne Blätter weniger neue Organe als mit solchen, da durch das
Entfernen derselben ihnen weniger organische Stoffe zu Gebote
standen; sie starben auch früher ab. Das Verhalten der 11/,)o
Zuckerwasser-Kulturen ist ein ähnliches wie bei den beblätterten
Sprossen, nur daß durch das Abschneiden der Blätter die Sprosse
hier zum Austreiben von Achselknospen veranlaßt wurden, aus dem-
selben Grunde, wie bei den Lichtkulturen ohne Blätter. Die Zahl
der hervorgebrochenen Beiwurzeln war anfangs eine größere, stieg
aber später weniger an. Die Schlußfolgerungen, die sich aus diesen
Ergebnissen ziehen lassen, sind schon bei Besprechung der Licht-
kulturen angeführt worden (b. Mit unbeblätterten Sprossen), sodaß
hier nur darauf verwiesen werden mag.
3. Versuche bei teilweisem Lichtabschluss.
a. Ein Teil der Sprosse ist verdunkelt.
Auf die gleiche Weise wie bei den schon besprochenen Kultur-
versuchen wurden auch hier in den fünf Flüssigkeiten Kulturen
ausgeführt. Sprosse mit Blättern, bei welchen die Sproßspitzen
und die herausgewachsenen Seitensprosse abgeschnitten wurden,
wurden mit ihren apikalen Hälften in Tuben aus schwarzem Karton
eineeführt, und die Durchbohrung alsdann dicht mit Watte ausge-
füllt, um ein vollkommenes Verdunkeln zu erreichen; die basalen
Hälften waren hingegen dem vollen Tageslicht ausgesetzt. Die
Ergebnisse dieser Versuche sind in Tabelle No. 12 angegeben,
welche auf dieselbe Art zusammengestellt ist wie die früheren
Tabellen; nur sind die Neubildungen im Hellen und im Dunkeln
getrennt berechnet, und zwar auf fünf Knoten. |
Diese Versuche haben sehr schön gezeigt, wie aus der Ta-
belle No. 12 und der Abbildung Tafel X, Figur I, welcher Sproß
der Leitungswasserkultur entnommen ist, hervorgeht, daß die
Dunkelheit im hohen Maße begünstigend auf die Knöllchenbildung
wirkt. Bei allen Kulturen ist keine Verdickung der im Hellen sich
befindlichen basalen Knoten eingetreten; dagegen sind bei den
apikal gelegenen Knoten mächtige Knöllchen entstanden, obgleich,
wie aus den früheren Versuchen hervorging, die basalen sonst bei
der Knöllchenbildung bevorzugt sind. Der Gesamtinhalt der im
Dunkeln verdickten Knoten überstieg weit den der Lichtkulturen.
Die Zahl der hervorgehrochenen Beiwurzeln war entsprechend den
Verdickungen eine große, überstieg aber die der Lichtkulturen
nicht. Die Beiwurzeln entwickelten sich wie beim Liehtzutritt auch
beim Lichtabschluß nicht weiter; sie blieben auf dem gehemmten
Zustand stehen. Verdunkelung wirkt also nicht fördernd auf das
Wachstum der Beiwurzeln; diese werden nur durch genügende
Feuchtigkeit zum Weiterwachsen veranlaßt.
Wie aus der Tabelle zu ersehen ist, erzeugten auch die am
Licht befindlichen Knoten ziemlich reichlich Beiwurzeln, wenigstens
Tabelle No. 12.
118 @labisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc.
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Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 119
am Anfang der Versuchsdauer. Wenn man die Produktion von
Beiwurzeln der Knoten am Licht und im Dunkeln bei Beachtung
der reichlichen Knöllchenbildung im Dunkeln gegenüberstellt, so
ergibt sich auch, daß Lichtabschluß die Bildung der Beiwurzeln
nicht begünstigt.
Die Blätter fielen an den im Dunkeln befindlichen Sproß-
teilen allmählich ab. Über das Verhalten der etiolierten Sprosse
wurde schon früher gesprochen, hier möge noch einmal auf die
Figur 1, Tafel X hingewiesen werden.
Daß die verdunkelten apikalen Sproßteile nicht abstarben,
wie bei den Kulturen bei völligem Lichtabschluß, ist leicht einzu-
sehen, weil ihnen genügend Nähr- und Baustoffe zuflossen, nament-
lich Assimilate. Der Eintluß der Lösungen, inbegriffen Leitungs-
wasser, auf die Neubildungen, war übrigens hier ein ähnlicher, wie
bei den Lichtkulturen.
b. Verdunkelung von Internodien.
Wie erwähnt, haben sich bei einigen Sprossen der Licht-
kulturen ohne Blätter Verdiekungen an denjenigen Stellen der
Internodien gebildet, wo dieselben mit Watte umwickelt waren;
auch trat hier Beiwurzelbildune ein. Da bei den Sprossen aller
übrigen Kulturen niemals Knöllchenbildung an Internodien Dbe-
obachtet worden war, wurden hierüber Versuche angestellt. An
Sprossen von vier Versuchsreihen, zwei mit Blättern und zwei
ohne solche, wurde bei jedem abwechselnd ein Internodium ver-
dunkelt und eins unverdunkelt gelassen. Bei je einer weiteren
Versuchsreihe mit beblätterten und unbeblätterten Sprossen wurden
-die Internodien zuerst mit Watte umwickelt und darüber mit
schwarzem Papier, bei den beiden anderen Versuchsreihen nur mit
schwarzem Papier, um sicher zu gehen, daß nicht die Watte als
Reiz auf die Knöllchenbildung und Wurzelbildung wirke, sondern
die Knöllchen nur wegen der begünstigenden Wirkung des Ver-
dunkelns entstehen.
Bei den zwei Versuchsreihen mit beblätterten Sprossen ent-
wickelten sich die Sprosse normal. Es traf bei ihnen keine Knöll-
chen- und Wurzelbildung ein; die Neubildungen waren vollkommen
identisch mit denen der Tabellen No. 4 5 und 6, auch was die
Beeinflussung durch die verschiedenen Flüssigkeiten anbetrifft.
Dagegen erzeugten die Sprosse ohne Blätter sowohl an den
mit Watte und schwarzem Papier (Tabelle No: 13) als an den nur
mit schwarzem Papier (Tabelle No. 14) umwickelten Internodien
Beiwurzeln und Anschwellungen. Daraus ersieht man, daß nicht
die Watte als Reiz gewirkt hat, sondern der Lichtabschluß. Die
hierzu gehörenden Tabellen No. 13 und 14 sind ähnlich zusammen-
gestellt wie die vorhergehenden. Da jedoch die Gesamtzahl der
ausgetriebenen Achselknospen und herausgebrochenen Bei-
wurzeln, wie auch die Verdickung der Knoten nur eine geringe
war, sind diese Rubriken weggelassen... Um die Knöllchen- und
jeiwurzelbildung an den Internodien zu veranschaulichen, ist erstens
außer der Knotenzahl die Internodienzahl der Sprosse von der
120 Glabisz, Morphologische und plıysiologisehe Untersuchungen ete
Tabelle
Vordickto
Internodien
Art De-
der merkungen
Kultur
14
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wasser |; | ° =
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5
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6
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14
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wasser A
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6
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1 . | 2
2 Hierzu
I 1 r Fig. 25 mit
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| | Knoten-
4 | und
4 | Inter-
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D | 1 zahlen
2 6 bezeichnet,
6 27|2 z
7 2711,52] 17
1
Bullen
Zucker- 3 | |
| 1 |
wasser 4 | Grunde
op | A f i Eafzertone
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6
6 1
7
Nähr
ing- und Glycerinwasserkultur zu Grunde gegangen,
121
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
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122 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
Fig. 24.
Unbeblätterter
Sproß einer 1/0),
Zuckerwasser-
Kultur mit
Knöllchen- und
Beiwurzelbildung
an verdunkelten
Internodien.
Vergr. !}ı.
Basis bis zur Spitze angegeben, sodaß die Zahlen
der aufeinanderfolgenden sich zwischen zwei Knoten
befindlichen Internodien auch zwischen die ent-
sprechenden Zahlen der Knoten zu stehen kamen;
außerdem sind die Internodien, entsprechend der
Verdunkelung oder Nichtverdunkelung, unter ver-
schiedene Rubriken angeordnet. Die mit einem
Kreuz bezeichneten Knoten und Internodien be-
fanden sich in der Flüssigkeit. Ferner wurden
für die Beiwurzel- und Knöllchenbildung zwei spe-
zielle Rubriken geschaffen, deren eine in zwei Teile
geteilt ist; die Neubildungen sowohl der Knoten
wie der Internodien sind wagerecht in derselben
Reihe, unter der betreffenden Rubrik mit den ent-
sprechenden Knoten- und Internodien angegeben.
Im Vergleich mit der Tabelle No. 9 ent-
standen hier viel weniger Neubildungen aus den
Knoten, die Verdunkelung hatte zur Folge, daß
die Bau- und Reservestoffe sich nicht nur in den
letzteren ansammelten, sondern auch in den ver-
dunkelten Internodien, wo sie das Material zu
Verdickungen und Beiwurzelbildungen lieferten.
Die Knöllchen der Knoten als auch der Inter-.
nodien sind ja Reservestoffmagazine. Daß nur die
Verdunkelung die Knöllchen- und Beiwurzelbildung
veranlaßt, geht daraus hervor, daß aus keinem
nicht verdunkelten Internodium Neubildungen ent-
standen sind. Nur bei den Sprossen der Leitungs-
und Zuckerwasser-Kulturen sind (wie aus den Ta-
bellen No. 13 und 14 hervorgeht) Verdiekungen
und Beiwurzeln entstanden; die Sprosse der
anderen Kulturen blieben zu kurze Zeit lebens-
kräftig (siehe oben),. um solche produzieren zu
können. Es war nämlich eine längere Zeit des
Einwirkens der Verdunkelung notwendig, bis die
Internodien reaktionsfähig wurden. Die Ver-
diekungen an den Internodien waren nicht an be-
stimmte Stellen lokalisiert, sondern breiteten sich
immer über einen kürzeren oder längeren Teil der-
selben aus; sie begannen auch etwa an zwei oder
mehr Stellen und nahmen dann manchmal den
größten Teil des verdunkelten Internodiums ein.
In Figur 24 ist ein Teil des Sprosses der 1/0)
Zuckerwasserkultur abgebildet; die Zahlen an den
Knoten und Internodien entsprechen denen in der
Tabelle No. 13; Internodium 3 und 5 waren ver-
dunkelt. sie zeigen die Beiwurzel- und Knöllchen-
bildung‘; jedoch sind in dieser Figur nur die stärker
verdickten Partien angedeutet worden. Aus diesem
Verhalten der Sprosse sieht man, daß Verdunkelung
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 123
in hohem Maße beeünstigend auf die Knotenbildung wirkt, was
auch die Resultate der Tabelle No. 12 bestätigen.
Daß sich nur bei den Sprossen ohne Blätter durch Ver-
dunkelung Beiwurzeln und Verdickungen an den Internodien er-
zielen ließen, nicht an jenen mit Blättern, hat seinen Grund wohl
darin, daß durch die direkte Zuleitung der Assimilate die Knoten
mehr angeregt wurden, diese aufzuspeichern und zu verwenden,
als die Internodien.
4. Versuche mit Sprossen auf Nährlösungen.
Sowohl im Hellen als auch im Dunkeln wurden Sprosse, bei
welchen die Sproßspitzen abgeschnitten waren und jeder sich ent-
wickelnde Seitensproß beizeiten entfernt wurde, mit und ohne
Blätter in Schalen gelest, welche mit den zu prüfenden fünf Flüssig-
keiten angefüllt waren. Die Sprosse hatten jedoch eine viel kürzere
Existenz als in den Fläschcehenkulturen. Die Sprosse schwammen
nämlich nur anfangs auf den Flüssigkeiten, sanken später immer
mehr unter. In der ersten Zeit produzierten sie noch Neubildungen,
indem Achselknospen sich entfalteten und Beiwurzeln hervor-
brachen; Knöllchenbildung trat hingegen nur in sehr geringem
Maße ein; die Sprosse eingen dann langsam zugrunde. Das Ver-
halten der beblätterten und unbeblätterten Sprosse in den Lösungen
(inklusive Leitungswasser) war ähnlich wie bei den Fläschchen-
kulturen. Am meisten Seitensprosse trieben die Sprosse in Leitungs-
wasser, 11/5°/, Zuckerwasser und in der anorganischen Nährlösung
aus. Die reichlichste Beiwurzelbildunge fand sich bei den Sprossen
im Leitungswasser, !/,°/, und 11/5°/, Zuckerwasser. Am schnellsten
starben die Sprosse in der anorganischen Nährlösung und im 1°),
Glyzerinwasser ab. Die im Dunkeln ausgewachsenen Achselknospen
zeigten negativen Geotropismus und waren etioliert; von denselben
blieben die Sprosse der Zuckerlösungen am längsten am Leben,
die der anderen produzierten nur sehr wenig oder auch gar keine
Neubildungen und gingen in kurzer Zeit zugrunde.
IV. Versuche mit einzelnen Sprossteilen.,
1. Versuche mit Internodien und Knoten.
Isolierte Internodien und Sproßstücke mit einem und zwei
Knoten wurden auf feuchtgehaltenen Sand gelegt, sowohl bei Licht-
zutritt wie in der Dunkelkammer. Von 20 im Hellen ausgelegten
Internodien sind 14 zu Grunde gegangen; bei vieren haben sich
an je einem Ende an der Schnittflläche Verdickungen gebildet,
welche zu Knöllchen von 3—4 mm im Durchmesser anwuchsen;
Beiwurzeln sind nicht heryorgebrochen. An zwei Internodien haben
sich nicht nur Knöllchen an der Schnittfläche gebildet, sondern es
ist auch aus diesen je eine Beiwurzel hervorgebrochen (Taf. IX,
Fig. 4). Daß Internodien zur Knöllchen- und Beiwurzelbildung
124 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
befähigt sind, haben die Kulturen mit verdunkelten Internodien
gezeigt. Es wurde oben gezeigt, daß Beiwurzeln auch bei zwei
Sprossen der Fläschchenkulturen aus Internodien hervorgebrochen
waren ohne Verdunkelung, infolge des Entfernens aller Vegetations-
spitzen, auch der begünstigenden Wirkung des Leitungswassers
(Nahrungsmangel); bei der langen Einwirkung eriff die Reaktion
auf die Internodien über. Hier bei den abgetrennten Internodien
wurde die Knöllchen- und Beiwurzelbildung durch die Unterbrechung
des Zusammenhanges bewirkt!), daß diese Gebilde an der Schnitt-
fläche und nicht an anderen Stellen entstanden, veranlaßte der
Wundreiz 2). In der Dunkelkammer ist bei einigen Internodien
an der Schnittfläche auch Knöllchen- und Beiwurzelbildung ein-
getreten, doch mußten eine eroße Anzahl von Internodien aus-
gelegt werden, bis positive Resultate erhalten wurden.
Ein Weiterwachsen der Beiwurzeln aus den Internodien
konnte nicht erreicht werden, obgleich ihnen genügend Feuchtig-
keit zur Verfügung stand; die in ihnen vorhandenen Stoffe reichten
nur aus, um eine Reaktion zu bewirken, aber nicht, um die Bei-
wurzeln vollkommen auszubilden. Die Internodien fingen bei
längerem Liegenlassen an dem nicht reagierenden Ende zu
schrumpfen an und starben langsam ganz ab. Sproßbildung trat
niemals en — auch nicht bei den Internodien, welche in den
Doppelschalen auf die Flüssigkeiten gelegt wurden. Beiwurzel-
bildung konnte hingegen bei diesen Kulturen erzielt werden, doch
nur am Licht, im Dunkeln gingen die Internodien alle zu Grunde.
Wenn Internodien mit einem oder zwei Knoten ohne Blätter
ausgelegt wurden, so trat bei diesen nur eine geringe Verdickung
und Beiwurzelbildung an den Knoten ein; daß letztere nicht an
den Internodien oder an deren Schnittflächen entstanden, ist schon
durch die normale Organisation®) verursacht; die Knoten sind die
prädisponierten Organe für diese Bildungen. Auch kleine Sprosse
trieben aus den Achselknospen der Knoten aus. Doch entwickelten
sie sich nicht zu ganzen Pflanzen, da ihnen wegen des Fehlens
der ursprünglichen Blätter zu wenig Baumaterial zuflodß. Das Ver-
halten war am Licht und im Dunkeln dasselbe.
Wurden Knoten mit ihren beiden Blättern in feuchten Sand
ausgelegt, so erzeugten sie viele Beiwurzeln, welche zu starken
Wurzeln auswuchsen; die Knoten verdickten sich zu eroßen
Knöllchen, und aus den Blattwinkeln trieben die Achselknospen
aus (Taf. IX, Fig. 5), welche sich normal weiter entwickelten und
kräftige Sprosse lieferten. Ob die Internodien an den Knoten ge-
lassen oder abgeschnitten wurden, war ohne Einfluß. Diese Me-
thode wurde auch zur vegetativen Vermehrung der Pflanze benutzt.
1) Nach Untersuchungen von Goebel, K., Allgemeine Regenerations-
probleme. (Flora. Bd. 95. 1905. S. 390.)
2) Vergleiche Goebel, K., Morphologische und biologische Bemerkungen.
Bd. 92. 1903. S. 133.
3) Vergleiche Goebel, K., Über Regeneration im Pflanzenreich. (Bio-
logisches Oentralblatt. Bd. 22. 1902. S. 491.)
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 125
Sprosse konnten immer nur aus den Blattachseln erhalten
werden, aus keinem anderen Teil der Pflanze, auch aus den Blättern
nicht; obgleich sehr viele ausgepflanzt wurden. Wenn die aus-
setriebenen Achselknospen entfernt wurden, so gingen neue Sprosse
hervor, durch wiederholtes Entfernen konnten mehrere Sprosse aus
einer Blattachsel zum Entstehen gebracht werden. Die Erklärung
dafür liegt einfach darin, daß in der Blattachsel, wo sich sonst die
Achselknospe des Seitensprosses befindet, das Gewebe des Stamm-
vegetationspunktes eine Zeit lang im embryonalen Zustand ver-
harrt und eine Anzahl von Sprossen in Brosue Sigen Reihenfolge
bilden kann!). AN
Daß Sprosse nur aus den Blattachseln entstehen, beweisen
auch Versuche, welche mit schon ausgebildeten Knollen angestellt
wurden. Grundknollen von Topfpflanzen, deren Sprosse und Wurzeln
alle abgeschnitten waren, wurden in feuchten Sand eingepflanzt,
die einen mit ihrem apikalen Pol, also demjenigen, welcher den
Blattachseln entspricht, und die andern mit dem basalen nach oben.
Bei den Knollen, welche mit dem apikalen Pol nach oben zu liegen
kamen, entwickelten sich die Sprosse und zwar aus dem apikalen
Pol, also dem den Blattachseln entsprechenden Teil; sie krümmten
sich negativ geotropisch und zeigten Etiolement, bis sie ans Licht
kamen. Aus anderen Teilen der Knolle entwickelten sich Keine
Sprosse. Für die Wurzeln gilt dasselbe wie bei den vorhergehenden
Versuchen; sie brechen aus allen Teilen der Knollen hervor, doch
sind die Seitenteile bevorzugt.
2. Versuche mit Blättern.
Es mögen zuerst die Versuche mit Blättern so besprochen
werden, wie sie aufeinander gefolgt sind, bevor versucht wird,
eine Deutung der Resultate zu geben. Bei der Versuchsanstellung
wurden, wo nicht speziell darauf hingewiesen wird, die Blätter
auf oder in feuchtgehaltenen, mit genügend Nährstoffen durch-
tränkten Sand geleet. Die Versuche a bis f nahmen am 27. Juli
ihren Anfang und zwar bei Lichtzutritt.
a) 25 ganze Blätter wurden in Sand eingesetzt, so daß die
Stiele in Sand und die Spreiten auf Sand zu liegen kamen. Bis
zum 22. August bildete sich bei allen Blättern am basalen Ende
des Stieles eine merklich größere oder kleinere Verdickung; bei
zehn Blättern entstand außer derselben nichts weiter; bei zwölf
wuchs aus dem basalen Ende des Blattstieles je eine 0,2 bis 1,5 cm
lange Wurzel hervor; bei dreien entwickelte sich noch je eine
solche in der Mitte des Stieles.
Am 2. September zeigten die Blätter folgendes Verhalten:
Zwei Blätter waren zu Grunde gegangen; bei drei war keine
Wurzelbildung eingetreten, sie starben später ab; bei 16 ent-
sprangen eine bis drei Wurzeln aus dem basalen Ende des Stieles,
welcher Teil sich zu Knöllchen von 2,5 bis 4 mm verdickt hatte
) Vergleiche Goebel, K., Organographie der Pflanzen. Jena 1898,
S. 619.
126 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc.
bei vier Blättern entsprangen zwei oder drei Wurzeln aus dem
Mittelstück des Stieles, bei welchen Blättern sich die Verdickung
über den ganzen Stiel verbreitete, namentlich über das basale Ende.
Am 21. November waren noch 17 Blätter lebenskräftig. Bei
den meisten entsprangen die starken meist unverzweieten bis zu
zehn cm langen Wurzeln zu 2 bis 6 aus dem zu einem starken
Knöllchen von 3 bis 7 mm Durchmesser herangewachsenen
basalen Ende des Stieles. Eines dieser Blätter ist auf Tafel IX,
Figur 6 photographiert; bei der geringeren Zahl von Blättern, wo
die Wurzeln aus den basalen, wie aus den anderen Teilen des
Stieles hervorkamen (Tafel IX, Figur 7), war der ganze Stiel mehr
oder weniger verdickt. Später gingen einige von diesen Blättern
zu Grunde; der Rest hielt sich den ganzen Winter über frisch,
und bis zum Aueust des nächsten Jahres trat keine wesentliche
Veränderung an ihnen ein. Die Wurzeln vermehrten sich und
wuchsen weiter, wie die Knöllchen auch an Umfang zunahmen und
einen Durchmesser von über einen cm erreichten, aber keine Sprosse
erzeugten, wie solche auch niemals aus Blättern erhalten werden
konnten.
b) 25 ganze Blätter wurden mit der Oberseite auf trocken
gehaltenen Sand gelegt, sodaß die Stiele nach oben ragten. Am
2. September waren fünf von ihnen abgestorben und bei vier keine
Wurzelbildung eingetreten; bei 15 war aus dem basalen Ende des
Stiels je eine 1 bis 1,5 mm lange Wurzel hervorgebrochen; bei
einem Blatt hatten sich außerdem zwei aus dem Mittelteil des
Stiels entwickelt. Merklich hat sich fast bei allen Blättern das
basale Stielende etwas verdickt. Die aus diesen Blättern hervor-
gebrochenen Wurzeln sind später nicht weitergewachsen, sie blieben
auf demselben gehemmten Zustand stehen, wie die Beiwurzeln der
Stengelknöllchen; die Verdickungen nahmen auch nicht mehr zu.
Mit der Zeit starben alle Blätter ab. Daß auch hier die Hemmung
der Wurzelbildung nur auf ungenügende Feuchtigkeit zurückzu-
führen ist, wie bei den Stengelwurzeln, geht aus einem Parallel-
versuch hervor. Es wurden nämlich Blätter auf dieselbe Weise
ausgelert, nur daß sie immer begossen und mit Glasscheiben be-
deckt wurden; die aus den meisten Blattstielen hervorgebrochenen
Wurzeln wuchsen weiter und erreichten in kurzer Zeit den Sand.
Bei diesen Blättern war die Knöllchenbildung an den Stielen eine
nur sehr geringe und nahm auch nicht zu, wie auch keine weiteren
Wurzeln hervorbrachen. Sie blieben lange Zeit, manche sogar den
Winter über, am Leben, aber es trat keine weitere Veränderung
an ihnen ein. Daß hier die Knöllchenbildung im Verhältnis zu
Versuch a eine so geringe war, hat wohl seinen Grund teilweise
auch darin, daß sie dort durch die Verdunkelung begünstigt, hier
durch das Licht gehemmt war.
c) Je 30 Blätter wurden teils mit ihren Stielen, wie bei a,
in feuchten Sand ausgepflanzt, teils mit der Oberseite auf Sand
gelegt. Bei der Hälfte der Blätter beider Gruppen wurde die
Hauptader an der Basis, bei der anderen Hälfte wurden einige
Nebenadern durchschnitten. Anfangs gingen mehrere Blätter zu
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 127
Grunde. Bei den übrigen traten die Neubildungen auf dieselbe Art
ein wie bei a undb. Die Spreiten blieben unverändert, die Schnitt-
flächen vernarbten.
d) 25 Blätter, bei welchen der Stiel mit zwei Schnitten
(Fig. 25, Blatt 6) entfernt war, wurden mit dem basalen Ende
bis in halbe Höhe der Spreite in Sand gesteckt. Mehrere gingen
schon nach kurzer Zeit zu Grunde, bei den anderen vernarbten die
Schnittflächen. Es war bei diesen Blättern eine längere Zeit not-
wendig, bis Knöllchen- und Wurzelbildune eintrat, als bei den vor-
hergehenden. Am 4. Oktober waren noch 14 Spreiten lebens-
kräftige. Bei allen hatten sich an den beiden Schnittflächen ein
oder zwei kleine Knöllchen gebildet, und bei 12 Blättern ent-
sprangen aus dem basalen Ende der Knöllchen eine bis drei Wurzeln.
Später nahmen die Kuöllchen noch etwas an Größe zu, wie auch
noch mehr Wurzeln hervorkamen (Tafel IX, Fig. 8).
e) Bei ebensoviel Blättern als bei d wurden die Spitzen ab-
geschnitten und mit dem apikalen Ende in Sand gesetzt. Ihr Ver-
halten war ein ähnliches, wie bei denen der Versuche b. Die
Wurzeln entsprangen aus dem basalen Ende des Stiels. Die meisten
blieben gehemmt; einige wuchsen, da sie immer feucht gehalten
wurden, in den Sand. Die Schnittfllächen der Spreiten vernarbten;
nur bei einem Blatt wuchs aus der Schnittfläche in der Nähe der
Hauptader eine 7 mm lange Wurzel hervor und wuchs weiter.
Eine Verdickung der Spreite war nicht zu bemerken. Das Blatt
wurde am 21. November photographiert (Tafel IX, Figur 9). Die
noch übriggebliebenen Blätter dieses Versuchs wurden weiter kul-
tiviert, doch starben alle, ohne weitere Neubildungen hervorgebracht
zu haben, mit der Zeit ab. Auf dieselbe Weise wurden später noch
viele Blätter ausgesetzt; doch wuchs keine Wurzel mehr direkt aus
der Schnittfläche hervor.
f) Von Raciborski!) wurde an Blättern gewisser Asclepiadaceen
eine Wiederbhildung der gewaltsam entfernten Vorläuferspitze nach-
sewiesen. Bei Ceropegia Woodit ist eine Regeneration derselben
niemals eingetreten. Es wurden sowohl Blätter auf und in Sand
gelegt, als auch auf die Lösungen in den Doppelschalen. Doch
zeigten sie immer dasselbe Verhalten wie ganze Blätter. Die
Schnittflächen vernarbten; aber eine Wiederbildung der Vorläufer-
spitze wurde nicht beobachtet.
&) Blatthälften, Stücke der Lamirfa und Stiele wurden auf
und zum Teil in Sand ausgesetzt; doch ging alles zugrunde, ohne
Neubildungen hervorgebracht zu haben.
h) Bei Lichtabschluß ergaben die Versuche a bis f, was die
Insertion der Wurzeln anbetrifft, dasselbe Resultat wie die Licht-
kulturen. Knöllchenbildung trat bei ihnen ebenfalls, je nach der
Versuchsanstellung in größerem oder geringerem Maße ein, anfangs
sogar etwas früher, durch die Verdunkelung begünstigt. Doch
starben die Blätter schon nach kurzer Versuchsdauer ab. Auch
) Raciborski, |. ce. S, 10,
128 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
entwickelten sich, wie bei Versuch b, die hervorgebrochenen
Wurzeln bei den im Trockenen ausgelegten Blättern nicht weiter.
i) Sowohl am Licht als auch im Dunkeln wurden ganze Blätter
und Blattstücke mit der Ober- und Unterseite auf die fünf Lösungen
in den Doppelschalen gelegt. Doch ergaben sie nichts Nennens-
wertes, wie auch die meisten schon nach kurzem faulten. Später
wurden noch mehr Blätter, welche von den Sprossen früherer
Kulturversuche herstammten, in denselben Variationen, namentlich
in Sand ausgesetzt, um die Ergebnisse noch weiter zu prüfen; sie
waren im allgemeinen dieselben.
Erwähnt möge noch eine Versuchsreihe sein, welche am
28. Dezember 1905 auf feuchtgehaltenem Sand bei Lichtzutritt an-
Fig. 25. Blätter mit_Wurzeln von Sandkulturen (Erklärung im Text). Vergr. !/,.
gestellt wurde und bei welcher zwei Versuchsmethoden neu hinzu-
kamen und eine schon früher angewendete ein anderes Ergebnis gab.
k) 15 ganze Blätter wurden mit dem apikalen Ende der
‚Spreite in Sand gesetzt. Bei einigen brachen aus dem basalen
Ende des Stieles Wurzeln hervor, welche im gehemmten Zustand
verweilten. Nur bei zweien wuchsen sie in die Erde hinein.
Knöllchenbildung trat nur sehr wenig an dem basalen Ende des
Stieles ein. In den beiden folgenden Versuchsmethoden waren die
Neubildungen am Stiel ähnlich. Die Blätter verblieben den ganzen
Winter und Frühjahr über im Sand, ohne weitere Veränderungen
zu zeigen. Am 26. Juni 1906 waren noch sechs Blätter am Leben.
Bei allen diesen war der apikale Teil der Spreite, soweit er in der
Erde war, hell, chlorophyllos und etwas verdickt geworden (Fig. 25,
Blatt 1). Am Stiel war keine Knöllchenbildung eingetreten. Aus
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 129
dem basalen Teil der Verdickung, gerade an der Grenze, hatte sich
aus einem Blatt eine 3 cm lange Wurzel entwickelt (Figur 25,
Blatt 2). Später wuchs noch an zwei Blättern an derselben Stelle
je eine Wurzel hervor. Die Verdickungen am. apikalen Ende der
Spreite erreichten eine ungefähr doppelte Dicke, wie der basale,
assimilierende Teil über der Erde.
l) 38 Blätter, bei welchen die Spitze der Spreite mit einem
Schnitt entfernt war, wie bei e, wurden mit dem apikalen Ende
in Sand gepflanzt. Hier, wie auch bei m, trat die Knöllchenbildung
früher ein als bei k. Bis zum 3. April 1906 waren 17 Blätter
zu Grunde gegangen; bei zwölfen war keine Veränderung zu be-
merken; bei neun hatten sich aus der Schnittfläche kleine Hervor--
wölbungen, Knöllchen, 1—2 an einem Blatt, gebildet; der in der
Erde befindliche Teil der Spreite war auch etwas angeschwollen
[Tafel IX, Figur 10 (von der Oberseite) und 11 (von der Unter-
seite). Wurzelbildung war an der Lamina bis dahin nicht zu be-
merken. Bis zum 5. Mai hatten sich bei allen übriggebliebenen
16 Blättern an der Schnittfläche der Spreite kleine Knöllchen ge-
bildet, die Verdickung des in der Erde befindlichen apikalen Teiles
der Lamina hatte zugenommen, und bei zwei Blättern war aus
dem basalen Ende der Verdickung je eine 1,5—2 cm lange Wurzel
sewachsen. Am 26. Juni zeigte die Verdickung des in der Erde
sich befindenden Abschnitts der Lamina mindestens die doppelte
Breite, wie der basale, über der Erde befindliche Teil. Die Knöll-
chen an den Schnittflächen hatten an Größe etwas zugenommen.
Aus zehn Blättern entsprangen eine bis mehrere Wurzeln, doch
immer nur aus dem basalen Ende der knöllchenartigen Verdickung
der Spreite, und zwar in gleichem Maße auf der Unter- als auf
der Oberseite der Blätter (Fig. 25, Blatt 3 von der Unterseite
und Blatt 4 von der Oberseite). Bei einem Blatt entwickelten
sich sogar je eine Wurzel auf der Ober- und auf der Unterseite.
Aus der Schnittfläche der Spreiten ging bei keinem Blatt eine
Wurzel hervor, auch nicht aus der Mitte der Verdicknng der La-
mina, sondern immer aus ihrem basalen Ende.
m) Bei 36 Blättern wurden die Spitzen der Spreiten längs
der Hauptader halbiert, und ebenso wie bei k und I mit dem
apikalen Ende in Sand gesetzt. Am 3. April 1906 waren noch
21 Blätter vorhanden. Bei allen hatte sich bis zu dieser Zeit
(Tafel IX, Fig. 12 [von der Unterseite] und Fig. 13 [von der Ober-
seite]) die Spitze verdickt, und aus den beiden Schnittflächen waren
ein oder zwei kleine Knöllchen hervorgegangen. Wurzelbildung
fehlte his dahin. Bei den bis zum 26. Juni noch übriggebliebenen
sechs Blättern (Fig. 25, Blatt 5) waren bei fünf aus dem basalen
Teil der Knöllchen eine oder zwei Wurzeln gewachsen. Die Ver-
diekung der Spitze hatte noch ziemlich zugenommen.
Hieran mögen noch die Ergebnisse der Versuche mit Blättern,
bei welchen die Stiele entfernt und welche mit dem basalen Teil
der Lamina in Sand gepflanzt worden waren, angeschlossen werden,
weil bei diesen. die Wurzeln (Fig. 25, Blatt 6) immer aus dem
unteren, basalen Teil der Knöllchen den Ursprung nahmen, also
Beihefte Bot. Centralbl, Bd. XXIII, Abt. I. Heft 2.
130 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
hier wie bei den Blättern mit halbierter Spitze entsprangen, ob-
gleich die Lage der Blätter eine umgekehrte war. Ehe dazu
übergegangen wird, eine wenigstens teilweise Erklärung über die
Ergebnisse dieser Versuche zu geben, seien einige allgemeine
Probleme über die Regenerationserscheinungen, speziell die, welche
sich auf Blätter beziehen, erwähnt.
Der Reiz, welcher die Neubildungen an Stücken von Pflanzen,
z. B. an Blättern hervorruft, führt Goebel!) einmal auf die Ver-
wundung als solche und dann auf die Unterbrechung des Zu-
sammenhanges mit anderen Organen, speziell auf die Unterbrechung
der Leitungsbahnen zurück. Daß Verwundung Veranlassung zur
Neubildung geben kann, zeigen ja die Erscheinungen der Ver-
narbung (im weitesten Sinne. Daß aber bei der Regeneration
nicht die Verwundung als solche in erster Linie in Betracht kommt,
sondern die Aufhebung des Zusammenhanges mit anderen Organen,
stellte Goebel an einer Anzahl von Fällen fest, so an dem Ver-
halten bewurzelter bryophylium-Blätter.
Namentlich durch Vöchtings?) Untersuchungen ist die Auf-
merksamkeit, der Forscher auf jene Erscheinungen gelenkt worden,
die man als Polarität zu bezeichnen pflegt. Diese äußert sich
darin, daß bei Sproßstecklingen am apikalen Ende die Sproßbildung,
am basalen die Wurzelbildung bevorzugt ist, während sich Wurzel-
stecklinge umgekehrt verhalten, nnd bei Blättern, worauf es hier
speziell ankommt, in den typischen Fällen überhaupt keine Polarität
hervortritt, sondern sowohl Wurzel- als Sproßbildunge am basalen
Ende auftreten. Nach Goebel>) ist die Polarität bei der Re-
generation der Ausdruck der in den Pflanzen vorhandenen Bau-
stoffverteilung. Die Bevorzugung der Basis an Blättern hängt da-
mit zusammen, daß in ihnen normal eine Wanderung der Baustoffe
in basipetaler Richtung stattfindet.
Lindemuth*) hat Blätter von 65 Arten zur Bewurzelung
gebracht; doch nur bei 15 von diesen ist Sproßbildung eingetreten,
es ist also nur ein kleiner Teil von Blättern befähigt, Sprosse
hervorzubringen. Die Blätter von (eropegia Woodvi erzeugen, wie
aus den Versuchen hervorgeht, leicht Wurzeln, sind aber nicht
imstande, Sprosse zu bilden, welches Verhalten von Goebel als
„unvollständige Regeneration“ bezeichnet wird. Daß auch bei
ihnen keine Polarität hervortritt und die Wurzeln größtenteils an der
Basis entstehen, also die Stromrichtung der Baustoffe für ihre Ent-
stehung maßgebend ist, zeigen die Blätter, welche mit dem Stiel
in Sand und die, welche mit der Oberseite auf Sand gelegt wurden.
) Goebel, K., Morphologische und biologische Bemerkungen (Flora.
Bd. 92. 1903. S. 133) und Allgemeine Regenerationsprobleme. (Flora. Bd. 95.
1905. S. 390.)
2) Vöchting, H., „Über Organbildung im Pflanzenreich“. Teil1. 1878.
3) Goebel, K., Allgemeine Regenerationsprobleme. (Flora. Bd. 9.
1905. S. 407 und 409.)
*) Lindemuth, H., Weitere Mitteilungen über regenerative Wurzel- und
Sproßbildung auf Laubblättern (Blattstecklingen). (Gartenflora. 1905. S. 622.)
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen etc. 131
Bei beiden entstanden, obgleich die letzteren verkehrt lagen, die
Wurzeln zunächst nur an der Basis des Stieles, erst später foleten
diesen im Laufe der Zeit an manchen Blättern noch weitere Wur-
zeln auf der ganzen Länge des Stieles bis in die Nähe der Lamina,
welches Verhalten auch Voechting!) für die Blätter von Hetero-
certron diversifolium angibt An der Lamina selbst waren, wenn
der Stiel entfernt war, die Wurzeln ebenfalls nur an der Basis
inseriert, sie entsprangen immer aus den basalen Teilen der
Knöllchen, welche sich aus den Schnittflächen gebildet haben.
Auch bei allen übrigen Blättern, unbekümmert, zu welcher Jahres-
zeit sie zu den Untersuchungen von den Sprossen abgeschnitten
wurden und welcher Versuchsreihe sie angehörten, gingen die
Wurzeln anfangs nur aus dem basalen Teil des Stieles hervor.
Nur bei einem einzigen Blatt (Taf. IX, Fig. 9) brach direkt eine
Fig. 26. Nervatur eines Blattes.
vs Vorläuferspitze. Vergr. 5/,.
Wurzel aus der Schnittfläche der Spreite hervor, und zwar nicht
aus der Hauptader, sondern aus dem seitlichen Teil. Wie aus
den Versuchen namentlich von Voechting und Goebel hervor-
geht, entspringen die Neubildungen nicht nur aus der Basis der
interkalar wachsenden Blätter, sondern auch, wenn Blattstücke
verwendet werden, aus der Basis der letzteren. Die Wurzeln ent-
springen bekanntlich immer endogen, für ihren Ursprung ist der
Verlauf der Adern ausschlaggebend. In Figur 26 ist die Nervatur
eines Blattes gezeichnet. Die Adern verlaufen nicht nur vom
basalen zum apikalen Ende, dazwischen verbunden durch zahlreiche
Anastomosen, sondern beschreiben häufig Bogen, sogar schon die
Seitennerven erster Ordnung, sodaß ihr Verlauf ein umgekehrter
wird. Auch die letzten Verzweigungen der Nervatur verlaufen
unregelmäßig nach dem basalen wie apikalen Ende des Blattes zu.
Wenn die Spitze eines Blattes mit solcher Nervatur entfernt wird,
1) Voechting, H., 1. ec. S. 101.
9%
132 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
werden nicht nur die apikalen Enden der Nerven abgeschnitten,
sondern es geschieht auch das Umgekehrte, sodaß das basale Ende
‘ einer Ader sich an der Schnittfläche und das apikale sich weiter
in der Spreite drin befinden kann. Daß die Stromrichtung für
das Entstehen der Wurzeln ausschlaggebend ist, geht aus den Er-
eebnissen an allen wurzeltreibenden Blättern hervor. Beim eben
angeführten Fall war sie aller Wahrscheinlichkeit nach auch maß-
sebend, indem aus dem basalen Ende eines Nervs die Wurzel den
Ursprung genommen hat. Dabei konnte auch der Wundreiz mit-
gewirkt haben, was daraus hervorgeht, daß er nicht nur Ver-
anlassung zur Vernarbung, sondern auch zur Knöllchenbildung
geben Kann.
Ebenso wie für die Wurzelbildung ist die Stromrichtung für
die Knöllchenbildung leitend. Die Knöllchen entstehen immer an
der Basis der Stiele, und wenn diese abgeschnitten werden, an
der Basis der Lamina; erst später ergreift die Verdickung weitere
Teile des Stieles und der Lamina. Die Knöllchenbildung seht so-
sar der Wurzelbildung voraus, sodaß für die Weiterentwickelung
der Wurzeln schon ein genügsendes Material an Baustoffen vor-
handen ist.
Schon komplizierter und schwieriger ist die Erklärung für
die Blätter der Versuchsmethoden k, I und m. Auch bei diesen
Blättern entstanden anfangs nur an der Basis der Stiele Knöllchen
und Wurzeln. Daß die meisten auf dem «ehemmten Zustand
stehen geblieben sind, kommt hier nicht in Betracht, doch übte
dies einen ausschlaggebenden Einfluß auf das weitere Verhalten
der Blätter aus; denn bei denjenigen, deren Wurzeln Boden gefaßt
hatten, fand keine weitere Wurzelbildung an der Lamina statt.
Also war den hier in Betracht kommenden Blättern der Versuchs-
reihen k, | und m wegen zu geringer Feuchtigkeit die Möglichkeit
entzogen, die Wurzeln an den für sie prädisponierten Stellen zu
entfalten. Auch die Knöllchenbildung war an diesen Stellen durch
den Lichtzutritt gehemmt, obgleich sie normaler Weise an der
Basis der Stiele sich bilden sollte, da ja die Stromrichtung die
basipetale ist. Infolge der hemmenden Wirkung der Beleuchtung
auf die Knöllchenbildung und der für das Entfalten der Wurzeln
zu geringen Feuchtigkeit, wie andererseits durch die infolge Ver-
dunkelung bewirkte Förderung der Knöllchenbildung wurde die
Stromrichtung verändert. Daß sie sich verändert hat, geht daraus
hervor, daß die Knöllchenbildung an dem apikalen, in der Erde
befindlichen Teil vor der Wurzelbildung eintrat, also die Baustoffe
für die Verdicekungen nur aus dem basalen assimilierenden Teil
der Blätter herstammen konnten. Zuerst erfolgte die Knöllchen-
bildung bei den Versuchsreihen I und m direkt aus den Schnitt-
flächen hervor, und zwar eher als bei der Versuchsmethode k.
Dies ist wohl auf den Wundreiz zurückzuführen, welcher an diesen
Stellen eine schnellere und reichlichere Teilung der Zellen be-
wirkte. Daß er aber für die Knöllchenbildung nicht ausschlag-
sebend ist, zeigt die Versuchsmethode k, bei welcher sich der
Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete. 133
apikale Teil der Lamina bei Abwesenheit jeglicher Verletzung um
das Doppelte verdickt hat.
Das Entspringen der Wurzeln dieser Blätter aus dem apikalen
Teil der Lamina war eine direkte Folge der Veränderung der
Stromrichtung. Daß sie immer nur an dem basalen Teil der Ver-
diekungen inseriert waren, kann mithin dahin gedeutet werden,
daß die basalen Teile des Blattes für die Wurzelbildung die be-
vorzugten sind, was auch wohl damit im Zusammenhang steht,
daß bei den interkalar wachsenden Blättern gegen die Basis zu
immer jüngere Zonen liegen würden.
Ob die Erklärung des Ursprungs der Wurzeln aus dem ba-
salen Teil der Verdiekungen eine zutreffende ist, muß dahingestellt
bleiben. Daß aber die Stromrichtung maßgebend ist für die
Knöllchen- und Wurzelbildung, haben die angestellten Versuche
aufs neue dargetan.,
V. Zusammenfassung.
1. Sprosse treiben nur aus den Blattachseln der Knoten her-
vor; an Internodien, Blattstielen und Blattspreiten konnten solche
nicht erzielt werden. Für die Knöllchen- und Beiwurzelbildung
sind die Stengelknoten die prädisponierten Entstehungsorte. Bei
bestimmter Versuchsanstellung (nach Isolierung) treten diese Bil-
dungen auch an Internodien und Blättern auf.
2. Frei herabhängende Sprosse wachsen nur mit der Sproß-
spitze weiter; sie bilden normal an Knoten Stengelknöllchen und
Beiwurzeln. Die Beiwurzeln haben ein beschränktes Wachstum,
sie werden durchschnittlich nur 1 mm lang. Die Zahl der hervor-
gebrochenen Beiwurzeln entspricht der Größe der Knöllchen.
3. Bei auf Erde liegenden Sprossen bleiben die Beiwurzeln
nicht dauernd im Wachstum gehemmt, sondern wachsen weiter
und bilden kräftige auch verzweigte Wurzeln in der Erde. Es
treiben auch Achselknospen aus und zwar meistens aus den Knoten,
welche in die Erde gewachsene Beiwurzeln besitzen. Die Seiten-
sprosse wachsen kräftig weiter.
4. In Leitungswasser kultivierte Sprosse zeigen reichliche
Knöllchen- und Beiwurzelbildung, die Zahl der ausgetriebenen
Achselknospen ist eine große; also werden die Sprosse durch
Nahrungsmangel zu Neubildungen angerest. Rohrzucker und
Glycerin üben einen begünstigenden Einfluß auf die Knöllchen-
und Beiwurzelbildung aus, dagegen wirken sie auf das Austreiben
der Achselknospen hemmend. Ceropegea Woodii ist befähigt, mit
Rohrzucker als einziger Nahrung Neubildungen zu erzeugen und
wenigstens eine Zeit lang zu existieren; mit Glycerin nicht. Mit
nur anorganischer Nahrung, ohne Assimilation, war das Weiter-
bestehen der Sprosse unmöglich.
5. Das Nichtaustreiben der Achselknospen ist auf unzureichende
Zufuhr von Baustoffen und Wasser zurückzuführen. Infolge
Hemmung des Wachstums der Sproßspitze werden die Achsel-
134 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
knospen der jüngeren Knoten zum Austreiben gebracht; wenn diese
an der Entwickelung gehindert sind, werden neue erzeugt. Infolge
Hemmung des Wachstums der Sproßspitze und des Austreibens
der Achselknospen werden die Grundknollen zum Austreiben neuer
Sprosse veranlaßt. Lichtabschluß ist auf das Austreiben der
Achselknospen ohne Einfluß, auf das Weiterwachsen der Sprosse
wirkt es hemmend. Durch die reichliche Wasser- und Nährstoff-
aufnahme begünstigen die Beiwurzeln, welche in die Erde gewachsen
sind, das Austreiben der Achselknospen. Die Wachstumshemmung
an den Veeetationsspitzen übt eine größere Wirkung auf das Aus-
treiben der Achselknospen aus, als es die in die Erde gewachsenen
Beiwurzeln tun (Wasser- und Nährstoffaufnahme). Infolge des
Abschneidens der Blätter werden die Sprosse bestrebt, diese durch
Austreiben von Achselknospen zu ersetzen.
6. Die Entwickelungshemmung der Beiwurzeln ist auf geringe
Feuchtigkeit zurückzuführen. Jene Hemmung bewirkt als aus-
lösender Reiz die Erzeugung weiterer Beiwurzeln. Für das Weiter-
wachsen der Beiwurzeln ist genügende Feuchtigkeit notwendig;
Lichtabschluß wirkt nicht fördernd.. Das Auswachsen der Bei-
wurzeln verringert das Hervorbrechen weiterer Beiwurzeln.
7. Die Wachstumshemmung der Vegetationsspitzen begünstigt
die Knöllchenbildung; die Begünstigung ist noch größer, wenn so-
wohl die Vegetationsspitzen in ihrer Entwicklung gehemmt werden
als auch das Austreiben der Achselknospen verhindert wird. Die
Knöllchenbildung wird durch Lichtabschluß beeünstigt, sogar ver-
anlaßt.
8. Die .Stromrichtung ist maßgebend für die Entstehung der
Knöllchen und Wurzeln bei Blättern.
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Erklärung der Tafeln.
Taf. IX. Fig. 1. Verzweigter Sproß einer Kultur in Leitungswasser nach 161 Tagen
Versuchsdauer photographiert. An zwei Internodien sind aus dem api-
kalen Ende Beiwurzeln hervorgebrochen. Diese Figur zeigt auch die
Versuchsanstellung der Fläschchenkulturen. Vergr. !/ı.
„ Fig. 2. Basales Stück eines unbeblätterten Sprosses einer Kultur in
Leitungswasser. Beiwurzel- und Knöllchenbildung am Internodium,
welches mit Watte umwickelt war. Vergr. !/ı.
„ Fig. 3. Basales Stück eines unbeblätterten Sprosses einer Kultur in
Zuckerwasser. Beiwurzel- und Knöllchenbildung am Internodium,
welches mit Watte umwickelt war. Vergr. !ı.
„ Fig. 4. Isoliertes Internodium. Knöllchen- und Beiwurzelbildung an
der Schnittfläche. Vergr. !/..
„ fig. 5. Isoliertes Knöllchen mit Blättern. Reichliche Beiwurzelbildung
und ausgetriebene Achselknospe. Vergr. !/..
„ Fig. 6. Blatt mit Knöllchen- und Beiwurzelbildung am basalen Ende
des Stieles. Vergr. !/ı.
2.
Länge des Stieles. Vergr. !/ı.
ig, Blatt mit Knöllchen- und Beiwurzelbildung an der ganzen
„ Fig. 8. Blattspreite mit Knöllchen- und Beiwurzelbildung am basalen
Ende. Vergr. !ı.
»„ Fig. 9. Blatt, bei welchem das apikale Ende der Spreite abgeschnitten
ist, Vergr. !ı.
„ Fig. 10 u. 11. Blätter, bei welchen das apıkale Ende der Spreite ab-
geschnitten ist. Knöllchenverdiekungen an der Schnittfläche. Vergr. !/ı.
„ Fig. 12 u. 13. Blätter, bei welchen das apikale Ende der Spreite
durchschnitten ist. Knöllchenverdickungen an der Schnittfläche. Vergr.!/ı.
136 Glabisz, Morphologische und physiologische Untersuchungen ete.
Taf. X. Fig. 1. Sproß einer Kultur in Leitungswasser, nach 92 Tagen Ver-
suchsdauer photographiert; entspricht der Tabelle No. 12. Apikaler
Teil des Sprosses verdunkelt. Gesamtzahl der im Hellen ausgebrochenen
Beiwurzeln (auf 5 Knoten berechnet) 16,2; der im Dunkeln 48,7. Ge-
samtinhalt der im Hellen verdickten Knoten (auf 5 Knoten berechnet)
10 cbmm; der im Dunkeln 2286,7 cbmm. Etiolierter Seitensproß aus
einem apikalen Knoten. Vergr. ?/,.
Sproß 2, 3, 4 und5, Kulturen am Licht entnommen, nach 98 Tagen Ver-
suchsdauer photographiert, gehören derselben Versuchsreihe an, ent-
sprechen der Tabelle No. 6. Reihenfolge der Sprosse nach der Intensität
der Knöllchen- und Beiwurzelbildung. Berechnungen auf 10 Knoten:
Fig. 2. Sproß einer Kultur in Leitungswasser. Hervorgebrochene
Beiwurzeln 47,3; Gesamtinhalt der verdickten Knoten 843,5 cbmm.
Vergr. ?],.
Fig. 3. Sproß einer Kultur in !/, %/, Zuckerwasser. Hervorgebrochene
Beiwurzeln 39; Gesamtinhalt der verdickten Knoten 638,9 cebmm.
Vergr. 2);.
Fig. 4. Sproß einer Kultur in 1!/, °/, Zuckerwasser. Hervorgebrochene
Beiwurzeln 32; Gesamtinhalt der verdickten Knoten 423,8 cbmm. Am
basalen Knoten in Zuckerwasser entwickelte Beiwurzeln. Vergr. ?];.
Fig. 5. Sproß einer Kultur in Knop’scher Nährlösung. Hervor-
gebrochene Beiwurzeln 30; Gesamtinhalt der verdickten Knoten 216,6
cbmm. Am basalen Knoten in Knop’'scher Nährlösung hervorge-
brochene Beiwurzeln nicht weiter entwickelt. Vergr. 2/z.
Beihefte zum Botanischen Centralblatt Bd. XXIII. Abt. 1. Tafel IX.
J. Glabisz. Verlag von C. Heinrich, Dresden-N.
Beihefte zum Botanischen Centralblatt Bd. XXIII. Abt. I.
J. Glabisz. Verlag von C. Heinrich, Dresden-N,
=
I
e
f
v
zum Botanischen Centralblatt
are.
Beihefte
Ba. XXIII. Abt. I.
J. Glabisz.
Tafel XI.
Biol:
Ceropegia Woodii
Schlechter.
Habitusbild.
Vergr. 1/10.
Verlag von C. Fleinrich,
Dresden-N.
137
Über die Karyokinese bei Oedogonium.
Sechster Beitrag zur Kenntnis der Karyokinese.
Von
C. van Wisselingh.
Mit Tafel XII.
Während die Zellteilung bei Oedogonium besonders die Auf-
merksamkeit der Botaniker erregt hat, ist der Prozeß, der mit
derselben zusammengeht, die Kernteilung, nur wenig studiert worden.
In dieser Hinsicht bildet Oedogonvium einen Kontrast mit Spirogyra,
bei der die Kernteilung von mehreren Untersuchern in Einzelheiten
beschrieben worden ist. Die Ursache davon ist, daß bei den
dickeren Arten der Gattung Sperogyra die Kerne ziemlich groß
sind und oft leicht beobachtet werden können. Bei den dicksten
Oedogonium-Arten sind dieKerne gewöhnlich bedeutend kleiner als bei
den dicksten Spzrogyren; überdies sind sieverborgen hinter den dunkel-
grünen, wandständigen Chromatophoren, wodurch die Untersuchung
sehr erschwert wird. Die Einzelheiten, welche die Kernteilung
darbietet, sind beim lebenden Objekt ganz der Beobachtung ent-
zogen. In der Literatur habe ich denn auch wenig über die Kern-
teilung bei Oedogonium gefunden. Die wichtigsten Veröffent-
lichungen sind von Strasburger und Klebahn.
Historisches.
Strasburger!) beschreibt die Kernteilung bei Oedogontum
lumidulum Kg. und deutet dabei wiederholt auf die Übereinstimmung
mit der Kernteilung der höheren Pflanzen. Er erwähnt die Bil-
dung der Chromosomen (Fasern) durch Zusammenschmelzung der
in dem Kern anwesenden Körner, das Verschwinden des Kern-
körperchens, die Gestalt der Kernspindel und das Auseinander-
weichen der Kernspindelhälften. Zwischen den beiden Kernanlagen
sah Strasburger eine feinkörnige Substanz. Die Tochterkerne
!) Zellbildung und Zellteilung. 1880, S. 190 ff.
138 van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogomium.
bilden sich nach Strasburger auf die folgende Weise: Die
Stäbchen (Chromosomen) in den beiden Kernanlaeen verschmelzen
zunächst an ihren polaren und dann an ihren äquatorialen Enden.
Die Tochterkerne runden sich jetzt ab und wachsen auf Kosten
des zwischen ihnen angesammelten feinkörnigen Protoplasmas, das
sie nach Strasburger verschlucken. Indessen nähern die Kerne
sich wieder. Die Stäbchen zerfallen in aneinander sereihte Körner
und in jedem Tochterkern wird ein Kernkörperchen sichtbar. Nach
Anlage der Zellplatte gehen die Tochterkerne aufs Neue auseinander.
Klebahn!) erwähnt die Übereinstimmung zwischen der Kern-
teilung bei Oedogonium Boscii und der der höheren Pflanzen. Er
deutet aber auch auf eine wichtige Verschiedenheit hin. Er hat
nämlich keine entwickelte Spindelfasern beobachten können.
Methode.
Durch Anwendung einer Untersuchungsmethode, mit welcher
ich schon bei Spirogyra, Fritillaria und Leucojum gute Resultate
erhielt?), habe ich versucht, auch unsere Kenntnis der Kernteilung
bei Oedogonium zu erweitern. Für diese Untersuchung gebrauchte
ich eine dicke Oedogonium-Art, die diekste, welche ich in der Um-
sebung Steenwyks finden konnte. Bei der Untersuchung zeigte
es sich, daß dieselbe Oedogomium ceyathigerum Wittr. wars).
Die für die Untersuchung bestimmten Pflänzchen wurden mit
Hilfe des Flemming’schen Gemisches fixiert, und wenn sie in
demselben einige Tage verweilt hatten, wurden sie mit Chromsäure
behandelt, die ich gewöhnlich in einer zwanzieprozentigen Lösung
anwendete.e Durch die Einwirkung des Flemmine’schen Ge-
misches erleiden das Kerngerüst, der Zellwandring und der äußere
Zellwandteil derartige Abänderungen, daß ihre Widerstandsfähigkeit
Uhromsäure gegenüber bedeutend größer geworden ist. Die oben-
genannten Teile bleiben zurück, wenn der Zellinhalt und die Zell-
wand im Übrigen ganz gelöst sind. Dann lösen sich die dünnen
Teile des Kerngerüstes und demzufolge fällt dasselbe auseinander.
Während der Einwirkung der Chromsäure wird selbstverständlich
genau beobachtet. Es versteht sich, daß die Kerne «ewöhnlich
nicht in den äußeren, meist zylinderförmigen Membranteilen bleiben.
Neben diesen Membranteilen und den Zellwandringen schwimmen
sie in der Chromsäurelösung. Bei der Anwendung einer zwanzig-
prozentigen Chromsäurelösung schreitet der Lösungsprozeß sehr
langsam fort, so daß es viele Stunden, und bisweilen länger als
einen halben Tag dauert, bis die Beobachtungen beendet sind. Bei
!) Studien über Zygoten. II. Die Befruchtung von Oedogonrum Boseit.
(Jahrb. f. wiss. Botanik. Bd. XXIV. 1892. S. 235.)
2) Über den Nukleolus von Spirogyra. (Bot. Zeitung. 1898. S. 195.)
:ber das Kerngerüst. (Bot. Zeitung. 1899. S. 155.) Über Kernteilung bei
Spirogyra. (Flora. 1900. S. 355.) Untersuchungen über Spirogyra. (Bot.
Zeitung. 1902. S. 122.) Über abnormale Kernteilung. (Bot. Zeitung. 1903.
S. 201.)
3) van Wisselingh, C., Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium.
(Beihefte zum Bot. Centralbl. Bd. XXIII. Abt. I. Heft 3. S 162.)
van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogontum. 139
der Anwendung einer stärkeren Chromsäurelösung, z. B. einer vierzig-
oder fünfzieprozentigen, wie ich sie früher benutzte, findet zwar eine
schnellere Auflösung statt, aber es entsteht dann zu viel Bewegung
in der Flüssiekeit. Die starke Aufschwellung des inneren Membran-
teils verursacht, daß die Zellen sich jedesmal verschieben, was
oft sehr hinderlich ist. Bisweilen wandte ich Brillantblau entra
erünlich an, um die Kerne, nachdem ich die Ohromsäure mit Wasser
ausgewaschen hatte, zu färben.
Der ruhende Kern.
Bei Oedogonium cyathigerum befindet sich der Kern im wand-
ständieen Protoplasma in ungefähr gleicher Entfernung von den beiden
Querwänden. Derselbe hat eine mehr oder weniger kugelförmige
Gestalt. An der Seite der Zellmembran ist er etwas abgeplattet.
Wenn die abgeplattete Seite dem Beobachter zugekehrt ist oder
von ihm abgewendet ist, so erscheint der Kern fast kreisförmig.
Der Kern ist scharf begrenzt, eine Erscheinung, die, wie bei an-
deren Kernen, aller Wahrscheinlichkeit nach auch hier mit der
Anwesenheit einer Kernmembran zusammenhängt. Das Kerngerüst
ist dem anderer Kerne ähnlich. Es erscheint aus Körnern zu-
sammengesetzt, welche durch feine Fädchen miteinander verbunden
sind. Wenn .man bei dem mit dem Flemming’schen Gemisch
fixierten Material mittelst Chromsäure das Kerngerüst isoliert hat,
so kann man bei weiterer Einwirkung beobachten, daß es allmäh-
lich auseinanderfällt, weil die feinen Verbindungen selöst werden.
Man erhält dann aber nicht sogleich eine Menge lose Körner;
während der Einwirkung der Chromsäure kann man sehen, daß
auch dünne Fädchen frei werden, welche feinen Perlschnüren
ähnlich sind.
Mehr oder weniger in der Mitte des Kernes befindet sich
der Nukleolus.. Ich untersuchte, ob dieser Ähnlichkeit mit dem
Nukleolus von Spirogyra hätte, oder ob er mit den Nukleolen der
höheren Pflanzen übereinstimmte. Es zeigte sich, daß Letzteres
der Fall war. Nie gelang es mir, mit Hilfe von Chromsäure Fäden,
wie bei Spirogyra, oder etwas Besonderes aus dem Nukleolus zu
isolieren. Er löste sich immer in der ÖÜhromsäure auf, ohne etwas
zurückzulassen. Der Chromsäure leistet er weniger Widerstand
als das Kerngerüst, aus dem er während der Einwirkung allmäh-
lich verschwindet.
Die Karyokinese.
Während in dem oberen Ende einer Zelle sich ein Zellwand-
ring oder ein mit demselben identischer, napfförmiger Zellwandteil
bildet, erleidet der Kern Abänderungen, die auf eine künftige
Teilung hinweisen. Die Körner im Kerngerüst sind größer als bei
dem ruhenden Kern; während der Einwirkung der Uhromsäure
zerfällt esin Körner, Klümpchen und Fädchen, welche Perlschnüren
ähnlich sind. Letztere sind deutlicher als bei dem ruhenden Kern.
Der Nukleolus wird kleiner und verschwindet zuletzt ganz, während
140 van Wisselin eh, Über die Karyokinese bei Oedogonum.
der Kern auch seine scharfe Begrenzung verliert, was, wie bei
anderen Pflanzen, wohl mit einer Auflösung der - Kernmembran
zusammenhängt. Dies sind die ersten Modifikationen, welche der
Kern zeigt.
In folgenden Entwickelungsstadien sind die perlschnurförmigen
Fäden, welche mehrere Windungen zeigen, kompakter. Allmählich
verschwindet die Ähnlichkeit mit Perlschnüren. Sie bekommen
eine gleichmäßige Dicke. Einige zeigen noch eine einzelne dünne
Stelle, eine Erscheinung, die ich auch bei Frztillarıa!) beobachtet
habe. Später sind alle dünnen Teile verschwunden. Indessen haben
sich die meisten feinen Verbindungen zwischen den verschiedenen
Fäden gelöst. Die Fäden werden später noch kürzer, während
sich die Zahl der Windungen vermindert. Aus dem Kerngerüst ent-
stehen also eine Anzahl Kernfäden oder Chromosomen. Dieselben
gruppieren sich auf eine besondere Weise. Im Polfeld2) kommen
sie zusammen. Es befindet sich in der Mitte der der Zellmembran
zugekehrten Seite. Figurl stellt einen Kern vor, der das Polfeld
zeigt. Die Begrenzung ist bei demselben nicht so deutlich wie
bei dem ruhenden Kern, während seine Form platt und länglich
ist. Die feinen Verbindungen zwischen den Chromosomen sind in
der Ohromsäurelösung nicht wahrnehmbar und demgemäß sind sie
in der Figur nicht gezeichnet worden. Die Kernfäden bleiben im
Polfeld miteinander verbunden. Der gegenseitige Verband wird
an dieser Stelle sogar noch fester, während alle übrigen Ver-
bindungen zwischen den Kernfäden aufgehoben werden. Ihre
freien Enden weichen in verschiedener Richtung auseinander. Die
Kernplatte ist dann gebildet. Figur 2 stellt eine in Chromsäure-
lösung schwimmende Kernplatte vor.
Wie bei Sperogyra, Fritillaria und Leucojum:) kann man
auch bei Vedogomium mittelst Chromsäure nachweisen, daß zwischen
den Chromosomen feine Verbindungen vorhanden sind. Wenn das
Oytoplasma und die Zellwand mit Ausnahme des äußeren Teils auf-
gelöst sind, so schwimmen die Kernfiguren in der Chromsäurelösung
frei umher. Bei den Kernplatten bleiben die Chromosomen lange
miteinander verbunden. Allmählich werden die feinen Verbindungen
gelöst und die Chromosomen werden nacheinander frei. Zuletzt
sind alle feinen Verbindungen gelöst und alle Chromosomen gehen
auseinander (Fig. 4), vorausgesetzt, daß sie sich nicht ineinander
verwickelt haben, was ihrer Windungen wegen leicht geschehen
kann. Allmählich werden ihre Umrisse undeutlich und zuletzt sind
sie auch aufgelöst.
Wenn die Chromosomen frei werden, so kann man leicht
ihre Länge und ihre Form studieren, aber sehr schwer ist es, ihre
Anzahl festzustellen. In einem folgenden Abschnitt werde ich be-
schreiben auf welche Weise mir das gelungen ist. Jetzt erwähne
1) Über das Kerngerüst. Fig. 3.
2) Rabl, Über Kernteilung. (Morpholog. Jahrb. Bd. X. 1885. S. 226,
281 u. 322.)
3) Über den Nukleolus von Spirogyra. S. 209. Über das Kerngerüst
S. 163 u. 168.
van Wisselinsh, Über die Karyokinese bei Oedogonium. 141
ich nur, daß ihre Anzahl 19 ist. Die Länge der Chromosomen
ist sehr verschieden. Man beobachtet sehr lange, mittelmäßig
lange und kurze. Die längsten können selbst sechsmal länger sein
als die kürzesten. Bisweilen konnte ich feststellen, daß eines der
19 Chromosomen bedeutend länger war als die übrigen; es gibt
aber auch Kernplatten, bei denen ich diese Erscheinung nicht
beobachten konnte. Die Chromosomen haben eine sehr verschiedene
Form. Man findet I-, J-, L-, S-, U- und V-förmige Chromosomen,
während auch noch verschiedene andere Formen vorkommen können.
Die längeren sind oft U- oder V-förmig und haben dann gewöhnlich
zwei gleich lange Schenkel; sie können aber auch eine ganz andere
Gestalt haben. Die Befestigungsstelle ist bei den Chromosomen
verschieden. Bei den längeren befindet diese sich ungefähr in der
Mitte, bei den kürzeren befindet sie sich an dem einen Ende oder
sie nähert sich mehr oder weniger demselben. Wo die Chromosomen
aneinander befestigt sind, sind sie gewöhnlich umgebogen; ganz
gerade kommen wenig vor.
Die Kernplatte teilt sich in zwei gleiche Kernplattenhälften.
Die Chromosomen erleiden dabei eine Längsspaltung und ihre
Hälften weichen auseinander. Dieses findet im Alleemeinen auf
eine derartige Weise statt, daß die Enden der halbierten Chromo-
somen am längsten miteinander verbunden bleiben. Zuletzt haben
die Hälften aller Chromosomen sich von einander losgelöst. Aus
den 19 Chromosomen sind dann zwei Gruppen, jede von 19 halben
Chromosomen, entstanden. Die Kernplatte hat sich geteilt in zwei
Kernplattenhälften. Bei den Kernplattenhälften sind die Ohromo-
somen an der den Polen der Kernfigur zugekehrten Seite durch
feine Verbindungen miteinander verbunden. Während der Spaltung
der Chromosomen und des Auseinanderweichens der Kernplatten-
hälften ist dieser gegenseitige Verband beibehalten geblieben. Die
freien Enden der Ohromosomen der beiden Kernplattenhälften sind
einander, zugekehrt. Wenn man die Kernfigsuren mit Chromsäure-
lösung behandelt, so kann man sich von den obenerwähnten Einzel-
heiten überzeugen. Die Kernplattenhälften fallen allmählich aus-
einander, der Auflösung der obengenannten feinen Verbindungen
zufolge. Die halbierten Chromosomen kann man dann beobachten
entweder ganz frei oder paarweise verbunden, wenn die Hälften
der Chromosomen an ihren Enden noch zusammenhängen.
Figur 8 stellt die Chromosomen einer in Teilung begriffenen
Kernplatte vor. Mittelst Chromsäure sind sie isoliert worden. Die
Hälften der längsten Chromosomen sind an beiden Enden noch
miteinander verbunden; die Hälften der Ühromosomen mittelmäßiger
Länge hängen noch an einem Ende zusammen, während die Hälften
der kürzesten Chromosomen ganz frei umherschwimmen. Aus
diesen und derartigen Beobachtungen schließe ich, daß die Trennung
der Hälften anfängt, wo die Chromosomen miteinander verbunden sind,
und daß bei den kürzesten und den mittelmäßig langen Ohromosomen
die Hälften an dem freien Ende am längsten miteinander verbunden
bleiben, während bei den längsten die Verbindung an beiden Enden
ungefähr gleichzeitig aufgehoben wird. Bei den kürzesten ist die
142 van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonium.
Trennung zuerst vollzogen. Auch folgt aus den Beobachtungen,
daß die feinen Verbindungen zwischen den Chromosomen bei der
in Teilung begriffenen Kernplatte mittelst Chromsäure leichter ge-
löst werden, als die Verbindungen zwischen den noch zusammen-
hängenden Chromosomenhälften.
In Bezug auf die Übereinstimmung der Karyokinese bei
Oedogonium mit der bei höheren Pflanzen ist die Lösung der Frage,
ob auch bei Oedogomium eine Kernspindel vorkommt, von großer
Bedeutung. Wenn auf die Frage eine verneinende Antwort ge-
geben werden muß, wie Klebahn gemeint hat, so würde die
Karyokinese bei Oedogonium mit der der höheren Pflanzen nebst
Punkten von Übereinstimmung auch eine große Verschiedenheit dar-
bieten. Ich habe deshalb genau auf die Anwesenheit einer Kern-
spindel Acht gegeben, und in der Tat ist es mir gelungen, diese in
verschiedenen Entwicklungsstadien sehr deutlich zu beobachten.
Die Kernspindel bei Oedogomium ist der von Spirogyra und höherer
Pflanzen ähnlich, aber die Spindelfasern sind viel feiner, sodaß es
sehr begreiflich ist, daß andere Beobachter, die bei Oedogonium
die Karyokinese nur beim lebendigen Objekt oder nach einer anderen
als der von mir befolgten Methode studierten, dieselbe nicht haben
unterscheiden können.
Wenn die Kernplattenhälften auseinander gewichen sind, so
zeigt es sich, daß sie noch durch feine Spindelfasern verbunden
sind, welche man auf die folgende Weise nachweisen kann: Mittelst
einer 20 prozentigen Chromsäurelösung isoliert man die Kernfigur
durch Auflösung der inneren Zellwand und des Cytoplasmas. Be-
merkenswert ist es, daß die beiden umherschwimmenden Kern-
plattenhälften einander gegenüber genau dieselbe Stellung behalten.
Das kommt dadurch, daß die Kernspindel der Einwirkung der
COhromsäure etwas länger Widerstand leistet als das übrige Cyto-
plasma. Zuletzt werden die Spindelfasern aufgelöst. Die Kern-
plattenhälften sind dann nicht mehr genau einander gegrenüber
gestellt; sie trennen sich und schwimmen jede für sich in der
Chromsäurelösung umher, bis sie der Auflösung der feinen Ver-
bindungen zwischen den Chromosomen zufolge auseinander fallen.
Die feinen Spindelfasern sind in der Chromsäurelösnng schwer zu
unterscheiden, aber wenn man die Chromsäure mit Wasser vor-
sichtig wegwäscht, so kann man die Spindel sehr deutlich wahr-
nehmen. Man sieht dann eine Anzahl feiner, fadenartiger, bogen-
förmiger Verbindungen zwischen den beiden Chromosomenbündeln
(Fig. 3). Am Rande der Kernfigur kann man bisweilen wahr-
nehmen, daß die Verbindungen den Chromosomen entlang nach den
Polen der Kernfigur laufen. Wenn die Chromsäure etwas lange
eingewirkt hat, so beobachtet man zwischen den beiden Kern-
plattenhälften nur Reste der Kernspindel, welche einer körnigen
Substanz ähnlich sind. Wenn die Kernplattenhälften sich schon
bedeutend modifiziert haben und kleinen Kernen ähnlich sind, ge-
lingt es noch auf die obenerwähnte Weise, die mehr oder weniger
zurückgegangene Spindel nachzuweisen (Fig. 5). Dieselbe zeigt
dann einige Ähnlichkeit mit einer körnigen Substanz. Später
van Wisselinsh, Über die Karyokinese bei Oedogonium. 143
konnte ich sie nicht mehr wahrnehmen. Ich nehme an, daß sie
im Cytoplasma aufeelöst oder verteilt wird.
Die Tochterkerne, die an den Polen der Kernfigur sich schon
in bedeutender Entfernung voneinander befinden, kommen später
wieder sehr nahe aneinander und nehmen dann „enau einander
gegenüber eine Stelle an beiden Seiten der neuen Querwand, welche
indessen gebildet ist, ein. Figur 7 stellt die beiden Tochter-
kerne vor, während dieselben sich in der Chromsäurelösung befinden.
Das umringende Oytoplasma hat sich aufgelöst, aber die dünne
Querwand noch nicht. Dieselbe breitet sich anfanes nur durch
den mittleren Teil des Protoplasten aus. Später breitet sie sich
bis an die Längswand aus, wobei das wandständige Chromatophor
durchschnitten wird). Der Protoplast ist dann in zwei Teile geteilt,
aber die Querwand ist dann noch nicht an der Läneswand be-
festigt. Sie bildet eine dünne, lose Platte in der Zelle. Die
Tochterkerne entfernen sich später wieder von der Zellplatte und
nehmen jeder ungefähr in der Mitte des entsprechenden Protoplasten
eine Stelle ein. Sie befinden sich immer in dem wandständigen
Protoplasma. °
Über die Entwicklung der Kernplattenhälften zu Tochterkernen
bemerke ich Folgendes: Die Chromosomen ziehen sich zusammen.
Ihre freien Enden kommen an der vom Pole abgewendeten Seite
zusammen und treten miteinander in Verbindung. Die Chromosomen
werden an vielen Stellen dünner und demzufolge perlschnur-
förmig. Diese perlschnurförmigen Fäden bilden Bogen, welche
sich von der nach dem Pol zugekehrten Seite zu der gegenüber-
gestellten Seite ausbreiten. Zusammen bilden sie dann eine platte,
mehr oder weniger kreisföürmige oder etwas längliche Figur. Figur
‚6 stellt die beiden T'ochterkerne in dem oben geschilderten Zustande
vor, während dieselben sich in der Chromsäurelösung befinden.
Die Tochterkerne erhalten eine scharfe Begrenzung, was wohl mit
der Bildung einer Kernmembran zusammenhängt. Die Chromosomen
teilen sich in Körner, welche durch feine Fädchen verbunden
bleiben, während zwischen den verschiedenen Chromosomen auch
feine Verbindungen entstehen. In den Kernen erscheinen Nukleolen
(Fig. 7). Anfangs befinden sich diese an der der Zellplatte zu-
gekehrten Seite. Sie vereinigen sich zu einem Nukleolus, der un-
eefähr in der Mitte des Kernes eine Stelle bekommt. Die Tochter-
kerne, welche anfangs gewöhnlich etwas länglich sind, wachsen,
und werden allmählich mehr oder weniger kugelförmig.
Die Karyokinese ist jetzt beendet, aber die Zellteilung noch
nicht. Die alte Zellwand spaltet sich um den Zellwandring oder
um den dicken Rand des Näpfchens. Der Ring oder das Näpfchen
streckt sich und bildet ein neues Membranstück. Demzufolge findet
im Zellinhalt eine Versetzung statt und wird die lose Querwand
nach oben geschoben. Wenn diese im unteren Ende des neuen
Membranstückes angelangt ist, so hat sie die Stelle ihrer Be-
) van Wisselingh 0., Über den Ring u, die Zellwand bei Oedogonium,
76:82 1,1,)
144 van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonium.
stimmung erreicht. An beiden Seiten wird sie bald von dem
zellulosereichen inneren Membranteil bedeckt!).
Über die Bestimmung der Chromosomenzahl.
In dem vorigen Abschnitt habe ich mitgeteilt, daß es bei
Oedogonium eyathigerum sehr schwer ist, die Zahl der Chromosomen
zu bestimmen. Weil die von mir angewendete Methode zur Be-
stimmung der Chromosomenzahl neu ist, dieselbe ungemein viel
Geduld erfordert, und ich gegen meine Erwartung eine ungerade
Zahl, nämlich neunzehn, fand, so werde ich hier in Einzelheiten
mitteilen, auf welche Weise ich zu diesem Resultat gekommen
bin. Beim Studium der Kernplatten zeigte es sich, daß es durch-
aus unmöglich ist, die Zahl der Chromosomen zu bestimmen, so
lange sie miteinander verbunden sind. Das Zählen der freien
Enden, vorausgesetzt, daß solches ausführbar wäre, würde zu ganz
unrichtigen Schlüssen führen, da einige Chromosomen an einem
Ende festsitzen, während andere in der Mitte festsitzen und deshalb
zwei freie Enden haben. Sogar zeigte es sich beim Auseinander-
fallen der Kernplatten in freie Chromosomen und Häufchen zu-
sammenhängender Chromosomen, durch Einwirkung verdünnter
Chromsäure, daß es nicht möglich ist, bei den Häufchen,
auch wenn sie nur aus drei bis fünf Chromosomen bestehen, mit
Gewißheit die Zahl zu bestimmen. Die Chromosomen sind von
verschiedener Länge und verschieden gebogen, während sie auf
allerlei Weise übereinander liegen können. Dadurch ist es sehr
schwer, ihre Zahl festzustellen. Ich habe es mir darum bei der
Bestimmung ihrer Zahl zur Aufgabe gemacht, sie alle durch Ein-
wirkung verdünnter Chromsäure zu isolieren und jedes für sich
wahrzunehmen. Jedes Chromosom wurde gezeichnet und wenn der
Versuch beendet und gelungen war, wurden sie mit Hilfe der
Zeichnung gezählt. Die Methode ist sehr einfach, aber bei ihrer
Anwendung erfährt man allerlei Schwierigkeiten, wie sich unten
zeigen wird. Wenn man mit Hilfe verdünnter Chromsäurelösung
den inneren Teil der Zellwand und das Oytoplasma vorsichtig auf-
gelöst hat, so kann man beobachten, daß viele Kerne noch in den
zylinderförmigen äußeren Membranteilen sitzen und andere sich,
außerhalb derselben befinden. Wenn eine Kernplatte, deren Chro-
mosomenzahl man bestimmen will, außerhalb des Restes der Zell-
wand liegt, so beobachtet man genau, ob nach einiger Zeit Chro-
mosomen frei werden; einige Chromosomen werden bald losgelöst,
während andere viel fester verbunden sind. Bisweilen gehen die
Chromosomen wie von selbst allmählich auseinander, aber gewöhn-
lich bleiben einige übereinanderliesen und man muß dann ver-
suchen, durch eine geringe Bewegung in der Chromsäurelösung
eine Trennung zu vollführen. Ich versuchte solches, indem ich
mit Filtrierpapier eine Spur der Flüssigkeit unter dem Deckgläschen
wegsog oder mit Hilfe einer Nadel eine Spur Wasser hinzufüste
1) van Wisselingh, C., Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium.
(L&S. 170)
van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonium. 145
oder auf das Objektglas tickte, oder mit einer Nadel sehr sanft
das Deckgläschen berührte. Alle diese Manipulationen müssen mit
der größten Vorsicht und unter fortwährender genauer Beobachtung
ausgeführt werden. Eine Bewegung, durch welche einige Chro-
mosomen wegschwimmen, ohne daß man hat feststellen können,
wieviel es sind, verursacht, daß der Versuch mißlingt. Auch wenn
einige Chromosomen ineinander verwickelt bleiben und nicht zu
trennen sind, gelingt es nicht, ihre Zahl festzustellen. Man muß
darauf acht geben, daß unter dem Deckgläschen sich nicht mehr
als eine Kernplatte befindet, um zu verhindern, daß zwischen ihre
Chromosomen Chromosomen anderer Kernplatten geraten, was leicht
eine -Verwechslung veranlassen würde.
Wenn die Kernplatte in dem äußeren Membranteil sitzen ge-
blieben ist, versuchte ich oft, auf eine andere Weise die Ohromo-
somenzahl zu bestimmen. Ich versuchte, indem ich mit Hilfe von
Filtrierpapier eine sehr geringe Strömung in der Flüssigkeit
zuwege brachte, die freiwerdenden Chromosomen hintereinander
aus dem äußeren Membranteil schwimmen zu lassen. Indessen
wurden sie gezeichnet und nach Beendigung des Versuches gezählt.
Bei dieser Art zu experimentieren können sich natürlich dieselben
Schwierigkeiten darbieten, wie bei der ersterwähnten. Die Versuche
dauern sehr lange; man muß jedoch keine stärkere Chromsäurelösung
anwenden als eine zwanzigeprozentige; besser ist es, eine noch ver-
dünntere Lösung zu benutzen; die Versuche dauern dann Zwar
länger, aber die Aussicht, ein gewisses Resultat zu erhalten, ist
größer.
Nachdem ich auf die oben beschriebene Weise eine Anzahl
Versuche angestellt hatte, war es mir achtmal bei einer Kernplatte
gelungen, alle Öhromosomen für sich zu beobachten und zu zeichnen.
In diesen acht Fällen deutete die Zeichnung neunzehn Chromosomen
an (Fig. 4). Bei den Kernplattenhälften habe ich auch versucht,
die Chromosomenzahl zu bestimmen. Weil die Zahl, nämlich der
beiden Kernplattenhälften zusammen, dann das Doppelte, also 38 ist,
so ist es viel schwerer, ein sicheres Resultat zu erhalten. Noch weniger
gelingt es, vor der Bildung der Kernplatte die Chromosomen zu
zählen. Sie sind dann länger und dünner als bei der Kernplatte
und zeigen auch mehr Windungen, sodaß es nicht gelingt, sie zu
trennen. Dagegen glückte es mir bei einer teilenden Kernplatte,
die Chromosomenzahl festzustellen. Ich zählte zehn Chromosomen-
hälften, unter denen sehr lange waren, welche paarweise an den
beiden E nden miteinander verbunden waren, sechzehn, die paarweise
an einem Ende zusammenhingen, und zwölf, srößtenteils kleinere, die
ganz frei waren, im ganzen also 38 Chromosomenhälften (Fig. 8).
Kritisches und Resultate.
In Übereinstimmung mit den Ansichten von Strasburger
und Klebahn habe auch ich gefunden, daß die Karyokinese bei
Oedogonium der der höheren Pflanzen sehr ähnlich ist. Die Ähn-
lichkeit ist sogar noch srößer, als Klebahn sich vorstellte. Von
: 10
Beihefte Bot, Centralbl, Bd, XXIII. Abt. I, Heft 2.
146 van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonium.
mir wurde nämlich sehr deutlich eine aus Fasern zusammengesetzte
Kernspindel wahrgenommen, während Klebahn keine Spindelfasern
unterscheiden Konnte.
Strasburger spricht von einer körnigen Substanz zwischen
den beiden Tochterkernen, welche von denselben verschluckt wird.
Ich habe bemerkt, als ob die zurückgegangene Spindel mehr oder
weniger einer körnigen Substanz ähnlich ist, und es kommt mir
deshalb vor, als ob die körnige Substanz, welche Strasburger be-
obachtete, die zurückgegangene Spindel wäre Ich habe aber
durchaus nichts wahrnehmen können, was auf ein Verschlucken
von den Tochterkernen deutet, weshalb ich annehme, daß auch bei
Oedogonrum die Kernspindel aus dem Cytoplasma entsteht und in
dasselbe wieder aufgenommen wird..
Was die Chromosomen angeht, so gehen die Meinungen von
Strasburger und die meinigen sehr auseinander. Strasburger
unterscheidet keine Chromosomen verschiedener Länge und nimmt
auch nicht an, daß sie während der Karyokinese stets miteinander
verbunden sind. Die von Strasburger befolete Untersuchungs-
methode gestattet es aber auch nicht, die von mir nachgewiesenen
Einzelheiten zu beobachten. Es kommt mir vor, als ob dieses zu
der Verschiedenheit unserer Resultate beigetragen hat. Weniger
wahrscheinlich scheint es mir, daß die Karyokinese der beiden
untersuchten Arten so verschieden ist.
Die von mir erhaltenen Resultate sind im Folgenden kurz
zusammengefaßt:
Die Karyokinese bei Oedogonium zeiet große Überein-
stimmung mit der der höheren Pflanzen. Die Entstehung der
Kernfäden oder Chromosomen aus dem Kerngerüst, die Bildung
der Kernplatte aus den Chromosomen, die Teilung der Kernplatte,
die Längsspaltung der Chromosomen, die Entwicklung der Kern-
plattenhälften zu Tochterkernen, alle diese Erscheinungen der
Karyokinese zeigen bei Vedogonium Ähnlichkeit mit der Karyokinese
im Embryosack von Fritillaria und Leucoypum. Auch bei Vedogonvum
bleiben während der Karyokinese die Ohromosomen stets durch
feine Verbindungen miteinander verbunden. Wie bei den höheren
Pflanzen kommt auch bei Oedogonium eine Kernspindel zur Ent-
wicklung. Der Nukleolus verschwindet beim Anfang der Karyokinese
und in den Tochterkernen erscheinen wieder Nukleolen, welche
sich zu einem einzigen Nukleolus vereinigen. Der Nukleolus stimmt
überein mit den Nukleolen höherer Pflanzen und nicht mit dem
von Spirogyra. Fäden, wie sie bei Sprrogyra in dem Nukleolus
vorkommen, oder etwas anderes von besonderer Beschaffenheit habe
ich in dem Nukleolus von Oedogonium nicht nachweisen können.
Das Interessanteste, das die Karyokinese bei Oedogondum darbietet,
sind wohl die Chromosomen, welche sehr verschiedener Länge sind
und deren Zahl 19 beträgt.
van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonrum. 147
Oedogonium ist ein neues Beispiel einer Pflanze mit ver-
schiedenen Chromosomen. Im Pflanzenreich ist diese Erscheinung
sehr selten beobachtet worden. Rosenberg!) hat von derselben im
Jahre 1905 einen interessanten Fall erwähnt. Er fand nämlich bei
Listera in den Gonotokonten 5 größere und 11 kleinere Chromo-
somen und in den somatischen Kernen 10 größere und 22 kleinere. Im
Jahre 1898 habe ich?) schon mitgeteilt, daß bei Sperogyra crassa
zwei der zwölf Chromosomen von den übrigen verschieden waren.
Diese zwei waren gewöhnlich etwas länger als die übrigen und an
dem einen Ende ein wenig verdünnt. Bei im Flemming’schen
Gemisch gehärtetem Material gelang es mir, mittelst Chromsäure-
lösung aus dem dünneren Ende ein fadenähnliches Körperchen zu
isolieren. Dieser Versuch ist nicht nur ein einziges Mal gelungen, son-
dern wohl vielleicht hundertmal. Nie erhielt ich ein negatives Re-
sultat. Bei der weiteren Untersuchung zeigte es sich, daß die beiden
abweichenden Ohromosomen in näherer Beziehung mit dem Nukleolus
oder mit den zwei Nukleolen standen, welche von allen übrigen
im Pflanzenreich aufzefundenen Nukleolen verschieden sind. Die
bei Spirogyra crassa erhaltenen Resultate fand ich später bei einer
anderen Spezies, Spirogyra triformis, bestätigt).
Im Pflanzenreich sind bis jetzt noch keine Chromosomen auf-
sefunden, welche untereinander so sehr verschieden sind, wie bei
Spirogyra. Dagegen sind im Tierreich wohl solche Beobachtungen
semacht worden®). Henking5) vermochte in der Spermatogenese von
Pyrrhocoris ein Chromatinelement nachzuweisen, das sich von den
übrigen durch bestimmte Eigenschaften unterscheidet. Dieses spezi-
fische Chromosoma, von Montgomery als „Ohromatin nucleolus“, von
Mac Glung als accessorisches Öhromosoma bezeichnet, ist seither bei
zahlreichen Insekten nachgewiesen worden, und auch bei Arachnoideen
und Myriopoden scheint etwas Ähnliches vorzukommen. Von be-
sonderem Interesse sind vor allem die Beobachtungen, die Sutton)
über das accessorische Chromosoma in den Spermatogonien der
Heuschrecke, Drachystola magna, gemacht hat.
Merkwürdig ist bei Oedogonium die ungerade Chromosomen-
zahl. Ungerade Zahlen sind selten aufgefunden worden. In Ver-
bindung mit der Keimung der Oospore von Oedogonium, aus welcher
vier Schwärmsporen entstehen, halte ich das erhaltene Resultat
von Bedeutung. Es kommt mir vor, dab Oedogontum eine Generation
mit einer einfachen Chromosomenzahl ist und daß bei der Keimung
der Vospore die Reduktionsteilung stattfindet, woraus folgen würde,
daß bei Oedogonium kein Generationswechsel vorkommt.
!) Zur Kenntnis der Reduktionsteilung in Pflanzen. (Botan. Notiser. 1905.
Separatabdr. 8. 9.)
2) Über den Nukleolus von Spirogyra. 8. 207.
°) Über Kernteilung bei Spirogyra. 8. 362.
*) Boveri, Th., Ergebnisse über die Konstitution d. chromat. Substanz
d. Zellkerns. 8. 52 ff.
5) Über Spermatogenese und deren Beziehung zur Eientwicklung bei
Pyrrhocoris apterus L. (Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LI. 1891.)
°) The spermatogonial divisions in Brachystola magna. (Bull. Univ.
Kansas. Bd. I. 1900.) On the morphology of the chromosome group in
Brachystola magna. (Biolog. Bull. Bd. IV, 1902.)
10*
148 van Wisselingh, Über die Karyokinese hei. Oedogonium,
Anhang.
Am Schlusse dieses Aufsatzes über Karyokinese will ich nach
Anleitung von Untersuchungen von Gregoire und Wygaerts!)
und von Bergehs?) einige Bemerkungen machen über den Wert
der von mir befoleten Untersuchungsmethode und die mit derselben
erhaltenen Resultate.
Diese Methode ist beim Studium der Karyokinese von mir
bei Spirogyra schon wiederholt und auch beim Embryosack von
Fritillarıa und Leucoygum angewendet worden. In verschiedenen
Abhandlungen habe ich sie beschrieben und habe ich die Vorteile,
welche sie darbietet, insbesondere bei der Untersuchung von Teilen,
welche in dem Flemming’schen Gemisch eine größere Wider-
standsfähigkeit Chromsäure e„egrenüber erhalten haben, erwähnt.
Um nicht in Wiederholungen zu verfallen, verweise ich auf meine
Abhandlungen über Karyokinese®). Ich bemerke nur, daß das
Material in dem Flemming’schen Gemisch hinreichend sehärtet
werden muß. Anfangs benutzte ich Material, das vier Tage in
dem Flemming’schen Gemisch verweilt hatte; später ließ ich es
länger in demselben stehen und untersuchte von Zeit zu Zeit, ob
es hinreichend gehärtet war. Zuerst wendete ich eine starke
Chromsäurelösung an, nämlich eine 5Oprozentige; später habe ich
oft verdünntere Lösungen benutzt, z. B. eine 2Oprozentige. Die
Versuche dauern dann natürlich länger, aber die Gelegenheit, genau
zu beobachten, ist größer.
Eine Fehlerquelle, welche meiner Methode wie auch allen
Methoden, bei denen Fixiermittel benutzt werden, anhängt, ist, dab
das Fixieren Modifikationen hervorruft. Wenn man lebendige Kerne,
z.B. in Spirogyra-Fäden, mit Aufmerksamkeit unter dem Mikroskop
beobachtet und schnell das Flemming’sche Gemisch einwirken
läßt, so bemerkt man, daß das Ansehen der Kerne plötzlich sehr
modifiziert wird. Deshalb habe ich meine Resultate so viel wie
möglich durch Untersuchung lebendigen Materials kontrolliert.
Beim Studium der Karyokinese höherer Pflanzen werden all-
gemein von fixiertem und in Paraffin eingeschmolzenem Material
Serienschnitte angefertigt, welche gefärbt und teilweise wieder
entfärbt werden. Wie bekannt, erhält man mittelst dieser Methode,
wenn sie mit Sorgfalt angewendet wird, wunderschöne Präparate.
Doch sind meiner Meinung nach die verschiedenen Operationen,
welche das Material erleidet, mit Fehlerquellen verbunden.
1!) Gregoire, Victor, und A. Wygaerts, La reconstitution du noyau
et la formation des chromosomes. (La Cellule. T. XXI. Fasc.1. 1903. S. 7.)
Gregoire, Victor, La structure de l’el&ment chromosomique. (La Cellule.
12, 2O0UE Base 26 20 Be)
2) Berghs, Jules, Le noyau et la cinese chez le Spirogyra. (La
Cellule. T. XXI. Base, 1 1906. 8. 55.)
3) Über den Nukleolus von Spirogyra. (Bot. Zeitung. 1898. S. 199.)
Über das Kerngerüst. (Bot. Zeitung. 1899. S. 155.) Über abnormale Kern-
teilung. (Bot. Zeitung. 1903. 8. 210.)
van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonium. 149
Wie ich oben schon bemerkt habe, ruft das Fixieren tief
eingreifende Modifikationen hervor. Auch ist die Möglichkeit, dab
zufolge der verschiedenen Operationen bisweilen Teile, wie Spindel-
fasern oder Uhromosomen, von ihrer Stelle geraten, nicht aus-
seschlossen. Daß wegen die teilweise Entfärbung der Schnitte
Einwendungen zu machen sind, darauf habe ich schon früher hin-
Sewiesen!), Besonders hat A. Fischer solches nachgewiesen ?)
und auch Sypkens ist derselben Meinung).
Wenn man die verschiedenen Fehlerquellen, die der so schönen
und in vielen Hinsichten vortrefflichen Methode anhängen, berück-
sichtigt, so darf man es als motiviert betrachten, auch andere
Untersuchungsmethoden anzuwenden, um die Resultate, welche auf
verschiedene Weise erhalten sind, miteinander zu vergleichen. Wenn
man verschiedene Methoden mit Sorgfalt anwendet, ihre Fehler-
quellen berücksichtigt und keine übereilte Schlüsse macht, so muß
man zuletzt zu übereinstimmenden Resultaten gelangen. Der Vor-
teil der Anwendung verschiedener Methoden besteht vor allem
darin, daß die Fehlerquellen, welcher jeder Methode besonders
anhängen, eher ans Licht kommen.
Wie bekannt, gründet sich meine Methode nicht auf die An-
fertigung feiner Schnitte, sondern auf das Isolieren von Teilen,
welche in dem Flemming’schen Gemisch Chromsäure gegenüber
eine größere Widerstandsfähigkeit erhalten haben. Auf eine ganz
andere Weise werden die Kerne analysiert als nach der allgemein
gebräuchlichen Methode. Doch haben beide Methoden in einigen
Fällen zu vollkommen übereinstimmenden Resultaten geführt. Mit
einem einzigen Beispiel werde ich das erläutern:
Bei der Untersuchung der Kerne des protoplasmatischen
Wandbeleges des Embryosackes von Fritillaria und Leucogum ge-
langte ich zu .einem Resultate, das durchaus nicht in Überein-
stimmung war mit den Ansichten früherer Autoren. Gregoire
und Wygaerts?) erwähnen dasselbe folgendermaßen: Recemment,
van Wisselingh (99) a &emis une opinion particuliere. D’apres
lui, l’element chromatique est forme simplement de parties plus
epaisses, tr&s irregulieres et tres diverses, reunies entre elles par
des portions plus minces. De plus, ces deux sortes de parties du
reseau nucleaire ne sont pas des constituants morphologiques differents.
Jauteur, en effet, tout en reservant la question de la nature
chimique du reseau, n’admet pas la distinetion morphologique entre
substratum achromatique et corpuscules nucl&iniens. Nachdem oben-
genannte Autoren’) die Resultate, welche sie bei den Wurzeln von
Trillium grandiflorum erhielten, mitgeteilt haben, bemerken sie
folgendes: Si on compare les donnedes qui pr6cedent avec les
renseignements de la litterature botanique, on voit quelles ne se
rapprochent guere que des observations de van Wisselingh,
!) Über das Kerngerüst. S. 160.
?) Fixierung, Färbung und Bau des Protoplasmas. Jena 1899,
%) De Kerndeeling by Fritillaria imperialis. 8. 9 ff,
NR CH Sl,
By. 1.0 8.2.14,
150 van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonium.
avec lesquelles elles concordent parfaitement. Hierbei bemerke ich
noch, daß meine Untersuchungen bei Fritillaria von Sypkens!)
einer Kontrolle unterworfen sind. Sypkens, der bei seiner Unter-
suchung Serienschnitte und auch meine Methode benutzte, fand
gleichfalls meine Resultate bestätigt.
Außer dem obenerwähnten Resultat sind auch noch andere
meiner Resultate von Gr&goire und Wygaerts?) bestätigt worden.
In einem Punkte haben diese Autoren mich aber nicht verstanden.
Ich halte es deshalb für erwünscht, einige meiner Resultate näher
zu erläutern. Die Bildung der Kernfäden aus dem Kerngerüst ist
von mir wie folgt beschrieben worden:): „Ein Teil der feinen
Fädchen, welche die Klümpchen und Körner miteinander verbinden,
zieht sich zusammen. Demzufolge nähern sich die Klümpcehben und
die Körner einander und schließlich sind sie nicht mehr zu unter-
scheiden. So entstehen die Kernfäden. Anfangs sehen dieselben
einigermaßen perlschnurartige aus. Das dauert jedoch nicht lange.
Die Klümpchen und Körner werden gegeneinander gedrückt
und abgeplattet. Die Fäden erhalten ein mehr gleichmäßiges
Aussehen. Nachher ziehen sie sieh noch bedeutend zusammen.
Anfangs sind sie dünn und lange; zuletzt haben sie eine be-
deutende Dicke erhalten, während ihre Länge abgenommen hat.
Während. ein Teil der feinen Verbindungen sich zusammenzieht,
wird an anderen Stellen der Verband zerbrochen, aber nie werden
alle Verbindungen zwischen den Kernfäden aufgehoben.“ Gegen
meine Vorstellung, daß die Klümpchen und Körner gegeneinander
gedrückt und abgeplattet werden, haben die belgischen Autoren ®)
Einwendungen zu machen, wie sich aus Foleendem zeigt: „De
plus, dans le Trilium, on ne peut pas dire que les „Klümpchen“
sont „gedrückt und abgeplattet“. Nous avons vu que toute la
substance chromatique se ramasse sur elle-m&me, ainsi que ferait
un filament de caoutchouc qu'on aurait etire et qu’on abandonnerait
ensuite lentement Aa son elastieite.“ Die Vorstellung von Gregoire
und Wygaerts, nach welcher das ganze Kerngerüst sich zusammen-
zieht, ist durchaus nicht mit der meinigen in Widerspruch. Nach
meiner Vorstellung zieht ein Teil der feinen Verbindungen sich
zusammen, während andere Verbindungen aufgehoben werden; die
feinen Fädchen ziehen sich dabei zurück und vereinigen sich mit
den Kernfäden; die Kernfäden werden an einem Ende frei, wäh-
rend an dem anderen Ende die übriggebliebenen Verbindungen
sich zusammenziehen, wodurch die Kernfäden fester miteinander
verbunden werden. Alles dies schließt aber nicht aus, daß einige
Teile des sich zusammenziehenden Gerüstes einen Druck gegen-
einander ausüben könnten, und ich nehme an, daß solches in der
Tat der Fall ist. Wenn die feinen Verbindungen sich zusammen-
ziehen, kommen die Klümpchen gegeneinander und nach meiner
ı) ]. e. 8. 44 u. 63.
2) ]. c. S. 24, 25, 26.
3) Über das Kerngerüste. S. 163.
4]. e. 8. 41.
van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonium. 151
Meinung können sie dabei abgeplattet werden. In Verbindung
hiermit erkläre ich das Vorhandensein einzelner Querstreifen bei
einigen Kernfäden. Diese Querstreifen sind oft sehr deutlich wahr-
nehmbar. Auch Gr&egoire und Wyeaerts haben dieselben ab-
gebildet. Die Querstreifen deuten die Stellen an, wo die letzten
feinen Verbindungen sich zusammengezogen haben. Vor dieser
Zusammenziehung bestehen die Kernfäden, bei welchen die Er-
scheinung sich darbietet, aus zwei oder drei zusammenhängenden
Teilen. . Nach der Zusammenziehung beobachtet man einen oder
zwei deutliche Querstreifen. Während der Behandlung mit Chrom-
säure fallen solche Kernfäden in zwei oder drei Stücke auseinander,
welche an den Stellen, wo sie miteinander verbunden waren, bis-
weilen sehr platt sind. Ich bin der Meinung, daß diese Erscheinung
verursacht wird durch einen Druck, welchen die zusammenkommenden
Teile der Kernfäden aufeinander ausüben. Auch nehme ich an,
daß die Kernfäden und die Kernwand einen Druck gegeneinander
ausüben, weil die an die Kernwand stoßenden umgebogenen Enden
der Kernfäden oft auch platt sind.
Wie ich oben schon erwähnt: habe, haben auch Gregoire
und Wygaerts!) die Querstreifen, die bisweilen einige Kernfäden
zeigen, abgebildet; sie geben aber keine Erklärung dieser eigen-
tümlichen Erscheinung. Die Zusammenziehung des Kerngerüstes
vergleichen die genannten Autoren?) mit der eines „filament de
caoutchouc“; diese: Vergleichung stimmt nicht vollkommen, weil
beim Kerngerüst dicke nnd dünne Teile miteinander abwechseln.
Aus Obigem geht hervor, daß unsere Beobachtungen völlig mit-
einander in Übereinstimmung sind, und nur unsere Vorstellungen
von der Zusammenziehung des Kerngerüstes etwas verschieden
sein können.
Auf noch ein anderes Mißverständnis will ich einen Augen-
blick die Aufinerksamkeit richten. Bei den Wurzeln von Allium
ist Gregoire?) später zu einem einigermaßen anderen Resultate
gekommen als bei Trollvum. Er erwähnt darüber Folgendes: „Nous
devons dire, & linverse de van Wisselineh, Moll, Sypkens,
que nous considerons comme tres vraisemblable la constitution de
l’element chromosomique aux depens de deux groupes de substances.
Seulement, et ici va apparaitre mieux encore la divergence qui
nous separe des theories corpusculaires, — nous tenons que la
substance chromatique impreene le substratum achromatique, quelle
se trouve sur ce dernier non pas sous la forme de corpuscules in-
dependants, mais a l’&tat d’impregnation.“ Ich muß hierzu be-
merken, daß ich nie behauptet habe, daß das Kerngerüst aus einem
einzigen Stoff besteht, was unter Anderem aus dem foleendem Satz
aus meiner Abhandlung über das Kerngerüst hervorgeht!): „Um
Mißverständnisse zu vermeiden, bemerke ich, daß ich wohl die
l. e; Fig. 20,
MoHS 32
Eon Br 3l2ru, 313,
l. ec. 8, 161.
152 van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogomium.
Ansicht bestritten habe, nach welcher beim Kerngerüste ein mor-
phologischer Unterschied zwischen Chromatinkörnern und Lininfäden
bestehe, aber daß ich durchaus nicht behaupte, daß das Gerüst
nur aus einem einzigen Stoffe gebildet sei. Betrachtungen über
die chemische Zusammensetzung des Gerüstes sind nicht Zweck
dieser Arbeit.“
Über meine Untersuchungsmethode hat Gregoire sich nicht
ausgelassen; wenn ich aber die Weise, auf welche er von meinen
Resultaten Kenntnis nimmt, berücksichtige, so darf ich annehmen,
dab er auch meiner Methode Wert beilegt. Ganz anders ist, wie
sich zeigen wird, das Urteil von Jules Berehs, der im Labora-
torium von Gregoire den Kern und die Karyokinese bei Sperogyra
studiert hat. |
Berghs!) hat bei seiner Untersuchung die jetzt bei höheren
Pilanzen allgemein gebräuchliche Methode angewendet, die An-
fertigung von Serienschnitten und das Färben. Er kommt zu Re-
sultaten, welche von den früherer Autoren sehr verschieden sind.
Der Kürze wegen werde ich dies nur an einem einzigen Beispiel
erläutern. Berehs?) nimmt an, daß während der Protophase aus
dem Nukleolus zwölf Chromosomen entstehen, les petits bätonnets
(chromosomes) prophasiques et metaphasiques. An ihrer Bildung
beteiligt sich nicht der ganze Nukleolus, sondern nur ein Teil des-
selben. Was nun sehr eigentümlich ist, ist wohl die Bildung von
sechs großen Chromosomen während der Anaphase, les chromosomes
anaphasiques. Diese entstehen aus den chromosomes prophasiques
und aus dem Rest des Nukleolus.
Berehs versucht zu beweisen, daß die Beobachtungen und
Resultate anderer Untersucher unrichtig sind. Auch die von mir
angewendete Methode muß es entgelten. Er) schreibt: „Nous
croyons que la methode de van Wisselinsh n'est pas faite pour
etudier la morphologie du noyau. La methode ..... est plutöt
faite pour &tudier Ja nature chimique des differentes substances
du noyau et de la cellule.“ Ich hatte nicht erwartet, daß jemand
meine Methode für eine chemische Untersuchung geeignet halten
würde. Ich selbst finde dieselbe dafür durchaus nicht geeignet,
wie auch aus verschiedenen Publikationen hervorgeht. In meiner
Abhandlung über das Kerngerüst schrieb ich*) z. B.: „Betrachtungen
über die chemische Zusammensetzung des Gerüstes sind nicht Zweck
dieser Arbeit.“
Daß meine Methode nicht geeignet für das Studium der
Morphologie des Kernes ist, nimmt Berghs an auf Grund eines
Versuches bei dem ruhenden Kern. Er versuchte, mit Chromsäure
die beiden von mir entdeckten Nukleolusfäden zu isolieren. Dieses
Experiment ist ganz mißlungen. Bershs>) beobachtete nur „des
endroits plus refringents, de contours et de nombre variables.“
Dale 60218:
2) e 3264, 6bnu. 12.
3) I, & & 70% 78
=) Ik & & 1lall;
DT OSeTe
van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonium. 153
e
Er fragt: „Sont-ce des vacuoles ou bien sont-ce des formations
specials, qui auraient pu donner Yillusion du peloton de Meunier
ou des deux chromosomes de van Wisselineh?
Ich habe schon wiederholt die Karyokinese bei Spirogyra
studiert, und bei jeder Untersuchung habe ich sehr deutlich die
beiden Nukleolusfäden unterscheiden können. Für eine Anzahl
von Fällen bei verschiedenen Spezies habe ich sie abgebildet!).
Zumal bei Spirogyra erassa habe ich selbst die Modifikationen, welche
diese Fäden erleiden, während der ganzen Karyokinese verfolgen
können. Bei einer großen Anzahl Kernplatten ist ihre Stelle von
mir bestimmt worden2). Durch die erhaltenen Resultate wurde u. A.
aufgeklärt, wie eskommt, daß die Zahl der Nukleolen bei Spirogyra
höchstens zwei ist, nämlich die konstante Zahl der Nukleolusfäden.
Alle meine Beobachtungen und Resultate werden von Berghs auf
Grund eines einzigen Experiments, das nicht gelungen ist, als
eine Illusion qualifiziert. Überdies wurde dieses Experiment bei
einer anderen Spezies angestellt, als ich untersuchte, nämlich bei
einer dünneren. Berghs hätte berücksichtigen müssen, daß die
Karyokinese bei Spirogyra Verschiedenheiten darbietet und das,
was bei der einen Art sehr deutlich zu sehen ist, bei einer anderen
sehr schwer oder nicht wahrnehmbar ist. Vor Kurzem untersuchte
ich eine Spezies, welche auch dünner war, als die früher unter-
suchten Spezies. Es kostete mir Mühe, die beiden Nukleolusfäden
zu unterscheiden, während es mir bei den früher untersuchten
Spezies wieder sofort gelang.
Meunier:) hat auch schon, indem er die lebendigen Spirogyra-
Fäden auf eine besondere Weise behandelte, in dem Nukleolus des
ruhenden Kerns einen gewundenen Faden (peloton) unterscheiden
können. Berghs betrachtet dieses auch als eine Illusion. Ich
habe es dagegen immer als eine interessante Beobachtung gefunden.
Bei dem ruhenden Kern sind die beiden Nukleolusfäden so sehr
sewunden, daß man nicht feststellen kann, ob deren ein oder zwei
vorhanden sind. Während der Prophase werden sie aber kurz
und dick und ihre. Zahl ist genau zu bestimmen®). Moll5), der
zuerst Serienschnitte der Spirogyra-Kerne gemacht hat, hat bis-
weilen auch mehr oder weniger deutlich die Fäden in dem Nukleolus
unterscheiden können. Besonders interessant ist seine Figur 29.
Berghs°) hat in seinen Schnitten im Nukleolus nichts unter-
scheiden können; bisweilen hat er nur ein helles Fleckchen be-
obachtet. Daraus folgt aber nicht, daß die Beobachtungen anderer
Untersucher unrichtig sind.
ı) Über den Nukleolus von Spirogyra. (Bot. Zeitung. 1898. Fig. 6 bis
einschließlich Fig. 16 und Fig. 24.) Über Kernteilung bei Spirogyra. (Flora.
1900. Fig. 1, 2 u. 11.) Über abnormale Kernteilung. (Bot. Zeitung. 1908.
Fig. 126 bis einschließlich Fig. 134.)
2) Über den Nukleolus von Spirogyra. 1 ec. 8. 216.
8) Le nucl&ole des Spirogyra. (La Oellule. Vol. III. S. 370 ff.)
») Van Wisselingh, Über den Nukleolus von Spirogyra. 1. ce. 8. 206.
6) Observations on Karyokinesis in Sperogyra. (Verhandl. d. Koninkl,
Akad. von Wetensch. te Amsterdam. Abt. 2. Bd. 1. No 9. 1893.)
21.110: 84 0%
154 van Wisselineh, Über die Karyokinese bei Oedogontum.
Einmal hat Berghs!) einen karyokinetischen Zustand wahr-
eenommen, der nicht mit seinen Resultaten übereinstimmte. Als
ein „cas extraordinaire“ wird derselbe nicht im Zusammenhang
mit anderen Zuständen berücksichtigt, obgleich andere Autoren
doch ähnliche Beobachtungen gemacht haben?2). Die Zeichnungen
von Moll nennt Berghs?) „un peu sch&matises“. Durch die
Freundlichkeit von Moll hatte ich die Gelegenheit, sie mit den
Präparaten zu vergleichen, und ieh konnte mich dabei von der
großen Genauigkeit, mit welcher sie ausgeführt sind, überzeugen.
Beim Studium der Karyokinese habe ich sie wiederholt berück-
sichtigt.
Die Zeichnungen von Berghs machten auf mich einen weniger
günstigen Eindruck. Ich behaupte nicht, daß sie schematisiert
sind; vielmehr machen sie den Eindruck, daß sie nach mehr oder
weniger verschrumpften Präparaten angefertigt sind. Die Spindel-
fasern haben ein sehr unnatürliches Aussehen. Sie zeigen allerlei
unregelmäßige Krümmungen. Bergehs berücksichtigt nicht die
Fehlerquellen, welche seiner eigenen Methode anhängen, während
er meiner Methode keinen Wert beilest. So behauptet er*) u. A.:
„Les reactifs que nous avons employes ne peuvent avoir detruit
Vaspect des choses; c’est le reproche qu’on pourrait faire plutöt
a ceux de van Wisselineh, et il nous semble que l’auteur, en
se basant sur sa methode, ne peut pas conclure & ce qui se passe
dans la cellule vivante en cinese“. Wenn man wissen will, was
in der lebendigen Zelle stattfindet, so liegt es doch auf der Hand,
zuerst das lebendige Objekt selbst zu untersuchen. Bercshs hat
es aber nicht für nötig erachtet, seine Resultate durch eine der-
artige Untersuchung zu kontrollieren. Doch wäre dies sehr wün-
schenswert gewesen. Wenn man nämlich die Karyokinese beim
lebendigen Objekt studiert, so kann man beobachten, dab die
Spindelfasern ganz anders aussehen als Berghs sie abbildet. Sie
zeigen keine unregelmäßigen Krümmungen. Die Kernwand, die
Spindelfasern und die Aufhängefäden, alle sind gespannt. Berghs?)
nimmt an, daß die Spindelfasern von zwei Seiten in den Kern
dringen. Ich kann mir vorstellen, daß man, wenn die Spindel-
fasern durchgeschnitten sind, und durch diese Weise von Prä-
parieren von ihrer Stelle gebracht sind, ohne dies zu berücksich-
tigen, wohl zu einem derartigen Schluß kommen kann.
Was die Untersuchungen von Berghs betrifft, so bemerke
ich noch, daß er meiner Meinung nach spätere und frühere Zu-
stände miteinander verwechselt hat. Figur 10 stellt einen späteren
Zustand vor als Figur 6 und 7, obgleich der Kern sich noch nicht
in die Länge gestreckt hat und während die Quantität des
Cytoplasmas um den Kern weniger ist als in Figur 6 und 7.
c. S. 63 u. 85 und Fig. 7.
oll, 1. e. Nukleolus in Fig. 27.
c. 8. 75.
e. 8. 77.
ce. 8. 81.
van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogonium. 155
Zwischen Figur 4 und 6 ist eine Lücke, welche durch die Be-
schreibunge nicht ausgefüllt wird. Wenn man die Quantität des
Plasmas um den Kern berücksichtigt, so ist esklar, daß die beiden
vorgesteliten Zustände weit von einander entfernt sein müssen.
Dasselbe eilt für Fig. 10 und 11.
Zuletzt bemerke ich noch, daß die von mir bei Spirogyra
erhaltenen Resultate von Berghs!) nicht ganz richtig mitgeteilt
werden. Aus dem Nukleolus kommen nämlich nicht zwei ganze
Chromosomen, sondern nur Teile von zwei Chromosomen; diese
Teile unterscheiden sich von den Teilen, welche aus dem Kern-
gerüst entstehen, und den zehn anderen Chromosomen ähnlich sind.
Meine ersten Beobachtungen bei Spirogyra stimmen vollkommen
mit den späteren überein, aber verschiedene Überlegungen haben
mich 2) veranlaßt, anzunehmen, daß nicht zwei ganze Uhromosomen
aus dem Nukleolus oder aus den beiden Nukleoli entstehen, sondern
nur Teile von Ohromosomen. Diese Modifikation in meiner Vor-
stellung führte zu einer einfacheren und besseren Erklärung aller
meiner Beobachtungen.
Meine Meinung über die von mir angewendete Methode ist
seit meiner ersten Untersuchung über Karyokinese nicht modifiziert
worden. Die Untersuchung des lebendigen Materials betrachte ich
als die ideale. Großen Wert lege ich der Anfertigung von Serien-
schnitten bei. Aber auch die von mir angewendete Methode hat Wert
für das Studium der Karyokinese. Sie gestattet uns, verschiedene
Einzelheiten der Karyokinese zu studieren, wozu andere Methoden
nicht ausreichen. Ich würde z. B. in der Tat keine Möglichkeit
gesehen haben, die Öhromosomenzahl bei Oedogonium zu bestimmen,
wenn ich nicht die Ohromsäuremethode hätte benutzen können.
Die Bestimmung ist aber sehr schwer und fordert die größte
Vorsicht und Geduld. Man soll deshalb die Methode und die mit
ihr erhaltenen Resultate nicht sogleich verwerfen, wenn es nach
Hinzufügung der Ohromsäurelösung nicht sofort gelingt, mit Leichtig-
keit 19 Chromosomen zu zählen.
Groningen, Mai 1907.
Figurenerklärung.
Alle Figures haben Beziehung auf die Karyokinese. Die Vergrößerung
ist 1000 mal.
Fig. 1. Kern mit dem Polfeld während der Einwirkung von Chromsäure.
Die Begrenzung ist nicht so scharf wie beim ruhenden Kern.
Fig. 2. Eine mittelst Öhromsäure isolierte Kernplatte.
Fig. 3. Die beiden Kernplattenhälften mit der Spindel, mittelst Ohrom-
säure isoliert; die Ohromsäure durch Wasser weggewaschen.
Fig. 4. Die 19 mittels Ohromsäure isolierten Ohromosomen.
)]l,e.8. 8.
2) Über abnormale Kernteilung. 1 ec. 8. 215#f,
156 van Wisselingh, Über die Karyokinese bei Oedogontum.
Fig. 5. Die beiden Tochterkerne mit der zurückgegangenen Spindel,
mittelst Chromsäure isoliert; die Chromsäure durch Wasser weggewaschen.
Fig. 6. Die Kerngerüste der beiden Tochterkerne in Chromsäurelösung ;
die Nukleolen sind aufgelöst.
Fig. 7. Die Tochterkerne während der Einwirkung von Chromsäure; die
Nukleolen und die Zellplatte sind noch nicht aufgelöst.
Fig. 8. Die 38 Chromosomenhälften in Chromsäurelösung; viele sind
paarweise verbunden.
Tafel AT.
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Verlag von. C Heinrich,
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n Verlage erscheint ferner &
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Organ
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Kryptogamenkunde una Phytopathologie
nebst
Repertorium für Literatur.
Redigiert
von
Prof. Dr. Georg Hieronymus in Berlin.
Begründet 1852 durch Dr. Rabenhorst
als »Notizblatt für kryptogamische Studien«.
Erscheint in zwanglosen Heften. — Umfang des Bandes ca. 36 Be gr. 8°,
Preis des Bandes M. 24.—.,
Vielfachen Nachfragen zu begegnen, sei bekannt gegeben, daß komplette
Serien der HEDWIGIA vorhanden sind.
Bei Abnahme der vollständigen Serie werden 25°/, Rabatt gewährt.
Die Preise der einzelnen Bände stellen sich wie folgt:
Jahrgang 1852—1857 (Band ID) . . . . .....M.12—
a EBDB 1808 (u ee an nn 20
BA 10 ELEND en a re
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5 1869—1872( „ VI-XI) 3 a» 6—
Or 24873: 1888, 1X X VIDE: N
„ 1889—1891 ( „ XXVU—XXX). . a ,„ 30.—
H 1892—1893 ( „ XXXI--XXXMD. ..a „ 8—
„ 1894—1896 ( „ XXXIM—XXXV) .a „12—
BE 13972219009. WE RERNT KL) EN RA ne
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Band ZENL-RLVE ee a ns a
DRESDEN-N. Verlagsbuchhandlung C. Heinrich.
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‚Original-Arbeiten.
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322,
a
Herausgegeben
| von;
Prof. Dr. 0. Uhlworm una Prof. Dr. F. G. Kohl
in Berlin | in Marburg.
TE RER WERE EEE ER ET EURE NEW
Bi: Band XXL.
2 Erste Abteilung:
Anatomie, Histologie, Morphologie und Physiologie der Pflanzen.
Heft 3.
1908
Verlag von C. Heinrieh
Dresden -N.
Ausgegeben am 18. Mai 1908.
Inhalt.
Seite
van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand:
bei Oedogonium. Mit 4 Tafeln . . . 2 2... ... 157-190
Fahringer, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete nebst
Bemerkungen über neuere blütenbiologische Ar-
beiten. Mit KTafel 2. no es
Koltoäski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme
auf die Kohlensäureassimilation der Wasserpflanzen. De
Mit. 8 Abbildungen im Text :.. . . ....... 204 272
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körper--
wachstum der Pflanzen. Mit 1 Abbildung im Text 273—319
Die Beiträge erscheinen in zwangloser Folge. Jeder Band umfaßt
3 Hefte. Preis des Bandes M. 16.—.
Zu beziehen durch alle Buchhandlungen oder direkt vom Verlage
'C. Heinrich, Dresden-N.
Zusendungen von Manuskripten und Anfragen redaktioneller Art
werden unter der Adresse: Professor Dr. OÖ. Uhlworm,
Berlin W. 15, Nachodstraße 17, mit der Aufschrift „Für
die Redaktion der Beihefte zum Botanischen Centralblatt“
erbeten.
Über den Ring und die Zellwand
bei Oedogonium.
Von
C. van Wisselingh.
Mit Tafel XIII—XV1.
Bei mikroskopischer Beobachtung der Oedogoniaceen wird un-
sere Aufmerksamkeit von selbst auf den Ring gerichtet, der ge-
wöhnlich in einzelnen, oft in mehreren Zellen an der Zellwand
befestiet ist. Bisweilen dehnt sich ein Ring unter den Augen
des Beobachters in sehr kurzer Zeit zu einem zylinderförmigen
Stück Zellwand aus. Diese merkwürdige Membranbildung hat in
hohem Maße das Interesse der Botaniker erreet. Eine Unter-
suchung nach der Karyokinese bei Oedogomium veranlaßte mich,
dann und wann auch meine Aufmerksamkeit auf den Ring zu
richten. Das führte zu der Entdeckung einer Untersuchungsmethode,
die mir zum Studium dieses interessanten Objektes sehr seeignet
vorkam. Die Autoren, die vor mir den Ring und die Zellwand
von Oedogonium untersuchten, haben in mancher Hinsicht ver-
schiedene Ansichten verkündigt, und das veranlaßte mich um so
mehr, selbst darüber Untersuchungen anzustellen.
Historisches. -
Wie schon oben gesagt, ist der Ring von Oedogonvum der
(regenstand sehr verschiedener Ansichten. Das betrifft seine che-
mische Zusammensetzung, seine Struktur, seine Entstehung, sein
Wachstum, die mit seiner Ausdehnung verbundene Spaltung der
alten Zellmembran und seinen Anteil an der Bildung der neuen.
Die meisten Autoren haben nicht untersucht, ob in dem
Ring ein besonderer chemischer Körper vorkommt. Pringsheim
(I, S. 34 und 35) erwähnt die Üellulosereaktion mit Chlorzink-
jodlösung und den halbflüssigen Zustand des Ringes. De Bary
(I, S. 43) betrachtet ihn als eine weiche, dehnbare Cellulose-
masse. Nach Wille (S. 444) besteht der Ring aus wasser-
158 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogomaum.
haltiger Cellulose Strasburger (II, S. 164) spricht nur von
einem Cellulosering. Klebahn (S. 240) erwähnt, daß der Ring
und die junge Membran, welche aus demselben entsteht, eine von
der übrigen Zellwand abweichende Reaktion zeigen; sie speichern
nämlich den Hämatoxylinfarbstoff sehr energischh Klebahn be-
schreibt ihre Beschaffenheit als etwas gallertartie. Auch Hirn
(I, S. 6 und 7) hat besondere Reaktionen bei dem Ringe beobachtet.
wie Violettfärbung mit einer sehr verdünnten Chlorzinkjodlösune
und Blaufärbung mit einer Lösung von Methylenblau bei dem
zentralen Teil, das aus einer schleimartigen Masse gebildet ist.
Die peripherische Ringschicht, das heißt, die an das Lumen stoßende
Schicht, zeigt bei Anwendung von Jod und Schwefelsäure Cellu-
losereaktion.
Die meisten Untersucher nehmen an, daß der Ringe mit einem
schmalen Teil an der Zellwand befestigt ist. Nach Strasburger
(I, S. 190) sitzt der Ring auf einer Leiste. Sachs (S. 22, Fig. 17)
gibt von demselben eine Abbildung, die mit dieser Ansicht über-
einstimmt. Von Mohl (S. 721) nimmt an, daß der Ring mit zwei
sehr schmalen, dicht nebeneinander verlaufenden Streifen in Ver-
bindung steht. Nach Strasburger (I, S. 190 und III, S. 164)
ist der Ring an seiner Ansatzstelle gespalten und die Einfügungs-
leiste in zwei Hälften geteilt.
Die Meinungen über den inneren Bau des Ringes sind ver-
schieden. Nach Wille (8. 445) hat der Ring einen lamellösen
Bau; Pringsheim (1, S. 35), Strasburger (III, S. 165) und Hirn
(I, S. 7) dagegen unterscheiden nur eine peripherische Schicht
und einen zentralen Teil. Strasburger (I, S. 193; II, S. 85) be-
trachtet den Ring als in seinem inneren Teil dichter als an der
Seite des Zelllumens, aber später erwähnt er (III, S. 165), daß er
eine äußere dichtere und eine innere weniger dichte Schicht hat
unterscheiden können. Nach Hirn (I, S. 7) ist der zentrale Teil
aus einer schleimartigen Masse gebildet und besteht die peripherische
Schicht aus Oellulose. Dieselbe ist oberhalb und unterhalb des
Ringes mit der alten Membran verwachsen.
Über den Ursprung des Ringes sind ganz verschiedene Mei-
nungen ausgesprochen. Mehrere Autoren nehmen an, daß der Ringe
vom Anfang zwar an der Zellwand befestigt ist, doch daß sein
Ursprung und seine Entwicklung übrigens unabhängig von derselben
sind Pringsheim (I, S. 12), Nägeli, Hofmeister (siehe
Wille, S. 444), Strasbureer (I, S. 188 ff.; III, S. 164) und Hirn
(I, S. 7) sind dieser Meinung zugetan. Nach Hirn wird zuerst
der zentrale Teil aus einer schleimartigen Masse gebildet; dann
entsteht der peripherische Teil. Hirn (I, S. T und 8) sucht den
Beweis dafür zu liefern durch Versuche mit Zuckerlösungen. In
den Zellen, die sich eben zur Teilung anschickten, wurde mit den-
selben Plasmolyse hervorgerufen. Hirn sah, daß um den halsartie'
verengten Teil des kontrahierten, teils freiliegenden Protoplasten
eine Schleimmasse ausgeschieden wurde; dann sah er, daß um den
Protoplast sich auch eine Membran bildete. Wenn die Zucker-
kultur in’s Dunkle gestellt wurde, konnte Hirn nur Ausscheidung
van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonwum. 159
einer schleimartigen Masse um den halsartig verengten Teil be-
obachten. Aus diesen Versuchen, sagt Hirn, geht deutlich hervor,
daß bei der Rinebildung der Ringschleim zuerst von dem Protoplast
ausgeschieden wird; erst dann entsteht der peripherische Teil des
Ringes in Form einer Celluloseschicht, die den kontrahierten Pro-
toplast vollständige umkleidet, in normalen Fällen aber nur den
Rineschleim nebst der Innenseite der Zellwand eleich ober- und
unterhalb des Ringes bekleiden dürfte.
Nach de Bary (I, S. 80) und von Mohl (S. 721) entsteht
der Ring dadurch, daß die innere Lamelle der Zellwand eine Falte
bildet. Hartig (S.417) faßt ihn als eine Falte einer neugebildeten
Verdickunesschicht auf. Dippel (S. 52) sieht in ihm eine Falte
der ganzen Celluloseschicht. Nach Wille (S. 444) fängt die Ring-
bildung in der Zellwand an, in der Nähe der inneren Begrenzung
derselben. Der innerste Teil der ursprünglichen Membran über-
spannt den Ring, während derselbe an Dicke zunimmt. Wille be-
trachtet den Ring als eine kurze wasserreichere Schicht in der
Membran.
Die Frage, ob das Wachstum des Ringes mit Intussus-
ception oder Apposition verbunden ist, ist von den verschiedenen
Autoren auf verschiedene Weise beantwortet worden. Stras-
burger (II, S. 85) nahm zuerst an, daß der Ring durch Auf-
lagerung neuer Lamellen wächst. Später sagt er (III, S. 165):
„Ob das Wachstum des Ringes auf Einwanderung von Substanz
allein beruht, oder der Anlage zugleich neue Lamellen vom Cyto-
plasma aus apponiert werden, läßt sich nicht entscheiden“. Wille
(S. 445) behauptet, daß der Ring durch Intussusception entsteht
und daß, während er wächst, ununterbrochen Schichten eingelagert
oder differenziert werden.
Alle Untersucher nehmen an, daß unmittelbar vor der Streckung
des Ringes ein Bersten der Zellwand stattfindet. In Einzelheiten wird
dieser merkwürdige Prozeß verschieden beschrieben. Pringsheim
(IL, S. 15) nimmt an, daß beim Aufbrechen der Zellwand der Zusammen-
hang oberhalb des Ringes sogar «anz aufgehoben wird, und dab
derselbe später durch eine Verwachsung wieder hergestellt wird.
Den Teil der Mutterzellwand oberhalb des Ringes nennt Prings-
heim Kappe und den Teil unterhalb desselben Scheide An der
Berührungsstelle der oberen und unteren Tochterzelle entsteht nach
Prinesheim ein Intercellularraum.
Andere Untersucher erwähnen nicht, daß der Zusammenhang
der Zellwand aufgehoben wird. Nach Strasburger (I, S. 189 ıı.
190; II, S. 85; III, S.165) entsteht in dem Ring während seiner
Entwickelung eine Spalte. An dieser Stelle öffnet er sich später.
Andere Autoren haben keine Spalte beobachtet. Wille (S. 446)
sagt, daß die Spalte, welche Strasburger erwähnt, nicht vor-
handen ist. Nach Wille berstet nur die Zellwand.
Von Hirn (I, S. 8) wird eben so wenig eine Spaltung des
inges angenommen. Fr erwähnt, daß die Celluloseschicht der
Zellmembran durch einen Kreisriß entzwei geteilt wird. Der äußere
Teil der Zellmembran, der von Hirn Cuticula genannt wird, wird
160 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium.
dagegen ganz unregelmäßig entzwei gerissen. Die Zellen können
aber sehr” bald ihre zerrissene Outieula regrenerieren.
Alle Autoren nehmen an, daß der Ring bei seiner Streckung
ein neues zylinderförmiges Membranstück bildet. Nach Prings-
heim (1, S. 37) entstehen die beiden Hüllmembranen der oberen
Tochterzelle zusammen aus dem me Auch Strasburger
(I, S.195; DH, S.85) und Hirn (I, S.7) nehmen an, daß die beiden
Schichten der Zellwand direkt aus dem Ring entstehen. Hiien
sagt bezüglich der Bildung der äußeren Schicht Folgendes: „Der
zentrale Teil des Ringes wird in der Tat aus einer schleimartigen
Masse gebildet, die beim Zerreißen der Zellwand von Bedeutung
sein dürfte und die sich bei der Ausdehnung des Ringes zur neuen
Cuticula gestaltet“. Wille (S. 451) nimmt zwar an, daß die Zell-
wand in ihrer ganzen Dicke aus dem Ring gebildet wird, allein
er meint, daß solches auf eine andere Weise stattfindet als Prings-
heim und Strasburger angeben. Wille sagt, daß der Ring zu
einem neuen Membranstück ausgezogen wird und daß schließlich
auf dem neugebildeten Membranstück eine Cuticula entsteht; die-
selbe wird nicht gebildet durch eine Umbildung der äußersten
Zellwandschicht, sondern durch eine Ausscheidung. Klebahn (S. 240)
erwähnt nur, daß die junge Membran aus dem Ring entsteht.
Wie bekannt, findet während der Entwicklung des Ringes
Karyokinese statt. Nach de Bary und Hofmeister (siehe Wille,
S. 451) wird die Scheidewand zwischen den beiden Tochterzellen
bei der Scheidenöffnung gebildet. Andere Autoren nehmen an, daß
sie niedriger entsteht und daß, wenn der Ringe sich ausdehnt, sie
aufwärts nach der Scheidenöffnung wandert, wo sie mit der Seiten-
wand zusammenwächst. Nach Strasburger (I, S. 192) und Hirn
(I, S. 8) entsteht die Querwand im ganzen Querschnitt der Zelle
simultan. Wille (S. 447) achtet das wahrscheinlich. Wille (S. 450)
meint, daß die Querwand während ihrer Bewegung aufwärts an
der Wand der Mutterzelle festsitzt. Nach Klebahn (S. 240) ist
die junge Querwand eine lose Platte und nach Strasburger
(I, S.192) eine lose zarte Oellulosewand. Hirn (I, S.8) sagt, dab
die Querwand bei ihrer Wanderung aufwärts gar nicht oder nur
sanz lose mit der Zellwand vereinigt zu sein scheint.
Der erste Zellwandring, der sich nach der Keimung einer
Schwärmspore bildet, ist nach Hirn (I, S. 15 u. 16) ein wenig
abweichend, indem er mit besonders breiter Fläche der Zellmembran
ansitzt; die periphere Ringschicht sieht man sich fast über die
ganze Innenwand des oberen Endes der Zelle erstrecken. Der
Zusammenhang der Kappe mit der übrigen Zellwand wird infolee
dessen gering, bisweilen wird sie sogar abgeworfen. Andere Au-
toren, u. a. Poulsen und Wille (siehe Wille, S. 451) erwähnen
auch "das Abwerfen der Kappe.
Die obere der beiden ersten Tochterzellen ist nach Hirn
(I, S.16) die bleibende Scheitelzelle.e Er erwähnt, daß sie bei den
verschiedenen Arten verschieden ist, aber auch bei einer und der-
selben Art variieren kann. Öfters ist sie an ihrem oberen Ende
leicht abgerundet, nicht selten mehr oder weniger abgestutzt.
van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 161
Bisweilen ist sie in eine kurze Spitze ausgezogen. Bei einigen
Arten wächst sie zu einer langen hyalinen Borste aus.
Methode.
Bei der Untersuchung von Oedogonium-Material, das während
einiger Zeit in dem Flemming’schen Gemisch aufbewahrt war,
zeigte es sich, daß der Ring und der aus demselben hervorgehende
Teil der Zellmembran eine eigentümliche chemische Veränderung
erfahren hatten. Bei lebendigem Material und bei Alkohol-Material
zeicen diese Teile verschiedenen Reagentien gegenüber oft wenig
Widerstand. Ihre Form wird meist unter Aufschwellung modifiziert.
Ganz anders ist das Verhältnis Reagentien gegenüber, wenn das
Material einige Tage in dem Flemming’schen Gemisch verweilt
hat. Der Ring und der aus demselben «„ebildete Teil der Zell-
wand haben dann eine ähnliche Modifikation erfahren wie die Zell-
kerne. Behandelt man einen Oedogonium-Faden, der lange senug
der Einwirkung des Flemming’schen Gemisches ausgesetzt worden
ist, mit einigermaßen verdünnter Ohromsäurelösung, so sieht man,
daß der äußere Teil der Zellwand und die Ringe der Einwirkung
der Chromsäure sehr lange Widerstand leisten, während der übrige
Teil der Zellwand vollständig selöst wird. Von dem Zellinhalt
leisten die Kerne am längsten Widerstand. Wenn die Chromsäure
einige Zeit eingewirkt hat, ist von den Pflänzchen nichts übrig
geblieben als die äußeren Teile der Zellwände, die Ringe und die
Kerne. Man sieht diese Objekte dann nebeneinander in der Chrom-
säurelösung schwimmen.
(Gewöhnlich wendete ich eine Oemsärnalhsums von 20%,
an; stärkere Lösungen können auch benutzt werden. Um den
Lösunesprozeß und die bei demselben hervortretenden Einzelheiten
venau verfoleen zu können, gab ich aber einer Lösung von 20%,
den Vorzug. Der Prozeß dauert dann zwar länger, aber derselbe
verläuft ruhiger und man kann lade die gewünschten Be-
obachtungen machen. |
Die obenerwähnte Untersuchungsmethode ist dieselbe, die ich
[rüher beim Studium der Karyokinese bei Sperogyra!) und im
Embryosack von Fritillaria und Leucopum?) anwendete; die Ob-
jekte, welche man zu studieren wünscht, werden in dem Flemming-
schen Gemisch gehärtet und mittels Chromsäure isoliert. Die
Vorteile, welche diese Methode bietet, werde ich hier nicht
ausführlich auseinandersetzen. Es versteht sich von selbst, dab
man viel genauer Objekte beobachten kann, wenn dieselben ganz
isoliert sind, als wenn oberhalb und unterhalb derselben, neben
und in denselben sich andere Sachen befinden. Dadurch wird immer
') Über den Nukleolus von Spvroyyra. (Bot. Zeitung. 1898. S. 195.)
Über Kernteilung bei Spirogyra. (Flora. 1900. S. 355.) Untersuchungen über
Spirogyra. (Bot. Zeitung. 1902. 8.122.) Über abnormale Kernteilung. (Bot,
Zeitung. 1903. 8. 201.)
2) Über das Kerngerüst. (Bot. Zeitung. 1899. 8, 155.)
Beihefte Bot, Centralbl, Bd. XXIII, Abt, I, Heft 3, 41
162 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium.
die Beobachtung mehr oder weniger gestört und oft ganz unmöglich
eemacht; nicht selten hat das Anlaß gegeben zu falschen Folgerungen.
Die mittelst Chromsäure isolierten Zellwandteille kann man,
nachdem man die Chromsäure mit Wasser ausgewaschen hat, färben,
z.B. blau mit Brillantblau extra erünlich. Viel Vorteil bringt das
aber nicht, weilman sie ohne Färbung auch leicht beobachten kann.
Nicht allein auf die oben angegebene Weise, sondern auch
auf verschiedene andere Weisen hahe ich die Zellwand von Oedo-
gonium studiert. Außer mit in dem Flemming’schen Gemisch
sehärtetem Material wurde auch experimentiert mit lebendigem
Material und Alkoholmaterial. Bei der Untersuchung wurden ver-
schiedene Reagentien angewendet, wie ich an den betreffenden
Stellen erwähnen werde.
Material.
In der Umgebung von Steenwyk fand ich mehrere Oedogonium-
Arten. Bei der Untersuchung der dickeren Arten zeigte es sich,
daß der Ring bei der einen Art kräftiger entwickelt war als bei
der andern, während seine Form bisweilen auch verschieden war.
Unter diesen Arten war eine, die mir für das Studium des Ringes
besonders geeignet vorkam. Mit derselben habe ich meine Ver-
suche angestellt. Ihre Merkmale stimmen vollkommen überein mit
denen, welche Hirn (I, S. 252 ff.) für Oedogomium cyathigerum
Wittr. angibt. Die Art ist besonders gekennzeichnet durch die
eigentümlich gebildeten Zwergemännchen, die sich oft in großer
Zahl auf den angeschwollenen Oedogonium-Stützzellen festgesetzt
haben. Wie Hirn, konnte ich feststellen, daß die Zweremännchen
nicht einzellig sind. Immer konnte ich zwischen Antheridium und
Fußzelle eine zarte Querwand beobachten. Diese befindet sich,
wie Hirn erwähnt, an der Stelle, wo das Zweremännchen rinesum
wie eingeschnürt ist. Wenn man die Oospore zerdrückt, zeigt ihre
Membran längslaufende Streifen.
Über die chemische Natur der Zellwand und des Ringes.
Wie bei anderen Alsen ist bei Oedogomium die Cellulose ein
bedeutender Bestandteil der Zellwand. Auf verschiedene Weise
kann sie nachgewiesen werden. Mit COhlorzinkjodlösung und mit
Jodjodkalilösung und einigermaßen verdünnter Schwefelsäure (4 Teile
Schwefelsäure von 95%, mit 1 Teil Wasser) zeigt die Zellwand
und auch der Ring die bekannte Blaufärbung. Besonders wenn sie
vorher einige Augenblicke mit Kaliumchlorat und Salpetersäure er-
wärmt sind, ist die Cellulosereaktion mit Jod und Schwefelsäure sehr
deutlich. Nach einer Maceration von einigen Tagen in Kupferoxyd-
ammoniaklösune gibt die Zellwand mit den obengenannten Reagentien
noch eine starke Üellulosereaktion. In dieser Hinsicht ist also die
Zellwand von Oedogonvium verholzten Zeilwänden!) ähnlich, denen
ı) van Wisselingh, O., Mikrochemische Untersuchungen über die Zell-
wände der Fung?., (Jahrb, für wiss. Botanik, 1897. S. 634.)
van Wisselingh. Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 163
man mittelst Kupferoxydammoniaklösung auch nicht alle Cellulose
entziehen kann, was mit anderen cellulosehaltenden Zellwänden
wohl der Fall ist. Auf dieselbe Weise wie bei verholzten Zell-
wänden kann man auch bei Oedogonium die Löslichkeit der Cellu-
lose in Kupferoxydammoniaklösung nachweisen. Erwärmt man
Zellwände bis 300° in Glycerin, so leistet die Cellulose Widerstand,
während andere Bestandteile unter Zersetzung aus der Zellwand
entfernt werden. Das Üelluloseskelett, das die Zellwand und der
Rine zurücklassen (Fig. 6 und 7), löst sich sogleich in Kupferoxyd-
ammoniaklösung.
Aus Obigem geht hervor, dab bei Oedoyonium die Zellwand
nicht nur aus Cellulose, sondern auch aus anderem Membranstoff
besteht. Darum studierte ich das Verhältnis der Zellwand ver-
schiedenen Reagentien gegenüber. Mit Phlorogluein und Salzsäure
wurde keine Färbung erhalten. Die Erwärmung mit Kaliumchlorat
und Salpetersäure und konzentrierter Kalilauge führte nicht zu
Resultaten, welche die Reaktionen, die man bei verkorkten und
kutikularisierten Zellwänden beobachtet, ähnlich sind. In vierzig-
prozentiger Chromsäure löst sich die Zellwand bald vollständig auf.
Mit Rutlieniumroth nimmt die Zellwand eine hellrote Farbe an,
indem der Ring stärker gefärbt wird. Durch Brillantblau extra
erünlich in neutraler Lösung wird die Zellwand nicht gefärbt. Be-
merkenswert ist die Violettfärbung mit Jodjodkalilösung nach Er-
wärmung bis 300° C in Glyzerin. Die ganze Zellwand und auch
der Ring zeigt diese Färbung.
Die obenerwähnten Resultate verbreiten wenig Licht über die
chemische Natur der Membranstoffe, die sich nebst der Cellulose
in der Zellwand finden. Es eibt keinen Grund, an Verholzung,
Verkorkung oder Kutikularisierung zu denken. Gibt man speziell
acht auf die chemische Natur des Ringes, so kann man leicht fest-
stellen, daß in demselben ein ganz besonderer Membranstoff vor-
kommt.
Der Ringe nimmt mit Jodjodkalilösung, auch ohne vorher-
gehende Erwärmung in Glyzerin, eine deutliche, doch nicht starke
violette Farbe an. Nach Hinzufügung verschiedener Reagentien
schwillt er auf. Mit Jodjodkaliumlösung allein ist das schon der
Fall (Fig. 3); stärker wird die Aufschwellung, wenn darauf Schwefel-
säure von 76°, hinzugefügt wird. Der Ring zeigt dann Cellulose-
reaktion; er wird nämlich blau gefärbt. Nach Erwärmung bis 300°
in Glyzerin ist die Substanz, die so leicht Aufschwellung veranlaßt,
aus dem Ring entfernt. Der Rest des Ringes (Fig. 6, j und Fig.
7, m) ist dann löslich in Kupferoxydammoniaklösune.
Wie der Ring, schwillt auch der äußere Teil der Zellwand
in ‚Jodjodkaliumlösung schon auf (Fig. 3, @). Die Aufschwellung
wird ınit Schwefelsäure von 76°, viel stärker. Nach der Hinzu-
fügung der Jodjodkaliumlösung kann man oft bei dem äußeren stark
aufgeschwollenen Teil eine schwache Violettfärbung wahrnehmen.
Nur eine sehr zarte Schicht an der Peripherie (Fig. 3, r,) hat mit
Jod eine gelbe Farbe angenommen. Nach der Hinzufügung der
76 prozentigen Schwefelsäure scheint mit Ausnahme des gelbgefärbten
I
164 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium.
peripherischen Schichtchens (Fig. 3, r,) der äußere Teil der Zell-
wand (Fig. 3, a) farblos, oder derselbe zeigt nur eine schwache
Cellulosereaktion; er ist nämlich hellblau gefärbt, während der
innere Teil der Zellwand (Fig. 3, e) dunkelblau gefärbt ist. Be-
handelt man Material, das bis 300° in Glycerin erwärmt ist, mit
Jodjodkaliumlösung und Schwefelsäure von 76°/,, so kann man die
äußere farblose oder nur hellgefärbte Schicht nicht unterscheiden,
weil der stark aufschwellbare Bestandteil aus der Zellwand ent-
fernt ist.
AusObigem geht schon hervor, daß die chemische Natur des
äußeren Teils der Zellwand der des Ringes ähnlich ist. Bei dem
Ringe, der in Vergleichung mit dem äußeren Teil sehr dick ist,
sind die Farbereaktionen aber viel deutlicher. Noch mehr zeiet
sich die Übereinstimmung, wenn man Material, das in dem Fiem-
ming’schen Gemisch gehärtet worden ist, untersucht. Der Ring
und die äußere Schicht der Zellwand bekommen in diesem Gemisch
sanz andere Eigenschaften. Anstatt bald aufzuschwellen nach
Hinzufügung verschiedener Reagentien, leisten sie lange Widerstand,
ohne daß dabei ihre Gestalt modifiziert wird. Eigentümlich sind
die Erscheinungen, die sich bei der Einwirkung der Chromsäure
darbieten. Der innere Teil der Zellmembran löst sich unter starker
Aufschwellunge und bisweilen unter Entstehung vieler Falten auf,
während der Ringe und der äußere Teil sehr lange Widerstand
leisten (Fig. 4).
Die Membran der Fußzelle unterscheidet sich von den Mem-
branen der anderen Zellen dadurch. daß an ihrer Außenseite die
obenbeschriebene Schicht fehlt.
Die Struktur der Zellen.
Bei Beobachtung der zierlichen Pflänzchen bemerkt man so-
gleich, daß ihre Zellen sehr verschiedener Größe sind. Bei den
von mir untersuchten Exemplaren wechselte die Länge der. Zellen
ab. von 44—140 u; einige waren noch bedeutend länger. Die
Dicke der Zellen war 18—36 u. Bei demselben Exemplar haben
die Zellen bisweilen sehr verschiedene Dimensionen. In der Rich-
tung vom Scheitel nach dem Fuß folgen auf dünne Zellen bisweilen
plötzlich dicke. Pflänzchen, die aus wenigen Zellen: bestehen.
zeieen bisweilen schon diese Erscheinung (Fig. 43 und 49). Im
Allgemeinen sind die Zellen zylinderförmige. Die Querwände sind
gewöhnlich mehr oder weniger nach oben gewölbt. Bei genauer
Betrachtung, und zumal bei der Untersuchung des im Flemming-
schen Gemisch gehärteten Materials, ergibt sich, daß die Struktur
der Membran bei den verschiedenen Zellen der Hauptsache nach
eine treffende Ähnlichkeit zeigt und in Einzelheiten dennoch eine
merkwürdige Verschiedenheit.
Wie im vorigen Abschnitt schon erwähnt ist, Kann man bei
der Zellwand einen äußeren und einen inneren Teil unterscheiden.
Den äußeren Teil (Fig. 3, « und 5) werde ich der Bequemlichkeit
wegen Bekleidung nennen. Der Name Cuticula ist nicht ge-
van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedoyonium. 165
eignet, weil seine physische und chemische Natur und seine Ent-
stehungsweise ganz anders sind als bei der gewöhnlichen Cuticula.
Die Bekleidung enthält sehr wenig Cellulose, aber viel einer Sub-
stanz, die in verschiedenen Reagentien aufschwillt und in dem
Flemming’schen Gemisch gehärtet wird. Der innere Teil (Fig. 9, e),
den ich Cellulosewand nennen werde, enthält dagegen viel Cellulose.
Nach Härtung des Materials in dem Flemming’schen Gemisch
kann man mittelst einer 2Oprozentieen Chromsäurelösung den äußeren
Teil isolieren durch Auflösung des inneren Teils. Man sieht, daß
der innere Teil aufschwillt und sich bisweilen faltet, während der
äußere Widerstand leistet und seine Form beibehält. Darauf brechen
die Zellen voneinander und sucht der innere Teil einen Ausweg
nach außen. Zuletzt hat sich der innere Teil ganz aufgelöst, wäh-
rend der äußere frei umherschwimmt, ohne daß seine Form ver-
ändert worden ist (Fig. 2, @« und Fie. 4, « und 5b). Während des
Lösungsprozesses kann man den äußeren Teil scharf von dem
inneren unterscheiden; man kann genau feststellen, was seine Form
ist und in welchem Maße und auf welche Weise er teilnimmt an
der Zusammensetzung der Zellwand. Der innere Teil der Zellwand
ist dicker als der äußere und aus Schichten zusammengesetzt. Die
Schiehtung konnte ich am besten wahrnehmen nach Erwärmung
während einieer Augenblicke in einem Gemisch von Salpetersäure
und Kaliumchlorat und nach Blaufärbung durch Jodjodkaliumlösung
und einigermaßen verdünnte Schwefelsäure (76 °/). Der an das
Lumen stoßende Teil der Cellulosewand löst sich in Chromsäure-
lösung bisweilen nicht so baldaufals der an die Bekleidung stoßende
Teil und gibt bisweilen auch etwas stärkere Üellulosereaktion.
Die Bekleidung befindet sich ausschließlich an der Peripherie
der Pflänzchen. Der innere Teil der Zellmembran nimmt samt der
dünnen Mittellamelle teil an der Bildung der Querwände. Bei der
vollständig ausgebildeten Querwand ist die Mittellamelle schwer zu
unterscheiden, indem sie beiderseitie von der Öellulosewand bedeckt
wird. Die Bekleidung hat im einfachsten Fall die Form eines
hohlen Zylinders, der an beiden Enden offen ist, während man die
Cellulosewand mit einem allseitie «eschlossenen Sack vergleichen
kann. Die Bekleidungen der verschiedenen Zellen liegen nahe bei-
einander, aber berühren einander niemals. Immer sind sie durch
die Cellulosewand getrennt. Die Bekleidung ist oft an einem Ende
erweitert oder verengt; bisweilen ist das an beiden Enden der Fall
(Fig. 4, «). Häufig besteht die Bekleidung nicht nur aus einem
zylinderförmigen Zellwandteil, sondern außerdem auch noch aus
einem oder mehreren besonderen schmalen ringförmigen Teilen
(Fig. 4, 5b). Bisweilen konnte ieh sogar fünf oder sechs derartige
ringförmige Bekleidungsstücke an einer Zelle unterscheiden. Diese
befinden sich an ihrem oberen Ende Die Teile der Zellwand,
welche die ringförmigen Bekleidungsstücke tragen. ragen an ihren
unteren Enden etwas hervor. Demzufolge scheint die Zellwand
quer gestreift (Fig. 1 unten und Fig. 8). Kinige Zellen umfassen
mit ihrer Zellwand mehr oder weniger die angrenzenden, näher
beim Scheitel sich befindenden Zellen (Fig. Il oben). Bisweilen ist
166 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogomium.
diese Erscheinung sehr auffallend. Es gibt Zellen, die größtenteils
von den Wänden anderer Zellen mit einer Art von Scheide um-
seben sind. Die Bekleidung bedeckt diesen scheidenförmigen An-
hang (Fig. 1, f) an der Außenseite, wo derselbe elatt ist. An
der Innenseite kann man herumlaufende, ein wenig einspringende
Leisten unterscheiden. Die scheidenförmigen Teile zeigen dem-
zufolge Querstreifung.
Merkwürdig ist die Bekleidung bei der Scheitelzelle. Die
Scheitelzelle ist gewöhnlich etwas zugespitzt, bisweilen abgerundet.
Im einfachsten Fall bildet die Bekleidune ein Ganzes, das am
Scheitel geschlossen und unten offen ist und das gleichmäßige die
innere cellulosereiche Wand bedeckt (Fig. 17 und 18, ec; Fig. 21
und 22, c). (Die Figur 17 stellt das in dem Flemming’schen Ge-
misch gehärtete Objekt vor und die dazu gehörige Figur 18 das-
selbe nach Einwirkung von Chromsäure Für andere zueinander
gehörige Figuren gilt dasselbe) In anderen Fällen besteht die
Bekleidung der Scheitelzelle aus zwei Teilen, einem zylinderförmigen
und einem mehr oder weniger kegelförmigen bis halbkuselförmigen
(Fig. 23 und 24, a, d). In wieder anderen Fällen befinden sich
zwischen diesen beiden Teilen noch ein oder mehrere schmale
ringförmige Bekleidunesstücke (Fig. 25 und 26, b; Fig. 27 und 28, b).
Dann und wann ist der Scheitel mit einem losen Mützchen
versehen (Fig. 35, «), das aus cellulosehaltigem Membranstoft be-
steht und das auch nach Härtung in dem Flemming’schen Ge-
misch in Chromsäurelösung sich ganz löst oder einen oder ein paar
Ringe zurückläßt (Fig. 36, «,). Bisweilen hat das Mützchen eine
napfförmiee Bekleidung, zu welcher noch ein oder mehrere ring-
förmige Teile hinzukommen können (Fig. 37, «; Fig. 38, d, b;
Fig. 39, «; Fig. 40, d, b).. Die Bekleidung dieses Mützchens
kommt in chemischer Hinsicht mit den Bekleidungen der Zellen
völlig überein.
Oft besteht die Bekleidung der Scheitelzelle nur aus einem
zylinderförmigen Teil (Fig. 20, «a; Fig. 30, « oben), indem am
Scheitel die Bekleidung fehlt (Fig. 19, h; Fig. 29, h). Die Scheitel-
zelle ist dann oft abgerundet oder stumpf. Bisweilen befinden sich
im Scheitel am oberen Ende der zylinderförmigen Bekleidung ein
oder ein paar Ringe, die, wie die Bekleidung, der Einwirkung von
Chromsäure, Widerstand leisten (Fig. 31 und Fie. 32, 5).
Die Fußzelle ist oben gewöhnlich dicker als die anderen
Zellen; sie läuft nach unten eng zu und breitet sich dann zu einem
platten, vielästigen Fuß aus. Ihre Wand ist dicker als die Wände
der anderen Zellen und was sehr merkwürdig ist, die Bekleidung
fehlt. (Vergleiche Fig. 17—20, 43—52.)
Bei einigen sehr großen Zellen konnte ich zwei und drei un-
vefähr gleichgroße zylinderförmige Bekleidungsstücke unterscheiden
(Fie. 41 und 42, a).
In dem Abschnitt über die Verschiedenheiten bei der Spaltung
der Zellwand wird es sich zeigen. woher die große Verschiedenheit
der Zellwände kommt,
van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedoyonium. 167
Die Struktur des Ringes.
Der Zellwandring bildet sich im oberen Ende der Zellen.
Wenn er vollständig entwickelt ist, d. h. kurz bevor die Zellwand
berstet und er sich streckt, ist er unmittelbar an der Zellwand
befestigt (Fig. 15, ©). Die Verbindungsstelle ist dann nicht be-
sonders schmal. Wenn aber der Ring noch nicht ganz entwickelt
ist, sitzt er auf einer schmalen niedrigen Leiste (Fie. 1, %; Fig. 5, %k).
Bei dem Ring habe ich zwei Teile unterscheiden können, eine
peripherische, an das Zelllumen stoßende Schicht (Fig. 3, q und 5, q)
und einen inneren Teil (Fig. 3, p; Fig. 5, p). Cellulose und der
schon oben erwähnte eieentümliche Membranstoff kommen in beiden
Teilen vor, doch die peripherische Schicht ist bedeutend reicher
_ an Cellulose als der innere Teil. Wenn der Ring noch nicht voll-
kommen entwickelt ist, setzt sich die peripherische Schicht in die
Leiste und ein wenig in die Zellwand das Lumen entlang fort
(Fig. 5, g). Eine Schichtung habe ich bei dem Ring nicht wahr-
nehmen können. Die obenerwähnten Einzelheiten sind mit Hilfe
von Reagentien festgestellt, wie es sich unten zeigen wird.
Wenn man den Ring mit Jodjodkaliumlösung behandelt, so
wird er violett gefärbt, und wenn man dann 76 prozentige Schwefel-
säure hinzufügt, so zeigt er Cellulosereaktion. Die peripherische
Schicht ist dann deutlich dunkler blau gefärbt als der innere Teil.
Wenn die Zellwand geborsten ist und der Ring sich mehr oder
weniger ausgedehnt hat, so kann man beide Teile besonders gut
unterscheiden (Fig. 3, p, 9).
Durch Erwärmung in Glyzerin bis 300° © wird der Membran-
stott, der dem Ring seine besonderen Eigenschaften verleiht, ent-
fernt. Besonders wenn die Zellwand schon gespalten ist, kann
man beobachten, daß aus dem inneren Teil des Ringes sich mehr
Membranstoff aufeelöst hat als aus dem peripherischen Teil, der
reicher an Cellulose ist. Der Rest des Ringes (Fig. 7, »n) ist der
Hauptsache nach als der Celluloserest der peripherischen Schicht
zu betrachten. Wenn die Zellwand noch nicht gespalten ist, so
zeigt sich der Ring nach Erwärmung in Glyzerin wie folgt: Er ist
dünner geworden und hat sich etwas zusammengezogen. Er scheint
mittelst zwei dicht nebeneinander gestellten, gespannten Häutchen
an der Zellwand befestigt zu sein (Fig. 6, /,),. Diese Häutchen
müssen der Hauptsache nach betrachtet werden als Cellulosereste
der peripherischen Schicht.
Wie schon oben gesagt, wird der Ring in dem Flemming-
schen Gemisch gehärtet. Mittelst Chromsäure kann man ihn dann
von der Zellwand lösen. Während und nach der Auflösung der
Zellwand kann man an dem Ring verschiedenes beobachten.
An dem isolierten, vollständig entwickelten Ring Kann man
zu beiden Seiten der Befestigungsstelle ein einigermaßen hervor-
ragendes Leistchen wahrnehmen (Fig. 4, s). Bei verschiedener
Einstellung zeigen sich diese Leistchen wie zwei Pünktchen oder
zwei Streifehen. Auch vor der Einwirkung der Chromsäure sind
ie beiden Streifehen zu unterscheiden.
168 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium.
An noch nicht vollständige entwickelten Ringen sieht man,
wenn man sie von der Zellwand gelöst hat, an der Befestigungs-
stelle zwei umgebogene Häutchen (Fig. 4, t; Fig. 22, t, Fig. 24, t
oder Fig. 26, t). Diese gehören zu der peripherischen Schicht,
die sich in die Leiste, auf welcher der Ring sitzt, und auch etwas
in die Zellwand dem Lumen entlang fortsetzt. Während der Chrom-
säureeinwirkung ist die peripherische Schicht besonders deutlich
zu beobachten. Man kann genau wahrnehmen, daß das Vorkommen
des in dem Flemming’schen Gemisch „ehärteten Stoffes in der
innersten Schicht der Zellwand bis auf geringe Entfernung der
Befestigungsstelle des Ringes beschränkt ist (Fig. 5, q).
Die Entwicklung des Ringes.
Der Anfang des Ringes ist eine kleine, ringförmige Erhaben-
heit an der Innenseite der Zellwand (Fig. 8, !; Fig. 29, 7). Wenn
diese von einiger Bedeutung geworden ist, so zeigt sie sich bei
verschiedener Einstellung wie ein Pünktchen oder ein Streifchen.
Behandelt man in dem Flemming’schen Gemisch gehärtetes Ma-
terial mit Chromsäurelösung, so läßt die Zellwand, wo die Erhaben-
heit sich befindet, einen zarten Ring zurück (Fig. 9, !; Fig. 30, 7).
Die Entstehung des Ringes ist also mit dem Auftreten eines be-
sonderen Membranstoffs verbunden. Während der weiteren Ent-
wicklung des Ringes nimmt die Erhabenheit an Umfang zu und
bei bestimmter Einstellung kann man bald einen doppelten Streifen
beobachten. Allmählich bildet sich eine runde Leiste oder Ring,
der auf einer schmalen, niedrigen Erhabenheit an der Zellwand
festsitzt. Den besonderen Membranstoff, der bei der Ringbildune
entsteht, kann man jetzt auch in der an das Lumen stoßenden
Schicht der Zellwand bis auf geringe Entfernung der Befestigungs-
stelle des Ringes wahrnehmen, nämlich wenn man gehärtetes Ma-
terial mit Chromsäurelösung behandelt (Fig. 5). Während seiner
weiteren Entwicklung wird der Ring dicker und breiter und ver-
schwindet allmählich die schmale niedrige Leiste, worauf er sitzt.
Wenn er vollständig ausgebildet ist. ist er unmittelbar mit der
Zellwand vorbunden (Fig. 15). Die modifizierten Teile der Zell-
wand zu beiden Seiten der Befestigungsstelle werden während des
Dickenwachstums des Ringes einwärts umgebogen und werden zu-
vleich ein Teil desselben. Sie bilden die beiden herumlaufenden
Leistehen (Fig. 4, s; Fig. 16, s) des vollkommen entwickelten
Ringes, dessen Verbindunesstelle breiter geworden ist. Sowohl die
völlige ausgebildeten als die noch wenige entwickelten Ringe zeigen
dieselbe innere Struktur: bei beiden kann man eine peripherische
Schicht unterscheiden, die reicher an Cellulose ist als der innere Teil.
Auf die Frage, ob man annehmen muß, daß bei der Ent-
stehung und während der Entwicklung des Ringes Apposition oder
Intussusception von Membranstoff, oder beide Prozesse stattfinden,
muB geantwortet werden, daß die Bildung des Ringes nicht erklärt
werden kann durch die Annahme, daß ausschließlich Apposition
stattfindet, daß man dagegen wohl eine einfache ungezwungene Er-
van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 169
klärung geben kann, wenn man ausschließlich Intussusception an-
nimmt. Die gemachten Beobachtungen reichen nicht aus, um zur
Annahme zu führen, daß neben Intussusception auch Apposition
stattfindet.
Wie oben erwähnt, ist die Rinebildune verbunden mit dem
Auftreten eines besonderen Membranstoffes in der an das Lumen
stoßenden Schicht der Zellwand. Dabei findet sehr wahrscheinlich
Intussusception statt. Eine Abänderung des schon vorhandenen
Membranstoffs halte ich in Verbindung mit der weiteren Entwick-
lung des Ringes für unwahrscheinlich. Bei dem Ringe findet wäh-
rend seiner Entwicklung Zunahme des eigentümlichen Membran-
stoffes statt, denn obgleich er viel dicker wird, bleibt seine Resistenz
der Chromsäure gegrenüber dieselbe Weil die Zunahme auch inner-
halb der peripherischen Schicht stattfindet, so ist man wohl fast
gezwungen, auch beim Dickenwachstum des Ringes Intussception
anzunehmen.
Je nachdem der Ring dicker wird, nimmt auch der Cellulose-
gehalt zu, denn der Celluloserest, den er nach Erwärmung in
Glyzerin bis auf 300° zurückläßt, ist bedeutender, je nachdem der
Ringe dicker ist. Eine Apposition von Öellulose an dem Ring wäh-
rend seines Dickewachstums kann mit Hilfe verschiedener Reagentien
nicht nachgewiesen werden. Die Zunahme des Üellulosegehalts
des Ringes findet also sehr wahrscheinlich auch durch Intussus-
ception statt.
Wenn man das Wachstum des Ringes durch Apposition zu
erklären sucht, so gelangt man zu viel komplizierteren Vorstellungen
und man stößt dabei auf große Schwierigkeiten. Man würde dann
annehmen müssen, daß die peripherische Schicht an der Seite des
Lumens immer anwachse und an der anderen Seite sich zu gleicher
Zeit modifiziere; das heißt, daß sie celluloseärmer werde. Die
Zunahme des eigentümlichen Membranstoffs innerhalb der peri-
pherischen Schicht und das erste Auftreten derselben in der Zell-
wand können aber durch Apposition nicht erklärt werden; für diesen
Membranstoft muß man deshalb wohl Intussusception annehmen oder
man würde annehmen müssen, daß sie z.B. durch eine Modifikation
der Cellulose entstehe.e Meine Untersuchungen haben aber keine
Resultate geliefert, auf deren Grund man eine Modifikation der
peripherischen Schicht oder eine Umsetzung der Cellulose in die
eieentümliche Ringsubstanz annehmen darf.
Die Weise, auf welche der Ring in verschiedenen Entwick-
lungsstadien an der Zellwand befestigt ist, ist auch schwierig mit
einer Bildung durch Apposition in Einklang zu bringen. Die solide
Befestigung des Ringes, und besonders der Übergang der peripheri-
schen Schicht in die an das Lumen erenzende Zellwandschicht,
weisen auf eine andere Bildungsweise hin.
Nimmt man ausschließlich Intussusception an, so ist es leicht,
eine einfache Vorstellung der Entstehung und der Entwicklung des
Ringes zu geben, welche vollkommen mit allen Beobachtungen in
Übereinstimmung ist. Der Prozeß fängt in der Zellwand an, und
zwar in der an das Lumen stoßenden Schicht. In derselben er-
170 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium.
scheint durch Intussusception ein besonderer Membranstoff. Zu-
eleich entsteht an der Innenseite der Zellwand eine kleine, ring-
förmiee Erhabenheit, wobei der innerste Teil der Zellwand eine
Falte bildet. Durch Intussusception bildet diese Erhabenheit sich
zu dem Zellwandrine aus. Es findet dabei sowohl Intussusception
der eieentümlichen Rinesubstanz als anderen Membranstoffs statt.
In der peripherischen Schicht, die in den innersten Teil der Zell-
wand übergeht und sich als eine Falte desselben zeigt, findet be-
sonders Intussusception von Üellulose statt.
Die Bildung der Tochterzellen.
Die Zellwand berstet, wo der Ring an ihr befestigt ist. Die
Spaltung fängt an ihrer Außenseite genau geerenüber der Mitte der
Befestigungsstelle an und schreitet einwärts fort bis an den Ringe,
aberin dem Ring selbst entstehtkeine Spalte. Der Ringe dehnt sich nach
der Spaltung: schnell aus (Fig. 8, m; Fig. 9, m; Fig. 10, m; Fig.
11, m) und bildet ein neues zylinderförmiges Membranstück zwischen
den alten Membranteilen, an welchen es befestigt ist (Fig. 12, n).
Das neue Membranstück wird ein Teil der oberen Tochterzelle.
Oft dehnt der Ring sich gleichmäßige aus; es kommt aber auch vor,
daß die Ausdehnung an der einen Seite etwas eher anfänet als an
der anderen Seite (Fig. 10, m; Fig. 11, mn).
Wenn der Ring sich streckt, hat die Scheidewand sich schon
gebildet. Sie entsteht zwischen den beiden Toochterkernen als eine
lose Platte (Fig. 8, v; Fig. 10, v). Während der Streckung des
Ringes wird sie nach oben geschoben. Sie wandert nach dem
neuen, zylinderförmigen Membranstück. Wenn sie in das untere
Ende desselben eelanet ist, hört die Verschiebung auf. Die Platte
bleibt da mit ihrem Rande an der Wand festsitzen (Fig. 12, »).
In den beiden Tochterzellen entsteht jetzt durch Apposition
eine Wand, die im Gegensatz mit dem neuen zylinderförmigen
Membranstück reich an Cellulose ist. Die beiden neuen Wände
bedecken überall die Zellwand an der Innenseite. Demzufolge wird
die neue Querwand an beiden Seiten von einer cellulosereichen
Wand bedeckt. Das neue zylinderförmige Membranstück wird an
der Innenseite bedeckt. Es wird so zur Bekleidung der CGellulose-
wand.
Man ist wohl gezwungen, anzunehmen, daß die cellulosereichen
Wandschichten, welche in den Tochterzellen entstehen, durch
Apposition gebildet werden, weil man doch nicht annehmen kann.
daß sie an verschiedenen Stellen aus drei ganz verschiedenen
Membranteilen entstehen, nämlich aus dem gestreckten Ring, aus
der dünnen Scheidewand und aus der alten Cellulosewand. Die
Frage, ob die Öellulosewand nach ihrer Entstehung auch durch
Intussusception wachse, bleibt hier unberücksichtigt.
Wie oben erwähnt, unterscheidet das an das umgebende Medium
stoßende Schichtchen der Bekleidung sich durch Gelbfärbung, wenn
man die Zellwand mit Jodjodkaliumlösung und Schwefelsäure oder
allein mit Jodjodkaliumlösung behandelt. Diese Modifikation konnte
van Wisselineh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 171
ich nicht unmittelbar nach der Spaltung der Zellwand beobachten,
wenn der Ring sich zu strecken anfängt, sondern wohl bei etwas
späteren Entwicklungsstadien. Die «eringe Modifikation entsteht
also sehr wahrscheinlich auch unter dem Einfluß des umgebenden
Mediums. E
Bei der jungen, dünnen, noch losen Querwand habe ich
auf verschiedene Weise versucht, Üellulose nachzuweisen. Es ist
mir aber nicht gelungen. Nach Erwärmung bis auf 300° in Glyzerin
konnte ich auch nicht bemerken, daß sie einen Rest hinterlassen
hätte. Man darf also annehmen, daß sie keine Cellulose oder nur
sehr seringe Spuren davon enthält. Bei der jungen Querwand
habe ich weiter untersucht, ob sie überall zugleich entstehe, ob
der Rand sich zuerst bilde und später der mittlere Teil, oder ob
sie sich vielleicht auf eine andere Weise entwickele. Bei Be-
handlung des indem Flemming’schen Gemisch gehärteten Materials
konnte ich während der Auflösung des Cytoplasmas feststellen, dab
die dünne Querwand sich anfangs nur durch den mittleren Teil
des Protoplasten ausbreitet. Später. breitet sie sich bis an die
Zellwand aus, wobei das wandständige Chromatophor durchschnitten
wird. Bei der Untersuchung von lebendigem Material habe ich
auch auf diese Erscheinung acht gereben und ich sah, daß die
Änderung, die das Chromatophor während der Teilung erleidet, auf
eine Durchschneidung in zentrifugaler Richtung hinweist.
Verschiedenheiten bei der Spaltung der Zellwand.
Oben habe ich die Bildung der beiden Tochterzellen im all-
semeinen beschrieben. Der Ring nimmt einen bedeutenden Anteil
an der Membranbildung der oberen Tochterzelle. Entstanden in
der innersten Zellwandschicht, bildet er wie durch einen Zauber-
schlage den äußeren Teil eines neuen Membranstückes. Die Spal-
tung der alten Zellwand geht dieser merkwürdigen Erscheinung
voran. Diese Spaltung zeigt Verschiedenheiten, die mit Eigen-
tümlichkeiten der Zellwand und mit der Stelle des Ringes in Ver-
bindung stehen. Unten werde ich die verschiedenen Fälle be-
handeln, die sich bei der Spaltung ereignen können.
Wie oben erwähnt, spaltet nur die alte Zellwand. Diese ist
aus zwei verschiedenen Schichten zusammengesetzt, von denen ich
die äußere die Bekleidung und die innere die Öellulosewand ge-
nannt habe. In einigen Fällen spalten sich diese beiden Schichten,
in anderen Fällen spaltet sich nur die innere Schicht. Wenn beide
Schichten spalten (Fig. 8 und 9, untere Zelle), wird die Bekleidung
in zwei Stücke zerteilt, die sehr verschiedener Länge sind; das
obere Stück hat die Form eines platten Ringes (Fig. 9, unteres
Stück 5); das untere Stück ist zylinderförmig (Fig. 9, unteres
Stück @). Wenn in der oberen Tlochterzelle der Zellteilungsprozeb
sich wiederholt, nimmt der neue Zellwandring eine solche Stellung
ein (Fig. 1, j, unten), daß bei der Spaltung der Zellwand die zu-
letzt gebildete Bekleidung auch wieder in zwei ungleiche Stücke
zerteilt wird, nämlich ein kurzes oder ringförmiges oberes, und ein
172 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonsum.
langes oder zylinderförmiges unteres. Das ringförmige Stück ist
vewöhnlich ebenso breit wie das früher gebildete. Wenn der Prozeß
sich einige Male in der oberen Tochterzelle wiederholt, so bekommt
man zuletzt eine Zelle mit einer Bekleidung, die aus mehreren
ringförmigen Stücken und aus einem zylinderförmigen Stück besteht.
Wie ich schon oben erwähnt habe, können alle diese Bekleidungs-
stücke bei in Flemming’schen Gemisch gehärtetem Material durch
Chromsäure sehr deutlich nachgewiesen und leicht isoliert werden.
Aus Obigem zeht hervor, daß die ringförmigen Stücke von ver-
schiedenem Alter sind; das oberste ist das älteste. Wie die ring-
förmigen Bekleidungsstücke, so ist auch die cellulosereiche Zell-
wand, die sich unmittelbar unter diesen Bekleidungsstücken befindet,
von verschiedenem Alter. Die älteren Stückchen der Membran
ragen über die später gebildeten etwas hervor und demzufolge ist
die Zellwand mit herumlaufenden Rippen ausgestattet und zeigt
Querstreifen. Die hervorragenden Teile der Membran erhalten eine
schiefe Stellung und sind kleinen Kappen ähnlich (Fig. 1, 9; Fig. 8, 9).
Wie oben erwähnt, wird nicht immer bei der Spaltung der
Zellwand von der zylinderförmigen Bekleidung ein rineförmiges
Stück abgeschnitten (Fig. 10 und 11, untere Zelle). Die Bekleidung
bleibt dann während der Spaltung der Zellwand ein Ganzes (Fig. 11,«
unten) und nach der Einwirkung der Chromsäure findet man kein
rineförmiges Bekleidungsstück. Wenn dieser Fall sich ereignet,
spaltet sich nur die Cellulosewand. Die Stelle. die der Ring ein-
nimmt, ist dann hiermit in Übereinstimmung. Er befindet sich
hoch oder ganz oben in der Zelle dicht an der Stelle, wo die Be-
kleidungen von zwei Zellen sich nähern. Das neue, zylinderförmige
Membranstück, das aus dem Ring entsteht, wird die Bekleidung
der oberen Tochterzelle, und die schon vorhandene Bekleidung der
Mutterzelle wird die Bekleidung der unteren Tochterzelle. Dieser
letztere Fall scheint einfacher als der zuerst behandelte; er kann
jedoch Anlaß geben zur Entstehung von Zellen mit sehr komplizierter
Wandstruktur. Das alte Membranstück der unteren Tochterzelle
sreift etwas über die neue Membran der oberen Tochterzelle.
Wenn Ringebildunge und Spaltung der Zellwand sich wiederholen,
so wird der übergreifende Teil (Fig. 10, f; Fig. 1, f) immer größer.
Dieses rührt daher, daß die Stelle, die der Ring einnimmt und wo
die Zellwand berstet, sich jedesmal etwas niedriger befindet. Dem-
zufolge ist nach jeder Zellteilung die Hülle, welche die obere
Tochterzelle an ihrem unteren Teil umgibt, etwas größer geworden.
Diese Hülle zeigt Querstreifen, weil sie an der Innenseite mit
Rippen ausgestattet ist (Fie. 1, f). Die jüngeren Teile der Cellu-
losewand sind nämlich jedesmal etwas kürzer als die älteren. An
der Außenseite setzt die Bekleidung sich über die Hülle fort und
ist dieselbe glatt.
Oft findet sich unmittelbar unter einer Zelle, die mit einer
die höhere Zelle umgebenden Hülle ausgestattet ist, eine Zelle mit
mehreren Kappen (Fig. 1).
van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Vedogonum. 173
Die Scheitelzelle.
Wie oben erwähnt, ist bei der Scheitelzelle die Bekleidung
oft aus einem Stück gebildet. das die Cellulosewand an der Außen-
seite überall gleichmäßig bedeckt (Fig. 18, c). Es versteht sich
von selbst, daß eine derartige Bekleidung unmöglich aus einem
Ringe entstanden sein kann. Das ist denn auch nicht der Fall.
Sie entsteht aus einem Membranstück, das einem Näpfchen ähnlich
ist, dessen Rand an der Innenseite verdickt ist (Fig. 13, o; Fig. 33, 0).
Dieses Membranstück ist identisch mit dem Zellwandring. Beide
entstehen auf eine analoge Weise; ihre innere und äußere Struktur
zeigt wichtige Punkte der Übereinstimmung; ihr Verhältnis Reagentien
gegenüber ist ganz dasselbe und sie bilden unter ähnlichen Er-
scheinungen die äußere Schicht einer neuen Membran. Der napf-
förmige Zellwandteil bildet sich, wie der Ring, an der Innenseite
der Zellwand oben in den Zellen. Während Ringe sich in allen
Zellen bilden können, entstehen die napfförmigen Zellwandteile fast
ausschließlich in den einzelligen Keimpflänzchen und in den Scheitel-
zellen. Die Bildung dieser napfförmigen Zellwandteile ist, wie bei
dem Ring, verbunden mit einer Modifikation der innersten Schicht
der Cellulosewand, in welcher derselbe eigentümliche Membranstoff
entsteht, welchen man in dem Ringe findet. Demzufolge wird das
Näpfchen durch Jodjodkaliumlösung violett gefärbt und schwillt es
nach Hinzufügung verschiedener Reagentien selbst von Jodjodkalium-
lösung auf. In dem Flemming’schen Gemisch wird es gehärtet.
Es leistet dann der Einwirkung einer Chromsäurelösung Widerstand,
weshalb es isoliert werden kann (Fig. 14; Fig. 34, 0). Ebenso
wie bei dem Ringe gelingt es auch, bei dem Näpfchen mit Jodjod-
kaliumlösung und Schwefelsäure von 76 °/, eine Cellulosereaktion
zu erhalten. Die an das Lumen stoßende Schicht ist reicher an
Cellulose als der übrige Teil des Näpfchens.
Der dicke Rand des Näpfchens bildet sich auf ähnliche Weise
wie der Ringe. Er bekommt an der Außenseite auch ein Leistchen
(Fig. 14, s,; Fig. 34, s,), das dem unteren der beiden Leistchen,
die sich an dem Ring befinden, entspricht. An der Oberseite geht
der dicke Rand in den innersten modifizierten Teil der Zellwand
über. Unmittelbar über dem oben erwähnten Leistchen spaltet sich die
alte Zellwand bis an das Näpfchen. Das Näpfchen, besonders der
dicke Rand, dehnt sich nach der Spaltung aus (Fig. 35, 0; Fig. 36 0)
und bildet ein Membranstück von gleichmäßiger Dicke, das am
Scheitel geschlossen und unten offen ist (Fig. 18, ce). Der abee-
schnittene Teil der alten Wand der Scheitelzelle wird nach einiger
Zeit abgeworfen. Oft kann man beobachten, daß dieser einem
Mützchen ähnliche Zellwandteil noch auf der Scheitelzelle sitzt
oder an derselben hängt (Fig. 35, w). Nach der Spaltung der
Zellwand wandert die schon gebildete Querwand (Fig. 35, v) nach
dem neuen Membranstück und bleibt in dessen unterem Ende sitzen
(Fig. 12, v). In beiden Tochterzellen bildet sich darauf eine cellulose-
reiche Membran, die Cellulosewand. Der ausgewachsene napfförmige
Zellwandteil ist jetzt die Bekleidung der Scheitelzelle geworden,
174 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogomium.
Wenn eine Scheitelzelle, die eine Bekleidung hat, wie oben
beschrieben worden ist, sich teilt, so bildet sich in dem oberen
Ende gewöhnlich ein normaler Zellwandring (Fig. 21, j; Fig. 22,5).
Bei der Spaltung der Zellwand wird die Bekleidung dann in zwei
Stücke zerteilt, ein napfförmiges und ein zylinderförmiges. Letzteres
wird zur Bekleidung der unteren Tochterzelee Das napfförmige
und ein neues zylinderförmiges, das aus dem Zellwandring ent-
standen ist, werden zur Bekleidung der oberen Tochterzelle oder
neuen Scheitelzelle..e Wenn letztere sich teilt, so ist solches ge-
wöhnlich wieder mit der Bildung eines Zellwandringes verbunden.
Die Stelle, welche derselbe einnimmt, ist etwas mehr vom Scheitel
entfernt ‘als die Stelle des vorigen Ringes (Fig. 23, 5; Fig. 24, 7).
Bei der Spaltung der Zellwand wird demzufolge das zylinderförmige
Stück der Bekleidung in zwei ungleiche Stücke zerteilt, einschmales
ringförmiges und ein langes zylinderförmiges. Das vorhandene
napfförmige, das abgeschnittene ringförmige und das neue aus dem
Ring entstandene zylinderförmige Stück werden nun die Bekleidung
der neuen Scheitelzelle. Nach jeder Teilung in der Scheitelzelle
hat die Zahl der ringförmigen Bekleidungsstücke sich um eins ver-
mehrt (Fig. 25; Fig. 26). Ich konnte bisweilen drei derartige
Stücke unterscheiden (Fig. 27; Fig. 28, b).
Die erste Teilung in dem einzelligen Keimpflänzchen ist nicht
immer mit der Bildung eines napfförmigen Zellwandteils verbunden.
Es kann vorkommen, daß sich bei der ersten Teilung ein Zell-
wandring (Fig. 15, ?; Fig. 16) bildet, der sich nach der Spaltung
der Zellwand zu einem zylinderförmigen Membranstück ausdehnt
(Fig. 19; Fig. 20), welches zur Bekleidung der Scheitelzelle wird.
In diesem Fall wird die alte Cellulosewand am Scheitel nicht
abgeworfen, sondern sie bleibt erhalten (Fig. 19, %). Die neue
Cellulosewand legt sich dort an die alte. Weil die alte Cellulose-
wand dicker ist als die Bekleidung, so sieht die Scheitelzelle anders
aus als eine Scheitelzelle mit vollständiger Bekleidung (vergleiche
Fig. 17 und 19).
Wenn bei der Scheitelzelle der Zellteilungsprozeß sich auf
die obenerwähnte Weise wiederholt, so wird bei der Spaltung der
Zellwand von der zylinderförmigen Bekleidung ein schmaler Streifen
abgeschnitten (Fig. 29; Fig. 30). Dieser schmale ringförmige Streifen
und die neue zylinderförmige Bekleidung werden die Bekleidung der
oberen Tochterzelle, d.h. der neuen Scheitelzelle (Fig. 31; Fig. 32).
Wenn nun einer folgenden Zellteilung die Bildung eines Näpfchens
vorhergeht, so wird am Scheitel die vorhandene Öellulosewand als
Mützchen abgeworfen (Fig. 35, «.. Am Rande dieses Mützchens
findet man bisweilen einen oder ein paar Ringe, die bei dem im
Flemming’schen Gemisch gehärteten Material der Einwirkung
einer Chromsäurelösung Widerstand leisten (Fig. 36, «,). Es sind
rinsförmige Bekleidungsstücke, die von zylinderförmigen abgeschnitten
worden sind. Bisweilen haben diese Ringe nur eine sehr geringe
Dieke und man muß sie dann als Reste von mehr oder weniger
zurückgegangenen Bekleidungsstücken betrachten.
van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 115
Bisweilen kommt es vor, daß bei der Teilung einer Scheitel-
zelle, die mit einer vollständigen Bekleidung aus einem Stück oder
mit verschiedenen Bekleidungstücken, napf-, ring-undzylinderförmigen,
ausgestattet ist, sich anstatt eines gewöhnlichen Ringes ein napfför-
miger Zellwandteil bildet, der zur Bekleidung der oberen Tochterzelle
wird; das heißt der neuen Scheitelzelle. Scheitelzellen, die auf diese
Weise gebildet sind, zeigen ein sehr eigentümliches Mützchen (Fig.
37; Fie. 39). Die Cellulosewand des Mützchens ist nämlich mit
einer Bekleidung versehen, die aus einem oder mehreren Teilen. be-
steht, aus einem napfförmigen Teil und bisweilen auch noch aus
einem oder mehreren ringförmigen (Fig. 38, d, b; Fig. 40, d, b).
Nach der ersten Teilung sind die Teilungen in der Fußzelle
mit gewöhnlicher Ringbildung verbunden (Fig. 17, 7).
Über die Entwicklung der Keimpflänzchen überhaupt.
Wenn man die abnormen Fälle unberücksichtigt läßt, so bietet
die Entwicklung der Pflänzchen noch eine große Verschiedenheit
dar. Die verschiedenen Fälle, die sich bei der Längswandbildung
ereienen können, sind im Allgemeinen nicht an bestimmte Zellen
sebunden. Zudem folgen die Zellteilungen bei den verschiedenen
Pflänzchen durchaus nicht auf dieselbe Weise aufeinander. Dem-
zufolge sind die Pflänzchen oft von der ersten Teilung an schon
verschieden, besonders gilt das für die Bekleidung der verschiedenen
Zellen. Aus dem verschiedenen Verhalten der Bekleidung kann
man bisweilen auf die Weise schließen, in welcher ein Pflänzchen
sich entwickelt hat.
Bei der ersten Teilung in dem einzelligen Pflänzchen, welches mit
einem verzweigten Fuß an einem Blatt oder an etwas anderes befestigt
ist, können, wie oben erwähnt, zwei verschiedene Fälle vorkommen.
Die Scheitelzelle bekommt nämlich entweder eine vollständige
Bekleidung (Fig. 17; Fig. 18, ec) oder die Bekleidung fehlt am
Scheitel (Fig. 19, h; Fig. 20). Die folgende Teilung findet bald
in der Scheitelzelle, bald in der Fußzelle statt. Wenn die zweite
Teilung in der Scheitelzelle stattfindet, teilt sich darauf gewöhnlich
die Fußzelle, und wenn von beiden Zellen die Fußzelle sich zuerst
teilt, findet die dritte Teilung meistens in der Scheitelzelle statt.
Auf beide Arten erhält man ein vierzelliges Pflänzchen. Wenn
bei der ersten Teilung die Scheitelzelle eine vollständige Bekleidung
erhalten hat, besteht später die Bekleidung der Scheitelzelle beim
vierzellieen Pflänzchen aus zwei Stücken, einem zylinderförmigen
und einem kegel- oder halbkugelförmigen (Fig. 45; Fie. 46). Figur
43 stellt ein dreizelliges Pflänzchen vor, das sich wahrscheinlich
auf folgende Weise entwickelt hat: Bei der ersten Teilung Bildung
einer Scheitelzelle mit vollständiger Bekleidung (Fig. 44, c) und
die zweite Teilung in der Fußzelle. Wenn die dritte Teilung dann
in der Scheitelzelle stattfindet, so erhält man ein vierzelliges
Pflänzchen, wie oben erwähnt. Viele derartige vierzellige Pflänzchen
habe ich wahrgenommen, die sich vermutlich auf eine der ‚beiden
oben erwähnten . Arten entwickelt hatten. Mit Gewißheit Kann
176 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonsum.
das aber nicht gesagt werden, da auch noch eine andere Bildungs-
weise möglich ist, nämlich bei der ersten Teilung Bildung einer
Scheitelzelle mit einer zylinderförmigen Bekleidung, die zweite
Teilung in der Scheitelzelle und Bildung einer neuen Scheitelzelle
mit einer vollständigen Bekleidung. Man erhält auf diese Weise
auch ein dreizellives Pflänzchen, wie in Fieur 43 dargestellt ist.
Die dritte Teilung findet wieder in der Scheitelzelle statt, wobei
eine neue Scheitelzelle mit den zwei obengenannten Bekleidungs-
stücken gebildet wird. Daß wirklich die zweite und die dritte
Teilung in der Scheitelzelle stattfinden können, hat sich beim
Studium anderer Pflänzchen gezeigt. Ich untersuchte nämlich vier-
zellige Pilänzchen, wobei die Scheitelzelle mit drei Bekleidungs-
stücken versehen war, mit einem kegel- oder halbkugelförmigen,
einem ringförmigen und einem zylinderförmigen (Fig. 47; Fig. 48).
Daraus kann man schließen, auf welche Weise sie sich entwickelt
haben. Wenn die Scheitelzelle mit zwei Bekleidungsstücken aus-
gestattet ist, mit einem kegel- oder halbkugelförmigen und mit
einem zylinderförmigen, so hat wenigstens eine Teilung in der
Scheitelzelle stattgefunden. Wenn sich zwischen beiden Bekleidungs-
stücken noch ein ringförmiges befindet, so deutet das auf zwei
Teilungen in der Scheitelzelle hin, während zwei oder drei ring-
förmigre Bekleidungsstücke zwischen den beiden anderen drei oder
vier Teilungen in der Scheitelzelle anzeigen. Daraus folgt, dab
bei den letzgenannten vierzelligen Pflänzchen die zweite und auch
die dritte Teilung in der Scheitelzelle stattfanden. Eine andere
Erklärung kann in diesem Falle nicht gegeben werden. Scheitel-
zellen mit drei verschiedenen Bekleidungsstücken, wie oben erwähnt,
kommen bei zwei- und dreizelligen Pflänzchen nicht vor, während
eine Scheitelzelle mit zwei verschiedenen Bekleidungsstücken wohl
bei dreizelligen Pflänzchen, aber nicht bei zweizelligen vorkommen
kann. Bei zweizelligen Pflänzchen bildet die Bekleidung der Scheitel-
zelle immer ein Ganzes.
Das in Figur 49 dargestellte fünfzellige Pflänzchen ist ver-
mutlich aus einem dreizelligen Pflänzchen entstanden, wie in Figur 43
abgebildet ist, durch eine Teilung in der Scheitelzelle und eine
Teilung in der mittleren Zelle, wobei Bildung eines ringförmigen
Bekleidungsstückes stattfand (Fig. 50, b).
Wie oben erwähnt, erhalten die Pflänzchen oft schon bei der
ersten Teilung eine Scheitelzelle mit einer vollständigen Bekleidung.
In anderen Fällen findet das viel später statt. Ich konnte die
Bildung derartiger Scheitelzellen bei fünf-, sechs- und elfzelligen
Pflänzchen beobachten. Da nicht nur die Scheitelzelle, sondern
auch andere Zellen sich auf verschiedene Weise entwickeln, so
kann man bei den Pflänzchen, obgleich sie nur aus einer Zellen-
reihe gebildet sind, doch eine große Mannigfaltigkeit der Form
beobachten.
Abnorm entwickelte Zellen.
In einigen Fällen ist die Zellteilung offenbar gestört worden,
und zeigen die Zellen dementsprechend Abweichungen.
van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 177
Zwischen den normalen Zellen kommen bisweilen sehr große
Zellen mit großen Kernen vor, und mit einer Bekleidung, die aus
zwei oder drei ungefähr eleicheroßen zylinderförmigen Stücken zu-
sammengesetzt ist. Diese Zellen sind wahrscheinlich entstanden,
indem bei der Karyokinese der Kern sich nicht geteilt hat und die
Scheidewandbildung ausgeblieben ist!). Bei der Scheitelzelle und
der Fußzelle können ähnliche Erscheinungen vorkommen (Fig. 41;
Fig. 42).
Bei Beobachtung eines fünfzelligen Pflänzchens wurde meine
Aufmerksamkeit auf die mittelste Zelle gelenkt. Sie war dreimal
länger als die anderen Zellen (Fig. 51. Aus der Untersuchung
ergab sich, daß die Bekleidung aus fünf Teilen zusammengesetzt
war, aus drei ungefähr gleicheroßen zylinderförmigen und aus zwei
schmalen rineförmigen Stücken; die letzteren befanden sich an dem
oberen Ende der Zelle (Fig. 52). Die Zahl und die Verschieden-
heit der Bekleidunesstücke wie auch ihre Stelle deuteten darauf
hin, daß die Zelle wahrscheinlich auf die folgende Weise entstanden
war: Oben in einer anfangs normalen Zelle entstand zweimal ein
sewöhnlicher Zellwandrine, worauf jedesmal Spaltung der Zellwand
und Bildung eines neuen Membranstückes folgte. Der zweite Ring
bildete sich etwas niedriger als der erste. Das oberste ringförmige
und das unterste zylinderförmige Bekleidungsstück waren anfangs
ein Ganzes, das aus einem Zellwandring entstanden war. Das
unterste rineförmige und das mittelste zylinderförmige Bekleidungs-
stück bildeten auch ein Ganzes, das aus einem anderen Ring ent-
standen war. Das oberste zylinderförmige Stück hatte sich zuletzt
aus einem Zellwandring gebildet.
Einmal fand ich ein achtzelliges Pflänzchen mit einer sehr
oroßen Scheitelzelle, die mit sechs Bekleidungsstücken versehen
war, mit einem napiförmigen, zwei ringförmigen und drei ungefähr
gleich großen zylinderförmigen. Wahrscheinlich ist diese Scheitel-
zelle aus einer normalen Scheitelzelle mit einem napfförmigen und
einem zylinderförmigen Bekleidungsstück entstanden und zwar auf
eine ähnliche Weise wie die mittelste Zelle des oben erwähnten
fünfzelligen Pflänzchens.
Eigentümliche Fußzellen fand ich bei einem dreizelliven und
bei einem zweizelligen Pflänzchen. Sie waren aus zwei ver-
schiedenen Teilen zusammengesetzt, aus einem oberen mit einer
zylinderförmigen Bekleidung und einem unteren von der Gestalt
einer gewöhnlichen Fußzelle und ohne Bekleidung. Die mittlere
Zelle des dreizelligen Pflänzchens hatte eine zylinderförmige Be-
kleidung und die Scheitelzelle war mit zwei Bekleidungsstücken
ausgestattet, nit einem napfförmigeen und mit einem zylinder-
förmigen. Das dreizellige Pflänzchen kann sich auf die folgende
Weise entwickelt haben. Die Bildung eines napfförmigen Zell-
wandteils ist der ersten Zellteilung vorangegangen und das Re-
sultat dieser Teilung war eine eewöhnliche Fußzelle und eine
') Siehe über karyokinetische Prozesse ohne eigentliche Kernteilung meine
Abhandlung: „Über abnormale Kernteilung“. (Botan. Zeit, 1903. Erste Abt,
S, 219 u. 220.)
Beihefte Bot, Centralbl. Bd, XXIII, Abt. I. Heft 3, 12
178 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium.
Scheitelzelle mit vollständiger Bekleidung. Die Scheitelzelle hatte
sich später auf normale Weise geteilt und aus der normalen Fuß-
zelle hatte sich nach der Bildung eines Ringes die große abnormale
Fußzelle entwickelt.
Die Eigentümlichkeiten des zweizelligen Pflänzchens deuteten
auf eine Teilung der großen abnormalen Fußzelle Die Scheitel-
zelle war nämlich mit zwei Bekleidungsstücken versehen, mit
einem rineförmigen und mit einem zylinderförmigen, was auf die
folgende Entwicklung hinwies. Aus einem sewöhnlichen Keim-
pflänzchen war nach der Bildung eines Zellwandringes die eroße
Fußzelle entstanden, wobei Kern- und Zellteilung ausblieben.
Später hatte die Fußzelle einen Zellwandring «ebildet und hatte
sich geteilt, wobei die beiden Tochterzellen jede einen Kern
erhielten. Bei der Spaltung der Zellwand war von der zylinder-
förmigen Bekleidung das obengenannte ringförmige Stück abee-
schnitten. Nur auf diese Weise ist die Anwesenheit dieses Be-
kleidunesstückes zu erklären.
Einmal konnte ich in einer großen Zelle mit zwei zylinder-
förmigen Bekleidungen, wie oben beschrieben, einen Zellwandring
beobachten, bei dem sich die folgende Eigentümlichkeit darbot:
Die Modifikation der innersten an das Lumen stoßenden Zellwand-
schicht hatte sich viel mehr nach unten ausgebreitet als bei nor-
malen Ringen der Fall ist. Der modifizierte Teil der Zellwand
wurde nach unten allmählich dünner.
Bisweilen bildet sich ein Zellwandrine: und bleiben die Spaltung
der Zellwand, die Kernteilung und die Zellteilung aus. In diesem
Fall dehnt der Ring sich nicht aus. Später bildet sich eine cellu-
losereiche Zellwandschicht, die auch den Ring bedeckt.
Noch verschiedene andere Abnormitäten können vorkommen.
Einmal sah ich an der einen Seite der Zellwand eine Spalte ent-
stehen und den Zellwandring sich strecken, während an der gegen-
übergestellten Seite die Spaltung und die Streckung ganz aus-
blieben. Demzufolge wurde das Pflänzchen knieförmie umgebogen
unter Bildung eines rechten Winkels. {
Bisweilen fand ich mehrere Ringe bei einander. Einmal sah
ich drei Ringe bei einander, einen von gewöhnlicher Größe und
zwei kleinere; von einer cellulosereichen Zellwandschicht waren sie
alle zusammen bedeckt. Spaltung der Zellwand und Streckune
der Ringe waren in diesem Fall auszeblieben. Bei Behandlune
mit einer Chromsäurelösung blieben die Ringe, die in dem Flem-
ming’schen Gemisch gehärtet waren. mit einander verbunden.
Bei lebendigem Material konnte ich auch einmal drei Ringe bei
einander wahrnehmen. Im Gegensatz zum vorigen Fall sah ich,
daß die Zellwand sich spaltete und daß die Ringe, indem sie sich
streckten, kurze Membranstücke bildeten.
Kritisches.
Wie schon oben erwähnt, sind oft die Resultate der Autoren
nicht mit einander in Übereinstimmung. Meine eigenen Resultate
van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 179
sind in mancher Hinsicht von den früher erhaltenen verschieden.
In diesem Abschnitt werde ich auf übereinstimmende Resultate
und auf Verschiedenheiten hinweisen. Wo die Ansichten anderer
Autoren mit den meinigen unvereinbar sind, werde ich versuchen,
die Unhaltbarkeit ersterer zu beweisen.
Was die chemische Natur des Ringes angeht, so stimmen
meine Resultate am meisten mit denen von Klebahn (S. 240) und
Hirn (I, S. 6 u. 7) überein. Ich nehme auch an, daß in dem
Ringe ein besonderer Membranstoff vorhanden ist.
Nach einigen Untersuchern ist der Ring unmittelbar an der
Zellwand befestigt, nach anderen sitzt er auf einer Leiste. Bei
der von mir untersuchten Art sitzt der Ring, wenn er noch nicht
vollständige ausgebildet ist, auf einer Leiste, aber später nicht mehr.
Obgleich die Resultate der Autoren verschieden sind, können also
ihre Beobachtungen, was diesen Punkt betrifft, doch ganz richtig sein.
Wie Pringsheim (I, S.35), Strasburger (III, S. 165) und
Hirn (I, S. 7) habe ich bei dem Ring eine peripherische Schicht
und einen zentralen Teil unterscheiden können, aber nicht, wie
Wille (S. 445), einen lamellösen Bau. Ich habe auf diesen Punkt
besonders meine Aufmerksamkeit gerichtet, aber weder bei leben-
dieem noch bei gehärtetem Material und auch nicht mit Hilfe von
Reagentien habe ich einen lamellösen Bau wahrnehmen können.
Wohl konnte ich bisweilen Kleine Querfalten an der Innenseite des
Ringes beobachten (Fig. 42 unten).” Dieselben können verursachen,
daß der Ring bisweilen einige undeutliche bogenförmige Linien
zeigt, was vermutlich die Annahme einer Schichtung veranlaßt hat.
Was der Unterschied zwischen der peripherischen Schicht und dem
zentralen Teil angeht, so weichen meine Resultate von denen
anderer Autoren ab. Nach Hirn (I, S. 7), der auf diesen Punkt
besonders seine Aufmerksamkeit gerichtet hat, ist der zentrale
Teil aus einer schleimartigen Masse gebildet und besteht die
peripherische Schicht aus Cellulose. Den eigentümlichen Membran-
stoff, welcher in dem Ringe vorkommt, habe ich auch in der peri-
pherischen Schicht und sogar in dem innersten Teil der Zellwand
sefunden, während ich Cellulose auch in dem zentralen Teil des
Ringes nachweisen konnte. Ich habe nur feststellen können, dab
(lie peripherische Schicht sich von dem zentralen Teil durch einen
höheren Cellulosegehalt unterscheidet.
Die Ansichten der verschiedenen Autoren über den Ursprung
und die Entwicklung des Ringes sind sehr verschieden. Nach
Pringsheim,. Nägeli. Hofmeister, Strasburger und Hirn
ist der Ring vom Anfang an zwar an der Zellwand befestigt, aber
sein Ursprung und seine Entwicklung sind ganz unabhängig von
derselben. Hirn (I, 5.7 u. 8) sucht das zu beweisen durch seine
plasmolytischen Versuche mit Zuckerlösungen. Ich habe bei Oedo-
gonvum cyathigerum diese interessanten Versuche wiederholt. Die
dabei erhaltenen Resultate werde ich hier mitteilen. Zehn Gramm
Zucker löste ich in 100 cem Grabenwasser. In dieser Lösung
verweilten die Pflänzchen drei Tage. Dann brachte ich einen Teil
derselben in das Flemming’sche Gemisch und einen anderen Teil
122
180 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonmum.
in Spiritus. Die m dem Flemming’schen Gemisch gehärteten
Pflänzchen untersuchte ich mit einer Chromsäurelösung von 20 9:
das Spiritusmaterial behandelte ich mit verschiedenen Reagentien.
Die Zuckerlösung rief Plasmolyse hervor. Nach zwei Tagen konnte
ich in den Zellen mit Ringen und in denen, in welchen die Ring-
bildung gerade angefangen hatte, eine abnorme Wandbildung be-
obachten. Gewöhnlich sah ich, daß da, wo der Protoplast sich von
der Zellwand zurückgezogen hatte, eine neue Wand entstanden
war. In Zellen, in welchen die Rinebildung schon weit vorgerückt
war, konnte ich am oberen Ende des Protoplasten mehrere La-
mellen wahrnehmen (Fig. 53, %y). ‘In anderen Zellen sah ich
zwischen der Stelle, wo die Ringbildung gerade angefangen hatte.
und der neugebildeten Wand oben an dem Protoplast eine eigen-
tümliche Membranstoffmasse (Fig. 54, x). Selten hatte sich, wie
Hirn beobachtete, um dem oberen halsartig verengten Teil des
kontrahierten Protoplasten eine Masse ausgeschieden, die einiger-
maßen einem Ring ähnlich war. Die chemische Untersuchung der
sebildeten Teile zeigte, daß sie nicht aus einer schleimartigen
Masse bestanden, sondern hauptsächlich aus Membranstoff, der reich
an Cellulose war. Mit einer Jodjodkaliumlösung und Schwefelsäure
von 65 oder 76 °/, erhielt ich eine starke Cellulosereaktion und
nach Erwärmung in Glyzerin bis 300° C. waren bedeutende Cellu-
losereste zurückzeblieben. Die verschiedenen Teile hatten nach
der Erwärmung ihre Form beibehalten. Ich bemerke, daß sie sich
nach der Erwärmung in Glyzerin mit Jodjodkaliumlösung violett
färben und daß sie sich in dieser Hinsicht deshalb wie die Zell-
wand und der Ring verhalten. Mit Rutheniumroth nehmen sie
eine hellrote. Farbe an. Aus Obigem geht hervor, daß diese Ge-
bilde sich Reagentien gegenüber im Alleemeinen wie die Öellulose-
wand verhalten. Bei der Untersuchung des in dem Flemming'’-
schen Gemisch gehärteten Materials mit einer Chromsäurelösung
von 20 °, konnte ich jedoch feststellen, daß bisweilen eine oder
mehrere Lamellen von den übrigen verschieden waren. Sie lösten
sich in der Chromsäurelösung nicht, sondern sie verhielten sich
ganz auf dieselbe Weise wie die Bekleidung der Membran (Fig. 55, %,).
Nachdem ich die oben erwähnten Versuche gemacht hatte,
habe ich mich gefragt, welche Bedeutung die Versuche von
Hirn für die Kenntnis des Ursprungs und der Entwicklung des
Ringes haben, wenn er sich unter normalen Umständen bildet?
Ich bemerke, daß, was ich bei Oedogonium in Zuckerlösungen ent-
stehen sah, gewöhnlich einem Zellwandring nicht ähnlich ist. Hirn
ist in dieser Hinsicht etwas elücklicher gewesen, obgleich die von
ihm abgebildeten Ringe doch noch bedeutend von normalen ah-
weichen. Auch muß man berücksichtigen, daß bei den Versuchen
die Protoplasten sich unter sehr abnormen Umständen befinden.
Wenn an der Stelle. wo der Protoplast sich von der Zellwand
zurückgezogen hatte, etwas entsteht, das einem Ringe ähnlich ist.
so ist es deutlich, daß die Zellwand daran keinen Anteil hat.
Damit ist aber noch nicht bewiesen, daß unter normalen Umständen
die Zellwand ebenso wenig bei der Rinebildung beteiligt sei. Wie
van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 181
merkwürdig die Versuche von Hirn auch sind, sie erklären nicht,
wie der Ring unter normalen Umständen entsteht und wächst.
Nach Wille (S. 444) fängt die Ringhbildung in der Zellwand
in der Nähe des Lumens an. Nach Dippel (S.52) entsteht der
Ring durch Faltung der ganzen inneren cellulosereichen Wand-
schicht, nach de Bary (I, S.80) und H. vonMohl (S. 721) durch
Faltung der inneren Lamelle der Zellwand und nach Hartig (S. 417)
durch Faltung einer neugebildeten Schicht. Ich selbst nehme an,
daß die Rinebildung in dem an das Lumen grenzenden innersten
Teil der Cellulosewand anfängt, der eine Falte bilde. Dazu konnte
ich nachweisen, daß die Rinebildung mit dem Auftreten eines eigen-
tümlichen Membranstoffes verbunden ist.
Die Frage, ob das Wachstum des Ringes mit Intussusception
oder Apposition verbunden ist, ist auf verschiedene Weise beant-
wortet worden. Man muß dabei berücksichtigen, daß einige Au-
toren das Wachstum der Zellwände ausschließlich durch Intussus-
ception und andere es ausschließlich durch Apposition erklären
wollen, ungeachtet der Tatsache, daß die Untersuchung der meisten
Zellwände weder Beweise zu Gunsten der einen noch der anderen
Ansicht bringt. Nach Wille (S. 445) werden, während der Ring
wächst, ununterbrochen Schichten eingelagert oder differenziert;
nach Strasburger wächst er dagegen durch Auflagerung neuer
Lamellen (II, S. 85). Später aber hat,Strasburger (III, S. 165)
nochmals über das Wachstum des Ringes geschrieben, ohne dabei
eine bestimmte Meinung auszusprechen. Die Schichten, von denen
- Wille redet und welche er auch abgebildet hat, hat kein anderer
Untersucher beobachtenkönnen, während Strasburzer (III, S.165)
nur eine peripherische Schicht und einen zentralen Teil hat unter-
scheiden können.
Will man Beiträge zur Kenntnis des Wachstums der Zell-
wand liefern, so muß man berücksichtigen, daß es ein sehr kom-
plizierter Prozeß ist, wobei verschiedene Faktoren eine Rolle spielen.
Von jedem Fall muß ein besonderes und genaues Studium gemacht
werden, ohne daß man dabei von der einen oder der anderen
Theorie beeinflußt wird. In vielen Fällen wird man in seinen
Hoffnungen getäuscht, weil es sehr schwer oder unmöglich ist, in
dem einen oder anderen Sinne Schlüsse zu machen. In einigen
Fällen zeigen sich die gewählten Objekte geeigneter zum Zweck
und die Untersuchung liefert positivere Ergebnisse, wie z. B. bei
Caulerpa der Fall gewesen ist. Ich selbst untersuchte u. a. Spiro-
gyra*). Bei dieser Untersuchung war ich wohl gezwungen anzu-
nehmen, daß beim Wachstum der Zellwand Apposition eine sehr
bedeutende Rolle spiele, ohne daß ich Beweise beibringen Konnte,
daß Intussusception ausgeschlossen sei. Bei der Untersuchung des
tinges von Oedogonvum bin ich dagegen zu einem anderen Re-
sultat gekommen. Die Entstehung und das Wachstum des Ringes
kann ich nur erklären, wenn ich Intussusception annehme.
!) Over Wandvorming by Kernlooze cellen. (Botanisch Jaarbock. 13°
deel. 1904, mit einem Auszug im Deutschen.)
182 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogomum.
Über die der Streckung des Ringes unmittelbar vorhergehende
Spaltung der Zellwand sind von verschiedenen Autoren Mitteilungen
gemacht worden, die mit meinen bei Oedogonium cyathigerum er-
haltenen Resultaten im Widerspruch sind. Pringsheim (II, S. 13)
nimmt an, daß beim Aufbrechen der Zellwand der Zusammenhang
oberhalb des Ringes aufgehoben wird. Mehrere Pflänzchen, in
denen sich Zellen befanden mit Membranen, die sich gerade ge-
spaltet hatten und mit Ringen, die in Streckung begriffen waren,
habe ich bis auf 500° C in Glyzerin erwärmt. Der Zellinhalt und
verschiedene Bestandteile der Zellwand zersetzen sich dabei und
lösen sich. Falls Pringsheim’s Mitteilung richtig wäre, so würden
die Pflänzchen an den Stellen, wo der Zusammenhang aufgehoben
worden ist, gewiß auseinander fallen müssen. Das geschieht aber
durchaus nicht. Die Celluloseskelette, welche die Pflänzchen zurück-
lassen, bestehen aus Zellenreihen, die auch an den oben genannten
Stellen ihren Zusammenhang beibehalten haben.
Nach Strasburger (I, S. 189 u. 190; II, S. 85; IIIS. 165)
berstet nicht allein die Zellwand, sondern entsteht auch in dem
Ring eine Spalte. Wenn man beim Mikroskopisieren auf eine
Stelle des Ringes einstellt, so befindet sich über und unter dieser
Stelle die gespaltene Membran und es scheint auf den ersten Blick,
als wenn auch der Ring oespalten wäre. Bei genauerer Beob-
achtung zeigt es sich aber,. daß solches nicht der Fall ist. Unter-
sucht man bei in dem Flemming’schen Gemisch gehärtetem Ma-
terial den Ring in verschiedenen Entwicklungsstadien während und
nach Auflösung der Cellulosewand in Chromsäurelösung, so kann
man wohl feststellen, daß der Ring sich ausdehnt, aber nicht, daß
er sich spaltet.
Hirn (I, S. 8) erwähnt, daß die Celluloseschicht der Zell-
wand durch einen Kreisriß entzwei geteilt wird, aber daß der
äußere Teil oder die Outieula, von mir die Bekleidung genannt,
dagegen ganz unregelmäßig entzwei gerissen wird. Bei Vedogonium
cyathigerum habe ich ein ganz anderes Resultat erhalten. Bis-
weilen bleibt die Bekleidung ein Ganzes und wird sie die Be-
kleidung der unteren Tochterzelle; in anderen Fällen wird die Be-
kleidung bei der Spaltung der Zellmembran in zwei Teile geteilt,
einen kurzen rineförmigen und einen langen zylinderförmigen. Die
Teilung findet immer auf sehr regelmäßige Weise statt, sodaß der
abgeschnittene ringförmige Teil überall dieselbe Breite erhält.
Nach Hirn können die Zellen sehr bald ihre zerrissene Outicula
regenerieren. Ich habe jedoch nie eine Beobachtung gemacht, wo-
raus sich eine Regeneration der Bekleidung vermuten ließ.
Auf Grund meiner Untersuchungen nehme ich an, daß die
Bekleidung ausschließlich aus dem Ringe entsteht, der in dem
innersten Teil der Cellulosewand seinen Ursprung nimmt. Nie ent-
wickelt die Bekleidung sich aus dem äußeren Teil der Membran
oder entsteht sie auf derselben.
Die meisten Autoren nehmen an. daß der äußere und der
innere Teil der Zellmembranen zusammen aus dem Ring entstehen.
Wille (S. 451) sagt aber, daß der Ring eine neue Membran bildet
van Nessalin gh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 183
und daß später durch eine Ausscheidung auf der Membran die Cu-
tieula entsteht. Ich selbst bin zu einem Resultat gekommen, das
mit keiner einzigen Ansicht der früheren Autoren übereinstimmt.
Ich nehme an, daß der äußere Teil der Zellwand oder die Be-
kleidung aus dem Ringe entsteht und daß der innere Teil oder die
Cellulosewand später gebildet wird, wobei Apposition eine Rolle
spielt. Durch Anwendung einer neuen Untersuchungsmethode bin
ich zu dieser Ansicht gelangt. Die von mir angewendete Methode.
härten in dem Flemming’schen Gemisch und isolieren mit Hilfe
einer Chromsäurelösung, gestattet die Bildung des äußeren Membran-
teils aus dem Ring Schritt für Schritt zu folgen, während die
spätere Bildung des inneren Membranteils leicht festgestellt werden
kann. Auffallend ist die verschiedene Intensität der Oellulose-
reaktion bei der Zellwand vor und nach der Bildung des inneren
Teils, besonders nach Erwärmung in Glyzerin bis auf 300° C.
Ein sehr dünnes, an das umgebende Medium stoßendes Schicht-
chen der Bekleidung erleidet eine geringe Modifikation.
Die junge Querwand betrachte ich als eine lose Platte, die
nach dem unteren Ende des aus dem Ring «ebildeten Membran-
stückes wandert. In dieser Hinsicht bestätigen meine Unter-
suchungen die Resultate einiger früherer Untersucher. Daß die
junge Querwand während ihrer Bewegung aufwärts an der Seiten-
wand festsitzt, wie Wille (S. 450) meint, ist sehr unwahrscheinlich.
um daß man dann schwerlich erklären kann, daß sie sich bewegt.
Daß sie nicht festsitzt, geht zudem hervor aus ihrem Verhalten
bei der Plasmolyse und beim Finieren. Wenn der Protoplast sich
von der Seitenwand zurückzieht, so geht die junge Querwand mit
im Gegensatz zu der jungen Querwand bei Sprrogyra, die unter
gleichen Umständen mit der Seitenwand verbunden bleibt. Als neu
zu betrachten ist meine Ansicht, daß die Querwand nicht simultan
entstehe. Zuerst entsteht ihr mittlerer Teil und später breitet sie
sich aus. Verschiedene Beobachtungen deuten auf eine derartige
Bildungsweise hin.
Strasburger (I, S. 192) nennt die junge Querwand eine zarte
Cellulosewand. Ich habe aber auf keinerlei Weise Cellulose in
derselben nachweisen können. Wenn sie an die Stelle ihrer Be-
stimmung gekommen ist, bildet sich bald der innere Membranteil.
der sie an beiden Seiten bedeckt.
Der erste Zellwandrine, der sich nach der Keimung einer
Schwärmspore bildet, ist nach Hirn (I, S. 15 u. 16) ein wenig
abweichend. Ich kam zum Resultat, daß in diesem Falle oft kein
eigentlicher Ring gebildet wird, sondern ein Zellwandteil. der einem
Näpfchen mit einem dieken Rande ähnlich ist. Diese Form ent-
spricht der Bekleidung der ersten Scheitelzelle, nämlich wenn diese
mit einer Bekleidung ausgestattet ist, welche auch ihren Scheitel
bedeckt.
Die Bildung eines Näpfchens geht nicht immer der ersten Zell-
teilung voran. Bisweilen bildet sich ein gewöhnlicher Ring, während
hei späteren Teilungen auch ein Näpfchen zur Entwicklung kommen
kann. Die obere der. beiden ersten Toochterzellen ist nach Hirn
184 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium.
(I, S. 16) die bleibende Scheitelzelle des Fadens. Bei Oedogonium
cyathigerum beobachtete ich aber oft Teilungen in der Scheitelzelle,
wobei die Bekleidung sehr regelmäßig in Stücke geteilt wird. Ich
konnte napfförmige, ringförmige und zylinderförmige Bekleidungs-
stücke unterscheiden.
Zuletzt richte ich die Aufmerksamkeit auf das Fehlen der
Bekleidung bei der Fußzelle, eine bis jetzt ach unbekannte Eigen-
tümlichkeit dieser Zelle.
/Jusammenfassung der Hauptergebnisse.
1. Bei der Zellwand von Oedogonvium kann man zwei Schichten
unterscheiden, die chemisch sehr verschieden sind. Die äußere
Schicht enthält wenige Cellulose und viel eines eigentümlichen
Membranstoffes, der durch verschiedene Reagentien aufschwillt, mit
Jod schwach violett gefärbt wird und in dem Flemming’schen
Gemisch gehärtet wird und in diesem Zustand der Einwirkung
einer Chromsäurelösung Widerstand leistet. Wo sie an das um-
gebende Medium stößt, hat ein sehr dünnes Schichtchen eine ge-
ringe Modifikation erlitten; es wird demzufolge mit Jod gelb ge-
färbt. Die innere Schicht der Zellwand ist reich an Cellulose und
ist aus Lamellen zusammengesetzt.
2. Die äußere Schicht, von mir Bekleidung senannt, besteht
bei jeder Zelle aus einem Teil oder aus mehreren Teilen, nämlich
aus einem zylinderförmigen und oft auch noch aus einem oder
mehreren rineförmieen. Bei der Scheitelzelle kann man oft dreierlei
Teile unterscheiden, einen napfförmigen, einen oder mehrere ring-
förmige und einen zylinderförmigen. Die Bekleidung bedeckt oft
den Scheitel; bisweilen ist das nicht der Fall. Bei der Fußzelle
fehlt die Bekleidung. Die innere Schicht oder die Cellulosewand
umeibt das Zelllumen.
3. Wenn eine Zelle sich zur Teilung anschickt, bildet sich
in dem oberen Ende ein Ring oder ein Zellwandteil, der einem
Näpfehen mit einem an der Innenseite verdiekten Rand ähnlich ist.
Letzteres ist oft bei der ersten Teilung nach der Keimung einer
Schwärmspore der Fall; bisweilen kommt es auch bei einer späteren
Teilung in der Scheitelzelle vor.
4. Der Ring und das Näpfchen stimmen. was ihre chemische
Natur betrifft, mit der Bekleidung überein. Bei beiden können
der leicht aufschwellende Membranstoff und Cellulose nachgewiesen
werden.
9. Bei dem Ring und bei dem Näpfchen kommt die Cellulose
besonders in der an das Lumen stoßenden Schicht vor.
6. Die Bildung des Ringes fängt in dem innersten Teil der
Zellwand an, wo ein eigentümlicher Membranstoff auftritt, während
an der Innenseite der Zellwand eine Erhabenheit entsteht.
1. Die Entstehung und das Wachstum des Ringes können
nur durch Intussusception verschiedener Membranstoffe erklärt
van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedoyonium. 185
werden. Neben dem erwähnten eigentümlichen Membranstoff wird
auch Cellulose eingelagert.
8. Wenn die Zellwand bei dem Ring oder bei dem dicken
Rand des Näpfchens spaltet, so können dabei verschiedene Fälle
vorkommen. Bisweilen bleibt die zylinderförmige Bekleidung ein
Ganzes und nur die Öellulosewand spaltet. Bei Wiederholung dieses
Prozesses kann die Membran einer Zelle sich derartig entwickeln,
daß sie eine höhere Zelle mehr oder weniger umgibt. Im anderen
Fällen spaltet auch die Bekleidung, was die Entstehung von Zellen
mit verschiedenen Bekleidungsstückeu veranlaßt.
9. Die junge Querwand ist eine lose Platte, in welcher keine
Cellulose nachgewiesen werden kann. Zuerst bildet sich der mittlere
Teil; später breitet sie sich bis zu der Seitenwand aus. Sie wandert
nach dem neu: gebildeten Membranstück und sie bleibt in dem
unteren Ende desselben sitzen.
10. Die innere cellulosereiche Zellwandschicht oder die Cellu-
losewand entsteht durch Apposition.
Nachsehrift.
Die Publikation dieser Abhandlung hat durch verschiedene
Umstände große Verzögerung erlitten. Nachdem meine Unter-
suchungen schon beendet waren und als das Manuskript fertig war,
sind mehrere neue Publikationen über Oedogonium zu meiner
Kenntnis gelangt. Die wichtigsten sind von Guido Kraskovits:
Ein Beitrag zur Kenntnis der Zellteilungsvorgänge bei Oedoyonium,
und von K. E. Hirn, Studien über Oedogoniaceen, eine Kritische
Zusammenstellung der Untersuchungen und Beobachtungen, die in
den Jahren 1901—1905 über Oedogoniaceen gemacht worden sind.
In dieser letzteren Arbeit werden unter andern die Untersuchungen
von Kraskovits, Fritsch, Scherffel und Schröder erwähnt,
die ich in dieser Nachschrift, insofern sie mit meinen eigenen Unter-
suchungen in Zusammenhang stehen, zu besprechen wünsche. Zu-
erst gilt das für die Untersuchungen von Kraskovits.
Die Resultate von Kraskovits weichen in mancher Hinsicht
von denen der früheren Untersucher ab. Nicht weniger sind sie
von den meinigen verschieden. Nach Kraskovits (8.246) fängt
die Bildung des Zellwandringes in der Membran an. Der zentrale
Teil des Ringes entsteht zuerst durch einen Verquellungsprozeß
eines Teils der Zellwand, die demzufolge dünner wird. Wenn auf
diese Weise die primäre Ringsubstanz oder der Ringschleim ge-
bildet worden ist, entsteht überall an der Innenseite der Zellwand
eine neue Zellwandschicht, die, wo sie den Ringschleim umgibt,
dicker ist. Daß die Ringbildung mit der Entstehung einer Zell-
wandschicht, die den ganzen Protoplast umgibt, verbunden ist, ist
eine Behauptung, welche an eine alte Vorstellung Hartig’s (5.417)
erinnert, die von späteren Untersuchern nicht geteilt wird. Ich
selbst habe auch nie etwas von der Bildung einer Zellwandschicht,
welche die Ringanlage und die Cellulosewand zusammen bedeckt,
186 van Wisselingh, Über.den Ring und die Zellwand bei Oedogonzunmn.
entdecken können, obgleich ich mit geeigneten Mitteln vom An-
fange an den Rine von der Zellwand «senau habe unterscheiden
können.
Nach Kraskovits linden bei der Bildung des zentralen Ring-
teils Verquellung der Zellwand und Verdünnung derselben statt.
Ich habe wohl das Auftreten eines eigrentümlichen Membranstoffs
konstatieren köhnen, der in Kontakt mit verschiedenen Reagentien auf-
schwillt, aber ich habe durchaus nichts beobachten können, das auf
eine Verquellune schon vorhandenen Membranstoffs hinweist. Im
Gegenteil mußte ich annehmen, daß die Entwicklung des Ringes
auch mit Bildung von Cellulose verbunden war.
Kraskovits (S. 267) nimmt an, daß die äußere Zellwand-
schicht, die er Cuticula nennt, aus einem Teil des Ringschleims
entstehle. Hierüber habe ich eine andere Ansicht. Der Ring und
die äußere Zellwandschicht enthalten einen Stoff, der durch ver-
‚schiedene Reagentien aufschwillt oder verquillt. Daraus entsteht
bei der Untersuchung eine große Schwierigkeit, wie Kraskovits
gewiß auch erfahren hat. Es ist mir aber gelungen, diese Teile
derart zu härten, daß ich sie mittelst Ohromsäure isolieren Konnte,
was mir gestattete, festzustellen, daß der ganze Rine sich bei der
Bildung der äußeren Zellwandschicht beteiligt.
Eine andere Einwendung gegen die Folgerungen Kraskovits’s
betrifft die Entwicklung der Querwand. Nach Kraskovits (8.261)
ist dieselbe, wenn sie mit der Längswand verbunden wird, ein-
schichtig und sie bleibt es so lange, bis in einer der zwei Zellen,
die sie scheidet, wieder Rinebildung und Teilung stattfinden. Bei
einer Anzahl von Pflänzchen habe ich Querwände untersucht, auch
bei Pflänzchen, die noch nur aus einigen Zellen bestanden und
wobei ich feststellen konnte, wie sie sich entwickelt hatten.
Es war leicht zu konstatieren, daß Querwände, die nach Kras-
kovits noch einschichtie sein müßten, an beiden Seiten von der
inneren Zellwandschicht, die den ganzen Protoplast umgibt, bedeckt
waren. Ich beharre also bei meiner Meinung, daß die Querwand,
wenn sie in dem unteren Ende des neuen zylinderförmigen Membran-
stückes angelangt ist, bald an beiden Seiten von der Cellulosewand
bedeckt wird.
Über die erste Teilung in den einzelliven Keimpflänzchen
saet Kraskovits (S. 264), daß sie von den folgenden Teilungen
bedeutend abweicht, weil sie niemals mit der Bildung einer Innen-
schicht verbunden ist. Ringbildung hat Kraskovits bei der ersten
Teilung nicht beobachtet. Die Bildung eines napfförmigen Zell-
wandteils wird nicht von ihm erwähnt; offenbar hat er einen der-
artigen Zellwandteil nicht wahrgenommen. Eine bedeutende und
konstante Verschiedenheit zwischen der ersten Teilung und den
folgenden Teilungen ist überhaupt nicht von mir konstatiert worden.
Bei der ersten Teilung drängt sich die Bildung eines Näpfchens
in den Vordergrund, während bei späteren Teilungen sich ge-
wöhnlich ein Ring bildet. Hiermit habe ich die wichtigsten Ver-
schiedenheiten zwischen den Resultaten von Kraskovits und den
meinigen erwähnt. Kraskovits untersuchte nicht Oedogonzum
van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 187
cyathigerum, sondern andere Spezies. Zum Teil kann das die Ur-
sache der Verschiedenheiten sein; zum größten Teil stehen sie ge-
wiß im Zusammenhang mit den angewendeten Untersuchungs-
methoden, wie ich oben schon angedeutet habe.
Obgleich die Untersuchungen Kraskovits’s offenbar mit Sorg-
talt angestellt worden sind, viele Figuren seine Arbeit erläutern
und dieselbe vieles enthält, das für spätere Untersucher Wert
haben kann, so kann ich seine wichtigsten Schlüsse doch nicht
bestätigen.
Nach Fritsch (III, S. 652) ist der Ring eine wasser-
reiche Celluloseschicht in der Membran, welche durch Intussus-
ception gebildet wird. Fritsch schließt sich also der Ansicht
Wille’s an. Die Keimung der Schwärmsporen wurde von Fritsch
(I und II) bei Oedogomium capillare und Oedogomium cardiacum
studiert. Bei der letzterwähnten Art beobachtete er, daß bei der
ersten Teilung regelmäßig die Kappe abgeworfen wird.
Fritsch (II, S.15) und Scherffel (8.559) haben bei Arten
mit einer halbkugeligen Basalzelle die Keimung der Schwärmsporen
studiert. Fritsch ist der Meinung, daß die erste Teilung unter
Ringbildune stattfindet, wobei der Ring dem der Oedogonium-
Keimlinge gleicht oder die Form einer Kuppel bekommt, was mit
meinen bei OVedogonium cyathigerum erhaltenen Resultaten stimmt.
Scherffel ist dagegen zu einem anderen Resultat gekommen.
Von Schröder (S.143 u. 144) ist bei einem ziemlich dicken
Oedogonvum eine sehr dicke ziemlich konsistente Gallerthülle be-
obachtet. Bemerkenswert ist das Verhalten dieser Gallerthülle bei
der Teilung der Zellen. Sobald der Cellulosering gebildet ist und
die alte Zellmembran den peripheren Riß bekommt, reizt auch die
Gallerthülle mit einem meist ganz glatten, selten unregelmäßigen
Riß auf. Die neugebildete Zelle hat während ihres Heranwachsens
keine nachweisbare Gallerthülle; diese entsteht später. Schröder
ist der Ansicht, daß die von ihm beobachtete Gallerthülle mit der
äußeren dünnen Cuticula (Bekleidung) von Oedogonium Borisianum
identisch sei.
Figurenerklärung.
Die Vergrößerung der Figuren ist wie folgt: Figur 1 und 3 1000 mal,
Figur 5 2000 mal, Figur 43 bis einschließlich 52 250 mal und die übrigen Fi-
guren 500 mal.
In den Figuren bedeutet: « zylinderförmige Bekleidung, b ringförmiges Be-
kleidungsstück, e Bekleidung, die eine Scheitelzelle an der Außenseite vollständig
bedeckt, d napfförmiges Bekleidungsstück, e Oellulosewand, e, innerste Schicht der
Cellulosewand, f Anhang an der Zellwand, g Kappen, % Scheitel ohne Bekleidung,
v ausgebildeter Ring, nicht ganz entwickelter Ring auf einer Leiste, % Leiste, / Ring-
anlage, m sich streckender Ring, » neues Membranstück, o napfförmiger Zellwand-
teil mit verdicktem Rand, p zentraler Teil des Ringes, g peripherische Ringschicht,
r äuberstes modifiziertes Schichtchen eines Ringes, der anfängt, sich zu strecken, ,
äußerstes modifiziertes Schichtchen der Bekleidung, sLeistehen an dem ausgebildeten
188 van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonwum.
Ring, s, Leistehen an einem napfförmigen Zellwandteil, # Häutchen an den
isolierten nicht ganz entwickelten Ring, /, Häutchen, mit welchem der Cellulose-
rest des Ringes an der Zellwand befestigt ist, « Mützchen, «, Ring aus einem
Mützchen, das abgeworfen wird, » junge Querwand, w Protoplast, & Kern,
y während Plasmolyse gebildete Lamellen, y, isolierte Lamelle, x Zellstoffmasse.
Die folgenden Figuren sind nach im Flemming’schen Gemisch ge-
härtetem Material gezeichnet: Fig. 1, 8, 10, 12, 15, 15, 17, 19, 21, 23, 25, 27,
29, 31, 33, 35, 37, 39, 41, 43, 45, 47, 49, öl, 53 und 54.
Die folgenden Figuren stellen vor, was nach Behondhng des im Flem-
ming’schen Gemisch gehärteten Materials mit Chromsäurelösung zurückbleibt:
Fig. 2, 4, 9, 11, 14, 16, 18, 20, 22, 24, 26, 28, 30, 32, 34, 36, 38, 40, 42, 44,
46, 48, 50, 52 und 55.
Fig. 3 ist gezeichnet nach Alkoholmaterial, das sich in Jodjodkalilösung
befindet.
Fig. 5 ist gezeichnet nach gehärtetem Material, während eine Chrom-
säurelösung darauf einwirkt.
Fig. 6 und 7 sind gezeichnet nach Alkoholmaterial, das bis 300° C. in
Glyzerin erwärmt worden ist.
Fig. 1: Zelle mit Ring und Teile der angrenzenden Zellen. Am oberen
Ende hat die Zellwand einen Anhang, der die angrenzende Zelle umgibt. Unten
eine Zelle mit Ring und mit Kappen.
Fig. 2: Ring und Bekleidung der mittelsten Zelle in Figur 1.
Fig. 3: Zelle mit Ring, der anfängt sich zu strecken. Ring und Be-
kleidung sind geschwollen durch die Behandlung mit Jodjodkalilösung.
Fig. 4: Bekleidungen und Ringe fünf angrenzender Zellen.
Fig. 5: Ring im Durchschnitt.
Fig. 6: Celluloserest eines Membranstückes mitnicht ganz entwickeltem Ring.
Fig. 7: Celluloserest eines Membranstückes mit Ring nach der Spaltung
der Membran.
Fig. 8: Zelle mit Ringanlage und Zelle mit ringförmigen Bekleidungs-
stücken und mit sich streckendem Ring.
Fig. 9: Bekleidungen und Ringe der Zellen in Figur 8.
Fig. 10: Zelle mit sich streckendem Ring und obere angrenzende Zelle.
Fig. 11: Bekleidungen und Ring der Zellen in Figur 10.
Fig. 12: Obere und untere Tochterzelle.
Fig. 13: Einzelliges Pfänzchen mit napfförmigem Membranteil.
Fig. 14: Napfförmiger Membranteil aus dem einzelligen Pflänzchen Fig. 13.
Fig. 15: Einzelliges Pflänzchen mit Ring.
Fig. 16: Ring aus dem einzelligen Pflänzchen Figur 15.
Fig. 17: Zweizelliges Pfänzchen, obere Zelle mit Bekleidung aus einem
Stück, Fußzelle mit Ring.
Fig. 18: Bekleidung und Ring Figur 17.
Fig. 19: Zweizelliges Pflänzchen, Scheitel ohne Bekleidung.
Fig. 20: Bekleidung der Scheitelzelle, Figur 19.
Fig. 21: Scheitelzelle eines fünfzelligen Pflänzchens mit Bekleidung aus
einem Stück und mit Ring.
Fig. 22: Bekleidung und Ring der Scheitelzelle Figur 21.
Fig. 23: Scheitelzelle mit zylinderförmigem und mit napfförmigem Be-
kleidungsstück und mit Ring.
Fig. 24: Bekleidungsstücke und Ring der Scheitelzelle Figur 23.
van Wisselingh, Über den Ring und die Zellwand bei Oedogonium. 189
Fig. 25: Scheitelzelle mit drei verschiedenen Bekleidungsstücken und
mit Ring.
Fig. 26: Bekleidungsstücke und Ring der Scheitelzelle Figur 25.
Fig. 27: Scheitelzelle eines 25 zelligen Pflänzchens mit drei ringförmigen
Bekleidungsstücken.
Fig. 28: Die fünf Bekleidungsstücke der Scheitelzelle Figur 27.
Fig. 29: Scheitelzelle mit ringförmiger Bekleidung und mit Ringanlage
und Zelle mit Ring.
Fig. 30:
Fig. 31:
kleidungsstück.
Fig. 32:
Fig. 33:
Membranteil.
® Fig. 34:
zelle Figur 33.
Fig. 35:
Fig. 36:
Ring aus dem
Fig. 37:
Bekleidung.
Fig.
Mützchens.
Fig.
Fig.
Mützchens.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
38:
Die Bekleidung und Ringe der Zellen in Figur 29.
Scheitelzelle mit zylinderförmigem und mit ringförmigem Be-
Bekleidungsstücke der Scheitelzelle Figur 31.
Scheitelzelle eines elfzelligen Pflänzchens mit napfförmigem
Bekleidungsstücke und napfförmiger Membranteil der Scheitel-
Scheitelzelle mit Mützchen, das abgeworfen wird.
Zylinderförmige Bekleidung, napfförmiger Membranteil
Mützchen der Scheitelzelle Figur 35.
Scheitelzelle eines siebenzelligen Pflänzchens mit Mützehen mit
und
Bekleidung der Scheitelzelle Figur 37 und Bekleidungsstücke des
: Scheitelzelle mit Mützehen mit Bekleidung.
: Bekleidung der Scheitelzelle Figur 39 und Bekleidungsstücke des
: Große Scheitelzelle mit zwei zylinderförmigen Bekleidungen,
: Bekleidungen der Zelle Fig. 41.
: Dreizelliges Pfänzchen.
: Bekleidungen des Pflänzchens Figur 43.
: Vierzelliges Pflänzchen.
: Bekleidungen des Pflänzchens Fig. 45.
: Vierzelliges Pflänzchen.
: Bekleidungsstücke des Pflänzchens Fig. 47.
: Fünfzelliges Pflänzchen.
50:
51:
52:
53:
54:
55:
Bekleidungsstücke des Pflänzchens Figur 49,
Fünfzelliges Pflänzchen mit einer sehr großen Zelle.
Bekleidungsstücke des Pflänzchens Figur 51.
Zelle, in welcher sich nach Plasmolyse eine Wand gebildet hat.
Zelle, in welcher nach Plasmolyse Wandbildung stattgefunden hat.
Ring, Bekleidungsstücke und Lamelle isoliert aus einer Zelle,
in welcher nach Plasmolyse Wandbildung stattfand.
Bary, A. de,
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191
Zur Kenntnis einiger Blütensekrete nebst
Bemerkungen über neuere blütenbiologische
Arbeiten.
Von
Dr, Josef Fahringer, Wien.
Mit Tafel XVII.
Unter dem Titel „Beiträge zur histologischen Blütenbiologie“
sind in der „Österr. Bot. Zeitschrift“ mehrere Aufsätze von Porsch!)
erschienen, in denen Blütenwachs und Futterhaare als neue An-
lockungsmittel der Orchideen-Blüte beschrieben wurden. In einem
dieser Aufsätze?) findet sich mein Name mehrmals erwähnt, woraus
hervorgeht, daß ich die Untersuchungen über Blütenwachs früher
als Porsch und keineswegs nur kursorisch durchführen Konnte.
Im Herbste 1902 erhielt ich von Professor v. Wettstein
eine Anzahl frische, sowie einige Formolexemplare der Blüte von
Ornithidium divaricatum Barb. Rodr.®) zur Untersuchung. Die
frischen Blüten verwendete ich teils zu mikroskopischen Unter-
suchungen, teils zu jenen chemischen Reaktionen, die sich, wie
beispielsweise die Fehling’sche Reaktion, nur mit frischem Ma-
teriale durchführen lassen, während die Formolexemplare nur zur
Kontrolle dienen Konnten. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen
waren folgende:
1. Bau des Labellum und der Sekretzellen.
Das Labellum der Ornithidum-Blüte (Fig. 1, « und db) ist ein
längliches Perigonblatt, dessen Seitenwände zwei schwach gekrümmte
Lappen erkennen lassen, zwischen denen sich der rundliche Kallus
befindet. Der große Mittellappen ist auf der Oberseite gegen die
Spitze zu tief braunrot gefärbt und trägt an dieser Stelle einen
weißen, flockig aussehenden Überzug von Blütenwachs. Hinter
1) Porsch, Beiträge zur „histologischen Blütenbiologie“. (Österr. Bot.
Zeitschrift. 1905. No. 5 und 7. 1906. No. 2.)
2) Porsch, Ü., 1. c. No. 7. pag. 255— 257.
®) Porsch, 1. ce, No. 7. 1905, pag. 254,
192 Fahriuger, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete ete.
dem Kallus bemerkt man ein zweites Klümpchen von dieser Sub-
stanz und zwar gerade der Narbe gegenüber (Fig. 1, B). Die
große, an der Spitze des Labellum befindliche Wachsmasse hat
ungefähr die Form eines römischen V und nimmt gegen den Kallus
zu an Menge ab. Die unter der Wachsabsonderung befindlichen
Epithelzellen unterscheiden sich in vieler Beziehung von den ge-
wöhnlichen Epithelzellen. Vergleichen wir zunächst die Größen-
verhältnisse, so finden wir:
Art der Zellen. | | Durchschnittsgröße
= 2 Länge Breite 2
Grössen in u. Länge Breite
Sekretzelen . . .. | 64—80 | 16-24 12 | 20
Papillarepithel (Oberseite) 48—80 | 16—20 64 18
Kallusepiihele me 23 32 20—27 32 23°5
Papillarepithel (Unterseite) | 8—20 | 4-32 | 14 28
Wie aus dieser Tabelle ersichtlich ist, sind die Sekretzellen
schon durch ihre Länge ganz besonders gegenüber den übrigen
Epithelzellen gekennzeichnet. Noch auffallender werden diese
Zellen durch die Tinktion des Plasmas mit einem braunroten Farb-
stoff, sowie dadurch, daß die freie Membran der Sekretzellen rund-
lich gewölbt und nicht papillös hervorgezogen erscheint, ferner,
daß sich die erwähnten Zellen durch Lage, Gestalt der freien
Membran und Färbung sehr markant von dem übrigen Epithel ab-
heben. Es sind offenbar ganz besonders der Funktion dieser Zellen
entsprechende umgewandelte epitheliale Gebilde. Untersuchen wir
diese Zellen an einem Querschnitt durch das Vorderende des La-
bellums, so sehen wir längliche, an der freien Seite abgerundete
Zellen mit einer etwa 1.6 « dicken Membran, deren Inhalt aus
einem Protoplasten von grobkörniger ‘Struktur besteht. Meistens
ist der ziemlich große Kern durch große lichtbrechende Klümpchen
derart verdeckt, daß er kaum sichtbar ist (Fig. 2, A). Erst nach
Behandlung mit Alkohol, welcher diese lichtbrechenden Körper löst,
tritt der Kern schärfer hervor und läßt eine ovale Form und körnigen
Inhalt erkennen. Die erwähnten stark lichtbrechenden Klümpcehen
scheinen nach ihrem Verhalten zu den Lösungsmitteln, sowie schon
nach ihrem Aussehen, Wachsabsonderungen zu sein. Die Cuticula
ist in solchen Zellen mit Wachskörpern nicht verändert. Die
Zellen des Labellum der Ornthidium-Blüte gehen somit an ganz
bestimmten Stellen in ein sezernierendes, durch Größe,
Färbung und Form der Zellen deutlich verschiedenes Epithel
über, dessen Tätigkeit sich ohne chemische Veränderung der
Outiecula vollzieht.
2. Über den Chemismus und die Natur des Blütenwachses.
Die chemische Untersuchung der Wachssubstanz gestaltete
sich insofern sehr schwierig, als alle verfügbaren Blüten zusammen
kaum 1 gr Wachs lieferten.
Fahringer. Zur Kenntnis einiger Blütensekrete etc. 193
Die von Zimmermann!) angeführten Reaktionen ließen sich
ohne weiteres durchführen und ergaben folgende Resultate: Die
Substanz löst sich wenige in kaltem Alkohol mit etwas Rückstand,
leicht in Äther, Chloroform und Benzol, ebenso in heißem Alkohol.
Mit Alkanatinktur geschmolzen, bildeten sich violette 'Tröpfchen;
dagegen erzeugten Säuren und Basen keine wesentlichen Ver-
änderungen an der Substanz. Machen diese Reaktionen an und für
sich die Natur des Sekretes als wachsartigen Körper wahrscheinlich,
so wird dies durch den Vergleich mit anderen Wachsarten in bei-
eesrebener Tabelle?) nahezu völlig sichergestellt:
Tabelle pflanzlicher und tierischer Wachsarten.
Spez. Gew. | Schwer- | 333 573 | eE|458 Besondere
Wachsart 150 ©. | punkt |F88 38 | 2°“ | ZA Eigenschaften
| Berllser eellse
kalt,we-) _
gar 1—1:06 | 52°-55° |unlösl.| leicht ne leicht| Glycerin
u ; i 2 heiß
Dlipawelehs 0:92 390 —40° | wenig | leicht jicht — a;
Galaktoden- FD s a N ER
dronwachs Tas | I ge FREE
, sehr |i.20 Teil.| löslich
Zauegracıs ni 1:005 | 45°—46° eng rn N an ==
Er löslichin heiß.
Ficuswachs = | 56°—57° | wenig | leicht | leicht — | Terpentinöl
| u. fetten Ölen.
22205 Dr EN löslich in
_ pherenwachs BE I 1002 5; IE a Aue OL
Carnaubaw. |0°:995—0' 999 80°—81° | wenig | vollst. | vollst.| — —
Palmwachs |0-992-0-995 10291050 wenig eiehtin| yonst., — | gemengt mit
Br Be Ey un 9 ın löslich löslich in äth.
Bienenwachs [0 :960—0: 963 62°_62 5% ,..1:., 40 .. ä leicht Ölen
as 1: 10 verseifbar.
BR a löslich in äth.
Cocecidenw. 0970 820—83° | wenig | wenig | wenig |leicht Ölen
LT DER. _ verseifbar.
Maxillariaw. er SEN RE | TEN x gemengt mit
(Ormithidium- 64°—102 wenig | leicht | leicht leicht Harz nl
blüte) | äth. Ölen.
Wohl alle hier erwähnten pflanzlichen Wachsarten, auch das
Blütenwachs von Ornithidium, sind Glyceride, die keine freien
Fettsäuren enthalten, weshalb sie auch nicht verseifbar sind, im
(segensatz zu den tierischen Wachsarten, die bekanntlich freie
!), Zimmermann, Mikroskopische Technik. 1892.
?) Schädler, Technologie der Fette und Öle des Pflanzen- und Tier-
reiches. Berlin 1863.
Beihefte Bot. Centralbl. Bd. XXIIL. Abt. I. Heft 3, 13
194 Fahringer, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete etc.
Fettsäuren enthalten. Daher ergab sowohl die Akroleinprobe
als auch die Kampferprobe!) bei der Untersuchung des Blüten-
wachses ein negatives Resultat. Auch die gewöhnlichen Eiweis-
und die Fehling’schen Zuckerreaktionen führten zu keinem posi-
tiven Ergebnisse. Es fehlen also bestimmt Beimengungen von
Eiweiß, Fett und Zucker. Lösen wir dagegen die Substanz.
in Alkohol, so. färbt sich die Lösung bei Behandlung mit dem
Millon’schen Reagens schwach rot, was auf das Vorhandensein
ätherischer Öle hindeutet. Versetzt man eine Lösung in etwas
Alkohol mit Hz SO,, so färbt sich die Lösung alsbald gelbgrün, es
muß also auf Beimengungen von harzartigen Körpern geschlossen
werden, da ja bekanntlich die Schwefelsäure bei größeren Mengen
Harz dieses durch Rotfärbung, bei geringeren Mengen durch Gelb-
srünfärbung anzeigt. Überdies deutet der hohe Schmelzpunkt des
Rückstandes auch schon darauf hin. Das Blütenwachs von
Ornithidium divaricatum ist also ein fettfreies Glycerin
mit Beimengungen von ätherischen Ölen und harzähn-
lichen Körpern. Porsch?) gibt in seiner Arbeit an, daß er an
einem einzigen Formolexemplar nicht weniger als 13 Reaktionen
ausgeführt habe. Wenn man bedenkt, daß eine Blüte kaum !/;
Substanz liefert und gewisse Reaktionen, z. B. die Fehling’sche
Reaktion, nur mit frischen Exemplaren gemacht werden können, so
ist wohl klar, daß die von ihm diesbezüglich gemachten Angaben
meinem Manuskripte entlehnt und als „eigene“ Untersuchungen
angeführt wurden. Das Urteil über ein derartiges Vorgehen mag
der Öffentlichkeit überlassen bleiben. Was die physikalische Eigen-
schaft des Blütenwachses anbelangt, so konnte ich die kristallinische
Beschaffenheit der Substanz durch Auskristallisieren des Wachses
aus alkoholischer Lösung nachweisen und feststellen, daß die meist
zu Klümpchen vereinigten tafelförmigen Kriställchen die bereits
von Wiesner?) erwähnte Doppelbrechung zeigen. Die vor-
liegende Untersuchung ergibt also eine nahezu voll-
ständige Übereinstimmung mit den bereits untersuchten
pflanzlichen Wachsarten, sowohl in chemischer als auch
in physikalischer Hinsicht.
Dasselbe ist nun auch bezüglich der Entstehung und Sekretion
des Wachses der Fall. Untersucht man nämlich die wachsabson-
dernden Stellen unter Zusatz von Alkohol und beobachtet den lang-
samen Lösungsprozeß unter dem Mikroskop, so bemerkt man zu-
nächst, daß eine große Anzahl lichtbrechende Klümpchen gar bald
angegriffen werden, sich in Tröpfchen umwandeln und schließlich
ganz verschwinden, und zwar so, daß der ursprünglich von diesen
Körpern völlig verdeckte Kern im Plasma der sezernierenden Zellen
sichtbar wird (Fig. 2, A und D).
!) Auf Wasser rotierender Kampfer stellt sofort diese Bewegungen ein,
sobald nur die geringsten Spuren von Fett auf die Wasseroberfläche gelangen.
Siehe übrigens die meisten Handbücher der organischen Chemie.
2) Porsch, l. c. pag. 253 ff.
3) Wiesner, J., Über die kristallinische Beschaffenheit der geformten
Wachsüberzüge. (Bot. Zeitung. 1876. pag. 225 ff.)
Fahringer, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete etc. 195
Es werden also im Protoplasma Wachskörner vorgebildet und
sodann durch die unverändert bleibende Cuticula nach außen
abgeschieden. Die unter den sezernierenden Oberhautzellen befind-
lichen Mesophylizellen des Labellum weisen gleichfalls lichtbrechende
Körper auf, die aber nicht, wie Porsch!) angibt, wachs- oder fett-
artiger Natur sein können, daß sie schon durch das Wasser ver-
ändert werden und gar bald verschwinden. Die Absonderung des
Blütenwachses erfolgt allseitig und zwar so, daß das abgeschiedene
Wachs (Fig. 3, A, 5) sehr deutlich die Konturen der sezer-
nierenden Zellen aufweist. Die von Porsch?) erwähnte schollen-
artige Absonderung des Blütenwachses ist an frischen Exem-
plaren nicht zu sehen, während die in Formol mazerierte
Substanz oft so aussieht. Diese oben erwähnte Struktur) des
Blütenwachses ist für viele pflanzliche Wachsarten charakteristisch.
Das hier beschriebene Blütenwachs von Ornithidium
divaricatum muß also sowohl in Bezug auf die chemi-
schen und physikalischen, als auch hinsichtlich der Ent-
stehung und Ausscheidung zu den pflanzlichen Wachs-
arten gerechnet werden.
3. Biologische Bedeutung des Blütenwachses.
Das Blütenwachs von Ormithidium divaricatium Barb. Rodr.
dient nach Porschst) Ansicht als Anlockungsmittel für Wachs
bereitende Insekten, was auch durch Wettsteins5) Beobachtung
erhärtet wird. Nun, ich bin der Ansicht, daß die Beobachtung
Wettsteins nur erweist, daß diese Substanz von verschiedenen
Insekten abgenommen wird. Wozu diese Substanz aber von den In-
sekten verwertet wird und worin also die biologische Bedeutung gerade
dieses Anlockungsmittels, und speziell für diese Pflanze liegt, das
vermag uns die Beobachtung nicht zu ergeben. Porsch®) be-
hauptet aber, „daß hier die Blüte denjenigen Stoff, den sich die
Insekten zu ihrem Zellenbau selbst bereiten müssen, als Anlockungs-
mittel fix und fertig ... .. darbietet.“ Diese Behauptung ist un-
richtie. Es gibt überhaupt keine natürlichen oder künstlichen
Nahrungs- und Nutzmittel, die an und für sich direkt zum Aufbau
des tierischen Organismus verwendet werden können; denn alle in
den tierischen Körper gelangenden Substanzen werden ausnahmslos
durch gewisse Prozesse des lebenden Protoplasmas in geeigneter
Weise umgewandelt. Dasselbe ist auch bezüglich der Wachs-
absonderungen der Insekten der Fall. Wir kennen keinen einzigen
1) Porsch, ]l. c. No. 7. 1905. pag. 258.
2) Porsch, 1. c. No. 7. pag. 255 und Tafel IV, Fig. 9.
»), Siehe Wiesner, Beobachtung über die Wachsüberzüge der Epidermis
(Bot. Zeit. 1871 pag. 769 ff.) und De Bary, Über die Wachsüberzüge der Epi-
dermis. (Bot. Zeit. 1871.)
#) Porsch, ]l. c. pag. 255 und Mitteilungen des naturw. Vereins an der
Universität Wien. Jahrg. II. 1904. No. 4—7. pag. 52.
5) Wettstein, R. v., Vegetationsbilder aus Südbrasilien. 1904. pag. 30,
6) Porsch, ], c, No, 7, pag. 25,
13*
196 Fahringer, Zur Kenntnis einiger. Blütensekrete etc.
Fall, in welchem nicht das Wachs in eigenen Drüsen entweder
aus Nahrungssäften (Coceiden, Aphiden, Aleurodiden) oder aus dem
- Honig (Apiden) hergestellt wird. Das Bienenwachs ist somit ein
Umwandlungsprodukt des Honigs oder anderer Nahrungssäfte. Die
Bienen zum Beispiel müssen also zur Herstellung des Wachses vor
allem honigliefernde Pflanzen aufsuchen, und hätte also eine Wachs-
absonderung auf einer Blüte gar keinen Zweck, besonders dann
nicht, wenn diese Substanz chemisch so verschieden ist von tie-
rischem Wachs, wie das Blütenwachs von Ornithidium divaricatum.
Die pflanzlichen Wachsarten sind Gemenge von Cerotinsäure-
Myricylester, Myricyl-Alkohol nebst aromatischen Kohlen-
wasserstoffen und einigen Alkoholen und Oxysäuren.
Bienenwachs enthält dagegen ein Gemenge von Cerotinsäure
und Palmatinsäure-Myricylester, ferner Myricylalkohol,
Gerilalkohol, einige ungesättigte Fettsäuren und Kohlen-
wasserstoffe, Alkohol- und Melissensäure. Ja, es läßt sich
sogar nachweisen, daß Bienenwachs keine Spuren pflanzlichen
Wachses enthält, und zwar gestattet dies die Köttsdorfer’sche
Zahl (als Maß für die Sättigungskaprizität der gesamten Fettsäuren).
Daneben gibt noch das spezifische Gewicht, der Schmelzpunkt, so-
wie das Verhältnis der Ätherzahl zur Säurezahl sichere Anhaltungs-
punkte für Beimengungen zum Bienenwachs irgendwelcher Art.
Die Köttsdorfer’sche Verseifungszahl des reinen Bienenwachses
— 9, die Verhältniszahl—= 3°75; Carnaubawachs hat dagegen
die Verseifungszahl 79, die Verhältniszahl = 19. Geringe Bei-
mengungen verändern sofort die Verhältnis- und Verseifungszahl.
Reines Bienenwachs aber enthält niemals auch nur Spuren von
pflanzlichem Wachs. Ähnlich verhält es sich natürlich auch bei
anderen Insekten, die Wachs absondern. Es ergibt sich also
aus der Entstehungsweise des tierischen Wachses, sowie
aus demÜÖhemismus desselben die vollständige Unrichtig-
keit der Porsch’schen Auffassung.
Auch der biologische Zweck dieses Sekretes wäre sonach
total verfehlt, sobald man der Porsch’schen Auffassung beipflichtet.
Wenn auch die schneeweiße, von der braunroten Unterlippe der
Blüte sich scharf absondernde Wachsmasse, wie schon Wettstein!)
richtig vermutete, Insekten aus der Ferne anlocken dürfte, so liegt
vor allem die Bedeutuug des Sekretes als Anlockungsmittel in einer
ganz anderen Verwertung als in der von Porsch angegebenen.
Es ist lange bekannt, daß die Bienen klebrige Überzüge von
Knospen, Wachsabsonderungen von Blättern oder Früchten u. derg].
einsammeln, um daraus ein Klebemittel (Propolis oder Klebwachs)
herzustellen, das ihnen zum Verstopfen von Ritzen und Fugen u. derg].
dient. Die große Klebrigkeit des frischen Wachses, sowie überhaupt
die ganze Beschaffenheit desselben deuten an und für sich schon darauf
hin, daß es wohl nur zu diesem Zwecke von den Bienen verwertet
wird. Es liefert also lediglich sogenanntes Klebwachs
(Propolis). Übrigens ist es ein ausgezeichnetes Abwehrmittel
!) Porsch, 1. c. No. 7. pag. 258.
Fahringer, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete etc. 197
segrenüber kleinen pollenfressenden Insekten (z. B. Nitituliden), die
an dieser klebrigen Masse haften bleiben dürften. Damit ist wohl
auch die spezielle biologische Bedeutung des Blütenwachses erklärt.
Die Sicherung der Fremdbestaubung ist durch die Lage der Wachs-
absonderungen (Fig. 1, 4 und BD) bedingt; die für die Vermittlung
der Befruchtung besonders wichtigen anthophilen Hymenopteren
werden, um eine sonst nicht allgemein vorkommende für sie not-
wendige Substanz, nämlich Klebwachs, zu erhalten, gerade diese
nicht sehr auffallenden grünlichen Blüten, deren Wachssekret übrigens
den Wee zur Blüte zeigt, aufsuchen, während andere schädliche
Formen durch die Klebrigkeit des Wachses abgehalten
werden. Dazu kommt noch, daß das Wachs an und für sich nur
von einer sehr geringen Anzahl von Insekten verwertet werden
kann, also die Blüte von vornherein von vielen Schädlingen nicht
beachtet werden dürfte. Daß gerade bei den Orchideen solche von den
sewöhnlichen verschiedenen Anlockungsmitteln, wie Blütenwachs
oder Futterhaaret), vorkommen, ist uns aus der vollkommenen An-
passung der Orchrdeen-Blüte an die Insektenbefruchtung um so
eher erklärlich, als hier der Pollen des einzigen (selten zweier)
Staubgefäßes vor den Angriffen verschiedener Insekten geschützt
werden muß. Diese doppelte biologische Bedeutung einzelner An-
lockungsmittel, wie sie gerade für Orchideen charakteristisch sind,
wird noch späterhin Gegenstand eingehender Besprechung sein.
4. Einige Bemerkungen über Beschaffenheit und biologische
Bedeutung einiger Anlockungsmittel.
Die verschiedenen Anlockungsmittel?), die von einer großen
Anzahl von Blütenpflanzen den tierischen Besuchern zur Sicherung
der Fremdbestäubung geboten werden, wirken auf Gesichts-, Ge-
ruchs- und Geschmackssinn derselben. Die Ausbildung verschiedener
Anlockungsmittel wie Honig, Futterhaare, Futterpollen etc.
erklärt sich nur aus den verschiedenen Bedürfnissen der sich von
Pflanzenstoffen nährenden Tiere, ebenso wie Farbe und Duft auf
Anlockung aus der Form berechnet und dem ziemlich gut ausge-
bildeten Geruchs- oder Gesichtssinn verschiedene Insekten angepaßt
sind. Auf diese Weise gewinnen sich die Pflanzen einerseits ganz
bestimmte für ihre Entwicklung förderliche Besucher, während
andererseits schädliche Gäste abgehalten werden. Auf die Frage
der biologischen Bedeutung von Blütenfarbe und Blütenduft will ich
hier nicht weiter eingehen, nachdem ja auf diesem Gebiete bereits
eingehende Untersuchungen von Plateau?) und Andreaet) vor-
1) Boorsch, 1. ce. No. 5. "pag. 165.
?) Porsch, Die Anlockungsmittel der Pflanzen im Lichte neuerer For-
schungen. (Mitteilungen des Naturwissenschaftl. Vereins an der Universität
Wien. 1904. No. 4. pag. 25 ff.)
°) Plateau, Comment les fleures attirent les insectes. (Bull. de l’Aca-
(demie royale d. sc. de lettr. et b. arts de Belgique. 1895. 1896. 1897.)
*%) Andreae, Inwiefern werden Insekten durch Blütenfarbe und Duft der
Blumen angezogen? (Beihefte zum Bot. Oentralblatt. Bd. XV. Heft 3.)
198 Fahringer, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete etc.
liegen, deren Ergebnisse von Porsch!) eingehend besprochen und
in charakteristischer Weise zusammengefaßt wurden. Viel notwendiger
erscheint es mir, die für die Ernährungsweise und speziellen Lebens-
bedürfnisse einzelner Tiere wichtigen Anlockungsmittel zu besprechen.
Zu diesen gehört vor allem der Blütenhonig. Dieses bei zahl-
reichen Pflanzen vorkommende Sekret ist einer von den unentbehr-
lichsten Nahrungsstoffen der verschiedensten Insekten, welche die
Befruchtung vermitteln und in manchen Fällen auch Schutz gegen
Schädlinge?) bieten. Deshalb finden wir auch bei Honigblütlern
die mannigfaltigsten Einrichtungen®) zum Aufbewahren und zum
Schutze des Honigs. Als Beispiel möchte ich hier die Blüte von
Symphytum tuberosum L. anführen, welche ich näher zu untersuchen
(Gelegenheit hatte. Die glockenförmige Blumenkrone dieser Pflanze ®)
trägt am basalen Ende einen gelblich aussehenden Wulst, der um
den Fruchtknoten einen Ring bildet. Diese Wulst besteht, wie die
mikroskopische Untersuchung zeigt, aus zahlreichen Trichomen,
ganz ähnlich den nach Porsch>5) bei Maxillarien-Arten vorkom-
menden, von ihm beschriebenen Futterhaaren. Die Trichome
(Fig. 4, A und 5) sind ein- bis zweizellig, besitzen eine dicke
eutinisierte Membran.
Der Protoplast der etwa 1 mm lang werdenden Trichome
besteht aus einem ziemlich homogen granuliertem Inhalt mit einem
mehr oder weniger basal gelagerten Kern. Die Fehling’sche
Reaktion beweist, daß diese Haarzellen Zucker enthalten. Wenn
man mittelst Glyzerin oder absolutem Alkohol dem Protoplast
Wasser entzieht, so scheiden sich würfelförmige Zuckerkristalle in
erößerer Menge ab. Der Blütenhonig enthält etwa 77 °/, Wasser
und 23 °/, Zucker und liefert eine Einzelblüte ungefähr 6—8 mg.
Zucker. Zu einem einzigen Gramm Zucker müssen also zirka 119
Blüten abgesucht werden, zu einem Kilogramm sind etwa 119000
Blüten erforderlich. Diese Zahlen erklären zur Genüge das un-
vemein häufige Vorkommen der Symphytum-Arten, die zu den be-
liebtesten Besuchsobjekten für anthophile Insekten gehören. Die
große Zahl der reichlich Honig absondernden Trichome gestattet
überdies einen mehrmaligen Besuch durch Insekten, und zwar so,
daß die Fremdbestäubung ziemlich gut gesichert erscheint. Über-
dies sind die Trichome selbst durch die dicke, ziemlich harte Zell-
membran gut geschützt und man findet selbst an alten, bereits von
Stacheln angebohrten Blüten die Trichome unverletzt, da die
Bienen sich eben mit dem außen abgeschiedenen Honig begnügen
müssen. Wir haben es also hier mit einem Fall ganz be-
1) Porsch, 1. e. Mitteilungen des naturw. Vereins. pag. 26 ff.
2) Wettstein, R. v., Über die Kompositen der österr.-ung. Flora mit
zuckerausscheidenden Hüllschuppen. (Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie
der Wissenschaften. Math.-naturw. Klasse. 1888.)
3) Darwin, Ch., Die verschiedenen Einrichtungen, durch welche Or-
chideen von Insekten befruchtet werden. Übersetzt von Carus. Stuttg. 1877.
#) Kerner, A. v., Pflanzenleben. 2. Aufl. Leipzig 1898. ypag. 254 ff.
1, &- (OÖ) |
>) Porsch, ], ce. I. pag.. 166,
Fahringer, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete etc. 199
sonderer Anpassung an die Insektenbefruchtung ver-
mittelst Honig absondernder Trichome zu tun. Außer dem
Blütenhonig ist nur noch der Pollen als ein allgemein verbreitetes
Anlockungsmittel der Blumen zu nennen, die einzelnen Fälle aus-
senommen, in denen ein Teil der Antheren direkt zu sogenannten
Beköstigungsantheren umgewandelt ist, z. B. bei Cassza fistwla L.!)
Doch ist dies nur meist dann der Fall, wenn keine Honigabson-
derungen stattfinden. In den meisten Fällen kommt es zur Aus-
bildung von zahlreichen Staubgefäßen, von denen dann einzelne
ohne Gefahr für die Befruchtung abgeweidet werden können (Ra-
numculaceae, Rosaceae), oder es stehen die Einzelblüten in dichten
Blütenständen zusammen und es werden dann nur wenige Antheren
ausgebildet (Compositaue, Umbelliferae). Die große Zahl besonders
solcher Pflanzen, die den Insekten Honie oder Pollen liefern, darf
uns nicht Wunder nehmen, wenn wir beachten, daß gerade diese.
Anlockungsmittel für die Lebensverhältnisse der meisten Insekten
von enormer Bedeutung sind. Die hier mitgeteilte Tabelle mag
das Verhältnis der Blütensekrete zu den Lebensmitteln der Bienen
klarlegen 2):
| | | | | |
Glu- | Fruk- |Saccha- | | Pollen | Eett- Hypo-
Benennungen | H20. kose | tose | rose Dextrin| Wachs | Fette) N. xantin.
[ !
Blütenhonig:) [79-62 | 22-47 37:96 23-02. | arme
Pollen?) . .|632 — | — ı 12:97 = 3:61 7:41 27:81 0:077
% Ri a ee
Bienenhonig®) | 18° 96 oe | 2:69 3:89 —. DAL
Eukterbrei®) . (65-6211. | — | — | _ | _ 9.38 |ag05|
| Amei- | Trockensubst.
Benennungen Harze, a Ste ut | Se ‚sen. | Gl. a.
Blütenhonig !) 2 | | | | 1:44 | _ 17-21 | 30:16
Pollen) . .\817 2:08 16 2.00 — | —-
Bienenhonig) | — — | — | — 0:24 11:42 88-89| 3:75
Futterbrei y b == EN VER 3-04 [ 22 ; we
») Mittel aus 9 Analysen. 2) Mittel aus 2 Analysen. 3) Mittel aus 175
Analysen. *) Mittel aus 5 Analysen.
Aus dieser Tabelle geht zunächst hervor, dab der Blütenhonig
sehr wässerig ist und verhältnismäßig wenige Zucker enthält, die
!), Knuth, Handbuch der Blütenbiologie. Bd. Ill. Teil I. p. 366 4.
2) König, J., Ohemische Zusammensetzung der menschl, Nahrungs- und
(senußmittel. Berlin, V, Springer, 1903. Bd. |],
200 Fahringer, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete etc.
Bienen also gezwungen sind, ziemlich viele Blüten abzusuchen, um
einieermaßen Honig zu bekommen. Auch besteht der Blütenhonie
fast zu gleichen Teilen aus Glukose und Saccharose, während im
Bienenhonig nur wenig Saccharose vorhanden ist; offenbar wird
die Umwandlung der Saccharose in Glukose im Körper der Bienen
durch geeignete Fermente vollzogen. Ferner ist noch zu erwähnen,
daß der Bienenhonig freie Ameisensäure enthält, die eben erst im
Körper der Bienen erzeugt wird. Der wässrige, fett- und eiweis-
reiche Futterbrei wird fast ausschließlich, wie wir hier sehen, aus
dem Pollen erzeugt und nur wenige Honig: beigemengt, und dürfte
wohl auch hier das überschüssige Wasser des Blütenhonigs ver-
wendet werden. Wir können also behaupten, daß Honig und Pollen
für die Lebensbedürfnisse der meisten Insekten vollkommen aus-
reichen, denn bei fast allen nicht räuberisch lebenden Insekten
verhält es sich bezüglich der Ernährung ähnlich. Honig und
Pollen müssen also als Anlockunesmittel hinsichtlich
ihrer biologischen Bedeutung allen anderen vorangestellt
werden. Dagegen besitzen die sonst noch vorkommenden An-
lockungsmittel, wie Futterhaare, Blütenwachs etc., die ja nicht all-
gemein vorkommen, eine untergeordnete, nur aus den speziellen
Lebensverhältnissen solcher Pflanzen erklärliche Bedeutung.
Unter diesen wären zunächst zu erwähnen die von Porsch!)
als „Futterhaare“ bezeichneten Eiweiß- und Fettdrüsen, die bei
einigen tropischen Orchideen, sowie auch einigen anderen ein-
heimischen Pflanzen vorkommen. Vor allem nun ist festgestellt.
daß die Futterhaare durchaus keine neuen Anlockungsmittel sind,
wie Porsch behauptet, denn schon Darwin:) erwähnt an ver-
schiedenen Stellen seines Werkes „Über die verschiedenen Ein-
richtungen der Orchideen zum Zwecke der Fremdbestäubung“, das
Vorkommen von vorragenden Leisten und Fransen, die von Bienen
(Huglossa-Arten) benagt werden, eine Tatsache, die übrigens auch
von Crüger:) durch direkte Beobachtung erhärtet wurde Es
handelt sich hier auch um honiglose Blüten, und die Angaben
Urügers und Darwins beweisen, daß Futterhaare bei Orchrdeen
ziemlich verbreitet sein dürften. Nur hat Darwin keine genaue
Beschreibung derselben gegeben, und bietet uns die Arbeit von
Porseh in dieser Hinsicht eine wertvolle Ergänzung. Allerdings
sind die angeführten Reaktionen auf Eiweiß meiner Meinung
nach unzulänglich, um so mehr, als bei den meisten von ihm unter-
suchten Maxellareen ätherische Öle in der Blüte vorkommen, die
durch die von Porsch angeführten Reaktionen viel besser angezeigt
werden als Eiweißstoffee. Ebenso ist die Osmiumreaktion auf
Fett durchaus nicht eindeutige. Jedenfalls bedürfen die diesbezüglich
von Porsch gemachten Angaben noch einer genauen Nachunter-
suchung. Einstweilen gehen wir von der Annahme aus, daß wir
es hier mit Absonderungen von Fett und Eiweiß in eigenen Drüsen-
DIBorsichsel.ic No2o par 66:
?) Darwin, 1. c. 1878. pag. 68 u. a. O.
») Crüger, Journal Linn. Soc. Botany. Vol. VIII. 1864. pag. 130.
Fahrınger, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete ete. 201
haaren zu tun haben. Wir können das um so leichter tun, als
der histologische Bau dieser Organe einwandfrei beschrieben wurde,
und mit Rücksicht darauf, sowie auch wegen des Mangels an Blüten-
honie die biologische Bedeutung dieser Organe zwanelos erklärt
werden kann. Vor allem aber bin ich durchaus nicht der Ansicht,
daß Fett und Eiweißkörper als Ersatz für Blütenhonig den
Insekten geboten werden können; denn bei dieser Annahme würden
ja diese Orchideen im Kampf ums Dasein gegenüber den honig-
tragenden Arten stark im Nachteil sein, um so mehr, als ja der
Pollen an und für sich schon Fette und Eiweißkörper enthält.
Vielmehr ist die Bedeutung der Futterhaare als Anlockungsmittel,
abgesehen davon, daß sie ein wichtiges Nahrungsmittel für
gewisse Insekten abgeben, auch darin zu suchen, daß sie den nur in
einem einzigen Staubgefäße vorfindlichen undin seiner Gänze für
die Befruchtung notwendigen Pollen vor den Angriffen
pollenfressender Insekten schützen, indem diese Organe
gerade diejenigen Stoffe produzieren, die sonst den Pollen-
säcken entnommen werden müßten. Auf diese Weise erklärt
sich auch, warum speziell bei den Orchideen Futterhaare als An-
lockungsmittel vorkommen. Es ist überhaupt anzunehmen, daß
Futterhaare ausschließlich bei pollenarmen!) Blumen vorkommen.
Auch das bei Ornithidium divaricatum Barb. Rodr. vorkommende -
Blütenwachs hat, wie auch schon früher erwähnt, eine ähnliche
Bedeutung, indem gewisse Insekten das von Blättern, Knospen oder
wachsreichem Pollen herrührende Blütenwachs hier direkt in auf-
fälliger Form vorfinden, und zwar so, daß die ziemlich wachsreichen
klebrigen Pollensäcke einigermaßen geschützt sind. Betrachten
wir nun auch noch die übrigen bisher bekannt gewordenen An-
lockungsmittel, wie z. B. die bei Cussea festula L. vorkommenden
Beköstigungsantheren oder die bei Freycinetia strobrlacea er zur
Ausbildung gelangenden kolbenartigen Beköstigungskörper u.s. w.,
so können wir mit Rücksicht auf die Blütenbeschaffenheit, es
delt sich ausschließlich um pollenärmere Blumen, ebenfalls die Be-
hauptung aufstellen, daß alle diese vereinzelt vorkommenden An-
loekungsmittel immer eine doppelte biologische Bedeutung haben,
nämlich, nicht nur Insekten anzulocken, sondern auch edle,
zur Befruchtung unentbehrliche Organe vor etwaigen
Angriffen zu schützen.
Auf Grund unserer Anschauungen lassen sich die verschiedenen
Anlockungsmittel folgendermaßen kurz charakterisieren, nämlich als
Anlockungsmittel, die auf den Gesichts- und Geruchssinn ge-
wisser Tiere wirken (fernwirkende Anlockungsmittel). Hier-
her gehören Blütenfarbe und Blütenduft, diese finden sich
meist bei solchen Pflanzen, die in Gesellschaft anderer sie über-
wachsender oder überwuchernder Pflanzen vegetieren. Es erscheinen
dann diese Anlockungsmittel sehr auffallend. In den überwiegend
!) Die Bezeichnung pollenarm ist im biologischen Sinne zu nehmen; es
kommt hier nicht auf die Menge des Pollens, sondern auf die Verwertung zur
Befruchtung an.
202 Fahringer, Zur Kenntnis einiger Blütensekrete etc.
meisten Fällen finden sich aber außerdem noch andere vornehmlich
auf den Geschmacksinn wirkende Anlockungsmittel (nahwirkende
Anlockungsmittel), und zwar entweder solche, die unter den
Insektenblütlern all&emein verbreitet sind, und in reichlicher Menge
wichtige Nahrungsmittel zur Verfügung stellen (normale An-
lockungsmittel), nämlich Blütenhonig und gewöhnlicher
Pollen, oder es finden sich immer nur vereinzelt!) einige An-
lockungsmittel, die aber nicht nur die Aufgabe haben, Insekten
oder andere Tiere anzulocken, sondern auch meist gewissermaßen
als Schutzorgane dienen (abnormale Anlockungsmittel). Hier-
her gehören Futterhaare, Blütenwachs, Beköstigungsantheren, Be-
köstigungskörper u.s. w. Es ist jedenfalls auch klar, daß das Vor-
kommen bestimmter Anlockungsmittel mit der Höhe der Organisation
der betreffenden Pflanze zusammenhängt, und man kann es gewiß als
ein Zeichen höherer Ausbildung betrachten, wenn z. B. statt einem
einzigen Anlockungsmittel mehrere (Farbe und Honig) auf einer Blüte
vorkommen, oder ganz bestimmte Stoffe, die gerade für eine zur
Vermittlung der Befruchtung besonders geeignete Insektengruppe
(Apiden) außerordentlich wichtig sind, erzeugt werden, und tat-
sächlich gehören die Honieblütler unter den Angiospermen fast
ausschließlich zu den höchst entwickelten Pflanzen. Hiermit
:claube ich, soweit ich Einblick in die Sache habe, die mir gestellte
Aufeabe erfüllt zu haben, die einerseits darin bestand, einige in
neuerer Zeit in die Blütenbiologie eingeschleppte Irrtümer zu be-
seiticen, andererseits aber auch einige Beiträge zu bringen, die in
mancher Hinsicht für die blütenbiologische Forschung von einiger
Bedeutung sein dürften. Wenn vielleicht manches von dem Ge-
sagten noch nicht ausreichend begründet erscheinen sollte, so mag
das wohl auf die Schwierigkeiten zurückzuführen sein, die sich der
Beobachtung und Untersuchung entgegenstellten, ich bin aber der
Ansicht, daß sich manche meiner Anschauungen späterhin als
richtig erweisen werden, und ich hoffe selbst, noch in dieser Hin-
sicht einiges beitragen zu können. Schließlich möge es mir noch
gestattet sein, Herrn Professor Rudolf Böhm für seine wertvollen
Winke in Bezug auf den chemischen Teil meiner Arbeit meinen
besten Dank auszudrücken.
Figurenerklärung.
Fig. 1A: Blüte von vorn, Fig. 1 B: von der Seite (eine Sepale entfernt).
So oberes Sepalum, Ss seitliches Sepalum, 7? Petalen, Z Labellum, @ Gym-
nostemium, C Callus, W Weachssekret.
Fig. 2A: Einzelne Sekretzellen (stark vergrößert) nach Entfernung des
Wachses durch Alkohol. Fig. 2B: Gruppe von Sekretzellen mit Wachsinkrusta-
tion in Lösung während des Zusatzes von Alkohol. H Membran, K Kern,
!) D. h. nur bei bestimmten Pflanzengruppen (Orchideen) und ganz
wenigen Arten anderer Gruppen vorkommende Anlockungsmittel.
Beihefte zum Botanischen Centralblait BA.XXH Abt. I Taf XVT.
Fig. IB.
Verlag von 6.Heinrich in Dresden-N. Lith, Anstv. Johannes Alt, Jena
Fahringer, Zur Kenntnis emiger Blütensekrete ete. 203
W Wachssekret, P Protoplast, M Mesophyli des Labellum (frische Präparate
eingelegt in Alkohol und Glyzerin).
Fig. 3A: Wachssekret (bei starker Vergrößerung, Sekretzellen mit Kali-
lauge entfernt). Fig. 3B: Epithel mit Wachssekret (bei schwacher Vergrößerung).
W Wachssekret, Z Sekretzellen (frische Schnitte).
Fig. 4: Honigtrichome aus der Blumenkrone vom Symphytum tuberosum L.
A: einzelne Trichome (stark vergrößert). B: Gruppe von Trichomen (schema-
tisch. 4 Membran, X Kern, Z Zuckerkristalle, M Mesophyll (frische Schnitte).
204
Über den Einfluss der elektrischen Ströme
auf die Kohlensäureassimilation
der Wasserpflanzen.
Von
Alexander Koltonski
aus Grabow (Russ.-Polen).
Mit 4 graphischen Darstellungen und 4 Zeichnungen im Text.
Geschichtliches. !)
Der Einfluß der Elektrizität auf das Pflanzenleben bildet
seit anderthalb Jahrhunderten den Gegenstand der Forschung.
Die ersten Untersuchungen auf diesem Gebiete sind geknüpft
an die Namen: — Meinbray, Nollet, Bertholon, Humphry-
Davy, Humboldt. Wollaston. — Diese Forscher stellten fest,
daß die Hlektrizität unter bestimmten Bedingungen die Keimung
der Samen befördert und das Wachstum der Pilanzen beschleuniet.
1843 erschien die höchst interessante Arbeit des Wiener
Botanikers Franz Unger?) über „Die Pflanze im Momente der
Tierwerdung.“ In dieser Schrift, welche in Form von Briefen
veröffentlicht ist, behandelt er das Leben von Vaucheria clavata
in allen seinen Erscheinungen und unter Einwirkung verschiedener
Einflüsse. Einer der Briefe behandelt die Einwirkung der Elek-
trizität auf das Leben der Schwärmspore und stellt eine Erschei-
nung fest, die Verworn später mit dem Namen Galvanotaxis be-
legt hat.
Es scheint mir hier auch die richtige Stelle zu sein, die Tat-
sache festzustellen, daß Unger und nicht Hermann — wie es
Verworn:) angibt — der Erste war, der sich mit den Problemen
der Galvanotaxis lebendiger Organismen beschäftigte. Schon 50
Jahre vor Hermann hat Unzer die Erscheinung der Galvano-
taxis an Stentor niger, einer bekannten Infusorie, studiert und be-
obachtet. „Bei einer genügenden Stromintensität sah man das herr-
1) Einige von diesen hier angegebenen geschichtlichen Daten habe ich
der historischen Skizze von M. ©. Grady in „Le petit Temps“ vom 25. Januar
1895 entnommen. .
2) Unger, J., Die Pflanze im Momente der Tierwerdung. Wien 1843.
® Verworn, Allgemeine Physiologie. 1903. S. 486.
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 205
liche Schauspiel der in Bogenzügen herbeieilenden Tierchen. Es
war unstreitig die Kurve einer Ellipse, von deren Brennpunkte aus
sich die Macht des kontraktiven Poles verbreitete; ja sie schienen
vielmehr durch eine unsichtbare Kraft dahin geleitet zu werden,
aber kein einziges wählte den kürzesten Weg.“!)
Im Jahre 1846 studierten Sheppard und Forster in Eng-
land, etwas später Hubeck und Fichtner in Deutschland, den
Einfluß der dynamischen Elektrizität auf die Futterpflanzen, und
fanden dabei, daß jene die Ernte von 13 auf 27°, steigern kann.
Im Jahre 1876 hat Wilhelm Velten?) seine interessanten
Versuche über die Einwirkung strömender Elektrizität auf das
Protoplasma und seine Bewegung angestellt.
Sie wurden veranlaßt durch die Vermutung, daß die Proto-
plasmaströmung auf elektrischen Vorgängen im Protoplasma be-
ruhe — eine Vermutung, welche durch die älteren Versuche
Dutrochet’s und Becquerel’s nicht bestätigt wurde — und
führten zur Aufstellung folgender Hypothese: „Die Ursache der
Protoplasmabeweeung ist in elektrischen Strömen, die der lebende
Zellinhalt selbst erzeugt, zu suchen.“
Von dem Gedanken ausgehend, daß der wachstumhindernde
Einfluß der Bäume auf die niederen Pflanzen des Waldes außer
von den Beleuchtungsverhältnissen auch von der Verteilung der
atmosphärischen Elektrizität bedingt ist, ging 1878 L. Grandeau)
an seine Versuche über der Einfluß der atmosphärischen Elek-
trizität auf die Ernährung der Pflanzen, und fand, daß jene einen
sehr beträchtlichen Einfluß auf die Ernährung ausübt. Berthelot‘)
fügt dieser Mitteilung die Bemerkung hinzu, dab er auf die Be-
deutung der atmosphärischen Elektrizität für das Pflanzenwachs-
tum bereits aufmerksam «emacht habe, indem er nachwies, daß
unter dem Einflusse der Elektrizität die Aufnahme von Stickstoff
durch organische Körper stattündet.
Nach diesen bahnbrechenden Arbeiten hat sich die Zahl der-
selben mit der Zeit sehr vergrößert, doch haben die Forscher ihr
Augenmerk nicht gleichmäßig auf alle Erscheinungen des Pflanzen-
lebens gelenkt. Von mehr praktischen Gesichtspunkten ausgehend,
studierten sie vielmehr solche Wirkungen der Elektrizität, welche
den Ertrag der Aussaat vermehren konnten, d. h. ihren Einfluß
auf Keimung und Wachstum. Eine der wichtigsten Arbeiten nach
dieser Richtung ist die von Selim LemströmÖ), in der er
Folgendes bemerkt: „Man muß nicht vergessen, daß bisher die
Elektrizität als eine Sache von gar keiner oder geringer Bedeu-
tung für das verwickelte Leben der Pflanzen angesehen wurde.
Man erwartete daher von ihr keine größere Wirkung. Aus der
weiteren Darstellung wird indessen hervorgehen, daß diese Auf-
NEnger.licini
2) Sitzungsber. der k. Akad. d. Wiss. April 1876. Bd. 73. Oktober
1876. Bd. 74.
°) Compt. rend. T. 87. p. 60, 265.
+) Compt. rend. T. 87. p. 9.
°, Lemström, Selim, Elektrokultur. Berlin (W. Junk) 1902. 8.7.
206 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischenStröme ete.
fassung einer Richtigstellung bedarf, und daß der elektrische Strom
in der Atmosphäre zu den wichtigeren Faktoren des Pflanzen-
lebens gezählt werden mub.“
Nur wenige Forscher beschäftigten sich mit den anderen
Phänomenen des pflanzlichen Lebens, obgleich sie wissenschaftlich
nicht minder interessant zu sein scheinen.
Als eines der vernachlässigten Gebiete können wir die Assi-
milation der Kohlensäure bezeichnen. Den Einfluß der Elektrizi-
tät auf dieselbe haben bis jetzt — meines Wissens — nur zwei
Forscher untersucht, der Franzose Thouvenin!) — dessen Arbeit
„De Yiniluence des courants &leetriques continus sur la decomposi-
tion de lacide carbonique chez les vegeteaux aquatiques“ im
Jahre 1906 erschienen ist — und der Italiener Pollacci, welcher
einige Studien über diesen Gegenstand in italienischer Sprache
publizierte. In Deutschland ist über dieses Thema bisher nicht
gearbeitet worden.
Angereet durch meinen hochverehrten Lehrer, Herrn Geheim-
rat Professor Dr. Kny in Berlin, der mir in zuvorkommendster Weise
die Mittel des Instituts zur Verfügung gestellt hat und mit gutem
Rat und Hilfe die Ausführung meiner Arbeit ermöglichte, beab-
sichtige ich, einige weitere Beiträge zu diesem Thema zu liefern.
Allgemeines über die Assimilation von Kohlensäure.
Es ist bekannt, daß die chlorophyliführenden Pflanzenteile
die Fähigkeit besitzen, mit Hilfe der Energie der Lichtstrahlen
organische Substanz aus Kohlensäure und Wasser unter Entbindung
von Sauerstoff zu erzeugen.
Die Menge des durch die Pflanze ausgeschiedenen Sauerstofts
entspricht annähernd der Menge der durch dieselbe zerlegten
Kohlensäure und kann als Maß der Energie, mit welcher die
Zerlegung vor sich geht, dienen.
Setzt man den Zweig einer submersen Weasserpflanze der
Einwirkung der Lichtstrahlen aus, so entwickeln sich alsbald an
der Schnittfläche sauerstoffreiche Gasblasen. Eine quantitative
Gehaltsbestimmung des Sauerstoffs in dem ausgeschiedenen und
aufgefangenen Gase könnte uns über die Energie der Zerlegung
der Kohlensäure durch die betreffende Pflanze einen sicheren Auf-
schluß geben.
Wir verfügen aber über eine bequemere Methode der Mes-
sung dieser Energie, welche für unsere Zwecke von genügender
Genauigkeit ist.
Ist der Zweige einer Wasserpflanze gut abgeschnitten und die
Lichtquelle konstant, so ist auch die Blasenzahl pro Zeiteinheit
konstant, und die Anzahl der aus sauerstoffreicher Luft bestehenden
Gasblasen läßt ein annähernd richtiges Maß für die Energie ge-
winnen, mit der die grünen Pflanzenteile assimilieren.?)
1") Revue gener. de Botan. T. 8. 1896.
2) Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 1897. Bd. 1. S. 291, 315. — Detmer,
Das Pflanzenphysiologische Praktikum. 1895. S. 113.
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 307
Es ist bekannt, daß durch verschiedene Einflüsse die Assi-
milationsenereie geändert wird, und durch die Anzahl der Blasen
leicht zu messen ist. Dieser Methode kann man sich daher auch
bedienen, wenn man den Einfluß des elektrischen Stromes auf die
Assimilation feststellen will.
Man darf dabei nicht vergessen, dab sich bei Einwirkung der
Lichtstrahlen in den chlorophyllführenden Pflanzenteilen neben der
Kohlensäureassimilation ununterbrochen auch die Atmung als eine
unentbehrliche Funktion des Pilanzenlebens vollzieht, und daß sich
nach außen nur die Resultierende aus diesen beiden Erscheinungen
äußert und gemessen werden kann.
Es müßte daher eigentlich dem Studium über die Einwirkung
des elektrischen Stromes auf die Kohlensäureassimilation ein
solches über die Einwirkung desselben auf die Pflanzenatmung
vorausgehen. Doch mußte ich hierauf wegen mancher dabei auf-
tretenden Schwierigkeiten vorläufig verzichten.
Wenn man bedenkt, in welchem Maße bei guter Beleuchtung:
die Enereie der Kohlensäureassimilation der Pflanzen die Atmung
derselben übertrifft, so wird man zugeben, daß der durch die
Nichtberücksichtung der letztern begangene Fehler wahrschein-
lich nicht zu groß sein wird.
Untersuchungen von Thouvenin und Pollacci.
Wie schon oben bemerkt wurde, blieb bis noch vor Kurzem
der Einfluß der Elektrizität auf die photosynthetischen Wirkungen
des Chlorophylils von den Forschern ganz unbeachtet, und der
Arbeit von Thouvenin!) gehört der Verdienst, hier bahnbrechend
geworden zu sein.
Er unterzog seinen Untersuchungen einige Wasserpflanzen
und beobachtete die Zahl der Gasblasen, welche von denselben
beim Durchschicken eines elektrischen Gleichstromes durch ihren
Körper ausgeschieden wurden.
Seine Versuchsanordnung war sehr einfach und bestand in
Folgendem: Ein etwa anderthalb Liter fassendes Glasgefäß wurde
mit gewöhnlichem Wasser gefüllt, dem etwas Selterser Wasser bei-
gemischt war. Die Offnung dieses Gefäßes verschloß ein Kork-
stöpsel, durch dessen Mitte eine kleine Eisenbüchse gezogen war.
Im Boden der letzteren befand sich eine kleine Öffnung, in die
mittelst eines durchgebohrten Kautschukstopfens ein Glasröhrchen
eingepaßt war.
Das der Untersuchung unterworfene Sproßende einer Wasser-
pflanze wurde mit der Spitze nach unten und mit der Basis nach
oben in das Glasgefäß auf die Weise hineingebracht, daß der der
Basis naheliegende Teil der Pflanze durch das Glasröhrchen durch-
gesteckt und an diesem mit etwas Guttapercha festgehalten wurde.
So befand sich ein Teil des Zweiges in der Eisenbüchse, die mit
demselben Wasser wie das Hauptgefäß gefüllt war.
'ı), Thouvenin, l. ec. p. 493—451.
308 Koltonski. Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete.
Über die abgeschnittene Fläche des Zweiges wurde ein voll
mit Wasser gefülltes Reagenzrohr «estellt. welches die sich bei
der Assimilation entwickelnden Gasblasen zu zählen erlaubte, da
dieses sonst durch die gasförmigen Produkte der elektrolytischen
Zersetzung des Wassers erschwert würde.
Außerdem befand sich noch in dem Korkstopfen ein kleines
Glasröhrchen, welches den Austritt der bei der Elektrolyse des
Wassers sich bildenden Gase „estattete.
Um durch die zu untersuchenden Pflanzen den elektrischen
Strom durchschicken zu können, werden durch den das Glasgefäß
schließenden Stopfen zwei durch Guttapercha isolierte, kupferne
Drähte gezogen, welche mit den beiden Polen einer ealvani-
schen Batterie verbunden waren. Die beiden anderen entblößten
Enden der Kupferdrähte, die sich in dem Wasser des Untersuchungs-
sefäßes selbst befanden, klemmten die Pflanze in der Nähe ihrer
beiden Enden so ein, daß hier ein Kontakt hergestellt wurde, so
daß durch Schließen und Öffnen eines Schalters die Pflanze der
Wirkung des Stromes ausgesetzt oder demselben entzogen werden
konnte.
Damit die Lichtintensität bei allen Versuchen dieselbe bliebe,
wurden diese stets bei völlig wolkenlosem Himmel ausgeführt.
Die Untersuchung bestand darin, daß während einiger Minuten
durch die Pflanze ein kontinuierlicher elektrischer Strom durch-
geschickt wurde, und die Zahl der sich dabei in einer gewählten
Zeiteinheit entwickelnden Gasblasen «ezählt wurde. Nachher
wurde der Strom auf einige Minuten unterbrochen und die sich
jetzt in derselben Zeiteinheit entwickelnden Blasen für sich gezählt.
Dasselbe wurde während einer gewissen Zeit wiederholt und auf
diese Weise die Zahlen erhalten. Der Verlauf des Versuches wurde
durch eine Kurve graphisch veranschaulicht.
Außerdem wurden einige Versuche ausgeführt, bei welchen
die Gasmenge, die in einer gegebenen Zeitperiode von der Pflanze
entwickelt war, gemessen wurde, und zwar so, dab man über die
abgeschnittene Pflanzenbasis nebeneinander zwei mit Wasser
gefüllte Reagenzgläser stellte, das eine, wenn die Pflanze
elektrisiert, das zweite, wenn sie es nicht war. Ein Tropfen ganz
reinen Petroleums, eingeführt in die mit Wasser gefüllten Reagenz-
släser, trennte dasselbe von dem sich über ihm aufsammelnden Gase
und verhinderte seine Diffusion.
Das Hauptergebnis der Thouvenin’schen Versuche host
darin, daß der elektrische Gleichstrom die Assimilation
des Kohlenstoffes bei den Wasserpflanzen befördert, in-
dem er die Zerlegung der Kohlensäure beschleunigt. Da-
bei bemerkt Thouvenin noch, daß hier offenbar ein Intensitäts-
optimum vorhanden sein muß, nach dessen Überschreiten die Ströme
der Pflanze schädlich werden, daß dieses Optimum aber nicht allein
für jede Gattung, sondern für jedes Individuum derselben Gattung
verschieden ist.
Zu diesem Hauptergebnisse kam dieser Forscher durch die
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 209
Beobachtungen, die er bei seinen Versuchen machte, und die sich
folgendermaßen darstellen:
Sofort nach dem Durchlassen des elektrischen Stromes stieg
die von der Pflanze pro Zeiteinheit entwickelte Blasenzahl und er-
reichte schnell ein Maximum, auf dem sie sich hielt.
Nachdem der Strom unterbrochen wurde, fiel die Blasenzahl
lanesam und erreichte allmählich die Größe, die sie vor dem Ver-
suche besaß. Doch konnte hier die ursprüngliche Blasenzahl nicht
immer erreicht werden, was durch die Assimilation begünstigrende,
bekannte Ursachen — unter anderen Erwärmung des Wassers — ver-
ursacht war.
Weiter zeigte sich, daß die Ströme die Zerlegung der Kohlen-
säure um so mehr begünstigten, je größer ihre Intensität war.
Die Richtung der durch die Pflanze durchgehenden Ströme
war bei mehreren Versuchen ganz ohne Einfluß auf die dabei ein-
tretenden Erscheinungen. Doch wurde bei einigen Hlodea-Pflanzen
bemerkt, daß der Strom, wenn er von der Spitze den Zweig zur Basis
durchlief, keine Beschleunigung der Kohlensäureassimilation hervor-
rief, dagegen seine Einwirkung eine merkliche war, wenn derselbe
in entgegengesetzter Richtung die Pflanze durchströmte. Durch
anatomische Untersuchungen konnte Thouvenin diese Anomalie
nicht erklären.
Aus den Versuchen, bei welchen die durch die Pflanzen ent-
wickelten Gasmengen gemessen wurden, konnte festgestellt werden,
daß, während man eine Wasserpflanze elektrisierte, das
Volumen des durch sie ausgeschiedenen Gases und die
darin enthaltene Sauerstoffmenge erößer war, als die
während der Zeit, in der die Pflanze nicht elektrisiert wurde.
Der Unterschied zwischen den Gasmenseen in diesen beiden
Fällen stand aber bei verschiedenen Pflanzen in keinem bestimmten
Verhältnisse zu den Stromintensitäten. Mehrere Versuche mit einer
und derselben Pflanze vorzunehmen, war aber unmöglich, da diese
durch das Experimentieren ermüdet wurde und sich für weitere
Untersuchungen unbrauchbar erwies. Außerdem kamen bei ver-
schiedenen Exemplaren derselben Pflanzengattung mehrere Ver-
hältnisse, unter anderen ihr Alter und ihr Gesundheitszustand in
Betracht, welche die Einwirkung des elektrischen Stromes auf ver-
schiedene Weise regeln könnten.
Schickte man durch einen etwa 10 cm langen Hlodea-Zweig
einen elektrischen Strom, der durch fünf hintereinander geschaltete
Daniels Elemente zeliefert wurde, so war der Widerstand des
Versuchsobjektes ein so enormer, dab die gemessene Stromintensität
kaum die Größe von einigen Tausendsteln Ampere überschritt.
Wenn man dann die Elektroden allein, unter Beibehaltung des
Abstandes zwischen ihren Enden, aber ohne die Pflanze, in das
Versuchszefäß hineinbrachte und den elektrischen Strom durch-
schickte, so zeigte das Amperemeter fast dieselbe Stromintensität
wie bei der Anwesenheit der Pflanze. Daraus schloß Thouvenin,
daß die durch die Pflanze selbst hindurchgehende Elektrizitätsmenge
eine höchst geringe sein muß. Indem man aber die Stellen, an
Beihefte Bot. Centralbl. Bd. XXIII. Abt. I. Heft 3. 14
210 Koltouski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete.
welchen die Versuchspflanze durch die Poldrähte eingeklemmt
war, mit Guttapercha isoliert und jene also nur von elektrischen
Strömen umringt läßt, so ließ sich dann keine Einwirkung dieser
Ströme auf die Assimilation der Kohlensäure feststellen. Dies
führte zu der Annahme, daß eine Vergrößerung der Assimilations-
energie dann erreicht wird, wenn die Pflanze nicht allein von den
Strömen umgeben wird, sondern wenn ein Teil derselben durch
diese selbst hindurchgeht.
Thouvenin erkannte, daß zwei wichtige Einwände gegen
seine Resultate gemacht werden konnten. Die Vererößerung der
Blasenzahl während des Elektrisierens der Pflanze könnte durch
rein physikalische Wirkung des Stromes hervorgerufen werden,
1° entweder durch Elektrolyse des in der Pflanze ent-
haltenen Wassers,
2° oder durch Zersetzung der in diesem Wasser, in der
Form von H; 00; aufgelösten Kohlensäure (H> CO;
—— CO; - (0) +.H3),
in beiden Fällen wird Sauerstoff in Freiheit gesetzt.
Um aber zu zeigen, daß die Wirkung des elektrischen Stromes
bei seinen Untersuchungen eine physiologische war, brachte
Thouvenin die Tätigkeit des Chlorophylis zum Stillstand, indem
er dem Wasser, in welchem die Pflanze untersucht wurde, etwas
Chloroform zusetzte. Dabei konnte man beobachten, daß bei der
Anästhesierung zuerst eine sehr kurze Steigerung der Assimilations-
energie zustande kam, gleich darauf aber sich die Zerlegung der
Kohlensäure verlangsamte, und am Ende einer bestimmten Zeit-
periode — etwa eine Viertelstunde — keine Gasentwicklung be-
merkbar war. Mit Erreichung der Anästhesie entwickelte sich aus
ihrer Schnittfläche, auch beim Durchlassen des elektrischen Stromes
durch die Pflanze, keine Gashlase.
Man konnte die Wirkung des Stromes bei solchen Pflanzen
wieder hervorrufen, wenn man sie auf bestimmte Zeit in frisches
Wasser brachte. Dies gelang aber selten, besonders wenn die
Pflanze stark chloroformiert war. Nun meint Thouvenin,
wenn auch dabei der Tod der Pflanze hervorgerufen wird,
müßte, wenn die Wirkung des Stromes eine rein physikalisch-
chemische wäre, die Einwirkung dieser Ströme’ auch bei den toten
Pflanzen zum Vorschein kommen, sogar in höherem Maße, da der
Tod, besonders in den ersten Momenten, die Permeabilität der
Membran nicht ändert, das tote Protoplasma dabei aber noch durch-
dringbarer wird.
Wie auch Pollaceci!) mit Recht bemerkt, scheint diese Er-
klärung doch nicht so sehr überzeugend zu sein, denn die Bei-
fügung eines so stark wirkenden chemischen Reagenzes wie Uhlo-
roform, ruft nicht allein die Anästhesierung der Pflanze hervor,
sondern verhindert oder zerstört auch den Mechanismus der den
Pilanzenkörper zusammensetzenden chemischen Kombinationen.
ı) Pollaeei, Gino, Estratto dal Bulletino della Societa italiana d, Se.
di Firenze del 12 Marzo 1905. p. 9.
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. aan
Was noch überhaupt über die Thouvenin’sche Arbeit zu
sagen ist, ereibt sich aus dem Weiteren.
Vor allem ist die von ihm vorgenommene Messung bezw.
Analyse der sich bei der Assimilation entwickelnden Gase zu ver-
werfen. Denn bei seiner Versuchsanordnung ist es ausgeschlossen,
daß in dem mit Wasser vollgefüllten und über die Basis der Ver-
suchspflanze gestellten Reagenzglase sich eben nur die gasförmigen
Assimilationsprodukte aufsammeln, ein Teil von ihnen macht aber,
ohne Zweifel, stets die durch den elektrischen Strom erzeugten
Gase aus.
Dadurch wird vielleicht auch die von Thouvenin unerklärte
Tatsache verständlich, welche darin bestand, daß den easförmigen
Assimilationsprodukten der elektrisierten Pflanzen gewöhnlich etwas
Kohlensäure beigemischt war, welche durch elektrolytische Zer-
setzung der im Wasser in der Form von H;C0O; aufgelösten
Kohlensäure entstehen konnte.
Damit die Lichtintensitäten bei den verschiedenen Versuchen
dieselben blieben, mußten sie stets bei völlix wolkenlosem Himmel
auseeführt werden. Daher konnte auch die Dauer derselben immer
nur eine sehr geringe sein. Da aber im Allgemeinen die Zahl
solcher Tage im Jahre eine nicht sehr bedeutende ist, so konnte
auch die Zahl der Versuche keine genügende sein, um die aus
ihnen gezogenen Schlüsse, wenn die Resultate auch sehr markant
waren und die Zufälligkeit bei ihnen als ausgeschlossen erschien,
mit voller Sicherheit zu bekräftigen.
Es ist weiter aus diesen Untersuchungen gar nicht ersicht-
lich, ob die dazu angewandten Pflanzenindividuen vor dem Ver-
suche eine gleichmäßige Blasenzahl pro Zeiteinheit entwickelten.
Aus mehreren Versuchen, die ich angestellt habe, erwies sich,
daß sehr oft, wenn auch während der ersten Minuten die Pflanze
gleichmäßig assimilierte, dies sich plötzlich änderte. Die zur
Untersuchung angewandten Pflanzen müßten daher eine gewisse
Zeit vor der Untersuchung auf die Gleichmäßiekeit der von ihr
pro Zeiteinheit entwickelnden Gashlasen geprüft werden, was
aber bei der Eile der Thouvenin’schen Versuche nicht mög-
lich war.
Die der Untersuchung unterzogenen Pflanzenindividuen be-
fanden sich bei der obigen Versuchsanordnung während der ganzen
Versuchsdauer im Wasser, das durch den elektrischen Strom zer-
setzt war; dabei wurden die Produkte der Elektrolyse nicht fort-
veschafft, sondern blieben zum großen Teil in dem Versuchswasser
aufgelöst. Dadurch waren für die Pflanzen ganz abnorme Ver-
hältnisse geschaffen, durch die die Assimilationsenergie wesentlich
verändert sein konnte.
Da der bei den Versuchen angewandte Strom durch eine
aus wenieen Daniel’schen Elementen bestehenden Batterie er-
halten wurde, so konnte man nur mit kleinen Spannungen experi-
mentieren, was vielleicht auch die Resultate anders gestaltet hat.
Einiges Bedenken erregt auch die Anwendung der Kupfer-
(lrähte der eisernen Blechbüchse und der Zusatz von Selterser
14*
DD Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc.
Wasser, das mehr Mineralsalze enthält als das gewöhnliche
Leitungswasser, und dadurch besonders noch bei der Elektrolyse
abnorme Verhältnisse schafft.
Auch Temperaturänderungen, die bei der Thouvenin’schen
Versuchsanordnung eine gewisse Rolle spielen könnten, waren
garnicht berücksichtigt, nicht einmal eine Messung derselben vor-
genommen. Selbst wenn diese Wirkung keine eroße war, so
könnte sie doch einen gewissen Einfluß auf das Schlußresultat des
Versuches ausüben.
Auch die Frage, welche Bedeutung die Stromrichtung bei
diesen Versuchen hatte, war nur gelegentlich beantwortet.
Ungeachtet aller dieser kleinen Fehler, die sich bei den ersten
Arbeiten gewöhnlich einstellen, muß das Verdienst Thouvenins
in hohem Maße gewürdigt werden. Denn trotz der Einfachheit
seiner Versuche, gestatteten ihre Resultate einen neuen Einblick
in die Natur des pflanzlichen Lebens.
Pollacei!) stellte sich die Aufgabe, die Einwirkung des
elektrischen Stromes auf die Assimilation der Kohlensäure ein-
gehender zu erforschen, und zwar im Sinne der Ergründung der dabei
in der Pflanze erfolgenden inneren Vorgänge. Zu diesem Zwecke
bediente er sich auch ganz anderer Methoden.
Eine große Bedeutung besitzen die Arbeiten von Pollacei
dadurch, daß er sich in ihnen nicht allein auf die Wasserpflanzen
beschränkte, sondern seine Untersuchungen auch auf die in der
Luft lebenden erstreckte, um damit die Resultate auf alle assi-
milierenden Pflanzen verallgemeinern zu können.
Anstatt die Gase zu analysieren, die durch die elektrisierte
Pflanze entwickelt wurden, untersuchte Pollacci die ersten faß-
baren Verbindungen, die sich bei der Assimilation der Kohlen-
säure bilden. Dabei wurde das Formaldehyd nicht in Betracht
gezogen, da es seiner Unbeständigkeit wegen, die vergleichenden
Untersuchungen unsicher oder gar unmöglich machen würde. Statt
dessen wurde die Bildung der Stärke beobachtet, was die Experi-
mente im allgemeinen sehr vereinfachte. Denn es ist klar, daß, wenn
sich die Stärke, welche sicher ein mittelbares Produkt der Kohlen-
stoffassimilation ist, in den assimilierenden Organen elektrisierter
Pflanzen, die vor dem keine solche enthielten, reichlicher bildet
als in den ähnlichen Organen von nicht elektrisierten Pflanzen
derselben Gattung, die Assimilationsenergie der ersteren erößer
als die der anderen ist.
Es waren fünf Methoden), deren sich Pollacci bei den quali-
tativen und quantitativen Bestimmungen der sich in den Blättern
der Versuchspflanzen bildenden Stärke bediente.
1° Die direkte Zählung der durch Jod gefärbten und in
den Blättern gebildeten Stärkekörner unter dem Mikroskope.
ı) Pollacci. G., Influenza dell’elettrizita sull’ assimilazione elorofilliana.
(Estratto dal Bulletino della Societa italiana d. Sc. di Firenze del. 12 Marzo
1905. p. 94—98.)
2) Pollacci, G., Sopra i metodi di ricerca quantitativa dell’amido con-
tenuto nei tessuti vegetali. (Estratto dagli Atti del R. Instituto Botanico dell’
Universita di Pavia. Serie II. Vol. XI.)
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 213
Vergleichende Beobachtungen solcher Art sind aber sehr un-
sicher, dienten daher nur in einigen Fällen, und zwar zur Fest-
stellung der Bildung der Stärke: in Pflanzen, die während einer
wenieer hellen Tageszeit und in einer dunklen Umgebung elektri-
siert wurden.
2° Die Methode von Sachs zur Messung der durch die
Blätter aus der Atmosphäre absorbierten Kohlenstoffmenge.
Sachs beobachtete in verschiedenen Momenten des Tages
die Gewichtsveränderungen von Blättern gleicher Oberfläche. Die-
selbe Methode wurde für die Blätter elektrisierter und nichtelek-
trisierter Pflanzen angewandt. Dabei wurden sie beide gut aus-
getrocknet und während der ganzen Operation genau denselben
Bedingungen ausgesetzt. Diese Methode hat sehr befriedigende
Vereleichsresultate ergeben.
3° Buscalioni und Pollacci!) haben in ihrer Arbeit über
Antocyanine eine photographische Methode zur Feststellung der
gebildeten Stärkemengen in roten und grünen Blätterteilen ausge-
arbeitet.
Die untersuchten Blätter wurden vorsichtie — um die Auflösung
der Stärke zu verhindern — durch Äther oder absuluten Alkohol
entfärbt. Die so entfärbten Blätter behandelte man nachher mit
‚Jod, wobei sich die etwa vorhandene Stärke blau färbte.
Die so präparierten Blätter, welche verglichen werden sollten»
wurden zwischen zwei durchsichtige Glasplatten z„elegt, unter
welche man ein mit Silbereitrat bestrichenes, lichtempfindliches
Papier ausbreitete und der Wirkung des Sonnenlichtes auf kürzere
oder längere Zeit unterwarf. Auf diese Weise konnte nicht allein
eine genaue Reproduktion der Blätterformen, sondern auch der ver-
schiedenen Töne der Färbung erhalten werden, und durch ihre Inten-
sität die in den elektrisierten und nichtelektrisierten Blättern ent-
haltenen Stärkemengen verglichen werden.
4° Die der Untersuchung unterliegenden Blätter wurden zu-
erst bei 60—70° C. längere Zeit im Wasser erwärmt und filtriert.
Das Filtrat enthielt auf die Weise die gesamte Stärkemenge der
untersuchten Blätter in Lösung. Diese letzte gab mit einer
mäßigen ‚Jodlösung die charakteristische Färbung. Wurden die
sefärbten Lösungen zweier zum Vergleich untersuchten Blätter
in den Kolorimeter von Dubosq gebracht, so konnte die größere
oder kleinere Menge der Stärke leicht festgestellt werden.
5° Es ist bekannt, daß durch Behandlung mit Salz- oder
Schwefelsäure die Stärke in Glukose umgewandelt werden kann.
Auf dies gestützt, wurde die in den untersuchten Blättern
enthaltene Stärke verzuckert, und dann durch die gewöhnlichen
teaktionen von Fehline oder Pasteur die Menge des Zuckers
festgestellt, von welcher man auf die der Stärke schließen Konnte.
jei den Versuchen von Pollacci wurden die Pflanzen dunklen
Entladungen, Wechselströmen und Gleichströmen von eroßer und
ı, Attı Inst, botan, di Pavia. Vol, VIJl. 1903.
214 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc.
kleiner Spannung unterworfen. Er bemerkt, daß, obschon die
Zahl der von ihm ausgeführten Versuche eine kleine war, sich
ihre Resultate so auffallend gestalteten, daß sie ihm einige
wichtige Schlüsse zu ziehen erlaubten.
Es zeigte sich nämlich bei seinen Untersuchungen, daß der
elektrische Strom, wenn seine Intensität eine gewisse
Grenze nicht überschritt. die Bildung der Stärke in den
Blättern begünstigte, woraus man auch schließen konnte, dab
sich beim Einwirken des elektrischen Stromes die photosynthe-
tische Wirkung des Chlorophylis steigert.
Weiter zeigte sich, daß diese Beeünstigung größer war.
wenn die Pflanze der Einwirkung des Gleichstromes unterworfen
wurde, und dieser das Innere der Assimilationsorgane direkt
durchströmte.
Sehr interessant waren die Versuche, die mit den Pflanzen
in der Dunkelheit vorgenommen waren. Es hat sich nämlich her-
auseestellt, daß bei der Einwirkung des elektrischen Stromes auf
einige Assimilationsorgane sich in denselben auch bei Abwesenheit
des Lichtes Stärke- bilden konnte, während sich bei denselben
Bedingungen in denselben Organen, wenn sie nicht elektrisiert
waren, keine solche bildete.
Diese höchst bemerkenswerte Beobachtung legte die Ver-
mutung nahe, daß in bestimmten Fällen und in einigen Funktionen
die elektrische Energie wenigstens teilweise diejenige der Sonne
ersetzen kann.
Die Feststellung des Optimums der Stromintensität, das auch
nach Pollacei eine sehr variable Größe sein muß, hat sich dieser
vorbehalten. Versuche hierüber befinden sich im Gange.
Pollacci hatin einer späteren Arbeit!) die obigen Methoden
selbst einer Kritik unterworfen.
Die lange Praxis zeigte ihm nämlich, dab die zuverlässigste
Methode der Stärkebestimmung die Verzuckerungsmethode ist, und
zwar eignet sich für diese am besten eine frisch vorbereitete und
in eenügender Menge angewandte Diastase.
Eine genaue Nachprüfung der in diesen Arbeiten angegebenen
Resultate konnte ich vorläufie nicht vornehmen. Ich unterwarf
aber sehr viele Pflanzenexemplare der Einwirkung des elektrischen
Stromes während mehrerer Stunden im Dunkeln, konnte aber die
Bildung der Stärke durch denselben nicht feststellen.
Anordnung eigener Untersuchungen.
Die Arbeit, die ich mir vorgenommen habe, sollte eigentlich
eine Erweiterung der Thouvenin’schen Versuche sein. Durch
Verbessung der Versuchsmethoden sollten die von jenem Forscher
erhaltenen Resultate geprüft, und, falls sie sich als richtige heraus-
ı) Pollacci,. G., Sopra i metodi di ricerca quantitativa dell’ amido
contenuto nei tessuti vegetali. (Estratto dagli Atti del R. Instituto Botanico
dell’Universita di Pavia, marzo 1906.)
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 215
stellen, tiefer beeründet werden. Dies sollte den ersten Teil
meiner Arbeit bilden.
Der zweite Teil bestand in Foleendem. Wie schon oben
gesagt wurde, schickte Thouvenin stets den elektrischen Strom
durch die Pflanze selbst. Es erschien mir aber höchst interessant,
zu untersuchen, wie sich der Einfluß des elektrischen Stromes
auf die Assimilation äußert, wenn dieser nicht die Pflanze direkt,
sondern das Medium, in dem sie untersucht werden, durchströmte.
Das Medium, in dem ich meine Untersuchungspflanzen der
Wirkung des elektrischen Stromes aussetzte, war gewöhnliches
Leitungswasser, das die zur Assimilation nötige Kohlensäuremenge
— festgestellt durch eine grobe Analyse — enthielt. Um aber
die bei der Elektrolyse des Wassers entstehenden Zersetzungspro-
dukte fortschaffen zu können, wurde jenes stets durch neues, das
aus der Leitung durch ein bis an den Boden des Versuchsgefäßes
reichendes Röhrchen floß, ersetzt. Durch Klemmschrauben konnte
dabei die Geschwindiekeit des Wasserstromes nach Belieben regu-
liert werden.
Zu den Versuchen wurden nur gesunde und unverletzte
Pfianzenexemplare verwendet. Die Versuchsobjekte brachte man
dabei, an einen Glasstab mittels eines Bindfadens vorsichtig an-
gebunden, in das Wasser.
Die Glasgefäße, die bei den Untersuchungen als Versuchs-
sefäße bezw. Flüssiekeitswiderstände dienten, hatten eine Größe
von 20><9><8,5 cm (Länge >< Breite >< Höhe). Der Querschnitt
des stromdurchflossenen Wassers wurde stets auf 63 gem gehalten.
Für die. Versuche wurde der Gleichstrom der Berliner
Elektrizitätswerke verwandt, der nach den Untersuchungen von
Blasius und Schweizer!) bei physiologischen Experimenten als
konstant anzusehen ist, und in einer Spannung von 110 Volt
zur Verfügung stand. Da man aus solcher Stromquelle zu jeder
Zeit Ströme von beliebiger Intensität entnehmen konnte, erwies
sich solche Anordnung des Versuches als höchst zweckmäßig.
Näheres über die Schaltung und Aufstellung der einzelnen
Apparate zeigt uns die Skizze Figur 1.
Wie wir aus dieser ersehen können, bestand diese Anordnung
aus einem. Versuchs- und einem Kontrollapparat, welche beide aus
je einem gewöhnlichen Glastroge von den oben angegebenen
Dimensionen hergestellt waren. An jeden von ihnen war oben
an der Seitenwand ein Ausflußloch für das Leitungswasser hinein-
gebohrt, in welches ein rechtwinklich gebogenes Glasröhrchen hinein-
gepaßt und durch eine Mischung von Wachs und Kollophonium
(1:1) befestigt war. Die anderen zu dem Versuchsapparat ge-
hörigen Glaströge (Wy) dienten nur als Flüssigkeitswiderstände,
deren Zahl, und dadurch auch die Stromstärke, nach Belieben ver-
ändert werden konnte.
Um die Versuche von den Veränderungen «des Tageslichtes
vollständig unabhängig zu gestalten, wurden sie in einer vollkommen
') Blasius und Schweizer, Pflügers Archiv, Bd. 53, 1895, 8. 496,
216 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc.
dunklen Kammer ausgeführt und die Beleuchtung der Wasserpflanzen
durch eine besonders konstruierte Bogenlampe von Siemens und
Halske hergestellt (Z).
r Ver-
Pı Versuchspflanze.
ter (Widerstand —100 Ohm). R Widerstand von 100 Ohm.
T Thermometer.
erome
efäß. Wg Regulierwiderstände (Flüssigkeitswiderstände).
» Kontrollpflanze,
4Ap Milli-Amp
e mit Alaunlösung. K Korkplatten.
Schaltungsskizze.
A Ausschalter.
Vg Versuchsgefäß. Kg Kontrollg
G Glühlampe.
D Parallelwandige Gefäß
E Kohlenelektroden.
S Planspiegel
bindungsröhre.
L Bogenlampe.
C Sicherung.
U Umschalter.
Die beiden Apparate waren auf zwei kleinen Tischen auf-
gestellt, und zwar so, daß sie von der Bogenlampe, die zwischen
ihnen hing, gleich entfernt waren.
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. Tl
Die Bogenlampe befand sich in einem Blechgehäuse, das
nach zwei eegenüberlierenden, den Tischen zugekehrten Seiten
eine große Öffnung hatte, so dab die Versuchs- wie auch die
Kontrollpflanze von ihr gleichmäßig beleuchtet wurden.
Um die Pflanzen auch von unten einigermaßen zu beleuchten,
war vor das Versuchs- und Kontrollgefäß ein Planspiegel (5) geleet.
‘ Um die Wärmewirkung der Lichtstrahlen der Bogenlampe
nach Möglichkeit zu lindern, wurden auf beiden Tischen, in gleicher
Entfernung von jener, je ein parallelwandiges Gefäß (D) mit Alaun-
lösung aufgestellt, da diese das Vermögen besitzt, die Wärme-
strahlen zu absorbieren.
Quer über die Gefäße des Versuchs- und Kontrollapparates
waren kleine rechteckige Korkplatten (X) gelegt. Jede von ihnen
enthielt zwei Löcher, eins für das Thermometer (7), das zweite
für die Befestieung der Pflanzen (P, bezw. P;).
Die Messung der angewandten Ströme geschah vermittelst
eines Milliamperemeters (Ap) von Siemens & Halske, das Zehn-
tausendstel Ampere genau abzulesen erlaubte. Wie aus der Schal-
tungsskizze ersichtlich ist, war dieser Amperemeter in den Strom-
kreis so eingeschaltet, daß während des ganzen Versuches der
Strom ihn nicht passierte. Durch einen Umschalter (U) konnte
aber das Amperemeter leicht in den Kreis zur Messung des Stromes
eingeführt werden. Diese Vorsichtsmaßregel war wegen der Fein-
heit des angewandten Apparates dringend nötig.
Einfluss des die Pflanzen durchgehenden elektrischen Stromes
auf die Assimilation der Kohlensäure.
Um den Einfluß des die Pflanze durchfließenden elektrischen
Stromes auf die Kohlensäureassimilation festzustellen, wurde zu
jedem Versuche je eine Pflanze in das Versuchseefäß (Vg) gebracht,
und zwar auf folgende Weise:
Ein etwa 7 cm langes Sproßende der zu untersuchenden
Pflanze wurde vermittelst eines Bindfadens an einem Glasstabe
befestigt. Der letztere war durch einen Gummipfropfen gezogen,
der in ein mit Wasser vollgefülltes Reagenzrohr genau paßte.
In denselben Gummipfropfen, dicht neben dem Glasstabe, war ein
kleines Glasröhrehen «eführt, so daß der ebene Teil des Sproß-
endes durch dieses in das Reagenzrohr mit seiner abgeschnittenen
Basis ragte. Diese ganze Anordnung wurde, wie es Figur 2
zeigt, durch eine Korkplatte (A) festgehalten. Um durch die
Pflanze den elektrischen Strom durchschicken zu können, wurde
diese an zwei Stellen, welche etwa um 6,5 cm voneinander ab-
standen, durch bloßgeleete Enden zweier durch Guttapercha iso-
lierten Platindrähte eingeklemmt. Durch die anderen, auch blob-
gelegten Enden der Drähte wurde die Versuchspflanze in den
Stromkreis eingeführt, indem diese mit je einer in Widerstands-
sefäßen eingetauchten Kohlenelektrode verbunden wurde.
Was die Elektroden selbst betrifft, so waren die zwei, welche
mit den Platindrähten in direkter Verbindung standen, in kleine,
218
Koltonski, Über. den Einfluß der elektrischen Ströme ete.
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Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 219
mit demselben Leitungswasser sefüllte Thonzellen getaucht, da sie,
bei stärkeren Strömen, in das Versuchsgefäß selbst gestellt sein
mußten. Die zwei anderen, welche in die Widerstandsgefäße
tauchten, und nur den Versuchsapparat in den Stromkreis ein-
leiteten, waren größere Kohlenplatten (8,9><1,2>xx28 cm).
Die Elektroden mußten nach jedem Versuche gereinigt werden,
da sich die als Kathode benutzte Kohlenplatte nach einiger Dauer
der Versuche mit einem weißlich-grauen Überzuge bedeckte, welcher
verschiedene Komplikationen des Leitunesvermögens im Versuchs-
apparate herbeiführen konnte.
Die einzelnen Glasgefäße wurden miteinander vermittelst
U-förmieger Glasröhren (r) von 30 em Durchmesser, welche mit
10°), testgewordener Gelatinelösung gefüllt waren, leitend verbunden.
Da die Gelatinelösung die Wanderung der Ionen verlangsamt!),
so wurde dadurch die Möglichkeit der Fernhaltung der elektro-
lytischen Zersetzungsprodukte der einzelnen Gefäße von der
Pflanze viel größer gemacht.
Je nachdem die Gefäße durch ein oder zwei nebeneinander
befindliche U-Röhren verbunden waren, könnte man durch den
Versuchsapparat Ströme von verschiedener Intensität schicken.
Die Gelatinelösung mußte natürlich nach jedem, bei stärkeren
Strömen sogar während derselben Versuche gewechselt werden.
Um die Resultate der Versuche möglichst einwandsfrei zu ge-
stalten, mußte man sich bemühen, verschiedene störende Beein-
flussungen, die durch die Schwankungen des spezifischen Leitungs-
vermögens eintreten konnten, auszuschließen. Die Schwankungen
entstehen teilweise durch die Temperaturerhöhung (Erhöhung des
Leitungsvermögens), teilweise wieder infolge der elektrolytischen
Zersetzungsvorgänge (Herabsetzung des Leitungsvermögens).
Da aber bei unseren Versuchen das Wasser des Versuchs-
sefäßes ununterbrochen erneuert wurde, so konnte das Leitungs-
vermögen hier als annähernd konstant angenommen werden, eben
aus denselben Gründen auch die Temperatur.
Die Erneuerung des Wassers in den Widerstandsgefäßen
durch einen ununterbrochenen Strom stieß auf manche Schwierig-
keiten. Daher begnüste ich mich damit, den Wasserwechsel durch
Heber nach bestimmten Zeitperioden zu bewirken.
Nach Gassner?) nimmt das Leitungsvermögen des Leitungs-
wassers in dem von mir verwandten Glaströgen pro Milliampere-
stunde um 0,0625 °/, (konstante Temperatur vorausgesetzt) ab.
Demgemäß angenommen, dab eine Änderung des Leitungswider-
standes bis 5%, ohne Einfluß auf die Versuche ist, konnte die
Zeit, nach welcher das Wasser in den Widerstandsgefäßen ge-
wechselt sein mußte, mittels einer einfachen Rechenoperation leicht
berechnet werden.
ı) Noyes, A. A. u. Blanchard, A., Zeitschr. f. physik. Chem. Bd. 36.
1901.. p..1.
°) Gassner, Der Galvanotropismus der Wurzel. (Sonderabdruck der
jot. Ztg. Jhrg. 1906. p. 13.)
220 Koltonski, Über den Einfluß ‚der elektrischen Ströme etc.
Die folgende Tabelle!) „ibt das Resultat dieser Berechnung:
Gesamtstromstärke Notwendiger minimaler
Milliampere Wasserwechsel nach je
50,4 1%, Std.
36 2
28,8 21),
144 5
12 10
3.6 0
”
Was die Messung des Stromes betrifft, so entspricht, wie
schon Thouvenin?) bemerkte, die am Amperemeter abgelesene
Stromstärke nicht derjenigen, welche durch die Pflanze selbst
durchgeht. Es ist nur ein sehr kleiner Bruchteil der durchge-
schickten Gesamtelektrizitätsmenge, die durch die Versuchspflanzen
hindurchgeht.
Um diesen zu bestimmen, konnte ich keine Mittel finden, und
begnügte mich mit der Angabe der (Gesamtstromstärke, was
uns zwar über die Sache selbst nicht Vieles aussagt, beim Ver-
gleich aber der unter denselben Bedingungen ausgeführten Messungen
ein relatives Maß der durch die Pflanze durchgehenden Ströme
darstellt.
Daß es nicht genügte, wie es Thouvenin:) zeigte, die
Steigerung der Assimilationsenergie dadurch hervorzurufen, daß die
Versuchspflanze von den elektrischen Strömen nur umhüllt war,
konnte ich auch durch eine Reihe von Versuchen, die bei ver-
schiedenen Stromstärken ausgeführt waren, bestätigen.
Da wir zu unseren Versuchen das Licht einer elektrischen
Bogenlampe benützten, so war es dringend nötig, stets eine Kon-
trolle der Gleichmäßigkeit desselben bei der Hand zu haben.
Darin bestand eben die Funktion des Kontrollapparates (Fig. 1),
dessen Anordnung der des Versuchsapparates genau entsprach.
Die Beobachtung der Blasenzahl einer sich in ihm befindenden
Kontrollptlanze erlaubte, die etwaigen Veränderungen der Lichtin-
tensität, die für die beiden Apparate stets dieselben waren, fest-
zustellen und bei der Betrachtung der erhaltenen Resultate in
Rechnung zu ziehen.
Wenn die Helligkeit der Bogenlampe nach einiger Zeit eine
größere wurde, so mußte sich das in der vergrößerten Blasenzahl
der Kontrollpflanze pro Zeiteinheit äußern. Bei Verkleinerung
der Helligkeit mußte das Entgegengesetzte eintreten. Diese Ver-
srößerung bezw. Verminderung der Helligkeit mußte aber auch
auf die Versuchspflanze ihre Wirkung ausüben. Daher war es
Gassner slrchp. 13.
2) Thouvenin, |. ce. p. 446.
d) Thouvenin, |. ce. p. 447.
Koltonski, Über den Rinfluß der elektrischen Ströme ete. >|
nötig, die bei der letzten beobachtete Blasenzahl um diejenige zu
vermindern bezw. zu vergrößern, um welche die Blasenzahl der
Kontrollpflanze gestiegen, bezw. eefallen ist. So z. B. wenn die
Blasenzahl der Kontrollpilanze pro Zeiteinheit von 100 auf etwa
115%, gestiegen ist, so bedeutet es, alle andere Einwirkungen
als unverändert angenommen, daß die Helliekeit der Bogenlampe
annähernd auch um etwa 15°), gestiegen ist. Ist jetzt, nach Be-
endieung des Versuches, die Blasenzahl der Versuchspflanze pro
Zeiteinheit durch die Einwirkung des elektrischen Stromes von
100 auf 80 /, gefallen, so beträgt die wahre, durch den Strom
hervorgerufene Verminderung der Blasenzahl nicht 20, sondern
20 + 15, also 35 %)o.
Es soll noch bemerkt werden, daß jeder Versuch mit den-
selben Kohlen ausgeführt wurde, und daß man ihn nicht gleich
nach dem Einsetzen derselben begann, da diese anfangs gewöhn-
lich nicht ganz gleichmäßig brannten.
Die Bogenlampe war beweglich an der Decke der Dunkel-
kammer befestigt, sodaß man ihre Stellung immer so regulieren
konnte, daß unser Auge, die beobachtete Pflanze und der Licht-
bogen der Lampe auf einer geraden Linie sich befanden.
Es könnte für unsere Resultate die Richtung des elektrischen
Stromes auch von einer großen Bedeutung werden. Daher wurde
jener durch manche Pflanzen in der Richtung von der Spitze zur
Basis des Sproßendes, durch die anderen in entgegengesetzter
Richtung durchgesandt.
Wie schon oben bemerkt wurde, dauerten die Versuche von
Thouvenin zu kurz, um aus ihnen über die Bedeutung der Zeit-
dauer der Stromwirkung auf die Assimilation der Kohlensäure
urteilen zu können.
Es ist klar, daß, um einwandsfrei und streng wissenschaft-
liche Resultate zu erhalten, man bei Untersuchungen solcher Art
alle uns zur Verfügung stehenden Methoden anwenden müßte.
Für unseren Fall würde das aber eine zu große Zeit in Anspruch
nehmen. Daher beenügte ich mich vorläufig mit der ersten von
den oben genannten, und zwar mit der Methode des Blasenzählens.
Obwohl sie keine absolute Sicherheit bietet, so erschien sie mir
doch als die zuverlässigste, weil sie uns die Veränderung der Assi-
milationgsenergeie in jedem Momente am anschaulichsten zeigen kann.
Die Beobachtungen dieses Abschnittes waren an Klodea cana-
densis und Ceratophyllam demersum angestellt.
Zu jedem Versuche wurden zwei gesunde Pflanzenexemplare
ausgewählt, von diesen mit dem Rasiermesser das Sproßende ab-
seschnitten und auf die oben beschriebene Weise in den Versuchs-
bezw. Kontrollapparat hineingebracht !).
Nachdem jede von den zu untersuchenden Pflanzen auf die
Gleichmäßigkeit der von ihr pro Zeiteinheit (Minute) ausge-
') Da bei allen diesen Versuchen die elektrische Bogenlampe ganz gleich-
mäßig brannte, so habe ich, der Klarheit wegen, auf die Angaben der Be-
obachtungen am Kontrollapparate verzichtet. Etwaige kleine Veränderungen
wurden natürlich bei der Aufstellung der Tabellen berücksichtigt.
202 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete.
schiedenen Blasenzahl geprüft wurde, eing ich zu dem Experiment
selbst über.
Die dabei erhaltenen Resultate sind in den Tabellen I—V
und den vier graphischen Zeichnungen niedergelest. Um aber
leicht vergleichbare Zahlen zu erhalten, wurden die bei den Be-
obachtungen notierten Zahlen immer auf 100 umgerechnet.
Vor allem haben meine Versuche die von Thouvenin fest-
sestellte Tatsache, daß, wenn man durch eine Wasserpflanze
einen elektrischen Strom schickt, die von jener pro Zeit-
einheit ausgeschiedene Blasenzahl bezw. Assimilations-
energie sofort gesteigert wird, bestätigt.
Nun konnte ich aber noch zeigen, daß diese Erscheinung
stets zu Stande kommt, so lange die Pflanze am Leben
ist, sowohl wenn sie sich in dem Optimum ihrer Lebens-
tätigkeit befindet, wie auch wenn sie dem Tode nahe ist.
Bei den vielen Beobachtungen, die ich gemacht habe, wurde
die pro Zeiteinheit von der Versuchspflanze ausgeschiedene Blasen-
zahl beim Durchfließen des elektrischen Stromes nur in sehr
wenigen Fällen kleiner, was natürlich auf zufällige Nebenerschei-
nungen - zurückzuführen ist. (Pflanzen: V., VIL, XVIH, XXI,
XXV. XXX.) Es soll hier aber bemerkt werden, daß dieses sich
auf die mittlere, pro Zeiteinheit auszeschiedene Blasenzahl bezieht,
welche während sechs Minuten beobachtet wurde, denn betrachten
wir dieselbe während der ersten Minute nach dem Durchlassen
des Stromes, so wurde sie auch in diesen Fällen gewöhnlich größer.
In noch wenigeren Fällen wurde die mittlere pro Zeiteinheit
ausgeschiedene Blasenzahl beim Ausschalten des Stromes größer
(Pflanzen: IL., V., XVII).
Betrachten wir aber diese drei Fälle etwas näher, so kann
die etwaige, bei ihnen beobachtete Abweichung durch den Um-
‚stand erklärt werden, daß vor dem Ausschalten des Stromes diese
Pflanzen während längerer Zeit (4 bezw. 10 und 1 Stunde) unter
der Einwirkung desselben standen, und das Ausschalten hier als
Reiz wirkte, der die Steigerung der Blasenzahl hervorrief.
Trotzdem aber, daß nach jeder einzelnen Einschaltung des
elektrischen Stromes die pro Zeiteinheit von der Pflanze ausge-
schiedene Blasenzahl stieg, lief doch im Großen und Ganzen
seine Wirkung darauf hinaus, daß sie diese Blasenzahl
allmählich verminderte und schließlich das Leben der
Pflanze zum Stillstande brachte.
Wenn wir zwei Pflanzenindividuen unter denselben Bedingungen
der Einwirkung des elektrischen Stromes aussetzen, und zwar nur
mit dem Unterschiede, daß die Richtungen, in welchen sie beide
der Strom durchfloß, verschieden waren, so hat der durch die
Pflanze in derRichtung vonder Spitze zurBasisderselben
durchflossene Strom, nach derselben Zeit, eine größere
Herabdrückungeder Assimilationsenergie der betreffenden
Pflanze hervorgerufen als derjenige, welcher die andere
Pflanze in entgegengesetzter Richtung durchströmte.
Daß dieser Unterschied nach dem ersten Durchlassen des
Stromes nicht ganz Klar hervortritt, ist wahrscheinlich darin zu
suchen, daß in den ersten Momenten die Wirkung des Stromes
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 225
auf die Pflanze sich hauptsächlich als Reiz äußert, der auf beide
Pilanzen in gleichem Sinne einwirkt und daher annähernd gleiche
Resultate hervorruft.
Was die verschiedenen Stromstärken betrifft, welche durch die
Pflanzen eeschickt waren, so ist Folgendes zu bemerken:
Wie schon oben erwähnt wurde, einge nur ein kleiner Bruch-
teil der am Amperemeter eeemessenen Ströme durch die Pflanze
selbst hindurch. Es ist auch schon bemerkt worden, daß die
direkte Messung dieser kleinen Ströme nicht vorgenommen werden
konnte, und daß man sich daher mit den am Amperemeter abge-
lesenen begnügen mußte.
Es ist selbsverständlich, das beim Dwurchlassen des elek-
trischen Stromes durch die Pflanze in dieser höchst komplizierte
Vorgänge ausgelöst werden, die sich überdies bei jedem anderen
Pflanzenindividuum ganz verschieden gestalten müssen. Desto
auffallender erschien mir der Umstand, daß, wenn wir die
Unterschiede zwischen den von den Pflanzen pro Zeitein-
heit ausgeschiedenen und in Prozenten ausgedrückten
mittleren Blasenzahlen, die während e«leicher, hinter-
einander folgenden Zeitperioden, ohne Einwirkung des
Stromes und unter Einwirkung derselben beobachtet
wurden, vergleichen, jene Reihen von Zahlen darstellen,
die sich annähernd gleich sind, wie es die nachfolgende
Tabelle zeigt:
Pfl & Strom- | h 2 h
a stärke in | Unterschiede der mittleren Blasenzahlen in °),
Milliamp.
LO], ne
I.| a,
m 2 a. an,
Do. 44 3a ag 38
Vin. 021.10,
a Nor. li. .s
5 or 10 15 15 1er
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Ze ee Rn
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Zyı | 105 163. 75. 71. 72055 62, 51 67. 65, 67. 23, 22.
N 68. 67. 65. 50. 47.
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RN u A. A
RI", 20, 20,
>50 3,
ZI. 59 DM 10, 5.
224 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete.
Es ist klar, daß die Reihen aus durchweg gleichen Zahlen
nicht bestehen können, denn wie aus den Tabellen (I-V) zu
ersehen ist, übt der Strom auf die untersuchten Pflanzen noch
eine andere Wirkung aus, indem er mit der Zeit die Assimilations-
energie der Kohlensäure herabdrückt.
Und wenn wir für die eben angegebene Tabelle eine Ge-
nauiekeit bis sogar auf 10°/, beanspruchen müssen, so ist es
trotzdem aus ihr ersichtlich, daß hier eine gewisse Gesetzmäßig-
keit zum Vorschein kommt, was einen gewissen Anhaltspunkt
dafür gibt, dab die primäre Wirkung des elektrischen
Stromes hier eine rein physikalische Erscheinung ist.
Nun wurde aber gezeigt, daß die hier hervorgerufene Er-
scheinung bei getöteten Pflanzen nicht hervorgebracht werden konnte.
Ich elaube daher, annehmen zu können, daß bei diesen Unter-
suchungen der elektrische Strom eine einfache Elektro-
lyse der bei der Assimilation der Kohlensäure sich inter-
mediär bildenden labilen Verbindungen hervorruft.
Durch diese Annahme kann auch die andere Wirkung des
elektrischen Stromes, die sich in der Herabdrückung der Lebens-
tätigkeit der Versuchspflanzen bei seiner längeren Einwirkung
äußert, verständlich werden.
Aus unseren Tabellen (I—V) ersehen wir, daß nach einer
bestimmten Zeit die Assimilationstätigkeit der Versuchspflanzen
bedeutend herabgedrückt und bei längerer Einwirkung ganz zum
Stillstand gebracht wird.
Eine Ausnahme davon bilden die Pflanzen I und III, welche
von sehr kleinen Strömen (0.0005—0.0025 Ampere) eleKtrisiert
wurden. Bei der ersten von ihnen, obwohl der elektrische Strom
während vier Stunden auf sie einwirkte, änderte sich die von ihr
pro Minute ausgeschiedene mittlere Blasenzahl gegen die ursprüng-
liche garnicht. Wenn wir aber doch die Endblasenzahl mit der
am Anfange dieser vier Stunden vergleichen, so sehen wir, daß sie
um 11°/, kleiner wurde, was bei solch kleiner Stromstärke sehr
bemerkenswert ist. Dasselbekann man von der Pflanze III sagen,
bei der nach 30 Minuten bei einer Stromstärke von 0.0025 Am-
pere die Blasenzahl um 4 °/, gefallen ist, wenn auch die am Ende
des Versuches die von dieser Pflanze ausgeschiedene Blasenzahl
gegen dieselbe am Anfange des Versuches um 4°), gestiegen ist.
Von allen von mir untersuchten Pflanzen konnte ich nur drei
(I, II und III) am Leben erhalten. Alle anderen Exemplare
waren einige Stunden nach Unterbrechung der Stromwirkung,
einige schon während derselben, tot. Diese war also negativer
Natur. Durch vergleichende anatomische Untersuchungen der Kon-
troll- und Versuchspflanzen konnte ich im Bau der letzteren keine
Veränderungen fesstellen.
Dies alles führte mich zu der Annahme, daß außer der physika-
lisch-chemischen Wirkung der elektrische Strom hier noch eine
sekundäre, physiologische Wirkung ausübt, die darin besteht, dab
bei der in der Pflanze hervorgerufenen Elektrolyse für diese giftige
Stoffe entstehen, die ihren Tod allmählich hervorrufen.
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 225
Betrachten wir nun noch näher die in den Tabellen einge-
tragenen Resultate, so läßt sich aus ihnen eine gewisse gesetz-
mäßige Abhängigkeit der Verminderung der Assimilationsenergie
von der Zeit, während der die Pflanze elektrisiert wurde, ver-
muten.
So z. B. bei Pflanze III (Tab. I) drückt der während einer
halben Stunde einwirkende elektrische Strom die pro Minute von jener
die ausgeschiedene Biasenzahl um 4°/, herab. Nach einer Zeitperiode,
achtmal größer war, also zwei Stunden dauerte, wurde die Blasenzahl
um 42°), herabgedrückt, also um eine Zahl, die etwa zehnmal
erößer ist. Bei Pflanze XVIII (Tab. III) betrug die Blasenver-
minderunge nach der ersten Stunde 23 °,, nach der zweiten 30 °/,,
also ungefähr das Gleiche. Bei Pflanze XIV (Tab. III) nach den
ersten 30 Minuten — 19°/, nach den nächsten — 15°/,. Bei
Pflanze XXVIll (Tab. IV) nach den ersten 15 Minuten — 29 °1,,
nach den weiteren 15 Minuten — 27°),. Bei Pflanze XXXI
(Tab. V) nach den ersten 15 Minuten — 24°, nach anderen 15
Minuten — 19°/,. Also bei allen vier letztgenannten Pflanzen war
die Herabdrückung der Blasenzahl in den gleichen Zeitperioden für
dasselbe Exemplar dieselbe.
Wenn man auch in einigen Fällen Abweichungen (Pflanzen:
XIX, XVII, IV) davon festgestellt hat, so kann man bei dem
verwickelten Komplexe von Erscheinungen, die hier zu Tage treten,
doch annehmen, daß die Herabdrückung der Assimilations-
energie der Zeit, während welcher der Strom auf die
Pflanze einwirkt, annähernd proportional ist.
Es soll noeh einiges über die Bedeutung der Stromstärken
bei unseren Versuchen gesagt werden.
Betrachten wir die Wirkung des Stromes nach den ersten
sechs Minuten, so ist sie stets positiver Natur. Der elektrische Strom
wirkt hier augenscheinlich als Reiz, der die Lebenstätigkeit der
Pflanzen erreet. Diese Wirkung des Stromes addiert sich mit
seiner physikalisch-chemischen und dadurch wird nach dieser ersten
Einwirkung die Blasenzahl bezw. die Assimilationsenergie um so
viel erhöht.
Strenge Gesetzmäßigkeiten konnten hier für verschiedene
Stromstärken nicht festgestellt werden. Die Wirkung war ganz
von der Beschaffenheit der einzelnen Pflanzenindividuen abhängig.
Im alleemeinen aber wirkten die stärkeren Ströme auch als starke
Reize, und daher waren die von ihnen heı vorgei ufenen Steigerungen
der Assimilationsenergie größer.
Betrachten wir weiter die Pflanzen nach 36 Minuten, d. h.
nachdem sie während 18 Minuten der Wirkung des Stromes unter-
zogen waren, so beobachteten wir, dab bei einer gewissen Strom-
stärke, die etwa 0.02 Ampere beträgt, die negative Wirkung des
Stromes zum Vorschein kommt.
Daß nach dieser Periode die schwächeren Ströme noch einen
positiven Einfluß auf die Assimilationsenergie ausüben, ist dadurch
zu erklären, dab die Reizwirkung dieser Ströme größer ist, als die
negative Einwirkung der sich bei der Elektrolyse bildenden Sub-
stanzen.
Beihefte Bot. Centralbl. Bd. XXIII. Abt. I. Heft 3. 15
226 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete.
Verfoleen wir den weiteren Verlauf dieser Untersuchung, so
zeieen sie, daß bei verschiedenen Exemplaren zwischen
der negativen Wirkung der elektrischen Ströme und
ihrer Stärke keine strenge Gesetzmäßigkeit herrscht,
daß aber die Depression der Assimilationsenergie im All-
gemeinen mit den Stromstärken größer wird.
Ströme unter 0.0025 Ampere, durch die Pflanzen in der
Richtung von der Basis zur Spitze durcheeschickt, scheinen von keiner
physiologischen Wirkung auf diese zu sein. Die Erscheinungen,
die sie hervorrufen, sind höchstwahrscheinlich nur physikalisch-
chemischer Natur, die hier weiter auf das Leben der Pflanze
keinen Einfluß ausüben.
Nun habe ich noch einige Versuche auf die Weise angestellt,
daß ich eine und dieselbe Pflanze verschiedenen Stromstärken unter-
warf. Die Resultate einiger solcher Versuche sind in den 4 gra-
phischen Tabellen dargestellt, in welchen im rechtwinklichen Coor-
dinatensystem die Minuten als Abscissen und die zugehörigen, bei
den betreffenden Zeitpunkten beobachteten Blasenzahlen als Ordi-
naten aufgetragen sind.
Diese Darstellungen bestätigen vor allem die Tatsache, daß
der durch die lebende Pflanze geschickte elektrische Strom die
Assimilationstätigkeit gegen die vorhergehende Periode, in der
diese nicht elektrisiert wurde, stets steigert.
Weiter zeigen sie, dab für die Veränderungen der Assimila-
tionsenergie, bezogen auf die Veränderung der von der Pflanze
pro Minute ausgeschiedenen Blasenzahl, zwei charakteristische
Kurven vorhanden sind, von welchen eine dem Fall entspricht,
wenn die Pflanze in der Richtung von der Basis zur Spitze, die
andere, wenn sie in entgegengesetzter Richtung vom Strome durch-
flossen wird.
Die erste von ihnen zeigt, daß für jede, in der Richtung
von der Basis zur Spitze während kurzer Zeitperioden elek-
trisierte Pflanze ein Maximum der Stromstärke vorhanden
ist, bei dem die Steigerung der Assimilationsenergie am
srößten wird. Von da ab wird sie immer kleiner, bis schließlich
die Stromwirkung die assimilatorische Tätigkeit der Pflanze so
herabdrückt, daß trotz der jedesmaligen Steigerung der Blasen-
zahl nach jedem neuen Durchlassen des Stromes diese ihre ur-
sprüngliche Größe auch während der Einwirkung desselben nicht
mehr erreichen kann und schließlich auf O reduziert wird.
Bis zum Erreichen des Maximums ist die jedesmalige
Veränderung der Blasenzahl der Stromstärke annähernd
proportional.
Die andere Kurve, welche für die entgegengesetzte Richtung
des Stromes charakteristisch ist, zeigt ein etwas anderes Verhalten.
Indem sie auch das oben ausgesprochene alleemeine Gesetz der
Steigerung der Assimilationsenergie nach jeder neuen Durchleitung
des elektrischen Stromes durch die Pflanze bestätigt. gehen die bei
dieser Richtung des Stromes hervorgerufenen Veränderungen der
Blasenzahl nicht zuerst bis zu einem gewissen Maximum hinauf
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. Do
— dann heruntersteigend, sondern die maximale Zahlder Blasen
wird gewöhnlich durch die schwächsten Ströme gleich
am Anfanee des Versuches hervorgerufen, und von da
ab fällt jene allmählich, bis sie auf O gebracht wird.
nn
455 160 165
150
AHo HS
AaS BU 15
120
105 40 45
100
Stromintensitäten in Amperen.
Zeit in Minuten.
Elodea canadensis, elektrisiert in der Richtung: von Spitze zur Basis, bei 14,5° ©.
SE Er:
[gezuoserg
Indem jedes Durchlassen des Stromes durch die Pflanze
eine Steigerung der Blasenzahl hervorruft, entsteht, wie die
Kurven zeigen, beim Ausschalten desselben eine Ver-
minderung dieser Blasenzahl, die bis zu einer gewissen
Stromintensität derselben annähernd proportional ist,
19"
228 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete.
FürjedesPflanzenindividuum scheint hieraber eine Strom-
stärke vorhanden zu sein, beider dieAssimilationsenergie
plötzlich so heruntergedrückt wird, daß von diesem
Momente ab der Tod der Pflanze beeinnt.
u.
Smzzerzeim
GG
SBaS:BuE
ie ze
nie SEeirer
ee zum
skus Bau ame
Spass
mem
Zeit in Minuten.
Stromintensitäten in Amperen.
\
28 30 35 ko 45 50 55
Elodea canadensis, elektrisiert in der Richtung: von Spitze zur Basis, bei 14,50 Q.
Blasenzahl.
Wie aus den Assimilationskurven zu ersehen ist, sind die
Stromstärken, bei welchen das Maximum der Blasenzahl und der
Stillstand der assimilatorischen Tätiekeit bei verschiedenen
Pflanzenindividuen eintritt, höchst verschieden. Und in der Tat
2
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete.
Stromintensitäten in Amperen.
er
NS
DL,
auı 45, 80, 85 30
wer
SoRBuE
ge:
ec
Te N Er a
"[yezuoseig
REG GIER, 2
DENDzEIn zo 15 30 % ‚go u 58 55
Zeit in Minuten.
Elodea canadensis, elektrisiert in der Richtung: von Basiszur Spitze, bei 15°C.
Stromintensitäten in Amperen.
= NS
N LLLL
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RN RN \ N N
N NN N N N
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apa iekeper KUN
nn «D or
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EEE RER LEN
RER iR TG ST 40
5 o 15 30
"TBZUOSTIEL
Zeit in Minuten.
Elodea canadensis, elektrisiert in der Richtung: von Basis zur Spitze, bei 150 0.
230 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete.
sind die hier angegebenen Resultate ein Spiel von so vielen Be-
dineungen, daß es kaum denkbar sein kann, für zwei verschiedene
Exemplare übereinstimmende Zahlen zu erhalten.
Zum Schluß soll hier noch eines Faktors gedacht werden,
von dem oben noch nicht gesprochen wurde, der aber von einiger
Wichtigkeit für unsere Resultate sein kann. Dies ist der Ein-
fluß der Zersetzungsprodukte, die bei der Elektrolyse des Mediums,
in dem die Pflanze beobachtet wurde, entstehen. Obwohl, wie
oben gezeigt wurde, für ihre Fortschaffunge aus den Versuchströgen
gesorgt wurde, so ist doch nicht zu leugnen, daß im Momente
ihrer Entstehung — ihre Wirkung könnte eben in diesem
Momente die entscheidende sein — sich diese Zersetzungspro-
dukte in direkter Berührung mit der Versuchspflanze befanden
und daher ohne Zweifel ihre Wirkung auf diese ausübten. Die
Größe dieser Komponente festzustellen, war mir vorläufie un-
möglich.
Vielleicht wäre sie ausführbar durch Heranziehung der
Pollacci’schen Stärkebestimmungsmethode, was aber so viel
Zeit in Anspruch nehmen würde, daß ich zur Zeit darauf ver-
ziehten mußte. ®
Einfluss eines gleichmässigen elektrischen Feldes auf die
Assimilation der Kohlensäure.
Schicken wir durch das Medium, in dem die Wasserpllanze
beobachtet wird, einen elektrischen Strom, so geht, da der Wider-
stand des Pflanzenkörpers ein viel größerer ist, als der des Me-
diums, nur ein kleiner Bruchteil dieses Stromes durch die Pflanze
selbst.
Die Pflanze befindet sich in diesem Falle in einem gleich-
mäßigen elektrischen Felde, denn als solches betrachtet man einen
Strom, dessen Stromfäden geradlinig, parallel und eleich dicht sind.
Es war höchst interessant, zu erfahren, wie sich der Einflub
eines solchen homogenen, elektrischen Feldes auf die Assimilation
der Kohlensäure äußert.
Die etwaige Ablenkung der Stromlinien, welche durch die
Einführung der Stromlinien hervorgerufen wurde, war für unsere
Versuche nicht in Betracht gezogen und die Verteilung der Linien
in der Pflanze selbst als gleichmäßig angenommen.
Die Versuchsordnung zeigte im Vergleiche zu der bei den
oben ausgeführten Versuchen angewandten nur geringe Abände-
rungen.
Da der Strom jetzt nicht mehr durch die Pflanze selbst ge-
schickt zu werden brauchte, so konnte die Pflanze frei, durch
einen (Glasstab «gestützt, in das Versuchsgefäß gebracht werden.
Nun ergeben sich hier aber zwei Stellungen für die zu
untersuchende Pflanze, die eine, wenn die Längsachse der
I
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc.
ZIRITIIIIIRIIIEIRRIIITTTT
N
ISIN
ISIN
I
NIII
Fig. )
232 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc.
Pflanze senkrecht zu den Stromlinien steht, und die zweite,
wenn sie parallel derselben ist. Eine Versuchsanordnung in
der zweiten Stellung zeigt uns die Figur 3.
Um einigermaßen bei allen Versuchen die gleiche Stellung
der Pflanzen im elektrischen Felde zu behalten, wurde bei jedem
Versuche seine Mitte fixirt und das Versuchsobjekt in dieser durch
eine Korkplatte festgehalten.
Die Versuche dieses Abschnittes, deren Resultate in den
Tabellen VI—XIV dargestellt sind, wurden auf die Weise ausge-
führt, daß zuerst zwei kräftige und : gesunde Sproßenden von
Elodea canadensis durch Abschneiden auf dieselbe Länge gebracht
wurden und eines von ihnen als Versuchs-, das andere als Kontroll-
pflanze verwandt wurde.
Nachdem ich mich über die Gleichmäßigkeit der von beiden
pro Minute ausgeschiedenen Gasblasen überzeugt hatte, ging ich
an die Versuche selbst heran.
Ich unterzo® die Versuchspflanze in bestimmten Zeitperioden
der Einwirkung des elektrischen Stromes, und beobachtete nach
Verlauf derselben die von ihr und der Kontrollpflanze pro Minute
ausgeschiedenen Blasenzahlen.
Während der Anfangsperiode dauerte die Stromeinwirkung
gewöhnlich nur vier Minuten, welchen immer andere vier folgten,
während welcher die Pflanze der Wirkung des Stromes entzogen war.
Die weiteren Zeitperioden der Stromeinwirkung waren auf
l bezw. 2, 4 und 6 Stunden bemessen, aber immer so, daß jede
der untersuchten Pflanzen im ganzen während zehn Stunden
dieser Einwirkung unterzogen war. Außerdem waren die Ver-
suchspflanzen während der ersten vier Stunden von der elektrischen
Bogenlampe beleuchtet, während der sechs weiteren Stunden dagegen
befanden sie sich im Dunkeln.
Nach den längeren Stromeinwirkungsperioden wurde bei
einigen. Versuchen der Strom auf kurze Zeit unterbrochen und die
jetzt von der Pflanze pro Minute ausgreschiedene Blasenzahl be-
obachtet. Auch wurden die Pflanzen einige Stunden nach Unter-
brechung des Versuches auf die Veränderung der von ihnen aus-
veschiedenen Blasenzahl untersucht.
Jede in der Tabelle durch eine Zahl angegebene Beobachtung
stellt ein arithmetisches Mittel von vier Beobachtungen dar, von
welchen jede eine Minute dauerte. Um die Resultate noch leichter
vergleichbar zu machen, wurden alle so erhaltenen Zahlen auf die
Zahl 100 umgerechnet, der die Anfaneszahl aller Versuchs-
und Kontrollpflanzen gleich gesetzt wurde.
1. Längsachse der Versuchspflanzen senkrecht zu Stromlinien.
Die Resultate dieser Versuche sind in den Tabellen VI—XII
dargelest.
Die in der ersten von diesen Tabellen angegebenen Resul-
tate beziehen sich nur auf die Anfangsperiode, d. h. auf eine
solche, während der die Pflanzen intermittierend je vier Minuten
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 233
der Einwirkung des elektrischen Stromes ausgesetzt und entzogen
waren. Bei allen diesen Versuchen, von welchen jeder nur 46
Minuten dauerte, waren nur die Stromstärken und Stromdichten
verschieden, alle anderen Bedineungen dageren stets eleich ge-
halten.
Um den Einfluß der Stromdichte, d. h. der Größe — EN
i Stromquerschnitt
aut die Assimilationsenergie feststellen zu können, habe ich den
Querschnitt des Versuchszefäßes dadurch zu verringern gesucht,
daß ich in diesen einen entsprechend eroßen Paraffinblock (9)
hineinbrachte, der an die Wand und den Boden des Gefäbßes befestigt
wurde (Fig. 4). Auf diese Weise konnte der Querschnitt des
letzteren auf 35, in einigen Fällen auf 14 qcm verkleinert und dem-
entsprechend die Stromdichte, die auf die Pflanzen einwirken sollte,
vergrößert werden.
Betrachten wir die in der Tabelle VI angegrebenen Resul-
tate näher, so zeigt uns die letzte Rubrik derselben die endgiltigen
Veränderungen der ursprünglichen mittleren, pro Zeiteinheit von
den Pflanzen ausgeschiedenen Blasenzahl prozentualisch aus-
sedrückt.
Was hier zuerst in die Augen fällt, ist der Umstand, dab
die elektrischen Ströme, welche das Medium, in dem die
Pflanze wuchs, in kurzen Zeitperioden durchtlossen, nach
einer nicht sehr langen Einwirkung die Assimilaton der
Kohlensäure beider eine gewisseGrenzenichtübersteigen-
den Stromintensität steigern, von da ab sie aber herab-
drücken.
Es besteht hier kein gesetzmäßiges Verhältnis zwischen der
positiven Wirkung des Stromes auf die Kohlensäureassimilation
und seiner Intensität, was auf einen sehr komplizierten Vorgang hin-
weist. Was aber die negative Wirkune der Ströme betrifft, so läßt sich
hier eine gewisse Abhängiekeit von der Stromstärke bezw. Strom-
diehte vermuten.
Die Tatsache, welche für die erste Versuchsreihe so auffallend
war, und welche darin bestand, daß nach jeder neuen Strom-
wirkung, die von der Pflanze pro Minute ausgeschiedene Blasen-
zahl stieg, konnte bei diesen jetzt besprochenen Versuchen nicht
festgestellt werden. Es zeigte sich hier in dieser Hinsicht keine
Spur irgendwelcher Gesetzmäßigkeit. Das Durchschicken, wie
das Ausschalten des elektrischen Stromes konnte, je nach der Be-
234 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc.
schaffenheit der betreffenden Pflanze, einmal eine Steigerung bezw.
Herabdrückung der Blasenzahl, das zweite Mal das Umeekehrte
hervorrufen.
Die bei den obigen Versuchen auf den ersten Blick als
dominierende, von mir als physikalisch-chemische bezeichnete
Wirkung des Stromes kommt also bei diesen Versuchen gar nicht
zum Vorschein, was ich mir dadurch zu erklären suche, daß ich
annehme, die durch die Pflanzen selbst bei diesen Versuchen durch-
sehenden Ströme sind so minimal, daß sie nicht imstande sind,
die oben besprochenen Elektrolysen der sich in lebenden Pflanzen
bildenden Stoffe hervorzurufen.
Wenn wir überhaupt die Wirkungen von Strömen eleicher
Intensität bei den ersten und den jetzt besprochenen Versuchen ver-
gleichen, so sind sie bei den ersten von viel negativerem Einflusse
auf die Kohlensäureassimilation der betreffenden Pflanzen, als bei
den letzten. Die Dichte der die Pflanzen durchströmenden Elek-
trizität scheint hier also von ausschlaegebender Bedeutung zu sein.
Schickt man durch das Medium, in dem die Pflanze be-
obachtet wird, einen elektrischen Strom in kurzen, einige Minuten
dauernden Zeitperioden, so übt er auf jene eine Reizwirkung aus,
in deren Folge alsbald eine Steigerung der Assimilationsenergie
zustande kommt.
Bei elektrischen Strömen von größeren Intensitäten gesellt
sich aber dieser Reizwirkung eine andere, ihr entgegengesetzte, zu,
welche höchstwahrscheinlich als Folge der in dem Medium durch
seine Elektrolyse entstehenden Zersetzungen zu betrachten ist.
Diese Periode, in der die Pflanzen auf die besprochene Weise
nur intermittierend, während kurzer Zeitabschnitte der Einwirkung
der Ströme unterzogen wurden, nannte ich die Anfangsperiode, und
ihre Dauer war bei allen späteren Versuchen (Tab. VIT-—-XII) auf
18 Minuten bemessen.
Betrachten wir die Veränderungen, die bei verschiedenen
Stromintensitäten während dieser Zeitperiode in der Blasenzahl
hervorgerufen wurden, so können wir hier, wie auch bei den in
der Taballe VI angegebenen Versuchen, keine Gesetzmäßiekeit
feststellen. Eines konnte hier nur hervorgehoben werden, daß bei
gewissen Intensitäten des elektrischen Feldes (etwa 15 Milliampere
Stromstärke und 0,24 Milliampere pro qem Stromdichte) die Ein-
wirkung desselben eine positive war, von da ab aber eine nega-
tive. Auffallend ist aber, daß hei sehr starker Stromintensität
(etwa 38 Milliampere Stromstärke und 0,6 Milliampere Stromdichte)
diese Wirkung zum erößten Teil, d. h. bei mehreren Pflanzen-
exemplaren, wieder eine positive war.
Dieses läßt sich vielleicht durch die zweierlei Wirkungen
des elektrischen Feldes auf folgende Weise erklären: Wie schon
oben erwähnt wurde, übt die erstere von ihnen einen Reiz aus, der
die Assimilationsenergie der Pflanzen steigert, die zweite drückt
sie dagegen herab. Sind die Stromintensitäten gering, so ist die
zweite Wirkung des Stromes während solcher kurzen Zeitperioden
wahrscheinlich von keiner Bedeutung für die Kohlensäureassimila-
Koltonski, Uber den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 235
tion, jedenfalls wird sie von der ersten übertroffen, und als Schlub-
resultat ergibt sich eine Steigerung der von der Pilanze pro Zeit-
einheit ausgeschiedenen Blasenzahl. Werden die Stromintensitäten
erößer, so wächst wahrscheinlich im alleemeinen die Empfindlich-
keit der Pilanzen für die Wirkung der zweiten Art schneller, weshalb
bei diesen als Resultate eine Verminderung der Assimilations-
energie eintritt. Dann scheint aber bei der größten hier ange-
wandten Stromintensitäten die Reizwirkung derselben überhand zu
nehmen, und es entsteht deshalb bei ihrer Anwendung wiederum eine
Steigerung der von der Pflanze pro Zeiteinheit ausgeschiedenen
Blasenzahl. Diese erste Periode der Untersuchung erscheint also
als ein Kampf zwischen diesen beiden hier angeführten Strom-
wirkungen.
Die Frage über die Natur der Reizwirkungen, welche durch
die elektrischen Ströme hervogerufen werden, zu beantworten, ist
eine höchst schwierige. Es sind hier natürlich verschiedene Mög-
lichkeiten denkbar.
Am einfachsten wäre die Annahme, daß es die elektroly-
tischen Wirkungen in der lebendigen Substanz selbst sind, welche
die verschiedenen Reizwirkungen hervorrufen. Mit dem Zerfall
dieser Verbindung ist schon an sich die Entstehung von Erregunes-
erscheinungen egeben. Dies trifft aber vielmehr für unsere erste
Versuchsreihe zu. Für die jetzt zu besprechenden Versuche scheint es
aber die Elektrolyse des die Versuchspflanzen umgebenden Mediums,
des Leitungswassers, zu sein. Denn es entstehen bei derselben
Stoffe, welche als chemische Reize auf die Pflanzensubstanz ein-
wirken und die. betreffenden Reizerscheinungen hervorrufen.
Verworn!) zweifelt zwar, ob dieses Moment bei den galvanischen
Erscheinungen wesentlich beteiligt ist, es ist aber nach meinen
Versuchen kaum zu verneinen, daß diese Wirkung in besonderen
Fällen als eine der wichtiesten Komponenten des gesamten Kom-
plexes der Reizerscheinungen hervortritt.
Als eine weitere solche Komponente führt der eben genannte
Forscher die durch den galvanischen Strom hervorgerufene Flüssie-
keitsverschiebung im porösen, mit Flüssigkeit getränkten Körper an.
Es ist bekannt, daß bei einer längeren Einwirkung eines Reizes
die lebendige Substanz ihre Erregbarkeit allmählich verliert, so dab
der betreffende Organismus den Reiz nicht mehr als solchen em-
pfindet. Läßt man daher den elektrischen Strom eine längere
Zeit auf die Pflanze einwirken, so hört seine Reizwirkung auf die-
selbe alsbald auf, und die Pflanze ermüdet, worunter zu verstehen
ist, daß die Energie aller ihrer Lebensfunktionen herabgesetzt wird.
‘is können hier aber noch andere Erscheinungen eintreten.
Unter Ermüdung versteht man nach Verworn?) einerseits
die Anhäufung von Zersetzungsprodukten, die durch die ange-
strengte Tätigkeit entstehen, und ande worseits den Verbrauch und
den mangelhaften Ersatz der zur Restitution der lebendigen Sub-
stanz nötigen Stoffe.
ı) Verworn, ]. ec, p. 457.
2, Verworn, ]. e. p. 502.
236 Koltonski, Über den Kinfluß der elektrischen Ströme etc.
Nun könnte aber bei unseren Versuchen durch die Energie
des elektrischen Stromes vielleicht ein Übermaß der verbrauchten
Stoffe gebildet, anderseits die dabei entstehenden Zersetzungs-
produkte von ihm in für den Organismus unschädliche Form um-
gewandelt werden, so daß die Stromwirkung schließlich zu einer
Steigerung der Energie einiger Lebensfunktionen führen würde.
Um festzustellen, wie sich diese Verhältnisse beim Einflusse
eines gleichmäßigen elektrischen Feldesauf die Kohlensäureassimilation
äußern, habe ich die Versuchspflanzen während längerer Zeit-
perioden dem Einflusse eines solchen Feldes unterzogen, und be-
obachtete am Ende jeder solchen Periode die Veränderungen der
von den Pflanzen pro Zeiteinheit ausgeschiedenen Blasenzahlen.
Es hat sich hier herausgestellt, dab bei sehr kleinen
Stromintensitäten (von einer Dichte bis zu etwa O,l und
einer Stromstärke bis zu etwa 6 Milliampere) die Wir-
kung derselben eine Steigerung der Assimilationsenereie
hervorrief, wobei diese der Zeiteinwirkung dieser
Ströme annähernd direkt proportional war.
Denn, da nach vierstündiger Einwirkung dieser schwachen
Ströme die Steigerung!) der von den Pflanzen pro Zeiteinheit
ausgeschiedenen Blasenzahl etwa 9,75 °,, betrug, so wurde sie
nach sechsstündiger Einwirkung etwa 14,5 °/,; es wird also eine
annähernd stimmende Proportion 4:6 — 9,75:14,5 erhalten.
Bei Anwendung von erößeren Stromintensitäten
wird der Einfluß eines solchen eleichmäßigen Feldes
auf die Assimilationsenergie ein negativer, wobei die
Größe ihrer Verminderung mit der Zeitdauer der Ein-
wirkung entsprechend größer wird.
Um einen gewissen Einblick in die am Schlusse jeder Periode,
während der die Pflanzen elektrisiert wurden, entstebenden Ver-
"änderungen zu bekommen, habe ich die foleende Tabelle zu-
sammengestellt:
|
|
|
|
|
Fi — B er = 5 B
8 sales a seele
Et a a S Ei N d = >) = =) = 8
= Sa als een ee
a - AS > ri Ta
3 amade Beer
2 Selen Een ne ee
g B al eNgn|ı 2535| 2005
= a5 | 5 3,0 sa acea sem
= = aan 3 = =
= & Asa |A = Sa
1 15 0.24 6,1 9,2 el
2 15 0.43 14 15,4 16,8
: te) 0.32 18 27 4
4 19 0.56 42,7 68,5
> 42 0.69 18 24 40 17
6 28 0.81 6,8 23,5 46 75
2) Die hier angegebene Steigerung der Blasenzahl stellt das arithmetische
Mittel aller diesen Versuchen entsprechenden Resultate dar.
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 237
Die in dieser Tabelle stehenden Zahlen sind arithimetische
Mittel, welche aus allen, jeder Versuchsreihe entsprechenden Re-
sultaten erhalten wurden.
Aus den Versuchsreihen 1 und 2 «eht hervor, daß bei
eleichen Stromstärken die durch sie hervorgerufene De-
pression der Assimilationsenergie von den Stromdichten
abhängige ist und mit dieser entsprechend wächst.
Bei der Versuchsreihe 3 ist vor allem zu bemerken, daß hier
von der gewöhnlichen Art der Untersuchung eine kleine Ab-
weichung gemacht wurde, indem nach jeder längeren oder kürzeren
Stromeinwirkungsperiode der Strom auf je vier Minuten unterbrochen
wurde, was aber von keinem merklichen Einflusse auf die am
Ende des Versuches beobachteten Blasenzahlen war.
Es soll hier bemerkt werden, daß die Blasenzahl, welche
von den untersuchten Pflanzen nach Unterbrechung der Strom-
wirkung beim Ende jedes Versuches ausgeschieden wurde, sich
fast gar nicht unterschied von der am Schlusse der Stromein-
wirkung beobachteten, d. h, daß diese Unterbrechung fast
car keinen Reiz auf die Assimilationstätigkeit der betreffenden
Pflanzen ausübte. Auch sehr wenig. änderte sich die Blasenzahl
einige Stunden nach Unterbrechung des Versuches, in einigen
Tagen sind aber alle Pflanzen, bei welchen der elektrische Strom
eine Depression der Assimilation hervorgerufen hat, zugrunde ge-
sangen, obwohl sie in normale Verhältnisse gebracht waren. Dies
ist die Folee der Überreizung!), deren allgemeine Bedeutung
nichts anderes ist, als das, was wir als äußere Todesursachen be-
zeichnen.
2; En Re Überreizung nicht nur, wenn sie in einer
Stei erung, sondern auch wenn sie in einer Herabsetzung der als
Lebensbedingungen wirkenden Faktoren besteht, schließlich -stets
den Tod zur Folge hat.“
Die Versuchreihen 3 und 4 bestätigen wiederum den oben
auseesprochenen Satz von der Abhängiekeit der durch den elek-
trischen Strom hervorgerufenen Depression der Assimilationsenergie
von der Stromdichte.
Die annähernde Gleichheit der aus den Versuchsreihen 5 und
6 erhaltenen Zahlen läßt vermuten, daß die nach einer ge-
wissen längeren Zeit durch ein gleichmäßiges elek-
trisches Feld hervorgerufene Depression der Kohlen-
säureassimilation von dem Produkte Stromstärke und
Stromdichte abhängig ist, denn in der Tat sind für diese
Versuchsreihen diese Produkte sich annähernd gleich (28,98 bezw.
22,68).
Dasselbe betrifft die Versuchsreichen 3 und 4. Die Produkte
aus Stromstärke und Stromdichte verhalten sich bei ihnen wie
1:1,75, die Depressionen der Assimilationsenergie nach insgesamt
zehnstündiger Stromeinwirkung, wie etwa 1:1,56, also mit einer
Genauigkeit, die trotz der Kompliziertheit hier eintretender Er-
1) Verworn, |. c, p. 506.
238 Koltonski. Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc,
scheinungen, eine gewisse Gesetzmäßigkeit doch zu vermuten er-
laubt. Und wenn auch diese Abhängiekeit für die ersten zwei Ver-
suchsreihen nicht zutrifft, so ist, wenn man bedenkt, was für eine
Fülle von Erscheinungen hier zu Tage tritt, wenn man bedenkt,
bis zu welchem Grade jede Pflanze ihre individuellen Eigenschaften
zur Entfaltung bringen kann, die Aufstellung von solchen, nur sehr
annähernd giltigen Sätzen doch berechtigt, denn sie gewährt uns
jedenfalls einen gewissen Einblick in diese so dunkle und ver-
wickelte Welt, deren volle Aufklärung kaum je geschehen wird.
Es ist selbstvertständlich, daß die Vergleiche der Resultate
nur für Versuchsreihen mit sich naheliegenden Stromintensitäten
angestellt werden konnten, denn bei großen Unterschieden der-
selben können die Nebenerscheinungen, die sie hervorrufen, eine
bedeutende Störung jener Abhängiekeit verursachen.
Betrachten wir noch weiter die zuletzt aufgestellte Kleine
Tabelle, so können wir feststellen, daß im Großen und Ganzen die
Depression der Assimilationsenergie nach jeder weiteren längeren
Zeitperiode, in der die Pflanze der Stromeinwirkung unterzogen
war, größer wird. Außerdem ist noch zu bemerken, daß diese, die
Depression der Assimilationsenergie ausdrückenden Zahlen bei den
schwächeren Stromintensitäten langsamer steigen wie bei stärkeren;
so, wenn sie bei den ersten arithmetische Progressionen bilden,
bilden sie bei den letzten geometrische.
Dies weist auf die Tatsache hin, daß zwischen den durch den
Strom hervorgerufenen Veränderungen der Assimilationsenergie
und der Zeitdauer der Einwirkung derselben auf die Pflanzen ein
gewisses gesetzmäßiges Verhältnis besteht, und daß jene einen
sehr wichtigen Faktor bei diesen Erscheinungen darstellt. Denn
wäre dies nicht der Fall, so müßte sich das Hauptergebnis der
Stromeinwirkung schon nach der ersten längeren Zeitperiode ein-
stellen, was nicht der Fall ist.
Fassen wir jetzt alles hier Gesagte zusammen, so können
wir mit Sicherheit sagen, daß, wenn sich eine Wasserpflanze
in einem gleichmäßigen elektrischen Felde, das in dem
sie umgebenden Medium erzeugt wird, befindet, und die
Längsachse der Pflanze senkrecht zu den Stromlinien
steht, bei sehr kleinen Stromintensitäten die Wirkung
eines solchen Feldes eine positive ist, daß sie bei
srößeren aber negativ wird. Außerdemist diese von der
Einwirkungsdauer des Stromes, von seiner Stärke und
Dichte abhängige und steht zu diesem im geraden Ver-
hältnisse.
Von den vielen Störungen, die die verschiedenen Ab-
weichungen von den hier ausgesprochenen Betrachtungen verur-
sachen, scheint eine die Veränderung des Widerstandes der Ver-
suchsobjekte im Laufe des Versuches zu sein, die durch den elek-
trischen Strom selbst herbeigeführt wird. Nach Pfeffer!) wird
schon durch eine vorübergehende Durchleitung eines elektrischen
I Pfeffer cr B. II 9.866;
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 239
Stromes der Leitungswiderstand der Pflanzengewebe transitorisch
herabgesetzt.
Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, daß die
schwächeren Ströme die Assimilationsenergie der Pflanzen erhöhen,
die stärkeren diese dagegen herabdrücken. Es ist sicher, daß
jedem Pflanzenindividuum eine andere Stromintensität entspricht,
bei der die Wirkung, die sie ausübt, eine schädliche wird.
Wir wissen, daß der elektrische Strom einige Körper, unter
anderen auch den Wasserstoff, passierend diese in den status nas-
cens überführt. In diesem Zustande besitzt der Wasserstoff stark
reduzierende Eigenschaften. Der durch die Pflanze durchgehende elek-
trische Strom würde vielleicht auch nichts anderes sein als ein Antrieb,
welcher hilft, daß der Wasserstoff, der sich im Inneren der Pflanze
bildet, mit größerer Energie die Kohlensäure, mit der er in Be-
rührung kommt, reduziert.
Nach Bach!) kann der Chemiker die sekundäre Wirkung
des bei der Elektrolyse in statu nascendi erhaltenen Wasserstoffes,
die Reduktion der Kohlensäure, herbeiführen. Die elektrolytische
Reduktion der Kohlensäure wurde auch durch die Versuche von
Royer?), v. Lieben), Cohen und Jahn) bestätigt.
Phipson>) studierte die Vegetation der Pflanzen in der
Wasserstoffatmosphäre, indem er Wasserstoff in Wasser, das
CO; enthielt, einleitete und zeigte, daß sich das Volumen des
Wasserstoffs um 20 Teile verkleinerte. Dieses müßte geschehen,
wenn der Wasserstoff mit einem Teile der Kohlensäure reagiert.
Putz®) äußert sogar, daß die Kohlensäure vom Chlorophyll über-
haupt durch elektrische Energie assimiliert wird, und betrachtet
also dieses als ein photo-elektrisches System. Er zitiert einen
Fall, bei welchem die Existenz von der Umwandlung des Lichtes
stammender elektrischer Ströme in der Pflanze nachgewiesen sein
konnte, und nimmt an, daß hier der sich durch diese Ströme
bildende Wasserstoff als Vermittler wirkt.
Allen diesen Versuchen entsprechend, kann mit einer ge-
wissen Sicherheit angenommen werden, daß der durch die Pflanze
geschickte elektrische Strom in dieser die elektrolytische Zer-
setzung der sich in ihr vorfindenden Kohlensäure hervorruft.
Damit ist aber noch garnicht gesagt, daß er die Kohlensäure-
assimilation der Pflanzen begünstigt. Dieses könnte gezeigt werden,
wenn wir nachweisen könnten, daß die Produkte der photosynthe-
tischen Wirkung des Chlorophylis und der elektrolytischen des
Stromes miteinander identisch sind, was Pollacci nachgewiesen
haben will.
Es würde sich dann natürlich für jede Pflanze ein gewisses
Maximum der Stromwirkung ergeben, bei dem noch eine
!) Bach, Oompt. rend. I. OXXVI. 1898. p. 479.
2) Royer, Compt. rend. I. LXX. 1870. p. 731.
») Wiener Monatshefte. 16. 1895. p. 211. 18. 1897. p. 582.
#) Cohen und Jahn, Ber. d. D. Chem. Ges. B. 37. 1904. p. 2836.
5) Chem. New. 67. p. 303.
6) Chem. Oentralbl. 1886. p. 774.
240 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete.
Steigerung der Assimilation möglich ist, denn durch den Strom können
höchstwahrscheinlich nur die Ausgangsprodukte, aus welchen durch
die Tätigkeit der lebendigen Pflanze selbst erst die höheren
Kohlenhydrate entstehen, gebildet werden. Entstehen aber durch
den Strom diese Ausgangsprodukte in einem Übermaße, so reicht
die Lebenskraft der Pflanze nicht mehr zur Verarbeitung der-
selben und wird von ihm paralysiert, auf welche Weise ich mir
auch die Resultate meiner Versuche erkläre.
2. Längsachse der Versuchspflanzen parallel zu Stromlinien.
In der Stellung der Pflanzen, bei welcher die Längsachsen
derselben parallel zu den Stromlinien sind, ergeben sich zwei
weitere Möglichkeiten. Die eine, wenn der Strom den Pflanzen-
zweig in der Richtung von der Basis zur Spitze durchläuft (Fig. 3),
und die zweite, wenn dieses in umgekehrter Richtung geschieht.
Diese beiden Fälle wurden auch bei den hierzu gehörigen, in den
Tabellen XII und XIII dargelegten Versuchen auseinander ge-
halten.
Wie bei den Versuchen erster Reihe zeigt sich auch hier,
daß die Ströme, welche die Pflanzen in derRichtung von
der Spitze zur Basis durchfließen, einen merklich ne-
sativeren Einfluß auf die Assimilationsenergie ausüben.
Ging der Strom durch die Pflanzen in der Richtung von
der Basis zur Spitze, so waren die Zahlen (°/,)!), um welche die
Assimilationsenergie der betreffenden Pflanzen herabgedrückt
wurde, nach 2, 4 bezw. 10 Stunden: 10,2, 34,5 und 49,6 °/,, bei
entgegengesetzter Richtung des Stromes: 13,5, 34,5 und 56,7 °/..
Im allgemeinen waren die zu diesem Abschnitte gehörigen
Versuche genau auf die Weise ausgeführt, wie diejenigen des
zweiten Abschnittes, und im Großen und Ganzen ergaben sich aus
ihnen auch dieselben Resultate in der Abhängiekeit der durch die
elektrischen Ströme hervorgerufenen Depressionen der Assimilations-
energie von den Stromintensitäten und der Dauer ihrer Ein-
wirkung, wie bei jenen.
Hauptresultate.
Fassen wir jetzt alles oben Gesagte zusammen, so kommen
wir zu folgenden Hauptresultaten:
I. Schickt man einen elektrischen Strom durch eine Wasser-
pflanze, so äußert sich eine Wirkung in Folgendem:
1. So lange die Pflanze lebenskräftig ist, steigt bei jedem
Durchlassen des Stromes die von ihr pro Zeiteinheit ausge-
schiedene Blasenzahl.
2. Der während längerer Zeit durchgeschickte Strom ruft
allmählich eine Verminderung hervor und führt den Tod der
!) Die hier angeführten Zahlen stellen das arithmetische Mittel aller zu
diesem Abschnitte gehörigen Versuche dar.
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 241
Pflanze herbei. Nur sehr schwache Ströme machen davon eine
Ausnahme, indem sie keine Verminderung der von der Pflanze
ausgeschiedenen Blasenzahl, sondern ihre Erhöhung hervorrufen.
3. Ströme, welche die Pflanzen in der Richtung von ihrer
Spitze zur Basis durchfließen, üben auf die Assimilationstätigkeit
derselben einen negativeren Einfluß aus, als jene, welche sie in ent-
eesetzter Richtung durchströmen.
4. Die negative Wirkung des Stromes auf die Assimilations-
energie ist für dieselbe Pflanze der Dauer der Einwirkung an-
nähernd proportional.
5. Zwischen der Einwirkung der Ströme auf ers chiedene
Pflanzenindividuen und der Intensität derselben besteht im allee-
gemeinen keine strenge Gesetzmäßigkeit, doch rufen stärkere
Ströme auch größere Depressionen der Assimilationsenergie hervor.
6. Werden durch eine und dieselbe Wasserpflanze elektrische
Ströme von verschiedener Stärke in der Richtung von der Basis zur
Spitze während kurzer Zeitperioden geschickt, so ruft ein jedes-
maliges neues Durchlassen des Stromes eine Steigerung der von
der Pflanze pro Zeiteinheit ausgeschiedenen Blasenzahl hervor, die
der Stromstärke bis zu einem gewissen, für jedes Individuum ver-
schiedenen Maximum annähernd proportional ist.
Gehen solche Ströme durch die Pflanzen in entgegengesetzter
Richtung, so fällt die maximale Blasenzahl gleich auf den Anfang
des Versuches.
Jede Unterbrechung ruft bei diesen Versuchen eine Ver-
minderung der Blasenzahl hervor, die auch bis zu einer gewissen
Stromstärke derselben annähernd proportional ist. Bei dieser, aber
für jedes Pflanzenindividuum verschiedenen Stromstärke, wird die
Assimilationsenergie plötzlich so heruntergedrückt, daß von diesem
Momente ab die Pflanze sich im Stadium des Absterbens befindet
und nicht mehr zum Leben gebracht sein kann.
II. Schickt man einen elektrischen Strom durch das Medium,
in dem die Pflanze beobachtet wird, so daß die Stromlinien senk-
recht zur Längsachse des Versuchsobjektes stehen, so übt er auf
die Kohlensäureassimilation folgende Wirkung aus:
1. Durchfließt der elektrische Strom das Medium während
kurzer, nur einige Minuten dauernder Zeitperioden, so befördert
dieser Strom, wenn seine Intensität eine gewisse, für jedes In-
dividuum bestimmte Größe nicht überschreitet, die von der Pilanze
pro Zeiteinheit ausgeschiedene Blasenzahl, bei größeren Strominten-
sitäten wird dagegen diese schon nach der kurzen Einwirkung des
Stromes herabgedrückt.
2. Werden die Pflanzen der Einwirkung des elektrischen Feldes
während längerer Zeitperioden unterzogen, so ruft dieselbe bei sehr
kleinen Stromintensitäten eine Steigerung der Assimilationsenergie
hervor, die der Zeitdauer dieser Kinwirkung annähernd proportional ist.
Bei Anwendung größerer Stromintensitäten wird der Einfluß eines sol-
chen gleichmäßigen elektrischen Feldes ein negativer, wobei die Größe
dieser Wirkung mit der Zeitdauer derselben entsprechend wächst,
Beihefte Bot, Centralbl, Bd. XXIII. Abt. I, Heft 3, 16
242 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc.
3. Bei gleichen Stromstärken werden die hervorgerufenen
Depressionen der Assimilationsenergie abhängig von den Strom-
dichten und stehen zu denselben im geraden Verhältnisse. Bei
verschiedenen Stromstärken bezieht sich diese Abhängigkeit annähernd
auf das Produkt Stromstärke und Stromdichte.
III. Läßt man den elektrischen Strom durch das die Pflanze
umgebende Medium so verlaufen, daß die Stromlinien parallel zur
Längsachse derselben sind, so ist die Wirkung die folgende:
1. In der Abhängigkeit der Einwirkung von. Stromintensi-
täten und ihrer Zeitdauer stellen sich hier dieselben Verhältnisse,
wie bei der senkrechten Stellung der Stromlinien zur Längsachse
der Versuchspflanzen ein.
2. Die Ströme, welche die Pflanzen in der Richtung von der
Spitze zur Basis durchfließen, üben auf die Assimilationsenergie
derselben einen negativeren Einfluß, als diejenige, welche sie in ent-
gegrengesetzter Richtung durchströmen.
Trotzdem diese, von uns ausgeführten Versuche keine er-
schöpfende Antwort auf die sehr komplizierten Fragen geben, so
können doch die aus ihnen gezogenen Schlüsse Anhaltspunkte zu
weiteren Forschungen auf diesem schwierigen und verwickelten Ge-
biete liefern.
Zuletzt mag es mir noch gestattet sein, meinem hochverehrten
Lehrer, Herrn Geheimen Regierungsrat Prof. Dr. Kny in Berlin,
der mir die Ausführung meiner Arbeit ermöglichte und in zuvor-
kommendster Weise stets mit gutem Rat zur Seite stand, meinen
aufrichtigsten Dank auszusprechen.
In eben so herzlicher Weise danke ich dem Herrn Privat-
dozenten Dr. W. Magnus und Herın Dr. G. Gaßner, die stets
ein reges Interesse für meine Arbeit zeigten, und mir oft dabei mit
gutem Rat behilflich waren.
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 243
Tabellen I bis XIV.
16*
244 Koltonski, Über den Einfluß.der elektrischen Ströme etc.
Nr. des Versuches: 1. 1uR Ill.
Versuchspflanze: Elodea canadensis. Elodea canadensis. Elodea canadensis.
Stromrichtung: Von Basis zur Spitze. | Von Spitze zur Basis. | Von Basis zur Spitze.
Stromstärke: 0,0005 Amp. 0,0005 Amp. 0,0025 Amp.
Temperatur: 15%. 150 C. 14.5920:
Ohne Stromwirkung
Bei 5
132323313 111 151516151615 110 151515131513 | 122
24 28 27 30 28 30 100 15 15 14 15 14 14 104 13 14 14 15 14 15 118
2433323 .114 15 1414151514 | 104 21 18 21 21 18 21 167
29 28 23282726 100 15 14 15 12 13 12 96 18 18 18 18 18 18 150
323903333 | 114 141315141414 | ° 100 18 2ı ı8 21 ıgı8g | 158
Nach 10 Stunden
Ohne 02823287 %6 | 100 12 14 13 13 14 15 96
15 15 18 18 18 15 138
Bei „ 1 a 2431 111 141415161415 | 105 ae aa | 171
Nach 30 Minuten 21 a ı8 2ı 2118 167
28 23 28 28 28 28 100 14 14 14 14 14 14 100 12 12 12 12 12 12 100
Nach 4 Stunden | 29 28 27 28 29 28 100 13 13 12 12 13 14 9]
‚Ohne Stromwirkung | 29 29 29 29 2929 | 103 11 1111111112 80 1518 18151818 | 146
Bei z Ba | 114 13 13 12 13 13 13 91 21 21 2ı 1821 18 167
I
Nach 15 Minuten
Nach 2 Stunden 15 15 15 15 15 15 125
Ohne Stromwirkung | 29 30 23 30 28 26 103 13 12 12 10 11 ı1 82 1212 15 121212 | 104
Bei ei
Ohne
13 13 13 12 14 13 93 15 151515 15 15 | 125
» 12 13 11 18 11 12 87 12 12 15 12 12 12 104
P.S. Die in kleiner Schrift eingetragenen Zahlen bedeuten die Blasenzahl pro Minutt
Pabellen I, H, III, IV, V: Der elektrische Stron
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete.
IV.
Elodea canadensis.
Von Spitze zur Basis.
. 0,0025 Amp.
150 C.
14 14 14 14 14 14
21 21 21 20 20 18
14 14 14 14 14 13
20 18 18 20 18 18
12 12 14 12 12 11
18 20 20 18 20 18
14 14 12 14 14 12
18 20 18 13 20 18
643344
136
41
245
Tabelle I.
V,
Elodea canadensis.
Von Basis zur Spitze.
0,0040 Amp.
14,5° ©.
28 28 28 28 28 28
35 35 37 38 39 39
30 35 26 25 26 24
33 33 32 32 31 30
25 22 23 23 23 24
30 29 29 27 28 28
000000
223244
342008
0905.05050270
001233
VE0E0E0E0E0
000000
07020202070
ging durch die Versuchspflanzen selbst.
v1
Elodea eanadensis.
Von Spitze zur Basis.
0,0040 Amp.
190 CH
18 18 18 18 18 18
20 21 20 21 20 21
14 14 14 14 13 14
16 18 18 18 18 18
16 16 16 16 16 16
22 20 20 20 20 20
16 16 16 16 16 16
18 20 18 18 16 18
16 16 14 16 16 16
16 18 18 18 16 18
16 16 16 18 16 16
14 16 14 16 14 16
die in großer Schrift die mittlere Blasenzahl, welche bei allen Versuchen auf 100 reduziert ist.
100
946 Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc.
Nr, des Versuches: Aal, VII. IX.
Versuchspflanze: Ceratophylium demersum. Elodea canadensis. Elodea canadensis.
Stromrichtung: Von Basis zur Spitze. Von Basis zur Spitze. Von Basis zur Spitze.
Stromstärke: 0,0065 Amp. 0,0065 Amp. 0,0065 Amp.
Temperatur: 14,5° C. 15085 155° C.
Ohne Stromwirkung | 1414 12141414 | 100 888888 | 100 41 41 41 41 41 41 100
Bei " 16 16 1617 17 18 | 119 11414141415 | 175 51 58 58 61 66 56 147
Ohne 5 16 15 13 11 12 10 | 92 13 11 10 11 10 13 142 46 47 44 39 39 41 104
Bei n 2eonnmıan | 8 131212141211 154 59 60 62 60 61 60 147
Ohne ” woman m | 46 11 11 11 10 10 10 131 58 52 47 53 49 49 125
Bei 5 sa 9a | 79 12 12 12 11 11 11 144 54 61 57 64 60 63 146
Ohne R: Bogasen | 45 10109999 117 52 52 50 50 47 47 117
Bei n | > 9 10 11 10.11 10 127 53 53 54 52 55 58 132
Ohne = i I 99898 | 108 43 44 41 40 40 38 100
Bei » Inst 10 10 10 10 10 10 125 4124092440 , 100
Ohne B ; ; sss8s88 | 100 37 39 35 36 31 32 85
Bei „ - - 910 9 810 9 115
Nach 15 Minuten .
Nach 1 Stunde
Ohne Stromwirkung : ? 3 Sys ze 96
Bei » : 810 9 9 910 114
Ohne a . : aD OU 94
Bei n : - 9109998 113
Ohne 5 : 5 TR Re Sl
Kumsanuenensn.
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete.
247
Tabelle II.
X.
Elodea canadensis.
Von Spitze zur Basis.
10
0,0065 Amp.
140 C.
82.87 87878
9 10 10 10
878
899
7
90
XI
Elodea canadensis.
Von Spitze zur Basis.
0,0065 Amp.
14,5° C.
21 21 21 21 21 21
24 24 18 21 21 21
15 15 15 12 15 15
18 18 18 18 15 18
12 13 123 13 12 13
13 13 14 14 15 15
12 12 12 12 12 12
13 13 14 14 15 15
10 10 11 11 12 12
12 12 12 13 13 13
10 10 10 10 10 10
10 11 12 11 12 12
10 10 11 11 12 12
ae
100
105
69
98
60
67
57
67
52
60
48
55
4
43
XL.
Elodea canadensis.
Von Spitze zur Basis.
0,0065 Amp.
14,52C:
au 27 27 27 27 27
28 31 29 29 27 28
24 23 22 24 22 23
24 27 27 27 24 26
21 22 20 22 20 21
24 24 23 25 24 23
22 20 22 22 22 21
25 23 23 22 23 21
22 21 19 22 20 21
23 25 22 24 21 23
22 21 21 21 19 19
100
106
85
96
76
89
80
85
77
85
76
XIII.
Elodea canadensis.
Von Spitze zur Basis.
0,0065 Amp.
15€.
20 20 20 20 20 20
22 22 20 21 20 21
20 19 18 19 19 19
20 21 22 20 21 20
20::19°19713°19718
22 21 22 20 21 19
18 18 19 18 19 17
19 22 20 20 19 21
19 17 19 17 18 17
19 21 20 19 19 19
19 15 20 20 19 18
100
105
95
103
94
104
90
101
89
98
90
248
Koltonski, Über den Einfiuß der elektrischen Ströme ete.
Nr. des Versuches:
Versuchspflanze:
Stromrichtung:
Stromstärke:
Temperatur:
Ohne Stromwirkung
Be »
Nach 10 Minuten
Ohne Stromwirkung
Bei e
Ohne 5
Bei “
Nach 1 Stunde
Ohne Stromwirkung
Bei =
Nach 30 Minuten
Ohne Stromwirkung
Bei 5
Ohne
Bei 5
Nach 30 Minuten
Ohne Stromwirkung
Bei e
Ohne r
Bei a
Ohne =
Bei =
Nach 1 Stunde
Ohne Stromwirkung
Bei n
Nach 1 Stunde
Ohne Stromwirkung
Bei =
Ohne
”
Nach 12 Stunden
Bei Stromwirkung
Ohne
”
Elodea canadensis.
0,0085 Amp.
14,50 ©.
14 14 14 14 14 14
100
|
21 19 18 17 17 119
13131212 1 11
111010 9 910
12 11 11 11 11 10,
I}
ı 9 0
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©
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[eo]
[eo]
ER I
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36
68
92
63
66
58
60
41
33
37
30
36
21
18
23
18
XV.
Elodea canadensis.
Von Basis zur Spitze.|V on Spitze zur Basis.|Von Spitze zur Basis.
0,0085 Amp.
14,50 C.
12 12 12 12 12 12
12 13 17 18 18 17
14 13 13 13 14 14
17 19 19 18 19 18 |
14 12 13 12 13 10
14 17 17 17 17 18
14 16 14 12 12 12
17 15 16 14 15 13
66641414
2
2
3 3
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fen
BD HH ww +
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DD DB m
HD
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oO
oO
je
xV1.
Geratophyllum demersum.
0,0085 Amp.
14,5% C.
16 16 16 16 16 16
24 24 25 25 25 25
8 8 89 910]
20 20 20 20 22 22.
88888 8]
20 20 20 20 22 22
SEE E6
22 22 21 21 20 20
18 18 18 18 18 18
5078,06
10 10 12 10 10 10
66666
XVI.
Ceratöphyllum demersu
Von Basis zur Spit:
0,0085 Amp.
14,50 C.
16 16 16 16 16 16
30 30 30 30 30 30
17 18 16 15 15 15
27 28 27 25 25 24
14 14 14 14 14 14
20 24 26 26 26 26
18 18 17 17 17 17
| 12 12 14 14 14 14
12 12 10 12 10 10
12 10 10 10 10 10
10 10 10 12 10 12
10 10 10 10 10 10
10 10 10 12 10 10
10 8 8 10 10 10
86686
86666
4422
44666
44624
Pa »,P 9
Koltonski, Über den Einfluß. der elektrischen Ströme etc,
Tabelle III.
XVII.
Elodea canadensis.
Yon Basis zur Spitze.
0,0125 Amp.
14,50 C.
19 19 19 19 19 19
30 33.32 30 32 29
17 12 11 10 10 10
26 24 26 24 24 22
4110 93 91010
2222224
211 310 9 9
25 25 24 22 23 23
Bl 885 88
18 19 14 22 21 22
533446
15 19 14 16 16 16
11 1 11 11.11 11
6 =
10 14 16 16 14 14
54444
12 15,18 16 16 16
644443
16 16 16 16 16 16
443 4
11 11 12 11 1212
8545 A555
12 12 15 15 15 15
BEBEB3.71:7'7
3383
7888
43
>00
w
»—e2:22.2
u
S
Mr |
100
XIX.
Elodea canadensis.
145,920:
a7 27 27 27 20 27
41 38 35 35 35 34
21 20 20 20 20 20
36 39 40 40 39 38
22 17 17 15 17 18
34 39 38 36 34 33
20 18 17 17 17 15
36 37 37 34 33 32
23 22 19 24 24 23
15 10 10 11 11 13
24 28 28 27 22 22
1271171112713 112
24 25 24 25 24 25
20 20 21 20 20 20
0176788
11 14 14 11 17 17
189898
Von Spitze zur Basis.
0,0125 Amp.
XX.
XXL
Cerätophylium demersum. | Geratophyllum demersum.
Von Basis zur Spitze.
0,0125 Amp.
14,50 C.
10 10.10 10 10 10
27 28 25 24 21 19
OEEIEE TEE GET
17 16 15 14 17 15
7.0.0.8 4%
18 18 19 16 16 20
0.5538 060
15 16 16 15 14 14
999999
5:98 9 8
12131312 9 9
644433
IE, HE:
44 44 44 44 44 44
72 69 57 60 63 62
54 Al 41 35 37 37
73 71 74 69 73 65
46 39 36 41 37 40
56 70 68 68 64 68
Io 0
05:0 05,0510559
Von Spitze zur Basis.
0,0125 Amp.
250
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc.
XXL. XXoI
Nr. des Versuches:
Versuchspflanze: Elodea canadensis. Elodea canadensis.
Stromrichtung: Von Basis zur Spitze. Von Spitze zur Basis.
Stromstärke: 0,0200 Amp. 0,0200 Amp.
Temperatur: 14,50 C. 14,5° C.
Ohne Stromwirkung 16 16 16 16 16 16 100 10 10 10 10 10 10 100
Bei 5 32 28 28 20 20 20 154 17 17 14 15 13 13 148
Ohne & 1212121212 8 71 9: 9, Teuer 48
Bei > 24 16 20 16 12 12 104 3.3.3 aus 28
Ohne s saaaıaa 29 won ana 8
Bei > 12 16 16 12 12 12 83 2. 250.024 3783 23
Nach 15 Minuten 882888 54 1.1 aD 8
Ohne Stromwirkung 565655 33 000000 0
Bei n 1212 8888 58 000000
Ohne » 5BAa55AB5 29
Bei » 566565 34
Ohne = een 6
Bei 5 Ä ; 2 x
Ohne 5
Nach 1 Stunde 5 3 p a
Bei Stromwirkung 5 A $ B
Ohne s 5 5 - =
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme ete. 251
Tabelle IV.
XXTV. XXV. XXVl.
Ceratophylium demersum.
Von Basis zur Spitze.
Ceratophyllum demersum.
- Von Basis zur Spitze.
Ceratophyllum demersum.
Von Spitze zur Basis.
0.0200 Amp. 0,0200 Amp. 0,0200 Amp.
15° C. 14,5% C. 15° C.
19 19 19 19 19 19 100 36 36 36 36 36 36 100 10 10 10 10 10 10 100
37 44 40 40 40 37 208 74 75 75 74 69 70 203 28 27 35 21 21 21 238
2016131211 6 92 34 22 21 19 20 18 62 Po 12
26 25 23 21 18 21 118 40 44 42 46 39 39 116 15 16 15 14 13 13 143
110 8 8 88 46 24 16 14 13 12 11 42 22100 0.0200 )
13 16 16 17 16 15 82 23 23 23 24 20 20 62 vr 12
121.0..0) 0:0 2
005.020..020 ) 1982762050 19 100000 2
000000 0 665544 14
000000 0 Do 3
754, 32 11
100100 0.1
Aa ae 34 12
io © 1
|
| Von 1
|
| 128.7:8,6.6 20
1 I en 3
|
252
Koltonski, Über den Eintiuß der elektrischen Ströme etc.
Nr. des Versuches: XXVl. XXVM. xXXIX.
Versuchspflanze: Elodea canadensis. Elodea canadensis. Geratophyllum demersum.
Stromrichtung: Von Basis zur Spitze. | Von Spitze zur Basis. | Von Basis zur Spitze,
Stromstärke: 0,0450 Amp. 0,0450 Amp. 0,0450 Amp.
Temperatur: 14070. 14° C. 15020:
12 12 12 12 12 12
Ohne Stromwirkung | 20 20 20 20 2020 | 100 17 17 17 17 17 17
Bei 5 323332333 | 1638| 5423 |151l | a1 86 14 | 114
Ohne e 12 13 13 12 13 13 63| wıos99g9 54 2.1 Kor ara 11
Bei ® 19 18 19 19 18 19 93 | 10111010 9 9 58 7:87 78867 61
Ohne „ 12 12 12 12 12 12 60 esse 46 een 10
Nach 12 Stunden i r E : een 4
Bei Stromwirkung| 14 15 15 14 15 15 72 899988 50 23.3.4 30 24
Ohne 2 388888 40 a ae 43 1:/0072021098 3
Bei 5 22227272 | 60| mo 9898 | B2l 233333 24
Nach 15 Minuten SAEBER sl
33 000000 0
[571
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[S}1
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[or]
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Ohne Stromwirkung| 6
Nach 2 Stunden x : 2 : 0 0707020200 0
Bei Stromwirkung 883838888 40 7BBBGHR 33 000000 0
Ohne „ BaTara 26 BB5AAASB 26 000000
Nach 12 Stunden
Bei Stromwirkung 7116676 35 655555 30
Nach 15 Minuten ır22171 6 000101 2
Ohne Stromwirkung| ı ı ı01 1 4 000100 1
Bei s 1
Ohne e 11 Ko 101 1
Nach 4 Stunden : : ; As »
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc.
Tabelle V.
ee EEE TEE EN EITCEESSBEN
BRONERT, xXXXI. XXXILI.
Ceratophylium demersum. Elodea canadensis. Ceratophyllum demersum.
Von Spitze zur Basis. Von Spitze zur Basis. Von Basis zur Spitze.
0,0450 Amp. 0,0500 Amp. 0,0500 Amp.
14,50 C. 14,50 ©. 14,50 C.
36 36 36 36 36 36 100 18 18 18 18 18 18 100 12 12 12 12 12 12 100
80 83 83 86 85 82 231 32 44 42 36 34 28 200 23 24 25 33 18 17 167
38 24 24 22 21 21 69 16 14 14 12 14 14 78 655545 42
284434 38 24 16 14 12 14 16 80 Bez gag 8 63
Aorasolı 6 81010 8 812 | 52 BB6EG6GBE TE 42
>53.323 3:3 | 8 14 18 18 16 16 16 I 91013 910 7 80
| |
125020 0:00 | 0,5 12 12 10 10 810 97 | 1.0 4
4.931 18 | 4 14 14 16 14 14 14 | 830 963213 32
10 10 10 10 10 10 | 56
|
020502.060) 0 0 E66 6 AA | 32 ON © 4
000000 | 0
GB 37 Da 13
A. A 39 000 00 1
000000 0
1188666 41
KARA 22
232932 3 14
AN 9) 19
. DS an aBoR 13
07020002000 0
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc.
254
Einwirkung eines gleichmäßigen elektrischen Felde
"ZUNNIIMWOIIS 9UUO
oynurm oad [yqezuosejg] PXOTYyLML
94
122
104
116
150
119
108
185
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-SUNnyIIMWOINS 19q
oynum oAd TyBzuoseig PAoTyyLm
90
120
97
150
216
"ZUNYIIMWOAIS EUYUO
oynum oAd Tyezuosejg 9X9T9Y4LM
120
120
95
144
185
95
100
104
127
122
118
84
30
92
99
98
103°
117
114
110
54
85
83
101
105
68
75
"JUnyIIMWOIIS Toq
onurp; oıd [yeZuosufg PXoTıyım
117
125
112
95
124
125
145
"ZUNyIIMWOIS HULO
oynum oAd TyBzuosuIg HLOTJFıM
109
120
107
93
135
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100
106
117
97
99
100
103
84
105
74
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102
94
105
76
"JUNNIMWOAIS TOA
dymurm Od [yBZUuoseIg 9AoT4FLM
"ZUNYNAMWMOLIIS HUTO
mu; OAd [UBZUuosuIg 910]I44IM
"uszurepdsyonsaoA
112
100
115
98
95
126
105
00
1
104
12
16
17
9
101
18
19
20
15,50 C.
Temperatur 14
Elodea canadensis.
255
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc.
Tabelle VI.
‚uf die senkrecht zu den Stromlinien stehenden Pflanzen.
"[gqezuoseig uexof
-J4TUL EP SUNIOPURIO A OSTITNSPUH
"wob oıd
gaodwerjjm UT HYyOTPWOAIS
"9IodwelfIm UT SYABIsworIS
"wob ur sıosse A UEUESSOFYOANP
eworg WwOoA sep YYTuyosaond
-ZUnNILMWOINS HUUO
oynurm oad [yezussefg SI9T4IN
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142
115
114
113
124
105
155
119
117
170
”
109
”
0,24
104
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15
127
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18
98
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oynurm od [yezuose[g 910]J4LN
99
"JUNYITAWIOIFS HUyo
oynumm oAd Tyezuosefgg EXoTyyLm
"JunyalmwmorIs 104
oynurp; oad TyBzuosufer OXoTyyım
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120
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113
113
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118
105
115
142
183
128
128
108
110
185
190
105
108
122
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110
105
112
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117
— 18
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82
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110
105
109
112
173
125
117
195
9
104
94
9
—23
35
14
77
77
ie)
>
— 32
68
69
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc.
256
Einwirkung eines gleichmäßigen elektrischen Feldes
-ZUNNIIMWIOLIS
d9p JungperqIıogun Aaep yoeu
Smurm odd [yBzuoserg SXaTyyım
"Zungıam
-wOoIS uoegIpungsy d9urs yoeu
oynum oad Tqezusserg 9AaT3yım
‘0, UL Spordsgusjuvy ep yosu
uszuegdsyonsaoA A9p Tyezuest;E
-eIjg UEIOTINIm dep SunaopuemmA
"usgnurp F puoı
-YBM ZUNyIIMWorS A9ure Tod ,
‚ognurm oıd [yezuoseig 9aolyyım
101
105
111
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106
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"Junyım
-WOIISHUYO uonurm F pueıygem
oynurm oad [yezuoseig 9a0[y4ım
; "uognum F
UOA JUNYAIMUIOAIS A9UTO yoRu
omurm od [yezuoserg Saofygım
‘4299593 001 — SUnyJamworg
Uyo SIYANSI9 A SOP AIUBJUy ue
omurm oAd [qezuoserg aıoTıyım
"u9zurgdjfoaguoy
1
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103
103
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101
100
106
100
101
106
101
102
114
9
103
104
"u9zuegdsyonsaa‘
10
12
14
15,5% C.
Temperatur 14
Elodea canadensis.
257
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc.
Tabelle VII.
auf die zu den Stromlinien senkrecht stehenden Pflanzen.
ord SredweifIm u OIOTPULOAIS
"9rodwerffjim Ur OLLB4SWLOLIg
"SIOSSE AM UEUASSOFUIANP
PWOALNS TWIOA SEP YNIUYyDSIENnY
I9P [yezuosejg uaIoyLuu Op
Zundopug.ıa AognTosge aFıryn3puy
pun -syonsıoA Aop Tyezueseig
ueropyyw dep
-TLUOAIS AHP Jung99aIgaoyuN) yosu
oynurm oad Tqezuoserg 9aofyyın
-wWoAIS ussıpungsg Aaul yoBu
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-WOI4S 10I1pungsF yoeu uozuegyrd
-syonsıoA\ App [yezuose[g uodorL
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269
Tabelle XIII.
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc.
auf die parallel zu den Stromlinien stehenden Pflanzen.
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von Basis zur Spitze der Pflanzenzweige.
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Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc.
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Elodea canadensis.
Koltonski, Über den Einfluß der elektrischen Ströme etc. 971
lie parallel zu den Stromlinien stehenden Pflanzen. Tabelle XIV.
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Yon Spitze zur Basis der Pflanzenzweige.
273
Das normale Längen-, Flächen- und
Körperwachstum der Pflanzen.
Von
stud. rer. nat. Georg Ritter.
Mit 1 schematischen Anordnung im Text.
In seiner Mutationstheorie (1) bezeichnet es Hugo’de Vries als
eine für die weitere Forschung auf entwicklungsgeschichtlichem
Gebiete, für die Beurteilung der Art und Weise der Entstehung
der Spezies, Varietäten etc. wichtige Aufgabe des Variations-
statistikers, an weiteren „Merkmalen“ von Organismen die Gültig-
keit des von Adolphe Quötelet entdeckten, in dessen (2) „Anthro-
pometrie ou mesure des differentes facultes de !’homme“ und (3) „Du
systeme social et des lois qui le regissent“ verifizierten Verteilungs-
gesetzes zu prüfen. Es soll also untersucht werden, ob auch hier tat-
sächlich die Anordnung der Varianten eine solche ist, daß diese arith-
metisch dem Gesetze der „großen Zahlen“ Bernoulli’s und Poissons
gehorchend, den Zahlenkoefficienten des Newton-Pascal’schen
Bixomiums (p + q)" oder in eraphischem Ausdrucke den geome-
trischen Ordinaten eines rechtwinkligen Koordinatensystems ent-
sprechen. wie sie sich durch Berechnung des Integrales
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ergeben, ob die des öfteren ermittelten statistischen Verhältnisse ein
und desselben Merkmales ferner Konstanz des Gipfels aufweisen etc.
Die Bedeutung nun, die dieser Nachweis für die moderne Biologie
besitzt, veranlabte mich, diesbezügliche Untersuchungen anzustellen.
So basierte auch ich auf der in typischer Weise bei jeder hin-
reichend großen Gruppe von Individuen stets zu beobachtenden,
nach Maß und Zahl, quantitativ und meristisch verfolebaren, durch
äußere, physikalische und chemische Bedingungen und sonstige
biologische Faktoren, durch den „monde ambiant“ und die „causes
accidentelles“ bedingten Ungleichheit jener selbst wie ihrer einzelnen
Organe. So untersuchte auch ich die sogenannte fluktuierende,
graduelle, vreversible, begrenzte, statistische, teils individuelle, teils
partielle Variabilität, different von den übrigen, mit dem gleichen
jeiliefte Bot. Centralbl, Bd, XXIII, Abt, I. Heft 3, 15
974 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum etc.
Namen „Variabilität zusammengefaßten Erscheinungen, als der syste-
matischen und der durch Bastardierung erzeugten Polymorphie und der
sogenannten „spontanen Abänderungen“, und achtete ebenfalls auf
die Konstanz des Maximums der ermittelten Variationskurven, so-
wie deren Amplituden und Galtons-Quartilwerten Q, und Q» etc.
Tatsächlich nun fand ich da auch überall, wo nicht Species
minores, Unterrassen, existierten und somit Summationskurven von
eleichen Gipfeln, aber wechselnder Frequenz ergaben, Konstanz. Ja,
es ergab sich im großen und ganzen auch eine recht nette Übereinstim-
mung zwischen Theorie und Praxis, indem mir so teils symmetrische,
teils asymmetrische Kurven, die einzelnen Spezialfälle der (4) Pear-
son’schen Typen, begegeneten, wie sie auf anthropologischem Gebiete
durch(5) Ammon, auf zoologischem durch(6) Weldon,(7) Bateson,
in botanischer Richtung aber vor allem durch (8) Ludwig, (9) de
Vries etc. bekannt geworden sind. Und wenn nun dann auch durch
kleinere Abweichungen den Bedingungen unseres Problemes natürlich
nie völlig Genüge geleistet war, solag dieseben, wie(10) Verschaffelt
für solche Fälle zu begründen weiß, daran, daß die einwirkenden
Ursachen nicht unendlich an der Zahl sind, und die, welche den
Wert der betreffenden Eigenschaft zu vergrößern oder zu verkleinern
trachten, die ungünstigen Umstände überbieten, respektive ihnen
potentiell nachstehen. Denn, wenn beide Gruppen sich nicht im
Gleichgewichtszustande befinden, können ja die Gesetze der Wahr-
scheinlichkeitslehre ihre völlige Anwendune nicht haben, und die
Resultate von Messungen, Zählungen, Wägungen etc. somit nicht zu
einem mit der binomialen Kurve «genau übereinstimmenden Dia-
eramme Anleitung geben.
In besonders auffallender Weise aber waren es so gewisse
Zwischenzahlen, Äußerungen diskontinuierlicher Variabilität, die Ab-
weichungen von der theoretischen Norm bildeten, und die, dem
unbeerenzteren Wachstume der Pflanzen entsprechend, weiterhin
für diesen fundamentalen Unterschied in der Variation zwischen
Flora und Fauna (11) garantierten, obschon sie auf anthropologischem
Gebiete allerdings auch nicht völlige unbekannt blieben. Deren Ge-
setzmäßigekeit bezüglich Konstanz, Frequenz und ihren arithmetischen
Werten gaben nun die Veranlassung, daß ich nun systematisch
einzelne Kategoorieen von Pflanzenorganen, jetzt ausschließlich zwecks
ihres Studiums zur empirischen Ermittelung, heranzog, wo nämlich
von einem typischen, normalen, regulären Längen-, Flächen- wie
Körperwachstume die Rede sein kann.
Die Resultate, die ich bei diesen, einige Jahre hindurch
seführten Untersuchungen erzielte, sei mir jetzt gestattet, vVorzu-
tragen. indem wir die Betrachtung anderer variationsstatistisch in-
teressanter Fragen einer weiteren Spezialabhandlung vorbehalten
wollen.
Ich meine bestimmt annehmen zu dürfen, daß unsere jetzigen
Ergebnisse, abgesehen von einem Werte für die Mutationstheorie,
sowie für die Kenntnis des Einflusses positiver und negativer Se-
lektion, für die der Erblichkeit etc., vor allem für neue klare Vor-
stellungen über das wichtige und interessante Wachstumsphänomen
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 275
gegenüber den bislang meist vertretenen, unklaren Vorstellungen
über Intussusception und Apposition eine gute Grundlage darbieten.
Denn unsere diskontinuierlich variierenden Klassen, die typischen
Wachstumsetappen repräsentierend, dürften. soll nicht von vorn-
herein auf jede Erklärung Verzicht geleistet werden, einzig und
allein durch einen in der Natur von (12) Otto Müller tatsächlich an
der Baeillariacee Melosira arenaria beobachteten Teilunesmodus
kleinster, von den meisten Forschern zur Erklärung der verschie-
densten physiologischen Vorgänge aneenommener „Lebensein-
heiten“ ihre einfachste, ungezwuneendste, mit keinem wissenschaft-
lichen Ergebnisse im geringsten Widerspruche stehende Begründung
erfahren. Dies wurde ja auch bereits von Herrn Hofrat Prof. Dr.
Ludwig, mit dessen Ansichten über das Wachstum unsere Arbeit
auch in Einklang steht, gelegentlich seiner Untersuchungen über
die Variabilität in. den Intloreszenzen der (ompositen, Umbelliferen,
Primulaceen (15) ete. gezeigt. (Siehe auch Schluß!)
Es wäre also zur Erklärung anzunehmen, daß unsere verant-
wortlich zu machenden organisierten Teilkörper, auf die wir erst
später etwas näher eingehen wollen, in der gewöhnlichen Weise
rhythmische Zweiteilungen eingehen, wo indes die beiden Teil-
produkte im Verhältnisse von Mutter zu Tochter stehen. Daher
wird letztere, entsprechend dem Verhalten eines jungen Kaninchens
in der bekannten Aufgabe des Fibonacei, eine Reifeperiode über-
springend. erst von der übernächsten Generation an an der wei-
teren, nun regelmäßigen Vermehrung teilnehmen, eventuell freilich,
wo Nebenzahlen in die Erscheinune treten, wieder in sprung weisen
Unteretappen, indem etwa ein Teil bereits in gewisse Dauerzu-
stände übergegangen sein mag.
Schenken wir nun, nach diesen einleitenden Bemerkungen,
auf unsere gesetzmäßigen numerischen Verhältnisse hin unsere
Aufmerksamkeit zunächst
la. dem regulären linearen Wachstume.
Auf diesem Gebiete wurde ja bereits von (14) Pfeifer im großen
und ganzen untersucht, in welcher Ausdehnung, Frequenz und
Konstanz der mit unseren Zahlen in naher Beziehung stehende
goldene Schnitt in die Erscheinung tritt. Dazu wurde die Untersuchung
auf alle Haupt- und größeren Unterabteilungen der in Deutschland
und den angrenzenden Ländern, namentlich aber in Österreich vor-
kommenden Flora, bei der Familie der Farne aber auch auf viele
exotische Gattungen und Arten ausgedehnt. Da, wo die Pflanzen
nicht in natura zu beschaffen waren, wurden naturgetreue Ab-
bildungen in Photographie oder Naturdruck als besonders das präch-
tige von (15) Dr. Ritter von KEttinehausen hergestellte Werk:
„Physiotopia plantarum Austriacarum“, ferner das von (16) Reub
verfaßte Buch: „Pflanzenblätter in Naturdruck”, sowie die Abhand-
lung (17) Waldners über „Die Farne Deutschlands“ zur Benutzung
herangezogen. Die Untersuchungsmethode war in allen diesen
Fällen die, dab an den Vegetabilien mit Hülfe des „Proportional-
15*
376 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete.
zirkels“ festgestellt wurde, ob an gegliederten Objekten sich das
Verhältnis des Major zum Minor feststellen ließe. Tatsächlich re-
sultierte denn da auch aus diesen Forschungen ein Ergebnis, welches
unzweifelhaft für den von (18) Adolf Zeising in seiner Schrift: „Der
goldene Schnitt“ zum erstenmale mit Bestimmtheit ausgesprochenen
Gedanken, dab jener nicht nur eine reale, sondern wohl fast uni-
versale Bedeutung besitze, zu sprechen schien. Es ergab sich nämlich
eine weitausgedehnte Verbreitung dieser Proportion nebst ihren
mannichfachen, mathematisch leicht abzuleitenden Spezialtällen und
Modifikationen: Von jenen Pflanzenorganen, die durch Form und
Größe zu genauen, zuverlässigen, brauchbaren Messungen sich eigenen.
fungieren vorzugsweise zweierlei, für uns hier inbetracht kommende
Kaulome sowie Phyllome als Träger des goldenen Schnittes, so-
weit sie wenigstens in irgendwelcher Weise eine Gliederung erkennen
lassen: die Stengel etwa durch Knoten, Blätter und sonstige Axen-
gebilde zweiter Ordnung, die Blätter etwa bei Fiederung, sekun-
dären Bildungen ete. Besonders schön und typisch ergab sich so die
Proportion bei den Umbelliferen, während für die Kaulome das
Verhältnis der Sectio aurea besonders frequent und exakt in der
Blütenregion auftritt. So bei vielen Zabraten, als Lamium album und
L. maculatum, ferner von den Monocotyledoneae, wo kein Dicken-
wachstum statthat, vor allem bei den Gramineae, Juncaceae, Smilaceae
und Alzsmataceae, in der Abteilung der Uryptogamen schließlich bei
den Farnen und verwandten Zguwisetaceae, hier indes meist derart,
daß das Verhältnis von Major zu Minor aus Summen von Ab-
schnitten gebildet wird.
Ich selbst habe nun diese Angaben auf diese Methode viel-
fach auf ihre Richtigkeit hin geprüft, und in der weitaus größten
Mehrzahl der Fälle auch wirklich bestätigt gefunden.
Weiterhin hat Cäsar de Bruyker in Mac Leod’s Abhand-
lung (19): „Over correlatieve variatie bij de Rogge en de Gerst“
für die Längen bestimmter Halminternodien genannter Gräser
polymorphe Kurven ermittelt. Zweitelsohne beruht es auch hier
auf gesetzmäßigen, inneren Vorgängen, daß in dem Polygone IV,
dem besondere Beachtung gezollt wurde, das primäre Maximum
die Amplitude im Verhältnisse 5:8 teilt, während die sekundären
Gipfel eine Gliederung der beiden so erhaltenen Kurvenhälften
wieder im Zahlenverhältnisse 3:5, beziehungsweise 2:3 bedingen.
Somit könnte man also schließlich, schon allein auf diesen Tat-
sachen basierend, mit gutem Rechte ohne Weiteres auf ein Längen-
wachstum im Zahlenverhältnisse des Fibonacei schließen, und so auch
auf eine entsprechende, bereits charakterisierte, ihrer physiologischen
Dignität nach als von der sonst meistens zu beobachtenden, im Rhythmus
der Potenzreihe 2" (Glieder = 2 4 8 16 32..., Vermehrung
der Sporen, z. B. bei Ascomyceten, Florideae, Phaeophyceae, der
Bacteriacene und vieler grüner Aleeen etc.) statthabenden Teilung
abgeleiteten Vermehrung unserer noch zu erörternden Teilkörper,
die die lebende Substanz aufbauen. Denn es existiert wohl ein
kunstästhetisches, aus der Betrachtung der Natur bekanntes, aber
kein zwingendes mechanisches Prinzip, demzufolge diese Gesetz-
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 277
mäßigkeiten mit Naturnotwendigkeit bedingt erschienen. Aber
ich möchte gleichwohl erst noch weitere empirische Belege zur
Entscheidung unserer Frage nach der Art der linearen Erweiterung
erbringen.
Dazu nahm ich nun Messungen statistisch an den Petioli der
Phyllome vor, wobei der Millimeter als Einheit des Maßes zugrunde
gelegt wurde. So bestimmte ich zunächst an 12000 Blattexemplaren
von Chaerophyllum temulum stets die Länge des untersten Inter-
nodiums, also der Strecke zwischen den untersten beiden Paaren
von seitlichen, das Bild des Gesamtphylloms in verkleinertem Maße
reproduzierenden Abzweigungen, sodaß also stets der morphologisch
gleichwertige, homologe Teil Berücksichtigung fand.
Bei unseren Objekten dürfte ja wohl das typische Längen-
wachstum sehr cut zu studieren sein. Zwar geht ja mit zu-
nehmendem Fortschritte in der Längendimension zweifellos auch eine
Erweiterung Hand in Hand, dieselbe erweist sich jedoch im Ver-
hältnisse zu jenem so außerordentlich untergeordnet und geringfügig,
daß der ganze Wachstumsmodus jedenfalls unmöglich als solcher
körperlicher, wie wir ihn in seinem Typus noch werden kennen
lernen, angesprochen werden kann. Überhaupt mag wohl die Ver-
größerung des Stengelumfanges eher auf Dehnung infolge des
Turgors als auf wesentlich neue Stoffeinlagerung zurückzuführen sein.
Des Näheren geschah nun die Untersuchung derart, daß ich
das Blatt mit der morphologischen Oberseite auf einen sorgfältig
gearbeiteten Metallmaßstab fest auflegte.e Dann gestatteten mir
jedesmal die an den Insertionsstellen der erwähnten seitlichen Teil-
blättchen am Blattstiele quer zu dessen Axe orientierten Kleinen
Erhebungswulste, die Knoten, in allen Fällen eine zuverlässige, brauch-
bare Längenablesung. So war auch mit ziemlich absoluter Genauig-
keit eine Entscheidung durch Konstatieren der größeren Annäherung
an zwei fraeliche, um einen Millimeter differente Größen zu treffen
da, wo das Maß nicht genau mit dem Ende einer Einheit kollidierte.
Die auf diese Weise empirisch ermittelten Resultate repräsen-
tiert uns nun arithmetisch die folgende Tabelle, indem trotz des
Vorteiles größerer Anschaulichkeit und Übersichtlichkeit, gleich-
wohl der Schwierigkeit der Darstellung. wegen auf eine graphische
Darstellung nach der Methode der (20) „Rectangles“ oder dem
Prinzipe der (20) „Loaded ordinates“ Verzicht geleistet wurde.
Länge des untersten Internodiums am Phyllome
von ÜUhaerophybl. temul.
mm-Zahl: AB HOTEL 19E72 01021009072 921
Frequenz: 62 154 226 299 384 353 620 594 653 771 727 617 641 486 434 437 338 351 341 224 236
mm-Zahl: 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49
Frequenz: 202 239 191 172 176 138 97 119 103 110 94 108 82 74 99 73 80 90 78 70 58 44 55 51 37
mm-Zahl: 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76.77
Frequenz: 47 43 50 27 40 41 15 16 27 152311 913 8743
Zn —
ar 1 — AND 812
4
278 Ritter, Das «normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete.
Gar leicht läßt sich da aber auch so erkennen, daß in großen
Zügen die Anordnung der Varianten eine solche ist, wie sie den
theoretischen Anforderungen des Binomiums entspricht. Wir sehen
so ja auch bei uns ein „Zentrum größter Dichte“, um das die
übrigen Variationen sich gruppieren, und zwar im eroßen und
sanzen mit um so geringerer Frequenz, je entfernter die betreffenden
Klassen vom Maximum lieeren, je größer also der betreffende re-
lative Klassenwert ist.
Aber, wie bereits gesagt, ist es das Überwiegen gewisser
Zwischenzahlen, die die kontinuierliche Variation unterbrechen, das
mit der strengen Form des Quetelet’schen Gesetzes nicht in Ein-
klang zu bringen ist, sondern einen fundamentalen Unterschied
bedingt. Und ich meine nun, daß durch das Raisonnement, dab
die Bedingungen und Verhältnisse der Außenwelt auf die Gestaltung
beim Wachstumsprozesse doch regellos und willkürlich modifizierend
einwirken müssen, diese Äußerungen diskontinnierlicher Variabilität
ihre Begründung schon von vornherein keinesfalls erfahren können.
Denn selbst da, wo es sich um „anorganische Ereignisse“ handelt, als
z. B. um die Temperatur während eines Jahres, oder um andere
„Zufälligkeiten“, als die Geburt männlicher Individuen, die Häufigkeit
eines bestimmten Buchstabens auf je einer von einer großen Reihe
sleichlanger Zeilen ete., besteht zwischen den empirisch ermittelten
Variationskurven und den theoretisch abgeleiteten Polygonen eine
auch zahlenmäßig ganz verblüffende Übereinstimmung: Wie überall,
wo konstante Ursachen und zufällige, veränderliche Einflüsse bei
dem Zustandekommen eines-Ereignisses sich geltend machen, pa-
ralisieren sich nämlich bei Ermittelungen in der „großen Zahl“
die Nebenwirkungen, weil sie nach den allerverschiedensten Rich-
tungen hin statthaben.
Müssen wir also schon aus diesem Grunde diesen Sekundär-
eipfeln unsere nähere Beachtung zollen, so kann uns aber weiterhin
deren Konstanz, mit der sie schon bei, mit Rücksicht auf die beträcht-
liche Variationsweite, die Amplitude der Kurve, relativ nur wenigen
Messungen in die Erscheinung treten, auch nur zu einem gleichen
Verhalten bestimmen. Wir sehen nämlich aus folgender Tabelle,
deren einzelne Reihen uns die festgestellten Variationsverhältnisse
bei zweimal je 5000 und einmal 2000 Individuen, wie sie etappen-
weise zur Untersuchung gelangten, vor Augen führt, daß tatsäch-
lich, ungeachtet der auf die Variabilität als Ernähruneserscheinung
doch modifizierend einwirkenden Verschiedenheiten verschiedener
Nährböden, in den Reihen 1 und 2 die Maxima völlige dieselben
sind. Nur Spalte 3 läßt erkennen, daß die aber auch nur im
Fehlen gewisser Partien bestehende Abweichun® doch noch nicht
seschwunden ist, vielleicht auch infolge des verschiedenen Be-
obachtungsmaterials. Denn eine vorwiegende Berücksichtigung von
solchen Formen, die von Standorten herrühren, wo die durch die
Lokalität bedinete Selektion besondere Größenvarietäten aufkommen
ließ, mag wohl die Veränderung bedingt haben.
(leichwohl befindet sich überall, wie besonders betont sein
mag — es waren ja die Messungen an sämtlichen brauchbaren
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 279
Phyllomen je eines ganzen Pflanzenstockes vorgenommen worden -
dasselbe primäre Maximum. Hieraus ist allein schon zu entnehmen
sestattet, daß die Größe der Neigung, bis zu einer gewissen, bestimmten
Stufe in der Entwickelung fortzuschreiten, eine unter normalen
Verhältnissen streng veregelte, den Teilkörpern inhärente ist. So
hat sich ja auch für (21) Chrysanthemum segetum beispielsweise
derselbe Gipfel bei Zählungen der Randstrahlen für Individuen aus
Thüringen wie aus Holland ergeben, und es darf wohl mit Recht
angenommen werden, daß eine gleiche Übereinstimmung sich auch
für unser Objekt nachweisen läßt. ‚Jedenfalls aber können auch
wir schon aus der Konstanz des Haupteipfels wie der sekundären
Maxima feststellen, daß der Gestaltungsprozeß aus inneren Ge-
setzen heraus und bis zu einem gewissen (srade unabhängig und
unbeeinflußt von äußeren Faktoren, dank der Wirkung gewisser
organischer Kräfte, verläuft. Denn es bedarf wohl keines beson-
deren Beweises, daß chemische wie physikalische Faktoren an den
Standorten unserer Umbellifere nicht die gleichen waren. Im Einklange
mit diesem Ergebnisse hat man ja auch im (22) Heidelberger Bo-
tanischen Garten, als man das Blühen der Kirschbäume auf das
Allersenaueste erforschte, gefunden, daß es sich in ziemlicher Un-
abhängiekeit von den Launen z. B. des Wetters abspielt. So ver-
mag hier die Sommertemperatur die Entwicklung, die, wie neuere
Untersuchungen völlig bestätigen, in zwei streng «eschiedene
Perioden, durch die Winterruhe unterbrochen, zerfällt, nicht im
mindesten zu beeinflussen. Auch während der Frühjahrsentfaltung
können Schwankungen der Temperatur den Verlauf des Wachs-
tumtempos nicht ändern. Die Blüten entwickeln sich im März
stets rascher als im Februar. Dabei erweist es sich gänzlich gleich-
eiltig, ob jener wärmer ist wie dieser oder nicht. Nur auf den
Gesamtverlauf der Blütenbildung hat die Temperatur Einfluß, und
ein nasses, aber dabei warmes Frühjahr sieht die Gegenden früher
in Blütenschmuck prangen, als ein kaltes, trockenes. Ganz beson-
ders aber eibt sich die teilweise Unabhängigkeit der Lebens-
erscheinungen von der Temperatur hier dadurch zu erkennen, dab
von Oktober an die Knospenentfaltung ruht, mag nun ein herr-
licher Spätherbst die Sommerwärme wieder auf Wochen zurück-
rufen, oder ein Frühwinter vorzeitige strenge Kälte uns bringen.
Länge des untersten Internodiums am Phyllome
von Ohaerophyli. temul.
mm-Zahl: 4 5 6 Beh he ee lee) el
n 5000, Frequenz: 62 93 125 131 141 136 253 242 281 301 289 223 230 203 147 149 126 131 124
n 5000, 2 61 101 143 172 153 271 263 245 329 261 243 252 171 163 163 132 129 111
n 2000, gs 2 25 71 64 96 89 127 141 157 151 159 112 124 125 80 91 86
mm-Zahl: 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46
>
N
(ee)
n 5000, Frequenz: 81 90 92 103 89 68 70 62 55 6( 52 49 51 38 46 46 42 41 42 35 31 25 23
n 5000, y : 91 95 72 93 85 79 81 69 40 58 55 56 45 54 43 28 52 30 39 46 43 39 33 21
1
n = 2000, „ : 525238 43172525 7 2 2— 98141 Je 2—- — -
980 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete.
mm-Zahl: 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64
n — 5000, Frequenz: % 3 2 2 0 9 www lW15 88957 7
n — 5000, RBB 35 29 39 18,20 5 ie Jo Se
2000, en = u =
B
|
mnmzaal: 5667 O1 ma 7a Ta 76 77
n=5000, Frequenz: 5 2 2 2 — 1
n—5000, Da 2 120 BEA FO Erle 14253423 ER 0
n—2000, 9 2 —
Würden wir nun hier, für die beiden ersten Reihen den ein-
zelnen Klassen korrespondierende Strecken auf den Abseissen und
der Frequenz der einzelnen verschiedenen Vorkommnisse ent-
sprechende auf den Ordinaten je eines rechtwinkligen Koordinaten-
systemes auftragen, so ergäben dann die Verbindungslinien der so
festgelegten Punkte Kurven mit so täuschend ähnlichem, fast völlig
gleichem Verlaufe, daß sie zur Diagnose unserer Spezies dienen
könnten. Reduzieren wir für unsere Maxima die große Zahl der
Beobachtungen auf je 100 Ermittelungen, stellen wir also die pro-
zentuale Häufigkeit dar, so erkennen wir aber auch so schon aus
der relativ hervorragenden Gleichheit der Frequenz nicht nur in
weit besserem Maße die Richtigkeit unserer im vorigen Absehnitte
bereits erkannten Erscheinung einer gewissen Widerstandsfähigkeit
gegen äußere Einwirkungen bezüglich des Entwicklungsprozesses,.
sondern gewinnen weiterhin die Vorstellung, daß, soweit nicht all-
zustark eine Differenz der „Ernährung“ sich geltend macht, die
Eigenschaft unsrer Pflanze, in den betreffenden Zwischenzahlen regel-
mäßig zu variieren, nicht nur eine qualitativ. sondern auch quan-
titativ erbliche ist. Natürlich kann dadurch auch nur weiterhin ge-
währleistet sein, daß unseren. Zahlenverhältnissen eine besondere,
tiefe Bedeutung zukommt.
Häufigkeit der einzelnen Gipfel-Klassen in %
in Spalte 1 und 2 obiger Tabellen (zum Vereleiche!).
mm-Zahl: 8 10 13 16 19 21 24 26 29 32 34 36 38
0%, Frequenz: 2,82 5,6 6,02 4,6 2,98 2,62 1,8 2,06 1,4 1,2 1,04 1,02 0,92
9% or 344 5,42 6,58 5,04 3,26 2,58 1,81 1,86 1,62 1,1 1,11 1,08 0,56
mm-Zahl: 39 42 47 48 50 92 54 55 97 98 60 63
%/, Frequenz: 0,92 0,84 0,52 0,46 0,44 0,42 0,36 0,36 02 03 0,26 0,14
Of, KINRRN: 1,04 0,92 0,58 0,56 0,5 0,8 0,44 0,42 0,16 0,24 0,2 0,12
Endlich aber verraten ihrem arithmetischen Werte nach die
Zwischenklassen selbst nicht Willkür, sondern strenge Gesetzmäßig-
keit. Denn sie sind weiterhin, wie bereits kurz angedeutet, zu den
Gliedern der mathematisch bestimmten Reihe des Fibonacei, die unsin
ihren Simplis und Multiplis aus den Näherungswerten der Braun- und
Ritter. Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 28]
Schimper’schen unendlichen Kettenbrüche (Blattstellungsgesetze!)
IEME! 1 u
3+1
1
au
En. I+... 1...
vertraut sind, in direkte Beziehung zu bringen. So bestätigen
sie auch das beim Studium anderer „Merkmale“ entdeckte Ge-
setz (23), daß bei Unterschwankungen der Variation die Intervalle
der Hauptvariationsgipfel durch die der Nebenvariation’ in den
Näherung'sverhältnissen des goldenen Schnittes geteilt werden. Wie
nämlich anschließende Übersicht dartut, lassen sich — obschon der
Millimeter an und für sich von vornherein natürlich nicht als „Mab-
stab der Natur“ aufzufassen ist und, abgesehen von manchen nicht
zu vermeidenden Beobachtunesfehlern, z. B. das gleichwertige Über-
wiegen zweier benachbarter Klassen ebendarauf zurückzuführen
sein mag —- sämtliche diskontinuierlich variierende Zahlen, analog
den chemischen Elementen im periodischen Systeme direkt in ein-
zelne engere Reihen zerlegen oder dazu in Beziehung bringen.
Daher dürfte nunmehr nach den früheren Beweisen der Konstanz
und erblichen Regelung wohl jeder Zweifel daran geschwunden
sein, daß sie keine zufälligen Erscheinungen sind, sondern eine
wichtige Rolle im Leben spielen, und, da keine andere Erklärungs-
möglichkeit bestehen dürfte, auf die von uns vindizierte «esetz-
mäßige, einfache Teilung hinweisen.
Zahlen des Fibonacei (s. schematische Anordnung i. fole.).
1) Zahlen der Hauptreihe:
(1) (2) (8) (5) 8 15 21 34 55
“ Multipla: 24=3.8 59=3.13 65=3.21 (Dupla s. 1. Nebenr.)
32=4.8 32=4.13 48=2.24 64=2.32
2) Zahlen der Nebenreihen:
(4) (6) 10 16 26 42 (68)
(MESZ IEANTENTE
Bıpla2 52 2,16 3632.18) | 642.32 72 2.186
48=3.16 54=53.18 — 58=2.29
Ebenso ergeben sich bei der vindizierten Vermehrung:
38 =2.19 BI =3.19
19 teilt den Intervall zwischen 16—21 im Verhältn. 3:2
(5.10 =) 50 F ADD . e 200
WEAIN—)00 ,„.., x N 5b5—68 „ n 5:8
TO : N N 68-716 " 5:3
3ei unserem Objekte nun war bei der empirischen Ermittelung
stets einem ganz bestimmten, homologen Teile am Phyllome die
Beachtung geschenkt worden. Es mußte ja so zweifelsohne am
untrüglichsten die Art des linearen Wachstumes festzustellen sein.
Die prinzipielle Übereinstimmung aber, die sich so für das Größen-
9822 Ritter, Das normale Läneen-, Flächen- und Körperwachstum ete.
6 _ r) =
verhältnis benachbarter Internodien durch die Untersuchungen
Pfeifers, wie für die Entwicklung des Einzelnen aus meinen
Resultaten ergab, indem in beiden Fällen die Zahlen der Lame’schen
Reihe eine Rolle spielen, schien es mir nun auch zulässig zu
machen, daß bei weiteren Messungen an anderen analogen Objekten
nunmehr sämtliche Internodien zur Untersuchung herangezogen
würden; dann müßten ja, dem Verhältnis von Major zu Minor zufolge,
gleichwohl wieder in der großen Zahl der Beobachtungen ent-
sprechende Gesetzmäßigkeiten in derselben Weise ihren Ausdruck
erhalten, wenn auch hier wieder ein gleicher Entwicklungstropus
statthaben sollte.
So verfuhr ich denn auch wirklich mit den Phyllomen von
Sambucus nigra und ebenfalls auch von Robinia pseudacacia, bei welch’
letzterer aber nicht das Verhältnis von Major zu Minor ausgeprägt
ist. Auch hier wurde wieder von möglichst voneinander fernee-
legenen Standorten in beiden Fällen das Material gesammelt, da
ja so auch allein am sichersten das konstante Auftreten bestimmter
Zahlenverhältnisse für die tiefe, innere Bedeutung garantieren muß.
Wirklich, nun stellten sich, wie aus foleender Tabelle er-
sichtlich ist, trotzdem doch bei unserer „Akacie* die Koexistenz
mehrerer eleichwertiger Rassen oder eine starke Selektion auch
eine weitere Ditferenz, bezüglich des jeweiligen primären Maximums,
bedingt, auch diesmal wieder, wo es sich nicht mehr um partielle
Variabilität handelt, die ganz eleichen Gesetzmäßigkeiten dar:
Die Koincidenz der jetzt erhaltenen Zwischenklassen mit den früheren
hinsichtlich ihrer arithmetischen Wertigkeit —- eine eeringfüsige
Abweichung, die Äquivalenz der Klassen 16 und 17 bezüglich ihrer
Frequenz etc. und sonstige spezifische Eigentimlichkeiten in der
Variation, als z. B. das Fehlen eines Maximums bei 19, können
wohl kaum eine andere Auffassung begründen — muß natürlich nicht
nur unser früheres Resultat weiterhin bestätigen, sondern auch in
allgemeinerer Weise die Entwickelung als eine nicht nur prinzipiell,
sondern bis zu einem gewissen Grade auch absolut gleiche er-
scheinen lassen. Somit stehen aber ihrer systematischen Stellung
nach verschiedenste Arten und Sippen in verwandter Beziehung zu-
einander, wie dies, durch die Resultate der späteren Abschnitte
weiterhin ebenfalls ersichtlich, nach kurzer Erörterung unserer Teil-
körper dank deren physiologischer Bedeutung ohne weiteres ver-
ständlich wird.
Auch Herr stud. math. G. Wagner, der in Göttingen, ohne
im Wesentlichen in die zu beobachtenden Gesetzmäßiekeiten ein-
seweiht zu sein, liebenswürdiger Weise das Resultat beim Hol-
lunder nachprüfte, erhielt bei relativ schon wenigen Messungen
ein gleiches Ergebnis.
Länge der Internodien am Phyllome von Sambueus nigra.
nr 1800;
GERT SER IL ORT BET SET 3 ET DE SE STD
5)
30 51 60 78 63 120 96 78 87 72 54 72 72 48 36 57 66 51 54
23
Frequenz: 3151
mm: 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 4 42 48
Frequenz: 57 12 63 39 30 42 33.307397 724 53077277157 112 2a 21 ar 5 i.
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 283
Länge der Internodien am Phyllome
von Robinia psindacaeva.
mm: 6 7 89 10 11 122 13 a 5 16 7 181990 1 2 23
Frequenz: 7 17 54 53 118 121 159 246 254 2839 402 394 422 418 363 392 341 126
|, _ g4500
— 1226 19 40 42 65 117 118 153 227 198 196 191 101 103 98 76 fe 11900
mm: 4 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38
Breduenz iz eshass a a 65 2 5 1 - 2 | 4500
a ee! rer Sa
Also Konstatieren wir, wenn wir unsere Ermittelungen kurz
zusammenfassen, daß das normale, typische Längenwachstum der
Pflanzen kein eleichmäßiges, sondern ein sprung weises, rythmisches,
erblich streng geregeltes, aber durch starke Selektion zu beein-
flussendes, selbst dann aber noch wesetzmäßiges ist. Denn stets
werden ganz bestimmte arithmetische Entwicklungsstufen — ev. Ab-
weichungen liegen innerhalb der zulässigen Fehlergrenze — einge-
halten, die unter allen Umständen die typischen Wachstumsetappen
durch ihre Frequenz repräsentieren. Dieselben geschehen im Verhält-
nisse der Fibonacei-Zahlen, und zwar ungeachtet der Stellung der
Spezies in der Phyllogenie, in bestimmter, übereinstimmender Weise.
Sie deuten auf eine einheitliche, gesetzmäßige, einfache, in der Natur
auch wirklich beobachtete Teilung gewisser, zum Verständnisse
aller physiologischen Vorgänge mit Notwendigkeit anzunehmender,
auf wissenschaftlicher Grundlage in ihrem Bestande logisch er-
schlossener „Lebenseinheiten“ hin. Wenigstens dürfte auf andere
Weise eine Erklärung nicht zu geben sein. Der Wachstumsmodus
scheint ziemlich verbreitet zu sein. Die Fälle, wo das Ver-
hältnis von Major zu Minor in der Länge benachbarter Internodien
zur Erscheinung selangt, sind als Spezialfälle des allgemeineren
aufzufassen, wo — wie bei Robinia — beliebige Fibonacci-Glieder
auftreten, ohne daß dabei die Proportion der Sectio aurea nachzu-
weisen ist. Offenbar aber deutet jede solche Segmentierung und
regelmäßige Gliederung auf eine gleiche Orientierung unserer vin-
dizierten Teilkörper in der Richtung der Axe des wachsenden Or-
sanes, die Erscheinung der Sectio aurea aber speziell auf eine
qualitativ gleichartige Vermehrung (stets z. B. Zahlen der Haupt-
oder Nebenreihe!) hin, wo indes in quantitativer Beziehung durch
den in höheren Regionen immer mehr verminderten Saftdruck,
durch die Verteilung der wirkenden Kraft auf die daselbst anzu-
treffenden Abzweigungen, den Einfluß der Gravitation, vor allem
aber durch Erblichkeit etc. beeinflußt, ein Ende der Teilungen ge-
geben sein mag. So ist dann auch jeder scharfe Gegensatz zwischen
Organen mit der Ausbildung der Proportion und solchen, wo das
Verhältnis nicht ausgebildet ist, durch die Fälle beseitigt, wo sich
erst aus Summen von Abschnitten dank der Wirkung der genannten
Faktoren und des der Art und dem Individuum spezifischen Cha-
rakters der goldene Schnitt ergibt. —
984 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete.
Daß sich nun gewisse organisierte Körper, die die gesamte
lebende Substanz aufbauen, in der von uns angenommenen Weise
teilen, dafür spricht nun aber neben manchen weiteren noch eine
Gruppe von Erscheinungen, die ich hier zu besprechen anschließen
möchte. Denn wenn auch wohl die Sectio aurea ihrem ursprüng-
lichen Begriffe nach ein Verhältnis geradliniger Strecken ist, so kann
doch gleichwohl auch da, wo es sich um krummlinige Strecken
handelt, beispielsweise beim Stengelumfange und seiner Teilung
durch am Kaulome inserierte Blattorgane, das Verhältnis nach-
gewiesen werden. Ich meine
Ib. die numerische Variation der in Divergenzen
angeordneten Organe.
Zwar können wir uns da mit Hofmeister und (24) Schwen-
dener sehr wohl vorstellen, daß die seitlichen Sprossungen in
ihrem Jugendzustande nach ihrem Hervortreten am Vegetations-
punkte ihres Kaulomes gesetzmäßige Verschiebungen erleiden. Denn
ihr Ausdehnungsbestreben wird sich parallel und quer zur Axe des-
selben in einer anderen Weise äußern, als es deren Längen- und
Diekenwachstum zuläßt. Letzteres muß ja auf die seitlichen Sprosse
einen Widerstand nach einer Richtung hin ausüben, und zwar das
Dickenwachstum einen longitudinalen Druck und transversalen Zug,
das Längenwachstum aber einen loneitudinalen Zug und transver-
salen Druck. Dann könnten ja auch wir unter der Voraussetzung
einer bestimmten Querschnittsform und gleichbleibender, später
unter sich ändernder Form und Größe diesen Einfluß auf durchaus
logische, sinnreiche Weise erklären, und auf mathematische An-
schauungen zurückführen, die schließlich die Spiralstellungen er-
eäben, die sich unserer Wahrnehmung darbieten, aber durch Druck
und Zug, durch Größenabnahme der Axe und Größenzunahme der
seitlichen Organe auf eine a priori zu bestimmende Weise modifi-
ziert werden.
Doch prüfen wir die Zahl der in diesem bestimmten Divergenz-
verhältnisse angeordneten homologen Glieder, so folgen also auch
da wieder Gesetzmäßigkeiten, die wieder nicht auf mechanische
Weise durch die (24) Juxtapositionstheorie oder die (25) Hypothese
der sphärotaktischen Säule und der Phyllopodien Delpinos ihre
Begründung erfahren können. Denn zunächst berühren ja schon
die mechanischen Erklärungen die Entstehung der betreffenden
Organe überhaupt nicht; dann aber sind ja auch ihnen zufolge sowohl
die Spiralen als die mit denselben mathematisch zusammenhängenden
Divergenzen nichts als geometrisch abgeleitete Dinge, die leicht
in die Pflanze hineinkonstruiert werden können, und für die An-
schauung wohl sehr lehrreich und praktisch, aber jeder entwick-
lungsgeschichtlichen gesetzlichen Bedeutung entbehren. Schließlich
treten die Gesetzmäßigkeiten in der numerischen Variation auch
da in die Erscheinungen, wo von Divergenz überhaupt keine Rede
sein kann.
Ritter, Das normale Längen-. Flächen- und Körperwachstum ete. 285
So ließe sich hier wohl auf (26) Primula officinalis hinweisen,
wo in der großen Zahl der Fälle fünf Blüten ihre Ausbildung er-
fahren, aber, wenn andauernd zünstige Vegetationsbedingungen be-
stehen, dann zwischen den bereits vorhandenen weitere kleine
Knöspchen hervorsprossen, die wohl schon in der ursprünglichen
Anlage vorhanden gewesen sein mögen, deren Zahl aber jeden-
falls wieder eine unserer Reihe zugehörige ist. (Gipfel dann 8,
ev. 13.)
Auch die Blattrippenzählungen dürfen hier nicht unerwähnt
bleiben. Auch hier kann von einer gegenseitigen Beeinflussung
sar keine Rede sein, aber auch hier treten so ohne Druck und
Verschiebung stets Gipfelzahlen des Fibonacci auf, wie dies bereits
für mehrere Fälle (27) erwiesen wurde, und in einer demnächst zu
veröffentlichenden Abhandlung von mir weiter dargetan werden soll.
Strenge Regelmäßiekeiten nun, wie wir sie hier demonstrieren
wollen, sind ja bereits von Ludwig an seinen zu Beginn er-
wähnten Merkmalen, meist pentameren Phanerogamen Konstatiert
worden.
Jetzt soll nun gezeigt werden, daß dieselben, soweit freilich
nicht eine ausschließlich quirlige Anordnung der Organe statthat,
sleichwohl auch an tetrameren Phanerogamen sehr gut zu be-
obachten sind. Nur mag zuvor noch kurz darauf hingewiesen
werden, daß die von Vogler in seiner Arbeit über die (28) „Va-
riationskurven bei Pflanzen mit tetrameren Blüten“ teilweise er-
mittelten Gipfel für Anautia arvensis mit meinen für Suecesa
pratensis erhaltenen, entsprechend der verwandten Beziehungen
beider Spezies, gut übereinstimmen. Sicherlich wäre dies in voll-
kommenerem Maße der Fall, wenn von dem genannten Autor zahl-
reichere Ermittelungen angestellt wären. Auch mag erwähnt
werden, daß auch für die anderen Fälle, wo, von der Art
des Verzweigungssystems jeweilige abhängige, abweichende Maxima
natürlich erhalten wurden, bereits von (29) Wasteels in seiner
Erörterung „Over de lieeing de Maxima in Variatiekurven en het
voorkomen der Fibonaceigetallen“ eine Erklärung durch einen,
wegen der allen seinen theoretischen Reihen gemeinsamen Faktoren
zu unserer Lame’schen Reihe in Beziehung zu bringenden Tei-
lungstropus gegeben werden konnte (wie ja überhaupt alle nu-
merischen Gesetzmäßigkeiten auf besondere, von der Vermehrung
des Fibonacci nur geringe Modifikationen erfordernde Teilungen in
der Organanlage zurückzuführen wären).
Allerdings ist ja die Tetramerie bei dem Wiesenabbiß nur
eine scheinbare (30), da wohl die Krone meist vierzählig ist, doch
dies Verhalten nur aus einer Verwachsung eines typisch fünf-
zähligen Planes resultieren dürfte. Es fällt nämlich die Krone
über die Kelchteile, statt mit ihnen zu alternieren, ferner wurden
von Wydler Fälle beobachtet von der Ausbildung eines fünften,
alsdann median nach hinten, also einem der Kronenteile
anteponiert stehenden Staubgefäßes, das auf eine fünfzählige
Kronenbildung hindeutet. Weiter kommen gleichzeitig promiscue
vier- und fünfzähligee Kronen vor, ebenso Blüten, die
286 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete.
auch im Kelche pentamer sind. Auch die Analogie fernerhin mit
den verwandten Valerianaceae und Compositae, Pflanzen mit fünf-
zähligem Schema, dürfte so ja wohl das Verhalten in Krone und
Andröceum entsprechend den Plantagineae erklären. Dann wären
also die in Fällen von Pentamerie freien zwei oberen Petalen in
den pseudotetrameren Pflanzen verwachsen, das mit ihnen ver-
wachsende Staubgefäß unterdrückt, und die Entstehung des oberen
Kronenteiles mit nur einem einzigen Primordium würde auf konge-
nitaler Verwachsung beruhen. Andrerseits aber ist dann die Anlage
mit zwei Pimordien bei Scabriosa keine Spaltung, sondern Rück-
kehr zum Typus, der sich so auch bei anderen Arten der Familie,
bei Pferocephalus, Morina ete. findet, für die alle deswegen wohl
auch dieselben numerischen Gesetze zu vindizieren sind (soweit
sie zur Prüfung geeignete Merkmale besitzen).
Betreffs der Variation der Blüten der Hauptachse vermochte
ich nun aber leider nicht jene völlie zu bestimmen, da trotz der
ziemlich beträchtlichen Zahl wegen der großen Amplitude noch
kein bestimmtes konstantes Maximum sich erkennen läßt, wenn
schon natürlich auch hier bereits, da für sie die Regeln der Kollektiv-
maßlehre eher ihre Anwendung finden, die seltener auftretenden
seitlichen Klassen in geforderter Weise mit größerer Entfernung
vom Bereiche des Hauptgipfels eine immer geringer werdende
Frequenz aufweisen. Offenbar aber dürfte hier beim Weiterzählen
auch eine Fibonacei-Zahl das Maximum ergeben haben, vielleicht
ein Duplum, wie es so ja auch im Divergenzbruche, der hier 1%/ıs
beträgt, zum Ausdrucke gelangt, und wie es weiter durch die be-
sonders bei graphischer Darstellung anschaulichen Variations-Ver-
hältnisse in den zahlreichen diskontinuierlichen typischen Äußerungen
sämtlich von Fällen zweigliedriger Quirle (Überwiegen der geraden
Zahlen!) wahrscheinlich erscheinen muß (in Übereinstimmung auch
mit manchen Vorkommnissen der Koniferen-Zapfen, wo man bei-
spielsweise bei Pinus Picea öfters neben der gewöhnlichen %/s,-Form
einer solchen mit 16 resp. 26 Parastichen begegnet).
Um so günstiger aber gestaltete sich das Resultat, das mir
das Studium der Infloreszenzen der sekundären Achsen und der
Abzweigungen noch höherer Ordnung ergab. Hier werden jetzt
— wie folgendes Schema dartut — im Einklange auch mit der
Divergenz, die jetzt, wie auch bei Scabosa ®/ıs beträgt, wieder die
Intervalle der direkten, einfachen Zahlen durch die Nebenvariationen
im Zahlenverhältnisse der Sectio aurea gegliedert, in noch umfang-
reicherem Maße, als es bislang zur Kenntnis gelangte.
Numerische Variation der Hauptaxen von Suceisa prat.
mm-Zahl: 8 910 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35
Frequenz: 1— — 14-10 614839338 7 19 15 33 27 42 31 41 39 52 39 63 51 78 49
mm-Zahl: 36 37 38 39 40 41 4243 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57
Frequenz: 94 63 111 74 132 88 146 95 162 114 171 153 182 162 190 160 170 148 163 161 191 172
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 287
mm-Zahl: 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 7273 74 75 76 77 78 79 80
Frequenz: 211 183 200 161 183 121 188 171 193 114 154 123 136 111 122 93 101 88_94 83 96 73 80
mm-Zahl: 3 32 3 534 5 56 97 5 39 0 1 92 93 9 9 96 97 98 99 100 101
Frequenz: 62 64 41 3 21 16 13 9 19° 1920 23 16 19 10 E35 8 10 9 8 2
mm-Zahl: 102 103 104 105 106 107 108 109 110
Frequenz: 0 6 Kai — 2 1 1 — 2
Numerische Variation der Nebenaxen von Suecisa prat.
(n = 9000).
mm-Zahl: 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 39 34
Frequenz: 4 2 2 4 6 6 28 10 26 30 28 52 60 54 88 264 68 84 116. 128 130 156 204 172 196
mm-Zahl: 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55
Frequenz: 188 248 202 232 312 282 276 364 326 318 296 316 330 284 288 298 262 276 224 204 218
mm-Zahl: 56 57 58 59 60 64 & 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75
Frequenz: 162 176 170 126 1386 86 74 86 84 834 56 48 34 0 26 29, 16 16 18 10 4
mm-Zahl: 16 « 18 19 8078317327783 E 85
Frequenz: SET 167267 Fazer 2 4 2
Schematische Anordnung und Gliederung der Hauptreihe
i, Verh. des G@.-8.
u. ed 7
EI —< 2
e.->7
Auch hier waltet Monomorphie und Symmetrie ob, und auch
hier muß die Stufe, bis zu der vor der definitiven Ausgestaltung
288 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum etc.
und Zahl der Organe die Entwickelung ihren Gang nimmt, wieder
cine erblich fixierte, streng geregelte sein, und gewisse Etappen
bis zu einer bestimmten Hauptstufe durchlaufen, die wie auch jene
eben mit unserem Teilungs-Gesetze ihre Begründung erfährt. Denn
wenn auch Individuen anzutreffen sind, die auf einer früheren oder
späteren Stufe die Teilung unterbrechen und sistieren, so gehorchen
doch auch diese wieder in ihrer Gesamtheit den Gesetzen Que&-
telet's. Denn auch hier kann man sich leicht für diese Fälle
überzeugen, daß sie in hinreichender Weise mit dem Wahrschein-
lichkeitspolygone zusammenfallen, wenn die arithmetische Zahlen-
reihe in eine Kurve verwandelt ist, wo die einzelnen Klassen die
Ordinaten bilden. Auch hier eben haben sich die Differenzen,
durch die für unsere Spezies Kurven von verschiedenem Beobach-
tungsmaterial sich unterscheiden, in der großen Zahl aufgehoben,
Zahl der Blüten der Nebenaxen.
Klasse: 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33
Frequenz: 3 2133519 614110 78-12 810 2 — 6— 4 8 n= 16
42 23 4 521 71816 13 19 31 28 37 19 48 37 41 43 28 16 42 27 n— 700
42 2 4 5 522 720 21 18 25 36 31 46 33 61 49 59 68 42 68 93 82 n— 1450
42245523 721 23 19 32 44 33 51 46 S0 61 60 79 68 79 114 99 n= 2100
Von da ab Hauptgipfel auf 42.
Klasse: 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57
Erequenz!: 27 = 4 —- 13 2:2 117171 — = n= 160
25 16 1912 611 3101512 8 7 31512 3 2 — _ — en 700
78 34 49 22 16 52 16 32 38 24 26 28 32 34 19 16 27 19 21 51213 2 — n=1450
101 63 128 90 43 61 24 58 82 61 42 32 40 42 32 31 51 34 43 121923 6 6 n=210g
Klasse: 58 59 60 61 & 65 64 65 66 67 65 9 70 T1 72 73
Erequenz.5 2 — —_ — — — n= 16
-—- - - -— - - — - - -— — — — — — 2= 0%
Be) a Eee ee Eile
SEH27 162 SS IST ITS Boa ES Eee r—2100
und ist, den konstanten Ursachen, vor allem der erblichen Regelung:
entsprechend, auch hier ein konstantes Resultat zutage getreten,
das sich nicht mehr ändert.
Freilich aber auch erst wieder bei Zählungen in der „großen
Zahl“. Betrachten wir nämlich wieder einmal in folgender Über-
sicht die sukcessive Entstehung unseres empirischen Binomiums,
so ergeben sich hier, wenn wir freilich zu ungleichen, geeigneten
Mengen die zeitlich aufeinanderfolgenden Varianten der ganzen
Vegetationsperiode und auch da wieder nur die zu ihrem Beeinne
auftretenden zusammenfassen — es gelangten täglich ungefähr die
gleiche Zahl zur Untersuchung — recht verschiedene Maxima, 16,
26, 32, 36, 42, Sie alle aber tun dar, daß auch trotz des
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 289
Unterschiedes zwischen Kon- und Devarianten strenge Gesetz-
mäßiekeit obwaltet und ebenfalls nicht Zufall und Willkür herrschen,
und daß weiterhin auch eine solche Differenz die Lehren der Mu-
tationstheorie nicht zu erschüttern vermag. Denn wie es für den
Statistiker als eine elementare, geläufige Erscheinung sich erweist,
daß bei wenigen Ermittelungen die Einzelkurven noch weit über
die Papierfläche, auf der sie geometrisch dargestellt werden, in
höchstens flachem Bogen sich verbreiten, und erst im Laufe der
weiteren Untersuchung die verlangte Gruppierung statthat, so ist
es andrerseits in unserem Falle ebenso klar und evident, daß das
Resultat beispielsweise bei erst 2100 Untersuchungen noch nicht
als definitives, vollständiges anzusprechen ist, sondern weitere em-
pirische Feststellungen erheischt. Meist liefert ja überhaupt erst
eine größere, umfangreichere Zählung resp. Messung oder Wägung
das wahre, echte Maximum, und nur in einzelnen Fällen, wie z. B.
bei Reihe 3 für Ohnerophyli. temul., wo eine besondere, durch die
Natur der Lokalität bedingte Größenvarietät existiert, mag der Gipfel
schon früher deutlich und konstant als solcher sich geltend machen.
‚Jedenfalls aber sind hier nicht — wie wir besonders noch beachten
wollen — von den Individuen, die infolge der äußeren Einwirkungen
auf einer anderen Stufe als der Normalstufe stehen geblieben sind,
trotz der anfänglichen Schwankungen des primären Gipfels, neue,
selbständige, isolierte Rassen dank des äußeren Einflusses entanden.
So ist auch hier wieder die (32) Unbeständigkeit des Einflusses jed-
weder Selektion und die Beschränktheit des durch sie Erreichbaren
bestätigt, indem hier stets einunddasselbe Entwickelungsprinzip
seine Geltung zu bewahren vermag. Und so wird weiter auch die
Richtigkeit des Satzes erwiesen, daß (35) Variabilität keine Mu-
tabilität ist, und daß durch jene neue Sippen nicht gebildet werden.
Denn in diesem Falle hätte ja jede Rasse, für sich gesondert, wohl
einfache Variationskurven ergeben. Aber die Kombinationspolygone
zusammen würden mit größter Pleomorphie, bestimmter, fixierter
Lage der Maxima je nach der jeweiligen, relativen Frequenz und
Beteiligung der Arten bei ebener Darstellung Inkonstanz und stetige
Oszillationen des Hauptgipfels, selbst in der großen Zahl aufweisen,
während aber bei Zuhülfenahme der dritten Dimension in der Dar-
stellung des ganzen Variationskomplexes dann die Gesamtheit der
parallel hintereinander mit ihren Gipfeln in einer Ebene senkrecht
zu den einzelnen Kurven angeordneten Binomialkurven eine bisym-
metrische Fläche ergäbe.
War nun aber die Vierzahl des Korollen bei unserem Objekte
hier nur eine Pseudotetramerie, so darf wohl in der Beziehung
kein Einwand zu erheben sein gegen Elaeagnus angustifolium, wo
jetzt nun einem anderen Merkmale, der Zahl der Kurztriebe, die
Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Auch hier können ebenfalls
ohne weiteres die Maxima ungezwungen zu unserer Reihe in Be-
ziehung gebracht werden, und wir sehen wieder, daß trotz der
geringen Menge der Beobachtungen der mor phologische Bau wieder
nicht ins Blaue hinein variiert.
Beihefte Bot, Centralbl, Bd. XXIII. Abt, I, Heft 3, 19
290 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum etc.
Numerische Variation der Kurztriebe
an Elaeagn. angustifol. (n — 550).
mm-Zahl: 177273 42°57726 77278779010, 1172427130142 195 167 1718 EEE
Frequenz: 6 10 18 28 26 64 52 40 22 34 38 24 28 32 14 18 18 4 14 4 6
mm-Zahl: 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31
Frequenz: 4 2 2 8 6 2 6 6 4 4
Gipfelzahlen und ihre Koincidenz mit den Fib.-Zahlen.
1
Zahlen des s—
Kettenhbr >12: @4 71118 29; Duplum: 222.11, 282.14
Außerdem ; e Ev. wegen ihrer geringen Frequenz
desike ten Dr er lENz> wieder geschwunden ?
Weiterhin nun untersuchte ich noch die Variabilität im An-
dröceum, wo das OO-Zeichen in systematischen Werken indes
ebensowenig gerechtfertigt erscheinen kann, wie da, wo es sich um
andere Organe handelt. Auch hier nämlich treten unsere Gesetz-
mäßigkeiten wieder in die Erscheinung, wenn auch natürlich dank
der spezifischen Tektonik jeder Rasse in eigener, durch die Art
der Anordnung etc. bedingter Weise, die als Charakteristikum für
den Systematiker Wert besitzen muß. Ich hatte so die Fest-
stellungen gemacht an den in end- und seitenständigren dekussierten
Rispen versammelten, wegen der orthogonalen Kreuzung der auf-
einanderfolgenden Blattpaare, und der späteren Entstehung eines
Sepalenpaares typisch tetrameren Blüten von Clematis Vitalba, wo-
bei die vereinzelten trimeren, pentameren und hexameren Blüten
von der Untersuchung ausgeschlossen wurden. Ferner wurden Er-
mittelungen vorgenommen an den männlichen Blüten von Degonia
hybrida, deren Inftloreszenzen axilläre Zymen darstellen, die bis in
die letzte Verzweigung gleichmäßig dichasisch sind, oder nach ein-
bis mehrmaligen Gabelungen in Winkeln ausgehen. Zweifellos ge-
schah es hier, daß viele der zahlreichen Gärtnervarietäten Berück-
sichtigung fanden, indem das Material von verschiedenen Seiten
in dankenswerter, gütiger Weise zur Verfügung gestellt wurde.
Aber trotzdem also ist auch auf diese Weise zu entnehmen, daß
in der numerischen Variation zwischen tetrameren und pentameren
Phanerosamen kein prinzipieller fundamentaler Unterschied durch-
weg zu bestehen braucht. Das Teilungsprinzip kann in beiden
Fällen das gleiche sein (wie ja auch eine Differenz vielfach unbe-
sreiflich erscheinen müßte im Hinblicke darauf, daß viele Familien
teils vier-, teils fünfzählige Blüten bildende Arten zusammenfassen),
da auch hier bei unsern untersuchten Arten eine diskontinuierliche,
gesetzmäßige Entwickelung nach der Lam&’schen Reise statthat.
Dies soll demnächst auch noch an einem weiteren Beispiele
gezeigt werden, wo in günstigster Weise die Amplitude eine sogar
noch größere als bei Suceisa prat. ist.
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete.. 291
Numerische Variation im Androeceum
von Olematis Vitalba (n = 1300).
Zahl: 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 8 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46
Frequenz: 2 2 aa 6 — 821 6 6 4 32 er 56 40 56 56 114 76 68
Zabl: 47 48 49 50 51 592 53 54 55 56 57 58 59 60 61 = 63 64 & 66 67
Frequenz: 118 74 51 89 4 88 54 34 _36, 21 ‚31 10 7 FE 10 DR EC 2 2
Gipfelzahlen und ihre Koincidenz mit den Fib.-Zahlen.
Von früher her bekannt: 26 28 (— 2.14) 32 (—2.16) 34 38 (2.19) 4244 (= 4.11)
47 50 52 55 57 60.
Neu dazu gekommen: 30 — 3.10 40 =4.10 64 = 4.16.
Numerische Variation im Androeceum
von Begonia hybrida (n = 650).
(Blüten „mit Wahl“; Lage des primären Gipfels deshalb unentschieden.)
Zahl: 18 19 20 21 22 23 21 25 26 27 28 29 30 31 32 38 34 35 36 37 38 39
Frequenz: 1 AR 3. PFuruRErErEtIe ge 418 19 20 16 17 19 0 3 2 4
Zahl: 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 ® 54 55 56 57 58 59 w 61
Frequenz: 36 39 58 4 @ 13 9 12 11 on— \® 3 Ag 4 3 1 De Ba
Gipfelzahlen und ihre Koineidenz mit den Fib.-Zahlen.
Von früher her bekannt: 19 22 = 2.11) 24 = 38) 28 (= 2.14) 32 (= 2.16)
36 (= 2.18) 38 (= 2.19) 39 = 3.13) 42 47 50 52
(= 2.26) 54 (— 3.18) 55 58 (= 2.29) 60.
Daher dürfte nun also auch von dieser Seite her, wo Gründe
mechanischer Art das Zustandekommen von Divergenzen plausibel
zu machen vermögen, nicht nur nicht der geringste Einspruch
segen unsere Annahme letzter Einheiten, die hier als Ausgangs-
punkt für die Entwickelung des einzelnen Organes zu fungieren
hätten, und deren gesetzmäßigen, einfachen, rythmischen Teilung
im Zahlenverhältnisse des Fibonacei zu erheben sein, sondern auch
hier ohnedies jede Begründung fehlen. Auch hier würde dann
das Auftreten der Multipla entweder wie früher beim meristischen
Längenwachstum aus einer fortgesetzten Vermehrung in Unter-
etappen, oder vielfach auch direkt nachweisbar, aus Dedoublement
und eventuell noch weiterer Vervielfältigung der ursprünglichen
Örgananlage resultieren. Hieraus entsteht ja eben die hemicyklische
Bildung, indem mehrzählige Wirtel, wie wir sie ja von zwei bis
zirka dreißiggliedrig variieren sehen, in spiralieer Anordnung bei
sleichsinniger Orientierung verlaufen.
iy*
292 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum etc.
Betreffs
II. des normalen zweidimensionalen Wachstumes
habe ich ja bereits in kurzer vorläufiger Mitteilung in meinen (34)
„Beiträgen zur Physiologie des Flächenwachstumes der Pflanzen“
dargeetan, daß auch da die Variationen keine kontinuierlichen sind,
sondern ebenfalls Zwischenzahlen zur Erscheinung gelangen. Die-
selben erhielten sich nun bei meinen früheren Untersuchungen
eleichfalls bei unendlichen Zählungen konstant und ließen sich be-
reits bei wenigen Ermitteluneen erkennen. Auch ergaben sie, so-
weit die Individuen von ein und demselben Standorte herrührten,
bezüglich der Frequenz wieder eine frappierende Übereinstim-
mung. Ich hatte daselbst Blattspreitenmessungen vorgenommen,
und zwar sowohl die Länge wie die Breite des Phyllomes zum
Gegenstande der Untersuchung gemacht, von Vaccımium Vitis Idaea,
Vacc._ Myrtillus und Myrtus commaunis, bei den beiden letzten
Objekten freilich nur in wenigen statistischen Ermittelungen „mit
Wahl“.
Daselbst nun habe ich wieder, wie entsprechend ‚schon beim
Längenwachstume, eine nicht nur prinzipielle, sondern auch absolut
gleiche Gesetzmäßiekeit ebenfalls feststellen können, ohne indes
an der Stelle näher darauf einzugehen.
Es hatten sich nämlich auch dort wieder in allen Fällen ein
und dieselben Maxima ihrem arithmetischen Werte nach ergeben.
Nur einige weitere Zwischenzahlen, die sich als Äußerungen
einer Nebenvariation von untergeordneter Bedeutung nachweisen
ließen, obschon auch sie zweifellos im Leben unserer Pflanzen eine
gewisse Rolle spielen, und sie so gelegentlich meiner späteren Unter-
suchungen sich ebenfalls hin und wieder herausstellten, verloren
sich allmählich wieder völlig oder bis auf eine „Andeutung“ eines
Gipfels unter den übrigen kontinuierlichen Varianten. Nur die
Klasse 20 behauptete sich von diesen selbst am Schlusse noch als
Maximum. Aber, wie mich ein Analogieschluß von meinen jetzigen
Beobachtungen vermuten lassen möchte, hätte wohl auch sie, im
Einklange auch mit der immer geringer werdenden relativen
Frequenz, im Laufe einer weiteren empirischen Prüfung schließlich
ebenfalls nur kontinuierlich variiert.
Wie dies nun auch bereits das Ergebnis des Studiums ganz
anderer Merkmale am Blatte, so die bereits erwähnten Blattrippen-
zählungen nur wahrscheinlich erscheinen lassen können, spielen
auch hier wieder unsere Fibonacci-Zahlen eine Rolle. ‚Jetzt treten
sie uns —- es kann hier selbstverständlich nur auf das Verhältnis
ankommen — in unseren Zwischenklassen als die mit 10 multipli-
zierten Quadratwurzeln entgeeen. Als solche nötigt sie schon allein
die verblüffende Übereinstimmung zwischen theoretischen und
empirisch festeestellten Werten — diese Koincidenz kann wegen
der bereits beim Längenwachstume beobachteten nicht mehr als
besonders auffällig erscheinen — aufzufassen.
Es war demnach auch hier, da ebenfalls auf mechanische
Weise keine befriedigende Erklärung der arithmetischen Zahlen-
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum etc. 293
verhältnisse beizubringen war, unser Teilungsmodus vorauszusetzen,
wo indes die Teilstücke — zur Erklärung der Wertigkeit der dis-
kontinuierlichen Variationen als Quadratwurzeln — eine andere
bestimmte, jedenfalls nicht mehr lineare Verteilungsrichtung be-
obachten müssen.
Wie sich nun ja bekanntlich durch Heranziehen analoger
Prozesse uns ein besseres, leichteres Verständnis zu eröffnen pflest,
so glaubte ich, jetzt am zweckmäßiesten zum Vergleiche auf eine
bekannte elementare Tatsache hinweisen zu müssen. „Wie sich
nämlich aus dem Flächeninhalte eines Quadrates ganz einfach die
Seiteneröße ergibt, indem man diesen Flächenwert radiziert, und
wie, wenn auch die Fläche etwa durch Erwärmung des Körpers,
dem sie angehören mag, eine Ausdehnung erführe, die jeweilige
Seitengröße doch stets durch die Quadratwurzel aus dem zuge-
hörigen Flächenwerte dargestellt würde, da ja, wie wir aus der
Kalorik wissen, starre Körper bei Temperatursteigerungen sich
nach allen Dimensionen in gleicher Weise vergrößern, so könnte
man diese Verhältnisse als dem Wesen nach zwar verschiedene,
aber in gewissen Punkten, dem Effekte nach, doch analoge, in
unserem Falle zugrunde legend, d. h. die Ausdehnung durch
Wärme der Vergrößerung durch Wachstum — von gewissen Unter-
schieden abgesehen — zur Seite stellend, nur in umgekehrter
Weise von der Quadratwurzel auf die wichtigen, in Frage kom-
menden, für das Quadrat charakteristischen Merkmale, vor allem
also die Gleichheit der Seiten und ihre rechtwinklige Stellung zu-
zückschließen, und dieselben in unserem Falle als gegeben be-
trachten“.
Demzufolge wäre dann klar und deutlich die fragliche Er-
scheinunge mit der Annahme eines nach Länge und Breite in
sleichem Verhältnisse statthabenden Wachstumes in einfachster
Weise zu erklären: Auch hier bliebe die Orientierung unserer Ein-
heiten wieder je eine prinzipiell gleiche, einheitliche, konstante bei
den Teilungen, nachdem einmal erst eine bestimmte, durch die spe-
zifische plasmatische Konstitution bedingte, für die Art charak-
teristische, gleichsam den Grundstock für die weitere Gestaltung
bildende Anordnung unserer Teilkörper in der allerjugendlichsten
Anlage geschehen ist, wie analog beim Kristalle durch das ganze
Assregat über die integrierten Teile eine solche Kraft ausgeübt
wird, daß die Moleküle eine bestimmte Lage annehmen.
Tatsächlich stehen ja auch mit dieser Erklärung nicht im
geringsten irgendwelche Beobachtungen im mindesten Widerspruche.
Denn wirklich läßt es sich im Gegenteile sofort unschwer eı-
kennen, daß schon das jugendliche Blatt genau die Form und Ge-
stalt des definitiv ausgewachsenen vielfach besitzt, und eben nur
durch die Größe differiert. Auch traten mir ja bei Messungen
der Breite, wie bereits bemerkt, genau dieselben Zwischenklassen
entgegen wie bei der Feststellung der Längendimension. Dadurch ist
nicht nur ebenfalls dafür varantiert,. dab unsere diskontinuierlichen
Zahlen auch wirklich Quadratwurzeln aus den Gliedern der
lsam@’schen Reihe darstellen, sondern weiterhin unzweifelhaft und
294 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum etc.
eindeutig die Richtigkeit eben unserer Deutung eines nach beiden
Dimensionen in gleichem Rhytmus statthabenden Wachstums dar-
getan, sowie auch die Berechtigung der Annahme der vindizierten
Verteilung unsrer organisierten Individualitäten.
Daß nun die in der genannten kleinen Abhandlung kurz vor-
setragenen Resultate zu bestätigen sind, und der Induktionsschluß,
mit dem ich diese Gesetzmäßigkeiten für weitere Objekte vindizierte,
tatsächlich auch seine Berechtigung besitzt, das möchte ich nun
jetzt dartun, indem ich die Resultate weiterer empirischer Er-
mittelungen demonstriere. Zuvor aber sei es gestattet, mit gütiger
Erlaubnis des Herrn Kantonschullehrers A. Heyer in St. Gallen
darauf hinzuweisen, daß derselbe für Länge und Breite der Phyl-
lome von Prunus spinosa auch dieselben Gipfelzahlen erhielt, wie
wir sie hier kennen lernen werden. — Es dürften aus den weiteren
Darstellungen sich auch Tatsachen ergeben, die auch für andere
Gebiete nicht interesselos sind. Denn jetzt fand auch in ver-
schiedener Weise der Einfluß von solchen äußeren Faktoren Be-
rücksichtigung, die durch ihre Intensität und dank der spezifischen
Eigenschaften des Objektes auf den Gestaltungsvorgang modifizierend
einwirken. Gerade hier, wo nämlich bereits eine Anzahl ver-
schiedener Arten untersucht und als übereinstimmend befunden wurde,
meinte ich am sichersten feststellen zu können, inwiefern der
Wachstumsprozeß durch den „monde ambiant“ zu beeinflussen ist.
Zunächst freilich möchte ich erst noch in größter Kürze die
Resultate angeben, die mir das statistische Studium ohne solche
Berücksichtigung irgendwelcher Selektion ergab, und die nun an
folgenden Objekten, teils auf Länge, teils auf Breite hin geprüft,
nachgewiesen wurden.
(n = 1800) Länge der Spreite von Trifolium pratense.
(„Mit Wahl“, nach d. Mahd.)
Au 8 DD u a, de 1 AD al Aa a a en 2
Frequenz: 1 7 15 23 29 48 66 85 101 151 173 151 133 1 118 1397 127 88 73 59 41 10
mm: 29 30 3i 32 33 34 2 36 u 38 39 40 41
Frequenz: 30 16° 15 416 11 10 Fu 7 77 3.3 De
Länge der Spreite von Buxus sempervirens. m — 1000.)
mm: SER EB IN DNNAIRDBEBSDAIEE NEE.
Frequenz: u o 5 8 10 22 25 24 31 5259. 59 36 65 68 1 63 57 93 52 57 60 35 28 31 33 17 6
Breite der Spreite von Robinia pseudacacia. (n = 1300.)
mm: 91011 1213 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40
Frequenz:12 20 16 46 58 64 54 40 58 60 50 56 62 72 66 58 54 42 26 60 58 50 42 48 4012 20 3014 6 2 J
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete.. 295
Breite der Spreite von Berberis aquifolia. (n = 1000.)
mm: 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34
Frequenz: 24 DS, 8 Sen IE: 1775297534529 302305737 0 3 DE Dub An E93
mm: 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51
Aremenz ae 16 3 2 5 a5 Ten
Wir sehen, daß auch hier stets, wenn wir die Reihen in
Kurven umsetzen würden, die Sätze der Kollektivmaßlehre ihre
Anwendung finden können. Aber gleichwohl treten auch hier dis-
kontinuierliche Variationen auf, und zwar stets absolut ein und die-
selben, ungeachtet der Differenz der Spezies, die ihrer natürlichen
Verwandtschaft nach zu den verschiedensten Familien zählen. Auch
hier also werden sich stets dank gleicher materieller Grundlage,
die eben nur durch Annahme unserer Teilkörper verständlich er-
scheinen kann, die gleichen inneren Vorgänge abspielen. Und ich
meine, daß nun unter diesen Umständen auch der Beweis der Kon-
stanz durch Darstellung der etappenweisen Entwickelung unserer
ermittelten Variationsverhältnisse überflüssig erscheint, indem eben
diese Koincidenz am besten die tiefe, innere Bedeutung, die jedes
Zufälligen entbehrt, dartut.
Zudem ergibt sich auch eine absolute Gleichheit der Gesetz-
mäßiekeiten, wenn wir unsere jetzigen Gipfelzahlen mit denen der
früheren Arbeit vergleichen. Auch dies muß uns ja zu gleicher An-
sicht und gleichem Verhalten bestimmen.
Also sind demnach auch hier wieder die mit 10 multiplizierten
Quadratwurzeln, wie nachstehende Rechnungen eindeutig belehren,
die Maxima in jeder unserer Reihen, und treiben uns auch hier
wieder zu denselben Auffassungen über die Physiologie des zwei-
dimensionalen Wachstumes.
Giptelzahlen und ihre Koincidenz mit den Quadrat-
Wurzeln aus Fib.-Zahlen.
Theoret. Hauptzahlen: 10./1=10 10./2=14,1 10./3=17,3 10./5= 29,8
Empirische Werte: 10 14 17—-18 22
Theoret. Hauptzahlen: 10. V 8—PS2 0: V 1836.02. #107. \ 21 = 45,8
Empirische Werke: 28 36 45—48
Theoret. Nebenzahlen: 10. yıo —=31,6 10. V 16 = 40,0 10. Y 26 = 51,0
Empirische Werte: 32 40 51
Theoret. Nebenzahlen: 10. Y 18 — 42,4
Empirische Werte: 42
Im ersten Abschnitte nun hatten wir ja bereits die Er-
scheinung der partiellen Variabilität studiert, und dabei also ge-
296 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete.
funden, daß auch da im Prinzipe und, abgesehen vielleicht von
einer Differenz bezüglich des Maximums, auch absolut dieselben
Regelmäßiekeiten sich darstellen, wie wenn wir unser Augenmerk
in geleichmäßiger Weise „ohne Wahl“ bestimmter Organe beliebigen
solchen, natürlich stets homoloren, zuwenden. Auch hier. nun unter-
suchte ich wieder, ob auch hier dasselbe Resultat sich ergäbe. So
achtete ich auf die Ausbildung von Phyllomen, die von den unteren,
Ästen herrühren, sowie solchen, die aus der Kronengegend stammen.
Hierbei wurde es jedoch vermieden, daß in einem Falle etwa vor-
wiegend die jugendlichen Blätter der diesjährigen Vegetationsperiode,
und im anderen vielleicht die älteren, definitiv ausgebildeten, an
ihrer bedeutend dunkleren Farbe und ihrer lederartigeren Konsistenz
der Epidermis als solche kenntlichen Verwendung fanden, sondern es
wurde stets den letzteren die Berücksichtigung geschenkt. Ich nahm
nämlich diese Ermittelungen an einer immergrünen Pflanze vor,
und zwar wieder an demselben Strauche von buxus sempervirens,
der bereits, ohne daß dabei irgend eine Bevorzugung «ewisser
Partien beabsichtigt gewesen wäre, das Material zu unserer, eben
veröffentlichten Reihe geliefert hatte, mit einem Maximum bei 22.
Auch jetzt nun sehen wir wieder die völlige gleichen Gipfelzahlen,
ja sogar denselben primären Gipfel in beiden Reihen (siehe fol-
vende Tabelle), indem, vielleicht aber auch nur infolge einer zu
seringen Zahl von Messungen, jeweilig nur die Schwerpunktsordinate
und andere zu berechnende Konstanten unserer darzustellenden
/ariationspolygone abweichen mögen. Ich meine aber, daß jeden-
falls trotz alledem nur wieder dies hervorgehen kann, daß in
gleicher Weise ein einheitliches, gesetzmäßiges Wachstum statthat,
und in dieser Hinsicht kein Teil eines Organismus durch seine
Lage eine Ausnahme bildet.
Vergegenwärtigen wir uns nun aber die gestaltende Einwir-
kung des Lichtes, (35) und erinnern wir uns jetzt speziell an die Ver-
änderungen, die sein Mangel beispielsweise in der Tektonik des
Buchenblattes (36) in so durchgreifender Weise bezüglich der Aus-
bildung des Pallisaden- und Schwammparenchymes, der Interzellu-
laren etc. hervorruft, so möchte man aber wohl meinen, daß we-
nigstens zwischen Sonnen- und Schattenblättern eines Stockes auch
bezüglich der Gipfelzahlen ein prinzipieller Unterschied bestehen
könnte.
Deshalb nahm ich nun auch in der Richtune jetzt Unter-
suchungen vor, besonders auch durch den Standort unseres Strauches
beeünstigt, dessen östlicher und südlicher Teil nämlich durch kein
anderes Gebüsch beschattet war, während hingegen die westlichen
und nördlichen Partien dicht an einen mit Unterholz durchsetzten,
starkbelaubten, völlige schattigen Hochwald grenzten.
Da nun bemerken wir allerdings in unseren folgenden be-
treffenden Reihen, die die statistischen Verhältnisse repräsentieren,
einen Unterschied, wie er ja auch durch die starke entgegeneesetzt
wirkende Selektion von vornherein zu erwarten stand. Aber selbst
hier ist es nicht eine prinzipielle Differenz, sondern eben auch nur
eine Verschiedenheit in der Lage des Hauptgipfels, der einmal
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 297
wieder auf 22, dann auf 17 liegt, also stets Zahlen, die wir, wie
auch die übrigen -diskontinuierlichen Varianten als solche bereits
kennen lernten. Auch hier also erfährt eine gewisse Unabhängeig-
keit und Widerstandsfähiekeit der Pflanzen gegenüber äußeren Ein-
wirkungen, sowie die Beschränktheit des Einilusses der Zuchtwahl
durch die selbst jetzt noch «esetzmäßieen Variationen ihren ein-
deutieen Ausdruck.
Länge der Blätter von Bux. sempervir. von der unter.
(Reihe I) und ober. (Reihe II) Region.
mm: 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33
Frequenz: 4 6 12 12 19 31 33 36 42 47 47 39 52 55 61 59 44 39 29 21 22 21 14 — — — n=750
> =-- od 518 19 17 29 42 47 41 56 61 72 65 59 48 29 32 35 29 18 12 13 3 n=750
Länge der Blätter von Bux. sempervir. von Licht- (Reihe I)
u. Schattenseite (Reihe II).
mm: 9101112 13 14 15 1617 1819 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35
10 16 17 24 33 42 43 56 69 68 65 60 54 55 52 47 38 36 35 41 39 34 29 21 16 n — 1000
Können, ja müssen wir nunmehr also, all unseren überein-
stimmenden bisherigen Erfahrungen zufolge mit Recht mit Hilfe
eines Induktionsschlusses der Meinung sein, daß überhaupt an allen
Objekten, wo das Wachstum einen gleichen Fortschritt nach zwei
Dimensionen hin ergibt, ebenfalls stets die völlig „leichen Ent-
wicklungsgesetze obwalten, indem eben stets die erhaltenen Zwischen-
klassen diskontinuierlich variieren, so darf es nun wohl auch als
berechtigt selten, wenn ich mich nun jetzt bei der weiteren Be-
rücksichtigung von Fällen, wo durch die „Ernährung“ wieder eine
„anormale“, d. h. von der gewöhnlichen Form abweichende Ent-
wickelung bedingt wurde, lediglich auf das empirische Studium
dieser absonderlichen Fälle beschränkte, und auf die, zum Ver-
gleiche wegen der großen Augenfälliekeit der Abweichung ent-
behrlichen Feststellung der Variationsverhältnisse der „normalen“
Form Verzicht leistete. Es kommt uns ja zudem hier weniger
darauf an, zu untersuchen, wie sehr die beiden Fälle voneinander
differieren, als vielmehr festzustellen, ob selbst für eine solche ab-
weichende Bildung noch unsere ermittelten Regelmäßigkeiten ihre
Gültigkeit besitzen. So unterwarf ich also auch demzufolge bei
Majanthenmum bifolium, einer ausgesprochen ombrophilen Pflanze,
nur solche Exemplare der empirischen Untersuchung, die von einem
Standorte herrühbren, wo dank der lokalen Verhältnisse eine direkte,
ungeschwächte Insolation jetzt eine ganz bedeutende Reduktion
der Größenverhältnisse des Phyllomes verursacht hatte (wie sie ja
nach (37) Warming bis zu !/; der gewöhnlichen Form des Durch-
schnittes betragen kann).
Leider nur war die Zahl der Objekte daselbst eine ziemlich
begrenzte, sodaß unsere Reihe I der anschließenden Tabelle, die
298 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum etc.
uns die betreffenden Variationen vor Augen führt, aus nur 200 Einzel-
beobachtungen gebildet wird. Deshalb nun sammelte ich auch
weiterhin, jetzt von verschiedenen Standorten durcheinander, wo
aber stets eine intensive, ungehinderte Besonnung statthaben
konnte, auch „mit Wahl“ weitere 300 Blätter, die zwar nicht in
der Gesamtheit eine solche Hemmung der Entwickelung aufweisen,
wie sie das Maximum der ersten Reihe zu erkennen eibt, wo aber
gleichwohl wieder, als bei Minus-Varianten, die typische Größe
noch nicht erreicht ist.
In beiden Fällen aber nun erkennen wir auch jetzt wieder,
daß auch hier ebenfalls unsere Gesetze das Wachstum beherrschen,
daß wieder nicht Zufall und Willkür trotz der offenbar doch
schädlichen Wirkung von außen her obwalten, und daß selbst die
stärkste Selektion keine fundamentale Differenz herbeizuführen
vermag.
Breite des Blattes e Majanth. bifol. von sonnigem
Standorte.
mm: 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34
Frequenz: 1 1 2 1215 1716 2124292831205 331— —— — — — n —= 200
„ 4 10 12 14 29 32 27 19 24 27 293827 222711 n — 300
Indes kennen wir aber doch auch Fälle, wo morphogene
Reize in deutlichster Weise den „Bauplan“ nicht nur quantitativ,
graduell, sondern auch qualitativ zu ändern die Pflanzen veran-
lassen können. Ich meine hier natürlich nicht die Erscheinungen
der „direkten Selbstanpassung“, wie sie durch die Forschungen
und Versuche von Constantin, Volkens, Stahl, Vöchting,
Lesage, Frank, Askenasy, Goebel, Gräbner etc. bekannt
wurden, sondern habe jetzt vielmehr die Fälle im Auge, wo para-
sitäre Einwirkungen störend Deformationen bedingen, wo Schma-
rotzer sich im Gewebe der Wirtspflanze einnisten. Dieselben üben
auf das lebende Protoplasma tiefgreifende Veränderungen aus, in-
dem, wie bei der Gärung etwa durch die Wirksamkeit der Hefe-
zellen die chemische Konstitution der Kulturflüssigkeit ihre Ver-
änderung durch Spaltung der Verbindungen etc. erfährt, entsprechend
hier, in einem saftreichen, wachstumsfähigen Parenchyme, mit der
Fähigkeit begabt, auf Kosten der aufgenommenen Substanz sich zu
teilen und erweitern, eine Umwandlung der ganzen organischen
„spezifischen Konstitution“ veranlaßt wird, eine Umwandlung, bei
der sozusagen ein andersartiges Plasma bezüglich seiner Gestal-
tungstendenz entsteht. Es „verschmilzt“ nämlich förmlich ein Teil
des Protoplasma mit dem des Parasiten, und naturgemäß gelangen
dann bei der Bildung eines Gewebekomplexes äußerlich auch andere
Formen zur Schau.
Ich entschloß mich nun, schließlich auch noch einem solchen
Objekte die Beachtung zu schenken. Dazu schien mir nun von
all diesen mannigfachen Erscheinungen der Hypertrophien, Asci-.
dien, Hexenbesen, Krebsen etc., indem auch die Bedingung eines
\
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 299
zweidimensionalen Wachstums von vornherein wenige Auswahl ge-
stattete, recht eünstig die Huphorbia amygdalordes (silvatica).
Denn deren mit dem Aecidium infizierten Blätter dürfen deshalb
als „eutes Merkmal“ angesprochen werden, weil der parasitäre
Einfluß in augenfälliester Weise in einer völlig differenten Gestal-
tung, die den Unwissenden eine andere Spezies vermuten lassen
kann, seinen Ausdruck findet, aber weil trotz dieser Deformation
doch nicht etwa eine Verkrüppelunge der Phyllome dieselben der
Messung schwer zugänglich macht. Auch stand eine Menge Ma-
terial (in Göttingens Umgebung) zur Verfügung.
Die Variationsverhältnisse, selbst hier nun wieder mit unseren
alten Zwischenklassen, vergegenwärtigen wir uns aus folgender
Übersicht.
Länge der infizierten Phyllome der Zuphorbia
amygd. (silv.). (n = 800.)
mm:78 91011 1213 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30
Frequenz: 2 6 14 20 18 24 40 50 42 78 94 80 68 36 32 44 34 24 18 12 16 24 14 10
Es muß also geschlossen werden, daß selbst dieser störende,
sewaltsame Eingriff — von einer harmonischen mutualistischen
Symbiose kann ja hier gar keine Rede sein — die gesetzmäßigen
Teilungen unserer Lebenseinheiten prinzipiell nicht zu beeinflussen
vermag, sondern eben nur eine Veränderung bezüglich ihrer An-
ordnung in der allerjugendlichsten Anlage und in einer Weise, wie
sie noch erörtert werden wird, veranlaßt. So können wir nun auch.
die jetzt abweichende Form des Blattes, die „anomale“ mit der
„normalen“, eesunden, ebenso die durch „Mutation“ entstandenen
Neubildungen zu ihrer Stammform, ja wohl überhaupt alle homo-
losen Organe, wo nur immer gleiche Entwickelungsprinzipien be-
obachtet werden, ja, vielleicht alle Erscheinungsformen der orga-
nischen Welt — vgl. später — trotz der Verschiedenheit be-
züglich der feineren, näheren äußeren Gestalt, und der Stellung
in der Stammeseeschichte, in solche Beziehung zu einander stellen,
wie etwa die mannichfachen, verschiedenen Kristallformen, in
denen beispielsweise der die Spezies „Caleit“ bildende kohlensaure
Kalk erscheint. Dieselben sind ja alle doch auf dasselbe System
zurückzuführen und voneinander abzuleiten. So ist bei uns ja stets
die organisierte „Einheit“ das Gemeinschaftliche, die wir stets als
„Gleiches“ auffassen können. Denn selbst eine chemische Differenz
wird im Wesentlichen hier keine andere Rolle spielen als bei den
zahlreichen je gleichwertigen Teilstücken der Zelle, z. B. den
Chlorophylikörnern einer Art, die, trotzdem ihre chemische Zusammen-
setzung etwas differiert, gleichwohl in der großen Zahl von gleicher
Größe sind, auch sonst gleiches Gepräge zur Schau tragen, und in
sleicher Weise ihre Funktion verrichten. Dann aber sind ja auch
chemisch verschiedene Mineralien isomorph und vermögen in der
gleichen Krystallform aufzutreten.
300 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete.
Werfen wir nun auch hier wieder einen kurzen Rück,
blick auf unser Resultat des zweiten Abschnittes unserer Arbeit-
so finden wir also wieder, soweit der dem Wesen nach bestehende
Unterschied zwischen ein- und zweidimensionalem Wachstum eine
Konkordanz zuläßt, das Ergebnis des ersten Teiles bestätigt: Auch
hier ist das Wachstum diskontinuierlich, und unter allen Umständen
sesetzmäßig, und jedenfalls dem Prinzipe nach stets völlig unbe-
einflußt von chemischen, physikalischen und biologischen Faktoren.
Denn auch hier variieren überall die absolut gleichen Zwischen-
klassen diskontinuierlich, jetzt im Verhältnisse der Quadratwurzeln
aus Fibonacci-Zahlen stehend. So als Quadratwurzeln, im Einklange
mit den Tatsachen, weisen sie auf ein nach beiden Dimensionen hin
in gleichem Verhältnisse statthabendes Wachstum infolge einer
treukonservierten ÖOrientierungsweise der Einheiten, aber wegen
ihrer Beziehung zu den Fibonacei-Gliedern wieder auf unsere vin-
dizierte, gesetzliche Vermehrung der organisierten Teilkörper hin,
besonders da auch hier keine andere Erklärungsmöglichkeit besteht.
Auch hier wieder gibt sich ein recht allgemeines Entwickelungs-
prinzip zu erkennen.
Bisher nun haben wir uns ausschließlich mit Fällen beschäftigt,
wo sich. das typische reguläre Längen- wie Flächenwachstum stu-
dieren ließ, und dabei also eine Entwickelune im Verhältnisse der
direkten Fibonacei-Zahlen bezüglicherweise der Quadratwurzeln
aus denselben konstatiert. Diese Erscheinung macht es denn nun
ohne weiteres wahrscheinlich, daß da, wo es sich um
III. das normale Körperwachstum der Pflanzen
handelt, nun die Kubikwurzeln aus den Gliedern der genannten
Reihe in entsprechender Weise durch das nach der strengen Form
des Quetelet’schen Satzes ungerechtfertigte Überwiegen einzelner,
in ihrem Verhältnisse die Abseisse teilenden Ordinaten auf das
gleiche Teilungs- und ein analoges Lagerungsgesetz zu schließen
nötigen. Denn auch hier müßte sonst doch immerhin die erste
sesetzmäßige Anordnung in der Organanlage sowie die Beziehung
zur Lame&’schen Reihe noch jeder Begründung entbehren, wenn
sich auch für einen eventuell zu beobachtenden gleichmäßigen Fort-
schritt der drei Dimensionen der auf unsere Teilkörper ausgeübte
Druck und somit sich ergebende Zwang, in der bestimmten Orien-
tierung zu verharren, geltend’ machen läßt.
Um nun diese Frage zu entscheiden, schlug ich zwei ver-
schiedene Wege bei der Untersuchung ein, indem aber jedesmal
die erhaltenen Werte wieder nach der bewährten statistischen Me-
thode verwertet wurden. Leider nur traten mir bei meinen dies-
bezüglichen Arbeiten in gewisser Beziehung eine Reihe von Schwierig-
keiten in den Weg, die, sonst aber auf die Richtigkeit und Brauch-
barkeit der Ergebnisse ohne den allergeringsten Einfluß, vor allem
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 301
in dem Mangel an geeienetem Materiale zu Beginn meiner Unter-
suchung im Frühjahre ihren Grund haben. Trotzdem aber dürfte
also klar und eindeutig der Beweis der Richtigkeit unserer Ver-
mutung erbracht sein, sodaß ich bereits diese vorläufigen Fest-
stellungen des Zusammenhanges halber jetzt durch Publikation der
Kenntnisnahme weiterer Kreise zugänglich machen möchte. Denn
sie geben vielleicht Veranlassung, daß auch von andrer Seite her
analoge Prüfungen eingeleitet werden.
So stellen zunächst die Samen von Ampygdalus commumnis
(„süße“ Mandel, ohne Perikarp) wenige homogenes Material dar.
Auch erweist sich durchweg die dritte Dimension so gering bezüglich
ihrer Größe, daß auf ihre Messung Verzicht geleistet werden mußte,
da ja dieselbe Werte ergeben hätte, die nur durch Berechnung von
Brüchen auf ihre Übereinstimmung mit der Theorie hätten geprüft
werden können. Dies mochte natürlich wenig empfehlenswert und
unsicher, andrerseits aber, im Hinblicke auf das erzielte Resultat,
auch entbehrlich erscheinen. Denn an und für sich muß ja das
Auftreten einer Zahl im Werte der Kubikwurzel schon allein für
entsprechende Gesetzmäßigkeiten auch der anderen Dimensionen,
mathematisch eindeutig, garantieren.
Die Zahlenverhältnisse, wie sie nun bei der Messung zunächst
der Länge resultierten, stellt foleende Tabelle dar.
Größe der Länge des Samens von Amygd. comm.
ea ed jeltg) ou ei 29 93) 21 25, 26 24 28 29
Frequenz: 4 6 38 30 40 34 162 164 132 168 108 46 12 20 14 2 ca: n—1000
Auch hier war wieder der Millimeter als Maßeinheit zugrunde
gelest, und die Messungen nun mit Hilfe einer guten Schubleere
auseeführt worden. Daher dürfte wieder jeder Irrtum inbezug
auf die Größenzahlen ausgeschlossen sein, da ja mit dem Nonius
auch in Fällen, wo die Länge nicht genau mit dem Ende eines
Multiplen der Einheit kollidierte, durch leichte und sichere Fest-
stellung der größeren Annäherung an eine der beiden in Frage
stehenden Größen eine zuverlässige Entscheidung herbeigeführt
werden konnte.
Wie nun ersichtlich, haben wir es auch hier, trotz der für
eine so geringe Variationsweite doch genügenden Zahl von Unter-
suchungen, wo doch sicher das Gesetz der großen Zahlen Ber-
noulli’ss und Poisson’s der Theorie nach seine Gültiekeit haben
müßte, wieder nicht mit einer durchaus „normalen“ Verteilung der
Varianten zu tun. Denn das darzustellende Polygon macht der
Tatsache auch entsprechend, eanz den Eindruck einer Summations-
kurve, wo wieder einige Klassen diskontinuierlich variieren. Es
gilt dies für 20, 21 — 23 27-28, und, wie die „Andeutung“
eines Gipfels verrät, für 17.
Offenbar nun spielen diese Zwischenzahlen auch in unserem
Falle im Leben der Pflanze wieder eine wichtige Rolle, und ich
meine, da wir doch aus ihnen Schlüsse von weittragender Be-
302 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete.
deutung ziehen wollen, auch hier zuerst wieder den Nachweis
schuldig zu sein, daß unsere Maxima echte, wahre Gipfel sind, die
sich als solche konstant erhalten, und daß sie nicht etwa als „Nach-
barzahlen“ solcher oder überhaupt völlig zufällie nur anfänglich
überwiegen, um bei unendlich vielen Beobachtungen schließlich doch
noch kontinuierlich zu variieren. ‚Auch hier will ich nun den Nach-
weis wieder so einfachst führen, daß ich kurz die Entwickelung
der statistischen Verhältnisse demonstriere.
Besonders eünstig dürfte es da für unseren Zweck sein, dab
je 500 Mandeln bezüglich ihrer Güte ete. verschiedenen Qualitäten
angehören, die natürlich als solche zunächst auch gesondert ze-
messen wurden, und dabei nun folgende Verteilung ergaben.
Größe der Samen von Amygdal. comm.
mm: 14 15 16 17 18 19 20 231 2 23 24 25 26 27 28 29
Frequenz: 2 0 2 10 6 24 66 70 58 108 76 36 6 18 4 2 1. Qualität.
2
„ 2 6 6 20 34 60 96 94 74 60 32 10 6 = 2. Qualität.
Wir bemerken da, daß inbezug auf die Frequenz der einander
entsprechenden Klassen ein Unterschied besteht, ja daß in beiden
Fällen wieder einmal andere Hauptmaxima resultieren — selbst-
verständlich nur infolge der Auswahl seitens der Händler — die
so auch auf einfachste Weise die Äquivalenz zweier Gipfel in der
Gesamtkurve begründen. Wir konstatieren aber weiter, daß trotz-
alledem diese beiden verschiedenen Zwischenzahlen in beiden
Reihen der Übersicht eine bevorzugte Stellung einnehmen. Denn
so überwiegt im ersten Falle 20, 21 als sekundäres Maximum ganz
bedeutend, und im anderen Falle deutet 23 ganz deutlich, besonders
bei graphischer Darstellung, einen Gipfel an. Offenbar würde sie
mit noch viel größerer Frequenz überwiegen, wenn nur der Schwer-
punkt mehr nach der positiven Richtung läge. Außerdem aber
sind es noch weitere Zahlen, welche uns durch ihre besondere
Häufigkeit auffallen, 17 und 27,28. Diese liegen zwar auch noch
innerhalb des Variationsfeldes der zweiten Reihe, aber da genießen
sie unter diesen Minusvarianten keine besondere Bevorzugung. Hin-
gegen im ersten Falle treten sie so überwiegend auf, daß sie sich,
wie wir aus der Tabelle der Gesamt-Verteilung ja bereits ent-
nahmen, selbst da noch als deutliche Maxima behaupten.
Können wir nun schon hieraus, unter Berücksichtigung all
dieser Umstände, mit Recht schließen, daß auch sie keineswegs zu-
fällige, willkürliche Varianten sind, denen keine tiefere, innere Be-
deutung zugrunde lieet, sondern daß auch sie infolge der streng
regulierten Wachstumsprozesse als Zwischenzahlen auftreten, aber
hier nur infolee der künstlichen Auswahl seitens der Händler nicht
zur Geltung kommen, so besitzen wir außer dieser Konstanz einen
weiteren sicheren Beweis darin, daß bei sonstiger Übereinstimmung
dieselben Zahlen auch bei den „Knackmandeln“ die kontinuierliche
Variation unterbrechen.
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 303
Größe der Länge des Samens von der „Knackmandel“.
mm: 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28
Frequenz: 3 6 3 6 18 24 33 57 839 21 Oele sa: n—225.
Wie steht es nun aber mit der Breite? Wir hatten bei
unseren Untersuchungen des vorigen Abschnittes gesehen, daß da
senau dieselben Zahlen überwogen wie bei der Länge, wenn sie
meist natürlich auch nur niederere Zahlenelieder der betreffenden
Entwickelungsreihe waren. Ein Analogieschluß auf unsere jetzigen
Verhältnisse läßt somit erwarten, daß Ähnliches auch hier der Fall
ist. Dann aber, im Falle der Richtiekeit unserer Vermutung,
wären wir ja in den Stand gesetzt, unsere jetzige, die inneren
Vorgänge dartuende Reihe durch weitere, neue zugehörige Glieder
zu erweitern. Tatsächlich nun sehen wir uns da nicht getäuscht,
denn sowohl bei den Variationen der Breite der „süßen“ wie der
„Knack“-Mandel finden wir übereinstimmend und konstant 13 als
primäres Maximum. Deren Zugehöriekeit zu unserer Reihe dürfte
nun schon aus dem weniger bedeutenden, aber doch immer noch
Senügrend auffallenden Überwiegen der 17 bei Amygdalus communis,
die wir ja auch bei Längenmessung als Gipfel vorfanden, mit Sicher-
heit zu erschließen sein.
Größe der Breite des Samens von der
1. Süßen Mandel. (n=1000.) 2. Knackmandel. (n = 225.)
mm: 910 11 12 13 14 15 16 17 18 11 12 13 14 15 16
Frequenz: 6 38 118 178 298 226 80 24 24 8 15 48 834 42 24 12
Fassen wir nun, an der Hand des Ermittelten, unsere Gipfel-
zahlen alle zusammen, so würde sich also nunmehr die Reihe aus
den Gliedern 13 — 17 — 20, 21 — 23 — 27, 28 zusammensetzen,
die nun schließlich noch durch weitere Komponenten, wie sie sich
bei übriger Übereinstimmung selegentlich einer Untersuchung der
Dimensionen der „Glaszwiebel“, einer Varietät von Allium cepa,
ergaben, eine erwünschte Ergänzung erfahren.
(rerade dieses Objekt erschien mir nämlich wegen seines re-
»ulären Wachstums für unseren Zweck recht geeignet. Leider nur
lassen sich auch hier nur zwei Dimensionen, die wegen der Kreis-
form des @uerschnittes als Durchmesser natürlich gleiche Größe
besitzen, quantitativ bestimmen. Denn die Längenmessung würde
wegen der allmählichen Verschmälerung und des allmählichen Über-
vanges der Zwiebel in den Stengel nur unsichere, und somit un-
brauchbare Resultate liefern.
{
Größe des Durchmessers der Glaszwiebel. (n = 240.)
mm: 2072137 2 2 24 5 26 27 28 29. 80 81. 32 83 34 85 86 87 38 39
Frequenz: 4 6 8 4 6.16 19 19 2 24 20 221210 6 44.2
304 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum etc.
Auch hier überwiegen nämlich gewisse Klassen 20—23,
24--27—30—--33—38, Zahlen, die trotz einiger gemeinsamer von
den früheren Reihen deutlich im Zusammenhange abweichen, ganz
abgesehen davon, daß das hier von den beiden früheren Arten
völlig differente Wachstum schon an und für sich wieder eine völlig
verschiedene Auffassung und Deutung erheischt.
Wie nun bereits angedeutet wurde, stehen unsere jetzt er-
mittelten diskontinuierlichen Variationsklassen bezüglich ihrer arith-
metischen Wertigkeit nunmehr mit den Kubikwurzeln aus Fibonacei-
Zahlen in Beziehung. Waren nun früher die gelegentlich der
Untersuchungen über zweidimensionales Wachstum gefundenen
Maxima die mit 10 multiplizierten Quadratwurzeln aus den Gliedern
jener Reihe, so sind jetzt unsere Gipfelzahlen direkt mit den
ebenso oft vervielfachten Kubikwurzeln identisch, wie die wieder
vorzügliche Koineidenz zwischen Theorie und Praxis, aus nach-
stehender Tabelle ersichtlich, demonstriert.
Gipfelzahlen und ihre Koinceidenz mit den Kubikwurzeln
aus Fibonacei-Zahlen.
Hauptreihe:
Empirischer Wert: 13 Id 20, 21 23, 24
3 sn Bit 3”
Theoretischer Wert: 10./2=12,6 10./5=17,1 10.)8=2%0 10.713 = 23,5
Empirischer Wert: 27, 28 33 38
3 3 3
Theoretischer Wert: 10./ 21=27,6 10./34—=32,4 10.55 = 38,0
Nebenreihe:
Empirischer Wert: 30
3
Theoretischer Wert: 10 .V26 —2ING:
Auch hier wieder werden wir also zur Annahme unserer Teil-
körper und ihrer bereits des öfteren vindicierten gesetzlichen Teilung
tatsächlich gezwungen. Hatte uns nun aber die Quadratwurzel auf das
Quadrat und seine typischen Eigenschaften verwiesen, von denen
wir rückschließend, zur Annahme einer nach beiden Dimensionen
in gleichem Verhältnisse statthabenden Stoffzunahme „elangten, so
müssen wir nun entsprechend jetzt von der einfachsten dreidimen-
sionalen Form, dem Würfel, ausgehen, und wieder seine charakter-
istischen Merkmale, die Gleichheit der drei Seiten und ihre recht-
winklige Stellung, zum gerundlegenden Auseangspunkte der Er-
klärung der Wertigkeit der Zwischenzahlen als Kubikwurzeln
machen. Demzufolge hätten wir dann hier ebenfalls anzunehmen,
daß wieder, den Tatsachen auch wirklich entsprechend, ein überall
hin in einheitlichem gleichen Rhytmus fortschreitendes Wachstum
statthat, nach unseren Vorstellungen wieder infolge der eleich-
bleibenden gegenseitigen Lagerung (selbst im Laufe noch so oft
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 305
wiederholter Teilungen) unserer organisierten Leebenseinheiten, die
die plasmatische Substanz aufbauen.
Leider waren wir eben bisher noch nicht in den Stand ge-
setzt, ein im Zahlenverhältnisse der Kubikwurzel stattfindendes
Wachstum auch für die dritte Dimension nachzuweisen, da uns
jedesmal unüberwindliche Schwierigkeiten in der morphologischen
Eigenart der wenigen, zu Gebote stehenden Objekte entgegentraten.
Und wenn wohl auch durch das bereits Festgestellte, zumal im An-
schlusse an die analogen Erscheinungen beim Längen- wie Flächen-
wachstume, an der Tatsächlichkeit unserer vermuteten Entwicklung
nunmehr jeder Zweifel als beseitigt betrachtet werden darf, um so
mehr, als ja das Auftreten einer Kubikwurzel dasselbe auch bei
den anderen Dimensionen mathematisch notwendig erscheinen läßt,
so hätte ich eben gleichwohl gerne noch zum Überflusse den tat-
sächlichen Beweis erbracht.
Um nun nach Möglichkeit noch diese Schwäche der Arbeit
zu beseitigen, wurde noch die zweite Methode eingeschlagen, deren
Ergebnisse nun gleichfalls wieder nicht gegen uns sprechen: Ich
bestimmte im Volumeter, einem sorgfältige graduierten Gefäße, den
Betrag der Höhe, in einer Maßeinheit, fast dem Millimeter gleich,
ausgedrückt, um den das Niveau des Wassers stieg, nachdem ich
jedesmal einen der zu untersuchenden Körper, die Knollen von
Solanum tuberosum (sog. „Reichskanzler“) in dasselbe eingebracht
hatte. Es müßten ja dann, da bei ähnlichen Körpern die Volumina
im Verhältnisse ähnlichliegender Strecken, letztere also im Ver-
hältnisse der Kubikwurzeln ersterer stehen, wenn wirklich auch
hier die Dimensionen in der geforderten Weise im Verhältnisse der
Kubikwurzeln aus den Zahlen der Lame&’schen Reihe variieren,
die Gipfel der ermittelten Variationen direkte Fibonacei-Zahlen
ergeben.
Leider traf es sich nur wieder ungünstig, daß auch unser
jetziges Objekt kein besonders gutes Material repräsentiert, da ja
sanz natürlicher Weise das Wachstum in der Erde durch den ge-
walticen Bodendruck und durch sonstige mechanische Hindernisse,
Steine und dergleichen für uns unliebsame, nachteilige Beeinflussung
erfahren muß, wie ja auch die Unregelmäßiekeit der Gestalt der
Kartoffelknolle genugsam bekundet. Auch konnten wegen einer
nicht allzugroßen Zahl der zur Verfügung stehenden Exemplare die
Ermittelungen nur in einem Gefäße mit relativ großem Durchmesser,
zirka zehn Zentimeter, vorgenommen werden. Denn nur so war
ja auf keine, natürlich mehr Einzelbeobachtungen erfordernde
Variationsweite, die allerdings auch wieder weitere, zahlreichere
Zwischenzahlen zeliefert hätte, zu rechnen.
Wie wir nun sehen, fällt der Hauptgipfel in unseren beiden
ersten Reihen auf 4, während in der dritten Reihe — deren Ma-
terial von einem anderen Händler stammt, vielleicht auch einer
besonderen Kulturvarietät angehören mag — 6 als primäres Maximum
auftritt, aber gleichfalls 4 eine hervorragende Frequenz besitzt.
Außerdem aber fällt noch die Andeutung eines Gipfels bei 10 auf,
und in den ersten Reihen der Übersicht bei 8. Ebenso sehen wir
Beihefte Bot. Centralbl. Bd. XXIII. Abt. I, Heft 3, 20
306 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete.
12 eine besondere Häufigkeit aufweisen; vergegenwärtigen wir uns
nun wieder die ungünstigen Wachstumsbedingungen und erwägen,
daß die durch sie bedingte Anomalie um so augenfälliger in die
Erscheinung treten muß, je größer das Objekt ist, da es dann ihren
Einflüssen natürlich auch am meisten ausgesetzt war, so könnte
man wohl vermuten (will man nicht das oft anfänglich zu be-
obachtende Überwiegen von „Nachbarzahlen“ oder etwa unseren
Maßstab als ungünstig verantwortlich machen), daß 12 nur infolge
der störend einwirkenden äußeren Einflüsse statt 13 diskontinuierlich
varüert. Dann aber hätten wir durchweg Zahlen, die in glänzendster
Weise mit den verlangten kollidieren.
Kartoffeln. Steigen des Wassers im Volumeter
um die Einheitsstrecke.
Klasse 12773077 572655055
_ Frequenz: 21068 646 81814 ı 4 A A 2 — n — 300
1 14.91.1197 81,50 oa a na
—_ 115,81 31446-342315. 18 57 5.8 2.29 1 1lmego:
Doch sprechen jedenfalls auch so, ohnedies, trotz der geringen
Abweichung, unsere Ergebnisse von dieser Seite her durchaus nicht
gegen unsere logisch begründete, dem Zusammenhange nach not-
wendige, bezüglich ihrer Richtigkeit auf anderem Wege auch be-
reits bestätigte Annahme eines Wachstumes jetzt im Verhältnisse
der Kubikwurzeln aus Fibonacci-Zahlen, ebensowenig wie gegen
die Voraussetzung unserer Teilkörper und ihrer gesetzmäßigen, ein-
fachen, in der Natur auch beobachteten Teilung: Tatsächlich ist ja
auf diese Weise eine, mit keinem wissenschaftlichen Ergebnisse
im geringsten Widerspruche stehende, einfache, ungezwungene, voll-
ständige Erklärung zu geben.
Fassen wir nun auch hier unser Resultat zusammen, jetzt
aber in Mitberücksichtigung unserer früheren Ergebnisse, so würden
sich dann etwa folgende Sätze als
Resultat der Arbeit
ergeben:
1. Das organische Wachstum erfolgt schon insofern gesetz-
mäßig, als die Anordnung der Varianten beim statistischen Ver-
fahren eine solche ist, wie sie den Anforderungen des Quetelet’schen
Gesetzes entspricht: Stets, die chemischen physikalischen Bedingungen
und sonstigen biologischen Faktoren mögen beliebige sein, es mag
sich handen um quantitative oder numerische, individuelle oder
partielle, Kon- oder De-Variabilität ete., ergibt sich ein Mittelwert
jeweilig, um den sich die Variationen mit um so geringerer Fre-
quenz nach beiden Richtungen bei linearer Darstellung gruppieren,
je entfernter sie ihm stehen.
2. Im Gegensatze zur Variation anorganischer Merkmale, wo
zwar auch die Kollektivmaßlehre ihre Anwendung finden kann,
aber bei wiederholten Untersuchungen auch desselben Merkmales
stets andere Gipfel resultieren, ist das Maximum, das bezüglich
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 307
seiner Lage durch die spezifischen Eigenschaften des Objektes be-
dinet ist, in der großen Zahl hier dasselbe, und konstant, selbst
wenn das Material von verschiedenen Standorten stammt. Selbst-
verständlich können dabei nie die völlig eleichen Ernährungsbe-
dingungen vorausgesetzt werden, und so ist daraus, wie auch be-
sonders aus der trotzdem bei genügend großer Untersuchungszahl
zu beobachtenden Übereinstimmung seiner relativen Häufigkeit der
Nachweis erbracht, daß der Gestaltungsprozeß bis zu einem ge-
wissen Grade unabhängie von äußeren Faktoren verläuft.
>. Weiterhin bestätigt diesen Schluß die Frequenz der übrigen
Varianten. Stellt man sich nämlich, vorausgesetzt stets eine genügende
Zahl von Beobachtungen, die prozentuale Häufigkeit dar, so er-
kennt man, daß, wie die Größe der Neigung, einen bestimmten
Mittelwert hervorzubringen, auch die Größe der Tendenz, auf einer
früheren oder späteren Entwicklungsstufe als Minus- oder Plus-
variante stehen zu bleiben, erblich geregelt sein und dem Plasma
inhärieren muß.
4. Nur wenn Kurven einander gegenüber „gestellt werden,
deren Material von Standorten herrührt, wo einmal eine nachhaltige,
einen gewissen Grad der Stärke überschreitende Selektion wirkte,
respektive, wo im anderen Falle die Entwickelung durch keine
solche oder eine entgegengesetzt wirkende beeinflußt wurde, ist
zwischen den beiden Polygonen eine Differenz zu Konstatieren,
die nun bestehen kann:
a) in einer Verschiebung der Schwerpunktsordinate,
b) im Auftreten eines neuen Gipfels.
3. Indes ist trotzdem die Wirkung eine beschränkte, und
jedenfalls vermag Zuchtwahl, der äußere Einfluß keine neuen Sippen,
die ein neues konstantes Merkmal aufweisen, zu erzeugen. Denn
wenn nicht innerhalb einer Art erblich fixierte, „Rassen“ (wie bei
den Umbelliferen) bestehen, ergeben sich keine Kombinationspoly-
sone, und so ist dadurch auch weiter gewährleistet, daß durch
fluktuierende Variabilität keine neuen Arten entstehen. Die teil-
weise Unabhängigkeit des Wachstumsphänomenes von dem „monde
ambiant“ zeigt sich aber evident noch in anderer Weise, die aus
dem Folgenden klar werden wird.
6. Es treten stets gewisse „Zwischenklassen“ auf, die die
kontinuierliche Variation unterbrechen, d. h. die Entwickelung ist
keine gleichmäßige, sondern eine sprungweise, rhythmische.
7. Dieselben sind konstant und ebenfalls erblich geregelt,
ferner je die absolut gleichen, soweit ein gleicher Wachstumsmodus
statthat, also an allen homologen Organen, ebenso je bei der Va-
riation der zwei Dimensionen bei Flächen-, und der drei Dimen-
sionen bei Körperwachstum. Sie fehlen nur dann, wenn dank der
lokalen Verhältnisse die ganze betreffende Partie der Kurve fehlt,
oder durch nur wenige Vorkommnisse vertreten wird.
8. Wenn nun eine Selektion einen Wechsel des Gipfels zur
Folge hat, so liegt das neue Maximum dann stets auf einer dieser
diskontinuierlichen Klassen, wird also die Entwickelung, die diese
typischen Hauptstufen «urehläuft, im Prinzipe nie gestört, sondern
20*
308 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete.
eben nur graduell beeinflußt. Es gilt dies für Gigantismus wie
Nanismus, sowie Deformationen und Anomalien, als weiter die
Pleophyllie und Pleotaxie wie Polykladie.
9. In genau derselben gesetzmäßigen Weise bedingt auch
partielle Variabilität, wenn überhaupt, einen Unterschied.
10. Außer der Konstanz und erblichen Regelung kommen nun
unseren Zwischenzahlen auch mathematische Gesetzmäßiekeiten zu.
Stets sind diese in Beziehung zu bringen zur Fibonacei-Reihe. So
teilen die diskontinuierlichen Ordinaten die Abscisse bei Längen-
wachstum im Verhältnisse der direkten Glieder der Lame’schen
Reihe, bei Flächenwachstum in dem ihrer Quadratwurzeln und bei
Körperwachstum dem der Kubikwurzeln. Auf dem Gebiete der
numerischen Variation variieren die Simpla und Multipla. je nach
der Art der Anordnung etc. und eines eventuellen „Dedoublements“
oder weiterer Vervielfältigung, als Zwischenzahlen, auch bei manchen
tetrameren Phanerogamen.
11. Somit liert den untersuchten Organen, wie verschiedenen
Familien ein einheitliches Entwickelungsprinzip zu Grunde (mutatis
mutandis!).
12. Dasselbe ist rein mechanisch nicht zu erklären. Zwar
kann man sich aus der gegenseitigen Beeinflussung in Kontakt
seratener Organe das Zustandekommen allgemein von Divergenzen
vorstellen, aber allein durch mechanische Begründung ist nie den
xesetzmäßiekeiten bezüglich Frequenz, Konstanz Rechnung ge-
tragen. Ebensowenie sind die Regelmäßigkeiten des ein-, zwei-
und dreidimensionalen Wachstumes ausschließlich mechanisch zu
beeründen. So besteht also ein fundamentaler Unterschied zwischen
organischem und anorganischem Wachstume Es dürfte kaum «e-
lingen, durch Darstellung „künstlicher“ Pflanzen, beruhend auf der
physikalischen Erscheinung der Diosmose etc., und aus der „Proto-
plasmamechanik“ den Gestaltungsvorgang zu erklären.
13. Um nun aber gleichwohl das Zustandekommen der gesetz-
mäßigen Variation zu verstehen, ergibt sich die Notwendigkeit der
Annahme kleinster lebender Individualitäten, die die gesamte
lebende Substanz aufbauen. Auf deren &esetzmäßigen, einfachen,
im Zahlenverhältnisse des Fibonacei geschehenden, in der Natur
auch tatsächlich beobachteten Vermehrung würde dann das
organische Wachstum (unter sonstiger Bewahrung unserer jetzigen
Anschauungen über Nahrungsaufnahme etc.) beruhen.
14. Zur Erklärung der Wertigkeit der Klassenzahlen bei
Längen-, Flächen- und Körperwachstum ist dann weiter einfachst
anzunehmen, daß stets die Verteilung der „Einheiten“ im Laufe
der Teilungen je eine gleiche, einheitliche bei den einzelnen Organen
bleibt, wenn einmal erst die Anordnung in der Organanlage durch
organische Kräfte geschehen ist. So ergeben sich ja die direkten
Fibonacei-Zahlen, so auch ihre Quadratwurzeln und Kubikwurzeln,
infolge des dadurch bedingten, je nach ein, respektive zwei und
(lrei Dimensionen in eleichem Rhythmus statthabenden Wachstumes,
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 309
Kann nun unsere Hypothese letzter lebender Einheiten schon
deshalb als vollberechtiet «eelten, da sie gewisse Erscheinungen
ohne Widerspruch zu erklären vermag, so muß sie aber ganz na-
türlich noch einwandsfireier in jeder Weise erscheinen, wenn wir
sie auch mit Vorstellungen, zu denen Phänomene ganz anderer
Natur und andere Reflexionen führten, in Einklang bringen können.
Daß nun wirklich auch bereits von anderer Seite her ähnliche
Gebilde vorausgesetzt werden mußten, und daß wir mit diesen
unsere Teilkörper identisch halten können, das möchte ich nun jetzt,
besonders, weil daraus auch weitere direkte Vorteile für unsere
Auffassung resultieren dürften, und da unsere hier vorgebrachten
Grundanschauungen von den bestehenden, meistverbreiteten An-
sichten speziell über den Wachstumsprozeß ziemlich abweichen,
unter stetiger Bezuenahme auf denselben demonstrieren:
Schon durch die allerersten anatomischen Forschungen auf
botanischem Gebiete, die der Italiener (38) Marcelius Malpiehi
1674 und der Engländer (39) Nehemias Grew 1682 vornahmen,
gewann man ja durch die Entdeckung des zellulären Baues der
Organismen einen hübschen Einblick sowohl in die Tektonik der
Lebewesen, wie auch besonders in die Natur des auf Teilung der
organisierten Materie unter steter neuer Stoffaufnahme und Ver-
arbeitung in homogene Körpersubstanz beruhenden Wachstumsphäno-
menes. ‚Denn waren ja wohl auch die Vorstellungen, die man sich
über diese eigenartigen Gebilde machte, selbst nach den bahnbrechen-
den Untersuchungen von (40) Wolff, (41)Oken, (42) Treviranus,
(43) Purkinje, (44) Schleiden etc- in vielen Punkten noch recht
mangelhaft, indem man ja so vor allem der doch unwesentlichen, aus
dem Plasma erst „ausgeschwitzten“ Membran die bedeutsamste Rolle
beim Lebensprozesse zugestand, so resultierte doch trotz alledem als-
bald als eines der wichtigsten Fundamente der modernen Biologie schon
aus diesen anfänglichen Studien die Erkenntnis einer wichtigen Tat-
sache. Es ergab sich, daß jede einzelne dieser Zellen schon ein eigener,
selbständiger Träger der charakteristischen Lebensfunktionen, der
Assimilation, des Wachstums und der Teilung ist, eine „Lebenseinheit“,
um (45) Virchow’s Nomenklatur zu gebrauchen, und so durch ihre
sesetzmäßigen Teilungen und Segmentierungen, besonders schön
und exakt an Meristemen und Veeetationszonen, eben den Ge-
staltungsvorgane, die Volumenzunahme etc. einleitet, in steter Be-
rücksichtieung des »Prineipiums minimae areae«, sodaß die auf-
tretenden Zellwände unserem Auge als rechtwinklig sich schneidende
Kurvensysteme, die periklinen als eine Schar konfokaler Parabeln,
die antiklinen als orthogonale Trajektorieen ete. erscheinen.
Aber, wie man sich nun weiter mit der Physiologie dieser
Zellgebilde beschäftigte, mußte man gar bald aus deren Fähigkeit,
auf die allerverschiedensten äußeren Reize, aufthermische, optische,
chemische, mechanische Einwirkungen in vesetzmäßiger Weise zu
reagieren, ebenso aus dem Vermögen, die kompliziertesten, che-
mischen Prozesse zu vollziehen, und die verschiedenartigsten, auf
eivenste Art aufgebauten Substanzen herzustellen, mit Notwendig-
keit den Schluß ziehen, daß sie hochzusammengesetzte Körper,
310 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum etc.
also gewissermaßen selbst wieder „Elementarorganismen“ sind,
und so für das Wachstum und die Gestaltung in letzter Linie nicht
verantwortlich gemacht werden Können. Daß sie so selbst wieder
aus zahlreichen kleinsten Teilstücken bestehen, dafür mußten weiter-
hin vor allem noch die bei dem Studium der Ontogenesis gemachten
Erfahrungen sprechen, die Beobachtung, daß durch die Vereinieung
zweier solcher Zellen, der Ei- und Samenzelle, die Grundlage zur
Entwickelung eines neuen Organismus gegeben ist, der die Eigen-
schaften seiner Eltern, bisweilen die individuellsten, gerinefügigsten
Züge derselben getreulich reproduziert. Denn eben diese Zellen
müssen so die spezifischen Eigenschaften und latenten Merkmale
vertretende Individualitäten besitzen, „Anlagen“, in deren Gesamt-
heit das neuentwickelte Lebewesen gleichsam vorgebildet, potentiell
enthalten ist, und durch deren Teilungen etc. nun eben ihre Ent-
faltung statthat.
Tatsächlich nun kam man ja auch gar bald, wie man
sich durch weitere phytotomisch-entwickelungsegeschichtliche Unter-
suchungen orientierte, wirklich morphologisch zu ganz anderen
Auffassungen über die Zelle und ihre Bedeutung, indem man zu-
nächst die Schleiden-Schwann’sche Theorie zu Gunsten der be-
sonders von (46) Schultze begründeten Protoplasmalehre aufeab. Es
stellte sich nämlich tatsächlich auch heraus, daß sie in Wirklichkeit
gar nicht die letzte Lebenseinheit ist, sondern ein höchst kompli-
ziertes Gebilde repräsentiert, in dem die bereits angeführten, für
die Organismen typischen Reaktionen noch einer ganzen Reihe von
untergeordneten, inhomogenen, morphologisch und physiologisch
streng differenten Teilstücken zukommen: Von diesen wären zu
nennen die meist mehrere Nukleolos in sich bergenden Nuklei, die
von der Zentrosphäre umhüllten Zentrosomen, die als Chloro-,
Chromo- und Leuko-Plasten in die Erscheinung tretenden Chroma-
tophoren etc., alles lebende Individualitäten mit großer funktioneller
Selbstständigkeit.
Aber auch diese eben erwähnten Körper durfte man bei so
beträchtlicher Manniefaltiekeit der äußeren Erscheinung besonders
noch nach Kenntnisnahme der Differenzierung wieder des Zyto-
plasma in ein schaumartige Alveolen bildendes Alveolar- oder
Trophoplasma, und ein fadiges Filar- oder Kinoplasma, vor allem
aber nach Entdeckung der gelegentlich der indirekten Kernspaltung,
der Karyokinese, eintretenden Chromatin-Teilung ganz offenbar
wieder noch nicht als letzte „lebende Elemente“ betrachten. Denn
so hätte ja, ganz abgesehen von diesen Tatsachen, auf jede Einheit-
lichkeit und Übersichtlichkeit der Auffassung von vornherein
Verzicht geleistet werden müssen, und dann können wohl unsere
Teilkörper offenbar auch nicht die stofflichen Träger der erblichen
Eigenschaften sein. Auch (47) Wiesner begründet die Notwendig-
keit der Annahme einer „Elementarstruktur“ im allgemeiner Weise
weiterhin: „Wenn im Leben der Organismen der Teilung eine so
große und weitauszedehnte Wirksamkeit zufällt, und wenn man
den Gang der Forschung erwägt, der uns fortwährend mit neuen
Teilkörpern bekannt macht, so muß wohl zugestanden werden, dab
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 31]
wir in der Teilungsfrage noch nicht bis an das letzte Ziel gelangt
sind, und daß es im Organismus noch Teilungsvorgänge gibt, die
sich bis jetzt der direkten Wahrnehmung entzogen haben. Es ist
deshalb eine, ich möchte sagen, durch den Entwickelungsgeang der
neueren Forschung uns förmlich aufgenötiete Annahme, dab das
Protoplasma noch andere, teilungsfähige, organisierte Individuali-
täten birgt, ja daß es ganz und gar aus solchen lebenden Teilungs-
körpern bestehe.“
War man aber nun so einmal, falls man nicht jede Möglich-
keit eines guten, leichten Verständnisses der physiologischen Pro-
zesse entbehren wollte, zur Annahme letzter, kleinster, wahrer
Lebenseinheiten gezwungen, so durfte man auch vor, infolge der
Häufung unseres Detailwissens erforderlichen Theorien und Hypo-
thesen nicht zurückschrecken. Zudem war es ja bislang nie ge-
glückt, die allerfeinste Organisation unserer eroben, sinnlichen
Wahrnehmung zugänglich zu machen, und vorläufig wenigstens dürfte
auch nicht die geringste Aussicht dazu bestehen. Denn wenn
wir bedenken, daß der überhaupt erst bei starker Vergrößerung
sichtbare, dann noch als homogene Masse erscheinende, bei einem
Lebewesen, wie beim anderen aussehende Samenfaden unzählige
komplizierte Eigenschaften des Vaters auf das Ei überträgt, und
daß diese gleiche Substanz die differentesten Wirkungen im Laufe
der ontogenetischen Entwickelung ausübt, in der die in Ei und
Samen latenten Eigenschaften allmählich erst offenbar werden, so
müssen ja hier zweifellos Organisationsverhältnisse vorliegen, die
auch mit dem Hülfsmittel der besten Mikroskope kaum erschlossen
werden dürften.
Wie nun der Chemiker, um sich ein klares Bild über die
näheren Vorgänge und Ursachen der chemischen Prozesse machen
zu können, eine eigene Disziplin schuf, die Strukturchemie, durch
die tatsächlich auch die Reaktionen verständlich und begreiflich
erscheinen, so wurden nun eben in analoger Weise, zum ent-
sprechenden Zwecke, auf wissenschaftlicher Grundlage, auch von
Seiten der Biologen, Vorstellungen gebildet von entsprechenden
kleinsten lebenden Gebilden, die aber durch eben ihre Lebens-
fähigkeit in fundamentaler Weise sich von den Einheiten der Che-
miker unterscheiden.
Freilich ist ja auch der Biologe, da sich das Organische aus
denselben Elementen aufbaut wie das Anorganische, im letzten Grunde
ebenfalls auf dieselben Atome und Moleküle verwiesen, aber es
sewährt doch eben die Annahme der Klementarstruktur, worauf
auch Wiesner hinweist, für das Verständnis aller physiologischen
Vorgänge, für Regeneration und Vererbung unschätzbare und un-
entbehrliche Vorteile. Denn ohnedies erscheinen diese Prozesse
völlig unverständlich. Auch ergibt sich so eine unendlich größere,
vollständigen Klarheit betreffs des Wachstumsprozesses gegenüber
den „verworrenen“ Ansichten über Intussuszeption und Apposition.
Denn nur durch die Annahme eines letzten lebenden Elementes ist
uns ein zwar schematischer, aber vollkommen klarer Einblick (48)
in die allerfeinste Tlektonik ermöglicht, „wie man ihn in den mo-
312 Ritter, Das normale Flächen-, Längen- und Körperwachstum ete.-
lekularen Bau beispielsweise eines bei allerstärkster Vergrößerung
eben sichtbaren Stückchens einer verholzten Membran nie wird er-
langen können. Denn uns ist doch schon die Molekularstruktur des
beispielsweise nur aus einer Molekulart sich aufbauenden Diamanten
völlige unbekannt, andererseits aber befinden sich, wie die Tinktion
lehrt, in großartigster kompliziertester Weise dort neben kristallinen,
amorphen und kolloidalen Mineralsubstanzen noch Cellulose, Holz-
summi, Vanilin, Koniferin ete., Körper also, deren chemische Struktur
uns noch völlig unbekannt ist. Auch ist ja nur durch eine solche
Voraussetzung (48) „nicht nur der Organismus selbst auf eine letzte
Einheit zurückgeführt, auch die Haut, der Kern und die übrigen
lebenden Individualitäten der Zelle erscheinen uns gleich dem
Protoplasma unter dem gleichen morphologischen und physiologischen
Gesichtspunkte, sie erscheinen als wesentlich gleiche, wenn auch
verschieden ausgebildete und verschieden funktionierende Teile der
Zelle.“
So entstand nun also eben, um unsere Aufmerksamkeit wieder
den letzten, fingierten Lebenseinheiten zuzuwenden, z. B. die Lehre
von den (49) „Gemmulae“ Darwins, dessen provisorische Hypo-
these der Pangenesis freilich mit der Annahme einer Abgabe und
eines Transportes dieser „Keimchen“ seltsam anmutet und auch
isoliert dasteht. So bildeten sich weiter die Vorstellungen, nach
denen andererseits (50)- Herbert Spencer, dessen Ansichten sich
schon bei (51) Johannes Müller vorfinden, mit seinen, in ihrer
Gesamtheit die Organismen zusammensetzenden, durch ihr Ver-
mögen, sich einer speziellen Form anzuordnen, die „organische
Polarität bedingenden „Physiological units“, ferner (52) Nägeli in
seiner Hypothese eines aus Scharen von Micellen aufgebauten, als
strangartiges Netzwerk das „Ernährungsplasma“ der Zelle dureh-
ziehenden, und von hier sich kontinuierlich auf andere Zellen fort-
setzenden Idioplasmas, (33) Wiesner mit seinen Plasomen, mit
der von (94) Oscar Hertwige begründeten Biogenesis und den
Theorien von (95) Strasburger, (96) Driesch, der (57) Deter-
ıninanten-Lehre und Keimplasma-Hypothese von Weismann, und
der Lehre der (58) intracellularen Panzenesis von Hugo de Vries
eemeinschaftlich den stofflichen Träger der erblichen Eigenschaften,
in allen einzelnen Zellen als seoenwärtig voraussetzen als die
„Substanzeinheit“, die mit der Fähigkeit der Assimilation, des
Wachstumes und der Teilung begabt, die „Anlage des Ganzen“,
die „Kraft zur Bildung des Ganzen“, im sich enthält. $
Diesen Gebilden also, zu deren Annahme Gründe ganz an-
derer Art, als unsere in dieser Arbeit dazu bestimmenden es sind,
führten, möchte ich nun auch unsere letzten Teilkörper zur Seite
stellen, da ja in allen Fällen dieselben Grundeigenschaften vin-
diziert werden, und die Kontinuität einer Entwickelung nach einem
bestimmten Prinzip ja ebenfalls Vererbung voraussetzt. Und wenn
wir nun dann eben auch wie Spencer und Wiesner speziell
annehmen, daß, wie die ganze Pflanze sich in viele Millionen von
Zellen gliedern läßt, so auch wieder diese Zellen, jede in ihrer
Gesamtheit, in allen ihren einzelnen Teilen und Teilstücken sich
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 315
aus elementaren Lebenseinheiten aufbauen, die, hier das Plasma
nebst seinen mannigfachen differenzierten Körpern, dort aber den
Kern, die „Lininfäden, Nukleinmassen etc. gesetzmäßig zusammen-
setzen, dabei aber doch stets als integrierte Teile eines Organismus
in organischen Beziehungen zueinander verbleiben, so stellen wir
uns ja trotzdem, dem obieen zufolge, mit den übrigen Forschern
keineswegs in einen prinzipiellen Widerspruch. Denn dieselben
verbinden ja trotz der Verschiedenheit der Bezeichnungen mit
ihren kleinsten lebenden Gebilden, im Grunde genommen, stets
ein und dieselbe Vorstellung, und so sind ja, wie (59) Hertwig
erklärt, die physiologischen Einheiten Spencers, die Plasome
Wiesners gleichsam Stückchen des durch den ganzen Körper als
Netz verbreiteten Idioplasmas Nägelis. Das ist aber nach der Lehre
von ihm, identisch mit seinen mit „spezifischer Energie“ ausgestatteten
„Artzellen“, und zufolge der Anschauungen von Strasburger,
Driesch, de Vries, in Berücksichtieung der Äquivalenz der
männlichen und weiblichen „Erbmasse“, der gleichwertigen Ver-
teilung derselben auf die aus dem befruchteten Eie hervorgehenden
Zellen, der Verhütung der „Summierung der Erbmassen“, und der
„Isotropie“ des Protoplasmas in den Zellkernen enthalten. Und von
hier aus vermag es dann der Lehre der intracellularen Pangenesis
zufolge, soweit es nicht mehr latent, „aktiv“ wird, in das Plasma
der Zelle einzuwandern, um hier nun den Ausgangspunkt für die
manniefachen Plasmaprodukte zu bilden. Denn es bindet je nach
dem „morphologischen Ort“ ete. die verschiedenartigste Materie
an sich, und nimmt zweifellos auf diese Weise neben der Über-
lieferung des Charakters auch an der Entwickelung teil.
Außer den erwähnten Vorteilen aber, ganz abgesehen davon,
daß so unsere konstatierten Gesetzmäßigkeiten am allereinfachsten
ihre ursächliche Motivierung erfahren, meine ich aber mit der
Annahme eines Aufbaues der gesamten Zelle aus Plasomen auch
noch in anderer Beziehung den beobachteten Tatsachen am besten
Rechnung zu tragen. Denn so ist zunächst schon von (60)
Wiesner mit positiver Sicherheit in exakter Weise der Nachweis
erbracht werden, daß entgegen einer vielverbreiteten Anschauung
auch die Haut der Zelle, wenigstens solange sie sich in organischem
Wachstume befindet, sich keineswegs als tot erweist, sondern ein
lebendes Plasma- und Eiweißstoffe führendes Glied derselben ist.
Während dieser Zeit muß sie, weder fihrillär noch geschichtet,
aus kleinsten, Jebenden Individualitäten, Dermatosomen bestehen.
Denn wenn auch wohl meist bei der Teilung von Zellen ein Teil
der Membran der Mutterzellwand in die Wandbildung der Tochter
eintritt, und der Rest vom lebenden Zellleibe her ergänzt wird,
wird doch beispielsweise bei der Sprossung von Saccharomnces und
der Konidienbildung die Membran „in toto* veteilt, und aus einer
winzigen Hautanlage der Mutterzelle unter Beteiligung des Proto-
plasmas wächst die Tochterzelle heran, die sich unter völligster
Abschnürung der Haut von der Mutterzelle ablöst. Zudem gelang
es ja auch, beim sogenannten Karbonisierungsverfahren Aggregate
von Plasomen der Wahrnehmung zugänglich zu machen.
3/4 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete.
Dann läßt sich ja auch die Ansicht, dab der den Zellkern
umgebende Teil des Protoplasmas, das Zytoplasma, sich nicht
aus Plasomen aufbaue, bei unseren Vorstellungen von deren
Eigenschaften weder mit den Forschungsergebnissen über die
sogenannten „Gallen“, noch mit den Resultaten der Studien über
Bastardbildung vereinen, da es sehr wohl auch für die Wachstums-
und Gestaltungsvoreänge Bedeutung hat, und so in beiden Fällen
auch eine Beeinflussung des ausschließlich von ihm beeinflußten
(sewebes resultiert. So ist ja auch die Frucht z. B., die durch Be-
leeung der Pflanze A mit dem Pollen der Spezies B gebildet wird,
bezüglich der Gestalt, Größe und Farbe von den der Art A eigenen
Früchten höchst different, und gibt bereits den Einfluß des Sperma-
kernes von B zu erkennen. Der ist aber auf das Ei nur durch
das diese zwei Kerne umhüllende Zytoplasma übertragen worden,
welches auch wirklich eine der den Kern betreffenden gleiche oder
mindestens sehr ähnliche Veränderung erfährt, offenbar wieder nur
bei gleicher materieller Grundlage denkbar. Zudem mußte ja auch
direkt eine (61) „Erhlichkeit außerhalb des Zellkernes“ vindiziert
werden, zur Erklärung dafür, daß unsere, zu Beginn unseres Ab-
schnittes mehrfach erwähnten Träger spezifischer Funktionen,
Stärkebildner, Chromatophoren etc. bei jeder Zellteilune von einer
auf die andere Zelle mit übergehen. Bedenken wir nun noch, dab
auch die Erscheinung der (62) Merogonie für unsere Ansicht sprechen
muß, indem kernlos gemachte Eifragmente nach der Befruchtung
durch einen Samenfaden gleichwohl sich zu Lebewesen zu entwickeln
vermögen, welche die Eigenschaften beider Elternreproduzieren Können,
daß ferner (63) Kern und Plasma sich im Laufe der phyllogenetischen
Entwickelung wahrscheinlich erst allmählich aus einer gemeinsamen
Substanz, in der sie ja heute noch bei vielen Nostocaceae, Oscel-
latoriaceae etc. vereinigt sind, dem Archiplasma, herausdifferen-
zierten, und somit zum Teil fundamentale Strukturdifferenzen sicher-
lich nicht aufweisen werden, so dürfen wir wohl nunmehr aus allen
diesen Gründen also mit vollstem Rechte annehmen, daß — wenn
überhaupt eine Elementarstruktur besteht; und darauf sahen wir
alles hindeuten — sich die Zelle in ihrer vollen Gesamtheit aus
unseren lebenden Teilkörpern aufbaut. Dabei ist wohl nicht zu
befürchten, daß wir andrerseits Gefahr laufen, der biologischen
Bedeutung des Kernes wenig gerecht zu werden und den Grund-
charakter der Vererbungstheorien zu verwischen. |
Dazu brauchen wir aber gar nicht erst mit Nägeli für die
Assimilations- und Wachstumsvorgänge ein besonderes in Kontinuität
stehendes, durch den Gesamtorganismus im Zusammenhange sich
durchziehendes spezielles Ernährungsplasma annehmend, lediglich
dessen letzte Individualitäten für das Zustandekommen der konsta-
tierten Gesetzmäßiekeiten verantwortlich machen, sondern können
ruhige mit Wiesner in jedem Plasome ein Vererbungsorgan er-
blicken. In jedem einzelnen solchen sind dann eben die gestal-
tenden Kräfte enthalten, die das geteilte durch Wachstum zu einem
neuen sich ergänzen lassen, wo schon durch die bestimmte Lage
im „Keimplasma“ unter Mitwirkung aller anderen die organische
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete, 315
Entwickelung beeinflussender Faktoren ete., die im Laufe des on-
togenetischen Wachstumes eintretende Vielgestaltigkeit begründet ist.
Auf diese Weise ist wirklich in letzter Konsequenz eine letzte,
wahre „Einheit“ geschaffen, die das Gesetz der Einheit auch im
inneren Baue der Organismen in umfassendster Weise berück-
sichtiet. Denn ist so ja wohl schon an sich klar, daß die letzten
lebenden Elemente sich gegenseitig viel näher stehen werden, als
die Zellen und ihre sonstigen Teilstücke einander, so ergibt sich
für uns hier direkt die Notwendigkeit der Annahme gleicher Ge-
stalt und Größe noch verständlicher, da ja unsere Einheiten, die
den gesamten Organismus aufbauen, aus nur relativ wenigen solchen
im „Keimplasma“ ihren Ursprung durch Teilungen nehmen müssen,
mögen sie nun im Laufe der ontogenetischen Entwickelung in ge-
“ wisse Dauerzustände übergehen, oder als „Keimplasome“ ihre Teilungs-
fähiekeit und Gestaltunestendenz bewahren. Denn wenn wir bei den
Variationen aller Dimensionen bei gleicher Wachstumsart je die
völlig gleichen arithmetischen Zwischenzahlen diskontinuierlich va-
riieren sehen, so erfährt diese Erscheinung doch offenbar stets ihre
einfachste Begründung mit der Annahme eines gleichen Durch-
messers unserer Einheiten, und da janach (64) Kerners Raisonnement
den kleinsten, zum Aufbaue verwendeten lebenden Raumgebilden
Kristallform nicht zukommen kann, liegt es nahe, an den höchsten
Grad der Symmetrie, an Kugelgestalt zu denken; und wenn nun
weiter nicht nur bei dem Wachstume eines einzelnen bestimmten
Orgsanes, nicht nur bei den Variationen aller homologen eines In-
dividuums, einer Art, sondern stets, ungeachtet einer Stellung der
Spezies in der Stammesgeschichte, abgesehen von unvermeid-
lichen Beobachtungsfehlern, je ganz bestimmte, einheitliche
gleiche Gesetzmäßiekeiten, stets also Zahlen einer mathematisch
festgelegten, einheitlichen Reihe zur Erscheinung gelangen, so ist
eben diesem Umstande wieder nur so am einfachsten Rechnung
zu tragen, daß wir auch eine stets gleiche Größe voraussetzen. Ja,
vielleicht ließe sich dies überhaupt für alle Plasome, ohne Rück-
sicht auf das Organ, das sie jeweilig aufbauen, vindicieren, indem
die Multipla, z. B. der zehnfache Wert bei Quadrat- und Kubik-
wurzeln, dann ihre Beeründung in der Art und Weise der An-
ordnung in der jugendlichen Anlage erfahren. So erklären wir ja
auch bezüglich der einzelnen Dimensionen die Differenz je der re-
lativen Lagen des Hauptgipfels bei Messungen der Länge, der Breite,
respektive der Tiefe an einem Objekte, daß wir durch die Ver-
teilung der Teilkörper in der Anlage schon die eine oder andere
der senkrecht zueinander stehenden Richtung bevorzugt annehmen.
So lassen sich also im großen und ganzen dann die ver-
schiedenen Formen und Organe, wie sie uns an einer Art
entgegentreten, etwa den mannigfachen Erscheinungsformen
zur Seite stellen, die der Baumeister aus selbst völlig gleichen
Bausteinen zu erzielen vermag. Dann dürfte der Unterschied, der
zwischen den Spezies ‘bezüglich dieses Baumateriales besteht, bei
sleicher Größe und Gestalt ete. ein solcher sein, wie er infolge
der inneren Entwickelungsfähigkeit (um einen Vergleich Nägeli’s
316 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete.
hier zu benutzen), beispielsweise beim Wasserstoffe eintreten kann,
indem sich hier physikalische Eigenschaften verändern, aber stets
doch der Grundcharakter des Elementes konserviert bleibt. So
würden dann eben eventuelle Veränderungen, die die Keimplasome
betreffen, eine Mutation bedingen und so wären vor allem die
Rückschläge einer Form zur Stammform, die Fälle von Atavismus,
am besten erklärlich. Denn eben nur so ist am besten bei unserer
Auffassung, da eben die wieder eintretenden alten Bedingungen
das Plasom die alten früheren Eigenschaften besitzen lassen, eine
eben so einfache wie tatsächliche Motivierung gegeben.
Jedenfalls aber sehen wir, daß auf diese Weise kein Wider-
spruch zu irgend einer. beobachteten Tatsache besteht, ja daß wir
bei einer solchen Wachstumstheorie vielmehr am besten mit Vor-
stellungen, zu denen Lebensvorgänge ganz anderer Art führten,
im Einklange stehen. Da wir nun auch noch mit dem wichtigen
als logisches Axiom erscheinenden Faktor rechnen, daß alles Lebende
aus Lebendem hervorgeht — omnis cellula e cellula, omnis nucleus.
e nucles, omne granulum e granulo — so besitzt unsere Hypothese
jedenfalls Berechtigung, solange wenigstens, bis wir einmal sicher
wissen, wie wirklich die Gesetzmäßiekeiten des Längen-, Flächen-
und Körperwachstumes zustande kommen.
Wie ich nun bereits erwähnte, bestätigen unsere schen
Ermittelungen auch die Richtigkeit der Ansicht des Herrn Hofrat
Prof. Dr. Ludwig. Zur Publikation teilt er mir dieselbe in dankens-
werter, liebenswürdiger Weise wie folgt mit:
„Das Wachstum der Pflanzen erfolgt diskontinuierlich, in ge-
setzmäßigem Rhythmus, wie die mehreipfeligen Variationspolygone
mit konstanter Gipfellage beweisen.
Das führte mich zu der Hypothese, daß sich die organischen
Einheiten der pflanzlichen (tierischen) Substanz nach bestimmten
Teilungsgesetzen vermehren, wobei die Teilstücke sich auf den
Raum der ursprünglichen Einheiten ausbreiten, bevor sie von neuem
geteilt werden.
Die Teilungsgesetze, welche am meisten Verbreitung haben,
sind bei niederen Pflanzen das der Potenzreihe 2”
1 2 4 8 16 32 64 128
bei höheren das der von mir aufgestellten Reihe
: 2 3 5) 8 10 13 16 18.21 20 0a
welche sich durch Einführung von Unterstufen bei der Kaninchen-
vermehrung des Fibonacei ergibt. Außerdem dürften vielleicht
noch die eine oder andere der von mir und später von Wasteels
aufgestellten Vermehrungsreihen vorkommen.
Seien allgemein die Zahlen des für die betreffende Art
geltenden Teilungsgesetzes der Einheiten bezw. nı Ns Ds . . ., SO
werden bei linearem Wachstume die Längen durch entsprechende
Hauptetappen hindurchgehen, und die Ordinaten für die Gipfel des
Variationspolygones der Länge müssen in dem Verhältnisse n, :n3:n;
2
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 317
stehen. In dem gleichen Verhältnisse müssen nach der obigen
Hypothese die Gipfelordinaten der Variationspolygone der Flächen-
inhalte und Volumina solcher Gebilde stehen, die während des
Flächenwachstumes, bezw. im letzteren Falle des dreidimensionalen
Wachstumes ihre Gestalt nicht ändern, d.h. mathematisch „ähnlich“
bleiben.
Da sich nun aber ähnliche ebene Figuren wie die Quadrate
und ähnliche Körper wie die Kuben entsprechender Dimensionen
verhalten, so werden die Gipfelordinaten der Variationspolygone
für Längen, Breiten etc. bei Flächenwachstum im Verhältnisse
Ya ns > ns ..., bei körperlichem Wachstume (Früchte, gestauchte
SIEER STE IUE S Sh Eee
Stengel etc.) im Verhältnisse m : ns :yns... stehen müssen.“
Literaturangabe.
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de l’homme. Leipzig 1870-71.
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(Phil. Trans. Roy. Soc. London. CLXXXV; A, 71-110, Pls. 1-5;
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mann & Hall) 1904.
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8. Ludwig, Fr., vgl. 6.
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schaften. (Berichte der deutschen bot. Ges. XII. 350—355.)
11. Ludwig. Fr., Ein fundamentaler Unterschied in der Variation bei Tier und
Pflanze. (Bot. Jaarboek, Kruidkundig Genootschap Dodonaea te Gent.
XI. 1899.)
12. Müller, Otto, Berichte der deutschen bot. Ges. I. p. 35—44.
13. Ludwig Fr., vgl. 6.
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druckerei.
[8
wo
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318 Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete.
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.— vgl. M.
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. Vgl. Eichler, Blütendiagramme. Leipzig (Engelmann) 1875—78.
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dies Verve HSV/els le
. Ibidem.
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(Beihefte z. Bot. Centralbl. Bd. XXTII. 1907. Abt. II.)
. Vgl. z. B. Warming, Ökolog. Pflanzen-Geographie. Berlin 1902. p. 395 ete.
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Ausbildung der Laubblätter. (Jenaische Zeitschr. f. Naturw, XVI. 1883.)
a\Wacmun en vel 352 821%
38. Malpighi, Marcelius, Anatome plantarum. 1674.
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. Purkinje, Jahrbücher für wiss. Kritik. 1840. V. p. 33—38.
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patholog. Gewebelehre. II. Aufl. 1862.
. Schultze, Max, Das Protoplasma der Rhizopoden und der Pflanzenzelle.
. Wiesner, J., Elementarstruktur und das Wachstum der lebenden Substanz.
Wien 1892.
. Ibidem.
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. Spencer, H., Prinzipien der Biologie. S. 258, 276-278. Faktoren der
organ. Entwickelung. Kosmos 1886.
. Müller, Joh., Lehrbuch der Physiologie. 1840. Kap. XVII.
. Nägeli, Mechanisch-physiol. Theorie der Abstamm.-Lehre. 1884.
. Wiesner, vgl. 47.
. Hertwig, Oscar, Zeit- u. Streitfragen der Biologie. Jena 1894 resp.
SEN, leal, I0E
. Strasburger, Ed., Neue Untersuchungen über den Befruchtungsvorgang
als Grundlage einer Theorie der Zeugung. 1884.
. Driesch, Analytische Theorie der organischen Entwickelung. Leipzig 1894,
. Weismann, Das Keimplasma. Jena 1892.
8,
de Vries, H,, Interzellulare Pangenesis, Jena 1889,
63.
64.
Ritter, Das normale Längen-, Flächen- und Körperwachstum ete. 319
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. Wiesner, J., Untersuchungen über die Organisation der vegetabilischen
Zellhaut. (Sitz.-Ber. der k. Ak. der Wiss. Math.-nat. Klasse. Bd,
XCIII. 1886.)
. de Vries, vgl. 58.
2. Boveri, Über die Befruchtung und Entwickelungsfähigkeit kernloser See-
igeleier. (Arch. f. Entw.-Mech. Bd. II. 1895.)
Wiesner, vgl. 47.
Kerner von Marilaun, Pflanzenleben. Bd. I. p. 550.
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Prof. Dr. Georg Hieronymus in Berlin.
Begründet 1852 durch Dr. Rabenhorst
als »Notizblatt für kryptogamische Studien«.
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Y 1864—1867 ( „ U-VI . ai „ 6—
.; FRCBLT NEN NND TE Be N 120
r 1869—1872( „ VI-—XI) a u 6—
1873—1888( „ XUI-XXVD . . .a „ 8—
7 1889—1891 ( „ XXVIM—XXX). . a „ 30—
4 1892—183 ( „ XXXI-XXXD. .a „ 8—
5; 1894—1896 ( „ AXXIU-—XXXV) .a „12—
„ 1897—1902 ( „ XXXVI—XLI) a „ 20.—
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